Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik 9783110252736, 9783110252712

This study presents an in-depth examination of book policies during the Nazi era in the context of modern mass media and

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German Pages 448 [452] Year 2011

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Table of contents :
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Vorbemerkung: Das Prinzip der totalitären Differenzierung als Verfahren der Gleichschaltung
1. Der Stellenwert des Buches in der modernen Mediendiktatur
1.1. Die Vorteile des Buchmediums für die totalitäre Propaganda
1.1.1. Symbolisches Kapital: der Kulturwert des Buches
1.1.2. Tiefenwirkung: »Was bleibet aber, stiften die Dichter«
1.1.3. Personalisierbarkeit: Propaganda nach Maß
1.1.4. Handlichkeit: »Bis in die vorderste Linie und bis in das Gefecht hinein«
1.1.5. Die Funktionen des Buches in Metaphern
1.2. Das Buch als Plattform für die langfristig angelegte Identitäts- und Bildkonstruktion
1.2.1. Der Umgang mit deutschen und deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen
1.2.1.1. Der Versuch der Vergemeinschaftung: Die deutsche ›Volksgemeinschaft‹
1.2.1.2. Der Versuch der Assimilation: Das großdeutsche Reich
1.2.1.3. Das gemeinschaftsbildende ›Erlebnis‹ als literarisches Thema und Verfahren
1.2.2. Der Umgang mit germanischen Bevölkerungsgruppen: das Beispiel Flandern
1.2.2.1. Der Balance-Akt zwischen Eigenständigkeit und Zugehörigkeit
1.2.2.2. Die Konstruktion germanischer Verbundenheit
1.2.2.3. Die unbeabsichtigte Spannung zwischen ›eigen‹, ›anders‹ und ›fremd‹
1.2.3. Der Umgang mit ›Freund-› und ›Feindstaaten‹
1.2.3.1. Totalitäre Differenzierung zwischen Buch und Presse: das Beispiel Russland
1.2.3.2. Die schützende Unverbindlichkeit der Belletristik: das Beispiel England
1.2.3.3. Totalitäre Differenzierung zwischen Fiktion und Nonfiktion
1.2.4. Literatur als Instrument für nationale Identitätsund Bildkonstruktion aus Goebbels’ Sicht
2. Hintergründe, Erscheinungsformen und Ergebnisse der Buchförderungspolitik
2.1. Die Prioritätenverlagerung: »Nur dem Besseren weicht das Schlechte«
2.2. Beispiele der Buchförderung: »Mit dem Buch ins Volk«
2.2.1. »Woche des Deutschen Buches«
2.2.2. »Winterhilfsspende des deutschen Schrifttums«
2.2.3. »Was soll ich lesen?«
2.2.4. »Das Buch im Felde«
2.2.5. »Die größte Bücherei der Welt«
2.3. ›Externe‹ Einflüsse auf die Schrifttumsförderungspolitik
2.3.1. Die Weltwirtschaftskrise (1928–1932)
2.3.2. Die Kriegsjahre (1939–1945)
2.3.2.1. Buch- und Branchenkonjunktur
2.3.2.2. Papierknappheit und Luftkrieg
2.3.3. Schlussbemerkung
3. Binnendifferenzierung der Literatur im Dritten Reich
3.1. ›Literatur im Dritten Reich‹ als Gegenstand der Forschung
3.1.1. Forschungsüberblick
3.1.2. Auswertung
3.1.3. Ausblick
3.2. Eine begriffsorientierte Typologie der Literatur im Dritten Reich
3.2.1. »Etwas Kitsch muß sein« vs. »Schluß mit dem Kitsch!«
3.2.1.1. ›Kitsch‹ als Chiffre für eskapistische Trivialliteratur
3.2.1.2. ›Kitsch‹ als Chiffre für pseudo-politische ›Konjunkturliteratur‹
3.2.2. »Die spezifisch nationalsozialistische Dichtung ist im Werden«
3.2.2.1. Literarische Qualität
3.2.2.2. Thematische ›Wirklichkeitsnähe‹
3.2.2.3. Weltanschauliche ›Gestaltung‹
3.2.2.4. Nationalsozialistischer Realismus
3.2.3. ›Literatur‹ versus ›Dichtung‹?
3.2.4. ›Das gute Buch‹
3.2.5. Schlussbemerkung
3.3. Die Deutungskategorie der totalitären Ungleichzeitigkeit
3.3.1.1 Das ›Nachhinken‹ der ›Dichtung‹
3.3.1.2. Die Vorausdeutung in der ›Dichtung‹
3.3.1.3. Die Fortwirkung der Vergangenheit in ›Kitsch‹ und ›Literatur‹
3.3.1.4. Der Schein in ›Kitsch‹, ›Literatur‹ und ›Dichtung‹
3.4 Vom Anspruch zum Kompromiss am Beispiel des Unterhaltungsschrifttums
3.4.1. »Zarathustra im Tornister des deutschen Musketiers«
3.4.2. »Es kann nicht alles Dichtung sein«
3.4.2.1. Der Bedarf am ›anderen‹ Buch
3.4.2.2. Die Erziehung zum ›guten Buch‹
3.4.3. »Neuplanung eines wahrhaft deutsch orientierten Unterhaltungsschrifttums«
3.4.3.1. Forderungen an das ›gute deutsche Unterhaltungsbuch‹
3.4.3.2. »Dichter, schreibt Unterhaltungsromane!«
3.4.4. Schlussbemerkung
Schlussbetrachtung
Abbildungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Namenregister
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Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik
 9783110252736, 9783110252712

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STUDIEN UND TEXTE ZUR SOZIALGESCHICHTE DER LITERATUR

Herausgegeben von Norbert Bachleitner, Christian Begemann, Walter Erhart, Gangolf Hübinger

Band 131

Ine Van linthout

Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik

De Gruyter

Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.

Redaktion: Gangolf Hübinger

ISBN

978-3-11-025271-2

e-ISBN 978-3-11-025273-6 ISSN

0174-4410

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Linthout, Ine van. Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik / Ine Van Linthout. p. cm. „ISSN 0174-4410“--T.p. verso. Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-025271-2 (alk. paper) 1. Books and reading--Germany--History--20th century. 2. Publishers and publishing--Germany--History--20th century. 3. National socialism and publishing. 4. Nazi propaganda. I. Title. PT405.L527 2011 302.23‘2094309043--dc23 2011020694

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 2008 von der HumboldtUniversität zu Berlin und der Universiteit Antwerpen als Dissertation angenommen. Ohne vielfältige Hilfe und Unterstützung läge die Arbeit nicht in ihrer heutigen Form vor. Gedankt sei an dieser Stelle Prof. Dr. Erhard Schütz und Prof. Dr. Vivian Liska, die die Arbeit wissenschaftlich betreut haben. Für wertvolle Anregungen und Ratschläge schulde ich auch Dr. habil. Ralf Klausnitzer und Dr. Winfried Dolderer Dank. Bei Prof. Dr. Anke Bosse, Prof. Dr. Anne Peiter und Dr. Philipp Stiasny bedanke ich mich für das erste Korrekturlesen einzelner Kapitel. Den Mitarbeitern der von mir in Anspruch genommenen Archive und Bibliotheken sei für ihre stete Hilfsbereitschaft gedankt. Dem Siemens-Archiv, Bertelsmann-Archiv, Daimler-Benz-Archiv, Börsenverein, SOMA und Bundesarchiv gilt mein Dank für die Bereitstellung von Abbildungen. Finanziell unterstützt wurde die Forschung von dem Fonds für Wissenschaftliche Forschung-Flandern, der Universiteit Antwerpen und dem Deutschen Akademischen Austausch Dienst. Für die kritische Durchsicht und das Lektorat des Manuskripts habe ich Dr. Christine Henschel, für die angenehmen Kontakte mit dem Verlag ebenfalls Dr. Manuela Gerlof und Susanne Mang zu danken. Zum Schluss möchte ich mich ganz besonders bei meinen Freunden und meinen Eltern bedanken, die diese Arbeit in vielerlei Hinsicht erst ermöglicht haben. Antwerpen, im April 2011

V

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Vorbemerkung: Das Prinzip der totalitären Differenzierung als Verfahren der Gleichschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Der Stellenwert des Buches in der modernen Mediendiktatur . . . . . . 1.1. Die Vorteile des Buchmediums für die totalitäre Propaganda . . . . . . . 1.1.1. Symbolisches Kapital: der Kulturwert des Buches . . . . . . . . . 1.1.2. Tiefenwirkung: »Was bleibet aber, stiften die Dichter« . . . . . . 1.1.3. Personalisierbarkeit: Propaganda nach Maß . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.4. Handlichkeit: »Bis in die vorderste Linie und bis in das Gefecht hinein« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.5. Die Funktionen des Buches in Metaphern . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Das Buch als Plattform für die langfristig angelegte Identitäts- und Bildkonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1. Der Umgang mit deutschen und deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1.1. Der Versuch der Vergemeinschaftung: Die deutsche ›Volksgemeinschaft‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1.2. Der Versuch der Assimilation: Das großdeutsche Reich . . . . 1.2.1.3. Das gemeinschaftsbildende ›Erlebnis‹ als literarisches Thema und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2. Der Umgang mit germanischen Bevölkerungsgruppen: das Beispiel Flandern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2.1. Der Balance-Akt zwischen Eigenständigkeit und Zugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2.2. Die Konstruktion germanischer Verbundenheit . . . . . . . . . . . . 1.2.2.3. Die unbeabsichtigte Spannung zwischen ›eigen‹, ›anders‹ und ›fremd‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3. Der Umgang mit ›Freund-‹ und ›Feindstaaten‹ . . . . . . . . . . . .

37 41 46 66 79 84 86 89 91 91 100 110 117 117 119 129 138 VII

1.2.3.1. Totalitäre Differenzierung zwischen Buch und Presse: das Beispiel Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.2. Die schützende Unverbindlichkeit der Belletristik: das Beispiel England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.3. Totalitäre Differenzierung zwischen Fiktion und Nonfiktion . . . 1.2.4. Literatur als Instrument für nationale Identitätsund Bildkonstruktion aus Goebbels’ Sicht . . . . . . . . . . . . . . .

138 141 148 150

2. Hintergründe, Erscheinungsformen und Ergebnisse der Buchförderungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2.1. Die Prioritätenverlagerung: »Nur dem Besseren weicht das Schlechte« . . 2.2. Beispiele der Buchförderung: »Mit dem Buch ins Volk« . . . . . . . . . . . . 2.2.1. »Woche des Deutschen Buches« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2. »Winterhilfsspende des deutschen Schrifttums« . . . . . . . . . . . 2.2.3. »Was soll ich lesen?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4. »Das Buch im Felde« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5. »Die größte Bücherei der Welt« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. ›Externe‹ Einflüsse auf die Schrifttumsförderungspolitik . . . . . . . . . . . 2.3.1. Die Weltwirtschaftskrise (1928–1932) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2. Die Kriegsjahre (1939–1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.1. Buch- und Branchenkonjunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.2. Papierknappheit und Luftkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163 171 175 183 189 196 204 211 214 221 228 237 243

3. Binnendifferenzierung der Literatur im Dritten Reich . . . . . . . . . . . . . 245 3.1. ›Literatur im Dritten Reich‹ als Gegenstand der Forschung . . . . . . . . . 3.1.1. Forschungsüberblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Eine begriffsorientierte Typologie der Literatur im Dritten Reich . . . . 3.2.1. »Etwas Kitsch muß sein« vs. »Schluß mit dem Kitsch!« . . . . 3.2.1.1. ›Kitsch‹ als Chiffre für eskapistische Trivialliteratur . . . . . . . 3.2.1.2. ›Kitsch‹ als Chiffre für pseudo-politische ›Konjunkturliteratur‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2. »Die spezifisch nationalsozialistische Dichtung ist im Werden«. . 3.2.2.1. Literarische Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.2. Thematische ›Wirklichkeitsnähe‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.3. Weltanschauliche ›Gestaltung‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2.4. Nationalsozialistischer Realismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3. ›Literatur‹ versus ›Dichtung‹? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4. ›Das gute Buch‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VIII

246 246 263 271 274 274 276 287 295 298 305 315 318 322 327 331

3.3 Die Deutungskategorie der totalitären Ungleichzeitigkeit . . . . . . . . . . 3.3.1.1 Das ›Nachhinken‹ der ›Dichtung‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1.2. Die Vorausdeutung in der ›Dichtung‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1.3. Die Fortwirkung der Vergangenheit in ›Kitsch‹ und ›Literatur‹ . 3.3.1.4. Der Schein in ›Kitsch‹, ›Literatur‹ und ›Dichtung‹ . . . . . . . . . 3.4 Vom Anspruch zum Kompromiss am Beispiel des Unterhaltungsschrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1. »Zarathustra im Tornister des deutschen Musketiers« . . . . . . 3.4.2. »Es kann nicht alles Dichtung sein« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.1. Der Bedarf am ›anderen‹ Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2.2. Die Erziehung zum ›guten Buch‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3. »Neuplanung eines wahrhaft deutsch orientierten Unterhaltungsschrifttums« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3.1. Forderungen an das ›gute deutsche Unterhaltungsbuch‹ . . . . . 3.4.3.2. »Dichter, schreibt Unterhaltungsromane!« . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.4. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

333 335 337 339 341 345 347 353 354 360 362 364 378 381

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

IX

Abkürzungsverzeichnis

BArch BDB BDM BK

BuV SOMA DAF DB DNL DR DW EL ESV GA HJ KdF LB NEVB NSB NSLB NSM PA RSK SS UWW WHW WuW ZD

Bundesarchiv Berlin Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Bund Deutscher Mädel Bücherkunde. Organ des Amtes Schrifttumspflege bei dem Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP. und der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums Buch und Volk. Buchberatungszeitschrift der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums Centre for Historical Research and Documentation on War and Contemporary Society (Brüssel) Deutsche Arbeitsfront Die Bücherei. Zeitschrift für deutsche Schrifttumspflege Die Neue Literatur. Literarische Zeitschrift Das Reich. Wochenzeitung Deutscher Wochendienst Europäische Literatur. Literarische Monatsschrift Europäische Schriftsteller-Vereinigung Geistige Arbeit. Zeitschrift aus der wissenschaftlichen Welt Hitler-Jugend NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude Lektoren-Brief Nieuwe Encyclopedie van de Vlaamse Beweging Nationalsozialistische Bibliographie. Monatshefte der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS. Schrifttums Nationalsozialistischer Lehrerbund Nationalsozialistische Monatshefte. Zentrale politische und kulturelle Zeitschrift der NSDAP Presseanweisungen Reichsschrifttumskammer Schutzstaffel Unser Wille und Weg. Monatsblätter der Reichspropagandaleitung der NSDAP Winterhilfswerk des Deutschen Volkes Welt und Wort. Literarische Monatsschrift Zeitschriften-Dienst

XI

Einleitung

1933 erschien in der französischen Zeitung Le Populaire du Centre die Karikatur eines süffisant grinsenden Hitler vor einem fast leeren Bücherschrank. Kurz zuvor hatten in Deutschland Tausende von Büchern auf dem Scheiterhaufen gebrannt. Der gesamte Buchbetrieb – vom Autor über den Verlag und den Buchhandel bis hin zum Bücherei- und Buchbesprechungswesen – war zu diesem Zeitpunkt der staatlichen Kontrolle unterworfen. Viele von Deutschlands bedeutenden Schriftstellern hatten unter Zwang oder auf eigene Initiative das Land verlassen. Von den Zurückgebliebenen wurde geistiger Konformismus verlangt. Die nahezu leeren Regale spiegelten den Niedergang der deutschen Kultur. Zum sechzigsten Jahrestag der Bücherverbrennung im Jahr 1993 wurde auf das Bild des leeren Bücherschranks zurückgegriffen. Am Berliner Bebelplatz entstand ein Mahnmal zur Erinnerung an die vielen Tausend Bücher, die am 10. Mai 1933 den Flammen zum Opfer gefallen waren.1 Unter der Stelle, wo einst Deutschlands größter Scheiterhaufen loderte, blickt man heute durch eine Glasplatte auf eine unterirdische

1

1993 lobte die Stadt Berlin einen Künstlerwettbewerb aus, den der israelische Bildhauer

1

Bibliothek. Die weißen Regale sind leer. Sie demonstrieren die geistige Lücke, die die Bücherverbrennung hinterließ. Gleichzeitig sind sie als Metapher für die geistige Leere des Dritten Reiches gedacht.2 Die leere Bibliothek stellt zentrale Aspekte der nationalsozialistischen Schrifttumspolitik dar. Sie demonstriert die systematische Ausgrenzung politisch, weltanschaulich, literarisch und rassisch ›missliebiger‹ Autoren. Sie veranschaulicht die Zerstörung der Vielstimmigkeit, Freiheit und Autonomie des literarischen Lebens in der Diktatur. Sie zeigt den Anspruch des totalitären Regimes, die gesamte Buchproduktion zu überwachen und zu steuern. Sie belegt, dass all das, was an Literatur progressiv und humanistisch ist, im Dritten Reich ausgegrenzt wurde. Nicht zuletzt ist sie Symbol für die vielen Werke, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gar nicht erst geschrieben oder gedruckt werden konnten.3 Ein Gleichnis für die gesamte literarische Wirklichkeit im Dritten Reich ist die leere Bibliothek dennoch nicht, auch wenn sie von manchem Passanten als solches verstanden wird.4 In diesem Sinne gibt sie gewollt oder ungewollt zugleich auch undifferenzierte Deutungsmuster vor, denen sich eine historische Betrachtung des Dritten Reiches nicht ohne weiteres anschließen kann. Sie vermittelt das Bild eines Regimes, in dem das gesamte literarische Leben nach der Machtergreifung schlagartig zum Erliegen kam. Das Bild eines Lenkungsapparats, der seine Ansprüche uneingeschränkt verwirklichen konnte. Das Bild auch einer Diktatur, der eine affirmative Haltung zum Buch in jeglicher Form abzusprechen ist. Die Realität war in vielerlei Hinsicht komplexer, als diese Eindrücke vermuten lassen. Zur literarischen Wirklichkeit des Dritten Reichs gehören der Fortbestand

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und Konzeptkünstler Micha Ullman gewann. 1995 wurde das Mahnmal mit dem Titel ›Bibliothek‹ feierlich eingeweiht. Vgl. http://www.unter-berlin.de/Orte_der_Erinnerung.208.0.html (20.8.2010). – Weil sich der Ausdruck ›Drittes Reich‹ als übliche Bezeichnung für die NS-Diktatur durchgesetzt hat, wird er in der vorliegenden Arbeit – im Gegensatz zu anderen nationalsozialistischen Vokabeln – nicht in Anführungszeichen gesetzt. Zur nationalsozialistischen Zensur-, Indizierungs- und Gleichschaltungspolitik im literarischen Bereich vgl. u.a. Sebastian Graeb-Könneker (Hg.): Literatur im Dritten Reich. Dokumente und Texte. Stuttgart 2001, insbes. S. 78–113; Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im ›Dritten Reich‹. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. München 1995; Dietrich Aigner: Die Indizierung ›schädlichen und unerwünschten Schrifttums‹ im Dritten Reich. Frankfurt/M. 1971. Zu den Bücherverbrennungen vgl. u. a. Hans-Herbert Wintgens / Gerard Oppermann: 1933. Verbrannte Bücher, verbrannte Autoren. Hildesheim 2006; Werner Treß: ›Wider den undeutschen Geist‹. Berlin 2003; Wolfgang Benz (Hg.): Bücherverbrennung Mai 1933. Geschichte und Wirkung. Themenheft der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 5 (2003); Thomas Lischeid: Symbolische Politik. Das Ereignis der NS-Bücherverbrennung 1933 im Kontext seiner Diskursgeschichte. Heidelberg 2001. Als ich das Mahnmal besichtigte, kam ich zufällig mit einem Vorbeigehenden ins Gespräch und wurde nach dem Thema meiner Dissertation gefragt. »Der Stellenwert des Buches in der nationalsozialistischen Propagandapolitik«, staunte der Mann. »Da wird es nicht viel geben. Die haben doch alle Bücher verbrannt?«

jüdischer Verlage bis 19385 und die weitere Existenz buchbezogener Feuilletons,6 die Veröffentlichung und Besprechung nichtnationalsozialistischer Literatur7 sowie die Produktion eines breit rezipierten Unterhaltungsschrifttums, das zum Teil bis heute erhältlich ist.8 Bekannte Vertreter der deutschen Nachkriegsliteratur begannen ihre Karriere im Dritten Reich,9 die Werke renommierter ausländischer Autoren wurden unter nationalsozialistischer Herrschaft ins Deutsche übersetzt.10 Bis in die vierziger Jahre hinein waren Bücher aus der neutralen Schweiz erhältlich.11 Ein Teil des vom Regime abgelehnten Schrifttums konnte weiter erscheinen und fand ein großes Publikum.12 Nicht zuletzt stand der Zensur-, Verbots- und Ausbürgerungspolitik eine ebenso ausgedehnte Buchförderungspolitik gegenüber, die unter dem Leitspruch »Mit dem Buch ins Volk« einen erheblichen Aufwand für die Verbreitung des vom Regime 5

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Volker Dahm hat aufgezeigt, dass sich bis zur extremen Radikalisierung der Politik im Herbst 1938 ein Netz jüdischer Verlage und Buchhandlungen erhalten konnte und weiterentwickelt hat. Der bedeutendste und wirksamste der etwa dreißig Verlage war der Berliner Schocken Verlag (vgl. Volker Dahm: Das jüdische Buch im Dritten Reich. München 1993 [11979; 1982]). Zu nennen sind die Feuilletons der Frankfurter Zeitung (bis 1943), der Kölnischen Zeitung, der Münchner Neuesten Nachrichten und des Berliner Tageblatts (bis 1939) (vgl. Klaus-Dieter Oelze: Das Feuilleton der Kölnischen Zeitung im Dritten Reich. Frankfurt/M. u. a. 1990; Günther Gillessen: Auf verlorenem Posten. Die Frankfurter Zeitung im Dritten Reich. Berlin 1986). Beispiele für die Veröffentlichung nichtnationalsozialistischer Literatur sind die Verlage C. H. Beck, Goverts, Rauch und S. Fischer/Suhrkamp. Zur Editionspraxis dieser Verlage im Dritten Reich vgl. u. a. Anne-Margret Wallrath-Janssen: Der Verlag H. Goverts im Dritten Reich. München 2007; Konrad Ackermann: Der Widerstand der Monatsschrift Hochland gegen den Nationalsozialismus. München 1965. Die Besprechungen erschienen in den renommierten Zeitschriften Neue Rundschau, Corona und Literatur sowie in konfessionellen Organen wie Hochland (bis 1941) und Eckart (bis 1943). Zum Verhältnis zwischen diesen Zeitschriften und dem Nationalsozialismus vgl. u. a. Horst Denkler: Janusköpfig. Zur ideologischen Physiognomie der Zeitschrift ›Das Innere Reich‹ (1934–1944). In: Die deutsche Literatur im Dritten Reich. Themen, Traditionen, Wirkungen. Hg. von Horst Denkler / Karl Prümm. Stuttgart 1976, S. 382–405; Falk Schwarz: Die gelenkte Literatur. Die ›Neue Rundschau‹ im Konflikt mit den Kontrollstellen des NS-Staates und der nationalsozialistischen ›Bewegung‹. In: Die deutsche Literatur. Hg. von Denkler / Prümm, S. 66–92; Karl Schaezler: Das ›Hochland‹ und der Nationalsozialismus. In: Hochland 3 (1964/65), S. 221–231. Vgl. Tobias Schneider: Bestseller im Dritten Reich. Ermittlung und Analyse der meistverkauften Romane in Deutschland 1933–1944. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (2004), S. 77–97. Zur ›jungen Generation‹ vgl. den Abschnitt zu den achtziger und neunziger Jahren in Kapitel 3.1.1. Übersetzt wurden u. a. die französischen Schriftsteller André Maurois, Paul Claudel, François Mauriac und Paul Valéry, die britischen Autoren D. H. Lawrence, A. J. Cronin, William Somerset Maugham und Virginia Woolf sowie die amerikanischen Schriftsteller Thomas Wolfe, William Faulkner und John Steinbeck (vgl. Hans Dieter Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein. Deutsche Kultur und Lebenswirklichkeit 1933–1945. München 1983, S. 11–18). Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 12. Vgl. Schriftstellerbiographien u. a. von Stefan Andres, Rudolf Alexander Schröder, Walter von Molo und Ernst Wiechert in: Hans Sarkowicz / Alf Mentzer: Literatur in NaziDeutschland. Ein biografisches Lexikon. Hamburg, Wien 2002.

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aus ideologischen, politischen, taktischen oder auch kommerziellen Gesichtspunkten ›erwünschten‹ Buches betrieb. Während das Bild eines buchfeindlichen oder gar ›buchlosen‹ Deutschland im öffentlichen Bewusstsein keine Korrektur erfuhr, öffnete sich die Forschung seit den siebziger Jahren zunehmend der komplexen Realität des literarischen Lebens im Dritten Reich. Literaturwissenschaftliche Studien lenkten die Aufmerksamkeit auf die ›Spielräume des Einzelnen‹, die sich in den verdeckten Schreibweisen der ›inneren Emigration‹ und dem regimeabgekehrten Werk der ›jungen Generation‹ spiegelten.13 Sie deckten Kontinuitäten bildungsbürgerlicher Deutungsmuster auf14 und dokumentierten die Weiterentwicklung der modernen Massenwarenkultur zwischen 1933 und 1945.15 Sie wiesen auf die vom Regime geförderte Präsenz klassischer,16 romantischer17 und völkisch-national-konservativer18 Literatur auf dem deutschen Buchmarkt hin und stellten fest, dass sich der Erfolg von unter der Diktatur entstandenen Bestsellern bis weit in die Nachkriegszeit nachverfolgen lässt.19 Sie illustrierten die ausgedehnte Übersetzungspolitik und -praxis20 und kommentierten die buchfördernden Aktionen der nationalsozialistischen Lenkungsinstanzen.21 13

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Vgl. u. a. Walter Delabar / Horst Denkler / Erhard Schütz (Hg.): Spielräume des einzelnen. Deutsche Literatur in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Themenheft der Zeitschrift Juni. Magazin für Literatur und Politik 30–31 (1999); Heidrun Ehrke-Rotermund / Erwin Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. Texte und Vorstudien zur ›verdeckten Schreibweise‹ im ›Dritten Reich‹. München 1999; Friedrich Denk: Die Zensur der Nachgeborenen. Zur regimekritischen Literatur im Dritten Reich. Weilheim i. OB 1995; Claus Dieter Krohn (Hg.): Aspekte der künstlerischen inneren Emigration 1933–1945. München 1994; Sigrid Bock / Manfred Hahn (Hg.): Erfahrung Nazideutschland. Romane in Deutschland 1933–1945. Berlin u. a. 1987; Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein; Ralf Schnell: Literarische Innere Emigration: 1933–1945. Stuttgart 1976; Eberhard Lämmert: Beherrschte Prosa. Poetische Lizenzen in Deutschland zwischen 1933 und 1945. In: Neue Rundschau 86 (1975), S. 404–423. Vgl. Georg Bollenbeck / Thomas La Presti (Hg.): Traditionsanspruch und Traditionsbruch. Die deutsche Kunst und ihre diktatorischen Sachverwalter. Kulturelle Moderne und bildungsbürgerliche Semantik. Wiesbaden 2002; Georg Bollenbeck: Das unrühmliche Ende einer widersprüchlichen Geschichte. Hitler als Exekutor der bildungsbürgerlichen Kunstsemantik? In: Historismus, Sonderweg und dritte Wege. Hg. von Gérard Raulet. Frankfurt/M. u. a. 2001, S. 311–327; ders.: German Kultur, the Bildungsbürgertum and its Susceptibility to National Socialism. In: German Quarterly 1 (2000), S. 67–83; ders.: Tradition, Avantgarde, Reaktion. Deutsche Kontroversen um die kulturelle Moderne 1880–1945. Frankfurt/M. 1999; ders.: Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters. Frankfurt/M. u. a. 1994. Für eine Auflistung dieser Studien vgl. Seite 260, Fußnote 84. Zur Klassikerförderung im Dritten Reich vgl. Seite 48, Fußnote 43. Vgl. Ralf Klausnitzer: Blaue Blume unterm Hakenkreuz. Die Rezeption der deutschen literarischen Romantik im Dritten Reich. Paderborn u. a. 1999. Zur völkisch-nationalen Literatur im Dritten Reich vgl. Seite 194, Fußnote 100 und Seite 267, Fußnote 109. Vgl. Schneider: Bestseller. Für eine Auflistung dieser Studien vgl. Seite 268, Fußnote 112. Vgl. u. a. Roland Bärwinkel: Der Deutsche und sein Buch. Die ›Erste Großdeutsche Buchwoche‹ in Weimar 1938. In: Das ›deutsche Buch‹ in der Debatte um nationale Identität

In der Geschichtswissenschaft richtete sich das Interesse hauptsächlich auf die Auswirkungen der komplexen Strukturen und Funktionsweisen der Literaturpolitik. Volker Dahm (1979/1982) beschrieb detailliert die bis 1938 in Deutschland vorhandene jüdische Buchkultur, deren unmittelbarer Ausschaltung die für die Buchpolitik der NS-Zeit charakteristischen Sachzwänge und damit verbundenen Interessenkonflikte im Wege standen. Hans Dieter Schäfer (1981) förderte die vom Regime garantierte »staatsfreie Sphäre«22 zutage und legte zum einen die Spaltung zwischen Ideologie und Lebenswirklichkeit, zum anderen die Kontinuitäten dieser Lebenswirklichkeit mit den beiden Teilstaaten Nachkriegsdeutschlands frei. Engelbrecht Boese (1987) untersuchte den Einfluss der nationalsozialistischen Büchereipolitik auf die Entwicklung des öffentlichen Bibliothekswesens. Am Beispiel der Hanseatischen Verlagsanstalt beschrieb Siegfried Lokatis (1992) die Buchmarketingstrategien eines modernen Verlagshauses unter nationalsozialistischer Herrschaft und hob u. a. die unverminderte Bedeutung kommerzieller Erwägungen hervor. 2002 stellte Hans-Eugen Bühler in seiner Studie zum Frontbuchhandel die Verflechtung von privaten und staatlichen Initiativen in der reglementierten Kriegs- und Schattenwirtschaft zwischen 1939 und 1945 dar. Zwei Jahre später deckte er zusammen mit Olaf Simons die Verschränkung von staatlichen Maßnahmen und Korruption im deutschen Kriegsbuchhandel auf. Nicht zuletzt ist seit Ende der neunziger Jahre eine Reihe von Studien erschienen, die die Editionspraxis einzelner Verlage zwischen 1933 und 1945 einer kritischen Prüfung unterwarfen.23 Erwähnt sei nur der knapp 800 Seiten zählende Untersuchungsbericht über den Bertelsmann Verlag im Dritten Reich, der 2002 von einer historischen Untersuchungskommission unter der Leitung von Saul Friedländer vorgelegt wurde.24 Diese Verlagsgeschichten schärfen den Blick für das Spannungsfeld von privatwirtschaftlicher Effizienz und propagandistischer Instrumentalisierung, Zensur und Selbstanpassung, politischem Kalkül und Sachzwängen, rationalem Handeln und persönlichem Ehrgeiz. Die genannten literatur- und geschichtswissenschaftlichen Studien haben das Bild der Diktatur und ihres Buchbetriebs erheblich differenziert und nuanciert. Ihre Erkenntnisse geben in vielerlei Hinsicht die Prämissen der heutigen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus vor. Die Illusion einer monolithischen, zentral organisierten Machtstruktur wurde durch das Bild eines komplex strukturierten,

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und kulturelles Erbe. Hg. von Michael Knoche u. a. Göttingen 2006, S. 114–136; GraebKönneker: Literatur im Dritten Reich, S. 114–132; Hans-Eugen Bühler / Klaus Kirbach: Die Wehrmachtsausgaben deutscher Verlage von 1939–1945. Teil 1: Feldpostausgaben zwischen 1939 und 1945 und die Sonderaktion Feldpost 1942. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 50 (1998), S. 251–294; Burkhard Stenzel: ›Buch und Schwert‹. Die ›Woche des deutschen Buches‹ in Weimar (1934–1942). Anmerkungen zur NS-Literaturpolitik. In: Hier, hier ist Deutschland… Von nationalen Kulturkonzepten zur nationalsozialistischen Kulturpolitik. Hg. von Ursula Härtl u. a. Göttingen 1997, S. 83–122. Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 114. Für eine Auflistung dieser Studien vgl. Seite 234, Fußnote 140. Dazu Seite 230, Fußnote 123.

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polyzentrischen Lenkungsapparats ersetzt.25 Aus der Vorstellung einer einheitlichen, rational handelnden Schrifttumspolitik wurde der Eindruck einer Politik, deren Ziele gleichermaßen durch ideologische Imperative, wirtschaftliche Erwägungen, militärische Realitäten, realpolitische Belange, geistig-kulturelle Traditionslinien, sachliche Zwänge und persönliche Interessen gesteuert wurden. Die Literatur im Dritten Reich wird nicht länger als ein undifferenzierter Monolith, sondern als ein heterogenes Gemisch aus alten und neuen, deutschen und ausländischen, geförderten, geduldeten, abgelehnten und verbotenen, propagandistischen, regimekritischen und politikfernen, ästhetisch mehr oder weniger wertvollen Werken betrachtet. Nicht zuletzt ist neben die unerlässliche Benennung von Tätern und Opfern der Nachweis einer breit gefächerten Skala von Reaktionsweisen auf die nationalsozialistische Schrifttumspolitik getreten, der widersprüchliches und diskontinuierliches Denken und Handeln auch in einzelnen Personen und Instanzen benennt. Mit der zunehmenden Differenzierung ging eine nahezu dogmatische Verschiebung der Forschungsschwerpunkte einher. In den späten siebziger, frühen achtziger Jahren verlagerte sich das Erkenntnisinteresse der literaturwissenschaftlichen und historischen Dritte-Reich-Forschung allmählich von den Absichten des Regimes auf die Alltagswirklichkeit und von den ideologischen Parolen auf deren Realisierung. Die Begründung dafür lautete, eine Perspektive ›von oben‹ leiste instrumentalistischen Manipulationstheorien und einer allzu rationalistischen Beurteilung politischen Handelns Vorschub. Die neuere Forschung optierte stattdessen für die Froschperspektive26 und somit für die Perspektive der Betroffenen.27 Gleichwohl kann der Ansatz ›von oben‹ nicht als überflüssig gelten. Ein adäquates Verständnis der Buchpolitik des Regimes erreicht man schließlich nicht, wenn man

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Der literaturpolitische Lenkungsapparat bestand aus rivalisierenden Schrifttumsstellen, von denen hier nur die wichtigsten genannt werden sollen. Zu den staatlichen Lenkungsinstanzen gehörten die Schrifttumsabteilung, das Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum und die Reichsschrifttumskammer, die dem Propagandaminister Joseph Goebbels unterstanden. Als parteiamtliche Schrifttumsstellen sind Alfred Rosenbergs Amt Schrifttumspflege (vgl. Seite 42, Fußnote 6) und Philipp Bouhlers Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums zu nennen. Zu den einzelnen literaturlenkenden Instanzen vgl. Reinhard Bollmus: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. München 2006; Barbian: Literaturpolitik, insbes. S. 155–364; Volker Dahm: Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer. Die ›Berufsgemeinschaft‹ als Instrument kulturpolitischer Steuerung und sozialer Reglementierung. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (1986), S. 53–84; Herbert P. Rothfeder: Amt Schrifttumspflege. A Study in Literary Control. In: German Studies Review 1 (1981), S. 63–78; Dietrich Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik. Ein Beitrag zur Publizistik im Dritten Reich. Bonn: Bouvier 1960, insbes. S. 15–61. Vgl. u.a. Engelbrecht Boese: Das öffentliche Bibliothekwesen im Dritten Reich. Bad Honnef 1987, S. 16. Diese Verschiebung wurde durch das postmoderne Paradigma verstärkt (vgl. Kapitel 3.1.2.). An dieser Stelle wird der neutrale Begriff des Betroffenen dem des Opfers vorgezogen, weil Schriftsteller, Buchhändler, Verleger, Lektoren und Bibliothekare auf sehr unterschiedliche Weise auf den Machtwechsel reagiert haben.

das Blickfeld auf die konkrete Lebenswirklichkeit, die herrschaftsfreien Nischen und die Eigendynamik des literarischen Bereichs verengt. Überdies ist auch das Bild, das bisher von der Politik der Lenkungsorgane gezeichnet worden ist, unter Einbeziehung der veränderten Forschungslage immer wieder zu überprüfen, ergänzen, differenzieren und, wenn nötig, zu korrigieren. Genau das hat der Historiker Jan-Pieter Barbian getan, als er seine Dissertation (1991) der Literaturpolitik im Dritten Reich und somit einem Thema widmete, das bereits 1960 von Dieter Strothmann ausführlich untersucht und dargestellt worden war. Strothmanns Studie, die in vielerlei Hinsicht grundlegend war, wurde durch die Lückenhaftigkeit des Archivmaterials, das in seiner Zeit erst in Ansätzen erschlossen war, die noch dürftigen Forschungskenntnisse und den damals vorherrschenden instrumentalistischen Deutungsansatz28 zwangsläufig beeinträchtigt. Indem Barbian seine Fragestellungen ausdrücklich durch die nachfolgenden Forschungskontroversen inspirieren ließ,29 gelang ihm eine »empirisch gestützte Revision«30 des bis dahin geläufigen Bildes der literaturpolitischen Organe, Kompetenzen und Betätigungsfelder. Seine differenzierte und archivgestützte Gesamtdarstellung bestimmt das heutige Verständnis der fragmentierten und »genetisch«31 gewachsenen Schrifttumspolitik zwischen 1933 und 1945 in wesentlichem Maße mit. Auch wenn die Arbeit zu Recht als Standardwerk gilt, ist das Letzte zum Thema ›Drittes Reich und Buch‹ aus der Perspektive ›von oben‹ noch nicht gesagt. Nicht nur hat sich die Forschungslage in den letzten 15 Jahren weiter entwickelt. Barbians Studie lässt auch, wie Walter Delabar in einer Rezension anmerkt, »eines […] schmerzlich vermissen: die Literatur, die in den Jahren 1933 bis 1945 in Deutschland entstanden ist. Sie nämlich kommt in ihr so gut wie nicht vor.«32 Wie Delabar zu Recht ergänzt, sollte dieses Desiderat weniger dem Verfasser angelastet werden als eine Aufforderung an die Adresse des Literaturwissenschaftlers sein, sich mit diesem Thema zu befassen. Tatsächlich hat Barbians Werk der Literaturwissenschaft Impulse gegeben, die nachhaltig aufgenommen wurden. Obwohl jedoch weitere Teile und Aspekte dieser Literatur aufgedeckt und analysiert worden sind, sucht man immer noch vergeblich nach literaturwissenschaftlichen Gesamtdarstellungen. Auch das Interesse

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Dazu u.a. Barbian: Literaturpolitik, S. 26; Uwe-K. Ketelsen: Kulturpolitik des III. Reichs und Ansätze zu ihrer Interpretation. In: Text und Kritik 8 (1980), S. 222. Für einen Überblick über die Kontroversen um die Planmäßigkeit der nationalsozialistischen Politik, die Rolle Hitlers und die unterschiedliche Bewertung der Modernisierungswirkung des Nationalsozialismus vgl. u. a. Michael Burleigh: Die Zeit des Nationalsozialismus. Eine Gesamtdarstellung. Frankfurt/M. 2000, S. 13–41; Ian Kershaw: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick. Reinbek 1989. Zum Verhältnis von Nationalsozialismus und Modernität vgl. den Abschnitt zu den achtziger und neunziger Jahren in Kapitel 3.1.1. Barbian: Literaturpolitik, S. 47. Ebd., S. 42. Walter Delabar: [Rezension zu] Jan-Pieter Barbian, Literaturpolitik im ›Dritten Reich‹. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. Überarbeitete und aktualisierte Ausgabe. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik 2 (1997), S. 218.

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für die Herrschaftsperspektive ist – anders als in den Geschichtswissenschaften33 – nach wie vor äußerst gering. Die vorliegende Arbeit soll diese Lücke füllen. Aufgrund umfangreicher Quellenrecherchen und unter Berücksichtigung der oben skizzierten Prämissen werden Ansprüche, Hintergründe, Erscheinungsformen, Hindernisse und Ergebnisse der nationalsozialistischen Buchpolitik untersucht, um die Bedeutungen und Funktionen des Buchmediums, insbesondere auch der schöngeistigen Literatur, für die damalige Propagandapolitik zu ergründen. Die Studie folgt dabei der doppelten Zielsetzung, einerseits verstreute Forschungsergebnisse in eine längst fällige Gesamtdarstellung zu integrieren und andererseits neue Fragestellungen aufzuwerfen, die die bisherigen Einblicke in die Buchpolitik und -propaganda der NS-Zeit erweitern und vertiefen können. Als literaturwissenschaftlich orientiertes Komplement zu Barbians Institutionengeschichte bezieht sie neben – später noch näher zu bestimmenden – Aktenüberlieferungen und Publikationen der staatlichen Behörden und parteiamtlichen Dienststellen auch Romane, Novellen, Erlebnisbücher und literarische Zeitschriften in die Untersuchung ein. Das differenzierte Quellenmaterial ermöglicht einen Vergleich von literarischen und nichtliterarischen Texten und damit auch die Einsicht, dass beide Textsorten in der nationalsozialistischen Propaganda in unterschiedlicher Funktion und für unterschiedliche Zielsetzungen genutzt worden sind. Ferner wird der Nachdruck zum einen auf die historisch-rekonstruierende Frage nach Fakten, Ursachen und Wirkungen, zum anderen aber auch und vor allem auf die literaturwissenschaftliche Frage nach der Art und Weise gelegt, wie diese Fakten, Ursachen und Wirkungen von den literaturpolitischen Instanzen gedeutet und präsentiert wurden. Konkret bedeutet dies, dass neben Inhalten ebenfalls Formen und damit der gezielte Gebrauch von Begriffen, Metaphern, Textverfahren, narrativen Mustern und Gattungen in die Untersuchung einbezogen werden. Um einige wenige Beispiele anzuführen, interessiert nicht nur die Feststellung von Spannungen zwischen dem kulturellen, ideologischen und wirtschaftlichen Verwertungsinteresse am Buch, sondern ebenso sehr die Auswirkung dieser Spannungen im nationalsozialistischen Diskurs. Neben dem Nachweis der Diskrepanzen zwischen Ideologie und Praxis wird auch und vor allem gefragt, wie mit diesen Ungleichzeitigkeiten rhetorisch umgegangen wurde, um den Schein von Gleichzeitigkeit, Ordnung und Kohärenz aufrechtzuerhalten.34 Der gewählte Ansatz impliziert eine Vorgehensweise, die anders als in Barbians Darstellung weniger systematisch als exemplarisch verfährt. An die Stelle einer exhaustiven und daher in vielen Bereichen zwangsweise knappen Darstellung tritt eine Analyse ausgewählter Beispiele. Entsprechend dem Vorhaben der Arbeit, das Buch unter dem Aspekt seiner Einbindung in das nationalsozialistische Herrschaftssystem zu behandeln, sind hier weniger die Nachteile als vielmehr die Nützlichkeit und Instrumentalisierbarkeit des Mediums für die nationalsozialistische Herrschaft relevant. Von dieser Seite der Literaturpolitik liegen heute noch zahlreiche Aspekte im 33 34

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Vgl. Seite 264, Fußnote 100. Die Begriffe ›Ungleichzeitigkeit‹ und ›Gleichzeitigkeit‹ werden im Kapitel 3.3. ausgearbeitet.

Dunkeln. Genannt seien nur die programmatische Bedeutung des Spruches »Mit dem Buch ins Volk«, die Aktion der Winterhilfsspende des deutschen Schrifttums, die Gestaltung des ›nationalsozialistischen Realismus‹, der Rekurs auf abgelehnte Autoren für eine qualitätsvollere Dichtung,35 die unterschiedlichen Bedeutungen des Mottos »Buch und Schwert«, Initiativen wie die Dichter-Freiplatzspende, die Überlegungen zum Einsatz des Schmökers für die ›stimmungsmäßige‹ Vorbereitung von Gesetzen, die durch den Krieg angeregte Altbuchaktion, die Abstimmung der Buchpropaganda und -politik auf die heterogene Bevölkerung, die besondere Bedeutung des Buches für langfristige Identitäts- und Bildkonstrukten, die Etablierung des ›Erlebnisbuches‹ und erzählenden Sachbuches als Gattung und das Projekt des vom ›Dichter‹ verfassten ›neuen deutschen Unterhaltungsromans‹. Die Untersuchung konzentriert sich demgemäß auf die Buchförderungspraxis der Diktatur. Die repressive Seite der nationalsozialistischen Schrifttumspolitik lässt sich dabei als ausführlich erforscht und dokumentiert voraussetzen. Sie bildet die Folie, vor der die vorliegende Darstellung zu lesen ist. Abgesehen vom Fokus auf die Buchförderung wird für eine etwas ungewöhnliche Perspektive optiert, die scheinbar in scharfem Kontrast zur Entdifferenzierungsund Gleichschaltungslogik des Dritten Reiches steht, in Wirklichkeit aber nur eine Spielart dieser Logik ist. Gemeint ist das Prinzip der ›totalitären Differenzierung‹, ein Ausdruck, der in der vorliegenden Arbeit sowohl begrifflich als auch inhaltlich geprägt wird. Da der Begriff in einem gesonderten Kapitel problematisiert, erläutert und illustriert wird, soll eine kurze Erklärung an dieser Stelle genügen. Die scheinbar kontradiktorische Verbindung von Totalitarismus und Differenzierung basiert auf der These, dass die Diktatur ein gewisses Maß an Differenzierung zum zentralen Prinzip ihrer Propaganda erhob, weil ihr nur so ihre totalitäre Absicht, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit für sich zu gewinnen, in einer modernen, ausdifferenzierten Gesellschaft, einer dynamischen Umwelt und in sich widersprüchlichen Realität realisierbar schien. Diese Differenzierung war kein Zweck an sich, sondern lediglich eines von mehreren Verfahren im Prozess der Gleichschaltung. Als Ausgangspunkt der Arbeit macht sie es möglich, neue Einblicke in die Bedeutung des Buches für die nationalsozialistische Propagandapolitik zu gewinnen. So erscheint das Buch in der bisherigen Forschung durchweg als im Schatten der modernen Massenmedien stehend, die zwischen 1933 und 1945 einen spektakulären Aufstieg erlebten und für die nationalsozialistische Propaganda von kaum zu überschätzender Bedeutung waren. Einschlägige Studien setzen eine absolute Hierarchie der Propagandamittel voraus, in der Film, Rundfunk oder Presse an erster Stelle erscheinen und das Buch in den Hintergrund tritt. Als Instrument für die Propaganda wird das Buch entweder am Rande oder gar nicht erwähnt.36 Betrachtet man hinge-

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Der Begriff der ›Dichtung‹ wird in der vorliegenden Arbeit nicht wertend, sondern in seiner zeitgenössischen Bedeutung verwendet. Folgende Autoren besprechen nur Presse, Rundfunk und Film: David Welch: The Third Reich: Politics and Propaganda. New York 2006; Aristotle A. Kallis: Nazi Propaganda and World War II. Hampshire u. a. 2005; Peter Reichel: Der schöne Schein des Dritten Reiches.

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gen die Funktion des Buchmediums im Konzept der totalitären Differenzierung, so wird deutlich, dass es eine weitaus größere Bedeutung hatte. Es zeigt sich, dass das Buch in mancherlei Hinsicht und unter bestimmten Rahmenbedingungen als Propagandamedium gleichwertig neben oder sogar über anderen Medien stand. Um diesen Befund geht es im ersten und zweiten Kapitel der Arbeit. Nicht nur auf die Position des Buches gegenüber den anderen Propagandamedien fällt ein neues Licht, sondern auch auf die Binnengliederung des Buchangebots im Dritten Reich. Wie im dritten Kapitel der Arbeit ausführlicher dargelegt wird, hat die Literaturwissenschaft den Blick auf die politischen Kategorien der ›Inneren Emigration‹, ›Jungen Generation‹ und ›Propagandaliteratur‹ verengt, wobei den beiden ersten Gruppen eine bemerkenswerte Heterogenität zugesprochen wird, die letzte aber nach wie vor als undifferenzierter Monolith gilt. Aus der Perspektive der totalitären Differenzierung zeigt sich dagegen die Vielgestaltigkeit der literarischen Propaganda und damit auch das Bestreben der literaturpolitischen Instanzen, ein sowohl ästhetisch als auch ideologisch differenziertes Lektüreangebot zu schaffen, das es erlauben sollte, unterschiedliche Leserkreise (Arbeiter, Gebildete, Jugendliche, Frauen, Reichsdeutsche, Volksdeutsche, Ausländer, Soldaten, Parteigänger und Skeptiker) in unterschiedlichen Rezeptionskontexten (Schule, Arbeit, Freizeit, Urlaub, Ostfront, Westfront, Lazarett, Heimat) und Gefühlslagen (Wohlfahrt, Not, Sieg, Niederlage) möglichst restlos zu erfassen. Besondere Aufmerksamkeit kommt hier auch den Wechselwirkungen zwischen literaturpolitischen Idealvorstellungen und abweichenden Realitäten, militärischen Strategien, tagespolitischem Kalkül, privatwirtschaftlichen Interessen, geistig-kulturellen Traditionen, Legitimierungszwängen und irreversiblen Differenzierungsleistungen der Moderne zu, die die Literaturpolitik sowohl fördern als auch behindern konnten. Genauso wenig wie angesichts der nationalsozialistischen Herrschaft von einem nackten Widerspruch zwischen Totalitarismus und Polykratie, zwischen rückwärtsgewandtem Denken und Modernisierung sowie Gleichschaltung und Differenzierung die Rede sein kann, kann nämlich ein Gegensatz zwischen Ideal und Realität, Absicht und Praxis vorausgesetzt werden. Vielmehr betrieben die literaturpolitischen Machthaber unter dem Druck der Wirklichkeit eine zweigleisige Politik, wobei sie einerseits ideologische Prämissen propagierten, sich andererseits pragmatisch auf Realitäten einließen. Dieser pragmatische Umgang wird auf verschiedene Weisen untersucht. Zum einen wird die Frage aufgeworfen, wie Buchförderungspolitik und -propaganda mit ›externen‹ Einflüssen wie Wirtschaftskrise, Krieg und privatwirtschaftlicher Verlagslogik umgingen. Ferner wird anhand einer detaillierten Analyse der Begriffe ›Literatur‹, ›Dichtung‹, ›Kitsch‹ und ›Buch‹ im nationalsozialistischen

Faszination und Gewalt des Faschismus. München u. a. 1999, S. 157–207; Ernst-K. Bramsted: Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda 1925–1945. Frankfurt/M. 1971. Oliver Rathkolb, der die Bedeutung der Hochkultur als systemstabilisierendes Instrument der Propagandapolitik analysiert, beschränkt sich seinerseits auf Oper, Theater und Film (Führertreu und gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich. Wien 1991).

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Diskurs37 dargelegt, wie das Geflecht von Bedeutungen und Konnotationen die vielfältigen Spannungen zwischen Wirtschaft, Ideologie, Kultur, Politik und Publikumsgeschmack reflektiert. Nicht zuletzt werden am Beispiel des Unterhaltungsschrifttums die verschiedenen Kompromissformen dokumentiert, mit denen die literaturpolitischen Instanzen versuchten, sich mit der Diskrepanz zwischen Idealvorstellung und Realität aus ihrer Sicht bestmöglich zu arrangieren. Quellenmaterial Der quellenorientierte Charakter der Arbeit erfordert eine breite und differenzierte Materialbasis von publizierten wie unpublizierten Quellen, die von der Forschung bislang nur partiell erfasst worden sind. Zunächst sind die Akten der literaturpolitisch tätigen Instanzen zu nennen, die sich im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde befinden.38 Diese Bestände gewähren wertvolle Einblicke in die Arbeitsweise der jeweiligen Dienststellen, lassen durch kriegsbedingte Verluste allerdings nur eine eingeschränkte Rekonstruktion der umfangreichen Tätigkeit des polykratischen Lenkungsapparats zu. Eine für die vorliegende Arbeit besonders signifi kante Bestandslücke geht auf den Verlust der Arbeitsunterlagen der Abteilung Auskunft des von Alfred Rosenberg geleiteten Amtes Schrifttumspflege zurück. Bei dieser Abteilung wurden von »allen in Betracht kommenden Stellen der Partei und des Staates, von der Mittlerschaft des Schrifttums und auch von Privatpersonen, die für besondere Arbeiten und Aufgaben einer derartigen Beratung bedürfen«,39 Auskünfte über einzelne Autoren, Verlage und Titel eingezogen. Von einer Autorenkartei, Literaturgruppenkartei, Gutachtenablage und Verlegerkartei, die sämtliche Beurteilungsergebnisse des Rosenbergamtes für angeblich 30.000 Autoren, die meisten deutschen Verlage und das gesamte geprüfte Schrifttum umfassten, ist heute bis auf wenige Seiten nichts erhalten.40 Die zweite Gruppe der herangezogenen Materialien besteht aus edierten Quellen. Ein bedeutendes, wenn auch mit Vorsicht zu benutzendes Dokument stellen die über mehr als zwanzig Jahre reichenden Tagebücher des Propagandaministers Joseph Goebbels dar.41 Obwohl Goebbels auch als Tagebuchschreiber »autosuggesti37

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Dieser Ausdruck wird in der vorliegenden Arbeit als Sammelbegriff für die ausgewerteten Parteiorgane, regimenahen Zeitschriften, geheimen und vertraulichen Publikationen sowie die internen Akten der literaturpolitischen Lenkungsinstanzen verwendet, die weiter unten spezifiziert werden. Eine detaillierte Auflistung findet sich in der Bibliografie am Ende der Arbeit. Zusätzliche Informationen zu den einzelnen Beständen finden sich in: Barbian: Literaturpolitik, S. 31–35. [o.V.]: LB 4 (1939), S. 8f. Vgl. [o.V.]: LB 4 (1939), S. 8f. Zur quellenkritischen Bewertung der Tagebücher vgl. u. a. Bernd Sösemann: Inszenierungen für die Nachwelt. Editionswissenschaftliche und textkritische Untersuchungen zu Joseph Goebbels’ Erinnerungen, diaristischen Notizen und täglichen Diktaten. In: Neuerscheinungen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts. Hg. von Lothar Gall. München 1992, S. 1–45; Jost Dülffer: Die Tagebücher von Joseph Goebbels. In: Historisches Jahrbuch 1 (1990), S. 273f.; Elke Fröhlich: Joseph Goebbels und sein Tagebuch. Zu den handschriftli-

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ver Propagandist«42 war und spätestens nach seinem Vertrag mit dem Zentralverlag der NSDAP im Bewusstsein der späteren Veröffentlichung schrieb,43 verschaffen die Aufzeichnungen wertvolle Informationen über Begegnungen, Überlegungen, Propagandatechniken und Entscheidungen des Ministers, die keine andere Quelle zu bieten vermag. Bislang wurden die Tagebücher hauptsächlich in Studien zum Film44 und zum Rundfunk und nur selten, wenn überhaupt, für die Erforschung des Buchmediums verwertet. Diese Tatsache mag einerseits der oben skizzierten Marginalisierung des Buches durch die Forschung zuzuschreiben sein, andererseits aber auch daraus resultieren, dass sich die Äußerungen über buch- und literaturbezogene Themen für die Jahre 1933 bis 1945 weniger über das beigefügte Register als über die nicht unbedingt attraktive Lektüre von 24 dickleibigen Bänden ermitteln lassen. Dazu kommt, dass der historische Zeugniswert der Notizen, wie auch Hans Günther Hockerts urteilt, weniger pauschal als von Fall zu Fall zu bestimmen ist45 und daher eine quellenkritische Einbettung und einen Abgleich mit anderen verfügbaren Dokumenten erforderlich macht. Die vorliegende Untersuchung dokumentiert den wissenschaftlichen Ertrag der Tagebücher u. a. dort, wo der differenzierte Gebrauch der Medien, die zentrale Rolle des Buches für die Bildlenkung und Goebbels’ Haltung zum leichten Unterhaltungsschrifttum Erwähnung finden. Gesichtet wurden ferner auch die Mitschriften der Pressekonferenzen46 und die Protokolle der Geheimen Ministerkonferenzen. Bei den von 1933 bis 1945 täglich

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chen Aufzeichnungen von 1924 bis 1941. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 4 (1987), S. 490–522; Hans-Günther Hockerts: Die Goebbels-Tagebücher 1932–1941. In: Politik und Konfession. Hg. von Dieter Albrecht u. a. Berlin 1983, S. 361ff. Fröhlich, die die Tagebücher ediert hat, und Dülffer schreiben den Tageseintragungen einen hohen Quellenwert zu, während Sösemann weiterführende Forschungen für nötig erachtet, um die »propagandistische und selbststilisierende Dimension« (S. 44) der Quelle bestimmen zu können. Hockerts nimmt eine nuancierte Zwischenposition ein. Fröhlich: Goebbels und sein Tagebuch, S. 490. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 22.10.1936: »Ich verkaufe Amann meine Tagebücher. 20 Jahre nach meinem Tode zu veröffentlichen. Gleich 250 000 M[ar]k und jedes Jahr laufend 100 000 Mk. Das ist sehr großzügig. Magda und ich sind glücklich. Amann hat damit eine gute Kapitalanlage.« Die Notizen wurden in den nachfolgenden Jahren auch spürbar länger. Die in dieser Arbeit zitierten Tagebuchnotizen wurden den Editionen von Elke Fröhlich entnommen. Vgl. Felix Moeller: Der Filmminister. Goebbels und der Film im Dritten Reich. Berlin 1998. Hockerts: Goebbels-Tagebücher, S. 361ff. Die Gesamtzahl der auf den Pressekonferenzen erteilten Anweisungen wird auf 80.000 bis 100.000 geschätzt. Für die Presseanweisungen der Vorkriegszeit (bis 1938) vgl. Gabriele Toepser-Ziegert (Hg.): NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Eine Einführung in ihre Edition. München u. a. 1984. Für die Presseanweisungen der Kriegsjahre vgl. Doris Kohlmann-Viand: NS-Pressepolitik im Zweiten Weltkrieg. Die ›Vertraulichen Informationen‹ als Mittel der Presselenkung. München u. a. 1991. Für die sprachlenkenden Presseanweisungen vgl. Rolf Glunk: Erfolg und Mißerfolg der nationalsozialistischen Sprachlenkung. In: Zeitschrift für deutsche Sprache 22 (1966), S. 57–73 u. 146–153; 23 (1967), S. 83–113 u. 178–188; 24 (1968), S. 72–91 u. 184–191; 25 (1969), S. 116–128 u. 180–183; 26 (1970), S. 84–97 u. 176- 183; 27 (1971), S. 113–123 u. 177–187. Für Publikationen von Zeitzeu-

stattfindenden Pressekonferenzen des Propagandaministeriums wurden den versammelten Journalisten Instruktionen über Inhalt und Form der Berichterstattung erteilt. Die fast täglich abgehaltenen Ministerkonferenzen wurden von Goebbels nach Kriegsbeginn eingerichtet, um zunächst nur mit seinem engeren Mitarbeiterkreis, später mit bis zu fünfzig Teilnehmern die politische und militärische Lage zu besprechen.47 Beide Quellen illustrieren die beabsichtigte Lenkung der öffentlichen Meinung und sind für die vorliegende Untersuchung vor allem dort von Bedeutung, wo die Funktion des Buches als Plattform für Identitäts- und Bildkonstruktion thematisiert wird. Nicht zuletzt müssen in der Kategorie der edierten Quellen die zwischen 1938 und 1945 vom Sicherheitsdienst verfassten Meldungen aus dem Reich erwähnt werden, die darüber berichten, »wie sich die nationalsozialistische Weltanschauung auf den einzelnen Lebensgebieten durchsetzt und welche Widerstände und ggf. von wem zu verzeichnen sind.«48 Diese ›geheimen Lageberichte‹ dienten dem engeren Führungskreis des Regimes, insbesondere Goebbels, als Instrument, um Politik und Propaganda auf Stimmungslagen und Auffassungen der Bevölkerung abzustimmen. Die Berichte aus dem Bereich Presse, Schrifttum und Rundfunk, die im Hauptamt des Sicherheitsdienstes von Hochschulgermanisten redigiert und ausgewertet wurden,49 bieten ein relativ ungeschöntes Bild der Lebenswirklichkeit50 und enthalten daher besonders für das Kapitel über die Einflüsse des Krieges auf die Buchförderungspolitik relevante Informationen. Das untersuchte Quellenmaterial umfasst ferner auch vertrauliche Publikationen, die nur einem beschränkten Kreis von Eingeweihten zugänglich waren.51 Der 1936

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gen vgl. Fritz Sänger: Politik der Täuschungen. Mißbrauch der Presse im Dritten Reich. Weisungen, Informationen, Notizen 1933–1945. Wien 1975; Helmut Sündermann: Tagesparolen. Deutsche Presseanweisungen 1939–1945. Hitlers Propaganda und Kriegsführung. Leoni 1973. Für eine Gesamtauswertung der Presseanweisungen im Dritten Reich vgl. Jürgen Wilke: Presseanweisungen im zwanzigsten Jahrhundert: Erster Weltkrieg, Drittes Reich, DDR. Köln u. a. 2007, S. 115–255. Die Ministerkonferenzen fanden bis zum 21. April 1945 statt. Bislang wurden nur die Protokolle der Jahre 1939 bis 1943 ediert (vgl. Willi A. Boelcke (Hg.): Wollt Ihr den totalen Krieg? Die geheimen Goebbels-Konferenzen 1939–1943. München 1969; ders. (Hg.): Kriegspropaganda 1939–1941. Geheime Ministerkonferenzen im Reichsministerium. Stuttgart 1966). Aus Meldungen aus dem Reich (zitiert nach: Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin u. a. 2000, S. VIII). Zu den Meldungen vgl. Florian Triebel: Die ›Meldungen aus dem Reich‹ als buchhandelsgeschichtliche Quelle. In: Archiv für die Geschichte des Buchhandels 58 (2004), S. 197–209; Gerd Simon: Germanistik und Sicherheitsdienst. o.J. [URL: http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/hamburg.pdf (20.7.2010)]; Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes des SS 1938–1945. Herrsching 1984. Simon: Germanistik und Sicherheitsdienst, S. 2f. Vgl. Triebel: Die ›Meldungen aus dem Reich‹, S. 199. Vgl. folgende Punkte aus dem Merkblatt für die Behandlung des Zeitschriften-Dienstes: »4. Nur die vom Herausgeber ausdrücklich zugelassenen E m p f ä n g e r dürfen den Dienst zu Gesicht bekommen. 5. Die Nummern sind in der Reihenfolge ihres Erscheinens abzuheften und unter s i c h e r e m V e r s c h l u ß zu halten. 6. Verlust, zeitweiser Verlust und

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gegründete Zeitschriften-Dienst und seine Beilage Deutscher Wochendienst, die wöchentlich vom Propagandaministerium herausgegeben wurden, enthielten sowohl fakultatives »Informations- und Anweisungsmaterial« als auch »unbedingt zu befolgende« Richtlinien und Hinweise für Zeitschriftenredakteure.52 Von besonderem Interesse für die These der totalitären Differenzierung ist der ausdrückliche Hinweis darauf, »daß sich jede Zeitschrift ihrem Stil, ihrem Charakter gemäß mit den von uns behandelten Themen beschäftigen soll, also von ihrem Fachgebiet her und ohne irgendwelche aus dem Rahmen fallende politische Propaganda«.53 Das Konzept des Zeitschriften-Diensts ist, wie später dokumentiert wird, völlig auf diese Anpassung einzelner Themen an spezifische Kontexte und Leserkreise eingestellt. Der seit 1938 erscheinende Lektoren-Brief informierte die Lektoren des Amtes Schrifttumspflege über die Arbeitsweise der Dienststelle, Ereignisse auf literarischem Gebiet, zu fördernde und abzulehnende Autoren, Bücher und Verlage sowie über die Kriterien, denen ihre Gutachten über vorwiegend schöngeistiges Schrifttum entsprechen sollten. Aus dem Bereich der Publizistik wurden Zeitschriften und Wochenzeitungen herangezogen, von denen – mit Blick auf das Erkenntnisinteresse der Arbeit – besondere Nähe zum Regime erwartet werden kann. Systematisch54 ausgewertet wurden Organe, die von nationalsozialistischen und nazifizierten Instanzen herausgegeben wurden, darunter die Zeitschriften Bücherkunde (Amt Schrifttumspflege), die Nationalsozialistische Bibliographie (Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutz des NS-Schrifttums), die Europäische Literatur (Propagandaministerium), die Nationalsozialistischen Monatshefte (NSDAP) und Die Bücherei (Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung); ferner die Wochenzeitung Das Reich (Propagandaministerium) und das Fachverbandblatt Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel (Börsenverein55). Anhand der verschiedenen Zeitschriften mit ihren unterschiedlichen Affiliationen, ihren unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und ihrem jeweils anderen Zielpublikum lassen sich sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede zwischen den Vorstellungen und Deutungsmustern der einzelnen Instanzen herausarbeiten. Ihre Spannbreite macht es außerdem möglich, Kontinuitäten und Veränderungen in Themen, Bewertungen und Einstellungen zu beschreiben und mögliche Interdependenzen mit außerliterarischen Ereignissen aufzuspüren.

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unbefugte mündliche oder schriftliche Weitergabe können einem Verrat von Staatsgeheimnissen gleichkommen und S t r a f v e r f a h r e n [...] nach sich ziehen. 7. Etwaiger Verlust des Dienstes ist unter allen Umständen zu m e l d e n. (Einschreiben, Eilboten)« (ZD 1, 9.5.1939). Vgl. Merkblatt über die Anwendung und Auswertung des ›Zeitschriften-Dienstes‹, in: ZD 1 (9.5.1939). Aussprache unter uns – Politische Sparte. In: ZD 3 (23.5.1939). Periodische Publikationen, die vereinzelt in die Untersuchung einbezogen wurden, werden in der Bibliographie aufgeführt. Zur Gleichschaltung des Börsenvereins vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 96–155; ders.: Von der Selbstanpassung zur nationalsozialistischen ›Gleichschaltung‹. Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler in den Jahren 1933–1934. In: Buchhandelsgeschichte 2 (1993), S. 41–55.

Die sechste und letzte Kategorie des Korpusmaterials enthält Erlebnisbücher, Romane und Novellen, die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland erschienen sind. Es muss dabei gleich auf die methodische Schwierigkeit hingewiesen werden, direkte Verbindungen zwischen diesen Büchern und der nationalsozialistischen Politik festzustellen. Da die Verlagskorrespondenz und die internen Dokumente der staatlichen und parteiamtlichen Lenkungsorgane nur lückenhaft erhalten geblieben sind, ist die Forschung in der Regel gezwungen, ihre Schlüsse aus einem komplexen Geflecht von Faktoren zu ziehen, wozu u. a. das Profil des Autors, der Buchinhalt, Vor- und Nachworte, Verlag und Erscheinungsjahr, eventuelle Verbotsmaßnahmen, Empfehlungen und Besprechungen des Werkes in parteinahen Organen und einschlägige Richtlinien von offiziellen Instanzen zu dem Buch oder zu dem betreffenden Thema gehören. Zudem muss sie bedenken, dass angesichts der privatwirtschaftlichen Dynamik des Buchverlages, der Konkurrenzstreitigkeiten zwischen den einzelnen politischen Instanzen und der lückenhaften Zensur nicht in jedem Fall von einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zwischen Buch und Propaganda auszugehen ist. Werden diese Überlegungen berücksichtigt, lassen sich Parallelen und Unterschiede zwischen der Belletristik und dem politischen, publizistischen und sachlichen Schrifttum feststellen, die wertvolle Einsichten sowohl über das Eigenleben als auch über die besondere Bedeutung der schöngeistigen Literatur für die nationalsozialistische Propaganda verschaffen.

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Vorbemerkung: Das Prinzip der totalitären Differenzierung als Verfahren der Gleichschaltung

Die Idee der Differenzierung scheint sich dem Wesen totalitärer Diktaturen auf den ersten Blick radikal zu widersetzen. Auf den Nationalsozialismus bezogen, scheint sie in krassem Widerspruch zur Selbstinszenierung des nationalsozialistischen Deutschland als ›Volksgemeinschaft‹1 zu stehen, die sich als Gegenentwurf zur ausdifferenzierten, von politischem Meinungspluralismus, sozialen Gegensätzen und individuellen Interessen geprägten modernen Gesellschaft verstand und die Gleichschaltung der Massen sowie des gesamten politischen und kulturellen Lebens voraussetzte.2 Tatsächlich setzte es sich die Diktatur zum Ziel, die ›funktionale Differenzierung‹3 der modernen Gesellschaft so weit wie möglich rückgängig zu machen und die Ei-

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Der Begriff ›Volksgemeinschaft‹ hat sich in der politisch zerrissenen Situation nach dem Ersten Weltkrieg zu einem politischen Kampfbegriff entwickelt und bereits in den zwanziger Jahren in den Kampfreden Hitlers eine große Rolle gespielt. Um dieselbe Zeit wurde von Hellmuth Plessner in der Schrift Grenzen der Gemeinschaft. Eine Kritik des sozialen Radikalismus vor den Gefahren der Gemeinschaftsideologie (u.a. der »Verschleierung lebensnotwendiger Differenzen zwischen den Einzelgliedern einer geschlossen gedachten Ganzheit, der Projektion interner Konflikte nach außen und dem in dieser Ideologie eingeschriebenen Fundamentalismus«) gewarnt. Der Begriff war nach Angabe des im Dritten Reich überarbeiteten Meyers Lexikon der »Zentralbegriff allen nationalsozialistischen Denkens« (Bd. 2, 1937, S. 1279). Zu seiner Entwicklung im 20. Jahrhundert vgl. Michael Wildt: Charisma und Volksgemeinschaft. In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 1 (2004) (20.8.2010); Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, S. 654–659. Der Gegensatz zwischen den Begriffen ›Gemeinschaft‹ und ›Gesellschaft‹ wurde 1887 von Ferdinand Tönnies in der Studie Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie geprägt. Tönnies argumentiert, dass zwei Typen sozialer Bindung koexistieren: zum einen eine durch gewachsene Strukturen und Zugehörigkeitsgefühl geprägte Verbindung (z. B. Familie, Nachbarschaft, Volk), die er als gemeinschaftlich bezeichnet; zum anderen ein durch Nutzenüberlegungen, Anonymität und Individualismus bestimmter Bindungstyp (z. B. ökonomische und politische Verbindungen, Vereine und Versammlungen), die er gesellschaftlich nennt. Niklas Luhmann zufolge lässt sich die moderne Gesellschaft am besten durch das Prinzip ihrer Differenzierung kennzeichnen, das er als ›funktionale Differenzierung‹ bezeichnet. Dieser Begriff impliziert nach Luhmann »Autonomie und Selbstregulierung der Funktionssysteme; scharfe, selbstproduzierte Abgrenzbarkeit; Fehlen jeglicher Möglichkeit zur Selbststeuerung der Gesamtgesellschaft […]; Fehlen eines Zentrums oder einer Spitze als Bezugspunkt für semantische oder steuerungspraktische Orientierungen (Stichwort Orientierungslosigkeit) und statt dessen: rekursive Vernetzung von Beobachtungen und Beschreibungen als Modus der sozialen Konstruktion« (vgl. Soziologische Aufklärung. Beiträge zur funktionalen Differenzierung der Gesellschaft. Wiesbaden 2005, S. 6).

gendynamik ihrer Teilsysteme zu ersticken. Die »Aufgliederung der Lebensbereiche in engste Fachgebiete« hatte aus der totalitären Sicht der Machthaber »überall Trennung, Spaltung und Zersetzung« bewirkt;4 die Zersplitterung des Lebens in »eine Wissenschaft an sich, eine Religion an sich, eine Kunst an sich, eine Politik und eine Staatsführung an sich« verlangte danach, dass diese Gebiete wieder »innerlich zusammen[ge]fügt« und mit dem »bindenden Element« des Rassegedankens versehen wurden.5 Auf ähnliche Weise wurde gegen die Binnendifferenzierung eines jeden Teilsystems – die Unterscheidung zwischen sozialen Klassen, politischen Säulen, konfessionellen Richtungen, individuellen Meinungen – gearbeitet. Dass die Verbindung von ›Totalitarismus‹ und ›Differenzierung‹ als Widerspruch anmutet, hat jedoch nicht nur mit dem Wesen der Diktatur, sondern auch mit zwei Tendenzen sowohl im akademischen als auch im nichtakademischen Diskurs zu tun. Die erste Tendenz ist die, dass die Diktatur üblicherweise als das Negativbild der Demokratie verstanden wird6 und damit auch die Prozesse der Totalisierung und der Differenzierung als Gegensätze dargestellt werden. Der Begriff der ›Differenzierung‹ büßt dadurch seine wertneutrale Bedeutung als Praxis der Unterscheidung ein.7 Er fungiert als normative Bezeichnung für eine liberale und humanistisch motivierte Förderung von Differenzen, die sich mit einer Diktatur, die Andersartigkeit und Pluralität auszumerzen bestrebt ist, tatsächlich auf keinerlei Weise in Verbindung bringen lässt. Gleichzeitig wird schon rein terminologisch die Möglichkeit ausgeschlossen, dass sich Differenzierungsleistungen zu einer totalen Erfassung des Individuums einsetzen ließen. Unvorstellbar bleibt somit eine Variante der Differenzierung, die – den Werbemethoden der modernen Reklame ähnlich8 – zum Zweck einer

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von Renesse, NSM 1943, S. 76. Rosenberg, NSM 1936, S. 1070. Uwe-K. Ketelsen hat diese Praxis im Bereich der Literaturwissenschaft kritisiert. Ihm zufolge liegt ein »Lebensgesetz aller dominanten Nachkriegsideologien in Deutschland darin, sich als Negation des ›Faschismus‹ zu etablieren«, so dass Definierungsversuche »darauf hinauslaufen, die jeweils eigenen Positionen im zu konstruierenden Begriff einfach zu negieren; der so gewonnene ›Begriff‹ wird dann lediglich mit einschlägigen Beispielen gefüllt, und die finden sich schnell« (vgl. Probleme einer gegenwärtigen Forschung zur ›Literatur des Dritten Reichs‹. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 4 (1990), S. 714f.). Vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch 2000. Vgl. dazu Hannah Arendts Anmerkung in Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft, dass die Nazis »sehr viel von amerikanischer Massenreklame für ihre Zwecke politischer Propaganda gelernt hatten« (S. 732); vgl. auch Karl Dietrich Bracher: Die deutsche Diktatur. Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus. Frankfurt/M. u. a. 1979, S. 164; Georg Lukács: Die Zerstörung der Vernunft. Irrationalismus und Soziologie. Darmstadt, Neuwied 1974, S. 163. Der Vergleich mit der modernen Werbung wird durch die Konsumorientierung der nationalsozialistischen Diktatur untermauert (vgl. u. a. Erhard Schütz: Das ›Dritte Reich‹ als Mediendiktatur: Medienpolitik und Modernisierung in Deutschland 1933 bis 1945. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 2 (1995), S. 147; Wolfgang König: Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft. ›Volksprodukte‹ im Dritten Reich. Vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft. Paderborn u. a. 2004).

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möglichst wirksamen Manipulierung ihrer Zielgruppe auf Differenzierungsleistungen rekurriert. Die zweite Tendenz besteht darin, dass nicht zwischen dem Ziel und den Methoden der Gleichschaltung unterschieden wird, was dazu führt, dass in der Regel nur zwei von drei Gleichschaltungsverfahren erkannt werden. Zum einen betrifft das die möglichst weitgehende Tilgung von Differenzen, wobei u. a. an die Auflösung des parlamentarischen Mehrparteiensystems, die Zerschlagung der Gewerkschaften, die (partielle) Überwindung von Ständen und Klassen, die Aufhebung der Pressefreiheit, die Erfassung der Kulturschaffenden in der Reichskulturkammer,9 die Zentralisierung der Jugendorganisationen, kurz: die Säuberung, Verfolgung und Vernichtung alles Querliegenden und ›Unerwünschten‹ zu denken ist. Zum anderen betrifft das die Veranschaulichung des homogenen Kollektivs, etwa durch eine gleichmacherische Rhetorik,10 den ›Sozialismus der Tat‹,11 den Versuch des Thingspiels,12 die groß inszenierten Massenspektakel mit Massenumzügen und Fackelparaden, Marschliedern und Massenchören, Uniformen und Fahnenkult, Glaubensbekenntnissen und Treueschwüren, raffinierter Beleuchtungstechnik und monumentaler Architektur,13 kurz:

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1933 wurden Presse, Rundfunk, Schrifttum, bildende Künste, Musik, Film und Theater in der unter der Schirmherrschaft des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda stehenden Reichskulturkammer zusammengefasst. Kulturschaffende waren verpflichtet, sich bei einer der sieben Kammern der Reichskulturkammer anzumelden. Die Aufnahmeprozedur kam im Wesentlichen einer Auslese aufgrund der arischen Abstammung und politischen Zuverlässigkeit des Antragstellers gleich. Der Gegensatz zwischen Intelligenz und Arbeiterklasse z. B. wurde durch die Bezeichnung als scheinbar ebenbürtige ›Arbeiter der Stirn und der Faust‹ eingeebnet. Als Beispiel für diesen selbsterklärten ›Sozialismus der Tat‹ können die mit hohem Propagandaaufwand durchgeführten Initiativen des Winterhilfswerks und der Freizeitbewegung Kraft durch Freude gelten. Zur nationalsozialistischen Sozialpolitik vgl. Götz Aly (Hg.): Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Bonn 2005; Kershaw: Der NS-Staat, S. 253–288. Auch die Verbreitung des preisgünstigen ›Volksempfängers‹ wurde als Beispiel eines ›Sozialismus der Tat‹ propagiert. Zum kontrovers diskutierten ›Sozialismus der Tat‹ vgl. Seite 342, Fußnote 49. Das Thingspiel war nach Goebbels’ Bezeichnung das »Theater der Fünfzig- und der Hunderttausend«, das »auch den letzten Volksgenossen in den Bann der dramatischen Kunst« ziehen sollte; vgl. Goebbels’ Rede am 8. Mai 1933 vor der Konferenz der deutschen Theaterleiter: »Wer wagt zu bezweifeln, daß es in Deutschland einmal ein Theater der Hunderttausend geben könne, daß einmal kulturelle Schöpfungen aus diesen gärenden Vulkanen herausquellen, die so überwältigend sind, daß sie das ganze Volk in Bann halten, […] daß das Volk […] zum Kampf der Gesänge wieder hinpilgert, daß wirklich wieder eine Millionenmasse aufersteht, um diese Kunst zu ihrem inneren Gesetz zu machen« (zitiert nach: Gerd Rühle (Hg.): Das Dritte Reich. Dokumentarische Darstellung des Aufbaus der Nation. Das erste Jahr 1933. Berlin o.J., S. 89). In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre verschwand das Thingspiel von der Bühne bzw. aus der Arena. Zum Thingspiel vgl. Seite 342, Fußnote 46. Zur Massenlenkung durch eine Ästhetisierung der Politik vgl. Frederic Spotts: Hitler and the Power of Aesthetics. Woodstock 2003; Reichel: Der schöne Schein; Ralf Schnell: Dichtung in finsteren Zeiten. Deutsche Literatur und Faschismus. Reinbek 1998, S. 27–69; Hans-Ulrich Thamer: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945. Berlin 1986,

die Inszenierung des Einzelnen als entindividualisiertes Glied eines einheitlich denkenden und handelnden Kollektivs. Die Vorstellung, der Gleichschaltungsprozess habe sich in diesen beiden Verfahren erschöpft, lässt außer Acht, dass es in Wirklichkeit einen Anpassungsprozess in zwei Richtungen gegeben hat. Nicht nur die deutsche Gesellschaft musste an die nationalsozialistischen Zielsetzungen, sondern bis zu einer gewissen Grenze auch umgekehrt die nationalsozialistische Propaganda und politische Praxis an die funktional ausdifferenzierte, stark individualisierte Gesellschaft angepasst werden. Damit sich das Regime14 in der modernen Gesellschaft die Loyalität einer möglichst großen Mehrheit der Deutschen sichern und die eigenen Zielsetzungen realisieren konnte, war – neben der Tilgung von Differenzen und der Förderung des Kollektivs – auch die Rücksichtsnahme auf solche Modernisierungsleistungen notwendig, die sich nicht rückgängig machen ließen. Unter diesem Gesichtspunkt zwang die Modernität die nationalsozialistischen Machthaber dazu, bestimmte Differenzen (zwischen Lebensbereichen, Adressatenkreisen, Interessen, Absichten, Darstellungsformen) zu berücksichtigen, zuzulassen und in ihre Politik und Propaganda zu integrieren. Dieser Zwang zur Differenzierung resultierte in komplizierten Verhandlungsprozessen zwischen Ideologie und Realität, auf die noch mehrmals hingewiesen werden wird. Das scheinbar widersprüchliche Vorgehen der Ausdifferenzierung zum totalisierenden Zweck wird fortan mit dem spannungsgeladenen Ausdruck der ›totalitären Differenzierung‹ charakterisiert und als ein konstitutives Merkmal der nationalsozialistischen Propaganda betrachtet, das zwischen 1933 und 1945 verschiedenste Anwendungsbereiche durchzog und in den vielfältigsten Formen erschien. Der Begriff lässt sich mit dem ebenfalls auf den ersten Blick kontradiktorisch wirkenden Begriff der ›autochthonen Modernität‹ (Sebastian Graeb-Könneker) vergleichen, insofern dort ebenfalls zwischen verschiedenen, auch totalitären Varianten der Modernität unterschieden wird.15 Bevor die Methode der totalitären Differenzierung für die Analyse des Literaturbetriebes fruchtbar gemacht wird, wird sie im Folgenden als weitergreifende Strategie kontextualisiert.

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S. 417–434; Klaus Vondung: Magie und Manipulation. Ideologischer Kult und politische Religion des Nationalsozialismus. Göttingen 1971. Homogenisierende Begriffe wie ›das Regime‹, ›die Diktatur‹, ›die Propaganda‹ oder ›die Literaturpolitik‹ werden in dieser Arbeit mit Blick auf die polykratische Machtstruktur und uneinheitlich geführte Politik nur dann verwendet, wenn sich der Sachverhalt für die verschiedenen Lenkungsinstanzen verallgemeinern lässt oder wenn er tatsächlich das Regime als Ganzes charakterisiert. Der Unterschied zwischen beiden Begriffen liegt darin, dass Graeb-Könneker die Modernisierungsleistungen nicht bloß als Mittel zur Erfüllung reaktionärer Ziele betrachtet, sondern vielmehr argumentiert, dass der Nationalsozialismus ein selektives Bekenntnis sowohl zum modernen als auch zum antimodernen Element ablegte (vgl. Autochthone Modernität, S. 35–37). Die Differenzierungsleistungen lassen sich dagegen nur als (modernes) Mittel für die (antimoderne) Zielsetzung der totalitären Gleichschaltung qualifizieren. Zur Modernisierungsdebatte vgl. den Abschnitt zu den neunziger Jahren in Kapitel 3.1.1.

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Ein erstes Beispiel für die gemeinte Differenzierungsstrategie lässt sich an Hannah Arendts Beschreibung totalitärer Propaganda festmachen. Ihr zufolge beruht der Erfolg dieser Propaganda darauf, daß Interessen sich als eine kollektive Kraft nur geltend machen können in einer gruppenmäßig geordneten, also nicht vermassten Gesellschaft […]. Keine [totalitäre] Propaganda kann wirksam werden, wenn sie es mit Massenmenschen zu tun hat, deren Hauptmerkmal ist, daß sie keinem sozialen oder politischen Körper mehr angehören, sondern ein wahres Chaos individueller, nicht transformierbarer Interessen darstellen. Die noch so massenhafte Aufsummierung dieser untransformierbaren individuellen Interessen ergibt nie ein Gesamtinteresse, wie etwa das Interesse einer Klasse oder einer Nation, sondern hebt sich in der Masse gerade auf […].16

Zwischen das Ideal einer ›Volksgemeinschaft‹ und die Realität einer vermassten Gesellschaft stellt die totalitäre Diktatur, so Arendt, die Zwischenebene der Kleinkollektive, um ihre Ziele zu erreichen. Aus der liberal-demokratischen Perspektive, die vom Individuum ausgeht, findet hier eine Aufhebung von individuellen Differenzen statt. Aus der totalitären Perspektive, die von der angestrebten ›Volksgemeinschaft‹ aus denkt, geht es hingegen um eine strategische Aufteilung der Nation in kleinere Gruppen zum totalitären Zweck. Als Beispiel seien die Kategorien des Soldaten, des Bauern, des Arbeiters, der Frau und der Jugend genannt, die die Zweckbestimmung hatten, diese Bevölkerungsgruppen gezielt für das größere Kollektiv zu mobilisieren. Die Propaganda wurde auf die besonderen Interessen und Bedürfnisse dieser Kleinkollektive abgestimmt, soweit dies der Durchsetzung des totalitären Anspruchs dienlich war. Auf diese Weise fand ein permanenter Ausdifferenzierungsprozess der propagierten ›Volksgemeinschaft‹ zum Zweck ihrer Realisierung statt, die in einer in sich differenzierten Propaganda resultierte und unvermeidlich auch die Gefahr der Inkonsistenz in sich barg.17 Die politischen Instanzen differenzierten ihre Propaganda nicht nur nach Zielgruppen, sondern auch nach Kontexten und Zielsetzungen. Stellvertretend für viele andere Beispiele kann hier der nationalsozialistische Diskurs über Flandern angeführt werden, in dem die ideologischen Vorstellungen und Gedankengänge auf den flämischen Kontext zugeschnitten werden mussten, um für die Propaganda nützlich

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Vgl. Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. München u. a. 2003, S. 739. Peter Hüttenberger verteidigt die entgegengesetzte These, der zufolge die totale Kontrolle der Bevölkerung im Dritten Reich eine Atomisierung der Gesellschaft in isolierte Einzelindividuen voraussetzte (Nationalsozialistische Polykratie. In: Geschichte und Gesellschaft 4 (1976), S. 438). Diese Behauptung scheint mir jedoch eher auf den kommunistischen Totalitarismus zuzutreffen, wo die Repression nach innen gerichtet war (vgl. dazu Wolfhard Buchholz‹ These, dass Terror im Dritten Reich »bis auf das letzte Kriegsstadium keine dominierende Rolle im Integrationsprozess spielte«, wohl aber die integrative Kraft des ›nationalen Sozialismus‹ und die ausgeprägte Unterhaltungs- und Freizeitkultur; in: Die nationalsozialistische Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹. Freizeitgestaltung und Arbeiterschaft im Dritten Reich. München 1976, S. 396).

zu sein.18 Die Bedeutung der Schriftsprache z. B. wurde im Dritten Reich generell über die der Dialekte gestellt, weil die Schriftsprache die deutsche Bevölkerung einte, während die Dialekte sie spalteten. Im Hinblick auf Flandern ergab sich die Notwendigkeit, diese Hierarchie umzukehren, weil sich die propagierte Verwandtschaft zwischen Flamen und Deutschen weniger an der Schriftsprache als an den über die Staatsgrenzen hinausreichenden Dialekten illustrieren ließ.19 Auch die Hierarchie der Feindbilder wurde an den flämischen Kontext angepasst. In dem in Deutschland propagierten Feindbild wurde der jahrhundertealte Gegensatz zwischen Germanen und Romanen dem Gegensatz zwischen Ariern und Nicht-Ariern untergeordnet. Im flämischen Zusammenhang, wo sich ›der Jude‹ nicht wie in Deutschland als wirksame Bedrohung der Identität darstellen ließ, wurde diese Gewichtung umgekehrt. Nicht am jüdischen Feind, sondern am germanisch-romanischen Gegensatz konnte die Spannung zwischen dem mit der Frankophonie identifizierten belgischen Staat und der flämischen Bevölkerung dargelegt und gleichzeitig die Gemeinsamkeit zwischen dem germanischen Flandern und Deutschland belegt werden. Das außenpolitische Interesse der nationalsozialistischen Diktatur – Flanderns Eingliederung in das germanische Reich20 – ließ sich folgerichtig rhetorisch am ehesten durch die Ausarbeitung eines romanischen statt jüdischen Feindbildes untermauern. Auf andere Weise entspricht das Prinzip der totalitären Differenzierung ebenfalls dem synkretistischen Charakter der nationalsozialistischen Ideologie, der es – als Konglomerat widersprüchlicher Elemente aus unterschiedlichen Traditionen und Interessenbereichen21 – nicht zuletzt durch ihre heterogene Zusammensetzung gelang,

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In anderem Zusammenhang konstatiert Ernesto Laclau, dass sich als universal gebende Positionen »früher oder später in ihrem eigenen kontextuellen Partikularismus verstricken und […] ihre allgemeine Funktion nicht erfüllen können« (zitiert nach: Jacob Torfing: New Theories of Discourse. Laclau, Mouffe and Žižek. Oxford u. a. 1999, S. 181f. [eigene Übersetzung]). Diese Feststellung lässt sich auf den hiesigen Kontext übertragen. Vgl. dazu exemplarisch ein Zitat aus Otto Brües’ Roman Fliegt der Blaufuß? von 1935, in dem die gute Verständigung zwischen Flamen und Deutschen im Ersten Weltkrieg durch einen Verweis auf die Dialekte hervorgehoben wird: »Damals, in den Quartieren, hatte man sich auch um diese Flamen gesorgt; nur ein bißchen plattdütsch gesnakt, und man konnte sich mit ihnen über Gott und den Teufel unterhalten; über die zartesten Dinge« (S. 208). Hitler äußerte sich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zurückhaltend über das Schicksal von Belgien und Flandern, was sich großenteils als eine taktische Zurückhaltung aus diplomatischen und kriegswirtschaftlichen Gründen erklären lässt. Im August 1944, kurz vor der Befreiung Belgiens durch die Alliierten, wurde die Schaffung eines flämischen und wallonischen ›Reichsgaus‹ dekretiert. Zur Flandernpropaganda vgl. Kapitel 1.2.2. Als ideologische Leitvorstellungen sind u. a. zu nennen: der biologische Rassengedanke, positivistische Technikgläubigkeit, mythische Heldenverehrung, Germanenkult, Reichsidee und Führerprinzip. Weiter wird aus dem Vorrat folgender, oft widerstreitender Lehren geschöpft: Sozialismus, Sozialdarwinismus, Nordismus, Antisemitismus, Konservativ-Nationalismus, Irrationalismus, Imperialismus, Militarismus, Antidemokratismus, Antikapitalismus und Kapitalismus (vgl. Uwe-K. Ketelsen: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literatur in Deutschland 1890–1945. Stuttgart 1976, S. 31–36.

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an einzelne »Schichten, Klassen, regionale Gruppen mit eigentlich unverträglichen Interessen« zu appellieren und somit totalisierend zu wirken:22 Die Nazis nahmen die versprengten Reste alter Ideologien auf und kombinierten sie […] in verschiedenen Konstellationen, je nach Zielgruppe, um auf […] verschiedene[ ] Gesellschaftsschichten zu reagieren.23

Terminologisch glich die nationalsozialistische Ideologie das Fehlen eines systematischen und rational fundierten Wirklichkeitsmodells durch ein Netzwerk strukturierender Konzeptschlagworte aus.24 Auch hier spielte der Ansatz der Differenzierung eine entscheidende, wenn auch weniger manifeste Rolle. So dienten die Schlagworte – z. B. ›Volk‹, ›Volkstum‹, ›Volksgemeinschaft‹, ›Leben‹, ›Freiheit‹, ›germanisch‹, ›Nation‹ oder ›Sozialismus‹ – dem Zweck, die aus disparaten Traditionen und Diskursen gewonnenen Inhalte unter einen einheitsstiftenden Nenner zu bringen. In gleichsam umgekehrter Richtung lag ihre vereinheitlichende Wirkung darin, dass ihre unbestimmte Offenheit vielfältige Deutungsmöglichkeiten und somit eine differenzierte Rezeption zuließ.25 Derselben Logik unterlag übrigens auch die Entscheidung der

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Stephen Lowry: Pathos und Politik. Ideologie in Spielfilmen des Nationalsozialismus. Tübingen 1991, S. 35. Verweisend auf Theodor W. Adorno, Peter Bürger und Jürgen Habermas argumentiert Lowry, die »moderne Gesellschaft und Kultur [seien] nicht mehr so sehr durch die integrative Wirkung holistischer Welterklärungen bestimmt, sondern vielmehr durch ein Nebeneinander von tendenziell inhaltsentleerten Residual-Ideologien. ›Das Alltagsbewusstsein wird seiner synthetisierenden Kraft beraubt, es wird fragmentiert.‹« [Hervorhebung im Original] Lowry: Pathos und Politik, S. 34. Die als Protestbewegung gegen die Weimarer Republik entstandene NSDAP war ein Sammelbecken verschiedener Wählerschichten und Auffassungen, das sich nur durch einen differenzierenden Ansatz erreichen ließ. Die Absicht, ein »möglichst breites Anhängerspektrum anzusprechen«, führte laut Hans Mommsen dazu, dass die »Integration divergierender Interessen« zum Selbstzweck der nationalsozialistischen Politik avancierte und zu einem »Politik-Verständnis« führte, »das fast völlig auf propagandistische Mobilisierung bei wechselnden Inhalten ausgerichtet war« (Nationalsozialismus als vorgetäuschte Modernisierung. In: Der historische Ort des Nationalsozialismus. Annäherungen. Hg. von Walter H. Pehle. Frankfurt/M. 1990, S. 34). Konzeptschlagworte werden als ein typisches Merkmal von so genannten Ausdrucksideologien wie dem deutschen Nationalsozialismus und italienischen Faschismus gewertet. Die Terminologie stammt ursprünglich von Kurt Lenk (Volk und Staat. Strukturwandel politischer Ideologien im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 1971). Klausnitzer definiert den Begriff treffend als ein »variabel einsetzbares terminologisches Konglomerat, das durch Integration unterschiedlicher Bedeutungen und Bedeutungskontexte differierende Erfahrungen bzw. Überzeugungen kompatibel machte und […] je nach Bedürfnis kombiniert, mit veränderten Bedeutungen aufgeladen bzw. aufgerufen« werden konnte. (Blaue Blume, S. 370). Mit einem diskurstheoretischen Ausdruck ließen sich Schlagworte ebenfalls als ›floating signifiers‹ (›schwebende Signifikanten‹) beschreiben: »a signifier that is overflowed with meaning because it is articulated differently within different discourses« (Torfing: New Theories of Discourse, S. 301). Dieses Verfahren war ebenfalls ein typisches Merkmal der verdeckten Schreibweise. Man denke in diesem Zusammenhang auch an der doppelten Verwertbarkeit des historischen Romans, der sowohl für die nationalsozialistische Propaganda als für die verschlüsselte Kritik am Regime (u.a. Werner Bergengruens Der Großtyrann und das Gericht (1935),

Propagandapolitiker, weniger mit Neologismen als mit bestehenden Begriffen zu operieren, die umgedeutet wurden, ihre bisherige Bedeutung jedoch immer noch mitklingen ließen und so eine Kontinuität mit dem überkommenen Denksystem suggerierten. Auch die Wahl der Formen, in denen die einzelnen ideologischen Versatzstücke der Bevölkerung präsentiert wurden, lassen ein durch Differenzierung totalisierendes Vorgehen erkennen. Gemeint ist hier u. a. die unterschiedliche Benutzung der vorhandenen Medien. Wie Ernst K. Bramsted in seiner Analyse der nationalsozialistischen Propaganda erwähnt, »teilte das Propagandaministerium oft jedem der verschiedenen Medien besondere Aufgaben und Funktionen zu« und hatten »individuelle Medien […] besondere Wirkungen zu erzielen«.26 Der Rundfunk z. B. wurde wegen seiner Flüchtigkeit bevorzugt für die Beeinflussung der aktuellen Stimmung und für die Verbreitung solcher Nachrichten eingesetzt, für die man ungern den dokumentarischen Beweis antrat.27 Die Möglichkeit der Direktübertragung und der kollektiven Rezeption erhöhte die Bedeutung des Radios für die Schaffung eines deutschen Gemeinschaftsgefühls.28 Der Film wurde im Hinblick auf sein audiovisuelles Wirkungspotential hauptsächlich als ›Affekt-Medium‹ und als Medium für die ›unsichtbare Propaganda‹ eingesetzt.29 Seine Eigenschaft, »primär auf das Optische und Gefühlsmäßige, also Nichtintellektuelle einzuwirken« wurde genutzt, um die Emotionen der breiten Massen anzusprechen und zu kanalisieren.30 Die kurzlebige Zeitungspresse wurde ihrerseits für die propagandistische Aufbereitung tagesaktueller Ereignisse und für befristete Kampagnen mobilisiert, während Zeitschriften auch weniger tagesgebundene Themen an eine spezifische Leserschaft anpassen und vertiefend behandeln sollten. Das Buch wurde durch seine Dauerhaftigkeit vorrangig in den Dienst der längerfristigen Ziele der nationalsozialistischen Propaganda gestellt. Ihm war in erster Linie die ideologische Funktion vorbehalten, die tiefer liegende Haltung31 der deutschen Bevölkerung zu festigen. In den Kriegsjaren wurde das pflegeleichte Medium auch zunehmend als Ersatz für wegfallende Zerstreuungen bzw. als rein systemstabilisierendes Unterhaltungsmedium genutzt.32 Insgesamt resultierte der differenzierte Ansatz darin, dass Medien zur Vermittlung unterschiedlicher, bisweilen sogar entgegengesetzter Interessen und Botschaften eingesetzt wurden. Das Ergebnis

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Stefan Andres’ El Greco malt den Großinquisitor (1935) und Reinhold Schneiders Las Casas vor Karl V (1938)) eine der bevorzugten Gattungen war. Vgl. Bramsted: Goebbels, S. 110. Vgl. Walter Hagemann: Publizistik im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Methodik der Massenführung. Hamburg 1948, S. 152. Dazu u. a.: Uta C. Schmidt: Die mediale Inszenierung der ›Volksgemeinschaft‹. Rundfunk im Nationalsozialismus. In: Sozialwissenschaftliche Informationen 3 (2002), S. 15–24. Harro Segeberg (Hg.): Mediale Mobilmachung. Tl. 1: Das Dritte Reich und der Film. München 2004, S. 271. Reichsfilmintendant Fritz Hippler (zitiert nach: Andrea Winkler-Mayerhöfer: Starkult als Propagandamittel? Studien zum Unterhaltungsfilm im Dritten Reich. München 1992, S. 67). Zum Begriff der ›Haltung‹ vgl. Kapitel 1.1.2. Vgl. die Kapitel zum Kitsch (3.2.1.1.) und zum Unterhaltungsschrifttum (3.4.).

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war eine mehrspurige Propaganda, die sowohl Chancen für die totale Erfassung der komplexen Wirklichkeit als auch eine potentielle Gefährdung ihrer Glaubwürdigkeit und Kohärenz in sich barg.33 Auch innerhalb der einzelnen Medien wurde eine kontrollierte Vielfalt gepflegt, um das nach Intelligenz, Bildungsgrad, Interessen, politischer Gesinnung und Nationalität differenzierte Zielpublikum möglichst umfassend zu erreichen. Von jedem Medium wurde erwartet, dass es verschiedene Spielarten von der manifest politischen Indoktrination bis hin zur scheinbar unpolitischen Unterhaltung erkennen ließ. Symptomatisch war in dieser Hinsicht Goebbels’ wiederholte Aussage, er wünsche nicht etwa eine Kunst, die ihren nationalsozialistischen Charakter lediglich durch Zurschaustellung nationalsozialistischer Embleme und Symbole beweist, sondern eine Kunst, die ihre Haltung durch nationalsozialistischen Charakter und durch Aufraffen [sic] nationalsozialistischer Probleme zum Ausdruck bringt. Diese Probleme werden das Gefühlsleben der Deutschen und anderer Völker um so wirksamer durchdringen, je unauffälliger sie behandelt werden.34

Realisiert wurden auf diese Weise verschiedene Formen der ideologischen Beeinflussung, die »im komplexen System der Ideologien im Nationalsozialismus« nebeneinander existierten und dort »ihre eigenen, unterschiedlichen Funktionen erfüllten«.35 Im Bereich der Literatur etwa tat sich ein breites Spektrum auf von der stark geförderten Propagandaliteratur von Parteidichtern wie Adolf Bartels, Bruno Brehm, Hanns Johst, Wilhelm Schäfer oder Hans Zöberlein über die von Goebbels aus systemstabilisierenden Gründen geduldeten Hintertreppenromane von Hedwig Courths-Maler oder Eugenie Marlitt bis hin zur strategischen Duldung oder gar Förderung des Werks international angesehener Autoren wie Hans Carossa, Ernst Wiechert und Gerhart Hauptmann. Daneben zeigte sich das Bemühen um eine strategische Differenzierung zwischen Gattungen, besonders zwischen dem fiktionalen und dem nicht-fiktionalen Schrifttum. Entscheidend war dabei die Erkenntnis, dass das fiktionale Buch durch seine schützende Unverbindlichkeit, narrativen Darstellungsmöglichkeiten und breite Rezeption der Propaganda andere Möglichkeiten bot als das sachliche Schrifttum.36 Expliziert wurde dieses besondere Wirkungspotential u. a. in der Nationalsozialistischen Bibliographie, die der »Dichtung« eine »ungleich größere politische Kraft und Wirkungsmöglichkeit« attestierte »als ein[em] schon dem Thema nach rein politische[n] Buch«.37

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Vgl. das Fallbeispiel Russland in Kapitel 1.2.3.1. Goebbels’ Rede bei der ersten Jahrestagung der Reichsfilmkammer am 5. März 1937 in der Berliner Krolloper (zitiert nach: Gerd Albrecht: Nationalsozialistische Filmpolitik. Eine soziologische Untersuchung über die Spielfilme des Dritten Reichs. Stuttgart 1969, S. 456). Unter ›Kunst‹ versteht Goebbels in diesem Zusammenhang das »Gebiet der Dichtung, der Architektur, der Theater- und der Filmkunst« (S. 451). Lowry: Pathos und Politik, S. 41. Vgl. die Kapitel 1.2.3.2. und 1.2.3.3. Hederich, NSB 1 (1938), S. VI. Karl-Heinz Hederich war Schriftleiter der Nationalsozialistischen Bibliographie und stellvertretender Vorsitzender der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des deutschen Schrifttums, die für die Bibliographie zuständig

Der Rundfunkhörer wurde seinerseits mit einer auf die politischen und militärischen Entwicklungen abgestimmten38 Mischung von politischer Berichterstattung, populären Schlagern, Opern, Hörspielen und Programmen an die gesamte Bevölkerung wie an einzelne Hörergruppen39 versorgt. Auch das dreigliedrige Kinoprogramm war im Hinblick auf seine politische und ideologische Unmittelbarkeit auf Variation angelegt. Die in der Regel 30 Minuten dauernde Wochenschau, die jedem Kinoprogramm vorausging, bediente sich unpolitischer Faits divers und populärer Nachrichten aus den Bereichen Sport und Unterhaltung, um den Zuschauer für die – oftmals stark manipulierte40 – politische Berichterstattung aufnahmefähig zu machen.41 Die als ›Kulturfilm‹ bezeichneten, etwa 15 Minuten langen Kurzfilme, die meist zwischen Wochenschau und Hauptfilm gezeigt wurden, benutzten die kurze Dokumentarform, um eine Reihe von Lebensbereichen und Wissensgebieten – »Natur und Wissenschaft, Kunst und Volkstum, Handwerk und Technik, Militaria und Politik«42 – mehr oder weniger ausdrücklich im Licht der nationalsozialistischen Weltbetrachtung erscheinen zu lassen.43 Die Produktion von Spielfilmen spannte schließlich den Bogen von unterhaltenden Revuefilmen, Komödien, Melodramen und

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war. Daneben war er auch Reichsamtsleiter und Leiter der Abteilung Schrifttum. Zur Nationalsozialistischen Bibliographie vgl. Seite 164, Fußnote 7. Vgl. die in Goebbels’ Tagebüchern festgehaltenen Diskussionen darüber, ob nach Bombenangriffen leichte oder ernste Musik gesendet werden müsse. Für Zielgruppenprogramme wie den Frauen- und Jugendfunk vgl. Inge Marßolek / Adelheid von Saldern (Hg.): Zuhören und Gehörtwerden. Radio im Nationalsozialismus, zwischen Lenkung und Ablenkung. Tübingen 1998, S. 105–125 (vgl. auch: Daniela Münkel: Radio für das Land. Der Landfunk in der NS-Zeit. In: Westfälische Forschungen 47 (1997), S. 427–451). Vgl. u. a. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 26.10.1942: »Die letzte Wochenschau gilt als überragend gut. Sie habe vor allem durch ihre zusammenhangenden Kampfhandlungen außerordentlich eindrucksvolles Material vom Krieg im Osten gebracht. Besonders aber habe unsere Trickdarstellung über die Ernährungslage sehr überzeugend gewirkt.« Dazu ebenfalls: Kay Hoffmann: ›Nationalsozialistischer Realismus‹ und Film-Krieg. Am Beispiel der Deutschen Wochenschau. In: Mediale Mobilmachung. Hg. von Segeberg, S. 151–178. Zur Wochenschau vgl. u. a. Kay Hoffmann: Der Mythos der perfekten Propaganda. Zur Kriegsberichterstattung der ›deutschen Wochenschau‹ im Zweiten Weltkrieg. In: Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert. Hg. von Ute Daniel. Göttingen 2006, S. 169–192; Ulrike Bartels: Die Wochenschau im Dritten Reich. Entwicklung und Funktion eines Massenmediums unter besonderer Berücksichtigung völkisch-nationaler Inhalte. Frankfurt/M. 2004; Roel Vande Winkel: Nazi Newsreels in the New Order, 1939–1945. The Many Faces of Ufa’s Foreign Weekly Newsreel (Auslandstonwoche) versus the German Weekly Newsreel (Deutsche Wochenschau). In: Historical Journal of Film, Radio and Television 1 (2004), S. 5–34. Boguslaw Drewniak: Der deutsche Film 1938–1945. Düsseldorf 1987, S. 50. Zum Kulturfilm im Dritten Reich vgl. u. a. Peter Zimmermann / Kay Hoffmann (Hg.): Geschichte und Ästhetik des dokumentarischen Films in Deutschland 1895–1945. Bd. 3: ›Drittes Reich‹ 1933–1945. Stuttgart 2005; Irmbert Schenk / Walter Ruttmann: Kultur- und Industriefilme 1933–1941. In: Mediale Mobilmachung. Hg. von Segeberg, S. 151–180; Peter Zimmermann: Zwischen Sachlichkeit, Idylle und Propaganda. Der Kulturfilm im Dritten Reich. In: Triumph der Bilder. Kultur und Dokumentarfilme vor 1945 im internationalen Vergleich. Hg. von dems. / Kay Hoffmann. Konstanz 2003, S. 59–73.

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Operetten mit international anerkannten Stars wie Zarah Leander, Kristina Söderbaum und Heinz Rühmann über literarische Verfilmungen hin zu plakativ politischen Propagandafilmen, Durchhaltefilmen und auf die nationalsozialistische Gegenwart bezogenen Filmbiografien, die der deutschen Bevölkerung historische Identifi kationsfiguren aus Kunst, Wissenschaft, Politik und Militär vorführten.44 Die Dominanz des vordergründig unpolitischen Unterhaltungsfilms suggeriert, dass er hauptsächlich der »Produktion passiver Loyalität«45 dienen sollte. In der Presse schließlich ging die unterschiedliche ideologische Durchdringung und Instrumentalisierung einzelner Publikationen, Gattungen und Rubriken deutlicher als in anderen Bereichen auf ein ausdrückliches Bemühen der Lenkungsinstanzen zurück. Wie Walter Hagemann in seiner Studie zur Publizistik im Dritten Reich zeigt, wurden gewisse Presseorgane für Sonderaufgaben ausersehen, so etwa »die rheinische Presse für westeuropäische, die Münchener bzw. Wiener Presse für südöstliche Angelegenheiten« und »Blätter wie die ›Frankfurter Zeitung‹, die ›Kölnische Zeitung‹, die ›Berliner Börsenzeitung‹, die ›Deutsche Allgemeine Zeitung‹ für den repräsentativen Meinungsaustausch mit dem Ausland«.46 Publikationen wie Der Angriff, Völkischer Beobachter, Der SA-Mann und Der Schwarze Korps sollten ihre nationalsozialistische Ausrichtung explizit zeigen, Organe wie die Wochenzeitung Das Reich und die international ausgerichtete Zeitschrift Europäische Literatur dagegen durch Aufmachung, Inhalt, Stil und Mitarbeiter den Eindruck einer gewissen Meinungsfreiheit erwecken und den Schein politischer Unabhängigkeit vermitteln.47 Die beabsichtigte Differenzierung des Pressewesens fand ihren Ausdruck in den täglich vom Propagandaministerium erteilten Presseanweisungen. Am 4. März 1937 wurden die Pressevertreter angehalten, sich stilistisch ihrem jeweiligen Zielpublikum anzupassen. Bei Polemiken, so lautete das Beispiel, wurden »von der ›Frankfurter Zeitung‹ nicht die gleichen scharfen Worte wie vom ›Angriff‹« erwartet.48 Einige Monate nach Kriegsbeginn wurde gewarnt: In Zeiten einer starken politischen Anspannung ist es notwendig gewesen, daß die Presse eine gewisse Uniformität annahm. Jetzt aber muß sie sich schleunigst bemühen, aus dieser Einförmigkeit wieder herauszukommen. Die Redaktionen müssen mehr als bisher eigene

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Dazu u. a.: Rolf Giesen / Manfred Hobsch: Hitlerjunge Quex, Jud Süss und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches. Dokumente und Materialien zum NS-Film. Berlin 2005; David Welch: Propaganda and the German Cinema 1933–1945. London u. a. 2001; Moeller: Der Filmminister; Wolf Donner: Propaganda und Film im ›Dritten Reich‹. Berlin 1995; Erwin Leiser: ›Deutschland erwache‹. Propaganda im Film des Dritten Reiches. Reinbek 1989; Hilmar Hoffmann: ›Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit‹. Propaganda im NS-Film. Frankfurt/M. 1988 (ebenfalls dazu: Seite 39, Fußnote 14, und spezifisch zum Unterhaltungsfilm: Seite 270, Fußnote 121). Detlev J. K. Peukert (zitiert nach: Schütz: Das ›Dritte Reich‹ als Mediendiktatur, S. 130). Hagemann: Publizistik im Dritten Reich, S. 153f. Zur Zeitschrift Europäische Literatur vgl. Seite 32ff.; vgl. auch Goebbels’ Aussage auf der Geheimen Ministerkonferenz vom 3. Februar 1940: »Die Polyphonie der Zeitungen soll in jedem Fall erhalten bleiben« (in: Willi A. Boelcke (Hg.): Wollt ihr den totalen Krieg? Die geheimen Goebbels-Konferenzen 1939–1943. München 1969, S. 47). PA vom 4.3.1937.

Arbeit leisten. Man wird dem Material, das einem zugeht, nicht gerecht, wenn man es so abdruckt, wie etwa das Deutsche Nachrichtenbüro es anbietet.49

Die Zeitschriftenpresse erweist sich somit als ein besonders anschaulicher Bereich, der detailliert Einblick in Funktion und Anwendung des Prinzips der totalitären Differenzierung gewährt. Im Folgenden werden daher Beispiele aus diesem Bereich gewählt, um die Methode konkret zu veranschaulichen und die Grundlage für die weiteren Überlegungen zum Buch zu erarbeiten. Fallbeispiele aus der Zeitschriftenpresse Die Wichtigkeit der Zeitschriftenpresse für die nationalsozialistische Propaganda ist eng mit dem Gedanken der totalitären Differenzierung verknüpft. Die Vielfalt der Zeitschriftenlandschaft, die die Nationalsozialisten bei ihrer Machtübernahme antrafen, wurde als eine Gefahr für die Formierung der einheitlichen ›Volksgemeinschaft‹ und damit als eine negative, demokratische Form der Differenzierung wahrgenommen: Es sei nicht verkannt, daß gerade die Zeitschrift im Laufe ihrer Geschichte oft zur Spaltung unseres Volkes beigetragen hat – daß sie früher rücksichtslos in den Dienst weltanschaulicher Richtungen gestellt wurde, wirtschaftliche Machtkämpfe verschärfte oder auf der anderen Seite auch die »Vereinsmeierei« förderte.50

Gleichzeitig wurden jedoch auch die Vorteile dieser Vielgestaltigkeit für die Propaganda entdeckt. So wurden Zeitschriften gerade deswegen für wichtig gehalten, weil sie im Gegensatz zu anderen Medien nur einem »Teilgebiet des Lebens«51 dienten und auf diese Weise ganz gezielt einzelne, »spezielle[ ] Lebenskreis[e]«52 beeinflussen konnten: »Sie packen den Menschen dort, wo sein persönliches Interessengebiet liegt, und üben allein schon deshalb eine Wirkung aus, haben ein besonders enges Verhältnis zum Leser.«53 Im Gegensatz etwa zum Rundfunk, dem Kino und der Tagespresse, die sich an ein breites Massenpublikum wandten, ließ sich die Zeitschrift – genauso wie das Buch – als »Organ zur individuellen Beeinflussung des einzelnen Volksgenossen«54 verwenden. Die Spezialisierung der einzelnen Zeitschriften wurde damit von einer Gefahr (der Propagierung »egoistische[r] oder sogar staatsfeindliche[r] Sonderinteressen«) in die Möglichkeit umgedeutet, eine »gez ielt e Propaganda zu erreichen«: Denn die i n n e r e Ve r b u n d e n h eit des Lesers mit der von ihm erwählten Zeitschrift […] ist in den allermeisten Fällen unverhältnismäßig stärker als bei der Tagespresse. Fast in jedem Falle wird der Zeitschriftenleser den Gedankengängen, die in seiner Zeitschrift wie-

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PA vom 21.11.1939. ZD 11 (15.7.1939). Ernst Herbert Lehmann: Die Zeitschrift im Kriege. Berlin-Charlottenburg 1940, S. 16. Ebd., S. 17. ZD 11 (15.7.1939). Stampe: UWW 1937, S. 144f. [eigene Hervorhebung]. Die folgenden Zitate sind ebd. Max Stampe war Leiter des Zeitschriftenreferats im Propagandaministerium.

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dergegeben werden, mit wesentlich g r ö ß e r e r Au fge s ch lo s s e n h eit und mit einem viel stärkeren Vertrauensverhältnis gegenüberstehen, als das irgendeinem anderen gedruckten Wort gegenüber der Fall ist. D ie s e Ta t s a ch e i st n a t ü rl ich f ü r d e n P r o p a ga n d i st e n vo n g a n z b e s o n d e r e r B e d e u t u ng, denn ihre sinngemäße und richtige Auswertung wird es ihm ermöglichen, an Menschen der verschiedensten Auffassungsgabe und der verschiedensten Interessenkreise heranzukommen […].

Diesen Erwartungen entsprechend hielten es die Lenkungsinstanzen für unentbehrlich, die ›Vielfalt‹ und ›Vielgestaltigkeit‹ des Zeitschriftenwesens in gewissen Grenzen zu pflegen und sogar zu fördern: [D]as gesamte deutsche Zeitschriftenwesen […] in seiner Vielgestaltigkeit einzuschränken, hieße nicht nur dem geistigen Leben Deutschlands innenpolitisch und außenpolitisch Schaden zuzufügen, sondern würde auch die Bedeutung und Einsatzmöglichkeit eines unserer wichtigsten Propagandamittel empfindlich schwächen.55

Der Wert der Zeitschrift wurde unter diesem Gesichtspunkt weniger durch ihre Auflagenhöhe als durch ihren »qualitative[n] Wirkungskreis« bestimmt: »Man kann nur so mancher ›großen‹ Zeitschrift wünschen, daß sie mit demselben Eifer gelesen wird wie die oft verachtete kleine Zeitschrift.« 1939 wurden zwei vertrauliche Publikationen – der Zeitschriften-Dienst und seine Beilage Deutscher Wochendienst – ins Leben gerufen mit dem Ziel, »jedem Schriftleiter« durch eine »Fülle von Material und Gedanken« die »Möglichkeit zu geben, die für sein Blatt, seinen Leserkreis geeigneten Themen auszuwählen.«56 Selbst für »unbedingt zu behandelnde Punkte«, die das Propagandaministerium der gesamten Zeitschriftenpresse als verbindlich auferlegte, sollten die »gebotenen Anregungen noch zahlreich und vielfältig genug« sein, »um jeder Zeitschrift eine ihrer Eigenart entsprechende Auswertung zu ermöglichen«. Beide Publikationen sollten gewährleisten, dass Gemeinplätze sowie auffällig politische Inhalte vermieden und Beiträge »ausschließlich vom Au fga b e ngebiet der einzelnen Zeitschrift her« geschrieben wurden.57 (Vgl. Abbildung 2.) Auf diese Weise entstand im Dritten Reich ein spannungsvolles Verhältnis zwischen dem Ziel der Totalisierung und den Methoden, diese zu erreichen. Wurde einerseits allerorts gegen die Isolierung einzelner Lebensbereiche und für das ganzheitliche Leben plädiert, so wurde andererseits in Publikationen wie dem Zeitschriften-Dienst und dem Deutschen Wochendienst vorgeschrieben, wie Themen wie Die deutsche Romantik, Flämische Malkunst, Fremde Volksgruppen in Deutschland, Die volksoffene Kunstausstellung, Baugestaltung und Bauwirtschaft, Krieg und Kunst oder die Stärkung des deutschen Selbstbewußtseins präsentiert und auf verschiedene Lebensbereiche abgestimmt werden sollten. Ähnliche Beispiele boten die Bücher des in mehreren nationalsozialistischen Organen gelobten und als Experte ausgewiesenen Lehrbeauftragten für Zeitschriftenkunde an der Universität Berlin, Ernst Herbert

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ZD 11 (15.7.1939). Das folgende Zitat ist ebd. Merkblatt über die Anwendung und Auswertung des ›Zeitschriften-Dienstes‹, in: ZD 1 (9.5.1939). Die folgenden Zitate sind ebd. ZD 18 (1.9.1939).

Abb. 2

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Lehmann.58 In seinem Buch Die Zeitschrift im Kriege gab er Hinweise in Wort und Bild, wie ein und dasselbe Grundthema in verschiedenen Zeitschriften aus verschiedenen Blickwinkeln behandelt werden konnte: Die deutschen Zeitschriften haben in umfassenden Beiträgen mit Wort und Bild das Problem »England« behandelt. Während die Unterhaltungsblätter aller Art England als Unruhestifter in Vergangenheit und Gegenwart schilderten, befaßten sich beispielsweise die Wirtschaftszeitschriften mit den Auswirkungen des britischen Wirtschaftskrieges auf die neutralen Staaten; während das Witzblatt die herrschenden Männer Englands im Spottbild zeigte, veröffentlichte ein kulturpolitisches Organ vielleicht Dokumente englischer Neutralitätsverletzungen und brachte Aussprüche großer Männer über den englischen Charakter.59

Parallel dazu wurden Hinweise darüber vermittelt, wie sich »politische Maßnahmen« und »aktuelle Fragen« auf ganz unterschiedlich geartete Leserkreise zuschneiden ließen.60 Der Zeitschriften-Dienst machte inhaltliche Vorschläge dafür, wie Unterhaltungs-, Sport-, Wirtschafts- und Kulturzeitschriften, aber auch spezialisierte Blätter wie Nähmaschinen-, Teppich-, und Zahnheilkundezeitschriften einzelne Themen »in einer persönlichen und genau auf den Leserkreis abgestimmten Ansprache« vermitteln konnten.61 In Lehmanns Gestaltung der Zeitschrift wurden die besonderen Aufgaben der Zeitschriften »von der Gestaltung des Titelblatts und Umschlags über die Gestaltung des Text- und Anzeigenteiles bis zu den feinsten psychologischen Wirkungsmöglichkeiten« skizziert und Zeitschriftengestalter ermahnt, den »ständigen Fortschritt« sowohl »der Drucktechnik« als auch »der psychologischen Propagandaerkenntnisse« aufmerksam zu verfolgen, um einzelne Lesergruppen auf ihre je eigene Weise möglichst wirksam anzusprechen.62 Zusammenfassend wurden die deutschen Zeitschriftenjournalisten vor die Herausforderung gestellt, einerseits »von einheitlichem Willen beseelt« zu sein und »nach demselben Ziel« zu streben, andererseits jedoch »keinesfalls eine Uniformierung dadurch eintreten« zu lassen, »daß alle […] in der gleichen Tonart und Themenstellung schreiben«.63

Abb. 3

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Dazu u.a. ZD 8 (24.6.1939) und ZD 13 (29.7.1939). Lehmann: Die Zeitschrift im Kriege, S. 19. Ebd., S. 15 u. 57 (dazu ebenfalls: Menz: BDB 49 (27.2.1940), S. 67). ZD 18 (1.9.1939). Zitiert nach: ZD 13 (29.7.1939). Das folgende Zitat ist ebd. ZD 18/1.9.1939.

In den vierziger Jahren, als der Krieg für die Propaganda eine neue Lage schuf, resultierte das Bemühen um eine ausdifferenzierte Zeitschriftenlandschaft in neuen, sich von der sonstigen Presse unterscheidenden Publikationen. Ein erstes signifikantes Ereignis war in diesem Zusammenhang die Gründung der führenden politischen Wochenschrift Das Reich im Mai 1940, die sich in Deutschland durch ein hohes journalistisches Niveau von der nationalsozialistischen Einheitspresse abheben sollte.64 Dem Blatt gelang es, so renommierte Mitarbeiter wie Theodor Heuss, Max Planck und Werner Höfer zu rekrutieren, indem es sich anders als andere Blätter weniger durch das Kriterium der politischen Zuverlässigkeit als durch das der journalistischen Kompetenz führen ließ. Dazu wurden die Beiträger ausdrücklich mit der »Möglichkeit zur Weglassung nationalsozialistischer Phrasen, der ausweichenden Behandlung von vorgeschriebenen Pflichtthemen, des Ausweichens auf unpolitische Probleme« sowie »der vorsichtigen Erwähnung und Einstreuung von tabuisierten Tatsachen und Zusammenhängen« umworben.65 Tatsächlich werden dem Reich von der heutigen Forschung bedeutsame Abweichungen im Vergleich zur sonstigen Parteipresse attestiert.66 Die kalkulierte Illusion von Pressefreiheit, die die Wochenzeitung dem Leser vermittelte, ließ ihre Auflage von den ursprünglich geplanten 100.000 Exemplaren auf über 500.000 Exemplare im Oktober 1940 und 1,4 Millionen im März 1944 ansteigen und machte sie im Dritten Reich zum zweitgrößten NS-Presseorgan nach dem Völkischen Beobachter.67 Trotz der plakativ ideologischen Leitartikel von Goebbels und der ausgesprochen antisemitischen Beiträge, die die Zeitschrift ebenfalls enthielt, wurde Das Reich zu einem Aushängeschild des nationalsozialistischen Regimes, das

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Die Wochenzeitung geht auf eine Initiative des Stabsleiters im Verwaltungsamt der NSPresse, Rolf Rienhardt, zurück und wurde von Goebbels gebilligt unter der Voraussetzung, dass er selber als Propagandaminister die Leitartikel schrieb. Das Blatt nahm konzeptionell den englischen Observer zum Vorbild, während sein Titel als Gegenstück zum englischen The Empire gedacht war. Die letzte Nummer erschien am 15. April 1945, also nur wenige Wochen vor dem Ende des Dritten Reichs. Trotz seiner Bedeutung als zweitgrößte Zeitung ist Das Reich heute sehr viel weniger bekannt als der Völkische Beobachter. Das mag dadurch begründet sein, dass es sich schlecht in das tradierte Bild der alle Unterschiede nivellierenden und jegliche journalistische Qualität tilgenden Diktatur einfügen lässt. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf folgenden Studien: Mathias Aljoscha Winde: Bürgerliches Wissen – Nationalsozialistische Herrschaft. Sprache in Goebbels’ Zeitung ›Das Reich‹. Frankfurt/M. u. a. 2002; Friedemann Bedürftig: Lexikon III. Reich. Hamburg 1994, S. 317; Reichel: Der schöne Schein, S. 176–178; Erika Martens: Z.B. ›Das Reich‹. Zur Phänomenologie der Presse im Dritten Reich. Köln 1972; Kurt Koszyk: Deutsche Presse 1914–1945. Berlin 1972, S. 405–408; Karl-Dietrich Abel: Presselenkung im NSStaat. Eine Studie zur Geschichte der Publizistik in der nationalsozialistischen Zeit. Berlin 1968, S. 73–105; Carin Kessemeier: Der Leitartikler Goebbels in den NS-Organen ›Der Angriff‹ und ›Das Reich‹. Münster 1967, S. 137–219; Hans Dieter Müller (Hg.): Facsimile Querschnitt durch Das Reich. Bern u. a. 1964, S. 7–19. Abel: Presselenkung, S. 94. Müller stellt in der Einführung zu seinem Facsimile Querschnitt durch Das Reich (1964) z. B. Abweichungen in der Beurteilung der amerikanischen Politik und in der Einschätzung des sowjetischen Kraftpotentials fest (S. 14). Bedürftig: Lexikon III. Reich, S. 317.

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auch bei kritischen Lesern Zweifel aufkommen ließ, »ob am Nationalsozialismus nicht doch etwas Diskutables sei«.68 Ein zweites Beispiel ist die Auslandsillustrierte Signal (1940–1945), die ab Mitte April 1940 als Pendant von Das Reich für das Ausland herausgebracht wurde.69 Eine kleine Gruppe von Werbefachleuten, Abwehrspezialisten und Psychologen aus der Abteilung für Wehrmacht-Propaganda im Oberkommando der Wehrmacht widmete sich dem Auftrag, eine Zeitschrift mit dem klaren propagandistischen Ziel zu entwerfen, »mitten im Zweiten Weltkrieg ›Verständnis für Deutschland in der Welt zu wecken‹«.70 Zu diesem Zweck wurde für Signal eine Aufmachung gewählt, die sich stark von der offen nationalsozialistischen Presse des Dritten Reiches unterschied. Optiert wurde für ein unaufdringliches Konzept in Verbindung mit einer modernen Aufmachung, hochwertigen Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografien, einem für Kriegsverhältnisse erstaunlichen Umfang von mindestens 40 Seiten je Ausgabe und Auflagen in mehr als 20 verschiedenen Sprachen. Das Ergebnis war eine Zeitschrift, die in den besetzten, feindlichen und neutralen Ländern Europas wie auch über die Grenzen des Kontinents hinaus eine begeisterte Aufnahme fand. Bereits anderthalb Jahre nach ihrer Gründung überschritt ihre Auflage die Schwelle von 2,4 Millionen Exemplaren. Damit lag sie unter den auflagenstärksten Illustrierten des gesamten europäischen Kontinents an zweiter Stelle. Ein Leitartikel aus dem Petit Parisien vom 27. April 1940 zeigt, dass die Qualität der Illustrierten im Ausland geradezu Besorgnis auslöste: » Je serais«, so der Kommentator, assurément, heureux de pouvoir constater et déclarer que ce périodique hitlérien et bimensuel est d’une lourdeur, d’une grossièreté et d’une maladresse insignes. Je suis malheureusement obligé de reconnaître qu’il est fort bien fait.71

Ein weniger bekanntes Beispiel ist schließlich die Zeitschrift Europäische Literatur, die 1942 auf Anregung des Propagandaministeriums gegründet wurde und – genauso wie Das Reich und Signal – im Deutschen Verlag erschien.72 Die Monatsschrift war als Instrument für die Gewinnung eines überwiegend ausländischen Publikums im besetzten und neutralen Ausland gedacht, wo nur eine Minderheit hinter dem nationalsozialistischen Weltbild stand und eine offenkundig propagandistische Ausrichtung der Presse nicht zur erwünschten Resonanz führte.73 Um dieser Herausfor-

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Zitiert nach: Müller: Facsimile Querschnitt, S. 14. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf folgenden Studien: Rainer Rutz: Signal. Eine deutsche Auslandsillustrierte als Propagandainstrument im Zweiten Weltkrieg. Essen 2007; Ludwig Verduyn: Signaal. Geschiedenis van het propagandatijdschrift. Antwerpen 1984. Rutz: Signal, S. 10. Ebd., S. 9. Der Deutsche Verlag Berlin profilierte sich nach außen als ein eigenständiges Unternehmen, war aber seit 1934 im Besitz des Zentralverlags der NSDAP. Zur Zeitschrift vgl. auch Frank-Rutger Hausmann: ›Dichte, Dichter, tage nicht!‹ Die Europäische SchriftstellerVereinigung in Weimar 1941–1948. Frankfurt/M. 2004, S. 78–80. Zu diesen früheren Aktionen vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 434.

derung gerecht zu werden, trat die Redaktion eine Gratwanderung zwischen neutraler Tarnung und politischem Zweck an.74 Im Titel der Zeitschrift figurierten strategisch Europäisch anstatt Deutsch und Literatur anstatt Dichtung. Auf dem Umschlag in Farbdruck prangten europäische Kunstwerke ohne jeglichen Bezug auf den in Europa immer schonungsloser wütenden Krieg. Zum modernen Layout der Zeitschrift trat der äußere Schein eines institutionellen Vakuums.75 Zu Wort kamen anders als in regimenahen Zeitschriften wie den Nationalsozialistischen Monatsheften oder der Bücherkunde nicht die nationalsozialistische Prominenz und öffentliche Amtsträger, sondern europäische und deutsche Schriftsteller, die dem Regime positiv oder wenigstens abwartend gegenüberstanden.76 Besprochen wurden aus wirkungsstrategischen Gründen bevorzugt solche Autoren, die in ihrem jeweiligen Heimatland Beliebtheit und Ansehen genossen. Das gewählte Konzept erlaubte der Monatsschrift, dem Ausland den Eindruck eines kulturell lebendigen Deutschlands zu vermitteln. Dem offensichtlichen Erfolg der Differenzierungsstrategie standen die Risiken gegenüber, die der prekäre Balance-Akt zwischen Uniformierung und Differenzierung unvermeidlich mit sich brachte. Aus Richtlinien der Lenkungsinstanzen geht deutlich die Befürchtung hervor, die pragmatisch motivierte Differenzierung könne in einen realen Pluralismus umschlagen und die kontrolliert aufgegliederte Einheit zu einer faktischen Vielheit des Zeitschriftenwesens werden. Um dies zu verhindern, mahnte ein Aufruf im vertraulichen Zeitschriften-Dienst, die ›Individualität‹ der Zeitschriften nicht misszuverstehen:

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Dieselbe Spannung zwischen propagandistischer Absicht und neutraler Tarnung prägte die Europäische Schriftsteller-Vereinigung, deren Verbandsorgan die Europäische Literatur war. Die tragende Funktion des Propagandaministeriums wurde vor der Außenwelt maskiert: In der »1. Aufzeichnung« der Vereinigung vom 15. Oktober 1942 war zu lesen, es bestehe »ein dringendes propagandistisches Interesse«, »das Ministerium bei dieser wichtigen Vereinigung nicht in Erscheinung treten zu lassen«. Es seien »zweifellos Rückschläge zu erwarten, wenn herauskäme, dass das Ministerium die gesamte Arbeit finanziere« (Hausmann: ›Dichte, Dichter…!‹, S. 445). Folgerichtig wurde der Verband als eine spontane Initiative ausländischer Schriftsteller ausgegeben und Zuschüsse des Propagandaministeriums flossen der Vereinskasse über die Konten namhafter deutscher Autoren zu. Außerdem wurde nicht Joseph Goebbels oder Hans Friedrich Blunck, sondern Hans Carossa – der »kein NS-höriger Schriftsteller war, im Ausland hohes Ansehen genoß und somit unverdächtig war, ein NS-Propagandist zu sein« (S. 57) – zum Präsidenten ernannt. In seiner Studie demonstriert Hausmann genauestens das doppelte Ziel des Unterfangens, einerseits »Instrument deutscher Propaganda und deutschen Herrschaftswillens« (S. 103) zu sein, andererseits die Propaganda getarnt zu betreiben, um sich »in den Augen der Feindmächte nicht zu kompromittieren« (S. 51). Im Gegensatz zu den offiziellen Organen der Lenkungsinstanzen verschwand der Verweis auf die Redaktion, die sich aus unbekannten NS-Funktionären zusammensetzte, kaum auffindbar im Kleingedruckten zwischen den Werbungsannoncen auf der letzten Seite. Dem Manifest der Zeitschrift begegnete der Leser erst auf der dritten Seite des ersten Heftes, inmitten eines anderen Artikels und ohne Erwähnung der Autorschaft. Das Adjektiv ›europäisch‹ schloss bei näherer Betrachtung eine nur selektive Auswahl von Ländern ein, wozu beispielsweise England nicht gehörte. Dass neutrale Länder wie die Schweiz und Schweden erfasst wurden, passte in das Konzept der neutralen Tarnung.

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Die Individualität der einzelnen Zeitschrift soll sich […] nicht dahin auswirken, daß sie sich die Aufgabengebiete für die Aufklärung und Propaganda selbst ausdenkt, sondern daß sie die vom Zeitschriften-Dienst gestellten Aufgaben in individueller Form ihren Lesern nahebringt. Das ist die einzigmögliche Art, in der die deutsche Zeitschriftenpresse ihre Pflichten gegenüber Volk und Staat erfüllen kann.77

Was die Zeitschrift Europäische Literatur betrifft, war diese Befürchtung nicht unbegründet. Die Strategie des neutralen Scheins färbte zwar positiv auf das Image des Regimes ab, ließ aber gleichzeitig die Gefahr einer realen Mehrstimmigkeit erkennen. Die Tatsache, dass mit Mitarbeitern aus neutralen, besetzten und alliierten Ländern gearbeitet wurde, brachte zugleich ein Spektrum an unterschiedlichen Haltungen zum Regime mit sich. Dementsprechend lassen sich in den Texten tatsächlich auch nationsgebundene Ziele und Interessen erkennen. Im Fall der Flamen z. B. klang das Ideal eines selbständigen Flandern »im Schoße der germanischen Volksgemeinschaft« durch, das dem noch latenten politischen Vorhaben des nationalsozialistischen Regimes, Flandern als ›Reichsgau‹ mit beschränkter Autonomie dem Reich anzugliedern, ausdrücklich widersprach.78 Auch die strategische Überlegung, die Bekanntheit ausländischer Autoren sei wichtiger als der Nutzen ihrer Werke für die nationalsozialistische Eroberungspolitik, hatte Folgen.79 Um beim flämischen Beispiel zu bleiben, wurde der Schriftsteller Felix Timmermans, den die Lenkungsinstanzen als den Exponenten eines – im Hinblick auf die nationalsozialistische Außenpolitik – allzu idyllischen Flandernbildes kritisierten,80 der gleichzeitig jedoch europaweit der beliebteste und am meisten gelesene flämische Autor war, in der Europäischen Literatur anders als in der Nationalsozialistischen Bibliographie, der Bücherkunde und den Nationalsozialistischen Monatsheften kritik- und vorbehaltlos gelobt. Die Differenzierung zwischen Leserkreisen als Strategie der Totalisierung resultierte im Gesamtbild der nationalsozialistischen Presselandschaft unvermeidlich in einem elastischen und bisweilen brüchigen und widersprüchlichen Diskurs, der auf Seiten der Machthaber Sorgen über mögliche »weltanschauliche Verwässerungen in der Zeitschriftenpresse«81 hervorriefen.82 Goebbels formulierte diese Sorge ausdrücklich im Hinblick auf Das Reich. Am 3. März 1945 machte er in seinem Tagebuch

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ZD 21 (23.9.1939). Als Beispiel mag hier folgendes Zitat aus einem Aufsatz der flämischen Journalistin und Dichterin Blanka Gyselen gelten: »Daß Deutschland vielleicht mehr als jemals begreifend und bewundernd gegenüber der Eigenart unserer Künstler steht und hierfür zahlreiche Beweise gab und gibt, möge für den flämischen Künstler der Maßstab der Treue, der Unerschrockenheit und der begeisterten Liebe sein, die er seinem Volk, seinem Land und seiner Kunst im Hinblick auf diese Zeit schenken muß!« (Gyselen: EL 4 (1942), S. 20) [eigene Hervorhebung]. Prominenz und internationales Ansehen waren auch wichtige Kriterien bei der Errichtung der Europäischen Schriftsteller-Vereinigung. In seiner Studie zur Vereinigung erwähnt Hausmann, dass Goebbels erst dann in Erscheinung treten wollte, »wenn genügend prominente Autoren ihre Zusage gegeben hätten« (›Dichte, Dichter…!‹, S. 57). Vgl. dazu die Ausführungen über die Flanderndarstellung im Dritten Reich in Kapitel 1.2.2. [o.V.]: NSB 9/1937, S. 44. Die Frage, inwiefern die Strategie der totalitären Differenzierung Zeitschriften tatsächlich

seinem »erheblichen Ärger« Luft, das Blatt weiche allzu sehr von der allgemeinen Linie ab: Es ist in ihr wieder ein Artikel […] erschienen, der direkt unseren allgemeinen Thesen widerspricht. Das ›Reich‹ zeichnet sich überhaupt dadurch aus, daß es eine Art von Außenseiterrolle spielt. Ich werde dagegen jetzt energisch einschreiten. Das ›Reich‹ hat vielmehr die Aufgabe, unsere allgemeinen Thesen möglichst intelligent, möglichst scharf und möglichst durchschlagend zu vertreten und nicht eigene Wege zu gehen.

Trotz der offensichtlichen Risiken einer subversiven Vielstimmigkeit hielten die Lenkungsinstanzen am Verfahren der totalitären Differenzierung fest. Um das für ihre Zwecke ideale Verhältnis von Einheit und Vielheit zu beschreiben, wurden Metaphern aus dem Bereich der Musik herangezogen. Besonders beliebt waren die Begriffe ›Symphonie‹ und ›Orchester‹, denen zufolge im Zeitschriftenwesen verschiedene Stimmen und Melodien zugelassen und sogar für notwendig gehalten wurden, die Vielstimmigkeit jedoch im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung gleichlautend sein musste. 1933 verkündete Goebbels kurz und knapp: Wir wollen gar nicht, daß jeder dasselbe Instrument bläst; wir wollen nur, daß nach einem Plan geblasen wird und daß dem Konzert der Presse eine Sinfonie zugrunde liegt, daß nicht jeder das Recht hat, zu blasen, wie er will.83

Lehmann erörterte 1940 in der gleichen Bildsprache: Indem jedes einzelne Blatt unter dem Gesichtspunkt seines Arbeitsgebietes und mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu den Zeitereignissen Stellung nimmt und somit einen bestimmten Ton in der Öffentlichkeit anschlägt, ergibt sich bei der Vielfalt unserer Zeitschriftenpresse eine brausende Symphonie, deren Grundmotiv immer wieder von dem Willen zum Sieg bestimmt wird.84

Im Dezember 1941 wiederholte Goebbels, man müsse »viele Instrumente haben, wenn man ein polyphones Konzert veranstalten will«.85 Im September 1942 berichtete der Minister in seinem Tagebuch über eine Geheime Ministerkonferenz, in der er nochmals die Notwendigkeit einer flexiblen und differenzierten Propaganda erläuterte: Die Propaganda ist im wesentlichen ein Mittel zum Zweck und nicht ein Selbstzweck. Mit höchster Elastizität muß sie immer wieder verstehen, sich der jeweiligen Situation anzupassen. Wenn sie auch immer dasselbe Ziel verfolgt, so kann sie doch in ihren Mitteln bei

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Chancen für – in nationalsozialistischer Paraphrase – ›egoistische Sonderziele‹ bot, verdient eine eigene Untersuchung. Zitiert nach: Gerd Rühle: Das Dritte Reich. Dokumentarische Darstellung des Aufbaus der Nation. Das erste Jahr 1933. Berlin o.J., S. 82. Die Metapher wurde 1928 mit derselben Zielsetzung von Mussolini im Hinblick auf die faschistische Presse benutzt und daher nicht, wie Walter Hagemann vermutet, von Goebbels’ Staatssekretär Walther Funk erfunden (vgl. Bramsted: Goebbels, S. 109). Lehmann: Zeitschrift im Kriege, S. 5. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 30.12.1941. Mussolini hat die Presse mit einer Metapher aus der Musikwelt als ein »gut abgestimmtes Orchester« definiert. Goebbels kannte diese Aussage und zitierte sie im Angriff vom 24. September 1928 (vgl. Sösemann: Inszenierungen, S. 21f.).

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der Verfolgung dieses Zieles ständigem Wechsel unterworfen sein. Eine Propaganda, die schablonisiert ist, ist wirkungslos.86

Die direkte Nachkriegsforschung griff die Metaphern aus dem Bereich der Musik auf, um das nationalsozialistische Verfahren der totalitären Differenzierung in der Presselandschaft zu beschreiben. 1948 staunte Hagemann im Hinblick auf die staatliche Presselenkung, mit welcher Genauigkeit Goebbels, manchmal durch Hitlers persönliches Eingreifen korrigiert, das An- und Abschwellen des Tones lenkt, Motive an- und abklingen läßt, die Tonart von Dur auf Moll transponiert, die Tempi beschleunigt oder verlangsamt und vom zartesten Pianissimo manchmal schlagartig zum Fortissimo einer großen Aktion, eines dramatischen Einsatzes oder rauschender Siegesfanfaren übergeht.87

Dennoch liegt eine genauere Definition und Analyse des differenzierten Ansatzes, zu dem sich die Propaganda bekannte, bislang nicht vor. In den folgenden Kapiteln wird aufgezeigt, was das Prinzip der ›totalitären Differenzierung‹ für den Stellenwert des Mediums Buch im Dritten Reich im Einzelnen bedeutete.

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 28.9.1942. Hagemann: Publizistik im Dritten Reich, S. 154.

1.

Der Stellenwert des Buches in der modernen Mediendiktatur

Weitergehend muß man fragen, welchen Stellenwert überhaupt das Propagandamittel Literatur im systematischen Zusammenhang der historisch verfügbaren Propagandamittel in der Situation der 20er, 30er und 40er Jahre hatte, denn infolge der technischen Umwälzungen wurden die literarischen Genres zugunsten der neuen technischen Medien Photographie, Film und Rundfunk zurückgedrängt.1

Die wirkungsmächtigen Propagandafilme Leni Riefenstahls, die hochwertige SchwarzWeiß- und Farbfotografie der nationalsozialistischen Illustrierten, der kleine Volksempfänger, die Anfänge des Fernsehens,… bis heute erscheint das Bild der NSHerrschaft stark durch den Einsatz der neuen technischen Massenmedien geprägt. Wie kein politisches System zuvor eignete sich das nationalsozialistische Regime die Möglichkeiten dieser Medien an und setzte ihre Wirkungspotentiale für seine Propagandazwecke ein. Bereits im Oktober 1933 hieß es in einem Aufruf der Nationalsozialistischen Rundfunkkammer, es dürfe »kein deutsches Haus geben, in dem nicht ein Rundfunkgerät vorhanden ist, das jederzeit die unmittelbare Verbindung jedes Volksgenossen mit dem Führer und seinen Mitkämpfern in der Regierung und der Partei herstellt«.2 In relativ kurzer Zeit wurde ein preiswertes, handliches Radiogerät entwickelt, dessen Verkauf von 100.000 verfügbaren Exemplaren bei seiner Vorstellung im August 1933 auf 3,5 Millionen Geräte zu Kriegsbeginn stieg. 1941 hatten bis 65 Prozent aller deutschen Haushalte ein eigenes Radio.3 1933 wurde der Rundfunk von Goebbels »achte Großmacht«,4 1940 »kraftvollster Mittler zwischen 1

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Uwe-K. Ketelsen: Die Literatur des 3. Reichs als Gegenstand germanistischer Forschung. In: Wege der Literaturwissenschaft. Hg. von Jutta Kolkenbrock-Netz u. a. Bonn 1985, S. 292. Zitiert nach: Hilke Lorenz: ›Mit dem Führer auf Fahrt‹. Wie die Nationalsozialisten den Alltag eroberten. In: Eine Erdbeere für Hitler. Deutschland unterm Hakenkreuz. Hg. von Carola Stern / Ingke Brodersen. Frankfurt/M. 2005, S. 68. Laut König lag die Rundfunkdichte 1939 bei 57 Prozent und 1941 bei 65 Prozent (Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft. ›Volksprodukte‹ im Dritten Reich. Vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgemeinschaft. Paderborn 2004, S. 83). Lorenz spricht für das Jahr 1941 (ohne Quellenverweis) von 61 Prozent (›Mit dem Führer auf Fahrt‹, S. 67). Benz setzt den Höchstprozentsatz (ebenfalls ohne Quellenverweis) bei 70 Prozent im Jahre 1939 an (Geschichte des Dritten Reiches. [Bonn] 2000, S. 60). Goebbels bei der Eröffnung der ersten nationalsozialistischen Funkausstellung am 18.8.1933: »Auf Napoleon wird das Wort von der ›Presse als der siebenten Großmacht‹ zurückgeführt. […] Was die Presse für das 19., das wird der Rundfunk für das 20. Jahr-

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Führung und Volk«5 und 1943 »beste[s] Volksführungsmittel« genannt, das dem Propagandaministerium zu dem Zeitpunkt zur Verfügung stehe.6 Dieser Funktion entsprechend, spiegeln die beiden zeitgenössischen Bezeichnungen für das Gerät – offiziell »Volksempfänger«, im Volksmund »Goebbelsschnauze« – einerseits die Absicht des Regimes, mit dem technischen Medium das gesamte deutsche Volk zu erreichen, andererseits das Wissen der deutschen Bevölkerung um die propagandistische Nutzung des Mediums: Die aktive Rolle lag auf der Seite des Regimes, von der Bevölkerung wurde lediglich ein zustimmendes Zuhören verlangt.7 Neben dem Rundfunk erhielt auch das Filmmedium eine »staatspolitische Funktion« als »Erziehungsmittel des Volkes«.8 Goebbels’ Selbstrepräsentation als ›Schirmherr des deutschen Films‹ reflektierte sowohl seine persönliche Filmleidenschaft als auch die Bedeutung des Mediums aus propagandistischer Sicht.9 Die sogenannten Wochenschauen, die dem Zuschauer als Vorspann zum Film gezeigt wurden, wurden von Goebbels 1942 als »unser bestes Propagandamittel«10 betrachtet, der Spielfilm daneben »eines der wichtigsten Volksführungs- und Volksbeeinflussungsmittel« genannt.11 Die Wirtschaftsstatistiken der dreißiger und vierziger Jahre belegen den Wirkungsbereich des Films. Die Kinobesuchsfrequenz stieg von etwa sieben Kinobesuchen pro Einwohner in der Saison 1937/1938 auf mehr als das Doppelte im Kriegsjahr 1940. Die Besucherzahlen stiegen von knapp 400 Millionen auf 830 Millionen.12 Parallel dazu wurden auf dem Land zwischen 277 (1935) und 835 (1941) ›Tonbildwagen‹ mit der modernsten technischen Ausstattung eingesetzt, die in kinolosen Gegenden am

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hundert sein« (zitiert nach: ders.: Signale der neuen Zeit. 25 ausgewählte Reden. München 1940, S. 197). Zitiert nach: Joseph Goebbels: Die Zeit ohne Beispiel. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1939/40/41. München 1941, S. 332. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 9.3.1943. Zum Rundfunk im Dritten Reich vgl. u. a. Daniel Mühlenfeld: Joseph Goebbels und die Grundlagen der NS-Rundfunkpolitik. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 5 (2006), S. 442–467; Horst J.P. Bergmeier / Rainer E. Lotz: Hitler’s Airwaves. The Inside Story of Nazi Radio Broadcasting and Propaganda Swing. New Haven 1997; Walter Klingler: Nationalsozialistische Rundfunkpolitik: 1942–1945. Organisation, Programm und die Hörer. Mannheim 1983. Goebbels’ Rede anlässlich der Kriegstagung der Reichsfilmkammer vom 15.2.1941 (zitiert nach: Gerd Albrecht: Nationalsozialistische Filmpolitik. Eine soziologische Untersuchung über die Spielfilme des Dritten Reichs. Stuttgart 1969, S. 468). Vgl. Andrea Winkler-Mayerhöfer: Starkult als Propagandamittel? Studien zum Unterhaltungsfilm im Dritten Reich. München 1992, S. 59–71 u. 86–90; Felix Moeller: Der Filmminister. Goebbels und der Film, im Dritten Reich. Berlin 1998. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 23.2.1942. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 21.2.1942. Moeller: Der Filmminister, S. 94; Stephen Lowry: Pathos und Politik. Ideologie in Spielfilmen des Nationalsozialismus. Tübingen 1991, S. 4. Bereits in der Weimarer Republik war das Kino zum Massenmedium geworden. Die Zuschauerzahlen belegen schon für die Zeit vor 1933 eine ständige Steigerung von 271 Millionen Besuchern in der Spielzeit 1925/26 auf 353 Millionen in der Spielzeit 1928/29 (vgl. Bernd Kleinhans: Ein Volk, ein Reich, ein Kino. Lichtspiel in der braunen Provinz. Köln 2003, S. 15).

Nachmittag Filme für Kinder, am Abend Filme für Erwachsene zeigten. Es waren »praktisch vollwertige rollende Kinos«, die sich auf keinerlei Weise mit den provisorischen Filmwagen der Weimarer Zeit vergleichen ließen.13 Die Entwürfe für ein fast 30.000 Quadratmeter großes Filmstudiogelände in der künftigen Welthauptstadt Germania bestätigen die dem Filmmedium zuerkannte Bedeutung im Dritten Reich.14 Der Aufwand, den das Regime für die modernen technischen Massenmedien aufbrachte, legitimiert die heutige Bezeichnung der NS-Führung und ihres Systems als »Mediendiktatur« bzw. als ein Regime, das für die Verwirklichung der propagierten ›Volksgemeinschaft‹ auf den »Aufbau und die Kontrolle der neueren Massenmedien« setzte.15 Problematisch ist jedoch, dass dieser Befund in der Sekundärliteratur mit einer Bedeutungshierarchie der Medien für die Propaganda verknüpft wird, der zufolge je nach Quelle entweder der Rundfunk oder der Film als wichtigstes Propagandamedium eingestuft wird und das Buch systematisch an letzter Stelle rangiert.16

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Vgl. Kleinhans: Ein Volk, S. 165f. (dazu auch: Clemens Zimmermann: Landkino im Nationalsozialismus. In: Archiv für Sozialgeschichte 41 (2001), S. 231–243). Vgl. Rainer Rother: Leni Riefenstahl. Die Verführung des Talents. Berlin 2000, S. 125– 130. Zum Film im Dritten Reich vgl. u. a. Manuel Köppen / Erhard Schütz (Hg.): Kunst der Propaganda. Der Film im Dritten Reich. Frankfurt/M. 2007; Eric Rentschler: The Ministry of Illusion: Nazi Cinema and Its Afterlife. Cambridge 1996; Klaus Kreimeier: Die UfaStory. München 1992; Boguslaw Drewniak: Der deutsche Film 1938–1945. Düsseldorf 1987; zur Filmpropaganda vgl. auch Seite 26, Fußnote 44. Zum Stellenwert des Unterhaltungsfilms im Dritten Reich vgl. Seite 270, Fußnote 121. Erhard Schütz: Das ›Dritte Reich‹ als Mediendiktatur. Medienpolitik und Modernisierung in Deutschland 1933 bis 1945. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 2 (1995), S. 132. Harro Segeberg vertritt die Meinung, dass die »Kulturpolitik des Dritten Reichs« die alten Medien zwar »keineswegs ausklammerte«, jedoch den Film als »Leit- und Basismedium« der Diktatur und damit auch als »vorrangig zu nutzende[s] ›Mittel zur Erziehung des Publikums zur Kunst‹« verstanden habe (Literatur als Medienereignis. Friedrich Schiller. Der Triumph eines Genies (1940). In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 45 (2001), S. 491–534). Eine ähnliche Argumentation findet sich bei Winkler-Mayerhöfer (Starkult als Propagandamittel?). Schütz spricht vom »Vorrang von Rundfunk und Film« und argumentiert gegen die Bedeutung der Literatur in der Propaganda (Das ›Dritte Reich‹ als Mediendiktatur, S. 132). König und Benz nennen den Rundfunk das wichtigste Propagandamittel im Dritten Reich (vgl. Volkswagen, S. 81, bzw. Geschichte des Dritten Reiches, S. 59f.). Ernst-K. Bramsted erkennt einerseits die »absichtliche Vielfalt« der Propagandamittel an, beharrt andererseits aber auf einer abgestuften Bedeutungsskala der Medien und der einzelnen Mediensegmente im Hinblick auf die jeweilige Propagandawirkung (vgl. Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda 1925–1945. Frankfurt/M. 1971, S. 109). Im Bereich des Rundfunks z. B. kämen für die Zwecke der propagandistischen Beeinflussung »Nachrichten und Kommentare an erster Stelle, dann […] Unterhaltung und zuletzt Übertragungen, die erzieherischen Zwecken dienten« (ebd.). Beim Film sei eine ähnliche Stufenabfolge mit Wochenschau, Kulturfilm und Spielfilm gegeben. Im Hinblick auf die Druckmedien werden in sinkender Bedeutungsordnung die Tageszeitung, die Wochenschrift, die Fachzeitschrift und an letzter Stelle das aktuelle Schrifttum genannt. Walter Hagemann wertet insgesamt die Presse als das »wichtigste und empfi ndlichste publizistische Werkzeug des Dritten Reiches« (Publizistik im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Methodik der Massenführung. Hamburg 1948, S. 316).

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Dass die Forschungsliteratur keinen Konsens über das vermeintlich wichtigste Propagandamedium erzielt, ist ein aufschlussreiches Indiz dafür, dass ein wichtiger Aspekt der nationalsozialistischen Propaganda meist übersehen wird. Auch wenn die Abstufung global und theoretisch gesehen zutreffen mag – sowohl Hitler als Goebbels hielten tatsächlich die Rede in der politischen Propaganda in vielerlei Hinsicht für wirksamer als das schriftliche Wort17 –, erklärt sie nicht, warum auch im zeitgenössischen Quellenmaterial Undeutlichkeit über den Propagandawert der einzelnen Medien herrscht. So wird ignoriert, dass mal der Rundfunk, mal die Wochenschau als bestes Propagandamittel gelobt wurde, auch die Presse zu den »wichtigsten Faktoren der politischen Führung«18 gezählt und die Werbung für das Buch als die »wirksamste[ ] Propaganda für die Volksgemeinschaft«19 exponiert wurde. Vernachlässigt wird ebenfalls, dass Goebbels seine Aussagen in diesem Zusammenhang häufig mit einer zeitlichen Begrenzung versah: Am 19. November 1939 schrieb er in seinem Tagebuch: »Überhaupt ist der Film augenblicklich für uns ein sehr wertvolles Propagandamittel.« Am 23. Juli 1941 war die »Wochenschau […] augenblicklich das beste Volksführungsmittel, das wir besitzen«. Kaum eine Woche später urteilte er schon wieder anders und schrieb: »Der Rundfunk ist im Augenblick unser bestes Propagandamittel.«20 Die offensichtlich schwankende bzw. unterschiedlich eingestufte Bedeutung der einzelnen Medien für die Propaganda, suggeriert, dass im Dritten Reich anstatt einzelner Medien vielmehr deren differenziert genutzte Vielfalt und Kombination als Chance und Instrument für die öffentliche Meinungsbeeinflussung verstanden wurde. Die pauschale Abqualifizierung des Buches als »Randgebiet der totalitären Meinungsführung«21 wird vor diesem Hintergrund dem Stellenwert des Buchmediums für die Propaganda nicht gerecht. Statt von einer festen »Rangordnung der einzelnen Propagandawaffen«22 auszugehen, wird die Bedeutung des Buches vielmehr durch eine Analyse seiner spezifischen Eigenschaften und des eigenen Wirkungspotentials zu bestimmen sein, welches ihm im Vergleich mit anderen Medien beigemessen wurde. Daran anknüpfend, soll untersucht werden, in welchen Konstellationen das Buch als Propagandainstrument zu anderen Medien stand.

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Vgl. Hagemann: Publizistik im Dritten Reich, S. 151f. Ernst Herbert Lehmann: Die Zeitschrift im Kriege. Berlin-Charlottenburg 1940, S. 15. Heinrich Wismann, Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer (zitiert nach: BDB 245 (20.10.1936), S. 911). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 29.7.1941 [eigene Hervorhebung]. Auch die Geheimen Ministerkonferenzen weisen auf die fluktuierende Bedeutung der Medien. Am 6. Juli 1942 hieß es: »Was die Tätigkeit der G[eheim]-Sender angeht, so wünscht der Minister eine genaue Darstellung der vorhandenen Sender unter Angabe ihrer Zwecke und Arbeitsweise. Er erklärt, daß im allgemeinen jetzt die G-Sender nicht mehr aktuell seien, so wie beispielsweise 1932 im innerdeutschen Kampf das Flugblatt einmal überholt gewesen sei. Die Tätigkeit der G-Sender soll daher nur in solchen Fallen fortgesetzt werden, in denen besondere Gründe vorliegen.« (zitiert nach: Willi A. Boelcke (Hg.): Kriegspropaganda 1939–1941. Geheime Ministerkonferenzen im Reichsministerium. Stuttgart 1966, S. 332f.). Christoph Rülcker: Zur Rolle und Funktion des Arbeiters in der NS-Literatur. In: Die deutsche Literatur im Dritten Reich. Hg. von Horst Denkler / Karl Prümm. Stuttgart 1976, S. 244. Winkler-Mayerhöfer: Starkult als Propagandamittel?, S. 67.

1.1. Die Vorteile des Buchmediums für die totalitäre Propaganda

Ton und Wort der Rede verklingen und verhallen. Bleib e n d a b e r i st d e r We r t d e s Bu ch e s , do r t ve r ew ig t sich ei n Vol k u n d ei n e Z eit f ü r i m m e r.1

Wie üblich beim Durchbruch neuer Massenmedien wurde auch im Dritten Reich über den Stellenwert der einzelnen Medien diskutiert. Besonders im Buchbetrieb stiftete der Aufstieg von Film und Rundfunk Unruhe, was sich allein schon daran zeigte, dass über das Buch gelegentlich in verteidigendem Ton gesprochen wurde.2 Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass die Blüte der neuen Medien keine Herabminderung der Bedeutung des Schrifttums zur Folge hatte. So fällt zunächst auf, dass die konkurrierenden literaturpolitischen Instanzen dem Buch einstimmig eine bedeutende Rolle in der nationalsozialistischen Propaganda zuschrieben. Mehr noch: dass an den zentralen Stellen des NS-Herrschaftssystems Aussagen getroffen wurden, die dem Buchmedium eine gleichwertige, in bestimmten Kontexten sogar höhere Bedeutung beimaßen als den modernen Massenmedien. Goebbels sprach wiederholt vom Verdienst des Regimes, eine »neue Inbeziehungsetzung zwischen Volk und Buch« vollzogen zu haben.3 1938 verdeutlichte er in seiner Rede zur Eröffnung der Großdeutschen Buchwoche: Für uns hat das Buch seinen bleibenden Wert als ein überaus wertvolles M it t el d e r Vol k sge s t a lt u ng u n d Vol k s e r z i e h u n g. Und darum wird auch d ie A r b eit , d ie w i r z u r Ve r b r eit u ng d e s Bu c h e s i n d e n M i l l io n e n m a s s e n u n s e r e s Vol ke s l e i s t e n , g r o ßz üg ig u n d u n t e r E i n s a t z a l l e r u n s z u r Ve r f ü g u ng s t e h e n d e n o r ga n i sa t o r i s ch e n M it t el a ngefa ßt u n d du r ch g ef ü h r t .4

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Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Ersten Großdeutschen Buchwoche am 30.10.1938 (zitiert nach: [o.V.]: Reichsminister Goebbels eröffnet im feierlichen Staatsakt in der Weimarhalle die Erste Großdeutsche Buchwoche. In: BDB 255 (2.11.1938), S. 851). Dazu exemplarisch: »Man hat oft gesagt, dass die Zeit des Buches vorbei sei, wir hätten ja Radio und Tonfilm« (W. L[angenbucher]: BDB 84 (9.4.1935), S. 293); »Man kann heute öfters die Meinung hören, daß […] etwa der Film oder der Rundfunk, den Wirkungsbereich des Buches einengten« (Dähnhardt: BDB 93 (24.4.1937), S. 9); »Trotz Film und Rundfunk aber wird das deutsche Buch wieder lebendige Kräfte freimachen als Niederschlag der deutschen Seele« (Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches am 5.11.1934 im Berliner Sportpalast, zitiert nach: Gerd Rühle: Das Dritte Reich. Das zweite Jahr 1934. Berlin o.J., S. 181). Goebbels (zitiert nach: BDB 109 (12.5.1936), S. 424). Goebbels (zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 852).

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Erich Langenbucher, Pressereferent in der Reichsschrifttumskammer, unterstrich das »Recht des ganzen Volkes auf seine Bücher« und lobte die in Deutschland durchgeführte »Bodenbereitung für das deutsche Buch«.5 Hans Hagemeyer, Leiter der konkurrierenden, unter Aufsicht von Rosenberg stehenden Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums,6 bekräftigte in den Nationalsozialistischen Monatsheften, mit der Machtübernahme 1933 sei »sofort die eminente Bedeutung des Schrifttums in den Vordergrund« getreten:7 Gewaltig sind die Einrichtungen unseres neuen deutschen Volksstaates, um ein wertvolles, volksnahes Schrifttum allen deutschen Menschen zuzuführen. Partei und Staat marschieren hier zusammen und ergänzen sich in ihren Aufgaben.8

Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeitsfront, verkündete 1936: »I m n eu e n D eu t s c h l a n d mu ß j e d e r A r b eit e r A nt ei l h a b e n a n d e n Ku lt u rg üt e r n d e s Vol ke s . D a r u m : d e m d eu t s c h e n A r b eit e r d a s d eu t s c h e Buc h ! «9 Reichsbauernführer Richard Walther Darré erinnerte das Landvolk im selben Jahr an den »wesentlichen Anteil« des Buches am »geistigen und seelischen Wiederaufstieg unseres Volkes«.10 1937 erklärte Philipp Bouhler, Leiter der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums, das Schrifttum zu »de[m]jenigen Sektor unseres kulturellen Lebens, der mit am meisten Einwirkungsmöglichkeit auf die breite Masse besitzt« und daher in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden dürfe.11 Peter von Werder, Leiter des Zentrallektorats des Amtes Schrifttumspflege, betonte 1943 im Rückblick auf die dreißiger Jahre, dass »hinsichtlich einer weltanschaulichen Umgestaltung und Neuordnung gerade das Schrifttum […] mit an der Spitze marschierte.«12 Diese bejahende Haltung zum Buchmedium blieb im Krieg unverändert. Die »staatliche Schrifttumsführung«, so bezeugte 1940

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E. Langenbucher: BDB 265 (14.11.1935), S. 967. Die 1933 gegründete Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums avancierte 1936 zum Amt und 1941 zum Hauptamt Schrifttumspflege beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP (vgl. Reinhard Bollmus: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. München 2006; Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im ›Dritten Reich‹. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. München 1995, S. 270–277; Volker Dahm: Anfänge und Ideologie der Reichskulturkammer. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1 (1986), S. 53–84; Herbert P. Rothfeder: Amt Schrifttumspflege. A Study in Literary Control. In: German Studies Review 1 (1981), S. 63–78). Um Verwirrung zu vermeiden, wird im Folgenden entweder vom ›Rosenbergamt‹ oder vom ›Amt Schrifttumspflege‹ gesprochen. Hagemeyer: NSM 1938, S. 1050. Die Nationalsozialistischen Monatshefte präsentierten sich in ihrem Untertitel als die »zentrale politische und kulturelle Zeitschrift der NSDAP«. Hagemeyer, NSM 1938, S. 1050, S. 1053. Schrifttumsverzeichnis zur Woche des Deutschen Buches mit dem Titel Arbeiter und Volk (1936). Schrifttumsverzeichnis zur Woche des Deutschen Buches mit dem Titel Bauer und Buch (1936). Bouhler: NSB 11 (1937), S. IV. von Werder: LB 3 (1943), S. 6.

Sebastian Losch, Leiter des Hauptreferats Schrifttumsförderung in der Schrifttumsabteilung des Propagandaministeriums, sei »laufend bemüht […], dem deutschen Buch neuen Boden zu gewinnen und seine Kräfte zur Auswirkung zu bringen.«13 1941 fasste Goebbels zusammen: Wir Deutschen als Volk der Dichter und Denker können uns ein menschliches [!] Leben ohne Buch überhaupt nicht vorstellen. Im Buch finden wir unsere Zeit widergespiegelt, im Buch suchen wir die Vergangenheit zu erforschen und die Zukunft zu ergründen. Das Buch ist uns Wegweiser und Ansporn zugleich.14

Neben diesen Aussagen bilden ironischerweise auch die Bücherverbrennungen einen Beleg für die besondere Bedeutung, die dem Medium Buch beigemessen wurde. Das Buch wurde als symbolischer Repräsentant einer zu überwindenden Zeit verbrannt, um sich – Goebbels benutzte in seiner Ansprache am 10. Mai 1933 das Bild des Phönix – als symbolischer Repräsentant einer neuen Zeit zu erheben: »[S]o ersuche ich Euch, in diesen Flammen Symbol des Niedergangs der alten Epoche, sondern auch des Aufstiegs der neuen Epoche zu sehen«.15 Vor diesem Hintergrund dokumentierten die Verbrennungen, dass das Buch als »geistiges Gut von dauerndem Werte«16 einerseits im Fall seiner Nichtkonformität eine Gefahr, andererseits wegen seiner Tradition und Nachhaltigkeit für das sich etablierende Regime ein interessantes Propagandamedium darstellte. Der Propagandaminister verdeutlichte dies in seiner Rede zur Eröffnung der Ersten Großdeutschen Buchwoche mit folgenden Worten: D ie Bü ch e r […] bleib e n u n d we r d e n no ch i n Ja h r hu n d e r t e n Z e ug n i s a b l eg e n vo n d e m t iefe n G ei s t u n d vo n d e r u m f a s s e n d e n N e u o r d n u n g d e r d u r c h d e n Na t io n a l s oz i a l i s mu s h e r a u fgef ü h r t e n b e s s e r e n Z eit . Sie haben die Aufgabe, auch einer späteren Nachwelt das Wesen des Nationalsozialismus zu vermitteln und damit die Erkenntnis der Grundlagen eines Zeitalters zu ermöglichen, das Deutschland endgültig zur Weltmacht erhoben hat.17

Ein weiteres Indiz für die staatswichtige Relevanz des Buchbetriebes ist institutioneller Natur. Das Buchwesen war mit seinen durchschnittlich mehr als 19.000 Erstauflagen und 4.000 Neuauflagen im Jahr18 ein sehr viel komplexerer und schwerer kontrollierbarer Bereich als das Rundfunk- oder selbst das Filmwesen, dessen überschaubare Produktion von durchschnittlich Hundert neuen Filmen im Jahr zum

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Losch: BDB 131 (8.6.1940), S. 213. Zitiert nach: Joseph Goebbels: Das Eherne Herz. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1941/42. München 1943, S. 61. Goebbels’ Ansprache auf dem Berliner Opernplatz am 10.5.1933 bei der dort stattfindenden Bücherverbrennung (zitiert nach: Helmut Heiber: Goebbels-Reden. Bd. 1: 1932–1939. Düsseldorf 1971, S. 111). Dähnhardt: BDB 93 (24.4.1937), S. 9. Goebbels (zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 852). Vgl. Hans Ferdinand Schulz: Das Schicksal der Bücher und der Buchhandel. System einer Vertriebskunde des Buches. Berlin 1960, S. 12. Für die Entwicklung der Buchproduktion vgl. Kapitel 2.3. Die Zahlen gelten für die Vorkriegszeit. In den Kriegsjahren gehen sie stark zurück.

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großen Teil noch vom Propagandaminister selbst geprüft werden konnte.19 Ließen sich so die neuen Medien Film und Rundfunk relativ leicht gleichschalten und für die Propaganda vereinnahmen, stand die systematische Gleichschaltung beim seit Jahrhunderten etablierten Buchwesen vor einer weitaus schwierigeren Aufgabe. Die weit verzweigte Infrastruktur literaturpolitischer Instanzen mag nicht systematisch geplant und ausgebaut worden sein,20 dennoch illustriert sie den Willen, den komplexen Buchbetrieb in all seinen Aspekten zu lenken und zu kontrollieren. Sie unterstreicht damit die wesentliche Bedeutung, die dem Buch im Rahmen der totalitären Diktatur zuerkannt wurde.21 Zusätzliche Anzeichen für die Bedeutung, die das Regime dem Schrifttum und dementsprechend auch seiner Gleichschaltung, seiner totalen ideologischen Vereinnahmung und breitenwirksamen Distribution beimaß, waren die zahlreichen und umfangreichen Werbekampagnen, Kundgebungen, Ausstellungen, Preisverleihungen, Sammelaktionen, Anordnungen und Maßnahmen zur Förderung des ›guten deutschen Buches‹, die dem Einsatz für die neuen Medien glichen und diesen oftmals noch in Aufwand und Vielfältigkeit überstiegen.22 Um das Buch den »breiten Volksmassen«23 zuführen zu können, wurden die modernen Massenmedien in Goebbels’ Worten sogar ihrerseits »im weitesten Umfange an d[ ]er wirklich geistigen Propaganda«, also an der Propaganda für das Buch »beteiligt«.24 Das bekannteste Beispiel bot die jährlich wiederkehrende Woche des Deutschen Buches,25 die mithilfe von Presse-, Rundfunk- und Filmpropaganda als »modernes Medienspektakel« inszeniert wurde.26 Die Indienstnahme der modernen Medien für die Buchförderung ging aber deutlich über diese eine Woche im Jahr hinaus. Wie der Propagandaminister im Mai 1936 auf der jährlichen Kundgebung des deutschen Buchhandels feststellen konnte, warben die deutschen Buchhändler und Verleger auch sonst nicht länger »nur durch ihren Mund, s o n d e r n e s d r ö h n t d u r ch M i l l io n e n L a u t s p r e c h e r, e s ge h t üb e r

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Die Zahlen gelten für die Vorkriegszeit. In den Kriegsjahren gehen sie stark zurück (vgl. Albrecht: Filmpolitik, S. 100f.). Vgl. Barbian: Literaturpolitik. Zu den Institutionen, Kompetenzen und Betätigungsfeldern des literaturpolitischen Lenkungsapparats vgl. Barbian: Literaturpolitik; Dietrich Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik. Ein Beitrag zur Publizistik im Dritten Reich. Bonn 1960. Vgl. Kapitel 2.2. Zitiert nach: Heiber: Goebbels-Reden, S. 173. Zitiert nach: E. Langenbucher: BDB 252 (29.10.1935), S. 909. Vgl. Kapitel 2.2.1. Im Laufe der Buchwoche wurden die einzelnen Aktivitäten in allen nationalen und lokalen Zeitungen in Sonderseiten, Fotomontagen und Aufsätzen ausführlich kommentiert. Gleichzeitig wurde die Rundfunkprogrammierung großenteils auf die Zielsetzung der Woche des Deutschen Buches abgestellt. Die feierliche Eröffnung wurde als Reichssendung übertragen. (Wismann, BDB 201 (29.8.1936), S. 742) Aufsätze von prominenten Literaturpolitikern wurden auf Platten aufgenommen und von allen deutschen Sendern ausgestrahlt (Die Schriftleitung: BDB 236 (10.10.1935), S. 845). Daneben wurden Buchbesprechungssendungen für unterschiedliche Adressatenkreise gesendet und in den Kinos ein Spielfilm und verschiedene Kulturfilme zum Buch uraufgeführt.

d ie Ät h e r wel le n , u n d d e r let z t e M a n n i m let z e n D o r f w i r d d avo n e r fa s st .«27 Tatsächlich hatten die Reichssender den so genannten Buchfunk und damit eine feste Rubrik mit Buchbesprechungen und Interviews zum deutschen Buch in ihre Sendereihen aufgenommen. Das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel stellte sich auf diese Entwicklung ein und publizierte wöchentlich eine BuchfunkÜbersicht, »um so dem Sortiment die Möglichkeit zur gemeinsamen Werbearbeit mit dem Sender zu geben.«28 Das Fachblatt forderte Buchhändler auf, sowohl die »Buchbesprechungen unter den zahlreichen deutschen Rundfunksendungen«29 als auch andere Rundfunkprogramme für die Buchwerbung auszuwerten. Brachte eine Sendung einen Reisebericht durch eine deutsche Landschaft, so sollte der Buchhandel in einem Schaukasten zum Thema »Rundfunksendung und Dienst am deutschen Buch«30 auf ein breites Spektrum von Büchern über diese und aus dieser Landschaft hinweisen: Dabei wäre zu denken an populärwissenschaftliche und streng wissenschaftliche Bücher, an Sagen- und Märchensammlungen, an Romane und Novellen, deren Stoffe im Rahmen der Landschaft spielen, an graphische Werke aus diesem Bezirk.31

In dem selben Geist wurden von den offiziellen Lenkungsinstanzen Austausch- und Wechselwirkungen zwischen den Medien Film und Buch gefördert. Neben dem Spielfilm Die Entwicklung des Buches erreichten buchbezogene Kulturfilme in den Kinos als Vorprogrammfilme ein Millionenpublikum.32 Mithilfe der Reichspropagandaleitung wurden Schmalfilmkopien hergestellt, um diese Dokumentationen zur Bedeutung des Buches in Schulen und Organisationen vorzuführen. Auch der große Anteil literarischer Verfilmungen, die der Bevölkerung Deutschlands geistiges Erbe wie auch ausländische Klassiker nahebrachten (Theodor Fontanes Effi Briest, Guy de Maupassants Bel ami, Charles de Costers Die Hochzeitsreise, Selma Lagerlöfs Gösta Berling, Stijn Streuvels’ Der Flachsacker, Knut Hamsuns Viktoria33) strahlte positiv auf den Buchabsatz ab. Genauso wie die Bekanntgabe der Verleihung wichtiger Dichterpreise in der Tages- und Zeitschriftenpresse lenkten sie das Interesse von Hunderttausenden von Filmbesuchern auf die jeweiligen Romane und ihre Autoren.34

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Zitiert nach: BDB 109 (12.5.1936), S. 423. [o.V.]: BDB 12 (15.1.1935). [o.V.]: BDB 102 (4.5.1935), S. 355. Ebd., S. 356. Ebd., S. 354. Wismann: BDB 201 (29.8.1936), S. 742. Es geht u. a. um die Kulturfilme Das Buch wie es wurde und Das Buch, ein Freund fürs Leben, von denen nur der erste im Bundesarchiv/ Filmarchiv vorhanden ist. Vgl. [o.V.]: BDB 82 (7.4.1938), S. 287f.: »Die Verfilmung von Büchern hat in den letzten Jahren so sehr zugenommen, daß fast die Hälfte aller erscheinenden Spielfilme auf eine literarische Vorlage zurückzuführen sind.« Dazu u.a. der Aufsatz Das Buch im Vormarsch. Film, Dichterpreis und Dichterlesung helfen mit! In: [o.V.]: BDB 82 (7.4.1938), S. 287f.: ebenfalls: Roel Vande Win kel / Ine Van linthout: De Vlaschaard 1943. Een Vlaams boek in nazi-Duitsland en een Duitse film in bezet België. Kortrijk u. a. 2007, S. 55f.

