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German Pages 199 Year 1996
Das Beschäftigungsproblem im vereinten Deutschland Eine Zwischenbilanz
SCHRIFTENREIHE DER GESELLSCHAFT FÜR DEUTSCHLANDFORSCHUNG BAND 49
Das Beschäftigungsproblem im vereinten Deutschland Eine Zwischenbilanz
llerausgegeben von
Spiridon Paraskewopoulos
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Das Beschäftigungsproblem im vereinten Deutschland : eine Zwischenbilanz I hrsg. von Spiridon Paraskewopoulos. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung ; Bd. 49) ISBN 3-428-08852-2 NE: Paraskewopoulos, Spiridon; Gesellschaft für Deutschlandforschung: Schriftenreihe der Gesellschaft ...
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5774 ISBN 3-428-08852-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 (§
Vorwort Am 6. und 7. April 1995 veranstaltete die Fachgruppe Wirtschaftswissenschaft der Gesellschaft für Deutschlandforschung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Theoretische Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig in der Aula der in den letzten Jahren wiedererstandenen Alten Nikolaischule ihr achtes Symposium. Erstmalig fand damit eine Tagung der Fachgruppe in den neuen Bundesländern statt.
Das Thema der Tagung, "Das Beschäftigungsproblem im vereinten Deutschland", ist seit mehreren Jahren aktuell. Wie wir wissen, hat seit Mitte der siebziger Jahre fast in allen westlichen Industrienationen und seit Beginn der neunziger Jahre auch in den ehemaligen osteuropäischen Staaten ein Prozeß der Zunahme der Beschäftigungslosigkeit begonnen, der nicht nur die Ökonomen, Politiker und die Betroffenen, sondern auch zunehmend· die breite Öffentlichkeit in diesen Staaten verunsichert. Im wiedervereinigten Deutschland trat - flir die meisten Ökonomen erwartungsgemäß - durch die relativ schnelle und totale Transformation des Wirtschsaftssystems der ehemaligen DDR in das der Bundesrepublik Deutschland das Problem der Arbeitslosigkeit auch auf dem Gebiet der neuen Bundesländer massiv auf. Seitdem kursieren nicht nur verschiedene Vorschläge und Konzepte, die Lösungen anbieten, sondern auch Horrorbilder hinsichtlich des angeblich katastrophalen Ausmaßes, das demnächst der Umfang der Arbeitslosigkeit in Deutschland annehmen wird. Das relativ hohe Niveau der Arbeitslosenquote der letzten zwei Jahre ist flir viele Pessimisten der Beweis dafür, daß diese Befürchtung stimmt. Das Ziel der Tagung bestand demzufolge darin, etwa viereinhalb Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands darüber zu referieren und zu diskutieren, ob die Beschäftigungskrise ein notwendiges Übel des marktwirtschaftlichen Systems ist, mit dem man sich- sogar auf dem gegenwärtigen hohen Niveau - abfinden muß, oder ob die hohe Arbeitslosigkeit eine vorübergehende Erscheinung eines zufälligen Zusammenwirkens struktureller, konjunktureller und anderer Entwicklungen, eventuell zusätzlich verschärft durch eine ungeeignete Wirtschaftspolitik, darstellt.
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Vorwort
Entsprechend diesen Fragen wurden die Themen der Referate des Symposiums gewählt und lebhaft dazu diskutiert. Die vollständigen Fassungen der Vorträge sind der Inhalt dieses Bandes. Besonders herzlich möchte ich mich im Namen der Gesellschaft für Deutschlandforschung bei der Lotto-Gesellschaft in Berlin für die hauptfinanzielle Unterstützung der Tagung bedanken. Unser Dank gehört auch der Dresdner Bank, Niederlassung Leipzig, und besonders ihrem Leiter, Herrn Spaniol, sowie Herrn Dr. Wolff, Vorstandsmitglied der Verbundnetz Gas AG und Vorsitzender der Vereinigung von Förderem und Freunden der Universität Leipzig, die es uns finanziell ermöglichten, in der Aula der Alten Nikolaischule zu tagen. Mein Dank gilt auch den Referenten, die mit ihren Ausarbeitungen nicht nur das Symposium, sondern auch die Gestaltung dieses Bandes ermöglicht haben, sowie Herrn cand. Dipi.-Volkswirt T. Köhler für das Erstellen des Layouts. Leipzig, im November 1995
Spiridon Paraskewopoulos
Inhalt
Spiridon Paraskewopoulos/Sylvia Weltring Das Beschäftigungsproblem - seine allgemeinen Ursachen und die Besonderheiten des Arbeitsmarktes in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 9 Uwe Vollmer Die Auswirkungen der Erweiterung und Vollendung der europäischen Integration sowie der Liberalisierung des Welthandels auf den Arbeitsmarkt . . . . ... ... ......... . ...... . ..... . . . .. . 37 Hans-Heribert Derix Tarifautonomie - ein Hemmnis flir die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ........... .. .......... . . ..... . ...... .. .. . 57 Thomas Lenk Der Beitrag staatlicher Wirtschaftspolitik zur Lösung des Beschäftigungsproblems unter besonderer Berücksichtigung transferpolitischer Instrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Axel Fischer/Bernhard Scheffler Konzepte gegen die Arbeitslosigkeit - Stand der wissenschaftlichen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Heidrun KJetzin Das Beschäftigungsproblem aus gewerkschaftlicher Sicht . . . . . . 151 Alexander Barthel Das Problem der Arbeitslosigkeit aus der Sicht der Arbeitgeber ....... . .. ... . .. ......... ... .. . ......... .. .. 159 Meinhard Miegel Die Zukunft des Standortes Deutschland und die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Verfasser und Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Spindon Paraskewopoulos/Sylvia Weltring Das Beschäftigungsproblem seine allgemeinen Ursachen und die Besonderbeiten des Arbeitsmartdes in Deutschland
A. Zu den Begriffen "Arbeit" und "Arbeitslosigkeit" Unter "Arbeit" versteht man heute die auf reale Einkommenserzielung gerichtete Tätigkeit der Menschen. Dabei gibt es auch eine Reihe von Tätigkeiten, z.B. in der Freizeitgestaltung oder ehrenamtliche Tätigkeiten in karitativen und sozialen Institutionen, die zwar reale Werte (Erträge) schaffen, die aber nicht als Arbeit im volkswirschaftlichen gesamtrechnerischen Sinne gelten, weil sie für den Beschäftigten kein Einkommen erbringen. 1 Da die Arbeitsleistungen - volkswirtschaftlich gesehen - einen Produktionsfaktor darstellen, der knapp ist und in Kombination mit den anderen Produktionsfaktoren Kapital, Technik und Natur eingesetzt wird, ergibt sich unter anderem auch die Frage nach der Optimalität des Einsatzes dieses Produktionsfaktors. Insofern schließt- volkswirtschaftlich betrachtet - der Begriff "Arbeit" nicht nur die auf reale Einkommenserzielung gerichtete Tätigkeit der Menschen, sondern auch ihren optimalen Einsatz ein. Der optimale Einsatz verlangt, daß die Arbeit sowohl quantitativ als auch qualitativ in die beste Verwendungsmöglichkeit im Rahmen des volkswirtschaftlichen Prozesses gelenkt wird. Jede negative Abweichung von dieser optimalen Verwendung stellt im ökonomischen Sinne eine Art Arbeitslosigkeit des Faktors Arbeit dar. Demnach versteht man unter "Arbeitslosigkeit" eine Situation, bei der der Produktionsfaktor Arbeit (Humankapital) überhaupt nicht (offene Arbeitslosigkeit), zeit- und intensitätsmäßig nur teilweise (quantitativ 1
Gutmann (1993), S. 12.
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Spiridon Paraskewopoulos/Sylvia Weltring
versteckte Arbeitslosigkeit) und/oder nicht entsprechend seiner Qualität (qualitativ versteckte Arbeitslosigkeit) eingesetzt wird. 2 Für die exakte Feststellung des Umfanges der offenen Arbeitslosigkeit in einer Volkswirtschaft ist es notwendig, daß der Personenkreis, der ftir Arbeitsleistungen in Frage kommt (Erwerbspersonen), eindeutig gegenüber denjenigen Personen, die aus gesellschaftspolitischen, medizinischen, biologischen oder persönlichen Gründen (z. B. wegen Ausbildung, Alter, Krankheit oder Unwille) nicht arbeiten können oder wollen, abgegrenzt wird. In Deutschland sowie in den meisten anderen Industrienationen sind die Erwerbspersonen in der Altersgruppe zwischen 15 und 65 Jahre zu finden. 3 Als offen arbeitslos gelten also diejenigen Erwerbspersonen, die arbeitsfähig sowie arbeitswillig sind, aber zu den geltenden Lohnsätzen keine Arbeitsstelle gefunden haben. Diese statistische Definition zeigt, daß es in der Volkswirtschaft auch eine hohe Anzahl von Personen geben kann, die arbeitsfähig und eventuell auch arbeitswillig sind; sie gelten jedoch statistisch nicht als arbeitslos, weil sie als solche nicht registriert sind. Damit zählen solche Arbeitsuchenden auch nicht zur offenen Arbeitslosigkeit. Diese Erwerbspersonen gehören entweder zur sog. stillen Reserve - und sind erst bei besseren Konditionen (z.B. höheren Löhnen) bereit, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen - oder zählen zur versteckten Arbeitslosigkeit.
B. Der Arbeitsmarld in Deutschland I. Die allgemeine Arbeitsmarktlage
Seit Mitte der siebziger Jahre hat die Höhe der Arbeitslosenquoten in der Bundesrepublik Deutschland sowie in den übrigen westlichen Industrienationen ein Ausmaß erreicht, das die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu den drängendsten wirtschaftspolitischen und gesellschaftspolitischen Aufgaben werden läßt. Infolge der deutschen Vereinigung und des daraus resultierenden wirtschaftlichen und politischen Transformationsprozesses in der ehemaligen DDR hat siehin Deutschland das Gutmann (1993), S. 142f. sowie Paraskewopoulos (1979), S. 147f. Vgl. die Definition in den Statistischen Jahrbüchern der Bundesrepublik Deutschland, verschiedene Jahrgänge.
2
3
11
Das Beschäftigungsproblem - seine Ursachen und Besonderheiten
Problem der Unterbeschäftigung dramatisch zugespitzt: Bis zu Beginn des Jahres 1992, also innerhalb von zwei Jahren, hat in Ostdeutschland ein Beschäftigungsabbau um über vier Millionen Arbeitsplätze stattgefunden.4
Tabelle 1 Entwicklung der Arbeitslosenquoten Westdeutschland Arbeitslosenquote gemessen an den
Arbeitslose
abhangigen Erwerbspersonen
Veranderung Erwerbsper_g_~en Vorjahr · sonen insa.
in%
in Tausend
1989
2038
-204
7,1 6,4
1990
1883
-155
1991 1992
1689
-194
1808
119
1993 1994
2270 2556
462 286
7,3 8,2
Offene Stellen in Tausend
7,9 7,2
251 314
5,7
6,3
331
5,9
6,6 8,2 9,2
243 234
324
Ostdeutschland
Arbeitslose
Veranderung aeaen Voriahr
in Tausend
1992
1170
1993 1994
1149 1142
257 -21 -7
Arbeitslosenquote gernassen an den abhangigen ErwerbsperErwerbspersoneninsa. sonen
Offene Stellen
in%
in Tausend
I
* * *
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesanstalt für Arbeit.
4
Friedrich/Wiedemeyer (1994), S. 10.
14,8 15,8 16,1
33 36
51
12
Spiridon Paraskewopoulos/Sylvia Weltring
Die Zahl der offenen bzw. registrierten Arbeitslosen schwankt in den neuen Ländern seit 1992 mit geringfügig sinkender Tendenz zwischen 1,1 und 1,2 Millionen. Da aber auch die Zahl der Erwerbspersonen in Ostdeutschland durch Pendler und Übersiedler nach Westdeutschland weiter abgenommen hat, hat sich der Anstieg der Arbeitslosenquote (gemessen als Anteil der registrierten Arbeitslosen an allen abhängigen Erwerbspersonen) bis 1994 auf ein Niveau von 16, I Prozent fortgesetzt. In den alten Bundesländern war die Arbeitsmarktlage zunächst noch durch einen konjunkturellen Aufschwung geprägt, der jedoch bereits 1992 spürbar nachließ. So stieg die Arbeitslosenquote von 1992 bis 1994 um rund drei Prozentpunkte auf 9,2 Prozent, wobei im Laufe des Jahres 1995 den Prognosen der meisten Wirtschaftsforschungsinstitute zufolge wieder mit einem leichten Rückgang der Arbeitslosenquote zu rechnen ist.
ß. Internationaler Vergleich
Im Vergleich zu anderen hochentwickelten Volkswirtschaften, besonders zu der in den Vereinigten Staaten, sind bei der Arbeitsmarktentwicklung der alten Bundesländer teilweise erhebliche Unterschiede feststellbar (vgl. Diagramm I). Grundsätzlich ist ein solcher Vergleich aufgrund einer unterschiedlichen Abgrenzung und Methodik bei der Messung der Arbeitslosenquoten in den einzelnen Ländern problematisch. Hierbei handelt es sich jedoch um von der OECD aus nationalen Angaben standardisierte Arbeitslosenquoten. Wie die Graphik verdeutlicht, ist die Arbeitslosenquote in den Vereinigten Staaten von 1970 bis 1993 nachjeder Rezession wieder auf den gleichbleibenden Wert von rund sechs Prozent zurückgekehrt. In Japan ist die Arbeitslosenquote im gleichen Zeitraum sogar unter der DreiProzent-Marke geblieben. Der Arbeitsmarkt Westdeutschlands weist demgegenüber eine für alle EG-Staaten typische Entwicklung auf: Die seit 1970 tendenziell steigende Arbeitslosenquote geht mit einer zyklisch wachsenden Sockelarbeitslosigkeit einher, wobei die Zahl der Arbeitslosen in Westdeutschland, beispielsweise im Vergleich zu Frankreich oder Großbritannien, noch auf einem relativ niedrigen Niveau bleibt. Als Grund für diese Arbeitsmarktentwicklung in den EG-Mitgliedsstaaten wird vielfach die im Gegensatz zum amerikanischen Arbeitsmarkt stehende geringe Flexibili-
Das Beschäftigungsproblem-seineUrsachen und Besonderheiten
13
Diagramm 1
Arbeitslosenquoten in ausgewählten Ländern Arithm. Maßstab vH
13
Standardisiert 1)
Arithm. Maßstab vH 12
0
1970 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 93
0
13
1 - - - - - - - - . P . , - - Frankreich I
I
'·"'
Großbritannien -t--,r'----+--"".r,'"r--_,
9
12
9
6
6
3
3
0
0
1970 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 9293
l)Von der OECD aus nationalen Angaben standardisierte Arbeitslosenquoten: Anteil der Arbeitslosen (gemäß Definition der ILO) an den gesamten Erwerbspersonen. Quelle: SVR, JG 94/95, Schaubild 27.
tät und hohe Regelungsdichte der Arbeitsmärkte der Europäischen Union genannt. Dies führe nach Meinung von Kritikern zu einer wachsenden Zahl von Langzeitarbeitslosen und damit zu der beobachteten zyklisch
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Spiridon Paraskewopoulos/Sylvia Weltring
ansteigenden Sockelarbeitslosigkeit. 5 Hierauf wird im Kapitel zu den strukturellen Ursachen der Arbeitslosigkeit näher eingegangen.
m. Cbarakteristika der offenen und ver.oteckten Arbeitslosigkeit I. Offene Arbeitslosigkeit Ein Blick auf die Charakteristika der registrierten Arbeitslosen in West- und Ostdeutschland zeigt, daß die Struktur der offenen Arbeitslosigkeit in beiden Teilen Deutschlands in vielerlei Hinsicht noch stark voneinander abweicht. Die herausragendsten Differenzen zeigen siehin folgendem: Bei Betrachtung der regionalen Struktur der Unterbeschäftigung in den neuen Bundesländern kann man konstatieren, daß die Streuung der regionalen Arbeitslosigkeit hier noch nicht so deutlich hervortritt wie in Westdeutschland (vgl. Tab. 2). So war beispielsweise die Arbeitslosenquote in Berlin-West im Januar 1995 mit 14,3 Prozent fast doppelt so hoch wie in Baden-Württemberg mit 7,9 Prozent. In den neuen Bundesländern betrug die Abweichung zwischen der niedrigsten Quote ( 12,3 Prozent in Berlin-Ost) und der höchsten Arbeitslosenquote (16,6 Prozent in Sachsen-Anhalt) nur rund vier Prozentpunkte. 6 Trotz dieser Zahlen befürchtet der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) in seinem Jahresgutachten 1994/95 bei gleichbleibender Entwicklung für die nächsten Jahre in Ostdeutschland die Herausbildung eines Nord-Süd-Gefälles. 7
Thormählen/Nieder-Eichholz (1994), S. 353. Allerdings weichen die Arbeitslosenquoten in den einzelnen Gemeinden der neuen Bundesländer erheblich voneinander ab. 7 SVR (1994), Zf. 102.
5 6
Das Beschäftigungsproblem - seine Ursachen und Besonderheiten
Tabelle 2 Arbeitslosenquoten in den einzelnen Bundesländern
Arbeitslosenquoten Ende Januar 1995 - Bundesgebiet West-
Baden·WOrtlemberg
Arbeitslose in % der abhängigen zivilen Erwerbspersonen
7,9 8,3
Bayern
8,8
Hessen
9,2
Rhelnland·Pfalz
9,9
Schleswlg·Holsteln
10,7
Hamburg
I
Nordrhein-Westfalen
11,0
Niedersachsen
11,5
I
12,2
Saarland Bremen
14,0
Berlin (West)
14,3
I
I
I
9,9
Bundesgebiet West
Arbeitslosenquoten Ende Januar 1995 - Bundesgebiet Ost -
12,3
Berlln (Ost)
14,8
Brandenburg
15,4
Sachsen Thüringen
18,3
Mecklenburg·Vorpommern
18,5
Sachsen·Anhalt
16,6
Bundesgebiet Ost
1_s_,s_ _ _ _ _ ___.J
L l_ _ _ _ _ _ _
Quelle: Bundesanstalt flir Arbeit.
Arbeitslose in % der abhängigen zivilen Erwerbspersonen
15
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Spiridon Paraskewopoulos/Sylvia Weltring
Als weiteres Strukturmerkmal der Arbeitslosenbestände kann das Geschlecht der Arbeitslosen herangezogen werden. Während in den alten Ländern die Höhe der Arbeitslosigkeit keine bedeutenden geschlechtsspezifischen Differenzen aufweist, beträgt in Ostdeutschland die Arbeitslosenquote der Frauen mit 21,5 Prozent im Jahresdurchschnitt 1994 das Doppelte der Männer-Arbeitslosenquote mit 10,9 Prozent. Allerdings muß hierbei mit in Betracht gezogen werden, daß die Frauen-Erwerbsquote in Ostdeutschland trotz leicht sinkender Tendenz mit rund 47 Prozent gegenüber 39 Prozent in Westdeutschland relativ höher liegt. Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch, daß die weiblichen Arbeitslosen in den neuen Ländern rund drei Viertel aller Langzeitarbeitslosen ausmachen. Betrachtet man die Zahl der Arbeitslosen in West- und Ostdeutschland unter dem Aspekt der Qualifikation, so ist zu konstatieren, daß in Westdeutschland fast jeder zweite Arbeitslose keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann, in Ostdeutschland ist es dagegen nur jeder fünfte. Nach den Ergebnissen der neuesten Strukturanalyse der Bundesanstalt für Arbeit liegen ähnliche Zahlen, für Männer und Frauen getrennt, vor. Ergänzt man die bisherigen Ergebnisse um das Strukturmerkmal des Alters der Arbeitslosen, so erhält man hinsichtlich dieses Merkmals ein ähnliches Bild für Ost- und Westdeutschland: Am stärksten von der Arbeitslosigkeit betroffen sind Männerund Frauen im Alter von über 55 Jahren. In den neuen Ländern liegt die Altersgrenze etwas niedriger. Das liegt allerdings daran, daß hier die älteren Langzeitarbeitslosen durch verstärkte staatliche Regelungen in den Vorruhestand überwechselten und damit früher aus der Arbeitsmarktstatistik herausfallen. Zusammenfassend lassen sich also vor allem zwei Problemgruppen nennen. Im gesamten Bundesgebiet sind vor allem ältere Arbeitsuchende und in den neuen Ländern vorwiegend Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen.
