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German Pages 518 Year 2015
Patrick S. Föhl, Stefanie Erdrich, Hartmut John, Karin Maass (Hg.) Das barrierefreie Museum Theorie und Praxis einer besseren Zugänglichkeit. Ein Handbuch
2007-08-09 16-10-25 --- Projekt: T576.kum.foehl / Dokument: FAX ID 02cf154649785568|(S.
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) T00_01 schmutztitel.p 154649785600
Publikation der Abteilung Museumsberatung Nr. 24 LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND Rheinisches Archiv- und Museumsamt
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) T00_02 autoreninfo.p 154649785632
Patrick S. Föhl, Stefanie Erdrich, Hartmut John, Karin Maass (Hg.)
Das barrierefreie Museum Theorie und Praxis einer besseren Zugänglichkeit. Ein Handbuch
2007-08-09 16-10-28 --- Projekt: T576.kum.foehl / Dokument: FAX ID 02cf154649785568|(S.
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) T00_03 innentitel.p 154649785648
Herausgegeben von Patrick S. Föhl, Stefanie Erdrich, Hartmut John und Karin Maaß im Auftrag des LANDSCHAFTSVERBANDES RHEINLAND – Presseamt – Rheinisches Archiv- und Museumsamt Gefördert aus Mitteln der Sozial- und Kulturstiftung des LANDSCHAFTSVERBANDES RHEINLAND
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2007 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Idee und Projektleitung: Patrick S. Föhl Konzept: Patrick S. Föhl und Stefanie Erdrich Redaktion und Organisation: Patrick S. Föhl, Stefanie Erdrich, Karin Maaß Umschlaggestaltung & Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Kai Reinhardt, Bielefeld Übersetzungen aus dem Französischen: Gisela Sturm, Berlin Übersetzungen aus dem Englischen: Ingrid Hagmeister, Bielefeld Herstellung: Justine Haida, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-576-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
2007-11-28 11-48-50 --- Projekt: T576.kum.foehl / Dokument: FAX ID 029c164219813114|(S.
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) T00_04 impressum.p 164219813162
Inhalt
Patrick S. Föhl, Stefanie Erdrich, Hartmut John, Karin Maass Einleitung .......................................
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Kapitel 1 Museen und Barrierefreiheit Karin Maass Das barrierefreie Museum aus museumspädagogischer Perspektive
..................
15
Rüdiger Leidner Die Begriffe »Barrierefreiheit«, »Zugänglichkeit« und »Nutzbarkeit« im Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
Katrin Auer Barrierefreie Museen – Rechtliche Rahmenbedingungen
...
34
Sigrid Arnade, H.-Günter Heiden Barrierefrei im Museum? Eine Ermunterung in zwölf Schritten und mit drei Faustregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
Kapitel 2 Spezifische Bedürfnisse in Museen: Eine Auswahl Martina Bergmann Barrierefreie Kommunikation – Wie sich Museen hörgeschädigten Menschen öffnen können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
Karin Edtmüller, Wilfried Laufenberg Besondere Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen im Museum
.................
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Beat Ramseyer Als Rollstuhlfahrer im Museum
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Barbara Wichelhaus Das Museum als Lern- und Erfahrungsort für Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf . . . . . . . . . . . . . . 106 Patrick S. Föhl Ausgewählte Vermittlungsmethoden für Menschen mit Lernschwierigkeiten im Museum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Kapitel 3 Rahmenbedingungen für Barrierefreiheit Patrick S. Föhl Interne Kommunikation für barrierefreie Maßnahmen
. . . . . 131
Stefanie Erdrich Finanzierungsmöglichkeiten für barrierefreie Projekte im Museum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Christine Beckmann Kulturförderung der Europäischen Union. Programme – Kriterien – Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . 166 Patrick S. Föhl Barrierefreies Museumsmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Jan Eric Hellbusch Barrierefreie Webauftritte der Museen: Eine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Jan Eric Hellbusch Umsetzung eines barrierefreien Webauftritts für Museen Patrick S. Föhl Kooperieren für ein barrierefreies Museum
. . 227
. . . . . . . . . . . . . 254
Heiner Mockenhaupt Bauliche Angelegenheiten bei der Gestaltung von barrierefreien Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
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Kapitel 4 Fallbeispiele aus Deutschland Petra Lutz Barrierefreiheit im Deutschen Hygiene-Museum. Ein Praxisbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Susanne Kudorfer, Ute Marxreiter PINK – eigene Wege zur Kunst. Kunstvermittlung für besondere Besuchergruppen in der Pinakothek der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Susanne Vogel Die barrierefreien Aktivitäten des Landschaftsverbandes Rheinland
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
Svenja Gaube »Ein Museum für alle« – Projekt zur barrierefreien Orientierung und Vermittlung im Deutschen Technikmuseum Berlin
. . . . 319
Marianne Hilke Die langjährige Arbeit mit blinden Menschen im Archäologischen Park/Regionalmuseum Xanten des Landschaftsverbandes Rheinland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Sabina Lessmann Kooperationen mit Förderschulen für geistig- und mehrfachbehinderte Jugendliche im Kunstmuseum Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Eva Studinger Malen als Denken in Bildern. Ein Angebot der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe . . . . . . . . 356 Martina Bergmann Angebote des Hamburger Museumsdienstes für gehörlose Menschen: Ein Erfahrungsbericht Christine Ferreau Industriekultur barrierefrei: Das Rheinische Industriemuseum
. . . . . . . . . . 363
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
Wilma Otte Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und das Thema »Barrierefreiheit«
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. . . . 381
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Anne Funke Barrierefreier Tourismus im Saarland
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
Rüdiger Leidner »Design für Alle«, mehr als nur ein theoretisches Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
Kapitel 5 Internationale Fallbeispiele Marcus Weisen Barrierefreiheit in Museen: ein englisches Gruppenbild
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
Sari Salovaara Willkommen im Museum? Die Nationalgalerie fördert den gleichberechtigten Zugang zu Kultur in Finnland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Rebecca McGinnis Konzepte für »Universal Design« in den Museen der USA: Aktuelle Bestrebungen und Erreichtes
. . . . . . . . . 437
Monika Scheele Knight Museumsprogramme für Autisten. Ein Erfahrungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 Jean-Pierre Ferragu Für einen barrierefreien Zugang der Cité des Sciences et de l’Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 Corinne Eichenberger »museumssterne*** – museen basel offen für behinderte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Eeva Rantamo Das ACCU-Projekt – Zugang zum Kulturerbe: Internationale Perspektiven und regionale Ansätze
. . . . . . . 489
André Fertier Kulturzugängigkeit für europäische Bürger mit Behinderung. Barrieren, Ressourcen, Dynamiken und Perspektiven . . . . . 497 Herausgeber- und Autorenverzeichnis
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. . . . . . . . . . . . . . . . . 509
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass ➔ Einleitung
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Einleitung
Patrick S. Föhl, Stefanie Erdrich, Hartmut John, Karin Maass Das Thema ›Barrierefreiheit‹ hat in den vergangenen Jahren eine rasante ›Karriere‹ in Politik, Gesellschaft und wissenschaftlichen Publikationen gemacht. In diesem Zusammenhang entwickelte das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BGG) vom 01. Mai 2002 besondere Schubkraft. Mit ihm wurden hierzulande erstmals eine einheitliche Definition von Barrierefreiheit sowie Instrumente zu ihrer Durchsetzung eingeführt. Hinzuweisen ist dabei auch auf die Wirkung entsprechender europäischer Initiativen. Nach § 4 BGG sind »bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche« dann als barrierefrei zu bezeichnen, »wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugängig und nutzbar sind.«
Somit ist es nicht mehr ins Belieben der Museen und anderer öffentlicher (Kultur-)Einrichtungen gestellt, ob sie den Bedürfnissen und Ansprüchen behinderter Menschen auf kulturelle Teilhabe Rechnung tragen wollen oder nicht. Fraglos stellen die neuen gesetzlichen Regelungen des BGG die Museen vor inhaltliche, strukturelle und finanzielle Herausforderungen – in mehrfacher Hinsicht. In erster Linie eröffnen sie den Museen aber Chancen: die Aussicht nämlich, mit ihren Angeboten und Programmen die wichtige und zunehmend wachsende Zielgruppe der Menschen mit Handicaps – derzeit etwa sechs Millionen – für die Museumskultur zu begeistern und zu gewinnen. Anstrengungen auf diesem Feld sind umso lohnender, als Behinderte nach allen empirischen Befunden die barrierefreie Teilhabe an kulturellen Angeboten und Leistungen nicht nur persönlich als besonders wichtig erachten, sondern auch als Gradmesser für Barrierefreiheit und gesellschaftliche Integration generell betrachten. Die Ressourcen und Energien, die Museen in eine leichtere Zugängigkeit ihrer Einrichtungen und Angebote investieren, kommen nicht ›nur‹ Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Handicaps zugute, auch die wachsende Zahl älterer Besucher profitiert davon entscheidend. Die vorliegende Publikation – der erste deutschsprachige Beitrag dieser Art zum Gegenstand – will die Museen darin bestärken und ermutigen, dem Thema ›Barrierefreiheit‹ noch mehr Aufmerksamkeit als bislang zu schenken und neue Wege in der Kommunikations- und Vermittlungsarbeit zu gehen. Viele Beiträge des Bandes zeigen, dass nicht immer ›großes Geld‹ in
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum
die Hand genommen werden muss, um entsprechende Maßnahmen oder Projekte erfolgreich umzusetzen. Vielmehr wird deutlich, dass es zunächst wichtig ist, sich dem Thema zu öffnen und grundsätzlich alle potenziellen Besucher mit ihren jeweiligen spezifischen Bedürfnissen willkommen zu heißen und in die Zielgruppenarbeit einzubeziehen. So gesehen versteht sich das vorliegende Buch als eine Art ›Handreichung‹ für die Museen. Sie will diese nicht nur über einzelne Aspekte von »Barrierefreiheit« informieren, sondern daran anknüpfend auch als Praxishilfe für die konkrete Umsetzung eigener Maßnahmen dienen. Obgleich die barrierefreie Gestaltung eines Museums und seiner Angebote Aufgabe aller Mitarbeiter ist und das Postulat des allgemeinen ungehinderten Zugangs zur Museumskultur eine entsprechende Selbstverpflichtung des gesamten Hauses impliziert, spricht der Band vor allem Museumsleiter und Mitarbeiter der Museumspädagogik, der Ausstellungs- sowie der Kommunikationsabteilungen an. Die Publikation will darüber hinaus aber auch die Verbände der Selbsthilfe behinderter Menschen über aktuelle, sie betreffende Entwicklungen in den Museen informieren und ist generell an alle Gruppen in der Gesellschaft adressiert, die Ansprüche und dezidierte Erwartungen an die Arbeit und Leistungsangebote dieser Einrichtungen haben. Selbstredend ist das Ziel, Museen für alle Zielgruppen in gleichem Maße barrierefrei zu gestalten, ein Ideal, dem man sich meist nur schrittweise annähern kann. Zu unterschiedlich sind die individuellen Bedürfnislagen, Erwartungen und Vorstellungen der Adressaten, die sich zum Teil auch gegenseitig blockieren bzw. neutralisieren. Nicht alle Museumsbereiche können für die Bedürfnisse aller gleichermaßen optimal gestaltet werden. Nach Ansicht der Herausgeber ist es aber durchaus möglich, das Museum zu einem offenen, barrierefreien Kulturort zu entwickeln, der keine Gruppe wesentlich benachteiligt. Wenn hierfür reflektierte Konzepte und entsprechende Maßnahmenpläne vorliegen, sollte dies auch im Rahmen der Kommunikationspolitik offensiv herausgestellt werden. Die vorliegende Publikation versteht sich als erste Annäherung an ein komplexes Thema. Den individuellen Anforderungen aller seh- und hörgeschädigten Menschen sowie Personen mit motorischen Einschränkungen, kognitiven oder sozial-emotionalem Förderbedarf kann sie nicht Rechnung tragen und gerecht werden. Angesichts des facettenreichen Themas bleiben inhaltlich Lücken und unbeantwortete Fragen. Um sie zu schließen bzw. zu beantworten, kommen die Zuständigen in den Museen nicht umhin, intensiv mit den jeweiligen Behinderten-Zielgruppen zu kommunizieren und sich über deren individuelle Bedürfnisse und Wünsche ausgiebig zu informieren. In diesem Zusammenhang ist fast immer auch der Austausch – und gegebenenfalls die Zusammenarbeit – mit auf diesem Feld erfahrenen Muse-
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass ➔ Einleitung
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en, anderen Kultureinrichtungen, entsprechenden Firmen, Verbänden und anderen möglichen Partnern hilfreich und zielführend. Auch sollte man nicht den Blick über die Grenzen scheuen. Insbesondere in Großbritannien, den USA und Australien, aber auch in Skandinavien und Frankreich haben viele Museen für Zielgruppen mit Handicaps bereits beeindruckende Maßnahmen und Projekte umgesetzt. Das spezifische Know-how und die langjährigen Erfahrungen, über die diese Einrichtungen verfügen, sind in zahlreichen Publikationen und Leitfäden dokumentiert. So offeriert beispielsweise das »Arts Council England« eine breite Fülle an Publikationen zur Barrierefreiheit, ebenso wie das »Council for Museums, Archives and Libraries« in London (u.a. die 12-teilige Reihe »Resource Disability Portfolio Guide«). Das Buch »Museums without Barriers«, herausgegeben von der »Fondation de France« und »ICOM«, bietet ein ganzes Füllhorn an informativen Fallbeispielen aus ganz Europa. Die vorliegende Publikation möchte ähnliche Impulse für den deutschsprachigen Raum geben. Ein – wie die Herausgeber hoffen – ausgewogener Mix aus theoretischer Grundlegung, leitfadenähnlichen Beiträgen und praktischen Fallbeispielen will konkrete Hilfestellung leisten, aber auch Begeisterung und Engagement für das Thema wecken. Das erste Kapitel des Buches öffnet zunächst den inhaltlichen Horizont für das Thema »Museen und Barrierefreiheit«. Die Beiträge reichen dabei von museumspädagogischen Positionen bis hin zum Überblick über rechtliche Rahmenbedingungen. Im zweiten Kapitel werden die Bedürfnisse und Erwartungen ausgewählter Behinderten-Zielgruppen im Bezug auf barrierefreie Kulturangebote vermittelt. Kapitel 3 zeigt die zur Sicherstellung von Barrierefreiheit nötigen Rahmenbedingungen auf. Darunter fallen etwa die interne Kommunikation, barrierefreies Museumsmarketing und die Finanzierungsstrategien für entsprechende Projekte. Diesen grundlegenden Kapiteln folgt ein bewusst materialreich gestalteter Teil mit Praxisbeispielen aus Deutschland (Kapitel 4). Dazu zählen unter anderem das Deutsche Hygienemuseum Dresden, die Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin sowie der Archäologische Park/Regionalmuseum Xanten des Landschaftsverbandes Rheinland. Das abschließende Kapitel 5 stellt internationale Fallbeispiele vor. Darunter sind Museumsprojekte in Großbritannien, Finnland, Frankreich und den USA. Aus Gründen der Kürze und besseren Lesbarkeit ist in den Texten stets von Mitarbeitern, Besuchern, Museumspädagogen etc. die Rede. Die jeweiligen weiblichen Personenkreise sind hierin ausdrücklich eingeschlossen. Die Herausgeber danken an dieser Stelle den zahlreichen Fachleuten und Kollegen, die nicht selten viel Zeit und Mühe aufgewandt haben, um mit uns intensiv über Thematik, Struktur und Inhalte dieses Buches nachzudenken, sich auszutauschen und zu diskutieren.
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum
Besonderer Dank gebührt den Autoren für ihre engagierten Beiträge und dem Bundesverband Museumspädagogik e.V. für die inhaltliche Unterstützung des Projektes. Dem transcript Verlag Bielefeld schulden wir Dank für die Geduld, die verlegerische Umsicht und das Engagement bei der Herstellung des Bandes. Dieses Publikationsvorhaben hätte ohne die großzügige finanzielle Förderung seitens der Sozial- und Kulturstiftung des Landschaftsverbandes Rheinland nicht realisiert werden können. Die Herausgeber sind der Stiftung nicht nur hierfür zu besonderem Dank verpflichtet. Sie freuen sich auch darüber, für ihr Vorhaben einen Förderer mit hoher fachlicher Affinität und Kompetenz für das Thema gefunden zu haben. Denn für den Landschaftsverband Rheinland sind »Barrierefreiheit« und Teilhabe behinderter und/oder älterer, pflegebedürftiger Menschen am gesellschaftlichen und kulturellen Leben dezidierter politischer Auftrag und leitender Grundsatz seines Verwaltungshandelns in allen Aufgabenfeldern – nicht zuletzt auch in den von ihm getragenen Museen. Berlin, Köln und Saarbrücken im Januar 2007 Patrick S. Föhl, Stefanie Erdrich, Hartmut John, Karin Maaß
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Kapitel 1 Museen und Barrierefreiheit
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) T01_01 KAP-RESPEKT 1.p 154649785776
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) vakat 014.p 154649785832
Karin Maass ➔ Barrierefreiheit aus museumspädagogischer Perspektive
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Das barrierefreie Museum aus museumspädagogischer Perspektive
Karin Maass »Im Vordergrund liegt eine von der Sonne gebräunte Frau mit roten Haaren auf einem schmalen, dunkelgrünen Grasstreifen. Während ihr linkes Bein leicht angewinkelt rechts auf dem Gras liegt, streckt sie das andere über eine niedrige Uferkante des Strandes ins Wasser, ihr Fuß wird von den anlandenden Wellen umspült. Hinter ihr erstreckt sich eine orange-gelbe Dünenlandschaft. Die Dame lehnt sich entspannt nach links, dabei stützt sie ihren Ellenbogen auf einem hellgelben Tuch ab, um ihren Arm vor dem harten Dünengras zu schützen. Ihre andere Hand ruht über ihrem Schoß. Ihr Kopf ist über ihre Schulter zur rechten Seite gewandt, mit geschlossenen Augen scheint sie ihr Sonnenbad zu genießen. Die Farben des Bildes sind stark buntfarbig, die Flächen wenig detailliert wiedergegeben.« Auch bei Bildbeschreibungen entstehen Bilder im Kopf. »Ich kann mir jede Farbe vorstellen, nur mit Pink habe ich Probleme«, sagte mir eine Besucherin, die in ihrer Jugend erblindet ist, während der Führung durch eine Kunstausstellung. Ein anderer Teilnehmer der Führung für blinde und sehbehinderte Besucher erzählte mir später: »Früher kam ich regelmäßig zu Ihren Ausstellungen.«
Diese kleine Situation macht deutlich, dass sehbehinderte Besucher Ausstellungen vielleicht nicht auf die gewohnte Art erleben, dass sie aber ohne Zweifel einen persönlichen Gewinn zu verzeichnen haben, wenn Museen ihr kulturelles Interesse ernst nehmen und sich auf ihre Bedürfnisse einstellen. Das Ziel unserer Arbeit sollte es sein, Museen für behinderte Menschen »in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar« zu machen, wie es im 2002 verabschiedeten Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes formuliert wurde (vgl. die Beiträge von Katrin Auer und Rüdiger Leidner in diesem Band). Auch wenn dieses Gesetz nicht für alle Museen rechtsverbindlich ist, wäre es wünschenswert und erforderlich, dass öffentliche Museen sich selbst dazu verpflichten, diesen Standard Schritt für Schritt einzuführen, um ihrem gesellschaftlichen Auftrag gerecht zu werden. Alle Besucher werden davon profitieren, wenn Museen ihre Barrieren abbauen und ihre Inhalte auf vielfältige Art und Weise präsentieren. Die neurowissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass sich Menschen auf sehr unterschiedlichen Wegen Wissen aneignen. Denken, Erkennen, Erinnern und Lernen funktionieren dann besonders gut, wenn unterschiedliche Sinne und beide Gehirnhälften angesprochen werden (vgl. Vester 2006; Brand/Markowitsch 2006). Hilfestellungen, die für behinderte Besucher notwendig sind, können nicht behinderten Besuchern sehr oft angenehm und nützlich sein, ob es sich nun um Hör-, Tast- und Riechstationen, hand-
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum
lungsorientierte Vermittlungsformen, Rampen, automatische Türen oder Texte in Leichter Sprache handelt. Die Durchsetzung der Barrierefreiheit ist geeignet, als Schrittmacher für die Besucherorientierung an deutschen Museen zu wirken, denn sie veranlasst diese dazu, sich konsequent über die vielfältigen Bedürfnisse von Besuchern Gedanken zu machen. (Zu) Kleine Schritte Derzeit stellt sich die Situation der Barrierefreiheit an deutschen Museen sehr heterogen dar. Langjährige Beobachtungen der Museumslandschaft und eine kürzlich durchgeführte, nicht repräsentative Umfrage unter Kolleginnen und Kollegen des Bundesverbandes Museumspädagogik e.V. (BVMP) zeigen, dass barrierefreie Angebote überwiegend auf Initiativen einzelner, engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgehen. Diese machen Ausstellungsexponate für behinderte Menschen mit allen Sinnen erfahrbar und ermöglichen somit auch ihnen die Teilhabe an unserem kulturellen Erbe. Zwischen mustergültigen Häusern und Museumsdiensten, die vorbildliche Programme etabliert haben, und solchen, für die Barrierefreiheit noch ein Fremdwort darstellt, existieren unterschiedlichste ›Ausbaustufen‹. Barrierefreiheit zählt derzeit aber noch nicht zum allgemeinen Standard deutscher Museen. 1981 führte das Berliner Institut für Museumskunde an deutschen Museen eine Umfrage zu deren Barrierefreiheit durch (vgl. Gall/Graf 1982; Institut für Museumskunde 1982). Das Ergebnis gibt Aufschluss über die damalige Aufmerksamkeit der Museen gegenüber Behinderten: Von 2045 angeschriebenen Museen haben 1781 den Fragebogen zurückgeschickt. Lediglich 464 dieser Museen machten Angaben zu ihrer Barrierefreiheit. Nur 129 Museen gaben an, sogenannte »behindertenfreundliche« technische Einrichtungen zu besitzen (Rampen, Behindertentoiletten etc.), und lediglich 116 Häuser sahen die Möglichkeit gegeben, die Erschließung ihres Museums für behinderte Menschen in Zukunft zu verbessern. Seitdem wurde keine weitere statistische Erhebung erstellt, die eine Aussage über den heutigen Grad der Zugänglichkeit deutscher Museen für behinderte Menschen traf oder ein differenziertes Bild dieser Zielgruppe zeichnete. Einige knappe Angaben aktuelleren Datums können der statistischen Gesamterhebung des Berliner Instituts für Museumskunde von 2004 entnommen werden, die unter den derzeit rund 6200 deutschen Museen durchgeführt wurde: Im Jahr 2004 gewährten demnach 1685 Museen behinderten Menschen ermäßigten Eintritt. Dies waren 55,8 Prozent der 3019 Museen, die nach eigenen Angaben Eintrittsgelder erheben (vgl. Institut für Museumskunde 2005: 36f.). Im Rahmen dieser Befragung wurde auch erstmals um Angaben zu museumspädagogischen Sonderveranstaltungen
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Karin Maass ➔ Barrierefreiheit aus museumspädagogischer Perspektive
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gebeten, wie zum Beispiel Museumsfeste, Aktionstage, Vorführungen, Tage der offenen Tür, Konzerte und Märkte. 3154 Museen kamen dieser Bitte nach und 326 (oder 10,3 %) von diesen Häusern gaben an, Menschen mit Behinderungen zu den Zielgruppen ihrer Sonderveranstaltungen zu zählen. Die Zahlen lassen allerdings keine Aussagen darüber zu, ob und wie viele behinderte Besucher diese Angebote der Museen auch genutzt haben. Die Aufmerksamkeit der Museen gegenüber Menschen mit Behinderungen befindet sich demnach noch nicht auf einem idealen Niveau. Es wäre Ausdruck einer gelungenen gesellschaftlichen Integration und gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am kulturellen Leben, wenn sich der Anteil behinderter Besucher an deutschen Museen dem ihres Anteils an der Bevölkerung annähern würde. Zur Zeit sind nach dem Statistischen Bundesamt 6,6 von 82,5 Millionen Bürgern schwerbehindert (Stand: Dezember 2003). Ihr Anteil an den Besucherstatistiken deutscher Museen könnte demnach bis zu 8 Prozent betragen. Angesichts des demografischen Wandels ist in naher Zukunft mit einem Ansteigen dieser Zahl zu rechnen, da unsere Gesellschaft bekanntlich immer älter wird und naturgemäß körperliche Einschränkungen im Alter zunehmen. Schon heute gibt es annähernd so viele 60-Jährige wie Neugeborene, 2050 werden es bereits doppelt so viele 60-Jährige wie Neugeborene sein (vgl. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 7. November 2006). Auch Senioren werden barrierefreie Kultureinrichtungen zu schätzen wissen und diese den nicht barrierefreien Museen mit weniger Komfort vorziehen. Museen können sich darauf vorbereiten. Geeignetes Schuhwerk Deutsche Museen verzeichnen seit geraumer Zeit immer dann einen Zuwachs der Besuchszahlen, wenn sie in Sonderausstellungen, Öffentlichkeitsarbeit und museumspädagogische Angebote investieren (vgl. Statistische Gesamterhebungen an den Museen der Bundesrepublik Deutschland des Instituts für Museumskunde seit 1998). Besucherorientierung ist das zentrale Leitbild der Museumspädagogik. Ein gut durchdachtes Ausstellungskonzept wird erst in Verbindung mit einem ansprechenden Vermittlungsprogramm zu einem besucherorientierten Angebot. Museumspädagogen wissen aus ihrer täglichen Erfahrung und aus zahlreichen Studien zur Besucherforschung, dass es ›den Besucher‹ nicht gibt; es ist sinnvoller, verschiedene Besuchersegmente voneinander zu unterscheiden (vgl. Klein 1997; Scheele 1997; Hausmann 2001). Dies gilt auch für behinderte Besucher, denn die Behinderung eines jeden Menschen ist individuell ausgeprägt und oft genug je nach Tagesform schwankend. Museumspädagogen tragen dieser Realität durch ein ausdifferenziertes
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum
Programm für verschiedene Behinderungsgruppen Rechnung, das zudem an besondere Bedürfnisse angepasst werden kann. Besucherorientierung ist jedoch nicht auf die Vermittlungsarbeit zu beschränken. Sie charakterisiert die Haltung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Museums gegenüber den Besuchern und bezieht sich ebenfalls auf die Museumsarchitektur (z.B. Orientierungsmöglichkeiten, Sanitäranlagen), die Ausstellungen (z.B. relevante Inhalte, ansprechende Präsentation, verständliche Texte) und den Service (z.B. Öffnungszeiten, Freundlichkeit des Personals, Angebot eines Museumscafés und -shops) (vgl. Munro 1999; Smidt 2000). Bei der Besucherorientierung handelt es sich folglich um eine Querschnittsaufgabe des Museums. Diese Tatsache ist im Zusammenhang mit der Zielgruppe der behinderten Besucher von besonderer Relevanz, denn nur wenn sich alle zuständigen Abteilungen eines Museums auf behinderte Besucher einrichten, wird es gelingen, diese zu begeisterten Stammgästen des Museums zu machen. Es ist daher erforderlich, sich von der Vorbesuchsphase über die Ankunft im Museum, den Besuch und die Nachbesuchsphase auf deren besondere Bedürfnisse einzustellen: Es bedarf einer abgestimmten Öffentlichkeitsarbeit, des Aufbaus tragfähiger Kooperationen, einer barrierefreien Architektur, der Aufbereitung der Ausstellungsinhalte für mehrere Sinne, Schulungen des Aufsichtspersonals und der Besucherbegleiter, der Entwicklung angemessener Angebote und Vermittlungsmethoden sowie der Anschaffung verschiedener Hilfsmittel. Die Entwicklung eines Hauses zu einem barrierefreien Museum setzt also das abgestimmte Handeln aller Beteiligten voraus, sonst stoßen die Mitarbeiter in der Abteilung »Bildung und Kommunikation/Museumspädagogik« rasch an die Grenzen ihrer Kompetenzen. Dies gilt umso mehr, als die museumspädagogische Arbeit vieler Häuser immer noch, trotz positiver Entwicklung in den letzten Jahren, von Freiwilligen oder freien Mitarbeitern geleistet wird (vgl. Noschka-Roos 1997; Hagedorn-Saupe 2002). Diese Personalstruktur erleichtert die Durchsetzung der Barrierefreiheit nicht. Die Entwicklung zur Barrierefreiheit wird nur dann nachhaltig Erfolg haben, wenn sie von der Leitungsebene gewollt und unterstützt wird (vgl. Dauschek 2000). Sie entscheidet über die Mittel, die hierfür zur Verfügung gestellt werden und muss die Imageänderung des Hauses grundsätzlich begrüßen. Wenn sie die Barrierefreiheit als Zielvorgabe befürwortet, eröffnen sich vielfältige neue Möglichkeiten: • Das Museum erfüllt seinen gesellschaftlichen und kulturpolitischen Auftrag, indem es auch diesen Bevölkerungsgruppen offen steht. • Das Museum wird in der Bevölkerung als verantwortungsbewusster Akteur wahrgenommen, der das gesellschaftliche Miteinander stärkt. Seine öffentliche Bedeutung und Anerkennung wird zunehmen.
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• Das Museum wird sich neue Besuchersegmente erschließen, was sich auch auf die Besucherstatistik auswirken wird. • Das Museum wird seine Angebotspalette erweitern und seine Qualität steigern. • Es erschließen sich dem Museum zusätzliche Quellen, um Projekt- und Baugelder zu beantragen (vgl. hierzu die Aufsätze von Christine Beckmann und Stefanie Erdrich in diesem Band). • Es erschließen sich vielfältige neue Kooperationsmöglichkeiten (vgl. den Beitrag von Patrick S. Föhl zum Thema »Kooperationen« in diesem Band). • Das Museum kann sich zu einem Ziel des barrierefreien Tourismus entwickeln, dem große Wachstumsprognosen vorausgesagt werden: »Kulturelle Aktivitäten sind für 61,8 % der behinderten Reisenden wichtig für die Wahl ihres Reiseziels. Besonders hoch ist die Bedeutung bei Kulturreisen, Studien- sowie Städtereisen. Das derzeitige Kulturangebot entspricht nicht annähernd den Anforderungen. 67 % der Reisenden mit Mobilitäts- oder Aktivitätseinschränkungen finden hier Barrieren vor.« (vgl. ausführlich BMWA 2003: 19) • Das Museum wird auf andere Institutionen vorbildlich wirken. • Es werden sich neue Anlässe bieten, in den Medien präsent zu sein. Siebenmeilenstiefel Zu den Kernaufgaben der Museumspädagogik zählt die Erarbeitung qualitätvoller sowie abwechslungsreicher Bildungs- und Vermittlungsprogramme. Für deren Planung gibt es kein Patentrezept, sie ist abhängig von der jeweiligen Sammlung bzw. Ausstellung und Zielgruppe. Zu den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen befinden sich in diesem Handbuch ebenso hilfreiche Aufsätze wie vorbildliche Beispiele internationaler guter Praxis, die für die eigene Arbeit fruchtbar sein können. Zu Beginn der Etablierung der Barrierefreiheit an einem Museum lohnt es sich, zunächst die Stärken und Schwächen des eigenen Hauses zu analysieren. Es ist empfehlenswert, zu diesem Zweck mit Fokusgruppen, d.h. Gruppen von betroffenen Menschen zu arbeiten. Sie sind hilfreiche Experten sowie potenzielle, zukünftige Besucher und stammen vorzugsweise aus der regionalen Umgebung eines Museums. Bei Bedarf kann man professionelle behinderte Berater in den Prozess einbinden, die über Erfahrung mit dem gewünschten Aufgabengebiet verfügen (vgl. Delin 2003 und Playforth 2004). Die Behindertenbeauftragten der Landesregierungen und Städte sind bei der Suche nach geeigneten Partnern sicherlich hilfsbereit. Als Ergebnis dieser Phase sollte eine Prioritätenliste mit Vorschlägen für die Ver-
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besserung der Situation stehen, die nach und nach umgesetzt wird. Für Probeveranstaltungen und Testläufe kann man die Fokusgruppe erneut engagieren. Der Aufbau und die Pflege eines aktuellen Adressenpools mit persönlichen Ansprechpartnern in Sonderschulen, Wohnheimen, Werkstätten, Verbänden der Behindertenselbsthilfe und der Wohlfahrt sowie der Behindertenbeiräte der Stadt und des Landes, Vereinen in kirchlicher Trägerschaft etc. kann für den Erfolg der Arbeit nicht zu hoch eingeschätzt werden. Diese Partner sollte man stets über neue barrierefreie Ausstellungen und Veranstaltungen des Museums auf dem Laufenden halten. Zudem konnten mit Fortbildungen für die Betreuer behinderter Menschen (in Wohngruppen, Heimen, Werkstätten, Freizeitgruppen etc.) nach dem Muster der Fortbildungen für Erzieher und Lehrer gute Erfahrungen gemacht werden, denn diese Multiplikatoren sind ebenfalls dankbar, die vielfältigen Möglichkeiten, die ein Museum für ihre Bewohner oder Mitglieder bietet, kennenzulernen. Für die Öffentlichkeitsarbeit sollten die Medien der Zielgruppe genutzt werden (Zeitschriften und Newsletter der Verbände, Tonpost, SMS, Tageszeitung, Fernsehen etc.; vgl. dazu ausführlich den Beitrag von Patrick S. Föhl zum »barrierefreien Museumsmarketing« in diesem Band). Die meisten deutschen Museen müssen sich zudem den Ruf, ein barrierefreier Ort zu sein, an dem Menschen mit Behinderungen willkommene Gäste sind, erst verdienen. Besucherstudien haben ergeben, dass die Gründe, einem Museum fern zu bleiben, häufig mit den Vorstellungen zusammenhängen, die sich Nichtbesucher von Museen machen (vgl. Klein 1997). Als Einstieg in einen Imagewandel sollte ein Museum Veranstaltungen mit besonders großer Strahlkraft durchführen. Es erleichtert die Kommunikation des Museums mit den verschiedenen Institutionen, Vereinen und Schulen für behinderte Menschen, wenn diese einen ständigen Ansprechpartner haben. Größere Häuser, wie der Hamburger Museumsdienst und die Cité des Sciences et de l’Industrie in Paris, haben für viele Behinderungsarten selbst betroffene Personen eingestellt, die sich um die Belange der entsprechenden Besuchergruppe in der Ausstellungsplanung und -vermittlung kümmern (vgl. dazu die Beiträge von Martina Bergmann und Jean-Pierre Ferragu in diesem Band). Diese Kontaktpersonen sprechen zu behinderten Besuchern auf Augenhöhe, d.h. es findet eine symmetrische Kommunikation statt, was in vieler Hinsicht wünschenswert ist. Gegenüber der Öffentlichkeit vermitteln diese Mitarbeiter natürlich am glaubwürdigsten das Engagement für Barrierefreiheit. Gleichzeitig verfügt ein Museum auf diese Art über einen professionellen Experten im eigenen Haus. Ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld der Abteilung für Bildung und Kommunikation/Museumspädagogik ist die Schulung der Besucherbegleiter
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und Aufsichtskräfte. Sie stehen in ständigem Kontakt mit den Besuchern und werden behinderte Menschen freundlicher und respektvoller empfangen, wenn sie über die Bedürfnisse dieser Zielgruppe gut informiert sind und über klare Handlungsanweisungen verfügen (vgl. Dennert/Wersebe 1997; Playforth 2003a, 2003b). Entsprechende Trainingsmaßnahmen sensibilisieren diese Mitarbeiter z.B. für eine angemessene Sprache und versetzen sie in die Lage, behinderten Besuchern Hilfestellungen anzubieten, wenn diese es wünschen, ansonsten jedoch deren Selbstständigkeit zu respektieren. Ziel der barrierefreien Gestaltung eines Museums ist es schließlich, dass behinderte Besucher das Haus und die Ausstellungen ggf. mit speziellen Hilfsmitteln selbstständig nutzen können. Landkarten mit weissen Flecken. Literatur- und Ausstellungsübersicht Auf der Jahrestagung des Deutschen Museumsbunds 1981 fasste Arnold Lühning in seinem Vortrag zum Thema »Geistig Behinderte im Museum« seinen Eindruck mit folgenden Worten zusammen: »[Wir] begeben […] uns hier auf ein Gebiet, auf dem Museumsleute offensichtlich noch Anfänger sind […]. Jedenfalls scheint dies Thema in der Flut der museumspädagogischen Literatur der vergangenen Jahre völlig außen vor geblieben zu sein.« (Lühning 1982: 5)
Einige Angebote mögen im Verborgenen geblüht und sich nicht in Artikeln und Katalogen niedergeschlagen haben, richtig bleibt jedoch, dass es sich bei dem Thema der Barrierefreiheit von Museen um ein in der Forschung wenig bearbeitetes Feld handelt. Das 1981 von der UNO ausgerufene Jahr der behinderten Menschen hat zur Politisierung von deren Interessen beigetragen. Seit dieser Zeit finden die Anliegen behinderter Menschen mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Auch die Museen reagierten mit der Konzeption einiger bemerkenswerter Ausstellungen mit Katalogpublikationen (z.B. Kunstmuseum Hannover 1981; Weiss 1983; Bundesvereinigung Lebenshilfe 1984; Landeshauptstadt Hannover 1989). 1992 legte Lotte E. Sturm das Ergebnis einer Umfrage an nordrheinwestfälischen Museen vor. In ihrem Buch »Erlebnis Museum. Ein Handbuch für Besucher mit Behinderungen« stellte sie Informationen über die Zugänglichkeit von 154 nordrhein-westfälischen Museen vor. Die Angaben der Museen über ihre Barrierefreiheit waren insgesamt sehr heterogen. Seit den 90er Jahren berichteten eine beachtliche Anzahl von Pionieren über engagierte Projekte. Allmählich wurden die Angebote auch immer
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mehr der Vielfältigkeit der Zielgruppe gerecht (z.B. Landschaftsverband Rheinland 1991; Barbian/Brüninghaus-Knubel 1994; Leßmann 1999; Wernsing 2001; Boek 2005; Kiehl 2005; Schmitz-Gilge 2005). Selten sind hingegen systematische Abhandlungen oder methodische Untersuchungen, die das Praxisfeld ausleuchten. Dies mag auf das mangelnde Bewusstsein der Museen für das Thema der Barrierefreiheit zurückzuführen sein (z.B. Baetz 1994; Müller 1994; Vorstand des Museumsverbandes Sachsen-Anhalt e.V. 2001; Lobenhofer-Hirschbold 2004; Maaß 2005). Auf zwei Ausstellungen des Jahres 2000 soll in diesem Zusammenhang besonders hingewiesen werden. Sie haben das Bild von behinderten Menschen in unserer Gesellschaft einer Revision unterzogen und sind auf großes Interesse beim Publikum gestoßen: In der Schau »Dialog im Dunkeln. Eine Ausstellung zur Entdeckung des Unsichtbaren« waren sehbehinderte Menschen die Experten, die sehende Menschen sicher durch verdunkelte Erfahrungsräume geleiteten (vgl. Heinecke/Hollerbach 2001). Die Ausstellung »Der imperfekte Mensch. Vom Recht auf Unvollkommenheit« beleuchtete die heutige Situation behinderter Menschen vor ihrem historischen, medizinischen sowie kulturellen Kontext und hinterfragte die herrschenden Vorstellungen von Normalität und Wertachtung in unserer Gesellschaft (vgl. Stiftung Deutsches Hygiene-Museum 2000 und den Beitrag von Petra Lutz in diesem Band). Im europäischen Ausland (besonders in Norwegen, Finnland, Großbritannien, Niederlande, Frankreich) und bspw. auch in den USA, Australien und Neuseeland haben die Emanzipationsbewegungen und gesetzlichen Reformen schon vor vielen Jahren die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen verändert, sodass die Teilhabe dieser Bevölkerungsgruppe am kulturellen Leben zur geförderten und geforderten Aufgabe öffentlicher Einrichtungen wurde (vgl. die Beiträge von André Fertier, Jean-Pierre Ferragu, Rebecca McGinnis, Sari Salovaara und Marcus Weisen in diesem Band). Eine wegweisende Publikation war in diesem Zusammenhang das Buch »Museums Without Barriers. A New Deal for Disabled People«, das von der Fondation de France/ICOM 1991 herausgegeben wurde. In ihm wurde aktuellen europäischen, kulturpolitischen Entwicklungen nachgegangen und es wurden ausgewählte Praxisbeispiele barrierefreier Angebote im Museum vorgestellt. In einigen Ländern haben Museumsverbände den Museen praxisnahe Leitfäden zur Verfügung gestellt, um auch in dieser Hinsicht die Besucherorientierung sowie Barrierefreiheit zu fördern: • »Museums and the handicapped. Adapting the museum for the blind and weak sighted« (Association of Norwegian Museum Educators 1985);
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• »Part of your general public is disabled« (Majewski/Smithsonian Institution 1987); • »Welkome gasten: Museum, Gastheer en bezoekers met een handicap« (Kok/Land 1996); • sowie die vorbildliche Reihe »The Disability Portfolio Guides« (The Council for Museums, Archives and Libraries 2003ff.). Arbeitsgruppe »Barrierefreie Museen« des Bundesverbandes Museumspädagogik e.V. Der Bundesverband Museumspädagogik e.V. (BVMP) ist ein Dachverband sieben regionaler Arbeitskreise mit über 700 institutionellen sowie persönlichen Mitgliedern (siehe auch unter www.museumspaedagogik.org). Der Verband vertritt die Belange der Museumspädagogik in bundesweiten Gremien der Politik, Kultur und Bildung, fördert den fachlichen Austausch unter Kollegen und engagiert sich für die Entwicklung neuer, zukunftsweisender Konzepte der Museumsarbeit. Der BVMP gibt dreimal im Jahr die einzige deutschsprachige museumspädagogische Fachzeitschrift »Standbein Spielbein« heraus und veranstaltet jährliche Fachtagungen. 1995 gründeten Mitglieder innerhalb des BVMP einen Arbeitskreis, welcher der Zielgruppe der Menschen mit Behinderung größere Aufmerksamkeit widmen wollte.1 Ziel der Arbeitsgruppe war es, den Austausch unter Kollegen auf diesem Arbeitsgebiet zu fördern und Fortbildungen zu organisieren. Die Namensgebung des Arbeitskreises spiegelt den gesellschaftlichen Diskurs um das Thema Behinderung wider: Zunächst nannte er sich »Benachteiligte BesucherInnen im Museum«, dann »Behinderte Besucher im Museum« – und 2005 fand seine Umbenennung in »Arbeitsgruppe Barrierefreies Museum« statt. Von 1999 bis 2006 wurden sechs Tagungen organisiert (siehe Infokasten) und zwei Ausgaben der Fachzeitschrift des BVMP »Standbein Spielbein« zu diesem Schwerpunktthema publiziert (Standbein Spielbein 2001, 2007).