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Insgesamt wurde der Buchhändler dafür sensibilisiert, in der gemeinsamen Werbung der Medien ein »Dienst am deutschen Buch« und damit den »sinnfälligen Eindruck von neuer Geisteshaltung und Kulturauffassung« zu sehen.35 Am 10. November 1941 vertrat der Propagandaminister in seinem Tagebuch die Ansicht, in Zukunft sollten auch die Einnahmen des Rundfunks und des Films »der kommenden deutschen Kulturpolitik« zugute kommen: Es wird für uns nicht allzu schwer sein, aus diesen beiden Kultureinrichtungen im Jahr eine halbe Milliarde an Überschuß herauszuholen. Mit dieser halben Milliarde können wir alle anderen Gebiete kultureller Betätigung so reichlich dotieren, daß es an Geld nirgendwo fehlen wird.

Schließlich leitete sich die besondere Bedeutung des Buchmediums im Dritten Reich auch und vor allem aus seiner Beziehung zu den anderen Medien ab. Die Merkmale, die Presse, Film und Rundfunk zu wichtigen Propagandamitteln machten, gingen zugleich mit Nachteilen einher, die das Buch kompensieren konnte. Der Propagandawert der Massenmedien lag für das Regime im Wesentlichen in ihrer Unmittelbarkeit und ihrem breiten Adressatenkreis. Ihre Kehrseite lag in der Flüchtigkeit, Vergänglichkeit und Oberflächlichkeit sowohl des Inhalts, der Wirkung, des Materials als auch der Rezeptionsdauer. Je näher die Presse am aktuellen Geschehen war, umso schneller war sie überholt und umso kurzlebiger war in der Regel ihre Materialität. So direkt wie der Rundfunk seine Zuhörer erreichte, so flüchtig war doch das von ihm gesendete gesprochene Wort. So groß die Reichweite einzelner Filme und so gering die Anstrengung, die das Kino von den Zuschauern verlangte, so zwingend waren auch die Zugeständnisse an den Massengeschmack, so unflexibel und begrenzt waren auch die Rezeptions- und Adaptationsmöglichkeiten des audiovisuellen Mediums. Dahingegen verfügte das Buch über spezifische Merkmale, derer die anderen Medien – inhärent oder unter bestimmten Rahmenbedingungen – entbehrten. Sie werden im Folgenden näher analysiert.

1.1.1. Symbolisches Kapital: der Kulturwert des Buches Es war kein Bekenntnis literarischen Interesses, als Goebbels 1941 bekundete, dass »[w]ir Männer der nationalsozialistischen Tat […] ein Leben ohne Buch nicht mehr als lebenswert erachten können«.36 Vielmehr war es die prestigegeladene Rolle des Buches als Repräsentant des geistigen Erbes Deutschlands, die die Machthaber dazu veranlasste, das Land weiterhin als eine buchliebende Nation zu profilieren. Das über Jahrhunderte gewachsene und daher nachhaltige kulturelle Ansehen und symbolische Kapital sowie das damit verbundene identitätsstiftende Sinnpotential des Buches waren die wichtigsten Merkmale, die dieses Medium unter propagandistischem Gesichtspunkt vor allen anderen Medien auszeichnete. So mochte sich die Diktatur

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[o.V.]: BDB 102 (4.5.1935), S. 355f. Zitiert nach: E. Langenbucher: BDB 77 (1.4.1941), S. 121.

zur Mehrung der ›nationalen Größe‹ auf den technischen Fortschritt der modernen Massenmedien stützen und der Propagandaminister zum Farbfilm Münchhausen zwar mit nationalem Stolz notieren: Man muß erstaunt sein, welche Großleistungen der deutsche Film selbst noch im Kriege hervorzubringen in der Lage ist. Ich bin sehr glücklich darüber, daß wir mit diesem Großfilm vor der Welt wieder einmal unsere Visitenkarte abgeben können. Dies Deutschland der Kultur und der Kunst ist unsterblich. Es durch die Kraft des Willens und durch die Kraft der Waffen zu beschützen, zu verteidigen und zu vermehren, das ist das Gebot der Stunde.37

So mochte das Regime mit ähnlicher Absicht darauf beharren, dass die älteste Zeitung deutscher Herkunft sei,38 und sich darüber rühmen, dass Deutschland »nicht nur das Geburtsland Gutenbergs und der ältesten Zeitung, sondern auch der ä lt e st e n Z eit s ch r i f t«39 sei. Dennoch wurde von allen Medien das Buch als der »stärkste[ ] Träger guter Kulturpolitik« dargestellt und überall die Meinung vertreten, dass »nach ihm, und vielleicht nach ihm allein seines Volkes Kulturhöhe, Lebenshaltung, Sprachwirkung bemessen« werde.40 Programmatische Bedeutung kommt in dieser Hinsicht der Stellungnahme eines Generalmajors der Deutschen Wehrmacht zu, das Buch sei nicht nur »Kulturwerber von Volk zu Volk«, sondern »ein Kulturbotschafter ersten Ranges bei dem, zu dem es kommt« und »das bündigste und gültigste Kulturzeugnis für jenes, von dem es ausgeht«. Diese kulturelle Bedeutung des Buches wurde von den nationalsozialistischen Propaganda-Instanzen in zwei Richtungen funktionalisiert: zum einen vertikal-zeitlich zur Konstruktion einer kulturellen Tradition für das deutsche Reich, zum anderen horizontal-räumlich als Argument für Deutschlands geistige Vormachtsstellung in Europa.

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 9.2.1942. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht eine Pressekonferenz im Oktober 1936, bei der Journalisten auf wenig überzeugende Weise aufgefordert wurden, die älteste Zeitung als deutsches Erbe darzustellen Ein Anwesender hielt in seinen Mitschriften fest: »In der ›Thueringer Allgemeinen Zeitung‹ sei wieder von einer chinesischen Zeitung als der aeltesten der Welt geschrieben worden. Geheimrat Heyde bittet noch einmal, diese These nicht zu uebernehmen, sondern an der anderen festzuhalten, dass die aelteste Zeitung eine deutsche gewesen sei. Aus nationalen und kulturellen und kulturpolitischen Gründen sei es wichtig, wenn man in Deutschland diese These nicht aufgebe.« (PA vom 16.10.1936) Muth: BDB 70/26.3.1940, S. 95 (vgl. u.a. [o.V.]: BDB 1 (2.1.1936), S. 7; G. Menz: BDB 165 (18.7.1940), S. 266–268). In späteren Folgen der Zeitschrift wurde der Leser mehrmals daran erinnert, »daß nicht Frankreich, sondern Deutschland der Anspruch auf den Ruhm zusteht, die erste Zeitschrift ins Leben gerufen zu haben.« (vgl. u.a. Muth: BDB 70 (26.3.1940), S. 95f.; G. Menz: BDB 125 (1.6.1940), S. 205). Haushofer: BDB 107 (10.5.1941), S. 12. Die folgenden Zitate sind ebd. Prof. Dr. K. Haushofer war Generalmajor bei der deutschen Wehrmacht.

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»Das Volk der Dichter und Denker«: Konstruktion einer kulturellen Tradition Das neue Deutschland liebt seine »großen Alten«. Sie sind im Geist immer um uns. […] Sie sind uns vertraute Freunde und Helfer für die Entwicklung, an der wir weiterbauen wollen.41

Im Gegensatz zu den technischen Massenmedien verkörperte das Buch eine weit in die Vergangenheit zurückreichende kulturelle Tradition. Vor allem die klassische deutsche Dichtung der Vergangenheit instrumentalisierte das Regime für sich, konnte es so doch, vermeintlich, an ein ruhmreiches geistiges Erbe anknüpfen. Unter dem Begriff ›klassische Dichtung‹ wurde dabei »im weiteren Sinne die Dichtung« verstanden, »die zum unersetzlichen Bildungsgut des Volkes geworden ist, vom Nibelungenlied etwa an bis zu den wenigen bleibenden Vertretern der Vorkriegsdichtung«.42 Abgesehen von diesen »wenigen bleibenden Vertretern der Vorkriegsdichtung« – gemeint waren Autoren wie Emil Strauß, Hermann Stehr und Wilhelm Schäfer, deren Werke nicht als mit dem Nationalsozialismus inkompatible Literatur verbrannt worden waren – interessierte sich die Propagandapolitik unter dem Gesichtspunkt der Kulturbedeutung also insbesondere für die Spitzenleistungen der deutschen Literatur, die auch im bildungsbürgerlichen – normativen, kanonbildenden – Sinne als Dichtung galten. Im Folgenden wird die Weimarer Klassik als Fallbeispiel herausgegriffen.43 Die Überlappung zwischen dem nationalsozialistischen und dem bildungsbürgerlichen Begriff der ›Dichtung‹ mag einer der maßgeblichen Gründe sein, weshalb die nationalsozialistische Inbesitznahme der Klassiker lange Zeit nur wenig beachtet worden ist. Insbesondere das Bildungsbürgertum, die Literaturwissenschaft der Nachkriegszeit wie auch die literarische Welt selbst sperrten sich dagegen, die Weimarer Klassik und damit das deutsche Erbe der klassischen Humanität mit seiner politischen Instrumentalisierung durch eine unmenschliche Diktatur zu verbinden.44 Zeitzeugen wie Hans Carossa und Hans Wahl kultivierten die Fehlbehauptung, Hitler habe das 41 42 43

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Thilo von Trotha: Deutschlands Kulturtradition und das Dritte Reich. Letzte Rede, gehalten vor der Norwegisch-Deutschen Gesellschaft, Oslo. In: NSM 101 (1938), S. 667. [o.V.]: BK 1939, S. 101. Zur Instrumentalisierung der Weimarer Klassik im Dritten Reich vgl. Lothar Ehrlich / Jürgen John / Justus H. Ulbricht (Hg.): Das Dritte Weimar. Klassik und Kultur im Nationalsozialismus. Köln u. a. 1999; Claudia Albert: Deutsche Klassiker im Nationalsozialismus. Stuttgart, Weimar 1994; Ursula Härtl / Burkhard Stenzel / Justus H. Ulbricht (Hg.): Hier, hier ist Deutschland… Von nationalen Kulturkonzepten zur nationalsozialistischen Kulturpolitik. Göttingen 1997; Karl Robert Mandelkow: Goethe in Deutschland. Rezeptionsgeschichte eines Klassikers. Bd. 2: 1919–1982. München 1989, S. 78–116; Horst Claussen / Norbert Oellers (Hg.): Beschädigtes Erbe. Beiträge zur Klassikerrezeption in finsterer Zeit. Bonn 1984; Bernard Zeller (Hg.): Klassiker in finsteren Zeiten. Marbach 1983. Die wenigen frühen Kritiker dieser Haltung wurden kaum beachtet. Genannt seien der aus der Emigration zurückgekehrte Germanist Richard Alewyn (»Zwischen uns und Weimar liegt Buchenwald. Darum kommen wir nicht herum. […]. Es kann […] nicht zwei Deutschlands geben. Es gibt nur eines oder keines«) und der Rektor der Frankfurter Goethe-Universität Franz Böhm (»Es führt von Goethe kein Weg zum Nationalsozialismus, aber auch keiner zum Schutz gegen den Nationalsozialismus und zur Befreiung von ihm«). Beide Aussagen stammen aus dem Goethe-Jahr 1949 und sind zitiert nach: Karl Robert

Goethe-Haus nie betreten, und verbanden damit die Illusion, eine Aufgeschlossenheit gegenüber dem klassischen Erbe hätte eine andere Politik zur Folge gehabt.45 In der Kontroverse zwischen den Vertretern der ›inneren Emigation‹ und des Exils wurde die Behauptung, Bildung schütze vor Entgleisung, als Argument zur Verteidigung der in Deutschland verbliebenen Schriftsteller eingesetzt. In seiner Auseinandersetzung mit Thomas Mann sei es laut Frank Thiess »Goethes Geist gewesen […], der die totale Vergiftung und Selbstzerstörung des deutschen Volkes verhinderte. Aus seinem Geiste heraus erfolgte nicht nur der Kampf der besten Emigranten, sondern auch jener Männer und Frauen, die ich der inneren Emigration zuzähle«.46 Auch politisch wurde die scheinbare Unvereinbarkeit von Klassik und nationalsozialistischer Barbarei fortgeschrieben, indem die systematisch betriebene Erbeaneignung als Antidot zum nationalsozialistischen Gedankengut mobilisiert wurde. Die alliierten Besatzungsmächte legten im Rahmen der »demokratischen Umerziehung« großen Wert auf der »Pflege des klassischen Erbes in Weimar«.47 Sowohl in der BRD als auch in der DDR wurde die »geistige und ästhetische Nähe« der jeweils eigenen Gesellschaft zur Weimarer Klassik behauptet und als Beleg für die Überwindung des nationalsozialistischen Gedankenguts angeführt.48 Weimar und Buchenwald, Goethe und Hitler, Hochkultur und Barbarei wurden damit lange Zeit säuberlich von einander getrennt. Sowohl in der Forschung als auch im politischen Diskurs und im kollektiven Gedächtnis wurde Weimar erst ab den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts vom unbeschädigten »Herz deutscher Kultur« zum »sperrige[n] Erinnerungsort« umgedeutet, der das Neben- und Durcheinander von »normativer Höhe und tiefem Fall« in sich vereine.49 Nach der mühsam durchgesetzten historischen Kontextualisierung des

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Mandelkow (Hg.): Goethe im Urteil seiner Kritiker. Dokumente zur Wirkungsgeschichte Goethes in Deutschland. München 1975, S. 335 bzw. 337. Vgl. Justus H. Ulbricht, ›Wo liegt Weimar?‹ Nationalsozialistische Entwürfe kultureller Identität. In: Hier, hier ist Deutschland… Hg. von Härtl u. a., S. 16f. Ulbricht weist darauf hin, dass der Goethe-Forscher und Archivar Hans Wahl Hitler im Jahre 1925 persönlich durch das Goethe-Haus geführt hat. Zitiert nach: Lothar Ehrlich: Der fremde Goethe. Die Deutschen und ihr Dichter. In: Studien 18 (2000). Zur Debatte um die ›Innere Emigration‹ vgl. diese Arbeit, Seite 248. Siegfried Lokatis: Das ›deutsche Buch‹ in der DDR. In: Das ›deutsche Buch‹ in der Debatte um nationale Identität und kulturelles Erbe. Hg. von Michael Knoche u. a. Göttingen 2006, S. 158. Ehrlich: Der fremde Goethe. Zur verklärenden Instrumentalisierung der Weimarer Klassik im Nachkriegsdeutschland: Waltraud ›Wara‹ Wende: Kultur als Programm gegen Hitler. In: Totalitarismus und Literatur. Hg. von Hand Jörg Schmidt u. a. Göttingen 2007; Lokatis: Das ›deutsche Buch‹; Georg Bollenbeck / Thomas La Presti (Hg.): Traditionsanspruch und Traditionsbruch. Wiesbaden 2002; Lothar Ehrlich / Gunther Mai (Hg.): Weimarer Klassik in der Ära Ulbricht. Köln u. a. 2001; dies. (Hg.): Weimarer Klassik in der Ära Honecker. Köln u. a. 2000. Vgl. dazu: Georg Bollenbeck: Weimar. In: Deutsche Erinnerungsorte. Hg. von Etienne François / Hagen Schulze. Bonn 2005, S. 106; Ehrlich u. a. (Hg.): Das Dritte Weimar, S. 25. Zur Unmöglichkeit einer Trennung von Weimar und Buchenwald vgl. auch Justus H. Ulbricht, Was ist heut‹ des Deutschen Größe? Weimarer Klassik, nationale Identität, kulturelles Gedächtnis. In: Das ›deutsche Buch‹. Hg. von Knoche u. a., S. 28–45; ders.

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Phänomens des Nationalsozialismus50 wurde zögerlich erkannt und anerkannt, dass die politische Vereinnahmung der Weimarer Klassik nicht erst 1933 mit der nationalsozialistischen Machtübernahme begann, sondern dass der Nationalsozialismus an die fortschreitende Nationalisierung des klassischen Kulturguts anknüpfen konnte, die bereits im späten neunzehnten Jahrhundert ihren Anfang genommen und sich Mitte der 1920er Jahre gefestigt hatte.51 Gleichzeitig setzte sich die Erkenntnis durch, dass die nationalsozialistische Indienstnahme der Weimarer Klassik nicht als Einbruch einer »barbarischen Macht« in die »heile Welt der Bildungsbürger« stattfand, sondern dass ein Großteil des deutschen Bildungsbürgertums unter nationalsozialistischer Herrschaft mehr als bereitwillig gewesen war, »seine aufklärerisch-humanistischen Traditionen, einst entwickelt am Erbe klassischer deutscher Dichtung, aufzugeben«.52 Traditionelle Literaturgesellschaften wie die Schiller-Stiftung, die Goethe-Gesellschaft und der Deutsche Schillerbund, so wurde allmählich deutlich, hatten »mit ihrer relativ reibungslosen Weiterexistenz im NS-Regime zur Stabilisierung des neuen Staates« beigetragen und »so das propagierte Ideal einer einheitlichen ›Volksgemeinschaft‹ auf der Basis einer ›ganzheitlichen‹ deutschen Kultur« beglaubigt.53 Es folgte der Hinweis, dass auch ein Großteil der politischen Funktionselite »vom Milieu des klassischen deutschen Bildungsbürgertums geprägt« war und ein Himmler, Heydrich, Speer, Best, Barbie, Ohlendorf und Mengele »aus bürgerlichen, oft musischen Elternhäusern« stammten, »Humanwissenschaften, Jura, Ökonomie, Architektur oder Medizin studiert« hatten und »nicht selten – wie Dr. phil. Goebbels – promoviert« waren.54 Dass sich Bildung und Barbarei durchaus in einzelnen Personen vereinen konnten, wurde in den letzten Jahren zunehmend auch am Lebenslauf von SS-Offizieren dokumentiert. Dabei sei nicht nur an die fiktive Hauptfigur in Jonathan Littells preisgekröntem Roman Les Bienveillantes (2006) gedacht, die als SS-Obersturmbannführer keineswegs zufällig Platonleser und leidenschaftlicher Verehrer von klassischer Bildung und Klaviermusik war. Lexika zum Dritten Reich verzeichnen Biographien wie die

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(Hg.): Klassikerstadt und Nationalsozialismus. Kultur und Politik in Weimar 1933 bis 1945. Jena 2002; Gerhard Sauder: Die Goethe-Eiche. Weimar und Buchenwald. In: Spuren, Signaturen, Spiegelungen: zur Goethe-Rezeption in Europa. Hg. von Bernhard Beutler / Anke Bosse (Hg.). Köln u. a. 2000, S. 473–495; Jens Schley: Die Stadt Weimar und das Konzentrationslager Buchenwald 1937 bis 1945. In: Das Dritte Weimar. Hg. von Ehrlich u. a., S. 311–334; Volker Mausberger: Hitler in Weimar. Der Fall einer deutschen Kulturstadt. Berlin 1999; Peter Merseburger: Mythos Weimar. Zwischen Geist und Macht. Stuttgart 1998. Vgl. Kapitel 3.1.1. Vgl. Ulbricht: Was ist heut’ des Deutschen Größe?, S. 39–42. Bollenbeck: Weimar, S. 103 (dazu ebenfalls: Mathias Aljoscha Winde: Bürgerliches Wissen – Nationalsozialistische Herrschaft. Frankfurt/M. u. a. 2002; Georg Bollenbeck: Tradition, Avantgarde, Reaktion. Deutsche Kontroversen um die kulturelle Moderne 1880–1945. Frankfurt/M. 1999; ders.: Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters. Frankfurt/M., Leipzig 1994. Ehrlich u. a. (Hg.): Das Dritte Weimar, S. 347 (vgl. darin: Lothar Ehrlich: Die GoetheGesellschaft zwischen Gleichschaltung und Verweigerung, S. 245–266). Willi Jasper: Faust und die Deutschen. Berlin 1998, S. 167 u. 179f.

von SS-Hauptsturmführer Robert Mulka, der im Vernichtungslager Auschwitz am 15. Februar 1943 per Rundschreiben zu einer Truppenbetreuungsveranstaltung unter dem Motto Goethe – ernst und heiter ins Kameradschaftsheim der Waffen-SS lud, um »gerade die Volksdeutschen mit den höheren Gütern deutscher Kultur vertraut zu machen«.55 Die Illusion, deutsche Klassik und Nationalsozialismus müssten sich gegenseitig ausschließen, nährte sich lange Zeit durch Zitate der nationalsozialistischen Elite. Am 5. Juli 1935 beklagte sich Goebbels in seinem Tagebuch über die ›politische Charakterlosigkeit‹ von Künstlern und fügte dem hinzu: »Von Goethe bis Strauß [sic]. Weg damit!« Am 1. Februar 1938 entfuhr Hitler die Aussage: »Schiller und Goethe lebten in einer kleinen Residenz und reagierten ihre großen Ideen in Pathos ab. Es wurde keine Geschichte gemacht.«56 Rosenberg schrieb in seinem in Millionen Exemplaren aufgelegten Mythus des 20. Jahrhunderts, Goethe werde in den kommenden Jahrzehnten »zurücktreten, weil ihm die Gewalt einer typenbildenden Idee verhaßt war und er sowohl im Leben wie im Dichten keine Diktatur eines Gedankens anerkennen wollte, ohne welche jedoch ein Volk nie ein Volk bleibt und nie einen echten Staat schaffen wird.«57 Bei einer solch selektiven Rezeption wird jedoch übersehen, dass im Gesamtkontext der nationalsozialistischen Literaturpolitik nicht diese, sondern vielmehr andere Aussagen und Maßnahmen für die literaturpolitische Praxis repräsentativ waren. Dem obigen Zitat aus Rosenbergs Mythus z. B. ging die Bemerkung voran, Goethe habe keine Typen, dafür aber vielmehr »das We s e n von uns […], das Ewige« dargestellt: Er ist dadurch der Hüter und Bewahrer unserer Anlage geworden, wie unser Volk keinen zweiten besitzt. Wenn die Zeiten erbitterter Kämpfe einst vorüber sein werden, wird Goethe auch wieder nach außen bemerkbar zu wirken beginnen.

Goebbels sprach in seinen Tagebüchern genauso sehr vom »großen« Kleist 58 und vom »Theatergenie« Schiller59 und sanktionierte Angriffe auf die Klassiker, sowohl in der Presse (»Einer hat Schiller ›erledigt‹. Dem habe ich Flötentöne beigebracht. Sowas wäre in der Lage, die ganze deutsche Kultur zu zerstören«60) als auch auf der Bühne (»Der Mitarbeiter von Rosenberg […] gibt eine Dramaturgie heraus, die sich nachgerade gegen alle deutschen Klassiker wendet. Dort werden Schiller und Goethe verdammt, über Kleists ›Amphytrion‹ wird der Stab gebrochen, […]. Ich werde dafür

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Zitiert nach: Standort und Kommandanturbefehle des Konzentrationslagers Auschwitz 1940–1945; Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte. Bd. 1. München 2000, S. 220. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 1.2.1938. Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. München 1938, S. 514. Die positiven Verweise auf Goethe darin überwiegen bei weitem die negativen. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 31.10.1938. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 14.10.1937. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 17.10.1936.

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sorgen, daß dieser Unfug abgestellt wird«61). Weiter gab der Propagandaminister Presseanweisungen heraus, denen zufolge Persönlichkeiten der großen deutschen Vergangenheit wie etwa Schiller kritiklos zu huldigen sei. Auf die Schillerkritik regimetreuer Literaturhistoriker und Regisseure etwa, dass sich der Klassiker wegen seines Freiheitsbegriffs, seiner Wahl ausländischer Stoffe und seines Universalismus nicht mit dem Nationalsozialismus in Übereinstimmung bringen lasse, reagierte Goebbels auf einer vertraulichen Pressekonferenz, man dürfe nicht »messen und […] untersuchen, ob das Schaffen der großen Männer der Vergangenheit in den Rahmen der nationalsozialistischen Weltanschauung hineinpasse«, denn es habe »keinen Sinn, der großen deutschen Vergangenheit den Vorwurf zu machen, dass sie nicht nationalsozialistisch sei.«62 Offensichtlich ungewollt, aber umso bedeutungsvoller wurde mit dieser Anweisung die Inkompatibilität von Schiller und dem Nationalsozialismus zugegeben und offen gestanden, Deutschlands große Vergangenheit lasse sich nur ohne eingehende Beschäftigung mit ihr in den Dienst des Regimes nehmen. Andererseits wurde genauso sehr vor einer allzu weitgehenden nationalsozialistischen Deutung der Klassiker gewarnt. Walter Stang, Leiter der Abteilung Kunstpflege im Rosenbergamt, stellte 1935 in der Zeitschrift der NS-Kulturgemeinde unter dem Titel Richtige und falsche Pflege des klassischen Kulturguts ausdrücklich fest: Falsch wäre […] der Versuch, Werken unserer Klassiker eine nationalsozialistische Tendenz gewaltsam aufdrücken zu wollen. Es scheint mir keine richtige Pflege zu sein, wenn man Schillers ›Wilhelm Tell‹ mit einer am Nationalsozialismus geschulten agitatorischen Geste enden läßt, die niemals in dem Werk Schillers ihre Begründung findet. […] Schillers ›Räuber‹ haben es genauso wenig nötig, in dieser Weise korrigiert zu werden, wie es der Nationalsozialismus nötig hat, durch plumpe Direktheiten und durch einen vergewaltigten Schiller als richtig erwiesen zu werden.63

Aus diesen und anderen Beispielen geht hervor, dass in den Augen des Regimes nicht die ideelle Inkompatibilität der Autoren und Werke der Weimarer Klassik mit dem Nationalsozialismus, sondern vielmehr ihre Nützlichkeit als Identifikationsfiguren für das ›Volk der Dichter und Denker‹ ausschlaggebend war. Karl Robert Mandelkows Annahme, »die NS-Prominenz [habe] die Berufung auf Goethe in einer Mischung aus Gleichgültigkeit, Unkenntnis und Berührungsangst gemieden«, sowie Dieter Borchmeyers These, Goethe sei »kaum je eine Berufungsinstanz der Nationalsozialisten« gewesen und »vom braunen Ungeist ungetrübt« geblieben,64 treffen daher

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 15.4.1942. In diesem Fall spielt sicherlich auch die Konkurrenz zu Rosenberg mit. Anweisung vom 17.10.1936 (zitiert nach: Georg Ruppelt: Hitler gegen Tell. Die ›Gleich- und Ausschaltung‹ Friedrich Schillers im nationalsozialistischen Deutschland. Hameln 2005, S. 30). Zitiert nach: Mechthild Kirsch: ›Arteigenes Theater‹ und bürgerliche Klassikerpflege, ›kämpferisches Bekenntnis‹ und Rückzugsmöglichkeit. In: Das Dritte Weimar. Hg. von Ehrlich u. a., S. 72. Mandelkow: Goethe in Deutschland, S. 78, bzw. Dieter Borchmeyer: Goethe. In: Deutsche Erinnerungsorte. Hg. von François / Schulze, S. 85. Die beiden Forscher führen signifikanterweise nur das erstgenannte Zitat aus Alfred Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts

keineswegs zu. Obwohl Goethe weniger als Schiller in den Vordergrund gestellt wurde, wurde auch er in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt.65 Exemplarisch sind hier die ausführlichen Anweisungen im Zeitschriften-Dienst zum Thema Goethe in der Gegenwart vom 13. Juni 1939, die Journalisten im Vorfeld des 190. Geburtstags des Schriftstellers befolgen sollten. Als allgemeine Zielrichtung wurde der Presse vorgeschrieben, Goethe sei »als Mensch darzustellen, der größer ist als sein Werk« und »nahezu ein Jahrhundert des gesamtdeutschen Schicksals verkörpert«. In zehn Rubriken wurden stichwortartig Themen angeführt wie die »Aufgeschlossenheit Goethes für technische Erneuerungen«, »Hygiene, eine Forderung Goethes zur Erhöhung des Lebensgefühls« und das »Bürgertum. Für Goethe ein Zustand, der durchlaufen, aber überwunden werden muß«. Eine besonders beliebte Methode der Goethe-Vereinnahmung war das aus dem Kontext gerückte Zitat, bei dem der Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus weniger argumentativ aufgeführt als vorausgesetzt wurde. Zu den offensichtlichsten Beispielen politischen Missbrauchs gehören die Sprüche »Am Anfang ist die Tat« (Adolf Hitler), »Was fruchtbar ist, allein ist wahr« (Rosenberg im Mythus des 20. Jahrhunderts), »Blut ist ein ganz besonderer Saft« (Hans Severus Ziegler, Reichskultursenator), »Man erziehe die Knaben zu Dienern und die Mädchen zu Müttern« (Zeitschriften-Dienst) und »Es ist nichts reizender, als eine Mutter zu sehen mit einem Kinde auf dem Arme, und nichts ehrwürdiger, als eine Mutter unter vielen Kindern« (Nationalsozialistische Monatshefte).66

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an, nach dem Goethe »keine Diktatur eines Gedankens« anerkannt habe und daher für die nationalsozialistische Propaganda unnütz sei. Zur Goetherezeption im Dritten Reich vgl. u.a. Jens Kruse: The Political Uses of ›Goethe‹ during the Nazi Period. Goethe Fictions between 1933 and 1945. In: New German Review 19 (2003), S. 12–29; Johannes John: Der vereinnahmte und der geteilte Goethe. Zur Goethe-Rezeption in Deutschland nach 1933. In: Über die Grenzen Weimars hinaus. Goethes Werk in europäischem Licht. Hg. von Thomas Jung / Birgit Mühlhaus. Frankfurt/M. 2000, S. 91–113; Klaus Behr: Goethe, ein guter Deutscher? Einige Gedanken zur schulischen Rezeption des Klassikers in der Weimarer Republik und im Dritten Reich im Anschluß an empirisch-statistische Befunde. In: Dauer im Wechsel? Goethe und der Deutschunterricht. Hg. von Bodo Lecke. Frankfurt/M. u. a. 2000, S. 163–179; Burkhard Stenzel: ›Pg. Goethe‹? Vom politischen und philologischen Umgang mit einem Weimarer Klassiker. In: Das Dritte Weimar. Hg. von Ehrlich u. a., S. 219–243; Karl Robert Mandelkow: ›Goethe und die deutsche Gegenwart‹. Die Rezeption Goethes und der deutschen Klassik in der Weimarer Republik und im ›Dritten Reich‹. In: Wege nach Weimar. Hg. von Hans Wilderotter / Michael Dorrmann. Berlin 1999, S. 87–98. Das fragmentarische Rezeptionsverfahren der Klassiker war keine nationalsozialistische Erfindung, sondern war auch typisch für die bildungsbürgerliche Klassikerhuldigung. Wurde diese Verehrungsstrategie von der bildungsbürgerlichen Elite zur Konstituierung und Konsolidierung eines bildungsbürgerlichen Bewusstseins gebraucht, so wurde sie im Dritten Reich dazu benutzt, die Klassiker als Vorläufer des Nationalsozialismus darzustellen (vgl. Iris Oppermann: Die Sonnenwendfeier in Marbach am 21.06.1934: ›Die deutsche Jugend huldigt Friedrich Schiller‹. In: Traditionsanspruch und Traditionsbruch. Hg. von Bollenbeck / La Presti, S. 57f.).

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Eine seltenere Form der Vereinnahmung bestand darin, Gegensätze zwischen Goethes Werk und dem Nationalsozialismus als jüdische Fehldeutungen abzutun, wie es die Rede von Hans Severus Ziegler, Intendant des Weimarer Nationaltheaters, bei der Neueröffnung des Goethe-Nationalmuseums am 28. August 1935 illustriert: Im Banne einer irregeleiteten, abstrakt politischen Deutung des Lebens fand sich das deutsche Volk in Goethe nicht wieder. In wahnwitziger Verblendung ließ es zu, daß die ragendste Gestaltung des ewigen Deutschen vor allem aus jüdischen Geiste heraus gedeutet wurde, bis der Hohe umgedeutet war zum segnenden Propheten einer liberalistischen Weltbeglückung, der Blut und Rasse Wahngebilde waren.67

Typischer war es, das Nichtsystemkonforme des Dichters und seines Werks als das »Zeit- und Bildungsbedingte der Zeit Goethes« zu relativieren, hinter dem immerhin das »volkhaft Ewig-Gültige« zu spüren sei.68 Kennzeichnend war in dieser Hinsicht die Besprechung der Aufführung des Schauspiels Torquato Tasso bei der Eröffnung der Deutschen Buchwoche 1935. Das Drama über das mühsame Verhältnis zwischen Dichter und Gesellschaft scheine »auf den ersten Blick einer uns fernen Zeit von Bildung, Ruhe und Weltferne anzugehören«, offenbare aber »in einer ausgereiften Aufführung sein wahres Gesicht«, nämlich das Kernproblem der »Einfügung des Einzelmenschen, auch des genialen, in die Gemeinschaft«. Dabei wurde zugegeben, dass das Stück weniger den aktuellen Konflikt zwischen dem »entfesselte[n] Individualist[en] des liberalen Zeitalters« und der »Volksgemeinschaft in ihrer harten diesseitigen Wirklichkeit« behandele, als vielmehr die Spannungen zwischen dem »genialste[n] Dichter« und der »Welt des bildungsdurchtränkten staatlichen Seins« in den Mittelpunkt stelle. Das Entscheidende sei jedoch, dass Goethes Tragödie den Zuschauer »zur Einsicht, zum Verzicht auf den eigenwilligen Höhenflug« führe. Eine weitere Form der Vereinnahmung beruhte auf der selektiven Ausblendung der von Goethe vertretenen humanistischen Zielsetzungen wie Kosmopolitismus, Liberalismus, Toleranz und Individualität. Ein Beispiel bietet Reichsjugendführer Baldur von Schirach, der die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem Humanismus des Klassikers und dem Nationalsozialismus in der mehrdeutigen Frage einfi ng, was denn wohl »G o et h e m it u n s zu schaffen [habe], Goethe, der Weltbürger, der liberale Prophet des sogenannten Fortschritts?« Um die Inkompatibilität des Dichters mit dem Nationalsozialismus als nur scheinbar zu relativieren und eine kulturelle Traditionslinie von Goethe zur Diktatur zu etablieren, bezog sich Schirach u. a. selektiv auf Goethes neuhumanistisches Bildungsideal, das für die ganzheitliche Charakterformung plädierte. Wie es Rosenberg in seinem Mythus vorgemacht hatte, deklarierte er den deutschen Dichter zum Wegbereiter des nationalsozialistischen Bildungsbegriffs und sagte ihm nach, er habe »mehr als wir bisher meinten die Entwicklung zugunsten unserer modernen Leibeserziehung beeinflusst«: 69 67 68 69

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Zitiert nach: Mandelkow: Goethe in Deutschland, S. 81. E. Langenbucher: BDB 252 (29.10.1935), S. 905. Die folgenden Zitate sind ebd. [eigene Hervorhebung]. Rede von Baldur von Schirach am 14.6.1937 zur Eröffnung der Weimar-Festspiele der deutschen Jugend (zitiert nach: Gerd Rühle: Das Dritte Reich. Das fünfte Jahr 1937. Berlin

Und erst wenn wir diese Seite seines Wesens kennen, erschließt er sich uns als die vollkommene, erzieherische Persönlichkeit. Das später viel mißbrauchte Wort ›Bildung‹ wurde von ihm nicht als Häufung des Wissens betrachtet. Bildung in Goetheschen Sinn ist zu allererst Charakterbildung. Er sagt: ›Der echte Deutsche bezeichnet sich durch mannigfaltige Bildung und Einheit des Charakters.‹

Alle Vereinnahmungsversuche mündeten konsequent in der Konklusion, dass »wir uns von unserem deutschen Wesen und damit von Goethe nicht trennen können«. Die Instrumentalisierung der Weimarer Klassik kam am deutlichsten zum Ausdruck in den kulturellen Großveranstaltungen, die Goebbels bewusst auf dem »durch die deutsche Klassik geheiligten Boden Weimars«70 stattfinden ließ. Die »Stadt der großen klassischen deutschen Weltdichtung«71 bildete das Dekor für die Großdeutschen Dichtertreffen (1938–1942) und die nationale Auftaktveranstaltung der jährlichen Woche des Deutschen Buches, deren Eröffnung der Propagandaminister 1935 vom Berliner Sportpalast nach Weimar verlegte, weil jeder geistige Mensch in Deutschland dieser Stadt »im Ideal und in der geistigen Vorstellung aufs engste verbunden« sei.72 Auch während der Buchwochen wurde das propagandistische Potential der Weimarer Klassiker maximal als Mittel der kulturellen Selbstaufwertung ausgeschöpft. Die jährlichen Weimarbesuche veranlassten Goebbels zu einer feierlichen Kranzniederlegung auf die Gräber von Goethe und Schiller (vgl. Abbildung 4). Auf dem Programm standen Besuche des Goethehauses, des Goethe-Nationalmuseums und des Goethe-Schiller-Archivs. Das Deutsche Nationaltheater führte am Eröffnungs- oder Schlussabend Stücke von Goethe (Torquato Tasso, Iphigenie auf Tauris), Schiller (Die Verschwörung des Fiesco zu Genua, Kabale und Liebe) und Kleist (Penthesilea) auf. 1937 ließ sich Goebbels als ›Ehrengabe‹ eine Mappe mit Faksimiles historischer Dichterhandschriften und Zeichnungen geben, darunter auch Goethes und Schillers. In seinen feierlichen Reden wurden die »großen Zeiten der deutschen Klassik« heraufbeschworen und wurde der geistige Rang von Goethe und Schiller systematisch mit dem »Rang des deutschen Volkstums bis heute in der ganzen Welt« gleichgesetzt.73

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o.J., S. 123–129). Das folgende Zitat ist ebd. Schirachs Rede wurde unter dem Titel Goethe an uns als Sonderheft der Zeitschrift der Hitlerjugend Wille und Macht und in einer Geschenkausgabe im Zentralverlag der NSDAP veröffentlicht. »Wenn man die Zitate aus Goethes Schriften, die hier unter verschiedenen Überschriften […] zusammengestellt sind, durchblättert,« lobte die von Rosenberg herausgegebene Zeitschrift Buch und Volk, »so staunt man über die Gegenwärtigkeit der goethischen Lebensanschauung. Dieses Buch ist ein herrliches Geschenk für jeden jungen Menschen. Es enthält fast auf jeder Seite Wegweisungen und Stärkungen für jede Lebenslage.« Zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 853. Erckmann: BDB 243 (17.10.1940), S. 375. Zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 854. Die erste Woche des Deutschen Buches 1934, die mit Schillers 175. Geburtstag zusammenfiel, wurde in Anwesenheit von Hitler und Goebbels mit der Schillergedenkfeier in Weimar abgeschlossen, die von allen Rundfunksendern des Reiches ausgestrahlt wurde. Zum Programm vgl. Ruppelt: Hitler gegen Tell, S. 13f. Hier: Eröffnungsrede bei der Großdeutschen Buchwoche am 30. Oktober 1938. In: [o.V.]:

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Abb. 4

Die Indienstnahme der klassischen Dichtung geschah freilich nicht nur durch Repräsentanz und punktuelle Veranstaltungen. Den klassischen Dramen kam in den Spielplänen fast aller Schauspielhäuser des Dritten Reichs eine besonders exponierte Stellung zu.74 So gehörte Schiller zu den meistaufgeführten Dramatikern im Dritten Reich.75 Wilhelm Tell wurde bis 194176 so oft inszeniert und in zu »Plattheiten« reduzierte Kernsprüche zerlegt, dass die Zeitschrift Die Literatur 1937 einen »Denk-

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Der ewige Wert des guten Buches. Reichsminister Goebbels eröffnet im feierlichen Staatsakt in der Weimarhalle die Erste Großdeutsche Buchwoche. In: BDB 255 (2.11.1938), S. 853. Zur Stellung und Funktion der Klassiker im Spielplan der deutschen Theater während des Nationalsozialismus vgl. Kirsch: ›Arteigenes Theater‹. Als Hitler 1941 Wilhelm Tell verbot, übernahm Goethe mit 1.042 Aufführungen in der Spielzeit 1941–1942 die Führung (vgl. Jasper: Faust und die Deutschen, S. 166; Doris Maurer: Schiller auf der Bühne des Dritten Reiches. In: Beschädigtes Erbe. Hg. von Claussen / Oellers, S. 29–44). Das Stück wurde während der nationalsozialistischen Herrschaft als nationales Befreiungsund Führerdrama verherrlicht, bis es am 4. Juni 1941 als subversives Revolutionsdrama gegen die diktatorische Macht verboten wurde. Während Wilhelm Tells Wort »Der Starke ist am mächtigsten allein« als Überschrift über dem achten Kapitel in Mein Kampf firmierte, waren es Sätze wie »Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht« und die verherrlichte Loslösung der späteren Schweiz vom Reich, die das Stück im Hinblick auf die außenpolitische Situation auf die Verbotsliste brachten. Das Drama durfte forthin weder aufgeführt noch

malschutz für Wilhelm Tell« forderte.77 Im Schillerjahr 1934 wurden sämtliche Stücke des Dichters als Hörspiel im Rundfunk übertragen.78 Auszüge aus seinem Werk gehörten zur Pflichtlektüre aller Schüler. Der Film Friedrich Schiller. Der Triumph eines Genies (1940) trug den Klassiker, der vorher den Gebildeten vorbehalten gewesen war, in die breiten Massen des Volkes.79 Wie sich aus diesen Ausführungen ergibt, muss die klassische Dichtung ganz eindeutig zum Spektrum der im nationalsozialistischen Deutschland geförderten Literatur gerechnet werden. Ihre Funktionalisierung durch die nationalsozialistische Propaganda lässt sogar viele Parallelen mit dem bildungsbürgerlichen Klassikerverständnis zu, grenzt sich allerdings genauso sehr von diesem ab, indem sie gänzlich vom Humanismus- und Universalismusdiskurs der Aufklärung abgekoppelt wird. Die Klassikerhuldigung bot sich der Diktatur zunächst als erprobtes Medium des nationalen Selbstentwurfs und damit als Mittel zur Förderung des Nationalbewusstseins an. Sie wurde eingesetzt, um das Dritte Reich als scheinbar würdigen Erbe deutscher Kulturtradition auszuweisen und das Regime damit kulturhistorisch aufzuwerten.80 Ferner zielte das nationalsozialistische Bekenntnis zu den Klassikern darauf ab, die Unterstützung und Loyalität des Bildungsbürgertums zu gewinnen. Die vermeintliche Fortsetzung der bildungsbürgerlichen Kulturtradition diente, wie die politische Instrumentalisierung der Hochkultur insgesamt,81 als »Integrationsinstrument«82 des Bildungsbürgertums und damit der intellektuellen Elite. Weil die Dichtung der Klassiker mehr als jede andere Literatur unangefochtenen Bezugswert für den Bildungsbürger hatte, ließ sich an ihr ebenfalls – und überzeugender als am generischen Begriff des ›Buches‹ – das Bemühen der Diktatur zum Ausdruck bringen, die Schranken zwischen gebildeten und ungebildeten Kreisen zu überbrücken. Es sei hier auf die symptomatische Anekdote Ein Arbeiter und Goethe83 und die Anstrengungen der

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im Schulunterricht behandelt werden (vgl. Zeller (Hg.): Klassiker in finsteren Zeiten, S. 10 u. 414–421; Ruppelt: Hitler gegen Tell, S. 35–50. Zitiert nach: Ruppelt, Hitler gegen Tell, S. 37. Vgl. ebd., S. 13. Zum Schiller-Film vgl. u. a. Rainer Rother: Haltung und Disziplin. Friedrich Schiller. Der Triumph eines Genies. In: Filmblatt 3 (2006), S. 5–11; Harro Segeberg: Die großen Deutschen. Zur Renaissance des Propagandafilms um 1940. In: Mediale Mobilmachung. Tl. 1: Das Dritte Reich und der Film. Hg. von dems. München 2004, S. 267–291. Der Film wurde im November 1940 in Deutschland uraufgeführt. Zur regimeintegrativen Klassikerinszenierung am Beispiel der zu Ehren Friedrich Schillers inszenierten Sonnwendfeier vgl. Oppermann: Die Sonnenwendfeier. Zur Verbindung von Hochkultur und NS-Regime, besonders im Bereich der Musik und des Theaters vgl. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich. Wien 1991. Der Rückgriff auf bildungsbürgerliche Argumentationsfiguren und Deutungsmuster ließ die Mehrheit des Bildungsbürgertums tatsächlich glauben, »im Nationalsozialismus einen Gewährsmann mit Regierungsmacht« gefunden zu haben (Bollenbeck: Tradition, Avantgarde, Reaktion, S. 295–297; dazu auch ders.: Das unrühmliche Ende einer widersprüchlichen Geschichte. Hitler als Exekutor der bildungsbürgerlichen Kunstsemantik? In: Historismus, Sonderweg und dritte Wege. Hg. von Gérard Raulet. Frankfurt/M. u. a. 2001, S. 313f.). Vgl. Seite 189.

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Lenkungsinstanzen zur Verbreitung der Klassiker, daneben aber auch auf den Bereich des Theaters verwiesen, wo zielgruppengerecht aufbereitete Klassikeraufführungen unterschiedliche Bevölkerungskreise erreichen und die Forderung realisieren sollten, dass durch das »Spiel auf der Bühne […] dem Handwerker wie dem akademisch Gebildeten [die] gleiche Möglichkeit eines höchsten seelischen Erlebens« geboten werde.84 Weiter eigneten sich die Klassiker durch ihren überzeitlichen Wert, um – besonders in den Kriegsjahren – als so genannte Kraftquelle für die deutsche Bevölkerung und als Beweis für das unsterbliche und daher auch unbesiegbare Deutschland zu fungieren. Wie Das Reich am 14. Februar 1943 unter der Überschrift Das Bleibende feststellte, war es »kein Zufall, daß wir uns heute durch Werke erhoben fühlen, die alle Stürme der Vergangenheit überstanden« und ihre »Widerstandskraft gegen äußere Erschütterungen« bewiesen hätten.85 Diese Eigenschaft der klassischen Dichtung wurde von der Propaganda in der Krisenzeit des Krieges ausgenutzt.86 Nicht zuletzt gab das klassische Erbe dem nationalsozialistischen Deutschland ein besonders geschicktes Propagandamittel gegenüber dem Ausland an die Hand, um die »gewissenlose Hetze der Westmächte«87 zu parieren, der zufolge ein »europabeherrschendes Deutschland« seine Expansion zweifellos mit »unersetzliche[n] Verluste[n] auf kulturellem Gebiet« zu bezahlen habe. 1934 führte der Württembergische Ministerpräsident und Kultusminister Christian Mergenthaler an: »Wenn heute ein gewisser Teil der Welt glaubt, uns nicht anerkennen zu müssen, so appellieren wir an diese Welt draußen im Namen des Genius Friedrich Schillers.«88 Der Leiter des Amtes Schrifttumspflege Hans Hagemeyer hielt der alliierten ›Gräuelpropaganda‹ 1938 entgegen: »Wie schnell hat das Ausland vergessen, daß es uns erst zum Teil durch unsere typischsten und echtesten Dichter kennen- und achten gelernt hatte: durch unsere Klassiker und Romantiker.«89 Goebbels führte 1941 an, »auf die Kritik unserer liberal-demokratischen Widersacher« brauche man »nur mit einem Hinweis auf die deutsche Kulturleistung aus zwei Jahrtausenden« zu antworten, »die keiner Rechtfertigung mehr bedarf«. Er fuhr fort: Die systematische Fürsorge, die das nationalsozialistische Reich dem deutschen kulturellen Leben in all seinen Äußerungen und Ausstrahlungen in den vergangenen fast neun Jahren hat angedeihen lassen, ist unser Alibi gegen die literarischen Aufrufe unserer Feinde, die Papier sind und Papier bleiben werden. […] Gibt es ein schöneres Zeichen für die innere Verbundenheit mit dem Buch als die Tatsache, daß gerade im Kriege unsere Klassiker in steigendem Umfange von vielen Tausenden verlangt und gelesen werden? 90

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Aus: Richtlinien für eine lebendige deutsche Spielplangestaltung, aufgestellt vom Dramatischen Büro des Kampfbundes für deutsche Kultur (zitiert nach: Kirsch: ›Arteigenes Theater‹, S. 67). Eberlein: DR 7 (14.2.1943). Vgl. Seite 75. ZD 57 (24.5.1940). Zitiert nach: Ruppelt: Hitler gegen Tell, S. 20. Hagemeyer: NSM 1938, S. 1053. Zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 65f.

Symptomatische Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Rede zu, die Schriftsteller Thilo von Trotha91 vor der Norwegisch-Deutschen Gesellschaft in Oslo zum Thema Deutschlands Kulturtradition und das Dritte Reich hielt. Der Vortrag stellte den Versuch dar, unter Rekurs auf die Klassiker im Marschgepäck der deutschen Frontsoldaten im Ersten Weltkrieg den Kulturruf der deutschen Nation in das nationalsozialistische Deutschland hinüberzuretten: Mag Deutschland in unglücklicheren Zeiten seiner Geschichte für den oberflächlichen Betrachter manchmal den Eindruck erweckt haben, es sei nur vom »Dichten und Denken« oder nur vom »Militarismus« geprägt, so sollte man nie vergessen, daß in den Tornistern von Zehntausenden deutschen Weltkriegssoldaten Goethes »Faust« und Schillers »Wallenstein« lagen. Wir wissen heute, daß Gesetz und Schwert, Forschung und Kunst zusammen erst das Leben eines Volkes ausmachen, und daß eines so notwendig ist wie das andere. Und so bitte ich Sie, zu begreifen, daß das Deutschland der großen Kaiser, des preußischen Friedrich und Adolf Hitlers zugleich das Deutschland Goethes, Kants und Beethovens ist, und daß das politische und geistige Leben unseres Volkes eine unlösliche Einheit bildet.92

Die propagierte Kompatibilität von Hochkultur und Nationalsozialismus wurde im Herbst 1938 von Goebbels in der Parole »Buch und Schwert« konsolidiert, die das geistige und das militaristische Deutschland als die zwei Seiten ein und desselben »deutschen Wesens« vereinte (vgl. Abbildung 5).93 Das Schlagwort sollte u. a. vortäuschen, dass Deutschland unter Hitler die identitäre Symbiose des ›Volks der Dichter und Denker‹ und des ›Volks von Militaristen‹ gelungen sei. In Goebbels’ Worten: Es gab Zeiten, da war Deutschland nur die Verkörperung von Geist allein und unser Volk in der Welt belächelt als ein Volk der Dichter und Denker. Es gab Zeiten, da man Deutschland nur die Verkörperung der Kraft allein und unser Volk in der Welt verhaßt und verachtet als ein Volk von Militaristen. Nu n si n d w i r u n t e r d e r ge s eg n e t e n H a n d d e s F ü h r e r s b eid e s g ewo r d e n : d ie Re p r ä s e n t a n t e n d e u t s c h e n G ei s t e s u n d d ie Re p r ä s e nt a nt e n d e u t s c h e r K r a f t . Bu c h u n d S c hwe r t b i ld e n h e u t e üb e r d e m L eb e n u n s e r e s Vol ke s ei n e w u n d e r b a r e E i n h eit . Als eine geistige Nation in Waffen treten wir, die neue junge Weltmacht, vor das Gesicht der anderen Völker. So sollen denn auch für die Zukunft Buch und Schwert die Symbole unseres nationalen Lebens sein und bleiben. In ihnen liegt die Kraft, die unser materielles und geistiges Leben bestimmt.94

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Von Trotha war Dramatiker und Lyriker, Schriftleiter der Nationalsozialistischen Monatshefte (bis 1934), Leiter der Abteilung Norden des Außenpolitischen Amtes und Rosenbergs Privatsekretär (vgl. Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe. München 2005, S. 379 u. 704). Er setzte sich aktiv für die unter der Schirmherrschaft von Rosenberg stehende Nordische Gesellschaft ein und versuchte auf seinen zahlreichen Reisen in den skandinavischen Ländern für die geistige Zusammenarbeit mit dem ›neuen Deutschland‹ zu werben. Neben seinem schriftstellerischen Werk gab er drei Sammelbände mit Rosenbergs Reden heraus. Von Trotha verunglückte am 24. Februar 1938 bei der Heimfahrt von der Uraufführung seines Schauspiels Gudrun. Nach seinem Tod richtete die Nordische Gesellschaft eine Thilo-von-Trotha-Stiftung ein, die junge Künstler aus dem nordischen Kulturkreis unterstützte (vgl. Rüdiger: BK 1938, S. 507–513). von Trotha: NSM 1938, S. 670. Zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 64. Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Ersten Großdeutschen Buchwoche am 30.10.1938 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 853).

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Abb. 5

Die Losung »Buch und Schwert« wurde zum dominanten Topos in Deutschlands propagandistischem Diskurs der vierziger Jahre.95 Mehr als ein bloß rhetorischer Spruch, hob sie, wie später noch ausführlicher belegt wird, die realen Anstrengungen des Propagandaministers und seiner literaturpolitischen Instanzen hervor, aus dem Krieg sowohl »eine Zeit des Schwertes« als »auch eine Zeit des Buches« zu machen96 und der Welt zu zeigen, dass das Sprichwort »inter arma silent musae« (›im Waffenlärm schweigen die Musen‹) zwar auf das Ausland zutreffen möge, »im neuen nationalsozialistischen Deutschland« jedoch »der Aufbau der Macht mit dem Aufbau der Kultur

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Durch die Losung »Buch und Schwert« wurde nicht nur eine legitimierende Verbindung zwischen den deutschen Klassikern und dem Dritten Reich konstruiert, sondern auch das Buchmedium an sich als Argumentationsfigur in den Dienst der deutschen Expansionspolitik gestellt (vgl. dazu Seite 102). Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches am 26.10.1941 (zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 63f.).

Hand in Hand« gehe.97 Dass dabei dem klassischen Schrifttum eine besondere Bedeutung zukam,98 zeigt sich beispielhaft an einer Reihe von strukturellen und lokalen Initiativen. Das Propagandaministerium z. B. genehmigte 1943 Sonderzuteilungen »von Papier für solche Klassikerausgaben, die das Gut der Klassik lebendig erhalten«, und versorgte u. a. die »unvergleichliche Schatzkammer klassischen Schrifttums, die wir in Reclams Universalbibliothek besitzen, intensiv mit Papier«.99 Unter offiziellen Auspizien wurden klassische Novellen »in der Aufmachung eines 30-Pfennig-Schmökers« herausgebracht, damit auch ›Schmökerleser‹ »Geschmack an guter Literatur« bekämen.100 Die NSDAP setzte »literarisch bewanderte Soldaten« ein, um in den Lazaretten die Verwundeten mit den »wertvolle[n] Gaben deutscher Dichtung« vertraut zu machen.101 Fronttheatergruppen trugen auf den deutschen U-Booten Goethe-Zitate vor.102 Gelobt wurden jene Verleger, die »in ihren Feldpostausgaben gerade die ältere deutsche Dichtung, die Werke unserer Klassiker und Nachklassiker, […] stark zu Worte kommen ließen«.103 »Ein Volk sind wir; ein Weltvolk wollen wir werden!« Das Buch als Argument für Deutschland als Weltmacht Die Deutsche Buchwoche hat auch diesmal wieder zu zeigen, daß ein Volk, das seine Bücher liebt, damit nur beweist, d a ß e s s ei n e gei s t ige E x i s t e n z i n d e r Welt b e h a u p t e n w i l l .104

Im Rückgriff auf Gutenberg hatte sich die deutsche Nation schon jahrhundertelang als das ›Vaterland des Buches‹ profiliert. Zwischen 1933 und 1945 wurde diese Identifikationsarbeit im Hinblick auf das Buch bewusst fortgesetzt, und zwar in deutlicher Abgrenzung von den europäischen Nachbarnationen. Das Regime rühmte, dass der »Wunsch, Bücher zu besitzen und mit Büchern zu leben, […] in Europa vor allem ein Kennzeichen deutscher Lebensart« sei.105 Der Deutsche habe »zum Buch immer

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Goebbels’ Rede zur Tagung der Reichskulturkammer in Berlin am 1.5.1939 (zitiert nach: Goebbels: Zeit ohne Beispiel, S. 117). Die Förderung des klassischen Erbes lässt sich auch in Zusammenhang mit den verschlechterenden Aussichten Deutschlands bringen (vgl. dazu die Ausführungen zur ›Haltung‹ in Kapitel 1.1.2.). [o.V.]: DR 36 (5.9.1943). Löschenkohl: BDB 170 (16.11.1943), S. 196. [o.V.]: BDB 139 (27.6.1942), S. 126. Vgl. Jasper: Faust und die Deutschen, S. 9. Payr: BK 1944, S. 106. Bernhard Payr war zu diesem Zeitpunkt Leiter des Amts Schrifttumspflege. Noch am 11. März 1945 wurde ein Loblied auf das Auswahlbändchen gesungen, das die Klassiker auch dem »Abseitsstehende[n] und Buchferne[n]« nahe bringe (Jansen-Runge: DR 10 (11.3.1945)). Joseph Goebbels, Rede zur Eröffnung der Ersten Großdeutschen Buchwoche am 30.10.1938 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 853). [o.V.]: EL 2 (1942), S. 24.

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eine besonders vertrautes und inniges Verhältnis« gehabt.106 »Die Vorstellung, daß das Buch ein dem einzelnen anvertrautes geistiges Gut von dauerndem Werte sei, und daß man ihm mit Achtung begegnen müsse,« sei »tief im [deutschen] Volksempfinden eingewurzelt.«107 »Unser Volk sei ohne Buch eigentlich gar nicht denkbar.«108 Die Rede von Deutschlands besonderer Beziehung zum Buchmedium zielte darauf, die selbsterklärte geistige Vormachtstellung der Nation in Europa – und gegebenenfalls weltweit – zu legitimieren und durchzusetzen.109 Buch, Buchpflege und Buchbesitz wurden vor diesem Hintergrund zum bestimmenden Maßstab für die Beurteilung des geistigen Kulturstands der einzelnen Nationen gemacht. Hanns Johst, Präsident der Reichsschrifttumskammer, polemisierte im Juni 1939 auf der alljährlichen Zusammenkunft der deutschen Buchhändler: [D]as englische Privileg war es, die Kultur nach dem Seifenverbrauch zu messen. Diese Weltanschauung wird abgelöst durch die deutsche Überzeugung, daß man die Kultur eines Volkes durch den Besitzstand an Büchern seiner Staatsbürger erkennt, daß jeder deutsche Volksgenosse nicht nur ein Stück Erde besitzt, sondern den ganzen Jubel: Erde und Himmel, All und Weltreich, Geschichte und Gesicht seiner edelsten Dichter!110

Die Gegenüberstellung Deutschlands und anderer Nationen nach dem Maßstab Buchkultur, die dazu dienen sollte, die angebliche geistige Überlegenheit Deutschlands herauszustellen, wurde nach Beginn des Krieges erheblich verschärft. Gerhard Schönfelder, Leiter der Reichsschule des Deutschen Buchhandels, proklamierte 1941, »das Verhältnis, das der Deutsche zum Buch hat,« sei »[n]iemals zuvor« »so prachtvoll offenbart worden, als gerade jetzt im Kriege«: Darüber braucht nichts weiter gesagt zu werden. Das weiß jeder und vor allem derjenige, der viele Briefe junger Menschen aus dem Feld bekommt. Was sich hier abspielt, ist schlechthin deutsch. Und deutsch-eigentümlich sind auch der Fleiß und die Lust, mit denen der Deutsche immer wieder die Erscheinung Buch umkreist in liebevoller, sachlicher oder forschender Betrachtung.111

Die Invasion der deutschen Truppen in die europäischen Nachbarländer wurde zum Anlass genommen, um den »riesengroßen Unterschied«112 zwischen Büchern und Buchhandlungen in Deutschland und in ›Feindesland‹ durch authentische Augenzeugenberichte zu belegen. Im Aufsatz Buch und Buchhandel – wie wir sie in Frankreich 106 107 108 109

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Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches am 26.10.1941 (zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 63). Dähnhardt: BDB 93 (24.4.1937), S. 9. Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches am 26.10.1941 (zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 63). Eine ähnliche Argumentation findet man im Ersten Weltkrieg, der auf deutscher Seite zum Kulturkrieg verklärt wurde (vgl. Wolfgang G. Natter: Literature at War, 1914–1940. New Haven, London 1999; Eckart Koester: Literatur und Weltkriegsideologie. Positionen und Begründungszusammenhänge des publizistischen Engagements deutscher Schriftsteller im Ersten Weltkrieg. Kronberg/Ts. 1977). Zitiert nach: rn: BK 1939, S. 321. Schönfelder: BK 1941, S. 131. Schleemilch: BDB 9 (11.1.1941), S. 6. Die folgenden Zitate sind ebd.

sahen schilderte ein junger Buchhändler, der mit der deutschen Wehrmacht im Mai 1940 in Frankreich eingerückt war, seine Besuche in französischen Buchhandlungen. Die ›Buchhandlungen‹ der kleinen französischen Ortschaften (der Begriff wird vom Verfasser bewusst in Anführungszeichen gesetzt) seien nicht mehr als »Papier- und Zeitungsläden, in denen ein oder auch zwei Fächer für Bücher freigemacht sind« und »nichtssagende broschierte Bände« nur deshalb verkauft werden, »weil sie eben auch aus Papier sind«. In den größeren Buchhandlungen treffe der Besucher ebenfalls auf eine »geradezu verblüffende Unwissenheit«: Wir fragten wohl nach einem Dutzend Autoren, neueren und auch älteren, die bei uns nicht gerade nur den Romanisten geläufig sind. Alle Fragen wurden mit Achselzucken, Suchen im Lager oder langen Blättern in Katalogen beantwortet –, nichts führte zu einem Ergebnis. Hier lernten wir begreifen, warum die Franzosen oft mit staunenden Gesichtern vor den Auslagen der deutschen Frontbuchhandlung in Paris stehen.113

»Wer mit offenen Augen Buch und Buchhandel in Frankreich betrachtet hat«, konstatierte der deutsche Buchhändler, »der muß stolz sein, daß es bei uns anders, sehr anders aussieht.« Ein sinngleiches Beispiel liefert Herbert Menz,114 der die Kulturpolemik noch im Februar 1945 mit Blick auf Amerika weiterführte. Seiner Einschätzung zufolge interessierten sich die Amerikaner deshalb für illustrierte Bücher, weil sie die Illustrationen einrahmen und »für Zwecke der Innenarchitektur« nutzen konnten.115 Amerika ließe sich in dieser Hinsicht mit dem Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts vergleichen, das »rücksichtslos alte Lederbände zerstörte unter gleichzeitiger Vernichtung der Werke selbst, um aus dem besonders schmiegsamen Rohmaterial der Einbände Damenschuhe herzustellen.« Demgegenüber wurde Italien – wenig überraschend – etwas höher eingeschätzt, wie Goebbels’ Kommentar über eine italienische Buchausstellung illustriert: »Sie macht zwar den Eindruck eines gewissen Durcheinanders, sieht bunt und zusammengewürfelt aus, zeigt aber auf der anderen Seite doch den hohen italienischen Kulturstand im Buch- und Schrifttum.«116 Trotz unterschiedlicher Gewichtung gelangten die Berichte über den Kulturstand anderer

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Ebd., S. 7. Die Herabwürdigung der französischen Kultur entspricht der Richtlinie des Zeitschriften-Diensts, der zufolge es Deutschland »mit seinen ungeheuren Schätzen an kulturellen Gütern und Werken […] nicht nötig« habe, »bewundernd auf die französische Kultur zu schauen« (ZD 180–49 (15.10.1942)). Menz (geb. 1905) war seit 1932 Parteimitglied und erhielt 1934 für treue Pflichterfüllung in der SS den SS-Dolch mit persönlicher Widmung Himmlers. Ab dem 1. Februar 1936 war Menz Vertrauensmann des Sicherheitsdiensts, vom 1. April 1936 bis zum Herbst 1938 war er außerdem in der Reichsschrifttumskammer tätig, wo er u. a. als Referent für die Überwachung des Buchmarktes und der Büchereien auf unerwünschte Literatur zuständig war und als rechte Hand des Präsidenten Hanns Johst fungierte. Menz war ebenfalls ›Sachverständiger für Ausbildungs- und allgemeine Wirtschaftsfragen‹ in der Geschäftsstelle des Börsenvereins (vgl. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt/M. 2007, S. 405; Barbian: Literaturpolitik, S. 266f.). H. Menz: BDB 6 (10.2.1945), S. 20. Das folgende Zitat ist ebd. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 27.1.1942.

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Nationen einstimmig zu dem Schluss, das Buch genieße »nirgendwo eine so königliche Stellung […] wie in unserem eigenen Land«.117 Wie die Beispiele zeigen, wurde in diesem Argumentationskontext weniger auf die ›große deutsche Dichtung‹ als auf das Buch an sich Bezug genommen, um Deutschlands geistige Vormachtsstellung zu behaupten und den Vorwurf der Kulturbarbarei gegebenenfalls sogar umzukehren. Der ›deutsche Kulturwille‹ wurde dabei nicht nur am Inhalt des Buches, sondern auch und vor allem an seiner Materialität festgemacht. Dutzende von Beispielen assoziieren Deutschland mit dem ›schönen Buch‹. Goebbels selbst verdeutlichte 1941: Unser so starkes und ausgeprägtes Verhältnis zum Buch hat auch seinen Ausdruck im Buch selbst gefunden. Kein Volk, das sein Buch so liebevoll pflegt wie gerade wir Deutschen. In seinem Inhalt wie in seiner äußeren Gestaltung ist das deutsche Buch beispielgebend für die ganze Welt geworden. Das schöne Buch, im Inhalt wie in seiner äußeren Form, ist immer unser deutsches Ideal gewesen.118

Die Betonung des Äußeren war im Licht der stark physiognomisch ausgerichteten Rassenlehre zu verstehen. Analog zur Verbindung von äußeren Merkmalen mit ›Reinrassigkeit‹ wurde eine kausale Verknüpfung zwischen dem Äußeren von Büchern und dem kulturellen Niveau von Nationen geltend gemacht: Wer einmal Gelegenheit gehabt hat, auf einer internationalen Buchausstellung die Leistungen zu vergleichen, der weiß, daß schon das Äußere und die Ausstattung der Bücher bezeichnend sind für die Rolle, die das Buch im Leben der einzelnen Völker spielt. Man kann sagen, daß dieser Eindruck durchaus repräsentativ ist für den geistigen Kulturstand eines Volkes im allgemeinen und für das jeweilige, national bedingte Verhältnis des einzelnen zum Buch. Diese äußeren Eindrücke werden dann in der Regel auch von innen her bestätigt, wenn man weiter untersucht, welche Funktion das Buch im staatlichen und privaten Leben erfüllt, welche Achtung es genießt, welche Macht es darstellt.119

Die Betonung der Liebe des Deutschen zum gebundenen Buch erhielt vor diesem Hintergrund eine besondere Bedeutung (vgl. Abbildung 6) und wurde insbesondere für eine Kontrastierung mit Frankreich benutzt: Der Franzose kauft das broschierte Buch, den Roman, liest und gibt das Buch wieder weg, es wird nicht abgehoben. Beim Deutschen jedoch ist der Bücherkauf eine ganz eigene und sehr zu überlegende Angelegenheit; das Buch muß gebunden sein, man will es aufheben. Das Verhältnis des Deutschen zum Buch ist eben ein viel gründlicheres.120

Der Gegensatz zwischen ›gebunden‹ und ›broschiert‹ ließ sich dabei strategisch mit einem althergebrachten Gegensatz verbinden, der im nazideutschen Diskurs oftmals zur Gegenüberstellung der germanischen und romanischen Kultur verwendet wurde.

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Dietrich: BDB 168 (11.11.1943), S. 193. Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches am 26.10.1941 (zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 61f.). Schönfelder: BK 1941, S. 131. Rede von Wilhelm Stapel am 3.4.1935 vor der Fachschaft der Angestellten der Deutschen Arbeitsfront (zitiert nach: W. L[angenbucher]: BDB 84 (9.4.1935), S. 293).

Abb. 6: »Anders als manche Nachbarn lieben die Deutschen vor allem das schöne, das gebundene Buch. Man will es besitzen, man will es nach Jahren wiederlesen, es soll in die Hand der kommenden Generation gegeben werden. Und so ist der Sinn für die Schönheit der Bücher nichts anderes als Achtung und Ehrfurcht vor ihrem Gehalt.«

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Exemplarisch ist in dieser Hinsicht folgendes Zitat aus der Zeitschrift Europäische Literatur, in dem die Lektüre der Franzosen Anlass zur wertenden Gegenüberstellung nicht nur von Deutschland und Frankreich, sondern zugleich auch von Tiefe und Oberfläche, Dauer und Flüchtigkeit, Besitz und Konsum gab: Natürlich liest der Franzose viel. […] Er liest auch heute noch viel Zeitungen. Und er liest in Büchern, er blättert in Büchern, er schmökert gerne. Es gibt da schon einen äußeren Unterschied zum Deutschen. Die meisten französischen Bücher kommen broschiert, nicht gebunden auf den Markt und bleiben es auch. Der schöne Einband, der die Gewähr für die Beständigkeit, für den dauernden Besitz in unserem Sinne vermittelt, spielt nicht dieselbe Rolle. Damit scheint uns allerdings etwas die Ehrfurcht vor dem Buche zu mangeln, die bei uns eine so große Rolle spielt. Man kann zwar sagen, daß nicht die Schale sondern der Inhalt das Wesen des Buches bedeutet. Es schließt aber das Dauernde aus, verschiebt es zugunsten des Vorübergehenden, Flüchtigen.121

Im Gegensatz zum Rekurs auf die großen Klassiker, die im internationalen Zusammenhang eine hauptsächlich defensive Argumentationsfigur war, zeigt sich der generische Verweis auf das Buch also als vorwiegend offensiv. Sollte die Huldigung der ›großen deutschen Dichtung‹ den (auch im Ersten Weltkrieg laut gewordenen) Vorwurf der Barbarei entkräften, so wurde die Rede über das ›schöne, deutsche Buch‹ – vor allem in den Kriegsjahren – als Argument für den »deutschen Führungsanspruch im neu geordneten Europa«122 eingesetzt.

1.1.2. Tiefenwirkung: »Was bleibet aber, stiften die Dichter« Es liegt im Wesen des Buches begründet, daß eine besonders nachhaltige Wirkung von ihm ausgeht, die Presse, Rundfunk oder Film in gleicher Weise nicht erreichen.123

Die Relevanz des Buchmediums für die Propaganda beruhte in wesentlichem Maße auf einer Eigenschaft, die im nationalsozialistischen Diskurs durch Qualifikative wie ›Ewigkeit‹, ›Tiefe‹, ›Nachhaltigkeit‹ und ›Dauerhaftigkeit‹ umschrieben wird. Das Buch sei imstande, »in alle Tiefen menschlicher Seelen- und Gedankenwelt ein[zu]dringen«.124

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Stein: EL 1 (1942), S. 31. Als die Kriegsumstände 1943 die Umstellung auf broschierte Bücher erforderten (vgl. u. a. Seite 227), gab der Zeitschriften-Dienst die vielsagende Direktive heraus, es sei »angebracht, für die in den nächsten Monaten erfolgende Umstellung auf Broschur Verständnis beim Leser zu erwecken« (ZD 206–75 (16.4.1943)). Fochler-Hauke: NSM 138 (1941), S. 740. Karl Thielke: Was wird gegenwärtig übersetzt? In: EL 2 (1942), S. 7. Thielke war Referent der Schrifttumsabteilung. L-e: BDB 121 (27.5.1939), S. 444. Autor des Artikels ist wahrscheinlich Erich Langenbucher, Bruder von Hellmuth Langenbucher, der zu diesem Zeitpunkt als Referent im Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum und als Redaktionsmitglied des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel tätig war.

Es behalte »z u a l le n Z eit e n s ei n e n ew ige n We r t«.125 Es erzeuge »die tiefe Dauerwirkung da draußen«.126 Diese Eigenschaft der Tiefen- und Dauerwirkung verlieh dem Buch eine eigene propagandistische Rolle gegenüber dem gesprochenen Wort. Werde die Revolution von der Rede regiert, so Goebbels im November 1934, so rücke das Buch in der Evolution in seine alten Stellungen ein.127 Hellmuth Langenbucher, Zentrallektor in Rosenbergs Amt Schrifttumspflege und führender Historiker der nationalsozialistischen Literatur, verband in ähnlichem Sinne das gesprochene Wort mit rascher Aufnahme, die Schriftlichkeit des Buches mit dauerhafter Wirkung. Das gesprochene Wort komme dem Anzünden einer Flamme gleich, das Buch hingegen dem »dauernde[n] Schüren der einmal entfachten Glut«: [D]ie Rede wird, im Saal, in der Halle, auf dem Platze, am Lautsprecher mit williger Bereitschaft rasch und freudig aufgenommen, weiterwirkende geistige Tatsache erst dann, wenn sie, ins Buch gebannt, jeder Zufälligkeit ferner gerückt ist; sie wird dort, wo sie zündete, währende Flamme erst dann, wenn sie, ins Buch gebannt, ein dauerndes Schüren der einmal entfachten Glut zuläßt.128

Aufgrund seiner Tiefen- und Dauerwirkung wurde das Buch auch ganz ausdrücklich von den modernen Massenmedien abgesetzt. Das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb 1934, »Zeitung, Rundfunk oder das Kino [können] diese gewaltige Kraft des Buches [nicht] ersetzen […]. Sie greifen nicht tief genug, rauschen zu schnell vorbei. Eine Vertiefung ist allein nur möglich durch das Buch.«129 In der Bücherkunde war 1937 zu lesen, »der Buchdruck, erst, [gebe] dem vergänglichen, auch im Rundfunk flüchtigen Worte Dauer, die Möglichkeit, immer von neuem wieder lebendig und schöpferisch zu werden«.130 Goebbels bestätigte 1940: »Ton und Wort der Rede verklingen und verhallen. Bleib e n d a b e r i s t d e r We r t d e s Buc h e s , do r t ve r ew ig t sich ei n Vol k u n d ei n e Z eit f ü r i m m e r.«131 Im selben Jahr ergänzte Wilhelm Haegert, Leiter der Schrifttumsabteilung, die übrigen Medien täten »das ihre«, das Buch jedoch sei »auch heute noch nach der Entwicklung von Presse,

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Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Ersten Großdeutschen Buchwoche am 30.10.1938 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 851). Blunck: BDB 107 (10.5.1941), S. 6f. (vgl. u. a. Bernard Rang: »Ja, wozu schaffen und wirken die Dichter? Sie stiften das Bleibende, sagt ihr hymnisch gesteigertester, sagt Hölderlin«, EL 5 (1943), S. 3). Goebbels’ Rede bei der Eröffnung der ersten Woche des Deutschen Buches am 5.11.1934 (zitiert nach: Heiber: Goebbels-Reden, S. 168f.). H. Langenbucher: BDB 7 (9.1.1934), S. 21. Hellmuth Langenbucher war im Gegensatz zu seinem Bruder nicht im Propagandaministerium, sondern im Rosenbergamt tätig. Er war zu diesem Zeitpunkt u. a. Cheflektor und stellvertretender Leiter der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums. Riegel: BDB 130 (7.6.1934), S. 510. Franz Koch: Die Sendung des Buches. In: Bücherkunde 6 (1937), S. 346. Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Ersten Großdeutschen Buchwoche am 30.10.1938 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 851).

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Rundfunk und Film das wichtigste Mittel, um die geistige Haltung des deutschen Volkes in seiner Tiefe zu beeinflussen«.132 Der von Haegert benutzte Begriff der ›Haltung‹ macht deutlich, zu welchem Zweck die Tiefenwirkung des Buches von der Propaganda verwertet wurde. Der Begriff ist Teil eines Zwillingspaars, das für die nationalsozialistische Propagandapolitik von konstitutiver Bedeutung war. So wurde im Dritten Reich die öffentliche Meinung in die flüchtig-diffuse Stimmung und die konstante Haltung untergeteilt.133 Eine undatierte Schulungsanlage der Reichsorganisationsleitung der NSDAP definierte die Stimmung als eine »Unbestimmtheit des Gemüts«, bei der sich der Mensch weniger durch die »Klarheit seiner Einsicht und [das] vernunftmäßige[ ] Abwägen« als durch die Umstände leiten lasse: »Er ist gewissermaßen nach der Umgebung gestimmt wie ein Musikinstrument, statt ihr gegenüber seine Selbständigkeit zu wahren.«134 Die »klare und feste Haltung« eines jeden Nationalsozialisten wurde hingegen als die »mit seinem Bluterbe, d. h. mit seinem innersten Wesen in Einklang stehende Weltanschauung« betrachtet, die ihm den »notwendigen Standpunkt über den Dingen« verleihe und mit einem unverrückbaren »Vertrauen zum Führer« einhergehe. Goebbels führte den Unterschied zwischen beiden Begriffen in seinem Leitartikel für Das Reich vom 11. April 1943 im Wesentlichen auf den Unterschied zwischen ›schwankend‹ und ›bleibend‹ zurück: Es liegt im Wesen der Stimmung, wie das ja schon das Wort sagt, daß sie Schwankungen ausgesetzt ist. Die Haltung jedoch muß sich gleich bleiben. Auch ein Mensch von Charakter zeigt dem Unglück gegenüber eine andere Stimmung als dem Glück gegenüber. Seine Haltung aber wird in beiden Fällen dieselbe sein. Das gilt auch für ein Volk, das einen politischen Charakter besitzt.135

Die Unterscheidung zwischen Stimmung und Haltung generierte für die Propaganda zwei unterschiedliche Arbeitsbereiche, von denen sich der eine mit der kurzfristigen, der andere mit der mittel- und langfristigen Beeinflussung der Bevölkerung befasste. Flüchtige Medien wurden primär für die erste, das Buchmedium primär für die zweite Aufgabe eingesetzt. Um die spezifische Rolle des Buches in dieser Konstellation besser zu fassen, werden beide Bereiche im Folgenden kurz skizziert.

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Rede von Wilhelm Haegert, Leiter der Schrifttumsabteilung im Propagandaministerium, auf der Hauptversammlung des Börsenvereins im Jahre 1940 (zitiert nach: ders.: BDB 94 (23.4.1940), S. 149f. [eigene Hervorhebung]). Vgl. Aristotle A. Kallis: Nazi Propaganda and World War II. Hampshire, New York 2006, S. 2f.; Marlis G. Steinert: Hitlers Krieg und die Deutschen. Stimmung und Haltung der deutschen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg. Düsseldorf, Wien 1970. Zitiert nach: Steinert: Hitlers Krieg, S. 24. Die folgenden Zitate sind ebd. [Hervorhebung im Original]. Vgl. dazu Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 30.3.1943: »Nachmittags schreibe ich einen Leitartikel über das Thema: ›Stimmung und Haltung‹. Ich unterscheide in diesem Leitartikel zwischen der Stimmung des Volkes, die variabel ist, und der Haltung des Volkes, die im Kriege gleich bleiben muß.«

Stimmung Wie Willi A. Boelcke 1966 in der Einleitung zu der von ihm edierten Geheimen Ministerkonferenzen darlegt, registrierte Goebbels ganz genau, »wie die Bevölkerung in den einzelnen Teilen des Reiches auf die Propaganda, auf Filme und auf Rundfunksendungen, auf Pressemeldungen und Ansprachen reagierte und wo sich Mißstimmungen, Kritik und Verärgerung zeigten«.136 Tatsächlich schickte der Propagandaminister »Leute in die Berliner Kneipen, um die Stimmung zu sondieren«137 und holte sich Informationen nicht nur beim Sicherheitsdienst und den 32 Reichspropagandastellen, sondern auch bei seiner eigenen Mutter und Schwester.138 »Es muß die Kunst der Propaganda sein«, so schrieb er am 22. August 1941 in seinem Tagebuch, die Stimmung eines Landes immer in einem soliden Gleichgewicht zu halten, dafür zu sorgen, daß sie bei guten Nachrichten nicht allzu hoch empor und daß sie bei schlechten Nachrichten nicht allzu tief nach unten schnellt. Ein gutes Mittelmaß ist hier immer sehr empfehlenswert.

Was dies konkret bedeutete, lässt sich besonders gut an Goebbels’ Kriegstagebüchern ablesen, in dem der Begriff der ›Stimmung‹ – im Gegensatz zu dem der ›Haltung‹ – mit ganz konkreten Situationen und Aktionen verbunden wird. Als stimmungsdrückende Faktoren erwähnt Goebbels u. a. die Kohlennot im Winter (»Gestern: 25° Kälte. Sehr ernste Kohlenlage […] drückt sehr auf die Stimmung«139), die Kriegszerstörungen (»In Münster sind die Zerstörungen sehr erheblich. Auch ist natürlich die Stimmung in dieser Stadt etwas abgesunken«140), den Nahrungsmangel (»Stimmungsmindernd wirkt weiterhin die Lebensmittellage«141), die Frontlage (»Die Stimmung im Reich ist etwas ernster geworden. Man beginnt sich allmählich klarzumachen, daß der Ostfeldzug kein Spaziergang nach Moskau ist«142) und die zunehmende Kriegsmüdigkeit sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Soldaten (»Die Siegeszuversicht hat stark gelitten, und vor allem der Bombenkrieg gegen die Heimat

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Vgl. Boelcke (Hg.): Kriegspropaganda 1939–1941, S. 46. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 11.10.1941. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 29.1.1942: »Ich […] spreche mich ausführlich mit meiner Mutter aus, die mir ein Sprachrohr der Stimmung des Volkes ist. Sie kennt die Stimmung des Volkes besser als die meisten Experten der Volksstimmung, die sie von der hohen Warte wissenschaftlicher Erfahrungen aus beurteilen, während hier die Stimme des Volkes selbst spricht. Ich kann wieder sehr viel lernen […].« Dazu ebenfalls die Notiz vom 22.3.1943: »Ich erzähle ihm [i. e. Hitler], daß meine Schwester Maria jetzt in einer Munitionsfabrik als Frau Kimmich arbeite, als meine Schwester nicht bekannt sei und mir deshalb am besten über die Stimmung des deutschen Volkes berichten könne. Danach habe das Volk selbstverständlich den Krieg bis oben hinaus satt; aber es tue seine Pflicht, und das sei ja die Hauptsache.« Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 11.1.1940. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 9.7.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 10.7.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 24.7.1941.

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wirkt doch sehr deprimierend auf die Truppen. […] Einheitlich wird von einer stark herabgesunkenen Stimmung des deutschen Volkes gesprochen«143). Um diese Stimmungsschwankungen zu steuern bzw. ihnen vorzubeugen, rekurrierte der Propagandaminister in erster Linie auf die periodisch beschränkten und stark zentral gesteuerten Massenmedien des Rundfunks, des Films und der Presse. Im Rundfunk bemühte sich Goebbels, die Musikprogrammierung genauestens auf die Stimmungslage des Volkes abzustimmen: »Ich werde mich selbst mit diesem Problem ausgiebig beschäftigen; denn es ist für die Aufrechterhaltung der inneren Stimmung von einer ausschlaggebenden Bedeutung«.144 Hatte der Minister noch im Juni 1938 einen »neuen Kurs im Rundfunk« in der Form eines »seriösere[n] Programm[s]« (»mehr ernste, weniger reine Unterhaltungsmusik«) gefordert,145 so beschloss er kurz nach Kriegsbeginn, auf ein »leichteres Programm« umzusteigen und »den Menschen, die ohnehin schwer zu tragen haben, etwas Entspannung [zu] geben«.146 In den nachfolgenden Kriegsjahren wurde das Rundfunkprogramm noch regelmäßig »für eine gewisse Zeit herumgeworfen«147 oder einer »grundlegenden Reform unterzogen«.148 Am 4. Februar 1943, als sich Goebbels gezwungen sah, die Bevölkerung über die Lage der deutschen Truppen vor Stalingrad aufzuklären, wurde der »Unterhaltungsund Sportteil […] gänzlich gestrichen und die Sendefolge ausschließlich auf ernste und klassische Musik eingestellt«.149 Trotz geringerer Wendigkeit galt auch der Film dem Minister als ein bevorzugtes Medium der Stimmungslenkung. Zwar war es im Krieg »außerordentlich schwer, die richtigen Spielfilme stoffmäßig zu placieren«: Die Lage ist im Augenblick so s[t]arken Veränderungen unterworfen, daß man kaum w[e]iß, was man eigentlich herausbringen soll, ob politische, ob militärische, ob Musikoder reine Unterhaltungsfilme.150

Dennoch stellte Goebbels den Spielplan im Rahmen des Möglichen auf die Bedürfnisse der Bevölkerung ab. Durch die Sondierungen wusste er genau, wie das Publikum »Portraitierung und Handlungen der Filmprotagonisten verfolgte, soziale Botschaften und Leitmuster registrierte und zu dick aufgetragene Beeinflussungsversuche durchschaute«.151 So reagierte er im April 1940 auf kritische Publikumsstimmen zu seichten Problem- und Ehefilmen und vermerkte in seinem Tagebuch, an ihre Stelle

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 6.6.1943. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 20.9.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 25.6.1938. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 27.9.1939. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 3.2.1943. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 13.2.1942. Vgl. u. a. die Notizen vom 7.4.1943 und 10.4.1943. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 4.2.1943. Zur Musik im Rundfunk vgl. Nanny Drechsler: Die Funktion der Musik im deutschen Rundfunk 1933–1945. Pfaffenweiler 1988. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 30.12.1941. Moeller: Der Filmminister, S. 231. Felix Moeller verweist auf eine Reihe von konkreten Meldungen aus dem Reich des Sicherheitsdiensts.

sollten mehr »männliche und heroische Filme«152 treten. In der Geheimen Ministerkonferenz vom 22. April 1940 trug er dem Leiter der Abteilung Film im Propagandaministerium auf, »im Film mit dem Unfug des Zeigens von Eheproblemen und Ehekonflikten Schluss« zu machen.153 Am nächsten Tag mahnte er die Filmproduktionsfirma Tobis an, weniger seichte Stoffe zu wählen und stattdessen mehr politische Filme über große deutsche Persönlichkeiten zu produzieren.154 Insbesondere für die düsteren Wintermonate schrieb Goebbels jedes Jahr eine Hebung der Stimmung vor. 1941 ordnete er eine »ganze Reihe heiterer und unterhaltender Stoffe« an (allerdings »mit größter Vorsicht und ausgesprochenem Taktgefühl […], denn zuviel des Guten könnte hier auch Schaden stiften«).155 1942 konstatierte der Minister ein Übermaß an konfliktreichen Bauerndramen und warnte davor, »im kommenden Herbst, in dem das Volk nach Heiterkeit und Entspannung verlangt, nur schwere, ernste Bauernfilme zur Premiere [zu] bringen«.156 Daraufhin wiesen seine Mitarbeiter eine Zeitlang ernste Bauernfilme zurück mit der Begründung, »zur Zeit« seien »Stoffe mit erdgebundenen Themen nicht erwünscht«.157 1943 wurde die zuvor geförderte Produktion der zahlreichen Persönlichkeitsfilme158 aufgrund von Stimmungsberichten eingestellt. Die Filmgattung sei »etwas überholt«, die Bevölkerung wolle »jetzt entweder Unterhaltungsfilme oder Filme mit großen, wenn auch tragischen oder dramatischen menschlichen Stoffen«159 sehen. Von staatlicher Seite wurde nicht nur dann eingegriffen, wenn die Stimmung abzusinken drohte, sondern auch wenn sie nach Ansicht des Propagandaministers »zu optimistisch«160 war. Zu diesem Zweck wurden ausschließlich die zwei flüchtigsten Medien – der Rundfunk und die durch tägliche Pressekonferenzen gelenkte Presse – eingesetzt. Da z. B. 1941 nach Goebbels’ Auskunft »das deutsche Volk die militärische Entwicklung« trotz der schlechten Aussichten »außerordentlich positiv beurteile und man in weiten Kreisen davon überzeugt sei, daß der Krieg in diesem Herbst zu Ende gehe«, gab er Presse und Rundfunk Anweisung, »mehr und mehr in Zwischenbemerkungen gegen eine solche Auffassung Stellung zu nehmen«, um großen Enttäuschungen vorzubeugen. Ferner wurden der Presse jedes Jahr mit Blick auf die ansteigende Warenknappheit stimmungsdämpfende »Richtlinien für das

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 23.4.1940. Zitiert nach: Boelcke (Hg.): Kriegspropaganda 1939–1941, S. 326. Notiz eines Sitzungsteilnehmers der Tobis-Aufsichtsratssitzung vom 23.4.1940 (zitiert nach: Moeller: Der Filmminister, S. 229). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 25.9.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 15.5.1942. Zitiert nach: Moeller: Der Filmminister, S. 272. U. a. Friedrich Schiller, Friedemann Bach, Der große König (über Friedrich II.), Bismarck, Die Entlassung (ebenfalls über Bismarck), Ohm Krüger, Carl Peters, Wen die Götter lieben (über Wolfgang Amadeus Mozart), Andreas Schlüter, Diesel, Geheimakte WB (über den Erfinder des ersten Unterwasserboots Wilhelm Bauer), Rembrandt, Paracelsus und Der unendliche Weg (über den Württembergischen Sozialökonom Friedrich Liszt). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 23.3.1943. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 16.8.1942. Die folgenden Zitate sind ebd.

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Weihnachtsfest«161 gegeben: »Die Weihnachtsstimmung darf nicht zu sehr hochkommen«, notierte Goebbels schon im ersten Kriegsjahr: »Ich gebe dementsprechende Anweisung an die Presse.«162 Im dritten Kriegsjahr verdeutlichte er: Die breiten Massen werden ja sowieso ihre überschüssige Kaufkraft kaum in den Geschäften loswerden. Umso stärker setzen wir unsere Propaganda für das eiserne Sparen ein. Keinesfalls darf in diesem Jahr zu Weihnachten eine sentimentale Stimmung aufkommen. Es muß ein sehr hartes und rauhes Kriegsweihnachten werden. Die durch das Weihnachtsfest selbst auf natürliche Weise entstehende sentimentale Stimmung muß mit allen Mitteln hintangehalten werden.163

Haltung Richtete sich die Propaganda zum einen auf die variabele Stimmungslage, so musste sie sich zum anderen um die tiefer liegende, weltanschauliche Haltung der deutschen Bevölkerung bemühen. In den Kriegsjahren zeichnete sich angesichts der immer trüberen Realität der Versuch ab, die Aufmerksamkeit zunehmend von der schwankenden Stimmungslage der Bevölkerung auf ihre nationalsozialistische Haltung zu lenken. Im Dezember 1941 verkündete Goebbels, daß jetzt die Zeit gekommen ist, dem Volke die geistigen und weltanschaulichen Grundlagen des Krieges immer stärker vor Augen zu führen. Das ist auch die beste Garantie dafür, daß die Haltung niemals brüchig wird. Je tiefer der einzelne in den Krieg, seine Ursachen und Ziele hineinschaut, desto eher wird er bereit sein, sich auch mit seiner ganzen Person dafür einzusetzen.164

Nach einem »nächtliche[n] Bombardement mit all den schmerzhaften Verlusten an Leben und Gut« komme es nicht darauf an, so Goebbels im April 1943 in Das Reich, »daß die Bevölkerung in Stimmung ist, sondern daß sie Haltung bewahrt.«165 Ein Volk mit »moralischer Haltung« könne »nicht überwunden werden«.166 Auch wenn Goebbels die modernen Massenmedien in seinem Tagebuch vorwiegend mit der Stimmungslenkung verband, lassen sich doch einige haltungsbezogene Anweisungen finden, die auf die Wirkkraft dieser Medien bauen. Im August 1942 wurden Journalisten aufgefordert, »die Haltung und Moral der Bevölkerung zu schildern, nicht aber die angerichteten Schäden über Gebühr zu sensationalisieren«.167 Im Januar 1943 wurde vom Rundfunk verlangt, sich »nicht restlos auf die gegenwärtige Stimmung des Volkes« einzustellen, damit nicht »aus dem deutschen Volk eine Trauerversammlung« gemacht werde.168 Im Filmbereich wurden neben den vielen Unterhaltungsfilmen auch ausdrücklich einige Filme zur ideologischen Festigung 161 162 163 164 165 166 167 168

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 23.11.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 21.12.1939. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 23.12.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 3.12.1941. Goebbels, DR 15 (11.4.1943). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 8.1.1942. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 7.8.1942. Dazu ebenfalls die Tagebuchnotiz vom 16.8.1942. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 31.1.1943.

produziert: Goebbels bezeichnete in seinen Tagebuchnotizen den antisemitischen und antibritischen Spielfilm Ohm Krüger (1941) als einen »Film, der in unserem propagandistischen Kampf um die Haltung unseres Volkes von außerordentlicher Bedeutung zu werden verspricht«.169 1943 drängte er auf die Produktion eines Jugendfilms, der im Gegensatz zu früheren Jugendfilmen stark »auf das Weltanschauliche und Haltungsmäßige« eingehe.170 In den Jahren 1943 und 1944 investierte er »große Mittel« in den Durchhaltefilm Kolberg, von dem er sich »für unsre innere Haltung sehr viel« versprach.171 Dennoch wurde vor allem das Buchmedium mit der Steuerung und Festigung der Haltung in Verbindung gebracht. Dort, wo Goebbels in seinen Tagebüchern den Propagandawert des Buches thematisiert, wird es mit der tiefgreifenden und dauerhaften Lenkung der Weltanschauung der deutschen Bevölkerung korreliert. Der Minister setzte ganz gezielt Bücher ein, um bei der Bevölkerung die Wahrnehmung sowohl der eigenen Nation als auch und vor allem die anderer Länder, Volksgruppen und Gebiete mit den ideologischen Auffassungen und langfristigen Zielen der nationalsozialistischen Diktatur in Einklang zu bringen. Exemplarisch sei an dieser Stelle Goebbels’ Aussage vom 17. Dezember 1941 zitiert, der zufolge er die »Ausarbeitung eines umfangreichen Schrifttums über die inneren Verhältnisse in den Vereinigten Staaten« veranlasste, weil sich »das deutsche Volk […] über Nordamerika noch gänzlich falsche Vorstellungen« mache:172 Vor allem für die Jugend sind die amerikanischen Talmikulturerzeugnisse noch ziemlich verführerisch; Jazz, Swing, moderne Musik, sogenanntes Arbeits- und Lebenstempo wirken auf den ersten Blick imponierend. Es ist deshalb notwendig, daß man etwas in die Kulissen hineinleuchtet.

Dazu wurde das Buch mehr als andere Medien als eine »Q u el le d e r Be si n nu ng u n d w i r k l ic h e K r a f t«173 dargestellt (vgl. Abbildung 7). Diese Bedeutung zeigte sich nicht nur im Kriegskontext, aber dort besonders ausgeprägt. Auch wenn zur Befriedigung des erhöhten Zerstreuungsbedarfs vermehrt Unterhaltungsliteratur gefördert wurde, wurde zugleich verstärkt für ein Schrifttum geworben, das dem Deutschen »im Alltag der Kriegswirklichkeit zur Stärkung und Festigung seiner Haltung«174 dienen konnte. Wiederholt wurde betont, dass man nach Büchern nicht nur greife, wenn man sich »nach einer leichten, oberflächlichen Unterhaltung und Belustigung« sehne, sondern auch, wenn man »nach geistiger Vertiefung, nach seelischer Festigung und Sammlung« verlange.175 Das Buch ermögliche nicht nur die

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 25.7.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 29.6.1943. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 6.6.1943. Die Instrumentalisierung des Buchmediums für die langfristig angelegte politische Bildkonstruktion wird im Kapitel 1.2. ausführlich ausgearbeitet. [o.V.]: BDB 25 (30.1.1940), S. 33. E. Langenbucher: BDB 237 (10.10.1940), S. 363. Weser: BDB 27 (5.4.1944), S. 55.

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Abb. 7: BArch, Plak 003-022-009 / Anton Ottomar

Flucht aus dem Kriegsalltag, sondern vermittle vor allem ein »tiefes Wissen um den Sinn dieses Krieges, der um Sein oder Nichtsein des deutschen Volkes geht«:176 [I]m Krieg besteht nur, was ewigen Wert hat. Letzte gültige Worte, Gedichte, die nie vergehen, einfache Geschichten und kindliche Märchen, die einen ewigen Sinn enthalten, das vermag Brot zu sein für die Seele im Grauen des Krieges. Was wir da brauchen, ist echte, ganz große Dichtung.177

Dass in diesem Zusammenhang insbesondere die »echte, ganz große Dichtung« genannt wurde, hing mit ihrer Fähigkeit zusammen, das »Bloßheutige« zu übersteigen und das »Dauernd-Deutsche« zu beschwören.178 Die Qualität der Dichtung, auch Zeiten der Not zu überdauern und diesen sogar einen tieferen Sinn geben zu können, wurde von der literaturpolitischen Führung ausdrücklich erkannt und instrumen-

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[o.V.]: BDB 80 (18.11.1944), S. 202. Lorch: BK 1939, S. 517. Kindermann: BK 1942, S. 141.

talisiert. Mit dem andauernden Krieg und dem steigenden Bedürfnis nach Sinngebung rekurrierte sie immer offenkundiger auf das klassische Erbe, um die wankende Stimmung der deutschen Bevölkerung im Angesicht der drohenden Niederlage zur festen, widerstandskräftigen Haltung umzuformen.179 In diesem Sinne ist auch die vertrauliche Anweisung zu verstehen, die im Mai 1944 an alle Hauptschriftleiter erging und die »Aufgabe unserer Propaganda« darin bestimmte, dass »besonders auf die Leistungen unserer Kultur, […] an wesentlicher Stelle das deutsche Schrifttum« hinzuweisen sei.180 Während an den Fronten Mannschaften, Waffen und Munition knapp wurden und die militärische Niederlage kaum noch abzuwenden war, blieb tatsächlich wenig mehr als die »unversiegliche[ ] Quelle« der alles überdauernden deutschen Dichtung, »die auch kein feindlicher Terrorstoß vernichten kann«:181 Die rechte Faust umklammert die eiserne Waffe gegen eine nihilistische Welt. In der linken Hand ruht das »Schwert des Geistes«. So erkämpfen wir unsere völkische Freiheit, aus der dann das junge Europa seine Kraft zur neuen Ordnung schöpft. Unerschöpflich sind die Quellen unserer geistigen Reserven, die keine menschliche Gewalt zerstören kann. Sie sind unantastbar – sie sind ewig.182

Uwe-K. Ketelsens allgemeine Feststellung, in Deutschland sei es eine »Grundfigur kulturpolitischer Selbstbesinnung, in geschichtlichen Momenten, die als Krise erlebt werden, bewußt aufs ›Erbe‹, aufs ›klassische Erbe‹ vor allem, zurückzugreifen und dort Trost und Heilung zu erhoffen«,183 bewährte sich damit auch für das Dritte Reich, und zwar sowohl auf Seiten der Politik als auch auf Seiten der Bevölkerung. Am 16. Oktober 1941 verkündete Goebbels, der Krieg habe Deutschland eine »stärkere Hinwendung zu unserer Klassik« gebracht:184 »Was das Buch uns eigentlich bedeutet, das haben wir alle in diesen harten Monaten des Krieges erfahren.« Das Reich registrierte am 5. September 1943, die »Vertiefung und Verwandlung des Lesers durch den Krieg ha[be] breitere Leserschichten zu den Klassikern geführt«.185 1943 bestätigte Philipp Reclam jun. des gleichnamigen Verlages, mit zunehmender Länge des Krieges habe sich eine Vertiefung der Leserinteressen spürbar gemacht,

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Vgl. Karl Künkler, Leiter der Abteilung Theater im Rosenbergamt, im Herbst 1943: »Wir erblicken in jeder Aufführung eines klassischen Werkes […] einen Beitrag zur Vertiefung der Widerstandskraft des Volkes.« (zitiert nach: Kirsch, ›Arteigenes Theater‹, S. 70). ZD 262.–131. (12.5.1944). Duckstein: BDB 69 (31.8.1944), S. 165. Rosenau: BDB (4.3.1944), S. 35. Uwe-K. Ketelsen: Literatur und Drittes Reich. Vierow 1994, S. 387. Ketelsen identifiziert diese ›geschichtlichen Momente‹ mit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als sich die deutsche Gesellschaft zu einer avancierten Industriegesellschaft umwandelte, mit den Jahren nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wie auch mit jenen nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft. Diese Liste lässt sich um die Perioden der beiden Weltkriege ergänzen. Goebbels’ Rede bei der Eröffnung der Woche des Deutschen Buches am 26.10.1941 (zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 64). [o.V.]: DR 36 (5.9.1943).

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»so dass das [k]lassische Schrifttum heute viel stärker angefordert wird als noch vor zwei Jahren«.186 Nicht zuletzt zeigte sich die Bedeutung des Buches für die tieferwirkende Propaganda daran, dass es von den politischen Lenkungsinstanzen als das zentrale Medium der ›Volksbildung‹ betrachtet wurde. Dabei sei gleich angemerkt, dass mit dem Begriff ›Volksbildung‹ offenkundig kein humanistisches Bildungsideal gemeint war. »Wir sprechen von ›Bildung‹«, so die programmatische Aussage eines Schriftleiters, »aber Bildung gibt es nicht mehr im alten Sinne.«187 »Das nationalsozialistische Deutschland«, so ergänzte die neu überarbeitete Auflage des Meyers Lexikon, spreche lieber »von Erziehung, weil dem Worte Bildung augenblicklich unausrottbar ein einseitig verstandesmäßiger Sinn anhaftet«.188 Das NS-Erziehungsideal werde folgerichtig weniger durch »Verstandesschulung und Kenntniserwerb« als durch »Willensschulung und Charakterformung« geprägt. Es strebe nicht länger die humanistische »Verwirklichung eines unbestimmten Gesamtmenschen (wie er im ›homo universale‹-Ideal der Renaissance und im harmonistischen Menschenideal des Deutschen Idealismus vorschwebt)« an, sondern vielmehr die nationalistische und rassenzentrierte »Herausbildung des rassisch einwandfrei geborenen deutschen Menschen mit all seinen Fähigkeiten und Kräften zur vollentwickelten willensstarken und charakterfesten Persönlichkeit im Rahmen der Volksgemeinschaft«. Die ›Volkserziehung‹, so kann vereinfacht gesagt werden, war weniger eine ›Erziehung des Volkes‹ als eine ›Erziehung zum Volk‹ und damit in erster Linie ein Mittel zur Realisierung der ›Volksgemeinschaft‹.189 Auffälligerweise tendierte Goebbels, obwohl Meister der Rede und des öffentlichen Vortrags, dahin, für diese Erziehung das schriftliche Wort höher als das mündliche zu werten: Das Buch ist nicht nur dazu bestimmt, die Menschen zu unterhalten; es soll die Menschen auch erziehen. Und da wirkt wohl meistens das geschriebene Wort viel dauerhafter und einprägsamer als das gesprochene.190

Heinz Dähnhardt, Leiter der Schrifttumsabteilung im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, wies seinerseits dezidiert die Annahme zurück, »daß die neuentstandenen Mittel der Kultur- und Bildungspflege, wie etwa der Film oder der Rundfunk, den Wirkungsbereich des Buches einengten«. »Vom Standpunkte der Volksbildung aus gesehen«, meinte er, »gehen solche leicht hinzusprechenden

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Zitiert nach: Löschenkohl: BDB 170 (19.11.1943), S. 196f. Schuster: DB 2–3 (1934), S. 2. Wilhelm Schuster war Vorsitzender des Vereins deutscher Volksbibliothekare und Schriftleiter der Zeitschrift Die Bücherei. Meyers Lexikon. Bd. 4, 1936, Spalten 1383–1385. Die folgenden Zitate sind ebd. Vgl. Schuster: DB 2–3 (1934), S. 3: »Nationalsozialistische Volkserziehung ist Einordnung und Zuordnung des Menschen. Sie stellt den Menschen auf einen bestimmten Platz im Volksganzen, sie ordnet ihn ein in ein staatliches und volkliches Gefüge […].« Zitiert nach: [o.V.]: Der ewige Wert des guten Buches. Reichsminister Goebbels eröffnet im feierlichen Staatsakt in der Weimarhalle die Erste Großdeutsche Buchwoche. Erstes Großdeutsches Dichtertreffen. In: BDB 255 (2.11.1938), S. 851.

Urteile an der tatsächlichen Lage vorbei.«191 Dähnhardt untermauerte seine Aussage durch den Vergleich der Leserstatistiken mit dem prozentualen Anteil der Rundfunkhörer und regelmäßigen Kinobesucher an der deutschen Gesamtbevölkerung. Ferner wies auch er auf die für Erziehungszwecke wichtige Eigenschaft von Büchern hin, »kein flüchtiger Zeitvertreib, sondern eine ernsthafte Beschäftigung« zu sein. Dieses letzte Argument wurde häufig benutzt, um das Buch in positivem Sinne von anderen Medien abgegrenzen. Beim Radio fehle »die Besinnlichkeit, die wir beim Bücherlesen haben«.192 Beim Film bestehe das Problem darin, »daß das Erlebnis […] zu rasch vorübergeht, es erreicht nicht die Tiefe des Eindrucks wie ihn etwa ein Buch hervorrufen kann«. Die Zeitung diene ebenfalls »nur rascher Unterrichtung«: »[D]er gehetzte Mensch unserer Zeit überfliegt, nimmt Bruchteile vielleicht davon auf und vergißt […] während im Buch – wir meinen: im wesentlichen Buch – alles zu jeder Stunde ihm bereit liegt.«193 Vor diesem Hintergrund wurden vom Schriftsteller ausdrücklich Bücher verlangt, die »die Beschäftigung der Menschen übernehmen«: Der Schriftsteller – und so auch der Dichter – der sich heute verpflichtet fühlt, an der Volksgemeinschaft mitzuarbeiten, muß […] seinem Werke in erster Linie die Kraft verleihen, die Leser zu entrücken, sie selbstvergessen zu machen, sie nach seiner eigenen Haltung […] leben zu lassen, und muß seine eigene Haltung durch Kräfte bestimmen lassen, die sein Volk zu fesseln vermögen.

Lektoren wurde in den Richtlinien für die Begutachtung von Werken des schöngeistigen Schrifttums im Rahmen des Hauptlektorates »Schöngeistiges Schrifttum« des Amtes Schrifttumspflege nahegelegt, dass Bücher auf den Leser erzieherisch wirken, und zwar in den günstigsten Fällen so, daß er es gar nicht merkt, daß also diese Werte ihm gleichsam in Fleisch und Blut übergehen und sein weiteres Verhalten bestimmen. Auf diese erzieherische Wirkung legen wir besonderen Wert.194

Dass die hier als Vorteil präsentierte Dauerwirkung von Büchern genauso sehr zum Nachteil des Regimes ausfallen konnte, war den Lenkungsinstanzen durchaus bewusst. So wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass der nachhaltige Einfluss von Büchern leider auch die Schriften ideologischer Gegner wie etwa Karl Marx betraf. In folgender Erklärung wurde dies mithilfe der typographischen Abtrennung des Kommunisten von den anderen Vorbildern auf subtile Weise eingeräumt: Diese ungeheure Bedeutung des Buches läßt sich […] geschichtlich nachweisen, steht doch am Anfang großer Ereignisse und Zeitabschnitte im Leben unseres Volkes eigentlich immer ein Buch. Es läßt sich auch mit ziemlicher Sicherheit behaupten, daß sogar jede Ge-

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Dähnhardt: BDB 93 (24.4.1937), S. 9. Das folgende Zitat ist ebd. Wilhelm Stapel (zitiert nach: W. L[angenbucher]: BDB 84 (9.4.1935), S. 293). Das folgende Zitat ist ebd. H. Langenbucher: BDB 7 (9.1.1934), S. 21. [o.V.]: LB 11 (1940), S. 7.

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neration unter dem Einfluß eines oder mehrerer Bücher steht. Es sei z. B. an E. M. Arndt, Fichte, Schleiermacher, Hegel, Nietzsche usw. und auch an – Karl Marx erinnert. 195

Durchaus wurde aber auch expliziter davor gewarnt, dass – in Reichsleiter Philipp Bouhlers Worten – »das Buch zu einer Gefahr werden kann, wenn e[s] selbstsüchtigen oder zersetzenden Tendenzen dienstbar gemacht wird«.196 In den gerade erwähnten Richtlinien wurde dabei besonders für solche Werke sensibilisiert, die als Wölfe im Schafpelz »rein formmäßig gut gemacht sind«: Unsere Mitarbeiter dürfen sich von gutgeschriebenen Büchern, deren innere Haltung nationalsozialistischem Lebensgefühl entgegenläuft, nicht bluffen lassen. Gerade an diesem Punkt ist ein kritischer Instinkt besonders notwendig, denn selbstverständlich macht es jedem von uns Freude ein gutgeschriebenes Buch zu lesen, und es ist auch verständlich, daß in dieser Freude innere Mängel und Gefährlichkeiten mitunter übersehen werden.197

Damit zeigte sich der Glaube an den nachhaltigen Einfluss von Büchern genauso sehr in der Repression des ›schädlichen‹ wie in der Förderung des ›guten‹ Buches.198 Ein zweiter Nachteil der Tiefen- und Dauerwirkung des Buchmediums wurde darin gesehen, dass es sich raschen und befristeten Kursänderungen der Propaganda widersetzte. Allein schon der praktische Umstand, dass Bücher über einen längeren Zeitraum im Handel erhältlich waren, nach ihrem Erwerb in der Bevölkerung weiter zirkulierten und einer wiederholten Rezeption zur Verfügung standen, machte das Buch nur für langfristige Identitäts- und Bildkonstruktionen geeignet. Das Bewusstsein für dieses Problem zeigte sich besonders deutlich, als der Hitler-Stalin-Pakt geschlossen wurde und das russische Feindbild für eine beschränkte Zeit abgeschwächt werden musste.199 Für solche vorübergehenden Rücksichtsnahmen – sei es auf politische, militärische, wirtschaftliche oder sonstige Realitäten – ersetzten Presse, Rundfunk und Film das Buch.

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Riegel: BDB 186 (17.6.1937), S. 517. Das folgende Zitat ist ebd. (vgl. auch: Erckmann: BDB 244 (19.10.1935), S. 876). Bouhler: NSB 11 (1937), S. IV. [o.V.]: LB 11 (1940), S. 7. Es sei hier auf die (aus der Zeit der Weimarer Republik übernommene) Inbezugsetzung von Schundliteratur und Kriminalität und die propagierte These hingewiesen, dass »der Umgang mit schlechten Büchern wahrhaftig oft gefährlicher [sei] als mit schlechten Menschen« (Popp: BDB 126 (8.6.1939), S. 457). Zahlreiche Polizeiberichte und Presseartikel bestätigen den damals herrschenden Glauben an die verderbliche Wirkung der Schundliteratur. Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang die Überschrift im NS-Kurier vom 4. Februar 1937: »Schundlektüre verursacht Mord« (vgl. Helga Geyer-Ryan: Wunschkontrolle – Kontrollwünsche. Die Gleichschaltung der Populärliteratur im Dritten Reich. In: Leid der Worte. Hg. von Jörg Thunecke. Bonn 1987; BArch NS12/1266). Vgl. Kapitel 1.2.3.

1.1.3. Personalisierbarkeit: Propaganda nach Maß [D]as Radio herrscht über den Hörer, während der Bücherleser selbst Herr ist über das Buch.200

Ein drittes, unter propagandistischem Gesichtspunkt wichtiges Differenzierungsmerkmal des Buchmediums gegenüber den meisten anderen Medien war seine Individualisierbarkeit, genauer die Anpassungsfähigkeit an das Individuum durch die buchtypischen flexiblen Rezeptionsmöglichkeiten und die thematische Vielfalt. Zum einen war das Angebot an Büchern so umfangreich und variiert, »daß für jeden Geschmack etwas zu finden sein wird«.201 Auch konnten Buchleser Ort, Zeitpunkt und Thema ihrer Lektüre selber bestimmen. Während sie sich für Kinofilm und Radiosendung nach einer festen Programmierung richten mussten, konnten sie sich jederzeit »hinwenden zu den ewig geduldigen Büchern, die auf uns warten und deren Gluten nie erkalten!«202 Jederzeit konnten sie sich Bücher ausleihen oder aus dem eigenen Bücherschrank herausgreifen, um sie nochmals zu lesen oder auch nur, »um darin zu blättern« und »noch einmal all das zu vergegenwärtigen, was einem die Lektüre des Buches bedeutet hat«:203 »Die Zeitung verfällt, das Radio verhallt, der Film entflimmert […]. Das Buch aber bleibt, sofern wir es besitzen und es wiederum lesen können, sooft es uns danach verlangt.«204 Im Gegensatz zur festgelegten und beschränkten Dauer des Radioprogramms oder Spielfilms hatte der Leser damit auch die Dauer seiner Beschäftigung – vom Kapitel bis zum gesamten Buch, von der Erzählung bis zum Roman, der »über den Sonntag reicht« – selbst in der Hand.205 Im Vergleich zum Buch erlaubten es die modernen, auf die breite Masse abgestimmten Medien der Propaganda folgerichtig nur in beschränktem Maße, auf die Interessen und Wünsche des Einzelnen einzugehen. Der ›Volksgenosse‹, der »in einer traurigen und deprimierten oder in einer heiteren und aufgeräumten Stimmung« war, durfte nicht erwarten, wie Goebbels ihn in seiner Rundfunkrede ermahnte, »daß das Rundfunkprogramm darauf in einer entsprechend taktvollen Weise Rücksicht« nehmen könne:

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Wilhelm Stapels Rede vor der Fachschaft der Angestellten der Deutschen Arbeitsfront (zitiert nach: W. L.: Über den Bücherleser. In: BDB 84 (9.4.1935), S. 293). »Die Heimbücherei«. In: Buch und Volk 5 (1938), S. 6 (vgl. Goebbels’ Hinweis darauf, dass die deutsche Buchproduktion »den ganzen Umfang unseres deutschen Wesens und Charakters« umfasse: »Welch eine Spannweite von unseren Klassikern mit ihren weltumfassenden Ideen bis zum Spezialbuch, das sich zwar nur mit einem ganz kleinen Ausschnitt unseres menschlichen Lebens beschäftigt und doch das Nebensächliche zum Wesentlichen zu erheben versucht!« (Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches vom 26.10.1941, zitiert nach: Goebbels: Zeit ohne Beispiel, S. 62)). Popp: BDB 186 (13.8.1935), S. 661. E. Langenbucher: BDB 296 (21.12.1935), S. 1095. Heyck: BDB 126 (2.6.1934), S. 496. Dähnhardt: BDB 93 (24.4.1937), S. 9.

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Es gibt ungefähr so viele ausgesprochene und unausgesprochene Programmwünsche an den Rundfunk, wie es Rundfunkhörer gibt. Die Führung des deutschen Rundfunks wird sich deshalb niemals schmeicheln können, es allen recht zu machen. Ja, die Wünsche des einzelnen selbst sind noch dazu je nach der Situation sehr wandelbar. […] Hätte der Rundfunk eine in sich vollkommen homogene und gleichgestimmte Zuhörerschaft […], so wäre es ein leichtes, ihr ein allseitig befriedigendes Programm zu bieten. Das aber ist nicht der Fall. Der Rundfunk wendet sich an das ganze Volk. Seine Zuhörer rekrutieren sich aus allen Schichten. Sie stellen die verschiedensten Ansprüche, haben die mannigfaltigsten Bedürfnisse, und jeder glaubt, daß gerade die seinen die dringlichen und vorherrschenden seien und deshalb auch befriedigt werden müßten.206

Das hier nur am Rundfunk aufgezeigte Problem der fehlenden Individualisierungsmöglichkeit verschärfte sich während des Krieges, als die bereits beschränkte Anzahl von regionalen Reichssendern durch Personalmangel und zunehmende Stromversorgungsschwierigkeiten zu einem einzigen Reichssender zusammengefügt wurde: Hätten wir Dutzende von Reichssendern für die inneren Bedürfnisse unseres Volkes zur Verfügung, so wäre das Problem sehr einfach zu lösen. Man könnte die verschiedenen Aufgaben auf die verschiedenen Sender verteilen. Es hätte dann jeder Hörer die Möglichkeit, nach seinem Geschmack zu wählen, und wenn ihm eine Sendung nicht gefiele, brauchte er nur einen Knopf umzudrehen, und er hätte das, was er sich wünscht. So liegen die Dinge aber leider nicht mehr. Der deutsche Rundfunk krankt wie jedes andere öffentliche Institut an Personalmangel. Ein großer Teil seiner Sprecher, Techniker und Organisatoren steht bei den Propagandakompanien an der Front. Seine Musiker müssen vielfach ihre Tätigkeit zwischen Funk, Theater, Film und Truppenbetreuung teilen.207

Die bessere Anpassungsfähigkeit des Buchmediums an seine Rezipienten wurde zwischen 1933 und 1945 durch die Praxis der totalitären Differenzierung unterstützt. Das Ziel, »a l le Vol k ss ch icht e n« zu erfassen,208 wurde dadurch zu erreichen versucht, dass man weniger die Masse als vielmehr einzelne Lesergruppen oder sogar einzelne Leser ansprach. Richtschnur der differenzierenden Buchwerbung war die Erkenntnis, dass Bücher »auf die stets differenzierte Leserschaft« unterschiedlich wirkten und es zu Büchern zahllose »Varianten der Empfindung, der Aufnahmefähigkeit, der Einstellung usw.«209 gab, denen die Buchproduktion und -werbung zwecks größt-

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Goebbels’ Rede zum Thema »Der Rundfunk im Kriege« vom 15.6.1941 (zitiert nach: Goebbels: Zeit ohne Beispiel, S. 503). Goebbels fuhr fort: »Steuern wir mehr auf die leichte Unterhaltungsseite hin, dann meldet sich der ernste Musikfreund, der uns mit einer nicht mehr zu überbietenden Offenherzigkeit erklärt, er habe das Gedudel nun satt, dieses Programm sei des ersten Musikvolkes der Welt denkbar unwürdig, man müsse sich Wachs in die Ohren stopfen, um endlich einmal diesem entnervenden Gejaule, das einem aus sämtlichen Lautsprechern des Landes entgegentöne, zu entfliehen. Bevorzugt man dagegen etwas mehr die gehobene, ernste oder gar klassische Musik, dann greift der andere Teil des Volkes zur Feder und erklärt frank und frei, man könne nun aber das As-Dur und H-moll nicht mehr hören, ob man denn im Haus des Rundfunks keine Ahnung habe, was in dieser Zeit not tue, und wann endlich mal wieder nach all diesen stumpfsinnigen Symphonien und Divertimentis eine Musik geboten werde, die auch dem Volke etwas gebe.« (S. 504). Goebbels: Zeit ohne Beispiel, S. 505. Nedon: BDB 96 (26.4.1934), S. 389. Schlemminger: BDB 4 (6.1.1938), S. 14.

möglicher Verbreitung des Buches Rechnung zu tragen habe. Die jährlichen Buchwochen gingen mit gutem Beispiel voran. 1935 wurde die in Millionen Exemplaren verbreitete Buchauswahlliste – eine 48 Seiten starke Sonderausgabe der Zeitschrift Buch und Volk, die den »oft unbestimmten Wünschen« der deutschen Bevölkerung eine »klare und bestimmtere Form« geben sollte210 – nach den drei Bevölkerungsgruppen gegliedert, die der nationalsozialistischen Propaganda als »staatstragend« und »staatserhaltend« galten: dem Arbeiter, dem Bauer und dem Soldaten.211 1936 wurde die in sich gegliederte Sonderausgabe durch sechs separate Ausgaben ersetzt, die sich auch an die Frau, die Jugend und – der hochgradigen Bürokratisierung der Gesellschaft entsprechend – den Beamten im Dritten Reich richteten. Die inhaltliche Ausgestaltung der Hefte wurde in die Hände der für diese Gruppen zuständigen Organisationen – der Deutschen Arbeitsfront, des Reichsnährstandes, des Reichskriegsministeriums, der NS-Frauenschaft, der Reichsjugendführung bzw. des Reichsbundes der deutschen Beamten – gelegt. Die Bücherauswahl wurde an die »besonderen geistigen Bedürfnisse« der einzelnen Zielgruppen angepasst.212 Sie setzte sich für jeden Adressatenkreis aus Fachschrifttum (»für die berufliche Weiterbildung«), politischem und weltanschaulichem Schrifttum (zur Verdeutlichung der jeweiligen »Aufgaben, der Bestimmung und der Sinngebung des Daseins«) wie dichterischem Schrifttum (»zur geistigen Erhebung und zu der für den Berufskampf so notwendigen Steigerung der seelischen Kräfte« der einzelnen Gruppen) zusammen. Kriterien für die jeweiligen Buchempfehlungen waren einerseits die »Stellung, die der betreffende Stand im Volksganzen einnimmt«, und andererseits die »Aufgabe, die er im Interesse der Nation zu erfüllen hat«.213 Auch außerhalb der Buchwochen wurden die Buchhändler angespornt, ihre Werbetechniken und ihre Beratung nach Leser- und Buchkäufertypen zu differenzieren. Das Börsenblatt wies wiederholt auf Differenzierungsmöglichkeiten hin. Sollte es der Buchhändler mit Bauern zu tun haben, riet ihm das Blatt sich vor Augen zu halten, daß der Bauer langsam liest, nur in Abständen dazu kommt und Werke verlangt, die ihn fördern und ihm etwas zu geben haben. Reine Unterhaltungslektüre als Zerstreuung ist daher fehl am Platze und schafft nur verärgerte Kunden, die nicht wiederkommen. Lieber etwas zu Schweres als zu Leichtes sei […] daher die Regel.214

Situierte sich die Buchhandlung in der Stadt, wurde eine Ausrichtung der Schaufenster an die Passanten empfohlen, die »nach dem Charakter der Stadt und nach der Lage des Geschäfts innerhalb eines größeren Ortes verschieden« waren:215

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H. L[angenbucher]: BDB 249 (24.10.1936), S. 927. H. L[angenbucher]: BDB 208 (7.9.1935), S. 732. H. L[angenbucher]: BDB 249 (24.10.1936), S. 926. Ebd., S. 927; ders.: BDB 208 (7.9.1935), S. 732. K.W. Schade: Der Bauer als Bücherkäufer. In: BDB 298–299 (28.12.1939), S. 772. Riegel: BDB 220 (20.9.1941), S. 323. Martin Riegel, Sortimenter aus Hamburg, wurde als einer der wenigen Angehörigen der NSDAP in den Aktionsausschuss des Börsenvereins gewählt, der die »Anpassung des Börsenvereins und der ihm angeschlossenen Vereine an die berufsständige Wirtschaftsverfassung« leiten und überwachen sollte. Seine Ernennung

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Nehmen wir an, unsere Buchhandlung liegt an einer Verkehrsstraße einer Wohngegend. Täglich strömen an unseren Fenstern vorbei: zuerst die Arbeiter und Büroangestellten, dann kommen die Schulkinder und ihre Lehrer, auch die Beamten und Betriebsführer, schließlich erscheinen die Hausfrauen, die in der Verkehrsstraße ihre alltäglichen Einkäufe machen. Während sich der Verkehr der Hausfrauen in der Straße über den ganzen Tag erstreckt, gehen die übrigen werktätigen Menschen – mit Ausnahme des Sonntags – regelmäßig zweimal, morgens und abends, an unseren Fenstern jahrein, jahraus vorbei! – Diese aufgezählte kleine Auswahl der Passanten mag uns genügen, um für unseren Zweck die Folgerungen zu ziehen.

Der Buchhändler sollte sich vergewissern, zu welchen Arbeitsstätten die Passanten gingen (»Waren es Juristen, Baumeister, Kaufleute oder vielmehr Bank-, Post- und Bahnbeamten, die täglich vorbeikamen? Welche Liebhabereien hatten diese Menschen neben ihrem Beruf?«), um die Literaturauswahl dementsprechend abwechseln zu können. Dem Büchereileiter wurde seinerseits empfohlen, ein breites Spektrum von Büchern »für die praktischen Aufgaben aller Gebiete menschlicher Betätigung« zur Verfügung zu stellen und dabei die »seelische und geistige Struktur des Volkes in seinen verschiedenen Gliederungen« zu beachten. So wurde auch hier auf das Prinzip der totalitären Differenzierung gesetzt, ausgehend von der Erkenntnis, »daß die einzelnen Gliederungen und Gruppen unseres Volkes in verschiedenen Beziehungen zum Buche leben«:216 Der Weg zum Nationalsozialismus mit dem Mittel des Buches geht bei einem jungen Menschen anders als bei einem alten, er sieht anders aus bei einem Heimarbeiter des Erzgebirges und wieder anders bei einem Bauern in der Lausitz. Die verschiedenen Berufe und Stände haben durchaus ihre charakteristische Haltung zum Buch. Die Fruchtbarkeit der Büchereiarbeit ist erst dann gegeben, wenn auf diese unterschiedlichen Reaktionsweisen in der Bevölkerung eingegangen wird.

Diese Art Vorschläge illustrierten das Individualisierungspotential des Buchmediums und damit auch die Möglichkeit, den Kerngedanken der nationalsozialistischen Propaganda umzusetzen, wie ihn Goebbels am 2. Dezember 1941 in seinem Tagebuch umriss: Nicht der Mensch hat sich nach der Propaganda, sondern die Propaganda hat sich nach den Menschen zu richten. Jeder hat einen Anspruch darauf, so angesprochen zu werden, wie er es am besten versteht; das ist das Geheimnis des Erfolges. Es zu studieren und immer wieder zur Anwendung zu bringen, das möchte ich als die höchste Kunst der Propaganda bezeichnen.

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sollte die politische Zuverlässigkeit des Börsenvereins (als Spitzenorganisation des Buchhandels) gegenüber Staat und Partei gewährleisten (Barbian: Literaturpolitik, S. 102f. u. 114). Taupitz: DB 1934, S. 548. Das folgende Zitat ist ebd.

Dass mit dieser Individualisierung zumeist auch das zurückgezogene Lesen einherging, wurde offensichtlich nicht als eine reelle Gefahr für das Regime und seine Propaganda begriffen. Obwohl durchaus auch auf die Wichtigkeit des kollektiven Lesens – etwa im Rahmen der Dichterlesungen – hingewiesen wurde, wurde nur selten der Bedarf gespürt, um, wie etwa im folgenden Zitat, darauf hinzuweisen, dass das Lesen nicht im Widerspruch zum Kollektiv der ›Volksgemeinschaft‹ stehe: »Denn der rechte Leser ist kein einzelner, er ist Teil der Gemeinschaft.«217 Dieser Akt der ideologischen Domestizierung218 fand gelegentlich auch im Hinblick auf die Einsamkeit des Schriftstellers statt. Als musterhaftes Beispiel können hier die Arbeitstagungen des Amtes Schrifttumspflege unter dem Titel Einsamkeit und Gemeinschaft gelten, bei denen wiederholt betont wurde, dass Dichter »ein Recht auf Einsamkeit« hätten, »um die Bilder der in der Gemeinschaft gewonnenen Erlebnisse zu sammeln, zu ordnen und weiter zu gestalten«.219 Die vermeintliche Kompatibilität von Einsamkeit und Gemeinsamkeit wurde von Rosenberg durch organische Metaphorik verstärkt, indem er sie als das natürliche Zusammengehen eines tiefen Ein- und Ausatmens bezeichnete. Er verglich die Gemeinschaft vom Standpunkt einer gestaltenden Kraft mit einem tiefen Einatmen, mit dem Einholen vieler Empfindungen, Gefühle, Gedanken und Erlebnisse, und bezeichnete demgegenüber die Schöpfung eines starken Einzelnen als ein Ausatmen, ein »Darbringen bestimmter Leistungen, oft aus dem Zusammenwirken der allgemeinen Volksinstinkte der kameradschaftlichen Gemeinsamkeit und Spannung und des eigenartigen Willenhaften des Einzelnen entstehen«.

Goebbels relativierte die Einsamkeit des Schreibens und Lesens seinerseits durch den Verweis auf Hitlers Buch Mein Kampf, das zwar »[v]on einem Manne erdacht« wurde, dennoch aber »ein ganzes Volk [erobert habe] und […] damit den Boden für eine vollkommene Umformung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse unserer Zeit [schuf]«.220 So wurde der individuelle Akt des Lesens (wie auch der des Schreibens) als eine Aktivität im Dienste des Kollektivs inszeniert, das Ziel der nach Adressaten differenzierten Medien- und Buchpolitik in der nationalsozialistischen, totalitären Gleichschaltung gesehen.

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Busse: BDB 61 (13.3.1934), S. 228 (vgl. diese Arbeit, Seite 180). Zum Begriff der ›Domestizierung‹ vgl. Seite 125, Fußnote 161. Zitiert nach der Paraphrase von: Hagemeyer: NSM 105 (1938), S. 1051. Das Original ist nicht überliefert. Hans Hagemeyer, Leiter des Amtes Schrifttumspflege, paraphrasierte die Rede im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Das folgende Zitat ist ebd. Zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 852.

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1.1.4. Handlichkeit: »Bis in die vorderste Linie und bis in das Gefecht hinein« Das Buch ist wegen seiner leichten Handlichkeit als Gedankenträger auch heute noch nach der Entwicklung von Presse, Rundfunk und Film das wichtigste Mittel, um die geistige Haltung des deutschen Volkes in seiner Tiefe zu beeinflussen.221

Die zuletzt zu nennende zentrale Eigenschaft, die das Buch von den modernen Massenmedien unterschied, war der materielle Vorteil seiner leichten Handlichkeit. Unabhängig von technischer Apparatur war das Buch ein billiges und im Hinblick auf seine Rezeption sehr flexibles Medium. Jeder Haushalt hatte die Möglichkeit, sich Bücher aus der Leihbücherei oder Buchhandlung ins Haus zu holen. Lesen konnte man – innerhalb des von der Diktatur gesetzten Rahmens – worüber, wann und wo man nur wollte. In diesem Licht muss der spektakuläre Anstieg der technischen Medien zwischen 1933 und 1945 einigermaßen relativiert werden. Dank der Anstrengungen des Regimes für die Verbreitung des Rundfunkgeräts konnten sich 1941 tatsächlich bis 65 Prozent der deutschen Haushalte des Besitzes eines Radiogeräts rühmen; immerhin mussten auch bei diesem Spitzenergebnis wenigstens 35 Prozent auf die eigene ›Goebbelsschnauze‹ verzichten.222 Die herausragende Stellung des Films in den Kriegsjahren zeigt der Höhepunkt von 14,4 Kinobesuchen pro Einwohner im Jahr 1943;223 gleichzeitig kam diese Besuchsfrequenz von einem bis zwei Besuchen im Monat dem hohen Unterhaltungsbedarf der Bevölkerung – besonders im Krieg – nur bedingt entgegen. Es war also nicht zuletzt seine leichte Handlichkeit, die das Buch kontextbedingt als gleichwertige Ergänzung oder sogar wertvollen Ersatz für andere Medien erscheinen ließ. Die leichte Transportierbarkeit des Buches hatte schon in der Weimarer Republik zum Einsatz von Wanderbüchereien geführt, die unter dem nationalsozialistischen Regime unterstützt und weiter ausgebaut wurden, um abgelegene Orte wie Dörfer und Autobahnlager mit Lesestoff zu versorgen. Vor allem aber nach Kriegsbeginn bewährte sich das Buch als Medium, das sich dorthin transportieren ließ, »[w]o die anderen Kulturträger aus technischen Gründen versagen« mussten: »bis in die vorderste Linie und bis in das Gefecht hinein«.224 Rosenberg sammelte in den Kriegsjahren mehr als 43 Millionen Bücher ein, die nach Sichtung und Aussortierung durch Mittler in kleine Büchereien organisiert und in Kisten an alle Ecken der Front, »vom Nordmeer bis zur Sahara«, geschickt wurden.225 Goebbels versicherte sich per-

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Rede von Wilhelm Haegert, Leiter der Schrifttumsabteilung im Propagandaministerium, auf der Hauptversammlung des Börsenvereins im Jahre 1940 (zitiert nach: ders.: BDB 94 (23.4.1940), S. 149f. König stellt fest, dass das Radio für größere Teile der Bevölkerung, besonders der unteren Einkommensschichten, außer Reichweite blieb (Volkswagen, S. 25–99). Lowry: Pathos und Politik, S. 4. [Haegert]: BDB 94 (23.4.1940), S. 150. Vgl. Kapitel 2.2.5.

sönlich, dass schwer erreichbare Stationen wie Flakbatterien, Bunker, Schiffe und U-Boote mit kleinen Büchereien versorgt wurden (»Ich will für jedes U-Boot eine kleine Bibliothek einrichten und auch sonst die U-Boot-Mannschaften kulturell so weit wie möglich betreuen«226). Durch sein handliches Format wurde das Buch vom Propagandaministerium außerdem als die ideale Feldpostsendung propagiert und die deutsche Bevölkerung dazu angespornt, Bücher als die »bevorzugte Liebesgabe«227 für ihre Angehörigen, Freunde und Bekannten an der Front zu betrachten. Damit war das Buch eines der wenigen Medien, das nicht nur wegen des vermittelten Inhalts, sondern auch als Gegenstand für die Propaganda wertvoll war: In der Heimat wurde das Buch als Spende228 zum Symbol des Opfersinns stilisiert und so für die Erziehung zur ›Volksgemeinschaft‹ fruchtbar gemacht.229 An der Front erhielt das gespendete Buch nicht nur als Lesestoff, sondern alleine schon durch seine materielle Präsenz Bedeutung:230 Es ist […] nicht so, daß diese Bücher immer gelesen werden müssen […]; sehr oft genügt auch, daß man so ein Buch überhaupt bei sich trägt, daß man sein Vorhandensein spürt wie eine ruhige, selbstverständliche Gewißheit […].231

Auch ohne Zutun des Regimes gewann das Buch nach Beginn des Krieges durch seine praktische Handlichkeit an Bedeutung.232 Wie die Tagespresse bereits im Oktober 1939 registrierte, steigerten die durch Fliegeralarm, Verdunklungspflicht und Sperrstunde eingeschränkten Entspannungsmöglichkeiten den Stellenwert des handlichen

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 14.2.1942. Dazu ebenfalls die Tagebuchnotiz vom 27.2.1942: »Meine Betreuungsaktion für die Unterseeboote läuft in großem Stil an. Die Männer von den U-Booten haben das verdient. Vor allem sorge ich dafür, daß sie leichte und entspannende Literatur bekommen.« Eschenburg, BDB 255 (2.11.1939), S. 707. Zu den jährlichen vom Rosenbergamt organisierten Buchspenden vgl. Kapitel 2.2.5. Zur vom Propagandaministerium initiierten Buch-Feldpostsendung vgl. Kapitel 2.3.2.2. Für diese letzte Aktion wurde ab November 1939 der Werbespruch »Unsere Soldaten haben gute Bücher nötig! Sendet Bücher an die Front!« in der Presse und im Rundfunk, durch Plakate, Klebemarken, Lesezeichen und Exlibris verbreitet. Die Aktion sollte »ihr Ende erst finden […] mit der Beendigung des Konfliktes, der sie auslöste« (vgl. Haegert: BDB 275 (25.11.1939), S. 733). Zum Opfersinn als Akt des Patriotismus vgl. Kapitel 2.2.2. Auch in literarischen Darstellungen über den Ersten Weltkrieg, etwa dem Roman Reinhold im Dienst von Paul Alverdes aus dem Jahr 1936, fi nden sich Hinweise auf Soldaten, die in ihrem Tornister »eine kleine in Leder gebundene Ausgabe der Tragödie ›Faust‹ von Goethe« herumtrugen, »welche viele der Freiwilligen damals unter ihrem Gepäck mit sich führten, obwohl sie niemals Zeit hatten, darin zu lesen« (S. 113). Außerdem hätten Bücher in diesem Krieg, so will es die Überlieferung, auch buchstäblich als Glücksbringer fungiert, indem sie manche Kugel abgefangen und Soldaten somit das Leben gerettet hätten. Nach dem Krieg sollen Bücher zur Unterstützung dieser ›Anekdote‹ durchlocht worden sein. Zum ›Topos der lebensrettenden Lektüre‹ vgl. Claudia Albert / Harald Weilnböck: Der Schützengraben als Lese-Ecke des Frontkämpfers. Topos und Realität des lesenden Soldaten. In: Traditionsanspruch und Traditionsbruch. Hg. von Bollenbeck / La Presti, S. 44. Kölsch: BDB 41 (18.2.1941), S. 60. Zum Einfluss des Krieges auf die Bedeutung des Buchmediums vgl. Kapitel 2.3.2.

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Mediums in der deutschen Heimat. Aus Feldpostbriefen und Erfahrungsberichten geht hervor, dass sich auch an der Front eine spontane ›Hinwendung zum Buch‹ bemerkbar machte. Zwar gab es dort gelegentlich Filmvorführungen (das bekannteste Beispiel ist der monumentale Durchhaltefilm Kolberg, der noch am 30. Januar 1945 mit einem Fallschirm in die belagerte Atlantikfestung La Rochelle abgeworfen wurde), zwar waren die wöchentlichen ›Wunschkonzerte für die Wehrmacht‹233 im Rundfunk äußerst beliebt und wurden die an die Front geschickten Zeitungen und Zeitschriften auch noch gerne gelesen, als sie ihren Aktualitätswert durch den Versand eingebüßt hatten. Dennoch stellte ein »Offizier für die geistige Betreuung einer Division« 1943 fest: »Ablenkungen durch Film, KdF.- oder Musikvorführungen in Stunden der Muße zählen im rauhen Feldleben zu Seltenheiten, die zivilen Sonntagen gleichzusetzen sind«.234 Diese relative »Seltenheit« trage, so habe er beobachten können, zum großen »Lesehunger von Offizieren und Mannschaften« bei.235 Die Bedeutung der praktischen Handlichkeit des Buchmediums nahm mit dem fortschreitenden Krieg eher zu als ab. Entscheidend war dabei vor allem, dass das Bücherlesen in viel geringerem Maße als Rundfunkhören und Kinobesuche von externen Faktoren abhing. Als die Buchproduktion durch Rohstoff- und Personalmangel zurückging, konnte die deutsche Bevölkerung auf die Publikationen der vorigen Jahre zurückgreifen. Der Rückgang der Filmproduktion und die Zerstörung der Kinos führten hingegen gezwungenermaßen zu einer Verringerung der Vorführungen und Publikumszahlen.236 Auch für die von Goebbels diagnostizierte »außerordentlich schlechte« Lage der Rundfunksender im Kriege (das kriegsbedingte Zusammenstreichen der Senderanzahl, die frühen Sendeschlüsse und die Unterbrechungen durch Stromprobleme und Luftangriffe) bot sich als Alternative nur das vom Regime gefürchtete Abhören von Feindsendern oder die Funkstille an.237

1.1.5. Die Funktionen des Buches in Metaphern Insgesamt bewährte sich bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft die 1934 im Börsenblatt publizierte Behauptung, das Buchmedium könne sich dank seiner spezifischen Eigenschaften im Dritten Reich gegen die modernen Medien behaupten:

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Die von den Frontsoldaten und ihren Familien sehr beliebten Wunschkonzerte wurden von 1939 bis 1944 im Großdeutschen Rundfunk gesendet und waren an allen Fronten wie auch in der Heimat zu hören. Für die erste Sendung trafen nach Angaben des ›Reichspressechefs der NSDAP‹ Otto Dietrich 23.117 Feldpostbriefe von der Front mit Wünschen ein. Immerhin gab es das Wunschkonzert nur einmal die Woche an Sonntagnachmittagen von 16 bis 20 Uhr (vgl. Lorenz: ›Mit dem Führer auf Fahrt!‹, S. 83; Hans-Jörg Koch: Das Wunschkonzert im NS-Rundfunk. Köln u. a. 2003). Stoffregen: BDB 177 (2.12.1943), S. 207. Eschenburg: BDB 255 (2.11.1939), S. 707. Vgl. Lowry: Pathos und Politik, S. 16; Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 18.6.1943. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotizen vom 12.10.1941, 19.10.1941, 20.8.1942 und 29.8.1942.

Die Einführung von Rundfunk und Tonfilm haben zwar die Bedeutung des Buches etwas eingeschränkt. Aber die Vorzüge des Buches sind so groß, daß von einer Verdrängung nicht ernsthaft gesprochen werden kann. Vor allem ist es jederzeit zur Hand und jede Stelle läßt sich beliebig oft nachschlagen und wiederholen. Das richtig gewählte Buch unterrichtet über alle Gebiete der Unterhaltung und des Wissens in fast erschöpfender Weise auch zu Zeiten, wo Film und Rundfunk nicht zur Verfügung stehen. Diese starke Stellung wird vorläufig nicht erschüttert werden.238

Sein Kulturwert machte das Buch zum generationenübergreifenden, traditionsstiftenden Symbol für die Nation. Seine Handlichkeit begünstigte seinen Einsatz sowohl innerhalb als auch außerhalb des Dritten Reichs. Seine Produktionsbedingungen ermöglichten einen variierten Zugriff auf eine breite Palette von Themen und damit eine auf das Individuum zugeschnittene Propaganda. Seine relative Ungebundenheit von der direkten Tagespolitik, seine materielle Dauerhaftigkeit und tiefgreifende Wirkung stellten sicher, dass das Buch trotz der Distanz und des Vergehens der Zeit seine propagandistische Relevanz nicht einbüßte. Diese Konstellation von Eigenschaften machten das Buch zum geeigneten Medium für die Produktion dauerhafter Identitäts- und Bildkonstrukte, wie auch die Kombination der Metaphern bestätigt, die im nationalsozialistischen Diskurs zum Buch immer wieder vorkommen und in vielen der in dieser Arbeit angeführten Zitaten zu finden sind.239 Gemeint ist die konsequente Charakterisierung des Buches als ›Lebewesen‹, ›Spiegel‹, ›Waffe‹ und ›Brücke‹,240 als ›Heimat‹ und als ›Freund‹. Die Idee des Buches als Lebewesen implizierte die Gestaltung und Beurteilung des Schrifttums nach rassenpolitisch orientierten Kriterien und damit auch eine weitgehende biologische Parallelisierung von Schrifttum und Volk. Die Spiegelmetapher betonte die wirklichkeitsspiegelnde Funktion des Buches. Durch die essentialistische Täuschung, Bücher würden die Realität rein abbildend repräsentieren, regte sie die Identifikation des Lesers mit dem Gelesenen an. Die Metapher der Waffe belegte das Buch mit einer wirklichkeitskonstituierenden Aufgabe und forderte vom Leser den Schritt von der Lektüre zur Tat. Die Brückenmetapher verwies auf die gemeinschaftsbildende Funktion des Buches und gab damit die Zielrichtung des vom Leser

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Schönhaar: BDB 69 (22.3.1934), S. 262. Vgl. dazu insbesondere die Kapitel 1.2.1.1. und 3.2.2.4. Diese vier Metaphern sind bedeutungsvolle Indikatoren für die Intentionen der literaturpolitischen Funktionäre bezüglich des Literaturbetriebs. Sie legen die minimalen Grundbedingungen fest, die Autoren, Rezensenten und Literaturwissenschaftler, Buchhändler, Bibliothekare und Verleger befolgen und respektieren sollten, und verkörpern Anforderungen bezüglich der Produktion, Verbreitung und Rezeption des Buches, die die lenkende Einflussnahme auf den Leser im nationalsozialistischen Rahmen unterstützen. Die genannten Metaphern führen daher gleichsam an den Kern der literaturpolitischen Arbeit im Dritten Reich heran, und zwar über die Interessendivergenzen, Meinungsverschiedenheiten und Konkurrenzkämpfe der einzelnen Instanzen hinweg. Für eine weitergehende Erklärung und Analyse vgl. Ine Van linthout: ›Flandern halte dich bereit, als Westmark in dieser Welt deinen Platz einzunehmen‹. In: Griff nach dem Westen. Hg. von Burkhard Dietz u. a. Münster u. a. 2003, S. 329–334; Vande Winkel / Van linthout: De Vlaschaard 1943, S. 18–37.

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geforderten Engagements vor. Die Metaphern des Freundes und der Heimat stellten eine persönliche Bindung zwischen Buch und Leser her. Erstere versprach dem Leser einen steten und zuverlässigen Begleiter, zweitere machte das Buch zum Vermittler und Symbol eines als vertraut und sicher empfundenen Kollektivs.

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1.2. Das Buch als Plattform für die langfristig angelegte Identitäts- und Bildkonstruktion

Es gibt wohl kaum einen Kulturzweig, der so von der Beschaffenheit eines Volkes, seiner Eigenart und der Vielfalt seiner Äußerungsmöglichkeiten Zeugnis ablegt, wie dies durch das Schrifttum der Fall ist.1

Die Bemühungen des nationalsozialistischen Regimes, »im ganzen Volk allmählich den Boden für das Buch zu bereiten«,2 dienten an erster Stelle dem Zweck, imaginierte Kollektive zu schaffen, die den ideologischen Vorstellungen und realpolitischen Ambitionen des Regimes entsprachen. Diese gemeinschaftsbildende Funktion erhielt ein großes Gewicht in einem Staat, der als junges Regime seine Existenz noch zu rechtfertigen und seine Traditionen noch zu (er)finden hatte. Sie war umso wichtiger in einer totalitären Diktatur, die ihre Untertanen als linientreue ›Volksgenossen‹ restlos in die ›Volksgemeinschaft‹ einzubinden versuchte.3 Gleichzeitig war sie umso komplizierter in einer imperialistischen Diktatur, die einerseits eine kohärente und in sich stimmige Identität anstrebte, diese Identität dennoch flexibel genug gestalten musste, um den sich ständig verschiebenden Außengrenzen, den sich ändernden Bündnissen und der turbulenten Aktualität gerecht zu werden. Unverzichtbar war sie schließlich in einem Staat, dessen propagiertes Selbstbild auf einer illusorischen Idealgemeinschaft beruhte und in immer stärkerem Maße glaubwürdig gemacht werden musste, je mehr es sich während der letzten Kriegsjahre von der greifbaren Realität des in Trümmern liegenden und auf die Niederlage zusteuernden Landes entfernte. Zur Bewältigung der heiklen Aufgabe, der deutschen Bevölkerung unter diesen Rahmenbedingungen identitätsstiftende ›Werte‹ und ein kollektives Zugehörigkeitsgefühl zu vermitteln, wurden im Bereich des Schrifttums einerseits die charakte-

1

2 3

Hans Hagemeyer: Buch und Volk. Rede auf der Abschlußkundgebung der ersten Großdeutschen Buchwoche in München am 6. November 1938. In: Nationalsozialistische Monatshefte 105 (1938), S. 1050. E. Langenbucher: BDB 105 (7.5.1936), S. 416. Peter Alter unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen ›integralem Nationalismus‹ und ›Risorgimento-Nationalismus‹. Der ›integrale Nationalismus‹ ist nach seiner Auffassung eine Ideologie, die das Individuum auf den alleinigen Wert seiner Nation und – in Verbindung mit dem sozialdarwinistischen Gedanken – auf den Glauben an dessen Überlegenheit über andere Nationen verpflichtet. Der ›Risorgimento-Nationalismus‹ bezeichnet die liberale Oppositionsideologie, die das Recht der einzelnen Nationen wie auch das Recht der Angehörigen dieser Nationen auf freie Entfaltung postuliert (vgl. Nationalismus. Frankfurt/M. 1985).

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ristischen Eigenschaften des Buchmediums, andererseits die besondere Macht der Fiktion als Vorbild und Identifi kationsfeld erkannt und genutzt. Es sind dabei zwei Schwerpunkte zu unterscheiden, die sich als die zwei Seiten ein und desselben Verfahrens deuten lassen: Mithilfe des Buches sollte einerseits das ›Eigene‹ als Einheit konstruiert, andererseits die Wahrnehmung des ›Anderen‹ gelenkt werden. Obwohl sich beide Prozesse nur schwer voneinander trennen lassen, werden sie im Folgenden für analytische Zwecke als Identitäts- bzw. Bildkonstruktion bezeichnet. Im ersten Fall diente das Buch der Heranbildung und Stärkung einer deutschen oder auch großdeutschen ›Volksgemeinschaft‹. Die Zielgruppe dieser Konstruktion bestand zum einen aus deutschen Staatsangehörigen, die im Dritten Reich (Reichsdeutsche) oder im Ausland (Auslandsdeutsche) wohnten. Zum anderen wurden Österreicher und die so genannten volksdeutschen Minderheiten anvisiert, die außerhalb des Reiches lebten und seit kürzerer oder längerer Zeit die Staatsbürgerschaft ihres – zumeist nichtdeutschsprachigen – Wohnsitzstaates angenommen hatten. In der zweiseitigen Logik eines jeden Identitätskonstruktes wurde diese Bewegung des Eingrenzens durch eine des Ausgrenzens ergänzt. In Betracht kam nur, wer nach den Kriterien des Regimes als ›rassenrein‹, ›gesund‹ und ›politisch zuverlässig‹ galt. Im zweiten Fall wurden Bücher bewusst als Instrumente der nationalen Bildlenkung eingesetzt, die ebenfalls als Teil der Identitätskonstruktion betrachtet werden kann, sich jedoch weniger auf die deutschsprachige Bevölkerung als vielmehr auf das nichtdeutschsprachige Ausland bezog. Die literaturpolitischen Instanzen verfolgten hier das Ziel, die Wahrnehmung anderer Länder und Gebiete durch die deutsche Bevölkerung mit den eigenen Interessen in Einklang zu bringen. Der Zweck dieser Praxis konnte entweder die Ausgrenzung des ›Anderen‹ als ›fremd‹ bzw. ›feindlich‹, die imperialistische Aneignung des ›Anderen‹ als ›eigen‹ oder aber eine Alternative zwischen diesen beiden Extrembeispielen sein. So gab es im nationalsozialistischen Schrifttum einerseits ausgesprochene Feindkonstruktionen (etwa das Russlandbild der Vorkriegszeit) und Konstruktionen der Assimilation (etwa die Vorstellung von Luxemburg4). Andererseits zeigen zahlreiche Beispiele, dass sich die NS-Führung aufgrund diverser Faktoren (z. B. tradierte Bilder und Stereotype, wirtschaftliche Interessen, historische Entwicklungen, militärische Realitäten und realpolitische Belange) zu erheblich komplizierteren Bildkonstruktionen als den Schwarz-WeißZeichnungen genötigt sah, mit denen die Diktatur häufig einseitig assoziiert wird. Zusätzlich zur strategischen Berücksichtigung dieser unterschiedlichen, bisweilen widersprüchlichen Interessen trugen auch die polykratische Machtstruktur des Regimes, das unzulängliche Zensursystem und die unkontrollierbare Wirklichkeit dazu bei, dass den Propaganda-Instanzen insgesamt nur wenige in sich geschlossene, einheitliche Darstellungen von Nationen oder Volksgruppen gelungen sind. Bildkonstruktionen von Ländern wie den Vereinigten Staaten, England, Frankreich und selbst Russland wurden von multiplen Gegensätzen zwischen literaturpolitischen An-

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Vgl. Paul Lesch: Heim ins Ufa-Reich? NS-Filmpolitik und die Rezeption deutscher Filme in Luxemburg 1933–1944. Trier 2002.

sprüchen und Publikumsgeschmack, Ideologie und Außenpolitik, kurzfristigen und langfristigen Zielen geprägt. Auch die Darstellung der ›germanischen Völker‹ (z. B. Norwegen, die Niederlande oder Flandern) war weniger die unvermittelte Spiegelung eines ideologischen Programms als vielmehr das Resultat von Aushandlungsprozessen zwischen verschiedenen Partnern, Realitäten und Interessen. Insgesamt wurde um das innen- wie außenpolitische Geschehen herum ganz bewusst ein literarischer Deutungsrahmen getischlert, dessen Funktion im Wesentlichen auf einem Gedanken beruhte: dass das Buch, und insbesondere die schöngeistige Literatur, der deutschen, großdeutschen oder auch germanischen Bevölkerung als Vorbild und Identifikationsfeld dienen konnte. Dieser Prozess wird im Folgenden fragmentarisch an ausgewählten literaturpolitischen Richtlinien und Initiativen, Buchempfehlungen und Verboten sowie an Beispielen aus schöngeistigem wie sachlichem, deutschem wie übersetztem Schrifttum dokumentiert. Behandelt werden in einer sich ausweitenden Bewegung die Konstruktion der deutschen und großdeutschen ›Volksgemeinschaft‹ (Kapitel 1.2.1.), des großgermanischen Reiches (Kapitel 1.2.2.) und schließlich das als Freund oder Feind konstruierte Ausland (Kapitel 1.2.3.). Bestimmende Verfahren wie die Gestaltung des Stoffes als ›Erlebnis‹, die funktionale Differenzierung zwischen Büchern und anderen Medien und die Differenzierung zwischen Fiktion und Nonfi ktion werden in einzelnen Kapiteln illustriert. Abschließend wird nach der Bedeutung des Buches für eine so zentrale Figur wie Propagandaminister Goebbels gefragt, wobei sich deutlich die Intentionalität des Büchereinsatzes für die Identitätsarbeit hervortut.

1.2.1. Der Umgang mit deutschen und deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen 1.2.1.1. Der Versuch der Vergemeinschaftung: Die deutsche ›Volksgemeinschaft‹ Die Buchförderungsarbeit der nationalsozialistischen Instanzen richtete sich in erster Linie auf das ›Zusammenschweißen‹ der deutschen Staatsangehörigen zur deutschen ›Volksgemeinschaft‹. Hans Hagemeyer betonte als Vertreter des Amts Schrifttumspflege, Partei und Staat hätten nach der Machtübernahme »sofort die eminente Bedeutung des Schrifttums« für die »Heranbildung eines einheitlich eingestellten Volkes« erkannt.5 Goebbels propagierte in seinen Reden die »Bedeutung des Buches als Waffe der Volksgestaltung«.6 Die »We r bu ng f ü r d a s Buch«, verkündete Heinz Wismann als Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer, sei besonders deshalb wichtig, weil sie die »w i r k s a m st e [ ] P r o p a ga n d a f ü r d ie Vol k sge m ei n s ch a f t« sei.7 Sowohl die thematische Bandbreite als auch die Gattungsvielfalt des Buchmediums – vom Fachschrifttum über das Sachbuch bis hin zu den verschiedenen belletristischen

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Hagemeyer: NSM 1938, S. 1050. Zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 849. Zitiert nach: [o.V.]: BDB 245 (20.10.1936), S. 911.

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Genres – machten es möglich, die verschiedensten Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und in verschiedenen Darstellungsformen zu behandeln. Das Verfahren der totalitären Differenzierung manifestierte sich darin, dass einzelne Gattungen auf ihre je eigene Weise zur Konstruktion der deutschen bzw. nationalsozialistischen Identität beitragen sollten: das politische Buch für unsere Weltanschauung, der Unterhaltungsroman für soziale Zustände oder irgendwelche Gesellschaftsformen, der geschichtliche Roman für die Vergangenheit unseres Volkes, Landschafts- und Tierbücher für die Vielfalt der Natur und ihrer Lebewesen.8

Eine ganze Reihe Subarten des Romans wurde in diesem Licht erfunden oder neu gedeutet mit dem Zweck, einzelne Themenbereiche und Lesergruppen gezielt anzusprechen. Genannt sei das ›Kraft durch Freude-Buch‹, das dem »neuen Typus des deutschen Schaffenden« zeigen sollte, wie er sich aus dem Erleben der Heimat und der Welt auf den unzähligen ›Kraft durch Freude‹-Reisen entwickelt. Ihn dichterisch zu gestalten, ist höchste Berufung des Schriftstellers, ihn auch durch das Buch kennenzulernen, Pflicht und höchstes Glück zugleich eines jeden einzelnen.9

Zur Verherrlichung der deutschen Körperkultur sollte es den ›Sport-Roman‹ geben, zur politischen Mobilisierung den ›SA-Roman‹, zur Festigung der propagierten rassekundigen und sittlichen Wunschvorstellungen den ›Rasse-‹, ›Bluts-‹ und ›Ehe-Roman‹, über und für die von der nationalsozialistischen Ideologie favorisierten Bevölkerungsgruppen ›Arbeiter-‹, ›Handwerker-‹, ›Bauern-‹, ›Jugend-‹ und ›Mutterromane‹.10 Zur ideologischen Domestizierung11 der modernen Realität nach nationalsozialistischem Verständnis wurden der ›Technik-‹ und der ›Großstadt-Roman‹ gefördert.12 Ferner bot sich das landeskundliche Schrifttum dem Regime als wirksames Mittel an, um »all das Große und Einzigartige« der einzelnen deutschen Landschaften »in der ganzen charakterlichen Eigenart und Einmaligkeit auszudeuten«13 und damit die Liebe des Lesers zur Heimat und zum Vaterland zu stärken bzw. diese Heimat erst zu konstituieren.14 Hellmuth Langenbucher wies 1934 auf die Eignung dieser Bücher hin, den deutschen ›Volksgenossen‹ über die Größe seiner Nation zu unterrichten:

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Boysen: BDB 211 (10.9.1940), S. 321. Heudtlaß: BuV 1 (1938), S. 5. Willy Heudtlaß war Pressereferent des Amtes Deutsches Volksbildungswerk. Hier kann exemplarisch das im Dritten Reich mehrmals herausgegebene Sammelwerk Das deutsche Frauenbuch genannt werden, aus dessen Beiträge »das Wesen und die Aufgaben der deutschen Frau in unserer Zeit klar und sauber zu uns sprechen« ([o.V.]: BuV 2 (1938), S. 26). Zum Begriff der ›Domestizierung‹ vgl. Seite 125, Fußnote 161. Zur Definition der genannten Romanarten: [H.] Langenbucher: BK 1939, S. 184–189. ul.: BDB 150 (30.6.1934), S. 585. Erhard Schütz hat am Motiv der Reichsautobahn in Literatur und Publizistik nachgewiesen, dass in Kontexten der ›Volksvergemeinschaftung‹ Heimatkenntnis immer mit Heimatkon-

Wieviele von den 65 Millionen des Reiches, oder gar von den 90 Millionen derer, die sich der deutschen Zunge bedienen, haben je in ihrem Leben Gelegenheit, schauend und horchend, über Auge und Ohr, unmittelbare Eindrücke aufzunehmen von all dem Besitz, den wir mit dem Gesamtbegriff Kultur bezeichnen? Alle sie jedoch, den Analphabeten und Geistesgestörten ausgenommen [!], haben die Möglichkeit, mittelbar aus dem Bericht, den das Buch ihnen darüber gibt, sich ein Bild vom Kulturbesitz und Kulturbestand ihres Volkes zu machen. Erst damit ist der Kölner Dom auch für den Königsberger da, der vielleicht Zeit seines Lebens nie die Möglichkeit hat, über die Grenze seiner engeren Heimat seinen Fuß zu setzen […].15

Zur Hebung des patriotischen Stolzes war auch die Form des Fotobandes besonders beliebt, weil dieser durch die »großen Fortschritte der technischen Mittel« etwas »vollkommen Neues und Eigenwertiges« biete:16 [Er] wird zum Mittler der Wirklichkeit, stellt den Beschauer und Leser mitten hinein in die Zeitgeschichte, gibt ihm Einblick in die Arbeit seines Volkes, läßt ihn teilhaben an den nationalen Feiern und großen Tagen der Nation, […] wird so zum Dokument einer großen, weitplanenden Zeit.

Groß herausgestellt wurden hier die Bände von Hitlers persönlichem Fotografen Heinrich Hoffmann,17 Bücher mit fotografischen Darstellungen der Reichsautobahn18 als Symbol des nationalen Stolzes und die Reihe Das Deutsche Volksgesicht der vielgerühmten Fotografin Erna Lendvai-Dircksen,19 die in ihren Porträts die Bevölkerung

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stitution einhergeht (vgl. Überheimat. Autoren erfahren die Reichsautobahn. In: Heimat, liebe Heimat. Hg. von Hermann Haarmann. Berlin 2004, S. 130ff.). H. Langenbucher: BDB 7 (9.1.1934), S. 22. Zum konzentrischen Heimatbegriff vgl. Kapitel 1.2.1.2. [o.V.]: Die Gegenwart im Bilde. Eine Anzahl neuer Bildbücher. In: Buch und Volk 1 (1938), S. 6. Die folgenden Zitate sind ebd. Hoffmann (1885–1957) arbeitete während des Ersten Weltkrieges als offizieller Fotograf des kaiserlichen Heers. Er trat 1920 der NSDAP bei und wurde im selben Jahr zu Hitlers persönlichem Fotografen ernannt. Hofmann trug im Dritten Reich den Titel des ›Reichsbildberichterstatters der NSDAP‹ und hatte Exklusivrechte an den Fotos des ›Führers‹. Zu seinen zahlreichen Bildbänden gehören Hitler in seinen Bergen (1935), Mussolini erlebt Deutschland (1937), Hitler baut Großdeutschland (1938), Hitler befreit Sudetenland (1938), Hitler in Böhmen, Mähren, Memel (1939) und Hitler holt die Saar heim (1939). Das Spektrum von Fotobänden zum Thema ›Autobahn‹ reichte von Zigarettenbilderalben bis hin zu staatlich geförderten Bildbändern wie Deutschlands Autobahnen – Adolf Hitlers Straßen, der vom ›Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen‹ herausgegeben wurde. Einer der bekanntesten Bildbände war Erna Lendvai-Dircksens Reichsautobahn. Mensch und Werk, der Autobahnaufnahmen mit Porträts von Arbeitern abwechselte und die Bilder mit Gedichten und poetischen Unterschriften versah (vgl. Erhard Schütz: ›Jene blaßgrauen Bänder‹ oder ›Anmut, Härte und Zielstrebigkeit‹. Die Reichsautobahn in Literatur und anderen Medien des ›Dritten Reiches‹. In: IASL online (2000) (30.4.2008); ders. / Eckhard Gruber: Mythos Reichsautobahn. Bau und Inszenierung der ›Straßen des Führers‹ 1933–1941. Berlin 1996. Zum Verhältnis von Lendvai-Dircksen und dem Nationalsozialismus vgl. Falk Blask / Thomas Friedrich (Hg.): Menschenbild und Volksgesicht. Positionen zur Porträtfotografie im Nationalsozialismus. Sonderheft der Berliner Blätter. Ethnographische und ethnologische Beiträge 36 (2005); Claudia Gabriele Phillip: Erna Lendvai-Dircksen (1883–1962). Ver-

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verschiedener deutscher Gaue als einheitliches Volk mit nordischen Rassenmerkmalen erscheinen ließ. Die Instrumentalisierung des Fotobuches für die Heimatbindung illustriert die für das Dritte Reich eigentümliche und immer wieder zur Geltung gebrachte Kombination von modernen Mitteln und reaktionären Absichten, von der Perfektionierung fotografischer Verfahren und deutschnationalistischen Zielen. Nicht zuletzt wurde für die patriotische Erziehung das Schulbuch20 hoch gewertet, weil es sich als Pflichtlektüre für Kinder und Jugendliche einsetzen ließ. Philipp Bouhlers Kampf um Deutschland. Ein Lesebuch für die deutsche Jugend, das beim Zentralverlag der NSDAP herausgegeben wurde und für die Schüler der Oberklassen aller deutschen Schulen vorgeschrieben war, war ein Musterbeispiel dafür, wie man die »deutschen Jungen und Mädel, die Träger der deutschen Zukunft« mithilfe des Buches »zu treuer Pflichterfüllung [anspornen] und sie […] im fanatischen Glauben an Volk und Reich und an den Führer [festigen]« wollte.21 Die Auflistung muss exemplarisch bleiben, kann aber nicht auf die Feststellung verzichten, dass bei der diskursiven Konstruktion einer solidarischen ›Volksgemeinschaft‹ noch eine zweite Form der Differenzierung, nämlich die zwischen sachlichem und schöngeistigem Schrifttum, wirksam war. Wie aus Buchkritiken, Richtlinien und Aussagen prominenter Literaturpolitiker hervorgeht, wurde insbesondere die Belletristik für geeignet gehalten, die innergesellschaftliche Aufspaltung des Volkes in Klassen, Arbeitswelten und Individuen zu überbrücken.22 Für diese Annahme gab es verschiedene Gründe. Zunächst leitete sie sich aus dem soziologischen Symbolwert der Dichtung im Dritten Reich ab. Die Diktatur rühmte sich, nicht nur das Buch an sich,23 sondern auch und vor allem die gehobene Dichtung wie auch andere Formen der gehobenen Kunst für alle Deutschen zugänglich gemacht zu haben. Ihre Behauptung, diese Kunst sei 1933 nicht länger das Vorrecht privilegierter Kreise, sondern ebenfalls ein Anrecht des Arbeiters geworden, machte sie zur Chiffre für die klassenlose nationalsozialistische ›Volksgemeinschaft‹ schlechthin: Höchste Dichtung und Kunst vermag […] alle Menschenschichten eines Volkes, über die Bildungsvoraussetzungen des einzelnen hinweg, zu erfassen. Webers »Freischütz«, auch manche Opern Mozarts, sogar Beethovens »Neunte« wie Wagners Musikdramen, an solchen Werken der Kunst kann ein gesamtes Volk teilnehmen. Auch im Schrifttum, in der

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schiedene Möglichkeiten, eine Fotografin zu rezipieren. In: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie 7 (1983), S. 39–53. Für die propagandistische Bedeutung des Lese- und Schulbuches im Dritten Reich sei auf die folgenden Studien verwiesen: Gisela Teistler (Hg.): Lesen lernen in Diktaturen der 1930er und 1940er Jahre. Fibeln in Deutschland, Italien und Spanien. Hannover 2006; Norbert Hopster / Ulrich Nassen: Literatur und Erziehung im Nationalsozialismus. Deutschunterricht als Körperkultur. Paderborn u. a. 1983; Peter Hasubek: Das deutsche Lesebuch in der Zeit des Nationalsozialismus. Hannover u. a. 1972. Zitiert nach: [o.V.]: BuV 5 (1938), S. 33. Zur Funktion der Literatur bei der Konstitution imaginierter Gemeinschaften vgl. u.a. Horst Turk / Brigitte Schultze / Roberto Simanowski (Hg.): Kulturelle Grenzziehungen im Spiegel der Literaturen: Nationalismus, Regionalismus, Fundamentalismus. Göttingen 1998. Vgl. dazu Kapitel 2.2.

Dichtung gibt es eine Fülle von Werken, die wir als Volksbücher, als Volksdichtungen ansprechen können.24

Darüber hinaus wurde dem schöngeistigen Buch ein größere Breitenwirkung als dem reinen, z. B. politischen Sachbuch zugestanden, die in der Nationalsozialistischen Bibliographie u. a. dadurch begründet wurde, daß die erfolgreiche Dichtung sich an die Breite des gesamten Volkes wendet, während das politische Buch häufig schon in seinen Voraussetzungen nur auf bestimmte Lesergruppen abzielt.25

Nicht zuletzt waren es die narrativen Darstellungsmöglichkeiten des fiktionalen Buches, die zum einen wesentliche Vorteile für eine ideologisch konforme Gestaltung der Realität boten, zum anderen beim Leser eine große Bereitschaft zur psychologischen Immersion in die dargestellte Welt erzeugten.26 Besonders gefördert wurde in dieser Hinsicht die Gestaltung prototypischer Figuren im schöngeistigen Buch, die es nicht nur zulasse, das abstrakte und legitimationsbedürftige Kollektiv konkret erfahrbar zu machen, sondern zugleich auch die Entfremdung und Individualisierung zu bekämpfen, die sich aus der zunehmenden Verstädterung und Liberalisierung der Gesellschaft ergeben habe. Das folgende Fragment aus dem vertraulichen LektorenBrief illustriert, wie diese Vorteile den Mitarbeitern der Rosenbergstelle anschaulich nahegelegt wurden: Volk, das sind auch die anderen, die etwas ganz anderes tun, die in einer ganz anderen Welt leben, wenn ihre Welten oft auch benachbart sind. Früher kannte der eine meist auch die Welt des anderen. Da war Nachbarschaft, Verpflichtung und Kameradschaft, heute in den riesigen Ausdehnungen der Großstädte ist sie meist nur ein Nebeneinander. Was kann nun den einen zum andern führen? Das dichterische Buch. Da liest der Arbeiter, wie der Bauer lebt und wie sein Tagewerk sich durch das ganze Jahr wandelt. Da liest der Bauer, wie der Arbeiter treu in seiner spezialisierten Tätigkeit ausharren muß. Da liest der Staatsmann, aus welchen Teilen sich die Energie des Volkes zusammensetzt, und der Gelehrte, wie der Soldat sein Handwerk erlernt. So begreifen sie nicht nur, was ihr Nebenmann und ihr Nachbar treiben, sondern auch, was in ihrem Volke vorgeht. Denn es geht ja in diesem Volke nicht nur das gemeinsame geschichtliche Schicksal vor sich, sondern auch die tägliche Sammlung aller Volksenergien in den verschiedenen Arbeitswelten und die Bildung von Familien, das Wachsen von Geschlechtern als Volkszellen. So wirkt die Volkskraft allerorten. Jeder beobachtet das täglich und nimmt von seiner eigenen Welt aus tätig und zuschauend zugleich daran teil. Aber in der Dichtung erlebt er erheblich mehr davon. […] So erkennt ein Volk in der Dichtung sich selbst, seinen Weg durch die Geschichte und seine Möglichkeiten, seine Kräfte und seine Schwächen. Das Volk erlebt in der Dichtung sich selbst.27

24 25 26 27

Rang: EL 5 (1943), S. 3. Karl Heinz Hederich: Zwei Jahre NS.-Bibliographie. In: NSB 1 (1938), S. VI. Vgl. Samuel Taylor Coleridges Prägung der ›willing suspension of disbelief‹. Westecker: LB 5–6 (1940), S. 5. Der seit 1938 veröffentlichte Lektoren-Brief (mit dem umständlichen Untertitel Vertrauliche Informationen des Amtes Schrifttumspflege bei dem Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP.) richtete sich an die Lektoren der Bücherkunde mit

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In diesem Kontext wurde insbesondere das schöngeistige Buch als ein »Symbol des Zusammengehörens«28 dargestellt bzw. metaphorisch als Brücke visualisiert: Eine »Brücke, über die der Lesende aus seiner Welt in die des andern, des Schreibenden hinüberwandert«,29 eine Brücke zwischen Generationen,30 eine Brücke zwischen Stadt und Land,31 kurz und gut Brücken, »die ein Volk nicht in einzelne Teile auseinanderfallen lassen, sondern die lebendige Verbindung der Glieder untereinander aufrecht erhalten« oder erst herstellen sollten.32

Abb. 8

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Kurznachrichten zum literarischen Leben, Informationen zum Zeitschriftenwesen sowie Mustergutachten, Dienstanweisungen und Arbeitsrichtlinien. Ruoff: EL 1 (1942), S. 15. Koch: BK 1937, S. 349. Hagemeyer: NSM 1938, S. 1050. [o.V.]: BK 1936, S. 26. Koch: BK 1937, S. 348.