2. Versteckte Arbeitslosigkeit Neben der offenen bzw. registrierten Arbeitslosigkeit kommt man um ein vollständiges Bild der augenblicklichen Arbeitsmarktlage insbesondere in den neuen Ländern zu erhalten - nicht umhin, die Zahl der nicht-registrierten Arbeitslosen, also der versteckten Arbeitslosigkeit, mitzuberücksichtigen. Hierunter werden im folgenden alljene Arbeitsu-
Das Beschäftigungsproblem - seine Ursachen und Besonderheiten
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chende gezählt, die in arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitische Maßnahmen eingebunden sind und daher nicht in die veröffentlichten Arbeitslosenquoten miteingehen. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die tatsächliche Zahl aller versteckten Arbeitslosen - die statistisch nicht meßbar ist -, die sich unter Anwendung der eingangs erwähnten Definition ergeben würde, noch erheblich größer sein dürfte. Das folgende Diagramm gibt Aufschluß über die quantitative Bedeutung der nicht-registrierten Arbeitslosigkeit zwischen Anfang 1992 und Ende 1994. Diagramm 2
Offene und versteckte Arbeitslosigkeit in Deutschland
ln T-end
Offene und versteckte Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland
2000 1800 1600
• Offene Arbeitslosigkeit DVersteckte Arbeitslosigkeit
1400 1200 1000 800 600 400 200 II
111 1992
IV
II
111
1993
IV
II
111 1994
IV
Jahr
Offene und versteckte Arbeitslosigkeit in Westdeutschland
in Tauund 3000
2500
• Offene Atbeltslaslgke~ 0 Versteckte Artleitslasigke~
2000 1500 1000 500 0
J l 1 ~ ~ ~ J rvl ~ l n l II
2 Paraskewopoulos
111 1992
IV
111
1993
II
111 1994
IV
Jahr
I8
Spiridon Paraskewopoulos/Sylvia Weltring
In Westdeutschland bewegt sich die Höhe der nicht-registrierten Arbeitslosigkeit im Betrachtungszeitraum zwischen 500 und 600 Tausend und ist damit relativ unbedeutend. Im Gegensatz dazu übertrifft die Summe aller nicht-registrierten Arbeitslosen in Ostdeutschland die von der Bundesanstalt für Arbeit ausgewiesene Arbeitslosenzahl zumindest noch im Jahre I992 erheblich, nämlich um rund 600 Tausend. Allerdings hat sich die Zahl der nicht-registrierten Arbeitsuchenden im Laufe des Jahres I993 dem Niveau der registrierten Arbeitslosigkeit angenähert. Im vierten Quartal I994 ergibt sich, zusammengerechnet registrierte und nicht-registrierte Arbeitslose in den neuen Ländern, ein Wert von 2,2 Millionen. Die arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen können dergestalt differenziert werden, daß sich daraus die folgende Einteilung der nicht-registrierten Arbeitslosigkeit ergibt: Kurzarbeitergeld8 Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) Personen, die gemäß §I 05 AFG (Arbeitsförderungsgesetz) Leistungen empfangen: und zwar nach §I OSa AFG (Nahtlosigkeitszahlungen), § 1OSb AFG (Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall) und §I OSc AFG (58-jährige und Ältere, die der Arbeitsvermittlung nicht mehr voll zur Verfügung stehen müssen) Teilnehmer an Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie an Deutsch-Sprachlehrgängen (v.a. für Aussiedler in Westdeutschland) Ernpfauger von Vorruhestands- und Altersübergangsgeld.
In der Tabelle ist der Wert angegeben, der sich ergibt, wenn man die Anzahl der Kurzarbeiter mit ihrem durchschnittlichen Arbeitsausfall multipliziert.
8
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Das Beschäftigungsproblem - seine Ursachen und Besonderheiten
Tabelle 3 Versteckte Arl>eitslosigkeit in Deutschland Westdeutschland Kurzarbeiter Teil(AL-Aqui- nehmer § 105 valent) anABM AFG
1994
.
in Tausend
1992
1993
Teilnetvner an EmpfAnger von DeutschAltersFuU-Maß Sprach- Vorruhe- übernahmen lehrstands- gangslgeJd lC'!'911zeit) igangen ~eld
1. Qu. 2. Qu. 3. Qu. 4. Qu.
81 75 52 145
80 81 79 73
117 118 125 138
207 209 186 219
57 50 47 50
46 41 36 31
1. Qu. 2. Qu. 3. Qu. 4. Qu.
301 274 147 186
63 52 43 44
162 178 187 194
221 205 169 184
60 61 52 46
26 21 15 11
2 2 3
1. Qu. 2. Qu. 3. Qu. 4. Qu.
163 99 46 50
49 52 60 70
198 194 196 200
180 182 167 190
55 53 45 45
7 3 0 0
3 3 3 3
• •
. 2
Ostdeutschland Kurzarbeiter Teil(Al-Aqui- netvner § 105 valent) anABM AFG 1992 1. Qu. 2. Qu. 3. Qu. 4. Qu.
286 242 149 112
396 404 386 366
8 8 9 12
371 435 449 449
1. Qu. 2. Qu. 3. Qu. 4. Qu.
107 96 65 57
323 276 220 221
15 15 17 23
387 383 327 280
1. Qu. 2. Qu. 3. Qu. 4. Qu.
56 52 37 35
230 265 303 322
27 27 28 30
248 231 224 256
1993
1994
Teilnehmer an EmpfAnger von DeutschAltersFuU-Maß Sprach- Vorruhe- überstands- gangsnahmen lehr(Vollzeit) lgangen lgeld lgeld in Tausend
Quelle: SVR, JG 94/95, Tabelle 20.
.. .• .. .. . * * *
324 305 285 266
457 479 554 573
242 220 199 178
651 647 639 621
157 134 111 80
569 523 509 495
20
Spiridon Paraskewopoulos/Sylvia Weltring
In Ostdeutschland stellt der wirtschafts- und sozialpolitisch beförderte vorzeitige Ruhestand die mit Abstand größte Komponente der nicht-registrierten Arbeitslosigkeit dar. Nichtsdestotrotz ist die Anzahl der vorzeitigen Ruheständler, also der Empfänger von Vorruhestands- und Altersübergangsgeld, von Ende 1993 bis Ende 1994 um rund 200 Tausend gesunken, was allerdings damit zusammenhängt, daß zunehmend mehr dieser Personen das Rentenalter erreicht haben. Zudem hat sowohl in West- wie auch in Ostdeutschland die Kurzarbeit 1994 weiter abgenommen, was zumindest im alten Bundesgebiet vorwiegend auf die schlechteren Finanzierungsbedingungen der Unternehmen für angemeldete Kurzarbeit zurückzufuhren ist. 9 Trotz des Rückgangs der nicht-registrierten Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern um rund 600 Tausend von Anfang 1992 bis Ende 1994 ist die Anzahl der Arbeitssuchenden, die nicht in die offizielle Arbeitslosenstatistik eingehen, in Ostdeutschland mit rund 1,2 Mio. fast doppelt so hoch wie in Westdeutschland. Gingen diese nicht-registrierten Arbeitslosen in die Arbeitslosenstatistik Ostdeutschlands mit ein, erreichten insbesondere die Arbeitslosenquoten der oben genannten Problemgruppen (v.a. ältere Arbeitslose) mehr als doppelt so hohe Werte.
C. Ursachen der Arbeitslosigkeit in Deutschland L Ökonomische Ursachen
Im folgenden geht es um die Ursachen und Erklärungsmöglichkeiten der offenen Arbeitslosigkeit. In der Literatur werden hauptsächlich folgende vier Arten offener Arbeitslosigkeit unterschieden und diskutiert: 10 die saisonale die friktioneile oder fluktuationsbedingte die konjunkturelle die strukturelle.
9 10
SVR (1994), Zf. 118. Maneval (1977a), S. 268ff. sowie Gutmann (1993), S. l03f.
Das Beschäftigungsproblem - seine Ursachen und Besonderheiten
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Alle vier genannten Arten sind, in unterschiedlichem Ausmaß, in allen marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften vorhanden. Sie werden allerdings für die Menschen und für die Volkswirtschaften in der Regel nur dann zum Problem, wenn dauerhaft über drei Prozent der Erwerbspersonen einer Volkswirtschaft davon betroffen werden. Dies trifft besonders für die konjunkturelle und strukturelle Arbeitslosigkeit zu. Weniger problematisch sind ftir entwickelte Volkswirtschaften die Arten der saisonalen und der friktioneilen Arbeitslosigkeit. Während die saisonale Arbeitslosigkeit heute nur noch in den Entwicklungsländern aufgrund deren starker Abhängigkeit vorn landwirtschaftlichen Sektor ein spürbares Problern darstellt, bereitet ihre Bewältigung in den industrialisierten Ländern kaum Schwierigkeiten, da zum ersten das volkswirtschaftliche Gewicht der Landwirtschaft in den industrialisierten Ländern erheblich abgenommen hat und zum zweiten, weil die saisonale Arbeitslosigkeit mehr oder weniger im voraus kalkulierbar ist und deshalb im Preis- und im Sozialsystem berücksichtigt werden kann. Ähnliches gilt hinsichtlich der Problematik auch für die friktioneile Arbeitslosigkeit. Sie ist ein Phänomen, das hauptsächlich in den entwickelten Volkswirtschaften in Erscheinung tritt. Friktioneil arbeitslos sind alle diejenigen, die freiwillig oder unfreiwillig ihren Arbeitsplatz verloren haben, aber nicht länger als maximal zwei Monate arbeitslos bleiben. Diese Art von Arbeitslosigkeit ist sowohl für die betroffenen Personen als auch für die Volkswirtschaft unproblematisch. Im Gegenteil, sie wird von vielen, insbesondere liberalen Nationalökonomen, sogar für die Marktwirschaften als erwünscht angesehen, weil sie die Flexibilität und damit die Anpassungsfähigkeit der Volkswirtschaft erhöht.11 Viel problematischer demgegenüber sind - bezüglich der Wirkungen und der Bekämpfungsmöglichkeiten - die Arten der konjunkturellen und der strukturellen Arbeitslosigkeit. Beide Arten sind gegenwärtig, allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung, die Ursachen für die hohe Arbeitslosigkeit nicht nur in Deutschland, sondern auch in der gesamten Europäischen Union.
11
Schupp (1958), S. 133.
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Spiridon Paraskewopoulos/Sylvia Weltring
1. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit Unter konjunktureller Arbeitslosigkeit versteht man im ökonomischen Sinne das periodische Brachliegen eines Teils der vorhandenen Produktionsfaktoren einer Volkswirtschaft. Dies bedeutet, daß ein Teil dieser Faktoren (Arbeit bzw. Humankapital, Sachkapital, Technik, Natur), die einer Volkswirtschaft zur Verfugung stehen, nicht produktiv ausgenutzt werden kann. Es sind also Arbeitsplätze vorhanden, die nicht besetzt werden können (keine ausreichende Kapazitätsauslastung). Der Grund ftir diese Nichtbesetzung der vorhandenen Arbeitsplätze ist der Mangel an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage, d.h. der Mangel an Konsum-, Investitions-, Staats- und/oder Auslandsgüternachfrage. In der Theorie konnte über die Ursachen, die ftir das Zurückbleiben der Nachfrage verantwortlich sind, bislang kaum Übereinstimmung erzielt werden. Eine der verschiedenen Auffassungen hierzu führt den Rückgang der Nachfrage hauptsächlich auf das relativ hohe Preisniveau zurück, das durch die hohen Produktionskosten und/oder durch den hohen Monopolisierungsgrad der Volkswirtschaft verursacht werde. Hohe Produktionskosten (Löhne, Zinsen, Rohstoffe) und damit hohes Preisniveau mindern national und international die Konkurrenzfähigkeit der Volkswirtschaft und damit deren Absatzchancen. 12 Solange der Preis der Produktionsfaktoren und insbesondere der Arbeit (Lohnkosten, Sozialkosten) sehr nahe bei der durchschnittlichen Produktivität der Arbeit liegt, wird die Nachfrage nach dem Faktor Arbeit um so kleiner sein. Die Tendenz, die Arbeit durch den Faktor Kapital zu substituieren (Rationalisierung, Kapitalintensivierung), ist diesem theoretischen Ansatz zufolge unvermeidlich. Eine solche globale Betrachtungsweise enthält zwar einige wertvolle Hinweise, die die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge verdeutlichen und mögliche Ursachen andeuten, sie kann aber für den konkreten Fall von Arbeitslosigkeit in Deutschland und allgemein in der Europäischen Union nicht als ausreichende Erklärung des Phänomens angesehen werden, denn die Tatsache, daß in Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien die Arbeitskosten viel niedriger als in Deutschland sind, hat dort nicht zu einer niedrigeren Arbeitslosigkeit geführt. Sogar das Gegenteil ist der Fall. Auch die Entwicklung der Wirtschaftsdaten in der Bundesrepublik Deutschland bestätigt diesen Erklärungsversuch nicht. 12 So argumentiert man hauptsächlich im Rahmen der angebotsorientierten Konzeption, die auf der klassischen bzw. neo-klassischen Beschäftigungstheorie basiert.
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Obwohl beispielsweise die Nettolöhne von 1985 bis 1990 mit 5,6 Prozent relativ stark gestiegen sind, blieben die Preise in diesem Zeitraum mit einer Inflationsrate von 1,4 Prozent trotzdem stabil. Dabei erreichte die Auslandsnachfrage in dieser Zeit, wie die Exportdaten zeigen, Rekordzahlen. Die Zahl der Arbeitslosen ist sogar in dieser Periode um rund 400 Tausend Personen zurückgegangen. Dies zeigt, daß die Zunahme der hohen Produktionskosten in dieser Periode offensichtlich weder die Auslandsnachfrage noch die Beschäftigung negativ beeinflußt hat. Das Argument der hohen Produktionskosten allein kann also ftir diesen Zeitraum nicht gelten. Daher muß nach weiteren Ansätzen zur Erklärung des Phänomens der konjunkturellen Arbeitslosigkeit gesucht werden. Eine andere Auffassung verneint, daß primär der Lahn-Preismechanismus verantwortlich für den Rückgang der Güternachfrage sein kann. Es gäbe Perioden, in welchen weder die inländischen Konsumenten - etwa, weil sie ein zu niedriges Einkommen haben, - noch die inländischen Investoren- weil sie ihre Gewinnchancen sehr pessimistisch einschätzen -bereit seien, Nachfrage zu entfalten. Würde die so entstandene Nachfragelücke nicht durch die Auslandsnachfrage ausgefüllt, entstünden freie (nicht ausgelastete) Kapazitäten des vorhandenen Sach- und Humankapitals, falls die Zentralbank durch Geld- und der Staat durch Fiskalpolitik nicht versuchten, die Nachfragelücke zu beseitigen. Das hier angeführte Argument lautet also: Der Markt allein kann die entstandene unerwünschte Situation nicht bewältigen, deshalb soll der Staat eingreifen, um die Volkswirtschaft aus dem Beschäftigungsungleichgewicht heraus zur Vollbeschäftigung zu führen. Das Lösungskonzept, welches aus dieser Argumentation in der Regel verlangt wird, ist die Forderung nach staatlichen Investitionen und Beschäftigungsprogrammen. Anders wird argumentiert, wenn es sich um volkswirtschaftliche Störungen handelt, die aufgrundtechnologischer und/oder gesellschaftssowie wirtschaftsordnungspolitischer (wie gegenwärtig in Ostdeutschland) Einflüsse entstanden sind und massive Veränderungen in der Produktionsstrukturder Volkswirtschaft hervorrufen. Die Anpassung an die veränderten Daten ist mit einer Vernichtung eines großen Teils der bisherigen Kapazitäten verbunden, die hohe Arbeitslosigkeit zur Folge hat. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um ein konjunkturell, sondern um ein strukturell und ordnungspolitisch verursachtes Phänomen.
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2. Strukturelle Arbeitslosigkeit Wie das Wort "strukturell" andeutet, liegt hier eine Form der Arbeitslosigkeit vor, die aufgrundvon Veränderungen (Umschichtungen, Umwälzungen) des Aufbaus nicht nur der Inputfaktoren und der Zusammensetzung des Outputs, sondern auch der gesamten Wirtschaftsordnung einer Volkswirtschaft entsteht. Solche Veränderungen können sich sowohl auf die einzelnen Sektoren und Regionen eines Staates als auch auf die gesamte Volkswirtschaft erstrecken. In der Realität ist es allerdings oft schwierig, zwischen struktureller und konjunktureller Arbeitslosigkeit genau zu unterscheiden. 13 Strukturelle Arbeitslosigkeit kann Ursache einer allgemeinen konjunkturellen Arbeitslosigkeit sein und umgekehrt. So können beispielsweise Strukturveränderungen, die relativ viele Wirtschaftsbereiche treffen, allgemeine konjunkturelle Störungen hervorrufen, die wiederum zu erheblicher konjunktureller Arbeitslosigkeit führen. Genauso ist es möglich, daß sich nach einer lang anhaltenden Depression in der folgenden Hochkonjunktur einige Wirtschaftsbranchen nicht erholen, so daß eine strukturelle Störung weiterhin bestehen bleibt. Die strukturelle Arbeitslosigkeit kann dann chronisch werden. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten sind auch der Grund dafür, daß in der Bundesrepublik Deutschland bei Theoretikern wie Praktikern der Wirtschaftspolitik Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, ob die gegenwärtige hohe Arbeitslosigkeit vorwiegend strukturell oder vorwiegend konjunkturell bedingt ist. 14 Grundsätzlich läßt sich jedoch für die strukturelle Arbeitslosigkeit sagen, daß sie, im Gegensatz zur konjunkturell bedingten Unterbeschäftigung, ein Phänomen ist, dessen Ursachen in den langfristigen Prozessen der wirtschaftlichen Entwicklung einer marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft liegen. Zur Erklärung der strukturellen Arbeitslosigkeit sind eine Vielzahl von Theorieansätzen entwickelt worden, von denen hier zwei ausgewählt werden, die nach Ansicht der Verfasser im Hinblick auf die strukturelle Komponente des derzeitigen Beschäftigungsproblems in den alten Bundesländern von besonderer Relevanz sind. Zunächst wird dabei der Versuch unternommen, Schumpeters Theorie des "Prozesses der schöpferischen Zerstörung" auf die Arbeitsmarktentwicklung in den alten Ländern anzuwenden. Die daran anschließende kurze Diskussion konzentriert sich v.a. auf die empirische Untersuchung der steigenden Sockel13 14
Gerber(l976), S. 29. Maneval (1977b), S. I II.
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und damit einhergehenden Langzeitarbeitslosigkeit, ftir die der neuere Hysteresis-Ansatz einen Erklärungsversuch darstellt.
a) Schumpeters "Prozeß der schöpferischen Zerstörung" Seit Schumpeter ist es bekannt, daß der Kern der wirtschaftlichen Entwicklung in den Marktwirtschaften im "Prozeß der schöpferischen Zerstörung" liegt. 15 Dieser Prozeß enthüllt die Natur und den Mechanismus des marktwirtschaftliehen Systems. Demnach ist eine solche wirtschaftliche Entwicklung das Ergebnis eines vielartigen "revolutionären" Wandels. Dadurch werden die bestehenden Strukturen in der Wirtschaft grundlegend umgeformt, indem neue Produktionsmethoden, neue Güter, neue Organisationsformen und neue Versorgungsquellen entstehen. Während der Herausbildung der neuen Wirtschaftsstrukturen erfolgt gleichzeitig die Ablösung der alten mit der unvermeidlichen Folge von Krisen und wirtschaftlichen Depressionen. Dabei kommt es zu längeren Perioden des Steigens und Sinkens der Preise, der Zinsen und der Beschäftigung. Diese Entwicklungen sind die Folge eines dynamischen Marktprozesses der ständigen Erneuerung des Produktionsapparates, bei demjeweils am Ende der Erneuerung ein höheres Lebensstandardniveau entsteht, obwohl vorher Verwirrung, Verluste und Arbeitslosigkeit herrschten. 16 Diese Ausführungen zeigen, wie Schumpeter argumentiert, daß das strukturelle Phänomen der wirtschaftlichen Entwicklung im Rahmen einer Marktwirtschaft nichts anderes ist als eine langfristige Konjunkturbewegung, die allerdings durch kurzfristig wirkende Einflußfaktoren gestört werden kann. Für die aktuelle Wirtschaftspolitik ist es deshalb sehr wichtig, nicht nur die langfristige Tendenzentwicklung, sondern auch und insbesondere die Ursachen der verzögernden Wirkungen zu erkennen, um geeignete wirtschaftspolitische Maßnahmen zu deren Beseitigung treffen zu können. Aus der Wirtschaftsgeschichte sind eine Reihe von Faktoren bekannt, die ftir die Verzögerung der Überwindung der Krise verantwortlich gemacht werden können: " .. .Kriegsfolgen, Verschlechterungen des allgemeinen politischen Klimas, Veränderungen auf den Weltmärkten, 15 16
Schumpeter ( 1972), S. 134ff. Schumpeter (1972), S. 115.
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die betriebene Wirtschaftspolitik - insbesondere die Lohnpolitik, die Sozialpolitik, die Fiskalpolitik, die Geldpolitik- sowie gewisse institutionelle Veränderungen des Wirtschaftssystems .... "Y Diese Faktoren können einen negativen Einfluß auf die Erneuerung des Produktionsapparates ausüben, so daß sich der notwendige Anpassungsprozeß verzögert, wodurch dann die Krise verlängert wird. 18 Will man die gegenwärtige Krise auf dem Beschäftigungsmarkt in Westdeutschland mit Hilfe der oben genannten theoretischen Konzeption erklären, so muß man zuerst die Existenz eines Prozesses der schöpferischen Zerstörung und dann möglicherweise die Einflußwirkungen verzögernder Faktoren nachweisen. Nach Schumpeter beginnt der dynamische Prozeß, der die bestehende Wirtschaftsstruktur von innen heraus verändert, indem er unautbörlich den alten Produktionsapparat zerstört und durch einen allgemeinen technologischen Wandel, den er industrielle Revolution nennt, einen neuen schafft. 19 Für die alten Bundesländer gilt, daß sich seit Beginn der siebziger Jahre tatsächlich eine solche massive technologische Revolution vollzogen hat, nämlich die der lnformationstechnologie. Die heute beobachtbare Ausbreitung dieser Technologie läßt die Vermutung zu, daß man sich in den Anfangen einer Entwicklung befindet, von der zu erwarten ist, daß sie die Produktionsstruktur und damit das gesellschaftliche Leben fundamental verändern wird. Wissenschaftler des Club of Rome sind der Auffassung, daß es sich bei dieser Entwicklung nicht nur um eine neue Technologie handelt, sondern auch um eine industrielle Revolution. 20 Man geht davon aus, daß die Mikroelektronik sowohl im Bereich der Unternehmensführung als auch in der Beschäftigungsstruktur tiefe Einschnitte hervorruft und noch hervorrufen wird. Die revolutionäre Technologie bringt aber auch gewaltige Produktivitätsfortschritte, allerdings zunächst verbunden mit dem verminderten Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit, mit sich. Diese Produktivitätsentwicklung ist auch der Grund, daß sich bei dem Sektor "Verarbeitendes Gewerbe" eine ähnliche Entwicklung anbahnt, wie sie aus dem Sektor "Landwirtschaft" seit Beginn dieses Jahrhunderts bekannt ist. Allein in Deutschland fiel der Anteil der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen von rund 30 Prozent Anfang der fünfziger auf unter 17 18 19
20
Paraskewopoulos ( 1984), S. 52. Schumpeter (1972), S. 118. Schumpeter (1972), S. 134 ff. Lamborghini (1982), S. 131 ff. sowie Evans (1982), S. l71 ff.