1 Standbein Spielbein, Nr. 33, Juni 1992, S. 39f. Die Leitung der Arbeitsgemeinschaft lag nacheinander in den Händen von Angela Müller, Susanne Kroker und Karin Maaß.
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Tagungen der Arbeitsgruppe »Barrierefreie Museen«: 28.11.1999 »Behinderte Besucher im Museum. Möglichkeiten der Integration in der Museumskultur«, Museum Ludwig, Köln 18.11.2000 »Behinderte Besucher im Museum. Integration behinderter Menschen in die Museumskultur«, Römisch-Germanisches Museum, Köln 24.11.2001 »Entdeckungs-Lust, Spaß am Entdecken. Tag (auch) für Menschen mit Behinderungen in Museen«, NRW Forum, Düsseldorf 8.10.2004 »Hintergründe der Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen. Die Situation im Raum Düsseldorf während der NS-Zeit und danach«, Altes Waschhaus der Kaiserswerther Diakonie, Kaiserswerth 20.-21.01.2005 »Wege der Kommunikation. Menschen mit Behinderungen im Museum«, Horion Haus des Landschaftsverbandes Rheinland u. Wallraf-Richartz-Museum – Fondation Corboud, Köln 20.02.2006 »Wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit für barrierefreie Museumsangebote«, Kunstmuseum Bonn Fazit Gemäß der ethischen Richtlinien des »International Council of Museums« sind Museen »Einrichtungen im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung« (ICOM 2003: 7). In den USA, Großbritannien, Frankreich und Skandinavien haben sich seit vielen Jahren zahllose Museen für Behinderte geöffnet. Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration dieser Menschen und steigern gleichzeitig die Attraktivität ihrer Häuser für breite Publikumsschichten. In Deutschland ist die berechtigte Forderung nach Barrierefreiheit von vielen Museen noch nicht umgesetzt worden. Das notwendige Know-how steht jedoch zur Verfügung – alle Museen sollten die Chance nutzen. Literatur Association of Norwegian Museum Educators (1985): Museums and the handicapped. Adapting the museum for the blind and weak sighted, Oslo. Baetz, Uschi (1994): Sonderpädagogische Aspekte der Museumspädagogik in Köln. In: Kölner Museums-Bulletin Heft 4, S. 20-28. Barbian, Jan-Pieter/Brüninghaus-Knubel, Cornelia (1994): »Skulptur im Dunkeln«, Duisburg. BMWA (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) (2003): Ökonomische Impulse eines barrierefreien Tourismus für alle, BMWA-Dokumentation Nr. 526, Münster/Berlin (www.bmwa.bund.de).
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Die Begriffe »Barrierefreiheit«, »Zugänglichkeit« und »Nutzbarkeit« im Fokus
Rüdiger Leidner Vorbemerkung Der Begriff »Barrierefreiheit« fand öffentlich Resonanz, nachdem die UNVollversammlung ihn 1993 in ihren Standardregeln zur Schaffung von Chancengleichheit aufführte (vgl. Vereinte Nationen 1993). In den Folgejahren wurde er im angelsächsischen Sprachraum im Zusammenhang mit der Entstehung des US-amerikanischen Behindertengesetzes (»Americans With Disabilities Act«) durch den Begriff »Accessibility« abgelöst, der im Deutschen mit »Zugänglichkeit« übersetzt wird. Es wird manchmal behauptet, diese Übersetzung sei unzureichend, da sie den vollen Bedeutungsumfang von »Accessibility«, das »Nutzbarkeit« einschließe, nicht vollständig wiedergebe. Schaut man jedoch auf die Praxis in den USA, kommt man recht schnell zu dem Ergebnis, dass sich die Schwerpunkte bei der Schaffung »accessibler« Einrichtungen nicht wesentlich von den »zugänglichen« in Deutschland und Europa unterscheiden.1 Und was die reine Semantik angeht, dass in »Accessibility« das Wort »access« stecke, das Zugang auch im übertragenen Sinn bedeute, so beinhaltet auch »Zugänglichkeit« diesen Wortstamm, und auch im Deutschen meint derjenige, der »keinen Zugang zum Rechenzentrum« hat, etwas völlig anderes als derjenige, der »keinen Zugang zur Computertechnik« findet. In beiden Fällen ist aber nicht gemeint, dass dieser Zugang aufgrund von Stufen unmöglich ist. Um Fehlinterpretationen dieser Art möglichst zu vermeiden, spricht daher das 2002 in Kraft getretene Behindertengleichstellungsgesetz bei der Definition der Barrierefreiheit in § 4 auch von Zugänglichkeit und Nutzbarkeit. Wollte man eine Zielhierarchie hinsichtlich des Zugangs behinderter Menschen zu gestalteten Lebensbereichen, zu Gebäuden ebenso wie zu Produkten und Dienstleistungen aufstellen, so wäre die Rangfolge genau umgekehrt, wie die Entstehungsgeschichte dieser drei zentralen Begriffe zeigt:
1 So setzt auch das »Cultural Administrator’s Handbook« trotz erkennbaren Bemühens recht unterschiedliche Akzente hinsichtlich der Berücksichtigung der Bedürfnisse verschiedener Behinderungsarten. Vgl.: National Assembly Of State Arts Agencies o.J.
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(1) Hauptziel ist schließlich die Nutzbarkeit gestalteter Lebensbereiche durch alle Mitglieder der Gesellschaft. (2) Um dieses Hauptziel zu erreichen, müssen sie zugänglich sein (Zwischenziel)2 und (3) wenn sie dies nicht a priori sind, muss hierzu durch Abbau von Barrieren Barrierefreiheit hergestellt werden. Auch wenn heute die Ziele Barrierefreiheit, Zugänglichkeit/Nutzbarkeit allgemeine Zustimmung finden, so ist doch vielfach oft kaum klar, wo sich in der Umgebung überall Barrieren finden bzw. für wen was eine Barriere ist. Herausforderungen in der Begriffsbestimmung von Barrierefreiheit und Barrieren Im allgemeinen Sprachgebrauch ist »Barriere« meist das Synonym für ein Hindernis, das ein Individuum, eine Gruppe oder Organisation, aber auch eine ganze Gesellschaft am Erreichen eines bestimmten Ziels hindert. So gesehen ist die Barriere die eigentliche Behinderung, denn jeder ist nur insoweit an der Erreichung eines Ziels gehindert, wie er hierbei behindert wird. Eine Barriere ist also nicht notwendigerweise ein Gegenstand, der mit physikalischem Kraftaufwand aus dem Weg zu räumen ist. In der Diskussion um die Erreichung von Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen wird der Begriff der »Barriere« jedoch – sieht man von den Hinweisen auf die ›Barrieren in den Köpfen‹ einmal ab – oft auf physikalische Barrieren verkürzt. DIN-Normen und Rechtsvorschriften bieten dem Leser, der sich fragt, wo und wie er Barrieren beseitigen oder überhaupt ihre Entstehung vermeiden könnte, wenig konkrete Hilfestellung. Hier hilft auch das am 1. Mai 2002 in Kraft getretene Behindertengleichstellungsgesetz auf den ersten Blick nicht weiter. Es definiert zwar in § 4 den Sachverhalt der Barrierefreiheit, als Zustand von baulichen Anlagen, Verkehrsmitteln, technischen Gebrauchsgegenständen, Systemen der Informationsverarbeitung einschließlich Kommunikationseinrichtungen, akustischen und visuellen Informationsquellen sowie anderen gestalteten Lebensbereichen, die »für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind«,
2 »Zugänglichkeit« einer Einrichtung oder Vorrichtung bedeutet für blinde/sehbehinderte Menschen im Wesentlichen deren ›Auffindbarkeit‹ durch geeignete Orientierungshilfen (kontrastreiche Gestaltung) und Leitsysteme.
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überlässt aber letztlich dem Gesetzesanwender bzw. dem Staatsbürger den Umkehrschluss, dass Barrieren nicht nur alle baulichen, sondern auch technischen und auch rechtlichen und administrativen Gegebenheiten3 sein können, die dem Zustand der Barrierefreiheit, also einer »weitgehend gleichberechtigten, selbstbestimmten und gefahrlosen Nutzung durch alle Menschen«, entgegenstehen. Das heißt aber nichts anderes, als dass auch das BGG keine Definition des Begriffs der Barriere liefert, auch wenn sich aus den inzwischen ergangenen Rechtsverordnungen wie den Verordnungen über das barrierefreie Internet oder über den barrierefreien Zugang zu Dokumenten einige wenige konkrete Beispiele finden lassen. Wenn eine Barriere jedoch alles das sein kann, was einen behinderten Menschen an eigenständiger Mobilität hindert, dann hat letztlich jede Behinderungsart ihre eigenen, behinderungsspezifischen Barrieren. Das erklärt auch, warum eine allgemeine und trotzdem konkret anwendbare Definition des Begriffs »Barriere« so schwer, wenn nicht unmöglich ist. Merkmale von Barrieren Die Erkenntnis, dass Barrieren letztlich behinderungsspezifische Mobilitätsbeschränkungen sind, führt demzufolge auch zu völlig unterschiedlichen Vorgehensweisen bei der Herstellung von Barrierefreiheit bzw. Mobilitätsfreiheit. Denn während für einen Rollstuhlfahrer bei der Überquerung einer Straße die zu hohe Bordsteinkante die entscheidende Barriere darstellt, ist es für den blinden Fußgänger möglicherweise die fehlende Ausstattung der Ampel mit Signaltönen, die die Querung der Straße für ihn lebensgefährlich machen kann. Dies bedeutet nichts anderes, als dass in dem einen Fall zur Herstellung von »Barrierefreiheit« tatsächlich eine Barriere entfernt werden muss, während in dem anderen Fall zur Herstellung von Barrierefreiheit im Sinne von uneingeschränkter Mobilität etwas hinzugefügt werden muss. Hier findet sich einer der wenigen Aspekte im Begriff der Barriere, der sich verallgemeinern lässt und trotzdem erste Hinweise auf konkrete Handlungsanweisungen liefert: Beim Vorliegen einer motorischen Behinderung, sei es eine Geh- oder beispielsweise Greifbehinderung, müssen physikalische Barrieren wie vertikale Höhenunterschiede, zu enge oder zu schwere Türen beseitigt werden. Liegt hingegen eine sogenannte sensorische Behinderung, also ein visuelles oder akustisches Wahrnehmungsdefizit vor, muss das Informationsdefi3 Zu denken ist hierbei z.B. an die sprachlichen Barrieren, denen sich Menschen mit kognitiven Behinderungen gegenübersehen.
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zit durch Informationen, die die jeweils intakten Sinne ansprechen, ausgeglichen werden. Wendet man diesen Ansatz auf Museen an, so bedeutet das, dass z.B. für Rollstuhlfahrer hinsichtlich des Gebäudes selbst die jeweiligen Bauordnungen und DIN-Normen zu beachten sind, die die Breite von Türen und Fluren, die maximale Neigung von Rampen sowie Dreh- und Abstandsflächen festlegen. Hinsichtlich des eigentlichen Zwecks eines Museumsbesuchs kommen aber weitere Anforderungen hinzu – wie die optimale Höhe, in der sich die Exponate befinden sollen –, die sich nicht direkt aus Rechtsvorschriften ergeben, sondern aus den Vorschriften z.B. über die Höhe des Fenstersimses und der Lichtschalter in Wohnungen für Rollstuhlfahrer bzw. öffentlichen Gebäuden ableitbar sind. Für blinde/sehbehinderte sowie hörbehinderte Besucher würde gelten, dass alle Informationen über zwei Kanäle – visuell und akustisch – angeboten werden, für Besucher mit kognitiven Behinderungen außerdem auch in sogenannter Leichtsprache. Oft übersehen wird hinsichtlich der blinden und sehbehinderten Besucher, dass eine Einrichtung, will sie für diese Gruppe ›nutzbar‹ sein, zunächst einmal auch ›auffindbar‹ sein muss. D.h., genauso wie der Rollstuhlfahrer zunächst einmal eine ausreichend breite und stufenlos zugängliche Eingangstüre braucht, um die Exponate im Inneren betrachten zu können, muss für blinde/sehbehinderte Besucher der Zugang von der Straße bzw. der letzten Haltestelle des ÖPNV barrierefrei sein, d.h. mit taktilen und kontrastreichen Orientierungshilfen bis zum eigentlichen Eingang ausgestattet sein. Zunehmend muss auch die Internetpräsentation des Museums barrierefrei gestaltet sein, damit sich z.B. auch der blinde Besucher über das Museum informieren kann. Das Internet bietet zudem die Möglichkeit, notwendige behinderungsspezifische Informationen wie barrierefreie Wege zum Museum, andere vorhandene Einrichtungen wie das Museumscafé und seine Zugänglichkeit einschließlich der Speisekarte kostengünstig darzustellen. Damit nicht genug, dass die Beseitigung von Barrieren sowohl in der Entfernung von Hindernissen als auch der Beifügung von Information bestehen kann, gibt es sehr schnell Zielkonflikte bei der Herstellung von Barrierefreiheit. Denn die Barrieren des einen können für den anderen unverzichtbare Orientierungsmerkmale sein, ohne die seine Mobilität noch mehr beschränkt würde. So ist die Bordsteinkante für den Rollstuhlfahrer grundsätzlich ein Hindernis, für den blinden Fußgänger hingegen eine wichtige Orientierung, da er sie nutzen kann, um mit dem Langstock dem Straßenverlauf zu folgen bzw. bei Überquerungen die Zahl der zu kreuzenden Querstraßen besser feststellen zu können. Ähnliches ließe sich im Eingangsbereich von Museen vorstellen, der mit Blick auf Besucher im Rollstuhl viel-
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der Hotel- und Gaststättenwirtschaft abgeschlossen.4 Inhaltliche Grundlage dieser Vereinbarung sind vier Kriterienkataloge A B C D
für Gehbehinderte; für Rollstuhlfahrer; für Blinde und Sehbehinderte; für Hörbehinderte.
Die Kriterienkataloge beschreiben, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit sich ein Hotel oder Restaurant als barrierefrei für eine oder mehrere dieser Gruppen bezeichnen darf. Man ist hier also bewusst von dem abstrakten Ziel einer völligen Barrierefreiheit abgewichen und hat konkrete Bereiche von Barrierefreiheit definiert. Dieses Vorgehen sorgt für sehr viel mehr konkrete Informationen auf beiden Seiten, gleichzeitig aber auch für sehr viel Flexibilität, denn die Zahl dieser Kriterienlisten lässt sich beliebig erweitern. Je größer die Zahl der Kriterienkataloge ist, desto unwahrscheinlicher wird es zwangsläufig, dass es eine Einrichtung gibt, die alle Anforderungen simultan erfüllt, also ›völlig barrierefrei‹ wäre. Durch die Orientierung an definierten Kriterienlisten wird aber zumindest mehr Transparenz erreicht, welche Einrichtung für wen als barrierefrei angesehen werden kann. Ohne von dem Ziel der Barrierefreiheit und Nutzbarkeit für möglichst viele abweichen zu wollen, sollten die Ausführungen hier lediglich deutlich machen, dass für die Praxis die Frage im Alltag nicht lautet: »Was ist Barrierefreiheit?«, sondern: »Für wen ist was barrierefrei?« Literatur National Assembly Of State Arts Agencies (o.J.): Design For Accessibility, A Cultural Administrator’s Handbook, Washington, DC (www.arts.gov). Vereinte Nationen (1993): Standard Rules on the Equalization of Opportunities for Persons with Disabilities. A/RES/48/96. 85. Vollversammlung am 20.12.1993 (www.un.org/documents/ga/res/48/a48r096.htm).
4 S. z.B. www.natko.de oder die Webseiten der beteiligten Behindertenverbände.
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Barrierefreie Museen – Rechtliche Rahmenbedingungen
Katrin Auer In diesem Beitrag wird erläutert, welche Vorgaben und Rahmenbedingungen das Behindertengleichstellungsgesetz und andere rechtliche Regelungen für die barrierefreie Gestaltung von Museen setzt. Dazu soll zunächst der historische und begriffliche Hintergrund des BGG erläutert werden. I. Einführung Seit etwa 1970 vollzog sich sowohl international als auch in Deutschland ein Bewusstseinswandel in der Behindertenpolitik sowie im Umgang mit behinderten Menschen. Zuvor wurden behinderte Menschen vor allem als defizitäre »Andere« angesehen, mit denen die Gesellschaft der »Normalen« irgendwie umgehen musste; dies geschah in der Regel durch »Unterbringung« in Einrichtungen der »Fürsorge«. Was behinderte Menschen brauchten, bestimmten nicht sie selbst. Im Zuge der Bürgerrechtsbewegungen der 1960er und 1970er Jahre veränderte sich der Blickwinkel auch auf behinderte Menschen. Sie nahmen sich zunehmend als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger wahr, die genau wie alle anderen am Leben in der Gesellschaft teilhaben wollen und sollen. Die Forderungen gingen nun nicht mehr nach umfassender Fürsorge, sondern nach Ausgleich der Faktoren, die die Menschen bei dieser Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen. Zum einen waren hier Nachteilsausgleiche erforderlich zur Kompensation der behinderungsbedingten Nachteile (dazu zählen z.B. besonderer Kündigungsschutz oder finanzielle Ausgleiche), zum anderen galt es aber auch, alles zu beseitigen, was die Menschen an der Teilhabe (be)hinderte – also vor allem die Beseitigung von Barrieren. Ein wesentlicher Meilenstein, der diesen Paradigmenwechsel markiert, ist das US-amerikanische Gesetz für Amerikaner mit Behinderungen (»Americans With Disabilities Act – ADA«) im Jahre 1990. Das Gesetz regelte insbesondere die Verpflichtung aller Anbieter öffentlicher Güter und Dienstleistungen, behinderten Menschen ihre Angebote zugänglich (»accessible«) zu machen. Um zu verstehen, warum es in Deutschland so ungleich schwieriger war und ist, Diskriminierungsverbote und Barrierefreiheitsgebote gesetzlich zu regeln, muss man sich die wesentlichen strukturellen Unterschiede zwischen dem US-amerikanischen und dem deutschen Rechtssystem vor Augen führen.
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Das deutsche System, historisch entstanden aus Kämpfen gegen despotische Regierungen, begreift Grundrechte primär als Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Dem Staat ist es verboten, Menschen unterschiedlich zu behandeln und zu diskriminieren; er darf nur in begründeten Ausnahmefällen in die Rechte seiner Bürger eingreifen. Zu diesen Rechten gehört auch die Vertragsfreiheit. Das Recht, sich seine Vertragspartner selbst aussuchen, dabei bestimmte Vertragspartner auch ablehnen zu dürfen und den Vertragsinhalt selbst bestimmen zu können, ist also ebenfalls ein wichtiges Grundrecht. Auch in den USA gibt es ein Recht auf Vertragsfreiheit. Das Verständnis der Menschen- und Bürgerrechte geht jedoch über Abwehrrechte gegen den Staat hinaus: Als Bürger steht jedem Menschen das Recht zu, nicht nur vom Staat, sondern auch von seinen Mitbürgern nicht diskriminiert zu werden. Daher ist es in den USA einfacher, von jedermann z.B. barrierefreien Zugang zu den von ihm öffentlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen zu verlangen, egal ob es sich dabei um ein staatliches oder ein privates Angebot handelt. Nach Entstehen des ADA wurden auch in Deutschland die Stimmen lauter, die Diskriminierungsverbote und Barrierefreiheit für behinderte Menschen forderten. Im Jahre 1994, anlässlich der damaligen Verfassungsreform, wurde daher ein neuer Satz in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes aufgenommen: »Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.«
Es wurde jedoch bald klar, dass dieser Verfassungssatz noch weiterer Umsetzungsschritte bedurfte, um die tatsächliche Benachteiligung behinderter Menschen zu bekämpfen. Die Koalitionsvereinbarung der ersten rot-grünen Legislaturperiode 1998 kündigte denn auch an, ein Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen schaffen zu wollen. 1999 legte das Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FBJJ) einen ersten Vorschlag für ein solches Gesetz vor, der noch stark am ADA orientiert war. In den Jahren 2000 und 2001 wurde der Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik zunächst in das Sozialrecht übersetzt und ein Gesetz zur Herstellung von Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch Sozialleistungen geschaffen, das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). 2001 gründete sich dann auf Initiative des damaligen Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Karl Hermann Haack, eine Projektgruppe unter Einbeziehung von Vertretern des FBJJ zur Schaffung eines Behindertengleichstellungsgesetzes. Am 1. Mai 2002 trat dieses Gesetz dann in Kraft. Es war nicht möglich, das ADA einfach nach Deutschland zu übernehmen. Dem standen zwei Grundprobleme entgegen:
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(1) Es ist in Deutschland aufgrund des geschilderten Grundrechtsverständnisses ein großer Unterschied, ob jemand einen Rechtsanspruch gegen »den Staat« oder gegen andere Bürger hat. Daher ist es auch gesetzgeberisch schwierig, Private ebenso wie den Staat zur Nichtdiskriminierung und zur Schaffung von Barrierefreiheit zu verpflichten. (2) Im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland gibt es wichtige Rechtsmaterien, die in die überwiegende oder alleinige Zuständigkeit der Bundesländer fallen, zum Beispiel das Bauordnungsrecht oder das Kulturwesen. In diesen Bereichen darf der Bundesgesetzgeber nicht tätig werden. Aufgrund dieser Schwierigkeiten wurde der zivilrechtliche Teil erst einmal zurückgestellt. Das Recht behinderter Menschen, bei privatrechtlichen Verträgen nicht diskriminiert zu werden, wurde in Deutschland erst im Jahre 2006 im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingeführt; eine umfassende Verpflichtung Privater zur Herstellung barrierefreier Angebote sieht dieses Gesetz nicht vor. II. Wesentliche Inhalte des BGG Die wesentlichen Inhalte des BGG lassen sich wie folgt beschreiben: • Erstens wurde mit dem BGG zum ersten Mal eine allgemeine Definition von Barrierefreiheit geschaffen. Da der Begriff zuvor sehr schwer fassbar war, diente dies des Öfteren als Argument, Barrierefreiheit sei nicht umsetzbar, da jeder etwas anderes darunter verstünde. • Zweitens verpflichtet das BGG den Bund und seine Behörden und anderen Träger zur Schaffung von Barrierefreiheit. • Drittens stärkt das BGG die Rechte der Verbände behinderter Menschen und gibt ihnen Verbandsklagerechte, aber vor allem das Recht zum Abschluss von Zielvereinbarungen in Bereichen, in denen eine unmittelbare Rechtssetzung des Bundes eben nicht möglich war. 1. Begriff der Barrierefreiheit Die Barrierefreiheit wird in § 3 BGG wie folgt definiert: »Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise,
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ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.«
Wir wollen uns nun die Tatbestandsmerkmale dieser Definition noch einmal einzeln anschauen und uns fragen, was dies für Museen bedeutet: • »gestaltete Lebensbereiche«: Dies ist der Sammelbegriff für alle von Menschen gestalteten Orte, Güter und Dienstleistungen, von denen einige (bauliche und sonstige Anlagen etc.) beispielhaft aufgeführt werden. Alles, was von Menschen gestaltet wird, sei es nun ein Gebäude, ein elektronisches Gerät oder eine Information, kann unter dem Aspekt der Barrierefreiheit betrachtet werden. Für Museen heißt dies, dass nicht nur ihre Gebäude, sondern auch die Exponate und die zu den Exponaten angebotenen Informationen entweder barrierefrei sind oder nicht. • »zugänglich und nutzbar«: Allgemein akzeptiert ist bereits, dass Barrierefreiheit insbesondere bedeutet, dass ein Mensch mit Rollstuhl in ein Gebäude hineingelangen kann. Darüber hinaus umfasst sie aber auch die Nutzbarkeit, z.B. dass ein Mensch im Rollstuhl von diesem aus bestimmte Bedienelemente erreicht oder dass auch sinnesbehinderte Menschen ein Gerät nutzen oder eine Information bekommen können. • »in der allgemein üblichen Weise«: Ein behinderter Mensch sollte ein Angebot (Museum) möglichst weitgehend in derselben Form nutzen können wie nicht behinderte Menschen, z.B. durch den Vordereingang hereinkommen oder durch eine Ausstellung selbstständig hindurchgehen. • »ohne besondere Erschwernis«: Grundsätzlich ist die Nutzung in der allgemein üblichen Weise so zu gestalten, dass sie für behinderte Menschen nicht komplizierter ist als für andere – dass sie sich z.B. nicht umständlich lange vorher anmelden müssen oder darauf warten müssen, dass Personal kommt, das einen Treppenlift bedienen kann. • »möglichst ohne fremde Hilfe«: Alle Angebote sind so zu gestalten, dass der behinderte Mensch sie möglichst alleine in Anspruch nehmen bzw. bedienen kann. Wo dies nicht möglich ist, so ist ein Angebot nur dann barrierefrei, wenn Hilfe zur Verfügung gestellt wird (z.B. Personal, das einen Lift bedienen kann) und wenn der behinderte Mensch Hilfen, die er normalerweise nutzt, mitnehmen kann (z.B. Blindenstock, Führhund, Assistenzperson). Museen haben in der Regel das Ziel, bestimmte Informationen zu kommunizieren. Relativ einfach ist dabei noch der Aspekt, dass der Nutzer physisch in die Nähe des Angebotes gelangt (also ein Mensch mit einem Rollstuhl in
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das Gebäude gelangen muss). Schwieriger scheint es bei der Beurteilung zu sein, wie denn ein barrierefreies Museum für sinnesbehinderte oder für kognitiv behinderte Menschen aussehen kann. Wesentliche Lösungsansätze der barrierefreien Kommunikation von Informationen sind Mehrkanaligkeit und Redundanz. »Mehrkanaligkeit« bedeutet, dass Informationen sowohl optisch als auch akustisch zur Verfügung gestellt werden – »Redundanz« heißt, dass jemand, der einen Kanal nicht nutzen kann, dennoch gleichwertige Informationen erhält. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Audio-Guides sind ein sehr gutes Mittel zur barrierefreien Informationsvermittlung. Viele Museen und Ausstellungen, die Audio-Guides nutzen, verzichten aber dann darauf, die Informationen auch noch als Text (z.B. an der Vitrine) zur Verfügung zu stellen und versehen Exponate dann nur noch mit Nummern zur Bedienung des Audio-Guides. So hat dann ein gehörloser Mensch überhaupt keine Informationen zu dem ausgestellten Exponat mehr. Aus der gesetzlichen Definition der Barrierefreiheit geht ferner hervor, dass die möglichst selbstständige Nutzung von Museumsangeboten durch behinderte Menschen angestrebt werden muss. Das heißt, das Angebot spezialisierter Führungen für bestimmte Personengruppen wie z.B. blinde oder gehörlose Menschen kann zwar eine wesentliche Komponente von Barrierefreiheit sein, reicht alleine jedoch nicht aus, ein Museum als barrierefrei einzustufen. Primär ist immer anzustreben, dass ein Angebot selbstständig genutzt werden kann. 2. Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit nach Bundes- und Landesrecht a) Bauen und Gestaltung Im BGG wird der Bund zur Herstellung von Barrierefreiheit verpflichtet, in § 8 zum barrierefreien Bauen: »(1) Zivile Neubauten sowie große zivile Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. […]«
Die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung besteht also immer bei einem Neu- oder großen Umbau, soweit es sich um einen Träger des Bundes handelt. Auf Museen ist dies also nur anwendbar, wenn der Träger des Museums z.B. eine bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts ist. Darunter fallen nicht sehr viele Museen – manche sind nicht (nur) Stiftungen des Bundes, manche auch privatrechtliche Stiftungen.
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Die Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit bei Museen kann sich jedoch auch noch aus anderen Normen herleiten. Die Bundesländer haben eigene Normen im Bauordnungsrecht; die meisten Länder haben auch eigene Landesgleichstellungsgesetze nach dem Vorbild des BGG. Es ist allerdings sehr unterschiedlich, wie weit die Verpflichtungen in den einzelnen Ländern gehen. Im Land Nordrhein-Westfalen z.B. bestimmt § 55 der Landesbauordnung (BauO NW): »(1) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen von Menschen mit Behinderung, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können. (2) Absatz 1 gilt insbesondere für 1. Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens, […]«
Dies gilt also für die Neubauten aller Museen in Nordrhein-Westfalen, egal, ob sie in privater, öffentlicher, staatlicher oder kommunaler Trägerschaft stehen. Auch in diesem Gesetz wird nicht nur die Zugänglichkeit, sondern auch die zweckentsprechende Nutzbarkeit verlangt. b) Barrierefreie Informationstechnik Das BGG bestimmt in § 11: »(1) Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 gestalten ihre Internetauftritte und -angebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, nach Maßgabe der nach Satz 2 zu erlassenden Verordnung schrittweise technisch so, dass sie von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können […]«
Details regelt die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik (BITV); allerdings gelten § 11 BGG und die BITV wiederum nur für die oben genannten Einrichtungen und Stiftungen des Bundes. In den Ländergleichstellungsgesetzen finden sich jedoch Normen, die gleichlautend mit § 11 BGG die Länder zur barrierefreien Gestaltung ihrer elektronischen Angebote (insbesondere Internetseiten und CD-ROMs) verpflichten. In Nordrhein-Westfalen erstreckt sich diese Regelung auch auf Kommunen, Kommunalverbände und deren Eigenbetriebe – und davon wären schon mehr Museen erfasst. Gerade im Bereich der Barrierefreiheit ihrer elektronischen Angebote steckt noch sehr viel Potenzial für Museen. Diese müssen in der Regel ohne-
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hin in kurzen Zeitabständen auf den Stand der Technik gebracht werden, sodass eine barrierefreie Gestaltung ohne Mehrkosten in Betracht kommt. 3. Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit nach Europarecht Bei der Frage nach der rechtlichen Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit lohnt sich immer auch ein Blick nach Europa, da dort in immer mehr Dokumenten die Personengruppen berücksichtigt werden, die Gegenstand europäischer Antidiskriminierungs-Regelungen sind. Aktuell ist dabei hinzuweisen auf die Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 vom 31.07.2006, die neue allgemeine Regelungen über die Bewilligung von Mitteln aus den drei großen Fonds (Strukturfonds, Kohäsionsfonds, Sozialfonds) aufgestellt hat. In Artikel 16 der Verordnung (die unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedstaaten ist) wird bestimmt, dass bei der Ausführung der Fonds auf allen Ebenen niemand diskriminiert werden darf und dass »insbesondere der Zugang für Behinderte« zu beachten ist. Das bedeutet konkret, dass z.B. ein Freilichtmuseum oder ein Dorfmuseum, das mit Mitteln des Strukturfonds umgebaut wird, barrierefrei gestaltet werden muss oder dass die Teilnahme an einer museumspädagogischen Maßnahme für sozial benachteiligte Jugendliche, die aus Mitteln des ESF kofinanziert wird, auch für behinderte Jugendliche geeignet sein muss. 4. Konkrete Handlungsanweisungen für Barrierefreiheit Das Gesetz (z.B. § 8 BGG wie oben zitiert) verlangt, dass Angebote »entsprechend den anerkannten Regeln der Technik« zu gestalten sind. Was also bei einer konkreten Gestaltungsaufgabe unter Barrierefreiheit zu verstehen ist, kann zum Teil aus bereits bestehenden Regelwerken abgeleitet werden. Im Bereich der Informationstechnik kann die BITV herangezogen werden. Außerdem gibt es DIN-Normen zum barrierefreien Bauen, derzeit die DIN 18024 für öffentliche Gebäude und Außenbereiche sowie die DIN 18025 für Wohngebäude. Derzeit ist eine DIN 18030 in Arbeit, die die beiden genannten Dokumente in einer Norm zusammenfassen soll. Dabei werden auch die Anforderungen an Barrierefreiheit modernisiert (die Normen 18024 und 18025 entstanden vor dem BGG), insbesondere sollen nun stärker verschiedene Behinderungen einbezogen werden. Die bisherigen Normen orientieren sich vor allem an Rollstuhlnutzern; in der Norm werden z.B. Anforderungen an rollstuhltaugliche Aufzüge oder an Türbreiten definiert. Zur Wahrnehmbarkeit optischer Informationen, insbesondere zur kon-
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Katrin Auer ➔ Barrierefreie Museen – Rechtliche Rahmenbedingungen
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trastreichen Gestaltung, ist ebenfalls derzeit beim DIN eine Norm in Arbeit – bisher gibt es hierzu noch kein gültiges Regelwerk. Normungsverfahren sind nicht gerade einfach. Es lässt sich schwer voraussagen, wann die neuen Normen in Kraft treten können. Daneben gibt es für viele Bereiche Leitfäden und Handreichungen, die allesamt zwar zum »Stand der Technik« beitragen, aber keinen verbindlichen Charakter haben. Es gibt auch Bereiche, in denen noch sehr wenig Wissen vorhanden ist, zum Beispiel bei der Frage, wie Informationsangebote für Menschen mit kognitiven Einschränkungen (sog. geistige Behinderung) am besten zugänglich gemacht werden können. Es ist unbedingt anzuraten, bei der Bearbeitung einer Gestaltungsaufgabe den Kontakt mit den Betroffenen und ihren Verbänden zu suchen – nicht nur, aber auch in den Bereichen, in denen bereits brauchbare technische Handreichungen existieren. Im direkten Austausch, gegebenenfalls auch im Test mit selbst Betroffenen lassen sich oftmals einfache und praxisnahe Lösungen finden. Keine Norm kann diesen Austausch ersetzen. 5. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis der bisherigen Ausführungen lässt sich zusammenfassen: • Das BGG hat eine umfassende Definition von Barrierefreiheit geschaffen. • Die zwingenden Regelungen des BGG zur Herstellung von Barrierefreiheit in der Bundesverwaltung sind auf die meisten öffentlichen Museen nicht anzuwenden. • Viele Museen dürften aber nach landesrechtlichen Regelungen zur Herstellung von Barrierefreiheit ihrer Bauten und elektronischen Angebote verpflichtet sein. III. Vorschlag: Zielvereinbarung für barrierefreie Museen Dies führt zu der misslichen Situation, dass die Verpflichtung von Museen zur Barrierefreiheit unterschiedlich zu beurteilen ist, je nachdem, ob sie in öffentlicher, privater oder gemischter Trägerschaft sind, oder in welchem Bundesland sie sich befinden. Um dennoch für (möglichst) alle Museen Barrierefreiheit zu erreichen, bietet das BGG das Instrument der Zielvereinbarung an.