Bücher wurden nicht nur für die Einigung der Deutschen innerhalb der Reichsgrenzen eingesetzt, sondern auch ausdrücklich als Mittel zur Stärkung der Verbundenheit über die politischen Grenzen des Reiches hinweg benutzt und propagiert. Vor dem Kriegsanfang waren dies die deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland lebten. Aktivitäten rund um das Buch, die für und durch diese Auslandsdeutschen organisiert wurden, wurden konsequent im Licht ihrer gemeinschaftsbildenden Bedeutung ausgewertet. Die deutschen Buchwochen, die ab 1935 auch im Ausland durchgeführt wurden, trügen dazu bei, »die große Gemeinschaft zu schließen«:33 »In allen Ländern und Erdteilen der Welt«, so Goebbels bei der Eröffnung der zweiten Buchwoche in Weimar, »finden sich deutsche Volksgenossen zusammen, um ihr Bekenntnis zum nationalen Geistesgut ihres Heimatlandes abzulegen.«34 Zum geförderten Schrifttum gehörten einerseits Bücher wie Bruno Brehms Größere Heimat. Auslandsdeutsche Erzählungen, das sich ausdrücklich mit dem Deutschtum im Ausland beschäftigte und damit nicht nur die Auslandsdeutschen ansprechen, sondern zugleich auch die Reichsdeutschen zum Bewusstsein des über die ganze Welt zerstreuten Deutschtums erziehen sollte. Andererseits mussten Bücher nicht unbedingt bestimmte Themen behandeln, um für die Heimatbindung brauchbar zu sein. Besonders für die im Ausland sich befindenden Deutschen wurde im Grunde ein jedes deutsche Buch für brauchbar gehalten, insofern es von einem ›erwünschten‹ Schriftsteller stammte und von den literaturpolitischen Lenkungsinstanzen nicht als Angriff auf das Regime erkannt wurde: Den Auslanddeutschen verbindet das Buch mit seinem Geburtslande; es schlägt für ihn die Brücke aus fernen Weltstädten, aus grenzenloser Einsamkeit zu den Menschen, die er zurücklassen musste. Es spricht seine Sprache, – auch die Sprache ist Heimat! Dem Wunsch nach dem Verbundenbleiben mit dem verlassenen Vaterlande entspringt die immer wiederholte Bitte: »Schickt uns Bücher, deutsche Bücher in die Fremde!«35

Mit Beginn des Krieges richtete sich die gemeinschaftsbildende Buchpropaganda darüber hinaus an die deutschen Soldaten an der Front. Im Mittelpunkt stand diesmal das Buch als »Bindeglied zwischen Heimat und Front«.36 Entsprechend der Dolchstoßlegende wurde propagiert, im Ersten Weltkrieg sei die deutsche Heimat »seelisch zermürbt« und eine »Stätte der Mutlosigkeit« gewesen, die die Front im Stich gelassen und so die Niederlage herbeigeführt habe.37 In diesem Krieg sollten die Soldaten spüren, dass die Nation unter nationalsozialistischer Herrschaft zu einem »Abwehrblock von nie gesehener Größe« emporgewachsen sei. Zu diesem Zweck

33 34 35 36 37

[o.V.]: BDB 53 (3.3.1936), S. 201. Zitiert nach: E. Langenbucher: BDB 252 (29.10.1935), S. 909. Charlotte Reinke: Das Buch – unsere geistige Heimat! In: BDB 47 (24.2.1933), S. 131. Stoffregen: BDB 177 (2.12.1943), S. 207. Dazu auch Kapitel 1.2.1.1. [o.V.]: BDB 208 (7.9.1939), S. 641. Die folgenden Zitate sind ebd. Die 1918 von Vertretern der Obersten Heeresleitung miterfundene Legende hatte zum Ziel, die Kriegsniederlage vom militärischen in den zivilen Bereich abzuschieben. Sie besagte, Deutschland sei ›im Felde unbesiegt‹ geblieben und habe erst durch ›vaterlandslose‹ Zivilisten aus der Heimat einen ›Dolchstoß von hinten‹ erhalten.

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wurden neben Radio und Feldpost auch das Buch als »starke Brücke zwischen Soldat und Heimat«38 eingesetzt, um den Truppen die Heimat vor Augen zu führen, für die es bis zum Tode zu kämpfen galt: Gerade in fremden Landen unter anders sprechenden Menschen wird jeder doppelt an seinem Vaterlande hängen. Wer könnte ihm seine Heimat wohl besser und eindrucksvoller vor seine Seele zaubern, ihm mehr Trost geben als ein deutsches Buch? Ihm ist ein Buch oft mehr, als er es mit Worten auszudrücken vermöchte. Er erlebt durch das Buch seine Heimat, Erinnerungen werden wach, und er bleibt dadurch noch fester seinem Vaterland verbunden.39

Besonders gefördert wurde in dieser Hinsicht die heimatgebundene Literatur, in der der Soldat die »vertrauten Klänge seiner Mundart wieder[ ]finden, seine Landsleute zu sich sprechen […] hören« konnte.40 Dabei gelang es den literaturpolitischen Instanzen durchaus, private Initiativen, die Lektürewünsche der Soldaten und die eigenen politisch-militärischen Interessen miteinander zu verbinden. Ein Beispiel bietet die Initiative des Sauerländischen Gebirgsvereins, der seine Mitglieder an der Front jährlich mit dem mehr als 100 Seiten starken Buch Euch grüßt die Heimat bedachte. Die Initiative spielte auf das bereits für den Ersten Weltkrieg dokumentierte Bedürfnis der Frontsoldaten an, Bücher zu lesen, die »die stille Heimat mit all ihrer Schönheit und alten, guten Sitten vor die Seele« evozierten.41 Die Parteiamtliche Prüfungskommission empfahl das Feldbuch in der Nationalsozialistischen Bibliographie ihrerseits als eine »[v]orbildliche, aus den Beiträgen rheinisch-westfälischer Künstler zusammengestellte Buchgabe«, die »vom Wesen der Heimat kündet und mit ihrem Reichtum an landschaftlicher Sonderart sich sinnvoll in den politischen Gesamtrahmen Deutschlands einfügt.«42 Nicht zuletzt trugen auch die bereits angesprochenen materiellen Vorteile des Mediums dazu bei, dass das Buch als ein »nicht zu unterschätzendes Bindeglied zwischen Front und Heimat«43 und ein »Zeichen der Liebe und Treue der Heimat«44 dargestellt werden konnte:

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Rede von Oberstleutnant Dr. Hesse vom Oberkommando der Wehrmacht über das Thema ›Soldat und Buch‹ auf der Arbeitstagung der Reichsschrifttumskammer, Gruppe Buchhandel (zitiert nach: [o.V.]: BDB 100 (30.4.1940), S. 170). Conradi: BDB 45 (10.6.1944), S. 94. Ebd., S. 93f. Aus: Aus dem Felde. Beilage zum Münsterschen Anzeiger 1915–1916 (zitiert nach: Inge Ehringhaus: Lektüre unserer Frontsoldaten im Weltkriege. Berlin 1941, S. 125). Ehringhaus hält in ihrer 1941 erschienenen Studie für den Zeitraum 1914–1918 fest, dass jede Stadt und jeder Gau in Deutschland die Truppen mit Büchern der eigenen Heimatautoren versorgt hätten, weil besonders diese »zu ungezählten gelesen« wurden: »[U]nbekannt der Verfasser, unwichtig der Grad der dichterischen Gestaltung, war nur die Heimat mit ihren Namen und ihrer Sprache darin.« (ebd.). [o.V.]: NSB 6–8 (1943), S. 19. Boysen: BDB 57 (22.7.1944), S. 127. Felchner: BDB 59 (11.3.1941), S. 88. Das folgende Zitat ist ebd.

Je weiter der deutsche Soldat sich räumlich von der Heimat entfernt hat, desto tiefer und fester sind die seelischen Bände zu ihr geworden. Neben dem Foto der Angehörigen, einem Bild etwa des Siedlungshäuschens oder der Vaterstadt bleibt und wird bleiben als sichtbarstes Sinnbild dieser unlöslichen Verbundenheit: d a s d e u t s ch e Bu ch .

Dabei wurde die emotionale Bedeutung des Mediums systematisch auf den Vorplan gerückt. Buchstäblich wurde das Buch zum immertreuen Weggefährten des Frontsoldaten stilisiert, der die Erlebnisse seines Besitzers teilte und ihm beratend, tröstend, zur Besinnung oder auch nur zur Ablenkung zur Seite stand: Als Spiegelbild der Heimat und ihres Wollens, als Ausdruck des persönlichen Gedenkens der Angehörigen ist das deutsche Buch an die Fronten gewandert, hat dem Feldgrauen die Wochen des Stillstandes verkürzen helfen, hat den beispiellosen Vormarsch im Tornister mitgemacht und ist wieder zum vertrauenswürdigen Gefährten geworden im fremden Land, wo es den Deutschen in den altvertrauten Lauten der Heimat anspricht. Jeder, der draußen war und ist, und jeder, der einen lieben Menschen draußen weiß, kennt die Bedeutung des Buches für gerade unsere Zeit.45

Die in diesem Kontext gängige Profilierung des Buches als Begleiter46 oder gar Freund47 war offenkundig mehr als ein bloß rhetorischer Spruch. Insofern sie als authentisch und nicht als weitere Fabrikate der Propagandamühle betrachtet werden können, deuteten die in der Presse abgedruckten Soldatenbriefe darauf hin, dass die Darstellung des Buches als Freund einem real existierenden Gefühl entsprach: Das war ein froher Augenblick unter uns Kameraden, als wir an jenem Morgen mit ihrer Zusendung überrascht wurden. Nichts haben wir bis jetzt so sehr vermißt als das gute Buch, das dem Soldaten an der Front schon immer ein guter Freund gewesen ist. An den augenblicklich langen Abenden werden uns Ihre Büchlein, die Sie uns in herzlicher Freundschaft zugedacht haben, besonders köstliche Kurzweil bereiten.48

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Kuno Felchner: Propaganda-Aktion ›Buch-Feldpostsendungen‹. ›Sendet Bücher an die Front‹ – Ein Überblick über die Dritte Buch-Feldpostliste und die damit verbundene Werbeaktion. In: BDB 59 (11.3.1941), S. 88. Diese Rhetorik wurde auch von Goebbels selbst verwendet. In seiner Rede Deutsches Schrifttum im Lärm der Waffen am 11. Oktober 1942 hieß es, der Minister habe selten »so stark wie heute an der Schwelle des vierten Kriegsjahres das Bedürfnis, mitten im Lärm der Waffen mich zur geistigen Arbeit zu bekennen. Ich weiß nicht, was ich ihr vor allem in den vergangenen drei Jahren persönlich zu verdanken habe. Wie oft greift man in späten Nachtstunden nach einem arbeitserfüllten und zersorgten Tag zum Buch, dem treuesten Weggenossen durch eine schwere Zeit! Es gibt einem geistig schaffenden Menschen, der Gefahr zu laufen droht, im ewigen Kampf des Alltags sich selbst zu zerfasern, doch immer wieder die Kraft, den Blick über die Beschwernisse einer spannungüberladenen Zeit hinweg nach den ewigen Sternen zu richten!« (Zitiert nach Goebbels: Der steile Aufstieg, S. 28.) Der Freundtopos geht zurück auf eine lange Tradition, wie u. a. das Vorwort von Goethes Leiden des jungen Werthers illustriert: »Und du, gute Seele, die du eben den Drang fühlst wie er, schöpfe Trost aus seinem Leiden, und laß das Büchlein deinen Freund sein, wenn du aus Geschick oder eigener Schuld keinen nähern finden kannst!« Eine Untersuchung der Verwendungsgeschichte dieses Topos steht bislang noch aus. Willi Lorch: Wie Bücher an der Front empfangen werden. Ein Bericht nach Soldatenbriefen. In: Bücherkunde 2 (1940), S. 34.

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Insgesamt führte die Eignung des Buches als identitätsstiftendes Instrument dazu, dass das Medium an sich zur ›Heimat‹ hochstilisiert wurde. Dem Reichs- wie Auslandsdeutschen sei das Buch »eine Heimat, die wir unverändert wieder vorfinden, wann immer wir uns ihr nähern«,49 dem deutschen Soldaten ein »Stück Heimat, das beim Lesen wieder lebendig wird und neue innere Kräfte schenkt!«.50 Die Heimatmetapher verband das Buch – genauso wie die des Freundes – mit Eigenschaften, die seinen symbolischen Wert weit über den der anderen Medien erhob. Sie stellte eine starke gefühlsmäßige Bindung zwischen Buch, Leser und Kollektiv her, die sich für die Konstruktion der ›Volksgemeinschaft‹ als äußerst brauchbar erwies. 1.2.1.2. Der Versuch der Assimilation: Das großdeutsche Reich Die Stilisierung des Buches zur ›Heimat‹ ließ sich nicht nur für die Einigung der deutschen Staatsangehörigen, sondern auch für die imperialistischen Ambitionen der Diktatur in Anspruch nehmen. Das typisch vormoderne, romantische Konzept ›Heimat‹ bot der Propaganda die Möglichkeit, territoriale Ansprüche in einer Gefühlsbasis zu verankern und auf diese Weise Verbundenheiten über die politischen Grenzen hinweg zu etablieren. Im Dritten Reich wurde dieses Potential maximal ausgenutzt und ›Heimat‹ als ein expansiver Begriff verstanden, der, wie Erhard Schütz festgestellt hat, »nicht nur von Erhaltung oder Wiederherstellung«, sondern auch und vor allem »von Herstellung und Aneignung« ausging.51 Die zwischen 1933 und 1945 stark geförderte Heimatkunde hatte demgemäß nicht nur das »viel zu enge Gebiet« zum Gegenstand, »in das uns die politischen Grenzen einzwängen«, sondern »auch alle die Gebiete, in denen Deutsche wirkten und wirken, in denen deutsche Kulturtaten geschahen, also die Gebiete des Grenz- und Auslandsdeutschtums«.52 Im Einklang mit diesem Verständnis wurde im parteinahen Diskurs nicht mit einer einfachen Heimatdarstellung, sondern mit einer mehrschichtigen, konzentrischen Darstellung der ›engeren‹ und der ›größeren‹ Heimat operiert. Wenig problematisch war dies, wenn Deutschland als die ›größere Heimat‹ der deutschen Gaue, etwa des Rheinlands oder Bayerns, bezeichnet wurde. Gleichermaßen akzeptabel war es, wenn Deutschland als ›größere Heimat‹ für die Überseedeutschen etwa in Südamerika galt, wie das oben genannte Büchlein von Brehm illustriert. Heikler wurde der Begriff der ›größeren Heimat‹ in Bezug auf die deutschsprachigen Minderheiten, die seit dem Versailler Vertrag in nichtdeutschsprachigen Staaten eingebunden waren, so wie die Sudetendeutschen (die von 1919 bis 1938 Einwohner der Tschechoslowakei waren), die Memeldeutschen (die von 1924 bis 1939 zu Litauen gehörten), die Südtiroler (die von 1919 bis 1939 italienisch waren) oder die Bewohner der Gebiete Eupen, Malmedy und Sankt Vith (die von 1919 bis 1940 belgisch waren), wenn auch bei diesen Gruppen eine reale Sehnsucht nach dem Deutschen Reich existierte. Ebenso kritisch

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Reinke: BDB 47 (24.2.1933), S. 131. Martin: BDB 214–215 (22.9.1942), S. 199. Schütz: Überheimat, S. 132. [o.V.]: BK 1936, S. 182f.

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wurde es, als sich der Heimatgedanke auf die seit Generationen ausgewanderten Deutschen wie u. a. die in der damaligen Sowjetunion ansässigen Wolhynien- und Wolgadeutschen oder die in Estland und Lettland lebenden Baltendeutschen bezog. Offen imperialistisch klang es, als auch ein Gebiet wie Flandern als ›engere Heimat‹ dargestellt wurde und Deutschland als das implizit mitgedachte oder ausdrücklich erwähnte größere Pendant galt.53 Durch diese mehrschichtige Heimatauffassung eigneten sich die deutschen Machthaber ein Heimatrecht auf ein weit über Deutschland hinausgehendes Gebiet zu, was auch in der engen Verbindung von Heimat und Buch zum Ausdruck kam. Vor diesem Hintergrund legte im Sommer 1939 ein Roman-Preisausschreiben des Völkischen Beobachters möglichen Teilnehmern nahe, »gerade in einer Zeit der sich bildenden deutschen Volksgemeinschaft« lasse sich »das Schicksal bestimmter Menschengruppen in dichterischer Gestaltung formen«.54 Das Beispiel war exemplarisch für den Versuch der Diktatur, mithilfe von Preisen, Richtlinien, Kritiken und Buchwerbung sowohl fiktionale als auch Sachbücher zu fördern, die politisch relevante Bevölkerungsgruppen außerhalb des Reiches thematisier ten. Welche Gruppen zu welchem Zeitpunkt für das Regime von aktueller Bedeutung waren, verraten die Literaturteile der Zeitungs- und Zeitschriftenpresse. Bücher, die Österreich und deutsche Minderheiten im nichtdeutschsprachigen Ausland auf regimekonforme Weise thematisierten, bildeten nach 1933 einen spürbaren Anteil der Buchempfehlungen und hatten Konjunktur besonders dann, wenn das jeweilige Gebiet Gegenstand der Angliederung oder Umsiedlung wurde. Freilich war dieser außenpolitisch bedingte Aufschwung des volksdeutschen Schrifttums nicht nur auf propagandistische Anstrengungen des Regimes zurückzuführen. Ebenso sehr waren es die Verlage selbst, die sich auf die außenpolitisch immer aggressiver werdende Rhetorik des NS-Regimes einstellten. Ihre Anpassungsbereitschaft hatte verschiedene Gründe. Zunächst lohnte es sich kommerziell, die Buchproduktion auf das Interesse der Bevölkerung an den aktuellen Geschehnissen auszurichten. Dazu bot der Rückgriff auf volksdeutsche Autoren den Verlegern die Gelegenheit, den Engpass an ›erwünschten‹ Autoren auszugleichen, deren Anzahl sich durch die NS-Literaturpolitik spürbar verkleinert hatte. Besonders für völkisch-konservative Verlage spielten darüber hinaus auch ideologische Überzeugungen eine Rolle. Mit dem erweiterten Verlagsprogramm wollten sie »Zeugnis geben von der geistigen Verbundenheit, die die Deutschen über alle politischen Grenzen hinweg vereint«.55 Was auch immer der dahinterliegende Gedanke war, die Eigeninitative der Verlage spielte den Lenkungsinstanzen in die Hände. Parteinahe Organe nutzten die Buchproduktion sowohl vor als auch nach den Angliederungen der betreffenden Gebiete, um die Bevölkerung zum großdeutschen Gedanken zu erziehen und die Legitimität eines großdeutschen Reiches zu rechtfertigen.

53 54 55

Zur Darstellung der Flamen im Dritten Reich vgl. Kapitel 1.2.2. [o.V.]: BDB 150 (1.7.1939), S. 531. Als Beispiel wird hier ein Zitat aus dem Arbeitsbericht des Eugen Diederichs Verlages vom Herbst/Winter 1937 angeführt (zitiert nach: Florian Triebel: Kultur und Kalkül. Der Eugen Diederichs Verlag 1930–1949. Konstanz 2001, S. 170).

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Im Vorfeld der geplanten Angliederungen dienten die Empfehlungen dieses Schrifttums vornehmlich dem Zweck, den Reichsdeutschen die schwierige Lage der deutschen Minderheiten im Ausland nahezubringen und die Bedeutung des Buches in ihrem Kampf gegen die ›Überfremdung‹ zu betonen. Im Herbst 1935 erklärte Wilhelm Westecker programmatisch auf der Woche des Deutschen Buches: Dem Deutschen in Siebenbürgen oder im Banat, in der Tschechoslowakei oder in Österreich, in Memel oder in Oberschlesien, im Baltikum oder gar an der Wolga, in Südtirol oder in Ungarn, Südwestafrika und in Südamerika, in den Vereinigten Staaten und im Fernen Osten ersteht in einem deutschen Buch nicht nur ein Bild der Heimat. Mit diesem Buch kommt auch die Kraft und die Seele des deutschen Volkes zu ihm, was ihm draußen Halt gibt und verhindern hilft, daß deutsches Blut in fremdes Volkstum versickert.56

Auffällig und gleichzeitig auch typisch in solchen Äußerungen war der Hegemonialanspruch, der im literarischen Diskurs in der Regel offener zum Ausdruck kam als in der zeitgenössischen politischen Berichterstattung.57 Eine Rede über die Bedeutung des Buches im deutschsprachigen Ausland wird hier geschickt als Anlass genutzt, um in tempore non suspectu neben den im Ausland lebenden deutschen Staatsbürgern auch die Volksdeutschen und sogar die Österreicher als ›Deutsche‹ zu bezeichnen und Deutschland als ihre Heimat darzustellen. Nach Beginn der Angliederungen wurde das Buch verstärkt als Komplement zur deutschen Expansionspolitik dargestellt. Im Herbst 1938 machte Goebbels diese Komplementarität unter dem Leitspruch »Buch und Schwert« zur Direktive der deutschen Innen- und Außenpolitik. Die Losung kam zu einem strategischen Zeitpunkt, als Österreich und die Sudetendeutschen an das Dritte Reich angegliedert worden waren und das Regime mehr denn je das Bedürfnis spürte, seine Expansionspolitik kulturell auszugleichen.58 Zugleich reflektierte sie die Erkenntnis, dass für eine erfolgreiche Annexion nicht nur die jeweiligen Gebiete militärisch erobert, sondern auch die Einwohner geistig »zurückgewonnen und heimgeführt werden« mussten.59 Hans Friedrich Blunck, Altpräsident der Reichsschrifttumskammer, verdeutlichte am 10. Mai 1941, dem ersten Jahrestag der Offensive im Westen, erst die […] großen künstlerischen Leistungen […] halten fest und binden, da wo Schwert und Währung allein nicht genügen und niemals genügen werden. Aufgabe des deutschen Buches ist es, das innere Recht unserer Lage zu erweisen.60

In seiner Rede Deutsches Schrifttum im Lärm der Waffen am 11. Oktober 1942 erklärte Goebbels in ähnlichem Sinne, das deutsche Buch werde in den »neugewonnenen Gebieten« deshalb eingesetzt, weil »dadurch mehr als durch alles andere die

56 57 58 59 60

Westecker: BDB 194 (22.8.1935), S. 681. Das folgende Zitat ist ebd. Vgl. die Bitten um Zurückhaltung bei den Pressekonferenzen (Hans Bohrmann (Hg.): NSPresseanweisungen der Vorkriegszeit. Bde. 1–7 (Teile). München u. a. 1984–1993). Vgl. Seite 59. Enderwitz: NSM 1941, S. 238f. Bedeutsam ist hier die Verdopplung des Possessivpronomens. Blunck: BDB 107 (10.5.1941), S. 6 [eigene Hervorhebung].

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innere Gewißheit des Sieges« gegeben sei.61 Im deutschen Zusammenhang erinnern diese und ähnliche Zitate an die ins neunzehnte Jahrhundert zurückreichende Idee einer Kulturnation62 als Voraussetzung für die Konstituierung der politischen Nation. Hier wie da erwies sich der Rekurs auf die Kultur als notwendig zur Untermauerung der politischen Bestrebungen.63 Freilich waren die Binäroppositionen ›innen – außen‹, ›Recht – Unrecht‹ und ›eigen – fremd‹ im nationalsozialistischen Diskurs rassisch und sozialdarwinistisch motiviert, und die Aufgabe des Buches bestand darin, die weit reichenden Implikationen dieser Gegensätze zu legitimieren. Globaler genommen ist es eine in der Nationalismusforschung mittlerweile geläufige These, dass bei der Herausbildung von Nationen der Kultur und insbesondere der Literatur eine besondere Bedeutung zukommt.64 Wie diese Komplementarität von Politik und Schrifttum im Dienste des großdeutschen Reichs konkret aussah, wird im Folgenden summarisch an den Angliederungen der Saarländer, Österreicher, Sudetendeutschen und Russlanddeutschen illustriert. Im Anlauf zur Saarabstimmung 1935, die über die staatliche Zugehörigkeit des Saargebietes entscheiden sollte, wurden auffallend viele Werke besprochen, die »dem Leser ein starkes Erlebnis des Kampfes an der deutschen Saar« verschafften.65 Es waren in der Hauptsache Bücher, die in der Literaturpolitik als eine »Waffe im Saarkampf« dargestellt werden konnten und entweder die »Knebelung des Saargebietes« behandelten, die »unbedingte Deutschheit« seiner Bevölkerung herausstellten

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Zitiert nach: Joseph Goebbels: Der steile Aufstieg. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1942/43. München 1944, S. 28 [eigene Hervorhebung]. Zersplittert in eine Vielzahl von Staaten, mit einer ethnisch gemischten Bevöl kerung besonders im Osten sah sich Deutschland im 19. Jahrhundert mit Problemen konfrontiert, die seiner Entwicklung zum Nationalstaat im Wege standen. Herausgegriffen seien die Frage nach den Außengrenzen des deutschen Siedlungsgebietes, die Kriterien der Zugehörigkeit zum ›deutschen Volk‹ und die Legitimierung der ›deutschen Nation‹. Zentral in diesem Problemkomplex war und blieb auch weiterhin die Kluft zwischen vorhandenem Staat und angestrebter Nation (u.a. Ernest Gellner: Nations and Nationalism. Oxford 1993, S. 6). Das Konzept der deutschen ›Kulturnation‹, die mangels eines staatlichen Rahmens in erster Linie auf einer gemeinsamen Sprache beruhen sollte, vermochte diese Inkongruenz nicht zu beseitigen. Die ›deutsche Frage‹ blieb bis in die jüngste Gegenwart aktuell (vgl. u.a. Sebastian Haffner: Die deutsche Frage 1950–1961. Von der Wiederbewaffnung bis zum Mauerbau. Frankfurt/M. 2003; Andreas Hillgruber: Deutsche Geschichte 1945–1986. Die ›deutsche Frage‹ in der Weltpolitik. Stuttgart u. a. 1995; Wolf D. Gruner: Die deutsche Frage in Europa 1800–1990. München, Zürich 1993; Imanuel Geiss: Die deutsche Frage 1806–1990. Mannheim u. a. 1992. Vgl. Kapitel 3.3.1.2. Diese These geht auf die Feststellung zurück, dass die Entwicklung von Nationen und nationalen Bewegungen mit einer rein kulturellen, literarischen Phase (Miroslav Hrochs Phase A) einsetzt und die Konsolidierung neu gegründeter Staaten mit dem Streben nach einer nationalen Literatur einhergeht. Führende Historiker wie Benedict Anderson, Ernest Gellner und Eric Hobsbawm haben diese Kongruenz vom politischen und kulturellen Prinzip als Inbegriff dessen bestimmt, was eine Nation sei. 5187: BK 1934, S. 41.

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oder möglichst wirkungsvoll das »Gefühl der Verbundenheit« zwischen »unserer Saar« und dem deutschen Volk hervorhoben.66 In Fachblättern wie dem Börsenblatt wurde die Saarabstimmungspropaganda augenfällig durch Stimmungsmache per Countdown (›Noch 8 Tage‹, ›Noch 5 Tage‹, ›Noch 3 Tage zur Saarabstimmung!‹), einschlägige Gedichte von Parteidichtern wie Adolf Bartels und Verzeichnisse des Pfälzischen und Saarländischen Schrifttums unterstützt. Nachdem die Abstimmung zugunsten des Reiches ausgefallen und die Saar zurückgegliedert worden war, rückten die Lenkungsinstanzen das ›Westmarkbuch‹ in den Mittelpunkt der literarischen Aufmerksamkeit. Unter dem Leitspruch ›Hört die Stimme der Westmark!‹ organisierte das Propagandaministerium u. a. die ›Ehrentage der pfälzisch-saarländischen Dichtung‹,67 die im ›Altreich‹ mithilfe von Ausstellungen, Literaturpreisen und Dichterlesungen für die »wertvollsten Buchveröffentlichungen von Pfalz und Saar«68 werben sollten. Umgekehrt wurden Verleger aufgefordert, den saarländischen Buchhändlern einen »Saar-Rabatt« einzuräumen, um das neue Reichskommissariat besser mit dem reichsdeutschen Buch bekannt zu machen.69 Solche Aktionen wurden durch den Hinweis auf die exponierte Stellung des Buchhändlers im Saarkampf unterbaut. Der saarländische Buchhandel sei »auf vorgeschobenem Posten und in schwieriger Lage während der 15-jährigen Trennung vom Reich seiner Aufgabe treu geblieben« und habe einen »wesentliche[n] Teil zur lebendigen Bewährung des deutschen Gedankens beigetragen«. Spätestens 1937 drängte sich das Schrifttum über Österreich in den Vordergrund des literarischen Interesses. Zeitschriften machten ihre Leser mit der ›deutschen Ostmark‹ und ihrer Literatur vertraut, Verlage stellten ihre Verlagsproduktion auf den beabsichtigten ›Anschluss‹ ab. Besonders aktiv zeigte sich in dieser Hinsicht der Eugen Diederichs Verlag.70 Bereits im Dezember 1935 schaltete er sich in die kulturpolitische Aufbauarbeit in Österreich ein. Er verkaufte dem in Wien ansässigen ›Büro‹, das für die kulturelle Vorbereitung des ›Anschlusses‹ zuständig war,71 zu stark reduzier-

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5187: BK 1934, S. 41; 769, BK 1934, S. 41. Vgl. Kölsch: BDB 70 (23.3.1935), S. 238–240; Rupp: BDB 76 (30.3.1935), S. 261f. Vgl. [o.V.]: BDB 62 (14.3.1935), S. 212–214. [o.V.]: BDB 108 (11.5.1935), S. 372f. Die folgenden Zitate sind ebd. Die Besprechung des Eugen Diederichs Verlages basiert großenteils auf Florian Triebels Dissertation über die Geschichte des Verlages zwischen 1930 und 1949. Es geht hier um das in Österreich ansässige ›Büro Megerle‹, das nach außen hin unabhängig war und über die Wiener Gesandtschaft agierte, in Realität jedoch von der NSDAP, dem Propagandaministerium und dem Auswärtigen Amt finanziell unterstützt wurde. Karl Megerle hatte sich seit 1931 als außenpolitischer Journalist auf Österreich spezialisiert. Er wurde 1934 von Goebbels als Österreich-Referent in das Propagandaministerium berufen. Als Attaché in Wien bestand seine Aufgabe in der »geistige[n] Beeinflussung vom Reiche her« durch die »Aufrechterhaltung und Förderung der kulturellen und geistigen Beziehungen zwischen dem Reiche und Österreich« (zitiert nach: Klaus Amann: Zahltag. Der Anschluß österreichischer Schriftsteller an das Dritte Reich. Bodenheim 1996, S. 120; vgl. Triebel: Kultur und Kalkül, S. 175 u. 302; Amann: Zahltag, S. 120–130). Goebbels erwähnte 1937 in seinen Tagebüchern verschiedene Male die »getarnte Propaganda in Österreich« (5.5.1937), die u. a. über den Weg des Fremdenverkehrs laufe (13.8.1937).

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ten Preisen »wertvolle nationale Bücher« von Erich Edwin Dwinger, die daraufhin an »mittellose Parteikameraden und Kämpfer« der in Österreich verbotenen Nationalsozialistischen Partei verteilt wurden.72 Im Frühjahr 1937, als die künftige Ausdehnung des reichsdeutschen Hoheitsgebiets immer offensichtlicher wurde, schickte der Verlag einen auswärtigen Lektor nach Wien mit der Aufgabe, Beziehungen zu volksdeutschen Autoren zu knüpfen und neue Absatzmöglichkeiten zu erkunden. Wenige Monate später brachte das Verlagshaus volksdeutsche Romane und Erzählungen mit deutlich deutschnationaler Gesinnung auf den Markt. Parallel dazu gründete es die Reihe Österreichdeutsche Schriften mit dem ausdrücklichen Zweck, deutsche und österreichische Leser auf die »Erfüllung des geschichtlichen Auftrages, die dem Deutschtum heute im Rahmen des Gesamtvolkes zukommt«,73 einzuschwören. Nach dem ›Anschluss‹ wurde die Reihe aktualitätsgemäß in Ostmark-Schriften umbenannt und eingestellt, sobald die noch in Produktion befindlichen Bände veröffentlicht waren: Das Ziel dieser Schriften, die Eingliederung der ›Ostmark‹ vorzubereiten, war erfüllt. In literarischen Zeitschriften wurde gebührend betont, »v iele, s e h r v iele ö st e r r eich i s ch e Na t io n a l soz i a l i st e n wären z u s a m m e ngeb r o ch e n , h ä tt e n sie d a s d eut sche Buch n icht ge h a bt .«74 Der Tatsache eingedenk, dass Schwert und Währung nicht genügten, um ein Verbundenheitsgefühl zu schaffen,75 wurde forthin auf konsolidierendes Schrifttum gesetzt. Exemplarisch ist hier der vom Zentralverlag der NSDAP publizierte Gedichtband von Heinrich Anacker unter der Überschrift Ein Volk – ein Reich – ein Führer. Gedichte um Österreichs Heimkehr zu nennen, der »die alle ergreifende Begeisterung und de[n] Dank aller Deutschen« zum Ausdruck bringe. Dem Verfasser sei es gelungen, so die Bücherkunde in lobendem Ton, die »Erfüllung einer tausendjährigen Sehnsucht« in Strophen zu bannen und das »geschichtliche Geschehen für kommende Zeiten zu bewahren«.76 1938 stand neben Österreich auch die Tschechoslowakei, genauer der »unmittelbar ans Reichsgebiet anschließende sudetendeutsche Raum« und seine »größte geschlossene deutsche Volksgruppe in Europa«77 im Mittelpunkt des Interesses. Die kulturpolitische Propaganda zum Sudetenland hatte bereits einige Jahre zuvor begonnen. In einer Presseanweisung hatte das Propagandaministerium am 16. Dezember 1936 z. B. ausdrücklich auf Kurt Vorbachs78 Buch 200.000 Sudetendeutsche zuviel! Der tsche-

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Karl Megerle (zitiert nach: Triebel: Kultur und Kalkül, S. 302). Aus dem Verlagsprospekt Bücher der Deutschen Ostmark im Eugen Diederichs Verlag vom April 1938 (zitiert nach: Triebel: Kultur und Kalkül, S. 303). Dr. L.: BuV 5 (1938), S. 1. Vgl. die Aussage von Hans Friedrich Blunck auf Seite 102. [o.V.]: BK 1939, S. 320. Schönfelder: BK 1938, S. 578. Kurt Vorbach war Pseudonym für Karl Viererbl (1903–1945), der von 1934 bis 1939 Redakteur beim Völkischen Beobachter war, 1935 Lektor der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutz des deutschen Schrifttums wurde und dazu als Mitarbeiter beim SS-Organ Schwarzes Korps tätig war. Er trat 1937 der NSDAP und 1938 der SS bei. 1943 wurde er Honorarprofessor für Zeitungswissenschaft der Deutschen Karls-Universität Prag (Klee: Kulturlexikon, S. 631).

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chische Vernichtungskampf gegen 3,5 Millionen Sudetendeutsche und seine volkspolitischen Auswirkungen aufmerksam gemacht und die Pressevertreter gebeten, das Werk möglichst bald zu besprechen. Es biete »authentische[s] Quellenmaterial, das der Welt in aller Eindringlichkeit zeigt, was sich hinter dem Vorhang einer gerissenen tschechischen Propaganda abspielt«.79 Das Buch wurde im selben Monat in der Nationalsozialistischen Bibliographie als eine »scharfe Anklage gegen ein unhaltbares politisches System« empfohlen.80 Als das sudetendeutsche Thema anderthalb Jahre später akut wurde, häuften sich die Hinweise auf Bücher, die »in leidenschaftlicher Anklage […] auf die Not und den Kampf der Sudetendeutschen hinwiesen« und der Absicht der kulturpolitischen Propaganda dienten, »i m m e r w ie d e r i n d ie H e r z e n z u t r o m m el n , d a ß m e h r a l s d r ei M i l l io n e n D eu t s c h e u m i h r L eb e n, u m i h r Re cht k ä mpf t en.«81 In Büchereien sensibilisierten Aushänge und zur Schau gestellte Bücher für die leidvolle Lage der Sudetendeutschen. Plakate mit dem Text »200.000 Sudetendeutsche zuviel. Das Deutschtum in der Tschechoslowakei« (vgl. Abbildung 9) und wiederholte Buchempfehlungen wiesen auf den erneuten Einsatz von Vorbachs Werk ein Jahr nach seinem ersten Erscheinen.82 Inzwischen hatten verschiedene Verlage ihr Interesse bereits auf die Vorbereitung neuer Annexionen gerichtet. Diederichs, um bei diesem exemplarischen Beispiel zu bleiben, plante zur geistigen Vorbereitung der sudetendeutschen ›Heimkehr‹ eine Sudetendeutsche Schriftenreihe, wurde dabei jedoch durch die politischen Ereignisse überholt.83 Am 30. September 1938, bevor der erste Band der Reihe erscheinen konnte, unterschrieben Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland das Münchener Abkommen, das Hitler die Zustimmung zur Annexion des Sudetenlandes an das Deutsche Reich gab.84 Der Verlag stellte sich alsbald von der Vorbereitung der Annexionen auf ihre Nachbereitung um und verschrieb sich dem Ziel, »der überwundenen politischen Zersplitterung nun auch geistig eine neue großdeutsche Einheit folgen zu lassen«.85 Mit seiner Programmsparte über die neuen Reichsdeutschen trug Diederichs, genauso wie etwa die deutsch-nationalistischen Verlage Langen-Müller und Brunnen,86 von sich aus zu den Bestrebungen der Lenkungsinstanzen für die Festigung einer großdeutschen Identität bei. 79 80 81 82 83 84

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ZSg. 101/8/425/Nr. 1388. In: Bohrmann: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, S. 1567f. [o.V.]: NSB 12 (1936), S. 12. Langen: BDB 221 (22.9.1938), S. 736. In der Nationalsozialistischen Bibliographie wurde das Buch im November 1938 ein zweites Mal empfohlen. Triebel: Kultur und Kalkül, S. 174. Das Sudetengebiet, der deutschsprachige Teil des Königreichs Böhmen, war seit 1919 Bestandteil der Tschechoslowakei. Die sudetendeutsche Bevölkerung war spätestens seit den dreißiger Jahren mehrheitlich für die Angliederung an das Deutsche Reich. Dies erleichterte es der nationalsozialistischen Propaganda, die Annexion im Herbst 1938 als eine ›Befreiungstat des Führers‹ darzustellen (vgl. Presseanweisung vom 11.11.1938: »Die Presse moege nicht von einem besetzten Sudetenland, sondern nur von einem befreiten reden.«). Arbeitsbericht des Verlages vom Herbst/Winter 1938 (zitiert nach: Triebel: Kultur und Kalkül, S. 174). Triebel: Kultur und Kalkül, S. 170.

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Abb. 9: Blick in den Lesesaal einer Großstadtbücherei, wo mit dem Plakat »200.000 Sudetendeutsche zuviel!« für politisch verwertbares Schrifttum über die sudetendeutsche Frage geworben wird.

Als im Herbst 1938 die deutschen Truppen in die sudetendeutschen Gebiete einmarschierten, erging sofort ein Telegramm von Wilhelm Baur87 an den sudetendeutschen Buchhandel, das die dortigen Buchhändler zu »gemeinsamer Arbeit an unseren großen Aufgaben für Führer und Reich«88 aufforderte. Die Dringlichkeit dokumentiert, wie viel den Machthabern an einer sofortigen Gleich- und Einschaltung des lokalen Buchbetriebes lag. Sie bestätigt wiederum, dass der Buchbetrieb nicht nur für die Vorbereitung von Gebietserweiterungen, sondern auch für die Zeit danach gebraucht wurde, als es galt, bei der deutschen Bevölkerung – die nunmehr aus altansässigen, nach jahrelanger Trennung ›heimgekehrten‹ und neu dazugewonnenen Bevölkerungsteilen bestand – das Bewusstsein des Zusammengehörens zu schaffen oder zu vertiefen.

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Baur (1905–1945) war Vorsteher des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler und der Gruppe Buchhandel in der Reichsschrifttumskammer, Hauptamtsleiter beim ›Reichsleiter für die Presse der NSDAP‹, Verlagsleiter des Zentralverlages der NSDAP, ab 1935 auch Präsidialrat und ab 1937 Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer (vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 112–115; Hans-Eugen Bühler / Klaus Kirbach: Die Wehrmachtsausgaben deutscher Verlage von 1939–1945. Tl. 1. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 50 (1998), S. 253). W. Baur: BDB 234 (7.10.1938), S. 5361 [sic].

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In den literaturpolitischen Organen standen zu diesem Zeitpunkt Bücher im Mittelpunkt, die die Integration der Sudetendeutschen als »Glieder des deutschen Volkskörpers«89 legitimieren und fördern sollten. Besonders unterstützt wurden Illustrationen dafür, dass die ›heimgekehrte‹ sudetendeutsche Bevölkerung unter dem »tschechische[n] Terror« nichts von ihrem deutschen Wesen eingebüßt habe und trotz »Unterdrückung und Knechtschaft« ein »k r a f t vol le [r] Tei l j e n e s st ol z e n Reich e s a l le r D eut s ch e n« geblieben sei.90 Ferner wurden sudetendeutsche Dichter durch die Reichsschrifttumskammer empfangen,91 Dichterwochen zum Thema Sudetendeutsche Dichtung der Zeit veranstaltet92 und die jährliche Woche des Deutschen Buches in die Erste Großdeutsche Buchwoche umbenannt (vgl. Abbildung 10). Das Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum machte Vorschläge für Dichterlesungen, die die Schriftsteller »der ins Reich zurückgekehrten deutschen Länder« besonders herausstellten.93 Nach Kriegsbeginn traten neben den annektierten und noch zu annektierenden deutschsprachigen Gebieten zwei weitere Zielgruppen ins Visier der identitätsbildenden Arbeit. Erstens waren das die deutschen Minderheiten, die im Rahmen der Germanisierung aus ihrem nichtdeutschen Vaterland in den von Deutschland annektierten Osten umgesiedelt wurden.94 Dieser Vorgang wurde sowohl in der Presse95 und den Wochenschauen96 als auch im sachlichen und schöngeistigen Schrifttum reichlich kommentiert. In den ersten Kriegsjahren kam eine Flut von Büchern mit Titeln wie Die Wolhyniendeutschen kehren heim ins Reich (1940), Heimkehr der Bessarabien-Deutschen (1941), Die Heimkehr der Galiziendeutschen (1940) und Heimkehrer. Bildberichte von der Umsiedlung der Volksdeutschen […] (1941), Heimkehr der Volksdeutschen (1941) auf den Markt.97 Als Musterbeispiel für die literarischen Erzeugnisse kann das Buch Ruf des Reiches – Echo des Volkes. Eine Ostfahrt gelten, das Hanns Johst sowohl nach eigenem Willen als auch im Auftrag

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rn: BK 1939, S. 266. [o.V.]: BDB 239 (13.10.1938), S. 795. [o.V.]: BDB 249 (25.10.1938), S. 833. Payr: NSM 105 (1938), S. 1119. Henning: BDB 138 (17.6.1939), S. 499f. Diese Minderheiten wurden zwischen 1939 und 1944 aus u. a. Italien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Jugoslawien und der Sowjetunion, wo sie oft schon über viele Generationen wohnten, ausgesiedelt und vorwiegend in den polnischen Gebieten untergebracht, die Hitler mit Hilfe von Himmler, SS-Reichsführer und ›Kommissar für die besetzten Gebiete‹, germanisieren wollte. Die ansässige polnische und jüdische Bevölkerung wurde dabei brutal vertrieben oder ermordet. Zur Darstellung der Umsiedlungen im Völkischen Beobachter 1939/1940 vgl. Wilhelm Fielitz: Das Stereotyp des wolhyniendeutschen Umsiedlers: Popularisierungen zwischen Sprachinselforschung und nationalsozialistischer Propaganda. Marburg 2000, S. 102–119. Zur Darstellung der Umsiedlungen in der Wochenschau vgl. Fielitz: Stereotyp des wolhyniendeutschen Umsiedlers, S. 119–140. Zum Siedlungsmotiv in der Literatur im Dritten Reich vgl. Wojciech Kunicki: ›… auf dem Weg in dieses Reich‹. NS-Kulturpolitik und Literatur in Schlesien 1933 bis 1945. Leipzig 2006, S. 514–530; Fielitz: Stereotyp des wolhyniendeutschen Umsiedlers.

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seines Freundes Heinrich Himmler schrieb.98 Das Werk war der erste Teil einer nie vollendeten »Saga des germanischen Volkes«,99 die die deutsche Eroberung und ›Kultivierung‹ des Ostens in literarisch popularisierter Form besingen wollte. Johst basierte diesen ersten Teil auf eine Polenreise, die er im Januar 1940 im Gefolge von Himmler unternahm. Zweck der Reise war es, die Wolhyniendeutschen zu begrüßen, die im Rahmen der Germanisierung nach Polen umgesiedelt worden waren.100 Das Buch, das von Himmler überarbeitet wurde, erschien zwischen 1940 und 1944 in mehreren Auflagen im Zentralverlag der NSDAP und wurde mit Blick auf die ›gesamtdeutsche‹ Erziehung von offizieller Seite unterstützt. Der SS-Chef schrieb Johst begeistert, es sei mit diesem Werk gelungen, »den Heim-Marsch der Volksdeutschen [zu] verherrlichen«.101 1.2.1.3. Das gemeinschaftsbildende ›Erlebnis‹ als literarisches Thema und Verfahren Im Hinblick auf die gemeinschaftsbildende Schrifttumsarbeit erlangte im nationalsozialistischen Deutschland das ›Erlebnis‹ zentrale Bedeutung. Weit oben auf der Liste der favorisierten Gattungen stand das so genannte ›Erlebnisbuch‹, das sich angesichts der Zunahme an literaturwissenschaftlichen, -politischen und -kritischen Verweisen im Dritten Reich erstmals als eine Gattung bezeichnen lässt. Seine Charakteristiken leiteten sich aus dem Begriff des ›Erlebnisses‹ ab, wie ihn das unter nationalsozialistischer Herrschaft neu bearbeitete Meyers Lexikon definierte: Erlebnis ist, was uns unmittelbar als von außen an uns herantretendes Ereignis trifft oder was sich an Gefühlen und Stimmungen in uns regt; es ist ein unmittelbares Innewerden und Innehaben von Gehalten und Sachlagen der Welt, dem noch keine Stellungnahme und Beurteilung zugrunde liegt und somit ein Grundbestandteil, eine Vorstufe aller Erfahrung und Erkenntnis.102

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Vgl. Rolf Düsterberg: Hanns Johst: ›Der Barde der SS‹. Karrieren eines deutschen Dichters. Paderborn u. a. 2004, S. 301–321. Vgl. diese Arbeit, Seite 313. Zur propagandistischen Verwertung des wolhyniendeutschen Umsiedlers vgl. Fielitz: Stereotyp des wolhyniendeutschen Umsiedlers. Schreiben von Himmler an Johst vom 23.6.1940 (zitiert nach: Düsterberg: Hanns Johst, S. 309). Das Wort ›Erlebnis‹ wird im Meyers Lexikon zum ersten Mal in der nationalsozialistischen Auflage erwähnt (Bd. 3, 1937, Spalten 1026f.). Es wurde als ein aus der Romantik stammender Begriff definiert, der durch den Nationalsozialismus seine besondere Prägung erhielt: Einerseits weil es ein Erlebnis gewesen sei – genauer das »Erlebnis des Weltkrieges, des Schützengrabens und Trommelfeuers, der Frontkameradschaft« –, das als die »Geburtsstunde des Nationalsozialismus« gelten könne, andererseits weil die nationalsozialistische Weltanschauung »überhaupt […] mehr auf das Erleben, auf Fühlen und Glauben, aufgebaut [sei] als auf Intellekt und abstraktem Wissen«. Der auf Wilhelm Dilthey zurückgehende Erlebnisbegriff blieb laut Dietrich Boueke ein zentraler Begriff für die deutsche Literaturdidaktik bis in die siebziger Jahre hinein. Er bezeichnete ein »verstehendes Nacherleben, bei dem unmittelbares Erfühlen und verstehendes Begreifen nicht voneinander getrennt

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Durch die Gefühle des Verfassers bestimmt und an das Gefühl des Lesers appellierend, präsentierte sich das ›Erlebnisbuch‹ als eine unvoreingenommene, unmittelbare Wiedergabe der Wirklichkeit. Typische Merkmale waren die Erzählung in der ersten Person, die direkte Anrede des Lesers, das Register der gesprochenen Sprache, die zentrale Bedeutung des Augenzeugnisses und die behauptete Allgemeingültigkeit des Erlebten. Die Authentizität des Dargestellten wurde durch verifizierende Vor- und Nachworte, fotografische Abbildungen, genaue Zeitbestimmungen und den Verweis auf real existierende Orte, Personen oder Organisationen verstärkt. Der propagandistische Wert der Gattung lag darin, dass im scheinbar authentischen Gewand des persönlichen Zeugnisses politisch instrumentalisierbare Erfahrungen an den Leser herangetragen werden konnten, die von ihm verinnerlicht und auf seine Erkenntnisse und Handlungen abstrahlen sollten. Als prototypisches Beispiel eines ›Erlebnisbuches‹ kann das 1942 vom SS-Verlag Nordland publizierte Freigemachte Grenzland gelten, das in der Form des Erlebnisberichts »allen Volksgenossen« die »unermesslichen Aufgabengebiete der deutschen Polizei« zeigen und die männliche Jugend zum Entschluss bringen sollte, »auch [ihre] ganze Kraft und [ihr] ganzes Ich dem deutschen Volk zur Verfügung zu stellen und sich deshalb als Freiwilliger für die Waffen-SS und für die deutsche Polizei [zu] melden.«103 Der Begriff des ›Erlebens‹, der durch dieses ›Erlebnisschrifttum‹ am ausdrücklichsten verkörpert wurde, profilierte sich im Dritten Reich als Schlüsselbegriff der gesamten Literaturkritik und stellte einen Wert dar, dem im Idealfall jedes Schrifttum genügen sollte. Ein Kriegsbuch galt als gelungen, wenn es »unsere hohen völkischen Lebenswerte, die im Soldatentum stets ihren tiefsten Ausdruck gefunden haben, zum Erlebnis werden«104 ließ oder »eindringlich das Erlebnis an der Front und damit das tiefe Wissen um den Sinn dieses Krieges«105 zum Ausdruck brachte. Gedichte wurden empfohlen, weil sie »nicht aus der Vernunft […], sondern aus dem Erlebnis, aus der Erschütterung, aus der Liebe«106 sprangen. Erna Lendvai-Dircksens Bildbücher wurden gepriesen, da sie »immer wieder zum tiefsten Erlebnis«107 wurden. Und auch im Jugendschrifttum wollte man nur Bücher, »die aus dem Erlebnis heraus wirken, Bücher, die bei klarer, kompromißloser Haltung den jungen Leser bei seinen besten Kräften packen und mitreißen. Bücher, die unseren Geistes sind.«108 Damit ein jedes Schrifttum dem Leser zum ›Erlebnis‹ werde, wurde vom Schriftsteller allgemein eine Verbindung des Faktographischen mit dem Romanesken, des real Nachprüfbaren mit dem gefühlsmäßig Subjektiven verlangt. Die ohnehin schon unscharfen Scheidelinien zwischen literarischem und sachlichem Schrifttum, zwi-

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werden durften« (Zur Geschichte der Leseerziehung. In: Lesen. Ein Handbuch. Hg. von Alfred Clemens Baumgärtner. Hamburg 1973, S. 381). Günther Rumler / Otto Holzmann: Freigemachtes Grenzland. Erlebnisberichte. Berlin 1942, S. 205. Langhein: BK 1944, S. 114. [o.V]: BDB 80 (18.11.1944), S. 202. Wegner: NSM 1943, S. 570. [Buchwerbung]: BK 4 (1942). Helke: NSM 1935, S. 669.

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schen Fiktionalität und Faktualität sollten dazu bewusst weiter verwischt werden. Auf Seiten des sachlichen Schrifttums wurden »romanhaft geschriebene Werke«109 verlangt und machten sich die ersten Ursprünge des heutigen Sachbuches – das sich literarischer Strategien bedient, um wissenschaftliches, politisches, soziales, kulturelles oder kulturhistorisches Wissen in leicht verständlicher Form darzubieten110 – bemerkbar. Es sollte von »erzählerisch und schriftstellerisch begabte[n] Menschen, ja sogar Dichter[n]« verfasst werden und als eine »Vorstufe […] der Erzählungskunst« gelten können.111 Auf Seiten der Fiktion galt es, Dichter »noch mehr dem Zeitgeschehen zu verbinden« und sie anzuregen, »Lebensnähe und Wirklichkeitssinn« literarisch zu gestalten.112 Romane sollten von ihrem eigenen Erleben erzählen, ob dies nun das ›Kameradschaftserlebnis‹, das ›Erlebnis der Fremde‹, das ›Rußlanderlebnis‹, das ›Westmarkerlebnis‹, das ›Erlebnis dieses Krieges‹, das ›Flandernerlebnis‹ oder das ›große Erlebnis des Volkes‹ war. Die geforderte Kreuzung von Fiktion und Fakt generierte ein breites Spektrum von Mischformen. »Wir finden«, so die Nationalsozialistischen Monatshefte 1935, bei der ganzen politischen Erzählungsliteratur unserer Zeit […] alle Formstufen vom reinen Bericht bis zum Roman, ohne daß eine reinliche Scheidung in jedem Fall möglich wäre, da der B e r ic h t unter dem Zwang des Erlebnisses häufig hinübergleitet in die gehobene Darstellungsform, während der Ro m a n unter dem Zwang des Geschehens und seiner Nähe […] sich […] eng an das Tatsächliche hält.113

Die Forderung eines wechselseitigen Austauschs zwischen sachlichem und literarischem Schreiben zielte darauf ab, die für die Propaganda ertragreichen, jeweils spezifischen Eigenschaften der beiden Schrifttumsarten miteinander zu verbinden. Zugleich knüpfte sie an eine Entwicklung an, die bereits früher eingesetzt hatte und dem Bedürfnis des Lesers entsprach, gleichzeitig unterhalten und informiert zu werden.114 Das propagandistische Wirkungspotential der Gattung wurde also dadurch

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Zielcke: BDB 297 (23.12.1935), S. 1101. Vgl. Meyers Großes Taschen-Lexikon Bd. 19, 1990, S. 64. Im April 1941 registrierte die Bücherkunde im Hinblick auf den Jugendschrifttumsmarkt, ›das Sachbuch‹ sei seit einigen Jahren im Steigen begriffen. Diese Aufwärtsentwicklung wurde auf das »entsprechende Lesebedürfnis der Jugend« zurückgeführt, »die sich, aufgeschlossener als frühere Generationen, in den Erlebnisraum ihrer Zeit gestellt sieht und den Willen in sich trägt, sich mit den großen, bewegenden Fragen der Zeit innerlich auseinanderzusetzen« ([o.V.]: BK 1941, S. 103f.). Zum Sachbuch vgl. David Oels: Mit hundert Sachen erzählt. Sachbuch, Literatur und die Wiederkehr des Erzählens. In: Arbeitsblätter für Sachbuchforschung 6 (2005); Helmut Kreuzer: Biographie, Reportage, Sachbuch. Zu ihrer Geschichte seit den zwanziger Jahren. In: Probleme der Moderne. Studien zur deutschen Literatur von Nietzsche bis Brecht. Hg. von Benjamin Bennett u. a. Tübingen 1983, S. 431–458; Thomas Lange: Literatur des technokratischen Bewußtseins. Zum Sachbuch im Dritten Reich. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 40 (1980), S. 52–81; www.sachbuchforschung.de. Rang: EL 5 (1943), S. 3. [o.V.]: BK 1939, S. 437 (vgl. dazu auch: Kapitel 3.2.2.2. und 3.2.2.3.). Dr. L.: NSM 1935, S. 187. Vgl. Oels: Mit hundert Sachen erzählt; Kreuzer: Biographie, Reportage, Sachbuch.

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gefördert, dass es hier eine weitgehende Verknüpfung der politischen Absichten mit Leserbedürfnissen und kommerziellen Interessen gab. Die Amalgamierung von fiktionaler Darstellung und faktenbezogenem Wissen und ihre Wirkung auf den Leser lässt sich anschaulich an einem Tatsachenbericht von Wilfrid Bade illustrieren, der im Dritten Reich Kulturpolitiker im Propagandaministerium sowie Autor und Journalist war.115 Auf Initiative der Münchner Illustrierten Presse schrieb Bade 1933 ein Buch zur Machtergreifung mit dem Titel Die SA erobert Berlin. Dass der Autor es mit der historischen Wahrheit nicht sehr genau nahm, verhinderte nicht, dass der Text im Untertitel als Tatsachenbericht apostrophiert wird und sich somit als eine objektive Schilderung der Fakten präsentiert. Die vermeintliche Authentizität des Erzählten wird durch eine Fotografie des fiktiven Protagonisten auf dem Buchumschlag nur noch verstärkt. Dass die Taktik bei der Leserschaft ankam, zeigt die an die Romanfigur adressierte Fanpost von Schulkindern, die im Unterricht Auszüge des Textes gelesen hatten. Ob diese Briefe spontan waren oder von den Schulen angeregt wurden, ist unklar. Immerhin belegt sie genau die Reaktion, die vom Leser erwartet wurde. So zeigt das Beispiel mustergültig, wie die vermeintlich objektive Gattung des Tatsachenberichts benutzt wurde, um den Leser eine fiktionalisierte Wirklichkeit darzustellen, und wie daraufhin der Leser die Schilderung als wahres ›Erlebnis‹ verinnerlichte und auf dieser Grundlage agierte.116 Ein ebenso vielsagendes Beispiel für die geforderte Interaktion zwischen Fiktion und Wirklichkeit bietet Gottfried Rothackers (Pseudonym für Bruno Nowaks) Roman Das Dorf an der Grenze über das Schicksal eines sudetendeutschen Dorfs an der Grenze zum Deutschen Reich. Das Buch, das in der Kritik als Roman bezeichnet wurde, erzählt die leidensvolle Geschichte eines deutschen Schullehrers an einer sudetendeutschen Schule in der Tschechoslowakei. Es basiert auf Rothackers eigenen Erlebnissen als Wanderlehrer des Deutschen Kulturverbandes, die ihm Einblick in die Problematik der deutschen Minderheiten besonders in Grenzregionen gewährt hatten. Der Verfasser intendierte mit seinem Buch eine literarische Dokumentation der harten Lebensbedingungen, denen die Sudetendeutschen zwischen den beiden Weltkriegen unter dem wirtschaftlichen und politischen Druck der tschechischen Obrigkeit ausgesetzt waren. Der Realitätsgehalt des Buches wird dadurch verstärkt, dass Rothacker die Erzählung einer scheinbar real existierenden Person überlässt, die die Geschehnisse aus erster Hand erlebt habe. Jedes Kapitel beginnt mit den Worten: »Der Schullehrer Ortwin Hartmichel erzählt:«, woraufhin Hartmichel seine Erlebnisse in der ersten Person vor dem Leser ausbreitet. Der Roman liest sich stilistisch wie ein mündli-

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Christian Härtel: Stromlinien. Wilfrid Bade: eine Karriere im Dritten Reich. Berlin-Brandenburg 2004, S. 104–108. Die nachfolgende Beschreibung des Tatsachenberichts basiert auf diesen Seiten. Mit Blick auf die vorgetäuschte Wirklichkeitstreue des Berichts sei am Rande die ironische Anekdote erwähnt, dass sich beim Verlag ein leibhafter SA-Mann mit dem Namen des Titelhelden gemeldet und seinen Anteil am Verkaufserlös eingefordert hat (Härtel: Stromlinien, S. 107).

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cher Tatsachenbericht und richtet sich unmittelbar an den Leser, der bisweilen auch buchstäblich als »Zuhörer«117 angesprochen wird. Gleichsam in Form einer impliziten Poetologie lässt Rothacker den Erzähler im folgenden Zitat darüber reflektieren, warum er seine Erzählung schriftlich verfasst: So schrieb mir Klamets Witwe in einem Brief. »Schrieb?« höre ich meine Zuhörer sagen. »Warum denn schrieb? Konnte dir Klamets Witwe es nicht sagen, wenn du an ihrem Haus vorübergingst und mit ihren Kindern ein freundliches Wort sprachst? Oder konntest du nicht die gute halbe Stunde Weges zurücklegen […]?« […] Ich kann das alles nicht mehr, denn ich habe Schatzdorf verlassen. Vor zwei Jahren habe ich es verlassen. […] Ich muß nicht erst sagen, dass ich niemals freiwillig aus Schatzdorf gegangen wäre, und wenn, dass ich alles daran gesetzt hätte, wieder dahin zurückzukehren. Das macht den Schluß meiner Erzählung von dem Kampf um Schatzdorf, zu sagen, warum ich gehen musste, und warum ich nicht mehr dahin zurückkehren kann. Das ist so zugegangen: […].«118

Das Verfahren der Rahmung, das gewählte Register, der Ich-Erzähler und die Inszenierung des Lesers waren typische Strategien, um Glaubwürdigkeit, Vertrauen oder zumindest Plausibilität herzustellen. Sie verliehen dem Erzähler die Autorität und dem Erzählten die Authentizität, die für die intendierte, hier ›großdeutsche‹ Wirkung des Romans unverzichtbar war. Das Buch wurde von den literaturpolitischen Organen – u. a. Bouhlers Parteiamtlicher Prüfungskommission119 und Rosenbergs Amt Schrifttumspflege – empfohlen und mit dem volksdeutschen Schrifttumspreis der Stadt Stuttgart prämiert. Einerseits lenkten sie die Aufmerksamkeit auf die wirklichkeitsspiegelnde Qualität des Romans als getreue Wiedergabe der »Zwangslage, in der sich einige Glieder des deutschen Volkskörpers befanden«.120 Andererseits bekräftigten sie die wirklichkeitskonstituierende Funktion des Buches und seines Dichters, indem sie beide als reale Spieler im politischen Kampf identifizierten. So sei es Rothacker und seinen Dichterkollegen zu verdanken, dass die Sudetendeutschen unter der tschechischen Fremdherrschaft »auf scheinbar verlorenem Posten« durchgehalten und »niemals« gewankt hätten. Ihr Werk habe die Leser innerhalb und außerhalb der Reichsgrenzen mit »gesamtvölkischem

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Gottfried Rothacker: Das Dorf an der Grenze. Hamburg 1936, S. 273. Ebd., S. 273f. Die Nationalsozialistische Bibliographie pries das Werk als »Bericht und Bekenntnis der jungen sudetendeutschen Generation, Bericht ihres unerschütterlichen Selbsterhaltungswillens und Bekenntnis zum unteilbaren deutschen Volkstum.« Das Buch, so die Empfehlung, »ist eine ergreifende Erzählung vom Kampf eines jungen Lehrers um die völkische Erhaltung eines sudetendeutschen Dorfes und dem zähen Ringen um Schule, Hof und Arbeitsplatz. Offen werden die Gefahren aufgezeigt, die der Erhaltung des völkischen Zusammenhaltes entgegenstehen, aber auch die Kräfte, die zur Stärkung und Förderung führen. Das Buch ist durch die männlich aufrechte Haltung des Verfassers dem um seinen Bestand schwer kämpfenden Sudetendeutschtum zu einer wirklichen Hilfe geworden.« ([o.V.]: NSB 5 (1938), S. 18) Strothmanns Studie zur nationalsozialistischen Literaturpolitik lässt sich entnehmen, dass Rothackers Buch innerhalb von einem Jahr eine Spitzenauflage von 85.000 Exemplaren erreichte (S. 399). rn: BK 1939, S. 266. Die folgenden Zitate sind ebd.

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Denken« vertraut gemacht und einen realen Beitrag zur Wiedereingliederung der Sudetendeutschen in das Deutsche Reich geliefert: Man wird erst später einmal die ganze Schwere der Bedeutung des Schrifttums im Befreiungskampf der Ostmark und des Sudetenlandes ermessen können. Doch heute schon mag gesagt werden, daß diese dichterischen Hilferufe wesentlich dazu beigetragen haben, dem neuen Denken vom eigenständigen Volk in Europa zum Durchbruch verholfen zu haben. Das Sudetenland ist mittlerweile heimgekehrt ins Reich.

Der konkrete Beleg für die realitätsbildende Wirkung des Romans wurde drei Jahre nach seinem Erscheinen, im Mai 1939, geliefert, als die Bücherkunde nicht ohne Stolz mitteilte, daß das Dorf an der völkischen Grenze, dem Rothacker anstelle des offiziellen tschechischen Tabor den innerlich verbindlichen Namen Schatzdorf gegeben hatte, nun auch in Wirklichkeit auf den Namen des Romans umbenannt worden ist. Das Dorf an der Grenze »Schatzdorf«, das es galt, für das Deutschtum zu halten und zu verteidigen, ist nun ein wirkliches Dorf im Großdeutschen Reich geworden. Aus dem Buch, aus des Dichters Phantasie wurde es zum verpflichtenden Namen einer durch Kampf und Sieg geläuterten dörflichen Gemeinschaft. Ein ehrendes Geschenk und eine schöne Anerkennung für das Werk des Dichters. Wer möchte jetzt nicht auch Schatzdorfer sein?

Rothacker kann mit seinem ›Dorf an der Grenze‹ unmöglich die tschechische Kleinstadt Tábor südlich von Prag gemeint haben, die auf der »den politischen Forderungen unserer Zeit« angepassten Schulatlaskarte aus 1943121 immer noch als Tábor eingezeichnet ist und als Teil des Protektorats Böhmen und Mähren nicht zum sudetendeutschen Gebiet gehörte. Der Erzähler selber berichtet, das Dorf, um das es geht, heiße auf Slawisch ›Skopolnica‹ und sei bereits vor dem Versailler Vertrag unter dem Namen Schatzdorf bekannt gewesen. Möglicherweise wird hier also eine neue Fiktion geschaffen, um den Glauben an die realpolitische Bedeutung des Buches, die für die Identitäts- und Bildkonstruktionsarbeit wesentlich war, zu unterstützen. Ob Wirklichkeit oder Propaganda, entscheidend ist, dass der Bericht genügend Wahrscheinlichkeitsgehalt besaß, um dem Leser die wirkungsvolle Interaktion zwischen Literatur und Wirklichkeit glaubhaft zu machen. Damit Bücher dem Leser ein ›Erlebnis‹ verschafften, das als Beitrag zur deutschen oder großdeutschen Gemeinschaftsbildung instrumentalisierbar war, mussten sie nicht nur an das Gefühl appellieren und glaubwürdig sein, sondern ebenfalls Vorbildcharakter haben: »Denn ausgebildet und geformt kann uns nur der gelten, der ein Vorbild empfängt – ob aus der Wirklichkeit oder aus dem Buche –, diesem nachzuleben strebt, von ihm geprägt erscheint.«122 Dementsprechend verkörperte das ›Erlebnis‹ im literarischen Bereich nicht zuletzt die Aufforderung, in Gefühl und Tat die Transition vom Individuellen zum Völkischen beim Leser zu bewirken:

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Der Deutsche Schulatlas wurde von der Reichsstelle für das Schul- und das Unterrichtsschrifttum im Jahre 1943 herausgegeben und von derselben Reichsstelle als Lernbuch für deutsche Schüler beglaubigt. Zielcke: BDB 297 (23.12.1935), S. 1101 (vgl. dazu die Besprechung der Forderungen an den ›neuen deutschen Unterhaltungsroman‹ in Kapitel 3.4.3.1.).

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Wir erleben durch das Buch den deutschen Menschen in seinen vielfältigen Erscheinungsformen, wir erleben die Vielgestaltigkeit der deutschen Heimat. Das Buch läßt jeden einzelnen teilhaben am völkischen Leben, und es ruft ihn auf, mitzuarbeiten an seiner Gestaltung.123

Auf die konkrete Schreibarbeit bezogen, sollten reichs- und volksdeutsche Romanfiguren gezeichnet werden, die im Dienste der »großen Aufgaben« ihres Volks denken und handeln.124 Als Illustration kann eine Buchbesprechung aus den vertraulichen Mitteilungen nur zum Gebrauch für amtliche Stellen und Organisationen125 dienen, in der sich das Rosenbergamt »in schärfster und ungeschminkter Form« mit Walter von Molos126 Roman Holunder in Polen (1933) auseinandersetzt. Dieser Roman spielt nach dem Ersten Weltkrieg in Westpreußen, das durch den Vertrag von Versailles Polen zugewiesen war.127 Es schildert die Liebe einer Frau, die während der polnischen Gefangenschaft ihres Mannes von ihrem Liebhaber, dem Dichter Holunder, geschwängert wird. Die Ablehnung des Buches wird damit begründet, dass von Molo dem »traumhaft-glückliche[n] Sommeridyll« der zwei Liebenden zu viel Gewicht beimesse im Vergleich zu den Kämpfen, die zum gleichen Zeitpunkt die »gewaltsame Abtrennung der westpreußischen Gebiete vom Mutterlande begleiteten, sowie d[en] furchtbaren Leiden der deutschen Bevölkerung im polnischen Korridor«. Dem Autor wird angekreidet, dass er die »weiss Gott nicht erhebende Ehebruchsaffäre mit den grossen Schicksalsfragen des deutschen Volkes im Ostraum auf gleicher Ebene zu

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[o.V.]: Die Heimbücherei. In: Buch und Volk 5 (1938), S. 6. Flemming: BK 1944, S. 85: »So macht die schöne Literatur den Menschen innerlich lebendig zum Wirken im Dienste des Zeitgeistes; er marschiert in der Kameradschaft derselben Überzeugungen, er arbeitet und kämpft mit, die großen Aufgaben seiner Generation zu lösen, und trägt dazu bei, Sinn und Bestimmung seines Volkes in diesem Zeitraum zu verwirklichen.« BArch NS 8/153/170. Die Mitteilungen sind nicht datiert. Von Molo (1880–1958) wird in Nachschlagewerken mal als ›innerer Emigrant‹ (Moderne Encyclopedie van de Wereldliteratuur), mal als literarischer Opportunist (Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biografisches Lexikon) eingestuft. Er war weder Parteimitglied noch NS-Propagandist, unterzeichnete dennoch das Treugelöbnis für Hitler. Das nationalsozialistische Regime war von Molo gegenüber misstrauisch eingestellt, ließ sein Werk jedoch ohne Einschränkung erscheinen. Auch blieb die wenigstens partielle Anpassungsbereitschaft des Autors von den literaturpolitischen Machthabern nicht unbemerkt. Im Februar 1940 erhielten die Lektoren des Rosenbergamtes die Anweisung, »in Anbetracht der vorhandenen Bereitwilligkeit Molos, im nationalsozialistischen deutschen Volksstaat ehrlich mitzuarbeiten, [habe sich] unsere Stellungnahme, daß Walter von Molo in Wort und Schrift seitens der Partei nicht herausgestellt werden kann, dahingehend verbessert, daß wir gegen seine Person heute nichts einzuwenden haben und daß wir sein Werk ›Deutscher ohne Deutschland‹ sogar für fördernswert halten. Diese veränderte Stellungnahme bedeutet aber nicht, daß wir uns für das Gesamtwerk Molos einzusetzen vermögen.« (LB 2 (1940), S. 4) Selber betrachtete sich von Molo als Vertreter der ›Inneren Emigration‹. 1919 kam ein großer Teil Westpreußens, das eine deutsche Bevölkerungsmehrheit hatte, an Polen. Zu Zeiten der Weimarer Republik galt der deutsch-polnische Grenzverlauf in der Region Westpreußen als strittig, zumal die deutsche Bevölkerung des an Polen abgetretenen Westpreußen starken Repressalien und Übergriffen ausgesetzt war.

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behandeln unternimmt.«128 Das individuelle Verhalten der Hauptfiguren wäre höchstens dann akzeptabel gewesen, wenn es am Ende des Romans richtig gestellt worden wäre. So wäre es nach Meinung der Lenkungsstelle sinnvoll gewesen zu zeigen, wie zwei Menschen, die in Zeiten höchster völkischer Not nur auf ihr persönliches Glück bedacht sind, später für diese Vermessenheit vom Schicksal bestraft werden, ihre Taten durch Leiden sühnen und sich endlich überpersönlichen Aufgaben zuwenden.

Buchbesprechungen wie diese illustrieren ganz konkret, welchen Erwartungen Bücher, sowohl sachlich als auch und vor allem fiktional, genügen mussten, um im Sinne der Lenkungsinstanzen ein »starkes Erlebnis« und zwar ein derart »lebendiges Erlebnis« zu vermitteln, dass es beim »ganzen deutschen Volke« ein wirkungsvolles »Gefühl der Verbundenheit« errege.129 Die Relevanz für die identitäts- und bildkonstruierende Arbeit ist offensichtlich. Durch das scheinbar unpolitische Gefühlserlebnis der deutschen und großdeutschen Gemeinschaft sollte der Leser zur Akzeptanz und Teilnahme an ihrer Realisierung erzogen werden. Aus dem nachfolgenden Kapitel geht hervor, dass dieses ›Erlebnis‹ auch für die Konstruktion des angestrebten großgermanischen Reiches eingesetzt wurde.

1.2.2. Der Umgang mit germanischen Bevölkerungsgruppen: das Beispiel Flandern 1.2.2.1. Der Balance-Akt zwischen Eigenständigkeit und Zugehörigkeit Die Literaturpolitik der NS-Machthaber blieb genauso wenig wie ihre Expansionspolitik auf das deutschsprachige Ausland beschränkt. Während die politische Grenzziehung des Versailler Vertrages Gebiet um Gebiet rückgängig gemacht und Österreichs Anschluss in die Tat umgesetzt wurde, traten unter dem Schlagwort der ›Neuordnung Europas‹ auch die nichtdeutschsprachigen Länder ins Visier des nationalsozialistischen Imperialismus. Die publizistische und literarische Darstellung dieser Länder wurde seit der Machtübernahme vom Propagandaministerium auf unregelmäßiger Basis durch Kriterien und Richtlinien kontrolliert und gelenkt.130 Dabei wurde entweder auf eine konkrete außenpolitische Absicht hingesteuert oder bewusst ein Spektrum von Möglichkeiten offen gelassen. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre und besonders mit dem Anfang des Krieges verschärften sich die Positionen, und die Auseinandersetzung mit dem Ausland gewann an Prägnanz. Eine besondere Kategorie stellten die als germanisch eingestuften Länder und Landestei-

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BArch NS 8/153/183. Die folgenden Zitate sind ebd. 5187: BK 1934, S. 41. Es geht hier um Jesco von Puttkammers Buch Wahr ist wahr, deutsch die Saar (1934) zum Kampf der Saardeutschen. Vgl. Presseanweisungen und Protokolle der Ministerkonferenzen (zitiert nach: Bohrmann: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit; Fritz Sänger: Politik der Täuschungen. Wien 1975; Boelcke (Hg.): Wollt Ihr den totalen Krieg?; ders.: Kriegspropaganda 1939–1941).

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le dar, die von den deutschen Truppen besetzt wurden und die im neu geordneten Europa gegebenenfalls an das Reich angegliedert werden sollten. Anders als bei den Volksdeutschen galt es hier, eine Verbundenheit mit einer Bevölkerung plausibel zu machen, die nicht deutschsprachig war, in ihrer Geschichte eine weit zurückliegende oder gar keine reichsdeutsche Zugehörigkeit aufzuweisen hatte, mehrheitlich gegen die deutschen Besatzer gestimmt war und eine mögliche Angliederung nicht – im Gegensatz zu etwa den Österreichern, Sudetendeutschen und Ostbelgiern – mit Fahnen, Blumenschmuck und Freudenrufen begrüßen würde. Dazu war diese Bevölkerung eingebunden in einem Staat, der Deutschland im Zweiten Weltkrieg als Feind gegenüberstand. Ferner gab es im Kriegskontext auch auf Seiten der Diktatur selbst diplomatische, wirtschaftliche, militärische und pragmatische Gründe, diese Gebiete vorerst noch in ihrer damaligen staatlichen Konstellation anzuerkennen. Die daraus resultierende Spannung zwischen Eigenständigkeit und Zugehörigkeit, die typisch für alle germanischen Bildkonstruktionen war, lässt sich am Beispiel der Flamen anschaulich illustrieren. Das flämische Belgien, dem eine Zukunft als ›Reichsgau Flandern‹ vorbehalten war, stellte die Lenkungsinstanzen vor eine besonders heikle Aufgabe. Wenngleich keineswegs ›fremd‹ wie etwa die Franzosen, Engländer, Polen oder Italiener, waren die Flamen weniger leicht assimilierbar als die anlässlich des Versailler Vertrags abgetretenen Gebiete, deren Annexion mit dem Topos der Heimkehr legitimiert werden konnte. Auf den – in Identitäts- wie Bildkonstruktion instrumentalisierten – Identifikationsfeldern der Sprache, Literatur, Kultur, Geschichte, Religion, Folklore und Politik wies Flandern eine unübersehbare Distanz zu Deutschland auf, mit der sich die Machthaber in mehreren Hinsichten arrangieren mussten. Unter dem Gesichtspunkt der langfristigen Zielsetzungen galt es, die offensichtlichen Unterschiede zwischen beiden Völkern zu relativieren. Unter dem Gesichtspunkt der zeitgenössischen Situation war es strategisch wichtig, Flanderns Eigenheit und Eigenständigkeit bis zu einer gewissen Grenze anzuerkennen. Diese Spannung zwischen einer germanisch-deutschen und einer flämischen Identität spiegelt sich auch in den Richtlinien der offiziellen Instanzen wider. Auf der einen Seite gab es z. B. die Geheimen Ministerkonferenzen, die politischen Richtlinien des Reichspropagandaleiters der NSDAP und die vertraulichen Anweisungen für die Wehrmacht, die Diskussionen über Flanderns (wie auch Belgiens) politische Zukunft verboten und anordneten, dass »keinerlei Annexionsabsichten anklingen«131 durften. Auf der anderen Seite wurde u. a. im Deutschen Wochendienst vor einer »zu starke[n] Hervorhebung der flämischen Sonderentwicklung« gewarnt und die Betonung der

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Protokoll vom 11.5.1940 (zitiert nach: Boelcke (Hg.): Wollt Ihr den totalen Krieg?, S. 68; vgl. Albert De Jonghe: Hitler en het politieke lot van België. Antwerpen, Utrecht 1972, S. 28f., 33, 38 u. 336f.). Die taktische Zurückhaltung spiegelte sich in der Wahl der Verwaltungsform für Belgien: Im Gegensatz zur politisch aktiven und eng an Deutschland gebundenen Zivilverwaltung (die als Vorbote der Annexion galt), wurde in Belgien eine politisch passivere Militärverwaltung installiert (vgl. ebd., S. 41f.).

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»flämische[n] Kultur als Ausdruck germanischen Wesens im großdeutschen Raum« verlangt.132 Im Folgenden werden einerseits die Versuche nachvollzogen, Flanderns Distanz zu Deutschland durch einen gemeinsamen germanischen, niederdeutschen oder sogar deutschen Unterbau zu verdichten (Kapitel 1.2.2.2.). Zum anderen wird aufgezeigt, wie die offensichtlichen Unterschiede zwischen Flandern und Deutschland zwangsläufig zu einem brüchigen und zum Teil auch in sich widersprüchlichen Diskurs führen mussten (Kapitel 1.2.2.3.). 1.2.2.2. Die Konstruktion germanischer Verbundenheit Während auf der politischen Ebene Zurückhaltung verordnet wurde, ging im literarischen Bereich eine unmissverständliche geistige Annektierung vor sich. Dem geförderten deutschen Schrifttum, das Flandern zum Thema hatte, ist gemeinsam, dass es die Flamen dem deutschen Leser als ›vertraut‹, ›gleich‹, ›heimisch‹ und ›bekannt‹, kurz: als dem Eigenen ähnlich vorstellt. Empfohlen wurden schöngeistige wie sachliche Bücher, denen es durch Themen- und Wortwahl, Handlung, Schauplatz und Figuren, durch fotografische Abbildungen und Begleittexte gelang, den Flamen jegliche Fremdheit zu nehmen. Eines der bevorzugten Argumente in der Konstruktion der flämisch-deutschen Verbundenheit war die der gemeinsamen Rasse. Ein in NS-Organen viel gepriesenes Beispiel war Erna Lendvai-Dircksens Bildband Das germanische Volksgesicht – Flandern, der anhand von Porträts dokumentiere, dass »aus Niederdeutschland, dem Quellenraum germanischen Blutes, ein breiter Ausbruch an der Küste entlang über Flanderns derzeitige [!] Grenzen hinaus bis tief nach Nordfrankreich hinein«133 gehe und im flämischen Menschen die »Urströme der Rasse, des Blutes und des Volkstums ungebrochen und sichtbar lebendig«134 seien. Einen weiteren Nachweis der Rassenverwandtschaft verschaffte das flandernbezogene Kriegsschrifttum, das den Krieg nicht als eine Zeit der Trennung, sondern vielmehr als eine Zeit der Verbundenheit darstellte. Ulf Uwesons135 Roman Wir fochten in Flandern (1937), ein Buch über 132 133 134 135

DW 179–48 (9.10.1942). Erna Lendvai-Dircksen: Das germanische Volksgesicht. Bayreuth 1942 [einleitendes Wort der Fotografin]. Riedweg, in: ebd., Einführung. Uweson (geb. 1895), Pseudonym für Ludwig Hugo Nikolaus Huber, war nach einem von der Reichsschrifttumskammer aufbewahrten Artikel aus den Münchener Neuesten Nachrichten vom 4. Juni 1933 »aktiver Offizier, Journalist, Mitarbeiter einer großen Treuhand- und Wirtschaftskanzlei und Bauarbeiter, Dolmetscher, Landwirt und Bankbeamter und noch manches andere«. Daneben war er als Leiter des Staatstheaters in Posen, Chefdramaturg in Krakau, Mitarbeiter des Zeitschriften-Dienstes und Lektor bei der Intendanz des Bayerischen Staatsschauspiels tätig. Weiter geht aus den Akten hervor, dass Uweson als »echter Nationalsozialist, aufrecht, gerade, unbeugsam« und »idealer Kämpfer« betrachtet wurde, »der sich ganz in den Dienst der Bewegung stellt«. Uweson weist sich den nationalsozialistischen Behörden auch selbst sehr nachdrücklich als überzeugter Nationalsozialist und Antisemit aus. Aufgrund seiner schwierigen wirtschaftlichen Lage und ausgeprägter

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den Ersten Weltkrieg, schildert das Verhältnis der deutschen Soldaten zu den Flamen als ein »auf Grund der gemeinsamen rassischen Herkunft […] außerordentlich freundschaftliches«.136 Im Buch Dörfer in Flandern (1937) desselben Autors setzt sich ein junger deutscher Soldat, der bei einer flämischen Familie einquartiert ist, »am ersten Abend mit dem Hausvater und seiner Frau und der Großmutter und den zwei Töchtern mit um den Herd [...], und es war ihm dabei, als gehöre er zu der Familie, wohl, weil das Blut gesprochen: Germanen dort wie hier.«137 In Jürgen Hahn-Butrys138 Kriegsroman Ein Frühling in Flandern (1939) staunen die deutschen Soldaten über die physiognomischen Ähnlichkeiten zwischen flämischen und deutschen Mädchen: »Auch blonde Zöpfe, wie Sie beide, haben die Mädel meiner Heimat!« sann er. »Ihre Stirnen sind rein und hoch wie die Ihren, und auch in ihren Augen leuchtet das Blau wie aus den Tiefen eines klaren Sees am Abend eines Sommertags!«139

Hans Willi Linkers Novelle Spiel in Flandern (1936) ist eine von vielen Kriegserzählungen, die die vermeintliche flämisch-deutsche Blutsverwandtschaft an den spontan erwachenden Gefühlen zwischen deutschen Soldaten und flämischen Mädchen zu illustrieren versucht. In den Worten der Zeitschrift Bücherkunde schildert das Büchlein, wie [m]itten aus Grauen und Verderben der Flandernschlachten, aus Tod und Tränen des großen Krieges, […] in den kurzen Wochen eines Ruhequartiers weit hinter der Front die stillverhaltene, schüchterne und doch so feste Liebe eines jungen deutschen Soldaten zu einem flämischen Mädchen empor[blüht].140

Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Rassenlehre, die nur Beziehungen zwischen gleichrassischen Partnern zuließ, waren solche positiven Kritiken über flämisch-deutsche Liebesbeziehungen in tonangebenden nationalsozialistischen Organen kein unverbindliches, sondern vielmehr ein in der Regel implizites, bisweilen aber auch ausdrücklich formuliertes rassenpolitisches Statement.141 Ihre Bedeutung

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nationalsozialistischer Gesinnung konnte er von der Hilfe des Propagandaministeriums für Not leidende Künstler profitieren. Er erhielt einmalig die Dr. Goebbels-Spende in Höhe von 300 Reichsmark und mehrmals Hilfe aus der Notstandskasse der der Reichsschrifttumskammer unterstehenden Deutschen Schillerstiftung. Für sein Verhältnis zu Flandern vgl. Seite 137. Buchempfehlung in: [o.V.]: NSB 10 (1938), S. 18. Ulf Uweson: Dörfer in Flandern. Wolfshagen-Scharbeutz 1942, S. 7. Hahn-Butry (geb. 1899), Deckname ›Der deutsche Rufer‹, war Schriftsteller, Stellvertretender Leiter der Vereinigung »Mannschaft, Kameradschaft der Frontdichter« und Lektor des Soldatenbundes (BArch RK/RSK/I/O215). Jürgen Hahn-Butry: Ein Frühling in Flandern. Leipzig 1939, S. 99. 19160: BK 1936, S. 301. Analog dazu wurde die Liebe zwischen Deutschen und Südländern, Juden, Polen, Tschechen oder Farbigen nicht nur im wirklichen Leben, sondern auch in der fi ktionalen Welt der Literatur und des Films sanktioniert. Die Schlussszene des populären Films Die Goldene Stadt (1942) des nationalsozialistischen Erfolgsregisseurs Veit Harlan wurde z. B.aufgrund eines rassenpolitischen Vorbehalts des Propagandaministers umgearbeitet. Der Film er-

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wurde durch die Anweisung des Zeitschriften-Dienstes verstärkt, dass »angenehme Begleiterscheinungen des Krieges« nur dann dargestellt werden durften, wenn sie allgemeine Gültigkeit besaßen.142 Ferner wurde im deutschen Schrifttum über Flandern das Problem des sprachlichen Unterschieds zwischen beiden Völkern systematisch heruntergespielt, indem etwa deutsche Soldaten ganz unerwartet und unbefangen entdeckten, sie könnten sich problemlos mit der flämischen Bevölkerung verständigen. Eines von vielen Beispielen liefert Gerhard Linnes143 Erlebnisbuch Antwerpen. Schöne reiche Stadt am Strom (1943) mit dem folgenden Zitat: In der ersten Zeit des Zusammenlebens in diesem Kriege konnte man bei den Flamen wie bei den deutschen Soldaten oft einem grossen Erstaunen begegnen: dass man sich beim Sprechen gegenseitig ohne weiteres verstand. Mit der Vorstellung des »Kannitverstaan« und »Nix compris« war mancher über die Grenze gezogen, und nun diese Ueberraschung. So sehr war das Bewusstsein verloren gegangen, dass es sich ja garnicht um zwei völlig verschiedenstämmige Sprachen, sondern im Flämischen nur um eine niederdeutsche Mundart handelte.144

Zum selben Zweck wurden auch die Ähnlichkeiten zwischen der flämischen und deutschen Landschaft wiederholt herausgestrichen, z. B. im folgenden Zitat aus Bruno Schwietzkes Sommermond in Flandern (1939): Bilder seiner niederrheinischen Heimat, die Flandernland an grauem Himmel und Wasser, an Weite und heimlicher Sehnsucht so ähnlich ist. Über alle Grenzen des Landes, der Sprache und Sitte hinweg; Grenzen, die doch vor wenig Jahrhunderten noch keine waren und keine hätten werden brauchen.145

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zählt die Geschichte eines sudetendeutschen Bauernmädchens, das in der Stadt von einem Tschechen geschwängert wird. Die ursprüngliche Fassung des Films hat ein Happy End; in der auf Anweisung von Goebbels umgearbeiteten Endfassung ertränkt sich das Mädchen im Morast. Wäre das ›Bauernflittchen‹ am Leben geblieben, so der Minister, hätte sie ein ›Tschechenbalg‹ in die Welt gesetzt, das den Bauernhof seines deutschen Großvaters erben würde. Dieser ›widernatürliche‹ Handlungsstrang sei inakzeptabel: »Mit Harlan habe ich eine Aussprache über die Neugestaltung des Schlusses bei dem Film ›Die goldene Stadt‹. Wir einigen uns auf eine konsequente Durchführung des Problems. Man darf nicht Konflikte anschneiden, ohne sie zu Ende zu führen. Hier ist das von seiten Harlans geschehen. Es muß deshalb darauf gedrungen werden, daß der Konflikt ganz ausgespielt wird, auch wenn es kein Happy-End gibt. […] Harlan ist mit meinem Entscheid sehr einverstanden.« (Tagebuchnotiz vom 15.5.1942; vgl. Vande Winkel / Van linthout: De Vlaschaard 1943, S. 58f. u. 70ff. Für weitere Beispiele aus der Literatur vgl. Kapitel 3.4.3.1. Anweisung im Zeitschriften-Dienst vom 4.12.1942 über die »Veröffentlichung von ›idyllischen‹ Einzelbildern aus der Front oder dem rückwärtigen Armeegebiet«. Als negatives Gegenbeispiel kann der Verriss des Romans Holunder in Polen durch das Rosenbergamt gelten, vgl. Kapitel 1.2.1.3. Zu Linne (geb. 1913) findet sich im Bundesarchiv nur der Hinweis darauf, dass er seit Mai 1933 der Sturmabteilung angehörte, sein »allgemeiner Leumund, Lebensführung und Charakter« als »gut« eingestuft werden können und die »politische Zuverlässigkeit« seiner Person »ohne Einschränkung bejaht wird« (BArch PK/H161/1015). Gerhard Linne: Antwerpen. Schöne reiche Stadt am Strom. Brüssel 1943, S. 111. Bruno Schwietzke: Sommermond in Flandern. Gütersloh 1939, S. 38.

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Flanderns fehlende jüngere Reichsvergangenheit wurde ihrerseits durch den Rekurs auf eine ferne Vergangenheit ausgeglichen, als das Gebiet noch ›deutsches Land‹ gewesen sei.146 Illustrativ ist hier das folgende Gespräch in Linkers bereits genannter Novelle Spiel in Flandern zwischen zwei deutschen Soldaten und dem flämischen Mädchen, bei dessen Familie die beiden einquartiert waren: »Morgen, kleines Fräulein. Auch schon auf?« Hell antwortet ihm die junge Stimme ...... und diese Stimme ist den beiden da oben in dem durchgrünten Zimmer die herrlichste Musik von der Welt. Sie lachen sich an. Daniel klatscht dem Freunde auf die Schulter. »Junge, Junge, jetzt sind wir […] Götter in Frankreich.« »Das ist doch nicht Frankreich, Daniel. Flandern. Altes deutsches Land. Altes deutsches Volk. Ist das nicht herrlich? Mitten im feindlichen Land so etwas wie die Heimat zu spüren?«147

Bemerkenswert ist, dass Flandern in solchen Textbeispielen als ›so etwas wie die Heimat‹ für die Deutschen konstruiert wird. Dieses heimische Gefühl der Deutschen in Flandern wird in Büchern, die nach dem Krieg ansetzten, häufig auf den Umstand zurückgeführt, dass deutsche Soldaten von 1914 bis 1918 auf flämischem Boden gefochten und viele ihrer Kameraden in Flandern verloren haben: Was sollte man auf Erden inniger lieben als das, wofür man Opfer getragen! Man mag es sich oft nicht zugestehen, man mag sich dagegen wehren oder es gar abstreiten: das Opfer fordert dennoch sein Recht, es ergreift mählich Besitz von dem, dem es sich dargebracht! Es klammert sich an ihn fest und wächst zur Idee. […] Über kein germanisches Land hat die deutsche Jugend in allen Zeiten soviel dunkle Weisen gesungen wie über Flandern und Brabant. Nirgendwo in der weiten Welt, in der sich das deutsche Schicksal vollzog, ward soviel Blut unseres Volkes vergossen, nirgendwo soviel Sieg und heldischer Untergang errungen und getragen wie auf diesem schicksalhaften Boden.148

Die deutsche Invasion im Mai 1940 wird in dieser Logik, u. a. in Uwesons Roman Sturm über Flandern (1940), als eine Heimkehr gestaltet: Während wir uns am Nächsttag auf dem Marsch nach Norden befanden, sagte ein Kamerad: »So, nun kommen wir endlich wieder nach Hause!« Seltsam, mir wurde das Herz heiß. Er hatte Recht, wir kamen wieder nach Hause. Poelcappelle, Langemarck, Passchendaele, Moorslede, Broodseinde, Zonnebeke, Becelaere klangen die Namen, die uns zum Begriff einer Heimat geworden waren.149

In einem folgenden Schritt verleiht der Autor den beiden Bedeutungen des Heimatbegriffs – als Bezeichnung für den Geburtsort und als Ausdruck enger Verbundenheit

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In Wirklichkeit hat im Mittelalter nur ein Teil des heutigen Flandern, nämlich die Gebiete östlich der Schelde, zum Heiligen Römischen Reich gehört. Hans Willi Linker: Spiel in Flandern. Novelle aus dem grossen Kriege. Gütersloh 1943 [eigene Hervorhebung]. Mario Heil de Brentani: Das Flandernbuch. Geschrieben von deutschen Soldaten. Berlin 1942, S. 7. Ulf Uweson: Sturm über Flandern. Mülhausen, Leipzig 1940, S. 108. Das folgende Zitat ist ebd.

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gegenüber einer bestimmten Gegend – ein unterschiedliches Gewicht. Stark an die Aufgabe der Heimatkunde im Dritten Reich angelehnt,150 stellt er die zweitgenannte Bedeutung geschickt über die erste und schreibt damit weniger den Flamen als den Deutschen ein Heimatrecht über Flandern zu: Wer auf der weiten Welt besaß wohl das Recht, so wie wir, jene Orte Heimat zu nennen, Orte, die wir, die jeder von uns unter tausendfältigem Einsatz seines jungen Lebens erkämpft und gehalten hatte? Wir besaßen das Recht. Wir besaßen es in stärkerem Maß als die, die in jenen Orten nur geboren worden waren.

In imperialistischen Imaginationen wie diesen wird Flandern nicht nur wie eine Heimat gestaltet, sondern von den deutschen Soldaten auch diskursiv als Heimat zu eigen gemacht: »[W]ir ergriffen ganz Besitz von Flandern«,151 heißt es in Kurt Nehers Frühherbst in Flandern (1942). Ein ebenso typisches Beispiel liefert das bereits genannte, an deutsche Soldaten gerichtete Erlebnisbuch Antwerpen. Schöne reiche Stadt am Strom (1943). Heißt es im Geleitwort noch, Antwerpen sei »Dir, Kamerad, lieb und vertraut geworden wie Deine deutsche Heimat«,152 so wird diese Liebe im Nachwort als ein »deutsches Heimatgefühl« zu einer »deutschen« Stadt inszeniert:153 [W]ie ein leises Erschrecken kommt es über Dich, dass Dein deutsches Heimatgefühl hier so tief seine Wurzeln getrieben hat. Und Du hast Deine deutsche Heimat durch Deine Liebe zu Antwerpen nicht verraten. Antwerpen ist flämisch und im weiteren Sinne deutsch, die Kultur dieser Stadt ist ein Teil Deiner deutschen Nationalkultur. »Dergleichen ich in allen deutschen Landen nie gesehen habe«, sagt Dürer beim Anblick eines Antwerpener Patrizierhauses. Der Gedanke, dass Antwerpen nicht zu diesen deutschen Landen zählen sollte, wäre ihm absurd erschienen.

Dass Antwerpen zum Schluss als »die Synthese Flanderns«154 bezeichnet wird, dehnt dieses »deutsche Heimatgefühl« wirkungsvoll auf ganz Flandern aus. Die Neutralisierung von Flanderns Fremdheit, die Betonung seiner Vertrautheit und die Konstruktion von Deutschlands Ansprüchen auf Flandern addieren sich gelegentlich zur Suggestion, dem flämischen Volk komme als einem von Deutschlands »liebsten Kinder[n]« ein Platz im werdenden Deutschen Reich zu: Ein fast heimisches Bild tat sich ihm [i.e. dem deutschen Soldaten] auf. […] Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich an das Fenster […]. Er solle von Deutschland erzählen, baten die [flämischen] Mädchen. […] Er fügte seine Stimme in den stillen Frieden des Raumes und sprach mit behutsamen Worten vom Werden des Deutschen Reiches. Er malte ihnen in leuchtenden Farben das Bild jenes Reiches, das auch Flandern […] zu seinen liebsten Kindern zählte. Und die Mädchen nickten zustimmend, als er davon sprach, wie doch alle die deutschen Soldaten, die zu ihnen kämen, hier gar nicht das Gefühl des Fremdseins im Feindesland hätten.155

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Vgl. Seite 100. Kurt Neher: Frühherbst in Flandern. In: Das Flandernbuch. Hg. von Heil de Brentani, S. 84. Linne: Antwerpen, S. 10. Ebd., S. 194. Das folgende Zitat ist ebd. Ebd., S. 193. Hahn-Butry: Ein Frühling in Flandern, S. 98f.

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Im Hinblick auf Flanderns Zukunft war in der Regel die Literaturkritik um einiges direkter als die Literatur. In der Besprechung von Otto Engelhardt-Kyffhäusers Bildband Up Weddersehn! Malerfahrt durch Flandern und die Niederlande (1942) wurde Flandern (wie die Niederlande) z. B. diskursiv dem germanischen Reich zugeschlagen, indem es als »germanische Nordwestmark«156 gekennzeichnet wurde. Franz Frommes Buch Begegnungen mit Vlamen (1942), das u. a. in der Nationalsozialistischen Bibliographie und den Jahresgutachten des Amtes Schrifttumspflege empfohlen wurde, wurde in der Zeitschrift Europäische Literatur mit dem unmissverständlichen Kommentar versehen, »Deutschlands Kampf für die Neuordnung und Wiedergeburt Europas geh[e] auch auf die endgültige Befreiung Flanderns [zu]«.157 In Organen wie der Nationalsozialistischen Bibliographie wurde nicht sosehr Flandern zur Heimat für die Deutschen, sondern umgekehrt Deutschland zu der »großen gemeinsamen deutschen Heimat« und dem »größere[n] Vaterland« der Flamen deklariert.158 Neben dem deutschen Schrifttum wurde auch das übersetzte flämische Schrifttum für die Konstruktion einer deutsch-flämischen Verbundenheit herangezogen. Die literaturpolitischen Lenkungsinstanzen erkannten der Übersetzung eine wesentliche Rolle für die Bildlenkung zu: Die wahrhafte Dichtung […] erfüllt vor den Angehörigen einer anderen Nation […] die Aufgabe des Bekanntmachens und Brückenschlagens. Wir Deutschen haben diese Eigenheit der Dichtung früh erkannt und in empfänglichsten Epochen die Kunst des Übersetzens in einer so vollendeten Weise ausgebaut wie kaum eine andere europäische Nation.159

Die Tatsache, dass bevorzugt Schrifttum aus den so genannten artverwandten Ländern übersetzt wurde, machte dieses ›Brückenschlagen‹ zu einem recht selektiven Verfahren und beraubte die ›Aufgabe des Bekanntmachens und Brückenschlagens‹ ihrer augenscheinlichen Harmlosigkeit. Zwar wurde dem Leser immer wieder nahegelegt, er komme durch die Übersetzung unvermittelt mit anderen Kulturen und Völkern in Berührung: Es gibt […] für den Kultur- und Geistesaustausch kaum ein Instrument, das für die richtige Einschätzung, Erfassung und Bewertung eines Volkes von gleicher überragender Wichtigkeit ist wie die Uebersetzung.160

In Wirklichkeit war das Übersetzungswesen ein mächtiges Lenkungsinstrument, das die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und den jeweiligen Völkern und Staaten kulturell unterstützte: Wahrnehmungen und Meinungen über andere Nationen

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Peuckert: NSM 1943, S. 339. Tränckner: EL 4 (1944), S. 23. Besprechung des 1941 erschienenen Buches Ich fand zu Deutschland von Jef Hinderdael in: NSB 1–3 (1943), S. 39 [eigene Hervorhebung]. Kindermann: EL 3 (1943), S. 19. Thielke: EL 2 (1942), S. 7. Karl Thielke war ab April 1938 Referent für das Sachgebiet »wissenschaftliches Schrifttum« in der Reichsschrifttumsstelle, ab September 1939 Referent in der Schrifttumsabteilung (vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 169 u. 183).

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und Völker wurden durch die Ein- und Ausschließung von Ländern, Autoren und Werken, durch domestizierende oder verfremdende Übersetzungsstrategien161 nach den jeweiligen außenpolitischen Interessen herangebildet, gefestigt, umgebogen oder zurückgedrängt. Dass dabei auch versucht wurde, auf tradierte Bilder und den Publikumserfolg ausländischer Autoren Rücksicht zu nehmen, wird durch die bildlenkende Arbeit im Hinblick auf Flandern deutlich dokumentiert. So herrschte in Deutschland zu Beginn der NS-Herrschaft das gefestigte idyllische Bild eines glücklichen und lebensfrohen Flandern vor, das durch die Gemälde des flämischen Meisters Pieter Breughel d. Ä. und auch und vor allem durch die Erzählungen des in Deutschland sehr beliebten und viel gelesenen flämischen Schriftstellers Felix Timmermans geprägt und gefestigt worden war.162 Noch 1943 stellte Astolf Zadow in einem von der Luftwaffe herausgegebenen Handbuch für den deutschen Soldaten fest: Man hat gewöhnlich ein ziemlich feststehendes Bild von dem flämischen Menschen und seiner Wesensart, ein sehr merkwürdiges Bild allerdings, das wenig geeignet ist, zu tieferem Eindringen in Flanderns Volkstum zu verlocken. Flandern erscheint in diesem Bild wie ein pralles, schlaraffenartiges Kirmesland voller Bouffonnerien und Rüpelszenen, wie ein Volk von Fressern und Schlemmern, und der Flame selbst wie ein grober Bauer. Es ist ein ›Folklore-Flandern‹ […]. Vor allem Timmermans mit seinem ›Pallieter‹ hat stark in dieser Richtung gewirkt. […] [M]an hat es [auch] den flämischen Malern entnommen, an ihrer Spitze Pieter Brueghel [sic]. Seine Bauern- und Kirmesbilder haben sich der Welt tief eingeprägt und jede andere Vorstellung verdrängt.163

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Beide Begriffe stammen vom Übersetzungswissenschaftler Lawrence Venuti. Venuti definiert die domestizierende Übersetzung als eine Strategie, die es erlaubt, die Fremdheit des Ursprungstextes im Hinblick auf das Zielpublikum zu minimieren. Diese Strategie kommt der möglichst restlosen Auslöschung des Fremden und damit auch der möglichst weitgehenden Anpassung des Ursprungstextes an die Zielkultur gleich. Die verfremdende Übersetzung durchbricht hingegen absichtlich die Konventionen der Zielkultur, indem sie Spuren der Fremdheit im Ursprungstext behält. Venuti verbindet die domestizierende Strategie mit dominanten Kulturen, die »aggressiv einsprachig und unempfänglich für fremde Einflüsse« seien. Der Begriff der ›Domestizierung‹ wird in der vorliegenden Arbeit in Venutis Sinne als die häufig ideologisch motivierte Anpassung des ›Fremden‹ an das ›Eigene‹ benutzt (vgl. The Translator’s Invisibility. London 1995; Mark Shuttleworth: Dictionary of Translation Studies. Manchester 1999, S. 43f. u. 59). Alternative Begriffe sind das von James S. Holmes geprägte Begriffspaar ›naturalisierend‹ und ›exotisierend‹ (Rebuilding the Bridge at Bommel. In: ders.: Translated! Papers on Literary Translation and Translation Studies. Amsterdam 1988, S. 42–52). Timmermans’ Roman Pallieter (1918) erschien 1921 zum ersten Mal in deutscher Übersetzung. Mit einem Durchschnitt von einer Neuauflage pro Jahr, erschien 1932 die zehnte Auflage, die die Gesamtzahl der Exemplare auf 92.000 brachte. In der Statistik der ins Deutsche übersetzten flämischen Literatur stand das Buch auf einem verdienstvollen zweiten Platz nach Hendrik Consciences Der Löwe von Flandern (1838). Wegen seiner zahlreichen Lesungen und seinem breiteren Oeuvre war Timmermans auf dem deutschen Buchmarkt allerdings präsenter als Conscience. Astolf Zadow: Belgien und Nordfrankreich. Volk-Raum-Geschichte. Ein Handbuch für den deutschen Soldaten. Luftgaukommando Belgien-Nordfrankreich 1943, S. 34f. Die Kritik am Realitätswert von Timmermans’ Literatur wurde durch flämische Nationalisten

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In zahlreichen ähnlichen Textbelegen wurde bedauert, der Deutsche sehe die Flamen »heute ausschließlich unter dem Eindruck Timmermannscher Dichtung und Erzählfreudigkeit, die das flämische Leben […] als eine Idylle erfaßt«,164 und Flandern als eine »Insel der seelischen Verheißung abseits von aller Problematik und Schwere des Tages«.165 Dass die Vorstellung einer glücklichen, geschlossenen Gemeinschaft dem imperialistischen Vorhaben der Diktatur massiv im Wege stand, zeigen die Bemühungen, das idyllische Flandernbild, das der Glaubwürdigkeit wegen nicht einfach geleugnet werden konnte, durch das eines »a n d e r e n Flandern«166 zu ergänzen. Zur Legitimierung dieses Kunstgriffs wurde ein zwiespältiges Flandern, ein »zweierlei Flandern«167 oder aber ein Flandern mit einem »zweifache[n] Gesicht«168 propagiert. Beide Seiten, so hieß es, fungierten als »wie Ein- und Ausatmen sich bedingende Grundkräfte des flämischen Volkstums«.169 Als Fazit der ganzen Unternehmung wurde gefolgert, man müsse »immer beides betrachten, wenn man die Flamen verstehen will«.170 Zur Konstruktion und Verbreitung dieses ›neuen‹171 doppelten Bildes wurde auf eine ›neue‹ Auswahl aus der flämischen Literatur rekurriert.172 Besonders gefördert wurde eine Literatur, die die »Tragik des flämischen Volkes im erbitterten Kampf der lateinischen und germanischen Kultur« zum angemessenen »künstlerisch-kämpferischen Ausdruck« brachte.173 »Wenn wir dieser versteckten Ader der politischen Lyrik weiter nachgehen«, so der Flandernreferent in den Nationalsozialistischen Monatsheften und der Bücherkunde, »dann gelangen wir unversehens zu einem ganz anderen Flandern, dessen Gesicht nicht verträumt und idyllisch, sondern kämpferisch und

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geteilt, denen zufolge Timmermans und sein Werk eine ›lächerliche Karikatur des flämischen Wesens‹ verbreiteten (vgl. Telegramm der Propaganda-Abteilung in Belgien an das Propaganda-Amt Hamburg, zitiert in: Bert Govaerts: ›Zo was Vlaanderen op Duitschlands lippen‹. Felix Timmermans en de Rembrandtprijs 1942. In: Wetenschappelijke Tijdingen 1 (2000), S. 29). Erich Röhr: Flämisches Volkstum. Bonn 1942, S. 2. Teske: EL 7 (1942), S. 16. Peuckert: NSM 1936, S. 595. Peuckert: NSM 1939, S. 861–864 (Titel). Röhr: Flämisches Volkstum, S. 3. Peuckert: NSM 1939, S. 863. Röhr, Flämisches Volkstum, S. 3. ›Neu‹ ist relativ, weil die nationalsozialistische Propaganda für das von ihr erwünschte Flandernbild aus früheren Diskursen wie zum Beispiel der Flamenpolitik des Ersten Weltkrieges schöpfen konnte (vgl. u.a. Hubert Roland: Die belgischen ›Gegensätze‹ aus deutscher Sicht. In: Ikonographie kultureller und nationaler Identität. Hg. von dems. / Sabine Schmitz. Frankfurt/M. 2004, S. 137–158, Winfried Dolderer: Deutscher Imperialismus und belgischer Nationalitätenkonflikt. Kassel 1989). Die Ausarbeitung dieser Kontinuitäten und Diskontinuitäten würde den Rahmen des Fallbeispiels in dieser Arbeit sprengen. Für eine ausführlichere Besprechung vgl. Vande Winkel / Van linthout: De Vlaschaard 1943, S. 40–63; Van linthout: ›Flandern halte dich bereit‹, S. 333–349. Peuckert: NSM 1941, S. 878.

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gegenwartsnahe erscheint.«174 Die flämische Literatur, die hier gemeint war, folgte einem strikten Aktantenmodell. Es waren Erzählungen, die als Subjekt Flandern, als Helfer Deutschland und als Gegner Flanderns historische Fremdherrschaften, den belgischen Staat oder, je näher der Krieg rückte, die Alliierten hatten. Auch das Ziel, für das gekämpft wurde, war eindeutig determiniert: die Befreiung des flämischen Volkes aus der fremdvölkischen Zwangsjacke und gegebenenfalls seine Integration in das germanische Reich. Als empfehlenswert galt vor diesem Hintergrund der historische Roman Der Löwe von Flandern von Hendrik Conscience über die Schlacht der Goldenen Sporen (›Guldensporenslag‹) am 11. Juli 1302, in der ein französisches Ritterheer in der Nähe der flämischen Stadt Kortrijk durch ein Aufgebot von im Kern flämischen Stadtbürgern und Zünften geschlagen wurde.175 Auch Charles de Costers Roman Tyll Uylenspiegel wurde in diesem Zusammenhang empfohlen. Den Kern dieses Buches, so wurde betont, bildeten »nicht die losen Streiche Tylls, sondern der Freiheitskampf der Vlamen […], der Kampf um die Befreiung von dem schmachvollen Joch der Fremdherrschaft«.176 Zur jüngeren Literatur gehörte der Roman Flandern stirbt nicht von Jef Simons,177 der u. a. in den Organen der NSDAP und des Rosenbergamtes empfohlen wurde. Das Buch thematisiert die soziale und kulturelle Unterdrückung der flämischen Bevölkerung in Belgien vor dem Ersten Weltkrieg, die Schikanierung der flämischen Soldaten an der Front 1914–1918178 und die daraus resultierende Radikalisierung des flämischen Emanzipationsstrebens gegen die belgischen Machthaber. Simons war im Ersten Weltkrieg selbst Frontkämpfer gewesen und teilte mit der Hauptfigur seines Romans die aktivistische Auffassung, die Kollaboration mit Deutschland sei der geeignete Weg zur Erlangung eines vom belgischen Staat

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Peuckert: BK 1936, S. 347. In der Schlacht bei Kortrijk kulminierte der Widerstand der Grafschaft Flandern gegen das Eroberungsstreben des französischen Königs Philipps des Schönen. Die Flämische Bewegung hat sie zum Symbol für den nationalen Sieg des ›flämischen Volkes‹ über das unterdrückende ›Franzosentum‹ erhoben. Dieses Ereignis erhielt nach der Entstehung des belgischen Staates eine flämisch-nationalistische Bedeutung. Der 11. Juli ist bis heute der flämische Feiertag (vgl. NEVB 1998, S. 1382–1386). 17726: BK 1936, S. 202. Der auf Französisch verfasste Roman wurde 1923 fertiggestellt und erschien 1927 zum ersten Mal auf Flämisch, 1937 erstmals in deutscher Übersetzung. Die belgische Armee war eine Widerspiegelung der gesellschaftlichen Verhältnisse im damaligen Belgien. Der Stab war vorwiegend frankophon und ›antiflamingantisch‹, die Mehrheit der Soldaten flämischsprachig. Befehle und Vorschriften wurden in den Schützengräben auf Französisch erteilt, was zu tödlichen Missverständnissen führen konnte. Aus dieser frankophonen Dominanz entstand eine radikale Variante des ›Flamingantismus‹ (i.e. flämischen Nationalismus), die 1917 in der Errichtung der ›Frontbewegung‹ kulminierte (vgl. NEVB 1998, S. 58–59 u. 1210–1223). Die Missstände an der Front wurden in der flämisch-nationalistischen Geschichtsschreibung betonend hervorgehoben und erhielten dort mythische Proportionen. Zur Enttarnung dieses Mythos vgl. Hans Keymeulen / Luc De Vos: Een definitieve afrekening met de 80% mythe? In: Belgisch Tijdschrift voor Militaire Geschiedenis 8 (1988), S. 589–612; 1(1989), S. 1–37; 2 (1989), S. 81–101; Luc De Vos: De numerieke verhouding tussen Vlamingen en Walen in het Belgisch leger bij het begin van de Eerste Wereldoorlog. In: Wetenschappelijke Tijdingen 4 (1984), S. 218–229.

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unabhängigen Flandern gewesen.179 Obwohl diese Position nur durch eine kleine Minderheit der flämischen Bevölkerung vertreten wurde, wurde sie in der nationalsozialistischen Literaturkritik als adäquate »Deutung der flämischen Lebensfrage«180 dargestellt. Das Buch wurde in der Bücherkunde als ein »erste[r] Kameradengruß über die einst trennenden Gräben hinweg«181 begrüßt und in den Nationalsozialistischen Monatsheften als »politisch-künstlerisch gelungenes Werk« neben den Roman Der Puchner. Ein Grenzlandschicksal des sudetendeutschen Schriftstellers Wilhelm Pleyer gestellt mit dem Zusatz, es gewinne damit »nicht nur selbstverständlich für alle alten Flandernkämpfer unter den deutschen Frontsoldaten, sondern für den politisch erzogenen deutschen Leser überhaupt noch an Bedeutung.«182 Die Parallele ist politisch bedeutungsvoll, wenn man weiß, dass Pleyers Roman als dasjenige Buch galt, das als eines der ersten den Deutschen im Reich Augen und Herzen geöffnet [habe] für das Schicksal ihrer Volksgenossen im sudetendeutschen Land, und […] so auf seine Art für die Befreiung des Sudetendeutschtums mitgestritten [habe].183

Darüber hinaus komme Pleyers Puchner, so die Nationalsozialistischen Monatshefte, der besondere Wert zu, »für uns und spätere Generationen ein bleibendes dichterisches Dokument vom zähen Kampf eines Volkes um seine Freiheit und sein Recht« zu sein. Dadurch, dass die Sudetendeutschen diese Freiheit und dieses Recht nach nationalsozialistischem Verständnis erst dann erhielten, als sie 1938 in das Dritte Reich eingegliedert wurden, wirft der Vergleich ein bezeichnendes Licht auf die Intention hinter der nationalsozialistischen Flanderndarstellung. Er verleiht der Forderung, forthin der »ehernen Stimme des anderen Flanderns […] neben den gewiß dankenswerten Büchern der Timmermans und Claes ein ebenso breites Gehör beim

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Diese Auffassung spiegelt die Überzeugung der flämischen Nationalisten der Zwischenkriegszeit wider, die in Deutschland einen Bündnispartner zur Durchsetzung ihrer politischen Forderungen gegenüber Belgien sahen. Sie basierte auf der Kooperation zwischen flämischen Aktivisten und deutscher Besatzungsverwaltung während des Ersten Weltkrieges, die u. a. zur ›Verniederländischung‹ der Universität Gent und damit zur Erfüllung einer flämischen Vorkriegsforderung durch die deutsche Besatzung geführt hatte. Die ›Aktivisten‹ wurden nach dem Krieg wegen Kollaboration verfolgt. Zur deutschen Flamenpolitik vgl. Lode Wils: Flamenpolitik en aktivisme. Leuven 1974. Peuckert: NSM 1940, S. 510. Peuckert: BK 1943, S. 171. Pleyer stieg im Dritten Reich zu einem der erfolgreichsten sudetendeutschen Schriftsteller auf, der sich stets für die großdeutsche Idee stark machte. In Der Puchner. Ein Grenzlandschicksal (1934) beschreibt er am Beispiel eines Jungen, der an der deutsch-tschechischen Sprachgrenze aufwächst, die »Vergewaltigung des sudetendeutschen Selbstbestimmungsrechtes«. Der Junge entwickelt sich »zum Mann und Kämpfer, der leidenschaftlich um das Recht seines Volkstums ringt und schließlich im Zug der tschechischen Entrechtungspolitik in den Kerker geworfen wird« (Zitate aus dem Voralberger Tagesblatt; vgl. Klappentext einer Ausgabe des Verlags Albert Langen-Georg Müller in München). Umschlagtext der Ausgabe von 1934 des Verlags Albert Langen-Georg Müller in München. Das folgende Zitat ist ebd.

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deutschen Volke zu verschaffen«,184 einen unmissverständlich imperialistischen Klang und steuerte offensichtlich auf die Erkenntnis zu, Flandern bedürfe nach seinem schreckhaften Erwachen im Sommer 1940 in seinen besten Führungskräften der starken und eindeutigen Unterstützung des großen und gesunden Nachbarn […], um einer neuen sozialen und kulturellen Blüte seines unzerstörbaren Lebens entgegenzugehen.185

1.2.2.3. Die unbeabsichtigte Spannung zwischen ›eigen‹, ›anders‹ und ›fremd‹ Obwohl sich das Regime Mühe gab, Flandern als ›eigen‹ darzustellen, gelang es ihm in den zwölf Jahren seiner Herrschaft nicht, ein widerspruchsfreies Bild der Flamen als Teil des ›eigenen‹ Volks zu entwerfen. Im Nachhinein ist nur schwer auszumachen, ob die zahlreichen Hinweise auf Flanderns ›Anderssein‹ Ausdruck des angestrebten Gleichgewichts zwischen flämischer Eigenheit und germanischer Reichszugehörigkeit waren und damit als strategisch einzustufen sind. War es eine taktische Entscheidung, im Schrifttum über Flandern zwei Metaphernstränge nebenund durcheinander zu verwenden: einen, der Flandern und Deutschland als ›Nachbarn‹ und damit als unabhängige Entitäten darstellte, und einen, der die enge und natürliche Verbundenheit der beiden Völker als ›Verwandte‹ oder ›Brüder‹ betonte? War es strategisch gewollt, dass für Flandern konträre Bezeichnungen wie ›jenseits der Reichsgrenzen‹ und ›diesseits der Reichsgrenzen‹, ›fremdes Volk‹ und ›blutsverwandtes Volk‹, ›Ausland‹ und ›Grenzland‹ benutzt wurden, oder war dies vielmehr eine ungewollte Anerkennung der Diskrepanz zwischen der faktischen und der erwünschten Realität? Die Antwort muss spekulativ bleiben, solange für die einzelnen Texte keine ausdrücklichen Kommentare der offiziellen Lenkungsorgane, der Verlage oder der Autoren selbst auftauchen. Jedenfalls war diese extreme Ambivalenz, die sich aus widerstreitenden Interessen, Themenbereichen, Akteuren und Sachzwängen ergab, konstitutiv für die Flanderndarstellung der NS-Zeit. So war es unvermeidlich, dass es im Schrifttum Verweise auf die Distanz zwischen Flandern und Deutschland gab, die die imperialistischen Absichten der Diktatur eher kompromittierten als förderten. Ein Begriff, der die Spannung zwischen Flanderns Eigenheit und der flämisch-deutschen Verbundenheit wohl eher unbewusst als gewollt zum Ausdruck brachte, war der Begriff der ›Heimat‹. Obwohl er im Hinblick auf Flandern, wie bereits gezeigt wurde, ganz ausdrücklich als Gleichheitsstifter eingesetzt wurde, rückte er nicht selten auch die Distanz zwischen Flamen und Deutschen ins Licht. Dafür lassen sich mindestens drei Ursachen nennen, die im Folgenden identifiziert und durch Beispiele aus der deutschen Literatur über Flandern belegt werden. Eine erste Ursache war zweifellos die, dass Flandern und Deutschland nicht nur zwei staatsterritorial getrennte Entitäten waren, sondern ihre Bevölkerungen auch gefühlsmäßig an einer unterschiedlichen Heimat hingen. Bei den Gebieten, die 1919

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Peuckert: NSM 1936, S. 595. Peuckert: NSM 1941, S. 111.

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von Deutschland abgetrennt worden waren, gab es dieses Problem nicht: Trotz staatlicher Trennung teilten die Volksdeutschen mit den Reichsdeutschen gefühlsmäßig eine und dieselbe deutsche Heimat. Im Fall der Flamen hatte das Wort ›Heimat‹ in Wirklichkeit zwei unterschiedliche Referenzpunkte, die sich im Schrifttum über Flandern auch regelmäßig als solche manifestierten. Der Unterschied zwischen der »deutsche[n] Heimat« und der »flandrische[n] Heimat«186 erscheint u. a. dort, wo Flamen und Deutsche sich gegenseitig über ihre Heimat erzählen. Die deutschen Soldaten informieren ihre ›Gastgeber‹ über Deutschland: »Wo ist ihre Heimat?« will Maantje wissen. »Eine grosse Stadt in Westfalen,« erwidert Bob, »im Ruhrkohlengebiet.« Und Bob erzählt von der Heimat. Wie wir [deutsche Soldaten] eben da draussen von der Heimat erzählen konnten.187

Die flämischen Familien klären ihre ›Gäste‹ ihrerseits über Flandern auf: »Oh, Gent ist eine schöne Stadt«, erklärte die Frau stolz, »sie hätten es im Frieden kennen sollen!«188 Beredt schilderte sie die Eigenart Gents und wie es früher in Flandern ausgesehen. Die beiden Deutschen […] verglichen das, was die Frauen ihnen berichteten, mit den bunten, reichen Leben in Deutschland, priesen ihre eigene Heimat und erkannten doch die Schönheit Flanderns an.189

Die geografische wie auch gefühlsmäßige Trennung zwischen Flandern und Deutschland wird ebenfalls greifbar, wenn sich die deutschen Soldaten in Flandern über »Grüße aus der Heimat« freuen (»Jeder sitzt auf seinem Stahlhelm und ist ganz vertieft in die ersten Nachrichten aus der Heimat«) und eine Sehnsucht spüren (»gern die große Reise nach der Heimat antreten«), der nur aufgrund der soldatischen Pflicht (»aber der Feind ist vor uns in der Stadt, und wer weiß, was er plant«) nicht nachgegeben wird.190 Oder wenn sie zum einen »das herrliche Land« Flandern »wie eine Heimat verteidig[en]«,191 zum anderen aber ihre Gedanken »in die Heimat zurück[gleiten], der es zu verteidigen gilt«.192 Oder auch wenn der deutsche Flandernkämpfer einen »Heimgang« nach Flandern antritt, dort jedoch »weit von der Heimat«193 ist. Die expliziteste Gegenüberstellung flämischer und deutscher Heimatgefühle findet sich in Walter Kramers194 Novelle Heimgang in Flandern (1934). Das

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Uweson: Dörfer in Flandern. Linker: Spiel in Flandern, S. 19 [eigene Hervorhebung]. Man könnte denken, der Hinweis auf die Friedenszeit sei ein subtiler Vorwurf an die Adresse Deutschlands, das für den Krieg verantwortlich war. Die Erzählung liefert jedoch weiter keinerlei Unterstützung für diese Lesart. Fred Heinsen: Germaine und die beiden Kameraden. Ein Schicksal in Flandern. Leipzig 1940, S. 21f. Bruno Trede: Immer Voraus! Flandern 1940. Berlin, Leipzig 1941, S. 71. Walter Kramer: Heimgang in Flandern. Stuttgart, Berlin 1934, S. 18. Uweson: Sturm über Flandern, S. 19. Kramer: Heimgang in Flandern, Titel u. 69. Kramer (geb. 1892) war Professor an der Hochschule für Lehrerbildung in Cottbus und wurde am 30. Mai 1936 in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen.

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Buch erzählt die Geschichte des deutschen Frontkämpfers Franken, der nach dem Ersten Weltkrieg nach Flandern zurückkehrt und sich dort in Marie, ein Mädchen aus flämisch-nationalistischer Familie, verliebt. Die Beziehung fi ndet ein Ende, weil beide fühlen, »daß es schwer werden würde, einen von ihnen aus seiner Heimat loszulösen«.195 Marie lehnt Frankens Heiratsantrag ab, »da es undenkbar für sie wäre, in irgendeinem andern Lande leben zu können«: »[D]as kann ich nicht, und das will ich nicht; ich kann nicht in einem fremden Land leben«.196 Dass der Heimatgedanke im Hinblick auf Flandern nicht nur gemeinschaftsstiftende, sondern auch trennende Bedeutung hatte, resultiert ferner aus den unterschiedlichen Intentionen, mit denen Bücher geschrieben wurden. So gibt es im Kriegsschrifttum sowohl Bücher, die sich primär mit Flandern befassen, als auch solche, die vielmehr die Kühnheit der deutschen Truppen auf flämischem Boden unter Beweis stellen wollen. Der jeweiligen Wirkungsabsicht entsprechend, werden die militärischen Aktionen in beiden Buchkategorien aus sehr unterschiedlichen Perspektiven geschildert. In Büchern, die um Flandern kreisen, werden die Zerstörungen so beschrieben, als träfen sie die eigene Heimat. Der Kriegsberichterstatter Kurt Neher schrieb 1942 in Das Flandernbuch: Ja, uns war, als stritten wir auf eigenem Boden: […]. Wir verspürten Schmerz, wenn uns der Gegner zwang, die schweren Waffen einzusetzen, und atmeten erleichtert auf, wenn wir uns an einem der vielen herrlichen Baudenkmäler, das unzerstört geblieben war, im Vorbeimarschieren erfreuen durften.197

In Büchern, in denen Flandern wenig mehr als die Kulisse für den Vormarsch der deutschen Truppen bildet, wird der Unterschied zwischen der deutschen Heimat und Flandern hingegen sogar dankbar begrüßt. In Bruno Tredes Immer Voraus! Flandern 1940, das auf das Buch Stoßtrupp in Polen desselben Autors folgte, sind die Soldaten erleichtert, dass das Kriegselend nicht die Heimat, sondern ganz im Gegenteil ›Feindesland‹ traf: Welch ein Glück, daß wir den Krieg in Feindesland getragen. Mit heißem Dankgefühl und stiller Sehnsucht gedachte ich in diesem Augenblick der Heimat! – – Die Minuten der Spannung sind vergessen. »Los, komm! Wir müssen wieder zurück. Unser Chef ist sicher schon frei und wieder in der Stellung!«198

In solchen Darstellungen weichen der Schmerz wegen des erzwungenen Einsatzes der Waffen und die Freude bei ausbleibenden Schäden der Faszination der Soldaten für das »Lichtgemälde« der brennenden Häuser, der »grellen Blitze«, der »farbigen Leuchtkugeln« und des »hellen Gewehrfeuer[s]«, in das der Krieg »seine besonderen Töne« hineinzeichnet. An die Stelle der Furcht vor der Zerstörung Flanderns tritt die Stilisierung des zerstörenden Artilleriefeuers als malerisches und zugleich musikalisches Kunstwerk. Sobald Flandern also nicht Hauptthema des Buches war, geschah

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Kramer: Heimgang in Flandern, S. 95. Ebd., S. 97 u. 98. Neher: Frühherbst in Flandern, S. 83f. Trede: Immer Voraus, S. 66. Die folgenden Zitate sind ebd.

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es öfters, dass die abweichende Wirkungsabsicht der konsequenten Ausführung der propagandistisch erwünschten Darstellung Flanderns als eines germanischen Landes in die Quere kam. Eine dritte Ursache für die trennende Funktion des Heimatgedankens leitet sich direkt aus den Kriegsumständen ab, genauer aus der Spannung zwischen der faktischen deutsch-flämischen Feindschaft an der Front und der konstruierten (gegebenenfalls auch realen) Verbundenheit im Hinterland. In der fiktionalen Literatur, die sich ausdrücklich Flandern widmet, wird die Kriegszeit im Allgemeinen als eine Zeit der germanischen Verbundenheit inszeniert. Mögliche Probleme, die aus der Frontsituation für die flämisch-deutschen Beziehungen entstehen könnten, werden systematisch relativiert. In Fred Heinsens Novelle Germaine und die beiden Kameraden. Ein Schicksal in Flandern (1940) z. B. kann die Hauptfigur Germaine die Feindschaft zwischen Flamen und Deutschen nicht mit der erlebten Wirklichkeit im Einklang bringen und führt sie auf das bloße Ausführen von Befehlen zurück: Man hat uns gesagt, […] ihr deutschen Soldaten wäret Wilde und man müßte euch hassen. Und doch seid ihr immer freundlich und hilfsbereit zu uns. Ihr könnt doch auch nichts dafür, daß Krieg ist. Wir haben auch nichts getan und ihr bemüht euch, so gut zu uns zu sein, als ihr es sein dürft. Ihr handelt nach Befehlen, wenn ihr etwas zerstört, und ebenso wurden unsere Soldaten drüben Befehle bekommen, zu zerstören, und werden ihnen gehorchen.199

Mit ähnlicher Absicht schildert Hahn-Butry in seinem Roman Ein Frühling in Flandern (1939) die allmähliche Überwindung des kriegsbedingten Loyalitätsproblems in der westflämischen Familie Bankroft, bei der deutsche Soldaten einquartiert sind. Zwischen einer der Töchter (Louisette) und einem der Soldaten (Ernst) entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die bei Mutter Bankroft große Sorge auslöst. In Dialogen wie dem nachfolgenden warnt sie ihre Töchter mit dem Hinweis auf die Kriegssituation vor den jungen deutschen Soldaten: »Kümmere dich um deine Arbeit oder stecke den Kopf in die Bücher, die dir dein Vater für schweres Geld gekauft hat! Muß ich euch denn immer wieder sagen, daß die deutschen Soldaten unsere Einquartierer sind und sonst nichts! […] Ach, was hat man für Sorgen mit seinen Töchtern! Oh, dieser Krieg, dieser vermaledeite Krieg!« »Und dabei sagst du selbst immer, daß du die Deutschen gern magst!« trumpfte die Kleine auf. »Natürlich, wenn sie anständig sind!« brummte Mutter Bankroft. »[…] Aber sie sind doch nun einmal unsere Feinde. Unsere Vettern und Brüder kämpfen gegen sie. Vielleicht erschießt einer von denen, die jetzt gerade bei uns in Quartier liegen, in vier Wochen an der Front meinen Bruder!«200

Im Laufe des Romans, als die Soldaten und die flämische Familie immer mehr zueinander finden, nimmt der Gewissenskonflikt allmählich ab und schließlich hat [s]elbst Mutter Bankroft […] ihre grundsätzlichen Bedenken gegen […] deutsche Frontsoldaten beiseitegestellt und ihn [i.e. Ernst] in ihre sorgende Mütterlichkeit stillschweigend mit

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Heinsen: Germaine und die beiden Kameraden, S. 14. Hahn-Butry: Ein Frühling in Flandern, S. 47f.

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eingeschlossen. – Wenn er dienstfrei hatte, durfte er bei den Mädchen sitzen. Mit ruhiger Selbstverständlichkeit wusch Mutter Bankroft seine Wäsche, das Drillichzeug und nähte ihm die Knöpfe nach. Sonst hatte sie das nie getan. Aber seit er nun »Mutter Bankroft« zu ihr sagte und sie ihn mit »Monsieur Ernest« anredete, war eine Freundschaft beschlossen, vor der sie ihren Stolz und ihre Würde nicht mehr zu hüten brauchte.201

Die Bedenken gegen eine Beziehung zwischen Louisette und Ernst lösen sich allmählich auf und [f]ür die Bäuerin gehörte [Ernst] jetzt ganz zur Familie. Daß er nun auch zum Gefreiten befördert war, erfüllte sie mit Stolz auf ihn und irgendwie wachte in ihrem Unterbewußtsein auch wieder das Gefühl, Louisette und Ernst wären ein schönes Paar! 202

Diese Darstellung der Kriegssituation, bei der jegliche Schwierigkeit zwischen Flamen und Deutschen überwunden wird oder erst gar nicht auftaucht, wurde von den nationalsozialistischen Instanzen einstimmig gefördert. Das Kriegsbuch Dörfer in Flandern (1937) von Uweson z. B. wurde von der Reichsjugendführung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei empfohlen, weil es die »Verwandtschaft der Flamen mit allem Germanischem anklingen« lasse.203 Das Parteiorgan der NSDAP ergänzte, das Büchlein sei eines der »echtesten dichterischen Zeugnisse vom Flandernerlebnis des deutschen Frontsoldaten«, weil in ihm »gleichzeitig und gemeinsam der Herzschlag der beiden blutsverwandten germanischen Volksteile« erklinge: »Hier spricht einer vom brüderlichen Schicksal.«204 Mit ganz ähnlichem Lob äußerte sich Rosenbergs Amt Schrifttumspflege zu Uwesons Buch Sturm über Flandern. Dem Gutachten zufolge gab es im Buch ausgezeichnete »Beschreibungen der flandrischen Ebene und des flämischen Menschen wie überhaupt [der] ganze[n] Stimmung, die über dem ›uralten, germanischen Flandern‹ liegt.«205 Dennoch erschienen auch Bücher, die weniger die flämisch-deutsche Verbundenheit als die Probleme thematisierten, die sich im Kontext der Kriegsfeindseligkeiten aus dieser Verbundenheit ergaben. Ein bemerkenswertes Beispiel ist Bruno Schwietzkes206 Buch Sommermond in Flandern (1939), dem zufolge Flamen und Deutsche in

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Ebd., S. 101f. Ebd., S. 179. BArch DS/G0141. Ebd. (auch: Peuckert: NSM 1938, S. 379f.). Ebd. Schwietzke (geb. 1896) war im Hauptberuf Buchhändler und Werbeleiter, im Nebenberuf Schriftsteller. Er war Mitglied im Reichsverband der Deutschen Presse und wurde 1936 als Mitglied in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen. Der Befreiungsschein für den Roman Sommermond in Flandern (fünf Auflagen zwischen 1939 und 1943) vom 14. Februar 1939 legt nahe, dass der Autor aufgrund einer zu geringen Produktivität wieder aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen wurde (BArch RK/RSK/I/0552). Dazu sei angemerkt, dass Autoren, deren Produktivität unter einer bestimmten Quote blieb, der Zutritt zur Kammer verweigert bzw. die Mitgliedschaft wieder eingezogen wurde. Sie mussten für jede Veröffentlichung einen Schein beantragen und eine Ausstellungsgebühr in Höhe von fünf Reichsmark überweisen, um das betreffende Werk ohne Mitgliedschaft publizieren zu dürfen. Aus der Korrespondenz der Reichsschrifttumskammer mit den Autoren geht

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Kriegszeiten zu ihrer jeweils eigenen Heimat stehen sollten und daher die Verbundenheit zwischen Flandern und Deutschland im Kriege unhaltbar sei. Der Roman setzt kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges an und erzählt vom Niederdeutschen Hans Peter Poggensteert, auch Pidder oder Piet genannt, der von seinem flämischen Freund Klaes Klauwaert zur ›Groenemoolen‹ (›Grünemühle‹) 207 eingeladen wurde, um dort eine Zeitlang zu arbeiten. Keiner ahnt zu dem Zeitpunkt, dass einige Wochen später der Erste Weltkrieg ausbrechen wird. So ergibt sich die Situation, dass Klaes’ jüngere Schwester Wantje und der deutsche Pidder sich ineinander verlieben und dem Mädchen bei den ersten Zeichen eines drohenden Krieges die Tragik der Situation plötzlich einleuchtet: Vlaemen würden also auf Dietsche [i.e. Deutsche] schießen? Ihr Klaes und ihr Piet müßten plötzlich Feinde sein? Wie mag das alles werden, da doch Friede um Flandern und sichere Geborgenheit auf Groenemoolen für ewig schützend zu stehen schien. Da beginnt das Mädchen leise vor sich hinzuweinen und die Ahnung von etwas unfaßbar Schwerem will ihr schier das junge Herz abdrücken.208

Was dieser Krieg in der Novelle für das Verhältnis zwischen Flamen und Deutschen bedeutet, lässt sich an der Verwendung des Heimatgedankens ablesen. Zu Beginn der Erzählung wird Pidder auf der Mühle als Gast empfangen (»Seid mein Gast, solange es Euch bei mir gefällt«), und sobald er das Gefühl hat, »alles Fremde« sei »weggewischt«, konstatiert er: »[E]uer Flandern hier liebe ich, wie ich nur noch meine Heimat lieben kann«.209 Als der Krieg ausbricht, werden die zwischenvölkische Liebesbeziehung und Freundschaft, freilich nicht ohne Tragik, pflichtbewusst der Vaterlandstreue untergeordnet: »Es ist schwer, mein Wantje. Wir gehen heute einen schönen Weg zu Ende.« »Und, ich weiß jetzt, daß ich ein Deutscher bin. Ich hatte in den Tag hinein bloß meiner Arbeit gelebt und nun ruft mich Deutschland.« »Und meine Heimat, mein Flandern wird dir nichts mehr sein?« »Sieh, Wantje. Als deine Leute gestern abend so wild sangen, da wußte ich es. Sie sind Flamen und für ihre Heimat werden sie kämpfen, auch gegen – mein Vaterland.« »Ja, unsre Leute, und Großvater und Klaes und Hochwürden. Alle wissen sie, wohin sie gehören, bloß ich …« – »Nur du hast mich lieb, drum wird dir nun so schwer, mein Wantje.«

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hervor, dass die Bedingungen zum Antrag der Befreiung kompliziert waren und unter Einfluss der Kriegsumstände regelmäßig geändert wurden. Die gängige Auffassung, eine Ablehnung der Mitgliedschaft in einer der Kammern käme für Kulturschaffende einem Berufsverbot gleich (vgl. u.a. Hans Sarkowicz: Hitlers Künstler. Die Kultur im Dienst des Nationalsozialismus. Frankfurt/M. u. a. 2004, S. 9; Heiber: Goebbels-Reden, S. 131), ist folgerichtig zu nuancieren. Der Autor spielt durch die Namensgebung und einzelne Elemente der Romanhandlung auf die Schlacht der Goldenen Sporen an, in der am 11. Juli 1302 das französische Ritterheer durch das flämische Volksheer (die ›Klauwaerts‹) geschlagen wurde (vgl. Seite 127). Bruno Schwietzke: Sommermond in Flandern. Gütersloh 1939, S. 74. Ebd., S. 43 u. 44.

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»Man sagt, daß alle Deutschen in die Heimat fahren und sich stellen wollen, ehe die Grenze gesperrt wird. Das kann bald sein, meinte gestern Hochwürden.« – […] »Wir bleiben neutral, solange das möglich ist«, sagt das flämische Mädchen schroff. Doch dann schluchzt sie auf, und die Tränen rinnen über die Blumen in ihrem Schoße. »Ich will in diesem Kriege niemals hassen, vergiß das nie, Piet. Ich schwöre es.« »Aber du mußt jetzt zu Belgien stehen, was auch kommen mag,« sagt der Deutsche heiser und es drückt ihm schier das Herz ab.210

Und so macht der deutsche Pidder Poggensteert anno 1914 in Flandern – mit Bedauern im Herzen, aber immerhin auch mit Stolz – eine Metamorphose vom ›Freund‹ (S. 18, 75) über den ›Fremden‹ (S. 122, 146f) hin zum ›Ausgestoßenen‹ (S. 146), ›Gegner‹ und ›Feind‹ (S. 150–160) durch. Zugleich wird die Heimat zu einem Erlebnis, das gleichzeitig mehrere Bezugspunkte haben kann, in Kriegszeiten jedoch eine deutliche Gewichtung verlangt. So tauschen sowohl Flamen als auch Deutsche die Heimatgefühle für Flandern im Krieg für die Pflicht gegenüber dem jeweils eigenen ›größeren Vaterland‹, Belgien bzw. Deutschland, ein: So geht der Ausgestoßene mit eiligem Schritt durch die regennasse Kerkstraat von Taervyse und so steigt ihm heiß in die Augen. Denn im Rattern des nahenden Zuges tönt heiliger Gesang, den Poggensteert lange, lange nicht mehr gehört hat. Jubelnd schwingt sich das Lied aller Deutschen aus den geöffneten Abteilfenstern. »Deutschland, Deutschland über alles.« »Über alles in der Welt!« jauchzt da Pidder Poggensteert, der als Deutscher […] das Land Flandern als neue Heimat geliebt und dem flämische Menschen die Pflicht gegen das eigene größere Vaterland [hier: Belgien] gezeigt hatten.211

Betrachtet man das Kriegsschrifttum in seiner Gesamtheit, wurde der nationalsozialistischen Idealvorstellung einer flämisch-deutschen Verbundenheit also auch durch die reale Frontlage in den beiden Weltkriegen Konkurrenz gemacht, der die Literatur mit verschiedenen Auffassungen gegenübertrat: Bald geht es um Kriege, in denen Flamen und Deutschen als »Freund und Feind, ein jeder für seine Heimat«212 kämpfen, bald um den »Kampf um eine wahrhaftige Freundschaft zwischen dem deutschen und dem flämischen Volk, zwischen Germanen und Germanen«.213 Die am Heimatbegriff aufgezeigte Ambivalenz und Widersprüchlichkeit des Diskurses über Flandern wurde dadurch verstärkt, dass sowohl in der polykratisch organisierten Diktatur als auch bei der zersplitterten Flämischen Bewegung verschiedene Auffassungen über das künftige politische Los der Flamen herrschten. Auf deutscher Seite standen sich als wichtigste Akteure Hitler, die SS, das Propagandaministerium und die Militärverwaltung gegenüber, die den Grundkonsens des ›germanischen‹ Flandern teilten, sich jedoch über die Modalität und Dringlichkeit seiner Angliederung an das Reich uneins waren. Auf flämischer Seite gab es ein ganzes Spektrum von Auffassungen, die von einem emanzipierten Flandern innerhalb des belgischen

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Ebd., S. 135f Ebd., S. 146f. Ebd., S. 160f. Uweson: Dörfer in Flandern, S. 13.

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Staates über einen unabhängigen flämischen Staat bis hin zur großdietschen 214 Vereinigung mit den Niederlanden oder auch der Eingliederung der Flamen in das großgermanische Reich reichten. Diese politische Zersplitterung fand ihren Ausdruck sowohl im übersetzten flämischen als auch im deutschen Schrifttum und erschwerte die Ausrichtung auf ein klares Ziel. Die Tatsache z. B., dass nur eine sehr kleine Minderheit der Flamen der großgermanischen Idee anhing, zeigt sich nicht nur in den Texten flämischer Autoren, sondern auch in solchen deutscher Autoren. In Kramers Heimgang in Flandern (1934) z. B. stößt sich der deutsche Soldat Franken mehrmals am »glühenden Freiheitswillen«215 des flämischen Nationalismus. In der flämischen Stadt Gent begegnet er einem Lehrer, der sich die »Befreiung des Vaterlandes und die Errichtung eines nationalen Staates zum Ziel gesetzt« hat. Die beiden diskutieren über Literatur und gelangen so zum Thema der flämischen Angliederung an das deutsche Reich: Jetzt […] hielt es Franken, der die flämischen Dichter ausgezeichnet kannte und verehrte, an der Zeit, darauf hinzuweisen, wie artverwandt das flämische dem deutschen Wesen sei, und dass es natürlich wäre, Flandern im großen deutschen Vaterland Ruhe und Kraft finden zu lassen.

Anders als man es im nationalsozialistischen Kontext erwarten sollte, weist der flämische Lehrer den Gedanken der Eingliederung Flanderns ins Deutsche Reich radikal ab: »Ich verstehe«, so entgegnete ihm der Lehrer rasch, »einen solchen Gedanken sehr wohl, und Sie werden mir glauben, wenn ich Ihnen versichere, dass ich die deutsche Literatur und Kunst hinreichend kenne. Aber trotz dieser Kenntnis oder gerade deshalb kann ich mir nicht denken, ein Deutscher zu werden oder zu sein. Ich kann, der ich täglich Gott danke, dass ich ein Flame bin, überhaupt nichts anderes sein, und bei aller Bewunderung Ihres heldenmütigen Volkes trennt uns so viel von ihm, dass alle Bemühungen, die sehr wohl von beiden Seiten stattgefunden haben, vergeblich sind.«216

Zwar erhält diese Aussage nicht das Gewicht und die Autorität des allwissenden Erzählers, auffällig ist dennoch, dass sie im Buch unwidersprochen bleibt (zumal hier die Trennung zwischen Deutschen und Flamen auf den Bereich der Literatur bezogen wird und gerade die Literatur im nationalsozialistischen Deutschland als

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›Großdietsch‹ (nicht zu verwechseln mit ›großdeutsch‹) bezeichnet das Bestreben von Organisationen wie dem Vlaamsch Nationaal Verbond (VNV), um Flamen, Niederländer und gegebenenfalls auch Südafrikaner in einen selbständigen großniederländischen Staat zu erfassen. Die nationalsozialistische Diktatur betrachtete dieses Streben als eine Bedrohung für ihre großdeutsche bzw. großgermanische Politik. Charakteristisch ist in dieser Hinsicht die Anweisung der Propagandaleitung der NSDAP, das »Wort ›Dietsch‹, das besonders in Kreisen flämischer Erneuerungsbewegungen sehr viel gebraucht wird, [müsse] tunlichst vermieden werden. Es kann zwar nicht ganz aus der Terminologie dieser Gruppen verschwinden, ist aber im Augenblick unerwünscht, da sich hinter deutschen Formulierungen sehr oft auch nicht deutschfreundliche Männer und Gruppen verstecken« (BArch NS 8/292). Kramer: Heimgang in Flandern, S. 61. Die folgenden Zitate sind ebd. Ebd., S. 61f.

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das privilegierte Bindemittel der beiden Völker über die politischen Grenzen hinweg galt). Solche ›Abweichungen‹ von der regimekonformen Linie leiteten sich weniger aus den internen Kontroversen der nationalsozialistischen Instanzen (die großenteils intern ausgetragen wurden) als aus den unterschiedlichen Hintergründen der einzelnen Autoren her. Die meisten Autoren und auch Rezensenten von Flandernliteratur hatten im Ersten Weltkrieg an der Westfront gekämpft und einige unter ihnen hatten enge Kontakte mit flämisch-nationalistischen Bewegungen aufgebaut. Kramer war als Feldartillerist in Flandern gewesen und hatte in der Zwischenkriegszeit wie die Hauptfigur seiner Novelle Heimgang in Flandern eine Reise zu den flämischen Kriegsschauplätzen unternommen. Die Novelle hat er unter der Einwirkung dieses Erlebnisses geschrieben. Fritz Peuckert stand seinerseits mit der flämischen SS in Verbindung, die in Anlehnung an die deutsche SS eine großdeutsche Zukunft für Flandern ohne jeglichen Anspruch auf Selbständigkeit anstrebte. Uweson war, wie er in seiner Korrespondenz mit dem Propagandaministerium angab, »mit den Vlaamenführern (nur den Nichtklerikalen [!]) in Verbindung«.217 Er schrieb ein ›germanisches Freiheitskampfstück‹ unter dem Titel Der Spion von Flandern, von dessen Ertrag er einen Teil »für die vlaamschen Freiheitskämpfer« stiftete. Das Schauspiel widmete er Staf Bruggen, einem Anhänger des Vlaamsch-nationaal Verbond (VNV) und damit jenes Teils der Flämischen Bewegung, der eine großniederländische Lösung anstrebte. Die Liste ließe sich um viele Namen ergänzen. Obwohl der Grundkonsens eines germanischen und unterdrückten Flandern unangetastet blieb, haben diese individuellen Erlebnisse und das persönliche Engagement der Autoren flandernbezogener Literatur und Buchbesprechungen den Flanderndiskurs spürbar geprägt. Die allgemeine Forderung der Lenkungsinstanzen an Schriftsteller, von dem eigenen Erleben zu berichten,218 erwies sich in diesem Zusammenhang als die ungewollte Förderung einer reellen Mehrstimmigkeit. Nicht zuletzt sei als Ursache für die Komplexität der Flanderndarstellung der Umstand genannt, dass die millionenhafte Buchproduktion nur lückenhaft von den Zensurorganen überprüft werden konnte. Für die vielen Bücher, die in nationalsozialistischen Organen weder empfohlen noch abgelehnt wurden, stellt sich die Frage, ob sie von der Zensur überhaupt wahrgenommen und ausgewertet wurden oder nicht vielmehr oberflächlich geprüft oder gar ungeprüft auf den Markt gelangten. Kramers Buch z. B., das aus den frühen Herrschaftsjahren datiert, als der Zensurapparat noch nicht komplett ausgebaut worden war, blieb in nationalsozialistischen Organen wie den Nationalsozialistischen Monatsheften, der Bücherkunde oder den Jahresgutachtenanzeigern gänzlich unerwähnt. Möglicherweise wurde das Buch als regimekonform bewertet, möglicherweise wäre das Buch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr an der Zensur der immer radikaler und stringenter verfahrenden literaturpolitischen Lenkungsorgane vorbeigekommen, wie etwa die Drucklegung der Schrift Die Niederlande (Holland und Belgien) und das Reich des Historikers Franz Petri

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BArch RK/Z0037. Das folgende Zitat ist ebd. Vgl. dazu das Kapitel zum ›Erlebnis‹ als literarischer Anforderung, insbesondere Seite 112.

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1940 vom Propagandaministerium verzögert und schließlich »nur für den inneren Dienstgebrauch« zugelassen wurde, weil u. a. die »starke Betonung eigener niederländischer Art […] zu beanstanden [sei]«.219 Allerdings wurde der Leser nicht nur mit Büchern konfrontiert, die von den literaturpolitischen Lenkungsinstanzen für gut befunden worden waren, was die Wirkung der politisch gesteuerten Lenkung nicht nur der Flanderndarstellung, sondern auch anderer Identitäts- und Bildkonstruktionen beeinträchtigen konnte.

1.2.3. Der Umgang mit ›Freund-‹ und ›Feindstaaten‹ Auch wenn sich Staaten relativ problemlos in das dichotomische Grundmuster von Feinden und Verbündeten fassen ließen, standen zahlreiche Faktoren einem kohärenten, eindeutigen Bildkonstrukt im Wege. Politische Kursänderungen, divergierende Interessen und querliegende Realitäten führten dazu, das unter dem Begriff ›Bild‹ auch in diesen Fällen eine in sich widersprüchliche, vielschichtige und dynamische Konstruktion zu verstehen war, deren synchrone Inkonsistenzen und diachrone Anpassungen nur durch weitgehende Simplifizierung übersehen werden können. Auffälligerweise spiegelte sich diese Kompliziertheit und Mehrschichtigkeit am Gebrauch der Medien wider. Abhängig davon, ob Entscheidungen pragmatischer Natur und daher zeitweilig, oder ideologisch bestimmt und daher bleibend waren, wurde entweder für flüchtige oder aber für dauerhafte Medien optiert. Jedes Medium, also auch das Buch, erfüllte auf diese Weise eine eigene Rolle. Ein mustergültiges Beispiel für diesen differenzierten Einsatz der Medien liefert das nationalsozialistische Russlandbild, dessen Konstruktion in Kapitel 1.2.3.1. am Einsatz von Presse und Schrifttum illustriert wird. Darüber hinaus führte die unvermeidliche Mehrschichtigkeit dieser Bildkonstruktionen zu einer strategischen Differenzierung zwischen Fiktion und Nichtfi ktion, die in den Kapiteln 1.2.3.2. und 1.2.3.3. dargelegt wird. Unter anderem am Fallbeispiel England wird gezeigt, dass das schöngeistige Schrifttum der Propaganda-Arbeit in mehreren Hinsichten eine größere Freiheit bot als etwa das sachliche Schrifttum, die Tagespresse oder offizielle Aussagen. 1.2.3.1. Totalitäre Differenzierung zwischen Buch und Presse: das Beispiel Russland Ab 1935 wurden im Dritten Reich scharfe antisowjetische Kampagnen geführt, wobei ideologische Prämissen und politische Interessen weitgehend konvergierten.220 Die

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Karl Ditt: Die Kulturraumforschung zwischen Wissenschaft und Politik. Das Beispiel Franz Petri (1903–1993). In: Westfälische Forschungen 46 (1996), S. 114. Zum Propagandakrieg gegen Russland vgl. u.a. Sänger: Politik der Täuschungen, S. 342– 347; Jutta Sywottek: Mobilmachung für den totalen Krieg. Die propagandistische Vorbereitung der deutschen Bevölkerung auf den Zweiten Weltkrieg. Opladen 1976, S. 104–120;

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Feindpropaganda war zum einen konform mit der NS-Ideologie, die die slawische Bevölkerung als rassisch minderwertig, korrupt und bestialisch und den Nationalsozialismus als einzige Rettung vor dem Bolschewismus präsentierte. Zum anderen diente sie den realpolitischen Zielen, regimekritische Stimmen auf einen allen gemeinsamen äußeren Feind zu lenken und den rücksichtslosen ›Drang nach Osten‹ als eine defensive Maßnahme gegen die bolschewistische Gefahr zu rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund wurden Presse und Schrifttum gleichermaßen an der Russlandpropaganda beteiligt. Für die Zeitungs- und Zeitschriftenpresse sei aus der überwältigenden Anzahl von Beispielen nur der verpflichtende Aufruf an »alle großen Illustrierten« genannt, ein jeweils anderes antibolschewistisches Thema vertiefend zu behandeln und unbedingt mit »scheußliche[n] und unästhetische[n] Bilder« zu versehen.221 Folgerichtig wurden den Lesern der Münchener Illustrierten die Sowjetjuden, der Familien-Illustrierten sowjetrussisches Familienelend, der Neuen Jugend Gottlosenpropaganda, der Essener Wochenschau zerstörte Kirchen und der Kölnischen Illustrierten Zeitung die Gräueltaten führender Personen anschaulich vorgeführt.222 Im Bereich des Schrifttums wurde durch Ausstellungen, Preisverleihungen, Buchkritiken, Neuerscheinungen wie auch Übersetzungen ganz ausdrücklich das antibolschewistische Buch gefördert. In diesem Rahmen wurde der Roman Die Fabrik des neuen Menschen der russischen Schriftstellerin Alja Rachmanowa, den Goebbels als »Darstellung der Hölle Sowjetrussland«223 qualifizierte, als Musterbeispiel für die sowjetische Gefahr mehr als 15 Mal aufgelegt und mit dem Preis des besten antibolschewistischen Romans der Gegenwart ausgezeichnet. Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt224 im August 1939 erzwang eine plötzliche Milderung des ideologisch vorgegebenen Russlandbildes, bei der sich ein deutliches Beispiel totalitärer Differenzierung zwischen Presse und Schrifttum auftat. Das flüchtige Medium der Presse wurde vor die Herausforderung einer freundlicheren Russlanddarstellung gestellt und damit beauftragt, die Zusammenarbeit und Freundschaft der beiden Völker zu dokumentieren. Fritz Sänger, damals Journalist der Frankfurter Zeitung, nahm an der Pressekonferenz teil, auf der der Abschluss des Paktes zwischen Hitler und Stalin bekannt gegeben wurde. Laut seinem Bericht brachen die anwesenden Journalisten im überfüllten Saal des Propagandaministeriums »immer wieder in stürmische Heiterkeit« aus, als ihnen mitgeteilt wurde, dass aus den ›Bestien‹, ›Unmenschen‹, ›Wegelagerern‹ und ›Verbrechern‹, wie die Russen bis dahin genannt werden mussten, über Nacht ›Waffenbrüder‹ geworden waren.225 Ob-

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Manfred Weißbecker: ›Wenn hier Deutsche wohnten…‹. Beharrung und Veränderung im Rußlandbild Hitlers und der NSDAP. In: Das Rußlandbild im Dritten Reich. Hg. von HansErich Volkmann. Köln u. a. 1994, S. 9–54. Für die auseinanderstrebenden Auffassungen über Russland in den NS-Führungskreisen, auf die im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden kann vgl. Weißbecker: ›Wenn hier Deutsche wohnten…‹. Sywottek: Mobilmachung, S. 112; Sänger: Politik der Täuschungen, S. 345. Sywottek: Mobilmachung, S. 112. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 6.6.1936. Der Vertrag lief offiziell vom 23. August 1939 bis zum 22. Juni 1941. Fritz Sänger: Vorwort I. In: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Hg. von Toepser-

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wohl der Beistandspakt im Parteiblatt Völkischer Beobachter tatsächlich unter dem Titel Der Brückenschlag als die »Wiederherstellung eines natürlichen Zustandes«226 dargestellt wurde, erwärmte sich die Presse im Allgemeinen nicht für den plötzlichen Haltungswechsel. In der folgenden Pressekonferenz wurden die versammelten Journalisten erneut angemahnt, Russland gegenüber einen wärmeren und offenherzigeren Ton anzuschlagen und sich darüber im Klaren zu sein, »daß es sich nicht um ein taktisches Manöver handle, das für den Tag gedacht sei«, sondern um eine »historische Wende in durchaus echtem Sinne«.227 Im Gegensatz zur Presse wurde dem dauerhaften Buchmedium Stillschweigen auferlegt. In der Geheimen Ministerkonferenz vom 20. Dezember 1939 wurde verordnet, es solle »vorläufig keine Rußlandliteratur veröffentlicht werden; lediglich dann, wenn eine politische Notwendigkeit vorliegt.«228 Am 29. Dezember 1939 notierte Goebbels in seinem Tagebuch, er habe auf der Pressekonferenz »unsere Haltung Rußland gegenüber dargelegt. Wir müssen uns da sehr in der Reserve halten. Keine Broschüren und Bücher mehr über Rußland, weder positiv noch negativ.«229 Am 12. Februar 1940 wurden Büchereien durch ein Rundschreiben des Hauptschulungsamtes des Reichsorganisationsleiters der NSDAP aufgefordert, »antibolschewistisches Schrifttum unter Verschluß«230 zu halten. Am 21. März 1940 wiederholte Goebbels, er habe »alle Rußlandbücher, positive und negative« verboten: »Sie können augenblicklich nur Schaden stiften.«231 Die Tatsache, dass nicht nur die negative Russlandliteratur, sondern auch die positive verboten wurde, erweist sich als Indikator für die längerfristige Politik der Diktatur. Die ausbleibende Indienstnahme des Buches für die Verbreitung des positiveren Russlandbildes verriet, dass es sich hier – trotz der Bekundungen vor den Vertretern der Presse – doch um ein auf Zeit bemessenes machtpolitisches Zweckbündnis handelte und man eine grundsätzliche Haltungsänderung Russland gegenüber verhindern wollte. »Wenn uns nicht das Wasser bis zum Halse gestanden hätte«, gestand Goebbels am 16. März 1940 in seinem Tagebuch, hätte Deutschland Russland niemals »angelacht« (»Aber so haben wir nun einen Krieg nach einer Front. Und was geht uns schließlich der soziale und kulturelle Standard des Moskauer Bolschewismus an. Wir wollen Deutschland stark und groß machen, nicht utopische Weltverbesserungspläne verfolgen.«).232

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Ziegert, S. 12f. Zum genauen Wortlaut der Pressekonferenz des 22.8.1939 vgl. ders.: Politik der Täuschungen, S. 361f. Zitiert nach: Weißbecker: ›Wenn hier Deutsche wohnten…‹, S. 30. Zitiert nach: Sänger: Politik der Täuschungen, S. 363. Zitiert nach: Boelcke (Hg.): Kriegspropaganda 1939–1941, S. 247. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 29.12.1939. Zur Behandlung der Literatur von Feindstaaten vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 561–566 (zu Russland: S. 564f.). Zitiert nach: Weißbecker: ›Wenn hier Deutsche wohnten…‹, S. 30. Die Wiederholung legt nahe, dass auch dieser Anweisung nicht nachgekommen wurde. Das Schrifttumsverzeichnis der Leipziger Bücherei weist für die Zeit des Beistandspaktes tatsächlich eine ganze Liste russlandbezogenen Schrifttums auf. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 16.3.1940.

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Im Juli 1941, wenige Wochen nach dem Einfall der deutschen Truppen in die Sowjetunion, wurde wenig überraschend auf das ideologisch kompromisslose Russlandbild der Vorkriegszeit zurückgegriffen. Der erneuten Konvergenz von ideologischen Überzeugungen und politischen Interessen folgte der gemeinsame Einsatz der Medien. Zwischen Buch und Presse wurde nicht länger differenziert. Auf Anweisung der Schrifttumsabteilung durfte erneut antibolschewistisches Schrifttum vertrieben werden.233 Auch die ins Deutsche übersetzte russische Literatur wurde wieder verstärkt für die antisowjetische Propaganda eingesetzt. Aus ihr werde beispielhaft deutlich, dass »das Kriminelle in der Darstellung des russischen Menschen« einen großen Raum einnehme und in Russland das Untermenschentum »zum gesellschaftlichen Prinzip« erhoben worden sei.234 1.2.3.2. Die schützende Unverbindlichkeit der Belletristik: das Beispiel England Am 2. Mai 1941 stellte der Zeitschriften-Dienst unter der Überschrift »Romane unserer Zeit« beifällig fest, die Unterhaltungsliteratur werde in zunehmendem Maße den Anforderungen der Zeit gerecht. Im durchschnittlichen Leseroman würden immer öfter ins Politische reichende Probleme behandelt, gedeutet und gelöst.235 Unter den Beispielen war das bereits genannte Kriegsbuch Ein Frühling in Flandern (1939) von Jürgen Hahn-Butry, das – obwohl es den Ersten Weltkrieg behandelt – in den vierziger Jahren offensichtlich aktuelle Bedeutung gewann. »Es ist gewiß kein leichtes Beginnen«, hieß es, das gewaltige Geschehen des Weltkrieges mit einer zarten, beschaulichen Liebesepisode in Feindesland in den rechten Einklang zu bringen. Jürgen H a h n -But r y gelang dies recht gut in seinem Roman »E i n F r ü h l i ng i n F l a n d e r n«. So wurde diese Erzählung um einen Kriegsfrühling zu einem ansprechenden Buch, das als gute und zeitgemäße Unterhaltungslektüre zur Besprechung empfohlen wird.

Dieses Beispiel illustriert eindeutig die affirmative Seite der Identitätskonstruktion. Die deutschen Leser sollten sich mit den Hauptfiguren identifizieren und sich zusammen mit den deutschen Soldaten in die Gebiete und Völker verlieben, die in naher oder mittlerer Zukunft Teil des großdeutschen oder großgermanischen Reiches werden sollten. Das zweite Beispiel war anderer Art. Hier bezog sich die Korrelation zwischen Literatur- und Außenpolitik auf England und damit auf eine Nation, die 233 234

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Anweisung der Schrifttumsabteilung, vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 564. Zitat aus den Schulungsunterlagen 1941/1942 des Hauptschulungsamts der NSDAP zum »Osten als Nährboden und Ausfallstor des Untermenschentums in der Vergangenheit« (zitiert nach: Weißbecker: ›Wenn hier Deutsche wohnten…‹, S. 40). ZD 105 (2.5.1941): »Die deutsche Buchproduktion wird auch auf dem Gebiet des durchschnittlichen Leseromans mehr und mehr dem Geschehen unserer Zeit und seiner Bedeutung gerecht. Die menschlichen, folgerichtig ins Politische reichenden Probleme werden meist in einwandfreier Sprache und Schilderung behandelt, gedeutet und gelöst. Viele von den neuen Romanen, die einen besonderen Platz zwischen den Gattungen Unterhaltungsund Zeitroman einnehmen, verdienen in den dafür geeigneten Zeitschriften kurze lesewerbende Besprechungen.«

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sich in der deutschen Wahrnehmung zwischen 1933 und 1945 von ›anders‹ (und potentiell ›freundlich‹) zu ›feindlich‹ entwickelte. Diese Ambivalenz machte sich in der Empfehlung deutlich spürbar: So kann das Buch von T h o s t empfohlen werden, der Roman einer deutsch-englischen Ehe mit dem Titel »Un d w i r we r d e n leb e n«. Er eröffnet dem Leser ungezwungen tiefe Einblicke in die britische Mentalität und kennzeichnet den Zwiespalt zwischen deutschfreundlichen und jüdisch-plutokratischen, deutsch-feindlichen Kreisen in England.236

Der Hinweis im Zeitschriften-Dienst auf deutschfreundliche Kreise in England erscheint mehr als bemerkenswert zu einer Zeit, in der sich England und Deutschland als Kriegsfeinde gegenüberstanden. Er ähnelt der bewährten Strategie der Propaganda, im Hinblick auf Demokratien wie die Niederlande, Norwegen und Belgien antideutsche Ressentiments ausschließlich der Regierung zuzuschreiben, um Deutschlands Verbundenheit mit dem jeweiligen Volk weiterhin herausstreichen zu können.237 Im Licht der angestrebten Neuordnung Europas wurde auf diese Weise versucht, die Zerschlagung der ›plutokratischen‹ Staaten und die Eingliederung ihrer ›germanischen‹ Bevölkerungsteile vorbereitend wie auch nachträglich zu legitimieren. Im Kriegskontext wurde diese Trennung zwischen Volk und Staat in der Regel mit dem Gegensatzpaar ›deutschfeindlich‹ versus ›deutschfreundlich‹ überlagert. Auch das Zitat aus dem Zeitschriften-Dienst weckt den Eindruck, die Schuld für den englisch-deutschen Gegensatz werde den korrumpierenden Kräften einer ›jüdisch-plutokratisch‹ verseuchten Obrigkeit zugeschoben,238 um eine – durch die Metapher der Ehe symbolisierte – deutsch-englische Verbundenheit als lebensfähige Möglichkeit zu suggerieren. Stimmt dieser Eindruck, so zeigt sich hier eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen dem (meta)literarischen Diskurs und der zeitgenössischen militärischen Lage, die sich in der antibritischen Polemik der Presse und des sachlichen Schrifttums spiegelte und der im Folgenden weiter nachgegangen wird. Zu dem Zeitpunkt, als das Buch Und wir werden leben! Roman einer deutschenglischen Ehe zwischen den Kriegen (1940) von Hans Wilhelm Thost erschien und im Zeitschriften-Dienst (1941) empfohlen wurde, wurde in der Presse bereits seit längerer Zeit offen gegen England polemisiert. Das Propagandaministerium hatte kurz nach Kriegsbeginn die Presseanweisung erlassen, es sollte vor allem gegen England (und weniger gegen Frankreich) polemisiert werden. Dabei wurde eingeräumt, dass sich die Attacken nicht gegen die englische Bevölkerung, sondern vielmehr gegen seine Führer und ihre Politik richten sollten.239 Im Gegensatz zu Thosts Roman

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Ebd. Vgl. Van linthout: Flandern halte dich bereit, S. 326f. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 27.4.1944: »Die Juden wollen letzten Endes rein jüdischen Bolschewismus, und das suchen sie in England langsam vorzubereiten. England befindet sich in einer großen völkischen Gefahr.« Vgl. David Welch: Propaganda and the German Cinema 1933–1945. London, New York 2001, S. 220. Dazu u.a. die Geheime Ministerkonferenz vom 7. Juli 1940, in der Goebbels »besonders nochmals die Notwendigkeit« betont habe, »immer nur Churchill und seine Plutokratenclique, aber niemals das englische Volk als solches anzugreifen. Churchill selbst

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war die Absicht dabei weniger, die Verbundenheit mit der englischen Bevölkerung herauszustellen, als vielmehr die Inkompetenz und Brutalität der führenden Schicht zu betonen. Die Parteiamtliche Prüfungskommission, die in der Nationalsozialistischen Bibliographie empfehlenswerte Aufsätze aus der Presse zusammenbrachte, lenkte die Aufmerksamkeit auf Artikel über u. a. die »brutalen Methoden« der englischen Politik und ihre Opfer,240 Englands »soziale Rückständigkeit«,241 die englische »Raubpolitik« seit dem 16. Jahrhundert,242 die im »Krisenzustand dahinlebende englische Jugend«,243 die »englische Greuel- und Lügenpropaganda«244 und die »jüdische Grundlage der britischen Weltanschauung«.245 Ihre Empfehlungen für das sachliche Buch gingen in dieselbe Richtung. Als lesenswertes nationalsozialistisches Schrifttum wurden solch tendenziöse Titel wie Die alleinige Kriegsschuld Englands (1939), Seeräuberstaat England (1940), Britannien, Hinterland des Judentums (1940), Die Piraten des Weltkrieges. Die Grausamkeit der englischen Seekriegführung während des Weltkrieges (1941) und Englands Schuld am Weltkrieg (1942) herausgestellt. Im schöngeistigen Bereich manifestierten sich die außenpolitischen Ereignisse am deutlichsten auf dem Gebiet der Übersetzungen und der deutschen Kriminalliteratur. Gleich im September 1939 wurden Buchhandlungen und Leihbüchereien verpflichtet, Übersetzungen englischer Literatur »aus den Schaufenstern und von den Ladentischen zu entfernen«.246 Ab Mitte Dezember galten die Auslieferung und der Vertrieb von Übersetzungen schöngeistiger Literatur aus dem Englischen für die Dauer des Krieges als ›unerwünscht‹.247 Parallel dazu wurde die deutsche Kriminalliteratur

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habe alle Brücken hinter sich abgebrochen, so daß irgendeine Einigung mit England nicht in Frage komme, solange er am Ruder sei« (Boelcke (Hg.): Wollt Ihr den totalen Krieg, S. 100f.). In der Konferenz vom 24. Juli 1940 wurde erneut hervorgehoben (man achte auf die totalitäre Differenzierung unterschiedlicher Adressatenkreise), der »deutschen Öffentlichkeit gegenüber soll […] nur die englische Plutokratie, nicht das englische Volk in seiner Gesamtheit angegriffen werden. Im übrigen jedoch ist mit ganz primitiven Argumenten zu arbeiten. Es ist dem Volke klarzumachen, daß die Plutokratenschicht nur durch Schläge unserer Waffen aus ihrem dummdreisten Dünkel herausgestürzt werden kann. Unsere offiziellen Propagandamittel haben dem englischen Volk gegenüber klarzumachen, daß die Plutokratenclique an der Spitze weder etwas mit dem englischen Volk zu tun hat noch sich mit ihm verbunden fühlt. Es können dabei auch Argumente verwandt werden, die in Deutschland nicht zu verwerten waren (z. B. Behandlung der Steuerfrage), da das englische Volk über die innerdeutschen Verhältnisse überhaupt nicht oder nur verzerrt unterrichtet ist. Gegen die plutokratische Führungsschicht muß Mißtrauen gesät und vor dem, was jetzt kommt, muß Angst eingeflößt werden, wobei möglichst dick aufgetragen werden muß« (Boelcke (Hg.): Kriegspropaganda 1939–1941, S. 435). [o.V.]: NSB 1–2 (1940), S. 62. [o.V.]: NSB 5 (1940), S. 27. [o.V.]: NSB 1–2 (1940), S. 62. [o.V.]: NSB 1–2 (1940), S. 63. [o.V.]: NSB 10–11 (1940), S. 53. [o.V.]: NSB 8 (1940), S. 35. Schreiben der Gestapo über die diesbezügliche Anweisung der Reichsschrifttumskammer für den Gau Essen vom 25.11.1939 (zitiert nach: Barbian: Literaturpolitik, S. 562). Vertrauliche Mitteilung für sämtliche deutsche Verleger und Sortimenter am 15.12.1939 (vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 562).