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vier Prozent zu Beginn der neunziger Jahre. Dieses Muster ist in ähnlicher Form bei allen Industrienationen feststellbar. 21 In der gleichen Weise erwartet man die weitere Entwicklung der in der Industrie beschäftigten. Wie bei der Landwirtschaft, steigt auch hier die Produktivität vorwiegend durch arbeitsparenden technischen Fortschritt. Obwohl die Ausgaben ftir Nahrungsmittel und Industriewaren nicht absolut sinken, entfällt aber ein wachsender Anteil des Einkommens aufDienstleistungsgüter. Man erwartet, daß in den nächsten 30 Jahren aufgrund dieser Entwicklung im OECD-Raum der Anteil der in der Industrie beschäftigten weniger als zehn Prozent betragen wird. Insofern werden Deutschland mit einem derzeitigen Beschäftigungsanteil des industriellen Sektors von rund 32 Prozent, Japan mit etwa 24 Prozent und Italien mit 22 Prozent am stärksten betroffen sein. 22 Für die gesamten Beschäftigungsmöglichkeiten bedeutet dies, daß sie, gemessen an den heutigen Bedingungen, zunächst abnehmen werden. Allerdings muß diese Entwicklung nicht notwendig mit einem Rückgang des absoluten Beschäftigungsniveaus und des materiellen Wohlstandes verbunden sein. Im Gegenteil, nach Absorption der Ergebnisse der technischen Umwälzung besteht sogar die Möglichkeit, ein höheres Beschäftigungs- und materielles Wohlstandsniveau zu erreichen. In der Zeit des Anpassungsprozesses werden jedoch ftir verschiedene Gesellschaftsgruppen materielle Opfer, verbunden mit Arbeitslosigkeit, Verteilungskämpfen und gesellschaftlichen lnstabilitäten, unvermeidlich sein. 23 Intensität, Zeitbedarf und Folgen des Anpassungsprozesses hängen dabei von den Wirkungen verzögernder Faktoren ab. Zutreffend auf die Bundesrepublik Deutschland lassen sich drei Faktoren nennen, die teilweise seit Beginn der siebziger Jahre - den Anpassungsprozeß verzögerten und teilweise noch verzögern. Einmal sind im Außenhandel die veränderten Bedingungen auf den Rohstoffmärkten zu nennen. Die Preiserhöhung beispielsweise für Rohöl in den siebziger Jahren und die daraus resultierenden vielfältigen Folgewirkungen haben den Anpassungsprozeß in diesem Zeitraum empfindlich gestört. 24 Andererseits geben seit Beginn der achtziger Jahre die Marktpreise ftir Rohstoffe Anlaß zu der Hoffnung25, daß die innovatorische Julius/Brown (1994), S. 33. Julius/Brown (1994), S. 33. 23 Paraskewopoulos (1984), S. 52. 24 Jürgensen ( 1980). 25 Der Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe ist von I 00 im Jahre 1985 auf 43 im Jahre 1993 gesunken. Vgl. Deutsche Bundesbank (1993 ). 21
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Kraft der Volkswirtschaftaufgrund der damit verbundenen Kosteneinsparungen schließlich zu einer spürbaren Minderung des Beschäftigungsproblems fUhren kann. Ob sich eine solche positive Entwicklung durchsetzen wird, hängt wiederum - und dies ist der zweite Faktor, der den Anpassungsprozeß positiv oder negativ beeinflussen kann, - von der betriebenen Wirtschaftspolitik ab. Hier sind sowohl die ordnungspolitischen Maßnahmen, die die institutionellen Bedingungen des marktwirtschaftliehen Systems betreffen, als auch die konkrete Prozeßpolitik zu nennen. Wird es der Ordnungspolitik gelingen, manche "Bremswirkungen" zu beseitigen, die aus dem bestehenden Wohlfahrtsstaat entstehen und die dynamischen Elemente des marktwirtschaftliehen Systems in ihren Entfaltungsmöglichkeiten stark einengen, dann besteht Grund zur Hoffnung, daß das Beschäftigungsproblem an Schärfe verlieren wird. Die Maßnahmen der Prozeßpolitik sollten kurzfristig vor allem darauf abzielen, volkswirtschaftliche Verluste großen Ausmaßes zu vermeiden und menschliche Leiden (Arbeitslosigkeit) möglichst klein zu halten. Zur Sicherung der Arbeitsplätze sollte allerdings nicht versucht werden, durch Subventionen, Steuererleichterungen und ähnliche Maßnahmen schrumpfende und nur mit steigenden Kosten arbeitende Wirtschaftszweige zu konservieren, sondern vielmehr durch gezielte Anpassungshilfen die Mobilität der Arbeit zu erhöhen und die Umschichtung der Arbeitskräfte rasch zu erreichen. 26 Schulungs- und Umschulungsmöglichkeiten und Informationsdienste sollten ständig angeboten werden, damit sich die Arbeitskräfte rechtzeitig an neue Entwicklungen anpassen können. Auch über die Länge der Arbeitszeit muß nachgedacht und nach Lösungen und Methoden zur Arbeitszeitverkürzung gesucht werden. Ziel aller dieser Maßnahmen sollte nicht sein, den Entwicklungsprozeß zu stören oder sogar zu verhindern, sondern die Härte seiner vorübergehenden Folgen zu mildem und den Anpassungsprozeß der Wirtschaft zu beschleunigen. Der dritte Faktor resultiert aus dem beschäftigungspolitischen Fehler, den man in den sechziger und zu Anfang der siebziger Jahre machte, indem man dem damaligen Mangel an Arbeitskräften nicht durch die verstärkte Einführung neuer Technologien, sondern mit relativ billigem Arbeitskräfteimport aus den südeuropäischen Ländern zu begegnen suchte. Dieses auf kurzfristige Kostenvorteile bedachte Vorgehen hatte, wie die spätere Entwicklung zeigte, mindestens zwei negative beschäftigungspolitische Folgen: Einmal verminderte der extensive Einsatz von 26
Paraskewopoulos (1979), S. 149 f.
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Arbeitskräften den Innovationszwang, so daß sich der Automatisierungsprozeß (Robotertechnologie) in der Bundesrepublik Deutschland - im Verhältnis zu Japan und zu den USA - verzögerte. Das Ergebnis war eine Verminderung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft, verbunden mit Verlusten an Marktanteilen auf in- und ausländischen Märkten. Dies hatte wiederum negative Auswirkungen auf den inländischen Arbeitsmarkt. Auf der anderen Seite erhöhte der Arbeitskräfteimport die Zahl der Erwerbspersonen, da die ausländischen Arbeitskräfte in der Regel auch dann noch in der Bundesrepublik Deutschland bleiben, wenn sie arbeitslos werden, wodurch der Arbeitsmarkt zusätzlich belastet wird. Von entscheidender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang schließlich, die vielfältigen Probleme im Rahmen des Wiedervereinigungsprozesses zu lösen. Von der dabei betriebenen Ordnungs- und Prozeßpolitik wird es abhängen, ob die vollzogene Integration Ostdeutschlands positive oder negative Beschäftigungseffekte bewirken wird. Schließlich kann auch die Entwicklung des absoluten Bestandes an offenen Stellen im Sinne Schumpeters interpretiert werden, denn die seit 1983 kontinuierlich zunehmende Zahl offener Stellen zeigt unter anderem, daß sich die neue Technologie langsam durchsetzt und spezialisierte Fachkräfte verlangt, die noch nicht in dem erforderlichen Ausmaß vorhanden sind. Die steigende Anzahl offener Stellen signalisiert also Diskrepanzen zwischen den Anforderungen der Arbeitsnachfrage und der Qualifikation des Arbeitsangebots und stellt - neben dem Phänomen der zunehmenden Langzeitarbeitslosigkeit - ein wichtiges Merkmal des beobachteten Anstiegs der Sockelarbeitslosigkeit dar.
b) Langzeitarbeitslosigkeit und Hysteresis-Hypothese
Die Ursachen der derzeitigen Unterbeschäftigung sind vielfältiger Art. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit bzw. der Bestand an Langzeitarbeitslosen ist dabei ein Indikator, der Hinweise über die Größe der steigenden Sockelarbeitslosigkeit gibt, die im allgemeinen strukturellen Faktoren zugeschrieben wird. So betrug der Anteil der Langzeitarbeitslosen, also der Personen, die länger als ein Jahr arbeitslos waren, an der Gesamtheit der Arbeitslosen 1994 in Westdeutschland 30 Prozent ( Ostdeutschland 32 Prozent). Bereits seit Mitte der achtziger Jahre pendelt der Prozentsatz aller Langzeitarbeitslosen zwischen 26 und 31 Prozent. Insofern ist dies keine Entwicklung der letzten Jahre. Die
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durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit lag 1994 im alten Bundesgebiet bei 12,8 Monaten (Ostdeutschland: 11,9 Monate); im Jahre 1991 lag dieser Durchschnittswert schon einmal bei 13,3 Monaten. Besonders stark betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem wieder die älteren Arbeitnehmer. Hier spielt zudem das Geschlecht eine Rolle: die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit bei Frauen zwischen 60 und 64 Jahren beträgt 36,4 Monate, also rund 3 Jahre; bei den Männern liegt der Vergleichswert bei 27,3 Monaten. Einen Versuch, den Einfluß des hohen Langzeitarbeitslosenanteils auf die Sockelarbeitslosigkeit, die nach jedem Konjunkturzyklus bestehen bleibt, zu quantifizieren, stellt die Beveridge-Kurven-Analyse dar (Diagramm 3). Hierbei wird eine konvexe Beziehung zwischen der OffeneStellen-Quote, also der Zahl offener Stellen in Relation zu der Zahl der Erwerbspersonen, und der Arbeitslosenquote in Abhängigkeit aller Erwerbspersonen unterstellt. Die Offene-Stellen-Quote müßte also bei steigenden Arbeitslosenquoten zurückgehen und vice versa. Tatsächlich sank im Zeitraum von 1970 bis 1984 die Quote der offenen Stellen bei gleichzeitig steigender Arbeitslosenquote. Ab 1985 ist eine Rechtsverschiebung der Beveridge-Kurve erkennbar, d.h., die gleiche Arbeitslosenquote geht mit einer höheren Offene-Stellen-Quote einher bzw. umgekehrt. Von 1993 bis 1994 ist die Arbeitslosenquote sogar bei gleichbleibender Quote der offenen Stellen um mehr als ein Prozent gestiegen. Die Beveridge-Methode erlaubt zunächst nur, eine Veränderung der Strukturcharakteristika des Arbeitsmarktes zu konstatieren. 27 Hiermit wird also die sogenannte Mismatch-Arbeitslosigkeit gemessen, d.h. Arbeitslosigkeit infolge von beruflichen, qualifikatorischen und regionalen Diskrepanzen zwischen den Profilen der Arbeitsanbieter und -nachfrager. Bei einer Verschiebung der Beveridge-Kurve nach rechts, wie sie seit 1985 konstatierbar ist, und dem damit einhergehenden Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit wird es offensichtlich zunehmend schwieriger, die Charakteristika der Arbeitslosen mit den Anforderungen der zu besetzenden Arbeitsplätze in Einklang zu bringen.
27
Riese (1986), S. 133.
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Diagramm 3
OSTQ 3,00
Beveridge-Kurve
2,50 2,00 1,50 1,00 0,50 0,00 + - - - - + - - - - + - - - - l - - - - = - 1 f - = - - - - - 1 ALQ 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0
Neben strukturellen Ursachen kann dieses Phänomen auch auf die der Hysteresis-Hypothese zugrundeliegende Annahme der Abwertung des Humankapitals der (Langzeit-)Arbeitslosen zurückgeführt werden. Hysteresis am Arbeitsmarkt ergibt sich dann, wenn die Sockelarbeitslosigkeit bzw. die natürliche Rate der Unterbeschäftigung nicht nur von strukturellen Determinanten abhängt, sondern zudem von den Arbeitslosenquoten vergangeuer Perioden. 28 Eine Abwertung des Humankapitals findet nach diesem Ansatz deshalb mit steigender Dauer der Arbeitslosigkeit statt, weil der Arbeitsuchende einen Teil seiner Kenntnisse und Fähigkeiten einbüßt; zudem können Entmutigungseffekte hinzukommen. Beides fuhrt dazu, daß der Langzeitarbeitslose in Konkurrenz mit Kurzzeitarbeitslosen nur noch geringe Chancen auf einen Arbeitsplatz hat. Betrachtet man nun beide Arbeitslosengruppen als "Outsider" und die beschäftigten Arbeitnehmer als "Insider", so entsteht hysteretische Arbeitslosigkeit schließlich auch dadurch, daß die Insider bei Lohnverhandlungen auf Arbeitnehmerseite eine Monopolstellung einnehmen und ihre Lohnforderungen unter der Nebenbedingung der Sicherstellung ihrer 28
Kösters/Belke ( 1992), S. 16.
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eigenen Weiterbeschäftigung maximieren. 29 Der tendenzielllohnsenkende Einfluß der Outsider kann so nicht zum Tragen kommen, so daß das Erreichen des Vollbeschäftigungsgleichgewichts auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft verhindert wird.
11. Demographische Faktoren
Auf der Suche nach Erklärungen ftir die anhaltend hohe Sockelarbeitslosigkeit seit den achtziger Jahren spielen neben ökonomischen Aspekten nicht zuletzt auch demographische Faktoren eine wichtige Rolle. Die jährliche Veränderung des Arbeitslosenbestandes resultiert nämlich nicht nur aus dem Saldo neugeschaffener und vernichteter Arbeitsplätze, sondern darüber hinaus auch aus der jährlichen Veränderung der Erwerbspersonenzahl. Mit anderen Worten: Auch wenn der Arbeitsplatzsaldo positiv ist, kann die Arbeitslosigkeit steigen und zwar dann, wenn der Anstieg der Erwerbspersonenzahl noch höher ausfällt als die Zahl des Beschäftigtenzuwachses. In der Tat, die Zahl der Erwerbspersonen im alten Bundesgebiet ist im Zeitraum I970 bis I994 von knapp 27 Mio. auf rund 3I Mio. gestiegen. Als bedeutendste demographische Komponente ist hier der starke Zuwachs der Einwohnerzahl zu nennen. Trotz sinkender Geburtenziffern nahm die Wohnbevölkerung infolge Einwanderung von Aussiedlern und Asylanten zwischen I980 und I992 um 3,3 Mio. Personen zu. Zudem trug auch der Anstieg der Frauen-Erwerbsquote zur Erhöhung der Erwerbspersonenzahl bei. Die Erwerbsbeteiligung der verheirateten Frauen beispielsweise stieg allein von 46, I Prozent im Jahre I980 auf 55,4 Prozent im Jahre I992. 30 In der gleichen Zeitspanne stieg die Zahl der Erwerbstätigen "nur" um rund zwei Millionen, also um rund I ,3 Millionen Personen weniger als die ErwerbspersonenzahL Insofern kann man zumindest ftir diesen Teil der Arbeitslosen von "bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit" sprechen. "Die Bevölkerungsentwicklung ist der Wirtschaftsentwicklung (also quasi) ' davongelaufen' ." 31 Obwohl die Zahl der neugeschaffenen Arbeitsplätze um zwei Millionen höher war als die der
29 30 31
Kösters/Belke ( 1992), S. 18. SVR(I994), Zf. 425. Wagner (1994), S. 21.
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"zerstörten", hat sich die Zahl der Arbeitslosen aufgrund einer noch stärker gestiegenen Erwerbspersonenzahl absolut erhöht. Diagramm 4 ERWERBSPERSONEN UND ERWERBSTÄTIGE 1> Früheres Bundesgebiet Arilhm. Maßstab Millionen Personen
Arithm. Maßstab Millionen Personen
32
32 Erwerbspersonen
2)
30
30
28
28
26
26
0 1960
65
70
75
80
85
90
0 94 3 )
1) lnländerkonzept.- 2) Erwerbstätige und registrierte Ar· beilslose (Quelle: BA).- 3) Eigene Schätzung.
Quelle: SVR, JG 94/95, Schaubild 28.
Gemäß Schumpeters Theorie kann die beschriebene demographische Entwicklung so interpretiert werden, daß im Betrachtungszeitraum der volkswirtschaftliche Prozeß mit seinen enormen strukturellen Veränderungen im alten Bundesgebiet im Sinne der "schöpferischen Zerstörung" normal verlaufen ist. Das Problem der Arbeitslosigkeit hätte sich sogar bei diesem Prozeß kaum bemerkbar gemacht, wenn nicht parallel einige demographische Veränderungen sowie ein in diesem Ausmaß unerwarte3 Paraskewopoulos
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ter Flüchtlingsstrom den wirtschaftlichen Prozeß negativ im Bereich der Beschäftigung beeinflußt hätten.
D. Zusammenfassung
Als erste Kernaussage dieses Beitrags ist festzuhalten, daß das Beschäftigungsproblem in den alten Bundesländern vorwiegend strukturell bedingt ist. Diese strukturelle Komponente der Unterbeschäftigung schlägt sich in Westdeutschland-wie auch in den übrigen EG-Staatenin einer zyklisch steigenden Sockelarbeitslosigkeit nieder. Nach Schumpeter ist die strukturelle Arbeitslosigkeit Folge eines bestimmten Entwicklungsprozesses. So fuhrt die technologische Revolution in Westdeutschland, die im Bereich der Mikroelektronik bereits in den siebziger Jahren eingesetzt hat, zu vorübergehenden Beschäftigungskrisen, die durch bestimmte verzögernde Einflußfaktoren (z. B. eine falsche Wirtschaftspolitik) noch verstärkt und verlängert worden sind. Insofern kommt es im Rahmen des "Prozesses der schöpferischen Zerstörung" durch den technologischen Wandel vorübergehend zu Profildiskrepanzen zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage, also zu struktureller Arbeitslosigkeit, bis sich die Arbeitsanbieter an das veränderte Anforderungsprofil der Arbeitsnachfrage angepaßt haben. Auch die Verfechter der Hysteresis-Hypothese berücksichtigen dieses Mismatch-Problem auf dem Arbeitsmarkt. Sie führen die steigende Sockelarbeitslosigkeit allerdings insbesondere auf die Entwertung des Humankapitals und das Insider-Outsider-Verhalten der Wirtschaftssubjekte zurück. Hiermit wird auch die mit der steigenden Sockelarbeitslosigkeit einhergehende Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit erklärt. Die zweite Kernaussage unserer Untersuchungen ist, daß das Beschäftigungsproblem in Deutschland in entscheidendem Maße von der Angebotsseite her verschärft wird. Wie gezeigt werden konnte, haben die demographische Entwicklung und der starke Flüchtlingsstrom in den letzten beiden Dekaden eine Aufblähung des Arbeitsangebots induziert, so daß trotz des positiven Arbeitsplatzsaldos in diesem Zeitraum die Arbeitslosigkeit angestiegen ist. Bei mittel- bis längerfristiger Betrachtung ist allerdings demographisch mit einer Entspannung der Arbeitsmarktsituation zu rechnen. Durch Bevölkerungsabnahme, Arbeitszeitverkürzung und Entlastung des Arbeitsmarktes durch die geburtenschwachen Jahrgänge (ab 1972) wird es voraussichtlich wieder zu einem Rückgang der Erwerbspersonenzahl und damit des Arbeitsangebots kommen.
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Uwe Vollmer
Die Auswirkungen der Erweiterung und Vollendung der europäischen Integrntion sowie der liberalisienmg des Welthandels auf den Arbeitsmarld A. Internationalisierung von Güter- und Arbeitsmärkten: Ursachen und Entwicklungslinien
Seit einigen Jahrzehnten beobachten wir eine fortschreitende Integration der nationalen Güter- und Arbeitsmärkte, die als "Internationalisierung" oder "Giobalisierung" der Wirtschaft bezeichnet wird und die zu einem wachsenden internationalen Standortwettbewerb geführt hat. Ursache für das Zusammenwachsen der nationalen Gütermärkte waren Transportkostensenkungen und auf der Ebene der Weltwirtschaft der Abbau tarifärer Handelshemmnisse im Rahmen von bisher insgesamt 8 GATT-Runden, der zu einer erheblichen Reduktion der durchschnittlichen Zollsätze auf unter 10% Anfang der 90er Jahre geführt hat. 1 Darüber hinaus wurden in den letzten Jahrzehnten auf der Ebene der Europäischen Union viele bestehende Handelsbeschränkungen abgebaut: Bereits 1968 wurde die Zollunion verwirklicht, d.h. Zölle und quantitative Handelsrestriktionen (z.B. Kontingente) zwischen den Mitgliedsländern wurden aufgehoben und durch einen gemeinsamen Außenzoll ersetzt. Alle seitdem noch bestehenden Handelshemmnisse wurden dann mit der Schaffung des Gemeinsamen Europäischen Binnenmarktes zum 1.1.1993 abgeschafft. Vereinbart wurde u.a. der Wegfall von Warenkontrollen an den Binnengrenzen, die Vereinheitlichung von Normen und technischen Regeln und die Möglichkeit, Dienstleistungen (z.B. von
1 Vgl. Welfens (1990), S. 20; Gou1d, Gruben (1994), S. 29. Dabei ist allerdings zu beachten, daß nicht-tarifare Handelshemmnisse eine wachsende Rolle spielen; vgl. Funke (1994), S. 219ff.