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1. Was ist eine Zielvereinbarung? Nach § 4 und § 13 BGG können Verbände der Selbsthilfe behinderter Menschen, die sich zuvor nach einem bestimmten Verfahren haben registrieren lassen, mit Unternehmen und Unternehmensverbänden Zielvereinbarungen über die Herstellung von Barrierefreiheit der Angebote dieser Unternehmen abschließen. Die Verbände haben (vergleichbar mit Tarifverhandlungen) einen Anspruch darauf, dass die Unternehmen mit ihnen Verhandlungen aufnehmen, nicht jedoch auf einen Abschluss einer Vereinbarung. Eine Zielvereinbarung muss bestimmte Festlegungen enthalten und wird nach Abschluss in einem Zielvereinbarungsregister bei der Bundesregierung gespeichert. Es wäre möglich, dass ein Behindertenverband mit einem einzelnen Museum eine Zielvereinbarung abschließt. Das hätte den Vorteil, dass sehr konkret auf das jeweilige Angebot des Museums eingegangen werden könnte, aber den Nachteil, dass dies nur lokal begrenzt wäre. Als Alternative bietet sich eine Zielvereinbarung mit einem Dachverband an. Dieser kann in der Regel seine Mitglieder nicht bindend zu einem bestimmten Verhalten verpflichten. Dass dieses Vorgehen dennoch zu interessanten Ergebnissen führen kann, zeigt die Zielvereinbarung mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA). 2. Die DEHOGA-Zielvereinbarung Der Inhalt der Zielvereinbarung ist die »Standardisierte Erfassung, Bewertung und Darstellung barrierefreier Angebote in Hotellerie und Gastronomie«. Dazu wurden vier Logos für vier Gruppen behinderter Menschen entwickelt, die dann an Mitgliedsbetriebe vergeben werden können, die die Barrierefreiheits-Kriterien für die jeweilige Gruppe erfüllen: für Gehbehinderte (mit Gehhilfen oder teilweise im Rollstuhl), für Rollstuhlnutzer, für Blinde/Sehbehinderte, für Schwerhörige/Gehörlose – sowie ein weiteres Logo, das die Einhaltung der Kriterien für alle vier Gruppen bescheinigt. Mithilfe dieser Logos können behinderte Menschen bereits im Vorfeld einer Reise viel besser beurteilen, ob und wie ein Hotel oder eine Gaststätte für sie geeignet ist. Zudem wurde ein laufendes Monitoring vereinbart. Dazu gibt es eine begleitende Arbeitsgruppe aus DEHOGA und Behindertenverbänden. Eine vergleichbare Vereinbarung wäre auch für Museen denkbar. Auf Seiten der »Unternehmen« sollten daran sowohl Museumsbetreiber als auch diejenigen teilnehmen, die Ausstellungen konzipieren. Ähnliche Logos wie beim DEHOGA könnten entworfen werden und damit könnte definiert werden, was Barrierefreiheit für eine bestimmte Gruppe behinderter Men-
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Katrin Auer ➔ Barrierefreie Museen – Rechtliche Rahmenbedingungen
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schen bei einem bestimmten Museumsangebot (Gemälde, Technik etc.) bedeutet. IV. Zusammenfassung Das BGG enthält eine allgemein verbindliche Definition für Barrierefreiheit, die im Wesentlichen besagt, dass Einrichtungen und Informationen so gestaltet werden müssen, dass sie von behinderten wie von nicht behinderten Menschen möglichst selbstständig genutzt werden können. Verbindliche Vorschriften zur Herstellung von Barrierefreiheit von Museen (in den Bereichen Bauen, Gestaltung, Informationen, elektronische Angebote) ergeben sich aus dem BGG sowie aus verschiedenen landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere den Landesbauordnungen und Landesgleichstellungsgesetzen für behinderte Menschen. Außerdem wird zukünftig die Förderung von Museumsangeboten aus EU-Mitteln auch an die Herstellung des Zugangs für behinderte Menschen geknüpft sein. Hinsichtlich der zwingenden Vorschriften lassen sich aber keine allgemeingültigen Aussagen über alle Museen treffen. Es muss vielmehr im Einzelfall untersucht werden, in welcher Trägerschaft sich das Museum befindet, welche Regelungen im jeweiligen Bundesland gelten und aus welchen Mitteln eine Maßnahme gefördert wird. Daher wäre es sinnvoll, dass Betreiber und Gestalter von Museumsangeboten mit den Verbänden behinderter Menschen eine übergreifende Zielvereinbarung nach dem BGG abschließen, um durch die Definition gemeinsamer Kriterien für Barrierefreiheit mehr Transparenz für die Nutzer und mehr Rechtssicherheit für die Anbieter zu schaffen. Weiterführende Informationen Text des BGG: www.gesetze-im-internet.de/bgg Informationen zu BGG und Zielvereinbarungen: www.bmas.bund.de unter »Teilhabe behinderter Menschen« – »Zielvereinbarungen«. Im dortigen Register ist auch die DEHOGA-Zielvereinbarung zu finden. Übersicht über Gleichstellungsgesetze in Bund und Ländern: www.netzwerkartikel-3.de Informationen zum Americans With Disabilities Act: www.ada.gov; www.be hindertenbeauftragte.de
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Barrierefrei im Museum? Eine Ermunterung in zwölf Schritten und mit drei Faustregeln
Sigrid Arnade und H.-Günter Heiden Einleitung »Meine Besucherzahlen stagnieren, die Zuschüsse der öffentlichen Hand werden zusammengestrichen, einen Sponsor zu finden wird auch immer schwieriger und jetzt soll ich in meinem Museum auch noch für Barrierefreiheit sorgen? Ist das nicht ein bisschen viel verlangt? Ich habe schon genug damit zu tun, den laufenden Betrieb zu sichern. Außerdem habe ich überhaupt keinen Etat für so etwas!«
Wer sich an verantwortlicher Stelle mit Fragen barrierefreier Gestaltung des Museumsangebotes beschäftigt, mag sich schon manchmal mit schlechtem Gewissen bei solchen oder ähnlichen Gedanken ertappt haben. In einem Museum ist aber an vieles zu denken und es ist gut verständlich, dass dem einen oder der anderen vielleicht ein bisschen mulmig bei der Vorstellung wird, jetzt auch noch die durchaus unterschiedlichen Bedürfnisse von Gästen mit ebenso unterschiedlichen Beeinträchtigungen und Fähigkeiten zu berücksichtigen. Wir möchten an dieser Stelle allen Mut machen, sich trotzdem auf den Weg zu begeben. Nach unserer Erfahrung können dabei für die Museumsarbeit viele neue und schöne Entdeckungen gemacht werden. Vorab ein Wort zu den Kosten: Natürlich ist Barrierefreiheit nicht zum Nulltarif zu haben – es wäre unredlich, dies zu behaupten. Doch die Kosten dafür sind meist geringer, als man denkt. Vieles kann bei anstehenden Umbauten, Renovierungen oder Umstrukturierungsarbeiten kostengünstig erledigt werden. Eine Studie aus dem Jahr 2006 zur barrierefreien Umgestaltung des Nationalparks Berchtesgaden mit 56 Einzelmaßnahmen kam zu folgendem Ergebnis: Nur wenige Maßnahmen erreichten Volumina von durchschnittlich 22.000 Euro, für zwei Drittel der Maßnahmen bewegten sich die Kostenschätzungen in der Regel unter 2500 Euro und ein Viertel der vorgeschlagenen Maßnahmen kosteten nichts oder ließen sich kostenneutral im Rahmen der ohnehin geplanten Arbeiten erledigen (vgl. Nationalpark Berchtesgaden 2006: 112). Kostenlos ist auch die allererste und wichtigste Maßnahme auf dem Weg zur Barrierefreiheit! Es ist der Entschluss, sich auf diesen Weg zu begeben und alle Kolleginnen und Kollegen des Hauses dabei mitzunehmen. Die ersten zwölf Schritte auf diesem Weg könnten dabei wie folgt aussehen:
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12 Schritte zur Barrierefreiheit 1. Schritt – Das Eingeständnis: »Ehrlich gesagt, eigentlich habe ich bislang zu wenig in Sachen Barrierefreiheit unternommen.« 2. Schritt – Der Neubeginn: »Ich muss mir deshalb keine Vorwürfe machen. Aber gleich heute fange ich an, mich mit Barrierefreiheit zu befassen. Ich warte damit jetzt keinen Tag mehr und bin mir sicher, diese Herausforderung zu meistern.« 3. Schritt – Mit den Stärken beginnen: »Ich beginne mit dem, was ich gut kann und was in meinem Haus leicht zu verwirklichen ist und das ist …« 4. Schritt – Kein Perfektionismus: »Ich muss nicht sofort perfekt sein, sondern darf Fehler machen.« 5. Schritt – Die Selbstverpflichtung: »Ich werde für mich und mein Museum eine Selbstverpflichtung zur Barrierefreiheit erarbeiten und diese auch öffentlich bekannt machen.« 6. Schritt – Willkommen heißen: »Ich sorge dafür, dass Gäste mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen/Fähigkeiten in unserem Haus ausdrücklich ›willkommen‹ sind und sich bei uns gut aufgehoben fühlen.« 7. Schritt – Die Querschnittsaufgabe zur Qualitätssicherung: »Ich betrachte die Herstellung von Barrierefreiheit nicht als ›Sahnehäubchen‹ für gute Zeiten, sondern als eine notwendige und unumkehrbare Querschnittsaufgabe zur Qualitätssicherung meiner Arbeit.« 8. Schritt – Der Masterplan: »Ich erstelle in meinem Museum einen Plan zur Verwirklichung von Barrierefreiheit über unterschiedliche Zeiträume (Sofortmaßnahmen, mittelfristige Maßnahmen, langfristige Maßnahmen).« 9. Schritt – Die Investitionen: »Die Kosten, die zur Herstellung von Barrierefreiheit entstehen, sind planbar und ich betrachte sie als notwendige und sinnvolle Investitionen für die Zukunft meines Museums.« 10. Schritt – Ein/e Zugänglichkeitsbeauftragte/r: »Ich werde eine/n Mitarbeiter/-in als Barrierefrei-Beauftragte/n einsetzen und ergänzend auch die Neueinstellung behinderter Mitarbeiter/-innen für diesen Zweck prüfen.« 11. Schritt – Die Mitarbeiter/-innenschulung: »Ich nehme alle Mitarbeiter/-innen meines Hauses auf dem Weg zu mehr Barrierefreiheit mit und organisiere dazu betriebsinterne Weiterbildungen.« 12. Schritt – Die Vernetzung: »Ich arbeite mit Behindertenorganisationen in meiner Region und anderen Museen zusammen, um mich zu vernetzen und von den Erfahrungen anderer zu profitieren.«
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Leichter gesagt als getan, mag man jetzt vielleicht denken. Sind nicht aber auch Zielkonflikte bei der Herstellung von Barrierefreiheit möglich? Gäste, die kaum noch etwas sehen können, benötigen doch etwas anderes als Gäste, die nicht hören können oder die mit ihrem Rollstuhl kommen. Was ist denn alles zu berücksichtigen? Die nachstehenden Beiträge in diesem Buch werden im Detail aufzeigen, für wen was barrierefrei ist. Worum es aber prinzipiell geht, soll die folgende kleine Geschichte verdeutlichen. Die Geschichte vom Barrierefrei-Buffet Einmal angenommen, dass eine Feier ansteht und dazu rund 50 Gäste erwartet werden. Natürlich steht die Frage im Mittelpunkt, was den Gästen für das leibliche Wohl angeboten werden sollte. Nach reiflicher Überlegung steht die Entscheidung fest: gratiniertes Entrecôte-Steak mit Zwiebel-SenfKruste. Es kostet drei Tage Vorbereitung in der Küche, dann sind die 50 Portionen vorbereitet. Die Vorfreude auf Seiten der Gastgeber ist groß, dass sie ein so hervorragendes Essen für das Wohl ihrer Gäste vorbereitet haben. Dann die böse Überraschung am Abend der Feier: Die eine Hälfte der Gäste ist hoch zufrieden und isst sich satt, die andere Hälfte verlässt vermutlich hungrig, frustriert und etwas verfrüht die Feier. In kulinarischen Zusammenhängen hat es sich mittlerweile durchgesetzt, dass ein variantenreiches Buffet mit vielfältigen Angeboten für die verschiedenen Vorlieben und Geschmäcke der Gäste sinnvoll ist und heutzutage wird wohl kaum ein/e Gastgeber/-in mehr mit solch einem – zugegebenermaßen anspruchsvollen – Einheitsangebot aufwarten. Bei einem Buffet spielt die Frage von »Zielkonflikten« übrigens längst keine Rolle mehr: Gäste, die Vollwertkost bevorzugen, werden sich kaum vom Hackepeter nehmen, und Gäste, die gerne rustikal speisen, werden eine Möhrencremesuppe natürlich links liegen lassen. Im Bereich der Museumspädagogik scheint die Ausgangslage vergleichbar: Mit viel Aufwand, Einsatz und Energie wird ein anspruchsvolles Informationsangebot bereitgehalten, das zwar in hervorragender Weise eine große Zahl von Besucherinnen und Besuchern anspricht, das aber leider nicht auf die höchst unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnisse aller denkbaren Museumsgäste eingeht. Es kommt also auch für die Museumspädagogik darauf an, ein möglichst breit gefächertes Informations-, Kommunikations- und Aktions-Buffet mit vielen museumspädagogischen ›Leckerbissen‹ bereitzustellen, von denen alle ›naschen‹ können. Die einen Gäste wählen dies, die anderen das.
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Wer sind diese Gäste mit unterschiedlichen Bedürfnissen? Doch wer sind diese Gäste mit unterschiedlichen Bedürfnissen? Auf den ersten Blick scheint es um behinderte Frauen und Männer zu gehen, doch schaut man genauer hin, so weitet sich der Personenkreis erheblich aus. Wie kommt das? Das Etikett »behindert« ist häufig eine sozialrechtliche Einstufung, die auf eigenen Antrag erfolgt und in den meisten Fällen das Anrecht auf die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises bietet, woran sogenannte Nachteilsausgleiche geknüpft sind, wie etwa die Befreiung von der Rundfunk- und Fernsehgebühr (vgl. Sozialgesetzbuch IX, § 69). Rund zehn Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung sind derzeit amtlich als »behindert« festgestellt und nur sie werden statistisch erfasst – das sind zur Zeit rund 8,4 Millionen Menschen. Davon gelten 6,7 Millionen Menschen als »schwerbehindert« mit einem Grad der Behinderung über 50, nur diese haben das Anrecht auf Ausstellung eines »Schwerbehindertenausweises« (vgl. Pfaff et al. 2004). Da aber nicht alle Menschen mit Beeinträchtigungen einen Ausweis beantragen, ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher liegt.1 Doch das sozialrechtliche Etikett »behindert« allein kann noch keinerlei Hinweise für die Auswirkungen in der Museumspädagogik liefern. Ein Beispiel dazu: Ein Mann mit Alkoholkrankheit, die zu einer deutlichen Organschädigung2 geführt hat, kann einen Anspruch auf die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises haben, er wird in diesem Falle also als »behindert« gezählt – für die Gestaltung einer barrierefreien Ausstellung hat dies allerdings kaum Konsequenzen. Ein Mann mit Rot-Grün-Blindheit hat demgegenüber keinen Anspruch auf einen Ausweis und gehört somit auch nicht zur Gruppe der statistisch erfassten »Behinderten«. Bei einem solchen Besucher muss diese Farbfehlsichtigkeit sehr wohl in der Ausstellungsgestaltung berücksichtigt werden. Für die Museumspädagogik muss also genauer hingeschaut werden. Hier hilft eher ein Blick auf die unterschiedlichen Funktionsbeeinträchtigungen und der Abschied vom Bild eines fiktiven Durchschnittsgastes. Mit welchen Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen also kommen die Gäste?
1 Nach Selbsteinschätzung gaben 17,3 % der 16-64-Jährigen in Deutschland an, eine Behinderung zu haben; vgl. EUROSTAT (2001: 9). 2 Vgl. http://anhaltspunkte.vsbinfo.de vom 15. September 2006.
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Bereich »Sehen« • Etwa 155.000 Menschen sind blind, davon beherrschen rund 30.000 Personen die Blindenschrift. Jährlich erblinden etwa 20.000 Bundesbürgerinnen und -bürger. Weitere 500.000 Menschen sind sehbehindert.3 • Als taubblind gelten zwischen 4000 und 10.000 Menschen.4 • Nicht als »behindert« bezeichnet wird die große Gruppe von Menschen, die farbfehlsichtig sind: ca. 0,41 Prozent der Frauen (328.000) und ca. 9,01 Prozent aller Männer (7,2 Millionen!).5 • Für diese Gäste ist es unbedingt erforderlich, alternative Angebote im haptischen und akustischen Bereich zu schaffen und die Farbwahl zu bedenken. Bereich »Hören« • Es gibt in Deutschland etwa 100.000 gehörlose Frauen und Männer; die meisten von ihnen beherrschen die Deutsche Gebärdensprache (DGS).6 • Die Zahl der Hörgerätenutzer/-innen wid auf 2,5 Millionen geschätzt.7 • 7,5 bis 8 Millionen hörgeschädigte Seniorinnen und Senioren gelten mittlerweile als eine der größten Gruppen mit unsichtbarer Beeinträchtigung.8 • Die Fördergemeinschaft Gutes Hören geht sogar von 14 Millionen hörgeschädigten Menschen aus.9 Für diese Gäste ist es erforderlich, alternative Angebote im haptischen und optischen Bereich zu schaffen.
3 Vgl. www.dbsv.org/infothek/Infothek.html#wer vom 15. September 2006. 4 Vgl. http://taubblind.selbsthilfe-online.de/reportage.html vom 13. September 2006. 5 Vgl. http: // leifi . physik . uni - muenchen. de / web _ ph07 _ g8/ umwelt_technik / 03 farb blind/farbblind.htm vom 13. September 2006. 6 Vgl. www.gehoerlosen-bund.de/wirueberuns/allgemeine_aufgaben.htm vom 13. September 2006. 7 Vgl. www.stiftung-warentest.de/online/gesundheit_kosmetik/test/1390011/1390011/ 1387334.html vom 15. September 2006. 8 Vgl. www.schwerhoerigen-netz.de/MAIN/stellung.asp?inhalt=2006-02 vom 15. September 2006. 9 Vgl. www.fgh-gutes-hoeren.de/web/fgh_content/de/pressemeldungen2004.htm vom 15. September 2006.
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Bereich »Verstehen – orientieren« • Etwa 450.000 Menschen werden »geistig behindert« genannt, viele von ihnen bezeichnen sich selber lieber als »Menschen mit Lernschwierigkeiten«, da sie den Begriff »geistig behindert« als diskriminierend empfinden. Viele von ihnen können einfache Texte lesen.10 • Vier Millionen Menschen in Deutschland gelten als Analphabeten, sie können kaum lesen oder schreiben, sie werden allerdings nicht als »behindert« bezeichnet.11 Für diese Gäste ist es erforderlich, alternative Angebote im haptischen, akustischen und optischen Bereich zu schaffen. Bereich »Bewegen« • Etwa 500.000 Menschen sind zur Fortbewegung auf den Rollstuhl angewiesen (vgl. Nationalpark Berchtesgaden 2006: 16). Die tatsächliche Größe von Rollstühlen und ihrer Funktionsweisen können dabei oft unterschiedlich sein. • Gut 100.000 Bundesbürger sind von Kleinwuchs betroffen, sie sind oder werden als Erwachsene zwischen 70 cm und 150 cm groß.12 • Hinzuzurechnen ist die große und unbekannte Zahl von Bürgerinnen und Bürgern mit Mobilitätseinschränkungen: Dies können alte Menschen, Kleinkinder, Eltern mit Kinderwagen oder Menschen mit vorübergehenden Verletzungen wie einem Gipsbein sein. Für diese Gäste ist es erforderlich, alle Angebote mit ausreichendem Bewegungsraum, leicht erreichbar und mit Ruhemöglichkeiten zu gestalten. Die Gesamtzahl der Gäste, die unterschiedliche Fähigkeiten oder Bedürfnisse haben, liegt schätzungsweise bei rund 30-40 Prozent.13 Es handelt sich also um einen großen Personenkreis, der bislang mehr oder weniger von vielen museumspädagogischen Angeboten ausgeschlossen bleibt. Letztendlich werden jedoch alle Gäste von neuen barrierefreien Angeboten profitieren!
10 Vgl. www.lebenshilfe.de/content/sections/indexdeep.cfm/secid.10/secid2.67 vom 15. September 2006. 11 Vgl. www.alphabetisierung.de/infos/faq.html vom 15. September 2006. 12 Vgl. www.bkmf.de/wir.html vom 15. September 2006. 13 Vgl. hierzu den Beitrag von Rüdiger Leidner in Kap. 5.
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Drei Faustregeln zur Barrierefreiheit Was aber ist nun konkret als Angebot bereitzustellen, wenn Gäste mit Kinderwagen, mit Stock oder im Rollstuhl erwartet werden? So können Gäste kommen, die wenig oder nichts sehen, aber dafür gut hören können; Gäste, die nur schwer oder nicht hören, aber dafür gut sehen können; Gäste, die kaum oder nicht lesen können, aber großes Interesse am Angebot des Hauses haben. Die Ausgangslage kann je nach Haus verschieden sein. Zunächst kann das derzeitige Angebot mit drei einfachen Faustregeln überprüft werden (vgl. Lebenshilfe Wittmund e.V./RUZ Schortens e.V. 2003a: 6): • Faustregel 1: Die »Räder-Füße«-Regel. Sind alle Angebote sowohl für rollstuhlnutzende als auch für gehende Besucher/-innen durchgängig nutzbar? Wer sich dazu einen Rollstuhl aus dem Sanitätshaus um die Ecke ausleiht und damit selber einmal eine Tour durch das eigene Haus rollt, wird auf viele Ideen kommen. • Faustregel 2: Die »Zwei-Kanal«- oder »Mehr-Kanal«-Regel.14 Sind alle Informationen durch mindestens zwei der Sinne (Sehen, Hören, Fühlen) wahrnehmbar? Hierzu können zwei Runden durch das Haus erfolgen: Einmal mit Augenbinde und einmal mit Ohrstöpseln – was ist zu ändern? • Faustregel 3: Die KISS-Regel.15 Werden alle Informationen nach der Methode »Keep It Short and Simple« (»Drücke es einfach und verständlich aus«) angeboten? Bei dieser Runde durch das Haus kann man sich vorstellen, dass alle Texte in kyrillischer Schrift ausgeführt wären – was wäre dann noch zu verstehen? Ergebnis: Zufriedene Gäste und Fehlinvestitionen vermieden Wenn die Angebote und Informationen nach diesen drei Faustregeln überprüft worden sind, ist bereits die nächste Etappe in Richtung »Barrierefreiheit« geschafft. Für die weitere Arbeit, die auf der erfolgten Überprüfung aufbaut, bietet sich ein Anforderungsprofil für das Informations-Buffet an, das mit Absicht nicht nach einzelnen »Behinderungsgruppen« differenziert, sondern nach inhaltlichen Erfordernissen. Zum Schluss ein Tipp: Es hat sich in der Praxis bewährt, wenn bei allen Maßnahmen, die für die Zukunft anstehen, die späteren Besucher/-innen 14 Die »Zwei-Kanal-Regel« wurde von TRACE, The Center for Universal Design, NC State University entwickelt. 15 Die »KISS-Regel« stammt aus der »Open Space«-Konferenzmethode nach Harrison Owen. Vgl. Burow 2000: 209.
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mit Beeinträchtigungen bei der Planung und der Ausführung beteiligt und mit ihnen auch Nutzungstests durchgeführt werden (vgl. Lebenshilfe Wittmund e.V./RUZ Schortens e.V. 2003b: 3). Dies bietet den Vorteil, dass die Gäste zufrieden sind und Fehlinvestitionen weitgehend ausgeschlossen werden können. Ist es das nicht wert? Literatur Burow, Olaf-Axel: Ich bin gut – wir sind besser. Erfolgsmodelle kreativer Gruppen, Stuttgart 2000. EUROSTAT (Hg.) (2001): Disability and Social Participation in Europe, Luxemburg. Lebenshilfe Wittmund e.V./RUZ Schortens e.V. (Hg.) (2003a): Natur für alle. Planungshilfen zur Barrierefreiheit, Planungshilfe 1, Wittmund: Eigenverlag. Lebenshilfe Wittmund e.V./RUZ Schortens e.V. (Hg.) (2003b): Natur für alle. Planungshilfen zur Barrierefreiheit, Planungshilfe 5, Wittmund: Eigenverlag. Nationalpark Berchtesgaden (Hg.) (2006): Modell-Management-Plan zum Thema »Barrierefreiheit« am Beispiel des Nationalparks Berchtesgaden, Berchtesgaden: Eigenverlag. Pfaff, Heiko und Mitarbeiterinnen (2004): Lebenslagen der behinderten Menschen. Ergebnisse des Mikrozensus 2003. In: Statistisches Bundesamt (Hg.): Wirtschaft und Statistik 10/2004, S. 1181-1194. Sozialgesetzbuch IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, § 69 (Feststellung der Behinderung, Ausweise).
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) vakat 052.p 154649785896
Kapitel 2 Spezifische Bedürfnisse in Museen: Eine Auswahl
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) T01_02 KAP-RESPEKT 2.p 154649785904
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) vakat 054.p 154649785952
Martina Bergmann ➔ Wie sich Museen hörgeschädigten Menschen öffnen können
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Barrierefreie Kommunikation – Wie sich Museen hörgeschädigten Menschen öffnen können
Martina Bergmann1 Einleitung Über 100 Jahre lang durften hörgeschädigte Menschen2 in der Schule keine Gebärdensprache benutzen. Der Unterricht fand in Lautsprache statt, und zwar wurde überwiegend gesprochen und abgelesen, daneben natürlich auch gelesen und geschrieben. Die Gebärden durften, wenn überhaupt, nur auf dem Schulhof benutzt werden. Mit der linguistischen Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache in den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts begann auch in Deutschland eine Emanzipationsbewegung unter den Gehörlosen. Mehr und mehr strebten sie danach, an gesellschaftlichen Ereignissen und Prozessen teilzunehmen. Dazu gehört auch die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, also auch an Veranstaltungen in Museen. Im Folgenden soll dargestellt werden, • was für Hörgeschädigte barrierefreie Kommunikation in Museen bedeutet; • wie heutzutage die Gruppe der Hörgeschädigten im Hinblick auf ihr Kommunikationsverhalten zu differenzieren ist;3 • wie bisherige Ansätze, Hörgeschädigte für Museen zu gewinnen, unter dem Aspekt einer barrierefreien Kommunikation einzuschätzen sind; • welche Anforderungen an eine hörgeschädigte Person gestellt werden, die bei einem Museumsdienst bzw. in einem Museumspädagogischen Zentrum mitarbeitet.
1 Unter Mitarbeit von Renate Poppendieker. 2 Die Trennung in Gehörlose und Schwerhörige ist relativ jung. So gibt es in Hamburg neben einer Gehörlosenschule, die schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, seit 1911 eine Schwerhörigenschule. Aber erst mit der Entwicklung der Hörgerätetechnik konnten ab den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts mittelgradig und hochgradig Schwerhörige von Gehörlosen unterschieden werden. 3 In diesem Beitrag wird die Gruppe der Taubblinden nicht berücksichtigt.
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Barrierefreie Kommunikation in Museen Hörgeschädigte sind im Hören behindert. Dies hat Auswirkungen auf den Erwerb von gesprochener und geschriebener Sprache, aber auch Konsequenzen für den Gebrauch von gesprochener Sprache in der Kommunikation mit Hörenden. Nun spielt aber in Museen bei der Vermittlung musealer Inhalte der Gebrauch von gesprochener und geschriebener Sprache eine zentrale Rolle: bei Gruppenführungen, individuellen Führungen mittels Audio-Guides, Kursangeboten, Informationstafeln, in Video- oder Filmbeiträgen. Immer ist die Lautsprache die entscheidende Trägerin der Informationen. Über das reine Vermitteln von Informationen hinaus aber haben Museumspädagoginnen und Museumspädagogen u.a. den Anspruch »Diskussionsforum für die Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen unserer Zeit vor dem Hintergrund der Sammlung« (Wildberger 1995) zu bieten. Dieser Anspruch lässt sich aber bei der Arbeit mit Hörgeschädigten nur dann verwirklichen, wenn die Kommunikation barrierefrei, d.h. ohne Hindernisse in beide Richtungen verlaufen kann. Eine solche Kommunikation setzt voraus, dass Adressat und Empfänger die gleiche Sprache sprechen, annähernd auch die gleichen Sprachebenen verwenden, gegenseitig über ihre Wissenshorizonte Bescheid wissen und über ein genügend großes, gemeinsames Interaktionswissen verfügen. Bei unterschiedlichen Sprachen gelingt die Kommunikation nur unter der Voraussetzung, dass ein Dolmetscher als Sprachmittler fungiert. Sind die Sprachebenen unterschiedlich, entstehen Barrieren aufgrund unterschiedlicher sozialer Stellungen. Weiß man zu wenig über den Wissenshorizont des Kommunikationspartners, dann sagt man zu wenig oder zu viel oder wählt die falschen Worte. Ist das Interaktionswissen zu unterschiedlich, entstehen Hemmungen oder Missverständnisse, die die Kommunikation unsymmetrisch werden lassen. Angebote für Hörgeschädigte in Museen müssen sich also daran messen lassen, wie symmetrisch die Kommunikation zwischen – ganz allgemein gesagt – dem Museum und den Hörgeschädigten verläuft. Da die Hörbehinderung nur in einer hörenden Umwelt eine Kommunikationsbehinderung ist, gibt es für diese Gruppe von Menschen mit Behinderung über die Barrieren im Museum hinaus noch zusätzliche Hindernisse im Vorfeld des eigentlichen Besuchs einer Museumsveranstaltung. Da sind einerseits die geschriebenen Informationsmaterialien – die Gemeinschaft der Gehörlosen funktioniert wie eine »oral community«. Alle wichtigen Informationen werden in der direkten Kommunikation von Gehörloser zu Gehörlosem weitergegeben. So muss sich ein museumspädagogischer Dienst, der in seinen Flyern Folgendes o.Ä. schreibt: »Die Kurse, Führungen etc. des Programms stehen behinderten Menschen offen […]. Wir be-
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raten Sie gerne« (Museumsdienst Köln 2005: 40), nicht wundern, wenn niemals Gehörlose sich dafür interessieren. Ein solches Angebot ist viel zu unspezifisch – Hörgeschädigte, insbesondere Gehörlose, verstehen sich nicht als Behinderte, allenfalls als kommunikativ Behinderte. Sie fühlen sich im Extremfall überhaupt nicht angesprochen. Die folgenden, beispielhaft ausgewählten Angebote sprechen Gehörlose zwar direkt an, gehen aber an den Möglichkeiten Hörgeschädigter vorbei bzw. bilden eine viel zu hohe Schwelle: »Zu den verschiedenen Angeboten des Museums zählen neben den individuellen Führungen für gehörlose Kinder auch Führungen für Erwachsene in Gebärdensprache […]. Anmeldung und nähere Information unter der Rufnummer […]«4 – »Gehörlosen-Gruppen können Führungen zu Terminen eigener Wahl buchen. Sie werden von einem Museumspädagogen, ggf. von einem Gehörlosen-Dolmetscher betreut. Rechtzeitige telefonische oder schriftliche Anmeldung wird erbeten: Tel: […] Fax […].« (Museumsdienst Köln 2005: 40)
Trotz der direkten Ansprache als Gehörlose ist der Erfolg solcher Angebote mäßig und der jeweilige Museumsdienst muss sich auch hierbei nicht wundern, wenn niemals Anfragen von Hörgeschädigten und speziell von Gehörlosen kommen. Aus der großen, heterogenen Gruppe der Hörgeschädigten können einige mit fremden Personen telefonieren. Und der Rest? Der soll sich per Fax oder E-Mail an einen Museumsdienst, eine offizielle Stelle, wenden? Da sitzen Hörende! Kann ich die da überhaupt verstehen? Können die mein Sprechen verstehen? Soll ich einen hörenden Freund bitten, für mich anzurufen? Soll ich lieber faxen? Aber mein Deutsch ist nicht perfekt, vielleicht ist es sogar schwer für Außenstehende zu verstehen! So formulierte Angebote bilden eindeutig eine Barriere auf Seiten der Museen, die durch ein technisches Hilfsmittel, wie das Bildtelefon, beseitigt werden kann. Das aber ist nicht genug: Am Bildtelefon muss eine Person ansprechbar sein, die den kommunikativen Bedürfnissen der jeweils anrufenden Hörbehinderten entsprechend antworten und beraten kann. Wüssten die Hörgeschädigten, dass ihre Faxe oder E-Mails von einer ebenfalls hörgeschädigten Person gelesen und bearbeitet werden würden, entfiele die Hemmschwelle, wie eine fehlerhaft formulierte schriftliche Anfrage sie mit sich bringt.
4 www.rhein-main.net/sixcmx/list.php?page=fn2_news_article&id=1477816 vom 10. Februar 2004.
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Welche Gruppen von Hörgeschädigten gibt es und wie sehen ihre Kommunikationsformen aus? Für Außenstehende, die weder privat noch beruflich Kontakt mit Hörgeschädigten haben, mag die Gruppe der Hörgeschädigten homogen erscheinen. ›Hörgeschädigte sind im Hören beeinträchtigt, sie können also gesprochene Sprache nicht (so) gut wahrnehmen. Also muss man sich doch nur bemühen, mit ihnen besonders laut und deutlich zu sprechen.‹ So oder ähnlich mag ein Außenstehender denken. Tatsächlich aber ist die Gruppe der Hörgeschädigten äußerst heterogen: nicht nur, was den Grad ihrer Hörschädigung angeht – von leichtgradig über mittelgradig und hochgradig schwerhörig bis praktisch taub –, sondern viel mehr noch in Bezug auf ihre kommunikativen Bedürfnisse. Und, was die Verhältnisse noch mehr kompliziert: Es gibt individuelle Vorlieben, die sich nicht automatisch nach dem Grad der Hörschädigung richten. So bedeutet Gehörlosigkeit nicht automatisch Gebärdensprache und auch leichte Schwerhörigkeit bedeutet nicht automatisch Lautsprache als bevorzugtes Kommunikationsmittel, wie dies auch Voit (2003) in ihrer Studie nachgewiesen hat. Darauf wird auch im Internetportal für Schwerhörige, Ertaubte und Cochlear Implantat-Träger5 hingewiesen: »Nicht alle Hörgeschädigten lassen sich allerdings eindeutig einer der genannten Zielgruppen zuordnen. Ein und dieselbe Person kann sich je nach Situation für unterschiedliche Kommunikationshilfen entscheiden. Außerdem bringen Personen mit gleichem Hörstatus nicht automatisch die gleichen Voraussetzungen für die Kommunikation mit und können daher jeweils andere Hilfen benötigen.«6
Diese Erkenntnis sollte Auswirkung haben auf die Ansprache der Gruppe der Hörgeschädigten durch die Museen. Also nicht »Angebote für Schwerhörige« oder »Angebote für Gehörlose«, sondern (eher) »Angebote für Hörgeschädigte mit lautsprachbegleitenden Gebärden« und »Angebote für Hörgeschädigte in Gebärdensprache«.7 Einen entsprechenden Wunsch
5 Ein Cochlear Implantat ist eine Innenohrprothese. Dabei werden operativ ins Innenohr (Cochlea) Elektroden als Ersatz für die nicht funktionsfähigen Haarzellen eingeführt. Die Lautsprachübertragung erfolgt über einen außen getragenen Sprachprozessor und dann über eine Magnetspule am Schädelknochen. 6 www.schwerhoerigen-netz.de/MAIN/stellung.asp?inhalt=K. vom 13. September 2006. 7 Auf die Unterschiede zwischen lautsprachbegleitenden Gebärden und Gebärdensprache wird weiter unten näher eingegangen.
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äußern auch jugendliche Schwerhörige vom Hamburger Schwerhörigenverein in einem Schreiben an die Behörde.8 Im Folgenden soll zunächst genauer dargelegt werden, welche unterschiedlichen Kommunikationsformen unter Hörgeschädigten üblich sind. Danach werden die unterschiedlichen Gruppen von Hörgeschädigten näher beschrieben. Die meisten Gehörlosen, aber auch (hochgradig) Schwerhörige benutzen untereinander als Kommunikationsmittel Gebärdensprache. Diese ist in Deutschland die Deutsche Gebärdensprache, abgekürzt DGS.9 Noch vor 25 Jahren galt diese Art des Miteinander-Kommunizierens abwertend als »Plaudern«, als eine Art falsches, verkürztes Deutsch. Doch Dank zunächst der Arbeiten US-amerikanischer Linguisten erkannte man auch in Deutschland, dass es sich dabei um eine eigene Sprache handelt. Inzwischen sind die Gebärdensprachen in einer UN-Konvention10 als den Lautsprachen gleichwertig anerkannt. Eine entsprechende Erklärung liegt vom Europäischen Parlament vor. Noch vor dieser linguistischen Anerkennung der Gebärdensprachen entwickelten Pädagogen in den Gehörlosenschulen den lautsprachbegleitenden bzw. lautsprachunterstützenden Einsatz von Gebärden. Einige Gehörlose kommunizieren so mit Hörenden, die Gebärden, jedoch nicht die Gebärdensprache beherrschen. Seit einigen Jahren wächst die Zahl Schwerhöriger, die Gebärden können und diese Gebärden parallel beim Sprechen miteinander als Wahrnehmungshilfe verwenden. Kommunikationsformen Hörgeschädigter Die Deutsche Gebärdensprache ist, wie jede andere nationale Gebärdensprache, eigenständig. Neben Gebärdenzeichen sind Mimik, Gestik der Hände und des Mundes für die Bedeutung wichtig. Die Grammatik ist räumlich orientiert, und es haben sich eigene, von der deutschen Lautsprache unabhängige, semantische Felder herausgebildet. Wie alle Gebärdensprachen wird auch die DGS bisher nur in der »face-to-faceKommunikation« verwendet, es hat sich bisher also noch kein eigenes
8 Jugendgruppe des Hamburger Schwerhörigenvereins: Unveröffentlichter Antrag an die Behörde für Familie, Jugend und Soziales 2006. 9 In jedem Land haben die Gehörlosen eine eigene Gebärdensprache, die sich – nach heutigem Erkenntnisstand – vor allem im Vokabular, z.T. auch in der Grammatik unterscheiden. 10 UN-Konvention zur Förderung und zum Schutz der Rechte und Würde von Menschen mit Behinderung von 2006.
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Schriftsystem entwickelt. Integrativer Bestandteil der Gebärdensprache ist das Fingeralphabet. Aufgrund der Tatsache, dass die DGS erst seit sehr kurzer Zeit auch offiziell in Bildungszusammenhängen verwendet werden darf, ist das Repertoire für Fachgebärden noch sehr spärlich entwickelt. Das gilt auch für Vokabeln aus dem Bereich der Kunst und angrenzenden Gebieten. Das Fingeralphabet (kurz: FA) ist ein Handalphabet, mit dem die 26 Buchstaben sowie die drei Umlaute, ß und die Buchstabenkombination »sch« visuell mit einer Hand dargestellt werden können. Es dient vor allem dazu, Namen oder Fachworte zu buchstabieren (d.h. zu »fingern«), für die dann anschließend eine Gebärde eingeführt wird. Das Fingeralphabet alleine, d.h. ohne Gebärden, ist zur Kommunikation nicht geeignet. Es ist zu langsam in der Produktion und stellt zu hohe Anforderungen an die Wahrnehmung. Bei lautsprachbegleitenden Gebärden (kurz: LBG) wird mit Stimme Deutsch gesprochen und parallel dazu jedes bzw. fast jedes Wort mit einer Gebärde – entlehnt aus der Deutschen Gebärdensprache – begleitet. Dabei handelt es sich praktisch um visualisiertes Deutsch. Natürlich ist diese Art verfremdeter Verwendung von Gebärden nicht ganz unproblematisch. Diese Problematik spielt für unseren Zusammenhang aber keine Rolle. Es ist lediglich wichtig, dass LBG als Kommunikationsmittel funktionieren kann. Im Unterschied zu lautsprachbegleitenden Gebärden wird bei lautsprachunterstützenden Gebärden (kurz: LUG) nicht jedes Wort mit einer Gebärde begleitet, sondern überwiegend nur solche Wörter, die eine tragende Bedeutung haben. Es gibt – nicht nur leichtgradig – Hörgeschädigte, die untereinander oder auch mit Hörenden nur lautsprachlich ohne besondere visuelle Unterstützung kommunizieren. Sie tragen ihre individuellen Hörhilfen (Hörgeräte, Cochlear Implantat), sind aber in Gruppensituationen, also auch bei Führungen, auf besondere Bedingungen angewiesen: • Die Lichtverhältnisse müssen so sein, dass das Licht auf das Gesicht des Sprechenden fällt, anstatt von hinten zu kommen und so das Gesicht mit den Lippen im Schatten liegt. • Überhaupt müssen die Lippen eines Führers zu sehen sein, er sollte also kein Bartträger sein. Andere Dinge wie eine Zahnspange, ein Kaugummi oder ein Dialekt können das Ablesen von den Lippen, das auch leichtgradig Hörgeschädigte zusätzlich zum beeinträchtigten Hören benötigen, erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. • Der Störschall darf im Verhältnis zum Nutzschall nicht höher liegen.
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Störschall kann z.B. sein: Trittgeräusche von umhergehenden Museumsbesuchern, Gespräche anderer Museumsbesucher, vorbeifahrende Autos, eine defekte, summende Lichtquelle. • Förderlich für die lautsprachliche Kommunikation kann eine Induktionsschleife sein, die bei entsprechender Einstellung der individuellen Hörhilfen den Störschall ausblenden und den Nutzschall über ein Mikrofon direkt zu den Hörgeräten leitet. Dies ist eine bauliche Maßnahme, die vor allem in Vortrags- und Filmvorführräumen zum Tragen kommen kann. Aber nicht alle individuellen Hörhilfen verfügen über eine Einstellung, die die Nutzung von Induktionsschleifen erlaubt. Die Gruppe der Hörgeschädigten ist nicht homogen Ganz grob lassen sich die Hörgeschädigten in Gehörlose und Schwerhörige einteilen. Früher erfolgte das in der Hörgeschädigtenpädagogik nach dem Grad der Hörschädigung. Wer mehr als 90 dB Hörverlust hatte, galt als gehörlos, weil mit einem solch großen Hörverlust die gesprochene Sprache nicht mehr über das Ohr, sondern auf künstlichem Weg, durch Artikulationsunterricht, erlernt werden musste. Diese Grenze gilt aber heute nicht mehr, da sich einerseits die technischen und medizinischen Möglichkeiten stark verändert haben und andererseits durch eine stark verbesserte Früherkennung heute auch Kinder mit größeren Hörverlusten die gesprochene Sprache auf natürlichem Weg mit Hörhilfen über das Ohr erlernen können. In der Gruppe der Hörgeschädigten war und ist die Selbstdefinition aber durchaus anders, d.h. nicht am Grad der Hörschädigung bzw. an der Art der Lautspracherlernung – natürlich vs. künstlich – orientiert. Die Orientierung erfolgt vor allem an dem überwiegend bevorzugten Kommunikationsmittel und an der Lebensorientierung (vgl. oben) entweder hin zur Gehörlosengemeinschaft, zum Schwerhörigenverein oder hin zu Hörenden. Die meisten gehörlosen Erwachsenen bevorzugen für die Kommunikation miteinander DGS. Zur Zeit kann man sagen, dass sie diese auf informellem Wege von älteren Gehörlosen erlernt haben. In Bildungszusammenhängen haben bisher nur die wenigsten Gehörlosen DGS erlebt. Erst 2005 wurde der erste Jahrgang von jungen gehörlosen Erwachsenen, die DGS offiziell als Unterrichtssprache und -gegenstand benutzen durften, in Hamburg aus der Schule entlassen. Dies bedeutet – überspitzt, aber auch vereinfachend gesagt: je älter ein Gehörloser, desto weniger ist seine DGS entwickelt und umgekehrt. Bei gehörlosen Kindern liegt eine ähnlich heterogene Situation vor. Einerseits gibt es gehörlose Kinder gehörloser Eltern, die von Anfang an altersgemäß
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DGS lernen. Das andere Extrem sind Kinder von hörenden Eltern, die, aus welchen Gründen auch immer, mit Schuleintritt über keine Sprache verfügen, weder über Gebärdensprache noch über Lautsprache. Innerhalb der Gruppe der Gehörlosen gibt es solche mit einer zusätzlichen Behinderung. Für die Frage nach der Zugänglichkeit von Museumsangeboten sind von diesen zusätzlichen Behinderungen vor allem eine geistige Behinderung und das Usher-Syndrom relevant (s.u.), da diese beiden Gruppen wiederum eine je spezielle Ansprache benötigen. Menschen, die im Erwachsenenalter ertauben, also Spätertaubte, erlernen meistens keine Gebärdensprache mehr und auch keine lautsprachbegleitenden Gebärden. Sie bleiben bei einer – wenn auch in der Wahrnehmung eingeschränkten – rein lautsprachlichen Kommunikation. Schwerhörige, die DGS benutzen, haben meist gehörlose Eltern, eine gehörlose Lebenspartnerin oder gehörlose Freunde. Der Großteil der Schwerhörigen kommuniziert untereinander lautsprachlich, gegebenenfalls mit LBG oder eher mit LUG. Der Anteil der Schwerhörigen, die zusätzlich Gebärden einsetzen, ist besonders unter jugendlichen Schwerhörigen stark zunehmend. Das Usher-Syndrom ist eine Hörsehbehinderung und ist erblich bedingt. Die davon betroffenen Menschen sind von Geburt an beidseitig gehörlos. Später setzt der Verlust des Sehfeldes ein und zwar von der Peripherie her hin zum Zentrum der Netzhaut. Umgangssprachlich spricht man von einem sich immer mehr verengenden Tunnelblick. Welche Ansätze zu einer barrierefreien bzw. barrierefreieren Kommunikation gibt es schon in den Museen? In den letzten Jahren ist in Deutschland und im europäischen Ausland Verschiedenes versucht worden, um Hörgeschädigte zu Führungen in die Museen zu holen. Diese unterschiedlichen Wege sollen hier vorgestellt und eingeschätzt werden. Diese Einschätzung stützt sich auf die über zehnjährige Erfahrung der Autorin bei der Mitarbeit im Museumsdienst in Hamburg. Sie basieren auf: • Gesprächen mit hörgeschädigten Teilnehmern; • Äußerungen von Hörgeschädigten aus anderen Städten, die dort an Führungen teilgenommen haben; • Rückmeldungen durch Teilnehmer an Führungen in schriftlicher Form; • Austausch mit Funktionsträgern in den Vereinen der Gehörlosen bzw. der Schwerhörigen.