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anvisiert, die sich traditionell durch die englische Kriminalszene inspirieren ließ.248 Nach einem internen Bericht vom 12. Januar 1940 forderte die Schrifttumsabteilung die in Frage kommenden Verlage nach Kriegsbeginn auf, »das englandfreundliche Schrifttum auf den genannten Gebieten sofort bis zu einem bestimmten Termin vom Markt zurück[zu]ziehen« und forthin jede »pro-englische Tendenz« zu vermeiden.249 Es ist anzustreben, so die Richtlinien an die betreffenden Verleger, das deutsche Lesepublikum mit englischem Wesen, Milieu und englischen Lebensäusserungen im Rahmen dieser Produktion überhaupt nicht mehr zu befassen. Sofern die Handlung der entsprechenden Schriften doch mit England in Berührung steht, etwa durch Schilderungen von Erlebnissen in englischen Kolonien und ähnliches, sollen die gegebenen Möglichkeiten genutzt werden, der allgemeinen propagandistischen Linie zu folgen, ohne dass eine systematische Niederreissung alles Englischen überhaupt zu Tage tritt.

Nach dem Blitzkrieg im Westen im Mai 1940 verschärfte sich die Polemik gegen England. Am 16. Juni 1940, als Frankreich kapituliert hatte und England weiterhin am Krieg festhielt, nannte Goebbels die Engländer in der Wochenzeitung Das Reich die »Juden der arischen Rasse«250 und traf damit ziemlich genau den Ton der Hetze. In den deutschen Kinos wurden antibritische Dokumentarfi lme (Gentlemen und Die englische Krankheit) und Langspielfilme (Die Rothschilds Aktien von Waterloo und Ohm Krüger) gezeigt,251 in denen die antibritische eng mit der judenfeindlichen Propaganda verbunden wurde. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage an Bedeutung, warum der Zeitschriften-Dienst mit Thosts Roman 1941 ausdrücklich für eine Nuancierung des englischen Feindbildes warb. Bezeichnend für die Einschätzung des Romans ist, dass er bei einem so politischen Verlag wie dem Zentralverlag der NSDAP erschien und während der Kriegsjahre, als schärfere Kontrollmaßnahmen galten als in der Vorkriegszeit (sicherlich für Romane über ›Feindstaaten‹), wenigstens fünfmal neu aufgelegt wurde. Als politischer Berichterstatter und ehemaliger Auslandskorrespondent der nationalsozialistischen Presseorgane Völkischer Beobachter und Der Angriff in London war Thost überdies mit der nationalsozialistischen Englandpolitik vertraut. Seine verschiedenen englandbezogenen Publikationen erschienen alle beim Parteiverlag, zum Teil in der Schriftenreihe der NSDAP.252 Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass der Autor den Lenkungsinstanzen als ›politisch zuverläs-

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Vgl. Kapitel 3.4.3.1. Aus: Bericht über die auf dem Gebiet des minderwertigen englandfreundlichen Kriminal-, Wildwest- und Abenteuerschrifttums durchgeführten Massnahmen vom 12.1.1940 (BArch NS 12/1266). Das folgende Zitat ist ebd. Vgl. Welch: Propaganda and the German Cinema, S. 222. Zur antibritischen Propaganda im Film vgl. ebd., S. 219–236. 1939 war von ihm beim Parteiverlag das Buch Als Nationalsozialist in England erschienen, das laut einem Schreiben von Thost an die Reichskanzlei vom 12. November 1938 von Rosenberg »persönlich überprüft und korrigiert« worden sei (BArch RK/RSK/II/I305). 1940 brachte er in der Schriftenreihe der NSDAP eine Sammlung von Reden und Aufsätzen unter dem Titel England wollte keinen Frieden heraus. Beide Bücher erlebten mehrere Auflagen.

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sig‹ galt.253 Ferner wurde der Roman Und wir werden leben wenigstens durch das Propagandaministerium, möglicherweise auch durch die militärische Zensur und die mit dem Parteiverlag eng verbündete Parteiamtliche Prüfungskommission gebilligt. Seine Förderung in einem so zentralen Organ wie dem Zeitschriften-Dienst, das für jede deutsche Zeitschrift fakultatives wie auch obligatorisches Informations- und Anweisungsmaterial enthielt und nur eine beschränkte Anzahl von Büchern empfahl, suggeriert ebenfalls, dass es sich um eine bewusst gewollte Publikation handelte. Für die politische Relevanz des Romans ist auch der Handlungszeitraum ein wertvolles Indiz. Wie der Untertitel (Roman einer deutsch-englischen Ehe zwischen den Kriegen) andeutet, spielt das Buch in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg, als das Regime England positiv abwartend gegenüberstand. Diese positive Haltung basierte auf Hitlers Wunschtraum, die Weltmacht zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich aufzuteilen.254 Goebbels’ Tagebücher dokumentieren, dass sich Hitler wiederholt mit der angestrebten Bündniskonstellation mit England beschäftigt hat. Am 22. Januar 1935 hieß es: »Lange Unterredungen mit Führer. [...] Klare Pläne in der Außenpolitik. Weites Projekt bzgl. England[s]. Schutz des Empires, dafür 30 jähr. Bündnis.« Wenige Tage später schrieb Goebbels: »Es geht den Engländern innerpolitisch nicht gut. Das ist unser Vorteil. Der Führer hofft sie in 4 Jahren zu einem Bündnis zu haben: wir zu Land, sie zur See überlegen, in der Luft gleich.«255 Am 19. August 1935 wurde wiederum über ein »ewiges Bündnis mit England« spekuliert, im Mai 1936 war die Rede vom erhofften »Bündnis der zwei germanischen Völker«.256 Am 23. Januar 1937 hieß es, Außenminister Joachim von Ribbentrop müsse »England zu uns herüberziehen. Aber wie? […] Wir wollen deutsch-englische Filme drehen.« Im August 1938 habe Hitler davon gesprochen, »wie gerne er mit England in ein gutes Verhältnis kommen möchte. Er tut auch alles dafür. […] England hat noch eine gute Herrenrasse. Aber wie lange noch?«257 Das außenpolitische Wunschbild spiegel-

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Thost (geb. 1899) war im Hauptberuf Schriftleiter. 1929 trat er als 30-Jähriger der NSDAP bei. Ein Jahr später wurde er Auslandskorrespondent der beiden oben genannten Goebbels-Organe in London. Thost schrieb am 20. Januar 1938 an die Adjutantur des Führers, er sei 1935 aus England ausgewiesen worden, weil er sich »über die Tätigkeit gewisser Emigranten informieren wollte und ferner […] als Repressalien-Objekt für aus Deutschland ausgewiesene englische Journalisten benutzt worden« sei. Mit diesem und ähnlichen Schreiben versuchte Thost eine Audienz bei Hitler zu erhalten mit dem Ziel, »als inoffizieller Vermittler« zwischen den deutschen und den britischen Behörden auftreten zu dürfen: »Ich kenne die britische Mentalität sehr gut […]. […] Ich habe fünf Jahre in England für unser neues Deutschland gewirkt […]. […] Die Kriegsdrohung gegen uns ist kein Bluff. […] Es sind weiss Gott nicht egoistische Gründe, die mich veranlassen, Sie davon zu unterrichten, dass ich bereit bin, sofort nach London zu fliegen, um den Versuch zu machen, als Privatmann, der jedoch unseren Führer kennt und mit den massgebenden nationalsozialistischen Kreisen Fühlung hat, Kontakte aufzunehmen, die vielleicht noch die furchtbar ernste Lage zum Guten wenden.« (BArch RK/RSK/II/I305) Vgl. Klaus Hildebrandt: Das Dritte Reich. München 1995, S. 57. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 27.1.1935. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 11.5.1936. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 21.8.1938.

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te sich auch im literarischen Bereich wider. Es mag erklären, warum der ›Mythos vom deutschen Shakespeare‹258 in den dreißiger Jahren mit Einvernehmen der staatlichen Literaturpolitik fortgesetzt wurde und Hellmuth Langenbucher im April 1939 auf die Produktionslücke des »deutsch-englischen Verständigungsroman[s]« hinwies.259 Als im September 1939 die deutschen Truppen in Polen einfielen, wurde England zwar offiziell von Deutschlands möglichem Bündnispartner zu seinem Kriegsfeind. Wie Goebbels’ Tagebuchnotizen zeigen und historische Studien bestätigen,260 wurde die Idee einer Allianz mit England jedoch nicht über Bord geworfen. Vielmehr hoffte Hitler das Bündnis auf militärischem Wege durch den Westfeldzug erzwingen zu können. Noch im Herbst 1943 wurde an ein »eventuelles Arrangement« mit England gedacht.261 Erst gegen Ende des Krieges, als »vor allem die Engländer unsere Städte zerschl[u]gen und unsere Kulturgüter vernichte[te]n, als stets mehr deutsche Städte den Bomben zum Opfer f[ie]len«,262 gab Hitler die Möglichkeit eines deutsch–englischen Bündnisses auf. Am 27. April 1944 notierte Goebbels, der ›Führer‹ sei jetzt »auch England gegenüber zum letzten entschlossen«: Der Angriff auf München hat den Führer schwer getroffen. Vor allem die Kulturdenkmäler, die in München der Zerstörung zum Opfer gefallen sind, bereiten ihm große Sorgen. […] Wenn so wertvolle Güter bei uns dem feindlichen Barbarismus zum Opfer fallen, dann darf man keine Rücksichten mehr kennen. Der Führer ist von tiefen und abgründigen Rachegefühlen gegen England erfüllt.

Obwohl die Relevanz von Thosts Roman Und wir werden leben für die literaturpolitischen Instanzen spekulativ bleiben muss, ist es vor diesem politischen Hintergrund mehr als plausibel, dass der Autor die Romanhandlung bewusst in die weniger heikle Vorkriegszeit verlagert hat, um in den Kriegsjahren unbehelligt die Möglichkeit einer deutsch-englischen Allianz zu dokumentieren. Ebenso wenig zufällig erscheint in diesem Licht die wiederholte Aktualisierung des Buchinhaltes durch die verschiedenen Neuauflagen und den Zeitschriften-Dienst, zumal das Plädoyer für eine englisch-deutsche Verbundenheit auf den letzten Seiten

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Shakespeare galt sowohl vor als auch während der NS-Herrschaft als Teil der deutschen Kultur (vgl. Ruth von Ledebur: William Shakespeare im ›Dritten Reich‹. In: Anglistik. Research Paradigms and Institutional Policies 1930–2000. Hg. Von Stephan Kohl. Trier 2005, S. 61–78; dies.: Der Mythos vom deutschen Shakespeare. Die Deutsche ShakespeareGesellschaft zwischen Politik und Wissenschaft 1918–1945. Köln u. a. 2002; ebenfalls: Rodney Symington: The Nazi Appropriation of Shakespeare. Lewiston, Queenston, Lampeter 2005). Nebenbei sei erwähnt, dass Goebbels ein großer Bewunderer von William Shakespeare war. Exemplarisch dazu die Tagebuchnotiz vom 27.3.1937: »Abends Deutsches Theater. Première Shakespeares ›Coriolan‹. […] Ganz großes, erschütterndes Theatererlebnis. […] Dieser Shakespeare ist aktueller und moderner als alle Modernen. Welch ein Riesengenie! Wie turmhoch über Schiller! Ich bin am Ende ganz benommen. Ein rauschender Erfolg!« H. Langenbucher: BK 1939, S. 189. Vgl. Hildebrandt: Das Dritte Reich, S. 55–69. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 27.10.1943. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 27.4.1944. Das folgende Zitat ist ebd.

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des Buches für die Zensur kaum zu übersehen war. Als die ersten Septembertage 1939 und damit der Krieg zwischen Deutschland und England kommt, nimmt die deutsche Hauptfigur Hans Weller seine englische Frau Mary Felicitas Weller in die Arme und versichert ihr: »Wir halten zusammen, Darling, was auch kommen möge.«263 Die glückliche Ehe, aus der drei Kinder hervorgegangen sind, wird im Roman genauso wenig wie das alltägliche Leben der deutsch-englischen Familie durch den Krieg bedroht: »Es ist wie ein Wunder, Hans«, sagte Mary noch im September zu ihrem Mann, »wir sind jetzt drei Wochen im Krieg mit England. Jedermann weiß, daß ich eine geborene Engländerin bin, und doch habe ich noch kein böses Wort gehört. Jedermann ist nett und rücksichtsvoll zu mir. Alle wollen mir etwas extra Liebes sagen oder antun. […] Faith ist BDM.-Mädchen und Hans II ist Pimpf. Die Kinder dort wissen, daß ich Engländerin bin und lassen doch unsere Kinder nichts fühlen.«264

Auf der drittletzten Seite des Romans wird Hitlers Bekundung vom 6. Oktober 1939 zitiert, der zufolge »es eine wirkliche Befriedung in Europa und in der Welt nur geben kann, wenn sich Deutschland und England verständigen!«265 Der Roman endet mit einem Fragment aus dem englischen Lehrbuch der Tochter Faith, die ihre Mutter bittet, die Stellen zu lesen, die sie rot angestrichen hat. Es folgt eine kurze Geschichte von der Eroberung Angelsachsens durch die Normannen: Wie die Normannen die Angelsachsen unterworfen, wie getötet, Brand gestiftet und zerstört wurde, und wie letztlich ein normannischer Ritter eine angelsächsische Frau heiratete und Kinder mit ihr bekam: »Und so wurden die Sachsen und Normannen vereint, und sie lebten glücklich miteinander, und mit der Zeit wurden sie ein Volk.« Thosts Roman expliziert die Bedeutung dieser mise en abyme, indem er Faiths Mutter den Kommentar in den Mund legt: »Ja, es waren beides Germanen, die Normannen und die Angelsachsen! […] Auch wir sind Germanen. Und wir werden leben!«266 Mit der Empfehlung des Buches als zeitgemäße Behandlung, Deutung und Lösung eines politischen Problems (vgl. das Zitat auf Seite 141) wurde vor diesem Hintergrund suggeriert, die Möglichkeit einer glücklichen Allianz »zweier verwandter und so ähnlicher Nationen«267 bleibe trotz Kriegsbeginns weiter bestehen. Möglicherweise aus typographischen Gründen, möglicherweise aber auch mit ideologischer Absicht figurierte auf dem Umschlag des Romans lediglich ein zeitloses Und wir werden leben. Roman einer deutsch-englischen Ehe, während sich der Zusatz aus der Zeit zwischen den Kriegen erst auf der Innenseite wiederfand. Lässt man sich durch diese Interpretation leiten, so illustriert das Beispiel eine spezifische Aufgabe des schöngeistigen Schrifttums in der politischen Bildkonstruktion. Es belegt, dass im fiktionalen Gewand zum Ausdruck gebracht wurde, was im

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Hans Wilhelm Thost: Und wir werden leben! Roman einer deutsch-englischen Ehe. München 1943, S. 424. Ebd., S. 425f. Ebd., S. 427. Ebd., S. 429. Ebd., S. 423.

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politischen Diskurs, in der Presse oder im sachlichen Schrifttum aus diplomatischen Gründen tabu war. Eine ähnliche Beobachtung gab es schon für das Fallbeispiel Flandern: Während im politischen Bereich Zurückhaltung verordnet wurde, ging im literarischen Bereich eine unmissverständliche geistige Aneignung vor sich. Offensichtlich erlaubte die »schützende Unverbindlichkeit«268 der Belletristik, Möglichkeiten zu erkunden, vorzubereiten oder plausibel zu machen, die in der Politik nicht oder noch nicht offen diskutierbar waren. Der Eindruck einer totalitären Differenzierung zwischen Fiktion und Fakt im Hinblick auf die Darstellung der politischen Lage wird dadurch bestärkt, dass derselbe Thost, der in seinem Roman für eine deutsch-englische Allianz eintritt, in einem kurz zuvor erschienenen sachlichen Buch ausführlich die »einer deutsch-britischen Verständigung entgegenstehenden Faktoren, wie Judentum, Freimaurer, und gewisse kirchliche Strömungen« darlegt.269 1.2.3.3. Totalitäre Differenzierung zwischen Fiktion und Nonfi ktion Das Fallbeispiel England illustriert eine Tendenz, die sich auf breiterer Basis beobachten lässt. Gemeint ist der Ansatz, das deutsche schöngeistige Schrifttum hauptsächlich für positive Bildformung einzusetzen. Ein aufschlussreiches Beispiel dafür bietet die Alternative für die vom Regime verpönte anglophile Kriminalliteratur. Ein ungetrübt positives Englandbild wollten und konnten die nationalsozialistischen Machthaber in den Kriegsjahren nicht verbreiten, so dass es für den deutschen Kriminalroman theoretisch zwei Alternativen gab: die Diffamierung englischer Instanzen und Hauptfiguren oder der Ersatz der ›positiven‹ englischen durch eine ›positive‹ deutsche Wirklichkeit. Es wurde die zweite Möglichkeit gewählt und das primäre Ziel der Literatur nicht so sehr darin gesehen, England als Feind darzustellen, als vielmehr das Ideal der nationalsozialistischen Gemeinschaft zu propagieren. Eine Kampagne für den ›neuen deutschen Kriminalroman‹ sollte dementsprechend beweisen, dass ein »Meisterdetektiv namens Franz« nicht »undenkbarer und weniger wirkungsvoll [sei] als einer, der auf den Namen Jenkins, Billy oder Jim hört«.270

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Joep Leerssen: The Rhetoric of National Character. In: Poetics Today 2 (2000), S. 282. Vergleichbare Beobachtungen werden in der imagologischen Forschung gemacht. In seinem Aufsatz The Rhetoric of National Character beobachtet Leerssen, dass sich nationale Stereotype wegen der ›schützenden Unverbindlichkeit der Kunst‹ stärker im Kontext narrativer Charakterisierungen als im nichtfiktionalen, referentiellen Kontext manifestieren. Menno Spiering vergleicht in seinem Buch Englishness. Foreigners and Images of National Identity in Postwar Literature fiktionale und nichtfiktionale Texte einzelner britischer Autoren zum Thema der nationalen Identität und kommt ebenfalls zu dem Befund, dass Fiktion explizitere Aussagen erlaubt. Empirisch fundierte Beobachtungen wie diese machen klar, dass nicht nur das sachliche Schrifttum, sondern auch das fiktionale Buch und die Literaturkritik eine unentbehrliche Quelle historischer NS-Forschung darstellen, obwohl sie dort vielfach noch einen Außenseiterstatus besitzen. BArch RK/RSK/II/I305. Es geht um das 1939 beim Zentralverlag der NSDAP erschienene Als Nationalsozialist in England. ero: BK 1939, S. 154. Im März 1939 war in der Bücherkunde noch bedauert worden, dass das »Leserpublikum der ganzen Welt« sich damit abgefunden habe, »daß England auf dem

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Dass die deutsche Belletristik im nationalsozialistischen Koordinatensystem mit positiver Meinungsbeeinflussung korreliert wurde, erklärt sich aus der Doktrin, die zwischen 1933 und 1945 als verbindliches Programm für Literatur galt. Der nationalsozialistische Realismus,271 der große Ähnlichkeit mit dem sozialistischen Realismus hatte, verband die propagandistische Wirkung von Literatur mit dem Prinzip der Identifikation, dessen Ziel die Erziehung des Lesers zu dem von den Machthabern angestrebten Zukunftsideal war. Konkret bedeutete dies, dass literarische Hauptpersonen für den Leser als Identifikationsfiguren fungieren und damit positive Helden im nationalsozialistischen Sinne sein sollten: Leben in den Büchern nicht Gestalten, Männer und Frauen, an denen wir – bewußt oder unbewußt – unser Leben ausrichten können und sollen? Sie werden uns zum Leitbild nicht im Sinne eines lebensfernen Ideals, sondern im Sinne eines Zieles, das zu erreichen und dem nachzustreben, jedem Menschen, der nicht dumpf dahinleben, sondern sich vorwärts und aufwärts entwickeln will, als Aufgabe seines Daseins gesetzt ist.272

Es war nicht zuletzt dieser Logik zuzuschreiben, dass Hauptfiguren bevorzugt reinrassig deutsch sein oder aus Nationen stammen sollten, denen das Regime positiv gegenüberstand. Aus demselben Grund wurden im Bereich der deutschen Belletristik insgesamt weniger Feindromane gefordert als Assimilationsromane (im Hinblick auf die volksdeutschen und germanischen Gebiete) und so genannte ›Verständigungsromane‹ (im Hinblick auf neutrale, befreundete und verbündete Staaten). Ein deutliches Beispiel bietet hier der Vergleich des Schrifttums über Belgien (als Staat, der in dem nach Völkern geordneten Europa zu verschwinden habe) und über Flandern (als Volk, das als blutsverwandt dargestellt wurde). Während über Flandern eine ganze Anzahl von Romanen geschrieben und gefördert wurde (Ein Frühling in Flandern, Sommermond in Flandern, Spiel in Flandern, Dörfer in Flandern, Nacht über Flandern,…), erschien über Belgien ausschließlich sachliches Schrifttum (Die Wirtschaft Hollands und Belgiens, Die gebrochene Neutralität. Belgiens und Hollands Entscheidung für England, Die Kriegsschuld der belgischen Presse,…). Romantitel wie Ein Frühling in Belgien oder Sommermond in Belgien waren in der nationalsozialistischen Diskursformation ausgeschlossen. In ähnlichem Sinne wurde für das negative Englandbild im Bereich des deutschen Schrifttums bevorzugt auf Sachbücher rekurriert. Neben den oben zitierten Titeln sei als Beispiel Peter Aldags Studie Juden erobern England aus dem SS-Verlag Nordland hervorgehoben, die gleichsam das sachliche Pendant zu Thosts Englandroman bildet. Aldag konstruiert einen Gegensatz zwischen Britentum und Judentum und »widmet seine besondere Aufmerksamkeit«, wie die Nationalsozialistischen Monatshefte for-

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Gebiet des Kriminalromans sozusagen ein ›Monopol‹ besaß«. Der Aufruf, ein »deutscher Sherlock Holmes wäre auch mal ganz nett!«, war zu dem Zeitpunkt noch wenig mehr als ein ideologischer Wunsch ohne Aussicht auf Verwirklichung. Nach Kriegsbeginn wurde dieser Wunsch in explizit formulierte und auch realisierte Kriterien und Säuberungsmaßnahmen umgesetzt (vgl. Kapitel 3.4.3.1.). Vgl. Kapitel 3.2.2.4. [o.V.]: BuV 5 (1935), S. 6.

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mulierten, »der Entwicklung der geistigen Verjudung Englands durch die eigenartigen Wege der englischen Kirchengeschichte, die das britische Volk germanischem Wesen entfremdeten.«273 Während es Aldag eindeutig auf den Nachweis einer Unterwanderung Englands durch das ›internationale Judentum‹ ankam, ging es Thost vorwiegend um den Nachweis der fortwährenden deutsch-englischen Verbundenheit. Deutsche Romane, die primär der Diffamierung der Engländer dienten, bildeten nur eine kleine Minderheit. Dafür wurden gelegentlich schöngeistige Literatur aus dem Englischen übersetzt, wenn sie vom Propagandaministerium ›besonders gewünscht‹ war und eine Sondergenehmigung erhielt.274 Engländer kamen selber zu Wort, wenn es darum ging, die Authentizität der negativen Englanddarstellung durch das englische Selbstbild zu vergrößern. Häufig waren es dabei gesellschaftskritische oder satirische Werke, die von der Propaganda als wirklichkeitsgetreues Bild des britischen Gesellschaftslebens gedeutet wurden. Ein mustergültiges Beispiel ist die Empfehlung von A. G. Macdonells Selbstbildnis eines Gentleman (1940),275 die satirische Autobiographie eines egoistischen, rücksichtslosen und betrügerischen Antihelden. Der Erzähler, so die Bücherkunde, sei ein Musterexemplar jener Art Menschen […], die alle Eigenschaften englischer Heuchelei, Arroganz, Dummheit, Skrupellosigkeit, Unmoral, Ehrlosigkeit und Selbstbetrug zusammenfassen und aus dieser Haltung heraus der Welt und dem Leben gegenüber eine typische Einstellung haben, die Einstellung, die wir heute als die eines Plutokraten brandmarken.276

Das Buch, das anderthalb Jahre zuvor in Goebbels’ Tagebuchnotizen in ähnlichem Sinne Erwähnung fand, verschaffe ein »charakteristisches Spiegelbild von den Lebensgewohnheiten und der Lebenshaltung eines britischen Gentleman«.

1.2.4. Literatur als Instrument für nationale Identitäts- und Bildkonstruktion aus Goebbels’ Sicht Dass Goebbels eine große Filmleidenschaft hegte, weiß heute jeder. Weniger bekannt ist, dass der Filmminster auch ein leidenschaftlicher Leser war. Wie er in seinen Tagebüchern277 notierte, betrachtete er die Filmzensur als seine Arbeit, das Bücherlesen als seine »liebste Beschäftigung«.278 Lesen stellte für ihn eine der »schönsten Erholungen«279 dar. Er genoss die Vorlesestunden mit seinen Kindern: »Dann lese ich den Kindern Grimmsche Märchen vor. Das macht ihnen und mir viel Spaß«.280 Dem ›Führer‹ schenkte er eine »Bibliothek leichter und unterhaltender, zum Teil

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Tiltack: NSM 1941, S. 558. Barbian: Literaturpolitik, S. 561–566. Das englischsprachige Original erschien 1939 unter dem Titel Autobiography of a Cad. [o.V.]: BK 5–6 (1942), S. 179. Das folgende Zitat ist ebd. Zum Wert der Tagebücher als wissenschaftlicher Quelle vgl. Einleitung. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 21.7.1940. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 31.3.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 5.4.1937.

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belustigender Literatur […], die ihm sicherlich manche entspannende Stunde in kritischen Tagen verschaffen«281 werde. Nach der Arbeit in Berlin zog er öfters »mit einem großen Packen Bücher heraus zum Bogensee. Ein paar Tage ausspannen. Das ist nun nötig.«282 Besonders Knut Hamsun genoss seine Bewunderung,283 aber auch leichtere Unterhaltungsliteratur von Autoren wie Hans Fallada, Wilhelm Busch, Karl May, John Knittel und Arthur Conan Doyle stand auf dem Programm: »Ich lese zur Erholung Sherlock Holmes. Mit großem Vergnügen. Man wird wieder einmal richtig zum Jungen dabei.«284 Das Spektrum seiner Lektüre, das neben schöngeistigem auch sachliches Schrifttum umfasste, beschränkte sich keineswegs nur auf die offiziell ›erwünschte‹ oder zugelassene Literatur. Goebbels las Englisch, Französisch und Deutsch. Er verfolgte u. a. Publikationen, die im Ausland über seine Person erschienen, in Deutschland jedoch nicht auf den Markt kommen sollten: »Ich lese ein englisches Buch über mich: strotzend von Lüge und Gemeinheit, aber doch voll von Respekt. Das ist ja auch schon was.«285 Besonderes Interesse zeigte er an Büchern über Führerschaft und Kriegsführung. Nicht wenige Lektüreverweise beziehen sich auf Persönlichkeiten wie Machiavelli, Napoleon (»ein Weltgenie«), Friedrich den Großen (»eine gigantische Persönlichkeit«), Dschingis Khan (»eine große Figur«), Mussolini (»ein wahres Genie«), Stalin (»eine große Autorität«) und Winston Churchill (»ein eitler Affe mit rosa Höschen, aber eine Bulldogge, die uns vielleicht noch einiges zu schaffen machen wird«).286 Als »außerordentlich lehrreich« bezeichnete er ferner auch Bücher über frühere Kriegssituationen.287 In den letzten Monaten des Krieges schenkte Goebbels Hitler mehrere historische Studien, aus denen nach seiner Ansicht der Leser lernen konnte, »was in kritischen Kriegsphasen zu tun ist und wie lange man evtl. Niederlagen auf Niederlagen hinnehmen muß, um am Ende doch den Sieg davonzutragen.«288 Neben einem Buch über die Punischen Kriege der Römerzeit diente vor allem Thomas Carlyles Buch Friedrich der Große als hoffnungsvoller

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 21.4.1944. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 7.2.1938. Es gab eine wechselseitige Sympathie und Bewunderung zwischen dem norwegischen Autor Hamsun und Goebbels, die u. a. in einem Besuch Hamsuns und seiner Frau beim Propagandaminister am 19. Mai 1943 resultierte. Am Abend notierte Goebbels: »Ich bin von diesem Besuch tief ergriffen. Als Hamsun mich zum ersten Mal sieht, treten ihm die Tränen in die Augen, und er muß sich abwenden, um seine Rührung zu verbergen. […] Er stellt für mich das Idealbild eines großen Epikers dar, und wir können uns glücklich schatzen, seine Zeitgenossen zu sein.« Einen Monat später schenkte Hamsun ihm die Medaille und Urkunde zum Nobelpreis, die der Norweger 1920 erhalten hatte (vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 23.6.1943). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 8.6.1937. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 2.4.1940. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotizen vom 8.1.1938, 2.3.1942, 15.1.1936, 3.7.1939, 26.10.1942 bzw. 13.6.1941. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 3.8.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 15.3.1945.

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Beleg dafür, dass Krisensituationen mit »Stoizismus« und einer »souveränen inneren Gelassenheit« zu meistern waren.289 Neben dem unterhaltenden und informierenden Wert des Buches dokumentieren die Tagebücher ausdrücklich, dass Goebbels dem Buchmedium eine besondere Rolle bei der Identitäts- und Bildkonstruktion zuerkannte. Für die Darstellung der eigenen Nation schätzte Goebbels besonders den bayerischen Schriftsteller Ludwig Thoma, dessen Romane und Erzählungen die Scheinmoral des spießbürgerlichen Milieus und des Klerus anprangerten. Der Propagandaminister qualifizierte den Verfasser als »Kenner der Volksseele«,290 seine Literatur als wertvolle Grundlage für die inländische Propaganda: »Ich lese Bauerngeschichten von Ludwig Thoma. Die müssen alle unsere Propagandisten lesen. Damit sie das Volk kennen lernen. Thoma hat es wie kein zweiter gekannt.«291 Die ideologische Nützlichkeit von Thomas Werk lag einerseits in der Darstellung eines angeblich gesunden, weil agrarischen Deutschland: »Ja, so sind die Menschen, so sind vor allem die Bauern. […] Man bekommt richtig Liebe zu diesen geraden und starken Bauern«.292 Andererseits galt sie dem Propagandaminister als Beleg für den verhängnisvollen Einfluss des Klerus, den er als ›antinational‹, ›unpatriotisch‹, ›vaterlandsfeindlich‹ und daher als Bedrohung für den Nationalsozialismus empfand:293 »[Ich] sauge mich voll von Haß gegen die Pfaffen. Thoma hat sie gekannt und richtig geschildert.«294 Die meisten Notizen beziehen sich jedoch weniger auf die eigene Nation als auf das Ausland. Kurz vor der Angliederung des tschechischen Sudetenlandes an das Deutsche Reich kam auf Goebbels’ Veranlassung z. B. das Buch Verrat an Europa von Karl Vietz heraus, das nach Meinung des Ministers die »allmähliche Bolschewisierung der Tschechei in erschreckendem Umfange« aufzeige.295 Am 10. Februar 1940 befasste sich der Minister mit Bernard Shaws Buch Winke zur Friedenskonferenz, das ihm zunächst für die antibritische Propaganda geeignet schien.296 »Ein Buch von Shaw gefunden«, notierte er während der Lektüre, mit einer »vernichtenden Kritik der englischen Mentalität. Das kann ich für unsere Arbeit großartig gebrauchen.«297 Zwei Tage später legte er freilich das Buch zur Seite, als sich bei der weiteren Lektüre herausstellte, dass es sich nicht mit seinen Ansichten vereinbaren ließ. Shaw habe die »aktuellen Probleme doch nur halb erfasst« und »eben keinen festen Standpunkt, von dem aus er die Dinge betrachtet«, so die Schlussfolgerung.

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 24.3.1945. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 29.8.1937. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 26.8.1937. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 27.8.1937. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 14.12.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 26.8.1937. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 13.8.1938. In diesem Buch, das bereits 1919 auf Deutsch erschienen war, zog Shaw gegen die vermeintliche Unfähigkeit der englischen Politiker und die fatale Fehleinschätzung des Ersten Weltkrieges durch das englische Volk zu Felde. Das Original erschien 1919 unter dem Titel Peace Conference Hints. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 10.2.1940.

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Er bleibe letztendlich, in der abschätzenden Bedeutung des Wortes,298 »doch ein Literat«. Im März 1940, als im Westen ›Sitzkrieg‹299 war und neutrale Länder wie Belgien und die Niederlande noch im Friedenszustand waren, veranlasste Goebbels eine Publikation mit Karikaturen über den englischen Premier Neville Chamberlain: »Wir werden es fürs neutrale Ausland herausgeben. Spricht ganz für uns, obschon nur ausländische Karikaturen.«300 Ende August 1940 las Goebbels einen Kampfbericht des norwegischen Obersten Ole Berg Getz, den er als »vernichtende Abrechnung mit den Engländern während des Norwegenfeldzuges« empfand: »Das kommt uns gerade recht«, notierte er: »Hier erscheint John Bull in seiner ganzen zynischen Perfidie.«301 Nach der amerikanischen Kriegserklärung machte Goebbels zunächst die Produktion deutscher, politisch geeigneter Bücher über die Vereinigten Staaten zur Priorität: Ich veranlasse die Ausarbeitung eines umfangreichen Schrifttums über die inneren Verhältnisse in den Vereinigten Staaten. Das deutsche Volk macht sich vielfach über Nordamerika noch gänzlich falsche Vorstellungen.302

Danach zog er auch die Übersetzung als strategische Waffe gegen die Vereinigten Staaten heran. Der Schelmenroman Juan in Amerika303 des schottischen Schriftstellers Eric Linklater, die »geistreichste, witzigste Persiflage der Kultur und des öffentlichen Lebens in den USA, die [er] je zu Gesicht bekommen« habe, wirke »gegen Amerika mehr als hundert Broschüren und Denkschriften, vor allem deshalb, weil es so amüsant geschrieben ist und sich in einem Fluß auslesen läßt.«304 Mit Einvernehmen des ›Führers‹ wurden »mehrere tausend Exemplare dieses ausgezeichneten Buches an Leute der Partei, Offiziere der Wehrmacht und Intellektuelle« verteilt, damit sie »auch den Hinterhof Amerikas« kennen lernen und »sich mit Abscheu von diesem ekelerregenden Anblick abwenden« würden. Inzwischen hatte Goebbels mit der Lektüre des Romans Elmer Gantry (1927) des amerikanischen Nobelpreisträgers Harry Sinclair Lewis begonnen, eines satirischen Buches über die Karriere eines heuchlerischen und gewinnsüchtigen Sektenpredigers. Die »USA-Bigotterie und Heuchelei«, so konstatierte er generalisierend, werde in diesem Buch

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Vgl. Kapitel 3.2.3. Zum ›Sitzkrieg‹ vgl. Seite 197, Fußnote 111. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 13.3.1940. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 24.8.1940. Es könnte sich hier um das Buch Die Flucht aus Namsos: Die Kämpfe der 5. norwegischen Brigade und des britisch-französischen Landungskorps im April und Mai 1940 (Originaltitel Fra krigen i Nord-Trøndelag) handeln, das allerdings erst 1941 beim Mittlerverlag in Berlin erschien. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 17.12.1941. Das englischsprachige Original erschien 1931 unter dem Titel Juan in America. Die erste deutschsprachige Ausgabe erschien 1942. Goebbels’ Tagebuchnotizen vom 26.7.1942 und 20.8.1942. Dazu ebenfalls die Notiz vom 2.4.1943 über die Verteilung antiamerikanischer Bücher an Staats-, Partei- und Wehrmachtprominente: »Das ist zweckmäßig. Der Amerikanismus grassiert bei längerer Dauer des Krieges immer stärker im deutschen Volk, vor allem in seiner Intelligenz. Amerika hat eine verführerische Fassade, und jeder Halbgebildete fällt leicht darauf herein.«

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in einer Art und Weise ironisiert und lächerlich gemacht, wie wir das selbst gar nicht besser tun könnten. Ich habe die Absicht, dies Buch neu übersetzen und einer größeren deutschen Öffentlichkeit zugänglich machen zu lassen.305

Das wohl markanteste Beispiel für Goebbels’ intentionale Lenkung der Bildformung durch das Buch lieferte das Buch Germany must perish!, geschrieben von dem amerikanischen Juden Theodore Newman Kaufman.306 Im März 1941 erschienen, tat das Werk die Meinung seines Verfassers kund, nach dem Sieg der Alliierten müsse die gesamte deutsche Bevölkerung zwangssterilisiert und das deutsche Staatsgebiet zerstückelt werden. Der Propagandaminister las das Werk im Original und griff es begierig auf. In seinem Tagebuch notierte er, die Publikation kam uns für den inneren Gebrauch außerordentlich gelegen. Eine bessere Illustration der Wünsche und Ziele der Gegenseite konnte man sich gar nicht denken. Wäre das Buch von einem Mitglied des Propagandaministeriums geschrieben worden, es hätte für uns nicht günstiger ausfallen können.307

Kaufman hatte der Propaganda tatsächlich ungewollt ein wirksames Instrument in die Hände gegeben, um eine vermeintliche Verschwörung des Weltjudentums gegen Deutschland glaubhaft zu machen. Goebbels entschied sich bald, das Buch nicht auf den inneren Gebrauch zu beschränken, sondern vielmehr »in einer Volksausgabe in Millionen Exemplaren in Deutschland verbreiten [zu] lassen«.308 Es werde, so meinte er, für jeden deutschen Mann und für jede deutsche Frau außerordentlich lehrreich sein, dort zu erfahren, was man mit dem deutschen Volke anfangen würde, wenn es noch einmal wie im November 1918 ein Schwächezeichen gäbe.

Aus Rücksicht auf das Copyrightgesetz wurde Kaufmans Buch schließlich nicht als Ganzes publiziert, sondern zu einer Broschüre umgearbeitet, in der die »besonders aufreizenden Stellen« als Zitat wiedergegeben und mit Kommentar versehen wur-

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 17.8.1942. Der 31-jährige Kaufman, der in der Werbung tätig gewesen war, publizierte das Buch im Selbstverlag. Er schickte seinen Rezensenten wenige Tage vor dem Erscheinen einen schwarzen Miniatursarg aus Pappe mit einer Ankündigung des Buches darin. Es gab kaum Reaktionen in der Presse; eine vereinzelte Rezension im Time Magazine vom 24. Mai 1941 machte sich über den Verfasser lustig. Dennoch gab Kaufman eine zweite Auflage heraus und warb dafür mit erfundenen lobenden Kritiken. In Deutschland wurde Kaufman als viel wichtiger dargestellt, als er in Realität war. Laut der nationalsozialistischen Propaganda übe er großen Einfluss auf den amerikanischen Präsidenten aus und sei u. a. »e i n e r d e r geistigen Urheber des Zusammentreffens zwischen Roosevelt u n d C h u r c h i l l «. Kaufmans Buch wurde zu Unrecht mit der »offiziellen Meinung der führenden Kreise der Weltplutokratie« gleichgesetzt, die kostspielige Werbung für das Buch nicht dem Autor, sondern jüdischen Dachorganisationen zugeschrieben (vgl. Broschüre Das Kriegsziel der Weltplutokratie. Dokumentarische Veröffentlichung zu dem Buch des Präsidenten der amerikanischen Friedensgesellschaft Theodore Nathan Kaufman ›Deutschland muß sterben‹, BArch NS 18/42). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 22.10.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 3.8.1941. Das folgende Zitat ist ebd.

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den.309 Die Broschüre illustrierte die hemmungslose Umkehrung der realen Sachlage, indem Methoden und Absichten als jüdisch verurteilt werden, die geradezu konstitutiv waren für die NS-Diktatur. Der in Rubriken eingeteilte Text enthielt Überschriften wie »Das Weltjudentum bejaht den Mord als politisches Kampfmittel«, »Mord ›aus Friedensliebe‹«, »Die ›Kriegswut‹ des deutschen Volkes«, »Vernichtungswillen auch gegen Frauen und Kinder«, »Die Deutschen sind Tiere!«, »Der Jude als strafender Richter«, »Wer will die Weltherrschaft?«, »Die ›friedliche Lösung‹ der Weltplutokratie«, »Erbarmungslose Ausrottung« und »Das Mordprogramm«. Goebbels schrieb das Nachwort, blieb jedoch unidentifiziert, damit keine Einmischung des Propagandaministeriums vermutet wurde (»Je unverfänglicher [die Broschüre] auftritt, desto wirksamer wird sie sein«310). Kaufmans Judentum wurde demgegenüber offensichtlicher gemacht, indem sein zweiter Vorname, Newman, durch Nathan ersetzt wurde. Die Gaupropagandaleiter wurden durch ein Rundschreiben des Hauptamtes Propaganda über die nahende Herausgabe der Broschüre informiert und darauf hingewiesen, die Schrift solle den »weitesten Kreisen zugänglich gemacht werden« und daher den »außerordentlich niedrig gehalten[en]« Verkaufspreis von 0,10 Reichsmark nicht übersteigen:311 Die Broschüre muss […] von jedem Deutschen gelesen werden, zumal nichts davon Fantasie oder Dichtung ist, sondern eine nüchtern[ ]e und sachliche Darstellung über die wahren Absichten des Weltjudentums. Es wird dafür Sorge getragen werden, dass die Broschüre im gesamten Buchhandel und in allen Kiosken ebenfalls erhältlich ist. Für die Parteigenossen kommt es darauf an, dass die Lektüre der Schrift nicht ein einmaliger Vorgang wird, sondern dass das darin enthaltene Material bis zum Ende des Krieges, auf alle Fälle aber bis zur Beendigung dieses Winters, in dem Bewusstsein aller Volksgenossen ständig lebendig bleibt.

Die 32 Seiten starke Druckschrift erschien 1941 beim Zentralverlag der NSDAP unter dem Titel Das Kriegsziel der Weltplutokratie. Dokumentarische Veröffentlichung zu dem Buch des Präsidenten der amerikanischen Friedensgesellschaft Theodore 309

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Als Bearbeiter wurde Wolfgang Diewerge herangezogen, ein SS-Obersturmführer, der als Reichsredner der NSDAP, Landeskulturwarter in Danzig, Ministerialrat und Leiter der Reichsrundfunkkammer im Propagandaministerium tätig war. Diewerge hatte, so ein Rundschreiben des Hauptamts Propaganda an alle Gauleiter 1941, »seit über einem Jahrzehnt […] als Teilnehmer der grossen Judenprozesse in Kairo, Chur, Basel und Bern und als Sachbearbeiter des Mordfalles Grünspan« die »Kriegshetze des Weltjudentums« verfolgt (BArch NS 18/42). Beim Zentralverlag der NSDAP waren zu dem Zeitpunkt bereits die antisemitischen Bücher Als Sonderberichterstatter zum Kairoer Judenprozeß. Gerichtlich erhärtetes Material zur Judenfrage (1935), Der Fall Gustloff. Vorgeschichte u. Hintergründe d. Bluttat v. Davos (1936) und Ein Jude hat geschossen (1937), beim Verlag der Reichspropagandaleitung der NSDAP die Schrift Juden hetzen gegen Deutschland (1939) erschienen. 1941 hat Diewerge ebenfalls in Goebbels’ Auftrag die Broschüre Feldpostbriefe aus dem Osten. Deutsche Soldaten sehen die Sowjet-Union (1941) geschrieben bzw. zusammengestellt (BArch RK/RSKI/BO32). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 30.8.1941. BArch NS 18/42. Das folgende Zitat ist ebd.

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Nathan Kaufman »Deutschland muß sterben«. Sie wurde »über alle Rundfunksender verlesen«312 und, wie geplant, in Millionenauflage »dem deutschen Volke zur Kenntnis gebracht«.313 Die Übersetzung von ›Kaufmans Plan‹, wie das Buch damals offiziös genannt wurde, diente zwei eng miteinander verflochtenen Zielen bzw. den zwei Seiten einer jeden Identitätskonstruktion. Einerseits sollte sie die innere Kohärenz und den Kriegswillen der deutschen Bevölkerung stärken: Daß ein Jude es wagen kann, heute in allem Ernst den Vorschlag zu machen, das ganze deutsche Volk zu sterilisieren und damit zum Aussterben zu verurteilen, ist ein Zeichen für den Verfall der Moral auf der Gegenseite, andererseits aber auch für den vollkommenen Mangel an Realismus in der Beurteilung der gegenwärtigen Machtlage. Jedenfalls kann man überzeugt sein, daß wir nichts ungetan lassen, dem deutschen Volke klarzumachen, was ihm droht, und wie es sich gegen diese Drohung wirksam zur Wehr setzen kann.314

Andererseits sollte sie das antisemitische Feindbild festigen. Goebbels hoffte, daß, wenn wir in den nächsten Wochen die Broschüre des amerikanischen Juden Kaufman in einer Millionenauflage im deutschen Volk herausbringen und außerdem die Juden dann sichtbar ihre Judenabzeichen tragen müssen, die Stimmung des deutschen Volkes den Juden gegenüber eine wesentlich andere sein wird.315

Wie schließlich aus Goebbels’ Notizen hervorgeht, betrachtete der Minister das Medium Buch nicht nur als strategische Waffe im Propagandakrieg. Auch für seine eigene Einschätzung des Auslands rekurrierte er in nicht geringem Maße auf ausländische Literatur, die er für einen authentischen Spiegel der betreffenden Nation oder Bevölkerung hielt. Macdonells oben angeführtes Buch Selbstbildnis eines Gentleman zeige den »englischen Plutokraten ohne Maske« und offenbare, wie die Nation aussehe, »die wir beseitigen müssen.«316 Die Romane von William Somerset Maugham hätten dem Minister die »innere Verkommenheit der englischen Gesellschaft« vorgeführt.317 Ihnen habe er die Erkenntnis zu verdanken, dass die englische Nation fallen werde, »wenn sie einmal ganz schwer bedroht wird. Und dafür wollen wir schon sorgen.« Der englische Roman How Green was my Valley von Richard Llewellyn verschaffe einen wertvollen Einblick in den englischen ›Sozialismus‹ und sei »außerordentlich bezeichnend für die englische Mentalität«.318 Das Buch entlockte ihm die programmatische Aussage, man tue 312

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Paul Rassinier (1963) (zitiert nach: Wolfgang Benz: Rechtsextremismus in Deutschland. Voraussetzungen, Zusammenhänge, Wirkungen. Frankfurt/M. 1994, S. 197: »[D]ie Verlesung des Buches von Theodore Kaufman im deutschen Rundfunk entfesselte eine Volkswut gegen die Juden.«). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 29.8.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 3.8.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 26.8.1941. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 6.12.1940. Zwei Wochen später vermerkte er noch: »Einfach grauenhaft. Man kann das Buch nur mit Empörung zuende lesen.« (Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 23.12.1940). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 26.12.1939. Das folgende Zitat ist ebd. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 20.9.1943. Das folgende Zitat ist ebd.

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gut daran, sich über die Mentalität eines Volkes […] durch Unterlagen zu orientieren, die nicht aus der amtlichen Sphäre stammen. Sie sind manchmal aufschlußreicher als amtliche Berichte und Denkschriften.

Dass diese Aussage mehr als anekdotische Bedeutung hat, bestätigte Goebbels’ gezielte Lektüre über andere Länder wie die Vereinigten Staaten, Russland oder die skandinavischen Länder. Der Minister holte sich nach eigenem Bekunden wesentliche Erkenntnisse über das sowjetrussische Volk bei russischen Schriftstellern. Wenig überraschend ging es dabei ausschließlich um solche Bücher, die ein »grauenvolles Gemälde bolschewistischer Unkultur, sozialen Elends und organisatorischer Unfähigkeit«319 boten, darunter die autobiographische Darstellung des ›Gulag‹ Die Verlorenen: Eine Chronik namenlosen Leidens von Iwan Solonewitsch, ein Sammelband sowjetrussischer Satiren unter dem Titel Schlaf schneller, Genosse! von Michail Sostschenko und Nikolai Gogols Tote Seelen, ein Roman von 1842 [!] über unmoralisches Gewinnstreben, nach dessen Lektüre der Minister am 20. Januar 1944 konstatierte, es sei neben der zeitgenössischen Literatur ganz gut hin und wieder einmal wieder die alte russische Literatur durchzustöbern. Sie ist eine Fundgrube zur Erkenntnis des russischen Volkscharakters, und die muß man besitzen, um unsere große Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus richtig zu verstehen.

Kurz nach der Besetzung Norwegens zeichnete Goebbels auf, durch seine HamsunLektüre sei ihm Norwegen »so viel verständlicher« geworden.320 Nach Roosevelts Kriegserklärung rückten die Vereinigten Staaten in den Vordergrund seiner literarischen Interessen. Der Propagandaminister wandte sich »Schriften über Amerika« zu, die ihm »wertvolle Einblicke in die Mentalität der angelsächsischen Völker« geben würden.321 So belegen Goebbels Tagebucheinträge, dass der Propagandaminister durchaus selbst an die enge Beziehung zwischen Buch und Volk, die im Dritten Reich propagiert wurde, geglaubt hat. Gleichzeitig geht aus seinen Tagebüchern hervor, dass er mit Büchern bewusst zu manipulieren suchte, wie die deutsche Bevölkerung die eigene Nation und andere Nationen wahrnahm. Seine Notizen bestätigen in diesem Zusammenhang eine bereits aufgezeigte Tendenz: Sie zeigen, dass Goebbels für die Diffamierung von Feindstaaten oder ›minderwertigen‹ Rassen wie Juden, Russen und Polen in erster Linie auf deutsches, sachliches Schrifttum rekurrierte und deutsche Romane, die der Verleumdung dieser Völker dienen sollten, nur eine kleine Minderheit bildeten. Ebenfalls zeigt sich, dass Goebbels Romane solcher ausländischen Autoren, die Kritik an ihrem eigenen Land übten, für brauchbar hielt, wobei eindeutig die Gattung des satirischen Romans favorisiert wurde.

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Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 16.3.1940. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 6.5.1940. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 2.9.1942.

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2.

Hintergründe, Erscheinungsformen und Ergebnisse der Buchförderungspolitik

Was das Ausland zum Teil noch unverstanden außerhalb unserer Grenzen argwöhnisch beobachtet, wo es von Zensur anstatt Wertung, von Diktatur anstatt Förderung spricht, das ist eine einzige großartige Arbeit an der Nation, sich selbst zu finden und verantwortungsbewußte Mittler des deutschen Schrifttums zu sein. Volksbüchereien, Werkbüchereien erleichtern den Zugang zum Buch, Dichterlesungen machen den Volksgenossen mit der Eigenart und der Persönlichkeit des Dichters bekannt, Dichterpreise geben jungen Talenten die Möglichkeit, für eine Zeitlang sorglos zu schaffen, Lehrgänge schulen die Mittler, die das Schrifttum dem Volke zuführen, eine Fülle von Ausstellungen mit kulturellen und historischen Themen zeigen die ungeheure Weite, in der ein Buch zu Hause ist. Welches Volk und welche Nation zeigen eine solche Fülle von Einsatzbereitschaft, wie dies u. a. auf dem Gebiet der Schrifttumspflege bei uns der Fall ist?1

Am 6. November 1938 beklagte sich der Leiter der Amtes Schrifttumspflege Hans Hagemeyer darüber, dass das Ausland im Hinblick auf das nationalsozialistische Regime »von Zensur anstatt Wertung, von Diktatur anstatt Förderung« spreche. Der Anlass für die Klage war öffentlichkeitswirksam gewählt: Die alljährliche Buchwoche – die nach Österreichs ›Heimkehr‹ in das Reich von ›deutsch‹ in ›großdeutsch‹ umgetauft worden war – war eine staatliche Initiative, bei der das Buch der deutschen Bevölkerung durch Festumzüge und Ausstellungen, Sonderbriefmarken und Werbeplakate, Rundfunksendungen und Werbefilme, thematische Schaufenster und Buchkataloge, Preisausschreiben und -verleihungen, Dichterlesungen und Vorträge der Parteiprominenz nahegebracht wurde. Hagemeyers Feststellung traf insofern zu, als man im demokratischen Ausland in der Tat keinen Anlass sah, zwischen dem, was das NS-Regime unter Literaturförderung verstand, und der repressiven Seite der Diktatur allzu feinsinnig zu differenzieren. Das Ausland hatte mit stetig wachsender Entrüstung die kurz nach der Machtübernahme errichteten literaturpolitischen Kontrollorgane zur Gleichschaltung, Säuberung und Überwachung des literarischen Lebens, die Hetzreden gegen ›volksfremde‹ Literatur, die Ausbürgerung ›unerwünschter‹ deutscher Autoren und die immer deutlicher auf rassischen Kriterien beruhende Reglementierung der Reichskulturkammer beobachtet. Die vierwöchige Aktion wider den undeutschen Geist, die am 10. Mai 1933, also kaum drei Monate nach Beginn der NS-Herrschaft, in der Verbrennung von insgesamt 12.400 Buchtiteln im gesamten Reichsgebiet kulminierte, wurde als aussagekräftiges und vor allem repräsentatives Symbol für das Verhältnis des nationalsozialistischen Deutschlands zur Literatur ge-

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Hans Hagemeyer: Buch und Volk. Rede auf der Abschlusskundgebung der Ersten Großdeutschen Buchwoche in München am 6. November 1938. In: NSM 105 (1938), S. 1054.

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wertet. Die Bemühungen der Lenkungsinstanzen, daneben auch erwünschte Literatur zu fördern, wurden in Anbetracht der brutalen Repression ignoriert. Der Symbolwert der Bücherverbrennung hat bis weit in die Nachkriegsforschung hinein gewirkt. In einem 1995 publizierten Standardwerk zur Literaturpolitik im Dritten Reich weist Jan-Pieter Barbian darauf hin, die »symbolträchtige Bücherverbrennung« gehöre zu den mittlerweile am besten erforschten Ereignissen«, während »die Strukturen und Funktionsweise der nationalsozialistischen Literaturpolitik bislang noch kaum eingehender untersucht wurden.«2 Barbian bemängelt die ›Überbewertung‹3 der Bücherverbrennungen, freilich ohne damit ihre Bedeutung als Vorbote der umfassenden Ausschaltung des ›undeutschen‹ Schrifttums zu relativieren. Sein Hinweis darauf, dass die Bücherverbrennungen nicht auf Regiepläne des Propagandaministeriums zurückgingen, sondern eine improvisierte Maßnahme deutscher Studentenschaften darstellten, die den propagandistischen Zielsetzungen mehr konträr als genehm war, wirft ein Licht auf den ambivalenten Charakter der Aktion im Kontext der Literaturpolitik.4 So war Goebbels deutlich bewusst, dass die öffentliche Verbrennung international angesehenen Kulturguts der Akzeptanz des neuen Regimes in dessen Stabilisierungsphase nicht zugute kam. Am Abend der Bücherverbrennungen mahnte er die Studenten, »ihre Pflicht nicht nur im Beseitigen dessen zu sehen, was schädlich wurde, sondern eine Bahn zu brechen für das, was für die kommende Zeit nützlich zu werden verspricht«.5 Wenige Tage nach der Bücherverbrennung, auf der Kantate-Versammlung des Börsenvereins für den Deutschen Buchhandel, wies der Minister das beunruhigte Publikum von deutschen Verlegern, Buchhändlern und Bibliothekaren nochmals mit großem Nachdruck auf diese doppelte Funktion der Literaturpolitik hin. Zwei Jahre später bemühte er sich immer noch, die repressiven Maßnahmen als die unvermeidliche und bloß kurzfristige Begleiterscheinung eines umfassenden politischen wie geistigen Umbruchs zu überspielen: Es war ganz natürlich, dass wir vorerst die Überreste der überwundenen Zeit wegräumen mussten. Das war auch der Sinn der damals in ganz Deutschland stattfi ndenden symbolischen Bücherverbrennungen. Es sollte damit vor der Öffentlichkeit und auch vor der Welt kundgetan werden, dass in Deutschland auch geistig, nicht nur politisch, eine neue Zeit angebrochen sei. Wir wandten uns damit nicht gegen den Geist, sondern wir wandten uns gegen den Ungeist, der das deutsche Zeitalter von 1918 bis 1933 bestimmt hatte.6

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Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im ›Dritten Reich‹. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. München 1995, S. 29. Ebd., S. 19. Merkwürdigerweise erhebt Barbian die Bücherverbrennung selber zum Symbol der nationalsozialistischen Literaturpolitik, indem er einen brennenden Scheiterhaufen zum Umschlagbild seiner Studie macht. Ebd., S. 139. Die These, die Bücherverbrennungen in deutschen Universitätsstädten seien nicht durch Goebbels, sondern vor allem durch Studentenorganisationen inszeniert und organisiert, wurde zum ersten Mal 1968 von Hans Wolfgang Strätz in den Vierteljahresheften für Zeitgeschichte formuliert und erst Jahrzehnte später allgemein akzeptiert. Gerd Rühle: Das Dritte Reich. Das erste Jahr 1933. Berlin o.J., S. 87. [o.V.]: BDB 109 (12.5.1936), S. 422. Diese legitimatorische Argumentation wurde durch Schriften wie Werner Schlegels Dichter auf dem Scheiterhaufen (1934) unterstützt, die die Bücherverbrennung als typisch deutsche Manifestation revolutionärer Tätigkeit in die inter-

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Obwohl eine nuancierte Bewertung der Bücherverbrennungen angesichts des Ausmaßes der nationalsozialistischen Gräuel irrelevant erscheinen mag, ist sie für eine adäquate Einschätzung der Buchpolitik von wesentlicher Bedeutung. Goebbels’ Hinweis auf die fördernde Seite der Schrifttumspolitik war mehr als ein bloß diplomatisches Scheinargument, durch das der repressive Charakter der Diktatur kaschiert werden sollte. Der literaturpolitische Lenkungsapparat verschrieb sich tatsächlich, um es in der Sprache der Zeit zu sagen, nicht nur dem »Kampf gegen die zersetzenden Einflüsse in der deutschen Kultur«, sondern genauso dezidiert dem Kampf »für ihre Entwicklung zur höchsten Blüte«.7 Erstens manifestierte sich diese Zweiseitigkeit in der Form einer graduellen Prioritätenverlagerung, wobei sich die Lenkungsinstanzen nach der anfänglichen ›Säuberungsphase‹ zunehmend einer fördernden Buchpolitik zuwandten (vgl. Kapitel 2.1.). Zweitens spiegelte sie den grundsätzlichen Doppelcharakter einer Diktatur wider, die ihre repressive Politik gegen das ›Volksfremde‹ ganz bewusst um eine fördernde Politik zum Nutzen der ›Volkgemeinschaft‹ ergänzte, um ihre totalitären Ziele zu erreichen (vgl. Kapitel 2.2.). Verwiesen sei dabei auf die mediengeschichtliche These, dass »nationalsozialistische Medienpolitiker wie Hitler oder Goebbels von Anfang an Massenloyalität nicht allein durch Terror und Einschüchterung erzwingen wollten,« sondern auch durch eine »hell erleuchtete[ ] mediale[ ] Unterhaltungsindustrie« und die »praktizierte technisch-industrielle Massentötung des Holocaust sich nicht anders als im laut- und bildlosen Schatten einer derart grell ausgeleuchteten Medien- und Kulturindustrie vollziehen konnte.«8 Nicht zuletzt waren es auch ›externe‹9 Einflüsse wie Wirtschaftskrise, Krieg und marktwirtschaftliche Logik, die sowohl die repressive als auch die fördernde Seite der Schrifttumspolitik herausgefordert und ihnen Vorschub geleistet haben (vgl. Kapitel 2.3.).

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nationale Geschichte der Revolutionen einreihen: »Wo andere Völker ihrem Temperament entsprechend enthaupten, erschießen oder stürmen, verbrennt das deutsche Volk. Das Feuer als reinigende Kraft ist ein uraltes, mit der germanisch-deutschen Geschichte untrennbar verbundenes Symbol« (zitiert nach: Barbian: Literaturpolitik, S. 140). Ansprache von Wilhelm Haegert, Leiter der Abteilung Schrifttum im Propagandaministerium, in der Hauptversammlung des Börsenvereins (zitiert nach: ders.: BDB 94 (23.4.1940), S. 148 [eigene Hervorhebung]). Harro Segeberg (Hg.): Mediale Mobilmachung. Tl. 1: Das Dritte Reich und der Film. München 2004, S. 23–25; ders.: Literatur im Medienzeitalter. Literatur, Technik und Medien seit 1914. Darmstadt 2003, S. 119f. Die im November 1933 gegründete NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude, die durch attraktive Freizeitbeschäftigungen und verbesserte Arbeitsbedingungen die Leistungen der Bevölkerung auf allen Gebieten zu steigern versuchte, war in besonderer Weise exemplarisch für diese Politik (vgl. Hilde Kammer / Elisabet Bartsch: Lexikon Nationalsozialismus. Begriffe, Organisationen und Institutionen. Reinbek 2000, S. 127). Der Begriff ›extern‹ ist insofern zu nuancieren, als der Erhalt einer privatwirtschaftlich funktionierenden Verlagslandschaft auf eine bewusste Entscheidung der NS-Führung zurückging und der Krieg zur intrinsischen Motivation der NS-Politik und entsprechend auch ihrer Propaganda gehörte.

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Insgesamt ergibt sich im Rückgriff auf Hagemeyers Aussage, dass sich die NS-Buchpolitik weder – wie das damalige Ausland – auf »Zensur anstatt Wertung«, noch – im Sinne der Propaganda – auf »Wertung statt Zensur« reduzieren lässt. Um die Rolle des Buches in der nationalsozialistischen Propagandapolitik zu ergründen und zu dokumentieren, soll die Aufmerksamkeit im Folgenden dennoch hauptsächlich auf die buchfördernden Maßnahmen gelenkt werden. In den Blick genommen werden, vor dem mitgedachten Hintergrund der anhaltenden Repression, die postulierten Ansprüche, Hintergründe, Erscheinungsformen, Hindernisse und Ergebnisse der Buchförderungspraxis im Dritten Reich.

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2.1. Die Prioritätenverlagerung: »Nur dem Besseren weicht das Schlechte«

Daß Zensur und Verbot fragwürdige Mittel sind, braucht […] kaum noch bewiesen zu werden. […] Eine nationalsozialistische Schrifttumspflege handelt positiv. Das einzige Verfahren, das Erfolg auf die Dauer verspricht, heißt, das wertlose Buch durch das werthafte zu überwinden und verdrängen.1

In der NS-Schrifttumspolitik lassen sich die ein- und ausgrenzende Logik nie voneinander trennen. Die ›Förderung‹, die ›Pflege‹ und der ›Schutz‹, denen sich die literaturpolitischen Lenkungsorgane in ihren strategisch gewählten offiziellen Bezeichnungen verschrieben, implizierten gleichzeitig Verbot, Bekämpfung und Abwehr, genauso wie umgekehrt die Aktion wider den undeutschen Geist gleichzeitig eine Aktion für den deutschen Geist war. Dies bezeugt auch die doppelte Struktur der Feuersprüche am 10. Mai 1933: »Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung!«, »Gegen Dekadenz und Verfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat!«.2 Wenngleich beide Aspekte immer gekoppelt erschienen, fand zwischen 1933 und 1945 dennoch eine deutliche Umgewichtung der Prioritäten statt. Der Schwerpunkt der literaturpolitischen Instanzen, der in der Aufbauphase des Regimes eindeutig auf der ›Säuberung‹ des literarischen Lebens lag, verschob sich in der Konsolidierungsphase, als der Buchbetrieb weitgehend von rassisch und politisch ›unerwünschten‹ Autoren und deren ›zersetzendem‹ Schriftgut ›bereinigt‹ worden war, in Richtung einer entschiedenen Schrifttumsförderung. Die ersten Anzeichen der Hinwendung zum ›Positiven‹3 kündigten sich Anfang 1934 an, als u. a. das Amt Schrifttumspflege in seinen vertraulichen Mitteilungen zum dritten Heft der Zeitschrift Bücherkunde feststellte, daß wir mit den negativen Gutachten allein nicht mehr auskommen. Im Sinn einer aufbauenden Kritik liegt vielmehr, dass wir in allen ablehnenden Urteilen nicht nur auf die Weise des Bessermachens aufmerksam machen, sondern ihnen auch positive an die Seite stellen.

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3

Walter Hoyer: Was schadet der Kitsch? In: BDB 77 (6.4.1937), S. 303. Hoyer war Direktor der Reichsschule des Deutschen Buchhandels. Joseph Wulf: Literatur und Dichtung im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Gütersloh 1989 (11963), S. 45f. Parallel zur »Aktion für den undeutschen Geist« wurden tatsächlich auch »Aktionen für den deutschen Geist« organisiert. Es sei an dieser Stelle stellvertretend für die ganze Arbeit darauf hingewiesen, dass Begriffe wie ›positiv‹ nicht in aufwertendem Sinne, sondern als Komplement zu ›repressiv‹ gemeint sind.

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In der nächsten Folge wird, was wir hier nur andeuten konnten, vollkommen durchgeführt werden.4

In den Vorbemerkungen zum zweiten Heft wollte das Amt noch »einen Einblick in dasjenige Schrifttum bieten, das […] abgelehnt werden muss« und »leider noch einen grossen Teil der derzeitigen Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt ausmacht«. In den Vorbemerkungen zum vierten Heft war dann tatsächlich ein anderer Blickwinkel zu erkennen: Der »eine oder andere unserer Leser«, hieß es hier, möge sich angesichts der bisherigen, »fast ausschliesslich negative[n] Urteile« in der Bücherkunde zu Recht gewundert haben, »was das wohl mit der Förderung des deutschen Schrifttums zu tun habe?«5 Das Amt, so die Antwort, habe zunächst bestimmen müssen, »was wir nicht wollen und was das deutsche Schrifttum verschiedenster Sachgebiete nicht auf eine höhere und der neuen Weltanschauung würdige Ebene zu heben vermag«, um hinfort das »wirklich zu fördernde[ ] Schrifttum herauszustellen« zu können. Abgesehen von diesen Absichtserklärungen sollte es bis Ende 1935/Anfang 1936 dauern, bis sich die Prioritätenverlagerung in Richtung des ›Positiven‹ auf breiterer Basis durchzusetzen begann. Wie Hellmuth Langenbucher im Oktober 1935 bemerkte, seien »nunmehr, nach einer über zweijährigen gigantischen politischen Aufbauund Säuberungsarbeit […] alle Voraussetzungen für die Durchführung von großen kulturellen Aufgaben geschaffen.«6 Die Gründung der Nationalsozialistischen Bibliographie im Januar 1936 war in dieser Hinsicht ein bedeutsamer Schritt. Die Bibliographie, die sich als Organ der einflussreichen Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums von Reichsleiter Philipp Bouhler verstand,7 grenzte sich durch eine rein empfehlende Auswahl aus dem in Deutschland veröffentlichten Schrifttum ausdrücklich von Verzeichnissen wie den streng vertraulichen Listen des schädlichen und unerwünschten Schrifttums (die nur auszuscheidende Schriften erfasste) 8 und den Gutachtenanzeigern des Amtes Schrifttumspflege ab (die mit den Kategorien ›positiv‹, ›bedingt positiv‹, ›bedingt negativ‹, ›negativ‹ und ›belanglos‹ arbeitete). Laut Karl-Heinz Hederich, dem Ge4 5 6 7

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BArch NS8/153. Die folgenden Zitate sind ebd. Die Kursive ist im Original unterstrichen. Dr. H.L.: Mit dem Buch ins Volk. Ein Querschnitt durch die Sonderausgabe von ›Buch und Volk‹. In: BDB 236 (10.10.1935), S. 844. Die Nationalsozialistische Bibliographie (NSB) wurde 1936 als Organ der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS.-Schrifttums ins Leben gerufen. Bouhler gelang es im Laufe der Jahre, seinen Zugriff vom ›NS.-Schrifttum‹ im engeren Sinne auf ein sehr viel breiteres Spektrum von Publikationen auszuweiten. Der Begriff ›Schutz‹ im Untertitel ist als Euphemismus für die Beurteilung dieser Publikationen nach politisch-ideologischen Kriterien zu verstehen, wobei zwischen fiktionalen und nichtfiktionalen Texten nicht unterschieden wurde. Die Vorworte der NSB zeigen, dass die Zeitschrift als »unentbehrliches Hilfsmittel« für »alle politisch Tätigen«, darunter auch deutsche Buchhändler, Verleger, Büchereileiter und Autoren, gedacht war. Letztere sollten an den Listen ablesen, welche Themen auf welche Weise zu behandeln seien und wo noch Lücken bestünden. Die Zeitschrift, die beim Zentralverlag der NSDAP erschien, wurde 1944 mit dem Heft 1–3 (JanuarMärz) eingestellt. Vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 517–533.

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schäftsführer der Bouhler-Kommission, setzte es sich die Nationalsozialistische Bibliographie zum Ziel, »das Belanglose oder Unzutreffende und Mangelhafte von vornherein aus[zuschließen]«9 und mit dem Fokus auf den »bejahenden Kräfte[n] des deutschen Schrifttums« gleich auch das »wahre Gesicht des Nationalsozialismus« kenntlich zu machen.10 Zwar ging es dabei tatsächlich nur um das ›Gesicht‹ der Schrifttumspolitik insofern als die vorgestellte Auswahl durch ein internes Selektionsverfahren erfolgt war. Dennoch spiegeln Initiativen wie diese die grundsätzliche Erkenntnis der Lenkungsinstanzen wider, dass es ihnen weniger mit Verboten als mit positiven Richtlinien gelingen werde, »jeden einzelnen Volksgenossen für das deutsche Schrifttum«11 und damit für die politischen Zielsetzungen zu gewinnen. Unterstützt wurde dieses Bewusstsein durch eine regelrechte Flut von Auswahlverzeichnissen und Werbebroschüren für das Buch, die von offiziellen Stellen wie dem Propagandaministerium, dem Amt Schrifttumspflege und dem Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum herausgegeben wurden. Aufsätze in Zeitschriften wie der Bücherkunde sensibilisierten die Leser ganz offen für den »Wert und Sinn der Bücherkataloge« als »wirksames Mittel für die Durchführung der weltanschaulichen Erziehungsaufgaben […], da die darin aufgeführten Werke einer sorgfältigen Prüfung unterzogen wurden und als weltanschaulich einwandfrei angesehen werden können«.12 Gleichzeitig wurde ihre Bereitstellung als selbstlose Geste gegenüber dem Leser präsentiert, für den die lektüresteuernden Kataloge praktische Orientierungsmittel, ja richtige »Fahrpläne des Schrifttums«13 seien: Damit ist der Benutzer des Kataloges eindeutig aller jener Schwierigkeiten enthoben, die leicht beim Kauf von Büchern eintreten: er soll die Sicherheit haben, daß er Geld und Zeit für ein Buch anlegt, das den Anforderungen ganz entspricht.14

Auch der Sortimenter wurde ausdrücklich auf die Vorteile der Schrifttumsförderung für die buchhändlerische Einzelwerbung hingewiesen, wobei sich der Versuch zeigt, die zentral durchgeführten Initiativen mit dem weitgehend nach Marktprinzipien organisierten Buchbetrieb zu versöhnen. Die Kataloge seien nicht nur »propagandistische ›Vermögenswerte‹«, sondern stellten auch »allgemein gültige Werbemittel« dar.15 Sie sollten »in den Händen von Betriebsführern, Leitern von Lehrwerkstatten, Berufsschullehrern usw.« einerseits eine gewaltige »propagandistische Auswirkung«

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Hederich: NSB 4 (1936), S. VIII. Hederich: NSB 1 (1938), S. XII. [o.V.]: BDB 245 (20.10.1936), S. 909. Das folgende Zitat ist ebd. von Tauchnitz: BK 1937, S. 656. Nach Angabe des Börsenblatts sollten 1936 alleine schon während der Buchwoche elf Millionen Auswahlverzeichnisse deutschen Schrifttums verteilt worden sein (vgl. [o.V.]: BDB 245 (20.10.1936), S. 909). Otto: BK 1940, S. 42. Ebd., S. 43. Wessen Anforderungen gemeint waren, bleibt hier strategisch offen. Vortrag von Alfons Brugger, Geschäftsführer des Werbe- und Beratungsamtes für das deutsche Schrifttum, in der Fachgruppe Sortiment am 10.5.1941 in Leipzig (zitiert nach: [Brugger]: BDB 125 (31.5.1941), S. 226).

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zeitigen, andererseits aber auch »dem Buchhandel möglichst viele kundige Interessenten zuführen, die bereits eine konkrete Vorstellung von ihren Kaufwünschen haben«.16 Institutionell verankert wurde die Verschiebung vom Schrifttumsverbot zur Schrifttumsförderung mit der Ersetzung der ›Kunstkritik‹ durch die ›Kunstbetrachtung‹ im Herbst 1936. Goebbels gab am 28. November 1936 auf Hitlers Veranlassung einen Erlaß zur Neuformung des deutschen Kulturlebens heraus, durch den das Recht zur Kritik forthin ausschließlich den staatlichen und parteiamtlichen Lenkungsbehörden zustand. Journalistische Mitschriften der Pressekonferenz hielten an dem Tag fest, »[a]b sofort [seien] negative Kritiken zur schönen Literatur zu unterlassen«.17 Stattdessen hätten sich Rezensenten in einer Form der Kunst- wie Buchbetrachtung zu üben, die »weniger Wertung, als vielmehr Darstellung und damit Würdigung« sei.18 Mit der Betonung der ›Würdigung‹ manifestierte sich die letzte Konsequenz einer totalen Verbotspolitik, die nicht nur das unerwünschte Schrifttum, sondern auch dessen Fortbestehen in den Literaturspalten ausmerzen wollte, das möglicherweise Aufmerksamkeit und Interesse hätte wecken können. Obwohl sich das Kritikverbot in der Publizistik unmittelbar bemerkbar machte, musste in den nachfolgenden Jahren vonseiten des Staates regelmäßig daran erinnert werden, bei Buchbesprechungen sei es »unbedingt wichtig, daß der Zeitschriftengestalter nur wirklich wertvolle oder für seinen Leserkreis beachtliche Bücher herausstellt, andererseits aber Schrifttum, dessen Weiterverbreitung nicht im Interesse unseres Volkes liegt, ausscheidet.«19 1937 wurde die Ausrichtung auf das ›Erwünschte‹ als ein Basisprinzip der gesamten NS-Propaganda dargestellt. Die Hervorhebung des ›Positiven‹ trage, so erklärte Regierungsrat Rudolf Erckmann in der Kantatenummer des Börsenblatts,20 wesentlich zum Vertrauensverhältnis zwischen Führung und Bevölkerung bei und stelle auf diese Weise eine Garantie für den Erfolg des Regimes dar:

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[Brugger]: BDB 128 (5.6.1941), S. 230 [Hervorhebung im Original]. PA vom 28.11.1936. Goebbels (zitiert nach: Dietrich Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik. Ein Beitrag zur Publizistik im Dritten Reich. Bonn 1960, S. 275). Genaueres zum Kritikverbot erfährt man aus einem in den Akten der Reichsschrifttumskammer bewahrten Brief an Hellmuth Langenbucher, in dem die »Neuordnung des Buchbesprechungswesens« als eine Entwicklung vom »weisheitstriefende[n], moralisierende[n] Gedröhne der Kritikaster« zur »ruhigen, sachlichen Beurteilung« umschrieben wird (BArch RK/RSK/I/B110/170ff.). Der konkrete Anlass zum Kritikverbot war laut Strothmann die Verärgerung Hitlers über ein ›Fehlurteil‹ eines Kritikers, womit er das Verbot auf einen anekdotischen Anlass zurückführt (vgl. Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik, S. 273f.). Dazu auch Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 17.10.1934: »Mittags beim Führer. […] Führer ist ganz begeistert von Paula Wesselys ›Hl. Johanna‹, die er Sonntag sah. Dabei versetze ich dem V.B., der darüber eine schlechte Kritik brachte, gleich einen Hieb. Mit Dietrich [Reichspressechef] Aussprache über Journalismus.« Dennoch ist das Kritikverbot als repräsentativ zu betrachten für das Bemühen des Regimes in den Konsolidierungsjahren, eine Verschiebung vom ›negativen‹ auf das ›positive‹ Beispiel herbeizuführen. ZD 3 (23.5.1939). Die jährliche Generalversammlung des Börsenvereins wurde ›Kantate‹ genannt.

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Die propagandistische Gesamtaufgabe wird […] im Kern bestimmt durch das eine Prinzip, das die politische Propaganda das Gesetz des Angriffs nennt, und das kulturell die Ausrichtung auf das Positive heißt. Dieses Gesetz, das neuerdings durch die Abschaffung der Buchkritik seine einschneidende Bestätigung gefunden hat, besagt, d a ß d ie b e s t e L ö su ng d e r p r o p a ga n d i st i s ch e n Au fga b e i m m e r du r ch d e n H i nwei s au f d ie w i r k l ic h e p o sit ive L ei s t u ng u n d n icht du r ch d e n Au f wei s u n d d ie Ve r n einu ng d e r Sch ei n lei st u ng ge sich e r t i s t . So wird vor allem das Gesundwachsende und das Geradehochstrebende den Blick des kulturellen Propagandisten fesseln und ihm die Pflicht auferlegen, dafür zu sorgen, daß das Volk dieses sehe und sich auf dieses richte. In solcher Arbeit wird sich dann jenes Verhältnis des Vertrauens auf Gegenseitigkeit zwischen kultureller Führung und Volk herstellen, daß letztes Geheimnis und letzte Bürgschaft des Erfolges nationalsozialistischer Arbeit und Propaganda ist.21

Typisch an solchen Äußerungen ist die in ihnen enthaltene Strategie, den repressiven und verneinenden Aspekt der Kulturpolitik mit Hilfe einer organologischen Metaphorik in vordergründig positiven Begriffen einzufangen. Die Erhebung des ›Gesundwachsenden‹ und ›Geradehochstrebenden‹ zur Priorität eines jeden ›kulturellen Propagandisten‹ machte die Eliminierung des Ungesunden, Kranken und Schiefwachsenden notwendig, ließ diese aber gleichzeitig unter der positiv klingenden Textoberfläche verschwinden. Anfang 1938 wurde der Kurswechsel weiterhin gefestigt, indem im Inneren des Amtes Schrifttumspflege eine Stelle Schrifttumsförderung eingerichtet wurde. Diese Stelle musste im Hinblick auf die »Schulung des gesamten Volkes«22 mit Verlegern verhandeln, Werbeaktionen im gesamten Reichsgebiet organisieren und mit allen zuständigen Dienststellen des Staates, der Partei, ihren Unterabteilungen und angeschlossenen Verbänden Fühlung nehmen.23 Eine bemerkenswerte Aufgabe der Stelle war die Verwaltung der so genannten Dichter-Freiplatzspende, die es erlaubte, »bedürftigen Schriftstellern in den schönsten Gegenden Deutschlands für einige Zeit einen Freiplatz« zur Verfügung zu stellen. Die Initiative sollte Autoren in die Lage versetzen, »frei von den alltäglichen Sorgen« (und in den Kriegsjahren auch weit von den Luftangriffen entfernt) »in Ruhe Neues [zu] schaffen«. Wie alle anderen Förderungsmaßnahmen im Dritten Reich war auch diese selektiver als sie auf den ersten Blick erschien. Als ›bedürftig‹ kamen nur Autoren in Betracht, die der Überprüfung ›politischer Zuverlässigkeit‹ wie auch ›sittlicher‹ und ›rassischer Eignung‹ standhielten.24 So sollte die Initiative in erster Linie dazu beitragen, dass die Produktion der ›erwünschten‹ Literatur zu allen Zeiten gesichert war. Als im September 1939 der Krieg begann, wurde die »Herausstellung positiven Schrifttums«25 durch allgemeine Anweisungen zur Aufrechterhaltung der Moral verstärkt. Gleich nach Kriegsbeginn wurde angeordnet, dass in allen Medien aus-

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Erckmann: BDB 93 (24.4.1937), S. 8. [o.V.]: LB 4 (1939), S. 7. [o.V.]: LB 4 (1939), S. 8. Die folgenden Zitate sind ebd. Zitate aus einem Dokument über die Deutsche Schillerstiftung (zitiert nach: Barbian: Literaturpolitik, S. 495). [von Werder]: LB 3 (1943), S. 6.

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schließlich »die positive Seite aller Maßnahmen herauszustellen und niemals ein[ ] Defaitismus zu fördern« sei.26 In vertraulichen Publikationen wurde gefordert, »jeder Pessimismus, jede Nörgelei, sowie jedes Herausstellen der Schrecken eines Krieges, sei es in Text- oder Bildform«,27 sei zu unterlassen, während im Gegenzug alles, was »unser Volk zu erheben und seine seelischen Kräfte zu stärken« vermöge, hervorzuheben und zu fördern sei.28 In den letzten Kriegsjahren, als die deutsche Armee bei Stalingrad große Verluste erlitt und Deutschland in den ›totalen Krieg‹ eingetreten war, steigerte sich der strategische Wert der Ausrichtung auf das ›Positive‹ in ihrer 1937 propagierten Bedeutung als »letzte Bürgschaft des Erfolges nationalsozialistischer Arbeit und Propaganda«.29 1943 ermahnte der vertrauliche Lektoren-Brief die Mitarbeiter des Rosenbergamtes, möglichst wenig mit Verboten zu arbeiten, sondern vielmehr durch entsprechende Herausstellung positiven Schrifttums […] zu wirken. Aus guten innen- wie außenpolitischen Gründen w[ird], soweit es ang[eht], der Eindruck vermieden, als ob der Freiheit des geistig schaffenden Menschen in Deutschland durch den Nationalsozialismus unerträgliche Ketten angelegt würden.30

Die skizzierte Schwerpunktverlagerung demonstriert, dass die Bedeutung der unterschiedlichen Lenkungsinstanzen nicht nur an ihrer jeweiligen Zensurmacht und damit an dem Kriterium festgemacht werden kann, ob sie Bücher verbieten konnten. Diese Exekutivgewalt, die zunächst nur Goebbels innehatte und später auch Bouhler erhielt, ist tatsächlich von zentraler Bedeutung, kann angesichts der hochgeschätzten Aufgabe der Literaturförderung jedoch nicht der einzige Parameter für die Bedeutung und Publikumswirksamkeit einer Instanz sein. So war auch das Rosenberg unterstehende Amt Schrifttumspflege während der NS-Herrschaft durch sein breites Spektrum von Publikationen31 und die Veranstaltung von Arbeitstagungen, Schulungslehrgängen, Dichterlesungen und Buchsammlungen im literarischen Bereich sehr präsent. Eine zweite Instanz, die ebenfalls keine Zensurmacht innehatte und dennoch eine »Fülle wichtiger schrifttumspropagandistischer und -politischer Arbeiten«32 leistete, war die Reichsschrifttumsstelle, die sich gänzlich der »Aufgabe der Förderung des

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Ernst Herbert Lehmann: Die Zeitschrift im Kriege. Berlin-Charlottenburg 1940, S. 35. ZD 19 (9.9.1939). Die Richtlinie fährt fort: »Zu vermeiden ist jede Betrachtungsweise einer getroffenen Maßnahme nach dem Gesichtspunkt ›Wie kann ich sie umgehen, wie schwer wird sie mich treffen?‹ Vielmehr muß jede derartige Maßnahme sofort nach Bekanntwerden positiv besprochen und begründet werden. Gesichtspunkt: Besser ein Opfer im Augenblick als eine aussichtslose, ehrlose Zukunft.« ZD 20 (16.9.1939). Vgl. das auf Seite 167 angeführte Zitat von Regierungsrat Erckmann. [von Werder]: LB 3 (1943), S. 6. Dazu gehören u. a. die Zeitschriften Bücherkunde, Buch und Volk und Dienst am deutschen Schrifttum, zahlreiche Auswahlverzeichnisse, der Jahresgutachtenanzeiger und der vertrauliche Lektoren-Brief. Barbian: Literaturpolitik, S. 170.

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Schrifttums«33 widmete und zu dem mit beträchtlichen Finanzmitteln des Propagandaministeriums ausgestatteten Werbe- und Beratungsamt des deutschen Schrifttums heranwuchs.34 Zur Erfüllung ihrer Aufgabe verfügte die Stelle über einen weiten Kreis von Vertrauenspersonen, »der das Unzulängliche automatisch fernhält und damit die Möglichkeit zu sinnvollem Arbeitseinsatz bietet«:35 Überall im Reich beschäftigen sich ja Hochschuldozenten, Literaturkritiker von Zeitungen und Zeitschriften, literarische Mitarbeiter an Reichssendern usw. aus beruflichen Gründen unaufhörlich mit allem, was an neuen Büchern erscheint. Aus dem Kreis dieser Personen haben wir eine Anzahl fest in der Bewegung verankerter Menschen ausgewählt und arbeiten mit ihnen so zusammen, daß uns auf vorgedruckten Karten immer dann Mitteilungen zugehen, wenn der eine oder andere auf ein Buch gestoßen ist, das er für wesentlich hält und deshalb für die Förderung vorschlagen möchte.36

Die »Art von Filter«, die sich die Reichsschrifttumsstelle mit diesem Netzwerk schuf, sollte es ihr erlauben, »aus der Fülle des neuerscheinenden Schrifttums rasch herauszufinden, was sie für die Förderungsarbeit braucht.«37 Die Stelle funktionierte damit ganz anders als Rosenbergs Schrifttumsamt, das mit rund 50 Hauptlektoren und 1400 Lektoren zur größten Lenkungsinstanz anwuchs und die »wohl umfassendste Sichtung und Bewertung der in Deutschland verbreiteten in- und ausländischen Literatur« vornahm.38 Vielmehr implizierte die Ausrichtung auf das ›Positive‹ in ihrem Fall den »Verzicht auf die totale Schrifttumsführung«, damit »auch ein relativ kleines Lektorat diese Aufgabe glatt bewältigen« könne und die Arbeit der Stelle so gut wie ausschließlich eine fördernde war: Denn schlechthin a l le s zu prüfen würde bedeutet haben, daß die Reichsschrifttumsstelle sich mit Hunderten, ja Tausenden von Büchern hätte beschäftigen müssen, die mangels Substanz für die Förderung doch niemals in Frage gekommen wären. […] Ja es bestand sogar die Gefahr, daß für die Prüfung des Durchschnittlichen und Unzulänglichen mehr Arbeitskraft und Arbeitszeit aufzuwenden gewesen wäre als für die Prüfung des Guten und Zulänglichen, das zu ermitteln doch die eigentliche Aufgabe war. […] Anders ausgedruckt: die Reichsschrifttumsstelle wäre auf diesem Wege allzu leicht aus einer Stelle der Förderung zu einer Stelle zur Prüfung des Schrifttums geworden.39

Dabei widmete sich die staatliche Instanz vor allem der »praktischen Förderung des ausgewählten Schriftgutes«.40 Sie vermittelte »in regelmäßigen Abständen den Redaktionen der Zeitschriften und Zeitungen sowie dem Rundfunk lediglich die Ti-

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Wismann: DB 1936, S. 367. Heinz Wismann, Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer, hielt am 26. Mai 1936 eine Rede zum zweijährigen Bestehen der Reichsschrifttumsstelle. Zur Reichsschrifttumsstelle bzw. zum Werbe- und Beratungsamt des deutschen Schrifttums, das als Konkurrenzinstanz zu Rosenbergs Reichsstelle gegründet wurde, vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 163–171. Wismann: DB 1936, S. 370. Ebd., S. 369. Ebd., S. 370. Barbian: Literaturpolitik, S. 286 (vgl. auch: S. 278). Wismann: DB 1936, S. 368. Ebd., S. 370.

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tel der von uns ausgewählten Bücher« mit der Bitte, »diese Bücher auf breiterem Raum zu würdigen als die übrigen«. Daneben wurde die Stelle als scheinbar neutrale Organisation eingesetzt, um »überall da in Erscheinung« zu treten, »wo das [Propaganda]Ministerium im Rahmen seiner Schrifttumsarbeit im Hintergrunde zu bleiben wünscht«.41 Sie wirkte u. a. an den jährlich stattfindenden Wochen des Deutschen Buches und der seit 1936 intensiv betriebenen Fachbuchwerbung mit, bereitete Buchausstellungen im In- und Ausland vor, veranstaltete Autorenlesungen und führte zwischen 1938 und 1942 die Weimarer Dichtertreffen durch.42

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Organisationsplan und Etat der Reichsschrifttumsstelle aus dem Jahr 1938 (zitiert nach: Barbian: Literaturpolitik, S. 171). Die Ausblendung der staatlichen Lenkung war eine bewährte Strategie, die u. a. auch im Bereich der Filmproduktion angewendet wurde (vgl. dazu: Roel Vande Winkel / Ine Van linthout: De Vlaschaard 1943. Een Vlaams boek in nazi-Duitsland en een Duitse film in bezet België. Kortrijk, Brüssel 2007, S. 67). Das Weimarer Dichtertreffen war ein jährlicher Dichterkonvent, zu dem zunächst nur deutsche, später auch ausländische Autoren eingeladen wurden.

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2.2. Beispiele der Buchförderung: »Mit dem Buch ins Volk«

Schafft wieder gefüllte Volksbüchereien, füllt die Bücherschränke und die Fachbüchereien im eigenen Heim, schenkt Bücher zu jedem Fest! Jeder einzelne, ob Arbeiter der Faust oder der Stirn, braucht Bücher zur weiteren Fortbildung im Berufe, zu Geschenkzwecken oder zur eigenen Erbauung und Erholung. Bücher sind weder teuer noch ein Luxus!1

Dass sich Buchhändler wie der oben zitierte Heinz Nedon dafür einsetzten, bei der Bevölkerung »überall das Verlangen nach dem Buch zu wecken und zu fördern«,2 leuchtet ohne Weiteres ein. Die Anstrengungen für eine weite Verbreitung des Buches waren dennoch keineswegs auf die im Buchbetrieb Tätigen beschränkt. Großenteils wurden sie von höherer Stelle initiiert, wobei insbesondere die Reichsschrifttumskammer unter Propagandaminister Goebbels, das Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum unter dem jeweiligen Leiter der Abteilung Schrifttum im Propagandaministerium und das Amt Schrifttumspflege unter Rosenberg zu nennen sind. Nicht nur bedurfte das Buch des Massenkonsums, um für die Propaganda nutzbar zu sein.3 Auch die Buchwerbung an sich, die die gesamte deutsche Bevölkerung zum Buch hinführen sollte, ließ sich zu einem wichtigen Instrument für die ›Volksgestaltung‹ stilisieren. So schrieb Erich Langenbucher, Pressereferent der Reichsschrifttumsstelle, anlässlich der Bereitstellung von Wanderbüchereien für die Reichsautobahnlager: Das Erkennen der Tatsache, daß das deutsche politische und dichterische Buch nicht nur eine Angelegenheit einer dünnen Oberschicht ist, ist ein wesentliches Verdienst des Nationalsozialismus. Er hat zum erstenmal das Verlangen des ganzen Volkes nach guten Büchern gesehen, nicht aus irgendeinem literarischen Interesse heraus, sondern aus der Tatsache, […] daß das Buch nicht eine Sache ist für Kritiker, literarische Klubs und »bessere Kreise«, sondern daß es in den breiten Volksschichten eine Aufgabe zu erfüllen hat […].4

Hellmuth Langenbucher machte folgendermaßen auf ein strategisch gewähltes Umschlagbild einer Buchwerbezeitschrift aufmerksam, das »möglichst viele Volksgenossen zu Freunden des Buches zu gewinnen« sollte:5

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Heinz Nedon: Das Buch – unsere Aufgabe – unser Weg. In: BDB 96 (26.4.1934), S. 389. Riegel: BDB 186 (17.6.1937), S. 517. Vgl. dazu Goebbels’ Rede zur Eröffnung der ersten Woche des Deutschen Buches (in: Helmut Heiber (Hg.): Goebbels-Reden. Bd. 1: 1932–1939. Düsseldorf 1971, S. 169). E. Langenbucher: BDB 265 (14.11.1935), S. 966. Dr. H.L.: Mit dem Buch ins Volk. In: BDB 236 (10.10.1935), S. 844.

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Der in ein Buch vertiefte deutsche Arbeiter mit seinem ausgeprägten Charakterkopf […] gab uns den Maßstab für unsere Arbeit ab, denn es ging uns nicht darum, dem übersatten Intellektuellen ein paar literarische Kostbarkeiten aufzutischen, sondern darum, für den geistigen und seelischen Hunger jenes deutschen Menschen, wie dieser prächtige Arbeiter ihn darstellt, einen Tisch voll des Besten aufzutragen von dem, was das deutsche Schrifttum, sei es nun in Dichtung oder Forschung, politischer Willensbildung oder weltanschaulicher Schulung, gerade ihm, auf dem die Zukunft unseres Volkes steht, zu bieten hat.6

Die Aktion In jedes deutsche Haus eine Heimbücherei ermutigte die Deutschen mit den folgenden Worten zum Besitz einer eigenen Bibliothek: Vorbei sind die Zeiten, in denen das Buch und die »Bibliothek« nur für einzelne bevorrechtigte Stände geschaffen schien, und der einfache Mensch sich eine Bücherei nur in den Häusern des »Reichen«, des Gelehrten, des Pfarrers, Lehrers und weniger anderer Menschen denken konnte. Das Buch ist in den lebendigen Besitz des ganzen deutschen Volkes übergegangen und soll in der eigenen Bücherei immer mehr zum wesentlichen Bestandteil auch des kleinsten Heimes werden.7

Diese und ähnliche Aussagen, die sich auf den Symbolwert des Buches als Privileg der gebildeten Oberschicht stützten, waren latent oder manifest als Polemik gegen die Weimarer Republik intendiert, in der Bücher noch ein »Gegenstand des Luxus« und demjenigen vorbehalten gewesen seien, »der ein Rauchzimmer mit einem Klubsessel besitzt oder den Doktortitel hat«.8 Heinrich Dähnhardt, Leiter der Schrifttumsabteilung im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, stellte in seinem Aufsatz Das Buch in der Volksbildung fest: Man muß sich vergegenwärtigen, daß wir aus einer Zeit kommen, in der Bücher und Bücherlesen noch als ein Vorrecht galten, an dem breite Schichten des Volkes keinen Anteil hatten. Wir stehen, was die Verbreitung des Buches und des Bücherlesens anbelangt, nicht am Ende, sondern erst am Anfang einer Entwicklung, deren größere Möglichkeiten wir erst zu erschließen beginnen.9

Dabei wurde systematisch ignoriert, dass die Klassengesellschaft unter Einfluss der Industrialisierung bereits vor 1933 »unübersehbare Verschleißerscheinungen«10 zeigte. Ebenfalls wurden frühere Bildungsinitiativen, die darauf abzielten, die sozialen 6 7 8 9 10

Ebd., S. 845. [o.V.]: Die Heimbücherei. In: Buch und Volk 5 (1938), S. 6. Bischoff: BDB 3 (4.1.1936), S. 9. Dähnhardt: BDB 93 (24.4.1937), S. 10. Michael Burleigh: Die Zeit des Nationalsozialismus. Eine Gesamtdarstellung. Frankfurt/M. 2000, S. 90. Das traditionelle Bildungsbürgertum hatte unter Einfluss der Massenkultur und der künstlerischen Moderne seine Position als gesellschaftlicher Träger des humanistischen Bildungsideals bereits weitgehend eingebüßt (vgl. Georg Bollenbeck: Weimar. In: Deutsche Erinnerungsorte. Hg. von Etienne François / Hagen Schulze. Bonn 2005, S. 89–106; ders.: Tradition, Avantgarde, Reaktion. Deutsche Kontroversen um die kulturelle Moderne 1880–1945. Frankfurt/M. 1999; ders.: Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters. Frankfurt/M., Leipzig 1994). Das klassische Industrieproletariat hatte einer heterogenen Arbeiterschicht mit unterschiedlichen politischen Einstellungen, konfessionellen Bindungen, beruflicher Qualifikation, Entlohnung, Arbeitsbedingungen und Lebensstilen Platz gemacht (vgl. Burleigh: Nationalsozialismus, S. 87–91).

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und kulturellen Teilhabechancen für alle Bevölkerungskreise zu erweitern,11 von der Funktionselite entweder geleugnet, als misslungen herausgestellt oder aber als eigene Idee ausgegeben. Ein konkretes Beispiel betrifft die Volksbücherei, die bereits geraume Zeit vor 1933 als unparteiische und schichtenübergreifende Institution gegründet worden war. Ihr wurde vorgehalten, dass sie bis dahin »nur als Wohlfahrtsanstalt für das minderbemittelte ›Volk‹ eingerichtet und betrieben« worden sei und daher die »Klassen und Gruppen im Volk«12 weiterhin getrennt habe.13 Eine »recht verstandene und betriebene Volksbücherei«, so hieß es, sei »echte Dienerin der Volksgemeinschaft und Ausdruck dieser Volksgemeinschaft« und erschließe »allen Volksgenossen, welchen Berufs Standes, Alters und Geschechtes auch immer, den Weg zum Buch«.14 Die Feststellung, dass die Spannungen innerhalb der Gesellschaft vor 1933 nicht überwunden und eine ›Volksbildung‹ und ›Volksgemeinschaft‹ im ›wahren‹ Sinne nicht realisiert worden seien,15 diente als Unterbau für die Behauptung, erst »durch den Nationalsozialismus [seien ] Buch u n d Vol k ei n s gewo r d e n«.16 Die Buchförderung als Waffe gegen das »geistige[ ] Klassenkämpfertum«17 und für das ›klassenlose‹18 Gemeinschaftsideal war Teil des umfassenderen Versuchs der 11

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Vgl. Dieter Langewiesche: ›Volksbildung‹ und ›Leserlenkung‹ in Deutschland von der wilhelminischen Ära bis zur nationalsozialistischen Diktatur. In: IASL online (2000) (30.4.2010). Taupitz: DB 1934, S. 547. Zur Volksbücherei im Dritten Reich vgl. Langewiesche: ›Volksbildung‹; Barbian: Literaturpolitik, S. 733–760; Engelbrecht Boese: Das öffentliche Bibliothekswesen im Dritten Reich. In: Bibliotheken während des Nationalsozialismus. Hg. von Peter Vodosek / Manfred Komorowski. Wiesbaden 1989, S. 91–111; ders.: Das öffentliche Bibliothekwesen im Dritten Reich. Bad Honnef 1987. Boese zufolge finden sich die ersten Ansätze von Büchereien für eine breitere Öffentlichkeit am Ende des 19. Jahrhunderts, »aber was da spärlich genug wuchs, kam von unten her, durch lokale Initiativen des Bürgertums, der Kirchen, der Arbeiterbewegung« (1987, S. 91). Noch in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts habe sich das Büchereiwesen »in einem außerordentlich fragilen Zustand« (S. 92) befunden. Die durch die Arbeitslosigkeit sprunghaft angestiegenen Leserzahlen und die immer knapper werdenden Mittel der Bibliotheken führten nach Boese dazu, dass die letzten Jahre der Weimarer Republik das Büchereiwesen »um Jahrzehnte zurück[warfen]« (S. 92) und die nationalsozialistische Machtergreifung von den bibliothekarischen Organisationen und einzelnen Bibliothekaren mit großen Hoffnungen verbunden wurde. Taupitz: DB 1934, S. 548. Karl Taupitz war Büchereidirektor in Dresden. Er wurde Anfang 1938 zum Leiter des Ausschusses für Großstadtbüchereien im Amt Schrifttumspflege ernannt, wo er für die »Untersuchung und Darstellung des großstädtischen Büchereiwesens« und damit sowohl für technische Fragen als auch für Fragen des inhaltlichen Bestandsaufbaus zuständig war (vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 744f.). Zum Begriff der ›Volksgemeinschaft‹ in der Weimarer Republik vgl. Burleigh: Nationalsozialismus, S. 107. Hans Hagemeyers Rede auf der Schlusskundgebung der Ersten Großdeutschen Buchwoche im Gau München-Oberbayern (zitiert nach: Schulz: BDB 262 (10.11.1938), S. 876). Hagemeyer war Leiter des Amts Schrifttumspflege. Hagen: BK 1944, S. 43. Es wurde insofern nach einer Beseitigung der Klassengesellschaft gestrebt als die Diktatur tatsächlich kulturelle, soziale und religiöse Differenzen zu beseitigen versuchte. Der Beweggrund war jedoch keineswegs das humanistische Ideal der Gleichberechtigung von

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Diktatur, den breiten Volksmassen Zugang zu Kunst und Kultur zu verschaffen. Diese Popularisierung, die im ›Volkserziehungsprogramm‹ einen zentralen Stellenwert erhielt, spiegelte sich mustergültig in Hitlers Vision des »Zukunftstheaters« wider, wie sie Goebbels in seinem Tagebuch skizzierte: Groß, für das ganze Volk, Überwindung des höfischen und bürgerlichen Charakters des Theaters. Neue Räume, größer in den Dimensionen, neue Dichter, neue Stücke, das Volk heranziehen, keine Sache der oberen Schichten. Das sind Pläne, die wir vorbereiten müssen, damit man sie nach uns vollende.19

Ebenso charakteristisch in diesem Kontext war Goebbels’ Rede vor der Reichskammer der Bildenden Künste am 15. Juli 1939, in der er die »neue Inbeziehungsetzung zwischen Volk und Kunst« zu einer »der wichtigsten Errungenschaften der nationalsozialistischen Kulturpolitik« erklärte: Man vermag zur Zeit die Auswirkungsmöglichkeiten dieses wahrhaft historischen Vorganges in der deutschen Kulturgeschichte überhaupt noch nicht abzusehen. Das Schlagwort »Die Kunst dem Volke!« war zwar bereits im nachrevolutionären, republikanisch-demokratischen Deutschland entstanden. Es mußte aber unter den damaligen Verhältnissen immer Parole bleiben, ohne innere Verpflichtung und ohne lebendigen Inhalt. Es war dem Nationalsozialismus vorbehalten, diese blasse Theorie zu einer realen Wirklichkeit umzugestalten. Damit wurden auch alle die besserwissenden Einwände jener Skeptiker abgeschlagen, die da meinten, die Kunst sei immer eine Angelegenheit der oberen Zehntausend von Besitz und Bildung, und es könnte und würde niemals gelingen, sie in den breiten Massen des arbeitenden Volkes zu verankern und heimisch zu machen.20

Die stark besuchten Großen Deutschen Kunstausstellungen und die Festzüge der deutschen Kunst in München demonstrierten die Absicht des Regimes, die bildenden Künste zum »Besitztum des ganzen Volkes« zu machen.

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Bevölkerungsgruppen und Individuen. Die durch Klassen und Säulen gegliederte Gesellschaft sollte durch eine gleichgeschaltete Gemeinschaft abgelöst werden, die Klassenlogik durch sozialdarwinistische Diskriminierung und militärisch inspirierte Hierarchien ersetzt. Aufgrund der teilweise fortgesetzten privatwirtschaftlichen Logik und des zentralen Stellenwerts der Großindustrie blieben auch wirtschaftliche Diskrepanzen ein strukturelles Merkmal des Dritten Reiches. Zur kontrovers geführten Diskussion über das sozialistische Anliegen des Nationalsozialismus vgl. Seite 342 Fußnote 49. Vgl. Goebbels’ Tagebucheintrag vom 6.12.1936. Dazu ebenfalls Rosenberg auf dem ersten Reichskongress der Deutschen Bühne vom 7. bis zum 9.9.1933: »Der Reichsverband ›Deutsche Bühne‹ sei gelobt, nicht eine tote Besucherorganisation, sondern eine lebendige Bewegung zu sein im Dienst der Neugeburt der deutschen Kultur, um das deutsche Theater wieder zu einer Kultstätte der Nation zu gestalten und die unterbrochene Verbindung zwischen Volk und Dichter wiederherzustellen« (zitiert nach: Rühle: Das Dritte Reich, 1933, S. 92). Nach Kriegsbeginn wurde die Popularisierung der Kultur unter dem Zeichen der Kriegswichtigkeit von Unterhaltung und Ablenkung fortgesetzt. Als Theater- und Kinokarten eine »ausgesprochene Mangelware« (Goebbels’ Tagebucheintrag vom 1.12.1942) wurden und die »arbeitende Bevölkerung nicht mehr in den Besitz von Karten zu Unterhaltungsstätten« (26.2.1943) kam, schaffte Goebbels zur »gerechteren Verteilung der Theaterkarten« u. a. einen Großteil der Abonnements ab (4.3.1943). Zitiert nach: Joseph Goebbels: Die Zeit ohne Beispiel. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1939/40/41. München 1941, S. 205. Das folgende Zitat ist ebd.

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Vergleichbar damit avancierte die 1934 von Goebbels geprägte Parole »Mit dem Buch ins Volk« zum Werbespruch eines Regimes, das sich in ähnlichen Worten der Aufgabe verschrieb, das deutsche Buch zum »allgemeine[n] Besitz des deutschen Volkes« zu machen.21 Die Parole stellte das gesamte Buchwesen vor die Aufgabe, die »Angst der Massen vor der ›Bildung‹, ihre Scheu vor Bibliotheken, ihr Mißtrauen der ›Kultur‹ und deren ›Schätzen‹ gegenüber« zu überwinden:22 Der ganze Einsatz der öffentlichen Buchwerbung wäre ohne Sinn, wenn er nicht immer darauf angelegt würde und zum Ziel hätte, die Volksgenossen für das Buch zu gewinnen, die noch kein Verhältnis zum Schrifttum haben.23

Sie schlug sich in einer Vielzahl von nationalen und lokalen Anstrengungen nieder, die sich an die gesamte Bevölkerung oder einzelne Gruppen richtete und im Folgenden an ausgewählten Beispielen exemplarisch dargestellt werden soll.

2.2.1. »Woche des Deutschen Buches« [D]ie alljährlich stattfindende Woche des Buches […] gibt die Gewähr dafür, daß die enge Verbindung zwischen deutschem Volk und deutschem Buch eine dauernde, nie mehr zu trennende wird.24

Die öffentlichkeitswirksamste Buchförderungsinitiative der NS-Zeit war ohne Zweifel die sich über das ganze Reich erstreckende Woche des Deutschen Buches, die die Dienststellen und Mittler des gesamten Buchwesens mobilisierte.25 Genauso wie der Tag der Machtübernahme der NSDAP, Hitlers Geburtstag und die Sonnenwendfeier wurden die Berliner Autoschau, die Eröffnung der Bayreuther Festspiele durch den Führer, die Rundfunkausstellung und nicht zuletzt auch die Buchwoche in den Zyklus der jährlich wiederkehrenden Rituale eingereiht.26 Jedes Jahr im Herbst richtete sich die Aufmerksamkeit der Politik, der Medien und der deutschen Bevölkerung eine Woche lang auf das Buch.27 Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern wurden

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E. Langenbucher: BDB 77 (1.4.1941), S. 121. Euringer: BDB 107 (9.5.1936), S. 14. [o.V.]: BDB 245 (20.10.1936), S. 909. H.L., BDB 249 (24.10.1936), S. 926. Für eine umfassende Besprechung der Buchwoche vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 626– 640. Zur Bedeutung des NS-Festkalenders vgl. Peter Reichel: Der schöne Schein des Dritten Reiches. Faszination und Gewalt des Faschismus. München, Wien 1991, S. 208–221; Werner Freitag (Hg.): Das Dritte Reich im Fest. Führermythos, Feierlaune und Verweigerung in Westfalen 1933–1945. Bielefeld 1997; Hans Dieter Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein. Deutsche Kultur und Lebenswirklichkeit 1933–1945. München, Wien 1983, S. 140. Die Buchwoche fand von 1934 bis einschließlich 1942 statt. Sie fiel 1939 kriegsbedingt aus und wurde nach 1942 ebenfalls unter dem Druck des Krieges eingestellt. Zu den Wochen des Deutschen Buches vgl. u. a. Barbian: Literaturpolitik, S. 626–640. Zur Ersten Großdeutschen Buchwoche 1938 vgl. u. a. Roland Bärwinkel: Der Deutsche und sein Buch. In:

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angehalten, eine eigene Buchwoche einzurichten.28 In öffentlichen Gebäuden warben Plakate für das deutsche Buch. Städte wie Berlin und Weimar wurden »mit vielen vielen Fahnen« geschmückt,29 einzelne Aktivitäten als imposante Feier mit Märschen und Sprechchören inszeniert: Die große Halle hatte schon ihren Festschmuck angelegt für die dann folgende Eröffnungsfeierstunde und es war ein schönes Bild, das sie dem beschauenden Auge bot. Im weiten vorderen Halbrund waren Fahnen gespannt, in deren Mitte eine Vergrößerung des Buchwochenplakats angebracht war. Den Abschluß gegen den Saal bildeten dichte Flächen blühenden Heidekrauts.

Die Veranstaltung bündelte und verdichtete in einer Woche die gesamte Breite an Funktionen, die dem Buch im Dritten Reich zuerkannt wurde. Nicht nur kamen das kulturpropagandistische, sozialpolitische, wirtschaftliche und außenpolitische30 Verwertungsinteresse am Buch zum Tragen, zugleich wurde tatsächlich die Absicht realisiert, »das Buch über den Bezirk einer kleinen literarisch interessierten Gemeinschaft heraus[zuheben] und zur Sache der ganzen Nation [zu machen]«.31 Die Eröffnungsfeier der ersten Buchwoche fand im Berliner Sportpalast vor einem Publikum von 15.000 ›Volksgenossen‹ statt, weit weg von den literarischen Salons, die das Regime mit der Entfremdung zwischen Buch und Volk in der Zeit vor 1933 assoziierte. Umzüge und Motivwagen dienten nicht nur der feierlichen Inszenierung, sondern auch dem Zweck, das Buch der breiten Masse auf die Straße nahezubringen (vgl. Abbildung 11).32 Die literarischen Abende, die traditionsgemäß für und durch literarisch gebildete Kreise veranstaltet worden waren, wurden durch gut besuchte »Feierstunden« ersetzt, die »d em D icht e r u n d d e m Buch d e n Weg i n d a s

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Das ›deutsche Buch‹ in der Debatte um nationale Identität und kulturelles Erbe. Hg. von Michael Knoche u. a. Göttingen 2006, S. 114–136. Vgl. Johannes Mangei: ›Ehrengaben‹ für Joseph Goebbels anlässlich der Weimarer ›Wochen des deutschen Buches‹. In: Das ›deutsche Buch‹. Hg. Michael Knoche u. a. Göttingen 2006, S. 138. E. Langenbucher: BDB 252 (29.10.1935), S. 906. Das folgende Zitat ist ebd. Für die außenpolitische Bedeutung der Buchwochen war charakteristisch, dass ihre Leitthemen die zunächst großdeutschen, später europaweiten Expansionsziele des Dritten Reiches widerspiegelten. Die Erste Großdeutsche Buchwoche 1938 fand ihre »ganz besondere Bedeutung« laut Reichsminister Wilhelm Frick darin, dass »der Führer unsere Brüder in der Ostmark und im Sudetenlande ins Reich zurückgeführt« habe und »diese deutschen Menschen auch wieder deutsche Bücher lesen können« (BDB 245 (20.10.1938), Titelseite). In der ersten Kriegsbuchwoche 1940 fanden der Aktualität entsprechend Buchausstellungen zu den Themen »Soldatisches Volk«, »Deutscher Schicksalskampf«, »Reich und Reichsfeinde«, »Kampf im Osten« und »Auf dem Wege zum neuen Europa« statt. Indem die Buchwochen diese politische Interessen als kultisch-ästhetisches Arrangement präsentierten, leisteten sie zugleich auch einen klaren Beitrag zur Ästhetisierung der Politik (vgl. Norbert Hopster: Literatur und ›Leben‹ in der Ästhetik des Nationalsozialismus. In: Wirkendes Wort 1 (1993), S. 103). Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Ersten Großdeutschen Buchwoche am 30.10.1938 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 853). Vgl. [o.V.]: BDB 53 (3.3.1936), S. 201.

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Abb. 12: »Diese Wanderbüchereien sollen ständig in bestimmtem Wechsel unter den am einsamst gelegenen Barackenlagern der Autobahnen wandern und auf diese Weise Tausenden von fleißigen, schwer arbeitenden Volksgenossen den Feierabend mit Freude, Anregung und einem bescheidenen Glück füllen« (Erich Langenbucher, Pressereferent der Reichsschrifttumsstelle, in: BDB 265 (14.11.1935), S. 966).

Vol k [ ] öf f n e n«.33 Ferner wurde »j e d e r deutsche Volksgenosse« im Rahmen eines Wettbewerbs ermutigt, sich über die Themen »Warum bringt mich das Buch im Leben vorwärts?« und »Wie kam ich zum Buch?« zu besinnen.34 Wer bei der Abteilung Preisausschreiben eine schriftliche Antwort auf eine oder beide Fragen einreichte, konnte Geldpreise, Auslandsreisen, Deutschlandfahrten, Bücher und Ehrenplaketten des ›Führers‹ gewinnen. Mit Blumen und Bildern geschmückte Ausstellungen boten der Bevölkerung in 33 Städten des Deutschen Reiches einen »zusammenfassenden Einblick und Überblick der Jahresarbeit des deutschen Buchschaffens«.35 Ausstellungskataloge und Führungen sollten die ›Volksgenossen‹ bei der »eigenen Auslesearbeit« unterstützen. Den Millionen ausgeteilten Auswahlverzeichnissen wurde ein Gutschein beigelegt, der jene Kunden in die Buchhandlung locken sollte, die sich bis dahin noch nicht hineingetraut hatten.36 Ferner regte die Buchwoche jedes Jahr institutionelle Neugründungen und Erneuerungen wie die Modernisierung von Katalogen

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Riecke: BDB 17 (21.1.1936), S. 68f. [o.V.]: BDB 208 (7.9.1935), S. 733. [o.V.]: BDB 237 (10.10.1936), S. 878. Das folgende Zitat ist ebd. Baur: BDB 201 (29.8.1936), S. 742.

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und Lesesälen an.37 Werbeprogramme boten neuen Lesern während der Buchwoche gebührenfreie Anmeldung und eine lebenslange kostenlose Ausleihe an38 und sollten beweisen, dass Büchereien im Dritten Reich »keine Einrichtungen für literarische Feinschmecker« seien.39 Schließlich gingen Reichweite und Wirkkraft der Buchwochen weit über die Besucher der Veranstaltungen hinaus. Zum einen drang ihre Kunde durch den Einsatz aller verfügbaren Medien bis in die heimischen Wohnstuben durch: Während dieser Woche erfährt das deutsche Volk durch Presse, Funk und Film von der Bedeutung des Buches. Tausende, die bisher dem Buch ferner standen, sollen durch diese Woche wieder hingewiesen werden auf eines unserer wichtigsten Kulturgüter, durch diese Woche soll immer mehr der Boden bereitet werden für das Buch.40

Zum anderen wurden Bücher auch buchstäblich zu »jenen Volksgenossen« gebracht, »denen ein gutes Buch durch ihren Aufenthaltsort unerreichbar ist und die vielleicht dann zum ersten Male mit einem guten Buch in innere Berührung kommen«.41 Im Herbst 1935 beschloss die Reichsschrifttumsstelle aus Anlass der Woche des Deutschen Buches, »dreißig sorgsam zusammengestellte Wanderbüchereien zu schaffen und sie als Geschenk den Straßen Adolf Hitlers, den am Bau der Autobahnstraßen beteiligten Arbeitskameraden zu überreichen.«42 (Vgl. Abbildung 12.) Eine der bemerkenswertesten Werbeaktionen war die bereits erwähnte »Erziehung zum Heimbüchereigedanken«,43 die 1938 und 1940 unter dem Leitspruch »In jedes deutsche Haus eine Heimbücherei« proklamiert wurde (vgl. Abbildung 13). Das Motto glich der Werbung, die für den Volksempfänger betrieben wurde44 und legte jedem ›Volksgenossen‹ nahe, dass nicht nur das Radio, sondern ebenso gut eine »kleine Bücherei […] zu seiner Wohnung gehört«.45 Bücher, so wurde plädiert, sollten nicht länger nur »Freunde, Ratgeber und Helfer«,46 sondern dazu auch »Hausgenossen«47 sein und wie das Radio einen zentralen Platz im stark ideologisch besetzten Heim erwerben. »Das deutsche Buch und die deutsche Wohnung«, so hieß es, seien »zwei unzer-

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Bärwinkel: Der Deutsche und sein Buch, S. 132–134. Die Zahl der Neugründungen stieg von 500 in den Jahren 1933 bis 1936 auf über 1000 im Jahre 1937 und fast 3000 im Jahre 1938 an. Bärwinkel: Der Deutsche und sein Buch, S. 130. Schulz: BDB 262 (10.11.1938), S. 876. [o.V.]: ›Das Buch lebt im Volk‹. In: BDB 237 (10.10.1936), S. 877. Schulz: BDB 262 (10.11.1938), S. 876. Erich Langenbucher: Bücher für den Feierabend. Wanderbüchereien der Reichsschrifttumsstelle für die Reichsautobahnlager. In: BDB 265 (14.11.1935), S. 966. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 27.11.1935. [o.V.]: BDB 247 (22.10.1938), S. 824. Vgl. Aufruf der Reichsrundfunkkammer, es dürfe »kein deutsches Haus geben, in dem nicht ein Rundfunkgerät vorhanden« sei (vgl. Seite 37). [o.V.]: BDB 247 (22.10.1938), S. 824. Adolf Ziegler: Zwei Vorworte. In: Alfons Leitl: Wohnen mit Büchern. Bücherborde, Bücherschränke, Bücherwände. Berlin [1940], S. 5. Ziegler war Präsident der Reichskammer der bildenden Künste. Leitl: Wohnen mit Büchern, S. 7.

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Abb. 13

trennliche und besonders entscheidende Bestandteile unseres kulturellen Lebens«.48 In diesem Geist veranstalteten die Schrifttumsabteilung und die Reichskammer der bildenden Künste 1938 einen Ideenwettbewerb mit dem Ziel, »auch in der kleinsten Wohnung die Unterbringung einer Bücherei« zu ermöglichen.49 Das reichlich bebilderte Buch Wohnen mit Büchern. Bücherborde – Bücherschränke – Bücherwände bündelte die Ergebnisse des Wettbewerbs und wurde in der nächsten Buchwoche 1940 in großer Auflage kostenlos verteilt.50 Die potentiell subversive Bedeutung der Heimbücherei als Förderung des privaten, zurückgezogenen Lesens wurde im Dienste der ›Gemeinsamkeit‹ umgedeutet: »Und wenn sie [die Leser] dies [das Lesen] auch ganz für sich in der Stille ihres privaten Daseins tun, so ist gleichwohl ihre Gemeinschaft stark und wirksam.«51 Zugleich wurden am Beispiel der Heimbücherei mustergültig die Vorteile des Buchmediums für die Propaganda dargelegt.52 Nicht nur sei sie dem deutschen Leser ein Mittel zur »dauernden engen Verbindung […] mit den wesent-

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Ziegler: Zwei Vorworte. [o.V.]: BDB 247 (22.10.1938), S. 824. Im Herbst 1939 fiel die Buchwoche kriegsbedingt aus. Leitl: Wohnen mit Büchern, S. 8. Vgl. Kapitel 1.1.3. Vgl. Kapitel 1.1. für die besondere Bedeutung des Buchbesitzes und des Sauberkeitstopos im nationalsozialistischen Diskurs, die Stilisierung des Buches zum kulturellen Gradmesser, die dem Buch zuerkannte nachhaltige Wirkung und die günstigen Rezeptionsmöglichkeiten des Buches im Vergleich zu denen der anderen Medien.

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lichsten kulturellen Gütern seines Volkes« und damit auch »der Pegel, an dem man seine Kulturhöhe ablesen kann«;53 zugleich ermögliche sie es ihm, einmal vor die Reihen seiner Bücher im netten kleinen Schrank, im hübschen und praktisch im Zimmer angebrachten Regal [zu] treten, mit seiner Hand über die bunten Buchrücken [zu] streichen, wieder die geliebten Titel [zu] lesen, das eine oder andere heraus[zu]greifen und sich erneut darin [zu] vertiefen und sich verführen [zu] lassen in eine andere Welt, aus der ihm die Kräfte zuwachsen für die Erfüllung kommender Aufgaben.54

Neben den offiziellen Aktivitäten regten die Buchwochen eine große Anzahl von privaten Initiativen an. Ein Betrieb wie die Auto Union stellte jährlich aus Anlass der Buchwoche eine Aktion auf die Beine, um seine Arbeitnehmer zum Besuch der Buchhandlung zu motivieren.55 In den Kantinen wurden thematisch gegliederte Vorschlagslisten zur Woche des Deutschen Buches56 ausgelegt, die sich jeder auf Antrag auch selbst anschaffen konnte: »Sicher findest du dieses oder jenes Buch darin,« so hieß es, »das Du wohl selbst besitzen oder Deinem Mädel, Deiner Frau, Deinem Kinde zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenken möchtest.« Die Bücher der Liste wurden in den Kantinen als Einsichtsexemplare zur Verfügung gestellt: »Nimm sie nur ohne Scheu zur Hand; wenns [sic] mal einen Fleck oder Daumendruck gibt, das tut nichts«. Im Umfeld der Buchwoche wurde Fabrikarbeitern und Angestellten die Möglichkeit gegeben, in den lokalen Buchhandlungen Bücher zu reduziertem Preis zu erwerben: Lieber Arbeitskamerad! Erinnerst Du Dich noch, wie es in den vergangenen Jahren war? Da konntest Du bei Deinem Buchhändler ein, zwei oder auch mehr Bücher aussuchen. Wenn Du vier Mark und darüber bezahlt hattest, gaben wir Dir gegen Vorlegen der Quittung zwei Mark zurück, bei den Beträgen unter RM 4.- war es die Hälfte. […] So s ol l e s a u c h d ie s e m Ja h r s ei n ! […] E i n Bu c h i s t e i n g u t e r K a m e r a d f ü r v iele St u n d e n . E s w i l l a u ch D ei n K a m e r a d we r d e n !

Für den Betrieb Daimler-Benz lassen sich ähnliche Aktionen nachweisen. Ein Bild aus dem Archiv zeigt eine Buchausstellung für die Arbeiter in der Werkbücherei, bei der auf dem Tisch vor allem sachliches und politisches Schrifttum wie Goebbels’ gesammelte Reden Signale der Zeit, Hitlers Mein Kampf und die Titel Deutsche Ge-

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Adolf Spemann: Kein Platz für Bücher? In: BuV 5 (1938), S. 4. Zur Propagierung der Heimbücherei sei am Rande bemerkt, dass sie sich nicht ganz auf die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft beschränkte. Spemann veröffentlichte seinen Aufsatz zur Heimbücherei aus der Zeitschrift Buch und Volk von 1938 erneut im Jahr 1951 in der literarischen Monatsschrift Welt und Wort. Der einführende und der letzte Paragraph des Artikels wurden weggelassen. Der Rest des Textes ist eine wortwörtliche Kopie. Beide Artikel wurden mit denselben Zeichnungen illustriert. Hier zeigt sich eine jener Kontinuitätslinien, die die Metaphern des ›Kahlschlages‹ und der ›Stunde Null‹ relativieren (vgl. ders.: Wohnen mit Büchern. In: WuW 8 (1951), S. 301f.). [o. V.]: BuV 5 (1938), S. 6. Vgl. M. A. Heß: BDB 248 (24.10.1935), S. 889; Bruhn, von Oertzen, Werner: BDB 248 (24.10.1935), S. 889. Max Albert Heß war Geschäftsführer des Börsenvereins; Dr. Bruhn, von Oertzen und Werner bildeten den Vorstand der Auto Union AG. E. W. L.: BDB 241 (15.10.1938), S. 802. Die nachstehenden Zitate sind ebd.

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Abb. 14

schichte, Dokumente der deutschen Politik, Aufbau einer Nation und Die Spur der Juden im Wandel der Zeiten zu erkennen sind (vgl. Abbildung 14). Angesichts der Breite, Vielseitigkeit und strukturellen Verankerung der Initiativen der Woche des Deutschen Buches kann festgehalten werden, dass die Aktion keine potemkinsche Fassade war, die dem Dritten Reich eine Woche lang den Schein einer buchliebenden Nation verschaffen sollte, sondern ein inhärenter Teil der NS-Schrifttumspolitik genannt werden kann. Die Behauptung des Börsenblatts, die Buchwoche sei ein »Höhepunkt der sich über das ganze Jahr erstreckenden Arbeit der öffentlichen Buchwerbung, bei der es darum gehe, jeden einzelnen Volksgenossen für das deutsche Schrifttum zu gewinnen«,57 trifft daher durchaus zu. Im Folgenden werden einzelne Buchförderungsaktionen aufgeführt, die außerhalb der Buchwoche stattfanden und in Studien über die nationalsozialistische Buchpolitik selten, wenn überhaupt, Erwähnung finden. Da ihnen im Gegensatz zur Buchwoche die propagandistische Wirkung nach außen58 großenteils fehlt, illustrieren sie umso deutlicher die Absicht des Regimes, die deutsche Bevölkerung zum Buch zu führen.

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[o.V.]: BDB 245 (20.10.1936), S. 909. Dazu exemplarisch Hans Hagemeyers kultureller Aufwertungsversuch auf der Abschlusskundgebung der Ersten Großdeutschen Buchwoche auf Seite 159.

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2.2.2. »Winterhilfsspende des deutschen Schrifttums« Keiner darf in Deutschland wirtschaftlich zu arm sein, um ein Buch zu b e s i t z e n . Das Buch ist uns eine Notwendigkeit und nicht ein Luxus des Lebens. So war die Versorgung gerade auch der armen, geistig hungernden Volksgenossen mit guten Büchern eine folgerichtige Ergänzung der großen öffentlichen Buchwerbungen in Deutschland […].59

Im Herbst 1933 gründete die NSDAP das Winterhilfswerk des deutschen Volkes (WHW), das der Leitung des Propagandaministeriums unterstellt und von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, der zweitgrößten NS-Massenorganisation unter der Schirmherrschaft von Magda Goebbels, organisatorisch getragen wurde. Die bedeutendste Wohlfahrtseinrichtung der NSDAP sammelte alljährlich von Oktober bis März Geld und Sachspenden für den »Kampf gegen Hunger und Kälte«. Durch Sparbüchsen, Eintopfsonntage,60 den Verkauf von Abzeichen und kleinen Bilderheftchen, Kulturveranstaltungen, Straßen- und Haussammlungen sowie eine WHWLotterie wurden neben Kleidung, Nahrungsmitteln und Brennstoff hohe Geldsummen eingesammelt, die an »notleidende Volksgenossen« weitervermittelt wurden. Die Winterhilfe, die vom Nationalsozialismus als eigene Idee ausgegeben wurde, war in Wirklichkeit bereits im Winter 1931/1932 in der Weimarer Republik entstanden. Damals war sie Teil eines gesetzlich abgesicherten, auf dem Solidarprinzip basierenden Fürsorgesystems.61 1933 wurde sie in ein rassisch diskriminierendes Wohlfahrtspflegesystem integriert, das weniger der menschlichen Solidarität als der Mobilisierung einer reinrassigen, arbeits- und fortpflanzungsfähigen ›Volksgemeinschaft‹ diente. So wurden vom Winterhilfswerk nur ausgewählte Hilfsbedürftige bedacht, die bestimmten politischen, sozialen, rassischen und gesundheitlichen Kriterien genügten. Die Betreuung behinderter, alter und unheilbar kranker Menschen wurde den stark beschnittenen konfessionellen Organisationen überlassen. Die Diskriminierung wurde in der Öffentlichkeit ausgeblendet, so dass das Regime mit einer massenhaften Bereitschaft zu ehrenamtlicher Tätigkeit rechnen konnte und ihm tatsächlich die Inszenierung einer scheinbar solidarischen ›Volksgemeinschaft‹ in Aktion gelang. Der Ertrag des ersten Winterhilfswerks war viermal so hoch wie zu Zeiten der Weimarer Republik. Die scheinbar ›freiwillige‹ Spende entwickelte sich unter nationalsozialistischer Herrschaft rasch zur Zwangsabgabe und wies in dieser Hinsicht nur wenig Unter-

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Karl H. Bisschoff: Die Buchspende des deutschen Schrifttums. In: BDB 179 (4.8.1936), S. 681. Bischoff war Leiter des Referats Buchhändlerische Erziehungsfragen in der Reichsschrifttumskammer. Einmal im Monat wurde die deutsche Bevölkerung angehalten, anstatt der üblichen Mahlzeit ein karges Eintopfgericht zu essen und das so gesparte Geld dem Winterhilfswerk zu spenden. Regelmäßig wurden zugunsten der Hilfsorganisation auf öffentlichen Plätzen Gemeinschaftsessen veranstaltet, an denen bekannte Schauspieler, Politiker und Sportler teilnahmen. Vgl. Burleigh: Nationalsozialismus, S. 258–266.

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schied zu Steuern auf.62 Mit Bezug auf die zunehmende Verärgerung der deutschen Bevölkerung über die anhaltenden und sich steigernden ›Pflichtopfer‹ betonte Hitler am 5. Oktober 1937, dass sich die Erziehungsfunktion der Spendensammlung durch eine Besteuerung nicht erreichen ließe: Wenn der Einwand erhoben wird: »Warum lassen Sie nicht durch eine besondere Steuer diese notwendigen Summen einbringen?« – dann möchte ich Ihnen erklären, weshalb wir diesen Weg nicht gegangen sind. Gewiß würde er viel einfacher und für unzählige Menschen viel weniger beschwerlich sein, allein er würde gerade das vermissen lassen, was wir durch das Winterhilfswerk mit erreichen wollen, die Erziehung zur deutschen Volksgemeinschaft!63

Den Sammelaktionen wurde auf diese Weise eine staatsbildende Bedeutung zuerkannt. Spenden, so verkündete Karl Heinrich Bischoff als Leiter des Referats Buchhändlerische Erziehungsfragen der Reichsschrifttumskammer programmatisch, seien untrennbar mit der »neuen Formung deutschen staatlichen Lebens«64 verbunden: Für eine solche Gemeinschaft, die sich nicht lediglich in der gleichen Farbe des Tuches oder etwa einer bestimmten Art von Krawatte oder auch einer sprachlichen, gesellschaftlichen Eigenart bekunden kann und die in einer Zeit heftigster Bedrohung, nach größter politischer Zerrissenheit entstand, ja geradezu der Nachfolger der denkbar größten Zerrissenheit gemeinschaftlichen Lebens war, ist Opfersinn nicht allein Prüfstein ihrer Kraft, sondern

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So wurde eine ›freiwillige‹ Spende vom Gehalt der arbeitenden Bevölkerung abgezogen. Victor Klemperer schrieb am 23. Oktober 1933 in seinem Buch Lingua Tertii Imperii: »Mir ist vom Gehalt eine ›Freie Winterhilfe‹ abgezogen worden; niemand hat mich deswegen vorher gefragt. Es soll sich um eine neue Steuer handeln, von der man sich ebenso wenig ausschließen darf wie von irgendeiner anderen Steuer; die Freiwilligkeit bestehe nur darin, daß man über den festgesetzten Betrag hinaus zahlen dürfe, und auch hinter dieses Dürfen stelle sich für viele schon ein kaum verhüllter Zwang. […] Hilfe statt Steuer: das gehört zur Volksgemeinschaft.« (zitiert nach: ders.: Lingua Tertii Imperii. Leipzig 1998, S. 50). Dass sich der Spendenzwang auch auf andere Sammelaktionen erstreckte, zeigt eine Meldung in der Westfälischen Zeitung im Februar 1934, der zufolge »Volksgenossen, die trotz mehrfacher Aufforderung ihre Spende zur Winterhilfe auch diesmal wieder nicht abführten, von jetzt ab öffentlich in der Presse an ihre Pflicht erinnert und unter voller Namensnennung zur Spendenabführung aufgefordert würden« (zitiert nach: Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin, New York 2000, S. 696). Ein exemplarisches Beispiel dieses Zwangs findet sich in einem Brief der Reichsfilmkammer vom 22. November 1937 an den Kameramann Ewald Daub: »Leider habe ich feststellen müssen«, so fängt das Schreiben an, »dass Sie meine Aufforderung zur Mithilfe am Winterhilfswerk des Deutschen Volkes bisher unbeantwortet gelassen haben und bitte Sie daher noch einmal, sich nicht von dem grossen sozialen Werk des Führers auszuschliessen. Wenn sie jedoch die Absicht haben, sich in einer anderen Form an diesem Hilfswerk zu beteiligen, bitte ich um entsprechende Mitteilung und erwarte umgehend Rückgabe des nicht ausgefüllten Spendenverpflichtungsscheines, damit ich diesen dem Reichsbeauftragten für das WHW wieder zusenden kann.« Das Schreiben sei erst als erledigt zu betrachten, wenn der ausgefüllte Spendenschein zurückgesandt worden sei (BArch RK/J20/462). Zum ›Pflichtopfer‹ vgl. ebenfalls: Burleigh: Nationalsozialismus, S. 266–268. Zitiert nach: Burleigh: Nationalsozialismus, S. 262. Zitiert nach: Bischoff: BDB 179 (4.8.1936), S. 681. Das folgende Zitat ist ebd.

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er ist der lebendigste Ausdruck der Betätigung dieser Gemeinschaft, ihrer Verwirklichung und damit ihres Daseins überhaupt.

Ironischerweise wurden die in ganz Deutschland durchgeführten Spendensammlungen damit nicht nur als Akt des nationalen Patriotismus gedeutet, sondern in einer ungewollten Offenheit auch als Ausgleich für die fehlende nationale ›Eigenart‹ dargestellt. Eine Aktivität des Winterhilfswerks, die in Lexika zum Nationalsozialismus unter dem einschlägigen Stichwort überraschenderweise unerwähnt bleibt,65 ist die Winterhilfsspende des deutschen Schrifttums. Die Buchspende sollte »neben den Millionenbeträgen an Geldspenden und Sachwerten für das leibliche Wohl […] den hungernden und frierenden Volksgenossen die erforderliche seelische Hilfe«66 bringen. Sie zeigt eine Bedeutung des Buches für das Dritte Reich, die in vorigen Kapiteln bereits im Zusammenhang mit dem Krieg zutage trat, nämlich die Vorstellung des Buchs als Gegenstand, der sich im Gegensatz zu anderen Medien und Kulturäußerungen als Objekt des Opfersinns instrumentalisieren ließ. Gleichzeitig wurde das Buch durch die Spendenaktion in die Reihe der Grundbedürfnisse des deutschen Volkes aufgenommen und buchstäblich vom ›Luxusgegenstand‹ der privilegierten Kreise in das ›tägliche Brot‹ der gesamten deutschen Bevölkerung transformiert (vgl. Abbildung 15): D a s sol l du r ch d ie s e S p e n d e b e k u n d e t we r d e n , d a ss d a s Bu ch z u u n s e r e m t ä g l i c h e n Br o t g e h ö r t , d a ß d ie, wel c h e i n No t s i n d , e s b e s o n d e r s n ö t ig g e b r a u c h e n , d a ß i h n e n , d e n e n d a s g r o ß a r t ig e W i n t e r h i l fs we r k d e s d e u ts ch e n Vol ke s u n d d i e A r b eit v i ele r n i m m e r m ü d e r H ä n d e d a s t ä g l i c h e Br o t ve r s ch a f fe n , d ie s e g r o ß e A k t io n d ie s e el i s c h e H i l fe b r i nge n sol l. 67

Abb. 15

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Vgl. Kammer / Bartsch: Lexikon Nationalsozialismus; Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus; Friedemann Bedürftig: Lexikon III. Reich. Hamburg 1994. Heß: BDB 5 (7.1.1936), S. 17. Bischoff: BDB 3 (4.1.1936), S. 9.

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Die Verklärung des Buches zur unentbehrlichen Existenzgrundlage des deutschen Volkes wurde im Börsenblatt durch Verweise auf Aussagen bekannter Persönlichkeiten unterstützt, die den weiten Bogen von Friedrich dem Großen über Friedrich Schiller bis zu Adolf Hitler spannten. »Bücher sind kein geringer Teil des Glücks. Die Literatur wird meine letzte Leidenschaft sein«, zitierte man Friedrich den Großen.68 Der »Kriegsheld« habe »das Glück erkannt, das in Büchern ruht, mit denen einer, der hart im Dienste steht Tag für Tag, sich in die Stille zurückziehen darf«. Auch Schiller, »dessen ganzes Leben ein bitterer Kampf gegen Hunger und Krankheit« gewesen sei, habe »Trost in dem erhebenden Bewusstsein« gefunden, »daß diese feindlichen Mächte nur sein körperliches Dasein erschüttern und vernichten können, daß aber das Reich des Geistes ewig bleibt.«69 Ganz ähnlich sei 1923 Hitler im Gefängnis zu der Einsicht gekommen, dass es ihm »wohl möglich gewesen sei, leiblichen Hunger zu ertragen, […] er aber nie den geistigen ertragen habe«. Die Buchspende des Winterhilfswerks begann am 29. November 1935, als Hanns Johst »alle Mitglieder der Reichsschrifttumskammer, Dichter, Schriftsteller, Verleger, und Sortimenter, den Jungbuchhandel und die Buchvertreter« aufrief, »unseren notleidenden Volksgenossen Bücher [zu] spenden«.70 Mehrmals wurde betont, von den Spendern würden »keine langweiligen veralteten Schmöker«, sondern »gute Bücher« verlangt: »Unterhaltende Bücher neben belehrenden, Bildwerke und Gebrauchsschriften für Haus, Hof und Beruf […] ebenso […] wie die Schriften über die Bewegung, die Kampfzeit und das neue Reich«.71 Abgeschlossen wurde die Sammlung am 5. Januar 1936 mit einer feierlichen Veranstaltung in Berlin, bei der ein Teil der gesammelten Bücher an über 4000 ›Volksgenossen‹ der Reichshauptstadt verteilt wurde. Nach einer Feier mit Musikkapelle, programmatischen Reden vom Vizepräsidenten und dem Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer sowie dem gemeinsam gesungenen Deutschland- und Horst-Wessel-Lied konnte sich jeder Gast an Bücherständen, die von Buchhändlern und Bibliothekaren besetzt waren, mit einem Gutschein ein Buch auswählen. Insgesamt wurden mit der Spende rund 100.000 ›Volksgenossen‹ mit Büchern versehen, in armen Gegenden Dorfbüchereien gegründet und in Wärmehallen Bücher bereitgestellt, die dort vor Ort gelesen werden konnten. Das in jedem der Bücher eingeklebte Exlibris des Winterhilfswerks mit der Formel »Buch und Brot« musste die Erinnerung der Bescherten wach halten, »daß einst ein ganzes Volk an ihre Not gedacht hat, daß sie, wenn sie auch glaubten, allein zu sein, mittendrin standen in einem Volk.«72 (Vgl. Abbildung 16.)

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Busse: BDB 61 (13.3.1934), S. 227. Das folgende Zitat ist ebd. Der Verweis auf Friedrich den Großen findet sich ebenfalls in der Broschüre Mit dem Buch ins Volk [1940], S. 17. Hagen: BDB 53 (3.3.1934), S. 197. Johst: BDB 292 (17.12.1935), S. 1077. Johst war Präsident der Reichsschrifttumskammer. Heß: BDB 5 (7.1.1936), S. 17 (vgl. u. a. Hermann-Lion Sippel: Winterhilfsspende des deutschen Schrifttums. Aufruf der Fachschaft Handel im Bund Reichsdeutscher Buchhändler. In: BDB 5 (7.1.1936), S. 17f.). L-er: BDB 5 (7.1.1936), S. 19.

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Abb. 16: »In der Bestellanstalt für den Berliner Buchhandel türmen sich die gespendeten Bücher und Werke zu kleinen Bergen. Prof. Dr. Suchenwirth, Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer (zweiter von oben links), nahm Gelegenheit, die eingegangenen Buchspenden zu besichtigen.«

Die »geistige Tat«73 des Winterhilfswerks, die als Teil des propagierten ›Sozialismus der Tat‹ präsentiert wurde, beließ es nicht bei Spenden. 1941 wurde eine Serie von zehn Miniaturheftchen mit ›alten deutschen Volksmärchen‹ der Brüder Grimm herausgegeben, von denen innerhalb von zwei Tagen 53 Millionen Exemplare verkauft wurden.74 Daneben wurde auf Weisung von Goebbels jährlich ein Sammelband unter dem Titel Ewiges Deutschland. Ein deutsches Hausbuch herausgebracht. Das Ziel 73

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Hagen: BDB 53 (3.3.1934), S. 197. Das deutsche Volk bleibe nicht nur »vor dem körperlichem Untergang bewahrt«, sondern auch »in seiner seelischen Einheit uns erhalten […] durch die geistige Tat.« Vgl. Wolfgang Gatzka: WHV-Abzeichen. Ein Führer durch das interessante Sammelgebiet der Serien des Winter-Hilfs-Werks von 1933 bis 1945. München 1981, S. 108.

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dieser Reihe, die von 1938 bis 1943 erschien, bestand darin, den »Hunger des Geistes und der Seele«75 der deutschen Bevölkerung durch eine Sammlung dessen zu stillen, was aus dem großen Schatz deutscher Dichtung immer wieder gehoben werden muß, damit es in uns lebt und wirkt und noch weiterwirken und befruchten soll; zu Ruhm und Preis unserer Ahnen, zur Ehre unserer Zeit und zum verpflichtenden Vorbild für unsere Nachkommen.

Das erste Exemplar wurde in einer Auflage von 2 Millionen an die vom Winterhilfswerk betreuten ›Volksgenossen‹ zum Weihnachtsfest verteilt und war ebenfalls im Buchhandel erhältlich. Es war ein 350 Seiten starker, mit Zeichnungen und Holzschnitten versehener Sammelband mit ausgewählten Buchfragmenten, Erzählungen, Liedern, Gedichten, Märchen, Briefen, Ansprachen und Zitaten, die vom Mittelalter bis zur Gegenwart und von den Brüdern Grimm bis Adolf Hitler reichten. Mittelhochdeutsche Gedichte standen neben Gerhard Schumanns Gelöbnis an den Führer, Friedrich Hölderlins Gesang der Deutschen neben Heinrich Lerschs Arbeiterlied und Rainer Maria Rilkes Manchmal geschieht es in tiefer Nacht neben Paul Habraschkas Deutsche Flieger. Die Bände waren, der ihnen zugedachten Funktion als ›Hausbuch‹ entsprechend, in zwölf Kapitel, eines für jeden Monat des Jahres, unterteilt. Ihre Gattungsbezeichnung und Struktur brachten die Hoffnung zum Ausdruck, sie möchten eine zentrale Stelle in jedem deutschen Haushalt einnehmen und ihre Besitzer – der Familienbibel ähnlich – das ganze Jahr hindurch geistig begleiten.76 Durch Goebbels’ Vorwort wurde die Bedeutung der Sammlung jährlich an die politische Aktualität angepasst. Im ersten Kriegsherbst 1939 interpretierte der Propagandaminister den Titel des Buches als »Mahnung und Verheißung zugleich in der Schwere der Tage, die wir jetzt zu durchschreiten haben«. Der Band von 1941, als die Nation noch auf einen bis dato siegreichen Kriegsverlauf zurückblicken konnte, zeuge »von der Ehre und Freiheit unseres Vaterlandes«. 1943, als sich Deutschland immer mehr von einer siegessicheren Nation in eine Ruinenlandschaft verwandelte, hob Goebbels die Wichtigkeit des ›guten‹ Buches als »innerer Kraftquell und Ansporn zur Tat« hervor. Im selben Jahr wurde die Publikation vom Westermann Verlag auf den Zentralverlag der NSDAP und das Oberkommando der Wehrmacht verlegt. Der Haupttitel Ewiges Deutschland wurde überraschenderweise weggelassen, der Untertitel Ein deutsches Hausbuch dafür zwingender zu Das deutsche Hausbuch gemacht. Dass die Bände von offizieller Seite stark unterstützt wurden, zeigen u. a. die Werbung in der Nationalsozialistischen Bibliographie und mehrere Empfehlungen in den SS-Befehlsblättern. Die Bedeutung, die dem Buch zugedacht wurde, lässt sich nicht zuletzt an der Tatsache ablesen, dass gerade die letzte Ausgabe 1943 – als der Rohstoffmangel immer erheblicher und die Einschränkung des Buchbetriebs auf die ›kriegswichtige‹ Produktion immer zwingender wurde – zum ersten Mal mit Farbbildern versehen wurde.

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von Arndt: BK 1938, S. 622. Das folgende Zitat ist ebd. »Das Hausbuch für die deutsche Familie ›Ewiges Deutschland‹ verdiente, daß es in jedes Haus käme« (ebd., S. 623).

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2.2.3. »Was soll ich lesen?« Denn der Arbeiter ist kein kulturverachtender Prolet, sondern Mitträger einer neuen Volkskultur.77

Eine der Prioritäten des Regimes bei seinen Anstrengungen, Buch und Volk zusammenzubringen, bestand darin, die »Kluft zwischen dem guten Buch und dem deutschen Arbeiter« zu schließen.78 Diese Kluft wurde allgemein als ein »Erbe des Klassenstaates« betrachtet und »vielleicht das größte Hindernis« genannt, »das vielen schaffenden Menschen den Weg zum guten Buch versperrt«. Besonders beim Arbeiter lebe immer noch eine »Scheu vor den sogenannten guten Büchern und den berühmten Dichtern« und »mancher von ihnen betrachte[ ] es immer noch als ein Vorrecht der ›Gebildeten‹, in den heiligen Bezirken der hohen Kunst heimisch zu sein.« Dementsprechend wurde gerügt, dass das Gros der Buchhändler nicht auf den Umgang mit dem Arbeiter eingestellt sei, der, wenn überhaupt, mit einem »dumpfen, in keiner Weise näher bestimmten Wunsch, zu lesen« in den Buchhandel komme und nicht »mit einem sprachlichen Vermögen, das eine bequeme Verständigung zwischen ihm und dem Buchvermittler ermöglicht«.79 Ganz im Gegenteil sei der Buchhändlerstand auf eine »ganz bestimmte[ ] Käuferschicht« eingestellt, die »durch die Schlagworte ›Bildung und Besitz‹ charakterisiert werden kann«. Zum einen wurde versucht, die Kluft zwischen dem Arbeiter und dem ›guten‹ Buch in den Köpfen der beteiligten Buchvermittler zu schließen. In Fach- und Literaturzeitschriften wurde der Gedanke verbreitet, dass der Unterschied zwischen guter und schlechter Lektüre sich keineswegs mit dem Unterschied zwischen den gebildeten und den ungebildeten Kreisen decke. Der anekdotische Bericht Ein Arbeiter und Goethe, der 1934 im Börsenblatt publiziert wurde, war in dieser Hinsicht exemplarisch. Die Anekdote erzählt vom Besuch eines ›Gebildeten‹ bei einem befreundeten Arbeiter. Als es keine Zigaretten mehr gibt, verlässt der Besucher das Haus, um neue zu holen. Das Buch, das er zufällig mitgebracht hatte, ein Sammelband mit Liebesgeschichten von klassischen deutschen Erzählern, lässt er bei seinem Freund liegen. Als er zurückkommt, hat sich der Arbeiter in die Novelle Der ehrliche Prokurator von Goethe vertieft. Er ist von der Lektüre ganz entzückt (»Donnerwetter! Du, das mußt du mir unbedingt leihen, das mu ß ich lesen!«) und bedauert, »daß ›unsereins‹ so etwas nur mal durch Zufall […] zu Gesicht bekäme.«80 Augenscheinlich authentische Erlebnisse wie dieses sollten den Gedanken verstärken, dass, in den Worten des Leiters des Amts Schrifttumspflege, d e r A r b eit e r w ie d e r A ng e s t el lt e g le i c h e r m a ß e n e i n g u t e s Bu c h m it B e gei s t e r u ng l ie s t , b z w. z u m S c h m ö ke r g r ei f t , u n d d a s s e s i n n e r h a lb d e r Vol k sge m e i n s ch a f t fa l s ch ge s e h e n wä r e, au s d e r Zu g eh ö r ig keit z u ei n e m

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Willi Lorch: Vorwort. In: Was soll ich lesen. Bd. 3. Stuttgart 1938. Lorch: BK 1939, S. 107. Die folgenden Zitate sind ebd. Hofmann: BK 1937, S. 700. Das folgende Zitat ist ebd. Heise: BDB 204 (1.9.1934), S. 768.

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b e s t i m m t e n A r b eit s pl a t z […] n u n z wa ng s l ä u f ig a u c h d ie D i f fe r e n z ie r t h e it b ei d e r Au swa h l d e s Sch r i f t t u m s i n Bez ug au f g ut e o d e r s ch le cht e L e k t ü r e a n z u n e h m e n . D e r S chu n d i n d e r L it e r a t u r h a t g e n a u so s ei n e L e s e r i n d e n bü rge rl ich e n K r ei s e n w ie i n d e n A r b eit e r k r ei s e n . Das gute Buch […] wird genau so von Arbeitern wie von Akademikern gelesen.81

Ein weiteres Beispiel dieser Propaganda verschafft die Werbebroschüre Mit dem Buch ins Volk, die 1940 vom Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum verteilt wurde. Unter dem Titel Dichter sprechen zu uns plädiert die Broschüre u. a. für Dichterlesungen »in den Räumen der Fabriken mitten unter der Arbeiterschaft«: Es klingt fast unglaublich, und doch ist es wahr. Diese Menschen, die Jahr für Jahr täglich an der Maschine, an der Werkbank, am Arbeitstisch stehen, sind in besonderem Maße den Worten der Dichter aufgeschlossen. In ihren Gesichtern liegt etwas von einem seligen Abglanz, ihre nervigen und schwieligen Hände ruhen und zucken doch, wenn das dichterische Erlebnis mit seiner Gewalt auf sie einwirkt. Neben der Musik ist es in besonderem Grade die Dichtkunst, die ihr Gemüt bereichert, und darum sollte man es nicht verabsäumen, immer wieder zu ihnen zu gehen und ihnen, wenn die Maschinen schweigen, von den tiefsten und höchsten, letzten und beglückendsten Dingen zu erzählen, die im Leben des Menschen einen hohen Wert haben.82

Der Berufsstand der Buchhändler sollte nicht nur einsehen, dass sich sein ›Markt‹ geändert habe, ihm wurden ebenfalls praktische Hinweise darauf erteilt, wie er die Hemmungen des Arbeiters, eine Buchhandlung zu betreten, beseitigen könne – z. B. dadurch, sein Schaufenster auf ›Anfänger‹ abzustimmen, die Arbeiter selber aufzusuchen und ihnen »Kamerad und Berater« zu sein.83 Wurde zum einen eine Mentalitätsveränderung beim Buchhändler bezweckt, so gab man sich zum anderen Mühe, dem Arbeiter selbst den Zugang zum Buch zu erleichtern. Verschiedene Initiativen zielten darauf ab, das Buch am Arbeitsplatz stärker zu verankern.84 Die Werkbücherei, die aus der Zeit des Kaiserreiches stammte,85 wurde unter dem Leitspruch »Jedem Betrieb seine eigene Werkbücherei« gefördert und neu definiert. 1934 wurde eine Reichsarbeitsgemeinschaft Deutscher Werkbüchereien gegründet,86 zu deren Präsident der Leiter der Bücherei der Siemens-Werke ernannt wurde. Die Arbeitsgemeinschaft sollte »für die Verbreitung guten deutschen Schrifttums in der Betriebsgefolgschaft Sorge« tragen und so am »kulturellen Auf-

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Hagemeyer: BK 1938, S. 120f. [o.V.]: Dichter sprechen zu uns. In: Mit dem Buch ins Volk. Hg. vom Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum [1940], S. 6. U.a. E. Langenbucher: BDB 99 (30.4.1934), S. 399f.; Nielson: BDB 68 (22.3.1938), S. 236f. Vgl. u. a. die Ausführungen zu den Aktivitäten einzelner Betriebe, die z. B. in Kantinen Bücherlisten und Ansichtsexemplare ausstellten, in Kapitel 2.2.1. Zu den sozialdemokratischen Arbeiterbüchereien vgl. Langewiesche: ›Volksbildung‹; Boese: Das öffentliche Bibliothekwesen (1987); Peter Hansen: Die Berliner Metallarbeiter-Bibliothek (1890 bis 1914). In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 24 (1983), S. 289–352; Dieter Langewiesche / Klaus Schönhoven: Arbeiterbibliotheken und Arbeiterlektüre im Wilhelminischen Deutschland. In: Archiv für Sozialgeschichte 16 (1976), S. 135–204. Diese Gemeinschaft wurde auch Arbeitsgemeinschaft der Betreuer der deutschen Werkbüchereien genannt.

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bau der deutschen Nation im Sinne des Führers« mitwirken.87 Ausdrücke wie »im Sinne des Führers« und »das gute deutsche Schrifttum« verweisen auf die mit der Förderung immer einhergehende Praxis der Repression, die in der gesamten Satzung der Arbeitsgemeinschaft unmissverständlich eingeschrieben ist, jedoch nur im ersten Satz negativ formuliert wird: Bereinigung der vorhandenen Werkbüchereien von volksfeindlichem und unerwünschtem Schriftgut. Erhaltung und Ausbau der vorhandenen Büchereien im Geiste des Dritten Reiches. Anregung zu Neugründungen von Werkbüchereien nach grundsätzlichen, von der Reichsschrifttumskammer bzw. dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gebilligten Richtlinien. Fachliche Schulung der Betreuer der Werkbüchereien und deren systematische Unterrichtung über die wesentlichen Neuerscheinungen des deutschen Schrifttums in Verbindung mit den vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda für diese Zwecke eingesetzten bzw. anerkannten Organen. Austausch von Erfahrungen unter den Betreuern deutscher Werkbüchereien und Pflege des neuen deutschen Schrifttums bei gemeinsamen Zusammenkünften in örtlichen Arbeitsgemeinschaften. Enge Zusammenarbeit mit führenden Schriftsteller- und Vortrags-Organisationen zum Zwecke der Veranstaltung von Vorträgen deutscher Schriftsteller vor der Betriebsgefolgschaft, um diese nicht nur mit den literarischen Werken, sondern auch mit deren Verfassern in lebendige Fühlung zu bringen.

Darf man, wie Barbian, der Bilanz des Börsenblatts Glauben schenken, stieg die Zahl der Werkbüchereien im Dritten Reich 1937 dank der Anstrengungen des Staates auf 5000, die Bestände auf 3 Millionen, die Werkbüchereileser auf 8 Millionen und die Ausleihen auf 20 Millionen an.88 In der größten Werkbücherei der Siemens-Werke habe sich laut Goebbels die Anzahl der Werkbüchereileser zwischen 1932 und 1937 mehr als verdoppelt.89 Im Siemens-Archiv ist tatsächlich das Bild eines Werkschau87 88

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Satzung der Reichsarbeitsgemeinschaft deutscher Werkbüchereien (zitiert nach: [o.V.]: BDB 46 (23.2.1935), S. 146). Das folgende Zitat ist ebd. [eigene Hervorhebungen]. Leider fehlen bis heute Studien, die es erlauben, diese Zahlen auf ihre Richtigkeit zu prüfen und im Vergleich zu der Zeit vor 1933 zu situieren, was höchstwahrscheinlich mit der schwierigen Quellenlage zusammenhängt. In Barbians Standardwerk zur Literaturpolitik im Dritten Reich werden diese Zahlen aus dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel uneingeschränkt übernommen (vgl. S. 821; [o.V.]: BDB 80 (5.4.1938), S. 280). Langewiesche behauptet dagegen, die Zahl von 5000 Büchereien sei zu nuancieren, weil sie »aus einem statistischen Trick« entstanden sei, »der die Volksbüchereien vermehrte, weil mit Normzahlen für Büchereitypen gerechnet wurde: eine bestimmte Zahl von Büchern galt nun als eine Bücherei, so daß eine Bücherei alten Typs zu etlichen Büchereien nationalsozialistischer Art werden konnte« (vgl. ›Volksbildung‹). Dabei ist undeutlich, ob Langewiesche tatsächlich die ›Volksbücherei‹ oder vielmehr die ›Werkbücherei‹ meint. Goebbels sprach am 30. Oktober 1938 von »etwa 4 000 Werkbüchereien, davon 500 bis 600 größere und auch für erhöhte Ansprüche in Betracht kommende« (zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 853). Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Ersten Großdeutschen Buchwoche am 30.10.1938 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 853). Im Siemens-Archiv sind leider keine Dokumente überliefert, die eine Überprüfung dieser Zahlen erlauben.

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Abb. 17

kastens tradiert, in dem mit der Zunahme der Bände, Ausgabeziffern und Benutzer geworben wird. Der Bestand der Werkbücherei des Betriebes stieg laut den Angaben innerhalb von zwei Jahren von 26.997 Bänden auf 39.005 Bände an (vgl. Abbildung 17). Solche Zahlen wurden vom Propagandaministerium als Beweis für die »ständig wachsende Anteilnahme des deutschen Arbeiters am guten Buch« und den »rapiden Aufschwung der deutschen We r kbüch e r eie n« benutzt. Gleichzeitig ging der Ausbau der Werkbüchereien eindeutig auf Kosten der Pluralität der Lektüreempfehlungen und -möglichkeiten. U.a. die marxistische Literatur, die in den Werkbüchereien traditionell stark vertreten war, wurde zugunsten des NSSchrifttums restlos beseitigt. Ferner wurde von der Reichsarbeitgemeinschaft zwar theoretisch eine Abstimmung des Büchereibestandes auf die heterogene Belegschaft verlangt und daher »neben dem weisen Buch […] das launige, neben dem tiefen das leichte, neben dem gelehrten das erlebte, neben dem fachlichen das herzstärkende, neben dem erziehenden das weltfrohe Buch«.90 Im Kriegsjahr 1942 legt ein Bericht 90

Kindt: BDB 289–299 (24.12.1938), S. 994.

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des Sicherheitsdienstes jedoch nahe, dass dieses Vorhaben in einem Teil der Werkbüchereien gescheitert war. Ihr Erfolg bleibe u. a. deshalb hinter den Erwartungen zurück, weil die »Ansammlung politisch und weltanschaulich einwandfreier Literatur« nur wenig Zugkraft auf die Angehörigen der Betriebe ausübte.91 Barbian zufolge gelang es der Diktatur dennoch, den Slogan »Jedem Betrieb seine eigene Werkbücherei« sukzessive durchzusetzen und die Bestände und Buchausleihen der Werkbüchereien in einem beträchtlichen Umfang zu erweitern.92 In diesem Sinne konnte der Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer 1935 zu Recht behaupten, der Nationalsozialismus habe die »Schranken niedergelegt […], die das schaffende Volk, die den Arbeiter vom Buch trennten«.93 Neben den Werkbüchereien wurden vom Rosenbergamt als ganz besonderes Vorbild für die Zusammenführung von Buch und Arbeiter die Anstrengungen der über ganz Deutschland verstreuten Vereinigten Glanzstoff-Fabriken (kurz Glanzstoff) angeführt. In diesen Fabriken wurde 1935/36 ein Wettbewerb organisiert mit dem Zweck, einen »guten Gesamteindruck der heutigen Einstellung des Arbeiters zum Buch überhaupt zu erhalten«.94 Die Arbeiter wurden gebeten, sich zu der Frage zu äußern, welches Buch sie mit Gewinn gelesen hätten und mit welchen Worten sie es ihren Arbeitskameraden weiterempfehlen würden. Laut der Bücherkunde habe dieser Wettbewerb das Bild einer planlosen und hilflosen Lektüre gegeben: »Jeder schmökerte eben so an allem herum, weil er ja im voraus nicht wissen konnte, was an guten, was an mittelmäßigen und was an schlechten Büchern alles herumstand.« Aufgrund dieser Feststellung sei beschlossen worden, den Arbeitern eine »gewisse Führung und Anleitung« zu verschaffen und die Werkzeitschrift Wir vom Glanzstoff mit »Dichterseiten« zu versehen, in denen auf empfehlenswerte Autoren und Bücher hingewiesen wurde. Diese Bücher wurden zum Grundstock der Werkbüchereien gemacht und die Belegschaft angeregt, sich in den neu eingerichteten Lesegemeinschaften über ihre Lektüreerfahrungen auszutauschen. Damit die Initiative auch andere Werktätige erreiche, erschien beim Willi Siegle Verlag in Stuttgart zwischen 1938 und 1942 die Serie Was soll ich lesen. Basierend auf den »Dichterseiten« der Werkzeitschrift Wir vom Glanzstoff, übernahm sie das Konzept, eine »lebendige Verbindung zwischen dem Dichter und dem Volk« herzustellen.95 Die Werksgemeinschaft, so lautete der für den Nationalsozialismus typische Pars-pro-toto-Gedanke, ist nur eine Zelle der Volksgemeinschaft. So wollen wir das, was wir in der Zelle gemeinsam erarbeitet haben, dem Ganzen zuführen. Das Büchlein ist gedacht als Handbuch für jeden, der nach guten, neueren Büchern sucht.

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Geheimes Lagebericht des Sicherheitsdienstes vom 16.3.1942 (zitiert nach: Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS 1938–1943. Bde. 1–14. Herrsching 1984, S. 3475). Barbian: Literaturpolitik, S. 824. Heinz Wismann (zitiert nach: BDB 46 (23.2.1935), S. 146). Lorch: BK 1939, S. 108. Die folgenden Zitate sind ebd. Lorch: BK 1938, S. 7. Das folgende Zitat ist ebd.

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Die Büchlein enthielten eine kurze Einführung über die ausgewählten Autoren, eine Besprechung der ausgewählten Romane und einen Brief, in der sich jeder der Autoren direkt an die Arbeiterschaft wandte. Der Schwerpunkt lag auf Buchbesprechungen aus der Feder ›einfacher‹ Leute wie Kontoristinnen, Fabrikpförtner, Kaufleute, Schiffszimmermänner, Fabrikarbeiter, Hausfrauen, Stenotypistinnen, Lageristen und Sekretärinnen, die gebeten worden waren, sich zu bestimmten Büchern zu äußern. »Am Anfang«, so der Herausgeber der Bändchen in einem Erfahrungsbericht, »war von fünf Buchbesprechungen höchstens eine zu gebrauchen. Immer und immer wieder mußten wir darauf hinweisen, daß wir keine Inhaltswiedergaben wollten«.96 Allmählich sei es den Leuten gelungen, ihre persönlichen Leseeindrücke in Worte zu fassen. Jedes Büchlein gab nicht zuletzt Hinweise zur Gestaltung von Dichterabenden und hob hervor, welche Textstellen aus den besprochenen Büchern sich als Leseproben für solche Abende besonders gut eigneten. Die Auswahl der Autoren wurde vom Herausgeber durch die Parameter »Gesinnung« und »Gabe« (im Sinne von Begabung) motiviert.97 Die Autoren mussten sowohl »gläubige[ ] Mitkämpfer unserer Zeit« sein als auch »höchstwertige Bücher« geschrieben haben, die für einfache Leute nicht zu schwer seien. Ein Blick auf die Inhaltsverzeichnisse der Bändchen zeigt eine disparate Gruppe von lebenden und verstorbenen Autoren, die sich weder politisch noch ästhetisch unter einen Nenner bringen lassen. Die Vertreter der ›jungen Mannschaft‹ sind auffällig abwesend.98 Überraschend ist ferner die Aufnahme von Hans Carossa, der als dem Regime distanziert gegenüberstehender Autor und repräsentativer Autor des deutschen Bildungsbürgertums wohl kaum als »gläubiger Mitkämpfer unserer Zeit« bezeichnet werden konnte.99 Das Gros der Autoren war völkisch-nationaler Gesinnung.100 Besprochen wurden sowohl dezidierte Anhänger des Dritten Reichs wie etwa Erwin Guido Kolbenheyer und Edwin Erich Dwinger als auch Autoren wie Karl Benno von Mechow und Hans Grimm, denen eine gewisse Distanz zum Regime nachgesagt werden kann.101

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Lorch: BK 1939, S. 113. Ebd., S. 109. Das folgende Zitat ist ebd. Zu diesen jüngeren Parteidichtern gehören Herbert Böhme, Gerhard Schumann, Heinrich Anacker, Herybert Menzel, Eberhard W. Möller und H.-J. Nierentz. Vgl. u.a. Christine Greiner: Zwischen den Zeilen: Hans Carossas Schaffen während des Dritten Reiches. Diss. Passau 1999; Hans Sarkowicz / Alf Mentzer: Literatur in NaziDeutschland. Ein biografisches Lexikon. Hamburg, Wien 2002, S. 131–135. Klaus Vondung definiert ›völkisch-national‹ als Bezeichnung für eine heterogene Gruppe von Autoren, denen »ideologische Gemeinsamkeiten mit dem Nationalsozialismus unterstellt« werden, »wobei jedoch die jeweilige geistige und literarische Biographie, die Ausprägung der vorherrschenden Ideologeme, sowie die Stärke der politischen Identifizierung mit dem Nationalsozialismus Unterschiede zeigen« (Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literaturtheorie. München 1973, S. 17). Von Mechow gab von 1934 bis 1944 zusammen mit Paul Alverdes die national-konservative Literaturzeitschrift Das innere Reich heraus, in der u. a. Werke der ›Inneren Emigration‹ publiziert wurde. Grimm hatte im Dritten Reich einen Bestsellererfolg mit seinem 1926 erschienenen Hauptwerk Volk ohne Raum, ließ sich jedoch nicht auf die geforderte Parteilinie festlegen. Aus Protest gegen die staatliche Reglementierung des Literaturbetriebs

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Neben den deutschen Autoren wurden drei Ausländer aus dem stark umworbenen Flandern und aus Norwegen aufgenommen: der in Deutschland bereits vor 1933 viel gelesene Felix Timmermans, der vom Regime intensiv geförderte Stijn Streuvels und der von Goebbels als Autor und Person sehr geschätzte Knut Hamsun. Das letzte Buch der Serie, das angekündigt wurde, durch die Kriegsumstände jedoch nicht zur Veröffentlichung kam, wich von den vorangegangenen insofern ab, als es sich weniger der Gegenwart als den Autoren des deutschen Realismus zuwandte und den Arbeiter so an das ältere kulturelle Erbe Deutschlands heranführen sollte. Insgesamt wurden die Bändchen in der Bücherkunde als »Zeugnis für die literarische Aufgeschlossenheit der deutschen Arbeiterschaft« bezeichnet, ein wertvolles Instrument in den Händen von Betriebsobmännern und Bibliothekaren genannt und dem Leser uneingeschränkt empfohlen.102 Die Versorgung des »schaffenden Deutschen« mit Büchern wurde genauso wie das ›geistige‹ Winterhilfswerk als »sozialistische Tat« und damit als ein inhärenter Teil des Aufbaus der ›Volksgemeinschaft‹ definiert.103 Heinz Wismann, Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer, deklarierte 1935 in einer Ansprache über das Thema »Buch und Arbeit«: In den Werkbüchereien sind Buch und Arbeit einander so nahe gerückt, daß sie fast als Symbole der inneren Zusammengehörigkeit beider angesprochen werden können. Mit diesem Charakter sind sie zugleich die Stätten, an denen in entscheidender Weise daran mitgewirkt werden kann, daß die Arbeiter der Stirn und die Arbeiter der Faust sich kennenlernen und aus diesem Wissen beider voneinander der Gedanke der schaffenden Volksgemeinschaft sich tiefer in die Seele jedes einzelnen gräbt.

Auch hier wurden Buch und Buchwerbung genauso wie das Kino und der Rundfunk ausdrücklich als sozial nivellierendes Medium eingesetzt und interpretiert.

veranstaltete er von 1934 bis 1939 die so genannten Lippoldsberger Dichtertage (vgl. Sarkowicz / Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland, S. 195; Klaus van Delft: Kritische Apologie des Nationalsozialismus. Hans Grimms Konservative Revolution? In: Leid der Worte. Panorama des literarischen Nationalsozialismus. Hg. von Jörg Thunecke. Bonn 1987; Hans Sarkowicz: Zwischen Sympathie und Apologie. Der Schriftsteller Hans Grimm und sein Verhältnis zum Nationalsozialismus. In: Intellektuelle im Bann des Nationalsozialismus. Hg. von Karl Corino. Hamburg 1980, S. 120–135. 102 [o.V.]: BK 1938, S. 686. 103 [o.V.]: BDB 80 (5.4.1938), S. 280.

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2.3.4. »Das Buch im Felde« Überall wo deutsche Soldaten sind, bewegen sich auch die fahrbaren Frontbuchhandlungen, um unseren Soldaten Gelegenheit zu geben, die Zeit ihrer wohlverdienten Ruhe mit dem Lesen wertvoller und interessanter Bücher auszufüllen.104

Die Entschlossenheit der Literaturpolitik, »mit der Parole ›Mit dem Buch ins Volk!‹ ernst [zu] machen«,105 wurde durch den Krieg nicht gemindert. Ganz im Gegenteil weist gerade die Kriegszeit ein weites Spektrum an Maßnahmen auf, die sich dem Ziel widmeten, »die elementare Forderung unserer Zeit: ›Das Buch ins Volk‹«106 zu erfüllen. Waren im Ersten Weltkrieg bereits verschiedene Anstrengungen zur Verbreitung des Buches an der Front gemacht worden,107 so wurden diese durch die zentral organisierten und groß angelegten Initiativen des Dritten Reiches bei Weitem überboten. Die Vorteile des Buchmediums, nicht zuletzt sein Kulturwert und der materielle Vorteil seiner leichten Handlichkeit, führten dazu, dass entgegen der Behauptung Wolfgang G. Natters der Erste Weltkrieg in Deutschland keineswegs das Ende der Epoche markierte, in der im Kriegskontext ein umfassendes Werbeprogramm für das Buch auf die Beine gestellt wurde.108 Die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges dienten den staatlichen und parteiamtlichen Instanzen in vielerlei Hinsicht als nützlicher Ausgangspunkt. Damals war es der Regierung, die sich vor eine völlig neue Situation gestellt sah, erst allmählich gelungen, private Initiativen zur Buchversorgung der Front zu zentralisieren und zu überwachen. 1939 dagegen baute der Staat gleich nach Kriegsbeginn eine Infrastruktur aus und leitete zentral gesteuerte Aktivitäten in die Wege. Mit derselben Dringlichkeit, mit der im März 1933 der literaturpolitische Lenkungsapparat errichtet worden war, wurde am 4. September 1939, nur vier Tage nach dem Einmarsch in Polen, eine Zentrale der Frontbuchhandlungen mit Sitz in Berlin als Gemeinschaftsgründung des Propagandaministeriums, des Oberkommandos der Wehrmacht, der Reichsschrifttumskammer, der Deutschen Arbeitsfront und des Börsenvereins geschaffen. Die Instanz koordinierte die Gründung und Belieferung von Frontbuchhandlungen, die »unsere Soldaten, die am Westwall und an der Nordsee auf der Wacht liegen oder nach ihrem Einsatz in Polen Standquartiere im ehemaligen Kampfgebiet bezogen haben«,

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[Wilhelm Haegert]: Schrifttum und Buchhandel im Kriege. Ansprache des Leiters der Abteilung Schrifttum im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda in der Hauptversammlung des Börsenvereins. In: BDB 94 (23.4.1940), S. 148. Schönfelder: BDB 55 (5.3.1940), S. 74. Haas: BDB 269 (18.11.1939), S. 726. Wolfgang G. Natter: Literature at War, 1914–1940. New Haven, London 1999; Inge Ehringhaus: Lektüre unserer Frontsoldaten im Weltkriege. Berlin 1941. »In several significant respects, the First World War manifests symptoms of the ›end of the age of the book‹ in Germany in the powerful sense that an entire support system and cultural program was mobilized in its name for perhaps the last time.« (Natter: Literature at War, S. 15).