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Uwe Vollmer
Banken und Versicherungen) überall in der Gemeinschaft zu gleichen Bedingungen anbieten zu können. 2 Parallel mit der Integration der Gütermärkte sind in der Vergangenheit auch die Arbeitsmärkte stärker zusammengewachsen. Ursächlich hierfür waren einerseits ebenfalls verbesserte Transportbedingungen sowie der Fortfall der als "Eisener Vorhang" bezeichneten Grenzlinien zwischen den europäischen Blöcken. Darüber hinaus wurden vor allem auf innereuropäischer Ebene bestehende Regulierungen abgebaut; seit 1968 ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vereinbart, d.h. Erwerbstätige haben in einem anderen Mitgliedsland die Möglichkeit, unter gleichen Bedingungen wie Inländer eine Beschäftigung zu suchen und auszuüben. 3 Mit lokrafttreten des Schengener Abkommens im März 1995 sind zu meist alle Grenzkontrollen zwischen den Unterzeichnerstaaten entfallen. Empirischen Beleg für diesen Internationalisierungsprozeß nationaler Volkswirtschaften bieten Daten über die "Außenhandelsdurchdringung" der nationalen Volkswirtschaften und über den Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung an der Gesamtbevölkerung: Seit Anfang der 60er Jahre hat in allen EU-Mitgliedsländern (12er-Gemeinschaft) der Anteil der Außenhandelstransaktionen am BSP kontinuierlich zugenommen und der Intra-EU-Handel einen wachsenden Anteil am gesamten Außenhandel eingenommen. Darüber hinaus ist in vielen Ländern eine Zunahme der ausländischen Wohnbevölkerung zu verzeichnen, was als Indiz für die Bedeutung von Migrationsströmen gewertet werden kann. Allein in der Bundesrepublik Deutschland hat die ausländische Wohnbevölkerung zwischen 1975 und 1991 um rund 1,2 Mio. Personen zugenommen, wobei dies vor allem auf eine Zuwanderung aus Nicht-EU-Mitgliedsstaaten zurückzuführen ist. 4 Zeitlich parallel mit der fortschreitenden Internationalisierung der Güter- und Arbeitsmärkte ist die europäische Arbeitslosenquote erheblich angestiegen und von etwa 2,5% Ende der 60er Jahre auf annähernd 10% Anfang der 90er Jahre angewachsen. 5 Diese Parallelentwicklung weckt den Verdacht nach einer Kausalität und ruft die Frage hervor, welche Konsequenzen die Internationalisierung der Güter- und Arbeitsmärkte für die inländische Arbeitsmarktentwicklung hat. Diesem Pro-
2 3 4
5
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Werner ( 1994), S. 232. Ebenda, S. 233. Ebenda, S. 234ff. Bean (1994), S. 573.
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Europäische Integration, Handelsliberalisierung und Arbeitsmarkt
blem soll nachfolgend nachgegangen und untersucht werden, welche Folgen sich aus der steigenden Außenhandelsdurchdringung und aus wachsenden Arbeitskräftewanderungen flir den heimischen Arbeitsmarkt ergeben. Dabei verdeutlicht Übersicht 1, daß beide Veränderungen unterschiedlich auf den heimischen Arbeitsmarkt einwirken: Während die zunehmende Außenhandelsdurchdringung primär auf die Arbeitsnachfrage einwirkt, nehmen Arbeitskräftewanderungen in erster Linie Einfluß auf das Arbeitsangebot
Übersicht 1 Auswirkungen einer zunehmenden Internationalisierung der Volkswirtschaft auf den Arbeitsmarkt Internationalisierung der Volkswirtschaft
!
l
Steigende Außenhandelsdurchdringung
Zunehmende Arbeitskräftewanderungen
1
1
Arbeitsnachfrage
I
Strukturverschiebung in der Arbeitsnachfrage
Arbeitsangebot
l
Veränderung der gesamtwirtschaftliehen Arbeitsnachfrage
J
I
Veränderung im gesamtwirtschaftliehen Arbeitsangebot
l'
Gesamtwirtschaftliches Lohnniveau und Gesamtbeschäftigung Gruppenspezifische Entlohnung und Beschäftigung
l
Strukturververschiebung im Arbeitsangebot
40
Uwe Vollmer
Beide Veränderungen haben zudem sowohl gesamtwirtschaftliche als auch strukturelle Aspekte, denn sie beeinflussen sowohl das durchschnittliche Lohnniveau und die Gesamtbeschäftigung als auch die Lohnstruktur und die Beschäftigung einzelner Arbeitnehmergruppen. Nachfolgend sollen diese Effekte untersucht und dargestellt werden, welche Konsequenzen zunehmende Außenhandelspenetration (B.) und steigende Migrationsbewegungen (C.) auf Durchschnittslohn und Gesamtbeschäftigung haben. Hieran anschließend soll der Einfluß beider Größen auf Lohnstruktur und gruppenspezifische Beschäftigung analysiert werden (D. ). Der Beitrag endet mit einigen empirischen Ergebnissen und einigen Überlegungen zu den Konsequenzen ftir den deutschen Arbeitsmarkt (E.).
B. Arbeitsmarkteffekte der internationalen Gütermarktintegration Wachsender Außenhandel, d.h. gleichzeitig steigende Güterexporte und -importe, lösen einen Strukturwandel auf den heimischen Gütermärkten aus: Die Nachfrage in den Exportsektoren wächst, während die Nachfrage in den Importsubstitutionssektoren abnimmt. Die daraus resultierenden Arbeitsmarkteffekte sollen mit Hilfe der nachfolgenden Abbildung I a dargestellt werden, die für zwei inländische Sektoren A und B das Grenzwertprodukt der Arbeit (GWP) in Abhängigkeit vom Beschäftigtenstand N wiedergibt, wobei (aus der Sicht des betrachteten Landes) Sektor A das Exportgut und Sektor B das Importsubstitutionsgut herstellt. In der Abbildung wird die Beschäftigung im Sektor A vom Ursprungspunkt 0A• die im Sektor B vom Ursprungspunkt 08 aus gemessen, so daß die Strecke 0 A0 8 zwischen den Ursprungspunkten die Gesamtbeschäftigung wiedergibt. In der Ausgangssituation sei der (inländische) Nominallohnsatz in beiden Sektoren identisch und liege auf einem Wert wl = w~ , und von dem gesamten, im Inland zur Verfugung stehenden Arbeitsanbot OAOB werde eine Menge OAN 1 im Sektor A und eine Menge N 108 im Sektor B beschäftigt. Dann gibt die Fläche OAACN 1 unter der Kurve des Grenzwertprodukts der Arbeit die nominale Wertschöpfung im Sektor A und die Fläche 08 BCN 1 die nominale Wertschöpfung im Sektor B wieder. Ein wachsender Außenhandel bedingt eine Veränderung der Arbeitsnachfrage in beiden Sektoren, wobei der Arbeitskräftebedarf im Exportsektor A zunimmt, so daß sich die Kurve des Grenzwertprodukts der Arbeit nach rechts/oben in die Position A' A' verlagert, während der
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Europäische Integration, Handelsliberalisierung und Arbeitsmarkt
Importsubstitutionssektor (bedingt durch wachsende Importe aus dem Ausland) weniger Arbeitskräfte nachfragt und sich die Kurve des Grenzwertproduktsnach rechts/unten in die Position B'B' verlagert. Sofern die Faktorintensitäten in der Produktion in beiden Sektoren identisch sind, verlagern sich beide Kurven um denselben Betrag nach rechts, wie dies in Abbildung ladargestellt ist. Als Konsequenz bleiben die Nominallöhne in beiden Sektoren unverändert (wl = wl und w~ = w~), und es findet eine Reallokation des Faktors Arbeit statt, wobei der Arbeitskräftebedarf des Exportsektors A auf 0AN2 ansteigt und der des Importsubstitutionssektors B auf N208 abnimmt. Für die Volkswirtschaft insgesamt ergibt sich durch diese Reallokation des Faktors Arbeit ein Wohlfahrtsgewinn in Höhe des Dreiecks DEF, wobei die Produktion im Sektor A wertmäßig um den Inhalt der Fläche N 1DEW zunimmt und die Produktion im Sektor B um die Fläche N 1FEW abnimmt. Abbildung 1a Arbeitsmarkteffekte der Gütermarktintegration: Identische Faktorintensitäten
A'
B
A
B
i
~I
/,;X l
s··
/"
i '
UrsprUngliehe Beschäftigung in SektorS
UrsprUngliehe Beschäftigung in Sektor A Beschäftigung in Sektor A nach Außenhandelsausweitung
Gesamtbeschäftigung
Beschäftigung in Sektor B nach Außenhandelsausweitung
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Uwe Vollmer
Diese Ergebnisse müssen jedoch modifiziert werden, wenn das Exportgut A relativ kapitalintensiv und das Importgut B relativ arbeitsintensiv hergestellt wird. In diesem Fall führt der wachsende Außenhandel zwar wieder zu einer steigenden Arbeitskräftenachfrage im Exportsektor A und zu einem Rückgang der Arbeitskräftenachfrage im Importsubstitutionssektor B, jedoch wächst die Arbeitskräftenachfrage in Sektor A schwächer als die Arbeitskräftenachfrage in Sektor B abnimmt. Konsequenz ist, daß sich in Abbildung I b die Kurve des Grenzwertprodukts der Arbeit im Sektor B stärker als im Sektor A nach rechts verlagert. Wieder findet eine Reallokation des Faktors Arbeit statt, deren Ausmaß und Wohlfahrtseffekte jetzt aber vor allem vom Grad der Nominallohnflexibilität in beiden Sektoren abhängen. Sind diese vollkommen flexibel, sinkt der Nominallohnsatz in beiden Sektoren auf das Niveau w;, = w~ und Arbeitskräfte wandern vom Importsubstitutionssektor B in den Exportsektor A, so daß dort die Beschäftigung auf 0AW ansteigt, während sie in B auf N 208 sinkt. Für die Volkswirtschaft insgesamt ergibt sich durch die Reallokation des Faktors Arbeit ein positiver Wohlstandseffekt in Höhe der Fläche DEF, weil die Produktion in Sektor B zwar wertmäßig um N 1FEN2 sinkt, jedoch in Sektor A um den Inhalt der Fläche N 1DEN2 zunimmt. Sind die Nominallöhne in beiden Sektoren dagegen nach unten rigide und verbleiben sie auf dem Ausgangswert wl = wä, hat der wachsende Außenhandel im Inland eine Zunahme der Arbeitslosigkeit zur Folge, weil die Beschäftigung im Sektor B auf einen Wert W08 sinkt, ohne daß es zu einem kompensatorischen Beschäftigungsanstieg in A kommt.
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Europäische Integration, Handelsliberalisierung und Arbeitsmarkt
Abbildung 1b Arbeitsmarkteffekte der Gütennarktintegration: Unterschiedliche Faktorintensitäten w,GWP A A
Ursprüngliche Beschäftigung in Sektor A
w,GWP B
Ursprüngliche Beschäftigung in Sektor B )
(
Beschäftigung in Sektor A bei Nominallohnflexibilität
Beschäftigung in Sektor A bei Nominallohnrigidität
Beschäftigung in Sektor B bei Nominallohnflexibilität
Arbeitslose
Gesamtbeschäftigung
(
)
Beschäftigung in Sektor B bei Nominallohnrigidität
B
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Uwe Vollmer
C. Arbeitsmarkteffekte der internationalen
Arbeitskriiftemigration Die im vorstehenden Abschnitt verwendeten Abbildungen können auch dazu verwendet werden, um mögliche Arbeitsmarkteffekte der internationalen Arbeitskräftewanderungen abzuleiten, sofern das bisher unterstellte Zwei-Sektoren-Ein-Land-Modell durch ein Ein-SektorenZwei-Länder-Modell ersetzt wird. Abbildung 2a zeigt wiederum das Grenzwertprodukt der Arbeit in Abhängigkeit vom Beschäftigtenstand, allerdings jetzt nicht ftir zwei inländische Sektoren A und B, sondern ftir zwei Länder I und II, wobei die Beschäftigung des Inlandes I vom Ursprungspunkt 01, die des Auslandes II vom Ursprungspunkt Üu aus gemessen wird, so daß die Strecke 010u zwischen den beiden Ursprungspunkten die Gesamtbeschäftigtenzahl in beiden Ländern zusammen wiedergibt. 6 1n der Ausgangssituation seien die nationalen Arbeitsmärkte separiert und in- und ausländisches Nominallohnniveau weichen voneinander ab, so daß das "Gesetz von der Unterschiedslosigkeit der Preise" auf dem Arbeitsmarkt noch nicht verwirklicht ist. Abbildung 2a zeigt das ftir den Fall, daß der inländische Nominallohnsatz wl über dem Nominallohnsatz wl 1-e im Ausland liegt, wobei der ausländische Nominallohnsatz durch Multiplikation mit dem (als konstant unterstellten Wechselkurse) in inländischen Währungseinheiten ausgedrückt wird. In dieser Situation übersteigt annahmegemäß die ausländische Beschäftigung OuN 1 die inländische Beschäftigung 01N 1 und die Fläche 01ABN 1 unter der Kurve des Grenzwertprodukts der Arbeit gibt das inländische Volkseinkommen wieder und teilt sich auf in das nominale Lohneinkommen (Fläche 01wlBN 1) und das Nominaleinkommen (Fläche wlAB) der übrigen (als konstant unterstellten) Produktionsfaktoren; ftir das Ausland gilt analoges. Ein Abbau der Migrationshemmnisse bewirkt ceteris paribus eine Wanderung ausländischer Arbeitskräfte ins Inland, weil die dort herrschenden höheren Nominallohnsätze ausländische Arbeitskräfte attrahieren. Die Konsequenzen solcher Faktorwanderungen auf in- und ausländische Beschäftigung und Volkseinkommen hängen ab vom Grad der Nominallohnflexibilität im In- und Ausland, wobei mehrere Fälle zu unterscheiden sind.
Zur Abbildung vgl. Ruftin ( 1984), S. 255; Krugman, Obstfeld (1994), S. 153; Straubhaar (1994), s. 618.
6
Europäische Integration, Handelsliberalisierung und Arbeitsmarkt
45
Abbildung 2a Arbeitsmarkteffekte internationaler Migrationsbewegungen: Flexible in- und ausländische Nominallöhne A
------------- 'li2-e
N Ausländische Beschäftigung in der Ausgangslage
Heimische Beschäftigung in der Ausgangslage Heimische Beschäftigung nach Grenzöffimng
Ausländische Beschäftigung nach Grenzöffuung Gesamtbeschäftigung
Sind die Nominallohnsätze in beiden Ländern vollkommen flexibel, bewirkt die Arbeitskräftewanderung eine internationale Nominallohnarbitrage, die flir beide Länder zusammen zu einer Erhöhung des nominalen Volkseinkommens fuhrt: Insgesamt wandern Arbeitskräfte entsprechend der Strecke N 1N 2 vom Ausland ins Inland ein, so daß die inländische Beschäftigung auf 01W ansteigt und der Nominallohnsatz auf wf sinkt; entsprechend sinkt die ausländische Beschäftigung auf OuW und der (in inländischen Währungseinheiten gemessene) ausländische Nominallohnsatz steigt auf wir· e. Die mit dieser Reallokation des Faktors Arbeit verbundenen Einkommenseffekte zeigen sich durch Vergleich der Flächen unter den Kurven des Grenzwertprodukts der Arbeit: Das nominale Nettoinlandsprodukt des Inlandes I ist um den Inhalt der Fläche N 1BCW (auf 01ACN2 ) angestiegen, während das nominale Nettoinlandsprodukt des Auslandes B uin den Inhalt der Fläche N 1DCN2
46
Uwe Vollmer
abgenommen hat (und auf 0 11 FCW gesunken ist). Per Saldo ergibt sich ein Anstieg der nominalen Weltproduktion im Ausmaß der Fläche BCD, der als Wohlfahrtsgewinn für beide Länder angesehen werden kann. Dieser internationale Einkommensanstieg verteilt sich auf eine Zunahme der Einkommen inländischer Produktionsfaktoren im Ausmaß der Fläche BCE (Anstieg des Inländereinkommens oder Sozialprodukts des Landes I) und auf eine Zunahme des Einkommens ausländischer Produktionsfaktoren (ausländisches Sozialprodukt) im Ausmaß der Fläche CDE. Die hier abgeleiteten Einkommens- und Beschäftigungseffekte setzen jedoch voraus, daß die Nominallöhne im In- und Ausland vollkommen flexibel sind, und müssen revidiert werden, wenn im In- und Ausland oder in beiden Ländern Nominallohnrigiditäten auftreten: Sind die Nominallöhne im Inland nach unten starr, bewirken internationale Migrationsströme einen Import von Arbeitslosigkeit durch das Inland und haben damit einen Rückgang der Weltproduktion zur Folge: 7 Dies wird aus Abbildung 2b deutlich, in der unterstellt ist, daß das inländische Nominallohnniveau w: auch nach Öffnung der Grenzen auf dem Ausgangsniveau verharrt. Die konstanten inländischen Nominallohnsätze verstärken den Anreiz für ausländische Arbeitskräfte, ins Inland einzuwandern, so daß der Migrationsstrom erst verebbt, wenn das ausländische Nominallohnniveau auf wf,-e und damit auf den Inlandswert angestiegen ist. Konsequenz ist eine Abwanderung ausländischer Arbeitskräfte ins Inland im Ausmaß der Strecke N 1N3 , und die Auslandsbeschäftigung sinkt auf einen Beschäftigtenstand W011 , während die Inlandsbeschäftigung unverändert auf 01N 1 verbleibt. Dies hat einen Anstieg der inländischen Arbeitslosigkeit um N'W und einen Rückgang des Welteinkommens um den Inhalt der Fläche N'DGW zur Folge, der voll zu Lasten des Auslandes geht. Unterstellt man jedoch, daß die ins Inland zugewanderten Menschen Anspruch auf inländische Sozialleistungen (Arbeitslosenunterstützung etc.) annahmegemäß in Höhe des Inlandslohnsatzes haben, sinkt das den Inländern zur Verfugung stehende Volkseinkommen im Ausmaß der Fläche N'BGW.
7
Vgl. Brecher, Choudri (1987), S. 330ff.; Zimmermann (1993), S. 286f.
Europäische Integration, Handelsliberalisierung und Arbeitsmarkt
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Abbildung 2b Arbeitsmarkteffekte internationaler Migrationsbewegungen: Nomina!lolmrigiditäten im Inland
Inländische Beschäftigung in der Ausgangslage
Inländische Beschäftigung nach Grenzöffuung
Ausländische Beschllftigung in der Ausgangslage
Arbeitslose im Inland
Ausländische Beschäftigung nach Grenzöffnung
Die umgekehrten Reaktionen ergeben sich, wenn nicht die inländischen, sondern die ausländischen Nominallohnsätze nach unten rigide sind, und deshalb in der Ausgangssituation im Ausland Arbeitslosigkeit herrscht. Abbildung 2c unterstellt, daß vor Öffnung der Grenzen im Ausland ein Mindestlohn w/ 1• e herrscht, zu dem sich eine Beschäftigung 011N4 ergibt, die nicht ausreicht, um das ausländische Arbeitsangebot 011N 1 zu absorbieren, so daß die Ausgangssituation durch ausländische Arbeitslosigkeit in Höhe von N 1 - N4 gekennzeichnet ist. Ein Abbau der Migrationshemmnisse hat dann eine Beseitigung dieser Arbeitslosigkeit zur Folge, die zu einem Anstieg des Welteinkommens führt: Internationale Arbeitskräftewanderungen vom Ausland ins Inland bedingen, daß die inländischen Nominallohnsätze sinken und (in der in der Abbildung unterstellten Konstellation) der ausländische Nominallohnsatz ansteigt, bis sich bei wf = wf1-e in- und ausländische Nominallohnsätze
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Uwe Vollmer
(gemessen in inländischen Währungseinheiten) angeglichen haben. Konsequenz ist ein Anstieg des nominalen Inlandsprodukts des Landes I um den Inhalt der Fläche N 1BCN2, dem ein Rückgang des Nettoinlandsprodukts des Auslandes in Höhe der Fläche N4 HCN2 entgegensteht, so daß perSaldodas Welteinkommen um den Inhalt der Fläche N 1BCHN4 zunimmt. Die internationale Arbeitskräftewanderung hat in der unterstellten Situation nicht nur den Abbau der ausländischen Arbeitslosigkeit, sondern auch einen Beschäftigungsanstieg im Ausmaß N 4 - N2 zur Folge.