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Führungen für Hörgeschädigte durch Hörende Für die hörenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Museumsdiensten bzw. Museumspädagogischen Zentren ist es vielleicht zunächst naheliegend, ihre hörenden Experten auch Führungen für Hörgeschädigte machen zu lassen – und so wurden und werden Führungen mit DGS-Dolmetschern angeboten. Diese Angebote werden von Gehörlosen zwiespältig wahrgenommen. Einerseits sind Gehörlose froh und dankbar, an einer Führung teilnehmen zu können und von einem Experten durch eine Ausstellung geleitet zu werden. Andererseits beklagen sie die automatisch mit einer Dolmetschsituation gegebenen Nachteile: Dolmetscher verwenden in formellen Situationen, wie eine Führung es ist, die Gebärdensprache nicht so, wie Gehörlose sie untereinander benutzen. Die Vermittlung durch einen Dolmetscher ist zeitlich verzögert. Ist eine gedolmetschte Äußerung von den Gehörlosen wahrgenommen und verstanden worden und möchten sie dazu etwas fragen oder äußern, ist der hörende Mitarbeiter längst bei seinem nächsten Punkt. Gehörlose wissen das und unterlassen in den meisten Fällen, insbesondere bei fremden Hörenden, einen eigenen Beitrag. Ein Gespräch, ein Austausch kann so kaum zustande kommen. Der oben zitierte Anspruch von Wildberger kann so kaum umgesetzt werden. Es handelt sich bei gedolmetschten Führungen also meistens um eine Einwegkommunikation. Der Hörende spricht, der Dolmetscher übersetzt, so gut er es ohne Fachvokabular11 kann oder buchstabiert Fachvokabeln mittels Fingeralphabet und die gehörlosen Teilnehmerinnen und Teilnehmer schauen zu. Sie haben deswegen den Eindruck, dass sie nicht wirklich ihre Sprache sehen (vgl. Hillert 2006: 292). So beschreibt es auch Bouchauveau, einer der gehörlosen Mitarbeiter in Pariser Museen: »I was delighted when I heard the news, believing that the solution [d.i. Führungen mit simultaner Übersetzung in Gebärdensprache durch einen Dolmetscher] was the correct one and that I was at last going to be able to understand the lecturer. But when I arrived on the spot I was a bit disappointed: it is excellent that there are interpreters, but the lecturer, who can hear, remains what he or she is, with a culture and rhythm which are different from those of the deaf. I have difficulty in asking questions of such a person, and using an interpreter necessarily creates an indirect relationship which is not plain sailing.« (Bouchauveau 2002: 16)
11 Vgl. dazu die obigen Ausführungen zur »Deutschen Gebärdensprache«.
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Es handelt sich also bei einer in DGS gedolmetschten Führung zwar um eine barrierefreiere Kommunikation. Diese Konstellation mit einem Sprachmittler ermöglicht aber keine wirklich symmetrische Kommunikation. Von einer Extremform einer solchen »barrierefreieren« Kommunikation berichtet ein Gehörloser, der in Essen an einer Führung teilgenommen hat.12 Nicht die Worte einer hörenden Museumsführerin wurden von einem DGS-Dolmetscher übersetzt, sondern der Text des Audio-Guides. Der Dolmetscher hatte sich diesen um den Hals gehängt und ging mit den Gehörlosen den durch Nummerierung der Beiträge vorgegebenen Weg durch die Ausstellung. Der Gehörlose berichtet, dass diese Art der Führung ausgesprochen unbefriedigend aufgenommen wurde. Nicht nur gab es keine Chance nachzufragen, auch ein wiederholtes Abspielen eines Textes – wie man es als Einzelbesucher ja nach Belieben oft machen kann – ist erstens wegen der Gruppensituation nicht möglich gewesen. Zweitens ist der Einzeleinsatz eines Dolmetschers begrenzt. Laut Berufs- und Ehrenkodex darf ein Dolmetscher alleine nicht länger als 60 Minuten arbeiten. Im Regionalmuseum in Xanten ist man einen anderen Weg gegangen. Dort erhielten Führer des Archäologischen Parks und Regionalmuseums »einen einwöchigen Gebärdenkurs« (Hilke 2001: 22). Reaktionen von teilnehmenden Gehörlosen sind nicht veröffentlicht, diese Praxis wird aber von den dortigen Macherinnen selber kritisch gesehen. »Die Gebärdensprache ist eigenständig und genauso schwer zu erlernen wie jede andere Sprache.« (Ebd.) Diese Äußerung sagt eigentlich schon alles: Nur wer als Hörender die Deutsche Gebärdensprache so gut beherrscht wie Gehörlose – und damit auch die kommunikativen Strategien sowie kulturellen Besonderheiten Gehörloser –, käme in sprachlicher Hinsicht in Frage, eine Führung oder einen Kurs in DGS anzubieten. Und obwohl hier im Xantener Beispiel versucht wurde, direkt von Museumspädagogen zu hörbehinderten Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu kommunizieren, kann es sich nach einem einwöchigen Training in keiner Weise um eine barrierefreie Kommunikation handeln, wenn überhaupt ein Gespräch zustande gekommen sein sollte. In Hamburg werden in Zusammenarbeit mit dem Schwerhörigenverein schon seit längerer Zeit Führungen für Schwerhörige, die Lautsprache mit technischen Hilfsmitteln sowie bei guten Lichtverhältnissen wahrnehmen können, von immer derselben Mitarbeiterin mit gutem Erfolg durchgeführt. Die Teilnehmenden sind überwiegend ältere Schwerhörige, die keine manuellen Hilfen wie LUG, LBG oder FA beherrschen. Diese Mitarbeiterin verwendet dabei eine sogenannte FM-Anlage.
12 Mündliche Mitteilung von Ralf Kaltenborn im August 2006.
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Eine FM-Anlage ist eine drahtlose Tonverstärkeranlage, die den Störschall ausblendet. Die von der Führerin gesprochenen Worte kommen so über die individuellen Hörgeräte direkt auf die Ohren der schwerhörigen Teilnehmer. Jeder Teilnehmer trägt zusätzlich zu seinen individuellen Hörgeräten einen Empfänger, der mit den individuellen Hörgeräten über einen Steckschuh verbunden wird. Die Führende spricht in ein Mikrofon. Da es sich um immer dieselbe Mitarbeiterin handelt, hat diese sich mit den speziellen Kommunikationsbedürfnissen dieser Gruppe Hörgeschädigter vertraut gemacht und sich in das nicht immer normal klingende Sprechen der Schwerhörigen eingehört. Sie weiß, dass sie das Mikrofon der jeweils Sprechenden reichen muss – so kann auch ein Austausch innerhalb der teilnehmenden hörbehinderten Museumsbesucher stattfinden. Für Schwerhörige, für die auch mit solchen technischen Hilfsmitteln die Wahrnehmung gesprochener Sprache zu anstrengend ist, ist eine solche Art von Führung jedoch nicht geeignet. »Visual Guides« anstatt Audio-Guides In einigen Museen im Ausland ist die Idee aufgekommen, kleine tragbare Geräte mit einem Bildschirm, auf dem mittels einer Tastatur Informationstexte zu den ausgestellten Gegenständen aufgerufen werden können, zu entwickeln. Sie entsprechen den Audio-Guides für Hörende und könnten somit »Visual Guides« genannt werden. Für Hörgeschädigte, die über ausreichend Lesekompetenz verfügen, könnte dies ein gutes Angebot für ständige Sammlungen sowie Sonderausstellungen werden – analog den Audio-Guides für Hörende. Im Rahmen der Arbeit der Firma »Gebärdenwerk«13 wurde in Hamburg die Idee entwickelt, tragbare Bildschirmgeräte nicht mit geschriebenen, sondern mit gebärdeten Texten zu versehen. Dies ist bisher über eine Planungsphase nicht hinausgewachsen. Solche gebärdeten Erläuterungen via Bildschirm wären zugänglich für alle Hörgeschädigten, die DGS beherrschen, und wären individuell nutzbar, d.h. also unabhängig davon, ob in dem jeweiligen Museum eine gehörlose Person für Gruppenführungen zur Verfügung steht. Wegen des hohen finanziellen und zeitlichen Aufwands bei der Produktion von digitalen Filmen in Gebärdensprache kommen sie wohl nur für viel besuchte ständige Sammlungen in Frage. Zunächst müssten ja die deutschen Texte eines Audio-Guides in DGS übersetzt, dann von einer gehörlosen Person gebärdet und dann der digitale Film produziert werden. 13 Informationen zu der Arbeit von »Gebärdenwerk« unter www.gebaerdenwerk.de.
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Führungen für Hörgeschädigte durch Hörgeschädigte Abbildung 1: Eine Führung in der Deichtorhalle Hamburg
Foto: Jochen Muhs
Es gibt in Deutschland Orte, in denen Gehörlose selbst Führungen in DGS anbieten. Diese Entwicklung begann bei den Städteführungen, so z.B. in Stade, Berlin, Osnabrück, Nürnberg und München. Gehörlose wurden in einer Schulung mit dem notwendigen Fachwissen versehen und stehen nun auf Anfrage für eine Stadtführung bereit. Diese Angebote haben sich herumgesprochen und werden gerne in Anspruch genommen. Neuer und weniger verbreitet sind Angebote von Führungen oder Praxiskursen in Museen. Für beide Arten von Angeboten – Stadtführung und Museumsführung – aber gilt: Sie werden sehr positiv bewertet, vor allem wegen der direkten Kommunikation in DGS, die nicht den Umweg über einen Dolmetscher als Sprachmittler nehmen muss. Aber auch deshalb, weil die führende gehörlose Person sofort mitbekommt, wenn ein Teilnehmer etwas nicht verstanden hat oder sonstiger Gesprächsbedarf entsteht. Sie kann sofort ihre Ausführungen unterbrechen, das Problem, die Frage, die Bemerkung aufgreifen und alle können ohne Kommunikationsbarriere miteinander in ein Gespräch kommen. Dieser Aspekt ist es, den hörgeschädigte Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer wieder als besonders positiv hervorheben. Hinzu kommt, dass sie bei einer Führung durch eine Person aus der Gehörlosengemeinschaft ein Gefühl der Kommunikation ›auf Augenhöhe‹ haben. In einer Kommunikationssituation mit einem Hörenden entsteht demgegenüber sehr schnell das Gefühl eines Gefälles. Ein weiterer positiver Aspekt liegt darin, dass Gehörlose Fachvokabular, für das es (noch) keine Gebärdenzeichen gibt oder das die hörgeschädigten Teilnehmenden noch nicht kennen, entsprechend einführen und erklären
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können. Ein hörender Mitarbeiter weiß nicht, für welches Fachwort kein Gebärdenzeichen vorhanden ist und erklärt nicht dementsprechend. Ein Dolmetscher verstieße gegen den Berufs- und Ehrenkodex, wenn er mehr als eine Sprachvermittlung vornähme. Darüber hinaus ist eine gehörlose Person eher in der Lage, sich den Bedürfnissen der unterschiedlichen hörgeschädigten Besuchergruppen anzupassen: Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Senioren, zusätzlich geistig oder sehbehinderten Hörgeschädigten, die DGS benutzen. Auf einen besonderen Aspekt bei Führungen durch selbst Betroffene in Bezug auf gehörlose Kinder verweist auch Derycke: »For children it is also most important, since it will place the deaf children face to face with a deaf adult appearing as a highly qualified person (instead of the usual non-deaf adult), and will enable them to conceive of the possibility of acquiring the same sort of knowledge themselves.« (Derycke 2002: 163)
Erst seit kurzem (Frühjahr 2006) arbeitet beim Museumsdienst in Hamburg eine schwerhörige Frau als freie Mitarbeiterin, die Führungen in Lautsprache ohne zusätzliche technische Hilfsmittel mit unterstützenden Gebärden (LUG) anbietet. Diese Angebote wurden sofort gut angenommen (vgl. Kopp 2006). Auch hier gelten die oben erwähnten Vorteile, wenn ein selbst Betroffener Führungen anbietet: Die Kommunikation ist entspannter und gleichwertig. Führende und Geführte haben die gleichen Probleme beim Wahrnehmen gesprochener Sprache, sie wissen um diese Probleme und haben Techniken erlernt, mit ihnen umzugehen. Ebenfalls noch neu in Hamburg ist das Angebot einer schwerhörigen promovierten Mitarbeiterin eines Museums, Führungen mit technischen Hilfsmitteln und auch mit unterstützenden Gebärden anzubieten – allerdings nur in dem Museum, in dem sie angestellt ist. Die ersten Reaktionen auf dieses Angebot waren ebenfalls sehr positiv: »So macht Museum Spaß. […] Verena Fink, die Mitarbeiterin des Museums, hat uns kompetent geführt. Es ist ihr gelungen, mein Interesse an Ausstellungen und Museen auf für mich unbekanntem Gebiet zu wecken.« (Preuß 2006: 8)
Bei den Überlegungen, auf welche Weise Hörgeschädigten der Zugang zu den verschiedenen Angeboten in Museen ermöglicht werden kann, dürfte deutlich geworden sein, dass es die eine optimale Lösung nicht gibt. Erstens ist die Gruppe der Hörgeschädigten mindestens in zwei Untergruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zu unterteilen. Zweitens ist es auch abhängig von den Angeboten selbst: Handelt es sich um eine Führung durch die Sammlung, durch eine Sonderausstellung, ist es ein Film-, Fernseh- oder
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Videobeitrag, eine Informationstafel oder ein Kursangebot? Andererseits sollten die obigen Darstellungen der verschiedenen bisher ausprobierten Wege, Hörbehinderten einen Zugang zu Museen zu ermöglichen, deutlich gemacht haben, dass unter dem Aspekt einer barrierefreien Kommunikation keineswegs alle Wege gleichwertig sind und dass ein Weg allein nicht ausreicht, um die Türen für alle Hörgeschädigten zu öffnen. Die bisherige Praxis in Hamburg aber hat gezeigt, dass, je breiter das Spektrum in Bezug auf die Kommunikationsform ist, d.h. wie museale Inhalte Hörgeschädigten vermittelt werden, desto mehr unterschiedliche Hörgeschädigte diese Angebote des Museumsdienstes in Anspruch nehmen. Diese Praxis hat sich im Verlauf der letzten zehn bis fünfzehn Jahre entwickelt und ist vor allem im Hinblick auf die Angebote mit Praxisteil noch verbesserungswürdig. Bei allen personalen oder technischen Überlegungen und Entscheidungen sollte folgender Aspekt nicht vergessen werden: Die Gruppe der Hörgeschädigten ist nicht besonders groß. So geht der Deutsche Gehörlosenbund davon aus, dass in Deutschland ca. 101.000 Gehörlose leben. Die Zahl der von Geburt an Schwerhörigen liegt mit ca. 2,4 Millionen um das Sechsfache höher. Wenn an einer Führung mehr als zehn Personen teilnehmen, so ist das schon erstaunlich viel. Dies sollte bei der Preisgestaltung von Gruppenführungen für Hörgeschädigte berücksichtigt werden. Welche Anforderungen werden an eine Person gestellt, die Angebote für Hörgeschädigte macht? In Anbetracht der Tatsache, dass feste Stellen für Hörgeschädigte bei Museumsdiensten in Zukunft sicher an einer Hand abzuzählen sein werden, wird bestimmt kaum ein Gehörloser oder Schwerhöriger ein Studium der Kunstpädagogik oder der Kunstgeschichte absolvieren. So werden auch die bisherigen Angebote von Hörgeschädigten gemacht, die keine spezielle fachliche Ausbildung für die museumspädagogische Arbeit haben. Sie sind, was die inhaltlichen Aspekte betrifft, entweder Autodidakten oder haben spezielle Qualifikationsmaßnahmen besucht (vgl. auch Bouchauveau 2002: 161). Im Hinblick auf die pädagogischen Fähigkeiten kann man wohl eher von einem »Learning by Doing« sprechen. In Hamburg stehen die allgemeinen Fortbildungsangebote für Museumspädagogen und Einführungen in Sonderausstellungen natürlich auch den hörgeschädigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern offen. Sie nehmen an diesen mit DGS-Dolmetschern und/oder Mikroportanlage teil. Die Mikroportanlage ist eine drahtlose Verstärkeranlage, die zusätzlich zu den individuellen Hörgeräten eingesetzt werden kann. Sie ist jeweils
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individuell für die betroffene Person eingestellt. Sie wird vor allem dann eingesetzt, wenn eine schwerhörige Person an einer Gruppe mit Hörenden teilnimmt. Der jeweils Sprechende bekommt ein kleines Mikrofon und einen Sender angesteckt und die schwerhörige Person steckt einen zusätzlichen Schuh auf ihr Hörgerät, dass mit einem kleinen Empfänger verbunden ist. Auf diese Weise bekommt sie das Gesprochene ohne Störschall so auf ihr Ohr, als spräche jemand direkt aus unmittelbarer Nähe zu ihr. Als Problem dabei hat sich herausgestellt, dass die Termine für solche Veranstaltungen oftmals kurzfristig festgelegt oder geändert werden. Dies gestaltet die Dolmetscherbestellung schwierig. Kurzfristig Dolmetscher für solche fachspezifischen Aufträge zu bekommen, ist zeitaufwendig und nicht einfach. Kurzfristig geänderte Termine, für die schon Dolmetscher beauftragt waren, werden auf Dauer teuer. Bis 2006 lagen die Kosten, die das Integrationsamt bis zu einer bestimmten Summe pro Jahr für schwerbehinderte feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernimmt, bei 40 EUR, seit 2007 bei 42,50 EUR pro Stunde. Hinzu kommt eine Stunde Bezahlung als Fahrzeitpauschale. Dauert eine Veranstaltung länger als eine Stunde, müssen zwei Dolmetscher bestellt und bezahlt werden. Diese Kosten fallen auch an, wenn die Veranstaltung kurzfristig abgesagt oder verschoben wird. Entscheidet sich ein Museumsdienst dafür, einen hörgeschädigten Mitarbeiter zu engagieren, damit Angebote für Hörgeschädigte von einem Betroffenen selbst durchgeführt werden können, sollte dies zunächst auf der Basis als freie Mitarbeiter erfolgen. Denn nur so kann festgestellt werden, ob dieser sich wirklich für die Aufgabe, für die er keine Ausbildung hat, eignet. Wichtig ist, dass diese Person: • sowohl DGS als auch Deutsch in geschriebener Form gut beherrscht; • DGS in ansprechender und lebendiger14 Form bei Führungen einsetzen kann; • gute Kontakte zur lokalen Gehörlosengemeinschaft und zu Schwerhörigen hat bzw. diese Kontakte aufbauen kann; • über die kulturellen Besonderheiten in beiden Gruppen von Hörgeschädigten informiert ist; • auch die Sondergruppen innerhalb der Hörgeschädigten (Personen mit Usher-Syndrom, zusätzlich geistig Behinderte, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren) kennt und anzusprechen weiß; • eine Wissensbasis in Bezug auf Kunstgeschichte und weitere vorhandene Museumsinhalte hat sowie bereit ist, diese auszubauen; 14 Auch bei Gebärdensprachbenutzern gibt es so etwas wie z.B. »Nuschler«.
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• in der Lage ist, ihre Klientel zu beraten; • gegebenenfalls später hinzukommende hörgeschädigte freie Mitarbeiter zu beraten weiß; • in der Lage ist, in einem überwiegend hörenden Umfeld ihre Arbeit zu machen. Hat man eine Person gefunden, die geeignet scheint, ein entsprechendes Angebot für Hörgeschädigte zu entwickeln und durchzuführen, dann wird der Arbeitsplatz mit Mitteln des Integrationsamtes einmalig behindertengerecht eingerichtet und mit den für Hörgeschädigte notwendigen technischen Hilfsmitteln (wie Bildtelefon, Faxgerät, Computer mit Internetanschluss, Webcam, Lichtklingeln, Mobiltelefon mit Fax- und SMS-Funktion für den Dienst unterwegs) ausgestattet. Die Kosten für Dolmetscher bei Dienstbesprechungen, Einführungen, Telefonkontakten mit Hörenden u.Ä. werden – wie oben schon erwähnt – bis zu einer bestimmten Summe im Jahr ebenfalls vom Integrationsamt übernommen. Solange eine hörgeschädigte Person aber als freier Mitarbeiter tätig ist, fließen vom Integrationsamt keine Gelder, und besonders für die Teilnahme an Einführungen zu Sonderausstellungen müssen Wege gesucht werden, wie ein gegebenenfalls notwendiger Einsatz von Dolmetschern finanziert werden kann. Zusammenfassende Hinweise • Sprechen Sie Hörgeschädigte nicht allgemein als Behinderte an, sondern als Gehörlose und/oder Schwerhörige. • Schaffen Sie ein Bildtelefon für Ihren Dienst an und drucken Sie in Ihren Informationsbroschüren u.Ä. dessen Nummer unter »BT« für Bildtelefon ab. • Lassen Sie das Bildtelefon von einer Person beantworten, die mit Gehörlosen und Schwerhörigen mühelos kommunizieren kann. • Schreiben Sie statt »Angebote für Hörgeschädigte« »Angebote in Gebärdensprache« und »Angebote mit lautsprachbegleitenden Gebärden« und mit »lautsprachunterstützenden Gebärden«. • Gedolmetschte Führungen sind besser als gar keine Führungen. Wenn Sie solche Führungen anbieten, sollten Sie den Dolmetschern auch die Vorbereitungszeit bezahlen. Nur so können diese eine angemessene Qualität bieten. Nehmen Sie Kontakt zum ortsansässigen Verband der Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher auf und sprechen Sie Ihr Vorhaben mit diesem ab. • Sorgen Sie für eine Bekanntgabe Ihres Angebots in Absprache mit dem ortsansässigen Verband der Gehörlosen und dem für Schwer-
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hörige. Schriftliche Ankündigungen in Zeitungen, Prospekten, Broschüren u.Ä. werden von Gehörlosen nicht wahrgenommen. Bieten Sie keine Führungen an, bei denen der Dolmetscher den Audio-Guide-Text übersetzt. Denken Sie an die verschiedenen Gruppen von Hörgeschädigten. Es gibt nicht nur Gehörlose, die DGS verwenden, sondern auch Schwerhörige, die nicht notwendigerweise auch DGS beherrschen. Gehörlose werden am besten durch eine gebärdensprachkompetente, ebenfalls hörgeschädigte Person angesprochen. Schwerhörige benötigen ein differenziertes Angebot. Ein solches Angebot sollte Führungen mit FM-Anlage, aber auch Führungen durch Schwerhörige mit Unterstützung durch Gebärden umfassen. Unterstützen Sie hörgeschädigte Personen, die Interesse bekunden, als freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ihren Diensten mitzuwirken. Lassen Sie Hörbehinderte es selber tun! Wenden Sie sich gegebenenfalls zur Beratung und Unterstützung für Ihre Vorhaben an die Autorin.15
Literatur Bouchauveau, Guy (2002): Reception Services for the Deaf at the Cité des Sciences et de l’Industrie at La Vilette in Paris. In: Fondation de France/ ICOM (Hg.): Museums Without Barriers. A New Deal for Disabled People, 3. Aufl., London/New York, S. 160-162. Derycke, Béatrice (2002): International Visual Art for the Deaf. In: Fondation de France/ICOM (Hg.): Museums Without Barriers. A New Deal for Disabled People, 3. Aufl., London/New York, S. 163-164. Fondation de France/ICOM (Hg.) (2002): Museums Without Barriers. A New Deal for Disabled People, 3. Aufl., London/New York. Hilke, Marianne (2001): Wohnen in der Herberge. In: Standbein Spielbein Nr. 59, Barriere-Frei – Teilhabe von Menschen mit Behinderung im/am Museum. Museumspädagogik aktuell, S. 21-22. Hillert, Gudrun (2006): Gebärdensprachdolmetschen: Aktuelle Schlagwörter im Licht persönlicher Erfahrungen – Hinweise und Tipps für BerufseinsteigerInnen. In: Das Zeichen 73, 20. Jg., S. 286-301. Jugendgruppe des Hamburger Schwerhörigenvereins (2006): Unveröffentlichter Antrag an die Behörde für Familie, Jugend und Soziales. 15 Der MUSEUMSDIENST Hamburg; Glockengießerwall 5A; 20095 Hamburg; Fax: 040-427924324; E-Mail: [email protected]; Internet: www. museumsdienst.hamburg.de.
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Kölner Museumsdienst (2005): Halbjahresprogramm des Museumsdienstes Köln, 1. Halbjahr 2005, Behinderte im Museum. Kopp, Christiane (2006): Führung durch die Ausstellung von Pieter Lastmann an der Hamburger Kunsthalle am 18. Juni 2006 von Gunda Schröder. In: Bund der Schwerhörigen e.V. Hamburg (Hg.): BdS aktuell, Ausgabe September/Oktober, S. 5-6. Preuß, Jana (2006): ENTFESSELT – eine Museumsführung. In: Bund der Schwerhörigen e.V. Hamburg (Hg.): BdS aktuell, Ausgabe Juli/August, S. 8. UN-Konvention: Entwurf zur UN-Konvention zur Förderung und zum Schutz der Rechte und Würde von Menschen mit Behinderung vom 25. August 2006. Voit, Helga (2003): Sprach(en)wahl, Zuordnungsentscheidungen und Identität gehörloser Menschen. In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Gehörlosenseelsorge e.V. (Hg.): Gehörlos – nur eine Ohrensache? Aspekte der Gehörlosigkeit. Ein Kompendium für Neueinsteiger. Seedorf/ Hamburg: Signum, S. 119-124. Wildberger, Anni-Käthi (1995): Wenn du zur Fahrt aufbrichst nach Ithaka … Museumspädagogik im Antikenmuseum. Flyer des Antikenmuseums Basel + Sammlung Ludwig.
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Besondere Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen im Museum
Karin Edtmüller und Wilfried Laufenberg Vorbemerkung Je länger wir uns mit dem Thema beschäftigt haben, umso deutlicher ist uns trotz einiger Erfahrung auf diesem Gebiet geworden, dass wir nur Ideen weiterzugeben haben, nicht aber fertige Rezepte. Es gibt zu unterschiedliche Sammlungen und Ausstellungen, um eine verbindliche Antwort darauf zu geben, wie Barrieren für Menschen mit Sehproblemen in Museen einzureißen wären. Geht es um Skulpturen, dann scheint die Antwort leicht: ›Die kann man doch anfassen.‹ Kann man? Darf man? Aber wie ist es mit einer Galerie moderner Gemälde? Kommen hier überhaupt blinde Menschen hin? Man staunt: Ja, sie kommen, wenn man ihnen etwas zu bieten weiß. Daneben existieren archäologische, naturkundliche, technische und andere – bis hin zum (nicht zu belächelnden) Freilichtund Heimatmuseum. Allesamt möglicherweise interessant für unsere Klientel und so grundverschieden als Häuser und in ihrem Fundus, dass sich einfache Antworten geradezu verbieten. Den blinden oder sehbehinderten Menschen gibt es ebenso wenig wie das Museum. Ob ein Mensch in seinem Leben je etwas gesehen hat und dann später das Augenlicht verlor oder ob er von Geburt an blind war, macht einen so enormen Unterschied, dass wir hier vor einem echten Kommunikationsproblem stehen: Fehlt dem Geburtsblinden oder sehr früh Erblindeten jede Erfahrung bzw. Erinnerung daran, was Sehen-Können bedeutet, so wissen wir anderen nie wirklich, was Blindsein heißt. Doch selbst hier ist sich die Wissenschaft nicht sicher: »Visualisieren« ist eine Fähigkeit, die lange Zeit auch von Geburt an blinden Menschen zugesprochen wurde. Viel komplizierter ist womöglich noch die Vorstellung davon, was Sehbehinderung bedeutet. Ist die Sehschärfe in einem Maße betroffen, welches selbst durch dioptrienstarke Brillen nicht mehr zu korrigieren ist oder ist etwa (bei sonst guter Sehschärfe) eine Eintrübung des Gesichtsfelds zu verzeichnen, die das Sehen wie durch Nebel oder Rauch erschwert oder ist möglicherweise das Gesichtsfeld selbst verändert? Sieht man nur noch ›in der Mitte‹ oder gerade da nichts und deshalb niemals scharf, sondern immer nur peripher? Die Augenerkrankungen und ihre möglichen Kombinationen und Auswirkungen sind so zahlreich, dass sich auch hier keine einfachen Antworten ergeben. Dennoch können Museen eine Menge tun, wenn sie ihre Sammlung oder Ausstellung für blinde und sehbehinderte Menschen besser zugänglich machen wollen oder bei einem solchen Vorhaben, in welcher Rolle auch
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immer, mithelfen wollen. Sie dazu zu ermutigen und ihnen einige Ideen mit auf den Weg zu geben, ist die Absicht unseres Textes. Eines sollte immer und – wenn möglich – vom ersten Planungsschritt an geschehen: Die Betroffenen sollten mit einbezogen werden. So viel Erfahrung bringen selbst ›professionelle Blindenfreunde‹ unter uns Sehenden nicht mit, dass sie auf alles eine Antwort hätten – vieles muss erst ausprobiert werden, bevor man weiß: ›Das geht‹. Abbildung 1: »Auch naturkundliche Museen sind hochinteressant für blinde Menschen«
Foto: deutsche blindenstudienanstalt e.v. marburg
Anforderungen blinder Besucher Zentrale Fragen Blinde und sehbehinderte Menschen sind Nutzergruppen mit sehr unterschiedlichen, teils aber auch ähnlichen Bedürfnissen. Gemeinsam ist beiden die Schwierigkeit, einen Besuch im Museum einfach zu genießen. Es müssen Barrieren fallen, die sich aufgrund der besonderen Wahrnehmungssitu-
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ation ergeben. Eines sollten wir aber bei allen Bemühungen nicht vergessen: Das Ziel sind die kulturelle Teilhabe und der Genuss. Sehgeschädigte Menschen müssen aber gerade deswegen nicht alles begreifen und vor allem sich nicht permanent mit Sehenden vergleichen und an ihnen messen lassen. Abbildung 2: »Ziel sind kulturelle Teilhabe und Genuss«
Foto: deutsche blindenstudienanstalt e.v. marburg
In der Darstellung konzentrieren wir uns zunächst auf die Bedürfnisse blinder Menschen und versuchen anschließend, zusätzliche oder abweichende Wünsche von sehbehinderten Menschen aufzunehmen. Welche Exponate sind für blinde Besucher geeignet? Um Teilhabe und Genuss zu ermöglichen, sollte sorgfältig geprüft werden, welche Exponate für blinde Menschen am ehesten geeignet sind. • Art der Exponate: Im Mittelpunkt stehen dabei Überlegungen zur Intention der Vermittlung: Welche Erkenntnisse sollen die Besucher gewinnen
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und durch welche Exponate ist das am ehesten zu erreichen? Sie sollten gut ertastbar sein, d.h. möglichst nicht zu groß und mit eindeutig erfassbaren Konturen. Für große Objekte benötigt man verkleinerte Modelle oder tastbare Abbildungen, die den Blinden die Möglichkeit eröffnen, viele einzelne Tasterfahrungen zur Vorstellung eines Ganzen zusammenzufügen (vgl. unten den Abschnitt »Unterstützende Medien«). Manchmal genügt auch ein Ausschnitt, z.B. der Fuß einer Kolossalstatue, um den gewünschten Eindruck zu erzielen. Wichtig ist bei alledem, dass die Exponate nicht zu viele Informationen gleichzeitig bieten. Das verwirrt und ist anstrengend, sodass die Vorstellungsbildung erschwert wird und die Freude am Tasten sich nicht so leicht einstellt. Abbildung 3: »Manchmal genügt ein Ausschnitt, zum Beispiel der Fuß einer Kolossalstatue«
Foto: deutsche blindenstudienanstalt e.v. marburg
• Anzahl der Exponate und Dauer einer Führung/eines Museumsbesuchs: Es ist von großer Bedeutung, nur einige wenige geeignete Exponate auszuwählen, um die Besucher nicht zu ermüden und um zu verhindern, dass die Eindrücke sich gegenseitig überlagern. Mehr als fünf bis zehn größere Exponate kann sich ein blinder Besucher kaum erschließen, ohne in seiner Aufmerksamkeit erheblich nachzulassen. Eine gute Führung sollte den Zeitrahmen von zwei Stunden nicht übersteigen. Und: Pausen sind notwendig, in denen die intensiven Tastphasen durch eingeschobene Erläuterungen, Erzählungen und Anekdoten aufgelockert werden. So
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sind die Besucher schneller wieder aufnahmefähig. Siehe hierzu auch weiter unten. • Blinde Besucher sollten schon in die Planung der Führung und in die Auswahl der Exponate einbezogen werden. Sehende setzen andere Schwerpunkte als Sehgeschädigte, wenn es um die Vermittlung interessanter Eindrücke geht. Blinde Menschen hingegen sind in einem ganz eigenen Sinne ›Spezialisten‹ und können detaillierte Auskunft darüber erteilen, ob die Ideen funktionieren könnten und somit realisierbar sind. Qualifizierte Führung Nichts geht über eine qualifizierte Führung. Bei aller Bedeutung, die der Auswahl geeigneter Exponate zukommt, sollte also nicht vergessen werden, dass der Erfolg einer Ausstellung gerade für blinde Menschen von der Qualität der jeweiligen Führung abhängt. • Spannend führen und erzählen: Man sollte nicht nur viel Zeit und Geduld für die besondere Klientel aufbringen, sondern auch das konzentrierte und anstrengende Ertasten der Objekte durch spannende oder auch witzige Details würzen. Nachhaltige Eindrücke und vor allem der Erlebnisgenuss bilden sich bei blinden Menschen trotz aller anderen Möglichkeiten weitgehend auch über das Gehör. Man sollte abwechslungsreich erzählen und die Zuhörer einbeziehen, wo immer es möglich erscheint. Im Idealfall werden die Gäste selbst zu Fragen und Antworten angeleitet und nach ihren Eindrücken und Meinungen gefragt. • Spezielle Vorbereitung auf blinde Besucher: Was können, was brauchen blinde Personen? Natürlich sollte der Führer oder die Führerin sich gedanklich auf nicht sehende Besucher vorbereiten und überlegen, welche Informationen diese Zuhörer wohl benötigen, um sich in ein Thema gut eindenken zu können. ›Was kann ich wohl voraussetzen, was muss ich genauer beschreiben?‹ Im Zweifelsfall können bei der Vermittlung, übrigens auch während einer Führung, die Besucher selbst in genau diesen Prozess mit einbezogen werden. Besser ist es natürlich, wenn es bereits im Vorfeld Gespräche mit blinden Menschen gab. Erste Führungen sollten regelrecht geprobt werden. Und man sollte nicht enttäuscht sein, wenn die Dinge erst einmal anders laufen, als man sich das gedacht hatte. Es wird sich sehr schnell ein Gespür dafür entwickeln, was, wie und wie viel blinden Menschen vermittelt werden kann. Eigene Aktivität unterstützen Nicht anders als bei sehenden Besuchern ist es von großer Bedeutung, blinde Menschen nicht nur zuhören, sondern auch miterleben zu lassen, sie
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in typische Aktionen einzubinden, in anderen Worten: ihnen selbstgesteuertes Lernen möglich zu machen. • Aktivität ist wichtig: Alles, was sich der blinde Besucher selbst erarbeitet, wird ihm in besonderer Weise im Gedächtnis bleiben. So kann er beispielsweise in römischer Tunika und Toga durch einen archäologischen Park wandeln, vom Essen der damaligen Zeit kosten und selbst Schmuck oder Geschirr herstellen. Gerade den blinden Personen sollte die Erfahrung ermöglicht werden, mit der Hilfe von Werkzeugen und Materialien etwas anzufertigen – blinde Menschen können mit entsprechender schriftlicher oder mündlicher Anleitung und mit geeignetem Material Erstaunliches zustande bringen. Man kann sie die Pose einer Statue nachahmen lassen, ihnen durch entsprechende Kleidung besondere Eindrücke vermitteln, unterstützt von Düften, Musik und passendem Ambiente. Je mehr Sinne angesprochen werden, desto unvergesslicher wird das Erlebnis sein. Das gilt übrigens ebenso für sehende Besucher. • Auf die Mischung kommt es an: Vortrag und Eigenaktivität. Vortrag und selbst gesteuertes Lernen sollten sich abwechseln und sinnvoll ergänzen, ohne zu viel vorwegzunehmen oder vorauszusetzen. Die Besucher brauchen genügend Zeit, um eigene Erfahrungen zu machen. Redundanz sollte vermieden werden und die Besucher dort abgeholt werden, wo sie sich mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen befinden – Didaktische Allgemeinplätze? Was diese in Bezug auf blinde Personen bedeuten, muss man zunächst einmal in Erfahrung bringen, kann man andererseits aber auch am leichtesten im Dialog mit den blinden Menschen selbst eruieren. Geht es auch ohne Führung? Selbstständiger Museumsrundgang: Der ›Normalfall‹: Blinde Personen kommen mit einer sehenden Begleitperson. Es ist relativ unwahrscheinlich, dass blinde Menschen ohne Begleitung z.B. in einem Freilicht-Museum auftauchen und damit beginnen, sich die völlig fremde Umgebung mit dem weißen Langstock zu erarbeiten. Dies erforderte nicht nur eine ausgezeichnete Mobilitätstechnik, sondern auch unvorstellbaren Mut. Daneben ist es auch wirklich anstrengend – und dabei gehen der Genuss und die Freude an der kulturellen Teilhabe leicht verloren. Entweder verfügen die Besucher also noch über einen guten Sehrest, der sie auf sehende Begleitung verzichten lässt, oder sie kommen (zumindest die ersten Male) am Arm einer Begleitperson, die ihnen den Weg weist. Blinde ohne Begleitung – geht das? Dieser Fall stellt ganz spezifische Anforderungen an ein Museum. Natürlich wird es auch unter den Blinden im-
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mer wieder Menschen geben, die alleine, ohne Führung, durch eine Ausstellung gehen wollen – sei es, weil sie die größere Muße beim ›Betrachten‹ der Exponate schätzen, sei es, weil sie nach dem Erlebnis einer ersten Führung zum wiederholten Male kommen, um sich einzelne Exponate noch einmal gezielt ›anzusehen‹. Man sollte also auch Maßnahmen prüfen, die blinden Menschen die selbstständige Orientierung drinnen und draußen erleichtern. Dazu zählen zum einen die unterstützenden Medien, von denen im nächsten Abschnitt zu reden sein wird. Daneben können Museen über sogenannte Leitsysteme nachdenken, die Orientierungshilfen geben und Sicherheit unterwegs vermitteln. Die besondere Herausforderung, vor der blinde Menschen stehen, die sich ohne fremde Hilfe zurechtfinden wollen, macht nämlich in zuvor unbekannter Umgebung eine Reihe zuverlässiger Hinweise nötig, die das erst möglich machen. Zum einen können Leitlinien oder Aufmerksamkeitsfelder im Fußboden mit fühlbar unterschiedlicher Bodenbeschaffenheit für erhöhte Sicherheit sorgen (»Achtung: gleich kommt eine Treppe!«), aber auch dafür, dass die Aufmerksamkeit auf anstehende Entscheidungen gebündelt wird (»Hier kann man abbiegen«, »Gleich kommt ein Hinweisschild in Blindenschrift«, »Gleich kommt ein Exponat« o.Ä.). Im Idealfall lässt sich ein komplettes Leitsystem einrichten, das die blinden Besucher quasi auf einem Parcours durch das Haus führt. Sinnvoller sind aber, wie wir oben gesehen haben, ausgewählte Teilabschnitte, bei denen auch die Zahl und die Art der Exponate mit den Wünschen und Möglichkeiten der blinden Gäste übereinstimmen. Was leisten »Leitsysteme«? Es ist kaum wünschenswert, ein Seil zu spannen, in das man sich einklinkt und an dem man sich wie auf einem Klettersteig bewegt. Es gibt unauffälligere und praktikablere Möglichkeiten, aber die Idee des Seils sollte man im Hinterkopf behalten. Auch wenn ein Leitsystem z.B. aus farblich kontrastierenden und mit den Füßen taktil unterschiedlich erfahrbaren Materialien im Fußbodenbereich besteht (im einfachsten Fall ist das ein Teppichläufer, dem man durch einen Raum folgt und von dem man nur an speziell gekennzeichneten Stellen abweicht, um sich einem Exponat zu nähern), sollte es doch so schlüssig und sicher sein wie das gespannte Seil. Und es muss einfach sein, dieser Leitlinie zu folgen. Ein Abweichen von der Linie sollte sofort bemerkt und korrigiert werden können. Wenn das Leitsystem in einem rechteckigen Raum so verlegt wird, dass man den Raum im Uhrzeigersinn mit gleichbleibendem Abstand zu den Wänden völlig durchschreiten kann, um ihn dann durch dieselbe Tür zu verlassen, durch die man ihn betreten hat – so etwas ist einfach. Wenn sich dann noch die Exponate immer außen
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(also links vom Gehenden, vom Leitsystem weg Richtung Wand) befinden, dann klingt das nur kompliziert, ist aber in der Praxis ganz leicht nachzuvollziehen. Durch eine kleine Erhebung unter den Füßen (z.B. eine unter den Teppich geschobene Leiste quer zur Gehrichtung) kann man im Idealfall darauf aufmerksam machen, dass genau hier seitlich ein Exponat steht oder hängt. Zurückfinden und weitergehen kann dann jeder selbst. Man kann einen Rundgang anders gestalten: mit anderen Materialien, mit anderer Gehrichtung, mit Exponaten abwechselnd innen und außen, man kann ihn durch mehr als einen Raum führen, kann die Wirkung durch gezielte Lichteffekte unterstützen. Doch die Grundidee des einfachen, gleichförmigen und verlässlichen Systems, wie das Seil eines Klettersteigs, sollte bestehen bleiben. Negativ gesagt: besser kein Leitsystem, als ein zu kompliziertes, das womöglich Lücken aufweist oder abschnittweise missverständlich ist. Abbildung 4: »Ein Teppich führt als Leitsystem durch den Raum: einfach, gleichförmig, verlässlich«
Foto: deutsche blindenstudienanstalt e.v. marburg
Unterstützende Medien – Im Vorfeld eines Museumsbesuchs Informationsmaterial: Was erwartet mich? Falls ein blinder Mensch telefonisch anfragt, ob und wann er das Museum besuchen kann und, vor allem, was ihn im Museum genau erwartet – wäre es da nicht das Einfachste, man könnte ihm Informationsmaterial in der Punktschrift der Blinden oder in einem gängigen Audioformat zuschicken?