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mit Lesestoff versorgten.109 Sie positionierte sich als die »alleinige Instanz«,110 die in umkämpften und besetzten Gebieten buchhändlerische Unternehmen aufziehen durfte, und untersagte damit die Direktbelieferung der Frontbuchhandlungen durch Privatverlage. Ihre erste Aktion war der Einsatz von fahrbaren Frontbuchhandlungen am Westwall während des so genannten ›Sitzkrieges‹.111 Deutschland hatte zu diesem Zeitpunkt im Westen noch keine Gebiete besetzt und war daher auf eine mobile Infrastruktur angewiesen, um seine Soldaten zu zerstreuen und geistig auf die kommenden Kriegsereignisse vorzubereiten. ›Kriegsbücherwagen‹ hatte es bereits im Ersten Weltkrieg gegeben, d. h. Fahrzeuge, die Kisten mit Büchern an die Front transportierten.112 Besonders der Reclam Verlag,113 jedoch auch Insel und Diederichs stellten damals ›tragbare Feldbüchereien‹ für die Truppen her.

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Baur: BDB 242 (17.11.1939), S. 689. Aufruf von Wilhelm Baur an den Deutschen Buchhandel über die »Gründung von Frontbuchhandlungen«, in: BDB 242 (17.10.1939), S. 689. Immerhin gab es Gebiete, wo die Zentrale der Frontbuchhandlungen kein Monopol für die Belieferung der Front mit Büchern besaß. In Frankreich z. B. machte ihr die von den Deutschen umworbene Firma Hachette Konkurrenz, die u. a. die mobilen Frontbuchhandlungen mit Nachschub versorgte (vgl. Hans-Eugen Bühler: Der Frontbuchhandel 1939–1945. Organisationen, Kompetenzen, Verlage, Bücher. Frankfurt/M. 2002, S. 94–96). Der Begriff ›Sitzkrieg‹ ist eine Anspielung auf ›Blitzkrieg‹ und bezieht sich auf den Zeitraum zwischen dem Polenfeldzug im September 1939 und der Invasion in die westlichen Länder im Mai 1940, als die Soldaten im Wesentlichen nur herumsaßen und auf Befehle warteten. Diese Zeitspanne wird auf Englisch ›Phoney‹ oder ›Funny War‹, auch ›Bore War‹ (als Anspielung auf ›Boer War‹) oder ›Twilight War‹ (Winston Churchill) genannt, auf Französisch als ›drôle de guerre‹ und auf Polnisch als ›dziwna wojna‹ bezeichnet. In ihrer Studie Lektüre unserer Soldaten im Weltkriege aus dem Jahr 1941 erwähnt Ehringhaus, die Kriegsbücherwagen des Ersten Weltkrieges enthielten je acht tragbare Feldbüchereien, »die vom Wagen aus in die vorderste Stellung gebracht werden konnten« (S. 15). In Analogie zur Bezeichnung ›Gulaschkanone‹ für die fahrbare Feldküche wurden die Bücherwagen von den Soldaten ›Bildungskanonen‹ genannt, ein Name, der 1940 in einer Buchwerbebroschüre des Werbe- und Beratungsamts für das deutsche Buch übernommen wurde (Steguweit, Heinz: Die Bildungskanone. In: Mit dem Buch ins Volk. Hg. vom Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum beim Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda [1940], S. 17). Vgl. Frank R. Max: Der Reclam-Verlag. Eine kurze Chronik. Stuttgart 2003. Die tragbaren Kistenbüchereien wurden vom Reclam Verlag 1914 auf Anregung eines Soldaten entwickelt, um Front, Marine und Lazarette mit der Universal-Bibliothek, einer Mischung von gutgängigen Titeln und großen Klassikern, zu versorgen. Diese Kisten stellten keine ungewöhnliche Erfindung dar für einen Verlag, der seit seiner Gründung 1828 das Ziel verfolgte, literarische Qualität, große Titelvielfalt, handliches Format und niedrigste Preise zu kombinieren. Reclam hatte bereits 1911 einen »platzsparenden und auseinanderklappbaren Reclam-Schrank[ ]« (S. 27) für die komplette Lagerhaltung der Universal-Bibliothek konzipiert und 1912 Bücherautomaten angeboten, die eine Auswahl von etwa 80 Reclam-Heften »nicht nur am Eingang zum Laden, in viel frequentierten Straßendurchgängen der Großstädte, in Cafés, Restaurants und Biergärten, auf Bahnhöfen und in Hotels, in Sommerfrischen und Badeorten, auf Schiffen und in Wartehallen, sondern auch in Krankenhäusern und Kasernen,

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Abb. 18: »Der Wagen der Frontbuchhandlung trägt außen ein Schaufenster, in dem Proben guter zeitgenössischer Literatur eindrucksvoll und übersichtlich ausgelegt sind. Innen aber befindet sich ein ganzes Lager, das dauernd aus der Heimat oder aus den großen Frontbuchhandlungen in Paris usw. aufgefüllt wird. Zwei Männer der Arbeitsfront in ihrer blauen Uniform versehen den Dienst, Mittler zwischen dem Buch und den Feldgrauen zu sein. Die Fahrt geschieht nach einem ganz bestimmten Plan, wobei immer die Standortkommandanten und jeweiligen Truppenteile von der Anwesenheit des Buchwagens unterrichtet sind und ein entsprechender Absatz gewährleistet ist.« (Kurt Kölsch, Landesleiter der Reichsschrifttumskammer Gau Saarpfalz, in: BDB 41 (18.2.1941), S. 59).

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Konstruktion der Bücherkisten verbessert und richtige Frontbuchhandlungen auf Rädern wurden konstruiert (vgl. Abbildungen 18 und 19). Im Dezember 1939 wurden am Westwall verschiedene »KdF.-Großomnibusse mit Anhängern« in Dienst gestellt, die ursprünglich »für Gebirgsfahrten bestellt« und dem neuen Zweck entsprechend umgebaut worden waren: »Es sind Regale vorhanden und Tische, an denen der Soldat schmökern kann«.114 Umfunktioniert wurde u. a. auch ein »ehemaliger italienischer Tonfilmwagen, in dem sich genügend Raum für die Unterbringung und eine sorgfältige Auslage der Bücher

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in Lesehallen und Volkshäusern, in den Vorhallen der Theater und Schulen« (S. 29) neuen Lesern nahebringen sollten. L.: BDB 283 (5.12.1939), S. 746.

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Abb. 19

bot.«115 Sind die Zahlen des Börsenvereins zuverlässig, so hatten diese Fahrzeuge durchschnittlich 2000 Bände an Bord, und in ihrem Anhänger, der dem Buchhändler und den Fahrern als Wohnung diente, befand sich eine Reserve von 1500 weiteren Bänden. Die eingebauten Schaufenster lockten potentielle Käufer an und gaben ihnen erste Orientierungshilfe. Die nach und nach installierten Heizungs-, Rundfunk- und Schallplattenübertragungsanlagen ermöglichten es den Interessenten, sich für die Bücherauswahl Zeit zu nehmen. Nach Anfang des Westfeldzuges, als in den besetzten Städten feste Frontbuchhandlungen gegründet wurden, fanden die Bücherwagen für die »Betreuung der Kameraden draußen auf den einsamen Posten«, etwa »bis auf wenige Hundert Meter Entfernung von der französischen Grenze«, Verwendung. 1944 meldete Herbert Duckstein aus eigener Erfahrung: Mit diesem motorisierten Zweiggeschäft wurde in bestimmten Zeitabständen auch der letzte Küstenstützpunkt, wurden die einsamen Brücken- und Straßenwachen auf den Ge-

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Duckstein: BDB 69 (31.8.1944), S. 166.

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birgspässen, wurden all jene Soldaten aufgesucht, die ihren entsagungsreichen und anregungsarmen Dienst abseits der großen Sammelpunkte ausüben müssen. Wo es der Wagen im Bereich der Trampelpfade nicht mehr schaffte, wurde auch einmal eine Bücherkiste auf dem Rücken eines Tragtiers ihrer Bestimmung zugeführt.

Götz Otto Stoffregen,116 damals Offizier für die geistige Betreuung einer Division an der Front, berichtete, auch mit den Lastkraftwagen für Verpflegung und Munition würden die Bücherkisten zu entlegenen Orten transportiert: Nach drei Tagen tauchte er bereits wieder auf mit der Meldung: »Ausverkauft!« Unsere Jäger in den Bergen, die Nachrichter in den Tälern, unsere Pioniere an den Brücken, die Artilleristen in den weit vorgeschobenen Küstenstellungen, die Spezialeinheiten in den rückwärtigen Diensten hatten den Frontbuchhändler bestürmt und ihm seine »Schätze« buchstäblich aus den Händen gerissen.117

Ab Juni 1940 wurden im besetzten Europa – den Siegeszügen der deutschen Truppen unmittelbar folgend – ortsfeste Frontbuchhandlungen aufgebaut, deren Lage und Ausstattung aufgrund der unterschiedlichen geografischen und militärischen Bedingungen variierten. In Ländern wie Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Norwegen, wo nach der jeweiligen Kapitulation bis zur alliierten Landung in der Normandie nicht mehr gekämpft wurde, wurden die Buchhandlungen in den größeren Städten in stattlichen Gebäuden mit gepflegter Ausstattung und günstiger Verkehrslage angesiedelt (vgl. Abbildungen 20 und 21). Im Frontgebiet – etwa Lettland, Litauen, Estland, Russland, der Ukraine und den Balkanstaaten – wurden sie in kleineren Orten untergebracht und oft nur provisorisch eingerichtet, damit sie dem Frontverlauf entsprechend ohne viel Mühe neu installiert werden konnten.118 Trotz der Kriegsverluste (u. a. durch die schweren Luftangriffe auf die Buchstadt Leipzig im Dezember 1943) gelang es der Zentrale der Frontbuchhandlungen, die Läden bis zum Ende des Krieges mit Büchern zu beliefern. Noch im September 1944 wurde ein Nachschub von mindestens 8,7 Millionen Büchern verzeichnet.119 Hans-Eugen Bühler schätzt in seiner Studie zum Frontbuchhandel 1939–1945, dass die stationären und mobilen Frontbuchhandlungen im Durchschnitt jährlich einen Absatz von um die 10 Millionen Büchern verbuchten. Als zusätzliches Angebot wurden sowohl in Deutschland als auch im besetzten Europa ›schwimmende Frontbuchhandlungen‹ geschaffen (vgl. Abbildungen 22 bis 24). Die Bücherflotten sollten auf ihre Weise zur ›Neuordnung‹ Europas beitragen. So berichtete ein im deutschen Bundesarchiv bewahrter Artikel vom 29. August 1944 aus einer nicht näher identifizierten Zeitung, dass eines der Schiffe ›Uilenspiegel‹

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Stoffregen (geb. 1896) war Präsidialrat der Reichskulturkammer und u.a. für die in den Kriegsjahren gesendeten Wunschkonzerte für die Wehrmacht im Rundfunk zuständig (vgl. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt/M. 2007, S. 595). Stoffregen: BDB 177 (2.12.1943), S. 207. Bühler: Der Frontbuchhandel, S. 108. Siegfried Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt. Politisches Buchmarketing im ›Dritten Reich‹. Frankfurt/M. 1992, S. 145; Bühler: Der Frontbuchhandel, S. 97.

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Abb. 22: BArch, Bild 101I-114-0069-02 / Willy Rehor / CC-BY-SA Abb. 23: BArch, Bild 101I-114-0069-28A / Willy Rehor / CC-BY-SA Abb. 24: BArch, Bild 101I-114-0069-25A / Willy Rehor / CC-BY-SA

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genannt wurde, um die »enge Verbundenheit Flanderns mit dem Niederrhein« zu betonen.120 Mit Blick auf die Frontbuchhandlungen wurde auch an die Ausbildung von Frontbuchhändlern gedacht. Die Tatsache, dass viele neue Leser zum Buch griffen, sollte von ihnen mehr als je genutzt werden, »dem Fragenden das rechte Buch zur rechten Zeit in die Hand zu geben, oder wenigstens darauf hinzuweisen«.121 Bis tief in das letzte Kriegsjahr hinein wurde in einen Buchhandel investiert, der »nicht nur verkauft, sondern bildet und formt«122 und damit seine Aufgabe als »Vorposten des deutschen Schrifttums«123 im nationalsozialistischen Sinne wahrmachen sollte. 1943 wurden verschiedene Buchhandelskurse initiiert, die es »den im Felde stehenden Buchhändlern ermöglichten, ihr Wissen aufzufrischen und zu vertiefen«.124 Im selben Jahr wurden »Frauen und Mädchen« ab zwanzig Jahren »mit guter Allgemeinbildung« zum zweiten Mal aufgerufen, sich als Frontbuchhändlerinnen zu melden, um noch im März 1944 durch einen »Ausbildungskursus in Literatur und Geschichte und den Fragen der Weltanschauung geschult« und anschließend »im Kriegsgebiet, an der Westfront, im hohen Norden, in den Ostgebieten, auf dem Balkan und in Italien« eingesetzt zu werden:125 Für ihren Einsatz werden die Frontbuchhändlerinnen durch einen sechswöchigen Ausbildungskursus in einem Lager für Betreuungshelferinnen in Literatur und Geschichte und den Fragen der Weltanschauung geschult. Vorträge führen sie in die geistige und kulturpolitische Bedeutung des buchhändlerischen Berufes ein. Durch Buchbesprechungen werden sie erzogen, Bücher und Dichter zu beurteilen. Leseabende werden gemeinschaftlich gestaltet, damit die angehenden Frontbuchhändlerinnen lernen, ähnliche Lese- und Dichterabende an ihrem zukünftigen Einsatzort selbständig durchzuführen. Singen und Sport haben ihren Platz in Kursusprogramm, um Körper und Geist zu lockern.126

Es ist allerdings fraglich, ob diese Kurse angesichts der sich verschlechternden Frontlage tatsächlich noch stattfinden konnten.

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BArch R56/V/152. Dietrich: BDB 168 (11.11.1943), S. 193. Weser: BDB 27 (5.4.1944), S. 56. Losch: BDB 131 (8.6.1940), S. 213. Rheinecke: BDB 19 (23.1.1943), S. 14f. L.: BDB 13 (16.2.1944), S. 24; Uhlig: ebd. Uhlig: BDB 13 (16.2.1944), S. 24. Friedrich Uhlig war Leiter der Deutschen BuchhändlerLehranstalt.

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2.2.5. »Die größte Bücherei der Welt« Wenn einmal die Geschichte dieses Krieges geschrieben wird, dann wird die Büchersammlung der NSDAP für die Deutsche Wehrmacht zu den entscheidenden politischen und kulturellen Taten gezählt werden, die das Fundament des Sieges schufen.127

Eine weitere nennenswerte Aktion aus den Kriegsjahren wurde durch die Partei, genauer durch das Amt Schrifttumspflege unter Rosenbergs Leitung, organisiert. Am 12. Oktober 1939, anderthalb Monate nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, tat Rosenberg sein Vorhaben kund, die deutsche Bevölkerung jedes Kriegsjahr erneut mithilfe einer nationalen Buchspende für die Verbreitung des Buches an der Front zu mobilisieren. Die unterschiedlichsten Werbemittel von Buchplakaten über Presse, Rundfunk und Lichtspieltheater bis hin zu Stempeln der Deutschen Reichspost und den Auslagenfenstern der Buchhandlungen wurden eingesetzt, um die deutsche Bevölkerung auf die Bedeutung der Büchersammlung hinzuweisen (vgl. Abbildung 25).128 So prominente politische und militärische Funktionsträger wie die Reichsminister Himmler, Göring und Goebbels und die Generäle Dietl und Rommel unterstützten die Initiative. Die Bevölkerung wurde diesmal mit dem Hinweis auf die Parallelen zwischen der ›inneren‹ und ›äußeren‹ Front dazu ermahnt, »nicht irgendwelche überzähligen Werke aus den Privatbücherbeständen« zu spenden, sondern ebenso wie die Soldaten auf dem Schlachtfeld »w i r k l iche u n d e cht e O pfe r« zu bringen:129 Wer sich die mitunter fast übermenschlichen Leistungen unserer Soldaten in diesem Krieg vor Augen hält, dem dürfte es, wenn er ihnen eine wirkliche Freude bereiten will, nicht schwer fallen, sich auch von solchen Büchern zu trennen, die ihm selbst lieb und ans Herz gewachsen sind, und von denen er weiß, dass der Soldat in ihnen all das finden wird, was er draußen im Felde braucht: eine geistige und seelische Erhebung, eine Einführung zu den ewigen und unvergänglichen Werten der deutschen Kunst und des deutschen Geistes, zu Deutschlands Unsterblichkeit.

Die fünf konsekutiven Büchersammlungen der NSDAP. für die deutsche Wehrmacht130 zeitigten einen quantitativ bis dahin nicht gekannten Erfolg. Freiwillige gingen von Haus zu Haus und sammelten insgesamt mehr als 43 Millionen Bände ein, die den Richtlinien des Amtes Schrifttumspflege entsprechend sortiert bzw. aussortiert und zu kleinen Lazarett- und Frontbüchereien zusammengestellt wurden.

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Material für die Presse, herausgegeben vom Propagandaministerium (Barch R55/20814). BArch R55/20814/33. Menzel: BK 1941, S. 291. Das folgende Zitat ist ebd. Der erste Aufruf zur Alfred-Rosenberg-Spende erfolgte am 12. Oktober 1939 in der Tagespresse und zwei Tage später im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Die Spende wurde laufend durch weitere Aktionen ergänzt, z. B. die »Wehrmachtsbücherspende« des Deutschen Alpenvereins, die Propaganda-Aktion »Buch-Feldpostzusendungen« des Werbeund Beratungsamts für das deutsche Schrifttum und die Spenden von Betrieben wie den Vereinigten Glanzstoff-Fabriken A. G. an ihre im Felde stehenden Arbeitnehmer.

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Abb. 25: BArch, Plak 003-024-052 / o.Ang.

Das Rosenbergamt stellte »fliegende Kolonnen« von Hilfskräften zur Verfügung, »um in den Gauen und Kreisen helfend einzugreifen, wenn Not am Mann war«.131 »Entscheidende Mithilfe leisteten die NS-Frauenschaft, die HJ und SS, Männer und Frauen des Deutschen Roten Kreuzes, der NSLB, die Volkbüchereien und staatlichen Volksbüchereistellen«, deren »freiwillige Rekordarbeit« in »mühsam abgerungenen Abendstunden« allerdings durch »Mitarbeitermangel, Raummangel, ungenügendes Verpackungsmaterial und Transportsorgen« erschwert wurde.132 Mitarbeiter der Wehrmacht sorgten für den Transport und die Zustellung der Bücherspenden »im Osten, im Norden, in Afrika, im Westen und auf hoher See«.133

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Utikal: BK 1940, S. 30. Material für die Presse, BArch R55/20814. Stg.: BK 1942, S. 200.

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Für den Gebrauch der Bücher wurde von den deutschen Truppen Ordnung und Reglementierung erwartet. Während sich amerikanische Soldaten die für sie aus Amerika eingeflogenen American Service Editions bei Bedarf aus großen Büchsen oder Pappkartons holten und frei herumreichten,134 wurden den deutschen Soldaten »Anweisungen für die Verwaltung der Truppenbücherei« erteilt, um die Bücher thematisch zu ordnen, Ausleihzeit und Strafgebühr zu regeln und die Bücherkiste »zu einem praktischen, verschließbaren und transportablen Bücherschrank« umzubauen:135 In einheitlich schwarzem oder braunem, abwaschbaren Bibliothekseinband gebunden stehen die Bücher in Reih und Glied, jedes auf dem Rücken mit einer Nummer versehen, sodaß man sie sofort greifen kann, wenn ein Landser dieses oder jenes Werk wünscht. Ein sauber geschriebenes Verzeichnis liegt bei und ermöglicht jedem das zu finden, was seinem Geschmack entspricht.136

Die Aktion stieß auch an der Front auf große Resonanz. Frontberichten zufolge war die »Sehnsucht nach einem guten Buch bei allen Kameraden« so stark und der »Andrang zur Bücherei« dermaßen groß, dass die gespendeten Bücher »im Zeitraum von einer knappen halben Stunde […] ausgeliehen« waren.137 Das Propagandaministerium leitete eine Auswahl von Soldatenbriefen »aus Ost und West, aus Süd und Nord, aus der afrikanischen Wüste und den Regionen des Eismeeres, aus allen Teilen der Welt, wo deutsche Schiffe kreuzen«138 an die Presse weiter, um der Heimat den Dank der Soldaten kund zu tun: Liebe Kameraden! Mit der grossen Kiste, die eines Tages bei uns landete, habt Ihr uns gewaltig überrascht. Diese Überraschung wurde zur Freude, als wir ihren Inhalt bestaunen konnten. Der Wunsch nach Büchern war auch in unserer Kompanie sehr gross. Auf unsere Bibliothek setzte buchstäblich ein Sturm ein. Das ist umso höher zu werten, als die Wirkung eine doppelte ist: Das Lesen guter Bücher bringt uns Soldaten in unserer dienstfreien Zeit angenehme Unterhaltung, lässt uns Einblick nehmen in den Wert deutscher Literatur und hebt so noch den kulturellen Stand der Truppe. Euch meinen und meiner Kameraden herzlichen Dank für diese Spende auszusprechen, ist mir eine angenehme und freudige Pflicht, und Ihr zeigt uns damit immer wieder, dass Ihr in der Heimat Eure Ehre daransetzt, in nichts den Taten und Opfern Eurer Feldgrauen nachzustehen, und niemand einen Keil zwischen diese beiden Fronten zu treiben vermag. Nochmals vielen herzlichen Dank!

Eines der praktischen Probleme des Frontlebens bestand darin, dass das Marschgepäck nur das Höchstnötige enthalten konnte. Von Soldaten wurde regelmäßig berichtet, dass sie sich widerwillig von ihnen liebgewordenen Büchern trennen mussten.

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Zur Lektüre der amerikanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg vgl. Helen Smith: ›The readingest army in history‹. U.S. Armed Services Editions and the Practices of Wartime Reading. Unveröffentlichtes Manuskript. Oerter: BK 1942, S. 65f. Kölsch: BDB 39 (15.2.1941), S. 51. Oerter: BK 1942, S. 66. Material für die Presse, BArch R55/20814. Das folgende Zitat ist ebd. Ob die Briefe authentisch waren, lässt sich nicht nachvollziehen.

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Clemens Laar, einer der »Dichter unter den Waffen«, der 1940 im Kriegsalmanach deutscher Dichtung die Bedeutung des Buches an der Front dokumentierte, berichtete über den immensen Stapel Bücher, den seine Kompanie beim Kriegseinsatz zurücklassen musste: Als wir aus einer gewissen idyllischen Bereitschaftsstellung heraus uns zum Vormarsch im Westen rüsteten, hieß es, alles zurückzulassen, was nicht unbedingt zum Sturmgepäck gehörte. Es wurde gesammelt und im Hinterraum einer verlassenen Schenke gestapelt. Meine Kompanie von 165 Mann baute ohne Kompaniebibliothek – die als Kiste in die Garnison zurückgegangen war – über achthundert Bücher zu einem Gebirge verlassener Freuden der Seele und des Geistes auf. Mehr kann man zum Thema: »Der deutsche Soldat und das Buch« nicht sagen.139

Umso bedeutungsvoller waren die Berichte, dass die Bücherkisten der Alfred-Rosenberg-Spende bei jedem Abmarschbefehl in Munitionsfahrzeugen verladen und an die nächste Front, »bis in die libysche Wüste«,140 transportiert wurden: Eine solche Kompaniebücherei könnte viel erzählen, wenn man zu lauschen verstünde. Vielleicht war sie schon in Polen dabei, als das Regiment seinen ersten Einsatz bekam; vielleicht hat sie den Einmarsch in Dänemark mitgemacht; vielleicht ist sie auch vom Westwall mit hinübergenommen worden nach Luxemburg, Belgien und Frankreich, bis jetzt wieder vorläufig ruhen darf, ehe wieder aufgebrochen wird zu neuem Ziel. […] Auch die Werke in dieser grauen unscheinbaren Bücherkiste, die so viel Schönes und Gutes der Besten deines Volkes birgt, sind dafür ein Beweis!141

Trotz des mengenmäßigen Erfolgs der Buchspende waren sich die organisierenden Lenkungsinstanzen darüber im Klaren, dass die Erträge besonders der ersten Sammlungen ein großes Maß an unbrauchbarem Material und außerdem nur wenige Neuerscheinungen enthalten würden. Diese Vermutung wurde in der Bilanz der ersten Sammelaktion bestätigt. Im vertraulichen Lektoren-Brief wurde eingeräumt, dass mit dieser Büchersammlung den deutschen Soldaten zwar »ein außerordentlich großer Liebesdienst« erwiesen wurde, die gespendeten Bücher dennoch »selbstverständlich einer Sichtung unterzogen werden mußten, bevor sie den Soldaten zugeleitet werden konnten.«142 Dass viele Bücher gespendet worden, die den weltanschaulichen Erwartungen nicht entsprachen, wurde widersprüchlich beurteilt. Einerseits hegte man das Wunschdenken, dass das gespendete ›unerwünschte‹ Schrifttum ein solches Schrifttum sei, das der Bevölkerung am wenigsten bedeutete. Der »größte [!] Teil der deutschen Volksgenossen«, so berichtete der vertrauliche Lektoren-Brief, habe den »Grundsatz: das Beste ist für den Soldaten gerade gut genug […] nicht im vollen Umfange berücksichtigt« und »zunächst im wesentlichen das Schrifttum zur Verfügung [gestellt], das in seinem Bücherschrank keinen rechten Platz mehr hatte oder das ihm weniger wertvoll erschien.« Andererseits wurde gefürchtet, dass

139 140 141 142

Heinz Riecke (Hg.): Dichter unter den Waffen. Ein Kriegsalmanach deutscher Dichtung. Leipzig [1940], S. 31. Oerter: BK 1942, S. 67. Kölsch: BDB 39 (15.2.1941), S. 51. [o.V.]: LB 2 (1940), S. 1–2. Die folgenden Zitate sind ebd.

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die Spende einen aufschlussreichen Einblick in die weltanschauliche Gesinnung der Spender verschaffe: Gerade der Inhalt der Spenden ließ sehr oft auf den Geist und die weltanschauliche Einstellung des Spenders wichtige Rückschlüsse zu. So kann man an der Tatsache, daß Modezeitungen als Bücherspenden für die Deutsche Wehrmacht »wohlwollend« zur Verfügung gestellt wurden, erkennen, daß der Spender entweder dumm, gedankenlos oder mit einer großen Portion Frechheit an die Zusammenstellung seiner Spende heranging. Gerade in dieser Hinsicht unterscheidet sich die Büchersammlung von allen anderen Sammlungen im Rahmen des Winterhilfswerkes ganz entschieden.

Daraufhin wurde deutlich gemacht, dass das ›unnütze‹ Schrifttum den Machthabern für politische ›Erziehungsaufgaben‹ dienen konnte: Einem Zehnpfennigstück, das mit mehr oder weniger Freude in die Büchse geworfen, oder einem Pfund Reis, das der Pfundspende des WHW. übergeben wurde, konnte man den Geist und die Einstellung des Spenders nicht ansehen. Das Beispiel der Modezeitungen zeigt aber deutlich, welche ungeahnten Möglichkeiten für die politische Beurteilung des Spenders dem aufmerksamen politischen Leiter durch die Büchersammlung gegeben waren.

Zugleich wurde die Spendenaktion, die primär als Buchförderungsmaßnahme gedacht war, zu einem willkommenen Beitrag zur Buchzensur gemacht: Daß mit dieser Aktion gleichzeitig eine Säuberung der Bücherschränke der Privathaushaltungen von jüdischem und unerwünschtem Schrifttum verbunden war, ist manchem Spender vielleicht nicht aufgegangen, für uns aber ein nicht zu unterschätzender Nebenerfolg. Die Richtigkeit unserer Auffassung beweist die Tatsache, daß insbesondere bei Nachsammlungen, die in einzelnen Gauen durchgeführt wurden, das gespendete Buchmaterial im Vergleich zur ersten Sammlung ganz wesentlich besser geworden ist.

Nicht zuletzt kamen die aussortierten Bücher indirekt auch der Buchproduktion zugute. Sie wurden als Rohstoff der Papierindustrie zugeführt mit der Folge, dass das Papierkontingent für den Neudruck von Büchern erhöht werden konnte. Die inhaltliche Unzulänglichkeit der Spenden wurde zum Teil dadurch kompensiert, dass auch der Literaturbetrieb für die Initiative mobilisiert wurde. Am 14. Oktober 1939 rief Rosenberg sämtliche Verleger und Buchhändler auf, portofrei Buchspenden an das Amt Schrifttumsstelle nach Berlin zu senden.143 Am 2. November verdeutlichte der Leiter des Amtes Schrifttumspflege Hans Hagemeyer, es komme »nicht darauf an, von einem Verleger eine besonders große Anzahl von Büchern, als vielmehr ganz bestimmte Werke zu erhalten«: Falls hierbei Zweifel bestehen, ob bei der beabsichtigten Spende in unserem Sinne gewählt worden ist, so erbitten wir Zusendung einer Ausstellung der Verlagsproduktion (Prospekt), aus der wir dann Titelvorschläge den Verlagen den zugehen lassen werden.144

143 144

Ein Aufruf Alfred Rosenbergs: Spendet Bücher für unsere Soldaten! In: BDB 240 (14.10.1939), S. 685. Hans Hagemeyer: An die Verleger und Buchhändler Deutschlands. In: BDB 255 (2.11.1939), S. 705.

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Dabei zeigte sich deutlich der Einfluss des Dogmatikers Rosenberg, der den Soldaten im Gegensatz etwa zu Goebbels in Hauptsache das nationalsozialistische Parteischrifttum zuführen wollte.145 Mit »insgesamt 127.000 verlagsneue[n] und modernste[n] Bücher[n]« machte es die Sondersammlung tatsächlich möglich, jeder Bücherei »einen bestimmten Prozentsatz NS-Literatur beizugeben« und so auch »des Führers ›Mein Kampf‹, die Werke von Rosenberg, Göring, Ley, Goebbels usw. in die Hände der Soldaten« zu legen.146 Offiziell wurde die Ergänzung als eine Rücksichtnahme auf die Bevölkerung und die Soldaten dargestellt und geschickt behauptet, dass das deutsche Volk naturgemäß sich von ausgesprochen nationalsozialistischem Schrifttum nur schwer zu trennen pflegt und dann auch nur, wenn eine Neuanschaffung möglich ist, und […] andererseits das Bedürfnis des Soldaten nach solcher Literatur besonders stark zum Ausdruck kam.147

Laut Stimmungsberichten des Sicherheitsdiensts steigerte sich die Qualität der Spenden in den nachfolgenden Jahren dadurch, dass »das in vielen Familien mehr zufällig und wahllos vorhandene Schrifttum, 25-Pfennig-Hefte u. ä.« in die vorhergegangenen Sammlungen gewandert sei.148 Immerhin werde in manchen Orten weiterhin mehr als die Hälfte der gespendeten Bücher ausgeschieden. Dass sich dies auch herumgesprochen habe, habe dazu geführt, dass einzelne ›Volksgenossen‹, die sich im Vorjahr »nur schweren Herzens« von ihren Büchern getrennt hätten, eine erneute Beteiligung an der Sammlung abgelehnt hätten. Dennoch wurde jede abgeschlossene Büchersammlung in der Presse als »einmalige Leistung deutscher Volkskameradschaft«, als »beispiellose Bekundung nationalsozialistischer Tatkraft« und »bleibendes Zeugnis für die Verbundenheit von Heimat und Front« gefeiert und durch Zahlen belegt.149 Im Jahre 1939 wurden nach Angaben des Börsenblatts 8,5 Millionen Bände gesammelt, aus denen rund 30.000 Kleinbüchereien zusammengestellt werden konnten.150 1940 waren es rund 7,5 Millionen Bände. Die dritte Sammlung im November 1941 erbrachte nach Angaben des Propagandaministeriums eine Summe von 9.513.879 gespendeten Büchern und 46.600 Wehrmachtsbüchereien, 1942 fügte dem die vierte Büchersammlung 10.413.481 Bücher und 48.775 Büchereien hinzu. Als im Herbst 1943 das deutsche Volk zur fünften Büchersammlung aufgerufen wurde, rechnete Rosenberg mit einem Absinken der Spendenzahl, »da das deutsche Schrifttum kriegsbedingt nicht mehr im üblichen Ausmass erscheinen und der angegriffene häusliche Bücherschatz nicht

145 146 147 148 149 150

Zum Gegensatz zwischen Rosenbergs Dogmatismus und Goebbels’ Pragmatismus vgl. insbes. Kapitel 3.4.2.1. Gerhard Utikal: Die Büchersammlung der NSDAP. In: BDB 53 (2.3.1940), S. 71. Ebd.; ders.: Die Buch-Spende für die Deutsche Wehrmacht. In: BK 1940, S. 30. Zitiert nach: Boberach: Meldungen aus dem Reich. Bd. 12, S. 4506. Das folgende Zitat ist ebd. Material für die Presse, BArch R55/20814/32. Utikal: BDB 53 (2.3.1940), S. 70.

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mehr entsprechend ersetzt werden konnte.«151 Überdies konnte die Spende infolge der schweren »Luftterrorschäden« in verschiedenen Gauen nicht stattfinden. Gleichwohl wurden bei dieser letzten Sammlung nochmals 7.312.830 Bücher eingetrieben und in 45.713 Büchereien zusammengefasst, was das Gesamtergebnis der fünf Büchersammlungen auf 43.284.575 gespendete Bücher respektive 197.000 Büchereien brachte. Dabei bleibt die Frage, wie viele Bücher die Front nicht erreichten, weil sie von den kontrollierenden Instanzen aussortiert wurden. Bemerkenswert ist schließlich die Aussage des Börsenblatts, das deutsche Volk habe eine »einzig dastehende kulturpolitische Leistung vollbracht und seinen Soldaten die größte Bücherei der Welt geschenkt«.152 Das Fachblatt griff mit dieser Aussage einen Topos auf, der bereits im Ersten Weltkrieg als Beleg für Deutschlands Überlegenheit über andere Nationen benutzt worden war: Do you really know what books have done for Germans? They have helped us to win the great victory of becoming the most important people of the world. That we have become the first people on earth is due in no small part to the fact that we produce the greatest number of books. You will see that not the largest fleet, not the largest army, but the largest library will be victorious.153

Im Dritten Reich, besonders in den Kriegsjahren, wurde diese Logik weitergeführt und radikalisiert. Die Deutung des Zweiten Weltkrieges als bloße Fortführung des Ersten (»Wir glauben an den Führer und an Deutschland und an den Sieg, wir Soldaten von 1914 bis 1940!«154), die Deutschlands Niederlage von 1918 auf eine bloße Etappe auf dem Weg zum deutschen Sieg reduzierte, wurde im geistigen Bereich parallelisiert. NS-Deutschland sei gelungen, was im Ersten Weltkrieg nur angekündigt worden sei, nämlich ›die größte Bücherei der Welt‹.155

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154 155

Brief des Beauftragten für die »Büchersammlung der NSDAP für die Deutsche Wehrmacht« an Reichsleiter Rosenberg am 10.7.1944 (BArch NS 8/249/106) und Rosenbergs Dankschreiben vom 11.8.1944 (BArch NS 8/249/109). Die folgenden Zitate und Zahlen sind ebd. [o.V.]: BDB 105 (19.6.1943), S. 107. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel (zitiert nach: Natter: Literature at War, S. 125 [eigene Hervorhebung]). Da Natter keinen genauen Quellenverweis gibt, konnte das deutsche Original nicht ermittelt werden. Riecke: Dichter unter den Waffen, S. 24. Vgl. [o.V.]: BDB 100 (30.4.1940), S. 170: »Wir siegen nicht mit der größeren Zahl der Kanonen, Kampfwagen, Flugzeuge und Kriegsschiffe, so wichtig eine solche Überlegenheit ist. Wir erkämpfen die Entscheidung auf einer geistigen und sittlichen Ebene!«

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2.3. ›Externe‹ Einflüsse auf die Schrifttumsförderungspolitik

[D]as Anwachsen des Leseinteresses und die in diesem Ausmaß nicht erwartete Steigerung des Buchkaufes lassen sich nicht als Ergebnisse äußerer Faktoren erklären: diese Dinge liegen tief im Wesen des Vol kes beschl ossen.1

Die an Beispielen dokumentierte Buchförderungspraxis wirft die Frage nach der realen buchwirtschaftlichen Lage im Dritten Reich auf. Werden die propagandistischen Erfolgsberichte durch reale Fakten bestätigt? Und inwiefern gehen eventuelle Erfolge tatsächlich auf die Schrifttumspolitik zurück? In den ersten beiden Jahren der NS-Diktatur war die wirtschaftliche und mentale Lage des deutschen Buchhandels problematisch. Wie Barbian feststellte, partizipierte die Buchwirtschaft 1933 und 1934 keineswegs an dem in anderen Zweigen der deutschen Wirtschaft feststellbaren Aufschwung.2 Die Statistiken registrieren sinkende Produktionszahlen, Entlassungen und Gehaltsabbau. Zum einen erholte sich der Buchhandel nur mühsam von der Weltwirtschaftskrise, in deren Folge sowohl die Buchproduktion als auch die Kaufkraft der Bevölkerung stark gesunken war und zahllose Buchhandlungen und Verlage zugrunde gegangen oder vom Konkurs bedroht waren. Zum anderen wirkten sich die politischen Eingriffe der literaturpolitischen Lenkungsinstanzen – Verbote und Beschlagnahmungen, Richtlinien und Zensur – negativ auf die Absatz- und Umsatzzahlen aus. Nach 1934 verbesserte sich die Lage allmählich.3 Die Zahl der Neuerscheinungen stieg 1935 von 20.852 auf 23.212, so dass sich Goebbels bei der zweiten Buchwoche über einen deutlichen Erfolg freuen konnte: Es ist uns gelungen, von 1934 bis zum Jahre 1935 die deutsche Buchproduktion um 11,3% zu steigern. Die Umsatzsteigerung betrug etwa 15 bis 20%, die schöne Literatur allein hat eine Steigerung von 17,2% zu verzeichnen […]. Dabei gelang es uns, den Preis des Buches im Durchschnitt von 4,- RM bis 4,50 RM auf etwa 3,80 RM herunterzusetzen.4

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2 3 4

E. Langenbucher: Der Weg des deutschen Buches in die Volksgemeinschaft. Ein Rückblick und eine notwendige Antwort. In: BDB 77 (1.4.1941), S. 121. Zu Erich Langenbucher vgl. Seite 66, Fußnote 124. Jan-Pieter Barbian: ›Zur Krisis im Buchhandel‹. In: Buchhandelsgeschichte 3 (2001), S. 101. Zur Buchproduktion im Dritten Reich vgl. Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik, S. 652–661. Goebbels (zitiert nach: [o.V.]: BDB 109 (12.5.1936), 423). Karl Heinrich Bischoff regist-

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Die Senkung der Ladenpreise könnte einerseits eine wirtschaftliche Zwangsmaßnahme gewesen sein.5 Gleichzeitig sollte sie eine möglichst weite Verbreitung des Buches ermöglichen, indem sie den Übergang von der »Luxus-« zur »Volksliteratur«6 unterstütze und erlaube, »daß auch der ärmste Volksgenosse für wenig Geld am Kulturleben seines Volkes lebendigen Anteil nehmen« könne.7 Die Aufwärtsentwicklung der deutschen Buchproduktion setzte sich bis zum Kriegsausbruch fort. 1936 stieg die Zahl der Neuerscheinungen um einige Hunderte Buchtitel, und das Börsenblatt meldete, die Deutschen könnten sich wieder »[v]or herrlich vielfältigen, unter einer Flut von Neuerscheinungen fast berstenden Fenstern der Sortimente dräng[ ]en«.8 1937 stieg die Zahl der Neuerscheinungen von 23.654 auf 25.361, 1938 nochmals geringfügig von 25.361 auf 25.439,9 so dass sich Goebbels bei der vierten Buchwoche auf »u nge a h nt e E r folge« und »i mp o n ie r e n d e Z a h le n r ei h e n«10 berufen konnte. Im Jahr des Kriegsausbruchs meldete die Bücherkunde, Deutschland sei in Europa der »größte Bücherproduzent« und schloss sich damit an die vergleichende Buchpropaganda des Ersten Weltkrieges11 und die noch ältere Vorstellung von Deutschland als »Heimat des Buchdrucks«12 an: Mit 25 400 neuen Büchern und Broschüren stand es an der Spitze. England warf 17 000, Italien 10 000, Frankreich 9000, die Vereinigten Staaten 8000, Polen 7000, Holland 6000 und Dänemark 3000 Neuerscheinungen auf den Markt.13

Unabhängig von der Frage, ob diese Zahlen stimmen, war die steigende Tendenz der Buchproduktion im Dritten Reich unverkennbar. Versuche, mit dem Nationalsozialismus zurückgehende Produktionszahlen und eine Zurückdrängung des Buchmediums zu verbinden, lassen sich daher nicht fundieren. Der »Rückgang der Buchproduktion« (»von ca. 18.000 Erstauflagen 1933 über ca. 15.000 1939 bis ca. 7000 im Jahr 1944«), den u. a. Erhard Schütz als Argument für die geringe Bedeutung des Buches in der nationalsozialistischen ›Mediendiktatur‹ anführt, lässt sich nur durch Einbeziehung der Kriegszeit bestätigen.14 So erfolgte das rapide Absinken der Auflagenziffern von 25.439 auf 20.288 erst 1939 mit Beginn des Krieges. 1940 wurde die Gesamtproduk-

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rierte eine Ladenpreis-Senkung für deutsche Bücher zwischen 1931 und 1935 von 6,16 auf 3,90 Reichsmark (BDB 51 (29.2.1936), S. 191). Barbian: ›Krisis im Buchhandel‹, 101f. Goebbels (zitiert nach: [o.V.]: BDB 109 (12.5.1936), S. 423). Nedon: BDB 96 (26.4.1934), S. 389. Bischoff: BDB 3 (4.1.1936), S. 9. Schönrock: BDB 60 (11.3.1939), S. 198; rn.: BK 6 (1939), S. 321 (vgl. Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik, S. 357). Zwischen 1934 und 1938 stiegen auch die Zahlen der Erstauflagen (von 17.763 auf 20.130) beständig an. Zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 851. Natter: Literature at War, S. 122–128. Wehmer: DR 5 (23.6.1940). [o.V.]: BK 6 (1939), S. 101. Erhard Schütz: Das ›Dritte Reich‹ als Mediendiktatur. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 2 (1995), S. 131. Ebenfalls: Segeberg: Literatur im Medienzeitalter, S. 120f.

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tion stabilisiert, 1941 wieder etwas erhöht. Ab 1942 setzte sich der Auflagenrückgang unter dem Druck von Papierknappheit und Personalmangel dann endgültig durch, bis er 1944 den Tiefstand von 11.714 Neuerscheinungen erreichte. Dass dieser Rückgang sich nicht als Argument für die vermeintliche Bücherfeindlichkeit des Regimes verwenden lässt, zeigt die Tatsache, dass der Krieg auch in anderen Ländern für einen radikalen, oft sogar radikaleren ›Absturz‹ der Buchproduktion sorgte. Am Rande sei angemerkt, dass dieser Rückgang der Produktionszahlen im Zweiten Weltkrieg prozentual geringer war als im Ersten Weltkrieg (mit 29.308 im Jahre 1914 gegenüber 7.573 im Jahre 1918).15 Ferner muss darauf hingewiesen werden, dass die Auflagenhöhe der produzierten Bücher während des Krieges in Deutschland trotz der sinkenden Titelzahl anstieg. Während die 22.289 Neuauflagen im Jahr 1940 rund 250 Millionen Büchern und Schriften gleichkamen, stellten die 20.615 Neuauflagen im Jahr 1941 nicht weniger als 341 Millionen Exemplare dar.16 Ungeachtet der Kriegsbeschränkungen erreichte das deutsche Verlagswesen, wie sowohl die zeitgenössischen Wirtschaftsberichte im Börsenblatt17 als auch neue Studien zu einzelnen Verlagen darlegen,18 in den Kriegsjahren ein wirtschaftliches Hoch.19 Selbst ein Verlag wie die Hanseatische Verlagsanstalt, der den Kriegsanfang in vollkommen falscher Einschätzung der Marktsituation zu einer umfassenden Entlassungsaktion nutzte, konnte seine Umsätze vervielfältigen.20 Verlage wie Bertelsmann, die sich frühzeitig auf die konjunkturell gegebenen Möglichkeiten des Kriegsbuchhandels einstellten, machten in den Kriegsjahren gewaltige Gewinne. Kann der Rückgang der produzierten Buchtitel nicht als Argument für den vermeintlich geringen Stellenwert des Buches im Dritten Reich dienen, so kann ebenso wenig die Blüte des Buchhandelbetriebes zwischen 1933 und 1945 als Beleg für die selbstdeklarierte kulturelle Leistung der Diktatur gelten. Erstens muss die selbstbewusste Feststellung des Börsenblatts, »[e]rst im Jahre 1933« sei das »unaufhörliche Nachlassen in der deutschen Buchherstellung zum Stillstand gebracht« worden,21 im Hinblick auf den weiteren Kontext relativiert werden. Dieses ›unaufhörliche Nachlas-

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Für Statistiken der Gesamtbücherproduktion in Deutschland zwischen 1911 und 1958 vgl. Hans Ferdinand Schulz: Das Schicksal der Bücher und der Buchhandel. Berlin 1960, S. 11–13. Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik, S. 358 u. 361. Der Zeitschriften-Dienst vom 9. Oktober 1942 registriert rund 242 Millionen im Jahr 1940 und rund 342 Millionen im Jahr 1941 (vgl. ZD 206–75 (16.4.1943) zur »Notwendigkeit, in nächster Zeit statt vieler Bücher mit verhältnismäßig kleiner Auflage eine Reihe von besonders wichtigen Büchern in Großauflage herauszubringen.«). Als Beispiel sei hier der Bericht vom 16. Februar 1942 angeführt, dem zufolge die Umsatzsumme des deutschen Buchhandels »von 18,24 Millionen im Jahre 1940 auf 23,63 Millionen im Jahre 1941, also um rund 30% gestiegen« sei (Menz: BDB 31 (16.2.1942), S. 30). Für eine Auflistung dieser Studien vgl. Seite 234, Fußnote 140. Dazu u.a. Ulf Diederichs: Verleger im Schatten. Der Eugen Diederichs Verlag 1929 bis 1949. In: Buchhandelsgeschichte 3 (1999), S. 109f. Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt, S. 125–128. Schönrock: BDB 67 (19.3.1936), S. 253.

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sen‹ traf in Wirklichkeit nur auf die beschränkte Zeitspanne der wirtschaftlichen Depression von 1928 bis 1932 zu. Mit seinem Höchstwert von 25.439 Neuerscheinungen 1938 gelang es dem NS-Regime weder, den Produktionshochstand der Jahre 1925 bis 1930 zu erreichen (als zwischen 26.961 und 31.595 Neuerscheinungen veröffentlicht wurden), noch es den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg mit 32.998 (1911), 34.801 (1912) und 35.078 (1913) publizierten Buchtiteln gleich zu tun. Schließlich muss überlegt werden, ob und inwiefern die Produktionszahlen tatsächlich auf das Konto der NS-Buchförderungspolitik gehen. Weitaus bedeutungsvoller für die Einschätzung dieser Politik dürfte daher die Frage nach den Faktoren sein, die zum Aufstieg der Buchwirtschaft im Dritten Reich geführt haben. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern ›externe‹ Einflüsse wie die Wirtschaftskrise und der damit verbundene Niedergang des Buchwesens vor 1933, die kriegsbedingte Buchkonjunktur nach Kriegsbeginn und der privatwirtschaftliche Geschäftsgeist des Verlagswesens dazu beigetragen haben, dass das Regime trotz seiner großenteils repressiven Buchpolitik eine deutliche Verbesserung in der Buchwirtschaft propagieren und durchführen konnte. Besondere Aufmerksamkeit erhält dabei die Frage, wie die parteinahe Publizistik die Chancen und Vorteile, Spannungen und Hindernisse dieser Einflüsse rhetorisch zu verwerten versuchte.

2.3.1. Die Weltwirtschaftskrise (1928–1932) Die Wirtschaftskrise war eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die NS-Propaganda behaupten konnte, die »Zeiten des kulturellen Niedergangs«22 seien durch einen »großen Aufbauprozeß«23 überwunden worden. Einerseits erlaubte sie es der Diktatur, innerhalb von wenigen Jahren eine wesentliche Zunahme von Produktionszahlen und Verkaufsziffern herbeizuführen. Andererseits lieferte sie die nötige Munition, um eine scharfe Polemik gegen den liberal-kapitalistischen Geist zu führen, der in der Weimarer Republik nach nationalsozialistischer Ansicht auf einem absoluten Tiefpunkt angekommen war. Die Propaganda bediente sich in ihrer Argumentation reichlich bildungsbürgerlicher Deutungsmuster und illustrierte dabei erneut das für sie konstitutive Spannungsverhältnis von bildungsbürgerlicher Semantik und antibürgerlicher Zielsetzung. Der liberale Kapitalismus, so die Beweisführung, habe »an Stelle der Leitgedanken Mensch, Volk, Gott die Leitgedanken Wirtschaft, Produktion, Rentabilität« gestellt.24 Er habe einen »Zustand innerer Leere« geschaffen, die »menschliche Substanz zerstört«, »a u s Vol k M a s s e« gemacht und das »deutsche Buch« zum »sinnfälligen Ausdruck für die Kritiklosigkeit und Geschäftemacherei auf dem Gebiet des deutschen Kulturlebens«25 herabgewürdigt. Er habe auch dazu geführt, »daß in der Zeit

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W. Baur: BDB 69 (21.3.1936), S. 261. Krieg: BDB 7 (9.1.1934), S. 23. Hofmann: BDB 93 (24.4.1937), S. 24. Die folgenden Zitate sind ebd. Hofmann war Leiter des 1936 gegründeten Instituts für Leser- und Schrifttumskunde. Buhl: BDB 206 (5.9.1935), S. 723

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der großen Erwerbslosigkeit eine ungesunde und unnatürliche Steigerung der Lesehäufigkeit zu beobachten war«26 und damit eine »Vielleserei« herbeigeführt, die sich auf keinerlei Weise mit dem gesunden »Deutschlesen« vergleichen lasse.27 Damit habe er genau das Gegenteil des vom Nationalsozialismus propagierten Ideals bewirkt, das darin bestehe, eine ›innere‹ Beziehung zwischen dem ›guten Buch‹ und dem ›deutschen Volk‹ herzustellen. Auf diese Weise wurde die NS-Buchförderung unmittelbar gegen den »reinen Händlergeist[ ]« des »faulen, in allen Fugen krachenden, morschen liberalistischen Staates« der Weimarer Republik ausgespielt.28 Der Nationalsozialismus, so wurde propagiert, habe seinerseits einen »Wirbelwind der Revolution des Geistes« durch das Buchgewerbe wehen lassen, und »literarische Snobs« und »Suggestivreklame« hinweggefegt.29 Er habe eine Zeit herbeigeführt, in der allen »Volksgenossen, denen ein durch frühere Mißwirtschaft verschuldetes Geschick den Kauf eines Buches verwehrt« habe, »zum freudebringenden Besitz unvergänglichen wertvollen deutschen Schrifttums«30 verholfen wurde. Ideologisches Verantwortungsbewusstsein, so hieß es optimistisch, habe unter nationalsozialistischer Herrschaft die Logik der liberalen Marktwirtschaft endgültig ersetzt: Man kann niemandem mehr ein Buch aufschwätzen, weil […] der nationalsozialistisch erzogene Mensch unbestechlich und kühl nach den Grundsätzen seiner Weltanschauung einen Buchkauf tätigen wird. Buchwerbung wird etwas ganz anderes und viel mehr bedeuten in Zukunft als bisher. Nur die besten Bücher können auf besten Absatz rechnen und lohnen daher großzügigste Werbung.31

Dennoch bot die Weltwirtschaftskrise der Propaganda nicht nur die Möglichkeit zur wirtschaftlichen und kulturellen Selbstaufwertung des Regimes, sondern barg auch Risiken in sich. Wegen der trüben wirtschaftlichen Lage des deutschen Buchhandels musste sich das Bestreben der staatlichen Förderungsmaßnahmen in den Anfangsjahren auf den Wiederaufstieg des Buchhandels richten. »Kulturpolitik ohne gesunden wirtschaftlichen Unterbau ist«, so war klar, »eine Utopie«.32 Für die »Ve r b r eit u ng d e s Buch e s« bedürfe es einer »Ko n s ol id ie r u ng d es Buchhandels«,

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Dähnhardt: BDB 93 (24.4.1937), S. 9. Rumpf: BDB 11 (13.1.1934), S. 39 Krieg: BDB 7 (9.1.1934), S. 25. Ebd., S. 23f. Sippel: BDB 5 (7.1.1936), S. 17. Krieg: BDB 7 (9.1.1934), S. 23: »Tagesschlager, Weihnachtsschlager, Reiseschlager und wie diese lächerlichen Reklamebegriffe einer versunkenen Zeit alle heißen, wird es nicht mehr geben. Und das ist gut so, denn man hat damit das Buch zu einer elenden Ware herabgewürdigt und es auf eine Stufe mit Sommerhüten und Warenhauskonserven gestellt. Heute sehen wir an diesen Tatsachen erst mit voller Klarheit, wohin wir gekommen, wie tief wir gesunken waren mit unserer Auffassung vom Buch als Ware.« Höynck: BDB 98 (28.4.1934), S. 8.

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denn wir können nicht mit dauerndem Erfolg für das Buch, für die Zukunft arbeiten, wenn nicht der Apparat, besser gesagt das wirtschaftliche und geistige Gefüge des Buchhandels so instand gesetzt wird, daß eine ungehemmte Arbeit gewährleistet ist.33

Dieser notwendige Fokus auf die wirtschaftliche Seite des Buchwesens bewirkte einen offenen Konflikt zwischen dem kapitalistischen und dem ideologischen Verwertungsinteresse am Buch. Der literaturpolitische Lenkungsapparat sah sich mit dem Dilemma konfrontiert, dass er einerseits zur ›Wiedergesundung‹ des Buchhandels die Bedeutung des Buches als ›Wirtschaftsgut‹ in den Vordergrund rücken musste, andererseits aber dessen ›Kulturbedeutung‹ nicht relativieren durfte: [H]ier ergibt sich die wohl schwere, aber wichtige Aufgabe der Propaganda, nämlich der Öffentlichkeit den Begriff des Buches als Ware wieder deutlich zu machen, die im wirtschaftlichen Leben des Volkes eine ebenso wichtige Rolle spielt wie im geistigen. Natürlich muß nach wie vor das Schwergewicht auf das Kulturmoment gelegt werden, aber die wirtschaftliche, die Rentabilitätsfrage darf dabei nicht unterdrückt werden. Auch sie muß in der Öffentlichkeit in geeigneter Form plausibel gemacht werden.34

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, wurde jede Forderung an den Buchbetrieb konsequent als eine zweigliedrige formuliert. Der Buchhändler müsse sich im Klaren darüber sein, dass er einerseits »kultureller Mittler«, andererseits »Mitträger der nationalen Wirtschaft« sei.35 Der Buchhandel müsse »zu einer verstärkten und intensiven Werbung […] für das Buch als Wirtschaftsgut« übergehen, dürfe dabei aber nicht wie »im alten, liberalistischen Staate […] individuelle, nach rein kaufmännischen Erwägungen gewählte Wege« beschreiten.36 Die Buchwerbung sollte »Werbemittel[ ] und Werbeargumente[ ] anderer Wirtschaftsteile« übernehmen, ohne den »besonderen Charakter des Buches zu vergessen oder zurückzustellen«.37 Die literaturpolitischen Instanzen hegten die Hoffnung, diese Zwiespältigkeit mit der Erholung des Wirtschaftslebens allmählich beheben und den Fokus vom wirtschaftlichen auf den ideologisch-kulturellen Wert des Buches verlagern zu können. Karl Heinrich Bischoff, Leiter des Referats Buchhändlerische Erziehungsfragen in der Reichsschrifttumskammer,38 forderte im Börsenblatt am 29. Februar 1936 zur »kulturell und wirtschaftlich notwendigen Ordnungsarbeit« auf, sobald die »letzten Schäden liberalistischer Wirtschaftsführung überwunden« seien.39 Er schärfte dem Buchgewerbe ein, dass ihm »nicht das Einzelinteresse eines Verlages, einer Drucke-

33 34 35 36 37 38

39

Kretzschmar: BDB 228 (30.9.1933), S. 745. Kurt Kretzschmar war Leiter der Fachschaft Handel in der Reichsschrifttumskammer. Ebd., S. 745f. W. Baur: BDB 69 (21.3.1936), S. 261. Krieg: BDB 7 (9.1.1934), S. 24. E. Langenbucher: BDB 105 (7.5.1936), S. 416. Bischoff (1900–1978) war ebenfalls Referent des Sonderreferats Überwachung des schädlichen und unerwünschten Schrifttums in der Reichsschrifttumskammer. Als Leiter des Referats Buchhändlerische Erziehungsfragen war es seine Aufgabe, »die Mitglieder entsprechend den politischen und kulturellen Anforderungen des dritten Reiches auszurichten« (Reichskultursenator Hans Hinkel, zitiert nach: Klee: Kulturlexikon, S. 55). Bischoff: BDB 51 (29.2.1936), S. 191.

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rei, einer Buchhandlung« nützlich sei, »sondern allein das Gesamtinteresse« und die »gemeinsame Aufklärung eines durch bestochene Schreiberseelen und Interessenknechte lange Jahre hindurch falsch unterrichteten Volkes«40 von Bedeutung sei. Ein halbes Jahr später berichtete das Fachblatt der Buchhändler, »das Dritte Reich [habe] klar und eindeutig seinen Trennungsstrich zwischen Wirtschaft im allgemeinen und der Verbreitung von kulturellen Werken im besondern gezogen«.41 In den Folgejahren, als der Buchbetrieb wirtschaftlich als »[g]enesen«42 betrachtet wurde, machte sich im buchbezogenen Diskurs tatsächlich eine (wenigstens vorgetäuschte) Verlagerung vom wirtschaftlichen auf das ideologische Interesse bemerkbar. Wurde 1933 die »wohl schwere, aber wichtige Aufgabe der Propaganda« noch darin gesehen, »Verständnis für die wirtschaftliche Seite des Buchhandels« zu wecken,43 so wurden 1938 unter dem Titel Das Buch ist keine Markenware die »gegen die Markenwareneigenschaft des Buches sprechenden Gründe« aufgeführt.44 Aktionen wie In jedes Heim eine Heimbücherei (1938) und Wohnen mit Büchern (1940), die aus dem gelegentlichen Buchkäufer einen regelmäßigen machen sollte, wurden weniger wegen der voraussichtlichen Umsatzsteigerung, sondern vielmehr wegen ihrer Bedeutung für den Buchhändler als »Unterstützung seiner Erziehungsarbeit« begrüßt, »die sich nie auf das gelegentliche Empfehlen […] von Büchern beschränkte, sondern […] auf die dauernde Beratung der Bücherkunden ausgerichtet«45 sei. Beseitigt war die Spannung zwischen Marktware und Kulturwert damit allerdings nicht. Die Zielsetzung, Bücher »in Riesenauflagen in die breitesten Schichten unseres Volkes«46 zu tragen, forderte ironischerweise die wirtschaftliche Vermarktung von Literatur mit ihren liberalistischen Begleiterscheinungen geradezu herbei. »D a s g ut e d eut s ch e Sch r i f t t u m z u wo h l fei le n P r ei s e n f ü r d a s ga n z e Vol k! «, wie die »Kernforderung nationalsozialistischer Schrifttumspolitik« lautete,47 ging, so waren sich auch die zuständigen Instanzen bewusst, mit der Gefahr der ideologischen Entwertung des ›guten‹ Buches einher. So wurde die »Flut von Neuerscheinungen« einerseits zwar als Zeichen der ›Wiedergesundung‹ des Buchbetriebes begrüßt, andererseits wurde sie als eine »Überschwemmung« des Marktes betrachtet, die »das wenige Gute zu ersticken droh[e]«.48 Besonders dem wuchernden ›Konjunkturschrifttum‹,49 das sich nur scheinbar und aus kommerziellen Gründen an die neue nationalsozialistische Wirklichkeit und Ideologie angepasst hatte, wurde der Kampf angesagt. Die 1934 eigens für die Abwehr dieses Schrifttums eingerichtete Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze

40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

Ebd., S. 192. R. Baur: BDB 207 (5.9.1936), S. 765. [W.] Baur: BDB 69 (21.3.1936), S. 261. Kretzschmar: BDB 228 (30.9.1933), S. 745f. Schlemminger: BDB 4 (6.1.1938), S. 13. Langen: BDB 43 (20.2.1940), S. 59. R. Baur: BDB 207 (5.9.1936), S. 765. W. Sch.: BDB 283 (5.12.1936), S. 1066f. [o.V.]: NSB 1–2 (1940), S. 43. Vgl. dazu Kapitel 3.2.1.2.

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des deutschen Schrifttums widmete sich – vorgeblich im Interesse der deutschen Bevölkerung – der Aufgabe, »darüber zu wachen, daß das nationalsozialistische Ideengut nicht von Unberufenen verfälscht und in einer die breite Öffentlichkeit irreführenden Weise geschäftlich ausgewertet«50 werde: Ganz ohne Zweifel ist der Leserschaft auf den Magen geschlagen, daß sie nach dem Umbruch allzuviel und allzuheftig das Neue, die Weltanschauung und die Politik in der Form der Konjunktur-Produktion verdauen sollte. [...] Um so genauer sollten die Gründe untersucht werden, damit die Leserschaft ein Schrifttum erhält, das ebenso ansprechend und daher allein wirkungsvoll ist, wie es der großen politischen Zielsetzung dient.51

Allerdings stellten nicht nur die ›unerwünschten‹ Produkte »konjunkturausnutzender Nichtskönner«,52 sondern allein schon die Menge der produzierten Bücher die Literaturpolitik vor Schwierigkeiten. Hellmuth Langenbucher bedauerte in der Bücherkunde, die »Schreibfreudigkeit der deutschen Dichter und Schriftsteller« sei auf der einen Seite zwar »sehr erfreulich«, nehme auf der anderen Seite jedoch in dem Augenblick ungesunde Formen an, in dem die Quantität des neuerscheinenden Schrifttums ein Ausmaß erreicht, durch das […] die Wirkung qualitativ wertvoller Werke gefährdet wird. Es ist erfreulich, wenn sehr viele gute Bücher erscheinen, aber es ist schade, wenn man feststellen muß, daß die guten Bücher sich gegenseitig an der Wirkung hindern, weil die Fülle des Vorhandenen die Aufnahmefähigkeit des Volkes übersteigt.53

In einer Diktatur, die eine klare Leserlenkung vor Augen hatte, war mit anderen Worten auch ein Zuviel an ›guten‹ Büchern ›ungesund‹. Eine besonders schwierige Zeit für die Zensur stellten unter diesem Gesichtspunkt die Monate und Wochen vor Weihnachten dar, in denen es traditionell »[e]ndlose Sturzwogen von Büchern«54 gab. Das Börsenblatt publizierte 1935 über mehrere Nummern hinweg eine lebhafte Aussprache zu diesem Thema, bei der neben Langenbucher und Reinhold Vesper Kulturredakteure verschiedener Zeitungen55 zu Wort kamen und einschlägige Kommentare aus weiteren Zeitungen übernommen wurden. Alle Beiträge bezeichneten es als Kernproblem, dass der »Strom des Gedruckten«56 sowohl die berufsmäßige Auswertung als die Arbeit der literaturpolitischen Instanzen außer Kraft zu setzen drohe:

50 51 52 53 54 55

56

Manuskript für den internen Verkehr der Parteiamtlichen Prüfungskommission mit den Verlagen (zitiert nach: Barbian: Literaturpolitik, S. 298). Kaiser: NSB 3–4 (1939), S. 101. Maier: BK 1937, S. 276. H. Langenbucher: BK 1939, S. 187. Aufsatz über die Wiedererweckung der Buchfreude aus der Kölnischen Zeitung vom 23.12.1934 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 12 (15.1.1935), S. 43). Es ging um Heinz Steguweit als Kulturredakteur des Westdeutschen Beobachters, Bruno C. Werner als Leiter der Buchbeilage der Deutschen Allgemeinen Zeitung, Wilhelm Westecker als Leiter der ›Kritischen Gänge‹ der Berliner Börsenzeitung und C. A. Drewitz als Leiter des Kulturteils des Stuttgarter NS-Kuriers. Aufsatz von Franz Rodens über Der ›Büchermarkt‹ zu Weihnachten. Eine Mahnung an die Verleger aus dem Westdeutschen Beobachter vom 20.12.1934 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 12 (15.1.1935), S. 43).

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[W]ir [müssen] ehrlich zugeben, daß eine […] auf kulturelle Höhenführung unseres Volkes zielende und durchaus zu erstrebende Einflußnahme des Buchhandels bei der kurzfristigen Sp r i ng f lu t der Herbstneuerscheinungen gar nicht mehr im Bereiche des Möglichen liegt! [Wir] müssen […] offen bekennen, daß […] das Tatsächliche, das Wirkliche, doch zum Schluß immer wieder so aussieht: d a ß m a n üb e r d e n R a h m e n d e ss e n h i n a u s , wa s m a n a u s e ige n e r D u r ch si cht ke n nt , si ch au f s ei n Glü ck , au f s ei n Fi n g e rs p it z e ngef ü h l, au f d e n Au t o r, d e n Na m e n d e s Ve r l a ge s u n d wa s wei ß i ch s o n s t n o c h ve rl ä ß t !57

Hatte das Regime den Buchmarkt bereits weitgehend von jüdischer und staatsfeindlicher Literatur ›bereinigen‹ können, so konnte es offensichtlich nicht verhindern, dass dem Leser die Wahl zwischen von offizieller Seite gesichteter und ungesichteter Literatur und damit das »wa h l lo s e L e s e n«58 blieb, das sich nicht an ideologischen Werten, sondern am liberalistischen Gesetz der »geschicktesten Werbung«59 orientierte. Zeitungen und Fachzeitschriften zeigten auf, dass [w]eder der Buchhändler, noch der Kritiker, noch am Ende selbstverständlich der Käufer […] in der Lage [sei], eine leidliche Übersicht zu behalten oder zu gewinnen, sachgemäß auszuwählen, das Gute vom Schlechten zu scheiden.

Ironischerweise wurde dabei genau das als Problem erkannt, was in der Propaganda gegen den merkantilen Geist der Weimarer Republik als endgültig überwunden dargestellt wurde: »Die Au f l a ge manches guten und lebenswichtigen Buches ve r st a ub t […] in den Magazinen der Verlagshäuser,« so wurde beklagt, »während marktschreierisch angepriesene, leichtfertige Ware allzu schnell den Weg in die Leserschaft findet, um dort freilich Enttäuschen und Ärger hervorzurufen und bald vergessen zu werden.«60 »Nicht mehr das wird an die Öffentlichkeit herangebracht, was gesichtet, erprobt und gewertet ist,« hieß es, »sondern alles, was mit einem sogenannten interessanten Titel die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen vermag.« Die Diskussion gipfelte in der einmütigen Forderung, »die Buchproduktion möglichst gleichmäßig auf die zwölf Monate des Jahres zu verteilen, um den […] erschreckenden Massenandrang in den letzten Monaten jedes Jahres zu vermeiden«.61 Eine Verteilung der Neuerscheinungen über das ganze Jahr könne die »schädliche[ ] Springflut«62 der Neuerscheinungen verhindern und den literaturpolitischen Instanzen wie auch den einzelnen Akteuren des Buchbetriebs von der Buchherstellung bis zur Buchkritik eine »g r ü n d l ich e r e [ ]« und »ve r b e s s e r t e [ ]« Arbeit im nationalsozialistischen Sinne ermöglichen: 63

57 58 59 60 61 62 63

Vesper: BDB 12 (15.1.1935), S. 41. Ebd., S. 43. Aufsatz aus der Kölnischen Zeitung vom 23.12.1934 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 12 (15.1.1935), S. 43). Das folgende Zitat ist ebd. Franz Rodens im Westdeutschen Beobachter vom 20.12.1934 (zitiert nach: [o.V.]: BDB 12 (15.1.1935), S. 43). Das folgende Zitat ist ebd. Werner: BDB 54 (5.3.1935), S. 170. Westecker: BDB 54 (5.3.1935), S. 171. Vesper: BDB 12 (15.1.1935), S. 42.

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Wenn wir von einem Einsatz [des Buches] reden, so mag man daraus ersehen, daß der nationalsozialistische Schriftleiter das Buch nicht um des Buches willen schätzt und nicht nur literarische Leckerbissen seinen Lesern bringen will: er sieht vielmehr in der Pflege der Buchkritik eine große Möglichkeit politischer und kulturpolitischer Tätigkeit. […] Solch e i m h ö ch s t e n Si n n p ol it i s ch e, k u lt u r p ol it i s ch e A r b eit k a n n n icht i m St u r m , n ic ht nu r i n d e n we n ige n Wo ch e n vo r Wei h n a ch t e n g et a n we r d e n , so n d e r n sie mu ß n a ch d r ück l ich d a s ga n z e Ja h r a n d a ue r n . D e r Sch r i f t leit e r u n d s ei n e M it a r b e it e r m ü s s e n d ie Z eit h a b e n , s i c h i n a l l e we r t vol le n N e u e r s c h ei nu nge n z u ve r t i efe n , d a m it si e d e m g u t e n Bu ch r e ch t e F ü r s p r e ch e r s ei n kö n n e n .64

Die Tatsache, dass in den letzten Monaten des Jahres mit einer besonderen Kauffreudigkeit des Lesepublikums gerechnet werden konnte und die beschränktere Aufnahmefähigkeit in den übrigen Monaten keine günstige Voraussetzung für Neuerscheinungen abgab,65 erschwerte den angestrebten Ausgleich zwischen privatwirtschaftlichen und politischen Interessen. So wurde versucht, dem Buchhändler in wirtschaftlicher Rhetorik nahezulegen, es gehe »um mehr als nur um die Rente einer wirtschaftlich angelegten Summe«;66 die »Rente des anständigen Schrifttums« werde »i m m e r b e s s e r s ei n a l s d ie Re n t e s olch e r Büc h e r, d ie kei n M e n s c h vo r h e r du r ch le s e n k a n n u n d d e r e n E r folg d a n n m e h r o d e r we n ige r Glück s s a ch e i st . « Zugleich wurde ihm die Einfuhr eines Bonussystems versprochen, um durch ›verantwortungsvolle‹ Arbeit entstandene wirtschaftliche Verluste zu kompensieren. Es werde dafür sorgen, dass Verleger wertvoller Werke, die schon in den ersten Monaten des Jahres für unsere Erarbeitung zur Verfügung stehen, beim Herbst- und Weihnachtsgeschäft besser abschneiden als diejenigen, die […] immer nur ängstlich die Rente ihres Kapitals im Auge behalten.

Während die Diskussion um den Warencharakter des Buches nach dem Aufstieg des Buchhandels an Schärfe verlor, blieb zwischen dem ideologischen und marktökonomischen Interesse am Buch bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft ein inhärenter Konflikt bestehen. Weiterhin musste gewarnt werden, dass die Buchwoche »keine bloße Werbeaktion«67 sei. Der Buchhändler wurde aufgefordert, die Mitte zwischen wirtschaftlichen und ideologischen Interessen zu finden: Ein himmelblauer Idealist wird als Verleger ebenso wenig seine wirkliche Aufgabe erfüllen wie der reine Kapitalist, der eine geht an der Wirklichkeit vorbei und wirkt fahrlässig schädlich, der andere lässt sich von der schlechten Wirklichkeit unterjochen, liebedienert ihr und wirkt absichtlich schädlich.68

Mit dem andauernden Krieg vergrößerte sich die Diskrepanz zwischen Wirtschaft und Weltanschauung erneut, als, wie im Februar 1942 der Hauptschriftleiter des Börsenblatts feststellte, Buchhändler angesichts des Mangels an Büchern kaum noch

64 65 66 67 68

Drewitz: BDB 54 (5.3.1935), S. 169. [Die Schriftleitung]: BDB 12 (15.1.1935), S. 43. Vesper: BDB 12 (15.1.1935), S. 42. Die folgenden Zitate sind ebd. Schulz: BDB 262 (10.11.1938), S. 875. Göpfert: BDB 93 (24.4.1937), S. 29.

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beratend tätig sein konnten und das Buchgeschäft zum »bloßen Handel mit Büchern« verkam.69 Eine besondere Verschränkung vom Buch als Sach- und Kulturwert ergab sich dadurch, dass die deutsche Bevölkerung ihr Geld im Krieg in Büchern anlegte, weil diese zu den wenigen Waren mit Investitionswert gehörten, die noch ohne Marken erhältlich waren.70

2.3.2. Die Kriegsjahre (1939–1945) Vom 1. September 1939, dem Tag des deutschen Einmarsches in Polen, bis zum 4. August 1942, wenige Monate vor seinem Tode in Treblinka, führte der Warschauer Jude Chaim A. Kaplan ein Tagebuch, in dem er die täglichen Ereignisse des Lebens in der NS-Zeit vor allem in Polen registrierte. Am 23. Dezember 1939 berichtete er anlässlich eines Zeitungsartikels beunruhigt über die Bedeutung des Buches im Dritten Reich: Die ›Deutsche Allgemeine Zeitung‹ berichtet in einem Artikel mit der Überschrift ›Bücher, Bücher, Bücher‹ über die Lesewut, die ganz Deutschland ergriffen hat. Die Deutschen sind einfach versessen auf Bücher. Vor jedem Buchladen warten die Menschen in langen Schlangen auf den Moment, in dem sie sich ein Buch kaufen können. Sie hungern nicht nach Essen, nicht nach Trinken, nicht nach irgendwelchen materiellen Gütern, sondern nach dem deutschen Schriftsteller. Auflagen von Zehntausenden von Büchern werden binnen weniger Tage ausverkauft, und die Verleger können der ungeheuren Nachfrage nicht nachkommen, einer Nachfrage, die selbst während der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg nicht ihresgleichen hatte. Infolge des Gedränges und der Überflutung in den Buchgeschäften muß die Polizei zur Verhütung von Unfällen eingreifen und die Schließung gewisser Geschäfte um die Mittagstunde anordnen. In solchen Fällen hängt der Ladeninhaber vor sein Geschäft ein Schild des Inhalts, daß der Laden auf polizeiliche Anordnung infolge zu großen Andrangs geschlossen werden musste, und die draußen Wartenden kehren enttäuscht und mit leeren Händen heim, nur um am nächsten Morgen wiederzukommen und ihr Glück aufs neue zu versuchen. Die Bestellungen der Kunden werden nur zum Teil ausgeführt; wenn jemand vier Exemplare bestellt, erhält er zwei. Offenbar sind Drucker und Buchbinder nicht in der Lage, dieser gigantischen Forderung, die laut schreit »Gib mir! Gib mir!« nachzukommen. Deutschland ist ein Irrenhaus geworden, es ist verrückt nach Büchern.71

Kaplan wertete die Lesewut im Dritten Reich als ein besorgniserregendes Zeichen für die umfassende Macht der Diktatur, weil der »Nazi […] sowohl das Buch wie das Schwert« habe. Dabei stellt sich die Frage, ob und inwiefern dem Regime mit dieser spektakulär angestiegenen Nachfrage nach Büchern, die das Angebot bei Weitem überstieg, tatsächlich gedient war. Geschildert wird in dieser Nachricht eine Buchkonjunktur, die weniger vom Regime als vom Krieg erzeugt wurde, und auf

69

70 71

Bericht zur Wirtschaftslage des Buchhandels von Gerhard Menz (zitiert nach: Florian Triebel: Kultur und Kalkül. Der Eugen Diederichs Verlag 1930–1949. Diss. Konstanz 2001, S. 205). Vgl. dazu auch das nachfolgende Kapitel. Zitiert nach: Abraham I. Katsh (Hg.): Buch der Agonie. Das Warschauer Tagebuch des Chaim A. Kaplan. Leipzig 1965, S. 107f. Das folgende Zitat ist ebd.

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deren Konsequenzen die Lenkungsinstanzen vielfach reagieren mussten. Im Folgenden wird ein Blick auf diese Interaktion zwischen Krieg und Buchpolitik geworfen und gleichzeitig auch die zentrale Rolle eines dritten Akteurs, nämlich des privatwirtschaftlichen Buchbetriebs, einbezogen. Es wird untersucht, inwiefern Krieg und Privatwirtschaft die nationalsozialistische Buchförderungspolitik und -propaganda sowohl gefördert als auch behindert haben. Der Zweite Weltkrieg nahm, genauso wie der Erste Weltkrieg,72 einen entscheidenden Einfluss auf den Lesebedarf und die Kaufhaltung der deutschen Bevölkerung. Hellmuth Langenbucher beobachtete für das erste Kriegsweihnachten in einer den Kriegsumständen angepassten Terminologie einen »Ansturm auf die Buchhandlungen«, der »alles Gewohnte übertraf« und »das Buch in eine Stellung [rückte], die man ihm trotz hochgespannter Erwartungen nicht vorauszusagen gewagt hätte.«73 Sein Bruder, Erich Langenbucher, fügte diesem Befund zwei Wochen später hinzu, zwar möge »mancher Buchhändler in den ersten Septembertagen des vergangenen Jahres« an den Satz gedacht haben, »Wo die Schwerter sprechen, da schweigen die Musen«, dennoch hätten die dann kommenden Wochen und Monate, besonders aber das Weihnachtsgeschäft im Buchhandel, […] diesen wenigen gezeigt […], daß für uns der Satz keine Gültigkeit mehr hat, sondern daß er vielmehr eine Umkehr erfuhr, die das Wort vom Buch als einem Schwert des Geistes in ein ganz neues Licht rückte.74

Im Januar 1941 hielt auch Gerhard Menz im Rückblick auf das Weihnachtsgeschäft fest, dass die Vorräte nicht ausgereicht hätten und die Nachfrage bis um das Fünffache das lieferbare Schrifttum überstiegen habe.75 Allein schon dadurch, dass die Zivilbevölkerung durch Sperrstunde und Verdunklungsmaßnahmen »wieder mehr Zeit als früher« hatte, »sich mit dem Buch zu beschäftigen«,76 stieg das Leseinteresse an, ohne dass sich das Regime dafür große Mühe geben musste: Viele Menschen in den großen Städten, die früher Abend für Abend zu irgendwelchen ›Verabredungen‹ oder Geselligkeiten auf dem Weg waren, sind in diesen Tagen, vielleicht seit Jahren wieder, z u i h r e n Bü c h e r n z u r ü ck ge ke h r t . Man kann es erleben, daß Bekannte, die sonst überall ›dabei‹ sein mußten, voller Stolz erzählen, sie hätten gestern abend, durch die Verdunkelung ans Heim gebunden, in Goethes ›Wahlverwandtschaften‹ oder in Kellers ›Grünem Heinrich‹ gelesen – zum erstenmal wieder, seit sie vor zehn oder dreißig Jahren sich in der Prima damit befassen mußten.77

72 73 74 75

76 77

Vgl. Natter: Literature at War; Ehringhaus: Lektüre unserer Frontsoldaten. H. Langenbucher: BDB 31 (6.2.1940), S. 41. E. Langenbucher: BDB 43 (20.2.1940), S. 57. Vgl. Menz: BDB 11 (14.1.1941), S. 15. Menz (1885–1954) war Professor für Buchhandelsbetriebslehre. Bis Juni 1933 war er daneben auch Hauptschriftleiter des Börsenblatts für den deutschen Buchhandel und bis 1945 Sachverständiger für Ausbildung und Wirtschaftsfragen in der Geschäftsstelle des Börsenvereins (vgl. Klee: Kulturlexikon, S. 405; Barbian: Literaturpolitik, S. 215). Wilhelm Haegert (zitiert nach: ders.: BDB 94 (23.4.1940), S. 150). [o.V.]: BDB 242 (17.10.1939), S. 692. Das Börsenblatt zitiert hier zur Illustrierung der Be-

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Darüber hinaus übernahm der Buchhandel, wie Lokatis andeutet, die »so angenehme wie volkswirtschaftlich bedeutsame Aufgabe, kriegsbedingte Nachfrageüberhänge abzuschöpfen«.78 Illustrativ ist hier ein Fragment aus der Korrespondenz zweier Autoren der Hanseatischen Verlagsanstalt vom 22. März 1940: Das Publikum kauft […] Bücher wie wild. Wie kommt das? fragte ich einen schmunzelnden und gedeihenden Verleger. Welche Ursache hat die merkwürdige Erscheinung, daß die deutschen Verleger die Kriegsgewinnler dieses Krieges sind? Er entsiegelte mir das Geheimnis mit den Worten: Bücher gibt’s ohne Marken und Punkte.79

Am 16. Oktober 1940 registrierte der Sicherheitsdienst, dass durch Bevölkerungsgruppen, die vorhin wenig oder keinen Kontakt zu Büchern gehabt hätten, »oft verhältnismäßig große Geldbeträge für Buchkäufe«80 ausgegeben würden. Am 26. Februar 1942 hielt auch Goebbels in seinem Tagebuch fest, Leute würden »sich gerade auf den Buchmarkt werfen«, um »ihr überschüssiges Geld los[zu]werden« (»Für einen anständigen Menschen ist kaum noch ein Buch zu kaufen. Ich werde hier bei Gelegenheit entsprechende Gegenmaßnahmen treffen«). Neben der Heimat wurde – wiederum ähnlich wie im Ersten Weltkrieg – auch an der Front ein »Heißhunger nach Büchern und Schrifttum«81 diagnostiziert. Regimenahe Zeitschriften wie das Börsenblatt und die Bücherkunde bestätigten nach Kriegsausbruch mit großer Regelmäßigkeit den »ständig anhaltende[n] Hunger unserer Soldaten nach geistiger Kost«,82 genauer nach dem Buch, das dem Soldaten »die nervenaufreibende Zeit des Wartens angenehmer macht, das zu seiner Unterhaltung beiträgt und nicht zuletzt ihn in seinem Kampf- und Siegeswillen stärkt und unterstützt«.83 Immer freuen wir Buchhändler uns, daß der geistige Nachschub rollt. Gewiß sind Frontbuchhandlung und Bücherkiste, die öfters einmal zu uns kommen, nur Tropfen auf den heißen Stein. Jedoch können wir es immer wieder erleben, wie sich unsere Kameraden mit Heißhunger auf die dargebotenen Schätze stürzen.84

Die literaturpolitischen Instanzen zeigten sich keineswegs bereit, das gesteigerte Lesebedürfnis lediglich dem Krieg zuzuschreiben: Es ist gelegentlich behauptet worden, dieses starke Anwachsen der Buchkäufer habe nur äußere Ursachen, so etwa die abendliche Verdunkelung. Es sei gerne zugegeben, daß mancher, der in früheren Zeiten seine Abende anders verbrachte, jetzt zum Buch greift. Doch ist

78 79 80 81 82 83 84

deutung des Buches aus einem Artikel der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 5. Oktober 1939. Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt, S. 126; Triebel: Kultur und Kalkül, S. 200f. Ebd. Es geht hier um einen Brief von Wilhelm Stapel an Rudolf Huch. Geheimes Lagerbericht des Sicherheitsdiensts vom 16.10.1940 (zitiert nach: Boberach: Meldungen aus dem Reich. Bd. 5, S. 1576). Utikal: BK 1940, S. 29. Payr: BK 1944, S. 101. Utikal: BK 1940, S. 29. Rosenau: BDB 18 (4.3.1944), S. 35.

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dieser Aufschwung auf dem Buchmarkt nicht allein mit diesen Äußerlichkeiten zu erklären. Die Wurzel liegt tiefer.85

Dementsprechend wurde die Buchkonjunktur als Beleg für Deutschlands gehobenen Kulturstand gedeutet und als Erfolg der staatlichen und parteiamtlichen Werbemaßnahmen für das deutsche Buch dargestellt: Eines der wichtigsten kulturellen Güter, denen wir in den vergangenen Jahren unseres nationalsozialistischen Aufbaus unsere besondere Fürsorge haben angedeihen lassen, war und ist das deutsche Buch. Es hat seit der Machtübernahme einen wahrhaft stolzen Aufstieg angetreten; und wenn sich gerade im Kriege das ganze deutsche Volk in noch nie dagewesener Weise zu den Werten seiner Dichtung bekennt, so ist das der stolzeste Beweis für den Erfolg unserer systematischen Buch- und Kulturpflege in den vergangenen Jahren.86

Darüber hinaus wurde das kulturelle Leben der ersten Kriegsjahre – ähnlich wie die Klassikerlektüre87 – als wirksames Argument gegen den internationalen Vorwurf des ›Kulturbarbarismus‹ verwendet, wie der Medienexperte Ernst Herbert Lehmann in seiner Schrift Die Zeitschrift im Kriege (1940) zeigt: Unsere Feinde behaupten ja in ihren Artikeln so gern – sie taten es übrigens schon im Weltkrieg –, daß in Deutschland das wildeste Barbarentum herrsche und der geistige Mensch hier ein kümmerliches Dasein friste. Jene Propaganda arbeitet ja so gern mit dem scheinheiligen Schlagwort, daß gegenüber dem Nationalsozialismus die Kultur der Menschheit verteidigt werden müsse. So sind unsere kulturpolitischen Organe in dieser Zeit nicht nur innenpolitisch wichtig, sondern sie künden auch im Ausland von dem regen kulturellen Leben Deutschlands, das selbst im Kriege keine Unterbrechung erfährt.88

Der Krieg wurde vor diesem Hintergrund von einem zerstörerischen Ereignis in einen Beleg für Deutschlands »gesteigerten Kulturwillen«89 umgedeutet. Er sei für die deutschen Dichter der »große Anreger neuen Schaffens« schlechthin90 und verleihe ihnen, wie Goebbels am Beispiel von Eberhard Wolfgang Möller notierte, die »tiefe[n] und nachhaltige[n] Eindrücke«,91 die ein Dichter brauche. Dichter, so auch Heinz Kindermann, gewännen erst »im Gegenüber des Todes ihre Reife«.92 »Wir sind stolz darauf,« berichtete Wilhelm Haegert auf der Hauptversammlung des Börsenvereins in unmissverständlichem Angriff auf England,

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E. Langenbucher: BDB 43 (20.2.1940), S. 57. Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches vom 26.10.1941 (zitiert nach: Joseph Goebbels: Das Eherne Herz. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1941/42. München 1963, S. 65). Vgl. dazu Kapitel 1.1.1. Lehmann: Zeitschrift im Kriege, S. 43. Diese Art von Propaganda wurde auch im Ersten Weltkrieg geführt, der zum ›Kulturkrieg‹ stilisiert wurde (vgl. Natter: Literature at War; Eckart Koester: Literatur und Weltkriegsideologie. Positionen und Begründungszusammenhänge des publizistischen Engagements deutscher Schriftsteller im Ersten Weltkrieg. Kronberg/Ts. 1977). Erckmann: BDB 243 (17.10.1940), S. 376. [o.V.]: BDB 69 (22.3.1941), S. 107. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 13.6.1940. Kindermann: BK 1942, S. 142.

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daß die deutsche und europäische Kulturarbeit auch im Kriege in Deutschland weitergeführt wird. Wenn englische Blätter, wie »Daily Express« behaupten, daß es so etwas wie Kultur im Kriege überhaupt nicht gibt, so mag das für England stimmen, für das deutsche Volk trifft es jedenfalls nicht zu.93

Von dieser geistigen Gegenüberstellung war es nur ein kleiner Schritt zur These von Deutschlands geistiger Überlegenheit. Nicht zufällig, so hieß es beispielhaft in der Bücherkunde, sei »in England und Frankreich im Gegensatz zu Deutschland keine wesentliche Kriegslyrik entstanden«, da sie ja das »untrügliche Zeichen« sei »für das Schicksalsgefühl eines Volkes, für die Tiefe seines Gefühls wie für die Härte des Willens, die es im Kriege einsetzen kann und wird«.94 In Deutschland, so kündete im selben Stil das Börsenblatt, setze der Krieg schöpferisches Potential frei, das die »gesundgebliebene geistige Haltung unseres Volkes in dieser Kriegszeit« zeige und die »Kraft unseres Volkes unter Beweis stelle[ ], die das kommende Europa gestalten wird.«95 Besonders im Hinblick auf die Front wurde der Krieg als eine vorzügliche ideologische (und aus Sicht des Buchhandels auch wirtschaftliche) Gelegenheit erkannt und genutzt, um die Zielsetzung, möglichst viele Volksgenossen ans Lesen zu bringen, weiter zu realisieren: [D]raußen im Felde werden viele vielleicht zum erstenmal in ihrem Leben mit dem Buch in Berührung kommen und sei es nur, daß sie die Langeweile der Etappe dazu bringt. Wenn es hier gelingt, die Freude am Lesen zu wecken, dann wird dieser Soldat auch zu Hause dem Buch treu bleiben, wenn er wieder seinem Beruf nachgeht. […] Dann wird auch der »einfache Mann«, auf den es in der Zukunft so sehr ankommen wird, vertrauen fassen und insgeheim denken: Nun, so übel ist der Büchermensch ja gar nicht, man kann ihn daheim schon mal aufsuchen.96

Gleichzeitig bot die Abhängigkeit der Soldaten von der Literaturzufuhr aus der Heimat die Möglichkeit, die Lektüre der Frontsoldaten zu lenken und zwar in Richtung dessen, was die unterschiedlichen Instanzen97 für ›das gute deutsche Buch‹ hielten: »Denn greift der Soldat überhaupt erst zum Buche, so besteht ja die Möglichkeit, ihn nach dieser oder jener Richtung hin zu lenken.«98 Verschiedene Initiativen wie u.a. ein Aufruf zu einem Schaufensterwettbewerb für Buchhändler sollten dem Zweck dienen, »der Öffentlichkeit die Bücher zu zeigen, die in besonderem Maße geeignet sind, den Weg zu unseren Soldaten zu gehen.«99 Die Werbeplakate zu den Buch-

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Zitiert nach: BDB 94 (23.4.1940), S. 151f. Haegert war Leiter der Abteilung Schrifttum im Propagandaministerium. Westecker: BK 10 (1940), S. 286. Erckmann: BDB 243 (17.10.1940), S. 376. Haas: BDB 269 (18.11.1939), S. 726. Ähnliche Befunde gibt es für den Ersten Weltkrieg vgl. u. a. Natter: Literature at War, S. 146ff.; Ehringhaus: Lektüre unserer Frontsoldaten, S. 137. Für auseinanderstrebende Auffassungen im NS-Lenkungsapparat vgl. Kapitel 3.4.2. Hans Joachim Kuhm: Das Buch im Felde. Aus zwei Feldpostbriefen. In: BDB 23 (27.1.1940), S. 31. E. Langenbucher: BDB 43 (20.2.1940), S. 58.

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Feldpostsendungen enthielten nicht nur Goebbels’ Parole »Sendet Bücher an die Front!«, sondern spornten die ›Volksgenossen‹ auch an, sich vom Buchhändler bei der Zusammenstellung der Pakete beraten zu lassen: »Deine Buchhandlung hilft Dir bei Auswahl und Versand von Feldpostsendungen.«100 Dazu wurden zwischen 1939 und 1941 drei Buch-Feldpostlisten aufgestellt, die werbestrategisch zum Weihnachts- oder Osterfest herausgegeben wurden. Diese in hohen Auflagen vom Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum und dem Amt Schrifttumspflege verteilten Auswahlverzeichnisse, auf die in Presse und Rundfunk wiederholt hingewiesen wurde, sollten als »wertvolle[ ] Ratgeber für jeden einzelnen Buchkäufer« fungieren. Dem Buchhandel wurden diese Listen als kriegsentscheidend dargestellt, indem strategisch auf das »sonderbare und erschreckende Bild« des Ersten Weltkrieges hingewiesen wurde, als die »Frontsoldaten, die ausgezogen waren, um die Heimat zu schützen, Werke in den Händen hielten, die durchaus nicht geeignet schienen, echten kriegerischen Trieb zu pflegen«:101 In einem Kriege, der über das Sein oder Nichtsein einer Nation entscheiden kann, hätte man, das wissen wir heute, die Versorgung des Soldaten mit geistiger Nahrung nicht dem Zufall und noch weniger dem Geschäftsinteresse überlassen dürfen.

Zugleich wurde die Lenkung – eine Legitimationsstrategie, die auch schon bei den Buchwochen beobachtet wurde – als eine Rücksichtsnahme auf die Wünsche der Soldaten selbst präsentiert: [Der deutsche Soldat] will nicht nur Zerstreuung, Ablenkung, er will nicht nur Abenteuerromane und billigen Schund, e r w i l l ei n g u t e s Bu ch , ei n Bu ch , d a s i h m et wa s g ib t . Natürlich will er viel Humor, aber auch das andere […].102 Man darf nicht ohne weiteres anzunehmen, daß der Soldat nur leicht e Kost will. In der dienstfreien Zeit nimmt er gern ein Buch, das seinen Geist nicht nur anregt, sondern das auch zum Nachdenken zwingt und dadurch den Gedanken eine Richtung gibt, die von dem Kriegsgeschehen für kurze Zeit ablenkt, und aus dem er Freudigkeit für weiteren Einsatz schöpfen kann.103

Während also die kriegsbedingte Buchkonjunktur einerseits vielfältige Chancen für die Selbstdarstellung des Dritten Reichs als Kulturnation, für die Erschließung neuer Leserkreise und die ›Erziehung‹ der deutschen Bevölkerung zum ›guten Buch‹ schuf, so stellte sie die Lenkungsinstanzen genauso sehr vor Herausforderungen, Probleme und Hindernisse. Zum einen sahen geschäftstüchtige Verlage im Krieg ein profitables Geschäft und trugen damit erheblich zu den Spannungen zwischen Privatwirtschaft und Politik, Marktrationalität und Ideologie bei. Inwiefern sich die gesteigerte Buchproduktion

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Wa.: BDB 285 (7.12.1939), S. 749. Das folgende Zitat ist ebd. Vogel: BDB 256 (1.11.1941), S. 378. Das folgende Zitat ist ebd. Lorch: BK 1940, S. 33. Boysen: BDB 57 (22.7.1944), S. 127.

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marktwirtschaftlichem Profitgeist zuschreiben lässt und wie sich politische und wirtschaftliche Interessen im Krieg vertrugen, wird in Kapitel 2.3.2.1. untersucht. Zum anderen nahmen mit dem fortschreitenden Krieg die wirtschaftlichen Probleme zu, und es mussten dauernd Maßnahmen getroffen werden, um Probleme der Papier- und Rohstoffknappheit, des Personalmangels und der immer größer werdenden Kluft zwischen Nachfrage und Angebot bestmöglich zu lösen.104 Ab Januar 1940 mussten Verlage ihren Papierverbrauch registrieren. Mitte 1941 wurden sie verpflichtet, für jeden Buchtitel gesondert einen Antrag auf Papierzuteilung zu stellen.105 Im August 1942 ging das Propagandaministerium dazu über, Arbeitskräfte aus nichtkriegswichtigen Verlagen für die Rüstungsindustrie einzuziehen. Seit Beginn 1943 wurden wegen des gravierenden Papiermangels wiederholt kurzfristige Papierantragsperren verkündet. Im Februar 1943 wurde im Rahmen des ›totalen Krieges‹ die Stilllegung von mindestens 1.200 Verlagen beschlossen.106 Inzwischen wurden auch immer mehr Verlage, Druckereien, Lagerräume, Sortimente und Büchereien durch Bombenangriffe zerstört.107 Besonders die Zerbombung des graphischen Viertels in Leipzig vom 4. Dezember 1943 fügte den deutschen Verlagen schwere Verluste zu.108 Ebenfalls im Dezember wurde die Herstellung gebundener Bücher untersagt. Zum 1. April 1944 wurden drei Dringlichkeitsstufen für Druckaufträge eingeführt und die Buchproduktion immer mehr auf die höchst notwendigen kriegswichtigen Wehrmachtsaufgaben eingeschränkt.109 Ab August 1944 wurde die Neupublikation von Belletristik untersagt110 und der »totale[ ] Kriegseinsatz der Kulturschaffenden«111 verkündet, der 104

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Für eine detailliertere Beschreibung dieser Probleme und Maßnahmen sei auf folgende Studien verwiesen: Triebel: Kultur und Kalkül, S. 193–206, S. 243–257; Barbian: Literaturpolitik, S. 703–732. Barbian: Literaturpolitik (1993), S. 239f. Barbian: Literaturpolitik, S. 724–729. Diese Maßnahme wurde in der Praxis nur zögernd durchgeführt. Vgl. exemplarisch das Dokument Übersicht der Sortimentsbuchhandlungen von Königsberg (Pr) nach den Terrorangriffen vom 27. und 31. August 1944 mit einem Stand von 18 völlig ausgebombten Betrieben und drei noch betriebsfähigen Buchhandlungen (BArch R56/V/152/73). Vgl. Niels Diederichs in seinem privaten Tagebuch am 17.12.1943: »Gestern war ich in Leipzig, um die durch den Terrorangriff vom 4.12 verwüstete Stadt selbst anzusehen und nachzuschauen, was unsere Druckereien und Buchbindereien machen. Alle Berichte vom Hörensagen geben so leicht ein falsches Bild, meist wird stark übertrieben. Hier aber läßt es sich nicht leugnen: der Kern von Leipzig ist weitgehend zerstört. Nur die Außenmauern der Gebäudekomplexe stehen, Decken und Zwischenwände sind eingestürzt, und die wertvollen großen Druckmaschinen liegen zerknüllt und zerschunden am Boden…« (zitiert nach: Diederichs: Verleger im Schatten, S. 148). Gentz: BDB 22 (18.3.1944), S. 43. Günther Gentz war der Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer. Schreiben von Gentz an den Präsidenten der Reichskulturkammer vom 14.12.1944 zum Thema »Totaler Mobilmachung« (BArch R56/V/152/12). Schreiben von Goebbels an den Präsidenten der Reichsschrifttumskammer zum Thema »Freistellung von Kulturschaffenden für die Wehrmacht und die Rüstungsindustrie« vom 24.8.1944 (BArch R56/V/152/126); Schreiben der Reichskulturkammer an die Reichsschrifttumskammer zum Thema »Stillegung [sic] von Verlagen und Buchhandlungen« vom

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u. a. zur »totalen Mobilmachung des Buchhandels«112 und zum »totalen Kriegseinsatz auf dem Gebiet der Reichskulturkammer«113 führte. Ende Oktober 1944 waren nach einem internen Aktenvermerk des Propagandaministeriums 90 Prozent aller Verlage geschlossen und die Papierlage »unerwartet schlecht«.114 Im Dezember 1944 wurde mit einer nochmaligen Kürzung des Papierkontingents um 40 Prozent gerechnet.115 Im Februar 1945 wurde schließlich eine »totale Produktionssperre für das gesamte Buchgewerbe« erlassen.116 Während der Buchbedarf in den Kriegsjahren also unaufhörlich anstieg, ging die Produktion, Kontrolle, Verteilung und Verfügbarkeit von Büchern ebenso stetig zurück. In Kapitel 2.3.2.2. wird untersucht, wie die Buchförderungspolitik auf diese kriegsbedingten Einschränkungen reagierte. 2.3.2.1. Buch- und Branchenkonjunktur Am 12. Juni 1942 vermerkte Goebbels stolz in seinem Tagebuch den unerwarteten Anstieg der Buchproduktion im dritten Kriegsjahr: Außerordentlich erfreulich ist ein Bericht über die Buchproduktion im Jahre 1941. Danach ist diese trotz der beengten Papierlage um einen hohen Prozentsatz gestiegen. Niemals

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1.12.1944 (BArch R56/V/152/14); undatierter Plan zur Durchführung des totalen Krieges im Sektor Schrifttum (BArch R56/V/152/151f.). Aus: Merkblatt zur totalen Mobilmachung im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel am 9.9.1944 (vgl. BArch R56/V/152/98–100 u. 127–130). Ebenfalls: Korrespondenz zur »Umstellung des Buchhandels auf die totale Mobilmachung« in den Akten der Reichsschrifttumskammer vom August und September 1944 (BArch R56/V/152/57f.). Einem undatierten, internen Dokument des Propagandaministeriums zufolge sollte von der Gruppe Buchhandel die Hälfte der 30.000 tätigen Personen für Wehrmacht und Rüstung freigegeben werden (BArch R56/V/152/151; vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 722–732). Schreiben an den Präsidenten der Reichskulturkammer vom 6.10.1944 (BArch R56/V/152/34). Die kammerpflichtige Tätigkeit von Einzelhandelsgeschäften wurde auf Kriegsdauer stillgelegt, was bedeutet, dass diese »verlagsneues Schrifttum im Preise von mehr als 50 Pfennig nicht mehr verkaufen« durften (Schrifttum unter 50 Pfennig war nicht zensurpflichtig, vgl. Kapitel 3.2.1.1.). Als Ausnahme galten Kinder- und Malbücher, deutschsprachige Bibeln, Gesang- und Gebetbücher und Volksschulbücher. Aus: Aktenvermerk über die Besprechung im Ministerium! (Referentenbesprechung bei Herrn Haegert, Dienstag den 24. Oktober 1944) vom 25.10.1944 (BArch R56/V/152/23). Nach einem internen Aktenvermerk vom 3.8.1944 (BArch R56/V/152/177) und einem Schreiben von Gentz an Goebbels vom 7. August 1944 (BArch R56/V/152/172) sollten von den 1.800 noch arbeitenden Verlagen insgesamt 220 bestehen bleiben. Weiteren internen Akten des Propagandaministeriums zufolge waren am 17. Oktober 1944 bereits 1.245 Verlage, 1.378 Sortimenter, 548 Versandbuchhandlungen, 137 Zwischenbuchhandlungen, 4.077 Verkaufsstellen, 745 Leihbüchereien und 101 nebengewerbliche Leihbüchereien geschlossen und 2.973 Ausweise für Freistellung vom Arbeitseinsatz ausgestellt worden (BArch R56/V/152/27). Bis zum 13. November 1944 hatten sich die Zahlen erneut erhöht (BArch R56/V/152/20). Schreiben von Gentz an den Präsidenten der Reichskulturkammer vom 6.12.1944 zum Thema »Stillegung [sic] von Verlagen und Buchhandlungen« (BArch R56/V/152/13). Triebel: Kultur und Kalkül, S. 245.

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stand das deutsche Kulturleben so in Blüte wie jetzt im dritten Jahr des Krieges. Es ist fast, als vollzöge sich hier ein Wunder.

Die Notiz war keine substanzlose Propagandaformel für die Nachwelt. Wie Lokatis 1992 in seiner Studie zum politischen Buchmarketing im Dritten Reich bestätigt, erlebte der deutsche Buchbetrieb in den ersten Kriegsjahren tatsächlich seine besten Jahre. Der Bertelsmann Verlag war eines der deutlichsten Beispiele dieses Erfolgs. Zwischen 1939 und 1941 verachtfachte das Unternehmen seinen Umsatz gegenüber der Vorkriegszeit, während sich sein Gewinn im selben Zeitraum verdreißigfachte.117 Das »Wunder« der angestiegenen Buchproduktion, das Goebbels mit der Kultiviertheit und inneren Wehrhaftigkeit der deutschen Bevölkerung verbindet, war in Wirklichkeit das Ergebnis einer Kombination von kriegsbedingter Hochkonjunktur, literaturpolitischen Maßnahmen und vor allem auch marktwirtschaftlicher Logik. Dass im Dritten Reich die Verlage nicht verstaatlicht wurden in der Form, in der es unter linkstotalitären Regimes in Ost-Europa üblich war, hatte Konsequenzen für die Frontbuchproduktion. Privatverlage wie Bertelsmann (Gütersloh), Reclam (Leipzig), Kohlhammer (Stuttgart), Böhlau (Weimar) und Karl Koenen (Essen) erkannten im Krieg Möglichkeiten für einen neuen Absatzmarkt und legten aus eigenem Antrieb im Herbst 1939 die ersten, auf die spezifischen Gegebenheiten des Grabenalltags abgestimmten Feldausgaben vor. Sie produzierten Bücher mit leichtem Versandgewicht, die gegebenenfalls mit Klappe, Klebestreifen und vorgedrucktem Adressfeld versehen waren und wie ein gewöhnlicher Feldpostbrief an die Front versendet werden konnten (vgl. Abbildung 26).118 Das handliche Kleinformat der Ausgaben war so gewählt, dass sie, wie eine Rundfrage an der Front bestätigte, »bequem Platz in einer Tasche des Waffenrocks [fanden], von Hand zu Hand gereicht w[u]rden und sich so als bescheidener und treuer Begleiter auch an heißen Kampftagen g[a]ben«.119 Dazu waren sie dem Umstand angepasst, dass der Soldat »der im allgemeinen keine Zeit hat, Romane von vielen hundert Seiten zu lesen, […] in den Bändchen kleine abgeschlossene Kunstwerke [fand]«, die er »jederzeit nach Hause zurücksenden [konnte], wenn es erforderlich [schien]«.120 Deutlicher als die Produktion der volksdeutschen Literatur121 wurde die Initiative zu den Feldausgaben durch Gewinnstreben und Marketingbewusstsein motiviert. Erst im April 1940, als ihre Produktion bereits auf Hochtouren lief, wurde von staatlicher Seite auf das Phänomen der Feldpostausgaben eingegangen: Viele Verlage sind dankenswerterweise dazu übergegangen, besondere Feld p o s t a u s g a b e n kleineren und handlicheren Formats herauszugeben, die von unserer Wehrmacht freudig aufgenommen wurden. Es wäre zu wünschen, daß diese Maßnahmen auch bei anderen deutschen Verlegern Schule machen. Der deutsche Frontsoldat wird Ihnen dafür

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Vgl. Saul Friedländer u. a. (Hg.): Bertelsmann im Dritten Reich. München 2002, S. 424– 431. Vgl. Löschenkohl: BDB 170 (16.11.1943), S. 196. Ebd., S. 195f. Denecke: BK 1940, S. 305. Vgl. Kapitel 1.2.1.2.

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Abb. 26

Dank wissen. […] Es hat sich herausgestellt, daß vor allem auch d a s b r o s ch ie r t e Bu c h aus naheliegenden Gründen besonders für unsere Soldaten geeignet ist. Auch hier könnte noch mehr getan werden, als bisher geschehen ist.122

Der bereits genannte Bertelsmann Verlag, dessen Editionspraxis im Dritten Reich vor wenigen Jahren durch eine wissenschaftliche Kommission unter der Leitung von Saul Friedländer aufgearbeitet wurde,123 liefert ein besonders offensichtliches Beispiel für den Geschäftsgeist des Verlagswesens im Krieg. Der alteingesessene theologische

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Ansprache des Leiters der Schrifttumsabteilung Wilhelm Haegert in der Hauptversammlung des Börsenvereins (zitiert nach ders.: BDB 94 (23.4.1940), S. 149). Anlass für das Forschungsprojekt war eine Aussage des Vorstandschefs des Verlages, Thomas Middelhoff, im Juni 1998, der zufolge Bertelsmann zwischen 1933 und 1945 Bücher publiziert habe, »that were banned by the Third Reich as subversive« (Friedländer u. a.: Bertelsmann im Dritten Reich, S. 9). Im Einklang mit dem tradierten Selbstverständnis des Verlages behauptete Middelhoff, das Fortbestehen des Verlages »was a threat to the Nazi attempt to control freedom of expression« (ebd.). Gegenteilige Befunde des Soziologen und Zeithistorikers Hersch Fischler und zwei Fernsehsendungen des Senders 3sat zwangen die Geschäftsführung des Verlages, eine Untersuchungskommission zur Erforschung der NSZeit des Verlages einzusetzen. Die ›Unabhängige Historische Kommission zur Erforschung der Geschichte des Hauses Bertelsmann im Dritten Reich‹ stellte am 7. Oktober 2002 ihren knapp 800 Seiten umfassenden Untersuchungsbericht vor. Die Ausführungen über den Bertelsmann Verlag an dieser Stelle basieren auf folgenden Studien: Friedländer u. a.: Bertelsmann im Dritten Reich; Siegfried Lokatis: Feldpost von Bertelsmann. Die Editi-

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Verlag, der Ende der zwanziger Jahre zögernd in das Geschäft mit der Belletristik eingestiegen war, hatte mit der beginnenden Aufrüstungspolitik 1934/1935 das kommerzielle Potential der Kriegserlebnisbücher entdeckt und sich damit freiwillig in die ›Wehrhaftmachung‹ der deutschen Bevölkerung eingeschaltet. Mit seiner Vermarktung des Krieges, etwa in der Heftreihe »Spannende Geschichten«, stellte er sich, wie Friedländer und seine Kommission feststellen, unzweideutig »in den Dienst einer nationalistischen, schließlich rassistischen und antibolschewistischen Propaganda«.124 1938 widmete das Unternehmen bis zu drei Viertel seiner Buchproduktion dem Krieg und bot eine breite Palette von Erlebnisberichten und Reportagen über militärhistorische Sachliteratur bis hin zu Groschenheften an, die der deutschen Jugend in hunderttausenden Exemplaren den Ersten Weltkrieg nahe brachten.125 Um dieselbe Zeit fingen die Vorbereitungen auf den zu erwartenden Krieg an und wurde der Verlag – nicht zuletzt im Hinblick auf die konjunkturellen Möglichkeiten des Kriegsbuchhandels – vor möglichen Luft- und Gasangriffen geschützt. In die Produktion von Feldpostbüchern stieg Bertelsmann unmittelbar nach Kriegsbeginn ein. Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel erschien eine doppelseitige Werbung für seine Feldausgaben in Feldpostverpackung (vgl. Abbildungen 27 und 28). Bereits im Oktober lag das erste Büchlein über den Überfall auf Polen vor, das, wie von einem der Gutachter ausdrücklich bemängelt wurde, seine Entstehung »dem Riecher für Konjunktur und der damit zusammenhängenden Geschäftstüchtigkeit des Zusammenstellers«126 zu danken hatte. Weil der Verlag in seinem Gewinnstreben versäumte, das Heft der militärischen Vorzensur vorzulegen, musste er allerdings zusehen, wie es verboten und vom Markt genommen wurde.127 Nach diesem verlustbringenden Vorfall entschieden sich die Verlagsleiter dann auch zur Zusammenarbeit mit den Zensurstellen und verschafften sich Allianzpartner bei den höchsten politischen Stellen, darunter Goebbels’ Propagandaministerium. Durch kluges Marketing gelang es dem Verlagshaus, das den Lenkungsinstanzen noch 1937 wegen seines konfessionellen Hintergrunds als regimekritisch gegolten hatte, in das neue Marktsegment der Frontbelieferung in eine Monopolstellung vorzurücken. Mit einer Produktion von zwischen 19 und 21 Millionen Feldbüchern übertraf es sogar den Zentralverlag der

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onspraxis des Gütersloher Verlags im Dritten Reich. In: Neue Zürcher Zeitung (8.3.1999); Olaf Simons: C. Bertelsmann Verlag. o.J. (30.4.2008). Friedländer u. a.: Bertelsmann im Dritten Reich, S. 555. Ebd., S. 243. Zitiert nach: ebd., S. 259. Heinrich Mohn, von 1921 bis 1947 Chef des Bertelsmann Verlages, führte 1946 im Fragebogen der Alliierten zu seiner Entlastung ausgerechnet dieses Heft an als Antwort auf die Frage, ob er den Nationalsozialisten aktiv oder passiv Widerstand geleistet habe und dadurch in seiner beruflichen Freiheit beschränkt worden sei. Die Suggestion, das Heft sei wegen verborgenen Widerstandspotenzials verboten worden, stand in krassem Gegensatz zur Realität. Wie angedeutet, wurde es keineswegs wegen pazifistischer Untertöne, sondern vielmehr deshalb verboten, weil der Verleger die Bewilligung der militärischen Vorzensur nicht abgewartet hatte (vgl. Friedländer u. a.: Bertelsmann im Dritten Reich, S. 259f. u. 424).

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Abb. 27 und 28: »Mein lieber Jochen! Du beklagst Dich, daß ich Dir noch nie etwas zum Lesen geschickt habe. Ich habe gar nicht daran gedacht, daß ein Buch ein so begehrtes Geschenk für meinen lieben Soldaten ist. Von heute ab schicke ich Dir regelmäßig ein gutes Buch, und zwar nehme ich die schönen Bertelsmann-Feldausgaben.«

NSDAP. Insgesamt weist die Rekonstruktion seiner Kriegsgeschichte auf, dass der Verlag zwischen 1933 und 1945 als ein »Wirtschaftsunternehmen« einzustufen war, bei dem weniger die nationalsozialistische Gesinnung als »Umsatz, Erträge, Investitionen und andere fiskalische Daten die Grundlage der Programmentscheidungen bildeten«128 und das für seine Aktivitäten in den Kriegsjahren den zweifelhaften Ruf des »Marktführer[s] unter den Kriegsgewinnlern«129 verdient. Die profitgetriebene Selbstanpassung von Privatverlagen wie Bertelsmann spielte den politischen Machthabern in die Hände. Die literaturpolitische Elite begrüßte, dass Verlage ihre Programme ohne unmittelbaren politischen Druck um modische Begriffe wie ›Volk‹, ›Völkisches Wesen‹, ›Deutscher Glaube‹, ›Germanische Vorzeit‹,

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Friedländer u. a.: Bertelsmann im Dritten Reich, S. 16. Volker Lilienthal: ›Öl ins Nazifeuer‹. Der Historikerbericht über Bertelsmann im Dritten Reich. In: Evangelischer Pressedienst (8.2.2003).

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›Wiedergeburt des Reiches‹ und ›Stimme der Nation‹ gruppierten,130 auf eigene Initiative Bücher im Kleinformat herausbrachten, »Maßnahmen einer vorauseilenden Verbotsvermeidung«131 ergriffen und politische Entscheidungen vorwegnahmen, um ihren Absatz und ihre Weiterexistenz zu sichern.132 Gleichzeitig wies die privatwirtschaftliche Anpassung an die Kriegssituation auch Kehrseiten auf. Einerseits generierte sie eine neue Welle von Konjunkturschriften, die »mit Begriffen wie Ehre, Vaterland, Gemeinschaft usw. herum[warfen], ohne diese je im Innern erlebt zu haben«.133 Neben dem ›überangepassten‹ Schrifttum führte die marktwirtschaftliche Logik ironischerweise ebenfalls zur Produktion von nicht-regimekonformem Werk. Die Hanseatische Verlagsanstalt, um nur ein Beispiel zu nennen, brachte nicht nur patriotische Weltkriegsromane, Ratgeber für NS-, SS-, HJ-, BDM- und KdF-Gruppierungen, Bücher von parteiprominenten Autoren wie Adolf Bartels, Hans Friedrich Blunck, Hanns Johst, Will Vesper und Richard Euringer und »literarische Exaltiertheiten von HJ-Barden wie Ferdinand Oppenheimer oder Herybert Menzel«134 heraus. Laut Lokatis war sie genauso sehr der »führende Verlag der Inneren Emigration, insofern sie bewusst einen oppositionell gestimmten Leserkreis anpeilte.«135 Diese oppositionelle Seite des Verlagsprogramms war nicht weniger als das regimekonforme Programmsegment Ergebnis marketingtechnischer Überlegungen. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten hatten sich die Vertriebsspezialisten des Verlages auf eine Monopolstellung des übermächtigen Eherkonzerns für das politische und nationalsozialistische Schrifttum eingestellt und sich dezidiert für das Prinzip der Risikostreuung entschieden. So suchte der Verlag zwar einerseits Absatzgarantien im Freizeitmarkt der nationalsozialistischen Großformationen136 und erwarb sich eine Schlüsselstellung auf dem Gebiet der wehrwirtschaftlichen Literatur,137 belieferte aber ebenso marketingbewusst das bildungsbürgerliche Publikum (bei dem er vor 1933 Ansehen erworben hatte) mit Belletristik.138 Sowohl im Fall Bertelsmann als auch hier ist klar, dass die Buchproduktion weniger von ideologischen als vielmehr von marktwirtschaftlichen Überlegungen bestimmt wurde. Die Aussage eines ehemaligen Verlagsautors der Hanseatischen Verlagsanstalt, dass die »Wertschätzung der Autoren stieg und sank […] mit ihrem Erfolg« und der Ver-

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Diederichs: Verleger im Schatten, S. 96 u. 108: »Nie handelte man angepaßter als zu dieser Zeit.« Ebd., S. 101. Lokatis erwähnt als Beispiel die Produktion zweisprachiger ›Industrieführer‹ für Skandinavien und Osteuropa durch die Hanseatische Verlagsanstalt (Hanseatische Verlagsanstalt, S. 123). [o.V.]: NSB 1–2 (1940), S. 43. Das ›Konjunkturschrifttum‹ wird im Kapitel 3.2.1.2. ausführlicher behandelt. Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt, S. 91. Ebd., S. 94. Bei der Hanseatischen Verlagsanstalt erschienen u.a. Werner Bergengruens Der Großtyrann und das Gericht und Ernst Jüngers Auf den Marmorklippen. Ebd., S. 82–86. Ebd., S. 117–125. Ebd., S. 95.

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lag daher »einen Blunck ebenso hofier[te] wie einen Winnig, einen Bergengruen wie einen Stapel usw.«,139 mag auf einen nicht geringen Teil des Verlagswesens zutreffen, müsste aber in detaillierten Studien zur Geschichte einzelner Verlage in der NS-Zeit bestätigt werden.140 Jedenfalls wird aus der bisherigen Forschung ausreichend klar, dass die Privatwirtschaft ein wichtiger Akteur im Buchbetrieb der NS-Zeit war und nicht nur die literaturpolitischen Lenkungsinstanzen, sondern in erheblichem Maße auch Geschäftsgewinn und Publikumsgeschmack die Literatur im Dritten Reich bestimmten. Die Tatsache, dass Verlage auf eigenem Antrieb literaturpolitische Allianzpartner suchten, sorgte für eine zweite Ambivalenz. Obwohl der nationalsozialistische Lenkungsapparat durchaus Profit aus diesen Allianzen zog, verschärften diese Kontakte die Konkurrenzstreitigkeiten und die damit verbundene Machtpolitik. Die Verbindung des Zentralverlages der NSDAP (Franz Eher Nachf.) mit der Parteiamtlichen Prüfungskommission141 z. B. hatte zur Folge, dass Goebbels den Konkurrenten Bertelsmann protegierte, um den Eher Verlag wie auch die Bouhler-Kommission von der Monopolstellung abzuhalten.142 Das Verbot des von Bertelsmann publizierten Seekriegsromans Narvik (1940) des linientreuen Autors Fritz Otto Busch dürfte in diesem Zusammenhang weniger auf ideologische Gründe als auf reine Machtpolitik zurückzuführen sein. Der Propagandaroman, der 1941 wegen seines ostentativ nationalsozialistischen Charakters in der Schweiz verboten wurde, durchlief im Dritten Reich problemlos die militärische Vorzensur, wurde von der Kriegsmarine als ›offizielles Heldenepos‹ gefeiert, von der Wehrmacht für die Anschaffung in Bibliotheken empfohlen, durch mehrere positive Stellungnahmen des NS-Lehrerbundes unterstützt, vom Propagandaministerium gebilligt und im Buchhandel in hohen Auflagen verkauft.143 Der Roman wurde vom Oberbefehlshaber der Kriegsmarine eingeleitet und von einem Motto aus einer

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Schreiben von Wilhelm Stapel an August Winnig vom 22.1.1949 (zitiert nach: ebd., S. 101). Bislang ist das Verlagswesen im Dritten Reich nur lückenhaft untersucht worden. Als Monographie sind erschienen: Anne-Margret Wallrath-Janssen: Der Verlag H. Goverts im Dritten Reich. München 2007, Thomas Tavernaro: Der Verlag Hitlers und der NSDAP. Die Franz Eher Nachfolger GmbH. Wien 2004; Friedländer u. a.: Bertelsmann im Dritten Reich; Triebel: Kultur und Kalkül (Eugen Diederichs Verlag); Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt. Als Aufsatz sind u. a. erschienen: Heinz Sarkowski: Die ›Insel-Bücherei‹ unter dem Hakenkreuz. In: Buchhandelsgeschichte 1 (2001), S. 2–19 (Insel Verlag); Jan-Pieter Barbian: Zwischen Dogma und Kalkül. Der Herder Verlag und die Schrifttumspolitik des NS-Staates. In: Buchhandelsgeschichte 4 (2001), S. 145–150; Diederichs: Verleger im Schatten (Eugen Diederichs Verlag); Florian Achthaler: Der deutsche Mensch. Der Eugen Diederichs Verlag während des Nationalsozialismus. In: Romantik, Revolution und Reform. Der Eugen Diederichs Verlag im Epochenkontext. Hg. von Justus H. Ulbricht / Meike G. Werner. Göttingen 1999, S. 224–247. Die Parteiamtliche Prüfungskommission war anfänglich eine Abteilung im Lektorat des Parteiverlags (vgl. Seite 290). Die Darstellung dieses Falls basiert hauptsächlich auf: Simons: C. Bertelsmann Verlag; Friedländer u. a.: Bertelsmann im Dritten Reich, S. 435–440. Im Herbst 1940 erschienen, erreichte das Buch gegen Ende desselben Jahres das 405. Tausend.

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Rede des ›Führers‹ versehen (»Das Wort Narvik wird in der Geschichte für immer ein herrliches Zeugnis sein des Geistes der Wehrmacht des nationalsozialistischen Großdeutschen Reiches«144). Das Vorsatzblatt zeigt ein Foto des Kommandanten der Operation, die zur Besetzung Norwegens im Sommer 1940 geführt hatte; über ihm hängt ein Hitlerbild. Gewidmet wurde das Buch »Unseren Narvik-Kämpfern – den Männern des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe: Gebirgsjägern, Zerstörerseeleuten, Fallschirmjägern und Fliegern«; geworben wurde mit dem Bild eines Kriegsschiffes, über dem die Hakenkreuzfahne flattert. Trotz des offensichtlichen nationalsozialistischen Charakters, des Kauferfolgs und der Unterstützung des Romans durch mehrere Instanzen wurde er auf Initiative der Parteiamtlichen Prüfungskommission vom Markt genommen. Das Argument lautete, das Buch gehe zu wenig auf die »inneren Antriebskräfte« der Soldaten ein und fokussiere zu stark auf den für den ›Heldendenktag‹ gehaltenen Gottesdienst zu Beginn des Romans.145 Es ist durchaus plausibel, so der Forschungsbericht der Bertelsmann-Kommission, dass diese Begründung der Kommission bloß als Vorwand diente, um ein erfolgreiches Bertelsmannbuch vom Markt zu nehmen. Sie »mag verdrossen haben, daß ein in ihren Augen genuin nationalsozialistisches Thema« nicht von dem von ihr protegierten Eher-Verlag, sondern »von dem erfolgreichen bürgerlichen, kirchlich grundierten Verlag zu Bestsellerauflagen geführt wurde«.146 Eine dritte Folge der kriegsbedingten Buchkonjunktur für die Schrifttumspolitik bezieht sich auf den militärischen Bereich. In den Kriegsjahren schalteten sich militärische Organisationen wie das Oberkommando der Wehrmacht, die Luftwaffe, die Kriegsmarine, die Armeebefehlshaber in den besetzten Gebieten und die Zentrale der Frontbuchhandlungen147 aktiv in die Buchproduktion ein mit dem Resultat, dass sich nicht nur die Produzenten von Büchern, sondern auch die Vertriebswege und die Interessenlagen, aus denen heraus publiziert wurde, vervielfältigten.148 Auf der einen Seite erwarben diese Organisationen Lizenzen für Bücher, die sie auf eigene Rechnung bei deutschen oder ausländischen Verlagen drucken ließen und – im Gegensatz zu zivilen Verlagen – ohne Zwischenschaltung an die Front lieferten.149 Auf der anderen Seite gelang es ihnen, mit eigenen Papierkontingenten eine eigenständige Literaturproduktion für den ›Gebrauch innerhalb der Wehrmacht‹ aufzubauen und – wiederum im Gegensatz zum zivilen Bereich – bis in die Schlussphase des Krieges nennenswerte Engpässe zu vermeiden.150 Das Problem für den Lenkungsapparat bestand vor allem darin, dass die militärischen Verleger eine eigenwillige Literaturpo-

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Hitlers Rede vor dem Reichstag vom 19.7.1940 (zitiert nach: Friedländer u. a.: Bertelsmann im Dritten Reich, S. 436). Zitiert nach: ebd., S. 437f. Ebd., S. 438. Bühler: Der Frontbuchhandel, S. 101 u. 113; Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt, S. 145. Vgl. Lokatis: Hanseatische Verlagsanstalt, S. 85; Hans-Eugen Bühler / Klaus Kirbach: Die Wehrmachtsausgaben deutscher Verlage von 1939–1945. Tl. 1. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 50 (1998), S. 251–294. Bühler: Der Frontbuchhandel, S. 102; Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt, S. 145. Vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 720f. Die Aktivitäten der Wehrmacht auf dem Gebiet der

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litik führten, die sich deutlich von der Politik der staatlichen Instanzen abhob. Ein Vergleich der durch militärische und staatliche Stellen veröffentlichten Buchempfehlungslisten legt nahe, dass sich die NS-Ideologie beim Heer offensichtlich weniger durchsetzen konnte als in anderen Bereichen des Staates.151 Die Buch-Feldpostlisten des dem Propagandaministerium unterstehenden Werbe- und Beratungsamtes für das deutsche Schrifttum und des Amtes Schrifttumspflege, die 1940 und 1941 erschienen und insgesamt 1.500 Titel enthielten, zeigen eine deutliche Präferenz für nationalsozialistisch orientierte Verlage.152 Am stärksten vertreten sind der Zentralverlag der NSDAP (Franz Eher Nachf.) und der ihm unterstehende Deutsche Verlag. Die Liste der Zentrale der Frontbuchhandlungen, die 1941 herauskam und etwa 2.600 Titel zusammenbrachte, enthielt hingegen einen bemerkenswert hohen Anteil von so genannten ›nichtnationalsozialistischen‹ und ›Zwischenreichautoren‹.153 Empfohlen wurden u. a. Paul Alverdes, Stefan Andres, Werner Bergengruen, Gertrud Fussenegger, Ernst Jünger, Ernst Penzoldt, Friedrich Reck-Malleczewen, Reinhold Schneider und Ernst Wiechert.154 Viertens und letztens war es der Geschäftsgeist und später auch der Überlebenskampf des deutschen Buchhandels, die Ideologie und Praxis in einen scharfen Gegensatz setzten. Angesichts der nicht zu sättigenden Nachfrage der Bevölkerung nach Büchern tauchten in den Buchhandlungen, wie ein Sicherheits-Bericht vom 11. Januar 1943 feststellte, »älteste Ladenhüter« und »nicht zu wünschendes Schrifttum« zum Verkauf auf.155 Die weite Verbreitung dieses Phänomens zwang den Präsidenten der Reichsschrifttumskammer zur Androhung von Strafen für die Verletzung der »Pflicht jedes verantwortungsbewußten Buchhändlers, sich von der Qualität und Brauchbarkeit von Büchern« zu überzeugen und »unverkäufliche, veraltete und minderwertige Buchbestände« auszusondern.156 Dieser Warnung zum Trotz registrierten die Ver-

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Literaturpolitik sind bisher nur in Ansätzen untersucht worden (vgl. Bühler: Der Frontbuchhandel; Bühler / Kirbach: Die Wehrmachtsausgaben). Vgl. Bühler: Der Frontbuchhandel, S. 287. Dazu ebenfalls die wiederholten Klagen des Propagandaministers in seinen Tagebüchern, u.a. »Es rächt sich […], daß wir die deutsche Wehrmacht nicht rechtzeitig nationalsozialistisch erzogen und die Feinde der Partei und unserer Anschauung an die Wand gestellt haben.« (13.7.1944); »Der unpolitische Charakter der Generalität und damit des Heeres soll schnellstens gebrochen werden. Die Erziehung auch des Generalstabs muß nach strikten nationalsozialistischen Grundsätzen vor sich gehen. Der Generalstab darf keinen Staat im Staate bilden und danach etwa das ganze Heer ausrichten.« (24.8.1944); »[E]s gibt immer noch Wehrmachtkreise, die mit allen Mitteln versuchen, nationalsozialistisches Gedanken- und Erziehungsgut von der Truppe fernzuhalten. Ich werde jetzt ein paar entscheidende Maßnahmen treffen, um diese Offiziere dazu zu zwingen, die nationalsozialistische Erziehung der Truppe uns zu überlassen.« (14.12.1944) Vgl. Bühler: Der Frontbuchhandel, S. 25f. Zum Begriff ›nichtnationalsozialistisch‹ vgl. Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein; zum Begriff ›Zwischenreich‹ vgl. Heidrun Ehrke-Rotermund / Erwin Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. Texte und Vorstudien zur ›verdeckten‹ Schreibweise im ›Dritten Reich‹. München 1999. Bühler: Der Frontbuchhandel, S. 26f. Boberach: Meldungen aus dem Reich. Bd. 12, S. 4652. Aufruf von Hanns Johst (zitiert nach: Triebel: Kultur und Kalkül, S. 255).

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traulichen Mitteilungen der Fachschaft Verlag anderthalb Jahre später, in Sortimenten und Antiquariaten werde immer noch »veraltetes, längst überholtes, politisch und weltanschaulich bedenkliches Schrifttum« verkauft.157 2.3.2.2. Papierknappheit und Luftkrieg Das Volk hat einen starken Drang zum guten Buch. Leider fehlt es am Papier, um jeden Bedarf zu befriedigen.158

Es bleibt noch die Frage, wie die Lenkungsinstanzen im Rahmen ihrer Buchförderungspolitik mit den kriegsbedingten Einschränkungen umgingen. Im Folgenden werden anhand von einzelnen Beispielen die Anstrengungen skizziert, die unternommen wurden, um den zunehmenden Mangel an Büchern auszugleichen und die deutsche Bevölkerung bis zum Ende des Krieges mit Lektüre zu versorgen. Die kleinformatigen und leichtgewichtigen Feldpostbücher, die in den Kriegsjahren vom Staat gefördert wurden, waren einerseits Antwort auf die Rahmenbedingungen des Schützengrabenalltages. Im Herbst 1941 rühmte sich Goebbels, auf seinen Antrag werde für die Soldaten an der Front in großer Auflage eine »Auswahl bester Literatur […] in handlichstem und ansprechendstem Format« herausgebracht.159 Spätere Aktionen des Propagandaministeriums zeigen, dass das Feldpostbuch jedoch ebenfalls Antwort auf das zunehmende wirtschaftliche Problem war, dass Papier und Rohstoffe knapp wurden, Druckereien durch die kriegsbedingte Personaleinsparung nur noch mit einem geringen Teil ihrer früheren Belegschaft arbeiteten und große buchbinderische Aufträge kaum noch angenommen wurden. Im dritten Kriegsjahr nahm das Ministerium die Papierverknappung zum Anlass, die Produktion der Feldausgaben aktiv zu steuern. Im Juni 1942 erhielten deutsche Verlage einen Brief, in dem das Ministerium sie zur Teilnahme an der so genannten Sonderaktion Feldpost einlud. Verleger konnten sich für Papierkontingente bewerben, indem sie sich dazu verpflichteten, »besonders wehrmachtsgeeignet[e]« Feldpostreihen nach ganz bestimmten Bedingungen zu produzieren.160 Eines der Kriterien war, dass die absolute Gewichtsgrenze der Feldposthefte mit Blick auf die Papierverknappung bei 100 Gramm liegen und dass (entgegen dem propagierten Ideal des deutschen gebundenen Buches) eine ganz leichte Decke, gegebenenfalls aus Papier, verwendet werden sollte. Insgesamt erhielten im Rahmen der Sonderaktion Feldpost 71 Verlage161 je 20 Tonnen Papier, und zwischen 30 und 50 Millionen vom Propagandaministerium approbierte

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Zitiert nach: Triebel: Kultur und Kalkül, S. 255. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 22.9.1940. Joseph Goebbels, Rede zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches am 26.10.1941 (zitiert nach: ders.: Das Eherne Herz, S. 67f.). Schreiben von Wilhelm Haegert, Leiter der Schrifttumsabteilung im Propagandaministerium, an eine Reihe von ausgewählten Verlagen; Ergänzungsschreiben von Rudolf Erckmann, Hauptreferent und Regierungsrat im Propagandaministerium, mit weiteren Richtlinien (zitiert nach: Bühler: Der Frontbuchhandel, S. 118). Eine Liste der Verlage findet sich in: Bühler: Der Frontbuchhandel, S. 122–124.

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Feldpostbücher wurden produziert.162 Mit der Aktion gelang es der Diktatur, die wirtschaftlichen Beschränkungen mit staatlicher Förderung und Geschäftsinteressen mit politischer Kontrolle zu verbinden. War die Sonderaktion Feldpost eine auf die Front gerichtete Antwort auf die Papierverknappung, so strengten sich die literaturpolitischen Lenkungsinstanzen ebenfalls an, den durch die Kriegsumstände gesteigerten Bücherbedarf der deutschen Bevölkerung in der Heimat zu sättigen. In den Wochen vor Weihnachten wurde der Buchhandel darauf vorbereitet, dass das Buch trotz der kriegsbedingten Schwierigkeiten »in erhöhtem Maß andere Geschenke vertreten« und »auf den Weihnachtstisch möglichst vieler Volksgenossen gelangen« sollte.163 Von höherer Stelle wurden Verlegern und Sortimentern Maßnahmen angedroht, sollten sie ihre Buchlager nicht »im höchstmöglichen Ausmaße zum Verkauf« bringen. Im Gegenzug wurden umfangreiche Papierbewilligungen versprochen, um die Buchlager nach den Feiertagen wieder aufzufüllen. Die dem Buch zuerkannte Bedeutung wurde wiederum deutlich, als das Propagandaministerium angesichts des Mangels an Büchern zum differenzierenden Bücherverkauf aufforderte, damit die im Krieg strategisch wichtigen Bevölkerungsgruppen nicht auf die durch das Buch gespendeten »Werte und Kräfte«164 verzichten müssten. Am 27. September 1941 erließen die Leiter der Abteilung Schrifttum und des Deutschen Buchhandels einen Aufruf an die deutschen Buch- und Leihbuchhändler, die verfügbaren Bücher mit ganz besonderer Verantwortung einzusetzen und sie denjenigen Volksgenossen zur Verfügung zu stellen, die heute vor anderen einen Anspruch auf die Werte und Kräfte der deutschen Kultur erheben können.

Im Interesse des Staates wurde dem Buchhandel verordnet, beim Buchverkauf »i n a l le r e r st e r L i n ie d ie d eu t s c h e n S old a t e n , d ie d eu t s c h e n Rü s t u ng s a r b eit e r u n d d ie d eu t s c h e n we r k t ä t ige n F r a u e n« zu privilegieren und »Volksgenossen, die über eigene Büchereien verfügen und auf die Schätze ihres Bücherschrankes zurückgreifen können«, vom Bücherkauf abzuraten. Ein ähnliches Argument tauchte 1944 in den internen Akten des Propagandaministeriums zur »Schliessung der Buchverkaufsabteilungen sämtlicher Warenhäuser« auf, weil sie »nicht die Gewähr bieten, dass die Mangelware Buch gerecht an diejenigen Käufer zur Verteilung kommt, die sie am dringendsten benötigen.« 165 Ein weiterer Versuch, Bücher trotz Krieg und ›Bombenterror‹ einem größtmöglichen Kreis von Lesern zu sichern, stellten die vielfach erfindungsreichen Versuche zur Wiederverwertung des deutschen Buchbestandes dar. Im Dezember 1941 wurden die Leser der Zeitschrift Buch und Volk, Buchberatungszeitschrift des Rosenberg162 163 164 165

Ebd., S. 125. Aufruf von Wilhelm Haegert und Wilhelm Baur, in: BDB 282–283 (12.12.1942), S. 253. Das folgende Zitat ist ebd. Aufruf von Wilhelm Baur und Wilhelm Haegert, in: BDB 226 (27.9.1941), S. 329. Die folgenden Zitate sind ebd. Schreiben von Gentz an den Präsidenten der Reichskulturkammer zum Thema »Stillegung [sic] von Verlagen und Buchhandlungen« vom 6.12.1944 (BArch R56/V/152/13).

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amtes, aufgefordert, Bücher zweimal zu lesen. Anfang November 1942 gaben der Zeitschriften- und der Deutsche Wochendienst Anregungen zur »Neuentdeckung des Bücherschrankes«.166 Zeitschriften sollten die Bevölkerung u. a. dazu bewegen, keine neuen Bücher zu verschenken, sondern ältere Bände aus der eigenen Bibliothek auszuwählen, wobei vor allem die emotionale Bedeutung des Mediums von Nutzen war: »Die Zeitschriften haben die schöne Aufgabe[ ] zu zeigen, daß ein solches Buch als Geschenk wertvoller und persönlicher ist als ein in einer Buchhandlung wahllos erstandenes.« Im März 1944, als die bisherigen Maßnahmen der anhaltenden Nachfrage keineswegs genügten, wurde von der Reichsschrifttumskammer im Propagandaministerium eine zeitlich unbegrenzte Altbuchaktion organisiert. Mit der Aktion verband sich der Zweck, »die zur Zeit nicht oder wenig benutzten außerordentlich großen im Privatbesitz befindlichen Buchbestände« anzukaufen und Büchereien zuzuführen, damit sie eine breitere Leserschaft erreichten.167 Wenige Monate später spornte das Börsenblatt die von Luftangriffen noch verschont gebliebenen Deutschen nochmals an, ihre »in stiller Reserve schlummernden Bücher« in den Dienst der Nation zu stellen.168 »Reserven heraus!«, lautete der Spruch, der die Bevölkerung motivieren sollte, die Altbuchaktion als »wichtige[n] Baustein aller Kräfte für den Endsieg« und damit als »nationale Pflicht« zu sehen: Hinter der verglasten Mitteltür des Bücherschrankes, auf den Regalen, in Kisten und Koffern ruhen wohlgeborgen unsere Bücher. Jedes hat sein Schicksal. Sie sind uns lieb und teuer geworden. Manche Mußestunde haben sie uns verschönt, Erbauung, Unterhaltung, Entspannung gebracht und einzelne – wir wollen es ruhig zugeben – haben ungelesen ihre Aufgabe noch nicht erfüllt. Jetzt sollen wir von einigen Abschied nehmen. Das ist nicht leicht, denn sie sind unsere guten Freunde. Gerade weil sie das sind, sollen sie ihren Weg fortsetzen, und unsere besten Wünsche begleiten sie dabei. Sie sollen jetzt helfen, unseren luftkriegsgeschädigten Volksgenossen neue seelische Kräfte zu geben. Sie sollen in einer Leih-, Werk- oder Volksbücherei von Hand zu Hand wandern und tausenden Volksgenossen neuen Lebensmut, Erbauung sowie Wissen vermitteln.

Auf diese Weise wurde ganz im Stil des ›totalen Krieges‹ die Suche nach den letzten soldatischen Reserven, die noch an die Waffen gerufen werden konnten, durch die Suche nach den letzten geistigen Reserven ergänzt. Als die Buchproduktionszahlen unter Einfluss des andauernden Krieges sanken, richtete sich die Aufmerksamkeit der literaturpolitischen Instanzen auch verstärkt auf die Büchereien. Im Juni 1944 wurden sämtliche Sortimenter verpflichtet, einen festen Teil ihres Buchbestandes bis zum Ende des Krieges als Leihbuch zur Verfügung zu stellen und zu diesem Zweck jede größere Buchhandlung mit einer Kriegsleihbücherei zu versehen.169 In einem internen Aktenvermerk vom 3. August 1944 rief der Geschäftsführer der Reichsschrifttumskammer Günther Gentz dringend

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ZD 183–52 (5.11.1942). Das folgende Zitat ist ebd. [o.V.]: Zur Altbuchaktion. In: BDB 22 (18.3.1944), S. 42 (vgl. [Gentz]: Bekanntmachung der Reichsschrifttumskammer. In: BDB 22 (18.3.1944), S. 41). Rosenau: BDB 34 (3.5.1944), S. 67. Die folgenden Zitate sind ebd. Vgl. Conradi: BDB 45 (10.6.1944), S. 93.

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dazu auf, Leihbüchereien im geringstmöglichen Umfang zu schließen. Da diese Büchereien »mit zunehmendem Büchermangel Ausleihsteigerungen erfahren« hätten, seien sie »in vielen Orten, die besonders vom Bombenterror heimgesucht« wurden, die »einzigen Einrichtungen geworden, die dem arbeitenden Volk zur Entspannung [ ]blieben«.170 Wenige Monate vor Kriegsende – ein Großteil von Deutschland lag in Schutt und Asche, die Russen hatten ihre Großoffensive gestartet und die Alliierten besprachen bereits die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen – wurde diskutiert, wie mit den verhängnisvollen Folgen des Krieges für die noch vorhandenen Büchereibestände umzugehen sei. Der Leser, »der sich heute eintragen lässt«, so das Börsenblatt in seiner dicht gedruckten und stark ausgedünnten Februarausgabe von 1945, könne »plötzlich zum Wehrdienst einberufen werden«, es könne sich auch sein »Arbeitsplatz […] durch Evakuierung der Firma von heute auf morgen ändern« oder seine »Wohnung […] durch Feindeinwirkung zerstört werden«.171 Durch die Erhebung eines Pfandes sollte der Leser nicht für den Buchverlust durch Feindangriffe verantwortlich gemacht, wohl aber darauf hingewiesen werden, dass er seine Bücher bei Umzug oder Evakuierung zurückzubringen habe. Das Pfand sollte unterstreichen, »daß ein Buch jetzt nicht in den Bücherschrank des einzelnen gehört, sondern zur Freude der Allgemeinheit da ist.« Es war der letzte verzweifelte Vorschlag, den Betrieb der noch funktionierenden Büchereien aufrechtzuerhalten und in Zeiten der totalen Entbehrung mithilfe des Buches »einem möglichst großen Menschenkreis Belehrung, Freude und Unterhaltung zu verschaffen.« Nicht zuletzt zeichnete sich in den Kriegsjahren ein deutliches Bemühen ab, den Buchbetrieb für die Nachkriegszeit zu sichern. Mit Blick auf die Zeit nach dem Krieg wurde versucht, die Kontakte zwischen den eingezogenen Schriftstellern172 einerseits und der Leserschaft in der Heimat andererseits zu pflegen. Initiativen wie der Kriegsalmanach deutscher Dichtung, der 1940 im Auftrag des Werbe- und Beratungsamtes für das deutsche Schrifttum beim Reichsministerium für Volksaufklärung

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171 172

BArch R56/V/152/177 (vgl. das spätere Schreiben desselben an den Präsidenten der Reichskulturkammer zum Thema »Stillegung [sic] von Verlagen und Buchhandlungen« vom 6.12.1944: »Wo dies [i.e. die Schließung von Leihbüchereien] geschehen ist, handelte es sich um Betriebe, die man wegen liederlicher Geschäftsführung, wegen Ausleihe von verbotenen oder unerwünschten Büchern und wegen Preisverstösse und dergleichen im 6. Kriegsjahr nicht mehr als unbedingt erhaltenswert ansehen konnte.«, BArch R56/V/152/13). Lues: BDB 5 (3.2.1945), S. 17. Die folgenden Zitate sind ebd. Vgl. Schreiben von Gentz an Goebbels zum Thema »Totalisierungsaktion« vom 7.8.1944 (BArch R56/V/152), dem zufolge zu dem Zeitpunkt von den 4.000 hauptberuflichen Schriftstellern 1.000 als Soldat eingezogen, 10 vom Wehrdienst und 234 vom Arbeitseinsatz freigestellt worden waren. Die Freistellungen von der Wehrmacht wurden forthin aufgehoben, die vom Arbeitseinsatz auf 20 bis 25 Personen gekürzt. Zu diesen letzten Autoren gehörten Hans Friedrich Blunck, Bruno Brehm, Hermann Burte, Hans Carossa, Friedrich Griese, Hans Grimm, Hanns Johst, E.G. Kolbenheyer, Agnes Miegel, Börries Freiherr von Münchhausen, Wilhelm Schäfer, Wilhelm von Scholz, Ina Seidel, Emil Strauss, Lulu von Strauss und Torney, Josef Weinheber, Heinrich Zillich, Helene Voigt-Diederichs, Gustav Frenssen, Heinrich Lilienfein, Max Halbe und Gerhart Hauptmann (BArch R56/V/152/6ff. u. 131f.).

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Abb. 29

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und Propaganda erschien, stellten »das Werk derjenigen heraus[ ], die dem Reich mit der Waffe dienen« (vgl. Abbildung 29).173 Die im Almanach aufgeführten Autoren bedankten sich für die Bereitwilligkeit des Ministeriums, »die Bücher der einberufenen Verfasser besonders zu pflegen«.174 Zur Anregung ungebrochener schriftstellerischer Tätigkeit wurden Zeitschriften im Mai 1940 in einer Direktive gebeten, auf die durch das Propagandaministerium sichergestellten »Hilfs- und Beschaffungs-Maßnahmen [sic] für bedürftige und notleidende Kulturschaffende«175 hinzuweisen. Im Mai 1944 äußerte sich der Propagandaminister in seinem Tagebuch positiv über Haegerts »guten Vorschlag über die Gründung eines Fonds für nicht veröffentlichte Bücher«: Es ist heute so, daß ein großer Teil unserer geschriebenen Bücher nicht gedr[u]ckt werden kann, weil dazu das Papier fehlt. Das kö[n]nte auf die Dauer zu einer Lähmung der Tätigkeit unse[rer] Autoren führen. Aus diesem Grunde werde ich eine[n] Fonds begründen, mit dem die Manuskripte angekauft werden. Sie werden dann nach dem Kriege zu gleichen Preisen den Verlegern, die sie drucken, zur Verfügung gestellt.176

Im November 1944 lancierte Gentz die Idee, »Autorenhonorare für luftkriegsvernichtete Bücher«177 einzuführen und Schriftsteller auch bei ausgebombten Lagervorräten für ihre Arbeit zu entschädigen. Im Bereich des Buchhandels wurden auf regelmäßiger Basis Buchhändler für kurze Zeit von der Front zurückgerufen, um an Fortbildungskursen teilzunehmen. Dazu wurde noch im Dezember 1944 in der Reichskulturkammer über die Notwendigkeit eines gesunden Buchapparates für die Zeit nach dem Kriege diskutiert: Kulturpolitisch ist es unbedingt notwendig, dass bei Wiedereintreten normaler Verhältnisse ein lebensfähiges Sortiment vorhanden ist, weil nach Abschluss des Krieges die Bücher sich nicht mehr von selbst verkaufen und der Verlag auf den Verteilerapparat des Sortiments angewiesen ist. Es muss also eine verkleinerte, aber gesunde Zelle vorhanden sind [sic], die den Vertrieb nach dem Kriege weiterführen kann.178

Geschlossene Betriebe, so der Vorschlag von Gentz, sollten »Stillegungshilfe [sic] nach Maßgabe ihres bisherigen Umsatzes« erhalten, »während sich die offenbleibenden Betriebe mit dem restlichen anfallenden Umsatz (hoffentlich!) über Wasser halten können.« Am 13. Januar 1945 rief auch Gerhard Menz, Spezialist für die Wirtschaftsfragen des Buchbetriebes, dazu auf, die »Zukunftsausgaben unter dem Druck der Gegenwartsnot nicht völlig [zu] vergessen«.179 Der Buchmarkt dürfe nicht ganz zum Erliegen kommen, weil ein völliger Neuaufbau das kulturelle Leben nach dem

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179

Riecke: Dichter unter den Waffen, [S. 3]. Ebd., S. 42. ZD 56 (17.5.1940). Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 13.5.1944. Gentz: BDB 80 (18.11.1944), S. 201. Schreiben von Gentz an den Präsidenten der Reichskulturkammer zum Thema »Stillegung [sic] von Verlagen und Buchhandlungen« vom 6.12.1944 (BArch R56/V/152/13). Das folgende Zitat ist ebd. Menz: BDB 2 (13.1.1945), S. 6. Die folgenden Zitate sind ebd.

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Krieg auf eine harte Probe stellen würde. Vielmehr sollten Buchhändler weiterhin durch »planmäßige Fortbildung« mit der »normalen Arbeitsweise« des Buchhandels in Friedenszeiten vertraut gemacht werden. Aus dieser Reihe von Beispielen ergibt sich, dass sich nicht nur die betreffenden Berufsgruppen, sondern auch der Staat durch kleinere und größere Initiativen und Vorschläge bis in die letzten Monate des Jahres 1945 anstrengten, das Motto »Mit dem Buch ins Volk« Wahrheit werden zu lassen.

2.3.3. Schlussbemerkung Aus der Betrachtung der ›externen‹ Einflüsse auf die nationalsozialistische Buchförderungspolitik geht hervor, dass die privatwirtschaftliche Eigendynamik und die Kriegsjahre beide sowohl fördernd als hemmend gewirkt haben. Besonders auffällig ist das Spannungsfeld, das sich – vor allem im Krieg ausgeprägt – zwischen der totalitären und der marktwirtschaftlichen Logik auftut und sicherlich eine eingehendere Aufarbeitung verdient. Dieses Spannungsfeld macht es in vielen Fällen schwierig, Erfolge der Propaganda von Nebenerscheinungen zu identifizieren. Die Frage etwa, ob die Hinwendung zu den Klassikern in den Kriegsjahren der jahrelangen Buchförderungspraxis oder vielmehr der Tatsache zuzuschreiben war, dass Buchläden bis auf das letzte Buch leergekauft wurden,180 lässt nur eine mehrdimensionierte Antwort zu. Der skizzenhafte Überblick über die Buchförderungsaktionen belegt, dass die Privatwirtschaft – im Gegensatz zu den propagandistischen Parolen gegen eine marktwirtschaftliche Logik – weniger bekämpft als vielmehr in die Buchpolitik der NSZeit integriert wurde. Vergleichbar mit ihrer Haltung gegenüber der Moderne181 haben die Lenkungsinstanzen offensichtlich versucht, die Mechanismen des freien Marktes mit den Interessen der totalitären Diktatur und den Prämissen der NS-Ideologie zu versöhnen. Dabei kann festgestellt werden, dass sich die Methoden und Interessen der Lenkungsinstanzen und der Privatwirtschaft im Buchbetrieb in mehreren Bereichen überschneiden, auch wenn ihre Ausgangs- und Schwerpunkte grundsätzlich verschieden sind. Als Beispiel kann das Unternehmen der Feldpostausgaben genannt werden, das dazu führte, dass eine beschränkte Anzahl von Titeln in großen Auflagen und kostengünstiger Ausstattung für einen sicheren Absatzmarkt gedruckt wurde. Für die Verlage bedeutete diese Rationalisierung eine gewaltige Steigerung der Gewinne, für die Diktatur eine Reduzierung des Zensuraufwands und die notwendige Fortsetzung der ›geistigen Truppenbetreuung‹.

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Der Sicherheitsdienst meldete am 11. Januar 1943, durch das bestehende Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage würden »selbst die ältesten Ladenhüter verkauft«. Durch die »Ausraubung« der Buchhandlungen sei es sogar zum »ausgesprochenen Glücksfall« geworden, wenn man etwa »eine Reclam-Ausgabe von Goethes ›Faust‹ oder von einer Erzählung oder einem Drama von Kleist auf[ ]treiben« konnte (zitiert nach: Boberach: Meldungen aus dem Reich. Bd. 12, S. 4652ff.). Vgl. den Abschnitt zu den neunziger Jahren in Kapitel 3.1.1.

243

Ferner zeigt sich, dass die privatwirtschaftliche Logik im Rahmen der Diktatur zur Selbstanpassung führte und damit eine eigene Form der Zensur installierte, die dem Regime nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile wie Überanpassung (in Form des ›Konjunkturschrifttums‹) und eine Verschärfung der Machtpolitik einbrachte. Unübersehbar sind ebenfalls die Parallelen zwischen dem Konzept der totalitären Differenzierung und dem marktwirtschaftlichen Marketingsystem. Beide versuchen im Kontext der modernen, ausdifferenzierten Gesellschaft ihre jeweiligen Zielgruppen möglichst geschlossen zu erfassen und zu überzeugen. Es sei auf Bertelsmanns Werbungsanzeige für Feldpostausgaben hingewiesen, die insbesondere die große Gruppe zurückgebliebener Frauen dazu zu gewinnen versuchte, den Geliebten, Verlobten oder Ehemann an der Front mit einer Bertelsmann-Ausgabe zu beglücken. Ein weiteres Beispiel ist die Ausdifferenzierung der deutschen Bevölkerung nach Zielgruppen, die die totalitäre Diktatur als Methode benutzte, ein möglichst großes Publikum ideologisch zu durchdringen, die der Privatwirtschaft hingegen als Prinzip der Risikostreuung diente. Gedacht sei hier an die Hanseatische Verlagsanstalt, die ihr Verlagsprogramm aus wirtschaftlichen Gründen einerseits auf die verschiedenen NS-Organisationen, andererseits aber auch auf ein bildungsbürgerliches Publikum abstimmte. Die Erkenntnis des für den Nationalsozialismus konstitutiven Spannungsfelds zwischen Privatwirtschaft und Politik hat schließlich Konsequenzen für den Ausdruck ›Literatur im Dritten Reich‹, der im folgenden Teil der Arbeit im Mittelpunkt steht. Schrifttumssparten wie das sogenannte Konjunkturschrifttum, die Parteiliteratur und die sentimentale Kitschliteratur erweisen sich als charakteristisch für das Scheitern des Ideals, einerseits die auf Publikumsgeschmack und Gewinn basierende Wirtschaftslogik und andererseits die ideologischen und politischen Ansprüche des Regimes miteinander zu versöhnen. Das Konjunkturschrifttum veranschaulichte den Gegensatz zwischen marktwirtschaftlichem Gewinnstreben und Politik. Die Parteiund Kitschliteratur illustrierten beide den Gegensatz zwischen Publikumsgeschmack und Politik: Die Parteiliteratur war politisch ›zuverlässig‹, fand in der Bevölkerung in der Regel aber nur wenig Begeisterung.182 Die Kitschliteratur war umgekehrt sehr populär, dafür jedoch unpolitisch oder gar inkommensurabel mit den ideologischen Vorstellungen der Diktatur. Ihrer inhärenten Verknüpfung mit dem nationalsozialistischen Herrschaftssystem zufolge ist demgemäß nicht nur die Parteiliteratur, sondern genauso sehr der sentimentale Kitsch und das Konjunkturschrifttum konstitutiv und typisch für die ›Literatur im Dritten Reich‹.

182

Wie Tobias Schneider in seiner Studie über Bestseller im Dritten Reich feststellt, dürfen hohe Auflagenziffern im Fall des Parteischrifttums nicht auf ein tatsächliches Leserinteresse zurückgeführt werden. Die Auflagenzahlen der NS-Bestseller wurden u.a. durch die Massenausgaben für NSDAP-Organisationen »künstlich« in die Höhe getrieben (S. 86).

244

3.

Binnendifferenzierung der Literatur im Dritten Reich

Die »Literatur des Dritten Reichs« wird als ein einheitliches Phänomen eingeschätzt, das allenfalls Fraktionierungen kennt. So zu verfahren, ist zunächst durchaus berechtigt, denn es muß in der Tat gefragt werden, welchen Sinn interne Differenzierungen angesichts eines solchen Materials überhaupt haben können. […] Es ist nur zu verständlich, daß das Vermögen und vor allem auch der Wunsch, hier zu differenzieren, nicht allzu groß sind. Allerdings muß man auch sehen, daß solche Abstinenz am Ende Folgen hat; […] daß wegen fehlender Möglichkeiten zu unterscheiden die Argumentationen ungenau und allgemein werden müssen.1

Eine Studie über die Rolle des Buchmediums in der nationalsozialistischen Propagandapolitik fordert mehr als seine Positionierung im Ensemble der anderen Propagandamedien. Wie sich im Folgenden herausstellen wird, profitiert sie ebenso sehr von einer Analyse der Binnendifferenzierung des literarischen Feldes. Diese Binnendifferenzierung ist in der literaturwissenschaftlichen Forschung bislang hauptsächlich unter politischen Gesichtspunkten, also im Hinblick auf die politische Einordnung der betreffenden Autoren und Texte, vorgenommen worden. Die politisch motivierte Aufgliederung der Literatur im Dritten Reich allein reicht jedoch nicht aus, um die Bedeutung von Literatur für die NS-Herrschaft zu ergründen. Als notwendige Ergänzung wird ihr daher eine historische begriffsanalytische Perspektive an die Seite gestellt, die es ermöglich zu untersuchen, wie Literatur damals, also im nationalsozialistischen Diskurs2 selbst, beschrieben und ausdifferenziert wurde. Diese Herangehensweise öffnet u. a. den Blick dafür, dass sich die Lenkungsinstanzen die althergebrachte triadische Einteilung ›Dichtung‹ – ›Literatur‹ – ›Kitsch‹ zu eigen gemacht haben, um die Ungleichzeitigkeiten zwischen ihren Idealvorstellungen und der Realität darzustellen und zu domestizieren. Sie macht sichtbar, dass jedem dieser drei Begriffe eine Reihe von Bedeutungen, Bezugswerten und Konnotationen beigemessen wurde, die im parteinahen Diskurs eigene Funktionen erfüllten und somit weitere Einblicke in die nationalsozialistische Propaganda- und Buchpolitik gewähren.

1

2

Uwe-K. Ketelsen: Probleme einer gegenwärtigen Forschung zur ›Literatur des Dritten Reichs‹. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 4 (1990), S. 720. Vgl. Seite 11, Fußnote 37.

245

3.1. ›Literatur im Dritten Reich‹ als Gegenstand der Forschung

In diesem Kapitel wird zunächst der Wandel nachgezeichnet, den die Forschung zur nationalsozialistischen1 Literatur von der direkten Nachkriegszeit bis heute durchlaufen hat. Obwohl ein repräsentativer Überblick angestrebt wird, muss die Skizze notwendigerweise schematisch bleiben und mit Blick auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit Schwerpunkte setzen. Im zweiten Abschnitt werden anhand des beschriebenen Wandels einige der Prämissen, Desiderate und Probleme umrissen, die das heutige Verständnis der Literatur im Dritten Reich mit bestimmen und prägen. Im letzten Abschnitt schließlich werden Vorschläge gemacht, um die bisherigen Erkenntnisse zu ergänzen und zu verfeinern. Einer dieser Vorschläge bildet die Grundlage für die nachfolgenden Kapitel.

3.1.1. Forschungsüberblick Die direkte Nachkriegszeit Bis in die späten fünfziger Jahre herrschte in Deutschland großenteils Stillschweigen über die Literatur im Dritten Reich. Eine Auseinandersetzung mit literarischen Werken, die, so die herrschende Meinung, ganz im Dienst eines Schreckensregimes standen, wurde aus unterschiedlichen Gründen gemieden. Aus der Sicht der deutschen Germanistik, die durch eine weitgehende Verstrickung in die nationalsozialistische Ideologie belastet war, sollte dieses »peinliche Kapitel«2 verdrängt, das »ganze Unglück der Literatur«3 schleunigst vergessen werden. Während für sie die Verdrängung der Literatur aus diesen Jahren als eine Verdrängung der eigenen Verantwortung fungierte, plädierten andere, insbesondere Emigranten, mit moralischen Argumenten dafür, diese Literatur aus dem Gedächtnis zu tilgen. Symptomatisch für diese Haltung war Thomas Manns viel zitierte Aussage im Augsburger Anzeiger vom 12. Oktober 1945 als Antwort auf Walter von Molos Bitte, aus dem Exil nach Deutschland zurückzukehren:

1

2 3

Der Ausdruck ›nationalsozialistische Literatur‹ wird in diesem Kapitel aus praktischen Gründen als Kurzformel für die gesamte im Dritten Reich entstandene Literatur verwendet. Sie wird mit anderen Worten nicht ideologisch, sondern rein zeitlich verstanden. Franz Schonauer: Literatur im Dritten Reich. Versuch einer Darstellung in polemischdidaktischer Absicht. Olten, Freiburg im Breisgau 1961, S. 11. Walter Muschg: Die Zerstörung der deutschen Literatur. München 1958, S. 27.

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Es mag Aberglaube sein, aber in meinen Augen sind Bücher, die von 1933 bis 1945 in Deutschland überhaupt gedruckt werden konnten, weniger als wertlos und nicht gut, in die Hand zu nehmen. Ein Geruch von Blut und Schande haftet ihnen an. Sie sollten alle eingestampft werden.

Aus dieser Verleugnung der Literatur der NS-Zeit ergaben sich Probleme, die die literaturwissenschaftliche Erforschung des Dritten Reichs nachhaltig geprägt haben. Ein erster Punkt betrifft die Tatsache, dass moralische Kategorien mit wissenschaftlichen Kriterien in eins gesetzt wurden, so dass mit der Zweiteilung der Literatur in einen kanonwürdigen und, so Mann, »wertlosen« Bereich die innerdeutsche Literatur aus den Jahren 1933 bis 1945 nicht nur aus dem Kanon, sondern zugleich auch aus der Literaturwissenschaft wegdefiniert wurde.4 Wie Horst Denkler anmerkte, hat es in den vierziger Jahren unter prominenten Zeitgenossen durchaus auch Stimmen gegeben, die Thomas Manns Einschätzung teilten, jedoch gegenteilige Konsequenzen aus ihr zogen. Alfred Döblin etwa forderte in einem 1946 gedruckten Aufruf, das aus der Herrschaftsperiode des Nationalsozialismus Überlieferte solle »zur Kenntnis« genommen werden, sei es auch nur zur Einsicht, »wie eindeutig politisch (obwohl und gerade weil planmäßig von Politik entfernt) durch Haltung, Stoffwahl und Stil viele innerdeutsche Produkte wirken«.5 1958 warnte Hannah Arendt: We can no longer afford to take that which was good in the past and simply call it our heritage, to discard the bad and simply think of it as a dead load which by itself time will bury in oblivion.6

Dass solche Aussagen von der Literaturwissenschaft jedoch selektiv übergangen wurden, sollte es ihr, nach Denklers Einschätzung, »leichtmachen, ein belastendes Erbe abzuschütteln und loszuwerden«.7 Ein zweiter Problempunkt betrifft die Tatsache, dass mit der pauschalen Ablehnung des zwischen 1933 und 1945 gedruckten Buchs die im Dritten Reich geschriebene und die von der Diktatur vereinnahmte Literatur, das geförderte und das zurückgewiesene Schrifttum, Autoren und Werke mit unterschiedlicher Regimenähe, verdeckte und offene Widerstände sowie vordergründig unpolitische Literatur und plakative Propagandaschriften als eine homogene Einheit behandelt wurden. Diese ausnahmslos verurteilende Literaturbetrachtung wurde durch die spätere Forschung in Frage gestellt und revidiert, bestimmte jedoch langfristig die öffentliche Haltung zu Literatur und Autoren der NS-Zeit. Noch 1999 kritisierte Denkler, trotz der literaturwissenschaftlichen Bemühungen,

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Vgl. Hans-Otto Hügel: Unterhaltungsliteratur. In: Literaturwissenschaft. Ein Grundkurs. Hg. von Helmut Brackert / Jörn Stückrath. Reinbek 2000, S. 281ff. Alfred Döblin: Die deutsche Utopie von 1933 und die Literatur. In: Das Goldene Tor 1 (1946), S. 261. Hannah Arendt: The Origins of Totalitariansim. New York 1958, S. ix. Horst Denkler: Was war und was bleibt? Versuch einer Bestandsaufnahme der erzählenden Literatur aus dem ›Dritten Reich‹. In: Zeitschrift für Germanistik 2 (1999), S. 279. Das folgende Zitat ist ebd.

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den Nebelvorhang zu zerreißen, den »moralische Distanzierung und ästhetische Verachtung« um die literarische Produktion der 12jährigen Diktaturepoche gewoben haben, neigt die öffentliche Meinung weiterhin zu pauschaler Verurteilung, die die Vernachlässigung und Ignorierung der inkriminierten Literatur rechtfertigt und auf ihre Tilgung aus dem kollektiven Gedächtnis hinausläuft.8

Drittens und letztens ist hier auf den Streit um das literarische Erbe Deutschlands hinzuweisen, der in den fünfziger Jahren zwischen den in Deutschland gebliebenen Autoren mit ihrer Gratwanderung zwischen Widerstand und Anpassung und den ins Ausland emigrierten Autoren geführt wurde.9 Während sich erstere auf das mehr oder minder versteckte Widerstandspotential in der Literatur der ›Inneren Emigration‹ beriefen, fixierten sich die ehemaligen Exilautoren auf die partiellen ideologischen und formalen Übereinstimmungen dieser Literatur mit dem Nationalsozialismus und nahmen die Bewahrung der deutschen Literatur und des deutschen Geistes für sich in Anspruch. Die kontrovers geführte Debatte hinterließ Spuren, die die Betrachtung der deutschen Literatur der Jahre 1933 bis 1945 langfristig beeinflussten: Zum einen lag der Forschungsschwerpunkt einseitig auf der Exilliteratur, während eine »ausgearbeitete Poetik und Hermeneutik der ›Verdeckten Schreibweise‹« auch Ende der neunziger Jahre noch nicht vorlag.10 Zum anderen verhinderte die säuberliche Trennung zwischen ›innen‹ und ›außen‹ lange Zeit, dass die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Literatur des Exils und der ›Inneren Emigration‹ untersucht und formulierbar wurden.11

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Denkler: Was war und was bleibt?, S. 279. Zur Debatte um die ›Innere Emigration« vgl. u. a. Nancy Thuleen: Criticism, Complaint, and Controversy: Thomas Mann and the Proponents of Inner Emigration. 1999; Peter Uwe Hohendahl / Egon Schwarz (Hg.): Exil und Innere Emigration. Bd. 2: Internationale Tagung in St. Louis. Frankfurt/M. 1973; Reinhold Grimm / Jost Hermand (Hg.): Exil und Innere Emigration: Third Wisconsin Workshop. Frankfurt/M. 1972. An der Debatte beteiligten sich u. a. Klaus Mann, Thomas Mann, Walter von Molo, Frank Thiess und Gottfried Benn. Zu Frank Thiess, der den Begriff der ›inneren Emigration‹ prägte, vgl. Erhard Schütz: Lebensführer zum Gott-Tier. In: Zeitschrift für Germanistik 1 (1998), S. 65–82; Ulrike Knes: Frank Thiess. Ein Autor zwischen Realität und Selbststilisierung. In: Literatur der ›Inneren Emigration‹ aus Österreich. Hg. von Johan Holzner / Karl Müller. Wien 1998, S. 47–72; Gerhard Renner: Frank Thiess. Ein ›freier‹ Schriftsteller. In: Buchhandelsgeschichte 2 (1990), S. 41–50. Heidrun Ehrke-Rotermund / Erwin Rotermund: Zwischenreiche und Gegenwelten. Texte und Vorstudien zur ›verdeckten Schreibweise‹ im ›Dritten Reich‹. München 1999, S. 16. Vgl. Annette Schmollinger: ›Intra muros et extra‹. Deutsche Literatur im Exil und in der Inneren Emigration; ein exemplarischer Vergleich. Heidelberg 1999; Theo Buck / Dietrich Steinbach: Tendenzen der deutschen Literatur zwischen 1918 und 1945. Weimarer Republik, Drittes Reich, Exil. Stuttgart 1985; Otto F. Best: Widerspruch oder Entsprechen: Überlegungen zu gemeinsamen Randmotiven, Nebenzügen und Klischees in der Literatur von Nationalismus, ›Innere Emigration‹ und Exil. In: Deutschsprachige Exilliteratur. Hg. von Wulf Koepke / Michael Winkler. Bonn 1984, S. 215–227; Henri R. Paucker: Einleitung. In: Neue Sachlichkeit. Literatur im ›Dritten Reich‹ und im Exil. Hg. von dems. Stuttgart 2003 (11974), insbes. S. 11f.

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Die sechziger Jahre12 Auf das anfängliche Schweigen der deutschen Literaturwissenschaft folgte eine Zeit der intensiveren Aufarbeitung, die von Ereignissen im politischen und literarischen Leben angeregt wurde. Die Vergangenheitsenthüllungen noch tätiger nationalsozialistischer Schriftsteller und Literaturwissenschaftler,13 die Aufdeckung neonazistischer Verlage und Arbeitsgruppen, die Diskussion über den Eichmann-Prozess und dessen Aufarbeitung durch Hannah Arendt14 führten zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit, die sich in einer Reihe von Studien und Dokumentationen zur nationalsozialistischen Literatur niederschlug. Die Atmosphäre der Zeit spiegelte sich in einem gewollt polemischen Ton, der von Begriffen wie »Schande« und »Schmach«15 bis hin zum »Sumpf aus analphabetischer Gemeinheit, Blut und Dreck«16 reichte. Gleichzeitig zeigte sich am Sprachgebrauch auch eine fehlende historisch-kritische Distanz zur nationalsozialistischen Rhetorik. Für Franz Schonauer (1961) war der Nationalsozialismus »keine Weltanschauung, sondern ein extremer Krankheitsfall« und ein »pathologischer Zustand«17; Joseph Wulf (1963) schrieb »Entstehung und Ergebnis« der nationalsozialistischen Literatur »unverkennbar Versagen und Entartung« zu18; Ernst Loewy (1966) konzentrierte sich in seiner Dokumentation darauf, »was eindeutig als Gift identifizierbar«19 war und Stephan Hermlin (1968) sprach in seiner Buchkritik vom »Verrat am Geist«.20 Diese unverblümte Emotionalität trübte die Zielsetzung der Studien, eine »kritische Sensibilität« gegenüber totalitären Denkweisen zu för-

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Die Abschnitte zu den sechziger und siebziger Jahren fallen ausführlicher aus als die anderen Abschnitte. Dies ergibt sich einerseits aus ihrer Komplexität, erscheint andererseits aber auch dadurch berechtigt, dass die Forschung dieser Jahre in vieler Hinsicht die Weiterentwicklung der literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus vorgeprägt hat. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass verschiedene Studien aus dieser Zeit (u. a. Joseph Wulf und Ernst Loewy) bis in die neunziger Jahre trotz veränderter Forschungslage unverändert neu aufgelegt wurden. Zahlreiche Autoren und Wissenschaftler, die sich zwischen 1933 und 1945 als überzeugte Anhänger des Regimes profiliert hatten, haben in den vierziger und fünfziger Jahren zum Teil unter Pseudonym weiter publiziert. Einer von ihnen war der nationalsozialistische ›Literaturpapst‹ Hellmuth Langenbucher (dazu u. a. Walter Jens: Literaturbetrachtung – heute. In: Bestandsaufnahme. Hg. von Hans Werner Richter. München u. a. 1962, S. 344–350). Arendts Artikel in The New Yorker über den Eichmann-Prozess lösten auch in Deutschland Kontroversen aus, weil sie über eine bloß registrierende Berichterstattung hinaus eine kritische Analyse der Schuldfrage, der Ursachen und der politisch-juristischen Behandlung des Holocaust bieten. 1963 wurden sie gebündelt unter dem Titel Eichmann in Jerusalem. A Report on the Banality of Evil publiziert. Joseph Wulf: Literatur und Dichtung im Dritten Reich. Gütersloh 1963, S. 5. Stephan Hermlin: [Rezension zu] Literatur und Dichtung im Dritten Reich. Umschau und Kritik. In: Sinn und Form. Beiträge zur Literatur 4 (1968), S. 1490. Schonauer: Literatur im Dritten Reich, S. 115. Wulf: Literatur und Dichtung, S. 5. Ernst Loewy: Literatur unterm Hakenkreuz. Das Dritte Reich und seine Dichtung. Eine Dokumentation. Frankfurt/M. 1990 (11966), S. 36. Hermlin: Literatur und Dichtung, S. 1487.