Abbildung 2c Arbeitsmarkteffekte internationaler Migrationsbewegungen: Nominallohnrigiditäten im Ausland
Inländische Beschäfti- Ausländische gung in der Ausgangs- Arbeitslosigkeit
gung in der Ausgangs-
Ausländische Beschäfti-
Iage
lage Inländische Beschäfti-
Ausländische Beschäfti-
gung nach Grenzöffuung
gung nach Grenzöffuung
Verbleibt als letzter Fall noch die Situation, in der die Nominallöhne sowohl im Inland als auch im Ausland nach unten rigide sind, die durch die Abbildung 2d charakterisiert wird. In der Ausgangssituation herrscht
Europäische Integration, Handelsliberalisierung und Arbeitsmarkt
49
im Inland ein Nominallohnniveau wl, zu dem 01N 1 Arbeitskräfte beschäftigt werden, während im Ausland bei dem Nominallohnniveau w:,-e eine Arbeitslosigkeit im Ausmaß N 1 - N4 vorliegt. Arbeitsmarkteffekte internationaler Migrationsbewegungen: Nominallohnrigiditäten im In- und Ausland
Inländische Beschäftigung Ausländische Arbeitslosigkeit in der Ausgangslage
Inländische Beschäftigung nach Grenzöffuung
Ausländische Beschäftigung in der Ausgangslage
Inländische Arbeitslosigkeit
Ausländische Beschäftigung nach Grenzöffnung
Im Unterschied zu dem zuvor geschilderten Fall wird diese Arbeitslosigkeit jetzt durch internationale Migrationsbewegungen nicht abgebaut, sondern erhöht, wobei ein Export von Arbeitslosigkeit vom Ausland ins Inland erfolgt: Öffnen sich die Grenzen, werden ausländische Arbeitsanbieter durch die höheren inländischen Nominallöhne angelockt, ohne im Inland eine Nominallohnsenkung auszulösen. Deshalb kommt der Migrationsprozeß erst zum Stillstand, wenn das Auslandsnominallohnniveau (in inländischen Währungseinheiten gemessen) auf das konstante Inlandsniveau angestiegen ist, d.h. wenn gilt: wl = wf1.e. Im Ergebnis baut sich die ausländische Arbeitslosigkeit N 1 - N 4 ab und die ausländische Beschäftigung sinkt im Ausmaß N4 - W, ohne daß es im Inland zu
4 Paraskewopoulos
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einem Beschäftigungsanstieg kommt; vielmehr bewirken die ins Inland zugewanderten Arbeitnehmer eine Zunahme der Arbeitslosigkeit in Höhe der Strecke N 1 - N3 • Konsequenz ist ein Rückgang des Welteinkommens in Höhe der Fläche N 4HGW, der durch den Rückgang der Auslandsproduktion verursacht ist. Berücksichtigt man wiederum, daß die im Inland als arbeitslos gemeldeten Anspruch auf Unterstützungszahlungen haben, sinkt das den Inländern zur VerfUgung stehende Einkommen wieder im Ausmaß der Fläche N 1BGW.
D. Internationalisierung des Güter- und Arbeitsmarldes und nationale Lohn- und Beschäftigtenstruktur Die zweite, neben den Auswirkungen auf den Gesamtarbeitsmarkt wichtige Konsequenz der Internationalisierung der Volkswirtschaft betrifft den Einfluß auf die personale Einkommensverteilung und berührt damit den distributiven Aspekt. Welcher Einfluß ergibt sich auf die nationale Lohn- und Beschäftigtenstruktur? Dabei steht im Mittelpunkt der Einfluß der Internationalisierung auf die relativen Lohnsätze von Arbeitnehmern, die sich lediglich in ihrem Bestand an Humankapital unterscheiden, wobei nachfolgend zwei Kategorien von Arbeitskräften differenziert werden, die als "ungelernte" und als "gelernte" Arbeitskräfte bezeichnet werden. Die Auswirkungen von güterwirtschaftlicher Integration und Arbeitskräftemigration auf die so definierte Lohnstruktur lassen sich mit Hilfe eines einfachen Angebots-/Nachfrageschemas ableiten, wie es in Abbildung 3 dargestellt ist:8 Die Abbildung unterteilt den inländischen Arbeitsmarkt in zwei Teilmärkte, den Markt flir ungelernte und ftir gelernte Arbeitskräfte, wobei Angebots- und Nachfragekurven in Abhängigkeit vom jeweiligen Lohnsatz (wu ftir ungelernte Arbeitskraft und wg ftir gelernte Arbeitskraft) abgetragen sind und die jeweiligen Beschäftigungsmengen mit Nu und Ns bezeichnet sind. In der Ausgangssituation sei - durch den höheren Humankapitalbestand bedingt - der Lohnsatz ftir gelernte Arbeitskraft w~ annahmegemäß höher als ftir ungelernte Arbeitskraft w~. Migrationsbewegungen und Außenhandelstransaktionen verändern diese Lohnstruktur, indem sie die Angebotsund Nachfragebedingungen auf den Teilmärkten beeinflussen:
8
Zur Argumentation vgl. Katz, Murphy (1992), S. 47f.; Borjas (1995), S. 3f.
Europäische Integration, Handelsliberalisierung und Arbeitsmarkt
51
Eine Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland verschiebt auf beiden Märkten die Angebotskurven nach rechts/ außen in die Positionen SS2, so daß c.p. die Nominallohnsätze sinken. Der Einfluß auf die Lohnstruktur hängt davon ab, welche der beiden Kurven sich stärker nach außen verschiebt, was vor allem dadurch bedingt ist, ob und inwieweit die "skill distribution" der Zuwanderer von der der heimischen Bevölkerung abweiche Weisen die Immigranten dieselbe Fähigkeitsstruktur wie die Ansässigen auf, verschieben sich beide Angebotskurven in konstanter Relation zueinander, so daß die Lohnstruktur unverändert bleibt. Ist der Anteil der ungelernten Arbeitskräfte am Zuwandererstrom größer als der Anteil der ungelernten in der heimischen Bevölkerung, sinkt wu stärker als wg, so daß die Dispersion (wg - W 0 ) zunimmt. Weist umgekehrt der Zuwandererstrom einen höheren Anteil gelernter Arbeitskräfte als die heimische Bevölkerung auf, sinkt ws stärker als wu und die Lohndispersion (wg - wu) nimmt ab. Ein steigender Außenhandel beeinflußt die Nachfragekurven auf beiden Arbeitsmärkten, je nachdem ob Exporte oder Importe humankapitalintensiv hergestellt werden oder nicht. Zu einer steigenden Lohnstruktur kommt es, wenn die steigenden Exporte des Inlandes sehr humankapitalintensiv sind und die importierten Güter in Substitutionskonkurrenz mit heimischen Produkten stehen, die eher von ungelernten Arbeitskräften hergestellt werden. In diesem Fall steigt die Nachfrage nach gelernter Arbeitskraft an, während die Nachfrage nach ungelernter Arbeitskraft sinkt. Die umgekehrte Situation tritt ein, wenn die inländischen Exporte ungelernte Arbeitskraft erfordern und die Importe im Inland produzierte Güter mit einem hohen Humankapitalanteil substituieren.10
9
Vgl. Borjas (1994), S. 1696; Ders. (1995), S. 4. Vgl. Katz, Murphy (1992), S. 63; Murphy, Welch (1991), S. 313.
10
4•
52
Uwe Vollmer
Abbildung 3 Internationalisierung der Volkswirtschaft und Lohnstruktur ~
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1
SSg
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Arbeitslosigkeit
Teilmarkt fiir ungelernte Arbeitskraft
Teilmarkt fiir gelernte Arbeitskraft
In Abbildung 3 ist eine Situation dargestellt, in der der Außenhandel zu einem Anstieg der Nachfrage nach gelernten Arbeitskräften und zu einem Rückgang der Nachfrage nach ungelernten Arbeitskräften fUhrt und verstärkt ungelernte Arbeitskräfte zuwandern. Diese relativen Angebotsund Nachfrageverschiebungen auf den Teilarbeitsmärkten bleiben ohne Konsequenzen ftir die Beschäftigung, sofern die Lohnsätze vollkommen flexibel sind und sich vollständig anpassen. Dann ergibt sich eine bloße Ausweitung der Lohndispersion, wie sie in den letzten Jahren auch tatsächlich vor allem in den USA, aber auch in der Bundesrepublik zu beobachten war. 11 Die relativen Angebots- und Nachfrageverschiebungen beeinflussen jedoch die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung, wenn die Löhne nicht vollkommen flexibel sind. Solch eine Situation ist ebenfalls in Abbildung 3 angedeutet, wenn unterstellt wird, daß der Lohnsatz für ungelernte Arbeitskraft nach unten starr ist und auf dem Ausgangswert
11
Vgl. Burkhauser, Holtz-Eakin (1994), S. 29.
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w! verbleibt, während der Lohnsatz für gelernte Arbeitskraft nach oben vollständig flexibel ist. Dann bedingen der Nachfragerückgang und die Angebotsausweitung auf dem Markt für ungelernte Arbeitskraft eine Arbeitslosigkeit im Ausmaß N~ - N~, weil zum herrschenden Lohnsatz zwar N! Personen Arbeit anbieten, jedoch nur N~ Beschäftigte nachgefragt werden. Demgegenüber wird der Teilmarkt ftir gelernte Arbeitskräfte geräumt, wenn dort die Löhne nach oben flexibel sind, so daß die außenwirtschaftliche Öffnung im dargestellten Fall zu steigender Arbeitslosigkeit unter den ungelernten Arbeitskräften führt.
E. Empirische Ergebnisse und Konsequenzen für den deutschen Arbeitsmarld Faßt man die vorstehenden Überlegungen zusammen, sind mit der fortschreitenden Internationalisierung der Güter- und Arbeitsmärkte die Flexibilitätsanforderungen an die nationalen Arbeitsmärkte größer geworden. Die steigende Außenhandelsdurchdringung der heimischen Volkswirtschaft bedingt einen Rückgang der Arbeitskräftenachfrage, sofern die Exporte kapitalintensiver hergestellt werden als die Importe. Die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte bedingt eine Ausweitung des Arbeitsangebots. Darüber hinaus beeinflußt die steigende außenwirtschaftliche Verflechtung auch die Bedingungen auf einzelnen Teilarbeitsmärkten und fuhrt zu einem relativen Absinken der Löhne ftir ungelernte Arbeitskräfte, sofern die Exporte relativ humankapitalintensiv sind und vor allem Arbeitskräfte mit niedrigem Qualifikationsniveau zuwandern, was ftir die Bundesrepublik offensichtlich der Fall ist. 12 Beide Entwicklungen dürften dann beschäftigungsneutral abzuwickeln sein, wenn die Nominallöhne im Inland nach unten hinreichend flexibel sind; andernfalls ist ein Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Arbeitslosigkeit oder der Arbeitslosigkeit einzelner Beschäftigtengruppen zu befürchten. Für die hier dargestellten Arbeitsmarkteffekte der Internationalisierung lassen sich auch empirische Hinweise finden, die allerdings vor allem auf amerikanischen Untersuchungen basieren. Die Untersuchungen zeigen, daß ein steigender Außenhandel in den USA zu einem Rückgang des heimischen Lohnniveaus geführt hat und mit einer Abnahme der
12
Vgl. Zimmermann (1993), S. 292.
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Beschäftigung vor allem im Importsubstitutionssektor verbunden war. 13 Lohnsenkend hat sich in den USA auch die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte ausgewirkt, ein Zusammenhang, für den sich auch für die Bundesrepublik empirische Hinweise finden lassen. 14 Darüber hinaus zeigt die empirische Evidenz einen signifikanten Zusammenhang zwischen Außenhandel bzw. Zuwanderung und nationaler Lohndispersion, wobei die amerikanischen Erfahrungen darauf hindeuten, daß mit außenwirtschaftlicher Öffnung die Lohndistribution geringfügig breiter wird. 15 Diese Ergebnisse dürfen allerdings nicht dahingehend fehlinterpretiert werden, daß sich die außenwirtschaftliche Öffnung aus normativer Sicht wohlfahrtssenkend auf die heimische Volkswirtschaft auswirkt. Vielmehr haben die vorstehenden Ausführungen deutlich gemacht, daß sowohl ein steigender Außenhandel als auch internationale Wanderungsbewegungen für die heimische Volkswirtschaft mit Wohlstandsgewinnen verbunden sind, sofern die Nominallöhne hinreichend flexibel auf die außenwirtschaftlich induzierten Veränderungen der Angebots- und Nachfragebedingungen reagieren. Wohlstandseinbußen durch steigende Arbeitslosigkeit sind allerdings bei nach unten starren Nominallöhnen zu befürchten, so daß es Aufgabe der Arbeitsmarktparteien und der Arbeitsmarktpolitik sein muß, auf eine höhere Flexibilität der Löhne zu drängen, damit die fortschreitende Internationalisierung der Güter- und Arbeitsmärkte möglichst beschäftigungsneutral abgewickelt werden kann.
Uteratutverzeichnis
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Vgl. Vgl. 15 Vgl. (1992), 13
14
Revenga (1992), S. 281ff. LaLonde, Topel (1991a), S. 178; Oe New, Zimmermann (1993). Altonji, Card (1991), S. 226; LaLonde, Topel (1991b}, S. 300f.; Katz, Murphy S. 65f.; Borjas (1995), S. 4ff.
Europäische Integration, Handelsliberalisierung und Arbeitsmarkt
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Uwe Vollmer
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Hans-Heribert Derix
Tarifautonomie - ein Hemmnis für die Flexibilisienmg des Arbeitsmarldes A. Tarifautonomie und Flexibilisierung der Arbeitsrnärlde im Widerstreit verbandsorganisierter Gruppeninteressen Die nachfolgenden Überlegungen unternehmen die Thematisierung eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs, dessen öffentliche Diskussion weitgehend bestimmt wird durch solche Schlagworte und Leerformeln wie Angriff auf Arbeitnehmerrechte, Gefährdung des sozialen Friedens und sozialer Errungenschaften, Kampfansage an die Gewerkschaften, Abbau von Sozialstaat usw.. Offensichtlich geht es dabei um die Errichtung und Einzäunung ideologiebewehrter Tabuzonen, deren Inhalte argumentativ nicht hinterfragt werden sollen. Hinzukommt, daß in der öffentlichen Diskussion zum einen Inhalt und Geltungsbereich der Tarifautonomie weitgehend durch die Usurpation des Informationsmonopols seitens der Träger der Autonomie und die von ihnen bewirkte normative Kraft des Faktischen besetzt sind, zum anderen bezüglich der Forderung nach einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes häufig offenbleibt, welche Bereiche warum, zur Erreichung welcher Ziele und wie flexibilisiert werden sollen. So hat etwa der Deutsche Juristentag' bereits 1978 gefordert, die Selbstregulierungskraft des Arbeitsmarktes nicht weiter durch zusätzliche gesetzliche Vorschriften über die Begründung und Beendigung von Arbeitsverträgen einzuschränken, aber ohne daß er bestehende Regulierungen problematisiert hat. Bereits diese wenigen Stichworte machen deutlich, daß es einer monographischen Analyse bedürfte, das mir gestellte Thema umfassend und 1
Verhandlungen (1978), S. M249.
58
Hans-Heribert Derix
argumentativ erschöpfend zu behandeln. Ich beschränke mich daher hier im wesentlichen auf eine Zusammenstellung von Stichworten, die vornehmlich deutlich machen soll, welche Fülle und Vielfalt grundsätzlicher Fragen und Argumentationsstränge das Thema "Arbeitmarkt und Flexibilisierung" in sich birgt und implizit auch, warum hier konzentrierte Blockademacht bilateraler verbandlieber Kollektivmonopole einerseits und wählerstimmenmaximierungsorientierte politische Entscheidungsträger andererseits eine argumentative öffentliche Diskussion des Themas erschweren oder gar zu verhindern suchen.
B. Tarifautonomie und onlnungspolitische Grundentscheidung Das Problem der Massenarbeitslosigkeit, inzwischen zum beherrschenden Thema in der wirtschaftspolitischen Diskussion in Deutschland geworden, zwingt nicht nur wegen seiner wirtschaftlichen, sondern vor allem auch aufgrund seiner politischen Dimension zu einer wirkungsvollen Bekämpfung. Diese ist dringend geboten, sind doch gegenwärtig ca. sechs Millionen Arbeitnehmer in Deutschland offen oder in einer Reihe staatlicher Beschäftigungsprogramme verdeckt bzw. "aufbewahrt" arbeitslos.lnsbesondere hat die dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit beigetragen zur Zunahme des Anteils der Gruppe der Langzeitarbeitslosen, heute über ein Drittel der Arbeitslosen. Die Verantwortung flir hohe Arbeitslosenquoten, für sog. Massenarbeitslosigkeit wird in der öffentlichen Diskussion bzw. in der veröffentlichten Meinung von den jeweils verbal agierenden Wirtschaftseinheiten, so von Tarifpartnern, Arbeitnehmern, Unternehmen, staatlichen Einflußund Entscheidungsträgern regelmäßig auf "die anderen" abgeschoben, nicht selten verbunden mit dem Ruf nach dem Handlungsbedarf des Staates als Sozialstaat. Nun bedarf es aber nicht übereilter wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die Symptome kurieren, sondern einer ursachenadaequaten Therapie. Diese aber setzt eine zutreffende Diagnose voraus. Ohne hier näher auf konkurrierende theoretische Erklärungsansätze der ökonomischen Theorie einzugehen, sei doch darauf hingewiesen, daß jedenfalls bis Mitte der siebziger Jahre in neoklassischen Ansätzen Arbeitslosigkeit primär als freiwillige eingeordnet wurde, das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit hingegen wegdefiniert wurde, keynesianische
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Ansätze hingegen auf eine zu geringe Güternachfrage als Ursache von Arbeitslosigkeit abstellten, die Frage nach der mangelnden Funktionsfahigkeit des Arbeitsmarktes hingegen vernachlässigten. Neuere, mikroökonomisch orientierte Arbeitsmarkttheorien demgegenüber stellen auf die mangelnde Funktionsfahigkeit der Arbeitsmärkte ab. Schließt man sich der hier nicht näher skizzierten und begründeten Auffassung an, daß die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik, bedrückend, weil kein abstraktes Phänomen, sondern menschliches Schicksal von Millionen, überwiegend ordnungspolitische Ursachen hat, die die mikroökonomischen Entscheidungsträger, bezogen auf das gesamtwirtschaftliche Ziel "hoher Beschäftigungsstand" zu allokativen Fehlentscheidungen veranlassen, ist es insbesondere der lange Zeit in der Arbeitsmarktanalyse vernachlässigte Einfluß rechtlicher Institute auf die Arbeitsmarktprozesse, der einer problematisierenden Analyse bedarf. Es geht daher im folgenden um die Problematisierung der institutionellen Rahmenbedingungen, hier thematisch beschränkt auf die Tarifautonomie als "magna charta" der Arbeitsverfassung2, die das Handeln der Arbeitsmarktakteure innerhalb des vorgegebenen Ordnungsrahmens bestimmt. Ist also, so könnte man fragen, das System der Tarifautonomie Teilordnung einer marktwirtschaftliehen Grundordnung als einer spontanen Ordnung, in der mittels des Wettbewerbs Pläne koordiniert, Informationen gewonnen und vermittelt, Anpassung der Güternachfrage an das vorhandene Produktionspotential erreicht, Macht kontrolliert, Leistungen initiiert, Tatsachen und Problemlösungen entdeckt werden, die ohne Wettbewerb nicht bekannt oder genützt würden 3 und damit die Handelnsordnung ein evolutionärer Prozeß iterativer Selbstkoordination und Selbstkontrolle\ der durch sich ständig ändernde Transaktionen der Wirtschaftssubjekte entsteht, dann bestünden die Hauptfunktionen marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik darin, private Handlungsrechte zu definieren und zu gewährleisten, eine rechtliche Gleichordnung der Einzelwirtschaften herzustellen und Privatautonomie zu gewährleisten. Oder ist die Arbeitsmarktordnung bzw. die Arbeitsmarktverfassung der Bundesrepublik primär ein System staatlicher Regulierung der Arbeitsmärkte ?
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Rüthers (1986), S.747. Gutmann ( 1990), S. 75. Streit ( 1986), S. 98.
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Es ist daher die Frage nach der präferierten ordnungspolitischen Grundentscheidung, konkret die Frage "wie hältst Du es mit der Marktwirtschaft" und deren Beantwortung, die als erkenntnisleitendes Interesse die Bewertung von Regulierung, Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte determiniert.
C. Zu Inhalt und Geltungsbereich der Tarifautonomie Das in der öffentlichen Diskussion regelmäßig mit dem Stichwort "Tarifautonomie" verbundene Koalitions- und Tarifvertragsrecht verdankt seine Entstehung der sog. Gegenmachtthese, nach der die gegenüber den marktüberlegenen Arbeitgebern besonders schutzwürdigen abhängig Beschäftigten erst durch den Zusammenschluß zu Gewerkschaften in der Lage seien, "gerechte" Arbeitsverträge auszuhandeln. Gruppenverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern sollen dabei eine von staatlichem Einfluß freie Preisbildung auf den Arbeitsmärkten sicherstellen. Rechtliche Grundlagen der Tarifautonomie sind zum einen Artikel 9 Absatz 3 GG, zum anderen das Tarifvertragsgesetz. Verfassungsrechtlich gewährleistet wird die sog. positive Koalitionsfreiheit durch das soziale Schutzrecht des Artikels 9 Absatz 3 GG. Zu unterscheiden sind dabei die Koalitionsfreiheit als kollektivrechtliche Gewährleistung und institutionelle Garantie vom institutionellen Freiheitsgrundrecht der Vereinigungsfreiheit.5Das Koalitionsrecht als Schutz von Koalitionen zur Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen umfaßt als Mindeststandard vier Teilgarantien: eine Koalitionsbestandsgarantie, eine Koalitionszweckgarantie, eine Koalitionsverfahrensgarantie und eine Koalitionsmittelgarantie. 6 Die Koalitionsbestandsgarantie gewährt das Recht auf freie Gründung, Bestand, freie Verbandsorganisation, freie Verbandserhaltung, freie Koalitionskonkurrenz und freie Koalitionspluralität. 7 Die Koalitionszweckgarantie umfaßt die Gewährleistung des Aufgabenbereichs der Verbände, nämlich die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Insbesondere im Hinblick auf die 5 6
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Isensee ( 1986), S.l75; Scholz ( 1979), Randziffer 240. Säcker(l969), S.33ff.; Scholz (1979), Randziffer 240. Scholz (1979), Randziffern 243ff.