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Die Übertragung von Broschüren in Blindenschrift übernehmen gerne die (wenigen) Spezialverlage und Druckereien, die es in Deutschland gibt, und die Aufsprache von Texten kann mit einer der Blindenhörbüchereien vereinbart werden. Kontaktstelle für beide ist als Dachverband die Medibus – Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen e.V.; Postfach 1160; 35001 Marburg; Tel.: 06421/68 580-15; Fax: 06421/68 580-16 E-Mail: [email protected] Abbildung 5: Die Braille-Punktschrift der Blinden
Foto: deutsche blindenstudienanstalt e.v. marburg
Während es sich bei der Punktschrift um eine Schrift handelt, die unbedingt Spezialisten überlassen werden sollte, kann man sich bei der Produktion einer Audio-CD z.B. natürlich auch an andere als die Produktionsstätten für Blinde wenden. Es sollte aber berücksichtig werden, dass zurzeit das DAISY-Format1 das gängige Medium in den Hörbüchereien für blinde Menschen ist, ein Datentyp auf CD-ROM, der mp3-Audio-Dateien mit einer zu1 Digital Accessible Information SYstem. Homepage des Internationalen Konsortiums: www.daisy.org.
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sätzlichen Struktur verbindet. Dieses Format erlaubt nicht nur enorme Spielzeiten auf nur einer CD, sondern ermöglicht dem Hörer auch das gezielte Navigieren und Ansteuern bestimmter Textstellen, das Aufsuchen einzelner Seiten usw. – Allerdings bedarf es dazu eigener, DAISY-tauglicher Abspielgeräte oder einer PC-Software, die z.B. auf einem Laptop installiert werden kann. Auf normalen mp3-Playern hingegen sind die einzelnen Texte zwar in der vorgegebenen Reihenfolge zu hören, können aber nicht vollständig navigiert werden. Audioformate haben gegenüber der Punktschrift sicherlich Nachteile, weisen aber zwei besondere Vorzüge auf: Sie sind erstens auch denjenigen blinden Personen zugänglich, die das Lesen der Blindenschrift nicht oder nur unzureichend beherrschen, darunter der große Kreis der im Alter erblindenden Menschen. Zweitens kann man mit Audio-Informationen natürlich auch die Nichtblinden erreichen, also sehbehinderte und normalsichtige Menschen. Informationsmaterial: Wie finde ich hin und wo befinde ich mich dann? Das Material informiert vernünftigerweise auch über den Weg zum Museum, etwa, wie es mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Für blinde Besucher empfehlen sich möglicherweise besondere Hinweise, die die Sicherheit unterwegs und die Orientierung verbessern. Darüber kann im Vorfeld mit Betroffenen und/oder einem Fachmann für Orientierung und Mobilität gesprochen werden. Ansprechpartner kann in jedem Fall die Ortsgruppe des Blindenverbands einer Stadt sein. Im Zweifelsfalle kann der DBSV auf die nächstmögliche Kontaktperson verweisen. DBSV – Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.; Rungestraße 19; 10179 Berlin; Tel.: (0 30) 28 53 87-0; Fax: (0 30) 28 53 87-20; E-Mail: [email protected] Sollte es tastbare Pläne der Stadt, des Hauses und seiner Umgebung geben, dann sind diese für die Vorbereitung eines Besuchs natürlich von größter Bedeutung. Information: Wer ist mein(e) Ansprechpartner(in)? Sicherheit und Hilfe von Anfang an vermittelt die Angabe einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters, die die blinden Besucher erwarten und an die man sich von Anfang an wenden kann. Wer über einen museumspädagogischen Dienst verfügt oder eine andere Person für die Begleitung blinder Menschen vorgesehen hat, sollte möglichst früh den Kontakt herstellen, damit es zu klaren Verabredungen kommen kann.
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Abbildung 6: »Farbig und tastbar gestaltete Lagepläne stiften grundlegende Orientierung«
Foto: deutsche blindenstudienanstalt e.v. marburg
Abbildung 7: »Taktiler Übersichtsplan im Außenbereich«
Foto: deutsche blindenstudienanstalt e.v. marburg
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Während des Besuchs: Auch während eines Aufenthaltes im Museum spielen Medien eine große Rolle. Natürlich macht es einen Unterschied, ob eine Gruppe von Menschen mit einer Seheinschränkung geführt wird oder ob diese sich ungehindert auf eigene Faust orientieren können soll. Im zweiten Fall werden Museen verstärkt auf Medien setzen müssen. Schrift: Beschilderung für Blinde und andere. Auf jeden Fall sollten Exponate beschriftet sein. Schilder aus Metall mit eingeprägter Blindenschrift und erhaben tastbarem Großdruck (Profilschrift) machen einer Vielzahl von Menschen den Museumsbesuch einfacher: Von welchem Künstler stammt ein Werk, aus welcher Epoche ein Fundstück? Diese Frage kann sich ein blinder Besucher anhand der Punktschrift beantworten, während sehbehinderte Besucher und z.B. auch ältere Menschen sich an die notfalls auch fühlbare Schrift der Sehenden halten werden. Audio: spezielle Führungen? Natürlich können Museen eventuell schon vorhandene Audio-Systeme auch zur Information ihrer blinden Besucher verwenden. Man sollte aber bedenken, dass eine spezielle Führung für Blinde neben allgemeinen Infos vor allem auch auf deren Bedürfnisse zur Orientierung und sicheren Fortbewegung eingehen muss. Im positiven ›Extremfall‹ erarbeiten Museen mit einem Mobilitätslehrer gemeinsam die Beschreibung eines Rundwegs, die Hinweise für das Sich-Zurechtfinden gibt, Stolperstellen anzeigt, Entfernungs- und Richtungsangaben beinhaltet und daneben noch informativ und/oder unterhaltsam ist. Hier kommt redaktionelle Arbeit auf die Häuser zu. Tastbare Pläne und Abbildungen: Denkbar sind Etagenpläne, einzelne Räume, unterstützende Abbildungen von Exponaten. Die Audio-Führung durch Ausstellungen kann sehr wirksam durch tastbare Lagepläne unterstützt werden. Grundrisse einzelner Ausstellungsräume, aber auch ganze Gebäudekomplexe können übersichtsartig fühlbar gemacht werden. Das Erfassen ausgestellter Objekte kann wirksam durch tastbare Abbildungen unterstützt werden, die Details zeigen oder, bei sehr großen Objekten, möglicherweise eine Gesamt›ansicht‹ vermitteln. Ob diese taktilen Abbildungen und Pläne dauerhaft, z.B. in Bronze oder Aluminium gegossen, aufgestellt werden oder nur vorübergehend als Plan in Kunststofffolie aushängen, entscheidet sich möglicherweise nach der Dauer ihrer Gültigkeit und den nicht immer niedrigen Herstellungskosten. Hier können Museen ebenfalls durch die oben angegebenen Einrichtungen Beratung erhalten. Eine der wenigen Spezialwerkstätten für solche Medien findet sich unter dem Dach unserer Institution: Werkstatt für Taktile Medien, Deutsche Blindenstudienanstalt; Am Schlag 8; 35037 Marburg; Tel. 06421/606-246; E-Mail: schwenger@ blista.de
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Ein eigener Präsentationsraum? Anforderungen an den Raum: Moderne Museumskonzepte haben durchaus Plätze für eigenes Tun. Der Handlungsaspekt (›Wie fertigt man eine Feuerstein-Pfeilspitze?‹, ›Wie arbeitet es sich mit Ton?‹) eröffnet und vertieft Dimensionen des Verständnisses. Für blinde und sehbehinderte Menschen bietet ein solcher Raum unter Umständen noch zusätzliche Vorteile. Dem möglicherweise irritierenden Besucherstrom für eine Zeitlang entzogen, findet sich hier vielleicht nicht nur die Ruhe, ungestört etwas auszuprobieren, sondern vielleicht erstmals auch die Gelegenheit, unbeobachtet und dadurch ungehemmter mit den Händen zu explorieren. Ruhe muss dieser Raum also bieten. Ausreichend Platz und ausreichend Zeit sollte für die blinden Besucher eingeplant werden: Tastendes Erkennen und Arbeiten dauert eine Weile länger als flüchtiges Hingucken. Sollte es sich in das Konzept besser einfügen, bietet ein solcher Raum auch die Möglichkeit, den blinden Gästen Dinge in die Hand zu geben, von denen die Masse der Besucher nicht wissen soll, dass man sie anfassen darf. Aber auch in einem inklusiven Konzept, das sich an sehende und sehgeschädigte Personen gleichermaßen wendet, ist es sinnvoll, Exponate vorzubereiten, die immer wieder zum Einsatz kommen, und sie z.B. thematisch gebündelt in einem »Museumskoffer« zusammenzustellen, der bei Bedarf nur noch aus dem Schrank geholt werden muss. Und danach? Von Souvenirs und Informationen zum Mitnehmen: Werden den blinden und sehbehinderten Besuchern Materialien zum Mitnehmen angeboten? Broschüren eignen sich auch zum Nachlesen in Blindenschrift oder als Audio- bzw. DAISY-CD. Sie herzustellen erfordert in der Regel wenig mehr redaktionellen Aufwand als sowieso schon betrieben wird. Es muss im Vorfeld lediglich berücksichtigt werden, eine der möglichen Blindenschriftdruckereien oder Hörbüchereien mit einzubeziehen und nach Möglichkeiten und Kosten zu fragen. Äußerungen blinder und sehbehinderter Schüler zum Thema »barrierefreie Museen« • »Ich wünsche mir eine bessere Beleuchtung der ausgestellten Gegenstände.« • »Ich fände es gut, wenn in den Vitrinen die Gegenstände möglichst nah an der Glasscheibe wären, damit ich mir nicht die Nase platt drücken muss.« • »Bessere Audio-Guides, leicht zu bedienen und mit beschrifteten Tasten, wären ein Fortschritt.« • »Ich will möglichst alles anfassen können.« • »Wichtig ist, dass ein guter Kontrast zum Hintergrund da ist.«
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• »Es sollten spezielle Führungen für Sehbehinderte angeboten werden.« • »Informationstexte sollten in Punktschrift vorhanden sein.« • »Ich möchte nicht nur zuhören, sondern möglichst viel selbst ausprobieren.« • »Ich finde es toll, etwas in der Hand zu haben, was schon vor 1000 Jahren oder so benutzt wurde.« • »Für Sehbehinderte sollten die Informationstexte in großer Schrift vorhanden sein.« Abbildungen 8 und 9: »Tastendes Erkennen dauert länger als flüchtiges Hingucken«
Fotos: deutsche blindenstudienanstalt e.v. marburg
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Anforderungen sehbehinderter Menschen Was gilt gleichermaßen für blinde und sehbehinderte Besucher? Wie eingangs ausgeführt, sind blinde und sehbehinderte Menschen Nutzergruppen mit sehr unterschiedlichen, teils aber auch ähnlichen Bedürfnissen. Im Folgenden soll zunächst kurz dargestellt werden, von welchen Maßnahmen, die Museen für blinde Besucher treffen, sehbehinderte Menschen in vergleichbarer Weise profitieren. Museumspädagogische Aspekte: Die Auswahl geeigneter Exponate, ein Konzept für die verbal zu vermittelnden Inhalte einer Führung, ein Raum, in dem man ungestört arbeiten kann und der die Gelegenheit für eigene Aktivitäten bietet – alles das hilft sehbehinderten Personen in ähnlicher Weise wie den blinden Besuchern. Hinsichtlich der museumspädagogischen Herangehensweise decken sich also viele Aspekte. Abbildung 10: »Wie arbeitet es sich mit Ton? Blinde Menschen können Erstaunliches zustande bringen«
Foto: deutsche blindenstudienanstalt e.v. marburg
Was ist anders für sehbehinderte Besucher? In mancher Hinsicht sind sehbehinderte Menschen aber in ihren Wünschen näher an dem, wovon man bei normalsichtigen Besuchern ausgehen würde. Schließlich können sie – mit welchen Einschränkungen auch immer – noch etwas sehen.
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Sonderpädagogische Aspekte: Ein mit den Füßen ertastbares Leitsystem wird z.B. für viele von ihnen überflüssig sein – der gute Farbkontrast (Helligkeitsunterschied) eines solchen Bodenindikators zu seiner Umgebung hilft aber ungemein. Ähnlich verhält es sich mit fast allen anderen Medien. Übrigens: Etwa zwei Drittel aller blinden Menschen sind ältere Personen über 60 Jahre, und natürlich ist eine in ihrer Größe unbekannte, aber riesige Gruppe älterer Menschen auch unter denen, die zunehmende Seheinschränkungen erleben, ohne bereits erblindet zu sein. Man denke nur an den sogenannten »grauen Star« (Katarakt), der viele langsam erblinden lässt, bevor man daran geht, ihn operativ zu beheben. Alle diese Menschen, auch wenn sie nicht mit einer Lupen-Lesebrille vor den Augen herumlaufen und somit eigentlich nicht auf den ersten Blick als behindert zu erkennen sind, sind mit gemeint, wenn von »Sehbehinderten« gesprochen wird – und sie alle profitieren von den aufgezeigten Maßnahmen. Exponate: Auch Zahl und Art der Exponate weichen voneinander ab. Natürlich kann man sich bei Führungen mit einer Gruppe sehbehinderter Gäste mehr vornehmen als mit Blinden. Abhängig vom verfügbaren Sehrest und den mit der Dauer des intensiven Hinschauens möglicherweise auftretenden Konzentrationsproblemen und Ermüdungserscheinungen bis hin zu manifestem Kopfschmerz sollte man aber auch hier flexibel sein und vor allem auch an Erholungspausen denken. Natürlich kommen für sehbehinderte Besucher auch eher Exponate in Frage, die man nicht berühren darf, aber anschauen kann. Wichtig zu berücksichtigen ist aber, dass das Sehvermögen in der Ferne bei vielen so stark eingeschränkt ist, dass der Betrachter auf wenige Zentimeter an ein Objekt herantreten können muss, um es überhaupt und vor allen Dingen scharf zu sehen. Medien: Großdruck statt Punktschrift, kräftig kontrastierender Farbdruck auf tastbaren Abbildungen und Schildern (oder eigene, kontrastreiche Bilder für die sehbehinderten Gäste) – damit ist schon fast alles gesagt. Auch Audio-Medien sind natürlich hilfreich, selbst wenn sie hier und da eine zunächst scheinbar überflüssige Tastanleitung enthalten oder eine detaillierte Wegbeschreibung. Unter den Sehbehinderten gibt es viele ›Grenzgänger‹, die durchaus dankbar dafür sind, die Gelegenheit zum Tasten zu bekommen und rechtzeitig vor Stolperstellen oder anderen Gefahrenquellen gewarnt zu werden. Räumliche und Licht-Voraussetzungen: Licht ist für sehbehinderte Menschen elementar. Eine gute Grundausleuchtung der Räumlichkeiten hilft bei der Orientierung ebenso wie beim visuellen Erkennen von Exponaten. Lichtakzente auf einzelne Stellen lenken die Aufmerksamkeit und helfen beim Sehen. Man sollte aber bedenken, dass viele sehbehinderte Gäste blendempfindlich sind. Es ist nicht immer leicht, Leuchtkörper so zu installieren, dass man nicht in sie hineinschauen kann. Als zweites Problem kann hinzu-
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kommen, dass der sehbehinderte Betrachter nah an die Objekte herantreten muss und dabei in den Strahlengang des Lichts tritt. Der eigene Schatten stört dann das Erkennen des Exponats. Ausblick Geeignete Exponate, Leitsystem, Licht, Audio-Beschreibung, DAISY, Mobilitätshilfen, Punktschrift und vieles mehr … Wo soll man anfangen? Zwei Gedanken wollen wir abschließend noch einmal in Erinnerung rufen, um möglicher Verwirrung vorzubeugen: • Hilfe und Beratung sollte bei denjenigen, für die Barrieren eingerissen werden sollen, eingeholt werden. Blinde und sehbehinderte Menschen sollten in alle Überlegungen und Planungen mit eingebunden werden. Und: • Wichtig ist ein Mitarbeiter, der selbst begeistert ist von dem, was ausgestellt wird, der sachkundig ist und etwas zu erzählen hat, der gerne vermittelt und es versteht, andere Menschen an seiner Begeisterung teilhaben zu lassen – und der sich auf die besonderen Bedürfnisse und Wünsche der blinden und sehbehinderten Besucher einzulassen bereit ist. Damit wäre ein erster Schritt getan, und vieles andere kann man gelassen auf sich zukommen lassen: Es ist gar nicht so kompliziert, ein Museum für blinde und sehbehinderte Menschen zu erschließen.
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Als Rollstuhlfahrer im Museum
Beat Ramseyer Persönliche Anmerkungen Meine Voraussetzungen Ich bin stark mobilitätsbehindert – bereits als Säugling erkrankte ich an Kinderlähmung (Polio). Zwar kann ich zur Not immer noch kurze Strecken zu Fuß zurücklegen und sogar einige Treppenstufen überwinden. Allerdings verfüge ich nur über minimale Kraftreserven. Sind diese erschöpft, äußert sich dies u.a. in nahezu unerträglichen Schmerzen; ich muss dann meine Unternehmungen abbrechen, mein Tag ist damit zu Ende. Ich bin also kein ›Rollstuhlsportler‹. Im Gegenteil: Ich muss mich schonen und möglichst alle körperlichen Anstrengungen vermeiden. Zu meinem Transport benutze ich einen Van, der am Heck mit einer ausklappbaren Rampe ausgerüstet ist. Ich führe zwei Gehstöcke, einen AktivRollstuhl (L x B = 100 x 57 cm) und einen dreirädrigen Elektro-Scooter (L x B = 140 x 66 cm) mit. Alternativ zum Elektro-Scooter habe ich die Möglichkeit einen mit Radnaben-Elektromotoren (e-motion-Antrieb) ausgerüsteten Rollstuhl (L x B = 100 x 60 cm) mitzunehmen. Behindertengerechte Einrichtungen sind beziehungsschonend Ich bin gut organisiert und gestalte mein Leben selbstständig. Meine Interessen sind breit gestreut und ich bin häufig mit meiner Familie, Freunden1 und Bekannten unterwegs. Fehlende oder unzureichende behindertengerechte Einrichtungen trüben die Unbeschwertheit dieser Ausflüge leider allzu oft. Meine Gattin, mein erwachsener Sohn, Freunde und Bekannte – alle werden in meiner Begleitung zu ›meinem Personal‹: Sie holen Schlüssel, erkundigen sich nach Parkplätzen, helfen mir über Stufen, ›pflügen‹ meinen Rollstuhl durch praktisch unbefahrbare Kieswege und vieles mehr. Für die Gesellschaft scheint es selbstverständlich zu sein, dass man mir hilft. Ich sehe dies etwas differenzierter: Wende ich mich an einen Bekannten oder Passanten, um eine schwierige Situation zu bewältigen, erlebe ich meist spontane Hilfsbereitschaft. Manchmal ergibt sich daraus auch eine angeregte Unterhaltung. Handelt es sich jedoch um Familienangehörige oder um nahe Freunde, um Menschen, die mein Leben mit mir teilen und mir ständig beistehen, besteht die Gefahr, dass das Helfen zum Programm wird, das sich über die ganze Beziehung legt. 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit steht in diesem Text die männliche Form auch für die weibliche.
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Deshalb die Forderung: Behindertengerechte Einrichtungen müssen von Behinderten selbstständig, ohne fremde Hilfe benutzt werden können. Behinderte haben in der Regel kein Personal; es sieht häufig nur danach aus! Behinderte haben unterschiedliche Bedürfnisse Ich schreibe diesen Text aus der Sicht eines Mobilitätsbehinderten. Auf die Anliegen von seh-, hör-, geistig oder mehrfach behinderten, betagten, großund kleinwüchsigen Menschen bin ich zu wenig sensibilisiert. Als Leiter des Projekts »museumssterne*** – museen basel offen für behinderte«2 sind mir zwar viele Lösungsansätze für deren Anliegen bekannt, aber es ist eben doch ein eminenter Unterschied, ob ich eine Thematik begreife oder ob ich ständig mit ihr lebe. Manchmal sind die Bedürfnisse derart unterschiedlich, dass sie sich gegenseitig auszuschließen scheinen: Rollstuhlfahrer möchten alle Absätze und Stufen eliminieren, sie zirkulieren am liebsten auf ebenen Flächen. Blinde und Sehbehinderte hingegen möchten einen Boden mit Struktur, sie benötigen den Gehsteigrand als Führung für ihren Blindenstab und sie möchten ertasten können, wo der Gehsteig endet und die Straße beginnt. Also gilt es immer wieder abzuwägen, welcher Gruppe von Behinderten in welchem Zusammenhang mehr Beachtung geschenkt werden soll. Notwendig oder wünschenswert? Ich unterscheide nicht zwischen ›need to have‹ und ›nice to have‹: Alles, was Behinderten entgegenkommt, sollte realisiert werden. Beschränkungen stellen sich durch Budgetvorgaben oder bauliche Gegebenheiten leider ganz von selbst ein. Immer wieder kommt es vor, dass in einem denkmalgeschützten Gebäude die erforderlichen Anpassungen zum Einbau einer behindertengerechten Einrichtung (z.B. Toilettenanlage nach DIN 18024-23)
2 Vgl. www.museumssterne.ch; vgl. auch den Beitrag von Corinne Eichenberger in diesem Band. 3 Grundsätzlich sind die Normen für barrierefreies Bauen einzuhalten. Eine ausführliche Website zu barrierefreiem Bauen: http://nullbarriere.de. DIN 18 024-1, 1998-01: Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze; DIN 18 024-2, 1996-11: Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten; DIN 18 025-1, 1992-12: Wohnungen für Rollstuhlbenutzer; DIN 18 025-2, 1992-12: Barrierefreie Wohnungen. Der Normentwurf DIN 18 030 wird demnächst DIN 18 024 und DIN 18 025 ersetzen.
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nicht möglich sind. Auch wenn es für die Normanforderungen am nötigen Platz fehlt: Eine wohldurchdachte Mini-Lösung wird für die meisten Behinderten trotzdem benutzbar sein. Behinderte sind häufig wahre Meister der Improvisation. Das Gleiche gilt, wenn aus Geldmangel die Maximal-Lösung noch aufgeschoben werden muss: Das Museum sollte den Mut aufbringen, ein Provisorium einzurichten! Die Behinderten werden es danken. Für den Rollstuhlfahrer spielt es keine Rolle, ob die Rampe betoniert ist oder ob sie nur aus Brettern besteht. Und Provisorien haben einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sie werden das Museum jeden Tag daran erinnern, dass noch etwas getan werden muss. Meist sind Subventionierung oder das Recht, das Logo »behindertengerecht« zu führen, an die Erfüllung von DI-Normen gebunden. Dadurch sollte man sich nicht beirren lassen: Auch wenn es nicht möglich ist, eine Norm einzuhalten – Behinderte sind für alle Erleichterungen dankbar, denn sie sind gewohnt, mit Kompromissen zu leben. Das barrierefreie Museum Für die folgende Aufstellung stelle ich mir einen Museumsbesuch in einer mir fremden Stadt vor. Dabei beschreibe ich, was mir hilft, welche Hindernisse vermeidbar wären, was mich verunsichert und was mich zusätzlich behindert. Vorbereitung im Internet Der Museumsbesuch wird zuhause vorbereitet. Dabei werden alle Informationsmöglichkeiten genutzt. Besonders wichtig ist das Internet. Es soll Auskunft über die Hinfahrt, über die Stadt bzw. den Ort und über das Museum liefern. Web Accessibility Initiative-Richtlinien (WAI-AA)4 Für Gestaltung und Programmierung von Websites werden grundsätzlich die Web Accessibility Initiative-Richtlinien (WAI-AA) eingehalten. Darunter sind Strategien, Empfehlungen und Ressourcen zusammengefasst, die Web-Angebote für Menschen mit Behinderungen (Sehbehinderte, Blinde, aber auch Mobilitätsbehinderte, die keine Maus bedienen können etc.) zugänglich machen.
4 www.w3.org/TR/WAI-WEBCONTENT; Beispiel einer barrierefreien Homepage: www.museumssterne.ch.
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Die offizielle Website der Stadt Die Website der Stadt enthält nicht nur Informationen über Einrichtungen, die rollstuhlgängig sind; ebenso wichtig – manchmal sogar noch wichtiger – ist es zu wissen, was mit dem Rollstuhl nicht erreicht werden kann: • Stadtplan für Rollstuhlfahrer mit: – Parkmöglichkeiten für Behinderte; – eingezeichneten Steigungen und Möglichkeiten, diese mit Fahrstühlen zu umgehen;5 – Behinderten-Toiletten (nicht nur öffentliche, sondern auch in Hotels und Restaurants) inkl. Hinweis auf Euro-Key.6 • Anschriften und Telefonnummern: – Tourist-Information (Wo ist der Eingang für Rollstuhlfahrer?); – Hotels und andere Übernachtungsmöglichkeiten (Welche verfügen über Einrichtungen für Behinderte, welche nicht?); – Restaurants (Beschreibung der Eingangspartie. Wo liegt die Toilette? Ist sie rollstuhltauglich? Gibt es einen Fahrstuhl?); – Kinos (Beschreibung der Eingangspartie. Wo liegt die Toilette? Ist das Kino rollstuhltauglich? Gibt es einen Fahrstuhl?); – Museen (Ist das Museum rollstuhltauglich? Über welche Einrichtungen für Behinderte verfügt das Museum?); – Einkaufsmöglichkeiten (Welche sind rollstuhltauglich? Welche nicht?); – Ämter (Welche sind rollstuhltauglich? Welche nicht? Welche Einrichtungen und Leistungen für Behinderte sind wo zu finden?7); – Polizeiposten (Welche sind rollstuhltauglich? Welche nicht?). • Links zum Öffentlichen Verkehr und den Behinderten-Transportdiensten; • etc.
5 An Hanglagen gibt es häufig Bauten mit Ein- und Ausgängen auf verschiedenen Ebenen (z.B. Vordereingang unten, Hintereingang einige Stockwerke höher, an einer rückwärtigen, anderen Straße). Fahrstühle von Hotels, Ämtern, Spitälern, Auto-Einstellhallen etc. können problemlos von Passanten benutzt werden. Für Rollstuhlfahrer lassen sich so kräftesparend Steigungen überwinden. 6 Was ist der »Eurokey«? Technische Hinweise: www.eurokey.ch/de/inhalt.html. Der »Eurokey« setzt sich auch in Deutschland durch: www.seh-netz.info/eurosch luessel. 7 Zum Beispiel: Welches Amt verfügt über einen abrufbaren Gebärdendolmetscher?
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Die Website des Museums 8 • Telefonnummer, die angerufen werden kann, wenn eine Auskunft oder Hilfe benötigt wird. Der Anschluss sollte während der Öffnungszeiten besetzt sein (kein Band!); • Anfahrtsmöglichkeiten; – mit dem Öffentlichen Personennahverkehr; – mit dem PKW; – mit dem Behindertentransport (inkl. Telefonnummern). • Parkfelder für Behindertenfahrzeuge mit Situationsplan und Hinweisen auf die Beschilderung; • Zugänglichkeit des Museums: Welche Teile können mit dem Rollstuhl selbstständig besucht werden, welche nicht? • Behindertentoilette; • Dimensionen von Türöffnungen und Fahrstühlen;9 • Bodenbeschaffenheit (Außen- und Innenbereich); • Veranstaltungen für Behinderte;10 • Veranstaltungen von Behinderten;11 • Veranstaltungen, die ein neues Licht auf Behinderte und ihre Behinderung werfen;12 • Stellenangebote und andere Mitwirkungsmöglichkeiten für Behinderte.
8 Eine bezüglich Inhalt vorbildlich gestaltete Website ist die der Fondation Beyeler: www . beyeler . com / fondation/ d /html _ 15information / info01allg / 03_ behinderte -menschen.php. 9 Diese Hinweise helfen dem Behinderten zu entscheiden, welchen Rollstuhl er für dieses Museum verwenden will. 10 Beispiele: Führungen für Blinde und Sehbehinderte, Führungen mit Gebärdendolmetscher für Hörbehinderte. Oder: Wann steht für die Museumsabteilungen, die normalerweise von Rollstuhlfahrern nicht besucht werden können (z.B. fehlender Treppenlift), eine mobile Treppenraupe für Rollstühle inkl. dafür ausgebildetes Personal zur Verfügung? Vgl. www.weigl.at/tkpublic.html. 11 Beispiele: Eine Sonderausstellung mund- und fußmalender Künstler mit offenem Atelier. Oder: Werke von psychisch kranken Künstlern (z.B. Adolf Wölfli, Bern, 1864-1930: www.adolfwoelfli.ch). 12 Beispiele: Eine Ausstellung über die Geschichte der Kinderlähmung unter besonderer Berücksichtigung berühmter und bedeutender Persönlichkeiten, die an dieser Krankheit litten: Margarete Steiff, die Erfinderin des Teddys mit dem Knopf im Ohr; Frida Kahlo, die berühmteste Malerin Mexikos; der US-Präsident Franklin Delano Roosevelt u.v.a.
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Der Außenbereich des Museums Das Parkfeld im Freien Verkehrsführung für Behindertenfahrzeuge: Das Parkfeld für Behinderte ist gut ausgeschildert, sodass es auf Anhieb gefunden wird. Zusätzlich befindet sich ein Situationsplan auf der Website. • Beschilderung, Bodenmarkierung, Abmessungen, zusätzlicher Text: Das Parkfeld ist mit den offiziellen Verkehrsschildern13 inkl. Bodenmarkierung (Rollstuhlsignet) gekennzeichnet und entspricht in den Abmessungen der Norm für barrierefreies Bauen (DIN 18 024-1). Es ist so angelegt, dass Rollstuhlfahrer beim Verlassen ihres Wagens die Türen vollständig öffnen können. Zudem muss genügend Platz sein, um hinten am Fahrzeug eine Rampe auszulegen. • Sicherung vor unbefugten Benutzern, zusätzlicher Text: Auf einer Tafel steht sinngemäß folgender Text:14 Brauchen Sie Hilfe? Rufen Sie uns an: Tel.-Nr. ………………. Fahrzeugführer, die über keine offizielle Parkbewilligung für Gehbehinderte verfügen, melden sich bitte an der Kasse. Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt! Dieser Hinweis und das Bestimmen eines Angestellten, in dessen Aufgabenbereich das gelegentliche Überwachen des Parkplatzes gehört, beugen dem Missbrauch genügend vor. Es gibt keine zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen, kein Verbarrikadieren mit weiß-roten Plastikhüten, abschließbaren Pflöcken etc. • Lage und Sicherheit: Das Parkfeld liegt außerhalb des von allen benutzten Besucherparkplatzes: Die Gefahr, von manövrierenden, rückwärts fahrenden Fahrzeugen überrollt zu werden, ist zu groß.15
13 Zeichen 286 StVO: Eingeschränktes Halteverbot (Ladetätigkeit zulässig) + Zusatzzeichen 1044-10 StVO: Frei nur für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde. 14 Die Besucherstatistik des Museums gibt Auskunft darüber, ob dieser Text auch in Fremdsprachen angebracht werden muss. 15 Ein im Rollstuhl sitzender Mann ist nicht größer als ein achtjähriges Kind. Rollstuhlfahrer werden von Fahrzeugen leicht verdeckt, und sie sind nicht schnell genug, um ausweichen zu können.
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Am besten liegt das Behindertenparkfeld in der Nähe des Eingangs, in einem Bereich mit Fußgängerverkehr, damit der Rollstuhlfahrer Ansprechpersonen findet, die ihm bei Bedarf behilflich sein können.16 Parkgebühren müssen nicht an der Parkuhr beglichen werden.17 • Es ist sinnvoll, das Behindertenparkfeld zu überdachen. Die lichte Höhe muss mind. 250 cm betragen (Kleinbusse). Aus- und Einsteigen dauert seine Zeit. Dabei steht der Rollstuhl eine ganze Weile im Freien. Rollstuhlfahrer können sich nicht mit Regenschirmen schützen, und es gibt kaum etwas Unangenehmeres, als in einem durchnässten Rollstuhl zu sitzen. Im Winter wird der Platz gründlich und regelmäßig von Schnee und Eis befreit. Das Parkfeld im Parkhaus Grundsätzlich gelten für Parkfelder in Einstellhallen die gleichen Vorgaben wie für Parkfelder im Freien. • Verkehrsführung für Behindertenfahrzeuge: Die Ausschilderung der Anfahrtsstrecke zum Parkplatz muss von Anfang an einen Hinweis auf die Behindertenparkfelder enthalten. • Lage und Sicherheit: Die Gefahr, im Rollstuhl von anderen Fahrzeugen überrollt zu werden, verschärft sich wegen der engen Verhältnisse und der künstlichen Beleuchtung. Parkplätze für Behinderte müssen sich deshalb nicht nur auf der gleichen Ebene, sondern auch in unmittelbarer Nähe der Fahrstühle befinden. Vom Parkfeld zum Eingang Der rollstuhltaugliche Weg • Muss der Weg ausgeschildert werden? Liegt der Eingang nicht im Blickfeld oder müssen Rollstuhlfahrer einen anderen Weg einschlagen als Fußgänger, werden sie durch eine deutliche Ausschilderung geführt. • Sicherheit: Für die Wegstrecke zum Eingang gilt das Gleiche wie für den Parkplatz: die Sicherheit muss gewährleistet sein. Muss der Mobilitätsbehinderte eine Verkehrsfläche überqueren, ist dort ein Fußgängerüberweg mit einem Hinweisschild auf Rollstuhlfahrer anzubringen.
16 Zusätzliche Laufstrecken für gehbehinderte Fußgänger sind grundsätzlich zu vermeiden. 17 Meines Wissens gibt es keine behindertengerechten Parkuhren: Geld-Einwurf nicht über Schulterhöhe des Rollstuhlfahrers, trichterförmig verbreiterte Einwurfschlitze, Beschriftungen und Display auf Augenhöhe (ca. 120 cm) etc.
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• Bodenbelag im Freien: Ein Weg mit griffigem Bodenbelag, auf dem der Rollstuhl möglichst erschütterungsfrei fährt, führt stufenlos zum Eingang. Besonders ungünstig sind Kopfsteinpflaster und praktisch nicht zu befahrende Kieswege. • Steigungen und Gefälle: Steigungen sind möglichst zu vermeiden. Ebenso ermüdend wirkt sich seitliches Gefälle aus: Der Rollstuhl wird ›talwärts‹ abgelenkt. Um dem entgegenzuwirken, muss der Rollstuhlfahrer das Rad auf der ›Bergseite‹ ständig abbremsen, womit der mühsam aufgebaute Vortrieb nach jedem Handstoß sofort wieder vernichtet wird. • Überdachte Wege bieten Vorteile: Nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern auch Mobilitätsbehinderte mit Gehstöcken können keine Schirme tragen. Eine Überdachung der Wege ist deshalb angebracht. Dafür spart sich das Museum einen Teil der Reinigungsarbeiten: Wege für Behinderte müssen frei von glitschigen Blättern sein, im Winter müssten zusätzlich Schnee und Eis mehrmals täglich entfernt werden (Unfallgefahr!). Ist die Fahrbahn verschmutzt, überträgt sich der Schmutz über Räder, Griffreifen und Hände auf die Kleider des Rollstuhlfahrers. Am meisten gefürchtet sind Kaugummi und Hundekot! Die Eingangspartie • Drehtüren: Obwohl große automatische Drehtüren mit Rollstühlen befahren werden können, muss alternativ eine separate Türe als Rollstuhleingang zur Verfügung stehen. • Schiebetüren: Am praktischsten sind Schiebetüren, die automatisch über einen Bewegungsmelder geöffnet und geschlossen werden. Etwas weniger komfortabel ist die Türöffnung per Druckschalter und motorisiertem Türantrieb (Höhe ab Boden ca. 100 cm). Absolut untauglich sind Klingeleinrichtungen, die das Personal anweisen, die Türe zu öffnen: Das dafür zuständige Personal ist auch für anderes zuständig (z.B. Kasse) und lässt deshalb den Rollstuhlfahrer warten. • Flügeltüren: Auch Flügeltüren sollten über einen automatischen, motorgetriebenen Öffnungs- und Schließmechanismus verfügen. Wird die Türöffnung per Druckschalter ausgelöst, darf sich der Schalter nicht im Schwenkbereich der Türe befinden. Eventuell muss auf dieser Seite der Türe ein separater Pfahl für den Schalter angebracht werden. • Keine mechanischen Türschließer! Ist die Türe nicht motorisiert, darf sie keinesfalls über einen mechanischen Türschließer (Feder, die die Türe zudrückt) verfügen: Es ist nur ›sportlichen‹ Rollstuhlfahrern möglich, gegen Türflügel, die ständig zugedrückt werden, erfolgreich anzukämpfen.
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Völlig aussichtslos wird es, wenn die Türe zusätzlich durch Drücken einer Falle oder eines Knopfes gleichzeitig entriegelt werden muss. Im Museum Die Bodenbeläge • Fußabtreter, Bodenmatten: Grundsätzlich können mobilitätsbehinderte Menschen Fußabtreter nicht benutzen. Finden trotzdem Fußabtreter oder Bodenmatten Verwendung, ist darauf zu achten, dass sie bodeneben eingepasst sind, sich nicht verziehen können und auch nach intensivem Gebrauch an den Ecken nicht aufstehen (Stolpergefahr). • Auf vielen Teppichen können Rollstühle die Spur nicht mehr halten. Bodenmatten und Teppiche ganz allgemein weisen oft eine besondere Tücke auf, die sich nur im Rollstuhl »erfahren« lässt: Die Teppichborsten werden durch die beweglichen Vorderräder niedergedrückt. Legt der Teppich nun alle Borsten in der gleichen Richtung ab, werden die Vorderräder abgelenkt, und der Rollstuhl fährt ohne Vorankündigung eine Kurve. Die Hersteller und Händler wissen über dieses verblüffende Phänomen ihrer Teppiche meist nicht Bescheid. Die richtige Bodenmatte, der richtige Teppich, muss durch eigenes Austesten ermittelt werden. • Elektrostatische Aufladung: Viele Bodenbeläge, nicht nur Teppiche, laden den Rollstuhl elektrostatisch auf. Die Entladung findet erst statt, wenn der Rollstuhlfahrer nach etwas greift, was mit dem Boden verbunden ist (Tisch, Liftknopf etc.). Der elektrische Schlag kann dabei so heftig ausfallen, dass Funken von den Händen stieben und der Stromstoß durch den ganzen Körper fährt. • Teppiche erhöhen die Reibung. Teppiche, besonders hochflorige, erhöhen die Reibung. Der Rollstuhlfahrer muss mehr Kraft aufwenden, um vorwärtszukommen. Harte Bodenbeläge sind vorzuziehen. • Keine Noppen, Rasterprofile etc. Bodenbeläge sollten möglichst eben sein, sodass ein Fahren ohne Rattern möglich ist. Gummibeläge mit Noppen oder anderen Profilen sehen zwar gut aus, sind aber für Rollstühle ungeeignet. • Pfeifen und Quietschen: Da Rollstühle im Innen- und im Außenbereich verwendet werden, sind sie zur Schonung der Bodenbeläge meist mit nicht radierenden Reifen ausgestattet. Für Museumsbesucher, die die Exponate in Stille auf sich einwirken lassen möchten, ist es ärgerlich, wenn Rollstühle bei jeder Bewegung quietschen und pfeifen. Und der Rollstuhlfahrer selbst möchte bei diesen Gelegenheiten am liebsten im Boden versinken. Auch zu diesem Problem wissen Hersteller und Händler von Bodenbelägen wenig. Erkenntnisreich sind hier eigene Tests!