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dern.21 Es wurde eine Wissenschaft betrieben, die, wie in späteren Jahrzehnten kritisiert wurde, »weniger forschend und erschließend als vielmehr ›abrechnend‹« war.22 Gleichwohl dürfte dieser Zugriff notwendig gewesen sein, um eine weitergehende Beschäftigung mit der Literatur der NS-Zeit überhaupt erst zu ermöglichen. Die pauschalen Stigmatisierungen lassen erkennen, dass die nationalsozialistische Literatur in den sechziger Jahren nach wie vor als undifferenzierte Einheit betrachtet wurde. Zwar wurden »wesentliche Unterschiede im sprachlichen und stilistischen Niveau« eingestanden, dennoch wurde argumentiert, die Gleichschaltung habe solche Divergenzen soweit ihrer Bedeutung beraubt, bis die betreffenden Texte »gegen ihren Willen« immerhin zum »brauchbaren Mittel der Propaganda« wurden.23 Differenzierende Ansätze erschöpften sich folgerichtig in äußerst vagen Andeutungen, wie der Bemerkung Loewys, das Engagement für den Nationalsozialismus verlier[e] an Überzeugungskraft, je weiter der Autor in unserer literaturgeschichtlichen Skala vom reinen Partei-Schrifttum entfernt ist. Gewisse, für das Nazi-Schrifttum typische Züge verflüchtigen sich dabei.24

Was mit Begriffen wie ›unsere Skala‹, ›gewisse Züge‹ und ›verflüchtigen‹ konkret gemeint war, blieb unerklärt; wichtig erschien lediglich der fehlende Einfluss dieser Literatur auf die politische Realität der Diktatur als Argument dafür, die gesamte Literaturproduktion über den Leisten eines einzigen literaturkritischen Urteilsspruchs zu schlagen. Für die Auseinandersetzung mit Literatur aus den Jahren 1933 bis 1945 galt (implizit oder explizit) als Faustregel, eine Auswahl von Texten zu treffen, »die sich eindeutig als faschistisch zu erkennen« gaben, wobei »politische Texte den Vorrang« erhielten und »unspezifische Motive im Hintergrund« blieben.25 Selbst der DDR-Forscher Günter Hartung,26 der die »Forderung des Stoffes« darin sah, »eine breite Masse von Literatur differenzierend darzustellen« und so die »reale Breite und Verbreitung des faschistischen Schrifttums« sichtbar zu machen, beschränkte sich letztendlich auf »einige repräsentative und besonders wirksame Autoren«, die die politischen Ziele des »staatsmonopolistischen Kapitalismus und seine Aggressionen vorzubereiten und durchzusetzen geholfen« hätten.27 Folgerichtig vermittelt auch seine Studie den Eindruck, dem nationalsozialistischen Regime sei eine »monolithische, flächendeckende und epochenfüllende nationalsozialistische Literatur mit Absolut-

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Loewy: Literatur unterm Hakenkreuz, S. 26. Vgl. Wilfried Barner / Christoph König (Hg.): Zeitenwechsel. Germanistische Literaturwissenschaft vor und nach 1945. Frankfurt/M. 1996, S. 10. Schonauer: Literatur im Dritten Reich, S. 126. Loewy: Literatur unterm Hakenkreuz, S. 27. Ebd., S. 34 u. 36. Weiter unten wird auf Unterschiede zwischen der liberalen und marxistischen Literaturwissenschaft eingegangen. Günter Hartung: Über die deutsche faschistische Literatur. In: Weimarer Beiträge. Zeitschrift für Literatur und Wissenschaft 3 (1968), S. 489f.; ders.: Literatur und Ästhetik des Faschismus. Berlin 1983, S. 15.

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heits- und Ausschließlichkeitsanspruch« gelungen, »wie sie der damalige Literaturpapst Hellmuth Langenbucher seit 1933 herbeizureden versucht hat«.28 Wie manches Zitat zeigt, wurde in den sechziger Jahren der literaturwissenschaftliche Umgang mit dem Nationalsozialismus in starkem Maße durch den damaligen Stand der politischen Bewusstseinsbildung geprägt. Die konkurrierenden Deutungen der nationalsozialistischen Literatur im zweigeteilten Deutschland reflektierten das Bemühen, einen klaren Gegensatz zwischen dem eigenen politischen System und dem nationalsozialistischen zu konstruieren und Affinitäten mit dem Nationalsozialismus dem jeweils gegnerischen Lager zuzusprechen.29 Das westdeutsche ›liberale‹ Modell schränkte die Literatur und Dichtung im Dritten Reich, wie Wulfs Dokumentation (11963) exemplarisch veranschaulicht, auf zwölf Jahre »ganz und gar« vom NS-Staat gelenkte Literatur ein.30 Die Diktatur wurde als eine von außen hereingebrochene Katastrophe gedeutet, die Möglichkeit zum innerdeutschen Widerstand dementiert und jegliche Kontinuität mit der Zeit vor 1933 und nach 1945 marginalisiert, damit die Bundesrepublik und ihre Literatur problemlos an deutsches Erbe anknüpfen konnten. Der marxistische Ansatz, den u. a. Hartung vertrat, setzte den »Beginn einer faschistischen Literatur« im wilhelminischen Kaiserreich an und identifizierte Vorläufer sogar in der Spätromantik.31 In ungewolltem Einklang mit der NS-Propaganda bemühte er sich, über alle Brüche und Risse der deutschen Geschichte hinweg eine deutsche

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Denkler: Was war und was bleibt?, S. 281. Denkler musste die Literaturwissenschaft noch 1999 aufrufen, sich nicht mit der Lektüre exemplarischer Einzelwerke und Werkgruppen zu begnügen, sondern auf viele Stimmen zu hören, um »der Lesersteuerung durch zeitgenössische Verlautbarungen und nachträgliche Urteilssprüche [zu] entkommen und die Grenzen der kanonisierenden Vorauswahl [zu] überschreiten«. Beide Seiten behaupteten, der Nationalsozialismus und die ihn bedingenden Konstellationen seien im jeweils entgegengesetzten politisch-ideologischen Lager noch nicht überlebt. Ein prägnantes Beispiel für die westdeutsche Literaturwissenschaft ist Wulfs Behauptung der Nachwirkung des Nationalsozialismus in einem Zeitalter, das »noch so oft und mancherorts vom Totalitarismus beherrscht oder doch überschattet« werde (Literatur und Dichtung, S. 9). Die vage Bestimmung ›mancherorts‹ wurde dabei scheinbar beiläufig als die Sowjetunion identifiziert, etwa in der Bemerkung, dass die nationalsozialistischen Methoden »übrigens« auch »in der stalinistisch-antisemitischen Literatur gehandhabt« werden und »der Herausgeber ein großes Archiv über die Gleichheit derartiger Methoden im braunen und roten Staat besitz[e]« (S. 423). Hartung hingegen verspricht sich von seiner Forschung »Einsichten in den Prozeß der Faschisierung« mit dem Zweck, die »Faschisierung Westdeutschlands« effizienter zu bekämpfen, da doch die NS-Diktatur eine »Diktatur des staatsmonopolistischen Kapitalismus und seine Aggressionen« gewesen sei (Über die deutsche faschistische Literatur, S. 474ff.). Wulf: Literatur und Dichtung, S. 9. Hartung: Über die deutsche faschistische Literatur, S. 492: »Den Beginn einer faschistischen Literatur als einer eigenen Bewegung, das heißt die Existenz einer so großen Menge verwandter Werke, daß es zu gegenseitigen Anregungen, Ausbildung von Theoremen, eigenen Zeitschriften und anderen Sammlungstendenzen kommt, wird man erst nach 1871, vor allem nach 1890 ansetzen. Zwar gibt es Vorläufer seit der Jahrhundertmitte, insofern auch aus der späten Romantik (Adam Müller, in einiger Hinsicht auch Görres und E. M. Arndt) als dort wie hier ein antikapitalistischer Affekt sich nationalistisch und antisemitistisch festlegten und sich auf die reaktionären Staatszüge Deutschlands orientierte […].«

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Tradition bis hin zum Dritten Reich zu konstruieren. Freilich sollte dabei nicht das nationalsozialistische, sondern ganz im Gegenteil das kommunistische Staatsmodell legitimiert werden: Hinter der teleologischen Darstellung stand das apologetische Interesse, das kapitalistische System als einen Weg zu diffamieren, der zwangsläufig zum Nationalsozialismus führen musste. Trotz der starken ideologischen Einfärbung kommt der ostdeutschen Literaturwissenschaft das Verdienst einer historischen Kontextualisierung zu, die sich auf westdeutscher Seite erst Mitte der siebziger Jahre mühsam durchsetzen konnte. Der Gegensatz zwischen der ostdeutschen und westdeutschen Literaturwissenschaft war ebenfalls prägend für die Einstellung zum Verhältnis von Literatur und Politik. Im Licht des liberal-bürgerlichen Autonomiegedankens bestand auf westdeutscher Seite eine hartnäckige Resistenz gegen heteronom bestimmte Literatur.32 Aufgrund ihrer »bloßen Fungibilität im Dienste außenpolitischer Aggression und innenpolitischen Terrors«,33 ihrer Unterordnung unter den puren Willen zur Macht34 und ihrer Funktion politischer Massenbeeinflussung35 wurde die gesamte Literatur der NS-Zeit von »total unreflektierte[r] Gesinnungsliteratur«36 über »zu Dichtung ausgewalzte Weltanschauung«37 schließlich zur »reinen Ideologie«38 erklärt und dargestellt als unmittelbares, transparentes Fenster auf die ideologische Wirklichkeit des Nationalsozialismus: [Es ist] eine der Eigentümlichkeiten dieses Schrifttums, dass in ihm die »Weltanschauung« kaum je auch nur den Versuch einer wirklichen Gestaltung erfährt; sie tritt in den Texten zumeist als bloße Lehrmeinung auf. Die Figuren sind Sprachrohre des lizenzierten Zeitgeistes; statt sich in Menschen und Handlungen zu realisieren, findet er seinen Niederschlag in kruden Traktätchen, die – analog den Spruchblasen der Comic strips – den gestikulierenden Helden wie Schaum vor dem Munde stehen.39

Aus dem unterstellten Gegensatz von Literatur und Politik ergab sich eine Vernachlässigung der Form zugunsten des Inhalts.40 So schienen literaturwissenschaftliche Analysen, wie Ketelsen in späteren Jahren anprangerte, »an ihr gestecktes Ziel gelangt zu sein […], wenn an den Texten quasi sentenzenhaft das herausgearbeitet worden [war], was aus Leitbüchern wie Hitlers Mein Kampf oder Rosenbergs Mythus

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Vgl. dazu auch die von Susan Rubin Suleiman beschriebene Skepsis zum ›roman à thèse‹ (Authoritarian Fictions. The Ideological Novel as a Literary Genre. New York 1983). Loewy: Literatur unterm Hakenkreuz, S. 11. Rolf Geissler: Dichter und Dichtung des Nationalsozialismus. In: Handbuch der deutschen Gegenwartsliteratur. Hg. von Hermann Kunisch. München 1965, S. 729. Ebd., S. 721. Schonauer: Literatur im Dritten Reich, S. 115. Loewy: Literatur unterm Hakenkreuz, S. 25. Geissler: Dichter und Dichtung, S. 722. Loewy: Literatur unterm Hakenkreuz, S. 25. Vgl. die gleichsam selbstverständliche Trennung zwischen »Ideologie und Formenwelt« und »poetischer Struktur und politischer Inhaltlichkeit« in Ralf Schnell: Was ist ›Nationalsozialistische Dichtung‹? In: Leid der Worte. Hg. von Jörg Thunecke. Bonn 1987, S. 30.

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des 20. Jahrhunderts als ideologische Fixierung bereits bekannt [war]«.41 Auf dieser Inhaltsorientiertheit mögen die Vorwürfe von historischer, sozialwissenschaftlicher und politologischer Seite gründen, dass die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus eine überflüssige ›Verdopplung‹ ihrer eigenen Forschung sei. Ein weitaus ertragreicherer Ansatz kam aus der Ecke der marxistischen Literaturwissenschaft, die sich um die Beziehung zwischen Literatur und Politik bemühte. Im Gegensatz zur liberalen Forschung forderte sie, »auch miserabelste Kunsterzeugnisse ernst zu nehmen und auf sie Methoden anzuwenden, die herkömmlicherweise nur bei anerkannten Kunstleistungen angebracht sind«.42 Dementsprechend sei auch nationalsozialistische Literatur »noch nicht analysiert, wenn man sie auf ihren pragmatischen Gehalt reduziert und dessen Entsprechungen unter den politischen Ideologien festgestellt hat«.43 Die Forderung diente dem für damalige Verhältnisse progressiven Zweck, diese Texte »durch Bewußtmachung der Kritik auszusetzen, anstatt sie zu tabuieren«.44 Sie öffnete Perspektiven für einen genuin literaturwissenschaftlichen Beitrag zur Dritte-Reich-Forschung und somit für die Tatsache, dass mit spezifisch literaturwissenschaftlichen Methoden Einsichten gewonnen werden konnten, die aus anderen Blickwinkeln noch nicht erreicht worden waren. Auf westdeutscher Seite sollte es bis in die späten achtziger, frühen neunziger Jahre hinein dauern, bis die »ästhetische Körperlichkeit«45 nationalsozialistischer Literatur in die Analyse einbezogen wurde. Nicht zuletzt erhoben sich in den sechziger Jahren auch die ersten kritischen Stimmen gegen den lenkenden Einfluss politischer Interessen auf den Umgang mit Literatur der NS-Zeit. Symptomatisch ist hier die Reaktion der linken Literaturzeitschrift alternative auf den Fall Max Barthel.46 In dem Prozess, den Barthel gegen 41 42 43 44 45

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Uwe-K. Ketelsen: Literatur und Drittes Reich. Vierow 1994, S. 20. Hartung: Literatur und Ästhetik, S. 8. Hartung: Über die deutsche faschistische Literatur, S. 492. Hartung: Literatur und Ästhetik, S. 8. Ketelsen: Probleme, S. 717 (vgl. Ketelsens Feststellung, dass sich die literarischen Werke aus den Jahren 1933 bis 1945 »nicht in den darin verkündeten ideologischen Botschaften erschöpfen, daß sie ihre lebensweltliche Funktion möglicherweise viel eher in ihrer formalen Struktur gewinnen (etwa in der Weise, wie ein Roman erzählt wird) als im Gestrüpp der verbreiteten Sentenzen«, Literatur und Drittes Reich, S. 25). 1963 brachte der Schriftsteller Max Barthel die Frage vor Gericht, was das politisch belastete Attribut ›nationalsozialistisch‹ im literarischen Kontext bedeutete. Streitpunkt seiner Klage war die Behauptung in zwei Schriftstellerlexika des Alfred Kröner Verlags, er habe sich »dem Nationalsozialismus angeschlossen« (Gero von Wilpert (Hg.): Lexikon der Weltliteratur. Stuttgart 1963, S. 122). Der Satz wurde vom Verlag als literaturwissenschaftlicher Epocheneinordnung, vom Gericht als politische Verurteilung ausgelegt. Die Richter stellten eine Liste mit Ideologemen auf, die in einem literarischen Werk vorhanden sein sollten, um es als ›nationalsozialistisch‹ kennzeichnen zu dürfen. Die Abwesenheit dieser Ideologeme in Barthels Werk und seine fehlende Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Organisationen führten zu dem Urteil, Barthel habe »weder durch sein Verhalten noch durch seine Werke« eine Zustimmung zur NS-Ideologie zum Ausdruck gebracht, sondern im Gegenteil »von einer geistigen inneren Emigration« gezeugt, wie sie »für damals typisch« gewesen

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seine Einstufung als NS-Autor angestrengt hatte, hatte das Gericht sieben Merkmale typisch nationalsozialistischer Literatur identifiziert.47 Die Zeitschrift entlarvte diese Kriterien als den »für unsere Gesellschaft repräsentativen Versuch, den Personenkreis der ›wirklichen Nationalsozialisten‹ auf ein Minimum zu beschränken und sich auf diese Weise aus dem infamen Begriff hinauszudefinieren«:48 »Diese nationalsozialistische Literatur, die das Münchener Gericht definiert,« so die Kritik, »hat es schlechterdings in Deutschland nicht gegeben.«49 Wenige Jahre später, im Oktober 1966, wurden beim Münchener Germanistentag unter dem Titel Nationalismus in Sprache und Dichtung erste Anstöße zur kritischen Auseinandersetzung mit der jüngeren Fachgeschichte der Germanistik gegeben. Insbesondere die Vorträge von Eberhard Lämmert und Karl Otto Conrady forcierten die Einsicht, dass eine solche Aufarbeitung unerlässlich geworden war.50 Der Ansatz wurde in den nachfolgenden Jahren aufgenommen, verhinderte aber nicht, dass die politische Bewusstseinsbildung einer der konstitutiven Faktoren des literaturwissenschaftlichen Umgangs mit dem Nationalsozialismus blieb.51 Die siebziger Jahre In den siebziger Jahren entstand nicht zuletzt unter dem Impuls der oben genannten Germanistentagung vor allem auf westdeutscher Seite ein Freiraum für Kritik

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sei (Johannes Feest: Publizistik und Ehrenschutz. In: alternative 35 (1964), S. 36). Der Kröner Verlag wurde zur Streichung der betreffenden Aussage verurteilt, Barthel samt seiner Literatur von nationalsozialistischen Merkmalen freigesprochen. Die Merkmale waren: »nationalsozialistische Rassepolitik, Kampf gegen den Weltbolschewismus, Kampf gegen das Judentum, Kampf gegen die so genannten westlichen Plutokratien, die neue – zunächst europäische – Raumordnung, Ausschaltung des Einflusses der Kirche und die Erweckung und Förderung des ›völkischen Wehrbewußtseins‹« (zitiert nach: Hildegard Brenner: Was ist nationalsozialistische Literatur? In: alternative 7 (1964), S. 61). Johannes Feest: Die Richter und das ›Dritte Reich‹. In: alternative 7 (1964), S. 64. Brenner: Was ist nationalsozialistische Literatur?, S. 62. Diese Forderung ging mit einer Kritik am weiterhin üblichen ›völkischen‹ Literaturbegriff einher, die erstmals 1962 von Walter Jens im Aufsatz Völkische Literaturbetrachtung – heute vorgebracht worden war. Zum Germanistentag von 1966 und seinen Folgen: Konrad Ehlich (Hg.): Germanistik in und für Europa. Faszination – Wissen. Texte des Münchener Germanistentages 2004. Bielefeld 2006; Dirk Kemper: Wissenschaftsgeschichte der Germanistik – Wozu? [Deutsche Fassung des Beitrags aus] Russische Germanistik. Jahrbuch des Russischen Germanistenverbandes 1 (2004) (30.3.2008); Karl Otto Conrady: Miterlebte Germanistik. Ein Rückblick auf die Zeit vor und nach dem Münchener Germanistentag von 1966. In: Diskussion Deutsch 19 (1988), S. 126–143; Benno von Wiese / Rudolf Henß (Hg.): Nationalismus in Germanistik und Dichtung. Dokumentation des Germanistentages in München vom 17.–22. Oktober 1966. Berlin 1967. Vgl. Lämmerts rückblickende Feststellung 1993, dass »gerade die ideologiekritische Welle, die damals eine ganze Reihe von Textsammlungen und auch scharfsinnige Analysen in dichter Folge erscheinen ließ, so unerläßlich sie war, Ansätze zu einer gleichmäßigen Aufarbeitung der Fachgeschichte eher ins Stocken gebracht« habe (zitiert nach: Kemper: Wissenschaftsgeschichte der Germanistik, S. 14).

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und Kontroversen über die Interpretation der nationalsozialistischen Literatur. Trotz ihrer ideologiekritischen Prägung52 brachte die Literaturwissenschaft dieser Jahre einige bahnbrechende Studien hervor und zwar von Wissenschaftlern, die auch heute noch als wichtige Vertreter der Erforschung nationalsozialistischer Literatur gelten: Uwe-K. Ketelsen, Horst Denkler und Klaus Vondung.53 Die innovative Kraft ihrer Studien lag besonders darin, dass sie neben der nationalsozialistischen Literatur auch die bis dahin erfolgte Forschung kritisch auszuwerten und Alternativen für die diagnostizierten Schwachstellen zu bieten suchten. Global galt ihre Kritik dem »enormen Rückstand« der literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gegenüber anderen Disziplinen und zwar insbesondere der »Hilfund Prinzipienlosigkeit der Literaturwissenschaft, sich dieses ›Phänomens‹ wissenschaftlich zu versichern«.54 An die Stelle eines mit pauschalen Urteilen befriedigten Forschungsinteresses sollte das Vorhaben treten, fortan »das Gesamtspektrum der zwischen 1933 und 1945 in Deutschland entstandenen Literatur« in seiner Vielgestaltigkeit zu untersuchen. In der Praxis wurden wissenschaftlich fundierte Definitionen zur Konturierung der »spezifisch nationalsozialistischen« Literatur gesucht55 und daneben auch »Zeugnisse[ ] des illegalen Widerstandes, der ›inneren‹ Emigration der zu Camouflagetechniken greifenden nichtfaschistischen Literatur und Publizisten« als eigene Kategorie anerkannt.56 Für die methodologische Ebene implizierte diese Erweiterung eine Verschiebung von der Globalsicht zu Fallstudien und Detailuntersuchungen. Inhaltlich richtete sich das Interesse zunehmend von der ›typischen NS-Dichtung‹ auf die engen Spielräume, in denen sich die literarische Intelligenz einzurichten vermochte. Konzeptuell bahnte sich eine erste Ausdifferenzierung der nationalsozialistischen Literatur in ›NS-Dichtung‹ und ›Innerer Emigration‹ an. Parallel dazu leitete der Übergang von einem auf Hitler zentrierten zu einem strukturalistischen Verständnis der Diktatur, der sich in der Geschichtswissenschaft

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Zur Germanistik der siebziger Jahre vgl. Silvio Vietta / Dirk Kemper (Hg.): Germanistik der siebziger Jahre. Zwischen Innovation und Ideologie. München 2000. Zu den ausgewiesenen Experten zur Literatur im Dritten Reich ist mit Blick auf spätere Jahre auch Erhard Schütz zu nennen. Horst Denkler / Karl Prümm (Hg.): Die deutsche Literatur im Dritten Reich. Stuttgart 1976, S. 7 [eigene Hervorhebung]. Die folgenden Zitate sind ebd. Insbesondere Klaus Vondung: Der literarische Nationalsozialismus. Ideologische, politische und sozialhistorische Wirkungszusammenhänge. In: Die deutsche Literatur. Hg. von Denkler / Prümm, S. 44–65; Wolfgang Wippermann: Geschichte und Ideologie im historischen Roman des Dritten Reiches. In: Die deutsche Literatur. Hg. von Denkler / Prümm, S. 165–182. Vondung bezieht den Ausdruck der ›nationalsozialistischen Literatur‹ auf solche literarischen Werke, die von der nationalsozialistischen Literaturpolitik gefördert wurden, NS-typische Ideologeme aufweisen und von Autoren stammen, die sich öffentlich zum Nationalsozialismus bekannten. Wippermann basiert seine Defi nition auf die Quantität und Radikalität der nationalsozialistischen Ideologeme in literarischen Werken sowie auf die Frage, ob diese Ideologeme der Verschleierung gesellschaftlicher und politischer Konflikte dienten und konkrete innen- und außenpolitische Zielsetzungen zu legitimieren versuchten. Denkler / Prümm (Hg.): Die deutsche Literatur, S. 8f.

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seit Mitte der sechziger Jahre vollzogen hatte,57 zu den ersten Ansätzen einer historischen Einordnung der nationalsozialistischen Literatur. So wurden nun auch in der westdeutschen Literaturforschung Stimmen laut, die nationalsozialistische Literatur sei »aus ihrer etikettierten Isolation zu lösen« und »in einem historischen Kontinuum zu sehen, das über die zwölf Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft hinausreicht.58 Der Fokus wurde dabei noch einseitig auf Kontinuitäten mit der Zeit vor 1933 und damit auf die Erkenntnis gelegt, dass ein Großteil der Werke, die im Dritten Reich »Publikumserfolg hatten und […] als vorbildhafte nationalsozialistische Dichtung galten, bereits in der Zeit der Weimarer Republik« entstanden war, ein »weiterer an Zahl und Bedeutung nicht geringerer Bestand sogar schon vor 1918.«59 Es dauerte noch einige Jahre, bis auch die Metaphern der ›Stunde Null‹ und des ›Kahlschlages‹ in Frage gestellt und die Kontinuitäten mit der Nachkriegszeit untersucht wurden. Immerhin wurde hier zum ersten Mal auf den proportional großen Anteil der im Dritten Reich vereinnahmten Literatur hingewiesen. Parallel zu dieser historischen Kontextualisierung wurde die Forderung vorgebracht, die NS-Literatur solle entgegen der Vorstellung des ›deutschen Sonderwegs‹ in den Kontext der europäischen Nationalliteraturen gestellt werden. Konkret wurde eine Analyse der »möglichen Verbindungen zu einer antimodernen, regionalistischen oder faschistischen Weltliteratur« vorgeschlagen,60 um neben der Spezifizität der nationalsozialistischen Literatur auch epochale Gemeinsamkeiten in Themenstellungen, stilistischen Verfahren, ästhetischen Vorstellungen und literarischen Reaktionen auf Zeitkonstellationen zu erkunden. An der polarisierenden Aufgliederung der im Dritten Reich entstandenen Literatur in ›NS-Dichtung‹ und ›Innere Emigration‹ änderte diese Fragestellung vorerst noch nichts. Erst in den achtziger Jahren begann sich dieses dualistische Schema zugunsten einer komplexeren Sicht aufzulösen. Die achtziger und neunziger Jahre Mit Hans Dieter Schäfers Studie Das gespaltene Bewusstsein. Deutsche Kultur und Lebenswirklichkeit 1933–1945 (1981) wurde die Aufmerksamkeit Anfang der acht-

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Vgl. Ian Kershaw: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick. Reinbek 1989, S. 127–142. Denkler / Prümm (Hg.): Die deutsche Literatur, S. 7. Vondung: Der literarische Nationalsozialismus, S. 51. Ebd., S. 25f. Wippermann verweist etwa »auf die Arbeiten Célines, Brasillachs, Drieu la Rochelles, Hamsuns, Pounds usw., die der ›Versuchung des Faschismus‹ unterlagen, und zwar nicht nur deshalb und nicht erst dann, als sie sich als Kollaborateure der faschistischen Besatzungsmacht zur Verfügung stellten, sondern weil sie wesentliche ideologische Theoreme und Zielsetzungen des Faschismus in ihren Werken übernahmen und propagierten« (vgl. Geschichte und Ideologie, S. 183). Zum Faschismus in der europäischen Literatur vgl. u. a. Stein Ugelvik Larsen / Beatrice Sandberg / Ronald Speirs (Hg.): Fascism and European Literature. Faschismus und europäische Literatur. Bern u. a. 1991.

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ziger Jahre61 auf die »politikfreie Sphäre«62 der Diktatur gerichtet. Zum einen ging es dabei um die so genannte »nichtnationalsozialistische Literatur der jungen Generation im Dritten Reich«.63 Diese Generation junger und zumeist noch unbekannter Autoren schrieb Werke, die »von den ästhetischen Normen des Nationalsozialismus z.T. erheblich abwichen«,64 ihrem zurückgezogenen Charakter gemäß jedoch nicht gegen die nationalsozialistische Politik opponierten. Die Politikferne dieser Autoren wurde von den Lenkungsinstanzen angeprangert,65 stellte aber gleichzeitig sicher, dass sie selten mit dem Staatsapparat in Konflikt gerieten und wenigstens bis zum Beginn des Krieges gute Publikationsmöglichkeiten hatten.66 Mit dem Hinweis auf diese Autoren wurde zum ersten Mal die Aufmerksamkeit auf literarische Werke gelenkt, die von den Kontrollorganen weder gefördert noch abgelehnt, sondern vielmehr bewusst geduldet wurden, woraus ersichtlich wurde, dass es mehr Varianten literaturpolitischer Verhaltensformen gab, als bis dahin angenommen worden war. Gleichzeitig wurden die Kontinuitätslinien mit der Nachkriegszeit freigelegt, weil sich unter den im Dritten Reich debütierenden Autoren verschiedene bedeutende Vertreter der deutschen Nachkriegsliteratur fanden. Zum anderen bezog Schäfer die »politikfreie Sphäre« auf die ausgeprägten populären Unterhaltungs- und Konsumkultur, die er allerdings nur für die Bereiche der Mode, der Illustrierten, der Musik, des Films und der Gebrauchswaren, nicht jedoch für den Bereich der Literatur illustrierte. Der Autor ließ sich damit die Chance entgehen, die These des »tiefen Gegensatz[es] zwischen nationalsozialistischer Ideologie und Praxis«,67 die er seiner Arbeit zugrunde legte, für den literarischen Bereich nicht nur auf die ›junge Generation‹, sondern auch auf die im Dritten Reich weit verbreitete Unterhaltungsliteratur zu beziehen.

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Zwei Kapitel zur ›jungen Generation‹ wurden 1976 und 1977 bereits als Aufsätze publiziert, erlangten aber erst 1981 durch die Buchfassung Bekanntheit. Hans Dieter Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein. Deutsche Kultur und Lebenswirklichkeit 1933–1945. München 1983, S. 7. Ebd., S. 7–71. Schäfer nennt als Vertreter dieser ›jungen Generation‹ u. a. Alfred Andersch, Johannes Bobrowski, Günter Eich, Max Frisch, Marie Luise Kaschnitz und Eugen Gottlob Winkler (S. 10 u. 64). Schäfer zufolge lehnte diese ›junge Generation‹ realistisches Erzählen und epische Großformen zugunsten von subjektiven Ausdrucksformen der Moderne und kleinen Erzähleinheiten ab (ebd., S. 24), setzte der vom Regime geforderten Gegenwartsnähe eine Hinwendung zur breiten Idyllik und antiken Stoffen gegenüber (S. 25) und distanzierte sich von der heroischen Lebensauffassung des Nationalsozialismus durch die Betonung der Intimität und »Hilflosigkeit des einzelnen angesichts einer übermächtig und unheimlich auf den Menschen eindringenden Welt« (S. 66). Sie wurden abschätzig »Dichter jenseits der Zeit« (Fritz Helke, 1936) und »Stille[ ] im Lande« (Franz Moraller, 1936) genannt (zitiert nach: Denkler, Was war und was bleibt?, S. 283). Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 9. Ebd., S. 114. Der Historiker Hans Buchheim hat diese Divergenz erstmals als allgemeines Merkmal der NS-Herrschaft herausgestellt (vgl. Totalitäre Herrschaft. Wesen und Merkmale. München: Kösel 1962).

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In den späten achtziger und frühen neunziger Jahren wurde in der Literaturwissenschaft vereinzelt für eine weitere Kontextualisierung der nationalsozialistischen Literatur als »Teil einer allgemeinen, alle Industriestaaten umfassenden kulturellen Konstellation« argumentiert, in deren Kontext diese Literatur einen »möglicherweise spezifischen […] Platz« einnehme.68 Die Beschränkung auf den deutschen Rahmen, die für die damalige Literaturwissenschaft noch üblich war, wurde im Hinblick auf den Nationalsozialismus für eine »moralisierende Abgrenzung« und »politisch begründete Tabuisierung« gehalten, deren Zweck in der »Abtrennung des ›Eigenen‹ vom ›Fremden‹«69 lag. Anders als in den siebziger Jahren wurde damit weniger der Gegensatz zwischen deutscher und außerdeutscher Literatur als vielmehr der Antagonismus »hie [sic] Literatur des III. Reichs – dort Moderne«70 in Frage gestellt. Die Einbeziehung der fortschreitenden Modernisierung der Gesellschaft in die Bewertung nationalsozialistischer Literatur sollte das polare Deutungsraster korrigieren und dazu führen, dass »wir die vermeintlich ›andere‹ Welt plötzlich als Teil unserer eigenen entdecken«.71

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Ketelsen: Probleme, S. 718. Die folgenden Zitate sind ebd. Uwe-K. Ketelsen: NS-Literatur und Modernität. In: Deutschsprachige Exilliteratur. Studien zu ihrer Bestimmung im Kontext der Epoche 1930 bis 1960. Hg. von Wulf Koepke / Michael Winkler. Bonn 1984, S. 38. Ebd., S. 41. Ketelsen: Probleme, S. 717. Als die Frage nach dem Verhältnis von Modernität und Nationalsozialismus im Bereich der Literaturwissenschaft erstmals aufgeworfen wurde, wurde sie in den Geschichtswissenschaften bereits auf breiterer Basis kontrovers diskutiert. Zu einem wesentlichen Teil entzündete sich diese Debatte an der normativen Aufladung des Modernisierungsbegriffs, da er mit einer gewissen Selbstverständlichkeit als Korrelat zur Demokratisierung und somit als eine wünschenswerte Entwicklung galt, die sich nicht ohne politisch-moralische Einwände mit dem Nationalsozialismus liieren ließ. Zu den unterschiedlichen Positionen vgl. u. a. Hans Dieter Schäfer: Moderne im Dritten Reich. Kultur der Intimität bei Oskar Loerke, Friedo Lampe und Helmut Käutner. Stuttgart: Franz Steiner 2003; Hans Mommsen: Noch einmal: Nationalsozialismus und Modernisierung. In: Geschichte und Gesellschaft 21 (1995), S. 391–402; Zygmunt Bauman: Moderne und Ambivalenz. Frankfurt/M. 1995; Günter Könke: ›Modernisierungsschub‹ oder relative Stagnation? In: Geschichte und Gesellschaft 4 (1994), S. 367–387; Axel Schildt: NS-Regime, Modernisierung und Moderne. In: Tel Aviver Jahrbuch für Geschichte 23 (1994), S. 3–22; Michael Prinz / Rainer Zitelmann (Hg.): Nationalsozialismus und Modernisierung. Darmstadt 1994; Norbert Frei: Wie modern war der Nationalsozialismus? In: Geschichte und Gesellschaft 3 (1993), S. 367–387; Zygmunt Bauman: Dialektik der Ordnung: die Moderne und der Holocaust. Hamburg 1992; Christoph Dipper: Modernisierung des Nationalsozialismus. In: Neue Politische Literatur 36 (1991), S. 450–456; Hans Mommsen: Nationalsozialismus als vorgetäuschte Modernisierung. In: Der historische Ort des Nationalsozialismus. Hg. von Pehle. Frankfurt/M. 1990, S. 31–46; Jeffrey Herf: Reactionary Modernism. Cambridge (Mass.) 1984. Davor bereits: Horst Matzerath / Heinrich Volkmann: Modernisierungstheorie und Nationalsozialismus. In: Theorien in der Praxis des Historikers. Hg. von Jürgen Kocka. Göttingen 1977, S. 86–116; Ralf Dahrendorf: Gesellschaft und Demokratie in Deutschland. München 1965. Einen Überblick bietet Riccardo Bavaj: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus. München 2004.

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Etwa ab Mitte der neunziger Jahre setzte sich in der Literaturwissenschaft die These durch, der Nationalsozialismus stelle keine generelle Absage an die Moderne, sondern vielmehr eine »spezifische Art von Modernität« dar, die Sebastian GraebKönneker 1996 treffend als ›autochthon‹ bezeichnete.72 Dieser Begriff stand für die Annahme, die Diktatur habe weniger die Beseitigung der modernen Zivilisation als deren ›organische Überformung‹73 angestrebt. So habe wenigstens ein Teil der nationalsozialistischen Literatur das Ziel darin gesehen, Themenbereiche aus der modernen Welt wie etwa Industrie, Technik, Großstadt und Forschung zu verarbeiten und dabei selektiv die ›Auswüchse‹74 der ›Zivilisation‹ zu bekämpfen. Zur Illustrierung sei exemplarisch auf das von Erhard Schütz aufgearbeitete literarische Motiv der Reichsautobahn75 und die von Christian Härtel untersuchten Zukunftsromane verwiesen, die »nach Möglichkeiten der Versöhnung von traditionellen Lebensweisen mit moderner Technik« suchten und eine Zukunft versprachen, »die sich von den negativen Seiten der technisch-zivilisatorischen Vergangenheit befreit zeigt«.76

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Sebastian Graeb-Könneker (Hg.): Autochthone Modernität. Eine Untersuchung der vom Nationalsozialismus geförderten Literatur. Opladen 1996, S. 12. Anfänglich bewegte sich die Modernisierungsdebatte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zwischen den Polen modern/nicht-modern. Nach und nach wurde die Möglichkeit einer Kombination von Moderne und Antimoderne postuliert, die die Dichotomie zwischen Tradition und Fortschritt, Romantik und Technik, Irrationalität und Rationalität durch die These einer komplexen Verwicklung der beiden ersetzte. Dem Nationalsozialismus wurde eine spezifische Art von Modernität zugeschrieben, die mit Prädikaten wie »reaktionär« (Herf), »rückwärtsgewandt« und »wider Willen« (Dahrendorf), »Pseudo-« (Matzerath / Volkmann), »vorgetäuscht« (Mommsen) und »faschistisch« (Berman) als Paradoxon gekennzeichnet wurde, über dessen konkrete Deutung freilich kein Konsens herrschte. Die Meinungsunterschiede konzentrierten sich um die Fragen, ob die moderne Komponente bewusst oder unbewusst, Mittel oder Ziel, bloß gewollt oder tatsächlich realisiert, in textimmanenten Strukturen oder nur im außerliterarischen Kontext zu suchen sei. Vgl. Graeb-Könneker: Autochthone Modernität, S. 43 u. 49. Materielle Symbole für eine solche Überformung sind der Volkswagen-Käfer als die modernste Autotechnologie in organischer Form (Horst Denkler: Organische Konstruktion. Natur und Technik in der Literatur des ›Dritten Reichs‹. In: Faszination des Organischen: Konjunkturen einer Kategorie der Moderne. Hg. von Hartmut Eggert / Erhard Schütz / Peter Sprengel. München 1995, S. 267–284) und die »zu Blumentöpfen umfunktionierte[n] Radkappen« in einer nahtlos in die Landschaft eingefügte Opel-Automobilfabrik (Graeb-Könneker: Autochthone Modernität, S. 185f.). Mit diesen ›Auswüchsen‹ waren nicht nur Merkmale wie Materialismus, Entfremdung und Desorientierung, sondern auch jede Form von Mehrdeutigkeit, Pluralität und ästhetischem Formalismus gemeint. Vgl. u. a. Erhard Schütz: Die saugende Bahn. Die Faszinationsgeschichte der Autobahn. In: Transit Brügge – Novogrod. Eine Straße durch die europäische Geschichte. Hg. von Ferdinand Seibt u. a. Bottrop, Essen 1997, S. 608–615; ders.: Faszination der blaßgrauen Bänder. Zur ›organischen‹ Technik der Reichsautobahn. In: Der Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-Ära. Hg. von Wolfgang Emmerich / Carl Wege. Stuttgart 1995, S. 123–145; ders.: ›…verankert fest im Kern des Bluts‹. Die Reichsautobahn – mediale Visionen einer organischen Moderne im ›Dritten Reich‹. In: Faszination des Organischen. Hg. von Hartmut Eggert u. a. München 1995, S. 231–266. Christian Härtel: ›Grenzen über uns‹. Populärwissenschaftliche Mobilisierung, Eskapismus

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Zu Beginn des 21. Jahrhunderts Seit den späten neunziger Jahren setzt die Literaturwissenschaft im Wesentlichen die Aufarbeitung der drei Kategorien der spezifisch nationalsozialistischen, nichtnationalsozialistischen77 und regimekritischen Literatur fort. Sammelbände zur Literatur im Dritten Reich bringen Aufsätze über Parteidichter, die ›Innere Emigration‹ und die ›junge Generation‹ zusammen, wobei auch allmählich das Bewusstsein für die Gemeinsamkeiten der drei Gruppen wächst, etwa mit Blick auf die ihnen gemeinsame »Folie manifesten Krisenbewußtseins«.78 Gleichzeitig wird in dem Bemühen um eine vollständigere und nuanciertere Erfassung des literarischen Lebens im Dritten Reich die »reinliche Scheidung zwischen rechtem und falschem Verhalten«79 in Frage gestellt und darauf hingewiesen, dass diese Scheidung »nicht zwischen Gruppen und Personen, sondern meistenteils mitten durch sie hindurch« verlaufe.80 Gefordert wird dementsprechend ein »neue[r] Blick« auf jene Autoren, die »allgemeine Oppositionshaltung mit teilweiser Sympathie für das Regime« oder »potentielle Opposition mit grundsätzlicher Zustimmung« kombinierten.81 Das Interesse der neuen Forschergeneration richtet sich damit, wie Holger Dainat 2003 bemerkte, auf »die Grautöne zwischen den Extremen«.82 Parallel dazu werden auch die Kontinuitäten der im Dritten Reich veröffentlichten Literatur mit der Zeit vor 1933 und der Nachkriegszeit weiter untersucht. Zum einen hat das Goethe-Jahr 1999 den Anlass für eine Reihe von Aufsätzen über die Vereinnahmung des klassischen Schrifttums in der Diktatur gegeben.83 Zum anderen macht sich ein erhöhtes Interesse für die moderne Populärkultur des Alltags bemerkbar, die Schäfer in den achtziger Jahren nur für den außerliterarischen Bereich dokumentierte.84 Gleichzeitig lässt sich seit Ende der neunziger Jahre in verstreuten Studien eine

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und Synthesephantasien in Zukunftsromanen des ›Dritten Reiches‹. In: Banalität mit Stil. Zur Widersprüchlichkeit der Literaturproduktion im Nationalsozialismus. Hg. von Walter Delabar u. a. Bern 1999, S. 249 u. 257. Der Begriff ›nichtnationalsozialistisch‹ wird hier und im Folgenden in der Bedeutung benutzt, die ihr Hans Dieter Schäfer beimisst, vgl. Seite 257. Erhard Schütz: Ein Geruch von Blut und Schande. In: Juni. Magazin für Literatur und Politik 24 (1996), S. 143. Christiane Caemmerer / Walter Delabar (Hg.): Dichtung im Dritten Reich? Zur Literatur in Deutschland 1933–1945. Opladen 1996, S. 8. Ebd., S. 10. In diesem Zusammenhang sei auf die Enthüllung der Zugeständnisse deutscher Nachkriegsautoren wie Günter Eich und Wolfgang Koeppen an die nationalsozialistische Diktatur gewiesen, die frühere Klassifizierungen und Trennlinien fragwürdig machte und zur erhöhten Aufmerksamkeit für inkonsistente Biographien beitrug. Ansgar Warner: Wenn der Stahl nicht rostet. In: Spielräume des einzelnen. Themenheft der Zeitschrift Juni. Magazin für Literatur und Politik 30–31 (1999), S. 379. Holger Dainat: Erinnerungsarbeit. In: Literaturwissenschaft und Nationalsozialismus. Hg. von dems. / Lutz Danneberg. Tübingen 2003, S. 8. Für eine Auflistung der Studien vgl. Seite 48, Fußnote 43. Vgl. u. a. Carsten Würmann / Ansgar Warner (Hg.): Im Pausenraum des Dritten Reiches. Zur Populärkultur im nationalsozialistischen Deutschland. Themenheft der Zeitschrift für Germanistik 17 (2006); Heinz J. Galle: Volksbücher und Heftromane. Vom Kaiserreich

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wachsende Aufmerksamkeit für das übersetzte Schrifttum im Dritten Reich beobachten.85 Das Interesse für eine weitere Ausdifferenzierung der im Dienste des Regimes geschriebenen Literatur und seiner Autoren hält sich weiterhin in Grenzen.86 Als weitgehend uneingelöst kann in dieser Hinsicht Günter Scholdts Aufruf aus dem Jahr 2004 gelten, auch »Plakatives zu differenzieren« und somit auch aus Texten, »von denen wir uns mittlerweile geradezu reflexhaft zu distanzieren pflegen«, über die »bloße Entrüstung« hinaus Einblicke in »das Ideenlabyrinth einer Epoche« zu gewinnen.87 Phasen in der Entwicklung der Begrifflichkeiten Betrachtet man rückblickend das sich verändernde Verständnis des Ausdrucks ›Literatur im Dritten Reich‹, lassen sich, vereinfacht dargestellt, fünf Phasen der Binnendifferenzierung erkennen, die eine enge Abhängigkeit von außerliterarischen Faktoren aufzeigen. In der ersten Phase, die bis in die sechziger Jahre reichte, wurden die Ausdrücke ›Literatur im Dritten Reich‹ und ›Literatur des Dritten Reichs‹ synonym benutzt. Die Literatur der NS-Zeit wurde entweder im Rahmen der apologetisch inspirierten Überzeichnung staatlicher Kontrollen oder aber im Licht ihrer moralischen Pauschalverdammung als geschlossener Monolith betrachtet und stigmatisiert. In der zweiten Phase, die insbesondere die siebziger Jahren betraf, führte die Trennung der ›Inneren Emigration‹ von der ›Propagandaliteratur‹ eher implizit als

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zum ›Dritten Reich‹. 40 Jahre populäre Lesestoffe. Lüneburg 2006; Hans-Edwin Friedrich: Hausgreuel, Massenschund, radikal Böses. Die Karriere des Kitschbegriffes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Kitsch. Faszination und Herausforderung des Banalen und Trivialen. Hg. von Wolfgang Braungart. Tübingen 2002, S. 35–58; Carsten Würmann: Entspannung für die Massen. Die Unterhaltungsliteratur im Dritten Reich. In: Zwischen den Zeiten. Hg. von Uta Beiküfner / Hania Siebenpfeiffer. Hamburg 2000, S. 9–35; Heinz J. Galle: Volk ans Gewehr. Groschenhefte im Dienste der Propaganda. In: Buchhandelsgeschichte 3 (2001), S. 92–100. Pionierarbeit leistete in diesem Zusammenhang Helga GeyerRyan mit dem Aufsatz Trivialliteratur im Dritten Reich. Beobachtungen zum Groschenroman (in: Kunst und Kultur im deutschen Faschismus. Hg. von Ralf Schnell. Stuttgart 1978, S. 217–260). Vgl. u. a. Kate Sturge: ›The Alien Within‹. Translation into German during the Nazi Regime. München 2004; Rodney Symington: The Nazi Appropriation of Shakespeare. Cultural Politics in the Third Reich. Lewiston u. a. 2005; Uta Beiküfner: ›Ein Kritiker mitten im Kampf‹. Zur Rezeption von T. E. Lawrence im Dritten Reich. In: Zwischen den Zeiten. Hg. von ders. / Siebenpfeiffer, S. 81–96; Herbert Van Uffelen: Hohe Lieder auf die gesegnete Erde Flanderns. Niederländische Literatur und Nationalsozialismus. In: Dichtung im Dritten Reich? Hg. von Caemmerer / Delabar, S. 265–276; Karl-Rainer von der Ahé: Rezeption schwedischer Literatur in Deutschland. 1933–1945. Hattingen 1982. Zu nennen sind hier: Rolf Düsterberg: Hanns Johst. Paderborn u. a. 2004; Christian Härtel: Stromlinien. Wilfrid Bade. Berlin-Brandenburg 2004; ders.: Im Zeichen der ›zynischen Sachlichkeit‹. Die Textproduktion Wilfrid Bades zwischen Sachbuch, Propagandaschrifttum und Haltungskunst. In: Spielräume des einzelnen. Hg. von Delabar u. a., S. 137–150. Günter Scholdt: Literaturgeschichte und Drittes Reich. In: Kritische Ausgabe. Zeitschrift für Germanistik und Literatur 2 (2004), S. 15.

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explizit eine semantische Unterscheidung zwischen den Ausdrücken ›Literatur des Dritten Reichs‹ und ›Literatur im Dritten Reich‹ herbei. Der erste Ausdruck wurde weiterhin mit ›typisch‹ nationalsozialistischer Propagandaliteratur verbunden, der zweite Ausdruck weitete sich zum Epochenbegriff aus, der sowohl Regimekonformes als Regimekritisches umfasste. Obwohl nicht konsequent gehandhabt88 setzte sich diese Differenzierung in den nachfolgenden Jahrzehnten weitgehend durch.89 In ihr äußerte sich das wachsende Bewusstsein der Kluft zwischen den literarischen Ansprüchen der Diktatur (die mit der ›Literatur des Dritten Reichs‹ gleichgesetzt wurden) und der faktischen Buchproduktion im Dritten Reich (die der Ausdruck ›Literatur im Dritten Reich‹ erfasste) und brachte damit gleichzeitig die Einsicht, dass es eine einheitliche Literaturpolitik und Literatur im Dritten Reich nicht gegeben hat.90 In der dritten Phase, die Anfang der achtziger Jahre einsetzte, wurden erste Risse im dualistischen Verständnis der Literatur im Dritten Reich sichtbar, indem die so genannte nichtnationalsozialistische Literatur zwischen den Lagern der regimekonformen und regimekritischen Literatur verortet wurde. Immerhin sollte die Literaturforschung noch geraume Zeit in polaren Schemata denken.91 In der vierten Phase, vor allem in den neunziger Jahren, führte die Internationalisierung der Forschungsperspektive zur Aufweichung der Grenzen zwischen den drei bis dahin scharf voneinander abgegrenzten Kategorien der Literatur im Dritten Reich. Sie machte die Gemeinsamkeiten zwischen diesen Kategorien formulierbar und öffnete gleichzeitig auch den Blick für eine Sparte der vom Regime erwünschten und geförderten Literatur, die aufgrund der bis dahin vorherrschenden Kontrastierung von Nationalsozialismus und Modernität verdeckt geblieben war: jene Literatur nämlich, die die »Regressionswünsche[ ]« mit »Progressionsphantasmen« verband.92 Zum ersten Mal wurde dabei auch der Ausdruck der ›Literatur des Dritten Reichs‹ weiter ausdifferenziert. Die fünfte Phase, die sich erst in Ansätzen durchgesetzt hat, sensibilisiert weiterhin für Autoren und Werke, die sich keiner der Kategorien eindeutig zuordnen lassen. Parallel dazu findet eine weitere Aufarbeitung und Ausdifferenzierung der nichtnationalsozialistischen Literatur in eine breit gefächerte Skala von literarischen 88

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Ketelsen verwendet in seinen Studien zum Nationalsozialismus weiterhin systematisch den Ausdruck ›Literatur des Dritten Reiches‹ für die gesamte im Dritten Reich entstandene Literatur. Zumeist bleibt die Verwendung der Ausdrücke unreflektiert. Explizite Kommentare zum Gebrauch finden sich u. a. in: Karl-Heinz Joachim Schoeps: Deutsche Literatur zwischen den Weltkriegen: Literatur im Dritten Reich. Bern 1992, S. 7; Caemmerer / Delabar: Dichtung im Dritten Reich?, S. 10. Vgl. Olaf Simons: Willkür, Wildwuchs und neuartige Effizienz. Ein kleiner Streifzug durch Theorie und Praxis der Zensur im Dritten Reich. 2004 (30.4.2008). Noch 1990 diente die Auseinandersetzung mit der Literatur aus diesem Zeitraum, so Ketelsen, der »primäre[n]« und »ausschließliche[n] Aufgabe«, »ein- bzw. auszugrenzen«: »Sie ist rigoros und duldet nur eine einzige Antwort: dieser Autor, dieser Text gehört zu ›uns‹ – dieser Autor, dieser Text gehört zu den ›anderen‹. […] Was zwischen den Fronten des Ja oder Nein geriet, verschwand im Abgrund des Vergessens […].« (Probleme, S. 713). Schütz: ›Ein Geruch von Blut und Schande‹, S. 155.

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Formen statt.93 Zugleich trägt die wachsende Aufmerksamkeit für den eigentlichen Buchmarkt im Dritten Reich zu einem erweiterten, differenzierteren Verständnis der ›Literatur im Dritten Reich‹ und – mehr zufällig als bewusst – der ›Literatur des Dritten Reichs‹ bei.

3.1.2. Auswertung Die Auseinandersetzung mit der Literatur im Dritten Reich ist in den letzten Jahrzehnten nuancierter und differenzierter geworden, weist dennoch strukturelle Forschungslücken auf, die im Folgenden punktuell dargestellt werden. Von Überblicks- zu Einzelstudien Während sich in den sechziger und siebziger Jahren noch ein literaturwissenschaftliches Interesse am Gesamtzusammenhang der Literatur im Dritten Reich zeigte, ging dieses Interesse in den darauffolgenden Jahrzehnten allmählich zurück. An die Stelle überblicksartiger und systematisch angelegter Darstellungen traten Aufsätze, die sich thematisch auf einzelne Problemkreise, methodologisch auf das Fallbeispiel beschränkten.94 Diese Spezialisierung des Erkenntnisinteresses ist insofern erfreulich, als das komplexe Thema durch Einzelstudien mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Forschungszielen in der nötigen Differenziertheit behandelt werden kann.95 Andererseits führt sie zu dem von Ketelsen überspitzt formulierten Befund, »daß es eine literarhistorische Dritte-Reich-Forschung, die diesen Namen wirklich verdiente, nicht gibt«.96 Tatsächlich lassen die verstreuten Detailstudien auch heute »den Gesamtzusammenhang einer nationalsozialistischen Kulturpolitik nur andeutungsweise sichtbar werden«.97 Ging die Spezialisierung des literaturwissenschaftlichen Interesses zum einen auf Kosten einer Globalsicht, die die aufgearbeiteten Teilaspekte im Gesamtzusammenhang situieren könnte, so ging sie zum anderen auf Kosten der Aufarbeitung jener Literatur, die sich weder als regimekritisch noch als nichtnationalsozialistisch

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Vgl. u. a. Horst Denkler: Werkruinen, Lebenstrümmer. Literarische Spuren der ,verlorenen Generation‹ des Dritten Reiches. Tübingen 2006. Symptomatisch für dieses schwindende Interesse am Globalrahmen ist die Tatsache, dass die wenigen monographischen Überblicksdarstellungen, die in den letzten zehn Jahren publiziert wurden, Neuauflagen früherer Arbeiten sind (vgl. Denkler: Was war und was bleibt?; Günter Hartung: Deutschfaschistische Literatur und Ästhetik. Gesammelte Studien. Leipzig 2001; Ralf Schnell: Dichtung in finsteren Zeiten. Deutsche Literatur und Faschismus. Reinbek 1998. Vgl. Ketelsen: NS-Literatur und Modernität, S. 42. Ketelsen: Literatur und Drittes Reich, S. 45. Uwe-K. Ketelsen: Die Literatur des 3. Reichs als Gegenstand germanistischer Forschung. In: Wege der Literaturwissenschaft. Hg. von Jutta Kolkenbrock-Netz u. a. Bonn 1985, S. 293.

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bezeichnen ließ. So entstand eine (im Blick auf die reale Buchproduktion zwischen 1933 und 1945) überproportionierte Aufmerksamkeit für Spielräume und Manövrierfelder und damit auch die Gefahr, über das eigentliche Ausmaß, die Intentionen und den faktischen Erfolg der staatlichen Lenkung hinwegzutäuschen.98 Der Schritt von der Illusion eines zentralistischen und perfekt arbeitenden Herrschaftssystems zur Polykratiethese dürfte in dieser Hinsicht zu radikal durchgeführt worden sein. Prämissengeleitete Ausdifferenzierung Die mangelnde Differenzierungsbereitschaft der literaturwissenschaftlichen DritteReich-Forschung, die seit den siebziger Jahren wiederholt bemängelt wurde, lässt sich heute nur noch eingeschränkt auf jene Literatur aus den Jahren 1933 bis 1945 beziehen, die von nicht-regimekritisch bis hin zu offen propagandistisch reicht. Die nur zögernde Einbeziehung dieser Literatur in die Differenzierungsversuche hat mit den Prämissen zu tun, die die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bis heute bestimmen. Diese Auseinandersetzung wurde nur in geringem Maße von dem Wunsch geleitet, Einblicke in das Funktionieren von Literatur im totalitären Regime zu gewinnen. Von größerer Bedeutung waren Überlegungen paradigmatischer, ästhetischer, politischer und moralischer Art. Entscheidend war zuallererst die Paradigmenverschiebung vom textimmanenten Textverständnis in den fünfziger und sechziger Jahren über das ideologiekritische Paradigma der siebziger Jahre bis hin zum postmodernen Interesse für das »an den Rand gedrückte, im Verborgenen durchgeschlüpfte Abweichende, Querliegende«,99 das in der Literaturforschung die Zeit von den neunziger Jahren bis heute prägt, in den letzten Jahren allerdings wieder abzunehmen scheint.100

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Vgl. Würmann: Entspannung für die Massen, S. 31. Denkler: Was war und was bleibt?, S. 281. In den letzten Jahren macht sich ein erneuertes Interesse für die Perspektive und Psychologie der Täter bemerkbar. Als symptomatische Beispiele mögen der Film Der Untergang (2004) über Hitlers letzte Tage im Führerbunker, Jonathan Littells preisgekrönter, aus der Perspektive eines SS-Offiziers geschriebener Roman Les Bienveillantes (2006) und das ebenfalls von Littell verfasste Buch über den wallonischen Rexistenführer Léon Degrelle (Le Sec et l’Humide, 2008) gelten. Dieses letzte Buch exemplifiziert den biographiegeschichtlichen Zugriff auf das Dritte Reich, der in den letzten Jahren in den Geschichtswissenschaften an Bedeutung gewonnen hat, als eine Methode, die tiefere Einblicke in die Funktionsweisen des NS-Herrschaftssystems verspricht (vgl. u. a. Gerhard Paul / KlausMichael Mallmann (Hg.): Karrieren der Gewalt. Darmstadt 2004; Gerhard Paul: Die Täter der Shoah im Spiegel der Forschung. In: Die Täter der Shoah. Hg. von dems. Göttingen 2002, S. 13–90; Michael Wildt: Charisma und Volksgemeinschaft. In: Zeithistorische Forschungen 1 (2004)). In der literaturhistorischen Forschung sind einige wenige Studien über Parteidichter und Mitarbeiter der NS-Literaturpolitik zu verzeichnen (vgl. Jörg-Peter Jatho: Im Schatten von Goebbels. Dr. Otto Henning: vom Gründer und Vorsitzenden des Goethe-Bundes Gießen zum Leiter des Vortragsamts in Berlin. Zur Karriere eines LiteraturFunktionärs. Gießen 2003; dazu auch Fußnote 86).

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Ästhetische Prämissen haben ihrerseits zur einseitigen Kenntnisnahme solcher Literatur geführt, die laut dem idealistischen Literaturverständnis auch heute noch ›lesenswert‹ ist und damit ›rehabilitierbar‹ scheint. Die Tatsache, dass die »Leistungsspitzen der literarischen Produktion der nationalsozialistischen Diktaturperiode«,101 wie Denkler 1999 fand, eindeutig nicht »bei den regimeverbundenen Autoren zu finden sind«, diente häufig subtil als Argument, regimeverbundene Literatur aus dem Zuständigkeitsbereich der Literaturwissenschaft auszugrenzen. Zur Prämisse der ästhetischen Qualität gesellte sich der Argwohn gegenüber Literatur, die Transparenz, Eindeutigkeit und Kohärenz anstrebt, absolute Werte propagiert und den Leser auf die ›einzig richtige‹ Lektüre ihres Textes festzulegen versucht, anstatt ihn durch Fragmentierung, Vielstimmigkeit und Mehrdeutigkeit auf die Widersprüchlichkeiten ideologischer Bedeutungssysteme hinzuweisen. Diese Bedingung der Selbstreflexivität hat nach Susan Rubin Suleiman zu einer »devalorization of a whole vast field of literature« geführt, »a field that includes […] all the realist genres founded on the aesthetic (or some of its attackers say, on the ideology) of verisimilar representation«.102 Moralische und politische Prämissen haben mit der wachsenden zeitlichen Distanz zur Diktatur an Intensität nachgelassen. Sie richten sich heute weniger gegen die gesamte zwischen 1933 und 1945 in Deutschland publizierte Literatur als gegen solche literarischen Werke, in denen weder eine Opposition gegen das verbrecherische Regime noch eine bewusste Abwendung von ihm zum Ausdruck kam. Dabei zeigt sich der Einfluss eines avantgardistischen Literaturbegriffs, der politisch engagierte Literatur wie auch jene Literatur, die in politischen Zusammenhängen entsteht, an Kriterien der Emanzipation, des Fortschritts und des kritischen Engagements misst. Erwartet wird von dieser Literatur, dass sie – vielfach analog zur expressionistischen Literatur(kritik) – in ihrem Rezipienten Veränderung bewirkt, ihn wachrüttelt, auf Engagement und Solidarität mit den Opfern und Außenseitern der Gesellschaft zielt bzw. die Rolle des Agitators erfüllt.103 Politische und an ein politisches Regime gebundene Literatur, die sich nicht oder nicht offen dem Status quo widersetzt und dadurch faktisch zur Stabilisierung des Regimes beiträgt, erwies sich vor diesem Hintergrund auch als Gegenstand der Literaturwissenschaft als legitimierungsbedürftig. Die Tatsache, dass, während die Exilliteratur gut erforscht ist, das literarische Werk der ›Inneren Emigration‹ sich als Forschungsgegenstand nur zögernd und mit großem Legitimierungsbedarf durchgesetzt hat und die regimekonforme Literatur immer noch mit leichter Hand beiseitegeschoben wird,104 ist dementsprechend nicht nur ästhetisch, sondern auch politisch motiviert.

101 102 103 104

Denkler: Was war und was bleibt?, S. 284. Suleiman: Authoritarian Fictions, S. 18. Vgl. Henri R. Pauckers Umschreibung der Aufgabe von Literatur als »Mitteilung, Aufrüttelung, Veränderung« (Einleitung, S. 9). Vgl. Scholdt: Literaturgeschichte und Drittes Reich, S. 15.

265

Unreflektierte Terminologie Der Mangel an Erklärung und Begründung der benutzten Terminologie ist eine der durchgehenden Schwachstellen, die die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bis heute charakterisiert. Trotz ihrer Mehrdeutigkeit werden zentrale Begriffe und Ausdrücke nur selten – und im besten Fall sehr dürftig – kommentiert. Die Ausdrücke ›Literatur im Dritten Reich‹ und ›des Dritten Reichs‹ tauchen sowohl als gleichbedeutende Äquivalente auf als auch, wie bereits illustriert wurde, als umfassend-zeitliche bzw. eng-ideologische Qualifizierung. Die Begriffe ›nationalsozialistisch‹ und ›faschistisch‹ werden mal zur Unterscheidung zwischen dem westdeutschen liberalen und ostdeutschen kommunistischen Interpretationsmuster, mal zur Differenzierung zwischen einer engdeutschen und einer komparatistisch angelegten europäischen Betrachtung oder auch ohne wesentlichen Bedeutungsunterschied verwendet. Die Unterscheidung zwischen den Begriffen ›Literatur‹, ›Schrifttum‹ und ›Dichtung‹ wird bald vom nationalsozialistischen Kontext vorgegeben, bald von ihrer traditionellen poetologischen Bedeutung bestimmt oder bloß als stilistische Variation gedacht. Ein prägnantes Beispiel für die terminologische Mehrdeutigkeit bietet die Verwendung des Adjektivs ›nationalsozialistisch‹ bzw. des Präfixes ›NS-‹. Aus den unterschiedlichen Begriffsverwendungen lassen sich im Großen und Ganzen vier Kriterien herausfiltern, die einzeln oder kombiniert zur Bezeichnung literarischer Werke als ›nationalsozialistisch‹ herangezogen werden. Ein erstes Kriterium ist das ideologische, das in der Regel weniger auf die Form als auf den Inhalt der betreffenden Texte bezogen wird. Hier wird die mehr oder weniger ausgeprägte Beziehung der Literatur zur nationalsozialistischen Weltanschauung untersucht, wobei nur solche Texte, die bestimmte Merkmale oder Ideologeme aufweisen, der ›Literatur des Dritten Reiches‹ zugerechnet werden. Im zweiten Fall gilt die Biographie des Verfassers als bestimmendes Merkmal für die Einstufung seiner Literatur. In diesem Zusammenhang erhalten Faktoren wie die Parteimitgliedschaft, die Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Organisationen, die Entgegennahme von Ehrenämtern wie politische Bekundungen in Tagebüchern und Briefen das ausschlaggebende Gewicht. Das dritte, zeitliche Kriterium bindet die ›Literatur des Dritten Reichs‹ primär an den Zeitraum, in dem das Regime an der Macht war. Hier lassen sich drei Ansätze erkennen, die respektive von der Produktion, Distribution und/oder Rezeption der Literatur ausgehen. Als ›nationalsozialistisch‹ gelten hier solche Texte, die zwischen 1933 und 1945 resp. entstanden, publiziert oder gelesen wurden. Das vierte Kriterium bezieht sich auf die institutionelle Ebene und betrachtet solche Literatur als ›nationalsozialistisch‹, die von literaturpolitischen Instanzen offizielle Förderung erhielt. Preisverleihungen und positive Buchberichte in nationalsozialistischen Organen fungieren hier als Voraussetzungen für die Bestimmung der ›nationalsozialistischen‹ Literatur. Obwohl sich diese vier Kriterien überschneiden, ergibt sich je nach ihrer Kombination und Gewichtung eine unterschiedliche Bedeutung des Ausdrucks ›nationalsozialistische Literatur‹. So wird er bald im strikt ideologischen Sinne für die »Lyrik einiger junger Partei-Panegyriker«105 benutzt, bald »nicht allzu

105

Geissler: Dichter und Dichtung des Nationalsozialismus, S. 721.

266

eng verstanden«, da zur nationalsozialistischen Literatur »auch Autoren beigetragen [hätten], die der NSDAP nie angehörten, ja solche, die für ihren Beitrag mit einem Fußtritt bedacht [worden seien]«.106 Diese Unterschiede haben nicht nur in den Gerichtssälen der sechziger Jahre (vgl. den Fall Barthel, Fußnote 46), sondern auch in der späteren literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu Verwirrung und Kontroversen geführt. Friedrich Denk nahm z. B. 1995 Anstoß an Schoeps’ Definition der ›NS-Literatur‹, weil sie dieser Literatur »mehr Autoren und Werke als nötig« zurechne und dies für Autoren, die »alles andere als Nazis« oder »absolute Anti-Nazis« waren, »vernichtend« sei.107 Zur Debatte stand im Grunde die Frage, inwiefern sich der Begriff ›nationalsozialistisch‹ im wissenschaftlichen Diskurs von seinen moralisch und politisch verurteilenden Konnotationen lösen lässt. Im Hinblick darauf, dass die unterschiedlichen Begriffsauslegungen Korpusauswahl, Forschungsinteresse und Forschungsergebnisse in wesentlichem Maße steuern, ist eine Explizierung und Fundierung der verwendeten Begriffe in wissenschaftlichen Studien unerlässlich. Im Hinblick auf die Ausdrücke ›Literatur des Dritten Reichs‹ und ›Literatur im Dritten Reich‹ z. B. ist wenigstens klarzustellen, auf welche Variablen sich die Etikettierung stützt: Auf die Gesinnung des Autors? Auf inhaltliche und formale Merkmale der Literatur? Auf das Entstehen der Werke unter nationalsozialistischer Herrschaft? Auf die Publikation dieser Literatur im Dritten Reich? Auf ihre Rezeption zwischen 1933 und 1945? Auf institutionelle Förderung? Auf eine Kombination dieser Kriterien? Fokus auf der im Dritten Reich entstandenen Literatur Der Ausdruck ›Literatur im Dritten Reich‹ wird hauptsächlich auf solche Bücher bezogen, die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland geschrieben wurden.108 Obwohl die Kontinuitätsthese in den siebziger Jahren das Bewusstsein für den Erfolg der ›völkisch-national-konservativen‹ Literatur109 im nationalsozialistischen Deutschland geschärft hat, hat sie nur in beschränktem Maße zu einer weiterreichenden Aufmerksamkeit für die vom Regime vereinnahmte ältere wie auch ausländische Literatur geführt. 106 107

108

109

Loewy: Literatur unterm Hakenkreuz, S. 15. Friedrich Denk: Die Zensur der Nachgeborenen. Zur regimekritischen Literatur im Dritten Reich. Weilheim i. OB 1995, S. 218f. Karl-Heinz Schoeps’ Definition der ›NS-Literatur‹ umfasst »im weitesten Sinne alle völkisch-national-konservativen Werke und Autoren, die sich im Dritten Reich offizieller Förderung und hoher Auflagen erfreuten, auch wenn sie selbst zum Teil dem offiziellen Nationalsozialismus gegenüber kritisch eingestellt waren, wie beispielsweise Ernst Jünger« (Deutsche Literatur zwischen den Weltkriegen, S. 7). Dieser Praxis entspricht Denklers und Prümms Definition der »deutsche[n] Literatur im Dritten Reich« als »das Gesamtspektrum der zwischen 1933 und 1945 entstandenen Literatur« (Vorwort, S. 7). Vgl. Uwe-K. Ketelsen: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literatur in Deutschland 1890–1945. Stuttgart 1976; Klaus Vondung: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literaturtheorie. München 1973 (vgl. auch: Stefan Glenz: Judenbilder in der deutschen Literatur. Konstanz 1999).

267

Die Vereinnahmung der Weimarer Klassik z. B. wurde bisher zwar als Thema für sich,110 jedoch kaum in ihrer konstitutiven Bedeutung für die nationalsozialistische Literaturpolitik aufgearbeitet. Symptomatisch ist die Tatsache, dass die Klassikerförderung in Überblicksstudien, Dokumentationen und Sammelbänden zum Gesamtthema »Literatur im Dritten Reich«, wenn überhaupt, dann nur am Rande betrachtet wird. In Schoeps’ Monographie Literatur im Dritten Reich (1992) werden ihr bescheidene zwei Seiten gewidmet, Ketelsen hängt sie seiner Studie Literatur und Drittes Reich (1992 und 1994) als Schlussbetrachtung an. In den meisten Studien wird sie gar nicht thematisiert.111 Dabei lässt gerade die Klassikerförderung in nuce die Triebfedern und Zielsetzungen der nationalsozialistischen Buchförderungspolitik erkennen, die von einer eigentümlichen Kombination bildungsbürgerlicher Argumentationsschemata und totalitärer Zielsetzungen geprägt war. Die Klassiker stellen folgerichtig in verschiedener Hinsicht einen zentralen Bestandteil der Literatur im Dritten Reich dar. Die Frage nach der Bedeutung der übersetzten Literatur für das Regime wird ihrerseits fast ausschließlich aus einem Interesse an bestimmten Autoren oder Sprachgebieten heraus gestellt,112 obwohl diese Literatur in der NS-Zeit eine weitaus substantiellere Funktion als die des Lückenbüßers erfüllte. Zwar wurde die Übersetzung einerseits tatsächlich gebraucht, um die von der unterdrückten Literatur hinterlassenen Lücken zu füllen. Gleichzeitig wurde ihr jedoch, wie u. a. am Flandernbeispiel dargelegt wurde,113 eine wesentliche Rolle bei der Bildlenkung im Dienste der Außenpolitik zugedacht.114 Um die Bedeutung dieser Literatur für die nationalsozialistische Buchpolitik zu eruieren, muss auf systematische Weise nach den Prämissen, Strategien, Kriterien und Formen ihrer Aneignung gefragt werden: Mit welchen diskursiven Mechanismen werden diese Texte den radikal veränderten Rahmenbedingungen angepasst? Wie werden sie auf ein ›neues‹ Zielpublikum, auf eine ›neue‹ Wirkungsabsicht hin orientiert? Wie werden sie in den ›neuen‹ politischen und literarischen Bezugsrahmen integriert? Wonach richten sich die Selektionsmechanismen, die Neugestaltung des Paratexts, die Rezeption in der zeitgenössischen Kritik? Insgesamt lassen sich an der

110 111

112

113 114

Für Sekundärliteratur zur Klassikerförderung im Dritten Reich vgl. Seite 48, Fußnote 43. Vgl. u. a. Graeb-Könneker: Literatur im Dritten Reich; Erhard Schütz (Hg.): Literatur im ›Dritten Reich‹. Sonderheft der Zeitschrift für Germanistik 2 (1999); Schnell: Dichtung in finsteren Zeiten; Heidrun Ehrke-Rotermund / Erwin Rotermund: Literatur im ›Dritten Reich‹. In: Geschichte der deutschen Literatur. Bd. 3/1. Hg. von Viktor Žmegač / Škreb Zdenko. Königstein 1984, S. 318–384; Hartung: Literatur und Ästhetik; Loewy: Literatur unterm Hakenkreuz; Wulf: Literatur und Dichtung. Eine Überblicksdarstellung verschafft lediglich die Dissertationsarbeit von Sturge zur übersetzten Literatur im Dritten Reich, ›The alien within‹. Für eine Liste der Detailstudien zu einzelnen Autoren (D. H. Lawrence, Shakespeare) und Sprachgebieten (Flandern, Schweden) vgl. Fußnote 85. Vgl. Kapitel 1.2.2.2. Die übersetzte Literatur ist für die Forschung auch deshalb interessant, weil sie von Verlagen als Instrument zur Unterwanderung der nationalsozialistischen Vorgaben benutzt wurde (vgl. u. a. Beiküfner: ›Ein Kritiker mitten im Kampf‹).

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Vereinnahmung und Förderung älteren und ausländischen Schrifttums sehr deutlich die laufenden Prozesse der Identitäts- und Bildkonstruktion ablesen. Verkürzender Gegensatz Anspruch – Praxis Mit den wachsenden Einsichten in Machtstruktur und Lebenswirklichkeit des Dritten Reichs hat sich die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zunehmend auf den »Gegensatz zwischen nationalsozialistischer Ideologie und Praxis«,115 den »Widerspruch zwischen Absichtserklärung und Ausführungspraxis«,116 »immanente Widersprüche von Deklaration und Realisierung«117 sowie die »Diskrepanz zwischen dem theoretisch begründeten totalitären Anspruch« und dessen »politisch-praktischem Vollzug […] im Alltag«118 gerichtet. Das Bewusstsein dieser Diskrepanz ist unentbehrlich, birgt aber gleichzeitig die Gefahr einer verkürzenden Polarisierung in sich. So macht die Gegenüberstellung von Anspruch und Vollzug leicht die pragmatische Ausrichtung einer Politik vergessen, die sich weniger als ein Versuch der unmittelbaren Durchsetzung von Ansprüchen denn als ein komplexer Aushandlungsprozess zwischen Idealvorstellungen und vielgestaltigen Realitäten, Interessen und Absichten verstand. Das Gegensatzschema lenkt nicht nur von diesen Wechselwirkungen ab, sondern leugnet auch vielfach die Schwierigkeit (oder gar Unmöglichkeit), überhaupt zwischen Absicht und Praxis zu unterscheiden: Sind etwa die guten Publikationsmöglichkeiten der regimeabgekehrten ›jungen Generation‹, die Duldung des ›inneren Emigranten‹ Walter von Molo,119 die Duldung der Schmökerliteratur, das Erscheinen von Ernst Wiecherts Das einfache Leben und der Wirtschaftserfolg des Buchbetriebes als Absicht oder als Praxis einzustufen? Fragen wie diese verlangen eine nuancierte Antwort, die sich nur unter Einbeziehung des komplexen Vermittlungsprozesses zwischen politischen Ansprüchen und vielfältigen Realitäten bestimmen lässt. Die Polarisierung von Anspruch und Praxis entzieht ferner auch einen Großteil der zwischen 1933 und 1945 produzierten und publizierten Literatur dem wissenschaftlichen Blick. Die populäre Unterhaltungsliteratur etwa, die teils gewollt, teils unerwünscht war und sowohl gefördert und geduldet als auch verboten wurde, lässt sich nur schwer durch das duale Deutungsraster erfassen und wurde bislang möglicherweise aus diesem Grund nicht systematisch aufgearbeitet.120

115 116 117 118 119 120

Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 114. Denkler: Was war und was bleibt?, S. 281. Erhard Schütz: Zur Modernität des ›Dritten Reiches‹. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 1 (1995), S. 119. Günther Rüther (Hg.): Literatur in der Diktatur. Schreiben im Nationalsozialismus und DDR-Sozialismus. Paderborn 1997, S. 9. Vgl. dazu Seite 116, Fußnote 126. Auf die Unterhaltungsliteratur als Gattung beziehen sich lediglich folgende Aufsätze: Ine Van linthout: ›Dichter, schreibt Unterhaltungsromane!‹ Der Stellenwert der Unterhaltungsliteratur im ›Dritten Reich‹. In: Zeitschrift für Germanistik 17 (2008), S. 111–124; Würmann: Entspannung für die Massen; Helga Geyer-Ryan: Wunschkontrolle – Kontroll-

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Nicht zuletzt lädt die Idee des Gegensatzes zwischen Ideologie und Praxis dazu ein, Widersprüchlichkeiten gänzlich auf Zensurlücken zurückzuführen oder als unfreiwillige Folge der polykratischen Machtstruktur zu verstehen. So liegen bislang kaum Studien vor, die diese Widersprüchlichkeiten für den literaturwissenschaftlichen Bereich wenigstens zum Teil auf strategisches Kalkül zurückführen und den Umgang der Propaganda mit etwa der Spannung zwischen ihren ideologischen Prämissen und den diesen quer liegenden Realitäten untersuchen. Vernachlässigung der Vielgestaltigkeit ideologischer Beeinflussung Verwunderlich ist das erst spät erwachte Interesse für die Unterhaltungsliteratur darüber hinaus im Hinblick auf die – spätestens 1981 von Hans Dieter Schäfer nachgewiesene – Konsumorientierung der nationalsozialistischen Diktatur und die damit einhergehende Erkenntnis, dass das Regime die Loyalität seiner Bevölkerung in erheblichem Maße durch Unterhaltungsangebote und Ablenkung zu erlangen versuchte. Sie ist umso erstaunlicher, als die Filmwissenschaft angesichts der großen Anzahl von Unterhaltungsfilmen im Dritten Reich bereits in den siebziger Jahren dazu übergegangen ist, die Unterhaltung als potentielle Form der ›unsichtbaren Propaganda‹ und Herrschaftsstabilisierung zu analysieren.121 Der immer noch krasse Unterschied zur Filmforschung lässt vermuten, dass die Literaturwissenschaft die Bedeutung der Stimmungspolitik122 für das nationalsozialistische Regime, die keineswegs au-

121

122

wünsche. In: Leid der Worte. Hg. von Jörg Thunecke. Bonn 1987, S. 177–206; dies.: Trivialliteratur. Daneben gibt es Detailstudien (hauptsächlich Aufsätze) zu einzelnen Sparten der Unterhaltungsliteratur im Dritten Reich. Zum Kriminalroman: Carsten Würmann: Zum Kriminalroman im Nationalsozialismus. In: Juni. Magazin für Literatur und Politik 37–38 (2004), S. 143–186; ders.: Deutsche Kommissare ermitteln. Der Kriminalroman im ›Dritten Reich‹. In: Banalität mit Stil. Hg. von Delabar u. a., S. 217–240. Zum Zukunftsroman: Dina Brandt: Der deutsche Zukunftsroman 1918–1945. Gattungstypologie und sozialgeschichtliche Verortung. Tübingen 2007; Christian Härtel: ›Grenzen über uns‹. In: Banalität mit Stil. Hg. von Delabar u. a., S. 241–257. Zur verdeckten Opposition im Abenteuerroman: Dorota Zygan: Zum Abenteuer verdammt. In: Zwischen den Zeiten. Hg. von Beiküfner / Siebenpfeiffer, S. 59–80 (vgl. auch das 2008 erschienene Themenheft der Zeitschrift für Germanistik zur Unterhaltung im Dritten Reich). U.a. Knut Hickethier: Der Ernst der Filmkomödie. In: Mediale Mobilmachung. Tl. 1: Das Dritte Reich und der Film. Hg. von Harro Segeberg. München 2004, S. 229–246; Hermann Kappelhoff: Politik der Gefühle. Veit Harlan, Detlef Sierck und das Melodrama des NSKinos. In: Mediale Mobilmachung. Hg. von Segeberg, S. 247–266; Sabine Hake: Popular Cinema of the Third Reich. Austin 2002; Thymian Bussemer: Propaganda und Populärkultur. Konstruierte Erlebniswelten im Nationalsozialismus. Wiesbaden 2000; Eric Rentschler: The Ministry of Illusion. Nazi Cinema and Its Afterlife. Cambridge 1996; Linda SchulteSasse: Entertaining the Third Reich. Illusions of Wholeness in Nazi Cinema. London 1996; Karsten Witte: Lachende Erben, Toller Tag. Filmkomödie im Dritten Reich. Berlin 1995. Vgl. Götz Aly: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Bonn 2005; Florian Triebel: Die ›Meldungen aus dem Reich‹ als buchhandelsgeschichtliche Quelle. In: Archiv für die Geschichte des Buchhandels 58 (2004), S. 197–209; Heinz Boberach (Hg.): Meldungen aus dem Reich. Bde. 1–14. Herrsching 1984; Marlis G. Steinert: Hitlers Krieg und die Deutschen. Düsseldorf, Wien 1970.

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ßer Kraft gesetzte privatwirtschaftliche Logik und Orientierung am Publikumsgeschmack und nicht zuletzt auch den Wunsch der Machthaber, ein differenziertes Angebot von plakativer bis hin zu ›unsichtbarer‹ Propaganda zu schaffen, weiterhin unterschätzt.123

3.1.3. Ausblick Der Blick auf die Literatur im Dritten Reich kann auch heute noch geschärft und erweitert werden, wenn man zur kritisch distanzierten und sachlich präzisen Analyse eines breiten und differenzierten Korpus von Quellentexten bereit ist. Die Orientierung am primären Textbestand verschafft nicht nur unmittelbare Einblicke in die Wirkungsmechanismen der nationalsozialistischen Buchpolitik und Propaganda und das literarische Leben unter der NS-Herrschaft, sondern verhindert auch, dass verkürzende und interessengeleitete Deutungs- und Klassifizierungsmuster der Sekundärforschung übernommen werden. Die folgenden Anregungen für einen von politischen und moralischen Überlegungen möglichst uneingeschränkten Querschnitt durch die Literatur der NS-Zeit sind insofern komplementär, als die erste Reihe eine Sicht ›von unten‹, der zweite Vorschlag eine Sicht ›von oben‹ betrifft. Die Perspektive ›von unten‹ erfordert eine Orientierung am Buchmarkt und somit am gesamten Spektrum des Schrifttums, das zwischen 1933 und 1945 im Dritten Reich (bzw. in den nazifizierten Verlagen der besetzten Gebiete) veröffentlicht wurde. Einen wertvollen Ansatz bietet in diesem Zusammenhang Tobias Schneiders Artikel zum Bestseller im Dritten Reich, in dem die meistverkauften Romane im Deutschland der Jahre 1933 bis 1944 besprochen werden. Die Analyse zeigt, dass weniger die Propagandaliteratur, die ›Innere Emigration‹ oder die nichtnationalsozialistische Literatur den Buchmarkt beherrschten als vielmehr das unpolitische Unterhaltungsschrifttum, von dem ein Großteil auch nach 1945 im Buchhandel erhältlich war.124 Einen weiteren Ansatz verschaffen die (in beschränkter Anzahl vorliegenden) Verlagsgeschichten, aus denen anhand der Verlagsarchive zu ersehen ist, welche Literatur aus welchen Gründen publiziert worden ist oder nicht. Im Gegensatz zu politischen Deutungsmodellen geht aus diesen Studien die weitreichende – sich gegenseitig fördernde oder auch hindernde – Verschränkung von privatwirtschaftlichen und ideo-

123

124

Ulrich Nassen weist als einer von wenigen darauf hin, dass »[s]elbst der Phänotyp der genuin nationalsozialistischen und der von der nationalsozialistischen Jugendliteraturpolitik favorisierten Jugendliteratur […] facettenreicher« sei, als allgemein angenommen werde (Jugend, Buch und Konjunktur 1933–1945. Studien zum Ideologiepotential des genuin nationalsozialistischen und des konjunkturellen ›Jugendschrifttums‹. München 1987, S. 15). Tobias Schneider nennt als Beispiele »Der liebe Augustin von Horst Wolfram Geissler, die Björndal-Romane von Trygve Gulbranssen, die heiteren Romane von Heinrich Spoerl, Die Heiden von Kumerow von Ehm Welk, […] Karl Mays Der Schatz im Silbersee«, die Romane von Ludwig Ganghofer und Margaret Mitchells Vom Winde verweht (Bestseller im Dritten Reich. Ermittlung und Analyse der meistverkauften Romane in Deutschland 1933–1944. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (2004), S. 78).

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logischen Überlegungen, Zensur und Selbstanpassung, Kommerz und Propaganda hervor. Nicht zuletzt lässt sich die Vielfältigkeit des Buchmarkts im Dritten Reich durch eine thematische oder gattungsbezogene Herangehensweise erschließen. Wurde ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Gattung als Ausgangspunkt für die Zusammenstellung des Korpus gewählt, kommen Werke zum Vorschein, die durch die übliche politische Vorauswahl nicht erfasst werden. Recherchen etwa zum Thema »Flandern« bringen eine nicht geringe Anzahl von Büchern ans Licht, die sich weder als propagandistisch noch als ›Zwischenreichliteratur‹ identifizieren lassen. Es sind Bücher, die vom Regime weder abgelehnt noch gefördert wurden und zu denen in keinem der offiziellen Organe Stellung bezogen wird. Analog dazu deckt auch die Analyse einer Gattung wie etwa der des historischen Romans ein ästhetisch, politisch und ideologisch breites Spektrum von literarischen Formen auf, die von Kitsch bis Dichtung, regimekritisch bis propagandistisch und unerwünscht bis preisgekrönt reichen. Es tut sich ein Schrifttum auf, das von den literaturpolitischen Lenkungsorganen zensiert, geduldet, gefördert und auch selber produziert wurde. Es zeigt sich das für den nationalsozialistischen Buchmarkt konstitutive Neben- und Durcheinander von ausländischer und deutscher Literatur, von Literatur aus der Zeit vor und nach 1933 und von verschiedenen Abstufungen und Formen politischen und unpolitischen Gehalts. Nicht zuletzt macht diese Perspektive die polyvalente Eignung einzelner Gattungen als Instrumente der Propaganda, des Rückzuges und des verdeckten Widerstandes sichtbar. Solche Ergebnisse führen automatisch zur Verfeinerung der triadischen Unterverteilung der Literatur im Dritten Reich in Propaganda, Rückzug und (verdeckte) Regimekritik, öffnen den Blick für verschiedene Gestaltungsformen von ideologischer Beeinflussung und versprechen nicht zuletzt auch Aufschluss über die Repräsentativität der drei genannten Kategorien für den nationalsozialistischen Buchmarkt. Was die Perspektive von ›oben‹ betrifft, ist überdies das Vokabular zu analysieren, das im nationalsozialistischen Diskurs benutzt wurde. Eine solche Untersuchung bringt einerseits Beispiele unreflektierter Begriffsverwendung ans Licht, lässt andererseits aber auch deutlich einen funktional ausdifferenzierten Gebrauch der Begriffe ›Dichtung‹, ›Literatur‹, ›Schrifttum‹, ›Buch‹ und ›Kitsch‹ im Licht der propagandistischen Zielsetzungen erkennen. So erweist sich etwa, um nur einige Beispiele herauszugreifen, dass das Verhältnis zwischen ›Literatur‹ und ›Dichtung‹ im Dritten Reich keineswegs nur als Dichotomie gestaltet wurde, sondern dass die beiden Begriffe in genau definierten Gebrauchszusammenhängen ebenfalls als kompatible oder bedeutungsgleiche Termini verwendet wurden.125 Es ergibt sich ferner, dass entsprechend der faktischen Buchproduktion im Dritten Reich eine bewusste Erweiterung des Kitschbegriffs vorgenommen wurde und diese Erweiterung in der zeitgenössischen Auflage von Meyers Lexikon ihren institutionellen Ausdruck fand.126 Der Begriff der ›Dichtung‹ wurde seinerseits in wenigstens drei Bedeutungen benutzt: erstens inflationär

125 126

Vgl. Kapitel 3.2.3 und 3.4. Vgl. Kapitel 3.2.1.

272

zur Charakterisierung jenes Schrifttums, das von den literaturwissenschaftlichen Instanzen für ›erwünscht‹ gehalten wurde; zweitens im engeren Sinne als bewährtes Qualitätslabel für die vermeintlichen Leistungsspitzen literarischen Schaffens; und drittens bezog er sich als präskriptiver Begriff auf solches Schrifttum, das zum Bedauern der literaturpolitischen Machthaber noch nicht realisiert worden war.127 Eine Analyse der Gebrauchszusammenhänge dieser Begriffe bietet dementsprechend mehr als einen Einblick in die ideologischen Vorstellungen der literaturpolitischen Instanzen. Sie zeigt ebenfalls auf, wie rhetorisch mit Ungleichzeitigkeiten, heterogenen Zielgruppen, geistigen Traditionen und wirtschaftlichen Realitäten umgegangen wurde. Das Erkenntnisinteresse des begriffsanalytischen Ansatzes liegt folgerichtig darin, dass jeder der betroffenen Begriffe – trotz des Strebens der NS-Propaganda nach Eindeutigkeit – mit verschiedenen Bedeutungen und Konnotationen belegt wurde, die ihrerseits mit jeweils verschiedenen Absichten, Herausforderungen, Interessen und Schwierigkeiten der nationalsozialistischen Buchpolitik korrespondierten. Diese Verknüpfungen herauszuarbeiten ist eine Aufgabe, die das Bild der nationalsozialistischen Buchpolitik entscheidend verschärfen und differenzieren kann. Im Folgenden wird dieser begriffsanalytische Weg weiterverfolgt.

127

Vgl. Kapitel 3.3.1.1.

273

3.2. Eine begriffsorientierte Typologie der Literatur im Dritten Reich

Als Ergänzung zur üblichen politisch motivierten Aufgliederung der Literatur im Dritten Reich wird im vorliegenden Kapitel eine Typologie ausgearbeitet, die auf einer detaillierten Analyse der Begriffe ›Kitsch‹, ›Dichtung‹, ›Literatur‹, ›Buch‹ im nationalsozialistischen Diskurs basiert.1

3.2.1. »Etwas Kitsch muß sein« vs. »Schluß mit dem Kitsch!« Der literarische Kitschbegriff war keine Erfindung des nationalsozialistischen Regimes. Der Begriff geht zurück auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die zunehmende Industrialisierung der Gesellschaft zum Aufstieg einer an Marktgesetzen orientierten Unterhaltungsindustrie führte. In einem Abwehrreflex wurde die massenhaft produzierte, den allgemeinen Publikumsgeschmack bedienende Trivialliteratur von Obrigkeit, Erziehungsinstanzen, politischen Parteien, Kirchen, Bildungsbürgertum, Sortimentsbuchhandel und Autoren der ›hohen‹ Literatur abschätzig als ›Kitsch‹ bezeichnet.2 Zielscheibe der Kritik waren in erster Linie sentimentale Liebesromane, Geschichten aus dem Milieu der oberen Zehntausend, erotisch angehauchte Romane und – in der Zeit des Ersten Weltkrieges – auch Kriegshefte patriotischen Charakters,3 die weniger in regulären Buchhandlungen als in Bahnhofsbuchhand-

1 2

3

Diese Begriffe werden in den folgenden Kapiteln vorwiegend in ihrer zeitgenössischen Verwendung benutzt. Zum Schmutz- und Schundkampf vgl. u. a. Gideon Reuveni: Der Aufstieg der Bürgerlichkeit und die bürgerliche Selbstauflösung. Die Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur in Deutschland bis 1933 als Fallbeispiel. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 131–143; Winfried Speitkamp: Jugendschutz und kommerzielle Interessen. Schunddebatte und Zensur in der Weimarer Republik. In: Konsumpolitik. Die Regularisierung des privaten Verbrauchs im 20. Jahrhundert. Hg. von Hartmut Berghoff. Göttingen 1999, S. 47–75; Petra Josting: Der Schmutz- und Schundkampf im ›Dritten Reich‹. In: Kinder- und Jugendliteraturforschung 1994/95. Hg. von Hans-Heino Ewers / Ulrich Nassen / Karin Richter u. a. Stuttgart, Weimar 1995, S. 17–38; Georg Jäger: Der Kampf gegen Schmutz und Schund. Die Reaktion der Gebildeten auf die Unterhaltungsindustrie. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 31 (1988), S. 163–191. Laut einem Vortrag zum ›patriotischen Schund‹, der am 25. März 1916 in der öffentlichen Versammlung der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schundliteratur gehalten wurde, gebe es »nicht weniger als 18 verschiedene solche Heftreihen, die ihren Stoff und Titel dem gegenwärtigen Kriege entnehmen und die es zum Teil schon auf mehr als 70 verschiedene Einzelhefte gebracht haben« (zitiert nach: ebd., S. 170).

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lungen, Kiosken und Schreibwarenläden vertrieben wurden. Die Sentimentalität, Klischee- und Schablonenhaftigkeit, schwülstige Sprache und Realitätsfremdheit dieser Literatur brachten ihr das Etikett der literarischen Minderwertigkeit ein. Literarischer Kitsch, so hieß es abfällig auch im Hinblick auf seine Rezipienten, wurde nicht ›gelesen‹, sondern aufgrund seines hohen Affektwertes zur bloßen Befriedigung persönlicher Bedürfnisse eskapistischer, emotionaler und sinnlicher Art ›konsumiert‹.4 Kitsch wurde dabei nicht nur als eine Erscheinung des literarischen Verfalls, sondern ebenso sehr als ein gesellschaftliches Problem verstanden. Unterstellt wurde, dass er »eine schädliche Einwirkung auf die sittliche, geistige oder gesundheitliche Entwicklung«5 insbesondere des jugendlichen Lesers habe. Ausgehend von der Annahme, dass Literatur den Leser zur Nachahmung anrege, wurde befürchtet, die Lektüre von Kitsch fördere sexuelle Freizügigkeit und kriminelles Verhalten, verderbe den Sinn für die Wirklichkeit, untergrabe die Autorität und propagiere einen zügellosen Materialismus. Gleichzeitig brachten die Argumente gegen den Kitsch ein Gefühl der Beunruhigung und des Unbehagens angesichts der neuen Massen- und Freizeitkultur zum Ausdruck, die die bisherigen Werthierarchien in Frage stellte. Aufgrund dieser Klagen erscheint die Geschichte des literarischen Kitsches bis 1933 als Aneinanderreihung von Verbotslisten, Anti-Schund-Schriften, Anordnungen, Polemiken und Gesetzen, die die Bevölkerung und insbesondere die Jugend vor seiner vermeintlich zersetzenden Wirkung schützen sollten.6 Dennoch gelang es nicht, die ansteigende Produktion von Kitschliteratur zu unterdrücken. Die Auseinandersetzung mit dem Kitsch zwischen 1933 und 1945 schließt in verschiedener Hinsicht an diese Vorgeschichte an. So nahm einerseits eine ganze Reihe von prominenten Akteuren im literarischen und literaturpolitischen Bereich eine äußerst negative Haltung zum Kitsch ein; andererseits erreichte diese Literatur weiterhin dauerhaft hohe Auflagen. Diese Parallele zwischen der Weimarer Republik und der NS-Zeit wirft im Hinblick auf die radikal geänderten politischen Rahmenbedingungen Fragen auf. In einer liberaldemokratischen Republik ist die Auflagenstärke eines negativ bewerteten Schrifttums nicht ungewöhnlich. In einer Diktatur mit totalem Lenkungsanspruch hingegen scheint sie auf einen tiefen Gegensatz zwischen den literaturpolitischen Ansprüchen und dem Buchmarkt zu verweisen.

4

5 6

Zum literarischen Kitsch vgl. u. a. Friedrich: Hausgreuel; Heinz J. Galle: Groschenhefte. Die Geschichte der deutschen Trivialliteratur. Frankfurt/M. 1988; Jochen Schulte-Sasse (Hg.): Literarischer Kitsch: Texte zu seiner Theorie, Geschichte und Einzelinterpretation. Tübingen 1979; Walther Killy (Hg.): Deutscher Kitsch: ein Versuch mit Beispielen. Göttingen 1978; Jochen Schulte-Sasse: Die Kritik an der Trivialliteratur seit der Aufklärung. Studien zur Geschichte des modernen Kitschbegriffs. München 1971. Aus: Gesetzentwurf zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften von 1925 (zitiert nach: Speitkamp: Jugendschutz, S. 47). Die Debatte zum Kitsch wurde, als Teil der ›Schund und Schmutz‹-Debatte, Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre durch die Debatte über das Fernsehen abgelöst (S. 144f.). Zur positiven Umwertung des Kitschbegriffs unter dem Einfluss der Postmoderne vgl. u. a. Peter Sommer: Kitsch-Art, ein Phänomen der Postmoderne. In: Kitsch. Hg. von Braungart, S. 259–272.

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Im Folgenden wird sich zeigen, dass dieser vermeintliche Gegensatz als eine komplexe Wechselwirkung zwischen verschiedenen Akteuren, Absichten und Realitäten verstanden werden muss, wobei die Kitschliteratur schließlich sehr wohl für das totalitäre Ziel vereinnahmt und sogar für unentbehrlich gehalten wird. Nicht unwichtig in diesem Rahmen ist die Tatsache, dass die Diktatur im Gegensatz zu der Zeit vor 1933 nicht mit einem, sondern mit zwei Konzepten des literarischen Kitsches operierte: Kitsch als süßlich-sentimentale, eskapistische Trivialliteratur und Kitsch als pseudo-politische ›Konjunkturliteratur‹. Beide Bedeutungskomponenten treten aus der zeitgenössischen Kitschdefinition des von der Bouhler-Kommission überarbeiteten Meyers Lexikon7 von 1939 hervor. Einerseits sei Kitsch die Gefühlsduselei vieler Unterhaltungsromane, süßliche Musik, die mit märchenhaften Glück erfüllten Klischeefilme, auch die minderwertigen Buntdrucke und Bilder, überladene und unpraktische Möbel, Hausgreuel wie »Nippessachen« oder »Reiseandenken«.

Andererseits gebe es den so genannten »nationalen Kitsch«, der sich nach dem Umbruch breitmachen wollte […]; er trieb Mißbrauch mit den nationalen Symbolen, den Bildnissen des Führers und seiner Mitkämpfer. Der nationale K. zeigt beispielhaft, wie schwer sich im allg. Herkunft und Wirkungsmöglichkeit des K. bestimmen oder begrenzen lassen.

In der vorigen Auflage von Meyers Lexikon aus dem Jahr 1927 hatte es nur geheißen, dass Kitsch eine »[a]bfällige Bezeichnung für ein Erzeugnis« sei, »das durch billige, auf den Geschmack der breiten Masse berechnete Mittel ästhetische Wirkungen erzielen und als Kunstwerk gelten will.« Die Aufteilung in ›sentimentalen Kitsch‹ und ›Konjunkturkitsch‹ spiegelte implizit die ambivalente Haltung der Diktatur zur Privatwirtschaft, indem sie zwei Charakteristiken dieser Wirtschaft unterschied: die Orientierung am Publikumsgeschmack und die Maximierung des Gewinns. Das erste Merkmal war von zentraler Bedeutung für die nationalsozialistische Stimmungspolitik, das zweite wurde in der Propaganda als negative Begleiterscheinung der modernen Gesellschaft bezeichnet und verworfen. Es waren diese Bedeutungen, die die Haltung des Propagandaministeriums gegenüber den zwei literarischen Kitschvarianten bestimmten. 3.2.1.1. ›Kitsch‹ als Chiffre für eskapistische Trivialliteratur Aus wiederholten Klagen in den literaturpolitischen Organen geht hervor, dass das Dritte Reich von sentimentaler Kitschliteratur geradezu überflutet wurde: »Die Bücher […] werden nach wie vor gedruckt, nach wie vor vertrieben. Ihre Auflagenziffern erreichen schwindelnde Höhen«,8 konstatierten die Nationalsozialistischen Monatshefte im Jahre 1935. Noch 1944 hieß es in der Bücherkunde, es schieße 7

8

Dieses Lexikon wurde von der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS. Schrifttums unter der Leitung von Philipp Bouhler in den dreißiger und vierziger Jahren überarbeitet. Helke: NSM 1935, S. 1034f.

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anscheinend üppiger als je eine erstaunliche Kitschproduktion ins Kraut. Billige Verbrecher- und Liebesromane gehen am laufenden Band aus den Rotationspressen hervor, die leerer werdenden Fenster und Verkaufstische der Buchhandlungen füllen sich mit Romanen, die weniger bunt und gediegen als im Frieden dargeboten werden, aber doch den Käufer ansprechen und locken – und was kauft er nicht gern in seinem dumpfen Drange! In billigen Heftchen werden unter Berufung auf die Bedürfnisse des Soldaten nicht nur Novellen unserer guten Literatur, sondern die seltsamsten Auswüchse unbeschäftigter Phantasie und geschäftstüchtiger Gelegenheitsarbeit geboten. Ja selbst mit Gedichten holprigster und belanglosester Art wird der Markt für die erfüllt, die Lesestoff für ihre Lieben suchen.9

Fritz Helke, führender Literaturpolitiker im Bereich des Jugendschrifttums,10 rügte in seinem »Wort an Schriftsteller, Verleger und Eltern« vom 5. September 1935 die »unverantwortliche Verniedlichung und übelste Verkitschung« der deutschen Jugendliteratur.11 Die nationalsozialistische Jugend, so teilte er mit, sei nicht zu vergleichen mit der früheren Jugend: Einer solchen Jugend weist man das Leben, wie es wirklich ist, man zeigt ihr die Konflikte auf, die das Dasein zum harten Kampffeld machen, man rührt nicht an ihre Tränendrüsen, sondern man erschüttert ihre Seelen. Man kommt ihr nicht mit weinerlichen Sentimentalitäten und dem versöhnenden happy end, sondern man appelliert an ihre natürlichen Kräfte und fordert ihre Entscheidung heraus.12

Trotz des Umbruchsgedankens zeigt sich hier eine Fortsetzung des ›Schutzes der Jugend gegen Schmutz und Schundliteratur‹, um den man sich bereits im frühen zwanzigsten Jahrhundert bemüht hatte, und die damit verbundene Sorge, dass besonders die Jugend vor dem zersetzenden Einfluss der Kitschliteratur zu schützen sei.13 Von Seiten des Buchhandels wurde der literarische Kitsch exemplarisch von Walter Hoyer, dem Direktor der Reichsschule des Deutschen Buchhandels, attackiert. Hoyer setzte Kitschliteratur in einen impliziten, aber wirkungsvollen Gegensatz zum ›guten deutschen Buch‹, indem er sie mit der Kurzlebigkeit von Pappe und der Verlogenheit papierner Blumen verglich:

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11 12 13

Wunder: BK 1944, S. 37. Helke, selbst Verfasser von Jugenderzählungen, war Leiter des Hauptreferats Schrifttums in der Reichsjugendführung, das »für die kritische Durchsicht und Beeinflussung der Jugendbuchproduktion, die Herausgabe von Buchverzeichnissen für die HJ und die Öffentlichkeit sowie die Organisation von Jugendbuchausstellungen« zuständig war. Im April 1937 übernahm er außerdem die Leitung des Hauptreferats Schrifttums im Kulturamt, das ab diesem Zeitpunkt die zentrale Bearbeitungsstelle aller Schrifttumsfragen der Hitlerjugend wurde (Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im ›Dritten Reich‹. München 1995, S. 360f.). Helke: BDB 206 (5.9.1935), S. 722. Ebd. Die Kursive wird im Original durch einen anderen Schrifttyp hervorgehoben. Zu den Erwartungen an die Jugendliteratur im Dritten Reich vgl. Nassen: Jugend, Buch und Konjunktur. Ähnliche Klagen gab es über die Kinderliteratur (vgl. u. a. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 8.8.1940: »Ich veranlasse, daß etwas mehr für Kinderliteratur und Kinderfilme getan wird. So geht das nicht weiter. Die Kinder werden mit Kitsch abgespeist.«).

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Kitsch gleicht einem Denkmal aus Pappe, das der erste frische Regenguß aufweicht; er gleicht einem Garten, mit Blumen aus Seidenpapier, sinnig fürs Auge »garniert«; doch sie werden darum dem Wetter nicht länger standhalten.14

Die negative Haltung des Buchhandels zum Kitsch fußte zum einen darauf, dass die Massenproduktion der billigen Kitschliteratur, die großenteils über alternative Vertriebswege verteilt wurde, eine ernst zu nehmende wirtschaftliche Konkurrenz darstellte. Zum anderen wurde sie durch das Selbstverständnis des Buchhändlers als volkserzieherische Instanz motiviert, das keineswegs ohne politische Färbung war. Auch hier lautete die Hauptkritik, der Kitschleser riskiere von der ›Unwahrheit‹ dieser Literatur geistig und seelisch ›angesteckt‹ zu werden: Ohne die Täuschung selbst zu merken, wird er glauben, die Welt und der Mensch seien so geschaffen oder müssen so beschaffen ein, wie er sie in seinen Büchern erlebte. Und er wird sich bald gewöhnen, in seinem ganzen Leben auch so unwahr zu empfinden, wie er es dort gelernt hat. Das bedeutet aber zuletzt, daß er sich die Weltanschauung solcher Werke zu eigen macht, die zwar meistens sehr ›moralisch‹ sind, aber kaum eine höhere Vorstellung erwecken, als daß das bessere Leben sich in den vornehmen Kreisen abspielt, und daß das höchste Ziel des Daseins in Reichtum, Genuß und der sentimentalen Erfüllung der Liebe beruhe.15

Die Kitschliteratur wurde dabei zum Produkt und Vermittler einer dem Nationalsozialismus entgegengesetzten »Weltanschauung« deklariert,16 die das »bessere Leben« »in den vornehmen Kreisen« (im Gegensatz zur ›klassenlosen Volksgemeinschaft‹) verorte und das »höchste Ziel« in der »sentimentalen Erfüllung der Liebe« (im Gegensatz zum ›echten Gefühl‹) verkörpert sehe. Die Schädlichkeit dieser Literatur liege darin, dass sie den Leser weniger zum politisch interessierten und tatkräftigen Menschen als zum untätigen Träumer mache: Es kann uns […] nicht gleichgültig sein, ob sich ein Teil unseres Volkes in eine Scheinwelt verkriecht, während unser Bestreben darauf geht, es gerade zur tätigen Teilnahme an unserem wirklichen geistigen und politischen Leben zu bewegen. Darum müssen wir den Kitsch als eine volksschädliche Erscheinung bekämpfen. Er ist das Anzeichen eines geistigen Geburtenrückgangs, denn er läßt nicht nur den einzelnen verkümmern, sondern bedroht das Ganze mit einer geistigen und seelischen Lethargie.17

Auch das Rosenbergamt teilte diesen politisch gefärbten ›erzieherischen‹ Ansatz. Es betrachtete literarischen Kitsch an erster Stelle als »Ausdrucksform eines unwahren Daseins«, die den Leser und damit auch die ›Volksgemeinschaft‹ bedrohe:18 »Menschen«, so hieß es, »die mit diesem geistigen Gift infiziert sind, können […] im Volksganzen kein wirklich gesundes Glied mehr feststellen«:19

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Hoyer: BDB 77 (6.4.1937), S. 302f. Ebd., S. 303. Gesprochen wurde in diesem Zusammenhang ebenfalls von der »Weltanschauung des Lotterieloses« (vgl. Seite 368). Hoyer: BDB 77 (6.4.1937), S. 303. Bökenkamp: BK 1937, S. 391. Ebd., S. 391f.

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Wie viele verkitschte Vorstellungen, wie viele unglückliche, weil auf falschen Voraussetzungen geschlossene Ehen, wie viele mißglückte Existenzen nehmen ihren Anfang von dieser Lektüre! Welche unausrottbaren Irrtümer des Weltbilds, welche Mißverständnisse und Erbitterungen, ja sogar Klassenkampfkomplexe, entstammen dieser Literatur vom stets sorglosen Leben der reichen Leute!20

Dementsprechend sahen der Parteiideologe Rosenberg und seine Instanzen eine dogmatisch geführte Kitschdebatte als Voraussetzung für eine gelungene »Gesamterziehung des Menschen von Jugend auf«.21 Sie waren der Meinung, dass diese Erziehung sich nur durch eine »Härte in der Auslese des Schrifttums, das ins Volk dringt«, realisieren ließ. Institutionalisiert wurde die negative Beurteilung des Kitschphänomens in der bereits genannten achten Auflage von Meyers Lexikon, die Kitsch mit »Schund« und der »Verfälschung echter Volkskunst« gleichsetzte: Bez. für Schund, verlogene Dinge, die als echt ausgegeben werden, ohne daß sie auf echter Empfindung auf einer inneren Wahrheit begründet sind. K. entsteht aus serienmäßig hergestellten Verfälschungen echter Volkskunst genau so wie aus dem zumeist geschmackslosen, gefühlsverschwommenen Gebrauch der Grundwerte aller Künste überhaupt.

Interessant ist hier die subtile Verschiebung von »abfälliger Bezeichnung für ein Erzeugnis« in der Auflage von 1927 zu »Bezeichnung für Schund, verlogene Dinge« in der Auflage von 1939, womit das Negative nicht länger mit der Wertzuschreibung, sondern vielmehr mit dem Objekt selber verbunden wird. Nicht zuletzt fanden sich auch bei Goebbels, der als Propagandaminister die Schrifttumsabteilung im Propagandaministerium leitete, Tiraden gegen den Kitsch. In seinen Schriften22 und Reden sprach er sich für die »Zurückdrängung des kitschigen Schmökers mit seiner verlogenen, lebensfremden Scheinromantik«23 aus. Er plädierte gegen »seichte[n] Kitsch und geistlose Amüsierware« und für eine »handfeste und brauchbare Tageskost«24 und verdeutlichte (in Erich Langenbuchers Paraphrase für das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel): Unterhaltung dürfe nicht mit Volksverdummung und gewissenloser Geschäftemacherei gleichgesetzt werden. Darum sei es eine gebieterische Aufgabe, produktiv und anregend einer guten und brauchbaren Unterhaltungsliteratur den Weg zum Volke zu eröffnen und ihr weiteste Entwicklungsmöglichkeiten zu sichern. Daneben stünden die umfangreichen

20 21 22

23 24

Wunder: BK 1944, S. 40. Bökenkamp: BK 1937, S. 392. Das folgende Zitat ist ebd. Vgl. Tagebucheintrag vom 11.11.1935. Goebbels verwendet den Kitschbegriff in seinen Tagebüchern sehr häufig zur Abqualifizierung von Filmen. ›Kitsch‹ wird dabei systematisch negativ attribuiert bzw. als ›blöd‹, ›Mist‹, ›romantisch-gruselig‹ oder auch als ›kitschiger Weimarer Stil‹ umschrieben. Goebbels, Rede beim Weimarer Dichtertreffen vom 11.2.1942 (zitiert nach: Joseph Goebbels: Das Eherne Herz. München 1943, S. 26). Hier: Rede zur Eröffnung der zweiten Buchwoche 1935 (zitiert nach der Paraphrase von: E. Langenbucher: BDB 252 (29.10.1935), S. 908). Das folgende Zitat ist ebd.

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Maßnahmen zur Förderung dichterischer und schriftstellerischer Werke von Rang, denen der Eingang ins Volk frei gemacht werden müsse.

Dennoch schlich mit Goebbels auch eine Dissonanz in die einstimmige Kampfansage an den Kitsch ein. 1937 räumte er ein, »dass ein gewisser Teil von dem, was unter der Marke ›Kitsch‹ laufe, als geistige Nahrung nicht zu entbehren sei.«25 Außerdem sei, so der Minister 1938, die Massenproduktion an sich notwendig, u m au s i h r d ie Hö ch st lei s t u ng zu kristallisieren. Nur in einem auch zahlenmäßig umfangreichen Bestand der Produktion an Büchern kann die Nation sich in einzelnen Dokumenten verewigen, ihr geistiges und seelisches Dasein klären und damit einen wertvollen Beitrag liefern zum Stil einer Epoche und zur Haltung eines Jahrhunderts.26

Diese Relativierung besaß im Hinblick auf den politischen Umgang mit dem Kitsch eine strukturelle Bedeutung. Denn so einträchtig negativ die Repräsentanten des nationalsozialistischen Literaturbetriebes dem Kitsch gegenüberstanden, so unterschiedlich waren ihre Auffassungen darüber, wie mit dieser hartnäckigen Realität umzugehen sei. Die Buchhändler, Pädagogen und Mitarbeiter des Rosenbergamtes zogen aus jeweils eigenen Interessen, Motivationen und Zielsetzungen an einem Strang. Sie sahen den Kitsch, wie es Werner Bökenkamp 1937 in der Bücherkunde exemplarisch formulierte, als eine »Gefahr für den Geist des Volkes«, die »radikal[ ] und unbarmherzig[ ] angefaßt werden muß«.27 Die Entscheidungskraft über Verbot und Zensur lag aber beim Propagandaminister, der die Forderung eines rigorosen Einschreitens gegen das Kitschproblem keineswegs teilte. Im Dritten Reich gab es deshalb zu keiner Zeit eine konsequente Gesetzgebung gegen die Kitschliteratur, und nur selten befand sich Kitsch auf den von der Reichsschrifttumskammer erlassenen Verbotslisten.28 Markant für die tolerante Haltung des Propagandaministeriums in dieser Frage war die Verfügung von Juni 1936, die Schriften bis zum Ladenpreis von 50 Pfennig und damit auch das Gros der ›leichtesten‹ Unterhaltungsliteratur von der Zensur befreite.29 Nach einer geheimen Meldung des Sicherheitsdienstes vom 22. August 1940 habe genau diese Verfügung die »außerordentliche Ausdehnung« der

25 26 27 28

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Zitiert nach: Dürr 1937, S. 52. Zitiert nach: [o.V.]: BDB 255 (2.11.1938), S. 851. Bökenkamp: BK 1937, S. 392. Vgl. u. a. die von der Reichsschrifttumskammer erlassene Anordnung über schädliches und unerwünschtes Schrifttum vom 25. April 1935, die zwei Verbotslisten bekannt machte. Die erste erfasste Bücher, die »das nationalsozialistische Kulturwollen gefährden« und führte politische Literatur mit gegnerischer Tendenz, Konjunkturschrifttum, Literatur zu tabuisierten gesellschaftlichen Themen wie Frauenemanzipation und Schwangerschaftsabbruch, die gesamte schöngeistige Literatur der Moderne und einige wenige Titel aus der Trivialliteratur auf (Barbian: Literaturpolitik, S. 520–524). Andererseits kündigte die Anordnung einen Verbotsindex von Schriften an, der Schriften indizierte, die »ungeeignet« waren, »in die Hände Jugendlicher zu gelangen«. Hierbei handelte es sich um Kriminalund Detektivromane, Abenteuer- und Wildwestromane, Science-fiction und Liebesromane. Kitschliteratur kam auf den Listen nur vereinzelt vor (vgl. ebd, S. 530f.). Im März 1941 wurde die Anordnung rückgängig gemacht, kaum ein Jahr später, im Ja-

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›minderwertigen‹ Broschürenliteratur für Jugendliche und Erwachsene im Dritten Reich möglich gemacht.30 Heinz Boberach berichtet aufgrund seiner Lektüre der geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes, es werde in ihnen ständig darauf aufmerksam gemacht, daß man die Breitenwirkung dieser seichten Unterhaltungsliteratur überhaupt nicht überschätzen könne. In einer Meldung […] heißt es: »Diese Hefte machen in sogenannten ›Schmökergemeinschaften‹, die sich selbst in HJEinheiten gebildet haben, immer wieder die Runde und werden von den Jungen verschlungen«. […] Der Hauptgrund dafür, daß diese Broschürenliteratur, die in der Jugend und bei einfacheren Volksgenossen jeder gesunden Lebensauffassung und Lebensgestaltung, wie sie vom Nationalsozialismus angestrebt wird, entgegenarbeite, wird in Fachkreisen darin gesehen, daß der Vertrieb von Schriften bis zu[m] Preis von RM 0,50 seinerseits von der Reichsschrifttumskammer freigegeben worden sei.

Diese Fakten werfen die Frage auf, wie sich die unkontrollierte ›Freigabe‹ eines Schrifttums, das an Millionen Lesern appellierte, mit dem totalitären Lenkungsanspruch des Regimes versöhnen ließ. Das ausbleibende Einschreiten des Propagandaministeriums gegen Kitschliteratur lässt sich nicht monokausal begründen. In den ersten Jahren des Regimes war die Beseitigung dieses Schrifttums ohne Zweifel aus der Sicht der Zensurinstanzen von nachrangiger Bedeutung, weil es – im Gegensatz etwa zum ›staatfeindlichen‹ Schrifttum jüdischer und kommunistischer Autoren – nicht gegen den Staat opponierte. In dieser Literatur, so musste selbst die Bücherkunde, das zentrale Organ des Amtes Schrifttumspflege, bestätigen, waren keine Angriffe auf Volk und Staat zu entdecken, und selten nur verstößt man gegen herkömmlichen Sitten, ja, die Moral ist meist so moralindurchtränkt, als wäre sie von den Vorsitzenden der Sittlichkeitsvereine in den Ateliers von Hollywood überwacht. In welchem dieser Romane siegt nicht der gute Mensch über alle Feindseligkeit, und der böse empfängt die verdiente Strafe und muß untergehen!31

Seine untergeordnete politische Bedeutung machte den Kitsch folgerichtig auch erst dann zum Thema, als »die Unterwelt längst ausgehoben und verbrannt« worden war und nur noch die »literarische[ ] Halbwelt« blieb, »die in Millionen von Büchern, Romanzeitungen und Provinzblättern, in Groschenheften und Illustrierten ihr Unwesen [trieb].«32 Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang der Aufruf zur »Säuberung nach der Säuberung«, mit dem die Aufmerksamkeit von dem »offen feindlich[en]« Schrifttum auf den schwerer fassbaren »schädliche[n] Rest« und damit von der »p o l it i s ch e n« auf die »k u lt u r el le« Säuberung des Buchbestandes gelenkt wurde.33 Auch die Unmöglichkeit einer lückenlosen Kontrolle angesichts der sprunghaft steigenden Buchproduktion trug dazu bei, dass man am ehesten die relativ ›harmlose‹

30 31 32 33

nuar 1942, unter dem Druck der Kriegsverhältnisse, wieder in Kraft gesetzt (vgl. Josting: Schmutz- und Schundkampf, S. 34f.). Zitiert nach: Boberach: Meldungen aus dem Reich. Bd. 5, S. 1493. Das folgende Zitat ist ebd. [Hervorhebung im Original]. Bökenkamp: BK 1937, S. 388. Ebd., S. 387. Angermann: DB 1935, S. 281.

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Kitschliteratur durch die Maschen der Kontrollorgane schlüpfen ließ.34 Es ließe sich hier von einer ›unfreiwilligen Duldung‹ reden, die allerdings eng mit einer Politik der ›strategischen Duldung‹ verbunden war. Diese Politik der ›strategischen Duldung‹ zeigte sich in einer gewissen Kulanz des Propagandaministers im Hinblick auf die triviale Literatur. In seinen Tagebüchern registrierte er dazu im Mai 1935, es solle »keine Schnüffelkommission in Buchfragen« geben: »Erotik nicht ganz abdrehen. Deutschland kein Nonnenkloster.«35 Am 25. Oktober 1936 hieß es, es werde zu viel verboten: »Etwas erotische Literatur muß da sein.« Wenige Tage später plädierte er nochmals für eine »Lockerung in erotischen Dingen« und fügte dem hinzu, »etwas Kitsch muß sein, wachsen lassen.«36 Im Januar 1937 regte er sich über die »üble Art von Moralschnüffelei« in der Partei auf.37 Dass sich Goebbels damit als starker Befürworter eines kalkulierten Freiraums in der durchpolitisierten Gesellschaft profilierte, machte sich nicht nur im Bereich der Literatur, sondern auch in anderen Bereichen der Unterhaltung bemerkbar.38 Strategisch war der lässige Umgang mit dem Kitschproblem ferner auch im Licht der übergreifenden literaturpolitischen Entscheidung, ab Mitte der dreißiger Jahre die Zensur zugunsten einer Buchförderungspolitik abzubauen.39 Das Propagandaministerium hegte die Hoffnung, den sentimentalen Kitsch weniger durch Verbote als durch die Schaffung einer ›guten‹ Unterhaltungsliteratur obsolet zu machen.40 Es erließ am 24. Juli 1935 eine Anordnung zur Förderung von guter Unterhaltungsliteratur, gründete eine Beratungsstelle der Verleger für Volksliteratur, organisierte Wettbewerbe und schaltete sich selbst in die Buchproduktion ein, um die Bedürfnisse nach populärer Unterhaltungsliteratur durch ein eigenes Angebot zu kanalisieren und zu befriedigen.41 Die Schwerpunktverlagerung trug sicherlich dazu bei, dass sich die Kitschdebatte, die im Jahre 1935 aufkam, im öffentlichen Diskurs auf relativ wenige Beiträge und einen relativ kurzen Zeitraum beschränkte.42 Die Tatsache, dass die Kitschdebatte im Dritten Reich inkonsequent und zögerlich geführt wurde, bedeutet keinesfalls, dass Kitschliteratur in einem Überblick über die Literatur im Dritten Reich fehlen darf. Ganz im Gegenteil durchbricht die Kenntnis dieser Debatte die verkürzende, durch die Nachkriegswissenschaft eingeführte rigide 34

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Barbians Analyse der Literaturpolitik im Dritten Reich belegt ausführlich, dass die Kontrolle des Literaturbetriebes weitaus weniger umfassend war, als lange Zeit geglaubt wurde. Einer der Gründe war die Quantität der jährlich produzierten Bücher. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 9.5.1935. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 28.10.1936. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 21.1.1937. Vgl. Goebbels’ Aussage: »[E]s ist das Wesen einer klug geführten propagandistischen Politik, dass sie richtig dosiert ist […]. Von dieser richtigen Dosierung haben wir weitestgehenden Gebrauch gemacht« (zitiert nach: BDB 109 (12.5.1936), S. 424). Vgl. Kapitel 2.1. Vgl. Kapitel 3.4.3. Vgl. Seite 294. Die meisten Aufsätze erschienen zwischen 1935 und 1937/38 und dann kontextbedingt nochmals im Krieg, als das gestiegene Zerstreuungsbedürfnis die Bevölkerung massenhaft zu Trivialliteratur greifen ließ.

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Zweiteilung der Literatur der NS-Zeit in Propaganda- und Widerstandsliteratur. Sie zeigt, dass sich die totalitäre Lenkungspolitik keineswegs in der polaren Gegenüberstellung von Schrifttumsverbot und Schrifttumsförderung erschöpfte, sondern – unter dem Druck der Realität – für Kompromisslösungen durchaus offen war. Die Kitschliteratur weist in diesem Zusammenhang auffällige Parallelen mit der Geschichte der Swingmusik und des so genannten ›Nigger-Jazz‹ im Dritten Reich auf, für die es trotz offizieller Verleumdung nie ein Verbot auf Gesetzesbasis gab.43 Aus dem Vergleich ergeben sich zwei grundlegende Erkenntnisse über das totalitäre Herrschaftssystem: Erstens zeigt sich in beiden Fällen eine Einschränkung der Zensur im Interesse von Mehrheitsgruppen44 in der Hoffnung, sich die Loyalität der Bevölkerung zu sichern. Besonders im Krieg war diese Loyalitätsfrage ein entscheidender Faktor in der Gestaltung und Kontrolle des Erholungsangebots. Wie Schäfer dokumentiert, hat man einerseits Tanzorchestern die Spielerlaubnis entzogen und gegen den ›volksfremden Amerikanismus« polemisiert, andererseits »neue Bands aus Angst vor der Stimmung in der Zivilbevölkerung und der Wehrmacht« gebildet und Anhängern dieser Musik in der Wehrmacht »ihr bißchen Freude und Zerstreuung« gegönnt.45 Zweitens wird in beiden Fällen der Einfluss der Privatwirtschaft auf die nationalsozialistische Politik deutlich. Die Präsenz der unerwünschten Jazz- und Swingmusik auf dem deutschen Markt schreibt Schäfer der Tatsache zu, dass Deutschland als Besitzer der größten Schallplattenfabriken Europas bis Ende 1944 »mehrere Millionen Swing- und Jazzaufnahmen« produzierte, die für den Export bestimmt waren.46 Die Blüte der Kitschliteratur wurde ihrerseits durch die marktwirtschaftliche Entscheidung gefördert, das Gros der Verlagshäuser und Buchhandlungen in privaten Händen zu belassen.47 Zwar wurden links orientierte Verlags- und Buchhandelsbetriebe 1933 »ins Exil getrieben, enteignet, zerschlagen oder als nationalsozialistische Unternehmen weitergeführt« und nach einem langwierigen Prozess 1938 wurde auch die Ausschaltung der jüdischen Verleger und Buchhändler und damit die »Arisierung« des Buchbetriebes abgeschlossen. Die als »liberalistische Geschäftemacher«48 diffamierten Buchproduzenten, die aus »Geschäftsegoismus« »verdummende Massenware« auf den Markt brachten, blieben von systematischen ›Säuberungsaktionen‹ verschont.

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Vgl. Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 133. Zum Jazz im Dritten Reich vgl. u. a. Martin Lücke: Jazz im Totalitarismus. Münster 2004; Bruno Franceschini: ›All that’s Jazz!!!‹ Zu den Bedeutungen des Jazz im Dritten Reich. In: Zwischen den Zeiten. Hg. von Beiküfner / Siebenpfeiffer, S. 157–173; Michael H. Kater: Gewagtes Spiel. Jazz im Nationalsozialismus. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1998; Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 132–138. Schäfer spezifiziert, dass es sich auch bei Jazz und Swing »um ein nicht auf eine Minderheit beschränktes Interessengebiet« handelte. Vielmehr hätten es die »Machtapparaturen […] von Anfang an mit einer Massenbewegung zu tun, vor der sie schließlich kapitulieren mußten.« (ebd., S. 136). Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 136f. Ebd., S. 135. Vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 852. Das folgende Zitat ist ebd. Höynck: BDB 98 (28.4.1934), S. 8. Das folgende Zitat ist ebd.

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Die beharrliche Allgegenwart der Kitschliteratur im Dritten Reich lässt sich unter diesem Gesichtspunkt als Indiz für das Unvermögen der Diktatur lesen, ihre ideologischen Ansprüche mit dem Mechanismus des freien Marktes von Angebot und Nachfrage zu versöhnen.49 Sie legt die Spannung zwischen Ideologie und wirtschaftlichem Profitstreben, Propaganda und Publikumsgeschmack und damit auch das Scheitern des Regimes frei, diese Spannung zufriedenstellend zu lösen: Hartnäckig widersetzt sich dieses geistige Unkraut den Anstrengungen, es aus dem Volksboden auszurotten, und wenn es an einer Stelle ausgerissen ist, schießt es an der anderen um so üppiger hervor. Seine Vermehrung ist ebenso stark, wie sein Leben kurz ist. Und wenn eben eine Romanzeitschrift eingegangen ist, liegen am nächsten Morgen ein oder zwei neue auf dem Tisch.50

Dass es dem politischen Lenkungsapparat nicht gelang, den literarischen Geschmack der deutschen Bevölkerung in die Richtung der von den offiziellen Instanzen geförderten Literatur zu steuern, wurde von denen, »die mit literarischem Kitsch Geschäfte mach[t]en«,51 als geschickte Ausrede für ihre Buchproduktion angeführt: »[W]ir möchten ja schon, wie Sie wollen, aber wir müssen Rücksicht auf [...] unser Publikum nehmen! […] Dieses oder jenes Buch, das doch zweifellos Ihren Wünschen entspricht, denn Sie haben es ja empfohlen, ist einfach nicht abzusetzen. Es wird nicht gekauft. Jenes andere Buch, das die HJ. eindeutig abgelehnt hat, hat inzwischen die dritte Auflage erlebt.«52 »Die Leute wollen nun einmal solch minderwertiges Zeug lesen, da kann man nichts machen«.53

Solche Beispiele wurden in den Parteiorganen als »Sabotage«54 oder doch wenigstens als »die Antwort derer« hingestellt, »die keinen Mut haben, das, was sie selbst für gut halten, durchzuführen, oder die zu bequem sind, sich einer schwierigen Arbeit zu unterziehen«.55 Dennoch konnte nicht verhindert werden, dass die Kluft zwischen der politischen Vorstellung einer nur am ›guten deutschen Buch‹ interessierten Nation und der bei der Bevölkerung festgestellten »Bereitschaft zu minderwertiger Lektüre«56 während der zwölf Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft bestehen blieb: Die Methoden der Propaganda für das wertvolle Schrifttum sind hoch entwickelt. Wochen des Buches wurden eingerichtet, Ausstellungen gemacht, Werbungen durchgeführt, die bis ins kleinste Dorf hineindrangen usw. Dennoch blüht und gedeiht der literarische Kitsch.57

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Vgl. Josting: Schmutz- und Schundkampf, S. 35. Bökenkamp: BK 1937, S. 387. Ebd., S. 388. In: Helke: NSM 1935, S. 1034. In: Hasper: BDB 170 (25.7.1935), S. 608. Helke: NSM 1935, S. 1034. Hasper: BDB 170 (25.7.1935), S. 608. Hoyer: BDB 77 (6.4.1937), S. 303. Bökenkamp: BK 1937, S. 388.

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Das Beispiel des Kitsches macht damit auch deutlich, wie die Zwänge der Realität die Propaganda in gewissem Sinne untergruben. Der Gegensatz zwischen den Polemiken und der zeitgenössischen Lage auf dem Buchmarkt widersprach der – besonders in der Bücherkunde und im Börsenblatt geführten – Propaganda, der zufolge es einen direkten Wirkungszusammenhang zwischen Kitsch und Masse und somit einen Gegensatz zwischen Kitsch und der ›Volksgemeinschaft‹ gebe. Kitsch sei, so wurde dort berichtet, »immer an der Arbeit, Gemeinschaften aufzulösen«: Der literarische Kitsch vereinzelt den Menschen in seinem ganz individualistischen Streben nach Glück. Er wendet sich infolgedessen auch immer nur an das vereinzelte Individuum. Diese vielen Einzelnen werden durch einen Zusammenschluß […] niemals Gemeinschaft, sondern Masse unter der kollektiven Parole: Das größtmögliche »Glück« für die größ[t] mögliche Zahl.58

Zudem gedeihe Kitsch »immer nur dort, wo keine wirklichen Gemeinschaften bestehen«, so dass er als Indikator für die »innere Situation eines Volkes und einer Kultur«59 fungiere. Er sei eine Erscheinungsform eines uneinheitlichen, substanzlosen, differenzierten Menschentums, dessen Denken utilitaristisch und merkantilistisch eingestellt ist und das lediglich in einem äußerlich angenehmen und befriedigenden »Lebensglück« sein Ziel erblickt.60

Diese – bevorzugt gegen die ›Systemzeit‹ und die ›westlich-liberale Zivilisation‹ – gerichtete Argumentation wurde exemplarisch an der großen Inflation zwischen 1929 und 1932 belegt: Niemals ist wohl so minderwertige Literatur gelesen worden, als zu der Zeit, da die Massen der Arbeitslosen auf den Straßen herumlungern mußten und jeden Sinn des Lebens verloren hatten. Das Glück eines schaffenden Lebens war verkehrt zu einem Hunger nach Lebensgenuß; die Öde des eigenen Daseins mußte betäubt werden durch die Illusion eines materiellen Wohllebens, eines gesellschaftlichen Glanzes oder durch den Glauben an einen glücklichen Zufall. Kitsch kann keine innere Kraft geben, das Dasein zu bestehen, da er sich um die eigentlichen Fragen des Daseins herumdrückt und etwas vorspiegelt, was weder innerlich noch äußerlich existiert.61

Ebenso prototypisch wurde sie an Amerika als der Heimat der kapitalistischen ›Entartung‹ demonstriert: Die für uns unerträglichen Formen und Ausmaße, die der Kitsch in Amerika angenommen hat, sind nur der geistige Widerschein jener völligen seelischen Auslaugung seiner breiten Massen, die jeder eigenen nationalen und organischen Tradition entbehren und wohl gerade deshalb die letzten und äußersten Konsequenzen des Kapitalismus auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens ziehen konnten.62

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Ebd., S. 392. Ebd., S. 380. Horn: GA 1942, S. 1. Bökenkamp: BK 1937, S. 392. Horn: GA 6 (1942), S. 1.

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Indem die Kitschliteratur eng mit Krisensituationen und dem Zerfall der Gemeinschaft verknüpft wurde, wurde suggeriert, dass sie »kein unvermeidliches Übel«63 sei. »Das sogenannte Bedürfnis des einfachen Volkes nach Kitsch besteht nicht«, teilte Mitte 1940 der vertrauliche Lektoren-Brief den Mitarbeitern der Bücherkunde mit. »Man hat das Volk nur zu lange daran gewöhnt. Man kann es auch an das Echte gewöhnen.« Bei der nationalsozialistischen Jugend, so hieß es zuversichtlich, habe sich diese Entwicklung sogar schon vollzogen: Wovo r e mpf i n d e n u n s e r e Ju nge n s u n d M ä d el s eh r l i ch e u n d st a r k e Ab n eig u ng? […] Vo r d e r Se nt i m e nt a l it ä t . Die deutsche Jugend, die durch die harte Schule der Kampfjahre gegangen ist und nun in heroisch-gebändigter Haltung ihren arteigenen Ausdruck gefunden hat, steht im schroffen Gegensatz zu aller Gefühlsüberschwänglichkeit. Wohlgemerkt: sie wehrt sich gegen den Überschwang, während das Gefühl ihr heilig ist!64

Die zähe Widerstandskraft des literarischen Kitsches im Dritten Reich torpedierte nicht nur diesen Optimismus, sondern implizierte zudem, dass sich – dem Indizwert entsprechend, der die Propaganda der Kitschliteratur zuerkannte – auch der deutsche ›Volksgenosse‹ als ›Massenmensch‹ aus dem nationalsozialistischen Alltag in die »Illusion eines materiellen Wohllebens, eines gesellschaftlichen Glanzes« flüchte, »sich um die eigentlichen Fragen des Daseins herumdrückt und etwas vorspiegelt, was weder innerlich noch äußerlich existiert«.65 Diese unfreiwillige Implikation, die sich aus dem Widerspruch zwischen Propaganda und Alltag ergab, entsprach ironischerweise der Realität der NS-Diktatur, die der ›zivilisatorischen‹ und ›kapitalistischen‹ Konsumgesellschaft näher stand als sie offiziell eingestand. Wie Schäfer in seiner Studie zum gespaltenen Bewusstsein des Dritten Reichs darlegt, band das Regime »mittlere und gehobenere Schichten […] mit einer breiten Konsumgüter-Produktion an sich«,66 und stellte so eine »der NS-Ideologie entgegengesetzte Welt« bereit, die »viele Menschen […] zur realen erklärten«.67 Auch stellt Schäfer einen scharfen Kontrast zwischen den öffentlichen Bekundungen zur ›Volksgemeinschaft‹ einerseits und »Eigennutz, Haß und Neid«, »Apathie und Vergnügungssucht« sowie einer »Stimmung verzweifelter Gleichgültigkeit« andererseits fest, die in Promiskuität, einem hohen Alkoholkonsum, kurz: in der Suche nach »Ablenkung und Betäubung« resultierten.68 Für den Komplex der Kitschliteratur bedeutet dies, dass deren Produktion und Lektüre vom Regime zwar als Ungleichzeitigkeit69 denunziert wurde, sie

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Hoyer: BDB 77 (6.4.1937), S. 303. Popp: BDB 104 (7.5.1935), S. 358. Dazu auch Fritz Helke: »Während der deutsche Buchmarkt mit einer Unzahl sogenannter Jugendbücher überschwemmt wird, die besser niemals geschrieben worden wären, hat die deutsche Jugend längst den Weg zu den Dichtern der Nation gefunden« (BDB 206 (5.9.1935), S. 722). Auf Seite 285 wird das Zitat in seinem ursprünglichen Zusammenhang aufgeführt. Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 117. Ebd., S. 143: »[D]ie in Wirklichkeit auseinanderklaffenden Widersprüche betrachteten sie als nicht existent und sperrten sich von der Wahrheit ab.« Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (zitiert nach: ebd., S. 139f.). Vgl. die Kapitel 3.3.1.3. und 3.3.1.4.

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jedoch als ein in jeder Hinsicht gleichzeitiges Phänomen der nationalsozialistischen Herrschaft zu bewerten ist. Darüber hinaus illustriert die weitgehende Freigabe des Kitsches (wie auch der Swingmusik) den Versuch, die deutsche Bevölkerung nicht nur mithilfe von materiellen Konsumgütern,70 sondern auch mit geistigen Konsum- und Zerstreuungswerten ›abzuspeisen‹ und ruhig zu halten. 3.2.1.2. ›Kitsch‹ als Chiffre für pseudo-politische ›Konjunkturliteratur‹ Der Vorwurf der ›Unwahrheit‹ traf nicht nur die sentimentale Kitschliteratur, sondern auch den kommerziellen Kitsch. 1933 entdeckten Fabrikanten die Machtergreifung durch die NSDAP als Geschäftsidee und begannen unverzüglich und zum Entsetzen der Partei damit, die Symbole der Bewegung zu verkitschen. Am deutlichsten zeigte sich diese Tendenz in der Produktion von Geschenkartikeln, Reiseandenken und Nippes, die auf patriotische Gemütswallungen nach dem nationalsozialistischen ›Umbruch‹ spekulierten.71 Gleichsam über Nacht entstand ein Millionengeschäft. Der Großteil dieses ›Nationalkitsches‹ wurde vom Staat als ›Missbrauch‹ der nationalen Bewegung empfunden und bereits wenige Monate nach der Machtergreifung gesetzlich sanktioniert: Das Gesetz zum Schutze nationaler Symbole, das am 19. Mai 1933 in Kraft gesetzt und von Goebbels ›Antikitschgesetz‹ genannt wurde,72 formulierte das Verbot, »die Symbole der deutschen Geschichte, des deutschen Staates und der nationalen Erhebung in Deutschland öffentlich in einer Weise zu verwenden, die geeignet ist, das Empfinden von der Würde dieser Symbole zu verletzen«.73

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Aly: Hitlers Volksstaat; Hans Dieter Schäfer: Amerikanismus im Dritten Reich. In: Nationalismus und Modernisierung. Hg. Prinz / Zitelmann, S. 199–215; ders.: Das gespaltene Bewußtsein. Im Hinblick auf die Kriegsjahre wurde festgestellt, das sich das Dritte Reich im Gegensatz zu etwa Großbritannien weigerte, die zivile Produktion stark zu reduzieren, so dass diese noch 1944 bei 93 Prozent des Stands von 1938 lag. Bemerkenswert ist weiter auch der Befund, dass im fünften Kriegsjahr noch über 43 Prozent der in Deutschland Beschäftigten für den zivilen Bedarf arbeiteten (Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 150 u. 240). Vgl. Rolf Steinberg: Nazi-Kitsch. Darmstadt 1975. Unter den Kitschartikeln waren Haarnadeln mit funkelndem Hakenkreuzschmuck, Christbaumständer und -kugeln in Hakenkreuzform, Krawatten mit Hakenkreuzmuster, Kinderschürzen mit der Aufschrift Heil Hitler!, Pullover mit aufgenähtem Hakenkreuz, Kinderstrümpfe mit Hakenkreuzband, leuchtende Hakenkreuze für das Schlafzimmer sowie Fingerhüte, Backförmchen, Kleiderbürsten, Aschenbecher, Kerzen, Bleistifte, Wein- und Wurstetiketten, Schokoladenpackungen und Lakritzstangen, Manschettenknöpfe, Papierservietten, Vasen, Brotkörbe, Halsketten, Streichholzschachteln, Puppen und Kaffeetassen mit Hakenkreuzverzierung. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 20.5.1933. Zitiert nach: Steinberg: Nazi-Kitsch, S. 80. Verboten wurde u. a. der Einsatz von nationalen Symbolen und Bildnissen prominenter Nationalsozialisten zu Reklamezwecken sowie Ausführungen, die für ›entstellend‹ oder ›künstlerisch minderwertig‹ gehalten wurden. Immerhin war das Regime nicht unempfi ndlich für das ideologische Potential von Kitsch als »Massentransportmittel für nationalsozialistisches Gedachtengut« (ebd., S. 6). Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeine vom 27. November 1933 wurden Neujahrskarten und Christbaumschmuck mit dem Hakenkreuz und SA- und SS-Puppen von guter Ausführung,

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In den nachfolgenden Monaten und Jahren wurde das Gesetz durch weitere Anweisungen und Initiativen ergänzt. In den täglichen Pressekonferenzen des Propagandaministeriums wurden die Zeitungen angemahnt, Anzeigen zu vermeiden, »die das Gebiet des nationalen Kitsches oder einer ungehörigen Ausnutzung irgendwelcher politischer Tatsachen betreffen.«74 Der Minister hatte an zwei in den Zeitungen abgedruckten Reklamezeilen Anstoß genommen, von denen eine für die »Rasse der formvollendeten Modehuete 6,50« warb und die andere annoncierte, ein Motor sei »kein reinrassiger Motor mehr, wenn nachgemachte Teile eingebaut werden«. Es ist »unzulässig«, so wurde die Zeitungspresse zurechtgewiesen, den Begriff ›Rasse‹ noch länger in Anzeigen zu verwenden. Daneben wurde die Ausstellung als Instrument der politischen Aufklärung eingesetzt, um – vergleichbar mit den Ausstellungen zur ›entarteten Kunst‹75 – den Besuchern ex negativo vorzuführen, welche ›nationalkitschigen Gräuel‹ im NSDeutschland verboten waren. Unter dem Leitgedanken »Fort mit dem Kitsch!« war der Ausstellungsraum, wie die Frankfurter Zeitung am 18. Juli 1933 berichtete, in zwei Hälften, gleichsam in Schwarz und Weiß geteilt. Links sind in einem Plüsch- und gedrechselten »Salon« alle erdenklichen »nationalen Gebrauchsartikel«, von der Hakenkreuztapete bis zur Wurst mit dem Hakenkreuz – rechts eine moderne Wohnküche, mit einfachem und schmucklosem Gerät und Hitlers Porträt in bescheidener Graphik. Als natürliche Erläuterungen dienen Kinderzeichnungen mit dem Thema »Wie es nicht sein soll«, in deren Alptraumzimmern von fliehender Perspektive dank der Flächenfüllsucht kindlicher Phantasie auf vertrackte Weise Wände, Fußböden und alle Dinge von den Farben Schwarz-Weiß-Rot überzogen und mit spinnenhaften Hakenkreuzen übersät sind.76

Noch in den Kriegsjahren versuchte der vertrauliche Zeitschriften-Dienst, die Zeitschriftenpresse für eine Aufklärungsaktion gegen die »Einbürgerung von verkitschten Kunstgegenständen und billigen Massenerzeugnissen« zu gewinnen.77 Die Schriftleitungen wurden aufgefordert, »abschreckende« Aufnahmen von »Kitschplastiken und anderen kitschigen Gegenständen«, die im Einvernehmen mit der Reichskammer der bildenden Künste gemacht worden waren, »in einer entsprechend begründeten Gegenüberstellung oder mit der nötigen aufklärenden Beschriftung von den Zeitschriften zu verwenden.« Die Reihe von Reaktionen und Maßnahmen, von denen hier nur einige illustriert werden, dokumentiert, dass der ›nationale Kitsch‹ – wenigstens was den Bereich

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die »der SA und SS ein würdiges Aussehen verliehen«, durch die Reichsleitung der NSDAP zugelassen (S. 83). PA vom 23.10.1933. Die folgenden Zitate sind ebd. Die bekannteste Ausstellung zur ›entarteten Kunst‹ fand 1937 in München statt und hatte den Zweck, »am Beginn eines neuen Zeitalters für das Deutsche Volk anhand von Originaldokumenten allgemeinen Einblick [zu] geben in das grauenhafte Schlußkapitel des Kulturzerfalles der letzten Jahrzehnte vor der großen Wende« (Führer durch die Ausstellung Entartete Kunst, zitiert nach: Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus. Berlin, New York 2000, S. 187). Zitiert nach: Steinberg: Nazi-Kitsch, S. 82. ZD 187–56 (4.12.1942). Die folgenden Zitate sind ebd.

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des materiellen Kitsches anging – von den politischen Instanzen als vordringliches Problem behandelt wurde. Wie war es aber mit der Literatur? Denn auch dort feierte der ›nationale Kitsch‹, wie die Nationalsozialistische Bibliographie konstatierte, »unmittelbar nach der nationalsozialistischen Erhebung […] wahre Orgien«.78 Die Bücherkunde stellte erbittert fest: Nach 1933 wurden im Zuge des Rassegedankens die Helden blond und nordisch und die Betrüger düster und schwarz; man verließ zum Teil die Bars und setzte die Personen in eine Dorfschenke; es roch nicht mehr nach Pariser Parfums, sondern nach Mist, und der Generaldirektor begann sich so volksverbunden zu benehmen, daß er seine Sekretärin heiratete. Was will man eigentlich mehr?79

Gegen diese »Unmasse von Konjunktur« wurde von den verschiedenen Vertretern des Literaturbetriebes einträchtig Stellung bezogen, und in diesem Fall wurden ihre Klagen auch institutionell unterstützt. Im März 1934 kündigte Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß die Gründung einer neuen Lenkungsinstanz, der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums an, deren Aufgabe darin bestehen solle, für das Buchwesen dasjenige zu tun, was das ›Antikitschgesetz‹ in anderen Bereichen getan hatte. Die Notwendigkeit der Kommission wurde durch ihren Leiter Philipp Bouhler 1937 auf der Kundgebung zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches folgendermaßen erklärt: Während das Gesetz zum Schutze nationaler Symbole die mißbräuchliche Verwendung von Namen und Symbolen der Bewegung für Gegenstände des täglichen Lebens verhinderte, blieb das geistige Gut des Nationalsozialismus dem Zugriff skrupelloser Geschäftemacher ausgesetzt. Wenn jemand um der Konjunktur willen oder ohne die Fähigkeit hierzu zu besitzen, nationalsozialistische Probleme aufgriff oder irgendein Thema von einem falsch gesehenen nationalsozialistischen Standpunkt aus literarisch vergewaltigte, so hinderte ihn niemand daran, das Erhabene ins Banale und Lächerliche zu verkehren.80

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Bouhler: 6. Beilage zur NSB 11 (1937), S. II. Werner Bökenkamp: Über die literarische Halbwelt. In: Bücherkunde 7 (1937), S. 38. Ein besonders prägnantes Beispiel für die Kritik am literarischen ›Nationalkitsch‹ bezieht sich auf den Roman Über das Meer Verwehte von Rudolf Herzog, der das Wort ›deutsch‹ auf übelste Weise missbrauche: »Wir würden nicht so lange bei dem schlecht gespielten Kitsch verweilen, wenn die Sache hier nicht grundsätzlich wurde. Alle paar Seiten erfahren wir, daß diese Heldinnen und Helden so wesentlich deutsch sind: deutsche Schwesterherzen schlagen, deutsch reden und handeln die Personen, deutsch ist ihr Schicksal. Welches Schicksal? Daß sie einen Mann finden? Eine Probe: Die durch Annonce bestellte Frau gelangt zu ihrem Urwaldfarmer, der sie ›über den federnden Moosboden in ein undurchdringliches Gestrüpp‹ führt und küßt. ›Papageien saßen in Reihen und schauten zu. Brigitta Schulte hing im kolumbianischen Urwald an Johann Johannsens Hals, als wäre es im deutschen Buchenwald, weil es eine deutsche Liebe war‹ […]. D a r f d e n n j e d e r M i s t s i c h m i t d e m A d j e k t i v » d e u t s c h « l e g i t i m i e r e n ? Dann schon lieber gleich CourthsMahler! Gibt es denn noch kein literarisches Konzentrationslager für Beträchtlichmachung des Eigenschaftsnamens ›deutsch‹???« ([o.V.]: Romanliteratur wie wir sie nicht wünschen: Über das Meer Verwehte. Roman von Rudolf Herzog. In: Bücherkunde 5 (1935), S. 169). Bouhler: 6. Beilage zur NSB 11 (1937), S. II.

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Die Prüfungskommission sollte folgerichtig alle Schriften, die »im Titel, in der Aufmachung, in Verlagsanzeigen oder auch in der Darstellung selbst als nationalsozialistisch ausgegeben werden«, auf ihre ›Unbedenklichkeit‹ prüfen.81 Ihr sollte es gelingen, literarische[ ] Angriffe, Mißdeutungen und Verfälschungen aller Art abzufangen und unschädlich zu machen und zu verhindern, daß sich Schmarotzer und andere unsaubere Gewinnler auf dem Wege über das Schrifttum in die Gefolgschaft der revolutionären Erhebung einnisteten.82

Dass gegen den ›Nationalkitsch‹ in der Literatur rigoroser vorgegangen wurde als gegen den sentimentalen Kitsch, hatte persönliche Hintergründe. Die Errichtung einer Lenkungsinstanz gegen diese Art von Schrifttum wurde wesentlich von den wirtschaftlichen und politischen Interessen des einflussreichsten Verlegers des Dritten Reiches, Max Amann, bestimmt, der nicht nur Geschäftsführer des mächtigen Zentralverlags der NSDAP, sondern auch Präsident der Reichspressekammer war.83 Amann hatte bereits Anfang 1934 einen Gesetzentwurf zur Sicherung des nationalsozialistischen Schrifttums vor unberufenen Händen eingereicht mit dem Ziel, für seinen Verlag ein Monopol auf die Publikation des gesamten ›nationalsozialistischen Schrifttums‹ zu erwirken.84 Mit der Errichtung der Bouhler-Kommission wurde diesem Wunsch entsprochen und neben der Prüfungspflicht für die bereits erschienenen Schriften die Erwartung festgelegt, dass »Manuskripte, die nationalsozialistische Probleme und Stoffe zum Gegenstand haben, in erster Linie dem Zentralparteiverlag, der Eigentum der NSDAP. ist, zum Verlage angeboten werden.«85 Amanns persönliche Lobby verband sich mit dem politischen Befund des NSLenkungsapparats, dass nationaler Kitsch nicht nur konjunkturelle, sondern auch gegnerische Absichten bediente. Die Zensurorgane hatten festgestellt, dass Gegner des Regimes nationalsozialistische Symbole benutzten, um staatsfeindliche Auffassungen »im Gewande einer nationalsozialistisch aufgemachten Schrift […] in das deutsche Volk einzuschmuggeln«.86 Gemeint waren die verkappten Gegner, die unter dem Zwange einer unabwendbaren Notwendigkeit sich »loyal« und »positiv« mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzten und ihn »bejahten«. Bejahten freilich auf ihre Weise. Denn eine Zeitlang schien es der einzige Weg zu sein, auf dem Umweg über ein als nationalsozialistisch ausgegebenes Schrifttum Gedankengänge zu

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Manuskript der von Heß unterschriebenen Verfügung, das für den internen Verkehr zwischen den Verlagen und der Prüfungskommission gedacht war (zitiert nach: Barbian: Literaturpolitik, S. 298). Hederich: NSB 4 (1936), S. VII. Zum Einfluss Amanns auf die Gründung der Prüfungskommission vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 298–300. Tavernaro warnt allerdings vor einer Überbewertung des Einflusses des Parteiverlags auf die Literaturlenkung (vgl. Der Verlag Hitlers und der NSDAP. Wien 2004, S. 12). Brief von Amann an Bouhler vom 10.12.1938 (zitiert nach: Barbian: Literaturpolitik, S. 299). Vgl. Fußnote 81. Bouhler: 6. Beiheft zu NSB 11 (1937), S. III.

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verbreiten, die, weil sie staats- oder bewegungsfeindlich oder sonst mit dem Grundsätzen des nationalsozialistischen Reiches unvereinbar waren, nicht offen und unverblümt ausgesprochen werden konnten.87

Unter dem Titel Judenreklame mit Hakenkreuz wies die Bücherkunde im März 1939 auf einen weiteren »Mißbrauch des Hakenkreuzes« hin, der als Ablenkungsmanöver von ›unerwünschten‹ Personen gedacht war. Die Kritik betraf eine ShakespeareÜbersetzung in Berlin, auf die ein zuverlässiger ›Volksgenossse‹ im Werbeprospekt des Berliner Verlages Georg Bondi gestoßen sei: Zunächst fiel der Blick unseres Volksgenossen auf ein Hakenkreuz, das – ähnlich der Form des Goldenen Ehrenzeichens der Partei – das Titelblatt schmückte. Dann aber weiteten sich seine Augen, denn über dem nationalsozialistischen Symbol prangte ein Name, der ihm verteufelt bekannt und in der nur denkbar schlechtesten Erinnerung war. Die »Neue Ausgabe in sechs Bänden«, die hier im Jahre 1938 angepriesen wurde, war nämlich herausgegeben und zum Teil neu übersetzt von – – Friedrich Gundolf, einem der übelsten Literaturjuden des Weimarer Systems! Sein wirklicher Name war bekanntlich Gundelfinger! […] Georg Bondi hatte sich nicht entblödet, ihm im Jahre 1938 diesen mit einem Hakenkreuz geschmückten, für die Schmierereien eines Juden werbenden Prospekt zu schicken!88

Der Kampf gegen den ›nationalen Kitsch‹ wurde damit auch zum Ziel der Entdeckung und Unterbindung von ›staatsfeindlichem‹ Schrifttum geführt. Insgesamt lag das Hauptanliegen des Kampfes gegen den ›Nationalkitsch‹ jedoch weniger in diesen Einzelfällen als in der Befürchtung begründet, die Kommerzialisierung nationalsozialistischer Symbole könne eine »Verflachung und Verkitschung nationalsozialistischer Ideen und Auffassungen herbei[ ]führen und das geistige Niveau der Bewegung herab[ ]drücken«.89 Um eine solche Aushöhlung nationalsozialistischer ›Ideale‹ zu verhindern, richtete sich der Kampf in erster Linie gegen die »eitle Geschäftigkeit und Konjunkturhascherei, die nur an der Zeit ve r d ie n e n , nicht aber dienen will«.90 Es wurde ein Gegensatz zwischen bloß »äußerlicher« Anpassung und »innerlicher« Beteiligung von Literatur an der nationalsozialistische Zeit konstruiert und ein jeder Schriftsteller abgelehnt, der »mit Begriffen wie Ehre, Vaterland, Gemeinschaft usw. herumwirft, ohne diese je im Innern erlebt zu haben«:91 Genauso wie beim sentimentalen Kitsch betrafen auch hier viele Klagen den Bereich der Jugendliteratur.92 Laut dem Börsenblatt hätten »allzu geschäftstüchtige[ ]

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Bouhler: 6. Beiheft zu NSB 11 (1937), S. IIf. [o.V.]: BK 1939, S. 160. Bouhler: 6. Beiheft zu NSB 11 (1937), S.II (vgl. dazu u. a. die Monatsblätter der Reichspropagandaleitung der NSDAP: »Kitschig-unwahr ist im ursprünglichen Sinn […] die Hakenkreuztapete, die weismachen möchte, daß jeder Blick auf sie nationale Begeisterung und Gesinnungstreue auslöse, während er in Wahrheit nur diese Empfindungen abstumpft«, Erich Dürr: Was ist Kitsch? In: UWW 7 (1937), S. 53f.). [o.V.]: NSB 10 (1937), S. 4. [o.V.]: 1–2/NSB 1940, S. 43. Die Lektoren der NSB blieben anonym: »Die zur Verfügung stehende Zahl der Lektoren sowie ihre Namen werden der Öffentlichkeit gegenüber nicht bekannt geben. Ihr Dienst ist Dienst an die Partei« (BDB 90 (16.4.1935), S. 306). Vgl. Nassen: Jugend, Buch und Konjunktur.

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Verleger« die »Revolution« genutzt, um »eine Hochflut von ›nationaler Jugendliteratur‹ über die deutsche Jugend ergehen zu lassen«:93 Was lief nicht alles unter dem nationalen Vorzeichen! Schwulst, Sentimentalität, Geschichtsklittereien usw. usw. wurden ohne Bedenken der Jugend vorgesetzt, und es galt nur die eine Bedingung: All dieses Schrifttum mußte »braun angestrichen« sein, das heißt, es mußte auf oberflächliche und gedankenlose Leser und Hörer den Eindruck nationalsozialistischer Literatur machen.

Auch andere Zeitschriften wie die Nationalsozialistischen Monatshefte forderten zu »allergrößte[n] Vorsicht« vor Jugendromanen auf, »deren Umschläge mit den Abzeichen und Emblemen der Bewegung verziert sind, SA.-Männer, Hitlerjungen oder BDM.-Mädel darstellen«. Die Erfahrung habe gelehrt, so wurde betont, »daß sich fast immer übelster Kitsch hinter der nationalsozialistischen Fassade verbirgt«: 94 Ein Jugendschriftenverlag produziert Jugendbücher. Vor der nationalsozialistischen Revolution sahen die Themen dieser Bücher etwa so aus: Pensionatsgeschichten, Töchtergeschichten, Sekundanererlebnisse, Fahrtenerlebnisse bündischer Wandergruppen usw. Mit der großen Veränderung erfolgte auch hier die Umschaltung. Die Themen hießen jetzt: SA., SS., Hitlerjugend, BDM., Jungvolk. Und der Inhalt? Siehe, er war der gleiche. Die Jungen und Mädel dieser netten Geschichten hatten sich nicht im entferntesten geändert. Sie trugen jetzt nur braune Kluft, warfen mit unverdauten Brocken nationalsozialistischen Gedankengutes um sich und führten bei jedem dritten Satz das Wort Deutschland auf der Zunge.95

Aus solchen Kritiken ergibt sich eine Betrachtung der Literatur im Dritten Reich, die diese keineswegs nur mit plakativer Propagandaliteratur verbindet. Sie suggerieren, dass augenfällige, unmittelbare Propaganda im Buch wie im Film – trotz der wohl bekannten Gegenbeispiele, die sich zu Unrecht als repräsentativ für die damalige Buch- und Filmproduktion durchgesetzt haben – in der Regel gescheut wurden.96 Vielmehr herrschte eine allgemeine »Abneigung gegen solche Bücher« vor, »die mit nationalsozialistischen Schlagworten aufdringlich um sich werfen«:97 Es müssen nicht immer Pauken und Trompeten, Trommeln und Fanfaren sein, mit denen die Konjunkturschriftsteller so geschickt umgehen; in der Schilderung einer Landschaft, im

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Popp: BDB 97 (27.4.1935), S. 330. Das folgende Zitat ist ebd. (vgl. dazu u. a. Ramlow: BDB 164 (17.7.1934), S. 638f.). Helke: NSM 1935, S. 568. Das folgende Zitat ist ebd. Ebd., S. 1035. Vgl. dazu Goebbels’ Auffassung, es sei »im allgemeinen ein wesentliches Charakteristikum der Wirksamkeit, daß sie niemals als gewollt in Erscheinung tritt. In dem Augenblick, in dem sie als Propaganda, als Tendenz, als Charakter, als Haltung im Hintergrund bleibt und nur durch Handlung, durch Ablauf, durch Vorgänge, durch Kontrastierung von Menschen in Erscheinung tritt, wird sie in jeder Hinsicht wirksam« (zitiert nach: Helmut Heiber (Hg.): Goebbels-Reden. Bd. 1: 1932–1939. Düsseldorf 1971, S. 95). Goebbels hat diese Forderung des Öfteren und für jedes Medium gesondert wiederholt (vgl. ebd., S. 95 (Rundfunk), S. 138 (Film und Theater), S. 171 (Literatur), und die Geheime Ministerkonferenz vom 24.9.1940 (Presse), zitiert nach: Willi A. Boelcke (Hg.): Wollt Ihr den totalen Krieg? Die geheimen Goebbels-Konferenzen 1939–1943. München 1969, S. 138). Popp: BDB 104 (7.5.1935), S. 359.

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Beschreiben der Liebe eines Mannes zu einer Frau kann »es« ebenso liegen: das spezifisch »Deutsche« nämlich.98

Wiederholt wurde gewarnt, »daß nicht das Buch am wertvollsten ist, bei dem auf jeder Seite mehrmals das Wort ›Nationalsozialismus‹ steht, sondern jenes, das – mag es handeln von was es will – nationalsozialistische Grundhaltung atmet«.99 In diesem Zusammenhang bekam der Begriff ›Haltung‹ eine programmatische Bedeutung als Kriterium der Literatur.100 Als Oppositionsbegriff nicht nur zum ›nationalen Kitsch‹, sondern zu jeder Form der allzu offensichtlichen ›Tendenzliteratur‹ zielte er auf eine Literatur ab, die »unaufdringlich und doch beständig fühlbar« von den nationalsozialistischen ›Werten‹ und ›Idealen‹ durchdrungen sei.101 Durch den Mangel an Literatur, der eine solch unaufdringliche Verarbeitung der NS-Ideologie gelang, wurde diese Forderung nach politischer Unaufdringlichkeit in der Praxis breit interpretiert. Empfohlen wurden Bücher, die an sich wenig oder nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun hatten, sich durch ihre Kontextualisierung jedoch mit den konkreten politischen Interessen oder allgemeinen ideologischen Prämissen in Einklang bringen ließen. Genannt sei die deutsch-nationale Kriegsliteratur aus der Zeit vor 1933, die den Kameradschaftsgedanken, den Patriotismus und den Heldenkult förderte, Übersetzungen aus Gebieten wie Flandern, an deren Annektierung das Regime interessiert war, oder auch die Gattung des Abenteuerbuchs, die als Vorstufe des heldischen Romans heimgeholt wurde, weil sie in »Handlung und Sprache kühne Männlichkeit« vertrete und damit unauffällig aber »bewußt das heldische Ideal in den Vordergrund« stelle:102 Es berichtet von männlichen Taten und Erlebnissen, es stellt seine Menschen in eine Umwelt, die von harten und kompromißlosen Gesetzen beherrscht und gestaltet wird. Das […] ist ein für Jungensehnsüchte empfänglicher Boden. Der gesunde Junge stößt hier auf Lebensformen und Lebensgesetze, die seinem innersten Wesen gemäß sind, er findet Helden, für die er sich aus Überzeugung begeistern kann, findet Zustände und Verhältnisse, die seine Phantasie erregen, Taten, die seinen Ehrgeiz anspornen.

Bei der Mehrheit dieser Romane – bzw. der Mehrheit der auf dem deutschen Buchmarkt erschienenen Werke, die nicht nachträglich auf einer Verbotsliste landeten – handelte es sich um Literatur, die nur insofern für die nationalsozialistischen Ideen warb, als sie nicht gegen diese verstieß: Kriegsromane, die nicht defätistisch waren, Literatur aus Flandern, die nicht zu sehr auf der Selbständigkeit des flämischen ›Volkes‹ beharrte, sich nicht zu katholisch gab und nicht von ›volksfremden‹ flämischen Autoren französischer Sprache wie Maurice Maeterlinck und Emile Verhaeren

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Schulz: BDB 262 (10.11.1938), S. 875. Das Zitat stammt aus einer Rede bei der Schlusskundgebung der Ersten Großdeutschen Buchwoche im Gau München-Oberbayern. Popp: BDB 104 (7.5.1935), S. 359 [eigene Hervorhebung]. Zum Begriff der ›Haltung‹ vgl. Kapitel 1.1.2. Popp: BDB 104 (7.5.1935), S. 359. Helke: BDB 80 (4.4.1935), S. 277. Das folgende Zitat ist ebd.

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stammte,103 sowie Abenteuerromane, die keine ›Anarchisten‹ zu Helden stempelten.104 Ferner führte die Bekämpfung der politischen ›Konjunkturliteratur‹ zur Indizierung zahlreicher Bücher. Im Bereich der Jugendliteratur wurden Titel wie Utz kämpft für Hitler, Ulla, ein Hitlermädel, Manfreds Weg zu Hitler, Unser Führer, Das Jugendbuch von Horst Wessel, SA-Sturmführer Horst Wessel oder auch Serien wie Ein Hitlerjunge erlebt!, Die Fahne hoch! Die braune Reihe und Sieg Heil! Fronterlebnisse,105 die nach Meinung der Schrifttumsführung nur äußerlich konform waren, auf die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums gesetzt. Nicht zuletzt versuchten Partei und Staat, die »Konjunkturschriftstellerei«106 durch eine eigene Buchproduktion auszugleichen und dem Leser politisch zuverlässige Unterhaltungsliteratur in derselben buntgrellen Aufmachung und zu denselben niedrigen Preisen zur Verfügung zu stellen. So entschlossen sich verschiedene literaturpolitische und militärische Instanzen, eigene billige Heftreihen zu produzieren. Beispiele sind die Kriegsbücherei der deutschen Jugend (»im Auftrage des Jugendführers des Deutschen Reiches und im Einvernehmen mit den Oberkommandos des Heeres und der Kriegsmarine«) und die Kolonialbücherei (»unter Mitwirkung der Auslandsorganisation der NSDAP, des Oberkommandos der Kriegsmarine und des Reichsbundes Deutscher Seegeltung«), die »Ausschnitte aus dem Polen- und Westfeldzug, vom Kampf gegen die englische Insel und in Nordafrika« wie vom »Schauplatz im Osten« brachten. Für diese Serienhefte war neben der Garantie politischer Zuverlässigkeit auch und vor allem die Möglichkeit ausschlaggebend, mit den wöchentlichen oder alle 14 Tage erscheinenden Heften »möglichst rasch in der Bereitstellung von Lesestoff den Zeitereignissen nachzukommen«. Auf diese Weise wurde im Dritten Reich von offizieller Seite ein Schrifttum produziert, das keineswegs – wie es das nationalsozialistische Ideal des ›guten gebundenen Buches‹ vorschrieb – für die Ewigkeit bestimmt war, sondern dessen Sinn ganz im Gegenteil – wie sowohl die Heftthemen als auch der ausdrückliche Hinweis illustrieren, abgenutzte Hefte nicht zu ersetzen – im »sofortigen Gebrauch« und daher »ja hauptsächlich in der Aktualität« lag.

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Vgl. Kapitel 3.2.2.2. Vgl. Kapitel 3.4.2.2. Vgl. Nassen: Jugend, Buch und Konjunktur, S. 13; Josting: Schmutz- und Schundkampf, S. 29. Die Konjunktur-Serie Ein Hitlerjunge erlebt! wurde vom NS-Lehrerbund kritisiert, weil sie »abenteuerliche Erlebnisse der Hitlerjugend [häufe]. Als ob das Leben der Hitlerjugend nur aus Abenteuern und Schlägereien mit den Kommunisten bestanden hätte.« Zur Serie Die Fahne hoch! Die braune Reihe merkte der Lehrerbund geringschätzig an, sie decke sich »mit der Farbe des Braunhemdes und mit der Hakenkreuz-Fahne« (BArch NS 12/1266). Stallmach: DB 1942, S. 131. Die folgenden Zitate sind ebd.

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3.2.2. »Die spezifisch nationalsozialistische Dichtung ist im Werden« Der Begriff der ›Dichtung‹, der heute viel von seinem normativen Wert eingebüßt hat, besaß zur Zeit des Nationalsozialismus noch die bildungsbürgerliche, stark wertende Bedeutung einer unvergänglichen, qualitativ hoch stehenden Literatur mit tradierungswürdigem Charakter. Gleichzeitig war der Begriff stark politisiert. Die spätromantische Verknüpfung von Dichtung und Nationalbewusstsein hatte sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts unter dem Einfluss der nationalistischen Bewegungen in ganz Europa verfestigt. Die Dichtung war zu einem der ›Protonationalismen‹107 avanciert, über die neu entstandene Nationalstaaten ihre Identität zu formieren, legitimieren und kräftigen versuchten. Besonders im deutschen Staat, der für sein Nationalgefühl auf das Konzept der ›Kulturnation‹ rekurrierte, wurden Dichtung und Sprache zum Inbegriff nationaler Identität. Unter diesem nationalistischen Blickwinkel ist auch das Interesse der jungen imperialistischen Diktatur für die literarische Kategorie der Dichtung zu betrachten. Zur Legitimierung ihrer Existenz bemühte sie sich darum (dabei angestachelt durch die ausländischen Bezichtigungen der geistigen Barbarei), Deutschlands Ruhm als ›Volk der Dichter und Denker‹ zur kulturellen Grundlage des Reiches zu machen. Einerseits wurde dafür Anschluss an die ältere Dichtung gesucht;108 andererseits wurde eine eigene Produktion großer Dichtung benötigt, um den Ruhm von Deutschlands ›großer Vergangenheit‹ bis ins Dritte Reich zu verlängern und die nationale Größe der nationalsozialistischen Herrschaft zu belegen. Die Auffassung, große Zeiten brächten große Kultur hervor,109 bedurfte einer Entsprechung auf dem Buchmarkt. Die protonationalistische Funktion der Dichtung wurde u. a. über die politische Besetzung und Gegenüberstellung der Begriffe ›Dichtung‹ und ›Kitsch‹ konstruiert. Wurde Kitsch als »volkzersetzend« mit der vermassten Gesellschaft und dem Individualismus assoziiert, so wurde Dichtung »volkformend«110 genannt und als »Ausdruck der Gemeinschaft«111 gefeiert: Für den Dichter […] gibt es nicht mehr die Möglichkeit, sein Werk aus den Spannungen und Gefühlen seines eigenen Ichs zu erzeugen. Für ihn kommt es nicht mehr darauf an, das Erlebnis des Ichs losgelöst aus dem Rahmen aller völkischen Gemeinschaft in den

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Vgl. Roberto Simanowski: Zum Problem kultureller Grenzziehung. Einleitung. In: Kulturelle Grenzziehungen im Spiegel der Literaturen: Nationalismus, Regionalismus, Fundamentalismus. Hg. von Horst Turk / Brigitte Schultze / dems. Göttingen: Wallstein 1998, S. 20. Simanowski definiert Protonationalismen als »bestimmte Spielarten kollektiver Zugehörigkeitsgefühle, die in der Konstruktionstätigkeit mobilisiert werden: Sprache, Ethnie, Religion, gegenwärtige oder vergangene Staatszugehörigkeit«. Vgl. Kapitel 1.1.1. Vgl. dazu Wilhelm Staudinger: »Große Zeiten sind dazu angetan, große Gestalter zu gebären« (Das Buch vom Bauern. Ein Querschnitt durch das Jahr 1936. In: Bücherkunde 10 (1936), S. 290). Kindermann: BK 1942, S. 141. Herbert Böhme (1939) (zitiert nach: Vondung: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literaturtheorie, S. 54).

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Mittelpunkt der Dichtung zu stellen. Alle Erschütterungen, alle Probleme, alle Tragik, die er gestaltet, brechen auf aus der Volksseele, aus dem Bereich des »Wir«.112

Im Gegensatz zur Kitschliteratur, die dem Leser eine ›Scheinwelt‹ und ein ›Traumleben‹ vorgaukle, reflektiere die Dichtung die »Wirklichkeit des Volkes«, ja die »echte[ ] Wirklichkeit der Tat und der Haltung«:113 Der Dichter, der heute […] etwas zu sagen haben will, muß ein gläubiger Mitkämpfer unserer Zeit sein. Er darf nicht abseits stehen und in seinem Werk in fernen Welten und Träumen leben.114

Während Kitsch »geistige[ ] und seelische[ ] Lethargie« verursache, rege die Dichtung den Leser zur »tätigen Teilnahme an unserem wirklichen geistigen und politischen Leben« an:115 Dichtung […] erwirbt […] die […] Aufgabe: Anruf, Aufruf zu sein an alle, mitzuwirken im gemeinschaftlichen Krafteinsatz an der Verwirklichung des deutschen Gedankens oder wie man sonst immer die Sehnsucht der deutschen Seele umschreiben will.116

In der Logik dieses Gegensatzes implizierte ein Mangel an Dichtung – ähnlich der Blüte an Kitschliteratur – einen Mangel an völkischer Kohäsion in einer Gesellschaft, der konsequent mit früheren Zeiten in Verbindung gebracht wurde: Warum hatte man die wahren Dichter in Deutschland vergessen? Warum las man ihre Bücher nicht? Warum lachte man über die, die als wahre Dichter sich nur ihrem Volk verantwortlich fühlten, ohne doch von ihm gehört zu werden? Warum? Weil kein Volk da war!117

Die Anwesenheit von Dichtung stelle in logischer Konsequenz völkisches Bewusstsein unter Beweis und charakterisiere daher das Dritte Reich: Warum mußte erst der Nationalsozialismus kommen, […] damit diese Dichter gehört wurden? Warum? Weil er das Volk wollte, weil er das Volk geschaffen hat, das Volk als große Gemeinschaft der Deutschen, die wissen, daß sie zusammengehören!