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Usurpation des Interpretationsmonopols durch Interessenvertreter der Tarifvertragsparteien ist festzuhalten, daß Artikel 9 Absatz 3 GG nicht allgemein die "Wirtschaftsbedingungen" der Regelungskompetenz der Tarifpartner unterstellt hat, sondern dem kumulativ zu verstehenden Verfassungswortlaut entsprechend nur solche Wirtschaftsbedingungen, die in engem Zusammenhang mit den "Arbeitsbedingungen" stehen8 (sog. Kernbereich der Tarifautonomie entsprechend Artikel 9 Abs. 3 GG). Auch Aufgabenbereiche jenseits der Vereinbarungen über Lohnbedingungen, Arbeitszeit etc. werden aufgrund der "entwicklungsmäßigen Offenheit"9des verfassungsmäßig gewährleisteten Koalitionszwecks aus Artikel 9 Absatz 3 GG abgeleitet, so beispielsweise Regelungen über Mitbestimmung, Rationalisierungsschutz, Vermögensbildung etc .. Nicht außer acht gelassen werden darf aber, daß der Koalitionszweck als BündeJung von Individualinteressen den Zusammenhang mit den Grundrechten des einzelnen aus Artikel 12 und Artikel 14 GG berücksichtigen muß. Die Koalitionsverfahrensgarantie betrifft die gesetzgeberischer Ausgestaltung zugänglichen Formen der Koalitionseinigung und des Koalitionskampfes, die Verpflichtung des Staates zur Neutralität und das Verbot staatlicher Zwangsschlichtung. Zum wesentlichen Inhalt der Koalitionsmittelgarantie zählt die Verpflichtung des Staates, ein Tarifvertragssystem bereitzustellen, das jedoch nicht in seiner gegenwärtigen rechtlichen Normierung garantiert ist. Auch andere Formen einer "sinnvollen Ordnung und Befriedung des Arbeits Iebens" sind zulässig. 10Die institutionellen Inhalte der Tarifautonomie stehen daher nur mittelbar unter dem Schutz der Verfassung. 11 Tarifautonomie und Tarifvertragssystem können somit durch einfaches Gesetz inhaltlich geändert werden.12 Mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist daran festzuhalten, daß Artikel 9 Absatz 3 GG unmittelbar nur die Freiheit der Koalitionsbildung gewährleistet, die Koalitionsbetätigungsfreiheit jedoch nur als stillschweigend mitgeschrieben gilt, insofern sie zur Verhinderung des Leerlaufs der Koalitionsbildungsfreiheit erforderlich ist. 13Auch BVerfGE 4, S.96ff.,38, S.281 ff.(S.305),50,S.290ff.(S.369). Scholz (1979), Randziffern 262f.. 10 BvVerfGE 50, S.371. 11 lsensee (I 986), S. l70. 12 BVerfGE 50, S.368. 13 Reuter ( 1985), S. 78.
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ist die Koalitionsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet. Sie ist gebunden an die verfassungsmäßige Ordnung, die verfassungsrechtlichen Vorrang genießt (vgl. den auch Absatz 3 insoweit einschließenden Artikel 9 Absatz 2 GG) und an die Grundrechte der Artikel 2 Absatz 1 und 3, 12 und 14 GG. Die Tarifautonomie findet daher ihre Grenzen am Schutz anderer Rechtsgüter. Das Bundesverfassungsgericht verweist zusätzlich auf die Bindung der Tarifvertragsparteien an das "Gemeinwohl"1\ unter dem mit Reuter 15die Bindung der staatlichen Entscheidungsträger an die Ordnungsgrundsätze und Ziele des staatlichen Rechts zu verstehen ist. Sogenannte Innenschranken der Koalitionsmittelgarantie sind zum einen der Schutz des individuellen Freiheitsbereichs der Grundrechtsträger, zum anderen die Beschränkung auf den Kernbereich der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen. 16 Die ursprüngliche primäre Funktion des Tarifvertragssystems war die Schutzfunktion zugunsten der Arbeitnehmer gegenüber der Übermacht der Arbeitgeber. Da die privatrechtliche Autonomie des Individuums aufgrunddes FehJens der Voraussetzungen einer ausreichenden sozialen und wirtschaftlichen Gleichheit aller Privatrechtssubjekte 17defekt erschien, wurde eine Gruppenautonomie der Tarifparteien geschaffen. Mit der sozialstaatlich begründeten Instrumentalisierung des Tarifvertrages zum Zweck einer gleichmäßigen Regelung der Arbeitsbedingungen trat die Ordnungs- und Kartellfunktion der Tarifautonomie in den Vordergrund. Den Regelungen des Tarifvertragsgesetzes entsprechend legen Tarifvertragsparteien wie ein Kartell auf den Gütermärkten einheitliche Vertragsbedingungen auf den Arbeitsmärkten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern fest. Tarifvertragsparteien und deren Mitglieder sind tarifgebunden. Schließlich sind nach dem sog. Günstigkeitsprinzip des § 4 Absatz 3 TVG abweichende Vereinbaruns.en nur zulässig, wenn der jeweilige Tarifvertrag sie zuläßt oder eine Anderung zugunsten des Arbeitnehmers vereinbart wird. Die damit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber einheitlichen Mindestbedingungen sollen sowohl einen Mindestschutz für ArBVerfGE 38, S.281 u. S.307. Reuter (1985), S.78. 16 Eiedenkopf (1964); Richardi (1968); Säcker (1969); Scholz (1979), Randziffer 339; Wiedemann!Stumpf ( 1977), Einleitung zu den Randziffern 57ff. vor Randziffer 48 und vor Randziffer 158. 17 Säcker (I 972),S.507. 14
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beitnehmer als auch "gleichmäßige Wettbewerbsbedingungen" ftir die Arbeitgeber sicherstellen. Begründet wird die Tatsache, daß privatautonome Bereiche, primär die Vertragsinhaltsfreiheit privatrechtl ichen Vereinbarungen entzogen werden soll, von Arbeitsrechtlern insbesondere damit, daß der Leistungswettbewerb nicht in der Lage sei, im Bereich der abhängigen Arbeit eine Ordnung unter Wahrung der Selbstbestimmung der Beteiligten zu ermöglichen, weil er die egalitäre Prämise der Vertragsfreiheit vernachlässige.18 Die Friedensfunktion der Tarifautonomie wird gewährleistet durch das Verbot von Arbeitskampfmaßnahmen der Tarifvertragsparteien während der Laufzeit eines Tarifvertrages (Friedenspflicht). Die Verteilungs- oder Gestaltungsfunktion der Tarifautonomie schließlich 19 betrifft das Recht der Tarifparteien zur Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen und damit auch zur vertraglichen Aufnahme neuer Regelungsgegenstände. Die Ordnung der Tarifautonomie ist somit eine weithin offene und daher einerseits flexible und privatautonomieerhaltende, zum anderen eine nur vage Abgrenzungen der Koalitionsbefugnisse bereitstellende Ordnung. Der Arbeitskampf als verfassungsrechtlich durch Artikel 9 Absatz 3 GG gewährleisteter Bestandteil eines funktionsfähigen Tarifsystems entbehrt ungeachtet der Verpflichtung des Gesetzgebers zum Erlaß eines Arbeitskampfrechts immer noch jeglicher gesetzlicher Regelungen. Daher ist das gesamte Arbeitskampfrecht Richterrecht und beruht insbesondere auch zur Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen nach dem Grundsatz der sog. sozialadäquaten Kampfparität auf den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Um eine soziale Ordnung der abhängigen Arbeit zu schaffen, erscheint es u.a. nach Richardi 20 unabwendbar, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Privatautonomie zu entziehen. Bezogen auf die Interdependenz der gesellschaftlichen Teilordnungen und damit hier auf die Problematisierung der Leistungsfähigkeit der Rechtsordnung als Grundlage einer leistungsfähigen Wirtschaftsordnung, insbesondere der Leistungsfähigkeit und Konsistenz der rechtlichen Ordnung im Hinblick auf die Steuerungsfunktion im Bereich der Arbeitsmärkte, ist festzuhalten, daß die Verrechtlichung des Arbeitsverhält18 Richardi (1968), S. 113. Zur Unterscheidung zwischen den verschiedenen Funktionen der Tarifautonomie Fuchs (1984), S.739ff. u. Furter (1982), S.33ff. u. S.l29. 20 Richardi ( 1968), S. 117. 19
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nisses zu einem Eingriff des staatlichen Gesetzgebers in eigentlich dem privaten Vertragsrecht und damit der Privatautonomie vorbehaltene Bereiche geftihrt hat, um den Arbeitnehmer gegen Risiken und hier insbesondere gegen ftir Marktwirtschaften typische und ihr effizientes Funktionieren ermöglichende Anforderungen an die Anpassungsflexibilität sämtlicher Wirtschaftssubjekte zu immunisieren. Das Arbeitsrecht ist, je weiter es sich von den Regelungen des Bürgerlichen Rechts entfernt hat bzw. entfernt wurde, zu einem umfassenden Kontrollsystem gegenüber der Vertragsfreiheit und damit gegenüber der Privatautonomie geworden. Wird aber das Arbeitsrecht durch den Gesetzgeber als Instrument gesellschaftlicher Mikrosteuerung und nicht als Rahmenordnung ftir das Handeln privatautonomer Wirtschaftseinheiten verstanden und eingesetzt, fuhrt die Tarifautonomie bzw. das kollektive Arbeitsrecht zur Fremdbestimmung des einzelnen Arbeitnehmers durch die rechtlich legitimierte Kollektivmacht der Arbeitsmarktverbände. Arbeitsmärkte sind zu institutionalisierten, hochregulierten Märkten geworden; die ordnungspolitische Ohnmacht des Parlaments hat hier zu Korporatismus und zu einer Refeudalisierung der Gesellschaft geführt. Würde die Transformation des freien in einen hochregulierten Arbeitsmarkt - wie behauptet - den schutzwürdigen Interessen der vorgeblich strukturell benachteiligten Arbeitnehmer dienen, dürfte insbesondere auch die Tarifautonomie weder das Niveau bestehender Arbeitslosigkeit erhöhen noch gar Arbeitslosigkeit mitverursachen. Einer Flexibilisierung der Arbeitsmärkte durch Deregulierung der Arbeitsmarktordnung bedürfte es dann nicht.
D. Von der allseitigen Vorteilhaftigkeit des Status Quo - Pro und Contra Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Tarifautonomie und Arbeitsmarktflexibilität stellen, heißt demgegenüber, einen möglichen Zusammenhang zwischen Bestandsschutz und Beschäftigungsproblemen thematisieren und die Frage nach der Notwendigkeit deregulierender Umgestaltung der Arbeitsmarktverfassung stellen. Wie diese Frage seitens der verbandsmäßig organisierten Vertreter von Gruppeninteressen, hier den in Verbänden organisierten Tarifpartnern partnerschaftlieh beantwortet wird, ist bekannt. So verweist die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in ihrer Stellungnahme zum Fragenkatalog der Deregulierungs-
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kommission im Bereich des Arbeitsmarktes darauf, daß Vorschläge zu einer Flexibilisierung der Lohnbildung durch Öffnung des kollektiven Tarifrechts abzulehnen seien, denn "Arbeitnehmerschutzrechte dürfen nicht ... einseitig ökonomistisch gesehen werden" 21 • Die "tarifvertragliche Schutzfunktion ftir Arbeitnehmer" nämlich schaffe den Unternehmen entgegen einer ansonsten "permanenten Lohndiskussion" eine "gesicherte Kalkulationsbasis". Auch erspare das geltende Verfahren der Tariflohnbildung hohe Transaktionskosten individueller Lohnverhandlungen. Mit der Abschaffung des Günstigkeitsprinzips seien zudem substanzgefahrdende und schwerwiegende Organisationsprobleme der Gewerkschaften verbunden. 22 Auch Arbeitgeberverbände sehen daher ökonomische Vorteile sog. sozial stabiler Arbeiitsverhältnisse. Gewerkschaftsfunktionäre sprechen eine noch deutlichere Sprache. Für sie ist Deregulierung ein "Zauberwort marktwirtschaftlicher Ordnungspolitiker ... , ideologisch aufgeblasen zu Formeln wie "individuelle Freiheit versus kollektivistische Bevormundung", etwas was "die Not der Menschen im Osten ... nutzt und damit "spaltet und riskiert einen gesellschaftspolitischen Grundkonflikt mit den Gewerkschaften ... Es gibt keinen Handlungsbedarf für Deregulierung, weder diesseits noch jenseits der Elbe"Y Möglicherweise bedarf es nicht einer Deregulierung, sondern einer höheren Regulierungsdichte, wie u.a. von R. Hickel gefordert. Nach HickeF4 ist die Politik der Deregulierung kein taugliches Mittel zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Vielmehr entpuppe sich die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte als eine defensive Strategie der Anpassung an die Arbeitslosigkeit zu Lasten der Entfaltung der Produktivkraft Arbeit. Faktisch vollziehe sich damit ein Abbau von Schutzrechten und eine Umverteilung von Arbeit, die das bisherige "Normalarbeitsverhältnis" untergrabe. Die Flexibilisierung erhöhe unter dem Regime der Arbeitslosigkeit den Druck auf diejenigen, die existentiell auf einen Arbeitsplatz angewiesen seien, sich den Unternehmensstrategien anzupassen. Die sich damit vollziehende Vertiefung des strukturellen Machtgefalles auf den Arbeitsmärkten sowie die Ausweitung instabiler Arbeitsbezie-
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Bundesvereinigung (1989), S.2. Bundesvereinigung ( 1989), S. 1-7. Meyer (1992), S. 400 u. S.402. Hickel ( 1989), S.27.
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hungen sei flir eine innovationsorientierte Wirtschaft kontraproduktiv, was bei internationalen Vergleichen oft übersehen werde. Komparative Vorteile des Industriestandortes Deutschland resultierten auch aus den vergleichsweise stabilen Arbeitsbeziehungen, die Folge einer nicht ab-, sondern auszubauenden sozialen Gestaltung der Produktionsverhältnisse seien. 25 Nun ließen sich im Anschluß an diese, Realitätsgehalt beanspruchenden Thesen Hickels sogleich etliche kritische Fragen formulieren, die hier jedoch nur aufgezählt werden können. Warum handelt es sich bei einer Flexibilisierung um eine "defensive" Anpassungsstrategie ? Vollzieht sich mit einer Flexibilisierung tatsächlich ein Abbau von Schutzrechten, Schutzrechte welcher Arbeitnehmergruppen ? Um welche Umverteilung der Arbeit handelt es sich ? Was ist ein "Normalarbeitsverhältnis", das es deshalb zu schützen gilt bzw. wer legt mit welcher Legitimation fest, was hier als "normal" zu gelten hat? Wird durch Flexibilisierung ein "bestehendes, strukturelles Machtgefälle auf den Arbeitsmärkten vertieft. Das faktische Machtgefälle von der Normenklatura der Gewerkschaften wie der von Vertretern der Großunternehmen dominierten Arbeitgeberverbände jeweils zu ihren einzelnen Mitgliedern dürfte Hickel jeden falls nicht meinen. Ist die Ausweitung sog. instabiler Arbeitsbeziehungen kontraproduktiv und wessen bzw. welche Produktivität ist hier gemeint? Trifft es zu, daß die deregulierende Strategie der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte nicht so sehr die Ausweitung der individuellen Entscheidungsmöglichkeiten der Beschäftigten anstrebt, sondern vielmehr die stärkere Abhängigkeit des Einsatzes von Arbeitskräften von Unternehmensstrategien?26 Soll diese These empirisch nachprüfbar oder eher eine ausbeutungsideologische Unterstellung sein, der lediglich denunziatorischer Charakter zukommt?
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Ebenda. Hickel ( 1989), S. 7f.
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Werden durch Deregulierung die Entscheidungsbedingungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zunehmend asymmetrisch27oder liegt einer solchen These nicht letztlich die Auffassung zugrunde, der einzelne Arbeitnehmer sei entscheidungsunHihig und bedürfe daher der Vormundschaft eines Kollektivs? Führt die Ausweitung des Spielraums flir Unternehmerische Dispositionen bei den von Arbeitsplätzen Abhängigen im Sinne eines Nullsummenspiels zu einem Verlust von Schutzrechten und damit individueller Entscheidungssouveränität ? Führt die empfindliche Einschränkung der Bedingungen gewerkschaftlicher Arbeit durch Deregulierung zur Erschwerung einer rationalen Auseinandersetzung über Ausmaß und Struktur der gesetzlichen Regulierung der Arbeitsmärkte?28 Soll hiermit ernsthaft eine positive Korrelation zwischen Gewerkschaftsmacht und Rationalitätsgehalt behauptet werden ?29
E. Tarifautonomiesysteminduziertes und -konformes Verhalten der Arbeitsmarktparteien im Bereich der überbetrieblich kollektiven Tarifpolitik
Wenden wir uns nach der Skizzierung der rechtlichen Grundlagen der Tarifautonomie als "magna charta" der deutschen Arbeitsmarktverfassung und deren ordnungspolitischer Einordnung dem Verhalten der Wirtschaftssubjekte, insbesondere der Tarifparteien auf dem Arbeitsmarkt innerhalb des gegebenen Ordnungsrahmens zu, um eine erste Antwort auf die Frage skizzieren zu können, ob dieses Verhalten im Rahmen der bestehenden Arbeitsmarktordnung die derzeitigen Probleme auf den Arbeitsmärkten mitverursacht hat und sie perpetuiert. Auch hier muß ich mich auf die vorliegenden Untersuchungen zusammenfassende Anmerkungen beschränken. Wie, so lautet unsere erste Teil frage, agieren die Träger der die Tarifautonomie ausftillenden überbetrieblichen Tarifpolitik innerhalb des ihnen gesetzten Ordnungsrahmens ?
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Hickel (1989), S.8. Hickel ( 1989), S.8. Zur Kritik der Argumentation Hickels u.a. Dichmann ( 1989), S.29-60.
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Als wichtige Teilbereiche der überbetrieblichen Tarifpolitik seien hier die Lohn- und Lohnnebenleistungspolitik und anschließend die Politik des Rationalisierungsschutzes beispielhaft skizziert. Wie bekannt, erfolgt der Lohnbildungsprozeß in der Bundesrepublik auf zwei Ebenen. Die Tariflöhne werden im Rahmen des Tarifverhandlungssystems der Arbeitsmarktverbände ausgehandelt; auf der zweiten Prozeßstufe erfolgt die Bildung der Effektivlöhne in den Betrieben. Die Lohnbildung erfolgt demnach zunächst in dem nichtmarktliehen Prozeß der Tarifverhandlungen, anschließend bezüglich der Effektivlöhne mittels wettbewerblieber Lohnfindung. Auf dem verbandliehen Tariflohnsystem, de facto einem System der Mindestlöhne, baut also ein marktbestimmtes Effektivlohnsystem auf. Wie verhalten sich nun diese beiden Lohnsysteme zueinander? Bestimmt die Entwicklung des Tariflohns die des Effektivlohns oder ist es umgekehrt? Ohne hier näher beispielsweise auf die lohntheoretischen Lösungsansätze der klassischen Lohntheorien, der klassischen Lohntheorie (Grenzproduktivitätstheorie) und der Bargaining-Ansätze und deren analytischen Gehalt einzugehen30, möchte ich im folgenden die Ergebnisse einschlägiger Untersuchungen in Thesenform zusammengefaßt wiedergeben. 1) Als analytisch hinreichend gesicherter Befund kann gelten, daß aufgrund der Vielzahl der institutionellen, konjunkturellen und geschichtlich bedingten Einflüsse auf den Lohnbildungsprozeß und auch wegen des bislang ungelösten Problems eines empirisch gehaltvollen Ansatzes zur Erklärung der lohnbestimmenden Einflußgrößen und Funktionsmechanismen ein sämtliche Einflußgrößen umfassender, empirisch gehaltvoller theoretischer Erklärungsansatz bisher nicht vorliegt. Ungeachtet dieses Befundes darf jedoch als weitgehend unbestritten gelten, daß in einem marktwirtschaftliehen System die Löhne wie auch Zinsen und einzelne Güterpreise relative Preise sind, die den Gesetzmäßigkeiten von Markt und Wettbewerb unterworfen sind. Nach der Arbeitsqualifikation differenzierte Löhne haben eine Lenkungsfunktion, die die Arbeitskräfte auf die Arbeitsplätze alloziiert. Um es mit von Hayek31 zu formulieren: "Full employment requires continual changes in relative wages".
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Zu einer Überblicksdarstellung u.a. Keuche! (1989), S.89-104. von Hayek (1980), S.56.