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• Rutschgefahr: Besonders gehbehinderte Menschen sind darauf angewiesen, dass die Bodenbeläge auch bei Nässe griffig und rutschfest bleiben (Unfallgefahr!). Die Garderobe Die Garderobe verfügt über Haken auf Kinderhöhe. Diese werden auch von Rollstuhlfahrern benutzt. Die Leih-Rollstühle Viele gehbehinderte, betagte, kranke und verunfallte Menschen verfügen über keinen eigenen Rollstuhl, sondern verwenden Gehstöcke. Wenn sie sich ohne Begleitung in ein Museum begeben, würde ihnen ein Rollstuhl kaum nützen: Sie hätten keine Übung und würden sich damit schwer tun. In Begleitung jedoch ist ihnen ein Leih-Rollstuhl eine große Hilfe. • Modellwahl: Da diese Rollstühle meist geschoben werden, ist ein einfaches Modell ausreichend. Werden zwei Rollstühle angeschafft, sollte ein Stuhl auf schwergewichtige, große Menschen, der andere Stuhl auf Erwachsene mit durchschnittlicher Körpergröße und normalem Gewicht angepasst sein. • Ausstattung, Zubehör: – gute Schiebegriffe für die Begleitperson; – im Neigungswinkel verstellbare und arretierbare Fußstützen (z.B. für gebrochene, eingegipste Beine); – Seitenlehnen mit Kleiderschutz; – Vollgummireifen (wartungsfrei); – div. Sitzkissen in verschiedener Stärke, damit die Sitzposition optimiert werden kann (z.B. für Kinder); – Stockhalter für zwei Stöcke oder Krücken; – Bremsen, die vom Rollstuhlfahrer bedient werden; – Bremsen, die vom Begleiter bedient werden, sind nur notwendig, wenn das Museum über längere Steigungen und Rampen verfügt. – Wenn das Museum Schwellen hat oder über Treppenlifte verfügt, muss der Rollstuhl zur Überwindung dieser Bodenunebenheiten durch die Begleitperson nach hinten gekippt werden können. Dazu sollte hinten am unteren Teil des Rahmens eine Auflagemöglichkeit für den Fuß des Begleiters angebracht sein (kurzes Rohr mit Gummizapfen). • Aufbewahrung: Möglichst im Blickfeld des Personals. Zum Beispiel in der Garderobe.
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• Hinweistafel und Personal: Im Kassenbereich ist ein Schild angebracht, das darauf hinweist, dass das Museum über Leih-Rollstühle verfügt. Der Kassierer oder eine Aufsichtsperson macht potenzielle Benutzer auf diese Möglichkeit aufmerksam und kann die wichtigsten Funktionen des Rollstuhls erklären. • Wartung: Am besten wird mit der Lieferfirma ein Vertrag mit festgelegten Wartungsintervallen abgeschlossen. Es ist nicht sinnvoll, die Wartung den Mitarbeitern zu überlassen: Das Personal ist dafür nicht ausgebildet und überdies einem ständigen Wechsel unterworfen. Es würde einen Mangel am Rollstuhl gar nicht bemerken. Ein nicht gewarteter Rollstuhl stellt ein Unfallrisiko dar. Die Kasse im Eingangsbereich und im Shop • Rollstuhl-Kasse deutlich kennzeichnen: Sind mehrere Kassen vorhanden, ist die Kasse für Rollstuhlfahrer deutlich mit einem von der Decke herunterhängenden Schild zu kennzeichnen, damit sich der Rollstuhlfahrer nicht in der Warteschlange für Fußgänger anstellt. Wird in Zeiten mit wenigen Besuchern nur eine Kasse benötigt, bleibt die Rollstuhlkasse besetzt. • Verkaufstresen: Der Verkaufstresen ist an einer Stelle auf Tischhöhe abgesenkt und kann mit dem Rollstuhl unterfahren werden. • EC-Terminal: Der Terminal für die Bezahlung mit Kreditkarte liegt auf dem Verkaufstisch. Er ist nicht fest montiert, sondern mit einem selbst nachspannenden Kabel18 oder über Funk mit der Kasse verbunden. Nicht alle Rollstuhlfahrer können sich nach vorne über einen Tisch beugen, um das Display abzulesen. So haben sie die Möglichkeit, sich das Kartenlesegerät auf die Oberschenkel zu legen und ihre Geheimzahl vor neugierigen Blicken geschützt einzutippen. Ungünstig sind Kartenlesegeräte, die fest montiert sind oder über ein zu kurzes Kabel verfügen. Völlig untauglich sind Geräte, die sich über Kopfhöhe befinden: Die Besucher in der Warteschlange haben freie Sicht auf die Tastatur und können so die eingetippte Zahl mitlesen.19 • Unterlagen für Behinderte: Nachdem der Behinderte sein Ticket gelöst hat, erhält er einen Plan des Gebäudes bzw. der Anlage, der zusätzliche Informationen für Behinderte enthält:
18 Spiralkabel sind nicht geeignet: Wenn sie eine ausreichende Länge aufweisen sollen, liegt auf dem Verkaufstresen ein voluminöser Kabelhaufen. 19 Da immer noch viele EC-Geräte nicht vom Rollstuhl aus bedient werden können, sind Rollstuhlfahrer gezwungen, Bargeld mitzuführen. Einem Entreißdiebstahl wären sie schutzlos ausgeliefert …
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Fahrstühle; Treppenlifte; feste Rampen; mobile Rampen; Toiletten für Behinderte; Umfahrungsmöglichkeiten für Hindernisse;20 Abteilungen, die für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich sind; Telefonnummer, über die er Hilfe anfordern kann.
Der Museumsshop Hier gelten die gleichen Grundsätze, die auch für Ladengeschäfte außerhalb des Museums Anwendung finden sollten. Vor allem ist darauf zu achten, dass die Durchgänge breit genug sind und nicht mit Waren und Verkaufsständern verstellt werden. Die wichtigen Artikel befinden sich im unteren Bereich. Bücherauslagen sind im Sitzen bequem zu erreichen (normale Tischhöhe, keine Überbreiten). Die Steckdose Rollstühle mit Radnabenmotoren (z.B. e-motion-Räder) haben Batterien mit geringer Reichweite. Rollstuhlfahrer führen deshalb gerne einen zweiten Satz Batterien und ein Ladegerät mit, das sie im Eingangsbereich installieren möchten.21 Dazu benötigen sie eine normale 220V-Steckdose. Die behindertengerechte Toilette Beschildert mit dem Rollstuhlsignet. Sanitärräume für Rollstuhlbenutzer in öffentlichen Gebäuden sind in DIN 18 024-222 genau beschrieben. • Zugänglichkeit: Eine behindertengerechte Anlage, die sowohl von Damen wie auch von Herren benutzt wird, ist in der Regel ausreichend. Selbstverständlich sollte diese Toilette über einen eigenen Eingang verfügen.
20 Zum Beispiel: »In das Untergeschoß führt kein direkter Fahrstuhl. Sie müssen das Gebäude über den Hinterausgang B verlassen, den Hof überqueren und das gegenüberliegende Haus durch die Eingangtüre D betreten. Ins Untergeschoß führt ein Warenlift. Melden Sie sich bitte bei der Kasse oder rufen Sie folgende Telefonnummer an: 00 000 00 00. Wir begleiten Sie gerne.« 21 Ladegerät und Batterien sind klein. Sie finden in einem Kistchen mit den Maßen 30 x 20 x 15 cm Platz. 22 http://nullbarriere.de/din18024-2-sanitaer.htm.
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Ist dies aus Platzgründen nicht möglich, wird sie in der Damen-Toilette untergebracht.23 • Hygiene: Behinderte sind darauf angewiesen, dass die von ihnen verwendete Toilettenanlage hygienisch einwandfrei ist. Selbst sind sie jedoch oft nicht in der Lage, die von ihnen eingeforderte Sauberkeit zu bewahren. Trotzdem ist es keine Lösung, die Toilette abzuschließen und den Schlüssel an der Kasse zu deponieren. Wer möchte schon gerne in einer Warteschlange anstehen, um einem fremden Menschen dieses Bedürfnis zu erklären? Die Antwort lautet übrigens in den meisten Fällen: »Ich komme sofort. Könnten Sie sich noch einen ganz kleinen Moment gedulden?«24 • Behindertentoilette und Babywickelraum zugleich. Es ist von Vorteil, wenn das WC auch als Babywickelraum genutzt wird. Die meisten Menschen kennen die hygienischen Anforderungen, die im Zusammenhang mit Kleinkindern gestellt werden müssen. Der Raum wird deshalb länger sauber bleiben. Zusätzlich wird ein Mitarbeiter bestimmt, der die Toilette mehrmals täglich – am besten nach jeder Benutzung – zu kontrollieren und wieder in Ordnung zu bringen hat. Auf einem im WC aufgehängten Blatt bestätigt er mit Uhrzeit und Unterschrift seinen Kontrollgang. Wichtig: Der aufgeklappte Wickeltisch kann die Verkehrsfläche für Rollstuhlstühle verstellen. Viele Rollstuhlfahrer sind nicht in der Lage, den Wickeltisch wieder in die senkrechte Position zu bringen. Eine Anschrift für Mütter und Väter könnte hier Abhilfe schaffen. • Eine Behindertentoilette ist keine Abstellkammer! In der Behindertentoilette sieht das Reinigungspersonal häufig einen viel zu großen Raum, der zudem nur selten benutzt wird. Das führt leider dazu, dass diese Sanitärräume als Zwischenlager für Toilettenpapier, Reinigungsmittel, Eimer und allerlei Gerätschaften herhalten müssen. Einerseits wird dadurch die Benutzbarkeit eingeschränkt, andererseits sind derart überstellte Räume nicht mehr hygienisch sauber zu halten. Hier heißt es also: ›Wehret den Anfängen!‹
23 Die Herrentoilette zu betreten, ist für Damen unzumutbar, gleichgültig ob sie über ein offenes Urinal verfügt oder nicht. 24 Muss die Toilette doch abgeschlossen werden, wird ein Eurokey-Schließzylinder eingebaut: www.seh-netz.info/euroschluessel/. Dasselbe gilt für Treppenlifte, Hebebühnen etc.
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Die Aufzüge, Treppenlifte und Rampen • Detaillierte technische Angaben inkl. Vorschriften der DI-Norm über Fahrstühle, Treppenlifte und Rampen finden sich unter http://nullbarrie re.de. • Fahrstühle sind mit einer waagerechten Bedienungsleiste ausgestattet (Höhe über Boden ca. 100 cm, große Tasten mit deutlicher Beschriftung) • Mit Eurokey abgeschlossene Treppenlifte stellen für das Museum kein Sicherheitsrisiko dar: Man kann davon ausgehen, dass, wer einen Eurokey besitzt, auch weiß, wie ein Treppenlift zu bedienen ist. • Mobile Rampen: Mobile Rampen können als Provisorien sinnvoll sein. Dabei handelt es sich in der Regel um teleskopierbare, schmale Metallrampen. Pro Rollstuhl wird ein Paar benötigt. Für einen dreirädrigen Elektro-Scooter braucht es drei Stück! Unfallgefahr besteht, wenn die Rampen zu steil ausgelegt werden! Wenn mobile Rampen zum Einsatz kommen, ist gut instruiertes Personal unabdingbar. Die Cafeteria Auch darüber findet sich viel Wissenswertes, etwa detaillierte technische Angaben inkl. Vorschriften der DI-Norm bei http://nullbarriere.de. Trotzdem: Arbeiten in diesem Bereich gehören unbedingt in die Hände eines Innenarchitekten bzw. Architekten, der über breite Erfahrung im barrierefreien Bauen verfügt.25 Ungünstig: einbeinige Bistro-Tische, die mit dem Rollstuhl nicht unterfahren werden können. Die Beschriftungen 26 Beschriftungen in Stehhöhe können vom Rollstuhl aus nicht gelesen werden. Ein Kompromiss zwischen Sitz- und Stehhöhe einzugehen, ist auch nicht sinnvoll: Die Fußgänger müssten sich bücken und viele Rollstuhlfahrer könnten den Text trotzdem nicht lesen. Bei kleiner Schrift und viel Text kommt erschwerend dazu, dass auch viele Rollstuhlfahrer bi-vokale Brillen tragen (Fern- und Nahsicht im gleichen Brillenglas). Die Lesebrille befindet sich im unteren Teil des Brillenglases: Ein senkrecht stehender Text auf Kopfhöhe – oder gar darüber – ist nicht mehr zu entziffern. Was gibt es für Möglichkeiten?
25 Für barrierefreies Bauen gibt es Fachstellen, die bei allen Bauvorhaben zu Rate gezogen werden können. 26 Die Anforderungen für sehbehinderte Menschen sind hier ausdrücklich nicht berücksichtigt.
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• Sämtliche Beschriftungen des Museums werden in einem Heft zusammengetragen und bei der Kasse dem Rollstuhlfahrer ausgehändigt. – Nachteile: Die Texte würden ein ganzes Buch füllen. Für den Rollstuhlfahrer wäre dies zu groß und zu schwer. Für das Museum wäre eine Textänderung zu aufwendig, d.h. das Buch wäre schon bald nicht mehr aktuell. • In jedem Raum liegen die Texte über die jeweiligen Exponate aus. Diese Textsammlung besteht aus einzelnen Blättern, die in ein Mäppchen eingeordnet sind. – Vorteile: Die Textsammlung ist für das Museum einfach nachzuführen und zugleich handlich für den Rollstuhlfahrer. Die Exponate Eine allgemeingültige Aussage zu machen ist schwierig: Zu vielfältig ist das Ausstellungsgut. Am besten setze man sich selbst in einen Rollstuhl und besuche das Museum! Man wird vieles entdecken, was erstaunt: ›Perfekt‹ gehängte Bilder, die sich aus dieser Perspektive in spiegelnde Flächen verwandeln; Vitrinen, die nicht mehr einsehbar sind;, interaktive Möglichkeiten, die sich nicht nutzen lassen, weil der Korpus nicht unterfahrbar ist und vieles mehr … Zur Verzweiflung besteht trotzdem kein Grund: Es muss nicht alles neu erfunden werden. Für die meisten Probleme gibt es Fachleute, die Ihnen Lösungen nach Maß anbieten können. Das Wichtigste sind die Mitarbeiter Das barrierefreie Museum ist Chef-Sache Erst wenn Freude und Stolz über gelebte Solidarität mit behinderten Mitmenschen von der obersten Führungsebene aus kommuniziert werden, kann die Barrierefreiheit im Museum zum zentralen Anliegen werden. Auf dieser Ebene müssen finanzielle Mittel und Personalressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die Ebene der Abteilungsleiter Auf der Ebene der Abteilungsleiter muss der Zuständigkeitsbereich »Barrierefreiheit« eingerichtet werden. Damit ein ›Kompetenzzentrum für das barrierefreie Museum‹ entstehen kann, müssen Mitarbeiter die Gelegenheit haben, sich weiterzubilden, Kurse zu besuchen und in Begegnungen Behinderte und ihre Anliegen kennenzulernen: • Hier findet die Vernetzung mit anderen Museen, mit Stadt und Region, mit Ämtern und Behörden statt.
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• Auf dieser Ebene werden Aktionspläne ausgearbeitet, die das Museum Schritt für Schritt an die Barrierefreiheit heranführen. • Dieser Zuständigkeitsbereich trägt die Verantwortung, dass bereits Erreichtes weiterhin gepflegt wird. Routinemäßige Kontrollen stellen sicher, dass die Einrichtungen benutzbar bleiben. In Mitarbeitergesprächen ist das behindertengerechte Verhalten ein Thema. Die weiteren Mitarbeiter Auch die weiteren Mitarbeiter, vom Kunstvermittler bis zum Reinigungspersonal, müssen in diesen Prozess einbezogen werden. Sie stehen im direkten Kontakt mit den Besuchern und machen wichtige Erfahrungen, die laufend in den Prozess einfließen müssen. Motivierte Mitarbeiter ohne Berührungsängste, die auf Menschen – behindert oder nicht – zuzugehen vermögen, sind oft nicht nur die letzen Helfer in der Not, nein, häufig sind sie es, die den Museumsbesuch mit Wärme und Herzlichkeit zum bleibenden Erlebnis werden lassen. Der Weg in eine Zukunft ohne Barrieren, in der sich behinderte und nicht behinderte Menschen partnerschaftlich begegnen, stellt hohe Ansprüche an alle. Sich gemeinsam auf diesen Weg zu begeben bedeutet aber auch, Teil einer Bewegung zu sein, deren Ziel es ist, möglichst alle Menschen an der Gesellschaft teilhaben zu lassen.
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Das Museum als Lern- und Erfahrungsort für Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf
Barbara Wichelhaus Sonderschüler als Museumsbesucher – Normalisierung und Integration Es erscheint uns selbstverständlich, dass Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen Besucher von Museen sind, obwohl sie häufig keine künstlerischen, kunsthistorischen oder kunsttheoretischen Voraussetzungen mitbringen. Erst in den vergangenen Jahrzehnten, einhergehend mit der Auffassung vom Museum als öffentlicher Bildungseinrichtung, hat sich eine kooperative Zusammenarbeit mit anderen Bildungsinstitutionen – auch Sonderschulen – ergeben. Die damit verbundenen Aufgaben wurden vorwiegend in museumspädagogischen Abteilungen wahrgenommen. Diese haben Programme und Methoden entwickelt, die den Voraussetzungen unterschiedlicher Kunstrezipienten angepasst sind, um Kommunikation im Museum für jedermann zu ermöglichen. Menschen mit Behinderungen haben neben körperlichen auch psychosoziale Belastungen, die mit bildungspolitischen und gesellschaftlichen Einschränkungen verbunden sein können. Dies kann zu einem erheblichen Verlust an kultureller Identität führen (vgl. Franzen 1994: 95ff.). Aus diesem Grund sind Menschen mit Behinderungen für die Museumsverantwortlichen akzeptierte Partner (vgl. Hofmann 1976: 82ff.) – so wie andere Besucher auch. Für das Gelingen einer solchen Partnerschaft müssen jedoch Bedingungen geschaffen werden, die mit dem Begriff Barrierefreiheit eine neue Akzentuierung erfahren haben. Dabei geht es nicht nur um räumliche und organisatorische Gegebenheiten, sondern auch um Wahrnehmung, Akzeptanz und Kommunikation in einem besonderen Vermittlungsbereich. Erziehung und Bildung ist durch ein ganzheitliches positives Menschenbild im Umgang mit Menschen mit Behinderungen geprägt. Mehr als in anderen gesellschaftlichen Bereichen hat hier eine Ablösung medizinisch-defizitorientierter Denkansätze zugunsten von Vorstellungen, die auf Ressourcen und kreativen Möglichkeiten des Andersseins basieren, stattgefunden. Behinderte Menschen sind im pluralen postmodernen Denken eine Facette des großen Spektrums von Normalität (vgl. Welsch 1988). Integrative Museumspädagogik, an der z.B. behinderte und nicht behinderte Menschen gemeinsam teilnehmen, belegen solche Vorstellungen ebenso wie die kooperativen Projekte von Künstlern mit Menschen mit Behinderungen. Abund Ausgrenzungen, Etikettierungen werden aufgehoben und Normalisie-
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Barbara Wichelhaus ➔ Lern- und Erfahrungsort für Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf
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rungen im Sinne pluraler Vielfalt angebahnt. Das Museum ist für behinderte Menschen auf der Basis von pädagogischen Vorstellungen über Normalisierung und Integration ein protektiver Ort, in dem Kommunikation und Anerkennung ohne Ausgrenzungen möglich sein sollte. Behinderung Behinderung wird sehr unterschiedlich definiert. In den Empfehlungen der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates von 1973 wird eine erziehungswissenschaftliche Sicht aufgezeigt. Danach gelten Kinder und Jugendliche, die in ihrem Lernen, im sozialen Verhalten, in der sprachlichen Kommunikation oder den psychomotorischen Fähigkeiten beeinträchtigt sind, dann als behindert, wenn ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft erschwert ist. Sie bedürfen besonderer Förderung, die ihnen in den Sonderschulen für lernbehinderte, geistig behinderte, sprachbehinderte, gehörlose und hörgeschädigte, blinde und sehgeschädigte, körperbehinderte und erziehungsschwierige Schüler zuteil werden kann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO 1980, 1993) charakterisiert Behinderung im Rahmen eines Dreifaktorenmodells: Ausgehend von möglichen Ursachen wie Krankheit, angeborenen Leiden oder äußeren Verletzungen entwickeln sich Schäden (Impairments), individuelle und funktionelle Einschränkungen (Disabilities) sowie soziale Beeinträchtigungen (Handicaps), die persönliche, familiäre und gesellschaftliche Folgen nach sich ziehen (vgl. Bar 1994: 25) bzw. auf diese zurückwirken. Damit wird verdeutlicht, dass Menschen mit Behinderungen nicht nur durch ihre Schädigungen, sondern auch durch die daraus resultierenden Folgen betroffen sind. Um diese einzuschränken, zu mindern oder abzubauen, werden rehabilitative Maßnahmen mit unterschiedlicher Ausrichtung – medizinisch, pädagogisch, sozial oder berufsfördernd – eingesetzt (vgl. ebd.: 26). Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf In den 1994 von der Kultusministerkonferenz verabschiedeten Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung wird ein verändertes Verständnis von Behinderung sichtbar. Statt einer Zuordnung von Schülern zu bestimmten Institutionen bzw. Sonderschultypen und den damit verbundenen Festschreibungen nach spezifischen Behinderungsformen werden individuelle Bedürfnisse und Probleme von Heranwachsenden und darauf bezogene Fördermöglichkeiten als Ansatzpunkte für Pädagogik und Unterricht herausgestellt. Förderschwerpunkte werden mit Bezug zu den aktuellen Lebens- und Lernbedingungen sowie zum Entwicklungsstatus eines Schülers definiert. Dabei werden auch einzelne Verhaltens- und Tätigkeitsbereiche
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wie z.B. Sensorik und Motorik, Emotionalität und Kognition, Kommunikation und Interaktion, Motivation und Kreativität etc. berücksichtigt. In den folgenden Überlegungen werden drei Förderschwerpunkte exemplarisch vorgestellt und potenzielle Lern- und Fördermöglichkeiten in der Museumsarbeit skizziert. Förderschwerpunkt Lernen Lernen ist ein interaktiver Prozess, der sich in der aktiven Auseinandersetzung eines Schülers mit seiner Umwelt vollzieht. Hemmende Bedingungen, deren Ursachen häufig im soziokulturellen Umfeld eines Schülers liegen, führen zu zeitweiligen oder dauerhaften Beeinträchtigungen des Lernens, z.B. zu Einschränkungen in grundlegenden Wahrnehmungsbereichen, mangelhafter Gestalterfassung, unterentwickeltem Körperschema, motorischen Problemen oder verzögerter Sprachentwicklung etc. – Fähigkeiten, die u.a. für die kulturelle Erziehung im Museum wesentlich sind. Der Förderschwerpunkt Lernen ist in seinen Zielsetzungen an allgemeinbildenden Schulen ausgerichtet, unter besonderer Berücksichtigung von kognitiven, sprachlichen und sozialen Entwicklungsprozessen. Das Lernen ist an der besonderen Lebenssituation der Schüler orientiert. Selbsttätigkeit, Handlungskompetenz und Identitätsentwicklung sind in diesem Zusammenhang wichtige Intentionen. Dem Lernen im Museum könnte dabei eine wesentliche Funktion zukommen, da hier ein Lernfeld mit Verbindungen zum Lebens- und Handlungsraum der Schüler zur Verfügung gestellt wird, der eine Öffnung in die Gesellschaft markiert. Interessen und Bedürfnisse von Schülern mit Lernund Entwicklungsschwierigkeiten können im Museum durch andersartige Lerngegenstände, einen ungewohnten Lernort und durch neue Lernmethoden in besonderer Weise angesprochen werden. Rezeption und Produktion sowie spezifische Raum- und Architekturerfahrungen im Museum sind u.a. geeignet, Spielfähigkeit, Material- und Körpererfahrungen, Objekt- und Selbstwahrnehmungen anzuregen – Basisqualifikationen als Grundlage für weitere Lernentwicklungen. Förderschwerpunkt geistige Entwicklung Der Begriff »geistig behinderte Menschen« ist Ende der 50er durch die Elterninitiative »Lebenshilfe« in der BRD eingeführt worden. Unter einer »geistigen Behinderung« wird nach der WHO eine stehengebliebene oder unvollständige Entwicklung geistiger Fähigkeiten verstanden, die Kognition, Sprache, motorische und soziale Verhaltensweisen be-
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einträchtigt. Als Folgen können auch körperliche oder psychische Störungen auftreten. Der Grad der »geistigen Behinderung« kann unterschiedlich ausgeprägt sein, von leichter bis zu schwerer Intelligenzminderung, von selbstständigen und sozialen Verhaltensweisen bis zu hochgradigen Beeinträchtigungen von Personen, die andauernde Unterstützung in allen Lebensbereichen benötigen. Nach Studinger (2002) handelt es sich dabei um Personen, deren seelische und geistige Entwicklung verlangsamt verläuft und die deshalb voraussichtlich lebenslanger Hilfe bedürfen (vgl. ebd.: 13). Aufgrund dieses Entwicklungsverlaufes können unterschiedliche Lern- und Verhaltensveränderungen entstehen, die sich insbesondere in Einschränkungen bei den Fähigkeiten zu Abstraktion und Transfer, beim Erinnerungsvermögen und bei der Sprachentwicklung zeigen, aber auch mit einem verlangsamten Lerntempo und geringer Motivation einhergehen können (vgl. ebd.). In den 80er Jahren wurde der Begriff »geistig behindert«, der insbesondere von Pädagogen als soziale Diskriminierung empfunden wird, durch die Bezeichnung »Menschen mit geistiger Behinderung« ersetzt (vgl. Bach u.a. 1974: 28ff.). Auch diese Terminologie fand keine uneingeschränkte Akzeptanz, da der stigmatisierende, ausgrenzende Aspekt mit der neuen Bezeichnung keineswegs aufgehoben war. Der Begriff ist nach Theunissen (1992: 16) ein »adskriptives Phänomen«, da er sich aus Zuschreibungen und Bewertungen ergibt. Dabei existieren große Unterschiede in den verschiedenen Disziplinen, z.B. zwischen Medizin, Soziologie und (Heil-)Pädagogik. Letztere hat sich in den vergangenen Jahren intensiv bemüht, das defizitorientierte Denken in der Definition von Menschen mit geistiger Behinderung durch eine andere Sichtweise abzulösen. Geistige Behinderung, so Speck (2005), ist »kein fixierter Zustand, der sich linear aus einer Hirnschädigung ergibt« (ebd.: 69), sondern ein individueller und sozialer Entwicklungsstand mit unterschiedlichen Möglichkeiten für eine sinnvolle Lebensgestaltung (vgl. ebd.: 68). Insbesondere in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen sind starre Klassifizierungsschemata zunehmend abgebaut worden, um die Vielfalt von Persönlichkeitsmerkmalen und Entwicklungspotenzialen in seelischen und geistigen Bereichen besser erfassen und fördern zu können. Dies hat zu erneuten Veränderungen in der Begrifflichkeit geführt. Wir sprechen heute, im Anschluss an die KMK-Empfehlung von 1994, vom »Förderschwerpunkt geistige Entwicklung«. Auch der »Förderschwerpunkt geistige Entwicklung« ist wie der »Förderschwerpunkt Lernen« handlungsorientiert ausgerichtet, mit der Absicht, auf der Basis des individuellen Vermögens jedes einzelnen Schülers Lernprozesse durch aktive Auseinandersetzungen mit der realen Lebenswelt an-
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zubahnen. Verbunden damit sind Förderungen der Wahrnehmungsfähigkeit sowie der kognitiven und kommunikativen Entwicklung und des sozialen Verhaltens. Das Museum bietet für Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung vielfältige Lernmöglichkeiten, vor allem im Bereich der Sensorik, mit Schwerpunkten in der Wahrnehmung sowie der Körper- und Raumorientierung, der Motivation durch entdeckendes experimentelles Lernen (Neugierverhalten und Interesse), der Förderung von Sprachentwicklung und Kommunikation (themenzentriertes sowie erlebnisorientiertes, freies Sprechen mit und über Kunst- und Kulturobjekte) sowie der Förderung von Denkprozessen durch Anregung von Vorstellungsfähigkeit und Kreativität. Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung Schüler mit sogenannten Auffälligkeiten im sozial-emotionalen Bereich, häufig auch als verhaltensauffällig oder erziehungsschwierig bezeichnet, gehören zu einem komplexen Problemfeld, das aufgrund unterschiedlicher Entstehungsbedingungen nur sehr schwer zu definieren ist. Sie fallen in ihrer Umwelt negativ auf, weil sie wenig gesellschaftlich erwünschte Verhaltensweisen und Kompetenzen zeigen und damit von einer allgemeinen Norm abweichen (vgl. Myschker 2005: 41). Mit dem Paradigmenwechsel von der »Sonderschulbedürftigkeit« zur »Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs« (KMK 1994) gelang es, auch diese Schülergruppe anders zu sehen. Besondere Fähigkeiten, individuelle Schwierigkeiten und Konflikte sowie ihre Verursacher wurden zum Ausgangspunkt für persönlichkeitsbildende und soziale Förderziele im Rahmen (heil-)pädagogischer Maßnahmen. Mehr noch als in anderen Förderschwerpunkten wurden neben individuell orientierten und ganzheitlich ausgerichteten pädagogischen Interventionen auch präventive, rehabilitative und therapiegestützte Arbeits- und Unterrichtsformen entwickelt. Das Wissen um die Probleme Heranwachsender ist heute jedoch keineswegs nur auf Sonderschüler begrenzt. Das Museum bietet für ›Problemkinder‹ aller Schulstufen und Schulformen eine besondere Art und Weise der Erziehungskommunikation (Schleiffer 1995) an, z.B. durch offene Lehrformen, einen erlebnismäßigen Zugang zu Wissen und Erfahrungen oder durch projektorientierte Arbeitsformen. Das Museum als ausserschulischer Lernort für Schüler mit Förderbedarf Neben der Schule ist das Museum eine »wünschenswerte, weil produktive Alternative« zur ästhetischen Erziehung (Otto 1968: 16) mit gesellschaftli-
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chem Erziehungsauftrag, durch den der pädagogische Auftrag der Schule ergänzt und erweitert wird. Die Alternative hat nur solange Bestand, wie die Lehr- und Lernprozesse an den beiden Lernorten, trotz ähnlicher Bezüge, tendenziell unterscheidbar sind (vgl. ebd.). Von den sieben Unterscheidungsmerkmalen, die Otto als wesentlich erachtet (vgl. ebd.: 149ff.), sind für Schüler mit besonderem Förderbedarf vor allem die Unterschiedlichkeit der Bildungsinhalte, ihre Auswahlmöglichkeiten nach individuellen Interessen, die fehlende Bindung an curriculare Vorgaben und die damit verbundene Freiwilligkeit und Offenheit von Lernprozessen sowie Veränderungen im Motivations- und Aufmerksamkeitsverhalten aufgrund neuerer und andersartiger Lernbedingungen wesentlich. Während Schüler mit besonderem Förderbedarf im Unterricht durch Ausgrenzung aus dem normalen Bildungssystem eine Sonderrolle innehaben, bewegen sie sich im Museum in einem gesellschaftlichen Bereich, der solche Differenzierungen nicht kennt. Dies birgt besondere Chancen, aber auch Risiken für die Vermittlungsarbeit. Chancen liegen in den Möglichkeiten der originalen Begegnung sowie der Teilhabe an Kunst- und Kulturgütern, die gesellschaftliche Normen, Werte und Traditionen vermitteln, unabhängig von schulischen Strukturen und erzieherischen Kommunikationsproblemen. Die Schwierigkeiten liegen darin, diese Chancen tatsächlich zu nutzen und Zugangsmöglichkeiten zu finden, die sowohl der Autonomie des Ortes als auch den Rezeptionsfähigkeiten der Schüler gerecht werden. Sprache und Kommunikation – Aspekte der Vermittlungsarbeit In der Museumsarbeit werden unterschiedliche Sprach- und Zeichensysteme, verbale und visuelle, konventionelle und ästhetische, kombiniert. Um sich der Gestalt, der Struktur und Bedeutung z.B. eines Kunstwerkes anzunähern, verwendet der Museumspädagoge vorwiegend die verbale Sprache, die er bei Schülern mit Förderbedarf nur bedingt einsetzen kann, um einerseits die Schüler in ihren Verstehensmöglichkeiten nicht zu überfordern und andererseits sprachunabhängige Wahrnehmungsmöglichkeiten nicht einzuengen oder zu blockieren (vgl. Wichelhaus 2006a: 74). Als Kunstvermittler hat er Wissen, Kenntnisse und Seriosität, die nicht nur durch Erfahrungen mit Kunst- und Kulturgütern entstehen, sondern auch im kreativen Umgang mit unterschiedlichen Kunstrezipienten bei der Formulierung der wahrgenommenen Sachverhalte (vgl. Sturm 1996: 41). Das Museum ist für viele Kinder mit Förderbedarf eine schwierige und fremde Kommunikationssituation, in der sie Unterstützung benötigen, um das Gesehene und Erlebte zu verstehen, sich selber sprachlich zu artikulieren und nicht hilflos zu verstummen. Das Sprechen im Museum mit und
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über Bilder und andere Kulturgüter ist heute keine Domäne mehr von Experten. Längst haben sich für die Museumspädagogik mit Kindern Methoden herauskristallisiert, die auch für Schüler mit besonderem Förderbedarf geeignet sind, in denen es nicht um eine sprachlich fixierte Aufbereitung von Objekten geht, sondern um Aktivitäten zwischen Subjekt und Objekt, inszenierten Vorgängen (vgl. Weschenfelder/Zacharias 1992: 32) mit handlungsorientierten Kommunikationsformen, die eine sprachliche Vermittlung substituieren können. Dabei ist das Museum, wie Ameln-Haffke (2006) betont, kein Spielplatz, trotzdem weist es einige Parallelen in der die Aufbereitung methodischer Zugriffsweisen auf (vgl. ebd.). Beim Sprechen über Kunst sind Kinder und Jugendliche nicht ausgeschlossen. Sie sind legitimiert, alles sagen zu dürfen, da sie sich in einem Lernprozess im Museum befinden. Für die legitimierten Vermittler, z.B. Museumspädagogen, ergeben sich daraus künftig Konflikte, da sie sich, wenn sie sich den Sonderschülern sprachlich anpassen, um verstanden zu werden, in einer Sprachzone bewegen, die möglicherweise von professioneller Seite nicht immer als ein Sprechen über Kunst und Kultur anerkannt wird (vgl. Sturm 1996: 47). Besondere Kommunikationsprobleme bereiten Museumsbesuche von Schülern mit emotional-sozialem Förderbedarf. Störungen in der Vermittlung liegen weniger auf der Inhalts-, als auf der Beziehungsebene (vgl. Watzlawick et al. 1990: 97ff.). Möglichkeiten für Veränderungen bieten das ungewohnte erzieherische Umfeld und die hohen Anteile non-verbaler Kommunikationsformen, die weniger als die verbale Sprache durch negative Erfahrungen belastet sind. Diese garantieren jedoch nicht, dass die Museumsarbeit konfliktfrei ist. Erziehung zur Kunst – Erziehung mittels Kunst In der ästhetischen Erziehung gibt es wesentliche Unterschiede in der Auffassung über den Einsatz der bildenden Funktionen der Kunst. Kunstverstehen und damit die Teilhabe an einem wesentlichen Teil der gesellschaftlichen Kultur ist für Regelschüler das Ziel kunst- oder museumspädagogischer Unterweisung. Die ästhetische Erziehung sieht hier einen Schwerpunkt in der Vermittlung von Kulturwissen und Teilhabe, verbunden mit Erkenntnissen über historische, sozialpolitische und ästhetische Hintergründe der Entstehung und Wirkung von Kunstobjekten. Zielsetzungen zum Ende der Schullaufbahnen sind vorwiegend Fähigkeiten zur ästhetischen Kommunikation. Bei Schülern mit einem besonderen Förderbedarf sind solche Intentionen, die vor allem in den Curricula genannt werden, nicht aus-
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geschlossen. Vorrangig ist jedoch eine andere Zielsetzung: Die Verwendung von ästhetischen Operationen als ein Mittel zu pädagogischen Zwecken – sowohl als Kunstrezeption als auch als Kunstproduktion. D.h. die Beschäftigung mit Kunst dient vorrangig der Wahrnehmung und Darstellung autobiografischer Erfahrungen, ist Ausdruck der eigenen Lebenspraxis zur Mitteilung und Bewältigung von Problemen, sie vermittelt Erfahrungen, die offensichtlich nur am bildhaft symbolischen Material gemacht werden können (vgl. Richter 1977: 74). Für diese Art des Umgangs mit Kunst bei Schülern mit besonderem Förderbedarf gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist Schülern mit Wahrnehmungs- und Objektivierungseinschränkungen ein sachgerechter Umgang mit Kunst selten möglich. Zum anderen stellt die Kunst ästhetische Mittel zur Verfügung, die in besonderem Maße geeignet sind, Konflikte aufzuzeigen und sie im Rahmen schulischer und gesellschaftlicher Prozesse zu akzeptieren. Individualisierung, Komplexitätsreduktion, Instruktionserhöhung Richter (1984) hat für einen (sonder-)pädagogischen, therapeutisch orientierten Unterricht drei didaktische Grundprinzipien der Vermittlung aufgestellt, die zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Lehrenden und Schülern beitragen können. Trotz der Unterschiede zwischen den Lernorten Schule und Museum geht es den Vermittlern an beiden Institutionen darum, Lernprozesse zu fördern – auch unter schwierigen Lernbedingungen. Aufgrund der Heterogenität der Schüler und der Probleme, diese in ihrem Lernverhalten im Museum richtig einzuschätzen und anzuleiten, können allgemeine Prinzipien für einen fördernden Unterricht auch im Museum hilfreich sein. Damit sollte die museumspädagogische Arbeit jedoch nicht auf Lernstrategien eines fördernden Kunstunterrichts verkürzt werden. Individualisierung Seumel (2001) hat die besondere Bedeutung von assoziativen Rezeptionsverfahren für einen subjektiven Zugang zu Werken der Bildenden Kunst herausgestellt, durch die Wahrgenommenes ganz individuell mit Vorstellungen, Empfindungen, Gefühlen, Erinnerungen und Deutungen verbunden und sprachliche Barrieren eingeschränkt oder abgebaut werden können. Sie »zielen in erster Linie darauf ab, durch spielerisches Herangehen gesunde Neugier in den Lernenden« zu wecken und »die Annäherungen spannend zu gestalten« sowie »Gefühle der Fremdheit und Hilflosigkeit vor allem gegenüber zeitgenössischer Kunst abzubauen« (ebd.: 5). Assoziative
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Verfahren sind deshalb besonders geeignet, Lernen bei Schülern mit besonderen Befindlichkeiten und Bedürfnissen zu aktivieren, da sie offene, fantasievolle, unkonventionelle Kunstbetrachtungsformen mit Museumswerken fördern. Kirchner (1996) fordert für den Dialog der Grundschüler mit Kunstwerken, dass die kindliche Lebenswelt und die subjektive Wirklichkeitserfahrung die Selektionskriterien für die Auswahl und Vermittlung sein müssen. Dies gilt auch für Schülerinnen und Schüler an Sonderschulen (vgl. ebd.: 16). Dabei geht sie von besonderen Erkenntniswegen und -formen der Kinder aus, in denen affektive, empathische, imaginative oder symbolische Vorstellungen dominieren. Diese ermöglichen wichtige erlebnismäßige Zugänge, die weder von einem historischen Bewusstsein noch von weit entwickelten kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten abhängig sind. Instruktionserhöhung/Komplexitätsreduktion Otto und Rottmann (1997) haben sich mit besonderen Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion im Museum befasst, die auf die Bedingungen museumspädagogischer Arbeit mit Schülern, d.h. Laien, zugeschnitten sind. Der Veranstaltungstyp »Museumsführung« ist aus dieser Perspektive ungeeignet, um besonderen Kommunikations- und Interaktionsbedingungen für Sonderschüler gerecht zu werden. An ihre Stelle treten andere Vermittlungsformen. Fantasiereisen z.B. eröffnen gedankliche Freiräume (vgl. Ameln-Haffke 2003: 30), die für Schüler, die stark auf sinnlich-haptische Grundlagen des Lernens angewiesen sind, kompensatorische Funktionen erfüllen. Nicht die Information des Museumsführers, sondern die Imaginationen stimulieren Wahrnehmung und Sprache (vgl. ebd.). Sie bilden gleichzeitig die Basis für eine kreative künstlerisch-praktische Weiterbearbeitung. Otto/Rottmann (1997) zeigen ein breites Repertoire an methodischen Varianten auf, die einfache erlebnishafte Zugänge zu Kunstwerken vermitteln und für Sonderschüler geeignet sind. Neben den o.g. Fantasiereisen werden unterschiedliche Aktions- und Spielformen, interdisziplinäre Aktivitäten, vor allem mit Kunst und Bewegung, aber auch Sprach- und Sprechförderungsanreize wie der sogenannte »Chinesische Korb«, Kreatives (assoziatives) Schreiben, der »Fünf-Sinne-Check« etc., erörtert (vgl. ebd.: 35ff.). Mithilfe solcher Methoden, die in ihrer Eignung auf jede einzelne Sonderschulklasse und jedes zu vermittelnde Bild hin überprüft werden sollten, eventuell auch als unpassend abgelehnt oder aber in modifizierter Form eingesetzt werden müssen, werden die musealen Kommunikationsprozesse verändert und ein erlebnisorientierter Zugang, dem spezifischen Lernen von Sonderschülern adäquat, ermöglicht. Das Repertoire solcher Methoden, die sowohl die Komplexität des künstlerischen Objektes, die
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Einsicht in seine ästhetischen Strukturen und seinen historischen Hintergrund reduzieren und gleichzeitig vielfältige Erfahrungen in unterschiedlichen Richtungen in Gang setzen, ist unerschöpflich. »Es reicht von Sammeln über das Sprechen und Schreiben, bis hin zum Assoziieren, ›automatisch‹ Denken und Interviewen, vom Ausschnitt bearbeiten, über aspekthafte Auslegungen bis hin zum Sehen, Riechen, Fühlen, Hören, Musizieren, vom Verrätseln über das Zuordnen bis zum Verbinden und Verknüpfen, vom Nachstellen bis zum szenischen Interpretieren und zum Spielen.« (Ebd.: 35)
Lernen im Museum – Luxus oder pädagogisch sinnvolle Kurzzeitmassnahme Museumsbesuche von Sonderschülern finden in der Regel nur sporadisch statt. Inwieweit sind solche Besuche sinnvoll bzw. in der Lage, Erfahrungsund Lernwirkungen zu erzeugen? Das einmalige Museumserlebnis sollte, wenn es nicht nur einen Ausflug ins Phantasialand ersetzt, als kurzfristige pädagogische Intervention gut geplant und strukturiert durchgeführt werden. Dazu gehören Vorbereitungen und Kooperationen der beteiligten Pädagogen (Lehrer/Museumspersonal): • Steht der Museumsbereich im Zusammenhang mit Unterrichtsveranstaltungen (Fach, Thema, künstlerische Praxis etc.)? • Kennen die Lehrpersonen das Museum und die museumspädagogischen Angebote (Infomaterial, Unterrichtshilfen, Anregungen, Kurse etc.)? • Welche notwendigen Informationen sollte ein Museumspädagoge über die Schülergruppe erhalten (Behinderungen, Lernniveau, Vorerfahrungen, Förderbedarf)? • Welche organisatorischen und praktischen Vorkehrungen sind notwendig (z.B. bei Handicaps im motorischen Bereich etc.)? Auch die gegenseitigen Erwartungen sollten abgeklärt werden: • Was erwartet der Lehrer von einem einmaligen Museumsbesuch? Welche Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten sieht der Museumspädagoge (Hilfestellung in der lebensweltlichen Orientierung, Förderung sozialer Kompetenzen, Stärkung von Persönlichkeitsanteilen durch originale Begegnung mit Kunstwerken etc.)? Die einmalige Führung einer für den Museumspädagogen meist unbekannten Gruppe von Schülern mit besonderem Förderbedarf sollte im Sinne eines didaktischen Phasenmodells sinnvoll strukturiert sein:
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Mehr noch als Schüler der Regelschulen benötigen Sonderschüler ein geeignetes Lernklima, das auf tragfähigen Beziehungen zu Pädagogen beruht. Dies lässt sich bei einem Museumsbesuch kaum umfassend herstellen. Trotzdem sollte eine Eingangs- bzw. Aufwärmphase dem Kennenlernen und der Kontaktaufnahme, dem Vertrautwerden zwischen dem fremden Museum, dem Pädagogen und den Schülern dienen. Hier können Gespräche, spielerische Verfahren etc. vorbereitend eingesetzt werden. Daran schließt sich eine zweite, stärker strukturierte Phase an, in der die Vermittlung zentriert auf einen oder mehrere Lerngegenstände, z.B. ein Kunstwerk, eine prähistorische Ereigniskette etc. durchgeführt wird. Die so gewonnen Erkenntnisse und Erfahrungen werden in einer dritten Phase in alte oder neue Zusammenhänge integriert, d.h. z.B. mit anderen Kunstwerken verglichen oder im Zusammenhang mit eigenen Interessen, Erlebnissen oder besonderen Lebensereignissen betrachtet und reflektiert. Diese Phase kann auch handlungsbezogen, d.h. durch Lösen einer praktischen Aufgabe realisiert werden. Auch eine vierte Phase, die der Ablösung bzw. Entlassung der Schüler aus dem Museum, sollte berücksichtigt und gestaltet werden, z.B. in der Betrachtung der praktischen Ergebnisse, in einem gemeinsamen Gespräch über das Museumserlebnis oder durch einen abschließenden Besuch bei dem »angeeigneten« Kunstwerk etc. Dies vermittelt den Schülern ein Gefühl für die Bedeutung ihres Besuchs und weckt häufig auch den Wunsch, wiederzukommen. Ästhetische Praxis Im Zusammenhang mit kulturellen Erfahrungen im musealen Kontext spielt die eigene ästhetische Praxis bei Schülern mit besonderem Förderbedarf eine sehr wichtige Rolle. Die durch Kunst- und Kulturobjekte sowie ausgesuchte Vermittlungsformen intensivierte Imaginations- und Fantasietätigkeit kann durch selbst gebaute, gezeichnete, geformte oder gemalte Bilder und Objekte die Gestaltungsfähigkeiten in besonderer Weise anregen. Dabei kann sowohl fachübergreifend als auch fachspezifisch, thematisch gebunden oder frei, kunstwerknah oder davon losgelöst, mit Bezug zu eigenen Interessen und Lebensbezügen gearbeitet werden. Mimetisches, nachahmendes bildnerisches Ausdrucksverhalten, das häufig im Museum mit Sonderschülern praktiziert wird, wird in der Kunstpädagogik kontrovers diskutiert. Für Uhlig (2004) ermöglicht es Zugänge zu einem erweiterten Werkverstehen, um z.B. das Motiv, die Komposition, die Farben oder die Materialität zu erkunden (vgl. ebd.: 6). Mit der eigenen Gestaltung auf der Basis der Anschauung von Kunst- und Kulturwerken können die Rezeptionsprozesse vertieft werden.