Der streng kausale Zusammenhang zwischen Dichtung und Volk (»Wir sind […] echtes lebendiges Volk. Sonst gäbe es keine Dichter.«118) verlieh der Realität des Buchmarktes eine subversive Qualität, die auch bereits im Hinblick auf die Kitschliteratur festgestellt wurde. Genauso wie sich der ›volkzersetzende‹ Kitsch im nationalsozialistischen Deutschland nicht bändigen ließ, so musste die literaturpolitische Führung umgekehrt feststellen, dass sie die ›volkformende‹ Dichtung nicht herbeizwingen konnte. Im Aufsatz Gibt es nationalsozialistische Dichtung? Versuch einer Antwort hielt Rudolf Paulsen im April 1935 exemplarisch fest,

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Könitzer: BDB 69 (22.3.1934), S. 263. Westecker: BK 7 (1939), S. 379. Lorch: BK 3 (1939), S. 109. Hoyer: BDB 77 (6.4.1937), S. 303. Blome: NSM 1937, S. 1091. Könitzer: BDB 69 (22.3.1934), S. 263. Das folgende Zitat ist ebd. Rang: EL 5 (1943), S. 3.

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die spezifisch nationalsozialistische Dichtung ist im Werden […] – dieser Satz soll natürlich nicht leugnen, daß einige wenige echte Werke einer solchen Dichtung tatsächlich schon vorhanden sind; aber wenn wir aufs große Ganze sehen, dann müssen wir zugeben, wie im Grunde noch alles zu tun bleibt.119

Ein halbes Jahr zuvor hatte auch Goebbels im Berliner Sportpalast bei der Eröffnung der ersten Woche des Deutschen Buches gewarnt, im Hinblick auf die Dichtung habe man Geduld zu üben: Ich weiß sehr wohl, daß man die Dichtung nicht kommandieren kann, und niemand von uns hat je den Versuch dazu gemacht. […] Ich weiß sehr wohl, daß wir in Demut auf die großen Geister warten müssen, die die Kraft besitzen, unsere Zeit in Gestalt und Form zu gießen. Ich weiß auch sehr wohl, daß wir uns dabei mit Geduld wappnen müssen […].120

Neben zahlreichen Versuchen, um diesen Mangel zu überspielen,121 gab es in literaturpolitischen Organen einzelne Stimmen, die zur Begründung der fehlenden ›nationalsozialistischen Dichtung‹ beschuldigend auf das offizielle Förderungssystem selbst verwiesen. Drei Jahre vor dem Zusammenbruch der Diktatur hob u. a. Heinz Kindermann, der als Lektor im Rosenbergamt tätig war,122 in der Bücherkunde hervor, wie sehr manche junge Begabung in diesem letzten Jahrzehnt durch allzu schnelles Hochloben, durch allzu starke Pressebeachtung, durch vorzeitige Preisverleihungen, Vortragsreisen und sonstige Vorschußlorbeeren im Keim erstickt oder in der spannungsreichen, von sich selbst immer Stärkeres fordernden Entwicklung gehemmt wurde.123

Kindermann bedauerte, die »allzu früh Hochgelobte[n]« seien »von ihrer Unfehlbarkeit schon kilometerweit überzeugt« und würden es nicht mehr für nötig erachten, sich um ihre literarischen Fähigkeiten zu kümmern. Weiter als eine Anprangerung der inflationär betriebenen Förderungspolitik reichte solche Kritik allerdings nicht.

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Paulsen: BDB 82 (6.4.1935), S. 286. Zitiert nach: Heiber: Goebbels-Reden, S. 170f. Vgl. Kapitel 3.3.1.1. Zu Heinz Kindermann vgl. Andreas Pilger: Nationalsozialistische Steuerung und die ›Irritation‹ der Literaturwissenschaft. In: Literaturwissenschaft und Nationalsozialismus. Hg. Dainat / Danneberg; Mechthild Kirsch: Heinz Kindermann, ein Wiener Germanist und Theaterwissenschaftler. In: Zeitenwechsel. Hg. Barner / König, S. 47–59. Kindermann: BK 5–6 (1942), S. 142. Es ist durchaus kein Zufall, dass man diese für eine totalitäre Diktatur untypischen offen diskutierten Meinungsunterschiede (wie unbedeutend sie im Ganzen auch waren) gerade in den regimekonformen nationalsozialistischen Organen findet. Nach Goebbels’ Kritikverbot im November 1936 war Kritik nämlich nicht pauschal verboten (wie in der Forschungsliteratur oft fälschlich behauptet wird), sondern nur der ›nichtnationalsozialistischen‹ Presse untersagt worden. Das Recht auf ›Kritik‹ war daraufhin den Organen der Partei und des Staates vorbehalten und wurde dort gelegentlich und in beschränktem Maße genutzt. Oft geht es dabei um persönliche Meinungen; gelegentlich lassen sich die Meinungsunterschiede jedoch auch als das Ergebnis des Kompetenzgerangels zwischen den literaturpolitischen Instanzen werten oder spiegeln die Tatsache, dass »die übernommenen und ›gleichgeschalteten‹ Gruppen und Verbände ihre teilweise sehr speziellen Interessen nach 1933 innerhalb des Partei- bzw. Staatsapparats und unter dessen Bedingungen weiter verfolgten« (vgl. Ketelsen 1980, S. 232).

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Die Zensurpolitik blieb außer Schussweite, von der diktatorischen Einschränkung124 der sprachlichen, formalen und inhaltlichen Möglichkeiten des Schriftstellers war nicht die Rede. Vielmehr gelangte Kindermann zu dem hoffnungsvollen Schluss, für eine wahrhaft ›nationalsozialistische Dichtung‹ habe sich die Diktatur bloß zu gedulden: »Wir müssen den jungen Dichtern Zeit lassen […].«125 Wie diese ›nationalsozialistische Dichtung‹ aussehen sollte, wurde von den Instanzen nur vage definiert. Grob betrachtet, lassen sich die Kriterien des Gegenwarts- und Ideologiebezuges erkennen, die im NS-Jargon als resp. ›Zeitnähe‹ oder ›Wirklichkeitsnähe‹ und ›Gestaltung‹ bezeichnet wurden. Das erste Kriterium unterschied zwischen ›nationalsozialistischer‹ und ›nichtnationalsozialistischer‹ Dichtung, das zweite Kriterium trennte die ›Dichtung‹ von der ›Literatur‹. Diese beiden Erwartungen an die ›nationalsozialistische Dichtung‹ wurden von allen Instanzen geteilt. Das dritte Kriterium der literarischen Qualität, das bei den meisten Literaturpolitikern weit unten auf der Prioritätenliste stand, wurde besonders von Goebbels aus pragmatischfunktionalen Gründen als ein nicht zu vernachlässigendes Merkmal der Dichtung betrachtet. Die Kriterien werden im Folgenden näher beleuchtet. 3.2.2.1. Literarische Qualität Die literaturpolitischen Institutionen waren sich bereits früh der in- und ausländischen Kritik bewusst, die ihr »geistige Barbarei« und die »Vernichtung des kulturellen Lebens« anlastete.126 Dass sie diesen Vorwurf zur Kenntnis nahmen, zeigen die vehementen Verteidigungsparolen in den verschiedenen nationalsozialistischen Organen. Bouhler, Leiter der Parteiamtlichen Prüfungskommission, trat 1937 dem »weitverbreiteten Irrtum« entgegen, der uns vor allem immer wieder in einer gehässigen Polemik des Auslandes begegnet, dem Irrtum nämlich, als ob die NSDAP. eine öde Zensur Metternischer Prägung über die deutsche Buchproduktion ausübe und damit die geistige und wissenschaftliche Freiheit in Deutschland kneble.127

Bernhard Payr, Leiter des Zentrallektorats im Amt Schrifttumspflege, konterte im selben Jahr in den Nationalsozialistischen Monatsheften unter dem Titel Schrifttumsdiktatur oder Schrifttumsförderung, eine »geistige Diktatur« sei »mit der Ideenwelt des Nationalsozialismus schlechterdings unvereinbar«:

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Vgl. Rüthers Sammelband zur Literatur des Nationalsozialismus und des DDR-Sozialismus (Literatur in der Diktatur). Kindermann: BK 5–6 (1942), S.142. Der Bereich der Literatur bildete in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Ein ähnlicher Diskurs wurde im Hinblick auf die Malerei geführt (vgl. u. a. Frederic Spotts: Hitler and the Power of Aesthetics. Woodstock 2003, S. 179). Auch dem Film wurde unterstellt, noch wachsen zu müssen, um den nationalsozialistischen Kriterien zu entsprechen (vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 21.8.1941). Goebbels (zitiert nach: Heiber: Goebbels-Reden, S. 138). Bouhler: NSB 11 (1937), S. III.

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Zu den hartnäckigsten Vorurteilen, für deren Verbreitung die deutschfeindliche Presse im Ausland gesorgt hat, gehört die Annahme, daß das geistige Leben in Deutschland unter diktatorischer Zensur stünde. Man scheint gewillt zu sein, an dieser an den Haaren herbeigezogenen Verleumdung um so mehr festzuhalten, je weniger man wirklich mit dem Wesensgefüge des Nationalsozialismus vertraut ist.128

Im Hinblick auf die kritischen Stimmen in Deutschland widerlegte Friedhelm Kaiser129 1939 die auf einer Tagung von Verlegern laut gewordene Behauptung, daß wir Ausländer übersetzen und in Deutschland verlegen müßten, weil die deutschen Autoren ausblieben oder qualitativ versagten. Kann das stimmen? Wir meinen: Nein! Man soll sie nur suchen! […] Wir fassen zusammen und begegnen noch einmal dem Einwand, der sich zunächst aufdrängt, der auch allen Gelüsten des Greuel-Geschreis am meisten entgegenkommt: der Furcht, als ob die F r ei h eit d e r G ei s t e r eingeschränkt werden sollte.130

Im Dritten Reich, so fasste Hellmuth Langenbucher 1941 lapidar zusammen, gibt es »keine Einengung der dichterischen Freiheit«.131 Die Tatsache, dass das demokratische Ausland und das diktatorische Deutschland mit unterschiedlichen Begriffen der Freiheit argumentierten, wurde in der NS-Presse ebenfalls reflektiert. »Aus der falschen Freiheit, tun zu dürfen, was wir möchten,« erklärte der Schriftsteller Wilhelm Schäfer 1942, »sind wir zur wahren Freiheit aufgerufen, tun zu wollen, was wir müssen. Das bedeutet für unsern Alltag, daß der Liberalismus vom Sozialismus überwunden ist.«132 Wie Schäfers Aussage mustergültig

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Payr: NSM 1937, S. 997. Kaiser war SS-Obersturmführer im persönlichen Stab von Himmler. Ab 1940 gab er die SS-Zeitschrift Die Weltliteratur heraus (vgl. u. a. Dietrich Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik. Bonn 1960, S. 334). Kaiser: NSB 3–4 (1939), S. 103f. H. Langenbucher: Volkhafte Dichtung der Zeit. Berlin 1941, S. 30. Ähnliche Behauptungen wurden für den Bereich der Kultur insgesamt, der Wissenschaft und der Presse aufgestellt. Im Hinblick auf die Wissenschaft widerlegte Rosenberg in den Nationalsozialistischen Monatsheften den »Vorwurf, den man unserer Bewegung im Auslande machte und zum Teil noch heute macht«, nämlich dass »die nationalsozialistische Bewegung […] die Freiheit der Wissenschaft zu knebeln« versuche: »Dieser Vorwurf gegen uns hat uns in diesen Jahren besonders geschmerzt, weil wir der inneren Überzeugung sind, daß wir nicht nur Wissenschaften nicht knebeln, sondern ganz im Geg[e]nteil, daß wir einer neuen Freiheit der Wissenschaft Bahn geschlagen haben. Die Rassenkunde unserer Zeit, sie ist eine neue Wissenschaft, und wenn andere Völker und Staaten diese Wissenschaft nicht zulassen wollen, dann zeigen sie nach unserer Anschauung bloß, daß sie kein inneres Recht besitzen, über ›Unfreiheit‹ bei uns zu sprechen.« (NSM 81 (1936), S. 1066–1075) In seiner pervertierten Bedeutung wurde der Begriff ›Freiheit‹ zu einem der »Lebensgrundrechte des deutschen Volkes« ([o.V.]: NSB 4 (1936), S. 18) deklariert: »Das Umdenken des Freiheitsbegriffes steht im Zentrum der nationalsozialistischen Erziehungsarbeit.« ([o.V.]: NSB 9 (1936), S. 10). Schäfer: EL 7 (1942), S. 10. Die Aussage stammt aus Schäfers Rede zum Weimarer Dichtertreffen 1942 [eigene Hervorhebung] (vgl. Hitlers Rede vor dem Parteitag im September 1936, der zufolge sich das Dritte Reich nicht die Freiheit an sich, sondern nur die individualistische Freiheit des liberalen Westens beseitige: »[D]er Aufbau der menschlichen Gesellschaft [ist] nur denkbar durch die Überwindung der persönlichen Freizügigkeit, d. h.

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demonstriert, wurde das nationalsozialistische Freiheitsverständnis im literarischen Bereich genauso wie in anderen Bereichen unverblümt mit Zwang verbunden. »Freiheit […] verpflichtet«,133 verkündete Bouhler auf der Kundgebung zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches in Weimar, und setze daher die weltanschauliche Gleichschaltung geradezu voraus: Das nationalsozialistische Deutschland benimmt […] niemandem die Freiheit des künstlerischen Schaffens, wenn es auch diesem Schaffen mit bestimmten Erwartungen gegenübersteht. Es erwartet nämlich als weltanschauliche Mindestleistung Loyalität, und wo nicht einmal dieses selbstverständliche Minimum an Haltung aufgebracht wird, da freilich sieht es sich außerstande, einem dichterischen Kunstwerk eine zusätzliche, amtliche Förderung und Unterstützung zu gewähren.134

Diese kulturellen Aufwertungsversuche der Diktatur wurden nicht durch das Qualitätsniveau der im Dritten Reich produzierten ›Dichtung‹ unterstützt. Während sich Literaturpolitiker wie Rosenberg und Bouhler um wenig mehr als die politische Zuverlässigkeit von Literatur kümmerten, wertete Goebbels diese niedrige literarische Qualität als Problem.135 Dabei sei gleich präzisiert, dass er ästhetische Qualität nicht als eigengesetzlichen Wert, sondern nur aus funktionalen Gründen für wichtig hielt. Der Minister erkannte einerseits den Bedarf an international angesehener Dichtung für die kulturelle Ausstrahlung der Diktatur, andererseits war er der Meinung, Propaganda gewinne an Wirksamkeit, wenn sie politische Zuverlässigkeit mit technischer und ästhetischer Qualität verbinde.136 Vor diesem Hintergrund äußerte sich Goebbels wiederholt skeptisch über viele der vom Regime geehrten und geförderten ›Dichter‹.137 Er war der Ansicht, ›nationalsozialistische Dichtung‹ sollte mehr als die

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zügellosen Freiheit zugunsten einer größeren gemeinsamen Bindung. Auch kulturell [muss] eine Generallinie gefunden werden, die die Schöpfungen der einzelnen von einer größeren Idee erfüllt sein läßt, die ihnen das zügellose Willkürliche rein privater Auffassungen nimmt und ihnen dafür die Züge einer gemeinsamen Weltanschauung verleiht.« (zitiert nach: Bouhler: NSB 11 (1937), S. IV). Bouhler: NSB 11 (1937), S. V. Payr: NSM 1937, S. 999. Auch von Seiten der Literaturwissenschaft wurde auf eine Verbesserung der ästhetischen Qualität gedrängt. Kindermanns Plädoyer etwa, dass sich ›echte‹ Dichtung im Bereich des »Stillen, Tieferen und notwendig Langsameren« entwickele und den »Dichtern« daher die »so nötige schöpferische Pause gegönnt« werden solle, bezog sich nicht nur auf die ideologische Reife, sondern auch auf literarische Qualität: »In dieser Selbstzucht des Wartenkönnens […] wird bei den Besten unter den Jungen gewiß auch die Erkenntnis wach werden, wieviel an Fundamental-Handwerklichem fehlt in der heutigen Dichtung der Jungen […]. […] [A]uch der genialste Baumeister muß wissen, wie ein einfaches Fundament zu legen ist und wie die zu verwendenden Materialien beschaffen sind, sonst bleiben alle seine Entwürfe Luftschlösser […].« (BK 5–6 (1942), S. 142). Vgl. Francis Courtade / Pierre Cadars: Geschichte des Films im Dritten Reich. München 1975, S. 8 (dazu auch: Manuel Köppen / Erhard Schütz: Kunst der Propaganda. Der Film im Dritten Reich. Frankfurt/M. 2007: »Propaganda und Kunst gerieten in Wechselverhältnisse: Kunst konnte Mittel der Propaganda werden, die selbst eine Kunst sein sollte« (Umschlagtext). Vgl. u. a. die Notizen vom 11.11.1937 und 29.6.1940. Am 28. Juni 1941 hieß es exemplarisch, dass »unsere Dichter versagen«.

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Dichtung nationalsozialistisch gesinnter Autoren und Inhalte sein, und zeigte sich für literarische Qualität zu wohl kalkulierten Zugeständnissen bereit.138 Der Feststellung Görings folgend, dass aus einem Künstler leichter ein anständiger Nationalsozialist zu machen sei als aus einem Parteimitglied ein großer Künstler,139 schrieb Goebbels in seinem Tagebuch zur »Aktivierung des Buches« für die antisemitische Propaganda:140 Es sollen [sic] eine Reihe von antisemitischen Romanen geschrieben werden, und zwar von maßgebenden Schriftstellern, wenn sie auch nicht so vorbehaltlos zum Nationalsozialismus stehen, wie etwa unsere Feld-, Wald- und Wiesendichter, die zwar in ihrer Gesinnung sehr tüchtig sind, aber nicht viel können.

Unter ›maßgebenden Schriftstellern‹ verstand Goebbels in erster Linie solche Autoren, die – ungeachtet ihres politischen Hintergrunds und ihrer ideologischen Gesinnung – die Durchschnittsqualität des Schrifttums der NS-Zeit übertrafen und vor 1933 erfolgreich gewesen waren. Als konkretes Beispiel erwähnte er Hans Fallada, der seit 1938 als ›unerwünschter Autor‹ galt und dessen Werk im Dritten Reich als »typische Erscheinung der Zersetzung« eingestuft wurde.141 Im April 1944 wurde Fallada tatsächlich ein Vorschuss von 1000 Reichsmark für einen antisemitischen Roman ausgezahlt, der – wahrscheinlich wegen des Zusammenbruchs des Dritten Reiches – nie veröffentlicht wurde.142 An diesem Fall zeigt sich auch deutlich der Gegensatz und Konkurrenzkampf zwischen dem kompromissbereiten Goebbels und dem dogmatischen Rosenberg,143 der weltanschauliche und politische Eignung ab-

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Die politische Zuverlässigkeit war neben der rassischen Eignung eine Voraussetzung, um der Reichsschrifttumskammer beitreten bzw. im Dritten Reich publizieren zu dürfen. Vgl. Spotts: Hitler, S. 175. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 29.5.1943 über seine Unterredung mit dem Leiter der Schrifttumsabteilung. Das folgende Zitat ist ebd. Hans Sarkowicz / Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biografisches Lexikon. Hamburg, Wien 2002, S. 162. Vgl. ebd., S. 163. Alfred Rosenberg (1893–1946) wird als der ›Chefideologe‹ des Dritten Reichs betrachtet. Er trat 1919 in die Deutsche Arbeiterpartei (später NSDAP) ein und nahm 1923 am HitlerPutsch teil. 1921 wurde er Chefredakteur (und 1938 Herausgeber) des Parteiblatts Völkischer Beobachter. 1928 war er einer der Gründer des Kampfbundes für deutsche Kultur, der in verschiedener Hinsicht als Schrittmacher für die nationalsozialistische Literaturpolitik gilt. 1930 erschien Rosenbergs Hauptwerk Der Mythus des 20. Jahrhunderts, eins der wenigen Programmschriften der NS-Herrschaft. 1934 wurde Rosenberg von Hitler als ›Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP‹ ernannt. Rosenberg wurde nach den Nürnberger Prozessen als »Urheber des Rassenhasses« hingerichtet. Für weitere Angaben zu seiner Person: Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe. München 2005; Reinhard Bollmus: Alfred Baungartt. In: Die Braune Elite. 22 biographische Skizzen. Bd. 1. Hg. von Ronald Smelser / Rainer Zitelmann. Darmstadt 1999, S. 223–235; Hermann Weiß (Hg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt/M. 1998, S. 384–386; Friedemann Bedürftig: Lexikon III. Reich. Hamburg 1994, S. 340f. Zum Gegensatz zwischen Rosenbergs Dogmatismus und Goebbels’ Pragmatismus vgl. insbes. Kapitel 3.4.2.1.

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solut setzte und Falladas Werk auf die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums setzen ließ. Ebenso symptomatisch für die Bedeutung, die Goebbels – wenigstens einem Mindestmaß an – ästhetischem Niveau beimaß, war seine Haltung zu Erich Kästner. Obwohl Kästners Bücher 1933 auf dem Scheiterhaufen brannten, der Autor aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen wurde, ein Publikationsverbot erhielt und zweimal von der Gestapo verhaftet wurde, wurden im Dritten Reich verschiedene von Kästners unter Pseudonym verfassten Bühnenstücken verfilmt. Vom Propagandaminister erhielt der Schriftsteller den Auftrag, ebenfalls unter Pseudonym das Drehbuch zum prestigeträchtigen UFA-Jubiläumsfilm Münchhausen zu schreiben, der auch im Ausland Aufsehen erregte.144 Die obligatorische Benutzung des Pseudonyms deutet darauf hin, dass es sich hier nicht um die propagandistische Förderung eines international anerkannten Autors handelte, sondern um einen Rekurs auf Kästners literarische Begabung.145 Diese ideologische Kompromissbereitschaft Goebbels’ wurde weder von Rosenberg noch von Hitler geschätzt. Als Hitler von der Sondergenehmigung erfuhr, erteilte er Kästner ein absolutes Schreibverbot, das diesmal auch für das Ausland gelten sollte.146 Trotz dieser Notlösungen wurde die nationalsozialistische Literaturführung bei der Suche nach literarischer Begabung bis zum Ende ihrer Herrschaft durch die Folgen ihrer Repressionspolitik behindert. Ein Großteil der international angesehenen und jungen talentvollen Autoren war ausgebürgert oder auf eigene Initiative vor der Schreckensherrschaft geflohen.147 Auch unter den in Deutschland zurückgebliebenen Schriftstellern von Rang zeigten sich viele nicht bereit, die ›nationalsozialistische Dichtung‹ zu schreiben, die dem Regime vor Augen schwebte. Schriftsteller wie Werner Bergengruen, Ricarda Huch, Ernst Jünger, Oskar Loerke, Reinhold Schneider, Frank Thiess und Ernst Wiechert zogen sich in die ›Innere Emigration‹ zurück.148

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Für Bühnenstücke benutzte Kästner das Pseudonym Eberhard Foerster, für den Film Münchhausen war es Berthold Bürger. Vgl. Oliver Rathkolbs Feststellung, dass Hochkultur »unter bewußter Mißachtung nationalsozialistischer Propagandapositionen« intensiv gefördert wurde (Führertreu und gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich. Wien 1991, S. 270). Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 9.12.1942: »Der Führer wendet sich über Bormann gegen die Beschäftigung der ehemaligen defaitistischen Literaten vom Schlage der Bronnen, Gläser [Richtig: Glaeser] und Kästner. Ich ordne an, daß sie im ganzen Kulturbereich nicht mehr beschäftigt werden.« Genannt seien stellvertretend für viele andere Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Hermann Broch, Elias Canetti, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Ödön von Horváth, Else LaskeSchüler, die Manns, Robert Musil, Erich Maria Remarque, Joseph Roth, Nelly Sachs, Anna Seghers, Isaac Bashevis Singer, Peter Weiss, Franz Werfel, Arnold Zweig und Stefan Zweig. Zur ›Inneren Emigration‹ vgl. u. a. Hermann Haarmann (Hg.): Heimat, liebe Heimat: Exil und Innere Emigration (1933–1945). Berlin 2004; Neil H. Donahue / Doris Kirchner (Hg.): Flight of Fantasy: New Perspectives on Inner Emigration in German Literature, 1933–1945. New York 2003; Ehrke-Rotermund / Rotermund: Zwischenreiche; Denk: Zensur; Claus Dieter Krohn (Hg.): Aspekte der künstlerischen inneren Emigration 1933–1945. München 1994; Ralf Schnell: Literarische Innere Emigration: 1933–1945. Stuttgart 1976.

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Begabte junge Autoren wie Emil Barth, Johannes Bobrowski, Peter Huchel, Wolfgang Koeppen, Karl Krolow, Horst Lange, Wolf von Niebelschütz und Eugen Gottlob Winkler bemühten sich um eine ›nichtnationalsozialistische‹ Literatur.149 Auf regimekonformer Seite erwies sich die geforderte Kombination von »Gesetzen des Blutes und nationalen Geistes« und »künstlerischer Höhe« ebenfalls wenig erfolgreich.150 Von der so genannten jungen Mannschaft, die sich vorbehaltlos in den Dienst des Regimes stellte – genannt seien Heinrich Anacker (geb. 1901), Hans Baumann (geb. 1914), Herbert Böhme (geb. 1907), Kurt Eggers (geb. 1905), Johannes Linke (geb. 1900), Herybert Menzel (geb. 1906), Eberhard Wolfgang Möller (geb. 1901), Gerhard Schumann (geb. 1911) und Josef Weinheber (geb. 1892) – brachten nur die wenigsten literarische Qualität hervor. Trotz Goebbels’ Beharren auf Qualität wurde der Dichterbegriff weiterhin inflationär benutzt, um den tatsächlichen Mangel zu überspielen. Als ›nationalsozialistische Dichter‹ galten vor allem solche Autoren, die ihre propagandistische Schriftstellertätigkeit mit einem politischen Amt kombinierten. Baumann z. B. war Referent für Auslandsdeutsche Kulturarbeit in der Reichsjugendführung, Eggers war in der Abteilung Feiergestaltung im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS tätig, Möller war Reichskultursenator und Theaterreferent im Propagandaministerium und Schumann hatte verschiedene Funktionen in der Reichsschrifttumskammer inne. Wie unstet dieser Dichterruhm außerdem sein konnte, zeigt besonders Möllers Karriere, der in den Sog der literaturpolitischen Meinungsunterschiede und Abgrenzungsversuche geriet. Möller wurde von Goebbels als »wahres Sprachgenie, von einer plastischen Ausdruckskraft ohne Gleichen«151 betrachtet und mit dem Nationalen Buchpreis und Staatspreis für Literatur ausgezeichnet. Ihm wurde das Modellstück der ThingspielBewegung152 anvertraut und er erhielt den Auftrag, die Drehbücher der antisemitischen Filme Jud Süß und Die Rothschilds zu verfassen. Baldur von Schirach gab bei Möller eine Hitler-Biographie in Auftrag, von Bouhler und Himmler wurde er protegiert. Rosenberg hingegen hielt den Autor für ›ideologisch unzuverlässig‹ und setzte durch, dass sein Drama Der Untergang Karthagos aus den Spielplänen gestrichen und das Buch Der Führer u. a. wegen »Verkitschung des großen Kampfes«153 aus dem Vertrieb genommen wurde. Absichtlich oder unabsichtlich verbreitete die Rosenbergstelle in ihren Kurzinformationen für die Hauptämter und Ämter im Sep-

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Vgl. Denkler: Werkruine; Denk: Zensur; Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 7–54 (vgl. Kapitel 3.1.1.). Hohlbaum: BK 1937, S. 351. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 15. April 1936. Das Frankenburger Würfelspiel wurde bei den Olympischen Spielen 1936 zur Demonstrierung der deutschen Kultur uraufgeführt. Goebbels nannte das Stück in seinem Tagebuch »[d]ramatisch stark und dichterisch geballt« (20.1.1937). Möller erregte mit diesem Stück im Ausland »erstaunlich viel Zustimmung« (vgl. Gerd Simon: Hitlers Hofdichter. Aufstieg und Fall des NS-Dichters Möller. o.J. (30.4.2008); zum Thingspiel vgl. auch Seite 18, Fußnote 12). Sarkowicz / Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland, S. 314.

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tember 1944 die Fehlinformation, der junge Dichter Eberhard Wolfgang Möller sei bei den Kämpfen im Westen als SS-Kriegsberichter gefallen.154 Durch den fortwährenden Mangel bei gleichzeitigem Bedarf an literarisch hoch stehender Dichtung waren die Lenkungsinstanzen nahezu gezwungen, des kulturellen Ansehens halber auf literarische Werke aus der Zeit vor 1933 zurückzugreifen: vom mittelalterlichen Nibelungenlied über die Dichtung der Weimarer Klassiker155 und der Realisten156 bis hin zur völkisch orientierten Dichtung namhafter Autoren, die den Großteil ihrer schriftstellerischen Karriere zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtergreifung bereits hinter sich hatten.157 Aus funktional-repräsentativen Gründen nahmen sie die oft mühsame ideologische Aneignung dieser Werke in Kauf. Signifikant ist in dieser Hinsicht die strategische Duldung, gegebenenfalls sogar Berufung literarischer Persönlichkeiten aufgrund ihrer internationalen Ausstrahlung. Hermann Hesse z. B. wurde ab Mitte 1937 trotz seiner ausdrücklichen Distanzierung vom Regime auf Anordnung von Goebbels »aus verschiedenen Gründen, insbesondere aus solchen außenpropagandistischer Art« von Angriffen verschont und konnte mit Billigung des Regimes einen Teil seiner Bücher im Reich verbreiten.158 Dem langjährigen Erfolgsautor des Insel-Verlages Hans Carossa wurde die Funktion des Präsidenten der neutral getarnten Europäischen Schriftsteller-Vereinigung159 aufgezwungen, der sich der Autor durch Nichterscheinen auf den Jahrestreffen entzog.160 Symptomatisch ist hier ebenfalls die Tatsache, dass einige abgelehnte Autoren mit Einverständnis der Lenkungsinstanzen weiter publizieren konnten.161 Dass diese Realität nicht nur auf die Lückenhaftigkeit der Zensurmaßnahmen zurückgeführt werden kann, sondern dahinter durchaus auch strategisches Kalkül stehen konnte, belegt eine programmatische Aussage im vertraulichen Lektoren-Brief über die nationalsozialistische Schrifttumspolitik. Der Verfasser war Peter von Werder, zu dem Zeitpunkt Leiter des Zentrallektorats im Amt Schrifttumspflege: Aus guten innen- wie außenpolitischen Gründen wurde, soweit es anging, der Eindruck vermieden, als ob der Freiheit des geistig schaffenden Menschen in Deutschland durch den Nationalsozialismus unerträgliche Ketten angelegt würden. So war es denn auch nur natürlich, daß bei solchem aus allgemeinen Erwägungen bestimmten Vorgehen eine ganze Anzahl von Verlagen und Autoren noch weiterarbeiten konnte, die keineswegs im Besitz der erforderlichen Einstellung politischer wie künstlerischer oder allgemein philosophi-

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BArch NS 15/72 (zitiert nach: Simon: Hitlers Hofdichter). Vgl. Kapitel 1.1.1. U.a. Friedrich Hebbel, Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Wilhelm Raabe, Adalbert Stifter und Theodor Storm. U.a. Emil Strauß, Paul Ernst, Hermann Löns, Guido Erwin Kolbenheyer, Wilhelm Schäfer, Hans Grimm, Börries von Münchhausen und Edwin Erich Dwinger. Schreiben des Propagandaministers an den Präsidenten der Reichsschrifttumskammer vom 11. Mai 1937. In: Sebastian Graeb-Könneker (Hg.): Literatur im Dritten Reich. Stuttgart 2001, S. 123f. Zur Europäischen Schriftsteller-Vereinigung vgl. Seite 33, Fußnote 74. Vgl. Frank-Rutger Hausmann: ›Dichte, Dichter, tage nicht!‹ Die Europäische SchriftstellerVereinigung in Weimar 1941–1948. Frankfurt/M. 1948, S. 49–59. Vgl. Sarkowicz / Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland.

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scher Art waren. Der innere und äußere Aufstieg des Reiches war ja auch stark genug, um eine Arbeit dieser Buchschaffenden gleichsam außerhalb unserer Weltanschauung großzügig dulden zu können.162

Auch in anderen Bereichen ließ Goebbels international renommierte Künstler trotz wiederholter Klagen über deren ›politische Charakterlosigkeit‹163 unbehelligt. Über die Dirigenten Furtwängler und Karajan schrieb er am 13. Juli 1943: »Man darf sie nicht vom politischen Standpunkt aus bewerten; sie sind wie die Kinder, und nur auf ihrem Gebiet, der Musik, leisten sie Außerordentliches.« Allgemeiner hieß es einen Monat später: Ich bin mir seit je darüber klar gewesen, daß wir im deutschen Kunstleben nicht auf fanatische Anhänger rechnen dürfen. Die Künstler sind eben unpolitisch; sie treten weder für noch gegen den Staat ein; am liebsten möchten sie vom Staat in Ruhe gelassen werden und nur seine Gelder und seine großen Aufträge einstreichen.164

Am 23. September 1943 betonte Goebbels diese strategisch duldende Haltung im Hinblick auf den Bereich des Films, wobei er gleich auch auf ihre Grenzen verwies; Grenzen, die ebenfalls für den ›politikfreien Raum‹165 der Unterhaltung galten: Was die Darsteller beim Film anlangt, so billigt der Führer meine Tendenz, nicht allzu streng auch in politischen Dingen vorzugehen; allerdings, Staatsfeindschaft und Kriegsfeindschaft dürfe nirgendwo geduldet werden. Andererseits ist es jedoch gut, wenn man hier etwas großzügig verfährt. Künstler dürfen auf politischem Gebiet nicht ernst genommen werden.

3.2.2.2. Thematische ›Wirklichkeitsnähe‹ Dass es eine ›spezifisch nationalsozialistische Dichtung‹ nach Ansicht prominenter NS-Literaturfunktionäre so gut wie nicht gegeben hat, deutet darauf hin, dass mit diesem Ausdruck nicht die bereits vorhandene völkisch-nationale Literatur166 aus der Zeit vor 1933 gemeint war. Zwar wurden Romane wie Adolf Bartels’ Die Dithmar-

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[von Werder]: LB 3 (1943), S. 6. Vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 5.7.1935. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 14.8.1943. Vgl. Kapitel 3.4.4. Zum Begriff ›völkisch-national(-konservativ)‹ vgl. Ketelsen: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literatur; Vondung: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literaturtheorie. Unter dem Sammelbegriff werden literarische Gruppierungen subsumiert, die trotz divergierender Interessen und Zielsetzungen völkische und nationalistische Ideologeme teilen. Ketelsen und Vondung unterstreichen beide die Bedeutung dieser völkischnationalen Bewegungen als »das ideologische Reservoir, aus dem der Nationalsozialismus den größten Teil seiner Weltanschauung schöpfte« (Vondung: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literaturtheorie, S. 10f.). Gleichzeitig weisen sie auf die Notwendigkeit einer Abgrenzung der völkisch-nationalen und der nationalsozialistischen Literatur hin, weil »sich im Nationalsozialismus völkisch-nationale Ideologeme politisch wie ideologisch zur Macht- und Rasse-Dogmatik Hitlers verschärften und da andererseits verschiedene völkisch-nationale Gruppen politische Gegner des Nationalsozialismus waren« (ebd.).

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scher (1898), Hans Friedrich Bluncks Urvätersage (1925–1928), Hermann Burtes Wiltfeber, der ewige Deutsche (1912), Gustav Frenssens Jörn Uhl (1901), Hans Grimms Volk ohne Raum (1926), Erwin Guido Kolbenheyers Paracelsus-Trilogie (1917–1926) oder Hermann Löns’ Der Wehrwolf (1910) als »volkhafte Dichtung«167 gefeiert und ihre Berührungspunkte mit dem nationalsozialistischen Gedankengut168 und »mit dem gegenwärtigen Leben unseres Volkes«169 betont. Dennoch wurde bemängelt, dass dieser Literatur der direkte Bezug zum Nationalsozialismus fehlte. Eine semantische Gleichsetzung der Ausdrücke ›volkhafte Dichtung‹ und ›nationalsozialistische Dichtung‹ war daher umstritten. So warnte etwa der Vorsitzende des Staatlichen Prüfungsamtes für das Büchereiwesen Heinz Dähnhardt,170 die »volkhafte Dichtung« könne »geradezu zu einer Gefahr« werden, wenn sie den Anspruch erhebt oder ihr der Anspruch beigemessen wird, daß sie das heutige Schicksal und das künftige Werden unseres Volkes in seiner Ganzheit hinreichend deute und damit nationalsozialistische Dichtung schlechthin sei. Das trifft nicht zu. Ihre im wesentlichen konservativ bewahrende Tendenz befähigt sie zwar, die der nationalsozialistischen Bewegung ebenfalls eigenen bewahrenden Züge des Lebens herauszuarbeiten und am Bilde der Dichtung allen sichtbar zu machen, sie wird aber der revolutionär umgestaltenden Kraft der Bewegung nicht voll gerecht.171

Ein völkisch-nationaler Autor wie Hermann Stehr wurde dementsprechend nicht als ›nationalsozialistischer‹, sondern vorzugsweise als ›deutscher Dichter‹ charakterisiert. In der Zeitung Das Reich wurde diese Bezeichnung wenige Tage nach Stehrs Tod subversiv aufgegriffen. Abschätzig anspielend auf die nationalsozialistische Dichtergeneration teilte die Wochenzeitung am 15. September 1940 mit: »Mit Stehr ist einer der letzten deutschen Dichter heimgegangen«.172 Sollte die ältere Dichtung die Kontinuität mit Deutschlands großer Vergangenheit hervorheben und die ›volkhafte Dichtung‹ eine enge, auch rassisch bedingte Verbindung zwischen Dichtung und Volk demonstrieren, so sollte die ›neue nationalsozialistische Dichtung‹ den nationalsozialistischen Umbruch symbolisieren, wie das obige Zitat von Dähnhardt exemplarisch belegt. Dieses Gebot konkretisierte sich im

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Vgl. Hellmuth Langenbucher: »Wir bezeichnen als volkhafte Dichtung jede dichterische Aussage, die im Lebensraum des deutschen Volkes steht, die aus seiner Wirklichkeit, aus dem Grunde seines Wesens, aus seinem Schicksal wächst. Freilich ist es mit dem Suchen einer oberflächlichen Beziehung nicht getan; die tiefere innere Verbindung des Dichters mit dem Leben seines Volkes ist eine selbstverständliche Voraussetzung, und das wieder bedeutet, daß nur Menschen unseres Blutes Künder unseres Wesens, Gestalter unseres Schicksals, Bildner unseres Seins zu werden vermögen.« (Volkhafte Dichtung, S. 39). Diese Literatur wurde durch Antimodernismus, Ablehnung der Industrialisierung, Antiintellektualismus, Antinaturalismus, Antikapitalismus, Provinzialismus, Traditionalismus und Antisemitismus gekennzeichnet. So etwa in Hellmuth Langenbuchers Publikation Die deutsche Gegenwartsdichtung. Eine Einführung in das volkhafte Schrifttum unserer Zeit (Berlin 1939, S. 27). Vgl. Dietmar Albrecht: John Heinrich Otto Viktor Dähnhardt. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Bd. 8. Neumünster 1987, S. 81–84. Dähnhardt: BK 1941, S. 230. Scholtis: Das Reich (15.9.1940).

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Kriterium der Zeitnähe, die drei unterschiedliche Bedeutungen hatte: Einmal stellte sie eine Forderung an die Literaturkritik dar, neuere wie ältere, deutsche wie ausländische Literatur mit Blick auf das Dritte Reich zu interpretieren. Dieser Erwartung entsprechend wurde z. B. Charles de Costers Tyll Ulenspiegel (ein Buch von 1867, das das Regime als Beleg für die welsche Unterdrückung der Flamen gebrauchte) in der Bücherkunde als »so gegenwartsnah[ ]« beschrieben, »daß man glauben könnte, es wäre eigens als Kampfruf für unsere Zeit geschrieben«:173 Denn den Kern dieses Buches bilden nicht die losen Streiche Tylls, sondern der Freiheitskampf der Vlamen ist es, der Kampf um die Befreiung von den schmachvollen Joch der Fremdherrschaft, der in packenden, blutvollen Bildern vor uns abrollt.

Auf ähnliche Weise wurde von der älteren deutschen Dichtung all das als zeitgenössisch relevant dargestellt, was sich auch nur einigermaßen aktualisieren ließ: [Wir weisen] auf die große Vergangenheit deutscher Dichtung, die in ihren Größen Gegenwart ist. Wir wollen nicht einen Goethe um einen Arndt verwerfen, wir wollen auch nicht einen Novalis für einen Hebbel drangeben, wir wollen überhaupt nichts, was aus deutschen Geist geboren ist und nicht geradezu stracks zuwiderläuft dem was wir wollen, auf den Schutthaufen der Geschichte werfen, sondern wir wollen es alles prüfen, was davon noch einer Zukunft dienen kann, und das wollen wir dem künftigen Geistleib Deutschlands einbehalten, ausschneiden nur, was nicht mehr nährt.174

Die zweite Bedeutung der Zeitnähe richtete sich ganz allgemein an den Schriftsteller und forderte ihn auf, die Wirklichkeit realistisch, das heißt: mit »einem kräftigen Wirklichkeitssinn«,175 auf »wirklichkeitsbetonte[ ] Weise«,176 »ohne jedes romantische, wirklichkeitsfremde Beiwerk«,177 »wie sie wirklich war«178 und »mit wirklichkeitsnahen Augen«179 darzustellen. Diese Forderung schrieb der Literatur einen realistischen Schreibstil vor, der Identifikation ermöglichte und Authentizität suggerierte. Die dritte, besonders für die vom Regime angestrebte ›spezifisch nationalsozialistische Dichtung‹ relevante Bedeutung bezog sich auf die Verarbeitung von Gegenwartsthemen. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht Hellmuth Langenbuchers Aufsatz über die Buchproduktion des Jahres 1938, der weniger das bis dahin Erreichte als vielmehr eine endlose Liste von ›neuen‹ Realitäten (›unser neues Lebensgefühl‹, das ›neue Soldatentum‹, das ›neue Führertum‹, die ›neue Volksgemeinschaft‹, die ›heutige Lebenswirklichkeit des Arbeiters‹) aufführte, die der dichterischen Bearbeitung harrten. Ein längeres Zitat soll einen repräsentativen Einblick in die Liste verschaffen: Es fehlt weiterhin die dichterische Gestaltung des deutschen Ne ub a u e r nt u m s , eines Stoffes, der natürlich aufs engste mit dem Problem der Siedlung zusammenhängt. […]

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[o.V.]: BK 1936, S. 202. Das folgende Zitat ist ebd. Paulsen: BDB 82 (6.4.1935), S. 286. Peuckert: BK 1936, S. 345. [o.V.]: BK 1938, S. 374. 7625: BK 1937, S. 240. Grothe: BK 1937, S. 505. [o.V.]: BK 1936, S. 60.

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Es fehlt weiterhin neben der Gestaltung des Kriegserlebnisses die Gestaltung des neuen S old a t e nt u m s , das sich aus der Reichswehr heraus zum neuen deutschen Volksheer entwickelte. Der Wehrgedanke, der Volksheergedanke, das Volk als Wehrgemeinschaft: dies und noch vieles andere wäre wert, dichterisch durchleuchtet zu werden. Es fehlt an Gestaltungen des neuen F ü h r e r t u m s , wie es im Nationalsozialismus seinen Ausdruck findet. Es fehlt an guten Dichtungen, die im Sinne unseres neuen L eb e n sgef ü h l s nachhaltig und erzieherisch wirken […]. Es fehlt an Dichtungen, in denen das Wesen der neuen Volksgemeinschaft gestaltet wird. […] Es fehlt die gute »K r a f t- d u r ch - F r e u d e«-D icht u ng […]. Es fehlt der gute A r b eit e r- Ro m a n , und zwar als Gestaltung der heutigen Lebenswirklichkeit des Arbeiters und der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, ohne die unechte Sentimentalität, an der Versuche auf diesem Gebiet kranken. Das Erlebnis der A r b eit slo sig keit und ihrer Überwindung, das doch so tief in das Leben des deutschen Volkes eingegriffen hat, dürfte ruhig auch einmal dichterisch gestaltet werden. Auch die Lebensführung und die Stellung des gei s t ige n A r b eit e r s im Leben des Volkes sollte zur dichterischen Gestaltung doch eigentlich reizen, wobei einmal ernst gemacht werden dürfte mit der Tatsache, daß auch der geistige Arbeiter heute in seiner Bedeutung als A r b eit e r anerkannt und gesehen wird. […] daneben steht weiterhin sogar noch eine Reihe von Stoffgebieten, über die überhaupt noch keine nennenswerten Arbeiten vorliegen, und mit denen sich unsere […] Dichter ruhig befassen dürften. […] [D]er p ol it i s ch e Roman, der dichterisch überzeugend ist, […] fehlt fast noch so gut wie ganz.180

Die vom Dichter zu behandelnden ›neuen‹ Realitäten waren oft bestehende Realitäten, die in der Dichtung nationalsozialistisch überformt werden sollten. Der Aufruf in der Bücherkunde zur »dichterischen Gestaltung der Großstadt«181 z. B. demonstriert, dass die durch die nationalsozialistische Weltanschauung diffamierte Realität der Großstadt durchaus als eine »notwendige und unentbehrliche menschliche Daseinsform«182 erkannt wurde und daher auf irgendeine Weise in den nationalsozialistischen Denkrahmen eingepasst werden musste: Die Zeit für den deutschen Großstadtroman reift […] sicher heran. Noch leben wir im Übergang, wir sind aber gewiß, daß einer neuen Generation die Sprache verliehen sein wird, ihn zu schreiben und daß die deutsche Großstadt, die ihre Architekten und Bildhauer bereits fand, auch ihre Dichter und Erzähler erhalten wird.183

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H. Langenbucher: BK 1939, S. 188f. Wdr.: BK 1941, S. 225. Zur Haltung des Nationalsozialismus zur Modernität vgl. Kapitel 3.1.1. Dähnhardt: BK 1941, S. 228. Ebd., S. 231. Diese Aussagen sind Teil einer Debatte über die Eignung der Großstadt als Thema für die Dichtung, bei der diametral entgegengesetzte Positionen vertreten wurden. Die Diskussion kann als ein Kampf zwischen den Anhängern einer rückwärtsgewandten, antimodernen Doktrin und den Befürwortern der so genannten ›autochthonen Modernität‹ aufgefasst werden, der sich vielfach mit dem Gegensatz zwischen Rosenberg und Goebbels deckte.

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Um Schriftsteller zur Bearbeitung der gewünschten zeitgenössischen Themen zu veranlassen, wurden staatlich und regional organisierte Preisausschreiben für zeitnahes Schrifttum organisiert. 1940 unternahm der Völkische Beobachter den exemplarischen Versuch, »die im Volke ruhenden[,] zu schöpferischer und dichterischer Gestaltung fähigen Kräfte« auf die Aufgabe hin zu lenken, zeitnahe Romane zu schreiben (vgl. Abbildung 30). Das mit literaturpolitischer Prominenz besetzte Preisgericht184 gab folgenden Aufruf heraus: Das Geschehen unserer Tage, das in der aktuellen Berichterstattung zwar seinen Niederschlag findet, ist so gewaltig in seiner aufbauenden und formenden Kraft, daß es uns die Verpflichtung auferlegt, auch Zeitdokumente deutschen Schrifttums zu schaffen, die einst vom Erleben unserer Zeit und vom Denken und Kämpfen unserer Menschen sprechen können.185

Bei aller Betonung der Zeitnähe zeigt sich auch in diesem Zusammenhang die Scheu der Propaganda-Instanzen vor einer allzu plakativen Reproduktion der neuen Realitäten und Ideologie. In seiner Liste von Desideraten betonte Langenbucher 1939 wiederholt, gute Dichtung sollte »nachhaltig und erzieherisch wirken, ohne daß dieses erzieherische Moment irgendwie aufdringlich als Tendenz in Erscheinung träte« und der politische Roman sollte »dichterisch überzeugend« sein, »ohne daß er mit der politischen Begriffssprache arbeitet«.186 Der Aufruf zum Wettbewerb im Völkischen Beobachter warnte ausdrücklich, es sollte »kein Tendenzroman, kein Propagandawerk für irgendeine der nationalsozialistischen Einrichtungen geschaffen werden, sondern ein zeitnaher Stoff […] im großen Zeitroman Form und Gestalt finden«. Anstelle der häufig, wenn auch nicht immer negativ konnotierten ›Tendenz‹ wurde zur »Durchsetzung unserer Weltanschauung« ein Roman gewünscht, der weniger die Faktizität als den Geist des Nationalsozialismus wiederzugeben vermöge: Viele Teilgebiete unseres Volkslebens, wie: Bewegung, Wehrmacht, militärische und industrielle Aufrüstung, Kolonialproblem, Rohstoffrage, Betriebstreue und Betriebskameradschaft, Sport, Kunst oder Landflucht können entweder Hintergrund oder Wesensbestandteil des Werkes sein. Immer aber soll der Kampf der Geister um die Gestaltung eines neuen Weltbildes das treibende Element der Darstellung bleiben.187

Analog dazu wurde im Plädoyer für den nationalsozialistischen Großstadtroman in der Bücherkunde präzisiert, er müsse den »Geist des neuen Deutschland spürbar« machen: »nicht als billige, ach, nur allzu billige ›Konjunktur‹, aufgesetzt mit einem halben Lächeln, das uns anekelt, sondern eben als Substanz der Luft, die geatmet

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In der Jury saßen Amann als Inhaber des Parteiverlages der NSDAP, Rosenberg als ›Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP‹, Hans Hagemeyer als Leiter des Amtes Schrifttumspflege, Wilhelm Weiß als Hauptschriftleiter des Völkischen Beobachters, Hanns Johst als Präsident und Wilhelm Baur als Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer. Vgl. den Aufruf Roman-Preisausschreiben des »Völkischen Beobachter«, der wahrscheinlich als Faltblatt der Zeitung beigegeben wurde. H. Langenbucher: BK 1939, S. 189 [eigene Hervorhebung]. Vgl. den Aufruf Roman-Preisausschreiben des »Völkischen Beobachter«.

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Abb. 30

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wird, als selbstverständlicher Lebensinhalt.«188 Diesen systematischen Ergänzungen lag sowohl die massenpsychologische Erkenntnis zugrunde, dass eine plakative Propaganda eine geringe propagandistische Wirksamkeit versprach, als auch die Befürchtung einer nur fingierten Anpassung an die nationalsozialistische Ideologie. Typisch ist hier der Rekurs auf das lebensnotwendige Ein- und Ausatmen, um die subtilere, aber gleichzeitig auch totalere Variante der Indoktrinierung zu legitimieren, durch die die NS-Ideologie so unbemerkt, natürlich und selbstverständlich vermittelt und aufgenommen werden sollte.189 Ein zweiter Versuch, die Dichter zur Bearbeitung zeitnaher Themen zu bringen, beruhte darin, sie physisch »noch mehr dem Zeitgeschehen zu verbinden«.190 1935 wurde »eine Reihe bekannter Dichter« zu einer KdF-Schiffsfahrt nach Norwegen eingeladen, um »als Gäste des Amtes für Reisen, Wandern und Urlaub die neue Welt der Kraft durch Freude-Fahrten kennen[zu]lernen«.191 In den Expansionsjahren schickte die Schrifttumsabteilung deutsche Schriftsteller in die ›neuen Reichsgebiete‹; nach Kriegsbeginn wurden sie an die Front im Westen und in den besetzten Osten geführt.192 Im Juli 1940 z. B. besuchte ein ausgewählter Kreis von »14 bekannte[n] Persönlichkeiten der deutschen Gegenwartsdichtung«193 in Begleitung von Vertretern des Propagandaministeriums und der Wehrmacht die Maginotlinie und die Schlachtfelder in Nordfrankreich und Flandern (vgl. Abbildung 31). Otto Henning, Leiter des

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Heilbronn: BK 1941, S. 138 [eigene Hervorhebung]. Die Metapher des Ein- und Ausatmens war eine beliebte rhetorische Figur, um entweder einen Propaganda-Inhalt als selbstverständlich darzustellen (vgl. Seiten 83 und 126) oder, wie hier, die Notwendigkeit einer unauffällig geführten Propaganda zu erklären (vgl. Seite 293) (vgl. auch Goebbels’ Rede bei der ersten Jahrestagung der Reichsfilmkammer am 5.3.1937 in der Berliner Krolloper: »Im allgemeinen pflegt man von den Dingen, die lebensnotwendig sind, deshalb nicht viel zu reden, weil sie in ihrer Lebensnotwendigkeit selbstverständlich sind. Wir pflegen beispielsweise nicht von der Luft zu sprechen, die wir ein- und ausatmen, obwohl wir nicht zwei Minuten ohne Luft leben können. Sie ist für uns selbstverständlich, und man hält es für überflüssig, darüber zu reden, sie ist da, sie umgibt uns, sie ist ein Element unseres Lebens. Der Nationalsozialismus ist auf dem Gebiet der Haltung sowie des seelischen und geistigen Charakters der Nation ungefähr das, was die Luft für die menschlichen Atmungsorgane darstellt. Wir atmen ihn ein und atmen ihn aus. Wir leben in seiner Atmosphäre.«, zitiert nach: Gerd Albrecht: Nationalsozialistische Filmpolitik. Stuttgart 1969, S. 456). Vgl. [o.V.]: BK 1939, S. 437. Streiter: BDB 200 (29.8.1935), S. 703. In diesem Aufsatz werden als Passagiere »der große Schweizer Dichter Jakob Schaffner«, »Friedrich Lindemann, der junge Bremer Dichter«, »Max Barthel, der Berliner Arbeiterdichter« und »Karl Aloys Schenzinger, der Dichter des ›Hitlerjungen Quex‹« genannt. Vgl. u. a. [o.V.]: DNL 9 (1940), S. 208ff. u. 223; für Böhmen-Mähren vgl. [o.V.]: BK 1939, S. 437–438. Henning, BDB 191 (17.8.1940), S. 289–291. »Es nahmen teil: Hans Friedrich Blunck, Bruno Brehm, Karl Bröger, Hermann Burte, Hermann Eris Busse, Friedrich Griese, Fritz Helke, Hanns Johst, Kurt Kluge, Erwin Guido Kolbenheyer, Wilhelm Pleyer, Friedrich Schnack, Hans Watzlick, Erwin Wittstock, als Reisebegleiter von Seiten des Reichsministeriums für V. und P. Dr. Erckmann und Dr. Henning, und von Seiten des Oberkommandos der Wehrmacht Leutnant Siegmund [sic] Graff.«

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Abb. 31: »Ein gefangener französischer Oberleutnant erklärt die technischen Einrichtungen des Werkes Hochwald der Maginotlinie. Unter den Zuhörern sind Bruno Brehm, Rudolf Erckmann, Erwin Guido Kolbenheyer, Friedrich Griese, Hanns Johst und Hans Friedrich Blunck.«

Vortragsamtes im Werbe- und Beratungsamt für das deutsche Schrifttum nahm teil und berichtete nach Abschluss im Börsenblatt: Es ist wohl einmalig in der Geschichte unseres Volkes und unserer Kultur, daß vom Staat und der Wehrmacht Dichtern die Möglichkeit gegeben wurde, nur ganz kurze Zeit nach dem Abschluß der Kampfhandlungen die Kampfstätten zu besichtigen, auf denen sich das Schicksal eines Volkes für Jahrhunderte entschieden hat. […] Sinn und Zweck dieser Dichterfahrt war, deutsche Dichter unmittelbar Zeugen dieses einzigartigen Heldenkampfes unserer Truppen im Westen werden zu lassen, damit sie diesem größten Kriegsgeschehen aller Zeiten vielleicht später einmal in der einen oder anderen dichterischen Form unvergänglichen Ausdruck geben.194

Diese so genannten Dichterfahrten, die nur einzelne Tagebücher,195 Erlebnisberichte und Gedichte hervorbrachten, verloren in den letzten Kriegsjahren nicht nur durch die eingeschränkte Mobilität, sondern auch durch das Ende der deutschen Siegeszüge an Bedeutung. Offensichtlich sollte nur eine Wirklichkeit gezeigt werden, die mit den

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Henning: BDB 191 (17.8.1940), S. 289. U.a. Wilhelm Pleyer: Dichterfahrt durch Kampfgebiete. Ein Tagebuch. Karlsbad, Leipzig 1942.

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Ambitionen des Regimes kompatibel war. Wurde die Kluft zwischen beiden zu tief, so geriet auch das gesamte Projekt der ›nationalsozialistischen Dichtung‹ in Gefahr. Ein Musterbeispiel bietet in diesem Zusammenhang die nie fertig gestellte »Saga des germanischen Volkes«,196 die SS-Gruppenführer Himmler bei seinem engen Freund Hanns Johst in Auftrag gab.197 Als Präsident der Reichsschrifttumskammer trat Johst dezidiert für die Praxis ein, Schriftsteller unmittelbar nach den Kampfhandlungen über die Schlachtfelder zu führen und von erprobten Männern der Front über »die wahre Wirklichkeit der getroffenen Entscheidungen« aufklären zu lassen, »damit ja keine falsche, verblasene, hohl-pathetische Geschichtsschreibung, keine ästhetisch verkrampfte Anschauung von dieser heilig ernsten Stätte ihren Ausgang nehmen soll.«198 Für seine eigene Chronik der »nationalsozialistischen Missionierung des Ostens«199 begleitete er Himmler auf dessen Dienstreisen in den besetzten Osten, wo er Einblick in die praktische Arbeit des deutschen Eroberungs- und Kolonisierungszuges erhielt.200 Dass die SS-Saga diese Aktivitäten literarisch popularisieren und deuten sollte, ist ein perverses Beispiel dafür, dass die Deportationen, Umsiedlungsaktionen und Erschießungen, denen Johst beiwohnte, im Dritten Reich als literarisch taugliche Themen und damit als Teil einer dichterischen Wirklichkeit anerkannt wurde, die in die Zukunft weise.201 Gleichzeitig deutet das Beispiel der Saga auch auf die Grenzen des Gebots der Zeitnähe. Laut Rolf Düsterbergs Johst-Biographie kam

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Heinrich Himmler (zitiert nach: Düsterberg: Hanns Johst, S. 305). Johst (1890–1978) war in den 1920er Jahren einer der bekanntesten und in ganz Deutschland gespielten Dramatiker und galt vielen als einer der »hervorragendsten Vertreter der jungen Dichtergeneration« (vgl. Rolf Düsterberg: ›Mein Reichsführer, lieber Heini Himmler!‹ In: Die Zeit, 11.3.2004). Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges wandte er sich dem völkisch-nationalen, antidemokratischen Lager zu und trat als eines der ersten Mitglieder dem 1928 von Rosenberg gegründeten Kampfbund für deutsche Kultur bei. Durch sein »extrem ideologisches Denken«, sein »ausgeprägtes künstlerisches Sendungsbewusstsein« und seine grenzenlose Anpassungsfähigkeit avancierte er im Dritten Reich zum hochgelobten NS-Dichter und -Kulturfunktionär (Düsterberg: Hanns Johst, S. 13). Zwischen 1933 und 1945 erhielt er verschiedene Preise und bekleidete mehrere Ämter. Er war u. a. Präsident der Sektion für Dichtkunst an der Preußischen Akademie der Künste, Mitglied des Präsidialrates der Reichskulturkammer, Chefdramaturg des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt in Berlin, Präsident der Union Nationaler Schriftsteller, Preußischer Staatsrat, SS-Gruppenführer und Mitglied des Stabes des SS-Reichsführers Himmler. Sein 1932 entstandenes, frankreichfeindliches Drama Schlageter – das nach dem nationalsozialistischen Märtyrer Albert Leo Schlageter benannt und »Adolf Hitler in liebender Verehrung und unwandelbarer Treue« gewidmet wurde – wurde zum Kultdrama des Nationalsozialismus. 1935 wurde Johst Nachfolger von Hans Friedrich Blunck als Präsident der Reichsschrifttumskammer (vgl. Düsterberg: Hanns Johst). Rundfunkrede vom 7.7.1942 (zitiert nach: Düsterberg: Hanns Johst, S. 303). Ebd., S. 15. Johst hat 1949 laut einer Zeugin in seinem Entnazifizierungsprozess ausgesagt, dass er »deutsche Lyriker im Osten an Exekutionen teilnehmen ließ, um sie durch diese Erlebnisse männlicher zu machen« (zitiert nach: ebd., S. 303). Vgl. Kapitel 3.4.3.1.

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nur ein Teil der SS-Saga zustande, weil sich der für Deutschland fatale Fortgang des Krieges nur schlecht für ein nationalsozialistisches Heldenepos verwerten ließ.202 Dieser Annahme entsprechend hat nicht erst die Kapitulation des Dritten Reiches zum Scheitern des Projekts einer ›spezifisch nationalsozialistischen Dichtung‹ geführt. Vielmehr hat bereits die für Deutschland unvorteilhafte faktische Wirklichkeit der letzten Kriegsjahre dieses Projekt kompromittiert. Es ließe sich hier eine Parallele zum wirklichkeitsorientierten Medium der Wochenschau ziehen. Die Deutsche Wochenschau galt Goebbels und Hitler zur Zeit der deutschen Siegeszüge noch als das »beste Volkserziehungs- und -führungsmittel«,203 wurde wegen der zunehmenden Bombardements auf deutsche Städte und der immer verzweifelter werdenden Lage der deutschen Truppen vor Stalingrad jedoch zum Sorgenkind der Propaganda.204 Beide Beispiele bestätigen, dass das Regime auf eine Wirklichkeit angewiesen war, die, immer weniger mit dem gewünschten Zukunftsideal im Einklang stand. Der geforderte Wirklichkeitsbezug machte folgerichtig das Gelingen einer ›nationalsozialistischen Dichtung‹ von der Gefahr des ›credibility gap‹ (Hannah Arendt) und damit der nicht mehr überspielbaren Kluft zwischen Realität und Ideal abhängig, die die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit des offiziellen Diskurses zu untergraben drohte. Am Rande sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass die Diskrepanz zwischen der heroischen Verherrlichung des Krieges und der vom Dichter am eigenen Leibe erlebten Kriegsrealität wenigstens in einem Fall zu einer Abwandlung der prototypischen nationalsozialistischen Kriegsdichtung geführt hat. Herybert Menzel, Dichter der ›jungen Generation‹, veröffentlichte 1943, ein Jahr vor seinem Tod an der Front, einen Band mit Gedichten, der deutlich von der geläufigen Parteidichtung abwich. Ohne das nationalsozialistische Denken aufzugeben, brachte Menzel in diesen Gedichten sowohl formal als auch inhaltlich Unsicherheit und Verlust zum Ausdruck. An die Stelle des gebundenen Reims trat, wie Martin Travers in seiner Analyse der Gedichtsammlung feststellt,205 ein Experimentieren, das der diffamierten Dichtung der Expressionisten nicht unähnlich war.206 An die Stelle von Optimismus traten Fragen und Negationen.207 Heroismus und Opfersinn wichen der leeren Dunkelheit des

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Vgl. Düsterberg: Hanns Johst, S. 309f. (vgl. Kapitel 1.2.1.2.). U.a. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 16.6.1941. Vgl. Kay Hoffmann: Menschen, Tiere, Sensationen. Die Wochenschauen der 30er Jahre. In: Geschichte und Ästhetik des dokumentarischen Films in Deutschland. Bd. 3: ›Drittes Reich‹ 1933–1945. Hg. von Peter Zimmermann / dems. Stuttgart 2005, S. 686–689. Goebbels äußert sich in seinen Tagebüchern mehrmals zu diesem Problem. Die kurze Besprechung des Gedichtbandes Anders kehren wir wieder von Herybert Menzel basiert auf: Martin Travers: ›Selbstgefühl, Todesschicksal, and the End of ›Parteidichtung‹. Herybert Menzel’s ›Anders kehren wir wieder‹ (1943). In: German Life and Letters 54 (2001), S. 331–344. »Rauchender Reiter. Alarm. Trommel und Erde sind eins. / Schlägel und Füße gehen im gleichen Takt. / Bin noch ich dein, bist du meins? / Abschied. Kuß läuft noch mit, letztes Wort, abhackt.« (zitiert nach: Travers: Selbstgefühl, S. 337). »Nicht mehr singen will ich der zarten Liebe ein Lied, / Ehe das Haus nicht gebaut ist, nicht mehr singen will ich / Dem Freunde, der blieb, wo das Dach raucht.« (zitiert nach: ebd., S. 338).

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Schlachtfeldes und dem Leiden.208 Die plakativ politische Bedeutung wurde durch eine konnotative ersetzt. Wegen des baldigen Kriegsendes bleibt unklar, ob die literaturpolitischen Instanzen mit dieser neuen Sprache glücklich waren und ob Goebbels in diesem Werk die Verwirklichung einer reifen ›nationalsozialistischen Dichtung‹ oder vielmehr das Produkt eines verirrten Dichters sah. 3.2.2.3. Weltanschauliche ›Gestaltung‹ Die Literaturpolitik bestimmte nicht nur, welche Gegenwart porträtiert werden sollte, sondern legte auch fest, wie dies zu geschehen habe. Das Gebot der Zeitnähe wurde mit anderen Worten keineswegs als ausreichend betrachtet, um ›nationalsozialistische Dichtung‹ zu produzieren, und genüge auch nicht, um ganz allgemein zwischen ›Dichtung‹ und ›Literatur‹ zu unterschieden. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht Langenbuchers scheinbar widersprüchliche Feststellung, dass der Zeitroman ein »durchaus noch unbeschriebenes Blatt« sei, während in den Parteiorganen zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren eine Inflation an gegenwartsbezogenen Romanen verzeichnet wurde.209 Der Unterschied zwischen den bereits vorhandenen und den angestrebten Romanen lag nach Langenbucher jedoch darin, dass erstere »fast nirgends ein Hinausgehen über die bloße Schilderung und über das nur Berichtmäßige« erkennen ließen. Was im Dritten Reich fehle, sei daher nicht die Thematisierung, sondern die »Gestaltung des neuen Führertums«, die »Gestaltung der heutigen Lebenswirklichkeit des Arbeiters«, die »Gestaltung des neuen Soldatentums«, die »dichterische Gestaltung des deutschen Neubauerntums«210 und die »dichterische Gestaltung der Großstadt und ihrer Menschenschicksals in Romanform«.211 Es war dieses Kriterium der Gestaltung, mit der die Literaturkritik im Dritten Reich die ›Dichtung‹ von der ›Literatur‹ unterschied. Mit der Forderung der Gestaltung wurde neben dem direkten Gegenwartsbezug eine zweite zeitliche Ebene eingeführt, die Goebbels mustergültig als die doppelte Forderung an den Dichter formulierte, sich einerseits der »Probleme der Zeit zu bemächtigen«, andererseits »über die Zeit hinauszuragen«:212 Denn das ist die wahre Kunst des Dichters: die Zeit zu gestalten und damit über die Zeit hinauszuragen und sich die Probleme der Zeit zu bemächtigen, um sie am Ende dann zeitlos darzustellen.

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»Die Millionen Gesichter, so dunkel und leer, ja, die / Millionen Leiber so dunkel, Feind, Feind uns, oh, eine / Wolke, geballte Düsternis, Haß, schwelend den / Boden hin und voll Tücke, aufspringend sachte, und / Dann doch geworfen, Drache, sich windend, geworfen, / Zuckend, verblutend, Pestblut, schwarz strömend, / Sterbend bös schielend, Drache, aber doch sterbend.« (zitiert nach: ebd., S. 342). H. Langenbucher: BK 1939, S. 186. Das folgende Zitat ist ebd. Ebd., S. 188f. Wdr.: BK 1941, S. 225. Goebbels’ Eröffnungsrede bei der ersten Woche des Deutschen Buches am 5.11.1934 im Berliner Sportpalast (zitiert nach: Heiber: Goebbels-Reden, S. 171). Das folgende Zitat ist ebd.

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Je nach Kontext wurde diese zweite Ebene mit Bezeichnungen wie ›höherer Wirklichkeit‹, ›höher geordnetem‹ oder ›echtem Leben‹ charakterisiert und das Kriterium der Gestaltung als das Gebot der ›dichterischen Erhöhung‹, ›Deutung‹, ›Wertung‹ oder auch der ›sinnbild-‹ und ›gleichnishaften‹ Dichtung formuliert: So hat des Dichters Werk […] die Probleme des Heute aus ihrer Vereinzelung zu lösen, ihre gemeinsame Gültigkeit zu finden, zu gestalten und in allem zur Schau vorzustoßen, zur dichterischen Erhöhung menschlichen Tuns um der völkischen Notwendigkeit wegen. Dichter sollen Begnadete des Volkes […], Deuter seines Schicksals und Künder, zumindest aber Weiser der Zukunft sein.213

Der Nationalsozialismus knüpfte damit an den in die Antike zurückreichenden und durch die Romantik wiederbelebten Topos vom Dichter als Seher (›vates‹) an. Dichter wurden als »Künder unseres Wesens, Gestalter unseres Schicksals, Bildner unseres Volkes«214 und »Wegweiser für eine lange Zukunft«215 gefeiert und sollten Dichtung nicht nur als Spiegelung arteigenen Volkswesens, sondern auch als gestaltende und bewegende Kraft der Volksgemeinschaft […] erkennen und aus[ ]üben und damit wieder dem wahrhaft »priesterlichen« Dienst des alten Saga-Dichters sich […] weihen […].216

Die Dichter erhielten durch diese pseudoreligiöse Verklärung nicht nur symbolisch,217 sondern in den Kriegsjahren auch ganz buchstäblich Immunität. So schützte etwa Hitlers Liste der Gottbegnadeten eine Reihe von Schriftstellern und anderen Künstlern vor dem Fronteinsatz.218 Vor allem aber wurde die Rolle des Dichters durch die ihm zugeschriebene Fähigkeit des »geistigen Führer[s]«219 stark ideologisiert. Die Dichtung erhielt in der Propaganda eine ganz konkrete »politische Sendung«, die Funktion des Dichters »rückte so dicht wie noch nie neben den Verantwortungskreis des Staatsmannes«.220 Das Kriterium der Gestaltung wurde auf diese Weise eng mit der politischen Bedeutung der Dichtung verknüpft und durch die Verbindung des Dichters mit dem Visionären als eine Übersteigung der wahrnehmbaren Wirklichkeit im Sinne des nationalsozialistischen Zukunftsideals verstanden. Im Gegensatz zum Schriftsteller gelinge es dem Dichter, jedes Einzelschicksal als Sinnbild oder Gleichnis der gleichgeschalteten ›Volksgemeinschaft‹ bzw. des angestrebten großdeutschen oder germanischen Reiches darzustellen. Um als Gestaltung der Wirklichkeit interpretiert zu werden, brauchte sich die Dichtung keineswegs direkt auf den Nationalsozialismus zu beziehen. Ein ausländischer Autor wie der Flame Stijn Streuvels wurde nach der Schablone der Propagan-

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Staudinger: BK 1936, S. 290. H. Langenbucher: Volkhafte Dichtung, S. 39. Hoyer: DB 1934, S. 261. Peuckert: BK 1943, S. 174. Vgl. Walter Hoyer: DB 1934, S. 261: »Das heißt nun, daß der Dichter ebenso wie der echte Volksführer dem göttlichen Anruf und der göttlichen Offenbahrung folgt.« Vgl. Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet, S. 166. U.a. Goebbels bei der Eröffnung der Reichskulturkammer am 15.11.1933 (zitiert nach: Heiber: Goebbels-Reden, S. 135). [o.V.]: NSB 7 (1936), S. 35.

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dapolitik als »Gestalter des flämischen Volkstums«221 bezeichnet, obwohl dessen unpolitischer Landschaftsrealismus weder mit dem Nationalsozialismus noch mit dessen sozialdarwinistischen und rassischen ›Blut-und-Boden-Idealen‹ etwas zu tun hatte. Dennoch sehe Streuvels »hinter dem Alltagskram die großen Gesetze […] einer guten Rasse«222 und spreche »die Stimme des rasseverwandten Blutes im alten romanisch-germanischen Kampf- und Grenzraum Flandern«.223 Seine Erzählungen seien Sinnbilder für »Art und Wesen, Kraft und Glauben eines ganzen Volkes«, ja für die »ganze völkische Not des Flamentums«224 und den »germanischen Kern Flanderns und seiner Menschen«. Auf diese Weise wurde ein unpolitisches Dichtwerk zur Legitimierung für eine mögliche ›Befreiung‹ der Flamen aus der ›Zwangsjacke‹ des belgischen Staates und für Flanderns Eingliederung in das ›artverwandte‹ großgermanische Reich funktionalisiert. Auch der Dichtung zum Ersten Weltkrieg konnte thematisch nur ein indirekter Bezug auf den Nationalsozialismus abverlangt werden. Das Konzept der Gestaltung besagte in diesem Fall, dass der Dichter das Soldatenleben an der Front als Vorausdeutung der künftigen ›Volksgemeinschaft‹ interpretieren sollte. Der zentrale Gedanke sollte darin bestehen, dass der Erste Weltkrieg »nicht Vernichtung«, sondern »Vorbereitung, Stufe zu einem großen Neuen« sei.225 Konkret sollten die »obersten Merkmale des Frontsoldatentums«226 herausgearbeitet und als Sinnbild für die »hohen völkischen Lebenswerte«227 dargestellt werden, an denen sich der deutsche ›Volksgenosse‹ zu orientieren hatte: Ehre und Treue, Freiheit und Opfersinn, Disziplin und Gehorsam sind jene entscheidenden Daseinsgrundlagen, zu denen ein Volk sich bekennen muß, wenn es leben will. Für das Kriegsbuch entsteht damit die hohe und schöne Verpflichtung, das Wirken dieser Werte im Denken und Fühlen unserer deutschen Soldaten aufzuzeigen und jede soldatische Tat als das sichtbare Ergebnis dieser Werte zu kennzeichnen.

Um den Ersten Weltkrieg – genauso wie die zeitgenössische, immer aussichtslosere Kriegslage – für die Propaganda nutzbar zu machen, erwies sich das Kriterium der Gestaltung übrigens als unentbehrlich. Angesichts der unvorteilhaften Realität musste von ideologischer Warte eine Literatur gefordert werden, die »über die Wiedergabe [der] Ereignisse hinaus zu einer tieferen Wertung vordringt«. Von der ›spezifisch nationalsozialistischen Dichtung‹ freilich wurde eine Gestaltung der Gegenwart und damit auch eine direkte Bezugnahme auf den Nationalsozialismus verlangt. Sie sollte in erster Linie innerlich konsolidieren, was die Politik und das Militär äußerlich zusammenfügten und wurde damit der komplementäre Wirkungsbereich der Politik.228 Politik habe »mit den sichtbaren Erfahrungen zu

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16881: BK 1936, S. 154; 11744: BK 1936, S. 154. Peuckert: BK 1936, S. 347. Peuckert: NSM 1940, S. 510. Das folgende Zitat ist ebd. Peuckert: NSM 1939, S. 179. Das folgende Zitat ist ebd. Könitzer: NSM 1938, S. 989 (vgl. Verhey 2000). Grothe: BK 1937, S. 505. Langhein: BK 1944, S. 114. Die folgenden Zitate sind ebd. Vgl. dazu die Ausführungen über den Leitspruch »Buch und Schwert« auf Seite 102.

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rechnen und reales Leben zu lenken«, Dichtung forme »die innere Erfahrung und gestaltet höheres, imaginäres Leben«;229 Politik bemühe sich um die materielle, Dichtung um die »geistige[ ] Kriegführung«.230 Das Idealkonzept der Dichtung mit seinem doppelten Kriterium der Wirklichkeitsnähe und der Gestaltung sollte der gesamten Literaturproduktion als Strebziel dienen. Dieses Strebziel wird im Folgenden als ›nationalsozialistischer Realismus‹ bezeichnet. 3.2.2.4. Nationalsozialistischer Realismus Das prekäre Gleichgewicht zwischen Darstellung und Deutung, Wirklichkeit und Ideal, Realismus und Idealismus, Gegenwart und Zukunft, das vom Dichter verlangt wurde, lässt sich auf den Nenner des ›nationalsozialistischen Realismus‹ bringen. Dieser Ausdruck wurde bislang nur selten, wenn überhaupt, zur Bezeichnung der nationalsozialistischen Literaturauffassung benutzt.231 Dazu hat wahrscheinlich beigetragen, dass der Nationalsozialismus sein literarisches Programm nie systematisch festgelegt und benannt hat. Dennoch scheint der Rekurs auf den Realismusbegriff in diesem Zusammenhang angebracht. So fand die Literaturauffassung der NS-Zeit ihre Vorläufer mutatis mutandis in der mittelalterlich-christlichen Wirklichkeitsanschauung, wie sie Erich Auerbach in seiner Abhandlung zur Mimesis beschrieb. Dem mittelalterlichen Realismus, so Auerbach, ging es im Gegensatz zum ›modernen Realismus‹ darum, dass »ein auf Erden geschehender Vorgang, unbeschadet seiner konkreten Wirklichkeit hier und jetzt, nicht nur sich selbst, sondern zugleich auch einen anderen [bedeutete], den er vorankündigt oder bestätigend wiederholt«.232 Auerbach meinte hier die Sinngebung des Alltäglichen im Lichte der göttlichen Vorsehung. Auf das Dritte Reich übertragen, wo das Schicksal des Einzelnen weniger in Gottes als in Hitlers Händen zu liegen schien, sollten das Private und Alltägliche ihren Sinn aus der herrschenden Ideologie beziehen. Adäquater noch ist der Vergleich des nationalsozialistischen Realismus mit dem etwa gleichzeitig entstandenen sozialistischen Realismus der stalinistischen Sowjetunion,233 dessen Literaturideal ebenfalls auf einer genauestens festgelegten 229 230 231

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Hoyer: DB 1934, S. 261. Payr: BK 1944, S. 102. Der Ausdruck ›nationalsozialistischer Realismus‹ ist bislang von Spotts auf die Malerei und Bildhaukunst (Hitler, S. 169–186), von Hoffmann auf die in den nationalsozialistischen Wochenschauen gezeigte bzw. manipulierte Kriegswirklichkeit (Menschen, Tiere, Sensationen, S. 687–690; »Nationalsozialistischer Realismus«, S. 151–178), von Skans auf die Musikpolitik (Sozialistischer Realismus und Nationalsozialistischer Realismus. In: Socialist Realism and Music. Hg. von Mikulás Bek u. a. Prag, Brno 2004, S. 44–51) und von Wulf auf Die bildenden Künste im Dritten Reich (Frankfurt/M., Berlin 1989) bezogen worden. Erich Auerbach: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur. Bern 1946, S. 495. Im Hinblick auf die UdSSR vgl. Georg Lukács: »Realism in the Balance.« In: The Norton Anthology of Theory and Criticism. Hg. von Vincent B. Leitch. New York: Norton 2001,

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Verbindung von Wirklichkeit und Weltanschauung fußte und dazu – im Gegensatz zum christlichen Realismus – mit der Idee einer gesellschaftlichen Umwälzung verbunden war. Beide Realismusauffassungen propagierten eine aktive Einstellung zur Wirklichkeit und forderten die Darstellung handelnder Figuren. In den Statuten des Sowjetischen Schriftstellerverbandes zum sozialistischen Realismus wurde vom Künstler eine »Darstellung der Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung« verlangt.234 Im Dritten Reich sollte die Dichtung »das Bild eines werdenden und ringenden Menschen« vermitteln und klarstellen, dass »die Wirklichkeit unseres Volkes die Welt der Tat und der wollenden und handelnden und formenden Schicksalserfüllung« sei.235 Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Realismusauffassungen zeigen sich in der Terminologie und Metaphorik, auf die beide Diktaturen zurückgriffen, um Wirklichkeit und Parteilichkeit, Realismus und Idealismus miteinander zu verbinden. Zunächst operierten beide Diktaturen mit dem Begriff der ›Wahrheit‹ als Chiffre für eine ›richtig‹ interpretierte Wirklichkeit im Sinne der jeweiligen Ideologie. In den sowjetischen Statuten wurde von der sozialrealistischen Literatur eine »wahrheitsgetreue […] Darstellung der Wirklichkeit«236 gefordert; im Dritten Reich sollte »des Dichters Werk Wahrheit […] geben«.237 Der Realismus galt in beiden Fällen als eine Methode, mit der die Literatur den Leser zur Parteinahme für das ›Richtige‹ bzw. zur ›Wahrheit‹ veranlassen sollte. So wurde im Fall der angestrebten ›Weltkriegsdichtung‹ der Begriff der ›Wahrheit‹ verwendet, um den »defaitistischen« und »naturalistischen« Pazifismus eines Erich Maria Remarque dem »heroischen« Realismus eines Werner Beumelburg, Edwin Erich Dwinger, Franz Schauwecker und Hans Zöberlein gegenüberzustellen.238 Nur im Patriotismus der letzteren sei enthalten, »was in Wahrheit die Soldaten des Weltkrieges erlebt hatten.«239

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S. 1030–1058; Thomas Christ: Der sozialistische Realismus. Basel 1999; Boris Groys: Gesamtkunstwerk Stalin. Die gespaltene Kultur in der Sowjetunion. München, Wien 1988. Im Hinblick auf die DDR vgl. Katarzyna Śliwińska: Sozialistischer Realismus in der DDR und in Polen. Dresden 2005; Michael Westdickenberg: Die ›Diktatur des anständigen Buches‹. Das Zensursystem der DDR für belletristische Prosaliteratur in den sechziger Jahren. Wiesbaden 2004. Martin Damus hat die Beziehung zwischen dem sozialistischen Realismus und der bildenden Kunst im Nationalsozialismus untersucht (Sozialistischer Realismus und Kunst im Nationalsozialismus. Frankfurt/M. 1981). Einen allgemeinen Vergleich der nationalsozialistischen und stalinistischen Diktatur liefert Richard Overy (Die Diktatoren. Hitlers Deutschland, Stalins Russland. München 2005). Für den Bereich der Literatur stehen vergleichende Studien zwischen beiden Diktaturen noch aus. Fritz J. Raddatz (Hg.): Marxismus und Literatur. Bd. 1. Reinbek 1969, S. 344. Westecker: BK 1939, S. 379 (vgl. Kapitel 3.4.3.1.). Dazu auch Moritz Jahns Rede beim Weimarer Dichtertreffen 1941: »Die Welt der Dichtung widerspiegelt den Zustand der wirklichen geistigen Bewegung einer Zeit, in ihr offenbaren sich die ringenden und widerstreitenden Kräfte – wehe, wenn sie je zur Ruhe kämen: das Leben selber stände still« (in: Die Dichtung im kommenden Europa. Weimarer Reden 1941. Hamburg 1942, S. 63). Raddatz: Marxismus und Literatur, S. 344. Staudinger: BK 1936, S. 290. [o.V.]: BK 1935, S. 302. Grothe: BK 1937, S. 506 [eigene Hervorhebung].

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Ferner sollte die Literatur im sozialistischen Realismus wie im Dritten Reich sowohl ein ›getreues Spiegelbild‹ der Gegenwart als auch eine ›Waffe‹ der kommenden Gesellschaftsordnung sein. Die Spiegelmetapher brachte die für den Realismus typische essentialistische Täuschung zum Ausdruck, Literatur könne die Wirklichkeit objektiv und frei von jeglichem politischen Gehalt rein abbilden (»aufs klarste – und wie das so tiefe und reine Gewässer zu tun pflegen – in schonungsloser Ehrlichkeit«240). Sie gab der Zensur die Möglichkeit, Literatur als ›richtig‹ und ›unverstellt‹ oder ›unwahr‹ und ›verzerrt‹ zu bewerten und sollte die Glaubwürdigkeit des Erzählten erhöhen sowie die Identifizierung des Lesers fördern. Die Metapher der ›Waffe‹ entlarvte den illusorischen Charakter dieser vorgetäuschten Mimesis, indem sie aus Büchern ebenfalls Waffen zur Transformierung der Gegenwart machte. Bücher seien »die berufenen Vermittler und Vorkämpfer für die Ordnung, die es in Europa aufzubauen gilt«,241 oder noch »Waffen der jungen Nation, […] wirkende Mittel um des gemeinsamen Zieles wegen, […] wesentliche Kräfte zur Erfüllung des Gesetzes, unter dem die junge Nation antrat auf ihrem Marsch in den neuen Morgen«.242 So wurde in beiden Diktaturen mit denselben Metaphern zum Ausdruck gebracht, dass Literatur einerseits als Abbild der Gegenwart, andererseits als Wunsch- und Vorbild der erstrebten Zukunft zu erscheinen hatte. Ein drittes und letztes Merkmal, das die nationalsozialistische Literaturauffassung mit der sozialistischen teilte, war die unmittelbare Bindung der Literatur an den Begriff des ›Gesetzes‹.243 Im neubearbeiteten Meyers Lexikon von 1938 wurde die Deutung des Begriffs als »weit lebensvoller und verantwortungsvoller als die des Liberalismus« definiert, weil sie sich nicht nur auf die »erstarrte Form der Rechtsnorm«, sondern auch und vor allem auf die nationalsozialistische Weltanschauung bezog.244 Ähnlich wie im Meyers Lexikon wurde die herrschende Ideologie in der Presse zum verpflichtenden Gesetz gemacht. Je nach Kontext wurde sie als das »u reige n st e d eut s ch e L eb e n sge s et z«245 paraphrasiert oder in das ›Volks-‹, das ›Rasse‹, das ›Lebens-‹ oder auch das ›innere Gesetz‹ zerlegt.246 Der so verstandene

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Peuckert: NSM 1944, S. 253. Fochler-Hauke: NSM 1941, S. 740. Staudinger: BK 1936, S. 290. Die Konzeptualisierung der Literatur als Waffe wurde in ein weit ausgreifendes metaphorisches Netz eingebunden, das die Dichtung als ›geistiges Schlachtfeld‹, den Dichter als ›gewaltigen Soldat des Geistes‹, den Verlag als ›geistigen Waffenschmied‹ und Dichten als bedeutungsgleich mit Kämpfen verstand. Der sozialistische Realismus erlaube dem Schriftsteller z. B. »wie keine andere Methode, die Entwicklungsgesetze in Natur und Gesellschaft zu demonstrieren« (zitiert nach: Lothar von Balluseck: Dichter im Dienst. Der sozialistische Realismus in der deutschen Literatur. Wiesbaden 1963). Meyers Lexikon. Bd. 4, 1938, Spalte 1418. Viererbl: NSM 1937, S. 647. Weitere Varianten sind: das »Gesetz der Wahrhaftigkeit und Echtheit« (Rang: EL 5 (1943), S. 3), das »höhere Schicksalsgesetz« (Westecker: BK 1939, S. 379), die »Gesetze des Lebens, des Entstehens, Gedeihens und Verderbens von Rassen und Völkern« (Astel: NSM 1935, S. 196) und die »Gesetze[ ] der Rasse und der Biologie unseres Volkes und seiner Kultur« (Braumüller: BK 1937, S. 159).

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Begriff des Gesetzes fungierte im literarischen Bereich als eine weitere Variante, um vom Dichter ein wirklichkeitsübersteigendes, ideologiegebundenes Schaffen zu fordern. Die Dichter sollten die »heimlichen Begleiter der Gesetzgeber unseres Volkes«247 sein, ihre Dichtung »nach Gesetzen des Blutes und nationalen Geistes«248 geschrieben werden. Durch ihre Erhöhung zum Gesetz wurden die nationalsozialistische Weltanschauung und ihre Versatzstücke scheinbar legalisiert und Verstöße gegen sie strafbar gemacht. Das elastische, nicht an einem nachweisbaren Referenzwert gebundene nationalsozialistische ›Gesetz‹ öffnete dem Regime Tür und Tor für seine Zensur. Dass viele Gesetze ›ungeschrieben‹ waren, machte sowohl das Schreiben als auch die Beurteilung von Literatur im Dritten Reich zu einer heiklen Angelegenheit: »Ja, kein geistiges Erzeugnis wird zum Buch, wenn es sich nicht diesen ungeschriebenen Gesetzen fügt«.249 Zudem wurde erwartet, dass die ›Gesetze‹ dem Prinzip der totalitären Differenzierung entsprechend an konkrete Situationen, Zielsetzungen und Lesergruppen angepasst wurden. Für Literaturwissenschaftler und Rezensenten ergab sich hieraus die Schwierigkeit, dass sie auf Basis ihres »gute[n] Geschmack[s]«250 und »urteilssichere[n] Instinkt[s]«251 herausfühlen sollten, welcher Autor und welches Werk wie zu beurteilen sei. Ein besonders anschauliches Beispiel bietet in diesem Zusammenhang wiederum der flämische Autor Charles de Coster, der durch seine wallonische Mutter und seine auf französisch verfasste Literatur nicht ganz in das vom Regime propagierte Bild eines germanischen Flandern passte, aber wegen seines Ulenspiegelromans positiv rezensiert wurde. Während Maurice Maeterlinck und Emile Verhaeren, ebenfalls frankophone Flamen, der Gebrauch der französischen Sprache übel genommen252 und dem deutschen Leser empfohlen wurde, die Bücher dieser Autoren daher »mit demselben Abscheu aus der Hand zu legen wie die Machwerke eines Heinrich Mann und Genossen«,253 wurde im Fall von Charles de Coster die französische Sprache als zweitrangig in den Hintergrund gedrängt, das

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Hagemeyer: NSM 1938, S. 1051. Hohlbaum: BK 1937, S. 351. Koch: BK 1937, S. 34. Franz Koch (1888–1969) war Professor für Literatur- und Geistgeschichte in Berlin und nebenamtlich Hauptlektor für Neuere Literatur- und Geistesgeschichte im Amt Schrifttumspflege (vgl. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt/M. 2007, S. 320). Arnold: NSM 1936, S. 836. Payr: BK 1937, S. 88. Bernhard Payr (1903–1945) wurde 1934 Archivleiter und 1936 Leiter des Zentrallektorats von Rosenbergs Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums. 1943 wurde er zum Leiter des inzwischen umbenannten Amts Schrifttumspflege ernannt (vgl. Klee: Kulturlexikon, S. 451f.; Barbian: Literaturpolitik, S. 745). Beide Verfasser wurden in der nationalsozialistischen Literaturkritik als Autoren diffamiert, die »ihr flämisches Blut und damit ihr Germanentum an das romanische Parisertum verraten« hätten. Sie wurden geringschätzig als »verwelschte Auch-Flame[n]« und »Französlinge« charakterisiert, die »ihre Muttersprache einer civilisation (=Verbürgerlichung) de Paris où de Bruxelles aufgeopfert haben, damit ihre Erstgeburt um ein Linsengericht verkaufend« (Peuckert: NSM 1936, S. 588). Peuckert: NSM 1936, S. 590.

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wallonische Blut verschwiegen und der Ulenspiegel uneingeschränkt als »flämisches Kulturgut«254 geachtet. Die Literaturwissenschaftlerin Martha Hechtle, die in ihrer Literaturgeschichte Die flämische Dichtung von 1830 bis zur Gegenwart gegen die ungeschriebenen Regeln verstieß, erhielt aufgrund einer vernichtenden Kritik ihres Buchs in den Nationalsozialistischen Monatsheften ein Publikationsverbot:255 Wer de Costers unsterblichen Ulenspiegelroman, der seit seinem Erscheinen zunehmend größeres Heimatrecht in allen germanischen Ländern und Herzen gefunden hat, als Ausdruck »fremden Wesens« […] ablehnen zu müssen glaubt, ja wer den Dichter gar durch die böswillige Unterstellung: er sei wahrscheinlich »Ganz- oder Halbwallone«, in den Augen gewisser Leser herabzusetzen unternimmt – ganz gleich, ob mit oder ohne Erfolg –, der hat das Recht, über die Dichtung des stammverwandten Flandern schreiben und urteilen zu dürfen, verwirkt, weil er den letztgültigen Maßstab dafür – nämlich ein ungebrochenes rassisches und völkisches Empfinden, verloren oder nie besessen hat.256

Der Begriff des ›Gesetzes‹ war im Bereich der Literatur genauso wie der Begriff der ›Wahrheit‹ und das Metaphernpaar ›Spiegel‹ und ›Waffe‹ ein rhetorisches Mittel zur gleichzeitigen Verordnung und Leugnung einer ideologischen Gleichschaltung. Wie beim nationalsozialistischen Freiheitsbegriff deutete seine Verwendung auf den unumgänglichen Gesinnungsdruck als Voraussetzung für das scheinbar ›freie‹ Schaffen: Es gibt den Begriff der »dichterischen Wirklichkeit« durchaus; das heißt: für den Dichter ist jeder Raum, jede Ebene betretbar, wenn er ihr das Gesetz aufzwingt, unter dem er selber steht; diese dichterische Wirklichkeit kann sich nicht von der unterscheiden, in der wir leben: das heißt, sie kann nicht in Gegensatz zu ihr stehen, weil der Dichter aus jener sein Schaffensgesetz empfängt.257

Die Ähnlichkeiten zwischen den Literaturauffassungen der beiden Diktaturen reichen weiter, als hier im Zusammenhang des metaphysischen Realismusverständnisses besprochen werden kann. Um die Eigentümlichkeit des ›nationalsozialistischen Realismus‹ zu bestimmen, müssten auch die Unterschiede zwischen beiden Literaturauffassungen erforscht werden. Aufgrund der angezeigten (und noch weiter auszuarbeitenden) Parallelen erscheint die Analogiebildung allerdings legitim.

3.2.3. ›Literatur‹ versus ›Dichtung‹? In der literaturwissenschaftlichen Forschung zum Dritten Reich wird generell davon ausgegangen, dass der nationalsozialistische Literaturbegriff als negatives Pendant zum Begriff der ›Dichtung‹ gedacht wurde. Als Beleg wird auf die Gegenüberstellung von ›entarteter Literatur‹ und ›wahrer deutscher Dichtung‹ und den damit korrespon-

254 255 256 257

Fritz Peuckert: Flandern gestern und heute. Neue Bücher aus und über Flandern. In: NSM 158 (1943), S. 437. Vgl. Martha Baerlecken-Hechtle: ›Cyriel Verschaeve, ein Mythos in Deutschland?‹ In: Verschaeviana. Jaarboek 1993, S. 164. Peuckert: Flandern gestern und heute, S. 436f. Franke: BK 1944, S. 47f.

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dierenden Gegensatz vom ›entwurzelten Literaten‹ und ›bodenverbundenen Dichter‹ rekurriert, die durch zahllose Textbeispiele aus dem literaturpolitischen und -wissenschaftlichen Diskurs der NS-Zeit unterstützt werden. Tatsächlich hat die totalitäre Diktatur, die sich großenteils über polare Ein- und Ausschlussmodelle definierte, den seit Goethes Zeiten existierenden Gegensatz von ›Literatur‹ und ›Dichtung‹ (selbstverständlich mit unterschiedlichen Bezugswerten) weitergeführt und radikalisiert. Verstärkt durch die biologische Gegenüberstellung von Attribuierungen wie ›krankhaft‹, ›schädlich‹, ›minderwertig‹ und ›volksfremd‹ auf der einen und ›gesund‹ und ›volkhaft‹ auf der anderen Seite wurden die Begriffe ›Literatur‹ und ›Literat‹ zur Legitimierung der Säuberungspolitik, die Begriffe ›Dichtung‹ und ›Dichter‹ hingegen zur Unterstützung der Buchförderungspolitik benutzt. Als ›Verfallsliteratur‹, ›Asphaltliteratur‹ und ›entartete Literatur‹ galten Werke jüdischer, kommunistischer, christlicher und moderner Signatur; der Ausdruck der ›wahren deutschen Dichtung‹ wurde für das ›erwünschte‹ Schrifttum benutzt. Belegstellen für diese Gegenüberstellung lassen sich in großer Zahl finden. Hier sei nur auf die Aussage des Propagandaministers beim Weimarer Dichtertreffen im Oktober 1942 verwiesen, der zufolge die »deutsche zeitgenössische Dichtung […] seit der Machtübernahme und der Beseitigung der jüdisch-bolschewistischen Verfallsliteratur Raum genug zu freier Entfaltung gefunden« habe.258 Die negative Bedeutung des Literaturbegriffs wurde noch dadurch verstärkt, dass er (genauso wie die abgeleiteten Begriffe ›literarisch‹ und ›Literat‹) als zersetzender Wertbegriff für jegliche unerwünschten Kulturerzeugnisse Verwendung fand. In Goebbels’ Tagebucheintrag vom 15. Februar 1938 ist die Kritik zu lesen, »daß jetzt im Film ›interessante‹ statt schöne Frauen protegiert werden« und dies »literarischer Unfug« sei. Am 2. Juni 1940 zog der Propagandaminister »seichte Filme« aus dem Verkehr, weil dieses »Literatengewäsch« vom Volk »heute weniger denn je ertragen« werde. Am 28. Januar 1938 berichtete er über das polnische Nationalballett im deutschen Opernhaus: »Wunderschöne Frauen, die gut tanzen. Aber wie sie tanzen, das ist meist Literatur. Was wir längst überwunden haben.« Trotz der deutlich vorhandenen Kontrastierung der Begriffe ›Literatur‹ und ›Dichtung‹ im Dritten Reich lässt sich der nationalsozialistische Literaturbegriff keineswegs auf diesen Gegensatz einschränken. Eine diskursanalytische Auswertung parteinaher Zeitschriften ergibt, dass sie nicht nur als sich gegenseitig ausschließende, sondern durchaus auch als kompatible Begriffe gedacht und benutzt wurden. Eine dieser alternativen Begriffsverwendungen ergab sich aus dem Mangel an ›nationalsozialistischer Dichtung‹. Im Hinblick auf diese Ungleichzeitigkeit von Absicht und Realität musste sich die Diktatur großenteils mit einem Schrifttum begnügen, dass nach ihrer Ansicht noch im ›Reifeprozess‹ war.259 Die Begriffe ›Kriegsliteratur‹ und ›Kriegsdichtung‹, ›Heimatliteratur‹ und ›Heimatdichtung‹, ›Volksliteratur‹ und ›Volksdichtung‹, ›Großstadtliteratur‹ und ›Großstadtdichtung‹ wurden in diesem 258 259

Zitiert nach: Joseph Goebbels: Der steile Aufstieg. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1942/43. München 1944, S. 22 [eigene Hervorhebung]. Vgl. dazu das Kapitel 3.3.1.1. zum ›Nachhinken‹ der Dichtung.

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Zusammenhang nicht als beliebig austauschbare Synonyme benutzt, sondern deuteten ganz im Gegenteil auf verschiedene Stadien des literarischen und ideologischen Entwicklungsprozesses. Der Begriff der Kriegsliteratur z. B. wurde für ein literarisches Werk benutzt, das »noch nicht […] Kriegsdichtung, wohl aber […] eine äußerst wichtige Vorstufe zur Kriegsdichtung«260 sei. Diese ›Literatur‹ könne bereits eine »echte und starke dichterische Kraft«261 besitzen, »von echtem dichterischem Glanz Ausdruck«262 geben oder selbst »Kriegsdichtung im Urzustand«263 sein, den vollwertigen Status der ›Dichtung‹ im nationalsozialistischen Sinne habe sie noch nicht erreicht. Unterschieden wurden hier folgerichtig zwei Stufen nicht nur der ästhetischen Qualität, sondern auch und vor allem der ideologischen Verwertbarkeit. Das als ›Literatur‹ bezeichnete Schrifttum erfüllte nach nationalsozialistischer Ansicht zwar das Kriterium der Wirklichkeitsnähe (sie komme »dem Kriege besonders nahe […], seiner harten Wirklichkeit, dem geschichtlichen Glanz seiner Siege, dem tapferen Herzen des deutschen Soldaten«264 oder schildere die Ereignisse »so unmittelbar und so dramatisch, daß der Leser Augenzeuge gewesen zu sein glaubt«265), genügte jedoch nicht dem Kriterium der Gestaltung (sie bleibe »in den Niederungen des Lebens haften«,266 sei noch nicht »zum Erlebnis als Gleichnis vorgestoßen«267 oder bleibe »zu sehr in [der] Tonlage des Privaten, […] als dass wir sie als mythisch-heroisch anerkennen könnten«268). So spiegelte sie zwar eine systemkonforme Realität wider, interpretierte diese aber noch nicht im Licht der nationalsozialistischen Ambitionen und Weltanschauung. Diese Benutzung des Literaturbegriffs lässt sich als eine Antwort auf die Diskrepanz zwischen dem Ideal nationalsozialistischer Dichtung und der Realität einer Buchproduktion lesen, die noch zu diesem Ideal ›heranreifen‹ musste. Die betreffende Literatur wurde in der Regel gefördert, obwohl ausdrücklich auf ihren ›unausgereiften‹ Zustand hingewiesen wurde. Ferner gab es einen Gebrauchszusammenhang, in dem der Begriff ›Literatur‹ bewusst als Ersatz für den Begriff ›Dichtung‹ eingesetzt wurde. Diese Variante fand sich hauptsächlich dort, wo ein ausländisches Publikum angesprochen wurde. Als Musterbeispiel kann der Titel der 1942 gegründeten Zeitschrift Europäische Literatur gelten, die sich als eine politisch neutrale und unabhängige Monatsschrift für den europäischen Leser präsentierte (in Wirklichkeit jedoch vom Propagandaministerium finanziert und dirigiert wurde).269 Im Hinblick auf die vorgetäuschte Neutralität wurde der typisch deutsche Begriff der ›Dichtung‹ für den neutraleren und internationaler klingenden Begriff der ›Literatur‹ eingetauscht. Diese Begriffsverwendung

260 261 262 263 264 265 266 267 268 269

Westecker: BK 1942, S. 151. Ebd., S. 153. Ebd., S. 156. Ebd., S. 151. Ebd., S. 156. Ebd., S. 153. Reinhardt: BK 1942, S. 163. Westecker: BK 1942, S. 151. Kindermann: BK 9 (1937), S. 534f. Vgl. Vorbemerkung zur totalitären Differenzierung als Verfahren der Gleichschaltung.

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verrät eine opportunistische Abstimmung auf das Zielpublikum, die sich auch in der Zusammenstellung der in der Zeitschrift besprochenen Autoren beobachten lässt. Sie lässt sich als eine Form totalitärer Differenzierung und damit auch als ein typisches Merkmal der gesamten nationalsozialistischen Propaganda und Politik verstehen. Zu erwähnen ist hier auch die umgekehrte Bewegung, nämlich die Bezeichnung von im Grunde ›unerwünschten‹ Autoren und Werken als ›Dichter‹ und ›Dichtung‹ in Zusammenhängen, in denen dies der Selbstdarstellung der Diktatur dienlich war. Symptomatisch war in diesem Zusammenhang Moritz Jahns Vortrag vor den versammelten deutschen und ausländischen Autoren beim Weimarer Dichtertreffen im Oktober 1941, in dem der Autor ungeniert verkündete, Deutschland habe seit jeher »mit besonderem Eifer, mit besonderer Herzlichkeit um englische Dichtung geworben«, und als Beispiel u. a. auf den modernen Autor James Joyce verwies.270 Solche Aussagen täuschten eine im Reich fortgesetzte Offenheit gegenüber anderen Kulturen vor und dienten – ob dies von Jahn gewollt war oder nicht – der Illusion der Schaffensfreiheit in einem Deutschland, in dem seit Kriegsbeginn Übersetzungen aus dem Englischen weitgehend unterbunden worden waren und gerade Joyce als Vertreter einer Literatur galt, die uneingeschränkt verboten worden war. Als Synonym für ›Dichtung‹ wurde der Literaturbegriff ferner auch dann verwendet, wenn von ›Weltliteratur‹ die Rede war. Dem Begriff der ›Weltliteratur‹ stand die Literaturpolitik ambivalent gegenüber. Goethes Prägung des Begriffs als jene Literatur, die aus einem übernationalen Geist heraus geschaffen wird, wurde mit Blick auf das Ideal einer volksverbundenen und bodenverwurzelten Dichtung radikal abgelehnt. Immerhin wollte man nicht gänzlich auf einen Begriff verzichten, der sich mit dem Höhepunkt literarischen Schaffens verband. So erschien von 1935 bis 1944 eine Zeitschrift mit dem Titel Weltliteratur, später Die Weltliteratur.271 Ferner wurde der Begriff in den Organen der literaturpolitischen Lenkungsinstanzen auch hin und wieder benutzt, um die Achtung für Autoren wie Knut Hamsun, Hermann Löns und Charles de Coster zum Ausdruck zu bringen. Wurde der Begriff verwendet, so geschah dies eindeutig in seiner ›gleichgeschalteten‹ Bedeutung. Die Zeitschrift Die Weltliteratur präzisierte, sie pflege »Weltliteratur nicht als Allerweltsliteratur«, 270 271

Jahn: Zukunftsaufgaben, S. 58. Die Zeitschrift wurde bereits zwischen 1915 und 1924 herausgegeben. Von 1935 bis 1939 erschien sie in dem von Hellmuth Langenbucher geleiteten Wilking Verlag unter dem Titel Weltliteratur: Romane, Erzählungen und Gedichte. Ab Februar 1940 wurde sie unter dem neuen Titel Die Weltliteratur: Berichte, Leseproben und Wertung im vom SS-Ahnenerbe bezuschussten Schwerter Verlag verlegt. Herausgeber war Friedhelm Kaiser, Hauptschriftleiter Hans Ernst Schneider. Zu den ständigen Mitarbeitern gehörte Hans W. Hagen, Referent der Schrifttumsabteilung im Propagandaministerium (vgl. Sturge: ›The Alien Within‹, S. 104–116; Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik, S. 335). Im Februar 1940 bemängelte Hagemeyer in einem Brief an Rosenberg, die Zeitschrift sei »zu einer ausgesprochenen Konkurrenz der ›Bücherkunde‹ ausgewachsen«, obwohl doch ihre Aufgabe sich darauf beschränken solle, »wertvolle Teile der Weltliteratur in Auszügen abzudrucken« (vgl. BArch NS 8/247). Die Kritik spielte darauf an, dass sich der Schwerpunkt der Zeitschrift zunehmend von der Darstellung auf die Bewertung ausländischer Literatur verlagert hatte.

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sondern konzentriere sich auf Werke solcher Länder, zu denen Deutschland »besonders gute außenpolitische Beziehungen unterhält«.272 Robert Hohlbaum wies in der Bücherkunde in Anlehnung an Heinz Kindermann darauf hin, es gingen gerade solche Werke in die Weltliteratur ein, die aus dem Boden und Geiste ihrer Nation die beste Frucht zogen. Ist nicht der »Don Quichote« durchaus spanisch, Shakespeare Brite, Hamsun Skandinavier, de Coster Vlame, Victor Hugo Franzose von Art und Gesinnung? Und ist nicht das berühmteste deutsche Werk, das der Weltliteratur angehört, der »Faust«, eben das deutscheste Werk Goethes geworden?273

Der Begriff ›Weltliteratur‹ wurde damit – genauso wie der Ausdruck ›europäische Literatur‹ – zur Bezeichnung eines Schrifttums benutzt, das scheinbar dem internationalen Kanon, in Wirklichkeit aber nur einer nationalsozialistisch motivierten Auswahl aus diesem Kanon entsprach. Eine vierte und hier zuletzt genannte Verwendung des Literaturbegriffs, die nicht durch die dichotomische Gegenüberstellung von ›Literatur‹ und ›Dichtung‹ erfasst wird, situiert sich im Bereich der Unterhaltung. Während die ›Kitschliteratur‹, ›Konsumliteratur‹, ›Schundliteratur‹, ›Eintagsliteratur‹ und ›Modeliteratur‹ eindeutig negativ konnotiert und der ›ewig-dauernden Dichtung‹ gegenübergestellt wurden, war ebenfalls von einer »guten Kriminalliteratur«,274 einer »neue[n] Unterhaltungsliteratur«275 und einer »Unterhaltungsliteratur für das gesunde Volk«276 die Rede. Dieser positiv konnotierte Literaturbegriff wies u. a. auf das Streben der literaturpolitischen Instanzen nach einer Kompromissbildung hin – sowohl in ideologischer als auch in literarischer Hinsicht – zwischen den Ebenen der ›Kitsch‹ und der ›Dichtung‹ und damit auch zwischen dem Publikumsgeschmack und den literaturpolitischen Idealvorstellungen.277 Die Begriffe ›Literatur‹ und ›Dichtung‹ wurden selbstverständlich auch unreflektiert benutzt. In seltenen Fällen, besonders in den ersten Jahren der NS-Herrschaft, lassen sich sogar Beispiele fi nden, in denen der Begriff des ›Dichters‹ zur Bezeichnung jener Autoren benutzt wurde, deren ›entartete‹ Schriften am 10. Mai 1933 auf dem Scheiterhaufen brannten. Dennoch lassen sich die verschiedenen Bedeutungen und Konnotationen des Literaturbegriffs, die soeben aufgelistet wurden, als deutliche Tendenzen aus den zeitgenössischen Quellen herausgreifen. Sie zeigen, dass sich die nationalsozialistische Literaturpolitik komplizierter gestalten musste, als es die normative Gegenüberstellung von ›Literatur‹ versus ›Dichtung‹ vermuten lässt. Sie verdeutlichen die pragmatische Ausrichtung und machen die vielfältigen Vermittlungsprozesse zwischen Idealvorstellungen und abweichenden Realitäten, heterogenen Zielgruppen, geistigen Traditionen und Legitimierungszwängen sichtbar. Die diskursanalytische Betrachtung des Begriffspaars bringt damit einen Erkenntnisgewinn, 272 273 274 275 276 277

Zitiert nach: Strothmann: Nationalsozialistische Literaturpolitik, S. 335. Hohlbaum: BK 1937, S. 351. Haegert: BDB 94 (23.4.1940), S. 150. [o.V.]: 1938, S. 383. Westecker: LB 5–6 (1940), S. 6. Vgl. Kapitel 1.1.1.

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der von einem normativen oder unreflektierten Gebrauch der Begriffe ›Literatur‹ und ›Dichtung‹ verhindert wird und den unkommentierten Gebrauch des Dichtungs- und Literaturbegriffs in Überschriften wie Literatur und Dichtung im Dritten Reich (Joseph Wulf), Über die deutsche faschistische Literatur (Günther Hartung), Dichter und Dichtung des Nationalsozialismus (Rolf Geißler), Was ist nationalsozialistische Dichtung? (Ralf Schnell), Was ist nationalsozialistische Literatur? (Hildegard Brenner), Literatur unterm Hakenkreuz – Das Dritte Reich und seine Dichtung (Ernst Loewy) in Frage stellt.278

3.2.4. ›Das gute Buch‹ Wie in vorigen Kapiteln ausführlich dokumentiert wurde, wurden im Dritten Reich Aktionen wie die Woche des Deutschen Buches durchgeführt und Leitsprüche wie »Volk und Buch«, »Mit dem Buch ins Volk« und »Das Volk lebt im Buch« verbreitet, um die Bevölkerung zum Lesen zu bringen. Dass dabei jeweils vom ›Buch‹ und nicht von ›Literatur‹ oder ›Dichtung‹ die Rede war, war nicht zufällig. Erstens wurde nicht nur für schöngeistige, sondern auch für Fach- und Sachliteratur geworben. Man brauchte daher eine gattungsübergreifende und möglichst umfassende Bezeichnung. Zweitens war das Wort ›Buch‹ wertneutraler als die beiden anderen Wörter, die sich mit normativen Assoziationen wie ›gehoben‹, ›gebildet‹, ›entartet‹ oder ›zivilisiert‹ verbinden ließen. Nicht zuletzt erklärt sich die propagandistische Attraktivität des Begriffs ›Buch‹ aus der stehenden Wendung des ›guten Buchs‹, die sehr häufig zur Charakterisierung der Tätigkeiten und Forderungen der NS-Literaturpolitik herangezogen wurde: Die literaturpolitischen Instanzen wollten »die Millionen einfacher, werkschaffender Menschen zum Buche […] führen und zwar zum gu t e n Buch«.279 »Staat und Partei und andere maßgebende Stellen« seien »unablässig bemüht, das gute Buch in das ganze Volk zu tragen.«280 Der Buchhändler habe die Aufgabe, »das gute Buch zu empfehlen«,281 Buchkritiken müssten »Werbung für das gute Buch« sein,282 das »schaffende Volk« solle sich an dem Preisausschreiben »Am Feierabend ein gutes Buch« beteiligen.283 In den Reichsautobahnlagern wurde »du r ch d a s gu t e Buch f ü r d a s gu t e Buch« geworben,284 auf Reisen sollte »das gute Buch Ablenkung bringen« und an der Front wurde dem »Soldaten […] das gute Buch durch die verschiedensten Aktionen zur Verfügung gestellt«.285 »Mehr und mehr« erfahre man »im neuen Staat mit seiner weitverzweigten Förderungspolitik […], daß nur das

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Der Literaturbegriff wird in den Kapiteln 3.2.1., 3.2.2., 3.3. und 3.4. weiter ausgeführt. Schönfelder: BDB 55(5.3.1940), S. 74 [eigene Hervorhebung]. L-e.: BDB 121 (27.5.1939), S. 444 [eigene Hervorhebung]. Schneider: BDB 106 (9.5.1939), S. 15 [eigene Hervorhebung]. Drewitz: BDB 54 (5.3.1935), S. 169 [eigene Hervorhebung]. [o.V.]: LB 3 (1939), S. 4 [eigene Hervorhebung]. E. Langenbucher: BDB 265 (14.11.1935), S. 966f. [eigene Hervorhebung]. elg.: BDB 67 (19.3.1940), S. 86 [eigene Hervorhebung].

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Abb. 32: BArch, Plak 003-018-044 / Karl Leyhe

gute Buch Erfolg haben kann«.286 Nicht das Buch, sondern das »gute Buch wird und muß […] das Buch des Volkes werden.« (Vgl. Abbildung 32.) Die Häufigkeit der Wendung ›gutes Buch‹ im Dritten Reich lässt sich auf verschiedene Gründe zurückführen. Sie werden im Folgenden mit den Stichwörtern Tradition, Zensur, Marketing und Kompromiss verbunden und sind in der nationalsozialistischen Literaturpolitik auf vielfältige Weise miteinander verknüpft. Zunächst erkannte die Propaganda das Wirkungspotential eines Ausdrucks, der sich aus einer jahrhundertealten kulturellen Tradition speiste287 und das Buch mit der Bedeutung des zu »konservierende[n] Prestigeobjekt[s]«288 versah. Der Rekurs auf

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[o.V.]: BDB 126 (2.6.1934), S. 499. Das folgende Zitat ist ebd. Erhard Schütz: Das gute Buch der Bücher. In: literatur.com. H. von dems. / Thomas Wegmann. Berlin 2002, S. 68. Diese Tradition fing in Deutschland mit Gutenberg an und wurde durch das Bildungsbürgertum verstärkt. Ebd., S. 77.

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das ›gute Buch‹ erlaubte es, Kontinuität zu Deutschlands reicher kultureller Vergangenheit zu suggerieren und ihr kulturelles Renommee aufzuwerten. Ferner implizierte das ›gute Buch‹ einen Gegensatz zum ›schlechten‹ Buch und stellte damit eine sehr brauchbare Formel für ein politisches System dar, in dem Zensur geübt wurde.289 Wollte die Diktatur »das gute Buch den breitesten Volksschichten zugänglich«290 machen, so wurde damit auf euphemistische Weise die Bahn dafür freigemacht, das gesamte Schrifttum, das sich nicht als ›gut‹ bezeichnen ließ, zu beseitigen. ›Das gute Buch‹ war hier eine selbstlegitimierende Formel für die literaturpolitische Förderungs- und Zensurpolitik. Überdies war der Ausdruck des ›guten Buchs‹ eine ausgezeichnete wirtschaftliche Vermarktungsformel, weil er als Chiffre für zeitübergreifende Werte und Normen spontan Assoziationen der Qualität hervorrief. So wurde er nicht nur von den literaturpolitischen Lenkungsinstanzen als Mittel der kulturellen Selbstvermarktung, sondern auch von einzelnen Verlagen, die sich als privatwirtschaftliche Unternehmen um den Absatz ihrer Bücher sorgten, als Werbemittel eingesetzt. Die Verlage knüpften an die staatliche Propaganda für das ›gute Buch‹ an, strebten dabei in der Regel jedoch weniger nach ideologischen als profitorientierten Ziele.291 Nicht zuletzt erlaubte die im nationalsozialistischen Diskurs häufig geführte Rede vom ›guten Buch‹ den literaturpolitischen Instanzen, im Bereich der Belletristik zwischen der ›großen Dichtung‹ und der ›leichtesten Unterhaltung‹ eine dritte Ebene anzusiedeln. Der Ausdruck erhielt in diesem Zusammenhang eine ganz eigene programmatische Bedeutung, die sich u. a. im Projekt des ›neuen deutschen Unterhaltungsromans‹ konkretisierte. Das ›gute Buch‹ oder ›gute Unterhaltungsbuch‹ bezeichnete in diesem Fall eine besondere Mischform von Literatur und Dichtung, Publikumsgeschmack und Ideologie, die noch produziert werden müsste.292 In diesem Zusammenhang sind auch die andauernden Klagen über das Ausbleiben des herbeigesehnten ›guten Buchs‹ zu verstehen: »Wir vermissen […] schmerzlich den guten deutschen Unterhaltungsroman«,293 »Wo unsere Kinder gute Bücher lesen wollen, müssen sie vielfach noch auf die aus vergangenen Zeiten zurückgreifen«,294 »Der

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In der DDR wurde in ähnlichem Sinne vom ›anständigen Buch‹ gesprochen (vgl. Westdickenberg: ›Diktatur des anständigen Buches‹. [o.V.]: BDB 63 (14.3.1936), S. 243. Vgl. u. a. die Buchwerbung der Büchergemeinschaft Gutenberg (»Schenken Sie jeden Menschen die Abende, an denen er nach seiner Tagesarbeit zu einem Buch greifen kann. Aber ein gutes Buch muß es sein.«) und die Werbung für die Feldausgaben des Bertelmann Verlags (»Von heute ab schicke ich dir regelmäßig ein gutes Buch, und zwar nehme ich die schönen Bertelsmann-Ausgaben.«). Diese Mischform wird in Kapitel 3.4.3. kontextualisiert und ausführlicher dargestellt. Haegert: BDB 94 (23.4.1940), S. 150. Goebbels’ Rede Buch und Schwert zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches vom 26.10.1941 (zitiert nach: Joseph Goebbels: Das Eherne Herz. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1941/42. München 1943, S. 62).

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Mangel an guten Erlebnisbüchern dürfte zu einem wesentlichen Teil auf den Mangel an geeigneten Autoren zurückzuführen sein«.295 Wie das programmatisch imprägnierte Attribut ›gut‹ im nationalsozialistischen Koordinatensystem konkret zu verstehen war, lässt sich nicht eindeutig festlegen. Im Börsenblatt hieß es im November 1938 in der für den Nationalsozialismus charakteristischen Vagheit, »wenn es unserem Volke nützt, dann ist es gut, wenn es ihm schadet, dann ist es schlecht.«296 Vage Bestimmungen wie diese, die dem Staat und seiner Repressionspolitik absolute Willkür garantierten, wurden einerseits durch ein Gesetz der Reichsschrifttumskammer konkretisiert, das sowohl von Autoren als auch von deren Werken ›rassische Eignung‹, ›Sittlichkeit‹ und ›politische Zuverlässigkeit‹ verlangte. Das Adjektiv lässt sich in diesem Zusammenhang als Komplement des Attributs ›deutsch‹ verstehen, das ebenfalls aus der bildungsbürgerlichen Semantik übernommen wurde und als Ausdruck und Sinnkategorie der angestrebten Gemeinschaft und Nationalkultur fungierte.297 Andererseits wurde der Inhalt des Adjektivs über dessen Oppositionscharakter bestimmt, etwa wenn es der ›leichten Lektüre‹ gegenübergestellt wurde: Und so wie wir im Frieden schon jahrelang dafür arbeiten, daß das gute Buch in den Werkbüchereien die erste Stelle bekommt, so müssen wir auch dafür sorgen, daß das gute Buch sich an der Front durchsetzt. […] Darum sagte ich, es ist eine Beleidigung für diese Soldaten, wenn man ihnen die nächstbesten billigen Schundhefte schickt.298

Über den Gegensatz zum ›Konsumgut‹, zur ›Eintagskost‹ und zur ›Modeliteratur‹ wurde das ›gute Buch‹ schließlich auch idealtypisch mit den propagandistisch verwertbaren Merkmalen der Dauerhaftigkeit und der Tiefenwirkung assoziiert: »Das gute Buch jedenfalls wird zu allen Zeiten seinen ewigen Wert behalten«.299 In der Praxis wurden Bücher demgegenüber häufig bereits als ›gut‹ bezeichnet, wenn sie nicht gegen »einfachste[ ] erzieherische[ ] und nationale[ ] Grundsätze«300 des Nationalsozialismus verstießen.301

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[o.V.]: BK 1941, S. 104. Schulz: BDB 262 (10.11.1938), S. 876 [eigene Hervorhebung]. Zur sinnstiftenden Bedeutung bildungsbürgerlicher Semantik, insbes. des Attributs ›deutsch‹ vgl. Georg Bollenbeck: Das unrühmliche Ende einer widersprüchlichen Geschichte. In: Historismus, Sonderweg und dritte Wege. Hg. von Gérard Raulet. Frankfurt/M. u. a. 2001, S. 322. Lorch: BK 1940, S. 33. Goebbels (zitiert nach: E. Langenbucher: BDB 77 (1.4.1941), S. 122). Losch: BDB 88 (16.4.1940), S. 138. Die unterschiedlichen Gebrauchszusammenhänge und Funktionen des Attributs ›gut‹ werden im Kapitel 3.4. am Umgang mit dem Unterhaltungsschrifttum illustriert.

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3.2.5. Schlussbemerkung Die empirisch orientierten Ausführungen machen klar, dass verschiedene Dichtungs-, Literatur- und Kitschbegriffe gebraucht wurden, um die Komplexität des literarischen Feldes beschreibbar und auch bewältigbar zu machen. Der Begriff ›Dichtung‹ reichte – als positiv konnotierter Begriff – vom Nibelungenlied über Weimarer Klassiker, die Romantiker und die Realisten bis hin zur nationalsozialistischen Dichtung der Parteidichter und der politischen Prominenz. Das Wort ›Literatur‹ umfasste ein weites Spektrum von der ›entarteten‹ Literatur über die Unterhaltungsliteratur bis hin zur ›neuen deutschen Heimatliteratur‹ und konnte somit sowohl radikal negativ als auch (gemäßigt) positiv konnotiert sein. Der grundsätzlich negativ besetzte Kitschbegriff bezeichnete im Dritten Reich zum einen die sentimentale Trivialliteratur und zum anderen das pseudopolitische ›Konjunkturschrifttum‹, die beide unterschiedlich bewertet und behandelt wurden. Gleichzeitig erhielten die althergebrachten Begriffe ›Dichtung‹, ›Literatur‹ und ›Kitsch‹ auch spezifischere Bedeutungen im Rahmen der NS-Propagandapolitik. Zunächst wurden sie nicht nur als unterschiedliche Stufen literarischer Qualität, sondern auch und vor allem als ideologische Kodierungsarten verstanden, die Inhalte auf unterschiedliche Weise darstellten und interpretierten. Jede Form wurde dementsprechend mit einem Set von Themenbereichen, Kriterien und Textverfahren und somit auch mit einer spezifischen Erschließung der Wirklichkeit korreliert. So wurde der Begriff der ›Dichtung‹ z. B. als die reinste Ausdrucksform der nationalsozialistischen Weltanschauung, der Begriff des ›Kitsches‹ als Antithese zur nationalsozialistischen Weltanschauung und der Literaturbegriff entweder als ideologischer Gegenbegriff zur ›Dichtung‹ oder aber als ideologische Zwischenform zwischen ›Kitsch‹ und ›Dichtung‹ konzipiert. Ferner wurden die drei Begriffe als Kategorien für jeweils bestimmte Leserkreise funktionalisiert. Diese Ausdifferenzierung des Lektüre-Angebots war eine pragmatische Antwort einerseits auf die Realität des Buchmarkts, andererseits auf das in sich differenzierte Publikum, das das Regime an sich zu binden versuchte. Die Kategorie des ›Kitsches‹ wurde u. a. instrumentalisiert, um literarisch ungeschulte Leser zu erreichen. Die Zwischenkategorie der ›Literatur‹ wurde u. a. eingesetzt, um Leser anzusprechen, die politisch noch überzeugt werden mussten. Die ›Dichtung‹ war in erster Linie für Gebildete und Parteigänger gedacht und sollte nach einem graduellen Erziehungsprozess auch die anderen Gruppen der Bevölkerung erreichen. Nicht zuletzt bedienten die verschiedenen Kategorien auch unterschiedliche Wirkungsabsichten. Während z. B. die Stimmungspolitik in erster Linie mit ›Kitsch‹ operierte, richtete sich die Haltungspolitik hauptsächlich auf die Kategorie der ›Dichtung‹. Schließlich wurden die unterschiedlichen Begriffe auch dafür gebraucht, gesellschaftliche, materielle und ideologische Ungleichzeitigkeiten auszugleichen, zu kennzeichnen, zu etablieren oder auch zu fördern. Im folgenden Kapitel werden diese Ungleichzeitigkeiten, die ein konstitutives Wesensmerkmal des nationalsozialistischen 331

Regimes waren, zur Deutungskategorie für die Analyse des literarischen Feldes im Dritten Reich gemacht.

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3.3 Die Deutungskategorie der totalitären Ungleichzeitigkeit

Die aufgezeigte Ausdifferenzierung des literarischen Feldes im Dritten Reich gewinnt an Bedeutung, wenn man sie im Licht eines Grundwiderspruchs der Diktatur betrachtet und der Diskrepanz zwischen der in die Gegenwart fortwirkenden, regimewidrigen Vergangenheit und der vom Regime angestrebten Zukunft Rechnung trägt. Diese »Vermischung der zeitlichen Ebenen«, wie Burkhard Conrad sie bezeichnet, ist typisch für jeden Epochenübergang und jede neuzeitliche Gesellschaft.1 Sie entspricht Ernst Blochs Kategorie der Ungleichzeitigkeit,2 die auf die unvermeidliche Koexistenz verschiedener ›Zeiten‹ in derselben Gegenwart verweist und das Hier und Jetzt, um nochmals mit Conrad zu sprechen, als einen »mehrschichtigen Bau« konzeptualisiert, »in welchem man das Vorher und auch das Nachher ineinander geschoben vorfinden kann.«3 Die Gegenwart ist dieser Erkenntnis zufolge nicht in der Linearität eines geschlossenen Systems, sondern in der Widerspruchslogik eines offenen Systems zu verorten und als »vielrhythmisches und vielräumiges [Wesen] mit genug unbewältigten und noch keineswegs ausgehobenen, aufgehobenen Winkeln« zu verstehen.4 Stellt dieses plurale und vielräumige Nebeneinander der Gegenwart eine Bedrohung für die Stabilität und Homogenität einer jeden Gesellschaft dar,5 so gilt dies in besonderem Maße für eine totalitäre Diktatur wie die nationalsozialistische, die sich darüber definiert, eine kontrollierbare, alles einschließende Gleichzeitigkeit zu schaffen. Besonders in den gesellschaftlichen Übergangsphasen, also am Anfang und am Ende der Diktatur, war das Problem der ungleichzeitigen Interferenzen akut. In den ersten Jahren nach der Machtergreifung mussten die neuen Machthaber die Gesellschaft noch von allen ›regimefeindlichen‹ Kräften ›vergangener‹ Zeiten ›säubern‹, in den letzten Jahren ihrer Herrschaft sich buchstäblich gegen die Vertreter einer unabwendbaren Zukunft wehren. Aber auch zwischen diesen Eckdaten existierte ei-

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Burkhard Conrad: Zur Ungleichzeitigkeit in der Weltgesellschaft. In: Arbeitspapier der Forschungsstelle Kriege, Rüstung und Entwicklung der Universität Hamburg 1 (2002), S. 1f. und 5f. Ernst Bloch erläutert diese Kategorie in seiner Faschismustheorie Erbschaft dieser Zeit, deren Erstauflage 1935 erschien. Der Begriff lässt sich mit Michel Foucaults Begriff der ›Diskontinuität‹, Walter Benjamins Konzept der ›mehrschichtigen Dialektik‹ und Reinhart Kosellecks Ausdruck der ›vergangenen Zukunft‹ in Verbindung bringen. Conrad: Ungleichzeitigkeit, S. 2. Bloch 1935 (zitiert nach: Roger Behrens: Aktualisierung des Ungleichzeitigen. In: UTOPIEkreativ 153–154 (2003), S. 710). Conrad: Ungleichzeitigkeit, S. 2f.

333

ne fortwährend von Widersprüchen geprägte Gemengelage, die von den Propagandisten berücksichtigt werden musste. Der Grund dafür liegt einerseits darin, dass der Zeitraum von zwölf Jahren dem Regime zu kurz war, um seine ideologischen Vorstellungen und politischen Ambitionen praktisch in vollem Umfang umzusetzen. Andererseits wäre es, wie Conrad unterstreicht, »naiv«, Ungleichzeitigkeiten »als vorübergehend einzustufen«: 6 Da man sich in einer Entwicklung in einen offenen Raum und eine offene Zukunft hinein bewegt, kann […] nicht davon die Rede sein, daß man zu Zeitpunkt A Epoche B verlassen hat, für eine Dauer C sich in einem ungleichzeitigen Übergang befindet, um dann zum Zeitpunkt D wieder in eine neue Epoche E einzutreten.

Das Ziel der totalen Gleichzeitigkeit war dementsprechend zu jeder Zeit eine unerreichbare Utopie. Mit Augustinus gesprochen, war immer mit wenigstens drei ›Zeiten‹ zu rechnen: mit einer »Gegenwart vergangener Dinge, eine[r] Gegenwart gegenwärtiger Dinge und eine[r] Gegenwart zukünftiger Dinge«.7 Bezogen auf das Dritte Reich,8 sahen sich die Lenkungsinstanzen einerseits fortwährend gezwungen, die ihren Zielen querliegenden Ungleichzeitigkeiten zu bekämpfen. Andererseits waren sie sich aber auch der Unausweichlichkeit und sogar der propagandistischen Vorteile einer mehrschichtigen Gegenwart bewusst mit dem Ergebnis, dass sie diese Ungleichzeitigkeiten auch duldeten, selber inszenierten oder förderten, wenn dies im Interesse einer möglichst vollständigen ideologischen Durchdringung der Gesellschaft war. Dabei zeigt sich dasselbe Paradox wie beim Verfahren der totalitären Differenzierung: Genauso wie die Differenzierung als Methode gebraucht wurde, um das totalitäre Ziel der Gleichschaltung zu erreichen, wurde die diskursive Inszenierung der Ungleichzeitigkeit gebraucht, um die Illusion einer totalitären Gleichzeitigkeit herzustellen. Der literarische Bereich im Dritten Reich lässt sich in mehrfacher Hinsicht im Licht dieser Ungleichzeitigkeiten analysieren. Das Kriterium der ›Gestaltung‹ z. B., das als Wesensmerkmal der angestrebten ›nationalsozialistischen Dichtung‹ galt, lässt sich genauso wie die Prägung des ›nationalsozialistischen Realismus‹ als Antwort auf die Kluft zwischen den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen und den nationalsozialistischen Zukunftsentwürfen lesen, die im Folgenden als gesellschaftliche Ungleichzeitigkeit umschrieben und weiter ausgearbeitet wird. Die Diskrepanz zwischen den literaturpolitischen Ansprüchen und dem realen literarischen Buchmarkt lässt sich als die Folge zweier Ungleichzeitigkeiten verstehen. Zum einen illustriert das fast vollständige Fehlen der vom Regime herbeigesehnten ›Dichtung‹ und in be-

6 7 8

Ebd., S. 14. Das folgende Zitat ist ebd. Zitiert nach: Schäfer: Amerikanismus, S. 132. Bloch benutzt das Theorem der Ungleichzeitigkeit zur Erklärung der Bedingungen und Ursachen, die die nationalsozialistische Gesellschaft möglich gemacht haben. Deutschland ist für ihn das Land der Ungleichzeitigkeit schlechthin: »Deutschland […], dem bis 1918 keine bürgerliche Revolution gelungen war, ist zum Unterschied von England, gar Frankreich das klassische Land der Ungleichzeitigkeit, das ist, der unüberwundenen Reste älteren ökonomischen Seins und Bewusstseins« (Erbschaft dieser Zeit, S. 113f.).

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schränkterem Maße auch des ›guten deutschen Buchs‹ eine materielle oder objektive Ungleichzeitigkeit: Dieses Schrifttum wurde vom Regime gewünscht und gefördert, war materiell jedoch höchstens in Ansätzen vorhanden, so dass sich die Diktatur zu einer Reihe von legitimierenden Erklärungsversuchen gezwungen sah. Zum anderen bieten das zwischen 1933 und 1945 in Deutschland vorhandene regimekritische und abgekehrte Schrifttum wie auch die unaufhaltsame Produktion der durch die NS-Literaturpolitik viel geschmähten Kitschliteratur Beispiele für eine ideologische oder subjektive Ungleichzeitigkeit. Dieses Schrifttum war materiell vorhanden, wurde jedoch unter ideologischem Gesichtspunkt als unzeitgemäß eingestuft. Im Gegensatz zur materiellen Ungleichzeitigkeit generierte diese ideologische Ungleichzeitigkeit auf Seiten des literaturpolitischen Apparats verschiedene Haltungen von Verbot über Duldung bis hin zu indirekter Förderung. Im Folgenden wird die Relevanz der Deutungskategorie der Ungleichzeitigkeit dargelegt, um sowohl die Unvermeidlichkeit als auch die propagandistische Ausnutzung der terminologischen und realen Ausdifferenzierung des literarischen Feldes im Dritten Reich zu erklären. Das Konzept der Ungleichzeitigkeit wird dabei in verschiedene Aspekte zerlegt und konkretisiert. In Kapitel 3.3.1.1. stehen die ungleichzeitigen Entwicklungen im politischen und im kulturellen Bereich im Mittelpunkt, in den darauf folgenden Kapiteln resp. die inhärente Ungleichzeitigkeit von imaginären Formationen (3.3.1.2.), der Umgang mit unerwünschten Un/Gleichzeitigkeiten (3.3.1.3.) und die systemstabilisierende Ungleichzeitigkeit von Bewusstseinslagen (3.3.1.4.). 3.3.1.1 Das ›Nachhinken‹ der ›Dichtung‹ Die Kategorie der Ungleichzeitigkeit beschreibt die Tatsache, dass die verschiedenen Sektoren der modernen Gesellschaft auf ihre je eigene Weise auf gesellschaftliche Umbrüche reagieren. Sie weist darauf hin, dass die einzelnen gesellschaftlichen Bereiche trotz wechselseitiger Austauschverhältnisse einem je eigenen Tempo unterliegen und sich in ihrer Eigendynamik von den übrigen Bereichen abgrenzen. Trotz diverser Anstrengungen, um diese Eigendynamik möglichst weitgehend auszuschalten,9 mussten die literaturpolitischen Lenkungsorgane einsehen, dass die funktional ausdifferenzierten Systeme des politischen und kulturellen Sektors sich nicht vollständig kontrollieren bzw. gleichschalten ließen. Die Tatsache, dass der politische Umbruch nicht mit der gewünschten Literatur einherging, zwang sie dazu, dem literarischen Bereich eine eigene zeitliche Logik zuzugestehen und die langsame Entwicklung zu legitimieren: »Leben und Dichtung stehen in engster Wechselbeziehung zueinander. Sie bilden, gestalten gemeinsam, doch nicht immer zu gleicher Zeit.«10 Zum einen sollte dabei der Rekurs auf die Geschichte belegen, dass die Dichtung politischen, militärischen, weltanschaulichen

9 10

Vgl. die Vorbemerkung zum Prinzip der totalitären Differenzierung als Verfahren der Gleichschaltung. [o.V.]: Buch und Schwert – Sinnbild unserer Zeit. Das ›Großdeutsche Dichtertreffen 1940‹. In: BDB 253 (29.10.1940), S. 398.

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und auch religiösen Ereignissen unvermeidlich hinterherhinke. »Die großen Dichtungen der christlichen Aera«, verkündete u. a. das Rosenbergamt in seinen vertraulichen Mitteilungen nur zum Gebrauch für amtliche Stellen und Organisationen, »sind schliesslich auch erst geschaffen worden, nachdem die ersten Gläubigen für ihren Glauben und ihr neues Weltbild gelebt, gelitten und durch dies ihr Leben die neuen Werte gesetzt hatten«.11 Der nationalsozialistische Lyriker Herbert Böhme führte den Ersten Weltkrieg als Beweis dafür an, dass [z]wanzig Jahre […] vergehen [mussten], bis das deutsche Volk zu seinen Kriegsromanen fand. Nicht viel weniger brauchen wir auch für den Roman der Bewegung. […] Ganze Liebe hat das Volk zu Knut Hamsun. Ihm selbst ist noch kein Hamsun geschenkt […].12

Gleichermaßen beliebt, um das Defizit an Dichtung als einen natürlichen und vorübergehenden Zustand zu domestizieren, war die organische Metaphorik des Wachstums. »Um […] auf die Beantwortung der Frage nach dem Vorhandensein oder Nochnichtvorhandensein der neuen nationalsozialistischen Dichtung zu kommen,« so wiederum die vertraulichen Mitteilungen des Rosenbergamtes, muss offen bekannt werden, dass wir uns nicht anheischig machen, diese gewiss kommende Dichtung aus dem Boden stampfen zu wollen. Der Geist nämlich, aus dem etwas so Grosses und Geheimnisvolles zu wachsen vermag wie es echte Dichtung ist, bleibt unveräusserlich und will sich allmählich erst auf organische Weise heranbilden.13

Die Zeitschrift Nationalsozialistische Bibliographie, deren spezifische Aufgabe im »Schutze des NS.-Schrifttums« lag, tat 1937 Kund, sie nehme »nur vereinzelt die sogenannte ›Schöne Literatur‹ und ihre verwandten Gebiete« auf, weil es dem Dritten Reich noch an »Dichtungen« mangele, »die wir als aus unserer Weltanschauung entstanden bezeichnen können«.14 »Sie unterliegen einem Wachstumsprozeß«, so wurde erklärt, in den die Partei bewußt nicht eingegriffen hat, weil – weitab von der eitlen Geschäftigkeit und Konjunkturhascherei, die nur an der Zeit verdienen, nicht aber dienen will, – sich Dichtung aus unserer Weltanschauung allmählich hervorbildet […].

Das Argument der langsamen Entwicklung wurde, wie auch dieses Zitat illustriert, besonders in den ersten Jahren der NS-Herrschaft durch die Kritik an der allzu raschen Anpassung der Literatur an die nationalsozialistische Weltanschauung unterstützt.15 In späteren Jahren wurde es auch in der Debatte gegen die »Flut der Übersetzungen«16 eingesetzt:

11 12 13 14 15 16

BArch NS 8/153. Herbert Böhme (1939) (zitiert nach: Vondung: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literaturtheorie, S. 36). BArch NS 8/153. [o.V.]: NSB 10 (1937), S. 4. Das folgende Zitat ist ebd. Vgl. die Besprechung des Konjunkturschrifttums in Kapitel 3.3.1.2. Friedhelm Kaiser: Das deutsche Schrifttum und die Übersetzungsflut. In: NSB 3–4 (1939), S. 104.

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Unsere Zeit ruft nach Dichtern, – gut, so müssen wir aber auch ihr Wort hören, so müssen wir zeigen, daß wir auf sie warten, so müssen wir diesen wie allen Früchten die Zeit des Reifens geben und nicht vorher uns übersättigen oder sonst den Magen verderben mit den Erzeugnissen anderer Erdzonen fremder Treibhäuser.17

Die Diskussion über die materielle Ungleichzeitigkeit der ›nationalsozialistischen Dichtung‹ knüpfte damit unmittelbar an die Debatte über die ideologische Ungleichzeitigkeit des unerwünschten Schrifttums an. Vor dem skizzierten Hintergrund haben die Lenkungsinstanzen den Begriff der ›Dichtung‹ als Antwort auf eine objektive Ungleichzeitigkeit und somit zur Charakterisierung eines Schrifttums gebraucht, das sie in der NS-Zeit noch nicht realisiert sahen. 3.3.1.2. Die Vorausdeutung in der ›Dichtung‹ Bis zu seinem Untergang war das Dritte Reich ein Reich im Aufbau.18 Dazu war die Zeit von 1933 bis 1945 auch stets eine Übergangsphase zur Realisation der immer weiter gesteckten Ziele der Machthaber, die von der deutschen ›Volksgemeinschaft‹ über das großdeutsche und großgermanische Reich bis hin zum ›neuen Europa‹ unter deutscher Führung reichten. Diese Situation hatte zur Folge, dass die Bevölkerung ständig und dauerhaft für längerfristige Zukunftsziele mobilisiert werden musste. Von allen literarischen Kategorien wurde besonders die Dichtung mit der Aufgabe betraut, den Fokus auf die sich bereits anbahnende Zukunft zu lenken: Noch ist vieles im Werden, noch ist der Durchbruch zu einem neuen Denken nicht überall vollzogen. Aber überall bahnt Neues sich an. Die Dichter in allen Ländern ahnen es bereits, sehen es schon, beginnen es seherisch zu gestalten […].19

Der Dichter wurde beauftragt, nicht nur das künftige Geschehen zu konzeptualisieren, sondern gleichzeitig auch modellhaft in die Zukunft weisende Handlungsanweisungen bereitzustellen und so seine Verwirklichung voranzutreiben.20 Die Metapher des Wachstums wurde in diesem Zusammenhang nicht auf den Prozess des Dichtens bezogen, sondern vielmehr auf den Gegenstand der Dichtung, nämlich das werdende Reich: »Die Aufgabe unserer Zeit sehen wir darin,« so Hellmuth Langenbucher 1941

17 18

19 20

Ebd., S. 102. Hans Buchheim definiert diese Situation in seiner Studie zur totalitären Herrschaft als permanent: »Weil die totalitäre Herrschaft Unmögliches anstrebt, […] vermag sie sich nur fragmentarisch zu verwirklichen. Es liegt in ihrem Wesen, daß sie ihr Ziel niemals erreicht und total wird, sondern tendenziell, ein Herrschaftsanspruch bleiben muß.« (Totalitäre Herrschaft. Wesen und Merkmale. München 1962, S. 43). Anonyme Programmerklärung der Zeitschrift Europäische Literatur in ihrem ersten Heft, 5 (1942), S. 3. Vgl. Hans Friedrich Blunck: Sachliche Neuordnung im Schrifttum. In: BDB 10 (12.1.1935), S. 33: Es »ist die kluge Aufgabe aller Politik […], gemeinsam mit dem Dichter […] die Vorahnung und das Wissen vom Kommenden zu finden und die Zukunft schon heute auszufüllen und zu lenken.«

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in seinem Buch Volkhafte Dichtung der Zeit, »eine heroische Kunst zu schaffen, die der heroischen Weltauffassung und Lebenshaltung der deutschen Bewegung entspricht […]. In einer solchen heroischen Kunst […] sehen wir die heraufwachsende Gestaltwerdung unserer Zeit.«21 Die Inanspruchnahme der Dichtung als literarische Antwort auf die Kluft zwischen bestehenden Verhältnissen und Zukunftsentwürfen erinnert an die von Georg Bollenbeck konstatierte »spezifisch deutsche Ungleichzeitigkeit«,22 die zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Herder, Schiller, Arndt und Fichte vorformuliert und in den nachfolgenden Jahrzehnten vom Bildungsbürgertum aufgegriffen wurde. Schiller hatte 1801 auf die Asymmetrie der politischen und geistigen Welt in Deutschland hingewiesen, indem er das Wanken des politischen Reiches mit einer immer festeren und vollkommeneren Bildung des Geistigen verband.23 Dieser Gedanke hatte sich nach dem Scheitern der deutschen Staatsgründung im kollektiven Bewusstsein der Gebildeten festgesetzt. Die Dichtung hatte sich allmählich als »Kompensation für die verlorene« und »Vorbote einer noch zu schaffenden nationalstaatlichen Einheit« etabliert.24 Parallel dazu war ein spezifisch deutscher Realismus entstanden, dessen Literatur »ein von der empirischen Realität verschiedenes Bild der Wirklichkeit und der Gesellschaft« entwarf und der Verarbeitung und Verbreitung der bürgerlichen Interessen diente.25 Bei aller Unterschiedlichkeit in Inhalt und Zielsetzung26 gibt es Parallelen zwischen dieser bildungsbürgerlichen und der nationalsozialistischen Instrumentalisierung der Dichtung. Auch die Diktatur betrachtete und brauchte die Dichtung als äußerst geschicktes Medium der Ungleichzeitigkeit und plädierte für eine – wenn auch ganz unterschiedlich gelagerte – politisch instrumentalisierbare Form des Realismus.27 In diesem Zusammenhang kann festgehalten werden, dass die Diktatur die Kategorie der Dichtung als Antwort auf die gesellschaftliche Ungleichzeitigkeit und damit als Bezeichnung für ein Schrifttum brauchte, das ihre noch nicht realisierten Idealvorstellungen zum Ausdruck bringen sollte.

21 22 23 24 25 26

27

H. Langenbucher: Volkhafte Dichtung, S. 34f. [eigene Hervorhebung]. Georg Bollenbeck: Tradition, Avantgarde, Reaktion. Deutsche Kontroversen um die kulturelle Moderne 1880–1945. Frankfurt/M. 1999, S. 93. Vgl. ebd., S. 92. Ebd., S. 92. Sabina Becker: Bürgerlicher Realismus. Literatur und Kultur im bürgerlichen Zeitalter 1848–1900. Tübingen, Basel 2003, S. 10. So z. B. die Tatsache, dass der bürgerliche Realismus das Innenleben des Individuums zentral stellte, während der nationalsozialistische Realismus die Einbindung des Individuums in das Kollektiv bewirken wollte. Es würde sich in dieser Hinsicht lohnen, die Kontinuitäten und Diskontinuitäten und damit auch die allgemeinen Merkmale und spezifischen Ausprägungen des ›deutschen Realismus‹ in der Zeit des Bürgertums, des Dritten Reichs und der DDR zu untersuchen (vgl. Kapitel 3.2.2.4.).

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3.3.1.3. Die Fortwirkung der Vergangenheit in ›Kitsch‹ und ›Literatur‹ Im Gegensatz zur ›nationalsozialistischen Dichtung‹, die nur in Ansätzen realisiert wurde und bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges vielfach ein idealtypisches Konzept blieb, sah sich die Literaturpolitik im Hinblick auf die »reine Konsum- und Zeitvertreibsliteratur«28 mit dem umgekehrten Umstand, nämlich mit einem realhistorischen Phänomen konfrontiert, das nicht ihren Ansprüchen entsprach. Die Lenkungsinstanzen schrieben diese verfemte Trivialliteratur als zu beseitigenden Überrest einer unerwünschten Vergangenheit fest und versuchten auf diese Weise, einen deutlichen Trennungsstrich zwischen der nichtnationalsozialistischen Vergangenheit und der nationalsozialistischen Zukunft zu inszenieren. Diese Argumentation war typisch für das durch die NS-Propaganda verbreitete teleologische Abfolgedenken, dem zufolge der Nationalsozialismus als höchste Stufe der Entwicklung alle früheren Entwicklungsstufen aufgehoben hätte. Sie manifestiertre sich im literarischen Bereich als eine durchgängige Strategie, Regimewidriges mit der Vergangenheit zu assoziieren und oft auch schon eine erfolgreiche ›Überwindung‹ dieser Vergangenheit zu suggerieren. So wurde L’art pour l’art radikal als eine »Parole von vorgestern«29 abgetan. Bücherlesen sei im Dritten Reich »nicht mehr nur eine intellektuelle Angelegenheit wie gestern«.30 »Thomas Mann, Lion Feuchtwanger und wie die übrigen literarischen Juden und Judengenossen alle heißen« seien als »jüdische[ ] Literaten des Weimarer Staates« durch die »geistigen Repräsentanten des Deutschen Reiches der Gegenwart« abgelöst worden.31 Zur Unterstützung dieses Umbruchgedankens wurden die Begriffe ›alt‹ und ›neu‹ systematisch als sich gegenseitig ausschließende Bezugswerte verwendet.32 Dazu wurde häufig auf den Topos der Jugend als Symbol für den radikal neuen, revolutionären und zukunftsträchtigen Charakter der nationalsozialistischen Bewegung rekurriert.33 Repräsentativ für diese

28 29 30 31 32

33

Dähnhardt: BDB 93 (24.4.1937), S. 10. [o.V.]: EL 1 (1942), S. 3. A. Franke: BDB 57 (7.3.1936), S. 214. hi: BK 6 (1939), S. 322, und Peuckert: NSM 1944, S. 253. Das Adjektiv ›alt‹ wurde konsequent als Synonym für ›überholt‹, ›absterbend‹ und ›vergangen‹, die Adjektive ›neu‹ und ›jung‹ als Synonyme für ›zeitgemäß‹, ›nationalsozialistisch‹, ›lebenskräftig‹, ›aufstrebend‹ und ›zukunftsträchtig‹ benutzt. Durch den gezielten Gebrauch dieser Adjektive wurde rein sprachlich eine Neuordnung inszeniert, die die ›alte Welt‹ restlos durch ein ›neues Europa‹ ersetzte. So war es z. B. politisch bedeutungsvoll, dass analog zum ›erwachten jungen Deutschland‹ von einem ›jungen‹ und ›neuen‹ Flandern, dagegen von einem ›alten Belgien‹ und der belgischen ›Staatsruine‹ die Rede war. Der belgische Staat sollte im nationalsozialistischen Zukunftsentwurf eines nach dem völkischen Prinzip geordneten Europa verschwinden, das flämische Volk Teil des großgermanischen Reiches werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Assoziierung von Flandern mit Wiegen, von Wallonien mit Särgen zu erwähnen (vgl. Ine Van linthout: L’impossibilité d’une littérature belge: la Belgique vue par l’Allemagne nazie. In: Une Europe en miniature? Themenheft der Zeitschrift Textyles. Revue des lettres belges de langue française (14) 2004, S. 63–69). Zu dem aus der Romantik stammenden Topos der Jugend als Sinnbild des Neuen, Vitalen, auf Veränderung Drängenden und seiner Nutzung durch autoritäre Diktaturen von den faschistischen und nationalsozialistischen Systemen der Zwischenkriegszeit bis zu den so-

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Praxis ist Hellmuth Langenbuchers Beschreibung der Tatsache, dass der Nationalsozialismus die vermeintliche Entwertung des Buchs durch die Weimarer Republik überwunden habe: Nach einer aushöhlenden zivilisatorischen Zwischenepoche, die wir dank unserer biologischen Jugendlichkeit nicht nur überstanden haben, sondern die uns geradezu zum Anstoß einer durchgreifenden Erneuerung geworden ist, sind wir nun wieder dahin gekommen, wo wir an der Erfüllung unserer Art und unseres Schicksals zu arbeiten beginnen können. […] Es war mit ein Stück Liberalismus, daß die letzte Generation vielfach nur das als inhaltlich und grundsätzlich bedeutsam ansah, was sich der Form nach mehr ungesund eigensinnig als gesund eigenwillig verschloß. Dieser Zustand ist überwunden, die Vorbilder für einen ihn ablösenden, neuen, gesünderen, unserer Art entsprechenden Zustand sind gegeben. Die Kulturbedeutung des deutschen Buches steht in kaum überschätzbarer Größe und Verantwortungsfülle vor uns.34

Trotz dieser Rhetorik fanden sich in den nationalsozialistischen Organen – keineswegs nur in den ersten Jahren der NS-Herrschaft – zahlreiche Hinweise auf das Fortbestehen einer unerwünschten Vergangenheit. Eberhard Hasper warf im Oktober 1935 im Börsenblatt der auf dem Buchmarkt vorhandenen ›Volksliteratur‹ vor, sie sei der »Zeit des literarischen Intellektualismus« verhaftet und habe sich dementsprechend »noch nicht annähernd dem Begriff ›Volk‹ angepasst, den unsere Zeit [ ]prägt«.35 In den Nationalsozialistischen Monatsheften kritisierte Fritz Helke im selben Jahr den Umstand, dass sich viele Verleger immer noch nach den merkantilen Gesetzen des ›vergangenen liberalistischen Zeitalters‹ richteten und nach wie vor eine Produktion auf den Markt warfen, »von der sie wissen müßten und zweifellos auch wissen, daß sie den Forderungen unserer Zeit nicht nur nicht entspricht, sondern ihnen geradezu entgegenläuft.«36 Diese Kritik entsprach der weit verbreiteten Polemik gegen das proliferierende ›Konjunkturschrifttum‹, das sich aus kommerziellen Gründen (bloß ›äußerlich‹) den neuen politischen Verhältnissen angepasst habe und weltanschaulich (›innerlich‹) einer früheren Zeit verhaftet geblieben sei.37 Sie reflektiert ebenso sehr die bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges anhaltende Unzufriedenheit literaturpolitischer Instanzen mit den Autoren von Jugendliteratur, die nicht verstanden hätten, dass die nationalsozialistische Jugend »nicht gleichgesetzt werden kann der Jugend früherer Generationen« und ihr mit dem »blassen Abklatsch ernsthaften Erlebens, wie er sich im spezifischen Jugendbuch fast ausnahmslos darbietet, nicht mehr gedient« sei.38 Ein weiteres Beispiel für die nicht überwundene Vergangenheit lieferte die Bücherkunde im Juli 1939 mit der Feststellung, dass der Naturalismus, ein »Erbe des ausgehenden 19. Jahrhunderts«,39 immer noch durchwirke und dadurch

34 35 36 37 38 39

zialistischen Staaten der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. Winfried Speitkamp: Jugend als Symbol. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 20 (15.5.2006), S. 15–21. H. Langenbucher: BDB 7 (9.1.1934), S. 23. Hasper: BDB 170 (25.7.1935), S. 608. Helke: NSM 1935, S. 1034 (vgl. Kapitel 2.3.1.). Vgl. Kapitel 3.2.1.2. Helke: NSM 1935, S. 567 (vgl. Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 5.3.1941). Braumüller: BK 1937, S. 631.

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viele Schriftsteller kein Organ für gleichnishafte Kunst hätten.40 Erinnert sei ferner an die Tatsache, dass bei Büchersammlungen bis in die vierziger Jahre hinein vor der Spende von »wertlose[m] Schrifttum und vergilbte[r] Ware von vorgestern« gewarnt wurde.41 Wie ebenfalls bereits aufgezeigt wurde, wurde in nationalsozialistischen Organen ab etwa Mitte der dreißiger Jahre über die unaufhaltsame Blüte eskapistischer Kitschliteratur geklagt, obwohl sie der Propaganda als ›Verfallserscheinung‹ einer ›überwundenen‹ Epoche galt.42 Die unleugbaren Diskrepanzen zwischen dem literaturpolitischen Diskurs und der Realität auf dem Buchmarkt führte gelegentlich zu einer Abschwächung der idealtypischen Trennung zwischen ›alt‹ und ›neu‹, ›überkommen‹ und ›zeitgemäß‹, ›unerwünscht‹ und ›erwünscht‹. Im Hinblick auf den Kitsch wurde 1935 von Seiten des Buchhandels gewarnt, »daß gewisse Übergänge erforderlich sind« und die Äußerungen Ungeduldiger, die am liebsten das bunte Groschenheft von gestern auf heute ersetzt sehen möchten durch die gute, mehr in die Tiefe greifende Kurzgeschichte, […] nicht die schweren wirtschaftlichen Verluste [berücksichtigen], die den Gesamtbuchhandel bereits getroffen haben und weiterhin treffen durch zahlreiche Bücherverbote.43

»Eine künftige Lesergeneration«, so wurde ergänzt, könne nur »schrittweise« an das bessere Buch herangeführt werden. 1940 gestand auch der vertrauliche LektorenBrief des Amtes Schrifttumspflege, die Literaturpolitik brauche Geduld, um dem Volk die Lektüre von Kitsch abzugewöhnen: »Man kann das nicht von heute auf morgen erreichen, zumal weite Kreise ja gerade in kultureller Hinsicht sehr bequem geworden sind.«44 Vor dem Hintergrund der ideologischen Ungleichzeitigkeit wurden der Literaturund Kitschbegriff folgerichtig zur Kennzeichnung des Schrifttums gebraucht, das die Lenkungsinstanzen lieber früher als später überwunden sehen wollten. 3.3.1.4. Der Schein in ›Kitsch‹, ›Literatur‹ und ›Dichtung‹ Im Hinblick auf die Ungleichzeitigkeit zwischen Sein und Schein gibt es im literarischen Bereich wenigstens drei Varianten, die sich überlappen und überhaupt nur unter heuristischen Vorzeichen unterscheiden lassen. Die erste Variante ist die Duldung einer nicht-regimekonformen Scheinwirklichkeit aus strategischen Überlegungen, genauer als Mittel der ›sanften Disziplinierung‹ der deutschen Bevölkerung. Hier ist das Beispiel der Kitschliteratur anzuführen, die zwar verbal abgelehnt wurde, weil sie dem Leser die Flucht in eine dem Nationalsozialismus ferne Traumwelt ermöglichte, jedoch gleichzeitig faktisch geduldet wurde, weil sie dem Leser eine Flucht aus dem Alltag bot. Vor allem Goebbels huldigte sowohl vor dem Krieg als auch 40 41 42 43 44

Vgl. Paulsen: BK 1939, S. 377. Hier: Aufruf von Hanns Johst zu einer Winterhilfsspende der Reichsschrifttumskammer (BDB 292 (17.12.1935), S. 1077). Zu den Büchersammlungen vgl. Kapitel 2.2.2. und 2.2.5. Vgl. Kapitel 3.2.1.1. Köppe-Weglander: BDB 272 (23.11.1935), S. 999. Das folgende Zitat ist ebd. Westecker: LB 5–6 (1940), S. 5.

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während des Krieges dem Prinzip, das Volk müsse mit unpolitischer Unterhaltung zerstreut und abgelenkt werden. Zu dieser Kategorie der Unterhaltung gehörte für den Propagandaminister auch die Kitschliteratur. Sie sollte dem Leser den zeitweiligen Rückzug in eine apathisierende Scheinharmonie ermöglichen und zwecks politischer Herrschaftsstabilisierung eine strategische Ungleichzeitigkeit zwischen Sein und Bewusstsein schaffen. Die zweite Variante betrifft die ideologisch und politisch motivierte Inszenierung einer regimekonformen Scheinwirklichkeit mit dem Zweck, die Realisierung dieser Wirklichkeit voranzutreiben. Typisch ist hier die literarische Verarbeitung der imperialistischen Ambitionen der NS-Diktatur, also die fi ktionale Her- und Darstellung von kultureller und rassischer Verbundenheit in der Literatur im Dienste des angestrebten großdeutschen und großgermanischen Reiches. Indem in Romanen, Novellen, Gedichten und Erlebnisberichten ausländische Bevölkerungsgruppen als ›deutsche Brüder‹ oder ›germanische Blutsverwandte‹ dargestellt wurden, wurde in der Literatur eine Scheinwirklichkeit evoziert, die man kurz- oder längerfristig politisch zu erreichen hoffte. Es ist unklar, ob zu dieser zweiten Variante auch die literarische Inszenierung der klassenlosen ›Volksgemeinschaft‹ gezählt werden kann. Gemeint ist das literarische Pendant zum Gemeinschaftserlebnis, das durch Veranstaltungen wie das gemeinsame Eintopfessen, Sammelaktionen, das Tragen der Abzeichen des Winterhilfswerks, die bis ins Detail gehende Massenregie von Feiern und Reichsparteitagen,45 Thingspiele46 und groß angelegte Kunstwochen erweckt wurde.47 Das Problem der Klassifizierung besteht im fehlenden Konsens der Forschung darüber, ob es sich bei der ›Volksgemeinschaft‹ »um ein bloßes Theorem, eine Propagandaformel zur Negierung von Klassengegensätzen oder ein spezifisches Strukturelement des Dritten Reiches handelte«.48 Anders gesagt ist strittig, ob die Inszenierung der ›Volksgemeinschaft‹ als bloße Illusion oder reale Intention, als Ziel für sich oder als Mittel zu ihrer faktischen Realisierung zu betrachten ist. Abhängig von dieser Einschätzung ist die literarische Konstruktion der ›Volksgemeinschaft‹ der zweiten oder aber der dritten, nun folgenden Variante zuzurechnen, der es weniger um angestrebte Idealvorstellungen als um irreführende Trugbilder geht.49

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Diese inszenierten Massenszenen wurden zur Verlängerung ihrer Wirkung fotografisch und filmisch aufgenommen. Beispielhaft sind in dieser Hinsicht Leni Riefenstahls Parteitagsfilme Sieg des Glaubens und Triumph des Willens. Zur Ästhetisierung der Politik vgl. Seite 18, Fußnote 13. Zum Thingspiel vgl. u. a. Uwe-K. Ketelsen: Völkische Nationenbildung. Das Thingspiel. In: Kritische Ausgabe 2 (2004), S. 31–33; Johannes M. F. Reichl: Das Thingspiel. Frankfurt/M. 1988; Rainer Stommer: Die inszenierte Volksgemeinschaft. Die ›Thing-Bewegung‹ im Dritten Reich. Marburg 1985. Zur literarischen Inszenierung der ›Volksgemeinschaft‹ vgl. Kapitel 1.2.1. Hans-Erich Volkmann: Erkaufte Volksgemeinschaft. [Rezension zu] Aly Götz: Hitlers Volksstaat. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.3.2005). Der ›Sozialismus der Tat‹ wird in der Forschung sehr kontrovers als ein ›ehrliches Anlie-

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Die dritte Form der Ungleichzeitigkeit lässt sich als die Inszenierung einer nur scheinbar regimekonformen Scheinwirklichkeit umschreiben, die mehr vorgetäuscht als angestrebt wurde. Hier geht es um bewusst verbreitete Propaganda-Fiktionen wie Hitlers Friedensbeteuerungen in den dreißiger Jahren, während gleichzeitig für den Krieg gerüstet wurde. Die in der Forschung allgemein konstatierte Gespaltenheit des Dritten Reichs wird häufig auf diese letzte Kategorie der Ungleichzeitigkeit verkürzt. Begriffe wie Walter Benjamins ›Ästhetisierung der Politik‹, Peter Reichels ›schöner Schein‹ des Dritten Reichs, Franz Jankas ›permanente Inszenierung‹ und Ralf Schnells ›historische Ungleichzeitigkeit des Faschismus zu sich selber‹ beziehen sich mit Rainer Stollmanns Worten auf die »perverse Vertauschung von Kunst und Politik, die Inszenierung eines schönen Scheins statt der Meisterung gesellschaftlicher Probleme«:50 Weil der Nationalsozialismus »seinem Wesen nach nicht über die reale Wahrheit reden kann, muß er sie ästhetisieren« und rekurriert auf die »variantenreiche Auflösung von Politik in falschen Schein«.51 In der Regel wird der ›Schein‹ ausschließlich in seiner letztgenannten Bedeutung als »lügenhafte, falsche Versinnlichung, […] Verschönerung, Schönfärberei, Scheinbefriedigung, Besetzung eines Objekts mit unwahren, unangemessenen Gefühlen« verstanden. Weitgehend unbeachtet bleiben dabei die zwei anderen Varianten der

50 51

gen‹ (Zitelmann), als sozialpolitisches Appeasement (Aly), als propagandistische Illusion (Süß, Hachtmann) oder als »teils nur propagierte[ ], teils aber auch reale[ ] Veränderungen von Statushierarchien und Standesunterschieden« gedeutet (Bussemer: Propaganda und Populärkultur, S. 97f.). Auf der einen Seite werden egalisierende Maßnahmen wie die erhöhte Aufstiegsmobilität, Ausbildungsbeihilfen, Ehestandsdarlehen und Kindergeld als Belege für die ›Fürsorgediktatur‹ in den Vordergrund gerückt. Auf der anderen Seite werden Realitäten wie die folgenden für ausschlaggebend gehalten: Die Feststellung etwa, dass es der Masse der deutschen Arbeitnehmer, gemessen an den Realeinkommen, Arbeitszeiten und Rechten, deutlich schlechter ging als in der Weimarer Republik: »Sie trug die Lasten der massiven Aufrüstung, während sich Besitzende über ausgelastete Produktionskapazitäten und enorme Gewinne freuen konnten – wesentlich bedingt durch die politisch erzwungene Absenkung der Lohnkosten.« (Rüdiger Hachtmann: Eine klassenbewusste ›Gefälligkeitsdiktatur‹? In: sehepunkte 7–8 (2005)) Oder die Tatsache, dass die Vorteile der milden Steuerpolitik, die als egalitäre Maßnahme zugunsten der gering verdienenden Arbeitnehmer galten, durch Zwangsabgaben wie die obligatorischen Spenden an das Winterhilfswerk und die Mitgliedsbeiträge für die Deutsche Arbeitsfront beseitigt wurden (vgl. ebd.). Oder die im krassen Gegensatz zum völkischen Gleichheitsversprechen stehende Lebensversorgung in den Kriegsjahren, bei der ›Volksgenossen‹, die der Rüstung nicht nutzten, auf Zuteilungen angewiesen waren, »deren Fleisch- und Fettgehalt deutlich unter dem für den Gesundheitserhalt notwendigen Minimum lag« (vgl. Winfried Süß: [Rezension zu] Götz Aly: Hitlers Volksstaat. In: sehepunkte 7–8 (2005)). Ungelöst bleibt weiterhin die Frage, ob und inwiefern die Kluft zwischen Realität und Propaganda der kurzen Herrschaftszeit zuzurechnen ist bzw. ob die sozialpolitischen Vorhaben für die Zeit nach dem Krieg, die wiederholten Klagen des Propagandaministers über die immer noch reale Benachteiligung der unteren Schichten und die Bereicherung der ›oberen Zehntausend‹ ernst zu nehmen oder bloße Inszenierung sind. Rainer Stollmann: Ästhetisierung der Politik. Literaturstudien zum subjektiven Fachismus. Stuttgart 1978, S. 12. Ebd., S. 7. Das folgende Zitat ist ebd.

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Ungleichzeitigkeit, nämlich die Duldung der nicht-regimekonformen Scheinwelt als kalkulierte Flucht aus der Realität und die Inszenierung von Scheinwirklichkeiten als Mittel zu ihrer Umsetzung in die Realität. Zum Verständnis der Funktionsmechanismen sowohl der nationalsozialistischen Herrschaft als auch des literarischen Bereichs ist es dennoch wichtig, die drei Varianten als komplementäre und kompatible Herrschaftstechniken zu sehen. Zusammengenommen machen die unterschiedlichen Ausprägungen der Ungleichzeitigkeit sichtbar, dass die verschiedenen literarischen Kategorien auf unterschiedliche Weise an der Kultivierung einer »zweiten Wirklichkeit«52 beteiligt waren und auf ihre je eigene Weise zum ›gespaltenen Bewusstsein‹ (Hans Dieter Schäfer) oder zu der für das Dritte Reich als typisch diagnostizierten ›Schizophrenie‹ (David Schoenbaum) beitragen sollten, die darin bestand, dass »der einzelne passiv oder teilnehmend in die Spannung zwischen ›wirklicher‹ und ›nationalsozialistischer Welt‹ gestellt und zu widersprechenden Handlungen aufgefordert wurde«.53

52 53

Hans-Ulrich Thamer: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945. Berlin 1986, S. 429. Schoenbaum (zitiert nach: Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 156; dazu ebenfalls: ebd., S. 157–162; Thamer: Verführung und Gewalt, S. 40–49).

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3.4 Vom Anspruch zum Kompromiss am Beispiel des Unterhaltungsschrifttums

1936 bekundete Heinz Wismann, Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer, der Nationalsozialismus habe »die Politik der Kompromisse beseitigt«.1 Auf den demokratischen Kompromissbegriff traf die Behauptung ohne Zweifel zu. Mit der Tilgung des parlamentarischen Mehrparteiensystems kurz nach der Machtergreifung wurde jede Form des demokratischen Pluralismus zerstört. In der nationalsozialistischen Auflage von Meyers Lexikon wurde der Kompromiss programmatisch zum »Ergebnis des Kuhhandels zw. Parteien u. Interessengruppen« degradiert und abfällig mit »Nachgiebigkeit« verbunden.2 Zur Verdeutlichung wurde der Ausdruck »fauler Kompromiß« angeführt. In einer früheren Auflage des Lexikons wurde der Kompromissbegriff noch wertneutral als »Übereinkunft, besonders politischer Parteien, auch mit der Regierung, ferner zwischen streitenden Teilen« definiert und Beispiele wie »einen Kompromiß eingehen« aufgeführt.3 Dennoch hat das Regime eine Politik der Kompromisse betrieben, wenn es hier auch eindeutig um eine ganz andere Form des Kompromisses geht, nämlich um pragmatisch motivierte Abweichungen von ideologischen, politischen oder auch persönlichen Idealvorstellungen. Es sei an das Prinzip der totalitären Differenzierung erinnert, dessen Durchführung nicht selten mehr oder weniger bescheidene Abweichungen von politischen und ideologischen Grundsätzen implizierte. Ferner sei auf das in verschiedenen Kapiteln dieser Arbeit belegte Funktionieren der Buchpolitik als eines komplizierten Verhandlungsprozesses zwischen Akteuren, Interessen, Absichten und Realitäten verwiesen. Von den ideologischen Prämissen zu dieser Art des Kompromisses führten in der Diktatur verschiedene Wege. Einige Kompromisse gingen auf strategische Absichten der Machthaber zurück, andere auf Machteingrenzung von außen. Einige wurden von Anfang an konzipiert, andere ergaben sich nach und nach unter dem Druck der Umstände. Kompromissinduzierende Faktoren konnten sowohl der Bedarf des Regimes an Loyalität, Stabilität und internationalem Ansehen als auch wirtschaftliche Engpässe, kriegsbedingte Sachzwänge und tagespolitische Schwankungen sein. Bestimmte Instanzen und Politiker schlugen von Anfang an den Weg einer pragmatisch betriebenen, auf Kompromisse eingestellten Politik ein, andere ließen sich erst allmählich von der Notwendigkeit überzeugen, wenigstens vorübergehend und in beschränktem

1 2 3

Zitiert nach: Gudenberg: BDB 273 (24.11.1936), S. 1022. Meyers Lexikon. Bd. 6, 1939, Spalte 1343. Das folgende Zitat ist ebd. Meyers Lexikon. Bd. 6, 1927, Spalte 1631.