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2) Ist daher das Entstehen von Arbeitslosigkeit eine Funktion der Elastizität der Preisstruktur auf dem Arbeitsmarkt, besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Reallohn und Beschäftigung. Nach der makroökonomisch formulierten Grenzproduktivitätstheorie wird die Arbeitsnachfrage und damit die Beschäftigungsmenge bestimmt von den Arbeitskosten. Arbeit wird so lange nachgefragt, bis der durchschnittliche Lohnsatz die Grenzproduktivität der eingesetzten Arbeit erreicht. Diese Aussage ist allerdings zu modifizieren. So sind Produktivitätssteigerungen nicht nur auf autonomen technischen Fortschritt zurückzuführen, sondern beruhen zum Teil auch darauf, daß eine Verteuerung des Faktors Arbeit die Substitution von Arbeit durch Kapital verstärkt, die gleiche Produktionsmenge also auf eine geringere Anzahl von Arbeitnehmern verteilt wird und somit statistisch eine erhöhte Produktivität ausgewiesen wird, die aber lohnkosteninduziert ist. Hinzukommt, daß der Durchschnittswert etwa eines Tarifgebietes die Produktivitätsentwicklung einzelner Betriebe überhöht angibt, so daß diese Betriebe bei entsprechender Lohnbildung die Anzahl ihrer Beschäftigten senken müssen. Eine Produktivitätserhöhung kann zudem auch auf eine autonome Kapitalintensivierung bei konstanter Beschäftigtenzahl zurückgehen. Schließlich ist zu beachten, daß für die Laufzeit des Tarifvertrages geltende Tariflöhne Preise sind, die sich an Produktivitätsänderungen der Vergangenheit orientieren, aber "Zukunftspreise" sind. Eine Produktivitätsorientierung als makroökonomische Lohnleitlinie setzt zudem voraus, daß mittels einer Prognostizierung aller ihn bestimmenden Knappheits- und Wertänderungen der zukünftige Lohn errechnet werden könnte. Letztlich würde eine strikte Produktivitätsorientierung bedeuten, daß sich der Lohn aufgrund mathematisch-technischer Berechnungen und nicht nach Angebot und Nachfrage bestimmt. Ohne auf die vorliegenden Modifizierungen des Konzepts der Produktivitätsorientierung der Löhne einzugehen (vgl.u.a. das wage-gap-Konzept von Sachs und die Berechnungen eines beschäftigungsneutralen Produktivitätsfortschritts ), läßt sich etwa unter Bezugnahme auf den Ansatz einer kostenniveauneutralen Lohnpolitik (Betrachtung der RealJohnposition unter dem Aspekt, "ob dem Anstieg der Nominallöhne eine Veränderung der durchschnittlichen Erlös-Kosten-Relation zuzurechnen
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ist"32), die Produktivitätsorientierung als "globale Faustregel" interpretieren, die hinreichend Spielraum für Flexibilität und Differenzierung bei den Einzellöhnen läßt. 3) Die Tatsache, daß die Tariflöhne zunehmend den Charakter "marktwirtschaftlicher" Mindestlöhne erhalten haben, belegt u.a. die Konzeption der Lohnlücke, nach der der tatsächlich verteilbare Produktivitätsfortschritt errechnet wird, indem der Reallohnanstieg zum Produktivitätsfortschritt an den besetzten Arbeitsplätzen in Beziehung gesetzt wird (beschäftigungsneutrale Arbeitsproduktivität). So sind beispielsweise in der Bundesrepublik von 1970 bis 1984 die Reallohnzuwächse nicht über den statistisch gemessenen Produktivitätsfortschritt hinaus gestiegen, wohl aber über den beschäftigungsneutralen Produktivitätsfortschritt, so daß es zu einem Anstieg der Lohnstückkosten kam. 33 Eine Berechnung von Burda und Sachs34 zeigt beispielsweise ftir die altbundesdeutsche Industrie 1985, daß hier die Reallöhne um 20 bis 25 v.H. über dem ftir Vollbeschäftigung notwendigen Niveau lagen. Schließlich sei hingewiesen auf die Abhängigkeit der Allokation der Arbeits- und der Kapitalressourcen von der Preisentwicklung, also dem Lohn-Zins-Verhältnis. Verteuert sich wie z.B. zwischen 1960 und 1980 der Preis ftir Arbeit erheblich stärker als der für Kapital, kommt es zu einer Substituierung von Arbeit durch Kapital und hier insbesondere zu einer hohen Substitutionselastizität zwischen Sachkapital und NichtFacharbeitern. 35 4) Bezüglich der Beantwortung der Frage nach der Lohnstruktur, d.h. insbesondere danach, ob innerhalb der Lohnstruktur Differenzierungsoder eher Nivellierungstendenzen vorherrschen oder ob beide Effekte simultan auftreten, läßt sich zusammenfassend feststellen, daß zum einen das intersektorale Lohngefälle (Effektivlöhne) dem intersektoralen Produktivitätsgefälle entspricht, dies aber ein lohninduziertes Phänomen ist, weil bei zu hohen Lohnanstiegen das Produktivitätsniveau durch Rationalisierungsinvestitionen dem gestiegenen Lohnniveau angepaßt wird und dabei insbesondere die relativ unproduktiven Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifikationsanforderungen durch Erhöhung des Maschineneinsatzes substituiert werden.
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Sachverständigenrat 1986. Klodt (1986),S.491. Burda!Sachs(l987), Tabelle 8. Schmidt u.a. (1984), S.43ff.
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Zum anderen ist bezüglich der intrasektoralen Lohnstruktur eine der Nivellierung der Tariflöhne folgende Nivellierung bei den Effektivlöhnen festzustellen, wobei Gewinner der Nivellierungstendenzen bei den leistungsgruppenspezifischen Lohnpositionen überwiegend die unteren Lohngruppen sind. Bezüglich der interregionalen Lohndifferenzierung zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen gilt, daß die durchschnittlichen Effektivverdienste etwa zwischen 1973 und 1985 in allen Regionen mit der gleichen Rate gestiegen sind. 5) Aus den Analysen von Lohnniveau und Lohnstruktur läßt sich der Schluß ziehen, daß die durch die Entwicklung der Tariflöhne bestimmten Effektivlöhne keine reinen Marktlöhne sind, sondern sich der Einfluß der Tarifparteien auch in den Effektivlöhnen bemerkbar macht, insbesondere aufgrunddes Sperrklinkeneffekts nach unten. 6) Um eine Bewertung der Lohnbildung im Rahmen der Tarifautonomie vornehmen zu können, bedarf es bezüglich der verbandspolitisch bestimmten Tariflöhne einer Analyse des institutionellen Lohnbildungsprozesses. 7) Stellt man auf Verlauf und Ergebnis der Tarifverhandlungen der letzten Jahre ab, zeigt sich ein Zurücktreten allokativer gegenüber distributiven Zielsetzungen, ein Zurücktreten branchenspezifischer Elemente gegenüber einer sog. solidarischen Lohnpolitik Als Stichworte seien dazu hier genannt die Lohnführerschaft in nationalen Lohnrunden (insbesondere Metallindustrie), der hier sichtbare hohe Einfluß der Lohnführer-Lohnfolger-Beziehungen auf die Tariflohnabschlüsse (Pilotabschlüsse), die zentralisierte Lohnführerschaft durch Spitzengespräche zwischen z.B. IG Metall und Gesamtmetall, die damit verbundene Angleichung der Verhandlungsergebnisse zwischen Tarifbezirken bzw. Branchen, die Dominanz tarifpolitischer Signale gegenüber konjunkturellen Gegebenheiten des betreffenden Wirtschaftszweiges. Aus ökonomischer Sicht liegt im technischen Fortschritt die Triebkraft der wirtschaftlichen Entwicklung. Technischer Fortschritt senkt die Preise und erhöht den (materiellen) Wohlstand. Werden in einem Unternehmen oder in einem Wirtschaftszweig Arbeitsplätze vernichtet, werden in neu gegründeten oder expandierenden Unternehmen bzw. Branchen Arbeitsplätze geschaffen. Demgegenüber dienen entsprechend der gewerkschaftlichen Strategie der "sozialen Beherrschbarkeit des technischen Fortschritts" (1985) Rationalisierungsabkommen der tarifvertragliehen Reservierung von Arbeitsplätzen.
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War das Ziel der sog. klassischen Rationalisierungsschutzabkommen die Linderung der nachteiligen Folgen von Rationalisierungsmaßnahmen ftir den einzelnen Arbeitnehmer durch einen erweiterten Kündigungsschutz, eine Verdienstsicherung durch Abfindungszahlungen oder die Bereitstellung von Umschulungsmaßnahmen, wollen die sog. modernen Rationalisierungsabkommen die Freisetzung von Arbeitnehmern infolge arbeitsparenden technischen Fortschritts ebenso verhindern wie die Ersetzung aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen freigesetzter Arbeitskräfte durch minderqualifizierte, "billigere" Arbeitnehmer. Nicht mehr Kompensationsleistungen sind, sondern ein absoluter Kündigungsschutz ist hier das Ziel, indem der bestehende gesetzliche Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen erweitert werden soll um einen tarifvertragliehen Bestandsschutz. Zugrunde liegt dieser sog. qualifizierten Tarifpolitik die Vorstellung, der technische Fortschritt habe negative Beschäftigungswirkungen, weil die Steigerung der Arbeitsproduktivität die Erhöhung der Produktion übersteige und dadurch technologische Arbeitslosigkeit entstehe. Bei dieser rein statischen Betrachtung wird zum einen übersehen, daß Rationalisierung die Herstellungskosten senkt und bei funktionierendem Wettbewerb zumindest langfristig zu Preissenkungen und damit zu erhöhter Nachfrage und Beschäftigung in der jeweiligen Branche führt, zum anderen, daß mit Rationalisierungsinvestitionen ein Anstieg der Nachfrage nach Ausrüstungsinvestitionen verbunden ist, der in diesen Branchen einen Beschäftigungsanstieg induziert. Auf die zahlreichen empirischen Untersuchungen, die die vorstehenden Aussagen bestätigen und belegen, daß die Zahl der Arbeitsplätze am stärksten in denjenigen Branchen erhöht worden ist, die die höchsten Produktivitätsfortschritte aufweisen, kann hier nur verwiesen werden. Eine Steuerung unternehmerischer Entscheidungen durch tarifvertragliche Regelungen verletzt nicht nur die unternehmerische Entscheidungsautonomie in wirtschaftlichen Angelegenheiten, indem sie Entscheidungen, die in einer Wettbewerbswirtschaft nach Rentabilitätskriterin erfolgen, vom Unternehmen als Entscheidungen nach sozialen Gesichtspunkten behandelt wissen will, sondern bedeutet auch den Schutz einzelner Arbeitnehmergruppen auf Kosten der Arbeitsplatzchancen anderer.
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F. Vom Arbeitsmarktregime zur institutionellen Arbeitslosigkeit An diese Überlegungen anknüpfend, stellt sich die Frage nach den ökonomischen Konsequenzen des Verhaltens der Arbeitsmarktakteure, eine Frage, die unter Hinweis auf die angebliche Vollbeschäftigungsgarantie des Staates in der öffentlichen Diskussion häufig ausgeklammert wird. Unsere verständlicherweise nur stichwortartige Übersicht zur Analyse des Ordnungsrahmens und der kollektiven Tarifpolitik hat deutlich werden lassen, daß die Arbeitskosten nicht nur von den Lohnkosten determiniert werden, sondern auch von den Folgekosten institutioneller Arrangements. Dementsprechend wird die bestehende Arbeitslosigkeit zunehmend als institutionelle Arbeitslosigkeit eingeordnet, eine Arbeitslosigkeit als Folge zu geringer Arbeitsmarktflexibilität "Institutionell" bedeutet dabei nicht nur die Wirkung von institutionellen Regelungen, also der rechtlichen Rahmenordnung, sondern auch den Einfluß arbeitsmarktrelevanter Institutionen (Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Betriebsräte, Unternehmensleitungen, Arbeitsvermittlung)36 • Auf institutionelle Ursachen lassen sich danach zurückführen u.a. die qualifikationsbedingte Arbeitslosigkeit. Hierzu sei verwiesen auf die Ergebnisse empirischer Untersuchungen, nach denen zwischen den Facharbeiter- und den Hilfsarbeiterlöhnen über alle Wirtehaftszweige hinweg eine Nivellierungstendenz besteht. Vergleiche der qualifikatorischen Arbeitslosigkeitsstruktur mit den qualifikatorischen Lohnstrukturveränderungen z.B. für den Zeitraum 1957 bis 1978 kommen zu dem Ergebnis, daß die Lohnstrukturveränderungen hier als überwiegend marktwidrig eingestuft werden müssen.37 Die branchenmäßige Verteilung der Arbeitslosigkeit, abhängig vornehmlich vom Strukturwandel, kann angesichts der Intensität des sektoralen Strukturwandels und der hier betroffenen Altindustrien nicht erklärt werden ohne Bezugnahme auf die relativ konstant gebliebene intersektorale Lohnstruktur. Die Lohnpolitik hat in den produktivitätsschwachen Wirtschaftszweigen keinen Beitrag zur Verminderung des Anpassungsdrucks geleistet und damit mit zu verantworten, daß die Anzahl der Beschäftigten in diesen Branchen abnahm ("Mengenanpasser"-Verhalten).
36 37
Woll (1987); Baizer ( 1988); Klaus ( 1987). Thiehoff ( 1987), S. l80.
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Hinsichtlich der regional unterschiedlich hohen Arbeitslosigkeit ist festzustellen, daß neue Arbeitsplätze nicht etwa in den Regionen entstanden sind, wo alte verloren gingen. Arbeitsplätze gingen nämlich vornehmlich verloren in den monostrukturierten Gebieten des Nordens und des Westens (Werftindustrie, Bergbau- und Montanindustrie). Neue Arbeitsplätze entstanden vornehmlich in den Regionen des Südens mit gemischter lndustriestruktur. Die Frage, warum den betroffenen Arbeitnehmern die anpassungsnotwendige regionale und berufliche Mobilität fehlte, verweist auf administrative Hemmnisse, institutionell begünstigte Verhaltensänderungen und gewerkschaftliche Nivellierungsbestrebungen. Warum aber haben sich die Gewerkschaften als Interessenvertretung der Arbeitnehmer und eigentlich vornehmlich der besonders schutzwürdigen, nämlich der Outsider, der Arbeitlosen, nicht dieser Gruppe durch eine entsprechende Politik im Rahmen der Tarifautonomie besonders intensiv angenommen ? Weil sie sich aus ihrer Sicht (kollektiv-) rational verhalten haben ! Zu dieser Feststellung sei verwiesen auf das sog. Median-Wähler-Modell zur Erklärung des Gewerkschaftsverhaltens38 • Danach verfolgen Gewerkschaftsfunktionäre, um wiedergewählt zu werden, eine Lohnpolitik entsprechend den Präferenzen des typischen Gewerkschaftsmitglieds, nämlich des qualifizierten, gewerkschaftlich organisierten, ein hohes Maß an betriebsspezifischem Know How verkörpernden, nur längerfristig und mittels erheblicher Investitionen durch arbeitslose Arbeitnehmer (Outsider bzw. Randbelegschaften) ersetzbaren Arbeitnehmers (Insider). Diese Insider besitzen daher gegenüber den Outsidern eine wesentlich höhere Verhandlungsmacht Gewerkschaftliche Strategie ist aufgrund dieser Präferenz daran interessiert, die Kosten des Arbeitsplatzwechsels von Insidern für das Unternehmen durch entsprechende Schutzregeln noch weiter zu erhöhen. Die Orientierung am Median-Wähler-Mitglied impliziert gewerkschaftliches Verhalten im Interesse der Stammbelegschaften mit dem Ziel einer Lohnsummenmaximierung, dessen Verfolgung zwar kollektivrational, aber individuell irrational ist, weil es bei bestimmten Arbeitnehmergruppen, den Randbelegschaften zu unfreiwilliger Arbeitslosigkeit führt. Die Gewerkschaften sind insofern eine Institution zur Beeinflussung der marktmäßigen Verteilung innerhalb der Arbeitnehmerschaft
38
Berthold ( 1987), S.17lff; Külp (1987), S.104ff.
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zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen und weniger zwischen "Arbeit" und "Kapital", nicht aber eine Schutzorganisation aller Arbeitnehmer. In Kombination mit den Aussagen des Median-Wähler-Ansatzes erklärt der insider-outsider-Ansatz ein Handeln der Gewerkschaften, das nicht auf die Durchsetzung vollbeschäftigungskonformer Löhne mit der Folge unfreiwilliger Arbeitslosigkeit gerichtet ist und auch, warum Unternehmen nicht dazu übergehen, bisher arbeitslose Arbeitnehmer einzustellen. Das rationale Verhalten von Gewerkschaften wie von Unternehmen läßt sich mit Olson dahingehend kennzeichnen, daß es den Verteilungskoalitionen gelungen ist, gegenseitig vorteilhafte Transaktionen auf dem Arbeitsmarkt zu unterbinden, indem sie den Arbeitslosen mit konkurrierenden Qualifikationen den Marktzutritt verwehren. 39 Die Ursachen für die hier skizzierten verbandsrationalen Handlungsstrategien liegen in Defekten der Autonomie von Gruppenverhandlungen und -Vereinbarungen. Diese Defekte führen u.a. dazu, daß 1)
auf den Arbeitsmärkten der Abschluß von für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen vorteilhaften Arbeitsverträgen verhindert wird,
2)
Anpassungen und Korrekturen nur nach oben erfolgen, weil die Verbandsfunktionäre nicht "ihr Gesicht verlieren" wollen und die soziale Ausgewogenheit ihrer Forderungen durch Sockelungsbeträge demonstrieren wollen.
3)
eine Einigung, die die Kosten der Vereinbarungen aufnicht oder nur schwer organisierbare Dritte verlagert, für beide Tarifparteien rational ist.
4)
Das System der Gruppenverhandlungen ebenso wie deren Träger muß sich keinem marktlieh-wettbewerbliehen Effizienztest stellen.
Eine Übersicht über die Fehlentwicklung auf den Arbeitsmärkten und deren Zusammenhang mit dem Phänomen hoher Arbeitslosigkeit und Sockelarbeitslosigkeit umfaßt auf der Grundlage der dazu hier skizzierten Anmerkungen folgende Einzelfeststellungen: 1)
39
Aufgrund der bestehenden Arbeitsmarktordnung ist es der Organisation der Arbeitsanbieter möglich, die Kosten des ProduktionsOlson ( 1985), S.264.
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faktors Arbeit über den Gleichgewichtspreis (die mikroökonomische Grenzproduktivität) anzuheben. 2)
Flexible Technologien ermöglichen bei entsprechender ungünstiger Lohn-Zins-Relation eine Substituierung gering qualifizierter Arbeit durch Kapital.
3)
Die Interessenlagen der bilateralen Arbeitsmarktkartelle (Kollektivmonopole auf den Arbeitsmärkten) und entsprechende arbeitsrechtliche Regelungen ermöglichen es, Marktzutrittsschranken aufzurichten, die es den sog. Outsidern unmöglich machen, Marktzutritt und damit Konkurrenzfähigkeit zu erlangen.
4)
Der rechtlich verfestigte Schutz benachteiligter und daher als besonders schutzwürdig angesehener Arbeitnehmergruppen hat deren Beschäftigung besonders teuer gemacht und zu unsozialen Folgewirkungen geftihrt.
Den genannten Fehlentwicklungen gemeinsam ist, daß die durch sie verursachte Arbeitslosigkeit daraufzurückzufUhren ist, daß der Preis ftir den Faktor Arbeit, d.h. die gesamten Arbeitskosten so stark angehoben wurde, daß die Arbeitsnachfrage nicht mehr das gesamte Arbeitsangebot aufnehmen konnte.
G. Fehlalloziierende Inflexibilität des regulierten Arbeitsmarktes als intendierter konzeptioneller Geburtsfehler der deutschen Arbeitsmarktvenassung Die Lohnbildung auf der Grundlage der Tarifautonomie ist in den letzten Jahrzehnten nicht mehr an ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und damit allokativ orientiert, sondern verteilungsorientiert. Aufgrund der Regulierungsdichte des Arbeitsmarktes sind die Funktionsbedingungen einer marktwirtschaftliehen Wettbewerbsordnung in erheblichem Maße nicht mehr gegeben. Diese Funktions- und Steuerungsdefizite sind keine unerwünschten Nebenwirkungen der Tarifautonomie, sondern wie die Ausruhrungen zur Genese des Arbeitsrechts und insbesondere auch der Tarifautonomie belegen, intendiert. Die immunisierenden Wirkungen arbeitsrechtlicher Regelungen im Gefolge der Tarifautonomie werden in ihrer flexibilitätzerstörenden Wirkung an dem circulus vitiosus deutlich, der bei Lohnerhöhungen auf der Basis eines bereits sehr hohen Lohnniveaus - über dem Produk-
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tivitätsanstieg zum Erlaß gesetzlicher Schutzvorschriften zur Verhinderung von Entlassungen bei den am wenigsten produktiven Arbeitnehmern fuhrt. Diese Schutzvorschriften erhöhen wiederum indirekt die Arbeitskosten. Um eventuelle, daraufhin erwogene Entlassungen zu verhindern, bieten sich Regelungen im Rahmen der erweiterten Mitbestimmung, der Arbeitszeitverkürzung oder durch Rationalisierungsschutzabkommen an. Sind die Löhne als Preise fixiert, werden die Unternehmen als Mengenanpasser zu Mengenreduktionen und damit zur Entlassung von Arbeitnehmern gezwungen. Diese marktwirtschaftlich gebotene Reaktion aber wird nun durch Schutzklauseln zu verhindern versucht. Hier wird von einem spontan reagierenden System etwas verlangt, was es nicht bereitstellen kann: Bestandsschutz des Status Quo. Wettbewerbsfähigkeit ist im Rahmen der Tarifautonomie ebenso ein Fremdkörper wie der selbstverantwortliche, nach seinem eigenen Kalkül entscheidende Arbeitnehmer, der nun durch den gewerkschaftlich genormten Einheitsarbeitnehmer ersetzt wird. Innerhalb des fehlkonstruierten weil bezüglich des marktwirtschaftliehen Systems systeminkonformen Ordnungsrahmens fuhren diese Defekte, Defekte im System der Tarifautonomie nicht nur zu nachteiligen Folgen bei den arbeitslosgewordenen Arbeitnehmern. Der institutionelle Ordnungsrahmen des Arbeitsmarktes ermöglicht in Zusammenwirken mit der Tarifpolitik auch das Abschöpfen dauerhaft geschützter Renten, ohne daß diesen eine ökonomisch bewertete Marktleistung gegenübersteht. Zu diesen Renten gehören monetäre Renten, z.B. in Form marktwidrig überhöhter Einkommenszahlungen oder unberechtigt erhaltener Einkommensersatzleistungen, aber auch nicht-monetäre Renten wie die verstärkte Absicherung gegen Kündigung ohne entsprechende Lohnabschläge. Privilegierung und Diskriminierung erfolgen also nicht nur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sondern auch innerhalb der Arbeitnehmergruppe, hier insbesondere als Diskriminierung der Arbeitslosen durch die von den durch das bilaterale Arbeitsmaktkartell errichteten Marktzutrittsschranken profitierenden Beschäftigten. Konstruktionsfehler in der Arbeitsmarktordnung bzw. Arbeitsmarktverfassung beschränken sich keineswegs auf die Fehlalloziierung am Arbeitsmarkt, sondern liegen im Bereich der Tarifautonomie auch darin, daß hier den Tarifparteien, insbesondere den Gewerkschaften Freiheitsund Machtspielräume zugestanden werden, denen keine entsprechende Haftung bzw. Verantwortung korrespondiert. Im Rahmen einer verteilungsorientierten, allgemeinverbindlichen Lohnpolitik können die Gewerkschaften rechtlich legitimiert, selbstverantwortlich den Preis fur den Produktionsfaktor Arbeit maßgeblich bestimmen.