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Rezeptive Kunsttherapie Begreift man das Museum nicht nur als Erlebnis- und Lernraum für Schüler mit besonderem Förderbedarf, sondern sieht in ihm auch einen Ort, an dem die Begegnung mit Kunstwerken rehabilitative heilende Kräfte freisetzt (vgl. Leuteritz 1996), dann lassen sich auch Museumsbesuche denken, die therapiegestützt durchgeführt werden. Mit dem Ansatz der rezeptiven Kunsttherapie (Leuteritz 1996; Franzen 1997) oder der Ikonotherapie (Ott 1996) oder der morphologischen Bildbetrachtung (Salber 1977 etc. u.a.) wurden insbesondere für emotional belastete Schüler weitere Möglichkeiten der Kunstrezeption entwickelt. Es handelt sich dabei um ein erweitertes Verständnis von Therapie. Im Hinblick auf die Konflikte und Gefährdungen eines Menschen sollen sinnliche und kreative Kräfte sowie symbolische Fähigkeiten entwickelt und gestärkt werden, um Betroffenen neue, sinnerfüllte und damit auch stabilisierende Lebensmöglichkeiten zu geben. Therapiegestützte Modelle sind häufig dann erfolgreich, wenn sie zur Flexibilität von Handlungsmaßnahmen beitragen. Es geht aber nicht darum, Museumspädagogik durch Museumstherapie zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen und zu erweitern. Angebote grosser Museen für Menschen mit Behinderungen Das Angebot der großen Museen für Menschen mit Behinderungen, das ergab eine Anfrage bei den Museumsdiensten in Köln, Bonn, Düsseldorf und Duisburg, ist zum Teil breit gefächert. Es betrifft alle Behinderungsformen, Hör-, Seh-, Sprach- und Körperbehinderungen, sowie Lern- und geistige Behinderungen und sozial-emotionale Beeinträchtigungen. Adressaten sind Kinder und Erwachsene, einzelne Personen, Gruppen und Schulklassen. In einigen pädagogischen Teams sind nicht nur sehr engagierte, sondern auch mit den besonderen Bedürfnissen und Voraussetzungen von Behinderten vertraute Kolleginnen und Kollegen tätig. Museumspädagogik mit Menschen mit Behinderungen, das geht aus den Programmen hervor, ist integraler Teil der Museumsaufgaben. Gesonderte Programme, z.T. ausgewiesen, z.T. auf Anfragen erhältlich, berücksichtigen unterschiedliche Bedürfnisse, indem sie die sonst üblichen Vermittlungsaktivitäten erweitern und/oder anders akzentuieren. Dies geschieht auch in Form von einzelnen Projekten mit Sonderprogrammen. So hat z.B. die Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum unter dem Titel »Plastik ertasten« im Rahmen der »Woche des Sehens« (9.-15.10.2006) Führungen für Blinde und Sehbehinderte durchgeführt – mit der Möglichkeit, 16 repräsentative Werke aus der Sammlung für diese Zielgruppe als Tastobjekte
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freizugeben. Auch wurde ein Audio-Guide für diese Kunsterfahrung entwickelt (Pressemitteilung des Museums vom 28.9.2006). Auch in Düsseldorf hat im Museum K21 in Zusammenarbeit mit der Kunstakademie Düsseldorf (Klasse Prof. Thomas Ruff), der Rheinischen Schule für Sehbehinderte und Blinde (Duisburg) und dem Blindenwerk ein kooperatives Vorhaben zum Thema »Sehschule« stattgefunden, ein Fotoprojekt, in dem das »SehenLernen« zum »(Mit-)Einander-Sehen-Lernen« erweitert wurde. Neben Sehbehinderungen und Blindheit werden auch gehörlose und hörbehinderte Menschen durch einen Museumsdienst mit Mitarbeitern, die der Gebärdensprache mächtig sind, betreut (z.B. in der Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum). Die Mehrzahl der Programme richten sich jedoch an Schüler mit sehr unterschiedlichem Förderbedarf. Sie können in Kooperation mit Lehrern, aber auch als integrative Veranstaltungen von Schülern mit und ohne Behinderungen angefordert und durchgeführt werden. Literatur Ameln-Haffke, Hildegard (2003): Rotes Haus im Park. Fantasiereisen im Kunstmuseum Bonn. In: Kunst und Unterricht Heft 278, S. 30-34. Ameln-Haffke, Hildegard (2006): Kinder und Kunstmuseen. In: Martin Schuster/Hildegard Ameln-Haffke (Hg.): Museumspsychologie, Göttingen, S. 103-139. Bach, Heinz et al. (1974): Deutscher Bildungsrat, Gutachten und Studien der Bildungskommission, 34, Sonderpädagogik 3, Stuttgart. Franzen, Georg (1994): Bildende Kunst, Literatur und Musik als Kommunikationshilfen in Gesprächsgruppen. In: Kunst & Therapie 23, S. 93-102. Franzen, Georg (1997): Rezeptive Kunsttherapeutische Verfahren. In: Otto Kruse (Hg.): Kreativität als Ressource für Veränderung und Wachstum, Tübingen, S. 303-315. Hofmann, Werner (1976): Einige Bemerkungen zu themenspezifischen Ausstellungen in einem Kunstmuseum. In: Ellen Spickernagel/Brigitte Walbe (Hg.): Das Museum – Lernort contra Musentempel, Gießen, S. 82-83. Kirchner, Constanze (1999): Kinder und Kunst der Gegenwart. Zur Erfahrung mit zeitgenössischer Kunst in der Grundschule, Seelze/Velber. Kultusministerkonferenz (KMK) (1994): Richtlinien und Empfehlungen der Kultusministerkonferenz. Leuteritz, Albrecht (1996): Rezeptive Kunsttherapie durch ästhetische Wahrnehmung. In: Walther Zifreund (Hg.): Therapien im Zusammenspiel der Künste, Tübingen, S. 261-268. Myschker, Norbert (20055): Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen, Stuttgart.
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Ausgewählte Vermittlungsmethoden für Menschen mit Lernschwierigkeiten im Museum 1
Patrick S. Föhl Einleitung Ebenso wenig, wie sich die Bedürfnisse der zuvor beschriebenen Behinderungsgruppen einheitlich erfassen und vorstellen lassen, können die Anforderungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten2 im Museum homogen dargestellt werden. Im Gegenteil: Bei Menschen mit Lernschwierigkeiten handelt es sich um eine Gruppe mit besonders stark diversifizierten Eigenschaften und Bedürfnissen. Die Erscheinungsbilder erstrecken sich vom Down-Syndrom über das Rubinstein-Taybi- und Wolf-Hirschhorn-Syndrom bis hin zum Cri-du-Chat-Syndrom, um nur einige Ausprägungen zu nennen. Entsprechend unterschiedlich sind die motorischen und kognitiven Fähigkeiten von Menschen mit Lernschwierigkeiten, ebenso wie das soziale Verhalten. Viele Personen haben zwar starke Einschränkungen, können sich aber in der »Welt der nicht behinderten Menschen« weitestgehend selbstständig bewegen und orientieren. Auf der anderen Seite gibt es Menschen mit Lernschwierigkeiten, deren Orientierung und Existenz nur durch die Hilfe anderer Menschen gesichert werden kann. Innerhalb dieser außerordentlichen Spannbreite bewegen sich die Bedürfnisse und Anforderungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten. Entsprechend weit ist das Feld der möglichen Vermittlungsmethoden innerhalb eines Museums, die sich im Rah1 Dieser Beitrag basiert schwerpunktmäßig auf den Ausführungen und Unterlagen von »Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.«. Dazu zählen vor allem die Nr. 6 der Planungshilfen der Lebenshilfe Wittmund und des Regionalen Umweltzentrums Schortens e.V. (vgl. Mensch zuerst/Arnade/Heiden 2003) und das bereits in 5. Auflage erschienene »Wörterbuch für leichte Sprache« (vgl. Mensch zuerst 2004). Die aufgeführten Werke wurden dem Autor freundlicherweise zur Einarbeitung (und Anpassung an die Museumsthematik) in diesen Band zur Verfügung gestellt. 2 Die Bezeichnung »Menschen mit Lernschwierigkeiten« wird hier im engeren Sinne substituierend für den Terminus »Menschen mit geistiger Behinderung« angewendet. Vereinigungen wie »Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.« setzen sich nachhaltig dafür ein, eine entsprechende Veränderung des Sprachgebrauchs zu bewirken. Die Worte »geistige Behinderung« werden als inadäquate und diskriminierende Bezeichnung betrachtet und von den Betroffenen auch so wahrgenommen. Dem veränderten Sprachgebrauch soll sich in diesem Beitrag angeschlossen werden.
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men eines Aufsatzes nicht erfassen lassen. Aus diesem Grund soll hier stellvertretend eine Methode vorgestellt werden, die viele Menschen mit Lernschwierigkeiten erreichen kann: die sogenannte Leichte Sprache. Außerdem werden weitere ausgewählte Anforderungen angesprochen. Leichte Sprache: Eine Hinführung Menschen mit Lernschwierigkeiten haben ein vitales Interesse, öffentliche Orte zu besuchen, um als Teil der Gesellschaft wahrgenommen zu werden, aber auch um neue Dinge kennen lernen zu können. Häufig stehen jedoch kaum zu überwindende Barrieren im Weg. Im Museum können das physische, aber insbesondere inhaltliche bzw. vermittlungsbezogene Barrieren sein. So sind die oft sehr kurzen und mit Fremdwörtern versehenen Ausstellungstexte in Museen für Menschen mit Lernschwierigkeiten oftmals nur schwer verständlich und abschreckend. Daher empfehlen sich zusätzliche Texte in sogenannter Leichter Sprache. Allerdings sollten die bisherigen Texte nicht substituiert, sondern ergänzt werden, denn auch sie haben ihre Zielgruppe. Das heißt: Die ›schweren Texte‹ sollten, soweit wie möglich, mit ›leichten Texten‹ nochmals erklärt und gemeinsam präsentiert werden. Dabei ist es wichtig, dass die leichten Texte gut erkennbar und sichtbar sind. Wenn etwas Neues erlernt werden soll, muss es für einen Großteil der Bevölkerung leicht zu verarbeiten sein. Deshalb ist Leichte Sprache für viele Menschen relevant. Wenn Exponate sowie Inhalte leicht erklärt und gut zu verstehen sind, werden voraussichtlich mehr Menschen erreicht als zuvor. So hilft Leichte Sprache nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern vor allem auch: • Menschen, die nicht gut oder gar nicht lesen können (Bsp.: in Deutschland leben etwa vier Millionen Analphabeten); • Menschen, die nicht so gut Deutsch können (zum Beispiel ausländische Touristen und Immigranten mit geringen Deutschkenntnissen) und • Kindern sowie Jugendlichen. Unter diesem Gesichtspunkt verstärkt sich die Relevanz der Leichten Sprache, da eine Öffnung für eine große Anzahl an potenziellen Fokusgruppen vollzogen wird. Leichte Sprache für Ausstellungstexte Das Verstehen von Inhalten und Prozessen verläuft bei jedem Menschen anders. Deshalb kann es für die Erstellung von Texten in Leichter Sprache
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eigentlich nur Anregungen und keine bundesweit einheitlichen Regeln geben. Allerdings gibt es von Seiten der Europäischen Vereinigung der Internationalen Liga von Vereinigungen für Menschen mit geistiger Behinderung (ILSMH) eine Broschüre, die als Annäherung zu verstehen ist, und die versucht, europäische Richtlinien für leichte Lesbarkeit zu formulieren (vgl. ILSMH 1998).3 Die folgenden Tipps und Ideen wurden durch »Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.« gemeinsam mit Menschen zusammengestellt, die Lernschwierigkeiten haben (vgl. zusätzlich zur Herstellung von Ausstellungstexten Dawid/Schlesinger 2002). Die Sprache • Die Sätze müssen kurz sein. Im besten Fall findet sich in jedem Satz immer nur eine zentrale Information. • Nebensätze oder Schachtelsätze können verwirrend wirken. • Es sollten bestenfalls keine Fremdwörter oder Fachbegriffe benutzt werden. Diese sind schwer zu lesen und häufig nicht zu verstehen. • Wenn Fremdwörter oder Fachbegriffe benutzt werden müssen, sollten diese in jedem Fall erklärt werden. Die entsprechenden Erklärungen sollten leicht zu finden sein. • Es sollten vorwiegend Tunwörter verwendet werden. • Hauptwörter sind häufig von Menschen mit Lernschwierigkeiten schwer zu verstehen. • Abkürzungen sollten vermieden oder aber erklärt werden. • Modeworte sollten nicht benutzt werden. • Bei der Verwendung von Zahlen sollten diese immer als Ziffern und nicht in Worten geschrieben werden. Römische Ziffern werden vermutlich nicht verstanden. Große Zahlen, Prozentzahlen oder andere besondere Zahlen sollten spezifisch erklärt werden. Man kann zum Beispiel Vergleiche benutzen. • Wenn etwas erklärt werden muss, ist es gut, wenn dazu Beispiele aus dem täglichen Leben Verwendung finden. • Leichte Sprache darf in keinem Fall mit Baby- oder Kindersprache verwechselt werden. Der Textaufbau und Hinweise zum Schriftgebrauch • Zwischen einzelnen Gedanken und zentralen Inhalten sollten gut erkennbare Absätze eingefügt werden. Ein strukturierter Aufbau der Texte 3 Die Broschüre ist in allen europäischen Amtssprachen kostenlos erhältlich.
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ermöglicht hierbei, die Inhalte besser zu verstehen und visuell zu erfassen. Auf einer Seite oder beispielsweise einer Informationstafel sollte nicht zu viel Text aufgebracht werden. Häufig helfen mehr Überschriften, den Text besser erfassen und verstehen zu können. Tabellen und Diagramme sind häufig sehr schwer zu verstehen. Sie müssen deswegen übersichtlich und einfach gestaltet werden. Bei Aufzählungen sind gut erkennbare Aufzählungspunkte wichtig. Das gilt für alle vergleichbaren Gliederungs- und Visualisierungselemente. Es sollte nur eine Schriftart, die klar zu lesen ist, verwendet werden. Am besten geeignet sind serifenlose Schriften (z.B. Arial). Es sollte ein großer Schriftgrad von mindestens 16 Punkt verwendet werden. Am besten ist schwarze Schrift oder eine Farbe, die gut zu lesen ist. Die Schrift darf nicht zu fein geschnitten sein. Am besten ist linksbündiger Text geeignet. Mit der Verwendung von Trennungen sollte sparsam umgegangen werden. Großbuchstaben und kursive Schrift sind für Menschen mit Lernschwierigkeiten sehr schwer zu lesen.
Anbringung der Ausstellungstexte • Die Ausstellungstexte in Leichter Sprache sollten gut sichtbar und nicht zu tief angebracht werden. • Die Ausstellungstexte müssen dem beschriebenen Exponat zuordbar sein. • Eine weitere Möglichkeit ist die Produktion einer Hörführung in Leichter Sprache, um die Texte in einem gut verständlichen, langsam gesprochenen Sprachduktus anzuhören. Das erleichtert die Vermittlung und kann den Eingriff in die Ausstellungsgestaltung minimieren. Unterstützung der Ausstellungstexte • Bilder, Symbole oder Fotos helfen Menschen mit Lernschwierigkeiten beim Verstehen von Inhalten und sind besonders geeignet, komplizierte Inhalte und Fremdwörter zusätzlich zu visualisieren. • Die Bilder müssen direkt demjenigen Text zuzuordnen sein, den sie begleiten und erläutern sollen. • Am besten sind Bilder, Symbole und Fotos zur Verwendung geeignet, die nur die wichtigsten Dinge aufzeigen und die dadurch gut zu erfassen sowie zu verstehen sind.
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• Die Bilder sollten unmissverständlich und eindeutig sein. Das heißt, die Verwendung von symbolischen Bildern sollte vermieden werden. • Je größer die Bilder und Fotos sind, umso besser. • Außerdem sind weitere Applikationen (z.B. Lernspiele oder AudioGuides) empfehlenswert, um verschiedene Wege zur Stimulierung der Lernprozesse zu offerieren. Leichte Sprache für Ausstellungsführungen Das Lesen von Texten für Menschen mit Lernschwierigkeiten kann auf Nachfrage sinnvoll durch optionale Ausstellungsführungen in Leichter Sprache ergänzt werden. Gute Führungen helfen Menschen mit Lernschwierigkeiten dabei, Dinge besser zu verstehen, insbesondere wenn sie gar nicht lesen können (das gilt auch für die vielen anderen potenziellen Besucher, die nicht lesen können). Eine Person, die sich gut mit der Ausstellung auskennt und ausreichend Empathie für spezifische Bedürfnisse aufbringen kann, sollte die Führungen übernehmen (z.B. ein Heilpädagoge mit Museumsbezug). Den Teilnehmern der Führung muss die Möglichkeit offeriert werden, zusätzlich Fragen zu stellen. Zudem sollten die weiteren Hinweise beachtet werden, die der Verein »Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.« wie folgt zusammengefasst hat: Die Leichte Sprache bei Ausstellungsführungen • Die Sprache muss leicht sein (siehe oben). • Die Sprache darf nicht kindlich oder kindisch sein, da dies die Würde von erwachsenen Menschen mit Lernschwierigkeiten herabsetzt. • Es sollte in kurzen Sätzen gesprochen werden. Am besten ist es, wenn nur eine oder zwei Informationen in einem Satz vorkommen. • Es muss langsam und deutlich gesprochen werden, um gut – sowohl inhaltlich als auch akustisch – verstanden zu werden. • Wenn etwas erklärt werden muss, sollten viele Beispiele aus dem täglichen Leben Verwendung finden. Beispiel: In einem Freilichtmuseum wird etwas über Schafe und Wolle erklärt. Dazu könnte Wolle gezeigt oder erklärt werden, dass warme Socken oder Winterpullover aus Wolle gefertigt werden.
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Hinweise zum Umgang • Menschen mit Lernschwierigkeiten lernen anders und in einem anderen Tempo. • Erwachsene Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten nicht per se geduzt werden, was leider häufig der Fall ist. • Wenn Menschen mit Lernschwierigkeiten länger brauchen, um etwas zu sagen oder zu fragen, muss ihnen die entsprechende Zeit eingeräumt werden. • Auf keinen Fall sollten Fragen bei Menschen mit Lernschwierigkeiten beendet werden, wenn sie beispielsweise sehr lange brauchen, um etwas zu formulieren. • Wenn Menschen mit Lernschwierigkeiten mit nicht behinderten Personen kommen und man möchte sie etwas fragen, sollte man sie direkt ansprechen und nicht etwa die Betreuer oder die Eltern. Ablauf der Führungen Inhalte können für Menschen mit Lernschwierigkeiten besonders gut vermittelt werden, wenn diese eine aktive Einbindung in die Führung erfahren. Es muss demnach genug Zeit für die Führungen eingeplant werden, da diese vermutlich länger als üblich dauern werden. Ein grundsätzlicher Ablauf könnte sich wie folgt gestalten: • • • • •
Kurze und präzise Einführungen zu einem Exponat. Zeit zum Anschauen des Exponates. Zeit für Fragen zum Exponat. Das gilt gleichermaßen für das nächste ausgewählte Exponat. Auf diese Weise kann natürlich nicht alles erklärt werden. Deshalb müssen wichtige Exponate bzw. Objekte, die man z.B. anfassen darf, herausgesucht werden. • Es sollte kontinuierlich nachgehakt werden, ob noch Fragen bestehen. • Es ist sinnvoll, wenn es viel zum Anfassen gibt bzw. Dinge gezeigt werden, die sich zu Versuchen eignen. Auf diese Weise verstehen die meisten Menschen museale Exponate besser. • Danach sollte ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt werden, damit die Ausstellung gegebenenfalls nochmals selbstbestimmt durchschritten werden kann.
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Beschaffenheit der Ausstellungsräumlichkeiten Der Verein »Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.« schlägt folgende Leitlinien bezüglich der Beschaffenheit von Ausstellungsräumen für Menschen mit Lernschwierigkeiten vor: • Die Ausstellungsräume müssen übersichtlich sein. Unter anderem müssen in diesem Zusammenhang Stolperfallen vermieden werden und es sollte eine gekennzeichnete Wegeführung sowie die klare Positionierung der Exponate und der entsprechenden Ausstellungstexte vorhanden sein. • Zu viele Exponate in einem ggf. zusätzlich noch zu engen Raum machen eine Ausstellung verwirrend. Es kann sein, dass sich der Besucher von der Vielzahl der Exponate und Einflüsse erschlagen fühlt. • Es muss einen klar erkennbaren Leitfaden durch die Ausstellung geben. Das ist vor allem dann wichtig, wenn eine Ausstellung nach einer bestimmten Wegeführung durchlaufen werden sollte. • Es muss gute Orientierungshilfen in der Ausstellung geben. Menschen, die sich nicht so leicht in einer fremden Umgebung zurechtfinden, kann dadurch das individuelle Erleben der Ausstellung erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht werden. Die Orientierungshilfen können zum Beispiel feste Symbole, Fotos oder Farben sein. Auch die Toiletten oder der Ausgang müssen zum Beispiel leicht zu finden sein. • Wenn in einer Ausstellung Gegenstände zum Anfassen geeignet sind bzw. dafür bereitgehalten werden, müssen diese deutlich und einheitlich gekennzeichnet sein. Beispielsweise könnten entsprechende Exponate mit einem Symbol »Hand« versehen sein. • Es sollte zudem erklärt werden, dass alle anderen Exponate (die kein Symbol »Hand« aufweisen), nicht angefasst werden können. Dazu kann in Leichter Sprache beschrieben werden, warum das – aus konservatorischen Gründen – notwendig ist. • Ebenso können die Gegenstände zum Beispiel mit einem Symbol »durchgestrichene Hand« versehen werden. Dies greift allerdings sehr nachhaltig in die Ausstellungsgestaltung ein. Auf jeden Fall sollten besonders empfindliche Exponate gesichert und so aufgestellt werden, dass sie nicht ohne Weiteres erreichbar sind. Resümee und Hinweise Museen sollten sich daran orientieren, allen potenziellen Gästen den Besuch – im Rahmen der eigenen Mittel – so angenehm wie möglich zu gestalten. Durch die zuvor angesprochenen Maßnahmen wird Menschen mit Lern-
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schwierigkeiten ein ereignisreiches und ›entspanntes‹ Museumserlebnis offeriert. Zudem wollen die Ausführungen deutlich machen, dass zahlreiche Bedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten allen bzw. sehr vielen Besuchern zugute kommen. Das sollte die Motivation, die beschriebenen Aktivitäten umzusetzen, unterstützen. ›Einfache Texte‹ helfen, wie beschrieben, einem großen Teil unserer Gesellschaft und werden erfahrungsgemäß (vgl. den Beitrag von Petra Lutz in diesem Band) von fast allen Museumsbesuchern gerne – zusätzlich – genutzt. Für die Vertiefung der Thematik soll an dieser Stelle nochmals auf die Publikationen von »Mensch zuerst« hingewiesen werden (vgl. Mensch zuerst 2001, ein Buch, das von Menschen mit Lernschwierigkeiten geschrieben wurde; vgl. zudem Mensch zuerst 2004, ein Wörterbuch für Leichte Sprache, Mensch zuerst/Arnade/Heiden 2003), die auch als zentraler Ansprechpartner zur Thematik in Deutschland genannt werden können.4 Mensch zuerst hat u.a. das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden bei der Erstellung von Ausstellungstexten in Leichter Sprache unterstützt. Literatur Dawid, Evelyn/Schlesinger, Robert (Hg.) (2002): Texte in Museen und Ausstellungen. Ein Praxisleitfaden, Bielefeld. Europäische Vereinigung der Internationalen Liga von Vereinigungen für Menschen mit geistiger Behinderung – ILSMH (1998): Sag es einfach. Europäische Richtlinien für leichte Lesbarkeit, Brüssel. Lebenshilfe Wittmund e.V./Regionales Umweltzentrum Schortens e.V. (2003): Natur für alle. Planungshilfen zur Barrierefreiheit, Loseblattsammlung. Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland (2001): Wir vertreten uns selbst! Das kleine 1x1 für gute Unterstützung, 4. Auflage, Kassel. Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland (2004): Wörterbuch für leichte Sprache. Halt. Bitte leichte Sprache, 5., überarb. Aufl., Kassel. Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland/Arnade, Sigrid/Heiden, H.-Günter (2003): Umweltvermittlung in leichter Sprache. Planungshilfe 6. In: Lebenshilfe Wittmund e.V./Regionales Umweltzentrum Schortens e.V.: Natur für alle. Planungshilfen zur Barrierefreiheit, Loseblattsammlung.
4 Adresse: Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.; Kölnische Str. 99; 34119 Kassel; Telefon: (0561) 72885-55; Fax: (0561) 72885-58; Internet: www.menschzuerst.de.
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Kapitel 3 Rahmenbedingungen für Barrierefreiheit
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Patrick S. Föhl ➔ Interne Kommunikation für barrierefreie Maßnahmen
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Interne Kommunikation für barrierefreie Massnahmen
Patrick S. Föhl Notwendigkeiten interner Kommunikation Ein wesentlicher Faktor, der regelmäßig für das Gelingen barrierefreier Projekte – auch in diesem Band (vgl. z.B. den Text von Petra Lutz) – angeführt wird, ist eine gute interne Vernetzung und Kommunikation zwischen den Mitarbeitern eines Museums. Eigentlich trifft diese Aussage auf alle Projekte und internen Austauschprozesse zu, doch barrierefreie Maßnahmen verlangen ein besonders hohes Maß an interner Abstimmung. Da Barrierefreiheit für eine Einrichtung interdisziplinäre und gesamtheitliche Perspektiven erfordert, selbst wenn nur einzelne ›Baustellen‹ aufgemacht werden, müssen Mitarbeiter, die häufig nur wenig Berührungspunkte miteinander haben, intensiv zu diesem Thema zusammenarbeiten und kommunizieren. Idealerweise sitzen zu Beginn eines Projektes Verantwortliche aus den Bereichen Direktion, Bauabteilung, Verwaltung, Kommunikation und Marketing, Museumspädagogik, Wissenschaft, Sicherheit, innere Dienste u.v.m. an einem Tisch. Dabei geht es um inhaltliche Absprachen, aber auch um die Information weiterer Mitarbeiter, die über die anvisierten Maßnahmen in Kenntnis gesetzt werden sollen. Doch allzu oft kommen nicht einmal solche ›Kick-off‹-Treffen zu Stande – oder nach den ersten guten Vorsätzen ›kocht jeder wieder sein eigenes Süppchen‹. Das hat zur Folge, dass die Mitarbeiter, die konkret an barrierefreien Projekten arbeiten, ihre Tätigkeiten nahezu ausschließlich auf das eigene Kompetenz- und Handlungsfeld beziehen müssen und keine Vernetzung mit anderen Abteilungen vollzogen wird. Dadurch werden Potenziale nicht bzw. nur ungenügend ausgeschöpft; zudem können Doppelungen entstehen, konträre Strategien entwickelt oder bereits gemachte Fehler wiederholt werden. Mitarbeiter, die nicht direkt mit dem Thema »Barrierefreiheit« konfrontiert sind, sind in vielen Fällen völlig unbeteiligt. D.h., selbst wenn Anstrengungen hinsichtlich Barrierefreiheit getätigt werden, bleiben in der Summe häufig nur einzelne Bestandteile einer vormals anvisierten »Gesamtstrategie Barrierefreiheit« übrig. Dann gibt es z.B. einzelne barrierefreie Bereiche, das Personal mit direktem Besucherkontakt (z.B. Empfang, Aufsicht, Museumsshop) ist aber möglicherweise nicht auf die speziellen Bedürfnisse einzelner Besuchergruppen eingestellt, spezifisch informiert oder gar geschult worden. Der Besuch bleibt dann häufig bei den Betroffenen – trotz engagierter Angebote – als nicht barrierefrei in Erinnerung. Dies ist nur als ein Beispiel für die Gefahren von mangelnder interner
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Kommunikation zu nennen. Zusammengefasst ist interne Kommunikation vor allem aufgrund folgender Faktoren eminent wichtig: • Zusammenarbeit: Da es sich bei Barrierefreiheit um eine Selbstverpflichtung handelt (bzw. handeln sollte), betrifft das Thema grundsätzlich das gesamte Museum und kann nur durch interne Kommunikation sowie Kooperationen zu einem nachhaltigen Ergebnis führen. • Koordination: Das Thema Barrierefreiheit macht einen großen Abstimmungsbedarf zwischen den Mitarbeitern notwendig, der nur mit einer funktionierenden internen Kommunikation erfüllt werden kann. • Know-how-Transfer/Erhöhung der Arbeitsleistung: Das Wissen zum Thema Barrierefreiheit ist zu Beginn meist sehr gering. Das Weitergeben und Abstimmen von vorhandenem und akkumuliertem Wissen beschleunigt den Kompetenzaufbau zum Thema Barrierefreiheit. • Themengewichtung: Interne Kommunikation sollte immer ›Chefsache‹ sein und von diesem genutzt werden, wichtigen Themen Bedeutung zu geben und diesbezüglich alle Mitarbeiter zu sensibilisieren.1 • Vertrauen/Identifikation: Interne Kommunikation dient dem Aufbau von Vertrauen (durch Teilhabe an Informationen), was insbesondere bei neuen Themen wichtig ist, und erzeugt dadurch langfristig eine Identifikation der Mitarbeiter mit barrierefreien Inhalten sowie Strategien. • Außenwirkung: Interne Kommunikation verbessert die Außenwirkung, da die Prozesse und Maßnahmen professionell durchgeführt werden und sich positiv wahrgenommene Inhalte besser verwirklichen lassen. • Kostenfaktor: Die frühzeitige (kommunikative) Einbindung aller Mitarbeiter spart Kosten, da keine Doppelleistungen erarbeitet und weniger Fehlentscheidungen getroffen werden. Dieser Beitrag soll für das Thema »interne Kommunikation« bei barrierefreien Maßnahmen sensibilisieren und Strukturen, Prozesse sowie ausgewählte Kommunikationsinstrumente im Überblick vorstellen. Strukturen der internen Kommunikation Interne – verbale und nonverbale – Kommunikation hat viele Facetten und Wirkungsbereiche. Auf der einen Seite gibt es konkrete Prozesse und Instrumente, die in den folgenden Abschnitten diskutiert werden. Auf der anderen Seite ist es notwendig, vorab nochmals genauer die Wirkung und 1 In Großbritannien spricht man unter diesem Aspekt häufig von der sogenannten »Disability Awareness« – also der Sensibilität, das Thema bei allen Entscheidungen mit zu bedenken.
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Patrick S. Föhl ➔ Interne Kommunikation für barrierefreie Maßnahmen
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Funktion sowie die Verantwortlichkeiten von interner Kommunikation zu beleuchten: Wirkung In der mittlerweile fast unüberschaubaren Fülle an Literatur gibt es sehr differierende Herangehensweisen an die vorliegende Thematik (vgl. u.a. Cantin 1999; Cohrs 2004; Herbst 1999; Meier 2002; Niederhaus 2004; Schick 2005). Was die Wirkung bzw. die Wirkungsziele von interner Kommunikation betrifft, lassen sich allerdings immer wieder drei grundsätzliche Bereiche herausarbeiten: Abbildung 1: Wirkung von interner Kommunikation Interne Kommunikation Außenwirkung • Verbesserung Service (z.B. durch Barrierefreiheit) • Kundenzufriedenheit • Kundenbindung • Aufwertung Image
Innenwirkung • Motivation d. Mitarbeiter • Einbezug in Entscheidungen (Gefühl) • Verstehen der Zusammenhänge und Umsetzung (Wissen) • Leistungsverbesserung d. Mitarbeiter
Kostenwirkung • Verringerung der Kosten für Produktion, Prozesse und Nachbesserungen • Verbesserung der Abläufe
Eigene Abbildung nach Meier (2002: 24-28)
Aufgaben Im Wesentlichen lassen sich die Aufgaben von interner Kommunikation unter zwei Hauptfunktionen subsumieren: • Abgestimmte Informationsversorgung der unterschiedlichen Mitarbeiter (Informationsfunktion); • Sicherstellung von sprachlichen Austauschprozessen zwischen den Mitarbeitern (Dialogfunktion). Die informative und dialogische Ebene bildet den Ausgangpunkt für weitere notwendige Differenzierungen in Bezug auf die Funktionen von interner Kommunikation. Im Folgenden sollen die wichtigsten Aufgaben zusammengefasst werden (vgl. Meier 2002: 28f.): Anweisungen/Anordnungen Vermittlung aufgabenspezifischer Neuigkeiten und Veränderungen, damit die Handlungen der einzelnen Arbeitsbereiche angepasst bzw. weiterentwickelt werden können. Beispielsweise wird die Selbstverpflichtung, ein Mu-
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seum sukzessive barrierefrei gestalten zu wollen, eine lange Liste an notwendigen Veränderungen nach sich ziehen, so z.B. die Erschließung neuer Kommunikationswege und Bedürfnisse, neue Anforderungen bei allen bzw. bei spezifischen Maßnahmen – oder die verstärkte Weitergabe von Informationen. Vermittlung/Koordination Durch notwendige Aufgaben- und Arbeitsteilungen funktionieren die Museumsabteilungen meist teilautonom. D.h., abteilungsspezifische Aufgaben werden selbstständig – häufig ohne größere Rücksprachen – gelöst, müssen/sollen aber einem gemeinsamen Ziel dienen. Durch interne Kommunikation können diese Teilprozesse untereinander besser koordiniert (durch Leitung, aber auch direkt zwischen den Abteilungen) und auf das gemeinsame Ziel (der Barrierefreiheit) ausgerichtet werden. Orientierung/Hilfe/Erklärung Museumsmitarbeiter werden in zunehmendem Maße mit neuen Aufgaben und Anforderungen betraut bzw. konfrontiert (z.B. Marketing, Sponsoring, neue Informationstechnologien, inhaltliche Richtungswechsel). Damit in diesen zunehmend komplexeren Systemen das Thema Barrierefreiheit nicht gleich wieder ›untergeht‹, können und sollten die Mitarbeiter durch interne Kommunikation in die einrichtungsspezifischen Vorgänge und Zielsetzungen mit einbezogen werden (dient auch dem Vertrauensaufbau und der Identifikation). Das hilft den Mitarbeitern, die Gesamtsituation des Museums besser zu verstehen, die einzelnen Bereiche zu vernetzen und in diesem Zuge auch das Thema Barrierefreiheit besser verorten zu können. In diesem Kontext geht es zudem darum, die Mitarbeiter gezielt themenspezifisch zu schulen (z.B. durch Einbindung und Konsultation von Behindertenverbänden). Kontakt Interne Kommunikation ist kein reines Instrument der Aufgaben- und Informationsvermittlung. Vielmehr geht es auch um sozialen Austausch, also zwischenmenschliche Kontakte. Werden diese auf einer professionellen und kollegialen Ebene gepflegt, können sie dazu beitragen, interne Arbeitsabläufe zu verbessern oder Konflikte besser zu lösen. Verantwortlichkeiten Interne Kommunikation betrifft grundsätzlich alle Mitarbeiter im Museum. Selbstverständlich ist nicht jeder mit den gleichen Aufgaben betraut oder trägt ein gleiches Maß an Verantwortung. D.h., dass nicht jeder alles wissen kann, aber Themen in ihrer Konsequenz an den richtigen Stellen ankommen
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und aufgabenspezifisch umgesetzt werden müssen. Wenn es beispielsweise darum geht, neben der prinzipiellen barrierefreien Ausrichtung eine Ausstellung für hörbehinderte Menschen durchzuführen, dann hat – stark verkürzt dargestellt – vom Direktor bis hin zur Aufsichtskraft ein Großteil der Mitarbeiter damit verbundene Aufgaben und Verpflichtungen. Über interne Kommunikation muss dann sichergestellt werden – was aus eigener Erfahrung bislang häufig leider nicht geschieht –, dass alle Mitarbeiter in dieser Kette wissen, was zu tun ist bzw. ob sie in der Lage sind, ihre Aufgabe zu erfüllen. Bei barrierefreien Projekten besteht in diesem Zusammenhang ein hoher Schulungsbedarf für alle Mitarbeiter, da viele spezifische Bedürfnisse nicht bekannt sind. Alle Mitarbeiter müssen bzw. sollten kommunizieren, allerdings aus unterschiedlichen Rollen, Sichtweisen, Fähigkeiten, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten heraus. Das Erfüllen der barrierefreien Selbstverpflichtung beruht folglich, wie der gesamte Museumsbetrieb, auf der Kommunikation und der individuellen Verantwortung eines jeden Mitarbeiters: »Sämtliche Mitglieder müssen sich Gedanken darüber machen, was sie anstreben – und dafür Sorge tragen, dass ihre Kollegen ihre Ziele kennen und verstehen. Sie alle müssen darüber nachdenken, was sie den anderen zu geben haben – und dafür sorgen, das die anderen dies wissen. Auf der anderen Seite müssen sie sich überlegen, was sie ihrerseits von den anderen benötigen – und sicherstellen, dass die anderen wissen, was von ihnen erwartet wird.« (Drucker 2005: 28)
Der von dem bekannten Managementforscher Peter F. Drucker beschriebene Prozess steuert sich in seiner Komplexität allerdings nicht von selbst: Interne Kommunikation sollte immer Chefsache sein bzw. von dort ausgehen, um das Anliegen auf den Weg zu bringen und auch eine entsprechende Gewichtung zu verdeutlichen. Das impliziert nicht, dass Kommunikationsprozesse ausnahmslos ›von oben nach unten‹ verlaufen müssen. Auch der umgekehrte Weg muss möglich sein, um Vorschläge zu unterbreiten, Probleme vorzutragen etc. Allerdings sollten wichtige Entscheidungen, auch wenn sie ›von unten‹ initiiert wurden, erfahrungsgemäß ›von oben‹ ihren Lauf nehmen, damit sie als gewichtig wahrgenommen werden (›Impulsgeber‹). Dass sie das dann auch bleiben, dafür haben dann alle Mitarbeiter mit ihren jeweiligen Entscheidungen, Rollen und Kompetenzen Sorge zu tragen. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die Führungskräfte unterhalb der direktoralen Ebene und Mitarbeiter an wichtigen Schnittstellen (siehe Kasten unten) für gewöhnlich den ›Knoten‹ für die interne Kommunikation bilden bzw. die langfristige Verantwortung für die Umsetzung bestimmter Maßnahmen tragen (vgl. für ges. Abs. und folgende Punkte Herbst 1999: 37-47):
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• Sie müssen ihre Mitarbeiter über Entscheidungen des Direktors oder wiederum ihres Vorgesetzten informieren und sie mit ihnen diskutieren. • Sie müssen die Vorschläge und Meinungen ihrer Mitarbeiter nach oben weitergeben, diese ggf. wiederum an ihre Vorgesetzten. • Sie müssen sicherstellen, dass auch intern barrierefrei kommuniziert wird und dabei alle denkbaren Barrieren beachten: Mitarbeiter mit einer Hör- oder Sehbehinderung, Fremdsprachler, unterschiedliche Bildungsniveaus, Alter, Gehbehinderungen u.v.m. (vgl. dazu ausführlich Playforth 2003b und Miller o.J.). • Sie müssen ihre Mitarbeiter über alles informieren, was sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe brauchen; z.B. sollten insbesondere alle Mitarbeiter, die direkt mit Besuchern arbeiten, spezifisch auf deren Bedürfnisse im Allgemeinen (Serviceorientierung, Freundlichkeit etc.) und im Besonderen (z.B. Anforderungen von sehbehinderten Menschen) geschult bzw. zumindest vorbereitet werden. Für barrierefreie Maßnahmen bzw. die Implementierung von Barrierefreiheit als Selbstverständnis der Mission eines Museums empfiehlt es sich, eine zentrale Person zu verpflichten, die das Thema – auch langfristig – vorantreibt. Dieser ›Koordinator‹ oder ›Beauftragte für Barrierefreiheit‹ sollte u.a. wichtige Entscheidungen (z.B. bzgl. Beschriftungen, Beschaffungen, Umbauten oder Konzeptionen) auf deren barrierefreie Eigenschaften bzw. Potenziale überprüfen. Ebenso sollte dieser Mitarbeiter als interner (und ggf. auch externer) Ansprechpartner für barrierefreie Fragestellungen zur Verfügung stehen. Er müsste dementsprechend geschult (vgl. dazu ausführlich Playforth 2003a) und mit Behindertenverbänden vernetzt sein, um diese u.a. für Beratungen heranziehen zu können (vgl. dazu ausführlich Playforth 2004). Des Weiteren könnte dieser Mitarbeiter auch Wissen dokumentieren: z.B. Tipps, Kontakte von Ansprechpartnern und Produzenten. Wichtig ist, dass der Mitarbeiter entsprechende Zeitvolumina für diese Tätigkeit zur Verfügung gestellt bekommt und innerhalb der Organisation gut vernetzt sowie eingebunden wird.2
2 Gegebenenfalls könnte auch darüber nachgedacht werden, sollte die Stelle ausgeschrieben werden, verstärkt nach einer ›betroffenen‹ Person mit entsprechenden Qualifikationen zu suchen. In Großbritannien hat man mit dieser Herangehensweise ausgezeichnete Erfahrungen gemacht, da sich das sehr gut nach innen (u.a. Wahrnehmung, Ernsthaftigkeit), aber auch nach außen (u.a. Kontakt zu Besuchern, Verbänden), ausgewirkt hat (vgl. dazu ausführlich Delin 2004).