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Ausmaß Zugeständnisse an die Realität zu machen, um ihre ideologischen Ziele verwirklichen zu können. Die Ablösung der Konstituierungsphase durch die Konsolidierungsphase war für die Politik der Kompromisse ein entscheidender Moment, weil sie einen moderateren Kurs erlaubte und mit Blick auf die ›Übersättigung‹ der Bevölkerung mit weltanschaulicher Indoktrination und nationalistischen Stoffen auch erzwang. Der Kriegsanfang war ein zweiter solcher Moment, weil er zwar einerseits eine weltanschauliche Radikalisierung bewirkte, gleichzeitig aber auch pragmatische Anpassungen an Sachzwänge aller Art nötig machte. Das Fehlen eines einheitlichen Literaturkonzepts konnte nicht verhindern, dass die literaturpolitischen Instanzen gemeinsame Idealvorstellungen hatten. Beispiele sind die Produktion einer ›spezifisch nationalsozialistischen Dichtung‹, die Überbrückung der ›Kluft zwischen Gebildeten und Ungebildeten‹, die Beseitigung des ›Konjunkturschrifttums‹ und die Instrumentalisierung des Buchmediums zur Legitimation der innen- und außenpolitischen Ziele. Gleichzeitig war den literaturpolitischen Machthabern die Diskrepanz zwischen diesen Idealvorstellungen und den konkreten Zeitumständen bewusst. Der anhaltende Mangel an ›erwünschter‹ Dichtung, der zum Groschenheft tendierende Publikumsgeschmack, der Geschäftsgeist der privatwirtschaftlich agierenden Verlage und kriegsbedingte Produktionsprobleme waren nur einige der Widerstände, die eine direkte Durchsetzung ihrer Idealvorstellungen erschwerten. Das Wissen um diese Diskrepanz hatte zur Konsequenz, dass im Wesentlichen zwei verschiedene Wege beschritten wurden. Einerseits wurden (reale oder vorgetäuschte) Idealvorstellungen propagiert, andererseits wurde pragmatisch auf Realitäten eingegangen. Welche Bedeutung den beiden Wegen jeweils beigemessen wurde, hing von verschiedenen Faktoren ab. Die Gewichtung von Weltanschauung und Realität schwankte je nach Zeitpunkt, Zielpublikum, Absicht und Kontext und fiel für die verschiedenen Dienststellen unterschiedlich aus. Im Rückblick ist es schwierig und in vielen Fällen schlichtweg unmöglich, Idealvorstellungen von Kompromissen, Endziele von Zwischenetappen, Absichten von Nebenerscheinungen und Strategien von unfreiwilliger Machteingrenzung zu unterscheiden. Entscheidungsprozesse wurden nur selten ausdrücklich kommentiert. Ihre Analyse wird durch den Wirrwarr an Zuständigkeiten im polykratischen Herrschaftssystem und die daraus resultierenden Interessendivergenzen und Konkurrenzkämpfe noch erschwert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man auf den Versuch einer Entwirrung der verschiedenen Argumentationsstränge gänzlich verzichten soll. Eine genaue Lektüre parteinaher Quellen macht es durchaus möglich, mit der gebotenen Vorsicht Aushandlungsprozesse zwischen ideologischen Prämissen und faktischen Realitäten zu rekonstruieren. Einer dieser Prozesse betrifft die Kluft zwischen dem Ideal einer Nation, die große Dichtung las, und der Realität einer schmökernden Bevölkerung. Im Folgenden wird der Umgang der literaturpolitischen Funktionselite mit dieser Diskrepanz genauer untersucht.

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3.4.1. »Zarathustra im Tornister des deutschen Musketiers« Das Wort vom »Zarathustra im Tornister des deutschen Musketiers« ist heute vielfach Wirklichkeit geworden. Gibt es ein schöneres Zeichen für die innere Verbundenheit unseres Volkes mit dem Buch als die Tatsache, daß gerade im Kriege unsere Klassiker in steigendem Umfange von vielen Tausenden verlangt und gelesen werden?4

Aus nationalsozialistischer Sicht führten sowohl der Erste als auch der Zweite Weltkrieg eine »Vertiefung und Verwandlung«5 des Lesers herbei. Besonders an der Front, so hieß es, waren diese Kriege Bewährungsproben für das Buch: Die Männer des Unterstandes, die Glut im Herzen und den Tod vor Augen, sie verlangten nach keiner Unterhaltung oder Betäubung, sondern sie sehnten sich allein danach (ohne vielleicht früher viel gelesen zu haben), die Stimme eines Großen zu hören, und da erlebten sie das, was wir die »Feuerprobe des Buches« nennen. […] Es ist das nichts anderes, als wenn wir vorscheidenden Aufgaben und Ereignissen das brennendste [!] Bedürfnis spüren, gleichsam zur inneren Sammlung nach einem Buch zu greifen, aus dem wir Kraft schöpfen können, Kraft und neuen Mut und jene heilige Bereitschaft, die alles Kleine, Unwichtige übersieht und allein dem Großen zugetan ist. Wenn also Freiwillige und Soldaten des großen Krieges ihren Faust, Zarathustra, die Gesänge Hölderlins oder ein anderes Buch mit an die Front nahmen, dann fühlten sie gewiß, daß da eine ungeheure Kraft wie ein Schatz verborgen lag, den sie nur zu heben brauchten, um für das Gewaltige, das ihnen bevorstand, gerüstet zu sein.6

Die metaphorische Stilisierung der Front zur ›Feuerprobe des Buchs‹ war keine Erfindung der nationalsozialistischen Propaganda. Es sei nur an den Beitrag des damals noch kriegsbegeisterten Thomas Mann vom Herbst 1914 in der Künstlerzeitschrift Zeit-Echo erinnert, in dem der Autor nicht ohne Stolz feststellte, seine Novelle Der Tod in Venedig (1912) habe die »Feuerprobe« in den Schützengräben bestanden.7

4 5 6 7

Goebbels’ Rede zur Eröffnung der Woche des Deutschen Buches vom 26. Oktober 1941 (zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 65). [o.V.]: DR 36 (5.9.1943). Hösel: BK 1938, S. 308. Thomas Mann bezog sich auf die Begeisterung der Frontsoldaten, die ihn in Form von »guter Feldpost« erreicht habe, und verwendete sie als Argument an die Adresse der skeptischen Kritiker. Die Novelle, so triumphierte er, könne wohl nicht »so falsch, so schmählich sein, wie viele von euch ausschrien«, wenn es »vor den Augen derer, die dort draußen ein Leben der höchsten, wirklichsten Ehrenhaftigkeit führen«, bestehe. »Welche Feuerprobe verlangt ihr, worin es sich als Affekt, als Geist, als Wahrheit bewähre?« (zitiert nach: Eckart Koester: Literatur und Weltkriegsideologie. Positionen und Begründungszusammenhänge des publizistischen Engagements deutscher Schriftsteller im Ersten Welkrieg. Kronberg/Ts. 1977, S. 117ff.; eigene Hervorhebung). Die Zeitschrift Zeit-Echo. Ein Kriegstagebuch der Künstler, in der der Aufsatz publiziert wurde, wurde 1914 gegründet mit dem Ziel, die Wirkung des Krieges auf die Künstler festzuhalten. An der Zeitschrift lässt sich deutlich ablesen, dass sich die Grundhaltung nach dem ersten Kriegsjahr von großenteils bejahend zu eher skeptisch bis radikal ablehnend entwickelte.

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Die Behauptung einer Hinwendung der Soldaten zum ernsteren Schrifttum entsprach auch teilweise der Realität. Soldatenbriefe, Bestelllisten, Erfahrungen von Frontbuchhändlern, Berichte von Nachrichten-Feldeinheiten, Aussagen von Verlegern und sonstige Quellen weisen tatsächlich ein steigendes Interesse für die ›schwere‹ Dichtung nach.8 Die erste Ausgabe von Iduna etwa, dem Jahrbuch der Hölderlingesellschaft, legte 1944 exemplarisch Zeugnis davon ab, wie stark die Bedeutung Hölderlins durch das Fronterleben anstieg. Im Aufsatz zum Thema »Hölderlin bei den Soldaten des Zweiten Weltkrieges« wurde das Verhältnis des Soldaten zu Hölderlin an zahlreichen Feldbriefen illustriert:9 Als ich den Afrikafeldzug miterleben durfte, hatte ich ein kleines Buch, welches die Gedichte Hölderlins enthielt. Wie ein edles Gefäß mit kostbarem Inhalt habe ich dieses Bändchen im Sturm der Front bewahrt. Oft habe ich alles liegen lassen müssen, mein Gewehr und meinen Hölderlin aber habe ich immer wieder mitgenommen. […] Ein paar Seiten Hölderlin und meine Seele bekam wieder einen Funken Leben, und Berg und Tal, Quelle, Baum und Strauch wuchsen mir dann aus dem unendlichen Sand der afrikanischen Wüste. Viel hat Hölderlin mir gegeben in dieser Zeit. Ich gehöre zu den vielen Deutschen, denen der Dichter seit ihrer Jugend ein steter Begleiter ist. Als Soldat ist er mir noch teurer geworden. Die Erlebnisse der letzten Jahre führen uns mehr und mehr zu einer engen Verbundenheit mit diesem Gewaltigen im deutschen Geistesleben. Wo fände der Frontsoldat tiefere, tröstlichere und gläubigere Antworten auf seine Fragen als in diesen Versen voll Glanz und Kraft?

Gleichzeitig passte die Metapher und Idee der Feuerprobe gut in den nationalsozialistischen Kontext. Eine natürliche Auslese des ›besten‹ Schrifttums entsprach der sozialdarwinistisch inspirierten Weltanschauung und fügte sich – mit Blick auf die allgemeine Entwicklung der Literaturpolitik – problemlos in den Übergang von der Beseitigung des ›unerwünschten‹ zur Förderung des ›wertvollen‹ Schrifttums ein.10 Die ›Feuerprobe‹ im Krieg bildete damit gleichsam das ›positive‹ Pendant zur buchstäblichen ›Feuerprobe‹ am 10. Mai 1933 mit aller Ambivalenz, die beiden ›Feuerproben‹ eigen war: War die Bücherverbrennung in erster Linie darauf gerichtet,

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10

Die in Organen wie der Bücherkunde und dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel veröffentlichten Statistiken sind angesichts der Regimenähe dieser Organe zu relativieren, können in diesem Zusammenhang jedoch als fundiert gelten (vgl. auch die Aussage des Verlegers Philipp Reclam jun. auf Seite 75). In: Paul Kluckhohn: Hölderlin bei den Soldaten des zweiten [sic] Weltkriegs. In: Iduna. Jahrbuch der Hölderlin-Gesellschaft. Tübingen 1944, S. 193f. Weitere Belege für die Klassikerlektüre an der Front finden sich in: Bernard Zeller (Hg.): Klassiker in finsteren Zeiten. Marbach 1983, S. 300–335 (dazu auch: Claudia Albert / Harald Weilnböck: Der Schützengraben als Lese-Ecke des Frontkämpfers. In: Traditionsanspruch und Traditionsbruch. Hg. von Georg Bollenbeck / Thomas La Presti. Wiesbaden 2002, S. 31–55; Norbert Rath: Kriegskamerad Hölderlin. Zitate zur Sinngebungsgeschichte. In: Neue Wege zu Hölderlin. Hg. von Uwe Beyer. Würzburg 1994, S. 219–241. Vgl. Kapitel 2.1.

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»alles Überfeinerte, Volksfremde und Exzentrische« zu verwerfen, so ging es bei der metaphorischen Bewährungsprobe des Buchs primär darum, »an dessen Stelle das wahrhaft Echte« zu setzen.11 Genauso wie die literaturpolitischen Instanzen hatten auch der Buchhandel und die Wehrmacht ihre eigenen Gründe, um wiederholt die Wichtigkeit ›wertvollen Schrifttums‹ für die deutschen Truppen zu betonen. Das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel rief mit Blick auf die Erziehungsrolle des Buchhändlers auf, die Lektüre der deutschen Frontsoldaten in Richtung der großen Dichtung zu dirigieren. Vom Buchhändler in Deutschland wurde verlangt, allen seinen Kunden, die zu ihm kommen, um für ihre Angehörigen, die irgendwo als Soldaten fern von der Heimat ihren Dienst tun, ein Buch zu kaufen, nur wirklich wertvolle Bücher zu empfehlen.12

Dem Buchhändler an der Front wurde nahe gelegt, er solle die Soldaten in das »innere Reich« von »Rilkes Stundenbüchlein, Goethes Faust, Nietzsches Zarathustra, Fichtes Reden an die deutsche Nation, Hölderlins oder Klopstocks Oden« und den »Worte[n] von Walter Flex‹ ›Vom Vorsterben‹« führen.13 Die Führung der Wehrmacht ging ihrerseits davon aus, dass »das Buch und die geistige Haltung, die es hervorbringen kann, wesentlich den Sieg beeinfl[uss]en«14 könne. In einer Rede zum Thema »Wehrerziehung und Schrifttum« betonte der General der Flieger Friedrich von Cochenhausen die Notwendigkeit einer gediegenen Erziehung des deutschen Soldaten durch die Lektüre großer Dichtung: Wie soll er sich seines Kämpfertums für unsere Kulturgüter gegen den zerstörenden Einfluß des Bolschewismus bewusst werden, wenn er niemals etwas von unseren großen Dichtern, Denkern, Künstlern und Forschern gehört hat? Es gehören eben doch Kenntnisse dazu, um diese edelsten Regungen zu entwickeln, aus denen der Soldat seine freudige Freiwilligkeit und seinen Opfermut hernimmt.15

Auch der General der Artillerie Conrad von Cochenhausen glaubte an den »Beitrag des Buches zur soldatischen Tat«: »Gerade solche Bücher, die sich mit den bedeutenden Leistungen unserer Kultur befassen, werden den Kämpfer innerlich erfassen, damit er sich für deren Erhaltung und Fortbestand einsetzt.«16 Für Oberleutnant Otto Biedermann war ›das deutsche Buch‹ im Krieg der unentbehrliche »Kompaß«,17 nach dem der Soldat marschieren sollte: Neben der Aufklärung durch Schulung und Erziehung […] ist vor allem das deutsche Buch mehr denn je berufen, alle jene geistig-seelischen Kräfte aufzufrischen, die in den

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Vgl. von Werder: LB 3 (1943), S. 6. W. Langenbucher: BDB 21 (25.1.1941), S. 27 (vgl. auch diese Arbeit, Seite 226). Rosenau: BDB 18 (4.3.1944), S. 35. Mitschke: BDB 189 (15.8.1940), S. 287. Zitiert nach: [o.V.]: BDB 108 (11.5.1939), S. 398. von Cochenhausen: BK 1944, S. 98. Biedermann: BK 1944, S. 99. Das folgende Zitat ist ebd.

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Auseinandersetzungen müde zu werden drohen. Damit reiht sich das deutsche Buch in die Front der kämpfenden Mächte ein und wird, in seiner Lage und Bedeutung erkannt und von einer überlegenen Führung angesetzt, auf dem geistigen Schlachtfelde zu einer Waffe von größter Bedeutung.

Das Oberkommando der Wehrmacht bestätigte in der Person des Oberstleutnants Hesse, dass das »geistige Fundament des Krieges« und mit ihm die Leseerziehung des Soldaten »nicht stark und fest genug sein kann«.18 Obwohl also die Idee des Nietzsche, Goethe und Hölderlin lesenden deutschen Soldaten auf einer Realität basierte und von verschiedenen Instanzen als Ideal gesetzt wurde, wurde sie offensichtlich auch aufgrund ihrer Bedeutung für die Propaganda gebraucht. Zu ihrer propagandistischen Verwertung gehörte zum einen die generalisierende Suggestion, dass sich der deutsche Soldat zur Dichtung hingewandt habe, zum anderen die Behauptung, diese Hinwendung zur ernsten Dichtung gehe mit einer Abkehr der seichten Unterhaltung einher. Wiederholt wurde im Börsenblatt wie auch in anderen Organen berichtet, dass von Soldaten […], Offiziere[n] und Mannschaften […] fast ganz ausschließlich das i n h a lt l ich we r t vol le und oft sogar »schwere« Bu ch , das dichterisch und künstlerisch hochstehende Buch verlangt wird. L eicht e und seichte Unt e r h a lt u ng st e ht s e h r n ie d r ig i m Ku r s , ist in seinen untersten Stufen überhaupt nicht in dieser Buchhandlung zu finden und wird auch gar nicht gefragt.19 Der Soldat verlangt in erster Linie […] nicht, wie die allgemeine Meinung lautet, nach einer leichten, oberflächlichen Unterhaltung und Belustigung, sondern nach dem im gewissen Sinne zeitlos gültigen, klassischen, nach dem ausgereiften Schrifttum. Er will Bücher, die es wert sind, daß er seine kurzbemessene, kostbare Zeit ihnen schenkt […], die man nicht nur einmal, sondern immer wieder liest, um sich an ihnen innerlich zu bereichern und zu »sammeln«.20

Zwar mögen diese Behauptungen durchaus für bestimmte Truppeneinheiten und Rahmenbedingungen gegolten haben, doch sie ließen sich keineswegs verallgemeinern. 21 Die Assoziation des deutschen Frontsoldaten mit großer Dichtung und die Kontrastierung von Dichtung und oberflächlicher Unterhaltung fanden ihren propagandistischen Sinn in der althergebrachten Gegenüberstellung von Kultur und Kulturlosigkeit, in casu der deutschen Kultur und der Kulturlosigkeit von Deutschlands Kriegsfeinden. Die Klassikerlektüre in den deutschen Schützengräben wurde ausdrücklich der »Scheinkultur«22 der Kriegsgegner gegenübergestellt: in östliche Richtung der »geistigen und kulturellen Verödung« des Bolschewismus (»für die sich auf der ganzen Welt vergleichbares nur als Wirkung des Amerikanismus findet«23),

18 19 20 21 22 23

Zitiert nach: [o. V.]: BDB 100 (30.4.1940), S. 170. W. Langenbucher: BDB 21 (25.1.1941), S. 27 [eigene Hervorhebung]. Weser: BDB 27 (5.4.1944), S. 55 [eigene Hervorhebung]. Vgl. Kapitel 1.2.1.2. ZD 57 (24.5.1940). [o.V.]: BDB 253 (17.10.1942), S. 218. Zum ›Amerikanismus‹ verdeutlichte Goebbels in

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nach Westen der ›Zivilisation‹ einer »geistig degenerierte[n], liberalistische[n] Welt«:24 Und gibt es einen schöneren Beweis dafür, daß diese deutschen Soldaten keine Barbaren, keine Kulturzerstörer sind, wie die Engländer behaupten, sondern Träger der deutschen Bildung und Kultur, wenn sie in ihren Bunkern und Gräben die besten Bücher aus dem Nationalschatz unserer deutschen Literatur lesen. Und daß wir Deutschen gute Bücher haben, wird selbst ein Lügenchurchill nicht bezweifeln können. Ich kann aus Hunderten von Feldpostbriefen Belege geben für den Hunger des deutschen Soldaten nach guten Büchern. Ich bezweifle, ob so etwas bei den Engländern, den »Vorkämpfern der Zivilisation«, möglich wäre.25

1940, wenige Monate nach dem raschen und siegreichen Vormarsch in Frankreich, wurde der Gegensatz zwischen deutscher ›Kultur‹ und westlicher ›Zivilisation‹ sogar an der zeitgenössischen militärischen Sachlage festgemacht, indem ein direkter Zusammenhang von Dichtung und Sieg (auf deutscher Seite) und leichter Unterhaltung und Niederlage (auf französischer Seite) konstruiert wurde. Spätestens bei den Aufräumaktionen in den französischen Bunkern und Feldstellungen sei dem deutschen Soldaten eingeleuchtet, »warum die kriegstechnisch wohldurchdachte und aufs sorgfältigste ausgestattete Verteidigungslinie« – die Maginotlinie – »in so kurzer Zeit« durchbrochen und von den französischen Truppen »in Kilometerbreite kampflos aufgegeben« worden sei.26 Die wertlose Unterhaltungsliteratur im Bunker des Feindes

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seiner Rede vom 9. August 1942: »Die USA. haben keinen Dichter, keinen Maler, keinen Architekten und keinen Komponisten von Weltformat. Soweit sie im Kulturleben überhaupt über Namen von Bedeutung verfügen, sind sie von Europa entliehen. Das Land besitzt keine eigene Sprache, keine eigene Kultur und keine eigene Bildung. Alles ist geborgt und durch Amerikanisierung meistens verdorben, niemals aber verbessert worden. Unter Amerikanisierung hat man eine Art von Verkitschung zu verstehen, die darauf hinausläuft, jedem echten Kulturwert einen amerikanischen Stempel aufzudrücken, aus einer gewachsenen Sprache einen Slang, aus einem Walzer einen Jazz und aus einem Dichtwerk eine revolverjournalistische Story zu machen.« (zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 423). Dietrich: BDB 168 (11.11.1943), S. 193. Lorch: BK 1940, S. 31. Zur begrifflichen Antithese von ›Kultur‹ und ›Zivilisation‹ vgl. u. a. Koester: Literatur und Weltkriegsideologie (vgl. dazu auch Hellmuth Langenbuchers Definition in seinem Aufsatz Die Kulturbedeutung des deutschen Buches: »Kultur nennen wir also den aus der Arbeit eines Volkes […] im Zusammenwirken aller seiner ›schöpferischen Kräfte‹ gewonnenen Reichtum an tagüberdauernden, zukunftbauenden Gütern des unablässig schaffenden Geistes und der unablässig Geschaffenes empfangenden und aufnehmenden und damit erst zu wirklichem Kulturbesitz umwandelnden Seele dieses Volkes. […] – alles andere ist Zivilisation, Lebensgenuß statt Lebenssteigerung, auf den Einzelnen wie auf die Gesamtheit gesehen.«, BDB 7 (9.1.1934), S. 21). Mitschke: BDB 189 (15.8.1940), S. 287. Die folgenden Zitate sind ebd. Ohne den Befund eines kausalen Zusammenhanges zwischen Literatur und Truppenmoral teilen zu wollen, lässt sich die niedrige Kampfmoral der französischen Truppen als eine historisch belegte Tatsache bestätigen. Sie war das Ergebnis einer ohnehin schon geringen Kampfbereitschaft Frankreichs in Kombination mit einem grenzenlosen Vertrauen in die eigene Verteidigungslinie und dem zehn Monate andauernden ›Sitzkrieg‹ (›drôle de guerre‹), der der deutschen Invasion vorangegangen war. Andererseits konnte von einem wirklichen

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belege, dass die Niederlage der Franzosen dem mangelhaften »Geist der Truppe« zuzuschreiben sei: Was las nun der französische Soldat? – Der einfache Teil las hauptsächlich Liebesschmöker, wie wir diese in den 20-Pfennig-Serien unliebsam kennen, in zweiter Linie Kriminalhefte, seltener Abenteuerhefte. Der Unteroffizier und Offizier las Romane und erotische Literatur. Die Hygiene des Geschlechtslebens war oft vertreten. Widerliche perverse Zeichnungen waren nur zu oft zu finden. Daß sich der Artillerie- und Pionieroffizier mit Mathematik befasste, ist wohl selbstverständlich, jedoch vermisse ich jegliche Literatur über den Weltkrieg oder überhaupt das heldische Buch.27

Beispiele wie diese bringen zum Ausdruck, dass – in den Kriegsjahren mehr noch als in der Vorkriegszeit – eine ideologisch und politisch motivierte Polarisierung des literarischen Feldes in Dichtung einerseits und Trivialliteratur andererseits kultiviert wurde. Konstruiert wurde ein wertender Gegensatz zwischen dem Schrifttum, das »den höheren Zweck«28 und »tiefsten Sinn«29 des Krieges zu zeigen vermöge, und jenem, das »nur vergänglichen Wert« besitze und »niemals angesichts der Gefahr und schwerer Entscheidungen standhalten« könne.30

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›Durchbruch‹ der deutschen Truppen kaum die Rede sein, weil Deutschland im Zweiten Weltkrieg auf den Schlieffenplan aus dem Ersten Weltkrieg zurückgriff und Frankreich durch einen Vorstoß über Belgien erreichte. Einmal auf französischem Gebiet, schwenkten die deutschen Truppen östlich ab und eroberten die französische Verteidigungslinie von der Rückseite. In Bezug auf die »widerlich perverse[n] Zeichnungen« sei auf die illustrierten Flugblätter hingewiesen, die durch die Luftwaffe selbst über der französischen Frontlinie abgeworfen und durch besondere Kanonen in die vordersten Linien herübergeschossen wurden, um die alliierten Soldaten gegeneinander aufzuhetzen. Von den Zeichnungen der Flugblattserie Où le Tommy est-il resté? sollten insgesamt 12 Tonnen »über der französischen Front und rückwärtigen Unterkunftsräumen abgeworfen werden«. Sie stellten einen britischen Soldaten dar, der im Gegensatz zu seinem französischen Kameraden nicht im Schützengraben seine Heimat verteidigt, sondern sich seine Zeit mit französischen Frauen vertreibt. Sie sollten bei den Franzosen ein Hassgefühl gegen die englischen Verbündeten und gleichzeitig auch eigene sexuelle Bedürfnisse wecken. Ein kurzer Begleittext rief die französischen Soldaten zur Fahnenflucht auf (Zitate aus: Klaus Kircher: Flugkartenpropaganda im 2. Weltkrieg. Bd. 2. Erlangen 1982, S. 278; vgl. dazu Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 13.2.1940: »Zur Propaganda in Frankreich pornografische antienglische Postkarten. Großartig gemacht. Das wird ein Schlager werden«; vgl. auch die Notizen von 12.3.1940, 27.3.1940, 28.3.1940, 25.4.1940, 26.4.1940 und 8.5.1940). Losch: BDB 88 (16.4.1940), S. 138. Biedermann: BK 1944, S. 100. Hösel: BK 1938, S. 309.

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3.4.2. »Es kann nicht alles Dichtung sein« Niemals ist daran gedacht worden, jedem unserer Feldgrauen den »Faust« oder den »Zarathustra« in den Tornister zu packen oder seine Angehörigen zu veranlassen […]. Einmal kann man volles Verständnis für solche Schöpfungen nicht bei jedem jungen Menschen voraussetzen oder im Felde anerziehen, zum anderen hat auch der größte Teil derer, denen solche Werke zum unentbehrlichen Begleiter geworden sind, in der Front denn doch das Bedürfnis, sich einmal geistig zu entspannen oder einen Blick in andere Gebiete zu tun.31

Bei aller propagandistischen Wirksamkeit, die der scharfen Unterscheidung zwischen Dichtung und Trivialliteratur, Kultur und Zivilisation, Deutschland und dessen Feinden zugesprochen werden kann, kamen die literaturpolitischen Lenkungsinstanzen nicht an der Tatsache vorbei, dass die leichte Unterhaltung auch bei den deutschen Soldaten auf großes Interesse stieß: Es ist wahr, daß der Soldat in der Ruhestellung oft zu schwerer Lektüre greift, und daß die Frontbuchhandlungen in einem erfreulich hohen Maße schwere geistig gehaltvolle Bücher absetzen. Aber ebenso wahr ist es auch, daß die große Masse unserer Soldaten meist Bücher leichtester Art, manchmal allzu leichter Art liest, um sich auf den leichten Flügeln der Phantasie aus ihrer beengten Umgebung heraustragen zu lassen.32

Dieser – der propagandistischen Trennung von Dichtung und populärer Unterhaltung eindeutig quer liegende – Tatbestand wurde weder ignoriert noch verschwiegen. Vielmehr setzte er auf Seiten der Literaturpolitik einen komplexen Prozess in Gang, der sich exemplarisch an einem Beitrag aus der Bücherkunde von Leutnant Hans Wilhelm Hagen33 aufzeigen lässt. Hagen bedauert zunächst in unmissverständlichen Formulierungen, »daß sich der Geschmack in der Zerreißprobe von viereinhalb Kriegsjahren […] extrem nach zwei Polen hin entwickelt hat, nach den ganz hohen Werten der Dichtung und nach dem ganz großen, unaussprechlichen Mist«.34 Er fügt hinzu: »Natürlich liest der Landser draußen den Drei-Groschen-Roman und soll er ihn lesen, bis seine Blätter die ihnen zugedachte Bestimmung auf dem Donnerbalken einzeln gefunden haben.« Und unmittelbar danach: »Übrigens haben diese Hefte eine Lebensdauer und erfahren eine pflegliche Behandlung, die manchen Bücherwurm weit in den Schatten stellt.«35 Die Verrenkungen von Hagens Argumentation sind beachtlich. Seinem eindeutigen Missfallen am leichten Unterhaltungsschrifttum folgt

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Vogel: BDB 256 (1.11.1941), S. 378. Wilhelm Haegert (zitiert nach: [o.V.]: BDB 94 (23.4.1940), S. 150). Hagen war für die weltanschauliche Schulung der Wehrmacht zuständig und schrieb als Referent der Schrifttumsabteilung in verschiedenen regimegebundenen Zeitschriften über kultur- und literaturpolitische Fragen. Die hier zitierten Aussagen stammen aus einem Themenheft der Bücherkunde zur Unterhaltungsliteratur, das für den Umgang des Rosenbergamtes mit diesem Schrifttum von programmatischer Bedeutung war. Hagen: BK 1944, S. 43. Das folgende Zitat ist ebd. [eigene Hervorhebung]. Ebd., S. 44.

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seine Duldung der Lektüre (natürlich soll der Groschenroman gelesen werden), die wiederum eingeschränkt wird auf einen wohl definierten Leserkreis (den Landser), einen bestimmten Kontext (die extreme Situation des Krieges) und eine begrenzte Zeitspanne (die Hefte landen irgendwann unter dem Donnerbalken). Diese Spannung zwischen Verdammung und Duldung ist exemplarisch für das Bemühen des gesamten Lenkungsapparats, bei allen Idealvorstellungen eben doch den Bedürfnissen der großen Masse gerecht zu werden, mehr noch: diese Bedürfnisse in die Literaturpolitik zu integrieren. Sie war das an der Oberfläche sichtbar werdende Ergebnis der vielgestaltigen Anpassungsleistung zwischen den literaturpolitischen Ansprüchen und den »Wünschen und Neigungen des Leserkreises«.36 Dieser Anpassungsprozess, der in Friedenszeiten anfing und in den Kriegsjahren an Bedeutung gewann, wird im Folgenden genauer nachgezeichnet. 3.4.2.1. Der Bedarf am ›anderen‹ Buch Wir brauchen […] Unterhaltungsliteratur für das gesunde Volk. Es kann nicht alles Dichtung sein. Es gibt viele Stufen des Schrifttums […].37

Die verschiedenen literaturpolitischen Machthaber teilten die Erkenntnis, dass die große Dichtung, die im Dritten Reich von der klassischen Dichtung bis hin zu den politischen ›Klassikern‹ der nationalsozialistischen Prominenten reichte, kein vollständiger Ersatz für die Unterhaltungsliteratur sein konnte. Zu dieser Einsicht trugen verschiedene Faktoren bei. An erster Stelle wurde die faktische Heterogenität des Lesepublikums als Grund für die Ausdifferenzierung der angebotenen Lektüre gesehen. Unter politischem Gesichtspunkt mussten die verschiedenen Hintergründe und Einstellungen zur nationalsozialistischen Bewegung berücksichtigt werden: Mit programmatische[m] und parteiamtliche[m] Schrifttum wird man in den meisten Fällen nur arbeiten können bei Menschen, die schon von der nationalsozialistischen Idee erfaßt sind, die Kenntnisse und Erkenntnisse erweitern und vertiefen wollen oder bei Menschen, die für bestimmte Fragengebiete ganz konkret Auskunft haben wollen. Für die weiten Kreise, die es gilt, erlebnismäßig an den Nationalsozialismus heranzuführen, brauchen wir andere Bücher; auch für die Menschen, die sich schon zum neuen Staat bekennen, aber doch das Wesentliche der nationalsozialistischen Idee und des nationalsozialistischen Kampfes noch nicht erfaßt haben. […] Sie erscheinen als Romane, als Reportage, als einfache schlichte Berichte oder auch als historische Abhandlungen.38

Diese Einsicht wurde durch den Befund des Sicherheitsdienstes vom 3. April 1940 bestätigt, dem zufolge sich die Käufer des aktuellen politischen Schrifttums fast immer aus den »gleichen« interessierten Kreisen zusammensetzten und daher mit diesem Schrifttum alleine die »Erfassung aller Bevölkerungskreise« nicht gelingen könne.39

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Conradi: BDB 45 (10.6.1944), S. 93. Westecker: LB 5–6 (1940), S. 6. Langendorf: DB 1934, S. 272f. [eigene Hervorhebung]. Zitiert nach: Boberach: Meldungen aus dem Reich. Bd. 4, S. 949f.

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Unter literarischem Gesichtspunkt wurde (trotz aller Bemühungen, die Unterschiede zwischen Gebildeten und Ungebildeten zu beseitigen40) auch die unterschiedliche Vorbildung der Leser als ein Grund für die notwendige Ausdifferenzierung des dem deutschen ›Volksgenossen‹ angebotenen Schrifttums erkannt. Laut Bernard Payr, Leiter des Zentrallektorats des Amtes Schrifttumspflege, werde es »zu allen Zeiten so sein, daß der Gebildete und geistig Anspruchsvollere eine schwerere geistige Kost verträgt als der einfache Mann, der zunächst schon dankbar ist, wenn er nur überhaupt einen 30-Pfg.-Schmöker zum Lesen hat«.41 Das Börsenblatt wies darauf hin, dass »der eine, der im Zivilberuf Schlosser ist, wenig mit Schopenhauers Aphorismen anfangen kann«.42 »Kein verständiger Mensch wird verlangen,« so urteilte die Bücherkunde, daß die Mittler des Schrifttums ihre Aufgabe darin sehen, möglichst viele Menschen zu Hölderlin zu führen. Denn Hölderlin wird immer seinen begrenzten Empfängerkreis haben, und wenn es auch als schöne Aufgabe angesehen werden kann, diesen Kreis zu fi nden, so wird er doch im wesentlichen aus Menschen bestehen, die im Zeitalter der allgemeinen Schulpflicht und der billigen Buchdruckerkunst selbst ihren Weg finden. Auch die Leser für Carossa und für Goethe werden im Zeitalter der Büchereien und der Vorlesungen gefunden und angesprochen. Aber die breiten Schichten der »unliterarischen Menschen«, die Volkswirklichkeit und die Tiefe des Volkes fordert eine gesunde Befriedigung ihres geistigen Hungers.43

Ein zweiter Grund für die Diversifizierung des Lektüreangebots war situationsbedingt. In Zeiten der Erholung wie den Ferien z. B. sei es »nicht jedermann gegeben, zu schwerer geistiger Kost zu greifen«:44 »Viele Menschen erblicken in der Lektüre unterhaltender Romane einen unmittelbaren Bestandteil ihrer Erholung«. Von größerer Bedeutung noch als die Urlaubszeit war der mehr als fünf Jahre andauernde Krieg, der den Unterhaltungsroman zur »seelische[n] Therapie« erhob, »die zu betreiben sich die Schrifttumsführung angelegen sein lassen muß«:45 Der Wunsch, unterhaltende Kost zu lesen, […] steiger[t sich] in Zeiten, wenn gewisse äußere Umstände, ja allgemeine, die Ganzheit angehende Gründe eine besondere Belastung großer Volksteile voraussetzen; wie das jetzt im Kriege mit seiner ungeheuren Inanspruchnahme fast aller Menschen in einem noch nie gewesenen Maße der Fall ist. Hier wirkt ein gutes unterhaltendes Buch wahrhaft Wunder: es lenkt auf klare, oftmals großartige Weise ab, bringt den Geist leicht und mit sanftem Nachdruck in eine Richtung, löst ihn aus den Verklammerungen, in der er viele Arbeitsstunden verharren mußte, und hilft so einen Zustand vorzubereiten, der als wahrhafte Ent-Spannung angesehen werden darf.

Schließlich trugen auch wirtschaftliche Überlegungen zur Anerkennung der Unentbehrlichkeit des Unterhaltungsschrifttums bei. Insbesondere der Buchhandel trat für den Unterhaltungsroman ein, da er eine für Verlage nicht unwichtige Einnahmequelle 40 41 42 43 44 45

Vgl. u. a. Kapitel 2.2.3. Payr: BK 1944, S. 102. Dietrich: BDB 31 (22.4.1944), S. 64. Wunder: BK 1944, S. 41. [o.V.]: BK 1936, S. 176. Das folgende Zitat ist ebd. Franke: BK 1944, S. 45. Das folgende Zitat ist ebd.

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war. In einem vermutlich fiktiven Dialog im Börsenblatt erklärt ein Verleger dem Verfasser eines wertvollen Dichtwerks, es sei aus finanzieller Hinsicht »der leichte und nette Unterhaltungsroman […], der Ihr Buch trägt. Freilich, man muß um diese Ebenen und Verschiedenheiten des Wertes wissen.«46 Die Feststellung, dass im Dritten Reich neben der Dichtung auch Unterhaltungsliteratur benötigt wurde, manifestierte sich in der Tatsache, dass sich alle Instanzen für die Versorgung der deutschen Truppen mit leichter Unterhaltung engagierten. »Der größte Teil« der Büchereien, die aus der Rosenbergspende hervorgingen, bestand aus »Unterhaltungslektüre«.47 Die Buch-Feldpostlisten der Schrifttumsabteilung enthielten die Rubrik »Hier wird geschmökert!«, in der »kurzweilige Bücher für jedermann« empfohlen wurden, »der bislang zum Buch noch kein besonderes Verhältnis hatte«.48 Goebbels veranlasste die Herausgabe von »drei Millionen Unterhaltungsbüchern« für die Front.49 Das Oberkommando der Wehrmacht legte dem Buchhandel nahe, dass Bücher für die Front »auch in starker Weise das Unterhaltungsbedürfnis befriedigen«50 sollten. Weiter als ein Minimalkonsens ging die Anerkennung des Unterhaltungsschrifttums jedoch nicht. Strittig war und blieb bis zum Ende des Krieges, bis zu welcher Untergrenze dieses Schrifttum akzeptiert und welcher Zweck ihm beigemessen werden sollte. Die Debatte glich in mehreren Hinsichten der bereits dargestellten Diskussion über die Kitschliteratur:51 Auf der einen Seite standen die Buchhändler, Pädagogen und das Rosenbergamt, auf der anderen die Reichsschrifttumskammer und die Schrifttumsabteilung. Besonders ausgeprägt standen sich Goebbels’ pragmatische Politik und Rosenbergs dogmatische Überzeugungen gegenüber. Goebbels und sein Ministerium betrachteten das Unterhaltungsbuch in erster Linie als Instrument der Stimmungspolitik. 1936 erklärte der Propagandaminister in einer Rede vor deutschen Verlegern und Buchhändlern: [D]as reine52 Unterhaltungsbuch hat seine Berechtigungen, und je schwerer und sorgenvoller die Zeiten sind, um so notwendiger ist es, dem Volke Mittel an die Hand zu geben, die Beschwernisse und die Sorgen zu überwinden.53

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Göpfert: BDB 93 (24.4.1937), S. 29. [o.V.]: BDB 23 (27.1.1940), S. 31. Felchner: BDB 63 (14.3.1940), S. 1333 [sic]: Aufgelistet wurden »Bücher leichteren Charakters, wie etwa Kriminalromane«, »Geschichten von nah und fern« und »phantasie-erzeugte[ ] Abenteuer[ ].« Goebbels’ Tagebuchnotiz vom 27.9.1941. Oberstleutnant Dr. Hesse auf einer Arbeitstagung der Reichsschrifttumskammer, Gruppe Buchhandel (zitiert nach: [o.V.]: BDB 100 (30.4.1940), S. 170). Vgl. Kapitel 3.2.1.1. Die Phrase ›reines Unterhaltungsbuch‹ kann in zwei Bedeutungen gelesen werden, nämlich als das Buch, das ›nur‹ Unterhaltung bietet, und als das Unterhaltungsbuch, das rassisch und politisch ›zuverlässig‹ ist. Obwohl die zweite Bedeutung im nationalsozialistischen Kontext immer mitspielt, ist in diesem Zusammenhang vor allem die erste Bedeutung gemeint (vgl. Walter Hofmanns Definition der »reinen« Unterhaltung als »nichts als Unterhaltung, […] Unterhaltung um der Unterhaltung willen« (BDB 93 (24.4.1937), S. 22). Goebbels (zitiert nach: [o.V.]: BDB 109 (12.5.1936), S. 425).

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In dieser Logik gewann die unterhaltsame Literatur nach Beginn des Krieges erheblich an Bedeutung. »Unser Volk, das in unermüdlicher täglicher Arbeit seine ganze Kraft in den Dienst der Kriegführung stellt,« bekundete Goebbels am 11. Oktober 1942 auf dem Weimarer Dichtertreffen, brauche »Lösung und Entspannung« und daher ein »leichtes, fesselndes Schrifttum, das keinen großen seelischen Aufwand erfordert, sondern unaufdringlich vom Alltag hinwegführt«.54 Sprache und Inhalt dieses Schrifttums hätten sich »der breiten Masse unserer Volksgenossen« anzupassen. Die Handlung solle »ohne langatmige Andeutungen und Betrachtungen […] den Leser fesseln und ihn in den Bannkreis des Buches ziehen.« In ähnlichem Sinne teilte Wilhelm Haegert 1940 mit, »wir lehnen die leichtere Art der Unterhaltungsliteratur nicht ab, sondern bemühen uns, sie zu pflegen.«55 Beim Weimarer Dichtertreffen im Herbst 1941 rief er die Anwesenden auf, die »kulturpolitische Bedeutung der Unterhaltung unseres Volkes« nicht zu unterschätzen: Der Panzerschütze des Wüstenkrieges will das unterhaltende Buch, das ihn von den eintönigen Strapazen des Wüstenlebens ablenkt. Die Besatzung des Heinkel-Bombers, die aus der Flakhölle Londons mit aufgepeitschten Nerven heimkehrt, kann, wenn sie ihren Funkapparat einstellt, nicht eine Symphonie hören, sie will Tanz und Lebensfreude. Die werktätige Frau, die aus dem Rüstungswerk heimgekehrt ist, will, wenn ihr überhaupt Zeit zum Rundfunkhören oder zum Lesen nach der Besorgung ihrer Kinder bleibt, Entspannung von den Sorgen, die ein ausbleibender Brief des an der Front befindlichen Mannes ihr vielleicht bereitet. Der Stoff für diese Unterhaltung muß dasein.56

Ob die Goebbelsinstanzen damit einen politikfreien Freiraum schufen, ist zweifelhaft. So ist zu bedenken, dass die ›reine Unterhaltungsliteratur‹ als fester Bestandteil der Stimmungspolitik mit zwei konkreten Zielsetzungen verbunden wurde: der Kräftesteigerung der Bevölkerung57 und der regimestabilisierenden Erzeugung passiver Loyalität. Jedes dieser Ziele wurde mit anderen Anforderungen an die Unterhaltung verbunden. Sollte Unterhaltung als Kraftreservoir der Nation dienen, so hielt es Goebbels für

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Zitiert nach: Goebbels: Der steile Aufstieg, S. 25f. Die folgenden Zitate sind ebd. [Wilhelm Haegert]: Schrifttum und Buchhandel im Kriege. Ansprache des Leiters der Abteilung Schrifttum im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda in der Hauptversammlung des Börsenvereins. In: BDB 94 (23.4.1940), S. 150. Zitiert nach: Wilhelm Haegert: Zum Dichtertreffen 1941. In: o.V.: Die Dichtung im kommenden Europa. Weimarer Reden 1941. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt 1942, S. 8. Der Einsatz der Unterhaltungsliteratur zur Steigerung der Kräfte erinnert an die Programmerklärung der Deutschen Arbeitsfront, der zufolge die Freizeitangebote der ihr unterstehenden Organisation Kraft durch Freude dazu dienten, »jede Arbeitskraft von Zeit zu Zeit« zu überholen, »genauso wie man den Motor eines Kraftwagens nach einer gewissen gelaufenen Kilometerzahl überholen muss« (zitiert nach: Hilde Kammer / Elisabet Bartsch: Lexikon Nationalsozialismus. Reinbek 2002, S. 127; vgl. auch Anne D. Peiter: Komik und Gewalt. Zur literarischen Verarbeitung der beiden Weltkriege und der Shoah. Köln u. a. 2007, bes. Kapitel 5; zum Kult der Leistungsfähigkeit vgl. Anson G. Rabinbach: Die Ästhetik der Produktion im Dritten Reich. In: Kunst und Kultur im deutschen Faschismus. Hg. von Ralf Schnell. Stuttgart 1978, S. 57–85).

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eine gebieterische Aufgabe, produktiv und anregend einer guten und brauchbaren Unterhaltungsliteratur den Weg zum Volke zu eröffnen und ihr weiteste Entwicklungsmöglichkeiten zu sichern.58

Für die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Stimmung zeigte sich Goebbels bei allen öffentlichen Aussagen für die »Zurückdrängung des kitschigen Schmökers«59 prinzipiell bereit, dem Volk seinen Kitsch zu gönnen. Das Rosenbergamt hatte im Gegensatz zu den Goebbelsinstanzen grundsätzliche Schwierigkeiten mit der leichten Unterhaltungsliteratur. Es vertrat die Meinung, man solle »vor härteren Maßnahmen nicht zurückschrecken« und dem unterhaltenden Roman, »der sich Welten, Gefühlen und Problemen zuwendet, die mit uns und unserer Zeit nichts mehr zu tun haben, […] notfalls mit dem Mittel des Verbotes […] begegnen«.60 Soweit eine »Entgiftung« dieser Art der Unterhaltung nicht möglich sei, sei das »vollständige[ ] Verschwinden« des Groschenromans eine »grundsätzliche Forderung«.61 Zwar zeigte sich die Stelle unter Einfluss der Wirklichkeit durchaus zur Akzeptanz des Unterhaltungsschrifttums bereit. Im Lektoren-Brief verlangte sie von ihren Mitarbeitern, dass sie nicht nur die ›Dichtung‹, sondern vielmehr die »ganz verschiedenartigen Ebenen des Schrifttums« von der »Dichtkunst« bis hin zur »Unterhaltungsschriftstellerei« beachteten.62 Sie sollten sich davor hüten, bei der Bewertung des Unterhaltungsschrifttums »Sinn und Zweck dieses für den arbeitenden deutschen Menschen auch notwendigen Schrifttums« zu verkennen. Auch in den Richtlinien für die Begutachtung von Werken des schöngeistigen Schrifttums im Rahmen des Hauptlektorates ›Schöngeistiges Schrifttum‹ des Amtes Schrifttumspflege wurde eingeräumt, die Bevölkerung habe Not am »guten Unterhaltungsroman«, so dass auch Werke, die »mit künstlerischen Maßstäben nicht gemessen werden dürfen«, eine »positive Beachtung« verdienten.63 Dennoch wurde diese Akzeptanz in den Organen des Rosenbergamtes systematisch mit Anforderungen verknüpft: Wenn wir im Nationalsozialismus mit Recht nicht nur eine äußerliche politische, sondern eine tiefschürfende weltanschauliche Bewegung erblicken, die sich auf allen Lebensgebieten auswirken muß, werden uns die Gründe klar, aus denen heute eindeutige Forderungen an das Unterhaltungsschrifttum gestellt werden müssen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Erfüllung dieser Forderungen im Interesse der Gesamtführung und -erziehung des Volkes bitter notwendig ist.64

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Zitiert nach: E. Langenbucher: BDB 252 (29.10.1935), S. 908. Goebbels’ Rede beim Weimarer Dichtertreffen vom 11. Oktober 1942 (zitiert nach: Goebbels: Der steile Aufstieg, S. 26; vgl. Kapitel 3.2.1.1.). Franke: BK 1944, S. 47. Bericht über Peter von Werders Buch Literatur im Bann der Verstädterung. Eine kulturpolitische Untersuchung in der Zeitschrift Bücherkunde (1943, S. 104). Peter von Werder trat am 1. Februar 1943 die Nachfolge von Bernhard Payr als Leiter des Zentrallektorats im Amt Schrifttumspflege an. [o.V.]: LB 3 (1939), S. 2. Das folgende Zitat ist ebd. [o.V.]: LB 11 (1940), S. 6. Pieske: BK 1944, S. 51.

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Demgemäß wurde nicht vom Bedürfnis nach Unterhaltungsschrifttum gesprochen, sondern vielmehr ausschließlich vom »Bedürfnis nach guten und gediegenen Werken des reinen Unterhaltungsschrifttums«,65 nach »Unterhaltungsliteratur für das gesunde Volk«66 und nach »wirkliche[r] Kost« anstatt der »mageren und gehaltlosen unechten Nahrung«.67 Es wird damit lediglich etwas gesagt, was im Grunde selbstverständlich ist: d a ß n ä m l ich n ie m a n d d a s Re c h t h a t , u m d e s L ei c h t e n , E n t s p a n n e n d e n u n d v iel l e i c h t ei n we n ig K a p r i z iö s e n w i l le n auch nu r d e n ge r i ngst e n Ab st r ich vo m Ke r n b e st a n d u n s e r e r welt a n s c h a u l ich e n G r u n d h a lt u ng d e m L eb e n gege nüb e r vo r z u n e h m e n .68

Vor diesem Hintergrund war Rosenberg nicht bereit, um der Stimmung willen ein Schrifttum zuzulassen, das er aus ideologischer Warte für manifest ›ungesund‹ hielt. Er lehnte ›Schmökerliteratur‹ dezidiert ab und hielt sein Entgegenkommen dem Publikumsgeschmack gegenüber nur im Rahmen einer auf ›Haltung‹ fi xierten Politik für vertretbar. »Niemals«, so brachte Bernhard Payr die Stellungnahme des Rosenbergamtes auf den Punkt, »darf […] die Unterhaltung unter der Haltung bleiben«.69 Die Opposition zwischen Rosenberg und Goebbels wurde besonders sichtbar in Goebbels’ Tagebucheintrag vom 27. Februar 1942, in dem der Propagandaminister die geistige Betreuung der U-Bootbemannung thematisierte. In direktem Angriff auf Rosenberg, Autor des weltanschaulichen Werks Der Mythus des 20. Jahrhunderts, habe er seinen Mitarbeitern angewiesen, »die Betreuung der Truppen und die Betreuung des deutschen Volkes mehr von der Praxis als von der Theorie aus [zu] bestimmen«: Es gibt unter uns immer noch Ideologen, die glauben, daß der U-Boot-Mann, wenn er verdreckt und verölt aus dem Maschinenraum kommt, am liebsten zum Mythus des 20. Jahrhunderts greift. Das ist natürlich purer Unsinn. Dieser Mann ist innerlich gar nicht danach ausgerichtet und befindet sich in keiner Weise in der Stimmung, sich weltanschaulich belehren zu lassen. Er lebt unsere Weltanschauung und braucht nicht eigens noch darüber unterrichtet zu werden. Er sucht sich zu entspannen, und die Möglichkeit zur Entspannung müssen wir ihm durch Literatur leichterer Art, durch leichte Rundfunkmusik und ähnliches verschaffen. Ich verfolge diese Tendenz sowohl in der Führung des Rundfunks wie des Films wie auch der Literatur. Nach dem Kriege kennen wir uns wieder über Ausrichtung weltanschaulicher Art unterhalten. Jetzt wird die Weltanschauung gelebt und braucht deshalb nicht gelehrt zu werden.

Die unterschiedlichen Haltungen gegenüber dem populären Unterhaltungsschrifttum spiegeln sich ebenfalls in den im Bundesarchiv aufbewahrten Akten des Nationalsozialistischen Lehrerbundes wider, der in diesem Zusammenhang auf Rosenbergs Linie war. Ein Verlag populärer Unterhaltungsliteratur, der vom Lehrerbund wegen

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[o.V.]: BK 1936, S. 176 [eigene Hervorhebung]. Westecker: LB 5–6 (1940), S. 6 [eigene Hervorhebung]. Wunder: BK 1944, S. 41 [eigene Hervorhebung]. [o.V.]: BK 1936, S. 177. Bernhard Payr: Von Sinn und Unsinn der Feldpostausgaben. In: Bücherkunde 4 (1944), S. 102. Payr war zu diesem Zeitpunkt Leiter des Amtes Schrifttumspflege.

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minderwertigen Schmökerschrifttums beanstandet worden war, berief sich auf Goebbels’ Duldungspolitik, um sich gegen die Kritik an seinen billigen Heftreihen zu wehren. In seinem Brief argumentierte er: Weit wichtiger als der Schaden, der durch billiges Schrifttum etwa doch bei labilen Charakteren entstehen könnte, ist ihr wirklicher Wert, den gerade der Staat erkannte: Dem werktätigen Arbeiter der Stirn und der Faust Entspannung zu bieten. Wie das Leben nicht nur aus Feiern besteht, sondern auch aus handfester nervenzermürbender Arbeit, so kann man auch im Geistesleben nicht immer in Höhensphären wandeln. […] [S]o gibt es auch im Schrifttum neben dem ew[ ]igen Geistesgut mit staatlicher Duldung und unter staatlicher Aufsicht leichteres Schrifttum für die Forderungen der Stunde. Diese Gedanken hat gleichfalls Herr Reichsminister Dr. Goebbels ausgesprochen […].70

Dabei wird deutlich, wie sich Verleger die polykratische Machtstruktur des Herrschaftssystems zunutze zu machen versuchten. 3.4.2.2. Die Erziehung zum ›guten Buch‹ Vor dem skizzierten Hintergrund waren Rosenberg und seine Verbündeten im Buchhandel71 und im pädagogischen Bereich keineswegs wie Goebbels geneigt, »Unterhaltungsliteratur als solche zu pflegen«.72 Für sie war das populäre Schrifttum, das offensichtlich den Publikumsgeschmack traf und in allen Schichten gelesen wurde, in erster Linie ein geeignetes Lockmittel, um den einfachen Menschen weg vom ›Schund‹ und hin zum ›guten Buch‹ von geistigem und weltanschaulichem Gehalt zu führen. Erfahrungsberichte in den Organen der betreffenden Instanzen dokumentieren, auf welche Weise das Unterhaltungsschrifttum in diesen Erziehungsprozess eingebunden wurde. Die Duldung ›leichter Kost‹ sollte im Wesentlichen gewährleisten, dass der bei der deutschen Bevölkerung »grundsätzlich vorhandene Lesewille nicht einfach zerstört, sondern in langsamer Heraufbildung zu den Zielen geleitet wird, die den maßgebenden Stellen vorschweben.«73 Der NS-Lehrerbund präzisierte 1939 in einem Rundschreiben: Das Lesebedürfnis darf in keiner Weise unterdrückt, es muß nur richtig geleitet werden. Dabei gilt: weg vom Phantastisch-Abenteurlichen (Detektivromane), hin zum realistischen Abenteuer (abenteurl. Reisebeschreibung), zum Schicksalhaft-Abenteurlichen und Heldisch-Abenteurlichen (Saga, Heldenepos, geschichtliche Erzählung, Weltkriegsbücher, kämpferisches Schrifttum der Bewegung).74

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Zitiert nach: Rundschreiben des NS-Lehrerbundes, Abteilung Schrifttum, Unterabteilung Jugendschrifttum vom 9.3.1939 zum Thema »Schundlesen« (BArch NS 12/1266). Hier ist der ›richtige‹ Buchhandel gemeint und nicht die Kioske, Zeitungsstände und Papierläden, die vorwiegend Schmökerliteratur verkauften. Goebbels (zitiert nach [o.V.]: BDB 109 (12.5.1936), S. 423: »Vor allem legten wir Wert darauf, die Unterhaltungsliteratur als solche zu pflegen. Denn wir waren der Überzeugung, je mehr ein Volk von den Sorgen des Alltags angefressen wird, um so mehr hat es Anspruch auf Entspannung und Erholung« [eigene Hervorhebung]). Biedermann: BK 1944, S. 98. Rundschreiben des NS-Lehrerbundes, Abteilung Schrifttum, Unterabteilung Jugendschrifttum vom 9. März 1939 zum Thema »Schundlesen« (BArch NS 12/1266).

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Die Bücherkunde räumte ihrerseits im Januar 1943 ein, es sollte keineswegs stören, dass das Lesebedürfnis der Soldaten in den Lazarettbüchereien »oft zuerst zum Karl-May-Buch oder zum Kriminalroman« führe, weil sie »vielfach den einzigen Ausgangspunkt zum guten Buch darstellen« und ohne sie »so mancher Kamerad der Bücherei ferne geblieben« wäre:75 Am schönsten […] äußerte sich ein junger Feldwebel zu dieser Frage, als er in sichtlicher Vorfreude ein Karl-May-Buch verlangte, weil er mit diesem ihm seit seiner Jugend vertrauten Schriftsteller nun nach der langen Unterbrechung wieder seine »ersten geistigen Gehversuche« machen wollte. Daß er bei der nächsten Bücherstunde »Die Hengstwiese« von Beumelburg und Schiller-Dramen wählte, beweist wohl, wie richtig sein Weg war.

Ein weiteres Beispiel lieferte das Informationsblatt Die Bücherei, Organ der dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unterstellten Reichsstelle für volkstümliches Büchereiwesen. Dort berichtete eine Bibliothekarin 1942 über ihre Büchereiarbeit im Lazarett: Was für Bücher werden nun gelesen? Am meisten natürlich leichtere unterhaltende, die ja auch zunächst einmal zur Ablenkung das Richtige waren. Unser bibliothekarisches Gewissen haben wir diplomatisch beschwichtigt, und heute können wir an den Endzahlen einer siebenmonatigen Arbeit den Abfall vom Nur-Unterhaltenden und die Hinwendung zum Anforderungen stellenden Buche nachweisen.76

Der Bericht lässt das Ziel erkennen, die Soldaten nicht nur mit Lesestoff zu versorgen, sondern sie auch und vor allem zur anspruchsvolleren Lektüre zu führen. Der Einzelne, der diesem Erziehungsansatz widerstand, wurde dementsprechend als verloren ›aufgegeben‹: Was übrig bleibt, ist der einzige Vielleser von Abenteu[ ]er- und Liebesromanen primitiver Prägung, der sich durch unseren solchen Büchern etwa entsprechenden Bestand hindurchgelesen hat und sich nun mit den 25,- Pf. Heften weiterhilft. Wir haben ihn aufgeben müssen.77

Die Befürworter des skizzierten Erziehungsprozesses waren sich einig, dass das Unterhaltungsschrifttum dazu diene, »den einfachen Leser […] zur wirklichen Dichtung zu bringen«.78 Dennoch herrschte Unsicherheit darüber, was als die untere Grenze des ›gesunden‹ Unterhaltungsschrifttums zu betrachten sei. Zwar war klar, dass die Grenze höher gesetzt werden sollte als es Goebbels tat. Erotischer Kitsch etwa wurde auf keinen Fall geduldet.79 In Aufsätzen und bei Arbeitstagungen wurde vielmehr diskutiert, wie mit Autoren wie Karl May umzugehen sei. Nicht selten wurden die

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Sprinzl: BK 1943, S. 22. Das folgende Zitat ist ebd. Hellner: DB 1942, S. 132 [eigene Hervorhebung]. Ebd., S. 133. Aus: Der Deutsche Buchhandlungsgehilfe des Bundes Reichsdeutscher Buchhändler (1936) (zitiert nach: [o.V.]: BDB 96 (25.4.1936), S. 378). Für Goebbels’ Haltung zum erotischen Kitsch vgl. Seite 282.

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eigenen Leseerfahrungen als Argument herangezogen, um über Fragen wie Gegen Buffalo Bill? Für Karl May? 80 zu entscheiden: Mich hat eine glühende frühe Jugendliebe zu dreiundvierzig Bänden Karl May nicht beschädigt, wie ich offen bekenne, und ein langzöpfiges Mädel, das diese dreiundvierzig Bände in gleicher Begeisterung las, ist trotzdem bis zu einem für andere tapfer erlittenen Tod ein prachtvoller, lebensechter Kerl geworden…

Insgesamt zeigt sich, dass für ein ›gesundes‹ Schrifttum weniger die Anwesenheit bestimmter ideologischer und politischer Inhalte von Bedeutung war als wohl die Abwesenheit von Elementen, die der nationalsozialistischen Weltanschauung widerstrebten. Zum ›gesunden‹ Unterhaltungsschrifttum gehörte zum einen die ›reine Unterhaltungsliteratur‹ von durch die jeweilige Instanz anerkannten Autoren wie etwa Mario Heil de Brentani, Wilhelm Busch, Heinrich Spoerl, Fritz Müller-Partenkirchen und Wilhelm Schmidtbonn gezählt.81 Zum anderen fiel in diese Kategorie die unpolitische Literatur international anerkannter deutscher Autoren wie Karl May und ausländische Unterhaltungsliteratur von bekannten und unbekannten Autoren wie Felix Timmermans, James Fenimore Cooper, Torsten Boberg, Charles Silvestre, Gunnar Gunnarsson, Barbra Ring, Esther Forbes, Lucie de Ambra, Auni Nuolivaara und zahlreichen anderen.

3.4.3. »Neuplanung eines wahrhaft deutsch orientierten Unterhaltungsschrifttums« Als der literarische Bereich größtenteils von ›volksfremden Einflüssen‹ befreit worden war und platte ideologische Indoktrination nicht zu befriedigenden Ergebnissen führte, wurde den literaturpolitischen Instanzen zunehmend der potentielle Propagandawert des Schrifttums bewusst, das sich einer breiten Leserschaft als vordergründig unpolitisch präsentierte. Im Sommer 1935 wurde von der Reichsschrifttumskammer eine Anordnung zur Förderung guter Unterhaltungsliteratur erlassen;82 Ende 1935

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Vgl. [o.V.]: BDB 46 (23.2.1939), S. 156. Das folgende Zitat ist ebd. Im Hinblick auf den unpolitischen Autor Schmidtbonn findet sich im ersten Band (1933) der von Gerd Rühle verfassten Reihe Das Dritte Reich der bedeutungsvolle Hinweis, dass der ›Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung‹ Bernhard Rust die Preußische Dichterakademie mit »kompromißloser Entschlossenheit« säuberte und die ausgesonderten Mitglieder durch »deutsche Dichter« ersetzte, sich in seinem Urteil jedoch »k e i n e s w e g s von Engherzigkeit leiten ließ«, da »sich unter den in der Akademie Verbleibenden« immer noch »eine Reihe von Dichtern wie Gerhart H a u p t m a n n , Ina S e i d e l , Hermann B a h r , Max H a l b e , S c h m i d t b o n n und andere befand [ ] , die man kaum als Parteigänger des Nationalsozialismus ansprechen kann« (Gerd Rühle: Das Dritte Reich. Das erste Jahr 1933. Berlin o.J., S. 84f.). Diese Anordnung ist ein typisches Beispiel für die literaturpolitische Schwerpunktverlagerung der Zensur auf die Förderung. Verwiesen sei in diesem Rahmen auf eine Anweisung des NS-Lehrerbundes vom 9. März 1939, der zufolge der »Kampf gegen den Schund […] nicht nur negativ, d. h. schützend und bewahrend, sondern […] vor allem positiv, fördernd,

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wurde zum ersten Mal der Gedanke vorgebracht, dass das unterhaltende Buch »auf indirektem Wege Gedankengut an die Menschen heran[bringe]« und daher zwar »verhängnisvoll werden kann, wenn es schlecht ist«, aber auch »eine einzigartige Erziehungsschule ist, wenn es gut und positiv ist.«83 In den Kriegsjahren wurde diese Erkenntnis durch das gesteigerte Bedürfnis der Bevölkerung an Zerstreuungswerten verstärkt. Die von Goebbels aufmerksam verfolgten Stimmungsberichte des Sicherheitsdienstes registrierten am 16. September 1940, dass im ganzen Reichsgebiet die »Nachfrage nach schöngeistigem Schrifttum und leichter Unterhaltungslektüre« sehr groß war und daher zahlreiche Ansatzpunkte vorhanden seien, auf dem Wege über das unterhaltende und spannende Buch Grundsätze und Werte einer nationalsozialistischen Lebensgestaltung auch dann und oftmals leichter in das Volk zu tragen, als es ein Schrifttum schulungsmäßigen Charakters häufig vermöge.84

So wurden in den Gliederungen der NSDAP Stimmen laut, »billige Unterhaltungsliteratur« herauszugeben, die sich dazu verwenden lasse, »manches Gesetz stimmungsmässig im Volk vor[zu]bereiten«.85 Als Beispiel wurden »sehr flüssig, unterhaltend und spannend« geschriebene »20 Pfg.-Romane« vorgeschlagen, die die Themen »Umgang mit Fremdvölkischen und die Gefahren« sowie »Sünde wider das Blut«86 in Novellen oder Romanform aufarbeiten sollten. Allerdings sollte dies getan werden, »ohne dass dabei offensichtlich zu erkennen ist, dass die NSDAP. Herausgeber ist, und ohne dass dabei auch im Inhalt der Nationalsozialismus irgendwie erwähnt ist«. Der Ehrgeiz der literaturpolitischen Instanzen ging aber weit über die Produktion parteigesinnter, aber ästhetisch minderwertiger Schmökerhefte in grellbunter Aufmachung hinaus.87 Vielmehr wurde die Produktion eines »wahrhaft deutsch orientierten Unterhaltungsschrifttums« 88 angestrebt in der Hoffnung, die Gattung des Unterhaltungsschrifttums grundsätzlich zu modifizieren. Absicht war nicht nur, wie es verschiedene Referenten der Schrifttumsabteilung im Propagandaministerium formulierten, den »Mist durch Übergießen von künstlichen Essenzen zu einem ande-

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[…] schöpferisch geführt werden« müsse (Rundschreiben des NS-Lehrerbundes, Abteilung Schrifttum, Unterabteilung Jugendschrifttum vom 9. März 1939 zum Thema »Schundlesen«, BArch NS 12/1266). Lgb. [Langenbucher]: BDB 276 (28.11.1935), S. 1014. Paraphrasiert von: Boberach: Meldungen aus dem Reich. Bd. 5, S. 1576. Lagebericht des Gaus Weser-Ems vom Oktober 1941 (BArch NS 18/74). Die folgenden Zitate sind ebd. Diese Formulierung erinnert an Artur Dinters antisemitischen Beststeller Die Sünde wider das Blut, mit dem der Verfasser 1917 vor den ›Gefahren‹ der Rassenmischung warnen wollte. Die Handlung und Figuren des Romans dienten dem einzigen Zweck, die rassischvölkischen Vorstellungen der Zeit zu veranschaulichen. Vgl. Kapitel 3.2.1.2. Losch: BDB 88 (16.4.1940), S. 138.

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ren Geruch zu bringen«,89 sondern ganz im Gegenteil einen gänzlichen »Neuaufbau dieses Schrifttums im nationalsozialistischen Sinne«90 zu realisieren. 3.4.3.1. Forderungen an das ›gute deutsche Unterhaltungsbuch‹ Das Ziel des staatlichen Lenkungsapparats war eine Kompromissbildung zwischen Publikumsgeschmack und literaturpolitischem Anspruch und damit auch zwischen den Kategorien der Trivialliteratur und der Dichtung. Der ›neue deutsche Unterhaltungsroman‹ sollte ein Buch sein, das »rein niveaumäßig die Höhe der reinen Dichtung nicht erreicht«, jedoch »in seinen besten Vertretern ihr sehr nahekommt«.91 Er sollte »über den Rahmen des bloß Darstellerischen hinaus in den Raum der dichterischen Gestaltung vordring[en]«.92 Verlangt wurde eine »Union von dichterischer Schau und gut fabulierten Stoffen«.93 Mit ›gut fabuliert‹ war im Wesentlichen gemeint, dass »Spannungsmomente«, »Abwechslung in Handlung und Schauplatz« und eine »gewisse Leichtigkeit« weiterhin von großer Bedeutung waren.94 Die Bedingung der ›dichterischen Schau‹ war sowohl ideologisch als auch ästhetisch definiert. Einerseits gab sie dem Unterhaltungsschriftsteller die Aufgabe vor, sich am Gestaltungsprinzip der Dichtung zu orientieren und »Sinn und Zweck« seines Werks »in dem Überindividuellen, nämlich in dem, was wir heute bewußt Volk nennen« zu suchen.95 Andererseits sollte sie in einer ästhetischen Aufwertung des Unterhaltungsschrifttums resultieren.96 Insgesamt sollte der ›neue deutsche Unterhaltungsroman‹ auf halbem Wege dem vom Volk beliebten Schmöker entgegenkommen, aber auch nur halbwegs von der literaturpolitischen Idealvorstellung der Dichtung entfernt sein. Eine ganz wesentliche Überschneidung von Unterhaltung und Dichtung wurde durch die Festlegung der Wirklichkeit angepeilt, auf die sich das Unterhaltungsschrifttum zu beziehen hatte. So wurde bestimmt, dass der ›neue deutsche Unterhaltungsroman‹ – im Gegensatz zum Kitsch – keine Welt zum Gegenstand haben durfte, die »nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit«97 habe. Radikal abgelehnt wurde in dieser Hinsicht die »Wunschphantasie«,98 das »Traum-Reich«99 und die »goldene Scheinwelt jenseits aller Wirklichkeit«,100 da sie den Sinn für Wahrheit und Realität verstellten. Zusätzlich wurde auch eine zu große Ähnlichkeit mit

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100

Hagen: BK 1944, S. 44. Losch: BDB 88 (16.4.1940), S. 138. Das folgende Zitat ist ebd. Franke: BK 1944, S. 45. [o.V.]: BK 1936, S. 176. Franke: BK 1944, S. 50. Pieske: BK 1944, S. 52. Hagemeyer: NSM 105 (1938), S. 1050. Für Goebbels’ Wertsetzung auf ästhetischem Niveau vgl. Kapitel 3.2.2.1. Franke: BK 1944, S. 49. Hagen: BK 1944, S. 43. Franke: BK 1944, S. 49. Pieske: BK 1944, S. 52 (vgl. Kapitel 3.2.1.1.).

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der empirischen Wirklichkeit abgelehnt: »Der Schriftsteller braucht deswegen noch nicht in krassen Realismus zu verfallen«.101 Verboten wurde damit in erster Linie der »naturalistische[ ] Abklatsch«102 und somit eine literarische Strömung, die sich nicht scheute, die hässlichen Seiten der Gesellschaft zu porträtieren. So sei unter ›Wirklichkeit‹ »nicht die genau geschilderte Umwelt«103 zu verstehen, sondern vielmehr die »heutige[ ] Lebenswirklichkeit«,104 die »völkische[ ] Wirklichkeit«,105 die »Wirklichkeit des Lebens«106 oder die Wirklichkeit, »d ie h eut e a l s d eut s ch e Wi rk l ic h keit a n z u s e h e n i st«.107 Die Attribute ›Lebens-‹, ›völkisch‹, ›heute‹ und ›deutsch‹ verwiesen auf die für totalitäre Herrschaftssysteme charakteristische Forderung einer ›idealistischen Tendenz‹.108 Sie legten fest, dass die Wirklichkeit im Unterhaltungsroman genauso wie die der Dichtung Realistisches mit Idealistischem zu verbinden hatte. Zwar sollte das Unterhaltungsschrifttum dabei nicht ganz zum Gleichnis vorstoßen. Gleichwohl wurde von ihm der Schritt vom ›schrankenlosen Individualismus‹ der ›Systemzeit‹ zum ›Sozialismus‹ des nationalsozialistischen Regimes mit den entsprechenden rassischen, politischen, ideologischen, sozialen, religiösen und sonstigen Implikationen verlangt: Wer sich heute noch als ein selbständiges, nicht zum Volke gehöriges Individuum ansieht und aus diesem Geiste heraus schreibt, der bleibt unverstanden und geht außerhalb dieser Lebensgemeinschaft zugrunde.109

Konkret bedeutete diese Forderung, dass der Unterhaltungsroman das »Bild des deutschen Menschen« 110 aufzuzeigen hatte und zwar »des deutschen Menschen« in generischem Sinne, als Prototyp für das gesamte Volk. Gefordert wurden Figuren, die »Beispiel für so viele andere« seien:111 »Denn der Held kann […] nur das ganze Volk sein, so weit und so ausschließlich es sich auch um das Schicksal einzelner oder einer Familie handeln würde.«112 In logischer Konsequenz sollten im Mittelpunkt der Romanwelt Identifikationsfiguren für die deutsche Bevölkerung stehen, während Antihelden höchstens am Rande und in der Rolle des ›volksfremden‹ Antagonisten in Erscheinung treten durften: »Wir wollen den Hochstapler nicht aus der Literatur verbannen. Die Natur wird immer auch Bösewichte hervorbringen; aber der Hochstapler

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Ebd., S. 53. Rang: EL 5 (1943), S. 3. Westecker: BK 1939, S. 379. H. Langenbucher: BK 1939, S. 188. Peuckert: BK 1943, S. 174. Payr: BK 1944, S. 103. [o.V.]: BK 1936, S. 176. Vgl. die Ausführungen über den sozialistischen und den nationalsozialistischen Realismus in Kapitel 3.2.2.4. Hagemeyer: NSM 1938, S. 1053. Westecker: BK 1937, S. 161. [o.V.]: BK 1943, S. 105. Heilbronn: BK 1941, S. 138.

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darf nicht der Held sein.«113 Automatisch galt auch das Verbot, positiv besetzte Figuren negativ darzustellen. Insbesondere die zu den Stützen der ›Volksgemeinschaft‹ hochstilisierten Figuren des Bauern, des Arbeiters, des Soldaten, der Mutter und der Jugend wurden in diesem Zusammenhang vor einer negativen Darstellung geschützt. So wurde ganz allgemein gewarnt, dass »Bücher, in denen offen den Volksgesetzen entgegengehandelt wird, […] im heutigen Deutschland nicht [erscheinen]« dürften und z. B. jede »Verächtlichmachung der Mutter, der Familie, […] eine Verletzung wichtiger Volksgesetze« sei. Spezifischer wurde etwa für die Militärhumoreske angewiesen, die Wehrmacht dürfe nicht lächerlich gemacht oder »als Vertreterin der Äußerlichkeit, Roheit und Unkultur« abgestempelt werden.114 Dass in dieser Gattung der »fratzenhafte Leutnant«, »saugrobe Sergeant« und »dumme Rekrut« als prototypische Figuren der Wehrmacht aufgeführt wurden, wurde abschätzig als Merkmal eines überwundenen »jüdisch-marxistischen Intellektualismus« charakterisiert. Forthin galt es zu vermeiden, dass »das Ansehen der Wehrmacht und damit die Wehrfreudigkeit des Volkes […] untergraben« werde. Vom Ersatz des negativen Protagonisten durch den positiven Helden in der Literatur versprachen sich die Lenkungsinstanzen einen realen Einfluss auf die Gesellschaft. Dass die Literatur der Weimarer Republik eine »degenerierte Gesellschaft« gezeigt hatte, habe ein »Geschlecht von Zweiflern und Nörglern, von Müden und Morbiden, von Angekränkelten und Bösen« hervorgebracht:115 Wenn einem Volk die Hochstapler als Helden gezeichnet, die Eisenbahnattentäter als Märtyrer, die Deserteure als Erretter des Vaterlandes hingestellt werden, wie es in der Novemberrepublik von seiten der jüdischen Literaten geschah, muß das Volk notwendig krank werden. Es dürfen auch nicht die geringsten Reste von dieser teuflischen Umkehrung der Moral zurückbleiben, dazu muß uns allen die seelische Gesundheit unseres Volkes zu sehr am Herzen liegen.116

In der gleichen Logik wurde vom ›neuen deutschen Unterhaltungsroman‹ erwartet, er züchte ›gesunde‹ Volksgenossen in einer aufstrebenden ›Volksgemeinschaft‹ heran. Da diese ›Volksgemeinschaft‹ im Aufbau begriffen war, musste das geforderte »Bild des deutschen Menschen« gleichzeitig auch das »Bild eines werdenden und ringenden Menschen« sein und der ›neue deutsche Unterhaltungsroman‹ um Tat, Handlung, »Bewährung oder Nichtbewährung«117 kreisen. Zum einen wurde einzel-

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Westecker: 5–6/LB 1940, S. 6. Das folgende Zitat ist ebd. [o.V.]: BK 1935, S. 302. Die folgenden Zitate sind ebd. Zur Illustration wird die 1909 erschienene Militärkomödie Der Feldherrnhügel angeführt, in der engstirniger Militarismus und Kadavergehorsam aufs Korn genommen werden. Die Humoreske wurde vom jüdischen Autor Alexander Roda Roda (Pseudonym für Sandór Friedrich Rosenfeld) in Zusammenarbeit mit Carl Rößler verfasst. Heilbronn: BK 1941, S. 138f. Westecker: 5–6/LB 1940, S. 6 (vgl. dazu: Rühle: Das Dritte Reich, 1933, S. 82f.: »Die lärmende November-Intelligenz […] trug ein gerüttelt [sic] Maß von Schuld an der moralischen Erkrankung des deutschen Volkes. Dirnen, Zuhälter, Säufer, Verbrecher, Ehezerstörer und geistig Kranken waren die »Helden« ihrer Dichtungen.«). Westecker: BK 1937, S. 162.

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nen Autoren angelastet, ihre Figuren seien »keine Willensmenschen, keine Menschen der Tat und der Haltung« und ihre literarische Wirklichkeit sei »fern aller echten Wirklichkeit der Tat und […] eine Wirklichkeit des Sichtreibenlassens und der stärkeren Verhältnisse«.118 Zum anderen grenzte sich der Nationalsozialismus in diesem Punkt ausdrücklich von der marxistischen und katholischen Lehre ab, weil diese den Menschen »von der Pflicht zu handeln«119 entheben würden: der Marxismus, weil man ihm zufolge »nur die Umwelt zu ändern brauche, um den Menschen zu bessern und das Paradies auf Erden zu schaffen«; der Katholizismus, da er »nicht den Menschen für sein Handeln verantwortlich macht, sondern Gott, der je nach der Stärke des jeweiligen Gebetes hilft.«120 Die bereits genannte Kritik am Naturalismus betraf in diesem Zusammenhang insbesondere dessen Milieutheorie, die nach nationalsozialistischer Ansicht die Menschen als »Tiere im Käfig«, d. h. »nur armselige, an ein von der Umwelt beherrschtes Dasein gebundene Kreaturen« erscheinen ließ.121 Der Mensch des naturalistischen Dramas »leidet entsetzlich, aber er handelt nicht«,122 wurde gerügt, während es in der Literatur wie in der Wirklichkeit darauf ankomme, daß einer in einer möglichst schwierigen Lage als ein deutscher Mann oder als eine deutsche Frau handelt und lebt, vorbildlich und unbeirrbar, oder daß er in einer ausweglosen Lage als ein deutscher Mann ebenso unbeirrbar untergeht.123

Eine ähnliche Argumentation betraf den so genannten ›Psychologismus‹ der modernen Literatur, der sich weniger der Tat als der »orgiastischen Selbstbespiegelung«124 widme: War die Bewußtseinsebene des normalen Menschen zu klein, so baute man über und unter dieser Ebene eine zweite und dritte, ging in ein Ober- und Unterbewußtsein und hielt als Ergebnis eines Tages ein so monströses und abwegiges Buch wie den »Ulysses« des Iren James Joyce in der Hand, das es unternahm, auf 1500 Seiten das Leben zweier Menschen an einem Tage zu schildern.

Wie Goebbels im Hinblick auf den Kriegsroman präzisierte, werde es mit einer solchen überzüchteten Psychologie und einer sezierenden Seelenzeichnung, wie sie gestern üblich waren, […] niemals gelingen, den lebensbejahenden, wirklichkeitsverbundenen deutschen Soldaten der Gegenwart im dichterischen Bilde zu fassen.125

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Westecker: BK 1939, S. 379. In diesem Fall geht es um Richard Billinger, Hans Fallada und Ernst Wiechert. Westecker: NSB 3–4 (1939), S. 113. Das folgende Zitat ist ebd. [o.V.]: BK 1939, S. 311. Westecker: BK 1939, S. 378. Westecker: NSB 3–4 (1939), S. 113. Dazu auch Kindermanns Aussage, der Naturalismus bringe »keinen einzelnen Helden« vor (BK 1937, S. 532). Westecker: BK 1937, S. 162. Das folgende Zitat ist ebd. Heilbronn: BK 1941, S. 139. Das folgende Zitat ist ebd. Goebbels’ Rede zum Weimarer Dichtertreffen am 11.10.1942 (zitiert nach: Goebbels: Der steile Aufstieg, S. 24).

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Nicht zuletzt gehört in diesen Zusammenhang auch die bereits erwähnte Polemik gegen den sentimentalen Kitsch, der dem Leser eine »Weltanschauung des Lotterieloses«126 vortäusche: Rasse und Charakter spielen keine Rolle. Nie werden Sorgen durch Mühe und Leistung, stets nur durch Glücksfälle überwunden. Menschliche Spannungen und Verschiedenheiten sind völlig belanglos, der Trauschein löst spielend alle Schwierigkeiten, eine Entwicklung zueinander oder voneinander, innere Beziehungen und Konflikte der Charaktere, wie sie die Wirklichkeit erfüllen, gibt es nicht. Der ewig unstete Abenteurer, der viele Frauen verbraucht, wird auf der letzten Seite des Buches zum braven, zuverlässigen Ehemann, das flirtende Girl, das mit allen Männern spielt, oder gar die einstige Dirne, wird zur treuen Geliebten.127

Der Idee, dass der Mensch wie bei der Lotterie »nur zu warten brauche, bis sich auch ihm das ›schöne Lebensmärchen‹ wie das happy end im Film von selbst erfülle«,128 wurde die »Tat und d[ie] wollende[ ] und handelnde[ ] und formende[ ] Schicksalserfüllung«129 entgegengehalten. Erfolg müsse man sich durch eine Mischung von ›Leistung‹, ›Charakter‹ und ›Rasse‹ verdienen.130 Einen genaueren Einblick in die Erwartungen der Lenkungsinstanzen verschaffen die Kritiken an der bereits vorhandenen Unterhaltungsliteratur. Anhand von drei Romansparten – dem Gesellschaftsroman, dem Liebesroman und der Kriminalliteratur – wird im Folgenden ganz konkret illustriert, wie das ›neue deutsche Unterhaltungsschrifttum‹ auf möglichst unauffällige Weise Entspannung und die Vermittlung gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen kombinieren sollte. Gesellschaftsroman Im Dritten Reich wurde heftige Kritik am zeitgenössischen Gesellschaftsroman geübt. Gemeint war der Roman, der nach nationalsozialistischer Deutung nicht die nationalsozialistische ›Volksgemeinschaft‹ (nach Hitler die »über Klassen und Stände, Berufe, Konfessionen und alle übrige Wirrnis des Lebens hinweg« sich erhebende und »im Blute« fundierte »soziale Einheit der deutschen Menschen«131) zum Gegenstand hatte, sondern ganz im Gegenteil eine »klassenhaft gespaltene, problemgeladene und sich zersetzende Gesellschaft«.132 Es war ein Schrifttum, das sich an dem »nach Stoff und Behandlungsweise Problematischen, Gespaltenen und Zersplitterten«

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stö.: BK 1937, S. 494. Wunder: BK 1944, S.40. stö.: BK 1937, S. 494. Westecker: BK 1939, S. 379. Dies bedeutete z. B., dass eine Figur, die gegen die Rassengesetze verstieß, nach den nationalsozialistischen Vorschriften weder in der Literatur noch im Film ein Happy End erleben durfte (vgl. die Diskussion zwischen Goebbels und dem Regisseur Veit Harlan über den Schluss des Films Die Goldene Stadt). Hitlers Rede zum Heldengedenktag vom 10.3.1940 (zitiert nach: Bedürftig: Lexikon III. Reich, S. 407). [o.V.]: BK 1936, S. 181.

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statt am »Aufbauenden« orientiere und damit ein falsches Signal setze in einer Zeit, die sich bemühte, »das Beste anstelle des Surrogates, das Gesunde anstelle des Kranken zu setzen«.133 Ganz konkret wurde die in diesen Romanen dargestellte »Welt d e r s oge n a n n t e n ob e r e n Z e h nt a u s e n d«134 angegriffen, die – in unübersehbarer Anspielung auf einen stereotyp dargestellten, englisch geprägten Kapitalismus – die »mondäne[ ], international ausgerichtete[ ] Welt der Nichtstuer und Geldmagnaten« mitsamt ihren »Embleme[n] und Requisiten« umfasste: Es geht einfach nicht ohne Luxusdampfer und Segeljachten, ohne Rolls Royces und Hispano Svizzas, Tilburys und Polopferde, ohne Barmusik und Sektsoupers, Golfgerät und rollende Roulettekugeln, Luxusflugzeuge und Privatsekretärinnen mit 800 Mark Monatsgehalt. Der »Herr« beginnt mit dem taubengrauen Oxfordhemd und die Dame mit dem blauen Dobermann! Daß derartige Geschöpfe, wie sie uns […] in vielen Romanen […] begegnen, infolge ihrer nur allzu leicht zu befriedigenden materiellen Wünsche extravagante Touren reiten, kann […] nicht Wunder nehmen. Es erscheint fast unbegreiflich, dass es heute noch Volksgenossen und zwar nicht gerade wenige gibt, denen diese Sorte von Unterhaltungsbüchern ein Bedürfnis ist. Die Auflageziffern mancher Romane sprechen da eine erschreckend deutliche Sprache.

Dass diese Sorte der Unterhaltung trotz des Publikumserfolgs abgelehnt werden müsse, beteuerte die Bücherkunde 1936, habe keineswegs mit »kleinlicher Engstirnigkeit« oder etwa damit zu tun, dass Nationalsozialisten »Mucker oder Spießer« seien, die »jeden Luxus und jede Eleganz im deutschen Lande mit Feuer und Schwert auszurotten beabsichtigen, nein!« Die Ablehnung habe vielmehr mit dem deutschen Arbeitsethos und somit mit der Tatsache zu tun, dass die Welt der Nichtstuer »entwürdigend ist für einen jeden Menschen, der d ie E h r e d e r A r b eit zu seiner eigenen Ehre gemacht hat«.135 In den vierziger Jahren wurde die kriegsbedingte Material-, Nahrungs- und Personalknappheit als zusätzlicher Legitimationsgrund angeführt, um die Welt von Luxus und Extravaganz aus der Fiktion zu verbannen. Auf der Kulturpolitischen Pressekon-

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Ebd., S. 180. Ebd., S. 177. Die folgenden Zitate sind ebd. Am Rande sei bemerkt, dass diese »Ehre der Arbeit« nicht jedem Arbeiter vorbehalten war. In einer Propagandaanweisung vom 15. Juni 1942 wurde in Bezug auf den russischen Zwangsarbeiter in Deutschland getadelt, es habe »sich bereits da und dort die Unsitte eingebürgert, für die Leistungen sowjetischer Arbeiter besonderes Lob zu spenden und Vergleiche mit den Leistungen deutscher Arbeiter anzustellen«. Das Propagandaministerium zweifelte keineswegs an, dass »der sowjetische Arbeiter tatsächlich zu einer beachtlichen Handfertigkeit« imstande war. Es schrieb diese Handfertigkeit jedoch abscchätzig dem Umstand zu, dass das bolschewistische System »die Menschen der Sowjetunion zu einer Art von Maschine« gemacht habe, die ihre Arbeit »stur und ohne besonderen Denkprozess« immer nur auf dem einen Arbeitsgebiet verrichten könne, »auf [dem] dieser sowjetischer Arbeiter gedrillt worden [sei].« Die marxistische Kritik an der Entfremdung des Arbeiters vom Produktionsprozess wurde damit aufgegriffen und gegen Russland gekehrt (vgl. BArch NS 18/1194/176). Die Erklärung genügte dem damaligen Zeitgeist, um den Vergleich mit dem deutschen Arbeiter, auch im literarischen Bereich, als unangemessen zu verbieten.

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ferenz vom 9. Januar 1942 wurde bestimmt, dass Kurzgeschichten und Romane auf die Schilderung von »wunderbaren Autofahrten im Gebirge, Liebeserlebnissen im Motorboot, kostbaren Roben, herrlichen Diners und leichtem Einkauf wunderbarer Sachen in den Läden« verzichten sollten.136 Im Februar 1944 polemisierte die Bücherkunde gegen Romanfiguren, »die unbegrenzt über Achtzylinderwagen, Flugzeuge oder Spezialabteile erster Klasse und Luxusapparternents auf Dampfern verfügen«, mit dem ironischen Kommentar, »[b]esonders in der autolosen Kriegszeit [lese] sich das glatt.«137 Im selben Heft wurde dem bereits erschienenen »Unterhaltungsstoff für die Frau« ausgesetzt, er entspreche »nicht im geringsten den Ansprüchen unserer Kriegszeit und ihren mannigfachen Problemen«.138 Viele Romanschreiber haben es anscheinend gänzlich übersehen, daß sich Ideale im Laufe der Zeit wandeln können. Es kann nicht mehr die Sehnsucht der heutigen deutschen Frau sein, ein von Luxus umgebenes, nur auf Wohlleben ausgerichtetes Geschöpf zu sein. Jetzt im Kriege ist das schon ganz und gar nicht der Fall. Auch die »gutbürgerliche« Frau von heute hat den Wert der eigenen Arbeit kennengelernt. Es wäre so natürlich, Frauengestalten in den Romanen zu zeichnen, die durch ihre Arbeit das Leben zwingen und richtunggebend wirken. Überhaupt die Arbeit der Frau in das rechte Licht zu rücken und ihren lebensausfüllenden Wert zu kennzeichnen, ist im Unterhaltungsroman genau so angebracht wie im sonstigen Schrifttum.

Noch im August 1944 hieß es auf einer Kulturpolitischen Konferenz, Feuilleton und Romane sollten »in Stil und Haltung den Forderungen des totalen Kriegseinsatzes entsprechen und alles vermeiden, was an sattes Friedensmilieu und ähnliche unzeitgemäße Dinge erinnert«.139 Dieser Logik entsprechend ging die Literaturpolitik hart mit Verlagen ins Gericht, die zeigen wollten, »welcher Art die Gesellschaft der ›oberen Zehntausend‹ war«.140 Sie rügte Prospekte, die Romane wie Saison in Nizza, Das Mädchen aus der Luxuskabine und Hohlköpfe im Frack (»die nicht wissen, wie sie die Zeit totschlagen sollen«) als lesewürdig anpriesen, und beklagte sich in ironischer Anspielung auf den Tonfall dieser Prospekte: O Rekord-Verlag, du herrlicher Rekord-Verlag, wie mannigfach ist doch die Auswahl von Kitsch, die du anbietest! […] O Rekord-Verlag! Wann wirst […] du und wann werden es die andern begriffen haben, die auf diesem Gebiete der ›schönen Literatur‹ in deinen Fußstapfen dahinwandeln?

Der als »überlebt«141 dargestellte und oft in Anführungszeichen gesetzte ›Gesellschaftsroman‹, an dem sich beispielhaft die These veranschaulichen ließ, das her-

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Zitiert nach: Geyer-Ryan: Wunschkontrolle – Kontrollwünsche, S. 203. Das folgende Zitat ist ebd. Wunder: BK 1944, S.40. Pieske: BK 1944, S. 53. Die folgenden Zitate sind ebd. Kulturpolitische Pressekonferenz vom 11.8.1944 (zitiert nach: Geyer-Ryan: Wunschkontrolle – Kontrollwünsche, S. 203). BArch RK/RSK/I/B110/142f. Die folgenden Zitate sind ebd. [o.V.]: BK 1935, S. 165.

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kömmliche Unterhaltungsschrifttum sei »zweifellos ein Ergebnis der kapitalistischen Kultur«,142 sollte im Licht der intendierten Neugestaltung des deutschen Unterhaltungsbuches gänzlich dem ›Volks-‹ und ›Zeitroman‹ weichen, in dem sich an Bauern, Soldaten, Arbeitern und selbst den »in der Großstadt lebenden und arbeitenden Deutschen«143 der vom Nationalsozialismus propagierte ›deutsche‹ Arbeitsethos144 illustrieren ließ. Liebesroman Einer vergleichbaren Argumentation wurde die Gattung des Liebesromans unterzogen, die nach Meinung des Kontrollapparats gegen »d ie s oz i a le F r a ge« und dadurch gegen »d en Ke r nb e st a n d u n s e r e r welt a n sch au l ichen G r u n d h a lt u ng d e m L eb e n gege nüb e r« sündige.145 Im Wesentlichen zeichneten sich dabei zwei Argumentationsstränge ab, der eine in Bezug auf die thematisierte soziale Problematik, der andere gegen den so genannten »Seelenkitsch« und dessen vermeintliches »Abgleiten« in den Sittenverfall.146 Im ersten Fall wurde der Gattung angekreidet, sie mache »[s]oziale Unterschiede und Trennungen, de[n] Leidensweg einer unehelichen Mutter, männliche und weibliche Treulosigkeit« und somit Themen zum Gegenstand des Liebesromans, die nach Meinung der Literaturpolitik das »natürliche, gesunde und durch die nationalsozialistische Gemeinschaft gerade ausgerichtete Lebensgefühl des Lesers […] erschüttern und in Zweifel bringen« mussten.147 Es wurde argumentiert, dass ein Regime, das sich zur klassenlosen Gemeinschaft, zum Mutterkult und zum Musterbild eines von Treue und Kinderreichtum geprägten Familienlebens bekannte, eine derartige Stoffwahl nicht tolerieren könne. Im zweiten Fall richtete sich die Polemik gegen die vermeintlich »unwahre[ ] Sentimentalität«148 des kitschigen Liebesromans, der »die Tränen der Verlassenen zu Glyzerintränen« entwürdige und keine andere Kulisse kenne als »die D-Zugs- und Hotelromantik, die Schlösser am See, und allüberall in dieser Szene die zugestutzten unwahren Figuren einer verklungenen Epoche«.149 Besonders in dieser Hinsicht wurde das Genre des Liebesromans als ein Spannungsfeld zwischen Dichtung und

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Franke: BK 1944, S. 46. Dähnhardt: BK 1941, S. 231. Zum Arbeitsethos im Dritten Reich vgl. Peter Reichel: Der schöne Schein des Dritten Reiches. Faszination und Gewalt des Faschismus. München, Wien 1991, S. 232–243; Peter Hasubek: Das deutsche Lesebuch in der Zeit des Nationalsozialismus. Hannover u. a. 1972, S. 82–88; Rabinbach: Ästhetik der Produktion. [o.V.]: BK 1936, S. 177. Sittlichkeitsverbrechen wurden nicht nur als literarisches Thema verboten, sondern auch im Lebenslauf des Schriftstellers sanktioniert. Aus den Akten der Reichsschrifttumskammer geht hervor, dass Autoren aus diesem Grund die Mitgliedschaft verweigert wurde. Losch: BDB 88 (16.4.1940), S. 138. Ebd., S. 138f. Franke: BK 1944, S. 49.

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Kitsch konzeptualisiert. Beanstandet wurden alle »nicht gefeiten Schreiber«, auf die nicht die Dichtung, sondern der Kitsch wie ein »unermüdlich anziehendes Magnetfeld« wirke, das die Feder aus der gewollten Richtung des Höherstrebens reißt und sie in jene des allzu Gefälligen, des Marktgängigen, des »Allgemeinverständlichen«, des »Populären« usw. zieht, das mit der Verniedlichung aller großen Gefühle, der Verfälschung vieler Werte, der umgebogenen Perspektiven beginnt und beim »happy end« aufzuhören pflegt.150

Das ›Abgleiten‹ dieses Kitsches in eine erotische und perverse Literatur wurde in einen direkten Zusammenhang mit der Weimarer Republik, genauer mit der »geistigen Verstädterung«151 gebracht, die dieser Epoche unterstellt wurde. Sie wurde dafür verantwortlich gemacht, dass im Unterhaltungsroman alles, was zum Negativum werden kann, aber niemals muß, […] im Zuge der allgemeinen Verflachung und Überfremdung der deutschen Literatur tatsächlich »entartet[ ]« [sei]: die solide Bürgerlichkeit, ja die faustdicke Sentimentalität, die bis dahin den Unterhaltungsroman ausgezeichnet hatten, wurden zur modischen Routine, zum durchsichtigen Elan, zur analytischen Pseudowissenschaftlichkeit; das Vordringen einer schwülen Erotik, die an den Schilderungen der Perversion nicht halt machte, wurde und ist konstatierbar.152

Falsche Sentimentalität, Erotik und Perversion wurden dementsprechend als »schädigende Einfl[üsse] dieser modernen Lebensform«153 dargestellt. Sie seien die Folge einer »allgemeinen Individualisierung« und somit auch der Abwendung des Einzelnen von seinem Volk: Es herrschte immer mehr auch hier ein ausgesprochener Subjektivismus, eine verwirrende Blendung: immer dünner wurden die Fäden, die derartige Romane noch mit dem wahren Gefühl des Volkes verbanden, sie waren angesiedelt in jenem Raume, den die »Literatur« beherrschte, die sich bereits damals die Presse, hier namentlich das Feuilleton, erobert hatte.154

Demgegenüber wurden mit dem Nationalsozialismus »echte und natürliche Gefühle«155 assoziiert, und der neue Liebesroman sollte »den Leser für Lebenswerte […] begeistern, die für die Sicherstellung der Zukunft unseres Volkes unentbehrlich

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Ebd., S. 45. Der Ausdruck ›seelische Verstädterung‹ ist eine Prägung von Peter von Werder, Leiter des Zentrallektorats im Amt Schrifttumspflege, der in seiner Abhandlung über die Literatur im Bann der Verstädterung die »Einflüsse[ ] der Verstädterung und Vermassung auf die neuzeitliche Romanliteratur« untersuchte (NSM 1943, S. 85–94). Der Ausdruck bezeichnete einen »seelischen Vorgang im modernen Menschen, der eine Verarmung des Gemütes sowie eine allgemeine geistig-seelische Verflachung und Nivellierung mit sich bringt« (rp.: BK 1943, S. 102) . Franke: BK 1944, S. 46. rp.: BK 1943, S. 102. Franke: BK 1944, S. 46 (vgl. dazu die Ausführungen zum sentimentalen Kitsch in Kapitel 3.2.1.1.). Wunder: BK 1944, S. 41.

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sind«.156 Dabei sollten im Grunde dieselben Vorschriften und Gesetze beachtet werden, die zwischen 1933 und 1945 für die deutsche Bevölkerung galten. Der Bereich der Liebe wurde im Dritten Reich zum einen durch die Nürnberger Rassengesetze, zum anderen durch Broschüren und Sensibilisierungskampagnen vollständig reglementiert. Genannt seien als Beispiel die Zehn Gebote für die Gattenwahl, eine rassenund bevölkerungspolitische Handlungsanweisung, die im November 1934 erstmals in der N.S. Frauen-Warte erschien und ebenfalls als Broschüre vom Reichsausschuss für Volksgesundheit verbreitet wurde. In Anzahl und Stil dem Dekalog gleichend bot der Katalog eine Mischung von katholisch, bürgerlich, nationalistisch und vor allem auch rassenpolitisch inspirierten Richtlinien, die auf den Erhalt einer reinen Rasse und die Vermehrung des guten Blutes zielten: 1. Gedenke, dass Du ein Deutscher bist. 2. Du sollst, wenn Du erbgesund bist, nicht ehelos bleiben. 3. Halte deinen Körper rein! 4. Du sollst Geist und Seele rein halten. 5. Wähle als Deutscher nur einen Gatten gleichen oder Nordischen Blutes. 6. Bei der Wahl Deines Gatten frage nach seinen Vorfahren. 7. Gesundheit ist Voraussetzung auch für äußere Schönheit. 8. Heirate nur aus Liebe. 9. Suche Dir keinen Gespielen, sondern einen Gefährten für die Ehe. 10. Du sollst Dir möglichst viele Kinder wünschen.157

Aus Buchbesprechungen und programmatischen Aufsätzen wird deutlich, dass sich auch literarische Figuren an diese Verhaltensregeln zu halten hatten und sowohl unter rassischem als auch unter sittlichem und moralischem Gesichtspunkt für ein ›gesundes‹ Liebesleben geeignet sein mussten. In Übereinstimmung mit dem achten und neunten Gebot (»Heirate nur aus Liebe« und »Suche Dir keinen Gespielen, sondern einen Gefährten für die Ehe«) wurden auch im Roman eine Liebesheirat und eheliche Treue verlangt. Der »Seelenkitsch«158 sollte vor der Thematisierung und Lösung von »echte[n] Erziehungsprobleme[n]« und real existierenden »Ehefragen« weichen.159 Anstelle der Verherrlichung von »Dirnen aller Schattierungen«160 und der »Filmklischees […] flotter Sekretärinnen, Sommerreisen, Herz auf Taille und happy end«161 wurde »[e]chtes Frauenglück« verlangt und »keine verlogene Glückseligkeit, die aus falscher Romantik erwuchs.«162 Im Wesentlichen wurde für eine Beseitigung des Sittenromans zugunsten des ›Ehe-‹ und ›Familienromans‹ plädiert.163 In vereinzelten Fällen sollte die literarische Aufarbeitung ›unerwünschter‹ Themen möglich sein, wenn sich dadurch die Feinde des Regimes schlecht machen ließen.

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H. Langenbucher: BK 1940, S. 21. Zitiert nach: Ute Benz (Hg.): Frauen im Nationalsozialismus. Dokumente und Zeugnisse. München 1997, S. 54–58. Franke: BK 2/1944, S. 47. Pieske: BK 1944, S. 53. Heilbronn: BK 1941, S. 139. Ebd., S. 141. Die Formulierung »Herz auf Taille« dürfte ein abschätziger Verweis auf Erich Kästners gleichnamigen Gedichtband aus dem Jahr 1928 sein. Pieske: BK 1944, S. 52f. Nach der Angabe von Geyer-Ryan hat die Reichsschrifttumskammer ab Januar 1940 Werbung für Sittenromane und erotische Literatur untersagt (vgl. Wunschkontrolle – Kontrollwünsche, S. 202).

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Ein vertraulicher Briefwechsel in den Akten des Persönlichen Stabes ReichsführerSS belegt, dass der »Plan eines Romans über das Problem des unehelichen Kindes« diskutierbar war unter der Bedingung, dass einer als »katastrophal« bezeichneten »Behandlung der unehelichen Mutter in katholischer Umgebung« die »Betreuung unehelicher Mütter« im nationalsozialistischen Deutschland, etwa durch die SS in einer Lebensborn164-ähnlichen Einrichtung, gegenübergestellt wurde.165 Allerdings sollte dazu auch die Biographie des betreffenden Autors »die Gewähr für die geistige Ausarbeitung dieses schwierigen Problems bieten«. In dieser Hinsicht kursierte der Gedanke eines staatlichen Buchauftrags und damit die Idee, »zur Gestaltung eines derartigen Romans im Einvernehmen mit dem Reichsleiter Rosenberg einen der fähigsten Schriftsteller zu beauftragen«. Abgesehen von den wenigen strategisch motivierten Ausnahmen wurde die Parallelisierung des streng reglementierten Bereichs der Liebe einerseits und der Literatur andererseits so weit geführt, dass Liebesbeziehungen zwischen Deutschen und so genannten »Fremdvölkischen«, Kriegsfeinden, Kriegsgefangenen oder Zivilarbeitern nicht nur im wirklichen Leben,166 sondern auch in der Literatur beanstandet wurden. Wie der deutsche ›Volksgenosse‹ hatte die deutsche Romanfigur »den Ehe- und den Abstammungs- und Ausleselehren«167 zu folgen. Im negativen Sinne bezogen sich diese Lehren sowohl auf Juden und dunkelhäutige Völker als auch auf Ostund Südeuropäer. In einer Kulturpolitischen Pressekonferenz vom 28. April 1938 wurde einem Liebesroman »ein besonderes Maß von Instinktlosigkeit« vorgeworfen, weil sich in ihm eine »blonde[ ], blauäugige[ ], deutsche[ ] Frau« einem launischen »Südländer« zu Füßen werfe.168 Am 24. Januar 1941 hieß es, dass Kurzgeschichten zwar für die Pflege der deutsch-italienischen Beziehungen nützlich sein könnten, sie jedoch keine deutsch-italienische Heirat schildern dürften, weil man »damit wohl gegen Grundsätze« verstoße, »die noch wichtiger sind als jene Beziehungen.« Dagegen wurden Beziehungen zwischen ›reinrassigen‹ Deutschen und zwischen als ›germa-

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165 166 167 168

Der Verein Lebensborn wurde durch das Rasse- und Siedlungshauptamt im Dezember 1935 ins Leben gerufen. In seiner Satzung vom 13. September 1936 wurde jeder SS-Mann dazu angehalten, mindestens vier Kinder, notfalls auch unehelich, zu zeugen. Besonders während des Krieges, als schätzungsweise 400.000 deutsche Frauen wegen des Mangels an Männern keine Kinder bekommen konnten, wurde das Unternehmen durch SS-Reichsführer Himmler verstärkt in den Blick gerückt. In den 13 Heimen des Vereins wurden insgesamt 11.000 uneheliche Kinder geboren, für die die SS den Unterhalt regelte, für Geburtsurkunden und gegebenenfalls eine Adoptivfamilie sorgte (vgl. u. a. Bedürftig: Lexikon III. Reich, S. 233f.; Dorothee Schmitz-Köster: ›Deutsche Mutter, bist du bereit…‹ Alltag im Lebensborn. Berlin 2004; Georg Lilienthal: Der ›Lebensborn e.V.‹: Ein Instrument nationalsozialistischer Rassenpolitik. Frankfurt/M. 2003; Catrine Clay / Michael Leapman: Herrenmenschen: das Lebensborn-Experiment der Nazis. München 1997). Briefwechsel vom 7.12.1939 und vom 21.12.1939 aus den Akten der ›Reichspropagandaleiter der NSDAP‹ (BArch NS 18/74/701f.). Die folgenden Zitate sind ebd. Vgl. BArch NS 18/528/209. Westecker: LB 5–6 (1940), S. 6f. Vgl. Seite 120, Fußnote 141. Zitiert nach: Geyer-Ryan: Wunschkontrolle – Kontrollwünsche, S. 199. Das folgende Zitat ist ebd.

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nisch‹ bezeichneten Völkern in der Literatur stark gefördert. Exemplarisch ist hier die Besprechung von Erhard Witteks169 mehrmals aufgelegter Novelle Bewährung der Herzen (1937), die eine Liebesgeschichte zwischen einer Flämin und einem Deutschen schildert.170 Im krassen Gegensatz zur Ablehnung rassisch ›unerwünschter‹ Beziehungen heißt es dort in lobenden Worten: Ein [deutscher] Mann […] kommt […] auf einen einsamen Bergbauerhof. Die Bäuerin, deren Mann im Felde gefallen ist, ist eine Flämin. Aus dem Zusammentreffen dieser beiden Menschen, die beide jahrelang nach dem Leben gedürstet haben, entwickelt sich nun eine Liebesgeschichte, wie sie uns von einem Dichter in den letzten Jahren kaum so menschlich echt, seelisch tief und sinnlich gesund geschenkt wurde. Das Werden dieser Liebe, der Kampf der Frau gegen das hemmende Gefühl, einen taubstummen Mann zu lieben, der Kampf des Mannes zwischen dem Ziel seiner Wanderung und der Liebe zu der jungen Frau, und endlich das gegenseitige Erkennen und Hingeben sind mit solcher Sauberkeit und einer derart sparsamen dichterischen Sprache geschrieben, daß man diesem Buch einen Ehrenplatz im Bücherschrank einräumen müßte, weil es nicht zu jenen gehört, die man nur einmal lesen wird. Es ist sehr zu empfehlen.171

Kriminalroman Ein drittes und letztes Beispiel des verunglimpften Unterhaltungsschrifttums, das wiederum andere Aspekte der geförderten Neugestaltung des Unterhaltungsschrifttums zu erkennen gibt, ist der Kriminalroman.172 Nach nationalsozialistischer Einschätzung war diese Literatur herabzuwerten, weil in ihr »die antisozialen Neigungen die sozialen durchaus überwiegen«.173 Besonders in Bezug auf die leicht beeinflussbare Jugend wurde bezweifelt, ob »das Motiv des Verbrechens, seiner Aufdeckung, Enthüllung, die ganze abgründige Nachtseite des menschlichen Herzens überhaupt zur ›Unterhaltung‹ dienen« könne und dürfe.174 Die Frage resultierte nicht zuletzt daraus, dass – wie auch bereits in der Weimarer Republik – ein unmittelbarer Bezug zwischen dem Lesen literarischer Verbrechensdarstellungen und einer »erhebliche[n] Steigerung der Jugendkriminalität«175 postuliert wurde. Wie Helga Geyer-Ryan an konkreten Polizeiprotokollen belegt, führte die Gestapo strafbare Handlungen von Jugendlichen mit großer Regelmäßigkeit auf »eifriges Lesen von Schmökern« zurück.176 Dass im Juli 1935 eine Vorlagepflicht und damit eine Möglichkeit zur Prä169 170 171 172 173 174 175 176

Die Novelle wurde nach dem Krieg unter dem Pseudonym Fritz Steuben weiter aufgelegt. Für weitere Beispiele und Deutung über das flämisch-deutsche Verhältnis im Roman vgl. Kapitel 1.2.1.3. [o.V.]: BK 1938, S. 99. Für Studien zum Kriminalroman im Dritten Reich vgl. Seite 260, Fußnote 54. rp: BK 1943, S. 104. Rang: EL 5 (1943), S. 5. Losch: BDB 88 (16.4.1940), S. 138. Die folgenden Zitate sind ebd. Zitat aus dem Brief eines Polizeihauptwachtmeisters an Goebbels (zitiert nach: GeyerRyan: Wunschkontrolle – Kontrollwünsche, S. 193). Die Polizei musste sich bei der Reichsschrifttumskammer wiederholt dafür verantworten, auf eigene Initiative Schmökerliteratur aus lokalen Buchläden konfisziert zu haben, die nicht auf der Verbotsliste stand. Die eigenwillige Beschlagnahmung von Abenteuer- und Kriminalheften wurde durch den bereits

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ventivzensur des Unterhaltungsromans etabliert wurde,177 wurde u. a. mit dem schädlichen Einfluss von ›Schundlesen‹ auf die Jugend begründet. Neben der volkserzieherischen Begründung gewannen während des Krieges auch tagespolitische Gründe für die gattungsbezogene Skepsis an Prägnanz und Dringlichkeit. Das Problem bestand darin, dass sich die deutschen Kriminalromanautoren häufig am englischen Beispiel orientierten, sich englische Pseudonyme zulegten, englische Titel und Figuren wählten, ihre Romane »auf englischem Schauplatz« spielen ließen, »Einrichtungen des englischen Staates und insbesondere der Polizei darstellten und glorifizierten, englische Lebenshaltung schilderten und sich, was die Stellung des Verbrechers anbelangte, in liberalistisch-demokratischen Gedankengängen bewegten«.178 Im Kontext des Krieges implizierte dies aus der Sicht der Machthaber, dass »immer wieder in unverantwortlicher Weise für englische Lebensart und Gewohnheit, englische Einrichtungen und Institutionen und den Apparat der englischen Polizei« – kurz gesagt: für den Feind – »Propaganda gemacht« werde.179 Als zusätzliches Argument wurde die Verherrlichung englischer Instanzen als unbegründet denunziert. Die anglophilen Autoren, so lautete die Argumentation, hätten »offenbar versäumt, die Zeitungen zu lesen«.180 Sonst wäre ihnen nicht entgangen, daß die beste Kriminalpolizei der Welt in Berlin sitzt, daß die deutsche Verbrecherbekämpfung die erfolgreichste auf der ganzen Welt ist und daß die Herren von Scotland Yard sich öfter blamiert haben, als es ihrem Rufe zuträglich ist, der überhaupt immer mehr auf der Phantasie finanzbegabter englischer Kriminalschriftsteller als auf wirklichen Erfolgen beruht hat. Mit dem Rufe des Secret Service scheint es übrigens ähnlich zu sein.181

Bemerkenswert ist, dass die Zeitung – die immerhin auch in der Neuen Sachlichkeit der Weimarer Republik ein wichtiges Referenzmedium der Literatur bildete – hier als notwendiger Bezugswert für die literarische Wirklichkeit dargestellt wird. Mit Blick auf die gelenkte Presse konnten aber gerade die dort erwähnten ›Fakten‹ legi-

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genannten Polizeihauptwachtmeister in Bezug auf die Protagonisten und die Handlung dieser Texte folgendermaßen begründet: »Der Inhalt dieser Schmöker birgt zweifelsohne eine große Gefahr für unsere Jugend, denn zum größten Teil sind die Helden dieser Geschichten immer Verbrecher oder andere kriminelle Erscheinungen, die nur Straftaten begehen, […]. Es wird oft deutlich gezeigt, wie der Verbrecher der ›dummen Polizei‹ ein Schnippchen schlägt. Die jungen Leser werden dadurch angeregt, und mochten es auch einmal machen und schon ist das Unglück da.« Zur Haltung der Gestapo gegenüber Unterhaltungsliteratur vgl. das von Barbian zitierte offizielle Schreiben über die »Auswirkung des minderwertigen Schrifttums«, das im Oktober 1941 an alle Polizeistellen geschickt wurde und »bei bekanntgewordenen Missständen, Straftaten, usw., die auf Jugendliche zurückzuführen sind« dazu riet, »Feststellungen dahingehend zu treffen, inwieweit die Ursache in der Lektüre bestimmter Schrifttumsgruppen zu sehen ist.« (ebenfalls dazu: Geyer-Ryan: Wunschkontrolle – Kontrollwünsche, S. 192–197). Vgl. Barbian: Literaturpolitik, S. 567ff. Losch: BDB 88 (16.4.1940), S. 138. Die folgenden Zitate sind ebd. Für die Maßnahmen gegen dieses Schrifttum vgl. Kapitel 1.2.3.2. [o.V.]: BDB 94 (23.4.1940), S. 150. Das folgende Zitat ist ebd. Haegert: BDB 94 (23.4.1940), S. 150 [eigene Hervorhebung]. Die folgenden Zitate sind ebd.

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timieren, dass der »neue deutsche Kriminalroman« den englischen Schauplatz gegen einen deutschen einzutauschen, genauer gesagt, sich »jeder Bezugnahme auf Scotland Yard und die englische Polizei« zu enthalten und der »Achtung vor der deutschen Kriminalpolizei und ihren in aller Welt anerkannten Leistungen« genügend Raum zu geben habe. Als Alternative für die Zeitung wurde Autoren empfohlen, sich bei der Polizei nach »einzelne[n] Sonderwünsche[n]« zu erkundigen, damit ihre Romane »wichtige Hilfs- und Aufklärungsarbeit im Kampf gegen das Verbrechertum leisten« könnten. Ferner versprach ihnen auch der Staat »großzügige Beratung und Unterweisung«, etwa wenn es darum ging, zeitrelevante Themen wie die »Vererbung der Verbrechereigenschaften« in der »dem Unterhaltungsroman eigenen Leichtigkeit«182 literarisch zu verarbeiten. Die Forderungen an den neuen deutschen Kriminalroman wurden in Richtlinien für die Weiterarbeit gebündelt, die an die betreffenden Verleger weitergeleitet wurden.183 Sie legten u. a. fest, dass die »pro-englische Tendenz« sowohl inhaltlich als »auch äusserlich« zu verschwinden habe und daher englische Decknamen und die »ewigen« sprachlichen »Anlehnungen an das Englische« zu unterbleiben hätten. Ferner geben die Richtlinien einen guten Einblick in die Erwartungen an das neue Unterhaltungsschrifttum in seiner Gesamtheit, insbesondere auch die Forderung nach einer ›unsichtbaren‹ Propaganda. Sie werden daher zum Schluss unverkürzt wiedergegeben: Soweit das in Frage kommende Schrifttum sich zum Träger liberalen, demokratischen oder pazifistischen Gedankengutes gemacht hat, sind die Verlage gewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass dieses Ideengut nicht mehr in Erscheinung tritt. Soweit eine Verherrlichung des Verbrechers vorlag, hat eine solche zukünftig der Darstellung des Kampfes für die Ordnung und Sicherheit der Volksgenossen zu weichen. Auch in der äusseren Form soll dieses zu erneuernde Schrifttum auf die bisher übliche schlechte Aufmachung verzichten, ohne dass darunter die Wirksamkeit oder der Anreiz zur Lektüre zu leiden hat. Keinesfalls ist ein Schrifttum mit sichtbarer Tendenz anzustreben, vielmehr soll die Neuausrichtung möglichst unsichtbar und keinesfalls auf Kosten der fesselnden Darstellung und spannungsreichen Handlungsführung geschehen.

Die Kommentare zu den drei Romansparten sind Beispiele dafür, was die Orientierung an der ›deutschen Wirklichkeit‹ für die konkrete Praxis bedeutete. Analog zur sozialistischen Literaturauffassung wurde eine »Kunst der Repräsentanz«184 verlangt, »für die die Funktion kritischer Wirklichkeitserforschung nicht vorgesehen war«.185 So wurde vom Schrifttum im Allgemeinen und vom Unterhaltungsschrifttum im Besonderen in erster Linie verlangt, dass sie bestimmte Realitäten nicht thematisier-

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Pieske: BK 1944, S. 53. Bericht über die auf dem Gebiet des minderwertigen englandfreundlichen Kriminal-, Wildwest- und Abenteuerschrifttums durchgeführten Massnahmen vom 12.1.1940 (BArch NS 12/1266). Die folgenden Zitate sind ebd. Frank Trommler (1976) (zitiert nach: Westdickenberg: ›Diktatur des anständigen Buches‹, S. 160). Westdickenberg: ›Diktatur des anständigen Buches‹, S. 160.

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ten: Die Schilderung von sozialen Hierarchien, sittlichem Verfall, ›Rassenschande‹, abweichendem Gedankengut und der Lebenswirklichkeit des Feindes war untersagt. Hielt sich der Unterhaltungsroman diesen ›unerwünschten‹ Themen fern, qualifizierte er sich für das Attribut ›gesund‹. Wollte er darüber hinaus ›wahrhaft deutsch orientiert‹ sein, sollte er dem Leser eine deutsche, klassenlose ›Volksgemeinschaft‹ vorführen, in der die vom Regime propagierten rassischen und sittlichen Gesetze siegten. Durfte also ›gesundes‹ Unterhaltungsschrifttum nicht gegen das nationalsozialistische Gedankengut verstoßen, so sollte der ›neue deutsche Unterhaltungsroman‹ möglichst unauffällig die Akzeptanz des nationalsozialistischen Gedankenguts fördern. 3.4.3.2. »Dichter, schreibt Unterhaltungsromane!« Die staatliche Schrifttumsführung musste die angemessenen Produzenten für die angestrebte Kompromissbildung zwischen Dichtung und leichter Unterhaltung finden. Ihre erste Wahl traf dabei weniger die Unterhaltungsschriftsteller als die angesehenen Dichter. Am 11. Oktober 1941 verkündete Goebbels beim Weimarer Dichtertreffen, er habe »zur Förderung des guten unterhaltsamen Buches […] ein großes Preisausschreiben erlassen« und zur Teilnahme an diesem Wettbewerb »vor allem auch unsere Dichter« aufgerufen:186 Sie erscheinen in erster Linie berufen, das teilweise noch vorhandene Schlechte durch Besseres zu ersetzen und unserem Volke die gerade heute dringend verlangte gesunde literarische Kost zu geben.

»Der deutsche Dichter«, argumentierte der Propagandaminister, muß es sich zur Ehre anrechnen, zukünftig neben den großen Werken der reinen Dichtung unserem Volke Bücher zu schenken, die ihm die wenigen Stunden der Erholung auf schlichte Weise verschönen und ausfüllen. Er darf dieses im Kulturleben wichtige Gebiet nicht den Dilettanten und Nichtskönnern überlassen, die wesentlich für die früheren Mißstände verantwortlich sind.187

Beim selben Dichtertreffen vertrat auch der Präsident der Reichsschrifttumskammer Wilhelm Haegert die Ansicht, dass das »für unser Volk so wichtige Gebiet« der Unterhaltung nicht länger »Scharlatanen überlassen bleiben« dürfe, sondern sich »ein wirklicher Dichter« darum bemühen müsse.188 Die Zeitschrift Europäische Literatur fasste 1943 pointiert zusammen: »Es ergeht mit Recht die Forderung: Dichter, schreibt Unterhaltungsromane!«189 Den Machthabern war offensichtlich klar, dass diese Forderung für manche Dichter die Hinwendung zu einem Bereich des Schrifttums bedeutete, »dem sie bisher

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Zitiert nach: Goebbels: Der steile Aufstieg, S. 27. Das folgende Zitat ist ebd. Ebd., S. 26f. Wilhelm Haegert: Zum Dichtertreffen 1941, S. 8f. Rang: EL 5 (1943), S. 3.

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mit einem kleinen Nasenrümpfen nur gerade eine gewisse Existenzberechtigung zusprachen«:190 Dem Freund der Dichtung mag es bitter, er sagt wohl gar »lächerlich« scheinen, wenn man die Dichter animiert, »Schriftsteller für das Unterhaltungsschrifttum« zu werden. Wir kennen die Einwände. Aber wir haben ja bereits angedeutet, […] daß es im Grunde darauf ankommt, den Unterhaltungsroman als Art zu heben: hierzu darf kein Mittel zu groß oder zu gering sein.191

Dementsprechend wurden ausdrücklich die Dichter aufgefordert, sich aus ihrem »Wolkenheim einmal auf die Erde [zu] begeben«,192 »den Kothurn zur Seite«193 zu stellen und die Idee abzulegen, »daß Bücher leichter und entspannender Art zu schreiben unter ihrer Würde und jenseits ihrer Aufgabe liege«.194 Zum selben Zweck wurde in verschiedenen Organen darauf hingewiesen, dass sich auch die »großen Komponisten der klassischen Zeit, Bach, Mozart, Haydn« angestrengt hätten, »neben ihren großen Werken auch Gelegenheitsmusik« zu schaffen:195 Sie waren nicht zu stolz dazu. Sie hatten keinen falschen Ehrgeiz mit dieser Musik, wie ihn die Unterhaltungsmusiker, wie auch die Unterhaltungsschriftsteller, von Beruf oft haben. So entstand eine sehr gesunde, ebenso formal gekonnte wie eingängige und doch wertvolle Unterhaltungsmusik. Vielleicht finden sich auch die deutschen Dichter wieder einmal dazu bereit.

Den vielfältigen Sensibilisierungsversuchen zum Trotz war die Gattung des Unterhaltungsschrifttums dem Regime ein »Sorgenkind«.196 Die literaturpolitischen Machthaber mussten immer wieder konstatieren, dass dem deutschen ›Dichter‹ nur wenig an der Schaffung des ›dichterisch durchglühten‹197 Unterhaltungsromans lag. »Es hat den Anschein«, bedauerte Helmuth Langenbucher 1939, »als ob alle Bemühungen, den entwerteten Begriff Unterhaltungsroman mit neuem Inhalt zu füllen, vergeblich wären« und »unsere ›besseren Autoren‹ sich […] nicht dazu entschließen können, Unterhaltungsromane zu schreiben«.198 Ein Jahr später, auf einer Arbeitstagung der Reichsschrifttumskammer, wurde der »gute[ ] deutsche[ ] Unterhaltungsroman« weiterhin »schmerzlich« vermisst.199 Auch die rhetorische Aufwertung der Gattung, die hohe Dotierung des einschlägigen Wettbewerbs und die durch verschiedene Organe des literaturpolitischen Lenkungsapparats verbreiteten Aufrufe zur Teilnahme hatten es offensichtlich noch nicht vermocht, eine »bessere und gemäßere Art des Unterhal-

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Franke: BK 1944, S. 47. Franke: BK 1944, S. 50. Ebd., S. 47. Ebd., S. 50. Zitiert nach: Goebbels: Das Eherne Herz, S. 26. Westecker: LB 5–6 (1940), S. 6. Das folgende Zitat ist ebd. H. Langenbucher: BK 1939, S. 187. Vgl. Franke: BK 1944, S. 50. H. Langenbucher: BK 1939, S. 187. [o.V.]: BDB 94 (23.4.1940), S. 150.

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tungsromans zu erzeugen«.200 Die Einsendefrist musste mehrmals verschoben werden und noch 1944 gestanden verschiedene Mitarbeiter der Bücherkunde ein, im Bereich des Unterhaltungsromans sei die »Krankheit vergangener Jahre noch nicht abgestoßen, noch nicht mit dem Fieber ausgeschieden«:201 [S]o finden wir in Deutschland noch keinen Kriminalroman, der über dem Niveau der öden Eintagskost steht. Zwar ist an die Stelle der Gedankenblitze des unwahrscheinlichen Privatdetektivs nun durchweg die gewissenhafte Kleinarbeit des Kriminalkommissars getreten, aber die bewegenden Impulse sind noch ebenso sensationslüstern und unecht wie je; grausige und schreckliche Szenen rufen ungesunde Instinkte wach. Der Abenteuerroman gibt dem jungen Kerl, der ein Bedürfnis nach Tat und Leistung verspürt, eine Ablenkung in unwahrscheinliche, unmögliche und erstaunliche »Taten« und »Abenteuer«. Die beliebte Indianerromantik wird immer noch von den geringen Nachfolgern der phantasiereichen und kräftigen Vorgänger, wie Cooper und May, totgeritten oder flachgewalzt. Palmen, Mangroven und Hibiskusblüten gehören mit Flugzeugen, Rennwagen und automatischen Waffen zum Werkzeug überhitzter und schwüler Handlungen‹. Braune Mädchen der Südsee, Mädchenhändler aus Buenos Aires oder schweigsame, schlitzäugige Gentlemen des Fernen Ostens geben der faden Brühe den Pfeffer. Der sogenannte »Liebesroman« wendet sich an den Gemütshunger der kleinen und großen Mädchen. Bittere Muttertränen, zehrendes Heimweh, unverstandenes Seelenleben, untreue Liebhaber oder bösartige Gatten, Bürochefs und Konkurrentinnen bilden den Hintergrund, auf dem sich eine rührende Handlung abspielt. lm rechten Augenblick erscheint der elegant gekleidete Held der Mädchenträume, der das arme Geschöpf von der Schreibmaschine erlöst und es in eine luxuriös eingerichtete Villa mit geräuschlosen bewährten Dienern führt. Nur allzugern aber sind die Heldinnen bereit, »herzliche Warme in das Dasein der Männer zu tragen« und ihnen »in einem warmen Frauenleben Erfüllung zu geben«. Die natürlichen menschlichen Gefühle, die im Märchen einen echten und klaren Ausdruck gefunden haben, werden hier trüb und verwischt in eine erlogene Scheinwelt »abgelenkt«.202

Das Bemühen der Literaturpolitik, den Unterhaltungsroman, der als »Unkraut« auszureißen sei, zu einer die deutsche ›Volksgemeinschaft‹ kräftigenden »Nutzpflanze« zu machen,203 blieb mit anderen Worten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ein weitgehend unerreichtes Ziel. Im Rückblick lässt sich schwer einschätzen, inwiefern ›externe‹ Faktoren wie der Krieg und das Ende der Diktatur zu diesem Scheitern beigetragen haben, zumal für die geplante Neuausrichtung des Unterhaltungsschrifttums ein »langsame[r] Umbau«204 vorgesehen war. Auf jeden Fall hat die privatwirtschaftliche Organisation des Buchbetriebes sowohl die Gleichschaltung des bestehenden als auch der Aufbau des ›neuen‹ Unterhaltungsschrifttums erheblich erschwert. Bis zum Ende des Krieges

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Franke: BK 1944, S. 47. Das folgende Zitat ist ebd. Vgl. die Besprechung der ideologischen Ungleichzeitigkeit in Kapitel 3.3.1.3. Wunder: BK 1944, S. 39. H. Langenbucher: BK 1939, S. 186: »[…] kein Unkraut im Feld der Edelkräuter, sondern eine nährende und stärkende Nutzpflanze, die nicht im Ziergarten steht, sondern in breiten Feldern angebaut und geerntet werden will.« Bericht über die auf dem Gebiet des minderwertigen englandfreundlichen Kriminal-, Wildwest- und Abenteuerschrifttums durchgeführten Massnahmen vom 12.1.1940 (BArch NS 12/1266). Die folgenden Zitate sind ebd.

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setzte sich die Schrifttumsführung gegen Verleger zu Wehr, die »minderwertiges Schrifttum […] am laufenden Band unter unmöglichen Bedingungen fabrikmässig« herstellten »und auf alle verfügbaren Wege an die Masse der Leserschaft« herantrugen: Die Produkte der Vielschreiber und eine zweifelhafte Serienliteratur seien das Arbeitsfeld von Verlegern, die mit ihrer freien Verantwortung nichts anderes anzufangen wüßten, als eine rücksichtslose Profitpolitik zu treiben.205

Dementsprechend stellte die Schrifttumsabteilung in ihrem Bericht über die auf dem Gebiet des minderwertigen englandfreundlichen Kriminal-, Wildwest- und Abenteuerschrifttums durchgeführten Massnahmen vom 12. Januar 1940 wahrscheinlich teilweise zu Recht fest, dass ihr Versuch, »die in Frage kommenden Verleger […] auf dem Wege der Beratung zu einer Besserung und Neuausrichtung dieses Schrifttums zu führen, […] an der mangelnden Bereitschaft der überwiegend reingeschäftlich [sic] orientierten Unternehmer« gescheitert sei.206 Entscheidend für die mühsame Umsetzung der Neugestaltung war daneben sicherlich auch die Schwierigkeit, den Publikumsgeschmack mit Ideologie und die politischen Vorgaben mit literarischer Qualität zu versöhnen.

3.4.4. Schlussbemerkung Der Umgang mit dem Unterhaltungsschrifttum zeigt besonders eindrucksvoll, dass die nationalsozialistische Buchpolitik als ein komplexer Bereich der Vermittlung zwischen privatwirtschaftlicher Logik, pragmatischen Sachzwängen, ideologischen Überzeugungen, literaturpolitischen Ansprüchen und der Eigendynamik des Literaturbetriebs zu betrachten ist. Dabei wird wiederum deutlich, dass das Dritte Reich und seine Literatur differenzierter zu betrachten sind, als die geläufige Aufteilung in Anspruch und Praxis, Ideologie und Alltag vermuten lässt. Die Beobachtung, dass ein »tiefe[r] Gegensatz zwischen nationalsozialistischer Ideologie und Praxis«207 bestand, hat zwar das unleugbare Verdienst, die Gleichsetzung von Ideologie und Realität, Literaturpolitik und Buchmarkt als eine Illusion zu entlarven. Gleichzeitig ist die Aufteilung jedoch zu statisch, um den kontinuierlichen Aushandlungsprozessen zwischen Idealvorstellungen und abweichenden Realitäten, die die Politik des Dritten Reichs charakterisieren, gerecht zu werden. Am Beispiel der Unterhaltungsliteratur wird ferner auch die polykratische Herrschaftspraxis, insbesondere die Interessendivergenz zwischen Rosenberg und Goebbels, besonders deutlich. Für Rosenberg war das leichte Unterhaltungsschrifttum nur

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Oberregierungsrat Johannes Schlecht, stellvertretender Leiter der Schrifttumsabteilung, auf der Gauversammlung des Berliner Buchhandels (zitiert nach: [o.V.]: BDB 150 (2.7.1939), S. 528). BArch NS 12/1266. Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 114.

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als Übergangsphase im Erziehungsprozess zu gehaltvollem Schrifttum relevant, für Goebbels war es ein unverzichtbares Instrument zur Herrschaftsstabilisierung. Die qualitative Untergrenze dessen, was gerade noch zugelassen werden konnte, setzte Rosenberg entschieden höher an. Auf das Projekt des ›neuen deutschen Unterhaltungsromans‹ ließ sich der dogmatische Reichsleiter nicht aus Überzeugung, sondern unter dem Druck der Realität des schmökernden Lesers ein, um auch diesem die nationalsozialistische Weltanschauung möglichst unverkürzt beizubringen. Der pragmatisch eingestellte Propagandaminister sah in diesem Projekt hingegen die ideale Versöhnung von Publikumsgeschmack, Politik und künstlerischer Qualität, die auch seine Auffassung einer wirksamen Propaganda charakterisierte. Die unterschiedlichen Erwartungen an das Unterhaltungsschrifttum blieben im Alltag des Dritten Reichs weitgehend unbemerkt. Die Bevölkerung versprach sich von Unterhaltung wenig mehr als einen politikfreien Raum zur Entspannung und zur Realitätsflucht. Die in der Forschung gelegentlich vorgebrachte These, Unterhaltungsschrifttum habe im Dritten Reich als »politikfreie[r] Raum«208 fungiert, muss im Blick auf die gesamte Situation nuanciert werden. Zwar kann dieses Schrifttum vom damaligen Leser durchaus als ›unpolitisch‹ rezipiert worden sein. Wie Studien zum Unterhaltungsangebot in Rundfunk und Film aber schon länger bestätigen, stellte Unterhaltung einen zentralen Bestandteil der nationalsozialistischen Politik und Propaganda dar. Gerd Albrecht wies 1979 auf den politischen Nutzen des auf den ersten Blick unpolitischen Unterhaltungsfilms hin: Selbst der ganz eindeutig seinem Inhalt nach unpolitische Film wurde […] Bestandteil einer insgesamt politisch ausgerichteten Propaganda, sollte nämlich die Probleme, mit denen der einzelne wie der Staat zu kämpfen hatte, vergessen lassen. In diesem Sinne sind […] alle Filme, die damals hergestellt wurden, politisch, ob nun nach ihrem Inhalt offensichtlich, oder ob nach ihrer Aufgabe mehr indirekt. Ja, gerade die scheinbar unpolitischen Filme sind, weil sie den Eindruck einer intakten und geordneten Welt vermitteln, in besonderer Weise politisch gemeint: sie konnten und sie sollten […] die weltpolitischen Spannungen und Unstimmigkeiten vergessen machen.209

Diese These wurde durch zahlreiche spätere Untersuchungen zum Unterhaltungsfilm weiter ausgearbeitet und bestätigt210 und lässt sich auch auf den Bereich der Literatur übertragen. Das unter ideologischem Gesichtspunkt unerwünschte Schmökerschrifttum hatte aus Sicht der Machthaber insofern eine politisch erwünschte Funktion, als es der Bevölkerung ein »Refugium jenseits der Ideologie«211 garantierte und auf diese Weise der Stabilität des Regimes zugute kam. Außerdem war die Unterhaltungsli-

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U.a. Christoph L.A. Sauer: Der aufdringliche Text. Studien über NS-Ideologie und Propaganda in der Besatzungspresse. Unveröffentlichte Diss. 1990, S. 117; Schäfer: Das gespaltene Bewußtsein, S. 114. Gerd Albrecht (zitiert nach: Thymian Bussemer: ›Über Propaganda zu diskutieren, hat wenig Zweck‹. In: Das Goebbels-Experiment. Propaganda und Politik. Hg. von Lutz Hachmeister / Michael Kloft. München, Hamburg 2005, S. 56). Vgl. Seite 270, Fußnote 121. Rüther: Literatur in der Diktatur, S. 9.

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teratur nur ›frei‹ in der einschränkenden nationalsozialistischen Bedeutung, in der Sprache der Zeit also frei von der Befehlsgewalt der Politik […], aber nur so lange, als sie sich an ihre Verpflichtung gegen die Werte der Politik […] gebunden fühlt. Im anderen Falle schadet sie und kann der Zensur unterliegen.212

Der politische Wert von Unterhaltung war umso offensichtlicher dort, wo sie bewusst zur Vermittlung von Anschauungen, Deutungen und Werten konzipiert und eingesetzt wurde. Für den Rundfunk kam u. a. Monika Pater 1998 zu dem Schluss, dass es bei Unterhaltungssendungen, die »für ein breites Publikum zur besten Sendezeit konzipiert« waren und sich »vermeintlich politikfern als Entlastungs- und Entspannungsangebot« verstanden, einen »doppelte[n] Grund hinzuschauen« gebe, »wie dieses Angebot gleichwohl als Vermittlungsinstanz gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen funktioniert.«213 Diese Feststellung trifft ebenfalls auf das Projekt des ›wahrhaft deutsch orientierten Unterhaltungsromans‹ zu, das mit der Forderung nach Darstellung ›deutscher Lebenswirklichkeit‹ und dem ›Bild des deutschen Menschen‹ Goebbels’ Konzept einer ›subtilen‹ Propaganda entsprach, die ihre Absicht nicht »auf den Präsentierteller« legte, sondern ganz im Gegenteil »so klug und virtuos kaschiert[e] […], dass der, der von dieser Absicht erfüllt werden soll, das überhaupt nicht bemerkt«.214 Die beabsichtigte politische Durchdringung des Unterhaltungsbereichs kommt schließlich nirgendwo deutlicher zum Ausdruck als in der folgenden Anweisung aus dem Zeitschriften-Dienst mit der Überschrift Rätselecke, zeitnah und politisch. Ihrer Anschaulichkeit wegen sei sie hier ganz zitiert: Leider haben manche Zeitschriften den politischen Wert ihrer kleinen Randgebiete bisher noch wenig erkannt und ausgenutzt. Um so erfreulicher sind daher die von der Zeitschrift »Daheim« auf diesem Gebiet in letzter Zeit regelmäßig veröffentlichten Arbeiten. In vielen Folgen hat sie z. B. dem Kreuzworträtsel ein politisches Thema gegeben. Um nur ein Beispiel hiervon zu geben, nennen wir ein Rätsel, das unter dem Motto »Englands Schutz ist niemand Nutz« nach »vier ehemaligen Staatsoberhäuptern, die auf Englands Hilfe vertrauten und alles auf eine Karte setzten und verloren«, fragt. Nebenher nimmt »Daheim« aber auch allgemeine, vom Zeitschriften-Dienst empfohlene Themen, wie z. B. »Frauensport gerade im Kriege«, zum Anlaß, um die Rätsellöser zum Nachdenken über diese Frage zu bewegen. Gerade hierin liegt der besondere Wert politischer Gedankengänge in der Fragestellung, da dadurch auch der politisch uninteressierte Rätselfanatiker zur Beschäftigung mit den Fragen der Zeitereignisse angeregt wird.

Resümierend muss festgestellt werden, dass der ›Freiraum‹ der Unterhaltungsliteratur (unabhängig davon, ob sie als ›ungesund‹, ›gesund‹ oder ›wahrhaft deutsch‹ galt), im Dritten Reich faktisch einen politischen Zweck erfüllt hat.

212 213 214

Hoyer: DB 6 (1934), S. 264. Monika Pater: Rundfunkangebote. In: Zuhören und Gehörtwerden. Hg. von Inge Marßolek / Adelheid von Saldern. Tübingen 1998, S. 130. Goebbels’ Rede vor den Intendanten und Direktoren der Rundfunkgesellschaften am 25.3.1933 (zitiert nach: Heiber: Goebbels-Reden, S. 94f.).

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Dabei lässt sich ein ganzes Bündel von Argumenten, Haltungen und Maßnahmen beobachten, mit denen literaturpolitische Instanzen zwischen dem Ideal der ›Dichtung‹ und der Realität des Groschenhefts zu vermitteln versuchten. Zum einen wurde die Propaganda für die große Dichtung (in ihrer damaligen Bedeutung) unbeirrt fortgesetzt und ein nicht unbeachtlicher Aufwand betrieben, um das Ideal des ausschließlich hochwertiger Literatur zugewandten ›Volksgenossen‹ in einer möglichst nahen Zukunft zu realisieren. Wie im Laufe der Arbeit herausgestellt wurde, lagen diesem Wunsch verschiedene Motive zugrunde. Eines davon war die »Rebellion gegen bildungsbürgerliche Exklusivität«215 und die damit verbundene Absicht, soziale und kulturelle Unterschiede einzuebnen. Weitere Gründe waren die Anknüpfung an Deutschlands geistige Tradition als ›Volk der Dichter und Denker‹ und die Behauptung der geistigen Überlegenheit Deutschlands über Europa und über seine Kriegsfeinde. Mit Blick auf seine propagandistische und ideologische Bedeutung wurde das Ideal im öffentlichen Diskurs durchweg als Realität präsentiert. Typisch waren dabei die textuellen Verfahren der Generalisierung und der Polarisierung. Zugleich freilich konnten die literaturpolitischen Lenkungsinstanzen die von ihrem Idealbild abweichende Wirklichkeit nicht verleugnen. Ihr Umgang mit dem Unterhaltungsschrifttum macht beispielhaft deutlich, dass es abgesehen vom Verbot noch eine Reihe weiterer Möglichkeiten gab, mit Literatur umzugehen, die vom Ideal abwich. Verschiedene Formen des Kompromisses werden sichtbar, die vom unfreiwilligen Tolerieren des Unterhaltungsschrifttums (Rosenberg) über die strategisch kalkulierte Duldung etwa der erotischen Literatur (Goebbels) bis hin zur ›idealtypischen‹ Kompromissbildung des ›dichterischen‹ Unterhaltungsromans reichten. Mit diesen Formen korrespondierte auch eine Skala von Haltungen: So gab es das bedingte Zugeständnis an die Wirklichkeit, die Duldung eines relativ bedingungslosen ›Freiraums‹ und die aktive Förderung eines Konzepts, das zwischen Ideal und Realität vermitteln konnte. Die skizzierte Kompromissbildung erscheint als Symbol für die vom Regime angestrebte Totalität, indem ihr Ziel die Synthese von Idealvorstellungen und Realitäten in einem diese beiden umfassenden und damit unterschiedlichen Interessen dienenden Roman war. Sie bezweckte eine Versöhnung von Publikumsgeschmack und politischem Anspruch, privatwirtschaftlichen Interessen und weltanschaulichen Imperativen, Unterhaltung und Indoktrinierung, Massenerfolg und literarischer Qualität. Der gute deutsche Unterhaltungsroman sollte ein zwischen ›Literatur‹ und ›Dichtung‹ angesiedeltes ›gutes Buch‹ für den gebildeten und ungebildeten, politisch überzeugten und skeptischen Volksgenossen, für die Ferienzeit und den Arbeitstag, in Friedens- und Kriegszeiten sein.

215

Norbert Frei: Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933–1945. München 1987, S. 115.

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Schlussbetrachtung

Die vorliegende Untersuchung hat die Bedeutung des Mediums Buch im Dritten Reich im Kontext der modernen Massenmedien rekonstruiert. Dabei zeigte sich, dass die Umgangsformen mit diesen Medien weit vielfältiger waren, als bislang angenommen wurde: Auch unter den Bedingungen politischer Lenkungsansprüche und ideologischer Imperative existierten unterschiedliche und sogar konkurrierende Praktiken, die auf die Differenzqualität der einzelnen Medien – also auch des Buches – rekurrierten, um widersprüchlichen Interessen und zahlreichen gesellschaftlichen Faktoren gerecht zu werden. Tatsächlich nahmen Film und Rundfunk als moderne, kollektiv wirksame Medien in der Diktatur eine Schlüsselrolle ein. Gleichwohl wurde, wie in dieser Studie anhand zahlreicher Quellen belegt werden konnte, die zentrale Stellung des Buches durch den Erfolg der modernen Medien nicht ernsthaft gemindert. Bücher hatten im Dritten Reich eine große Bedeutung für das Leben, die Arbeit und die Freizeitgestaltung der unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen. Den Zwecken der NS-Propaganda erschien das Buch als äußerst vielseitiges, überall einsetzbares Instrument, um die Meinungsbildung zu lenken. Insbesondere für die langfristig angelegte Identitäts- und Bildkonstruktion und während der Kriegsjahre setzte sich das Buch im Dritten Reich als wertvolles Propagandamedium neben anderen und gegen andere Medien durch. Ferner haben die Detailuntersuchungen in diesem Band gezeigt, dass Bücher in unterschiedlichen Kontexten auf verschiedene, manchmal widersprüchliche Weise zum Einsatz kamen, je nach Adressatenkreis, konkreter gesellschaftlich-politischer Lage und stark abhängig auch von einer marktwirtschaftlichen Logik. Dazu wurde an einer systematischen Analyse der damals kurrenten Schrifttumskategorien und an Fallbeispielen wie den kontrovers geführten zeitgenössischen Diskussionen um die Unterhaltungsliteratur konkret veranschaulicht, in welchen Rahmenbedingungen und mit welchen Strategien sich unterschiedliche literaturpolitische Instanzen positionierten, und welche interne Logik ihrem oftmals uneinheitlichen Umgang mit dem Medium Buch zugrunde lag. Zukünftige Studien werden weitere Fragen zu untersuchen haben, die im Rahmen dieser Arbeit nicht hinreichend behandelt werden konnten. Berücksichtigt gehören neben bereits genannten Forschungsdesideraten u. a. auch einzelne Buchsparten wie die Fach- und Sachbuchliteratur im Dritten Reich, das Leseverhalten der Bevölkerung unter der NS-Herrschaft, die Ambivalenz des Buches als wirtschaftlicher und ideologischer Exportware sowie auch die Frage, ob und inwiefern sich die These der totalitären Differenzierung als konstitutives Merkmal der nationalsozialistischen Propaganda-, Medien- und Kulturpolitik für andere Diktaturen verallgemeinern lässt. 385

Abbildungsverzeichnis

Trotz intensiver Bemühungen war es mir nicht möglich, die Inhaber des Urheberrechts für alle reproduzierten Abbildungen zu ermitteln. Die Urheber bzw. ihre Erben werden freundlich gebeten, sich gegebenenfalls mit mir in Verbindung zu setzen. Bertelsmann Archiv: Abbildungen 27 (Nr. 158), 28 (Nr. 168). Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel: Abbildungen 4 (255/2.11.1938), 5 (221/21.9.1940), 8 (47/24.2.1933), 10 (254/20.10.1938), 11 (282/5.12.1935), 12 (265/14.11.1935), 13 (43/20.2.1940), 15 (u. a. 53/3.3.1934), 16 (8/4.1.1936). Buch und Volk: Abbildung 9 (5/1938). Daimler-Benz-Archiv: Abbildung 14 (DBAG 105). Die Neue Literatur: Abbildung 31 (9/1940). Europäische Literatur: Abbildung 6 (6/1942). Le Populaire du Centre: Abbildung 1 (1933/R. Fuzier). Privat-Archiv Ine Van linthout: Abbildungen 21, 26, 29, 30. Siemens Corporate Archives: Abbildung 17 (A379). Collectie SOMA – Brussel: Abbildungen 18 (Nr. 180600), 19 (Nr. 84231), 20 (Nr. 84229). Zeitschriften-Dienst: Abbildungen 2 (41/2.2.1940), 3 (3/23.5.1939).

386

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Ungedruckte Quellen Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: BDC-Datenbank Personenbezogene Akten mit Partei korrespondenz, Personenakten der Reichskulturkammer, Personalunterlagen von SS- und SA-Angehörigen und der Zentralen Mitgliederkartei der NSDAP (ehemaliges Berlin Document Center) NS 8 Kanzlei Rosenberg NS 11 Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums NS 12 Hauptamt für Erzieher / Reichswaltung des nationalsozialistischen Lehrerbundes NS 15 Der Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten schöngeistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP NS 18 Reichspropagandaleiter der NSDAP NS 19 Persönlicher Stab Reichsführer-SS R 103 Reichsverband der Deutschen Presse R 43 Reichskanzlei R 55 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda R 56/I Reichskulturkammer – Zentrale R 56/V Reichskulturkammer – Reichsschrifttumskammer

2.

Gedruckte Quellen

2.1.

Editionen und Tagebücher

Boberach, Heinz (Hg.): Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes des SS 1938–1943. Bde. 1–14. Herrsching: Pawlak 1984. Boberach, Heinz (Hg.): SD-Berichte zu Inlandsfragen. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes des SS 1943–1945. Bde. 14–17. Herrsching: Pawlak 1984. Boelcke, Willi A. (Hg.): Kriegspropaganda 1939–1941. Geheime Ministerkonferenzen im Reichsministerium. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1966. Boelcke, Willi A. (Hg.): Wollt Ihr den totalen Krieg? Die geheimen Goebbels-Konferenzen 1939–1943. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1969. Bohrmann, Hans (Hg.): NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Edition und Dokumentation. Bde. 1–7 (Teile). München u.a: Saur 1984–2001. Fröhlich, Elke (Hg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Aufzeichnungen 1923–1941. Bde. 2.III–9. München: Saur 1997–2006. Fröhlich, Elke (Hg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Diktate 1941–1945. Bde. 1–15. München: Saur 1993–1996. Golovchansky, Anatoly / Osipov, Valentin / Prokopenko, Anatoly (Hg.): ›Ich will raus aus die-

387

sem Wahnsinn‹. Deutsche Briefe von der Ostfront 1941–1945. Aus sowjetischen Archiven. Wuppertal: Hammer 1991. Heiber, Helmut (Hg.): Goebbels-Reden. Bd. 1: 1932–1939. Düsseldorf: Droste 1971. Katsh, Abraham I. (Hg.): Buch der Agonie. Das Warschauer Tagebuch des Chaim A. Kaplan. Leipzig: Insel 1965. Klemperer, Victor: Curriculum Vitae. Erinnerungen 1881–1918. Berlin: Aufbau Taschenbuch Verlag 1996. Klemperer, Victor: Lingua Tertii Imperii. Notizbuch eines Philologen. Leipzig: Reclam 1998. Klemperer, Victor: Tagebücher 1933–1945. Berlin: Aufbau Taschenbuch Verlag 1999. Sänger, Fritz: Politik der Täuschungen. Mißbrauch der Presse im Dritten Reich. Weisungen, Informationen, Notizen 1933–1945. Wien: Europa 1975. Sänger, Fritz: Vorwort I. In: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Eine Einführung in ihre Edition. Hg. von Gabriele Toepser-Ziegert. München u. a.: Saur 1984, S. 11–14. Seraphim, Hans-Günther (Hg.): Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs aus den Jahren 1934/35 und 1939/40. Göttingen u. a.: Musterschmidt 1956. Toepser-Ziegert, Gabriele (Hg.): NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Eine Einführung in ihre Edition. München u. a.: Saur 1984.

2.2.

Publikationen der Jahre 1933 bis 1945 (in Auswahl)

Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Fachzeitschrift für Verlagswesen und Buchhandel (Jg. 100/1933 – Jg. 112/1945). Bücherkunde. Organ des Amtes Schrifttumspflege bei dem Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP (Jg. 1/1934 – Jg. 11/1944). Buch und Volk. Buchberatungszeitschrift der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums (Jg. 10/1933 – Jg. 20/1943). Die Bücherei. Zeitschrift für deutsche Schrifttumspflege (Jg. 1/1934 – Jg. 11/1944). Europäische Literatur (Jg. 1/1942 – Jg. 3/1944). Jahres-Gutachtenanzeiger. Reichsstelle zur Förderung des Deutschen Schrifttums (1936–1938). Jahres-Gutachtenanzeiger. Herausgegeben vom Amt Schrifttumspflege bei dem Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP (1938–1942). Lektoren-Brief. Vertrauliche Information des Amtes Schrifttumspflege bei dem Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP (1938–1944). Nationalsozialistische Monatshefte. Zentrale politische und kulturelle Zeitschrift der NSDAP (Jg. 4/1933 – Jg. 15/1944). Nationalsozialistische Bibliographie. Monatshefte der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS. Schrifttums (Jg. 1/1936 – Jg. 9/1944). Deutscher Wochendienst (1939–1945). Zeitschriften-Dienst (1939–1945). 16881, 11744: Uebersetzungen guter ausländischer Literatur. [Rezension zu] Stijn Streuvels: ›Prütske. Die Geschichte einer Kindheit‹ und ›Liebesspiel in Flandern‹. In: Bücherkunde 5 (1936), S. 154f. 17726: Dichtung und Bekenntnisbücher auch ausländischer Autoren: ›Tyll Ulenspiegel und Lamm Goedzak (Volksausgabe)‹ von Charles de Coster. In: Bücherkunde 7 (1936), S. 202. 19160: [Rezension zu] Hans Willi Linker: Spiel in Flandern. In: Bücherkunde 10 (1936), S. 301. 5187: [Rezension zu] Jesco von Puttkammer: ›…Wahr bleibt wahr, deutsch die Saar‹. In: Bücherkunde 1–4 (1934), S. 41. 7625: [Rezension zu] Dietrich Volker: Totenkreuz in Flandern. In: Bücherkunde 4 (1937), S. 240.

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769: [Rezension zu] Paul Os[z]wald: Der Freiheitskampf des deutschen Saarlandes. In: Bücherkunde 1–4 (1934), S. 41. Achterberg, Eberhard: Gegenkräfte in der Kunst. In: Nationalsozialistische Monatshefte 155–156 (1943), S. 168–171. Angermann, Rudolf: Säuberung nach der Säuberung. Eine dringende Aufgabe. In: Die Bücherei 6 (1935) S. 281–283. Arndt, Heinz von: Ein deutsches Hausbuch des WHW. In: Bücherkunde 12 (1938), S. 622f. Arnold, Hans: Voraussetzungen einer nationalsozialistischen Kunstkritik. In: Nationalsozialistische Monatshefte 78 (1936), S. 836–839. Astel, Karl: Rassendämmerung und ihre Meisterung durch Geist und Tat als Schicksalsfrage der weißen Völker. In: Nationalsozialistische Monatshefte 60 (1935), S. 194–215. Baur [, Wilhelm]: Woche des deutschen Buches 1936. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 201 (29.8.1936), S. 741. Baur [, Wilhelm]: An den deutschen Buchhandel! Gründung von Frontbuchhandlungen. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 242 (17.10.1939), S. 689. Baur, Roland: ›Mit dem Buch ins Volk!‹ In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 207 (5.9.1936), S. 765f. Baur, Wilhelm: Wo steht der deutsche Buchhandel? In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 69 (21.3.1936), S. 261f. Baur, Wilhelm: An den sudetendeutschen Buchhandel. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 234 (7.10.1938), S. 5361 [sic]. Biedermann, Otto: Das Buch im Kriege. In: Bücherkunde 4 (1944), S. 98–100. Bischoff, K[arl] H[einrich]: Der Gedanke der Winterhilfsspende des deutschen Schrifttums. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 3 (4.1.1936), S. 9. Bischoff, Karl Heinrich: Ist das Buch zu teuer? In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 51 (29.2.1936), S. 190–192. Bischoff, Karl H[einrich]: Die Buchspende des deutschen Schrifttums. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 179 (4.8.1936), S. 681f. Blome, Hermann: Der Anteil des deutschen Arbeiters an der Neugestaltung volkhafter Dichtung. Ein Beitrag zu dem Begriff: ›Arbeiterdichtung‹. In: Nationalsozialistische Monatshefte 93 (1937), S. 1083–1096. Blunck, Hans Friedrich: Sachliche Neuordnung im Schrifttum. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 10 (12.1.1935), S. 33f. Blunck, Hans Friedrich: Die Sendung des dichterischen Buches. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 107 (10.5.1941), S. 5–7. Bökenkamp, Werner: Über die literarische Halbwelt. In: Bücherkunde 7 (1937), S. 387–392. Bouhler [, Philipp]: Die Arbeit der Prüfungskommission zum Schutze des N.S.-Schrifttums. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 90 (16.4.1935), S. 306f. Bouhler, Philipp: Einheit von Partei und Staat auf dem Gebiete des Schrifttums. Die schrifttumspolitische Arbeit der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums. In: Nationalsozialistische Bibliographie 11 (1937), S. I-IX. Boysen, Albert: Der Feldpostbrief des Sortimenters. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 57 (22.7.1944), S. 127. Boysen, Alfred: Die Truppenbücherei. Erfahrungen eines Buchhändlers. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 211 (10.9.1940), S. 321f. Braumüller, Wolf: Arena des Milieus. Ein notwendiges Kapitel über den Naturalismus. In: Bücherkunde 11 (1937), S. 631–639. Braumüller, Wolf: Literaturwissenschaft: ›Wirkungsgeschichte des Schrifttums‹ – eine Aufgabe und ein Ziel. In: Bücherkunde 3 (1937), S. 155–159. Breyne, Marc R.: Vom Wesen der flämischen Dichtung einst und jetzt. In: Nationalsozialistische Monatshefte 55 (1934), S. 930–942. Brües, Otto: Fliegt der Blaufuß? Roman aus der flämischen Bewegung unserer Tage. Berlin: Grote 1935.

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Namenregister

Adorno, Theodor W.: 22 Albrecht, Gerd: 382 Aldag, Peter: 149, 150 Aleyn, Richard: 48 Alter, Peter: 89 Alverdes, Paul: 85, 194, 236 Aly, Götz: 343 Amann, Max: 290, 309 Ambra, Lucie de: 362 Anacker, Heinrich: 105, 194, 303 Andersch, Alfred: 257 Anderson, Benedict: 103 Andres, Stefan: 3, 23, 236 Arendt, Hannah: 17, 247, 249, 314 Arndt, Ernst Moritz: 340 Auerbach, Erich: 318 Augustinus: 334 Bade, Wilfrid: 113 Barbian, Jan-Pieter: 7, 8, 160, 191, 193, 282 Barbie, Klaus: 50 Bartels, Adolf: 24, 104, 233, 305 Barth, Emil: 303 Barthel, Max: 253, 311 Bauer, Wilhelm: 71 Baumann, Hans: 303 Baur, Wilhelm: 107, 309 Becher, Johannes R.: 302. Benjamin, Walter: 333, 343 Benz, Wolfgang: 37, 38 Bergengruen, Werner: 22, 233, 236, 302 Best, Werner: 50 Beumelburg, Werner: 319 Bischoff, Karl Heinrich: 184, 216 Bismarck, Otto von: 71 Bloch, Ernst: 333, 334 Boberg, Torsten: 362 Bobrowski, Johannes: 257, 303 Boelcke, Willi A. : 69 Boese, Engelbrecht: 5, 173 Böhm, Franz: 48 Böhme, Herbert: 194, 303, 336

Bökenkamp, Werner: 280 Bollenbeck, Georg: 340 Bonaparte, Napoleon: 151 Borchmeyer, Dieter: 52 Bouhler, Philipp: 6, 42, 78, 93, 114, 164, 276, 298, 300, 303 Bramsted, Ernst K.: 23, 38 Brasillach, Robert: 256 Brecht, Bertolt: 302 Brehm, Bruno: 24, 97, 240, 311, 312 Brenner, Hildegard: 327 Breughel, Pieter d.Ä.: 125 Broch, Hermann: 302 Brües, Otto: 21 Brugger, Alfons: 165 Bruhn, Richard: 181 Buchheim, Hans: 257 Bühler, Hans-Eugen: 5, 200 Bürger, Peter: 22 Burte, Hermann: 240, 306, 311 Busch, Fritz Otto: 234 Busch, Wilhelm: 151, 362 Busse, Hermann Eris: 311 Canetti, Elias: 302 Carlyle, Thomas: 151 Carossa, Hans: 24, 33, 48, 194, 240 Céline, Louis-Ferdinand: 256 Churchill, Winston: 151, 197 Claudel, Paul: 3 Cochenhausen, Conrad von: 349 Cochenhausen, Friedrich von: 349 Coleridge, Samuel Taylor: 95 Conrad, Burkhard: 333, 334 Conrady, Karl Otto: 254 Conscience, Hendrik: 125, 127 Cooper, James Fenimore: 362 Coster, Charles de: 45, 127, 307, 321 Courths-Maler, Hedwig: 24 Cronin, A.J.: 3 Dahm, Volker: 3, 5 Dähnhardt, Heinz: 76, 77, 172, 306

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Dainat, Holger: 260 Damus, Martin: 319 Darré, Richard Walther: 42 Daub, Ewald: 184 Degrelle, Léon: 264 Delabar, Walter: 7 Denk, Friedrich: 267 Denkler, Horst: 247, 251, 255, 265, 267 Dietl, Eduard: 204 Dietrich, Otto: 86 Diewerge, Wolfgang: 155 Dinter, Artur: 363 Döblin, Alfred: 247, 302 Doyle, Arthur Conan: 151 Drewitz, C.A.: 218 Drieu la Rochelle, Pierre: 256 Dschingis, Khan: 151 Duckstein, Herbert: 199 Dülffer, Jost: 12 Düsterberg, Rolf: 313 Dwinger, Erich Edwin: 105, 194 Eggers, Kurt: 303 Ehringhaus, Inge: 98, 197 Eich, Günter: 257, 260 Engelhardt-Kyffhäuser, Otto: 124 Erckmann, Rudolf: 166, 312 Euringer, Richard: 233 Fallada, Hans: 151, 301, 302 Faulkner, William: 3 Feuchtwanger, Lion: 302 Fichte, Johann Gottlieb: 340 Fischler, Hersch: 230 Fontane, Theodor: 45 Forbes, Esther: 362 Foucault, Michel: 333 Frenssen, Gustav: 240, 306 Frick, Wilhelm: 176 Friederich II.: 71 Friedländer, Saul: 5, 230 Frisch, Max: 257 Fröhlich, Elke: 12 Fromme, Franz: 124 Furtwängler, Wilhelm: 305 Fussenegger, Gertrud: 236 Ganghofer, Ludwig: 271 Geissler, Horst Wolfram: 271 Geißler, Rolf: 327 Gellner, Ernest: 103 Gentz, Günther: 239, 242 Getz, Ole Berg: 153

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Geyer-Ryan, Helga: 373, 375 Goebbels, Joseph: 6, 11-13, 18, 24, 31, 3335, 37, 38, 40, 41, 43, 46, 51, 53, 55, 58, 59, 63, 64, 67-73, 75, 76, 79, 82, 84, 86, 91, 97, 99, 102, 120, 140, 144-146, 150157, 160, 168, 171, 174, 175, 181, 187, 188, 191, 195, 204, 209, 211, 212, 223, 224, 226, 228, 229, 231, 234, 237, 280, 287, 297, 300-305, 308, 314, 315, 341, 350, 356-361, 378, 381, 382, 384 Goebbels, Magda: 183 Goethe, Johann Wolfgang von: 51-56, 99, 189, 323, 350 Gogol, Nikolai: 157 Göring, Hermann: 204, 209, 301 Gottlob, Eugen: 303 Graeb-Könneker, Sebastian: 19, 259 Graff, Sigmund: 311 Griese, Friedrich: 240, 311, 312 Grimm, Brüder: 188 Grimm, Hans: 194, 240, 306 Große, Friedrich der: 151, 186 Gulbranssen, Trygve: 271 Gunnarsson, Gunnar: 362 Gutenberg, Johannes: 47, 61 Gyselen, Blanka: 34 Habermas, Jürgen: 22 Hachtmann, Rüdiger: 343 Haegert, Wilhelm: 67, 68, 84, 224, 242, 357 Hagemann, Walter: 26, 36, 38 Hagemeyer, Hans: 42, 58, 83, 91, 159, 173, 208, 309, 325 Hagen, Hans Wilhelm: 325, 353 Hahn-Butry, Jürgen: 120, 132, 141 Halbe, Max: 240 Hamsun, Knut: 151, 157, 195, 256 Harlan, Veit: 120 Härtel, Christian: 259 Hartung, Günter: 250, 251, 327 Hasper, Eberhard: 340 Hauptmann, Gerhart: 24, 240 Hechtle, Martha: 322 Hederich, Karl-Heinz: 24, 164 Heil de Brentani, Mario: 362 Heinsen, Fred: 132 Helke, Fritz: 277, 311, 340 Henning, Otto: 311 Herder, Johann Gottfried: 340 Hermlin, Stephan: 249 Herzog, Rudolf: 289 Heß, Rudolf: 289 Hesse, Kurt: 98, 350

Heudtlaß, Willy: 92 Heuss, Theodor: 31 Heydrich, Reinhard: 50 Heß, Max Albert: 181 Himmler, Heinrich: 50, 108, 110, 204, 303, 374, 313 Hinderdael, Jef: 124 Hippler, Fritz: 23 Hitler, Adolf: 16, 21, 40, 51, 53, 56, 83, 93, 106, 135, 145, 146, 147, 151, 175, 184, 186, 252, 255, 302, 314, 316, 343 Hobsbawm, Eric: 103 Hockerts, Hans-Günther: 12 Höfer, Werner: 31 Hoffmann, Heinrich: 93 Hoffmann, Kay: 318 Hofmann, Walter: 214, 356 Hohlbaum, Robert: 326 Hölderlin, Friedrich: 188, 348, 350 Holmes, James S.: 125 Horváth, Ödön von: 302 Hoyer, Walter: 163, 277 Hroch, Miroslav: 103 Huch, Ricarda: 302 Huchel, Peter: 303 Hüttenberger, Peter: 20 Jahn, Moritz: 325 Janka, Franz: 343 Jens, Walter: 254 Johst, Hanns: 24, 62, 63, 108, 110, 186, 233, 240, 309, 312, 313 Joyce, James: 325 Jünger, Ernst: 233, 302 Kaiser, Friedhelm: 299, 325 Kaplan, Chaim A.: 221 Karajan, Herbert von: 305 Kaschnitz, Marie Luise: 257 Kästner, Erich: 302, 373 Kaufman, Theodore Newman: 154, 155 Ketelsen, Uwe-K.; 17, 75, 252, 253, 255, 262, 263, 268 Kindermann, Heinz: 224, 297, 300, 367 Klemperer, Victor: 184 Kluge, Kurt: 311 Knittel, John: 151 Koeppen, Wolfgang: 260, 303 Kolbenheyer, Erwin Guido: 194, 240, 306, 312 König, Wolfgang: 37, 38, 84 Koselleck, Reinhart: 333 Kramer, Walter: 130, 136, 137

Kretzschmar, Kurt: 216 Krolow, Karl: 303 Laar, Clemens: 207 Laclau, Ernesto: 21 Lagerlöf, Selma: 45 Lämmert, Eberhard: 254 Lange, Horst: 303 Langenbucher, Erich: 42, 66, 171, 222 Langenbucher, Hellmuth: 66, 67, 92, 166, 171, 218, 222, 251, 299, 307, 309, 315, 325, 337, 340, 351, 379 Langewiesche, Dieter: 191 Laske-Schüler, Else: 302 Lawrence, D.H.: 3, 268 Leander, Zarah: 26 Leerssen, Joep: 148 Lehmann, Ernst Herbert: 28-30, 35, 224 Lendvai-Dircksen, Erna: 93, 111, 119 Lenk, Kurt: 22 Lewis, Harry Sinclair: 153 Ley, Robert: 42, 209 Lilienfein, Heinrich: 240 Lindemann, Friedrich: 311 Linke, Johannes: 303 Linker, Hans Willi: 120, 122 Linklater, Eric: 153 Linne, Gerhard: 121 Liszt, Friedrich: 71 Littell, Jonathan: 50, 264 Llewellyn, Richard: 156 Loerke, Oskar: 302 Loewy, Ernst: 249, 250, 327 Lokatis, Siegfried: 5, 233 Löns, Hermann: 306 Lorenz, Hilke: 37 Losch, Sebastian: 43 Lowry, Stephen: 22 Luhmann, Niklas: 16 Macdonell, A.G.: 150, 156 Machiavelli, Niccolò: 151 Maeterlinck, Maurice: 293, 321 Mandelkow, Karl Robert: 52 Mann, Thomas: 49, 247, 302, 347 Marlitt, Eugenie: 24 Marx, Karl: 77 Maupassant, Guy de: 45 Mauriac, François: 3 Maurois, André: 3 May, Karl: 151, 271, 361 Mechow, Karl Benno von: 194 Megerle, Karl: 104

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Mengele, Josef: 50 Menz, Gerhard: 222 Menz, Herbert: 63 Menzel, Herybert: 194, 233, 303, 314 Mergenthaler, Christian: 58 Middelhoff, Thomas: 230 Miegel, Agnes: 240 Mitchell, Margaret: 271 Moeller, Felix: 70 Mohn, Heinrich: 231 Möller, Eberhard Wolfgang: 194, 224, 303 Molo, Walter von: 3, 116, 246, 269 Mommsen, Hans: 22 Mozart, Wolfgang Amadeus: 71 Mulka, Robert: 51 Müller, Hans Dieter: 31 Müller-Partenkirchen, Fritz: 362 Münchhausen, Börries Freiherr von: 240 Musil, Robert: 302 Mussolini, Benito: 35, 151 Nassen, Ulrich: 271 Natter, Wolfgang G.: 196 Nedon, Heinz: 171 Neher, Kurt: 123, 131 Niebelschütz, Wolf von: 303 Nierentz, H.-J.: 194 Nietzsche, Friedrich: 350 Nuolivaara, Auni: 362 Oertzen, Klaus von: 181 Ohlendorf, Otto: 50 Oppenheimer, Ferdinand: 233 Overy, Richard: 319 Paucker, Henri R.: 265 Paulsen, Rudolf: 296 Payr, Bernhard: 298, 321, 355, 359 Penzoldt, Ernst: 236 Petri, Franz: 137 Peuckert, Fritz: 137 Planck, Max: 31 Plessner, Hellmuth: 16 Pleyer, Wilhelm: 128 Pound, Ezra: 256 Prümm, Karl: 267 Puttkammer von, Jesco: 117 Rachmanowa, Alja: 139 Rathkolb, Oliver: 302 Reck-Malleczewen, Friedrich: 236 Reclam, Philipp jun.: 75 Reichel, Peter: 343

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Remarque, Erich Maria: 302, 319 Riefenstahl, Leni: 37, 342 Riegel, Martin: 81 Rienhardt, Rolf: 31 Rilke, Rainer Maria: 188 Ring, Barbra: 362 Roda Roda, Alexander (Pseudonym für Sandór Friedrich Rosenfeld): 366 Rommel, Erwin: 204 Rosenberg, Alfred: 6, 11, 42, 51, 53-55, 59, 83, 84, 114, 115, 133, 144, 168, 171, 204, 208, 209, 252, 279, 299, 300-303, 308, 309, 356, 359, 360, 381, 384 Roth, Joseph: 302 Rothacker, Gottfried (Pseudonym für Bruno Nowak): 113, 114 Rühle, Gerd: 362 Rühmann, Heinz: 26 Rust, Bernhard: 362 Sachs, Nelly: 302 Sänger, Fritz: 139 Schäfer, Hans Dieter: 5, 256, 257, 260, 270, 283, 286, 344 Schäfer, Wilhelm: 24, 48, 240, 299 Schauwecker, Franz: 319 Schenzinger, Karl Aloys: 311 Schiller, Friedrich: 51-53, 55-57, 186, 338 Schirach, Baldur von: 54, 55, 303 Schlageter, Albert Leo: 313 Schlecht, Johannes: 381 Schlegel, Werner: 160 Schmidtbonn, Wilhelm: 362 Schnack, Friedrich: 311 Schneider, Hans Ernst: 325 Schneider, Reinhold: 23, 236, 302, 325 Schneider, Tobias: 244, 271 Schnell, Ralf: 343 Schoenbaum, David: 344 Schoeps, Karl-Heinz: 267, 268 Scholdt, Günter: 261 Scholz, Wilhelm von: 240 Schonauer, Franz: 249 Schöne, Philipp der: 127 Schönfelder, Gerhard: 62 Schröder, Rudolf Alexander: 3 Schumann, Gerhard: 188, 194, 303 Schütz, Erhard: 38, 92, 100, 212, 259 Schwietzke, Bruno: 121, 133 Segeberg, Harro: 38 Seghers, Anna: 302 Seidel, Ina: 240 Shakespeare, William: 146, 268

Shaw, Bernard: 152 Silvestre, Charles: 362 Simons, Jef: 127 Simons, Olaf: 5 Singer, Isaac Bashevis: 302 Skans, Per: 318 Söderbaum, Kristina: 26 Solonewitsch, Iwan: 157 Somerset Maugham, William: 3, 156 Sösemann, Bernd: 125 Sostschenko, Michail: 157 Speer, Albert: 50 Spemann, Adolf: 181 Spiering, Menno: 148 Spoerl, Heinrich: 271, 362 Spotts, Frederic: 318 Stalin, Josef: 151 Stampe, Max: 27 Stang, Walter: 52 Steguweit, Heinz: 218 Stehr, Hermann: 48, 306 Steinbeck, John: 3 Stoffregen, Götz Otto: 200 Stollmann, Rainer: 343 Strauss und Torney, Lulu von: 240 Strauß, Emil: 48, 240 Streuvels, Stijn: 45, 195, 316, 317 Strothmann, Dieter: 7, 166 Suleiman, Susan Rubin: 252, 265 Süß, Winfried: 343 Taupitz, Karl: 173 Thielke, Karl: 124 Thiess, Frank: 49, 302 Thoma, Ludwig: 152 Thost, Hans Wilhelm: 142, 144, 146, 149, 150 Timmermans, Felix: 34, 125, 126, 195, 362 Tönnies, Ferdinand: 16 Travers, Martin: 314 Trede, Bruno: 131 Trotha, Thilo von: 59 Uhlig, Friedrich: 203

Ullman, Micha: 2 Uweson, Ulf: 119, 122, 133 Valéry, Paul: 3 Venuti, Lawrence: 125 Verhaeren, Emile: 293, 321 Vesper, Reinhold: 218 Vesper, Will: 233 Vietz, Karl: 152 Voigt-Diederichs, Helene: 240 Vondung, Klaus: 194, 255 Vorbach, Karl (Pseudonym für Karl Viererbl): 105 Wahl, Hans: 48 Watzlick, Hans: 311 Weinheber, Josef: 240, 303 Weiss, Peter: 302 Weiß, Wilhelm: 309 Welk, Ehm: 271 Werder, Peter von: 42, 358 Werfel, Franz: 302 Werner, Bruno C.: 218 Werner, William: 181 Westecker, Wilhelm: 102, 218 Wiechert, Ernst: 3, 24, 236, 302 Winkler, Eugen Gottlob: 257 Winkler-Mayerhöfer, Andrea: 38 Wippermann, Wolfgang: 255, 256 Wismann, Heinz: 91, 169, 195, 345 Wittek, Erhard (Pseudonym: Fritz Steuben): 375 Wittstock, Erwin: 311 Wolfe, Thomas: 3 Woolf, Virgina: 3 Wulf, Joseph: 249, 251, 318, 327 Zadow, Astolf: 125 Ziegler, Hans Severus: 53, 54 Zillich, Heinrich: 240 Zitelmann, Rainer: 343 Zöberlein, Hans: 24, 241, 319 Zweig, Arnold: 302 Zweig, Stefan: 302

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