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Eine institutionell-rechtlich abgesicherte Verpflichtung, das gesamtwirtschaftliche Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes zu beachten, besteht jedoch nicht. Da es sich hier um ein öffentliches Gut handelt, ist es für die Tarifpartner rational, sich als Trittbrettfahrer zu verhalten und "andere" die Kosten tragen zu lassen. Auch insofern sind die Tarifpartner "autonom". Daher können die Folgekosten von kollektivvertragliehen Fehlentscheidungen solcher Verträge zu Lasten Dritter, die nach dem BGB unzulässig sind, sozialisiert werden. Um die hier skizzierte manipulierende Verfälschung der Angebotsbedingungen zu beseitigen, bedarf es keiner Symptomentherapie, sondern einer Fundamentaltherapie, die den Arbeitsmarkt flexibler gestaltet und damit den Produktionsfaktor Arbeit wieder wettbewerbsfähiger macht, ohne notwendige Schutzregelungen abzubauen. 40 Wer insbesondere im Interesse eines hohen Beschäftigungsstandes eine Flexibilisierung der Arbeitsmärkte flir notwendig hält, kann dies nur erreichen, wenn er das in der Bundesrepublik bestehende System der Tarifautonomie auf den analytischen Prüfstand stellt.
R Realisierungschancen einer Flexibilisierung des Arbei1smarktes Das Institut der Tarifautonomie "auf den Prüfstand stellen", heißt, die Privilegien der Tarifparteien als Träger der Tarifautonomie in Frage stellen und damit die Macht eines bilateralen Kartells. Dementsprechend sieht sich die wissenschaftliche Ursache-Wirkungs-Analyse in der öffentlichen Diskussion einer oftmals emotionsgeladenen Kritik gegenüber, die mit Begriffen wie "Gefährdung des sozialen Friedens", "Abbau des Sozialstaates" und "Kampf gegen die Gewerkschaften" eine Immunisierung empirisch fundierter ökonomischer Gesetzmäßigkeilen unternimmt, um ihre Besitzstände als organisierte Interessengruppe zu verteidigen. Ökonomische Argumente werden mit dem Hinweis abgetan, man dürfe das nicht nur oder primär ökonomisch sehen. Der Hinweis auf den bei einzelnen Arbeitnehmergruppen deren wertmäßige Grenzproduktivität übersteigenden Preis des Faktors Arbeit, der sich zusammensetzt aus den 40
Zu einer solchen Konzeption u.a. Keuche! (1989), S.l41-193.
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direkten Lohnkosten, den Lohnnebenkosten und den durch den gesetzlich vorgegebenen institutionellen Rahmen verursachten Kosten, wird häufig mit dem Hinweis auf die existentielle Bedeutung der Arbeit und die Menschenwürde zu relativieren versucht. Unternehmen erscheinen hier als Beschäftigungseinrichtungen, nicht als nachfrageorientierte, produzierende Wirtschaftseinheiten. Ökonomische Gegebenheiten scheinen dagegen zweitrangig zu sein, koste es was es wolle, auch wenn es Arbeitsplätze kostet, für deren Fehlen dann abwechselnd Arbeitgeber und Staat verantwortlich gemacht werden. Eine Wettbewerbswirtschaft erscheint vorteilhaft nur unter dem Aspekt des Versorgungsniveaus, im übrigen aber eher als eine unsoziale und daher obrigkeitlich zu regulierende Ordnung. Forderungen wie die nach Einführung der Vertragsfreiheit auch auf den Arbeitsmärkten durch die Privatautonomie in diesem Teilrechtsgebiet wiederherstellende Reintegration des Arbeitsrechts in das allgemeine Vertragsrecht des BGB und damit insbesondere die Wiederherstellung der lnhaltsfreiheit, die Gleichstellung von Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und Einzelarbeitsvertrag als arbeitsrechtliche Regelungsinstitute und die damit verbundene Abschaffung der staatlichen Allgemeinverbindlichkeitserklärung als einer Wettbewerbsordnung konforme Schritte zur beschäftigungswirksamen Flexibilisierung der Arbeitsmärkte werden nicht selten als Rückfall in angebliche frühkapitalistische Ausbeutergesellschaften denunziert. Die Annahme schließlich, der staatliche Gesetzgeber werde aus der Einsicht in unsoziale Wirkungen sozial gemeinter Regelungen aufgrund seiner Gruppeninteressen "domestizierenden" Gemeinwohlverpflichtung das Institut der Tarifautonomie auf den Prüfstand stellen, übersieht die systemspezifischen Gegebenheiten moderner repräsentativer Demokratien. Angesichts der selbstauferlegten Ohnmacht von Parlament und regierung, der ungebrochenen politischen Einflußmacht der Arbeitsmarktverbände, aber auch der ständigen arbeitsgerichtliehen Rechtsprechung und nicht zuletzt des Ressortinteresses des Ministeriums ftir Arbeit und Sozialordnung kann realistischerweise ein Politikwechsel von der Symptomkur zu einer radikalen Ursachentherapie ernsthaft nicht erwartet werden. Selbst wenn die Einsicht vorhanden wäre, durch eine radikale Reform der Arbeitsmarktordnung das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes erreichen zu können, würde deren konsequente Umsetzung schon an der Eigenschaft dieser Reform als öffentliches Gut scheitern.
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Die bisher am Marktzutritt gehinderten Arbeitslosen wären zwar die Nutznießer einer solchen Reform, müßten sich jedoch als Interessengruppe erst ein Organisationsgeflige schaffen, um ihre Interessen als pressure group wirksam artikulieren zu können. Ganz abgesehen davon, daß die Gruppe der Arbeitslosen eine eher interesseninhomogene Gruppe ist, hätte sie auch im Falle gelungener Organisation wesentlich schlechtere Start- und Durchsetzungschancen als die durch eine radikale Reform Entprivilegierten, nämlich die durch die vielfaltigen Regulierungen privilegierten Gruppen der Insider-Arbeitsplatzbesitzer, der Spitzenfunktionäre der Arbeitsmarktverbände und der von einem über den Effektivlohnsatz hinausgehenden Lohnwettbewerb geschützten Unternehmen. Diese Gruppe der Reformkostenträger besitzt durch das staatlich gewährleistete Tarifverhandlungssystem bereits die notwendige organisatorische Infrastruktur zur lnteressendurchsetzung. Ob zudem eine radikale Reform der Arbeitsmarktordnung41 dem wählerstimmenorientierten Kalkül der politischen Entscheidungsträger und der sie tragenden politischen Parteien entspricht, ist ebenfalls zweifelhaft, nicht zuletzt deshalb, weil das Wählerstimmenpotential der verschiedenen Gruppen durch die bestehende Arbeitsmarktordnung Privilegierter größer sein dürfte als das der zahlenmäßig geringeren Gruppe der Arbeitslosen. Ist aber eine an der Konzeption des kollektiven Arbeitsrechts ansetzende, radikale Ursachentherapie durch eine "Reform aus einem Guß" nicht durchsetzbar, bliebe nur die Möglichkeit zu Stückwerks-Reförmchen als second-best-Lösung, die einer Politik, die flir Reformen plädiert, aber nur dann, wenn sie die bestehenden Verhältnisse nicht grundlegend ändert, entgegen käme. Nur wenn die Tarifpartner durch krisenhafte Entwicklungen an ihrer Basis um ihre Organisationsmacht und die Mobilisierungsbereitschaft ihrer Mitglieder fUrchten müssen, wird auch bei ihnen die Einsicht in die Kosten der bestehenden Arbeitsmarktordnung wachsen, eine Einsicht allerdings weniger aus ökonomischer Erkenntnis als aus dem Kalkül der Machterhaltung. Entwicklungen in den neuen Bundesländern scheinen bei beiden Tarifparteien inzwischen eine entsprechende "Nachdenklichkeit" bewirkt zu haben.
Vgl. beispielsweise den Vorschlag zu einer der Marktwirtschaft adäquaten Arbeitsmarktordnung bei KEUCHEL (1989), insbesondere S. 141 -193.
41
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6 Paraskewopoulos
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Thomru Lenk· Der Beitrag staatlicher Wirtschaftspolitik zur llisung des Beschäftigungsproblems unter besonderer Berücksichtigung transferpolitischer Instrumente
A. Einleitung Aufgrund der Erfahrungen, die in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gemacht wurden, setzt sich zunehmend die Ansicht durch, daß das Beschäftigungsproblem nicht allein mit den zu Gebote stehenden Mitteln der Arbeitsmarktpolitik gelöst werden kann. Trotz der vielfältigen Aktivitäten der Bundesanstalt ftir Arbeit ist es nicht gelungen, die Arbeitslosigkeit nachhaltig zurückzudrängen. Vielmehr zeigt die in Abb. 1 dargestellte Entwicklung das Bild eines von Konjunkturzyklus zu Konjunkturzyklus "treppenförmig" ansteigenden Verlaufs der Arbeitslosenquote (Hysteresis-Effekt). Nun wäre es sicherlich falsch, die staatliche Beschäftigungspolitik in Deutschland ftir gescheitert zu erklären. Dennoch sei die Frage erlaubt, ob in der Vergangenheit das Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen in einem Maße Eingang gefunden hat, das seiner Bedeutung gerecht wird. Eine Frage, die m.E. verneint werden muß. Hieraus und aus der Einsicht, daß die momentan in Deutschland existierende hohe Arbeitslosigkeit mit den traditionellen Mitteln der Arbeitsmarktpolitik allein nicht beseitigt werden kann, erklärt sich auch das Anliegen des vorliegenden Beitrags: Neben einem kurzen Abriß allgemeiner wirtschaftspolitischer Ansatzpunkte soll als spezifischer Angriffspunkt einer umfassend verstandenen staatlichen
• unter Mitarbeit von Jörg Widmayer.
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Beschäftigungspolitik 1 eine Beschäftigungsförderung mittels einkommensteuer- und transferpolitischer Instrumente näher beleuchtet werden.
Abbildung 1
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Quelle: Statistisches Bundesamt.
B. Aktionsfelder einer Beschäftigungspolitik
Folgende Ansatzpunkte der Beschäftigungspolitik lassen sich unterscheiden: Beschäftigungspolitik kann am Arbeitsmarkt ansetzen, um dort mögliche Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage zu verhindern, zu beseitigen oder wenigstens um deren Folgen abzumildern. Dies ist Gegenstand der klassischen Arbeitsmarktpolitik.
1 Der Begriff "staatliche Beschäftigungspolitik" wird hier im Sinne einer klaren Abgrenzung gegenüber der staatlichen Arbeitsmarktpolitik gebraucht und wird demgemäß definiert als Gesamtheit aller Maßnahmen die von staatlicher Seite ergriffen werden können, mit dem Ziel des Abbaus oder der Verminderung von Arbeitslosigkeit.
Der Beitrag staatlicher Wirtschaftspolitik
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Beschäftigungspolitik wird zweitens eingreifen müssen, um größere Schwankungen zu glätten, die der Konjunkturzyklus hervorruft, vor allem um eine rezessionsbedingte Arbeitslosigkeit nicht zu groß werden zu lassen. Dies ist Aufgabe der Konjunkturpolitik und ihrer Instrumente, der Geld- und Fiskalpolitik. Beschäftigungspolitik hat drittens zu reagieren, wenn sich dauerhafte Arbeitslosigkeit aufbaut. Hier ist primär die Wachstumspolitik gefordert. Die klassische Arbeitsmarktpolitik, soweit sie im Einflußbereich des Staates liegt, 2 wird vor allem von der Bundesanstalt für Arbeit und damit von deren Beitragszahlern getragen. 3 Ein Zu schuß des Bundes ist zwar zur Deckung auftretender Defizite vorgesehen, jedoch werden diese im allgemeinen zunächst durch Beitragserhöhungen oder Anpassungen auf der Leistungsseite abgefangen. Da es sich bei den Beiträgen, die an die Bundesanstalt für Arbeit abgeführt werden eigentlich um Beiträge zur Arbeitslosenversichenmg handelt, dürften diese Einnahmen strenggenommen nur zur Zahlung von Lohnersatzleistungen verwendet werden. Wenn also auf diesem Hintergrund bereits die gegenwärtige Verfahrensweise bei der Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie die Übernahme vereinigungsbedingter, gesamtgesellschaftlicher Risiken, die sich in den gewaltigen Nettotransfers von West nach Ost innerhalb des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit manifestieren, 4 dem ursprünglichen Versicherungsgedanken entgegenlaufen, dann ist eine weitere Ausdehnung aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit weder zu erwarten noch aus dieser Sicht wünschenswert. Vielmehr scheinen, jedenfalls ohne eine grundlegende Reform des Finanzierungssystems, etwa hin zu einer Regelgebundenheit
Also ohne die Tarif- und Lohnpolitik der Tarifpartner. Das Instrumentarium der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland setzt an drei Stellen an: -Versuche, das Arbeitsangebot zu verringern (z.B. Regelungen über das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, Bekämpfung der illegalen Beschäftigung) -Versuche, den MismaJch zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zu verringern und -Versuche, die Arbeitsnachfrage zu erhöhen (z.B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen). 4 Allein 1994 stand einem Überschuß von 27,6 Mrd. DM in den alten Bundesländern ein Defizit von 37,8 Mrd. DM in den neuen Bundesländern gegenüber. 2
3
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der Bundeszuschüsse,5 die Möglichkeiten einer weitergehenden Bekämpfung der Arbeitslosigkeit äußerst beschränkt. Im Rahmen der Konjunktur- und Wachstumspolitik bedarf es des Zusammenspiels von Geld-, Finanz- und Tarifpolitik, um das gewünschte Beschäftigungsergebnis zu erreichen. Dabei liegt das schwierigste Problem in der Koordinierung der Maßnahmen der einzelnen Aufgabenträger, da diese sich natürlich nicht nur am Vollbeschäftigungsziel, sondern auch an anderen, zum Teil konkurrierenden Zielsetzungen orientieren müssen. Ein weiteres Problem, das eher technischer Natur ist, besteht in der Identifizierung der jeweiligen volkswirtschaftlichen Position; etwa im Konjunkturzyklus oder in bezug auf einen - wie auch immer zu definierenden - optimalen Wachstumspfad. Dies verlangt vom Diagnose- bzw. Prognoseinstrumentarium eine Genauigkeit, die insbesondere in Phasen des konjunkturellen Umschwungs schwer zu erreichen ist. Zudem sind auch die verschiedensten "lags"6 , die bei finanzpolitischen Entscheidungen immer auftreten können zu beachten, so daß hier die Gefahr eines Wirksamwerdens zur konjunkturellen Unzeit besteht. 7 Angesichts der eben beschriebenen Schwierigkeiten erscheint - auch aufgrundder Erfahrungen der letzten dreißig Jahre- eine stetige, auf die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ausgerichtete Finanzpolitik am ehesten erfolgversprechend. Wenn der durch eine exzessive Budgetgestaltung induzierte Inflationsdruck vermieden wird, ist es der Bundesbank eher möglich, neben einer Politik der Preisniveaustabilität, worauf sie § 3 BBkG vordringlich verpflichtet, auch wachstums- und beschäftigungspolitische Aspekte in ihrer Geldpolitik zu berücksichtigen. Konkret ist an dieser Stelle das Instrumentarium zur Beeinflussung des Zinsniveaus angesprochen. Zinssenkungen werden ermöglicht und können dann über die hiermit verbundene Verbilligung von Investitionen zum
Einen solchen Vorschlag macht z.B. Schmid (1994), S. 33. Er sieht vor, die Defizithaftung des Bundes so auszuweiten, daß für jeden registrierten Arbeitslosen der Bund einen Grundbetrag zum Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zuschießt, der mindestens dem Sozialhilfeniveau entspricht. Nach sechs Monaten soll der Zuschuß progressiv ansteigen, um nach zwölfmonatiger Arbeitslosigkeit die Höhe der Arbeitslosenhilfe zu erreichen. Den Bundeszuschuß Obersteigende Lohnersatzleistungen WOrden im ersten Jahr, wie bisher, nach dem Versicherungs- bzw. Äquivalenzprinzip geleistet. Nach dem ersten Jahr sollen dann die Leistungen der bundesfinanzierten Arbeitslosenhilfe einsetzen. 6 FOr eine Übersicht s. bspw. Berg/Cassel ( 1990), S. 218ff. 7 Leibfritz, (1994), S. 346. 5
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wirtschaftlichen Wachstum und zu verbesserten Beschäftigungsmöglichkeiten beitragen. 8 Mit Hilfe einer Strategie aus stetiger Konsolidierung des Staatshaushalts und einer im Rahmen des Möglichen wachstums- und beschäftigungsfreundlichen Geldpolitik, läßt sich, bei einer vorausschauenden, maßvollen Tarifpolitik beider Tarifparteien, sicherlich die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungssituation verbessern. Dies allein wirdjedoch nicht ausreichen, um den gegenwärtigen Stand der Arbeitslosigkeit (8,2 Prozent West, 15,2 Prozent Ost, allein an registrierten Arbeitslosen im Jahr 19949 ) auf ein hinnehmbares Niveau zu reduzieren. Es handelt sich hierbei vielmehr um die Schaffung von Rahmenbedingungen, die eine möglichst hohe Effizienz derjenigen Maßnahmen garantieren sollen, die innerhalb dieses Rahmens weiter zu ergreifen sind. Solche aktiven beschäftigungspolitischen Maßnahmen müssen dort ansetzen, wo besonders große Chancen zu einem nachhaltigen Beschäftigungswachstum bestehen.
C. Beschäftigung und Arbeitslosigkeit I. Beschäftigungsentwicklung im internationalen Vergleich
Neuere Untersuchungen der EG-Kommission 10 kommen zu dem Ergebnis, daß fast der gesamte EG-Beschäftigungsanstieg im Zeitraum von 1985 bis 1990 auf den Dienstleistungssektor entfiel. Abbildung 2 gibt die Beiträge der Sektoren zum gesamten Beschäftigungswachstum in der EG sowie in den einzelnen Mitgliedstaaten wieder und veranschaulicht die Dominanz des Beitrags der Dienstleistungen auf eindrucksvolle Weise.
Es ist natürlich zu berücksichtigen. daß die Handlungen der Bundesbank neben den beschriebenen binnenwirtschaftlichen Detenninanten auch außenwirtschaftliehen Zwängen unterliegt. 9 Deutsche Bundesbank (April 1995), S. 7'. 10 Europäische Kommission (1994). 8
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Abbildung 2 Beitrag der Sektoren zum Beschäftigungswachstum in der EG und den Mitgliedstaaten, 1985 bis 1990 •.so ~
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E&P1986
Quelle: Eurostat.
Das Beschäftigungswachstums in den einzelnen Sektoren verlief folgendermaßen: Während im europäischen Durchschnitt die Beschäftigung im Dienstleistungsbereich um 2,5 Prozentjährlich stieg, betrug der Zuwachs ftir die übrigen Wirtschaftsbereiche lediglich 0,5 Prozent. Unter den Dienstleistungen sind besonders die Unternehmensdienstleistungen mit 7,5 Prozent Zuwachs hervorzuheben. 11 In Deutschland entfielen ca. 80 Prozent der neugeschaffenen Arbeitsplätze von 1985 bis 1990 auf den tertiären Sektor, ein Anteil, der innerhalb der EG nur noch von Spanien mit ca. 70 Prozent unterboten wurde.
11 Wobei dies sowohl auf Ausgliederungen aus Unternehmen, die der Industrie zugerechnet werden, als auch durch Übergang zum externem Bezug vormals unternehmensintern erstellter Dienstleistungen beruhen kann.
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Der Beitrag staatlicher Wirtschaftspolitik
Da die Zahl der Arbeitsplätze in der deutschen Landwirtschaft, wie überall in der EG, stetig abnahm, entfiel ein im Vergleich zu den anderen EG-Ländern großer Teil der Beschäftigungszunahme in Deutschland auf die Industrie und damit auf einen extrem konjunkturreagiblen Bereich. Dies zeigte sich 1993, als mit Beginn der Rezession die Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe um 5 Prozent zurückging. 12
Abbildung 3 Beitrag der Sektoren zum Beschäftigungswachstum in der EG und den Mitgliedstaaten, 1990 bis 1992 4,00
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Quelle: Eurostat.
Für den Zeitraum von 1990 bis 1992 wuchs in Deutschland die Beschäftigung sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungsbereich mit knapp 1 Prozent bzw. 1,5 Prozent; die Beschäftigung in Deutschland
12 Gegenüber 1,7 Prozent ftir die gesamte Wirtschaft (Angaben beziehen sich auf das frühere Bundesgebiet). Statistisches Bundesamt (1995), S. 120.
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Thomas Lenk
nahm, wohl auch durch die vereinigungsbedingte Sonderkonjunktur, insgesamt weiter zu. Ein positives Nettoergebnis erreichten in diesem Zeitraum nur noch Belgien, Irland, Luxemburg und die Niederlande. Allerdings hatten alle EG-Länder, mit Ausnahme von Italien und Großbritannien, selbst in dieser Phase der einsetzenden Rezession Beschäftigungszuwächse im Dienstleistungsbereich zu verzeichnen (vgl. Abb. 3). Ähnliche Entwicklungen lassen sich, wie die Abbildung 4 zeigt, auch flir die EFTA-Länder, für die USA und für Japan feststellen. 13
Abbildung 4 Beitrag der Wirtschaftszweige zum Beschäftigungswachstum in der EG, der EFTA, Japan und den USA, 1970 bis 1991
Landwirtschaft
Verarbeitendes Gewerbe
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Bergbau
•EFTA OJapan
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Baugewerbe
ElektrizltatfGasJWasser
oUSA
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Verkehr und Nachrichtenobermittlung
F1nanzd~enst1e.stungen
Handel, Hotels
NIChHnart