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Formen und Prozesse interner Kommunikation Formen Grundsätzlich kann zwischen drei Grundformen bzw. -strukturen der Kommunikation unterschieden werden (vgl. Heinrichs 1999: 126f.): • Stern: Die Informationen laufen sternförmig vom Vorgesetzten zu den Mitarbeitern, die untereinander kaum bzw. gar keine Informationen austauschen können. Durch diese Form wird sogenanntes Herrschaftswissen kultiviert und ein Großteil der Informationen verbleibt bei wenigen Mitarbeitern. • Kreis: Alle Mitarbeiter kommunizieren auf einer Kreislinie, also direkt mit ihren ›Nachbarn‹, wie z.B. ihrem direkten Vorgesetzten und einem Kollegen. Informationen für die Verwaltung müssen dann bspw. über den Vorgesetzten weitergegeben werden. Diese Form der Kommunikation kommt im arbeitsteiligen Betrieb eines Museums sehr häufig vor. • Informationsnetz: Diese Form ermöglicht den Austausch von Informationen zwischen allen Mitarbeitern. Von den drei genannten Formen scheint auf den ersten Blick die letztgenannte Form am besten geeignet, barrierefreie Inhalte und Themen möglichst vielfältig in einem Museum zu kommunizieren. Allerdings führt dieses offene Netz auch dazu, dass viele unnötige und nicht nachgefragte Informationen verbreitet werden. Dieser Zustand führt dann wiederum dazu, dass auch wichtige Themen, die nicht vorrangig erscheinen, ausselektiert werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind E-Mails, die zwar informieren, aber ggf. nicht eine sofortige Aktion des Lesers verlangen. D.h., alle drei Formen sorgen für einen Informationsfluss, aber keine Form ermöglicht den gewünschten Effekt, alle Mitarbeiter und insbesondere die zentral betroffenen Mitarbeiter über Barrierefreiheit zu informieren und diese miteinander zu vernetzen. Dieser Zustand ist selbstredend auch für andere Fragestellungen unbefriedigend. Martin Tröndle differenziert deshalb diese »Dreiformenperspektive« mittels der Systemtheorie in zwei Extrempole (vgl. Tröndle 2006: 197204): • »Geschlossene, insulare Kommunikationswege«: Diese Verarbeitung von Information ist dadurch geprägt, dass sie kanalisiert und standardisiert wird. Die Informationen haben oft geringe Aktualität und werden statusbezogen über einen festgelegten Dienstweg weitergegeben. D.h., durch diesen zentralisierten Prozess kommen Informationen oder gar Anwei-
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sungen häufig durch den langen Weg verfälscht, zu spät oder ggf. auch bei einem nicht ›geeigneten‹ Empfänger an. • »Holistisch und vernetzt verfügbare Informationen«: Diese Form der Kommunikation zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine simultane Aufnahme von Informationen sowie eine rasche Verbreitung und somit Umsetzung ermöglichen soll. Im Gegensatz zum »Informationsnetz«, in dem alle mit allen über alles kommunizieren, werden hier projekt- bzw. inhaltsbezogene Kommunikationsnetze errichtet, die sich je nach Projektstand aktualisieren und neu vernetzen. D.h., neben der reinen Weitergabe von Information ist mit dieser auch immer eine konkrete Entscheidung bzw. Arbeitsauftrag verbunden. Die letztgenannte Form scheint als Leitbild für »interne Kommunikation« am besten geeignet, um barrierefreie Projekte umzusetzen bzw. das Thema im gesamten Museum zu implementieren. Neben der bloßen Weitergabe von Informationen, die häufig wieder vergessen werden, wird mit dieser Form jeweils die Umsetzung einer konkreten Maßnahme verknüpft. Zudem entspricht diese Herangehensweise am ehesten dem Ideal einer »barrierefreien Kommunikation«, da ein Großteil der Mitarbeiter miteinbezogen wird. Allerdings kann diese Art der Kommunikation schnell mit der hierarchischen Organisation eines Museums kollidieren, da teilweise formal geregelte Kommunikationswege aufgelöst werden bzw. parallele Kommunikationswege zum Thema Barrierefreiheit entstehen. Um diesen Konflikt zu vermeiden beziehungsweise abzuschwächen, sollten folgende Punkte beachtet werden: • Jeder Mitarbeiter handelt nach wie vor in seinem Rollen- und Entscheidungsfeld, ohne – ungefragt – seine Kompetenzen zu überschreiten; das Netz befindet sich weiterhin in den bekannten Rahmenregelungen. • Um dezentrale Entscheidungen an den Orten möglich zu machen, an denen aktuell das meiste Wissen zum Thema Barrierefreiheit vorhanden ist, sollten autorisierte Projektgruppen gebildet werden, die sich dann voraussichtlich auch wieder ineinander vernetzen (vgl. ausführlich zum Thema »Projektmanagement« Klein 2005). Diese könnten dann durch einen »Beauftragten für Barrierefreiheit« und/oder einen Vorgesetzten verantwortet werden (vgl. für ges. Abs. Tröndle 2006: 197-204).
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Abildung 2: Phasen der systematischen Planung interner Kommunikation Bildung einer Projektgruppe für die systematische Planung (z.B. zum Thema barrierefreie Dauerausstellung) • Wie funktioniert bislang interne Kommunikation? Kann diese so bleiben oder muss sie verändert werden? • Welche Schwächen/Stärken gibt es (in Bezug auf geplante Maßnahme, aber auch hinsichtlich Kommunikation)?
• Was kennen die Beteiligten? Was sollten und wollen sie kennen? • Was wissen die Beteiligten? Was sollten und wollen sie wissen? • Was fühlen die Beteiligten? Was sollten und wollen Sie fühlen?
Analyse • Welches Ziel hat die Kommunikation? Was soll wann bekannt, gewusst und gefühlt werden? • Auf welchem Weg wird das Ziel erreicht? • Wer ist für was verantwortlich und wer wird wie mit einbezogen?
• Wer wird in welcher Reihenfolge einbezogen? • Wie ist die zeitliche Planung? • Welche Instrumente sollen eingesetzt werden bzw. sind geeignet? • Was kosten die Kommunikationsmaßnahmen?
• Welche Inhalte werden vermittelt?
Planung • Durchführung der Maßnahmen (z.B. Sitzungen, Intranet). • Bestimmung der genauen Inhalte der einzelnen Maßnahmen. • Auch an externe Kommunikation denken.
• Ggf. Anpassungen der Maßnahmen. • Vernetzungen vornehmen (Weiterentwicklung/-verbreitung) • »Wissensspeicher« anlegen.
Umsetzung Evaluation • Evaluation der internen Kommunikation (werden die gewünschten Ziele vermittelt, sind die Informationen angekommen? etc.).
• Festlegung der Evaluations - bzw. Kontrollinstrumente (z.B. Befragung, Workshops, Einschätzung, Überprüfung bisheriger Arbeiten).
Eigene Abbildung nach Herbst (1999: 76f.)
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Prozesse Interne Kommunikation ist vordringlich eine Sache der Einstellung aller Museumsmitarbeiter und insbesondere der Leitung, die die grundsätzliche Kommunikationskultur bestimmt bzw. den größten Einfluss auf diese nehmen kann (z.B. Abbau von sternförmiger Kommunikation). D.h., interne Kommunikation ist in einem gewissen Maße planbar. Dies gilt insbesondere, wenn neue Themen angesprochen und implementiert werden sollen. Häufig wird die systematische Planung in vier ineinander fließende Phasen unterteilt (vgl. Abb. 2). Im Detail könnte sich die Planung dann folgendermaßen darstellen: Tabelle 1: Muster eines Planungsprozesses für interne Kommunikation Schwächen/ Risiken
Ein Großteil der Mitarbeiter ist bislang mit dem Thema »Barrierefreiheit« nicht vertraut und kann sie entsprechend in seinem Funktionsbereich nicht umsetzen.
Stärken/ Chancen
Durch die Vermittlung (z.B. in Workshops und Schulungen3) und Weitergabe von Informationen sowie konkreten Arbeitsaufträgen kann das Thema im Museumsbetrieb implementiert und somit zur Verbesserung der Besucher- und Serviceorientierung beitragen.
Aufgabe
Die Mitarbeiter müssen über das Vorhaben sowie die damit verbundenen Themen informiert werden. Es muss für jeden Mitarbeiter deutlich werden, dass (und wie) er einen kleinen oder auch größeren Beitrag zum Gelingen beisteuern kann.
Ziel
Innerhalb der nächsten Wochen sollen alle Mitarbeiter über das Thema informiert sein.
Zielgruppen
Alle Führungskräfte und Mitarbeiter.
Strategie
Beginn des Prozesses von ›oben nach unten‹ (z.B. Betriebsversammlung mit einem Großteil, im besten Falle allen Mitarbeitern). Anschließend Verankerung über Führungskräfte und weiterer ›top-down‹-Prozesse. Aber auch Prozesse von ›unten nach oben‹ (z.B. Verbesserungsvorschläge und Einwände) oder auf vertikaler bzw. lateraler Ebene müssen zugelassen werden.
3 In vielen Bereichen ist es allerdings nicht mit einer reinen Weiterbildung o.Ä. getan. Bspw. dauert es mitunter Jahre, bis die Deutsche Gebärdensprache von einem Hörenden so beherrscht wird, dass er Gehörlose durch eine Ausstellung führen kann (vgl. die Beiträge von Martina Bergmann in diesem Band). In solchen Fällen kann es auch angebracht sein, dafür einen Führer von außerhalb zu engagieren (analog zur Nachfrage/Anmeldung).
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Instrumente
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Auswahl adäquater Instrumente (z.B. Betriebs- und Abteilungsversammlungen, Intranet, Workshops, Teambildung, Schulungen, Austausch mit anderen Museen, Newsletter).
Zentrale Inhal- Die Dauerausstellung soll hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit überte im Detail arbeitet werden und im Jahr 2008 eröffnet werden. Dann Kommunikation (über Knotenpunkte/Meilensteine), was dies für den einzelnen Mitarbeiter bedeutet. Evaluation
Stichprobenartige Evaluation während des Prozesses, ob die Informationen und die damit verbundenen Aufgaben ankamen und verstanden wurden (z.B. mittels mündlicher oder kurzer schriftlicher Befragung).
Eigene Tabelle in Anlehnung an Herbst (1999: 77)
Interne Kommunikationsinstrumente Die Auswahl an Instrumenten zur internen Kommunikation ist vielfältig. Allerdings sind viele Instrumente sehr kostspielig sowie zeitaufwendig (z.B. regelmäßige Mitarbeiterzeitschrift) und kommen nur bedingt in Frage. Deshalb werden im Folgenden zunächst zahlreiche Instrumente im Kontext von zentralen Kommunikationszielen in der Übersicht benannt. Im Anschluss werden ausgewählte Kommunikationsmaßnahmen vertiefend beleuchtet. Kommunikationsinstrumente in der Übersicht Tabelle 2: Ziele und Instrumente interner Kommunikation Ziele
Instrumente (persönlich, elektronisch, schriftlich, Events)
Wissensvermittlung, Information
persönliches Gespräch, Plakate, Mitarbeiterzeitung, Spiele (z.B. mit verbundenen Augen Exponate ertasten), Quiz, Intranet, Datenbank (s.u.), Newsletter, Konsultation und Vortragsreihen von Bedürfnisgruppen, Flugblätter, Schwarzes Brett, Presse (externe Kommunikation = interne Kommunikation), Literatur beschaffen (vgl. z.B. Klee 1987 und Fondation de France/ICOM 2002)
Wissenstransfer und -genese
persönliches Gespräch, Aufbau eines Wissensspeichers mittels Intranet und zentraler Datendank (für Texte, Adressen, einheitliche Ablage, Ideenforum u.v.m.; vgl. dazu Tröndle 2006: 201-204)
Führung der Mitarbeiter
persönliches Gespräch, gemeinsame Planung, regelmäßiges Feedback
Motivation
persönliches Gespräch, Gruppengespräche, Spiele, Quiz, Exkursion, Feier, Einbindung von Bedürfnisgruppen in den Planungsprozess, Befragungen, Aufgabenübertragung
Vertrauen
persönliches Gespräch, Befragungen, ›Round Table‹
Identifikation
persönliches Gespräch, Mitarbeiterzeitung, Events
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum Leistungssteigerung (Quantität)
persönliches Gespräch, Awards, Einbindung, Übertragung von Verantwortung, teilweise Ermöglichung von dezentralen Entscheidungen
Erhöhung der persönliches Gespräch, Intranet, Datenbank (s.o.), inhaltsorienArbeitsleistung tierte Projektgruppen, teilweise Ermöglichung von dezentralen (Tempo und Entscheidungen Qualität) Themen und persönliches Gespräch, Kick-off-Veranstaltung, Teamsitzungen, Visionen BeTop-Down-Beginn, E-Mails, Ansprachen, Leitbildentwicklung bzw. deutung geben Modifikation des Leitbildes hinsichtlich der Barrierefreiheit Zusammenarbeit
persönliches Gespräch, Intranet, alle Arten von Events, Arbeitsgruppen bilden (vor allem interdisziplinär und abteilungsübergreifend), gemeinsame Analysen durchführen (z.B. SzenarioTechnik)
Eigene Tabelle in Anlehnung an Niederhaus (2004: 21, 48)
Ausgewählte Instrumente im Fokus Persönliche Gespräche Wie bereits in der vorangegangenen Tabelle deutlich geworden ist, spielt das persönliche Gespräch die zentrale Rolle bei der internen Kommunikation. Diese Bedeutung wird u.a. durch zahlreiche Studien gestützt, die die persönliche Information – vor allem – durch Führungskräfte als das wichtigste Kommunikationsmittel kennzeichnen. Dabei kann das persönliche Gespräch verschiedene Formen annehmen (Auswahl): Gespräch unter vier Augen/strukturiertes Mitarbeitergespräch: Diese Form des Gesprächs zwischen einer Führungskraft und einem Mitarbeiter dient – neben der reinen Weitergabe von Informationen (z.B. über geplante barrierefreie Maßnahmen) – auch der Vermittlung, welche Rolle der Mitarbeiter in einem Projekt einnehmen soll bzw. kann. Ebenso können Ziele diskutiert oder über persönliche Entwicklungsmöglichkeiten gesprochen werden (z.B. notwendige Schulungen, um barrierefreie Maßnahmen besser umsetzen zu können). Auch das gegenseitige Feedback kann Inhalt eines solchen Gespräches sein. Wichtig ist, dass von Seiten der Führungskraft ein Gesprächsklima geschaffen wird, dass über die einseitige Vermittlung von geschäftlichen und inhaltlichen Parametern hinausgeht. Damit soll dem Mitarbeiter die Gelegenheit gegeben werden, sich selbst einzubringen und sich mit den Inhalten zu identifizieren. Beide Gesprächspartner sollten sich auf die Sitzung vorbereiten; der Zeitrahmen sollte begrenzt und jegliche Störung vermieden werden. Dienstbesprechung/Jour Fixe: Hierbei handelt es sich vor allem um regelmäßige Besprechungen (in der Regel alle zwei bis vier Wochen) mit allen
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Mitarbeitern und Führungskräften einer Abteilung. Solche Treffen sind auch abteilungsübergreifend zu empfehlen, gerade wenn es darum geht – neben der Besprechung des Geschäftsalltags etc. –, ein konkretes Projekt wie Barrierefreiheit voranzutreiben. Deswegen handelt es sich hierbei um eine der Hauptformen der internen Kommunikation, die für barrierefreie Projekte eingesetzt werden sollten. Eine Führungskraft oder ein Projektleiter sollte die Besprechung moderieren und dafür Sorge tragen, dass jeder Mitarbeiter zur Sprache kommt und die Mitarbeiter gezielt auf einen Stand der Dinge angesprochen werden. Ein wichtiger Faktor bei Dienstbesprechungen ist, dass insbesondere die Führungskräfte ihren Mitarbeitern Zeit einräumen, um eigene Ideen zu entwickeln (also nicht nur Delegation). Über die Inhalte der Besprechung sollte Protokoll geführt werden, damit – neben der eigenen Dokumentation – vor allem Mitarbeiter informiert werden können, die nicht an der Besprechung teilnehmen konnten. Wichtige Parameter für Dienstbesprechungen (vgl. Herbst 1999: S. 101f.) • Wer muss – neben dem bestehenden Team – eingeladen werden? • Was gehört auf die Tagesordnung? • Wie viel Zeit steht zur Verfügung? • Benötigen die Teilnehmer bestimmte Informationen vorab? • Sollen vorher Themen eingereicht werden? • Pünktlich beginnen und Prioritäten setzen; • Klären, ob vorwiegend Präsentation oder Diskussion; • Protokollführer wählen und zum Schluss Ergebnisse und anstehende »to-do’s« zusammenfassen; • ggf. Gesprächszeiten vereinbaren; • ›Schweiger‹ ermuntern, ›Vielredner‹ bremsen; • Unbedingt vermeiden: schlechte Vorbereitung, unpünktlicher Beginn, zu lange Beiträge, Ausleben der Profilierungssucht Einzelner. »Management-by-walking-around«: Eine Möglichkeit, insbesondere für Führungskräfte, persönlichen Kontakt über mehrere Hierarchiestufen hinweg zu pflegen, ist die »Management-by-walking-around«-Methode. Hierbei werden in unregelmäßigen oder regelmäßigen Abständen einzelne Büros besucht, Hände geschüttelt, aber auch bei Bedarf konkrete Inhalte besprochen oder Fragen gestellt. Das ermöglicht auf der einen Seite einen stärkeren Bezug zum Alltag der Kollegen und ist auf der anderen Seite, insbesondere bei abteilungsübergreifenden Projekten wie Barrierefreiheit, eine gute Möglichkeit, einen Gesamteindruck über den Stand der Dinge zu erlangen. Diese Methode eignet sich selbstverständlich nicht nur für Führungskräfte (vgl. für ges. Abs. Niederhaus 2004: 22-27).
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Arbeitsgruppen: Um die Arbeit zum Thema Barrierefreiheit zu festigen, sollten Arbeitsgruppen gebildet werden, die sich hinsichtlich ihrer jeweiligen Tätigkeit in Bezug auf Barrierefreiheit austauschen. In diesem Rahmen werden die spezifischen Inhalte reflektiert, Aufgaben verteilt, aber auch im Gesamtkontext des Museums diskutiert. Die Ergebnisse sollten regelmäßig an die Vorgesetzten weitergegeben werden, um zu erreichen, dass das Thema auch bei ihnen präsent bleibt. Außerdem kann eine sinnvollere, gerechtere aufgaben- und inhaltsspezifische Verteilung der Arbeiten erzielt werden, da sonst häufig alle barrierefreien Belange in der Abteilung Museumspädagogik angesiedelt und somit von einem Großteil der Mitarbeiter nicht beachtet werden. Elektronische Medien Intranet: Neben E-Mails ist das Intranet das wesentliche elektronische Medium zur internen Kommunikation (und Wissensgenese). Sicherlich ist es nicht realistisch, dass für ein barrierefreies Projekt ein Intranet eingeführt wird. Hard- und Softwarekosten, Beratungen, Planungen und Schulungen würden einen großen Teil der vorhandenen Ressourcen binden. Allerdings sollte auf ein bestehendes Intranet zurückgegriffen oder für das Museum im Allgemeinen über die Implementierung eines Intranets nachgedacht werden. Das Intranet kann als Bausatz verstanden werden, aus dem sich das Museum nach Bedarf einzelne Bausteine zusammenstellt. Im Wesentlichen offeriert es drei zentrale Funktionen zur meist ausschließlich internen Nutzung (vgl. Herbst 1999: 107-113 und ausführlich Hoffmann/Lang 2006): Die drei Funktionen des Intranets • Information: Datenbanken insgesamt und für einzelne Projekte (für Dokumente, spezifische Einträge mittels Eingabemasken, Bilder, Links, Adressen etc.), Fachforum, Projektpläne, Nachrichten (können bspw. beim Hochfahren des Rechners angezeigt werden, wenn sie unbedingt gelesen werden sollten). • Kommunikation: Es wird ein interdisziplinärer und hierarchieübergreifender Austausch ermöglicht, z.B. über Newsgroups, Fach-, Projekt- und Diskussionsforen. • Transaktion: Das Intranet ermöglicht den Austausch von Formularen. Bspw. können Projektberichte, Anträge, Terminabsprachen, Bestellungen verschickt oder Ressourcen geplant und ausgetauscht werden.
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Newsletter: In elektronischen Newslettern können regelmäßig wichtige Themen des Museumsbetriebes zusammengefasst und dargestellt werden. Ist auch in gedruckter Form möglich. CD-ROM: Um Druck- und Papierkosten zu sparen, können für spezifische Projektinhalte CD-ROMs erstellt werden, die bspw. – gut sortiert – zentrale Rechercheergebnisse zum Thema Barrierefreiheit und seinen Unterthemen enthalten (z.B. die weit über 50 brauchbaren Planungshilfen im PDF-Format, die sich beim Arts Council England und vielen anderen Einrichtungen in Großbritannien finden lassen). Schriftliche Kommunikation Mitarbeiterzeitung: Dieses Medium für Mitarbeiter und Pensionäre ist in der Privatwirtschaft weit verbreitet. Die Zeitung erscheint zumeist mehrmals im Jahr und dient der Gesamtdarstellung des Unternehmens anlässlich wichtiger Ereignisse wie Jubiläen etc. In diesem Rahmen kommt dieses Medium für Museen wohl nicht in Frage. Allerdings kann die Mitarbeiterzeitung für einzelne Großmaßnahmen herangezogen werden, z.B. bei Fusionen oder größeren Veränderungsmaßnahmen und Projekten. In dieser Zeitung, die von der Kommunikationsabteilung betreut werden sollte, können beispielsweise die zentralen Akteure eigenverantwortlich wichtige Erstinformationen offerieren (vgl. zum Thema Mitarbeiterzeitung ausführlich Mänken 2004).4 Newsletter: Hier gelten dieselben Regeln wie beim elektronischen Newsletter. Veranstaltungen Große Veranstaltungen unterstreichen die Bedeutung, welche die Museumsleitung einem Thema beimisst. Ebenso können Aktivitäten außerhalb der normalen Arbeitszeit oder gar außerhalb des Arbeitsortes dazu beitragen, das Mitarbeiterklima zu verbessern, aber auch um Inhalte und Anliegen zu transportieren.
4 Ein ähnliches Medium ist das sogenannte Mitarbeiterhandbuch (Loseblattsammlung), in dem zentrale Informationen zur Einrichtung niedergeschrieben sind (Vereinbarungen, Ansprechpartner, Regelungen, Merkblätter etc.). Teilweise werden diese Handbücher auch für einzelne Abteilungen oder Themen zusammengestellt. In diesem Zusammenhang wäre es eine Überlegung wert, langfristig Planungshilfen zum Thema Barrierefreiheit in Bezug auf die eigene Einrichtung zusammenzustellen.
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Große Mitarbeiterversammlung (»Kick-off-Veranstaltung«): Gerade wenn es darum geht, neue Inhalte und Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die, wie Barrierefreiheit, das ganze Museum und seine Mitarbeiter betreffen, ist es insbesondere von Führungsseite wichtig, diesem Thema Bedeutung beizumessen. Dazu zählt neben diversen schriftlichen oder elektronischen Maßnahmen vor allem das persönliche Gespräch oder die persönliche Ansprache aller versammelten Mitarbeiter. In diesem Rahmen können alle Akteure umfassend informiert, Diskussionen geführt und Sachverhalte geklärt werden. Weitere, ausgewählte Möglichkeiten für Veranstaltungen im Zusammenhang mit Barrierefreiheit sind: Durchführung von Analysemaßnahmen in größeren Gruppen (z.B. Szenario-Technik), Vorträge/Informationsveranstaltungen mit Vertretern der einzelnen Bedürfnisgruppen, Seminare, Konferenzen, Besprechungen in Kleingruppen. Feste, Exkursionen, Tage der offenen Tür: Betriebliche Events können bei den Mitarbeitern eine positive Einstellung zum Museum bzw. der neuen Aufgabe bewirken, aber auch bei anderen Stakeholdern wie den Familien der Mitarbeiter oder gar bei potenziellen Besuchern. So könnten im Rahmen eines speziellen »Tages der offenen Tür« Behindertenverbände, Blindenschulen u.v.m. eingeladen werden, um das Museum zu entdecken. Dabei kann ggf. auch gleich ein produktiver Austausch zu notwendigen Veränderungen im Museum entstehen. Zusammenfassung Nicht jeder Mitarbeiter muss bzw. kann alles wissen. Allerdings sollte er über ein zweifellos so wichtiges Thema wie Barrierefreiheit und entsprechende Anforderungen in Kenntnis gesetzt werden. Er sollte auch verinnerlichen, warum diese so wichtig für das Museum und damit auch wiederum für ihn selbst sind. Er muss wissen, was seine damit verbundenen Aufgaben sind, wo er diesbezügliche Informationen erhält und mit wem er zusammenarbeiten soll. Dafür müssen nicht immer lange und ausgeklügelte Prozesse der internen Kommunikation erarbeitet werden – auch wenn es sicher nicht schaden würde. Aber es sollten die Eckpunkte für interne Kommunikation und auch deren Funktions- und Wirkungsweisen beachtet werden, so wie sie oben zusammengefasst wurden. Interne Kommunikation ist als ein zentrales Steuerungs- und Führungsinstrument ebenso wie als wichtiges Werkzeug der Informationsvermittlung sowie als Hauptbestandteil sozialer Austauschprozesse zu begreifen. Entsprechend ernst sollte interne Kommunikation genommen und gezielt für den Aufbau eines barrierefreien Museums eingesetzt werden.
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Zusammenfassung wichtiger Aspekte: Interne Kommunikation … • ist immer auch »Chefsache« (Devotion); • muss verständlich sein und das jeweilige (Informations-)Ziel muss feststehen; • braucht klare Strukturen und Verantwortlichkeiten (systematische Planung/Instrumente), ohne somit weitere Vernetzungen, Teilhabe oder andere Meinungen zu verhindern; • sollte problemorientiert und offen sein; • muss rechtzeitig stattfinden und benötigt Kontinuität sowie Rituale; • ist eine wichtige Investition in den gesamten Museumsbetrieb und kein ›lästiger‹ Kostenfaktor; • benötigt auch Impulse von außen (z.B. durch Einbindung von Behindertenverbänden), um sich mit ihrer Außenwelt abzugleichen; • muss ehrlich, sachrichtig und vor allem auch barrierefrei sein. Literatur Cantin, Francoise (1999): Die innerbetriebliche Kommunikation verstehen und gestalten, Bern. Cohrs, Tobias (2004): Interne Kommunikationsprozesse: Operationalisierung und Messung im Rahmen prozessorientierter Managementsysteme, Göttingen. Delin, Annie (2004): Employment at Every Level. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 12, London. Drucker, Peter F. (2005): Was ist Management? Das Beste aus 50 Jahren, 3. Aufl., Berlin. Fondation de France/ICOM (Hg.) (2002): Museums Without Barriers. A New Deal for Disabled People, 3. Aufl., London/New York. Heinrichs, Werner (1999): Kulturmanagement. Eine praxisorientierte Einführung, 2., grundl. überarb. Aufl., Darmstadt. Herbst, Dieter (1999): Interne Kommunikation, Berlin Hoffmann, Claus/Lang, Beatrix (2006): Das Intranet. Erfolgreiche Mitarbeiterkommunikation, Konstanz. Klee, Ernst (1987): Behindert. Über die Enteignung von Körper und Bewußtsein. Ein kritisches Handbuch, Frankfurt a.M. Klein, Armin (2005): Projektmanagement für Kulturmanager, 2. Aufl., Wiesbaden. Niederhaus, Caroline B. (2004): Interne Kommunikation – schnell und effektiv. Vertrauen und Zusammenarbeit gezielt aufbauen, Göttingen. Mänken, E.W. (2004): Mitarbeiterzeitschriften noch besser machen. Kritik und Ratschläge aus der Praxis für die Praxis, Wiesbaden.
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Meier, Philip (2002): Interne Kommunikation im Unternehmen. Von der Hauszeitung bis zum Intranet, Füssli. Miller, Reinhold (o.J.): 8 x 8. Barrierefrei kommunizieren! Lichtenau. Playforth, Sarah (2003a): Training for Equality. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 3, London. Playforth, Sarah (2003b): Inclusive Information. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 6, London. Playforth, Sarah (2004): Consulting Disabled People. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 11, London. Schick, Siegfried (2005): Interne Unternehmenskommunikation. Strategien entwickeln, Strukturen schaffen, Prozesse steuern, 2., überarb. und erw. Aufl., Stuttgart. Tröndle, Martin (2006): Entscheiden im Kulturbetrieb. Integriertes Kunst- und Kulturmanagement, Bern.
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Stefanie Erdrich ➔ Finanzierungsmöglichkeiten für barrierefreie Projekte
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Finanzierungsmöglichkeiten für barrierefreie Projekte im Museum
Stefanie Erdrich Einleitung In den letzten Jahren ist es für alle Museen ein Thema geworden, zusätzliche Finanzmittel einwerben zu müssen. Die Konkurrenz um Sponsoren wächst. Öffentliche und private Geldgeber, wie etwa Stiftungen, verlangen indes zunehmend, dass die Zielgruppe der behinderten Menschen stärker einbezogen wird. Daher kann die Berücksichtigung von Barrierefreiheit ein Plus bei der Suche nach Finanzierung bei verschiedenen Geldgebern sein. Barrierefreiheit in Museen ist kein Luxus, den man sich leisten können muss. Ausgaben, um öffentliche Einrichtungen wie Museen zugänglich zu machen, sind kein Kostenaufwand, von dem nur ein Teil der Besucher profitiert. Im Gegenteil: Eine leichtere Zugänglichkeit und bessere Vermittlung von Museumsinhalten kommt allen Besuchern zugute. Zwei zentrale Aspekte, die zum Erfolg von »Fundraising« beitragen, sind Langfristigkeit und Kommunikation. Gelder einzuwerben, woher auch immer, geschieht nicht ›nebenbei‹ durch ›irgendwen‹. Sämtliche Möglichkeiten, Finanzierungen für Projekte zu erhalten, müssen langfristig geplant werden, und es ist erforderlich, ausgewählten Mitarbeitern in den Häusern die Verantwortlichkeit zu übertragen. Es wird nur in Einzelfällen oder möglicherweise durch glückliche Umstände gelingen, ad hoc eine Projektfinanzierung auf die Beine zu stellen. In den meisten Fällen ist eine Planung von einem – oder besser noch: zwei Jahren im Voraus erforderlich. Fast noch wichtiger als die langfristige Planung ist die Kommunikationsleistung der Mitarbeiter. Das gilt für die Akquisition von Stiftungsgeldern und Landesförderung gleichermaßen wie für Sponsoring- oder Spendenaktionen. Mitarbeiter einer Fundraising-Abteilung bauen Kontakte zur öffentlichen Verwaltung, zu privaten Sponsoren oder Spendern auf und pflegen diese. Was zunächst den Eindruck der ›Zeitverschleuderung‹ erwecken könnte, spart im Gegenteil ein Vielfaches an Arbeit: Die Fülle an komplexen Informationen, die Mitarbeiter von Museen in allen Förderungsbereichen nicht bewältigen könnten, werden meist durch zentrale Kontakte weitergegeben. Auf der anderen Seite kann erheblicher Aufwand und Arbeit erspart werden: Bei informellen Telefonaten kann bereits vorab geklärt werden, dass Entscheidungsträger an genau dieser Art von Projekten zurzeit kein Interesse haben, dafür vielleicht wieder im nächsten Jahr. Selbst wenn bereits Projektgelder geflossen sind, gibt es noch zahlreiche Aufgaben für den erfolgreichen Abschluss eines Projektes zu bewältigen, welche die Grundlage für zukünftige Finanzierungserwägungen dar-
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stellen: Oft bedeutet öffentliche Förderung eine ausgiebige Berichterstattung über die Verwendung der Mittel. Aber auch private Sponsoren möchten genau informiert werden, was mit ihren Geldern passiert und ob sie ›gut angelegt‹ sind. Anhand von öffentlichen, privaten und Mischfinanzierungsmöglichkeiten wird im vorliegenden Beitrag betrachtet, welche Arten der Fördermöglichkeiten es für barrierefreie Projekte gibt. Einige Praxisbeispiele dienen als Anregung. Der Artikel betrachtet Projektförderungen, die einzelne Häuser selbstständig durchführen können, um entweder bauliche oder Vermittlungsmaßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit und der Barrierefreiheit zu erzielen. Es kann hier nicht ausführlich auf Anforderungen der jeweiligen Antragstellung eingegangen werden, hierfür gibt es an den entsprechenden Stellen Literaturhinweise. Der Begriff Fundraising als Leitbild In Deutschland wird Fundraising häufig als Spendenmarketing verstanden (vgl. Heinrichs/Klein 2001: 120). Spendenanfragen richten sich hierbei an einzelne Personen und werden an einem systematischen Marketingkonzept ausgerichtet. Den Aufbau und die Pflege der Beziehung zu Spendern ist aufwendig und erfordert Investitionen in geschultes Personal. Es ist kaum zu erwarten, dass ein Museum ausschließlich für barrierefreie Projekte Spendenmarketing betreiben wird. Noch scheuen sich viele Museen, sich generell des Spendenmarketings zu bedienen – insbesondere wegen des Zeit- und Kostenaufwands für das hierfür erforderliche Personal. Ein bereits existierendes Spendenkonzept in einem Haus kann jedoch zur Finanzierung eines barrierefreien Projektes durchaus herangezogen werden. Da Barrierefreiheit im Sinne von leichterer Zugänglichkeit für alle sowie die leichte Vermittlung von Inhalten ein Thema für viele, auch ältere Menschen ist, sollte einer vorhandenen Spendenklientel die Wichtigkeit durchaus vermittelbar sein.1 Um Fundraising für barrierefreie Projekte in Museen zu betreiben, soll hier eine Auswahl an unterschiedlichen Arten der Beschaffung von Drittmitteln betrachtet werden. Darunter fallen öffentliche und private Förderung sowie Mischformen von beidem (vgl. Lissek-Schütz 2004: 353).
1 Weitere Fundraisingkonzepte, die eine starke Verzahnung mit Marketingstrategien erfordern, werden an dieser Stelle nicht ausführlich beschrieben. Unter anderem Spenden, Freiwilligenarbeit, Mäzenatentum, Erbschaften oder Bußgelder. Vgl. dazu ausführlich Lissek-Schütz (2004: 354).
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Mögliche Fundraising-Quellen für barrierefreie Projekte: • öffentliche Institutionen (Bund, Länder, Kommunen, EU); • Unternehmen (Sponsoring); • Mischfinanzierung öffentliche Hand und Unternehmen (»Challenge Funding«, »Matching Funds«, »Public-Private-Partnership«); • private Institutionen (Stiftungen, Vereine, Verbände). Öffentliche Förderung Museen können in besonderen Fällen öffentliche Förderungen von Seiten des Bundes, vorrangig aber von den Ländern und Kommunen in Form von Zuwendungen erhalten. Zuwendungen sind freiwillige Leistungen, auf die kein rechtlicher Anspruch besteht (vgl. Opitz/Steinbrink/Thomas 2004: 313). Da Zuwendungen öffentliche Mittel sind, werden sowohl Antrags- und Bewilligungsverfahren als auch die Mittelverwendung genau kontrolliert. Haushaltsrechtliche Bestimmungen definieren, welche Voraussetzungen im Rahmen des Antragsverfahrens zu erfüllen sind und wie die Verwendung der Mittel nachzuweisen ist. Die Prüfung sowie die öffentliche Kontrolle sind festgelegt, denn für die Verwendung der öffentlichen Mittel besteht ein rechtlicher Anspruch auf einen genauen Nachweis. Eine zentrale Voraussetzung für den Erhalt von Zuwendungen ist, dass das geplante Projekt nicht durch andere Maßnahmen, etwa Bürgschaften oder Gewährleistungen, erreicht werden kann. Weiterhin wird bei der Gewährleistung von Zuwendungen vorausgesetzt, dass die ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert ist und die Verwendung der Mittel nachgewiesen werden kann. Bei der Projektförderung dürfen nur solche Vorhaben bewilligt werden, die noch nicht begonnen worden sind; Ausnahmen hierzu werden nur in Einzelfällen gewährt (vgl. ebd.: 315f.). »Gemäß Grundgesetz sind Bund, Länder, Gemeinden und Städte zur Kulturarbeit verpflichtet. Hierbei ist der Bund kein direkter Träger, sondern zahlt Fördermittel und übernimmt Schirmherrschaften. Laut Artikel 28 des Grundgesetzes haben die Länder die Kulturhoheit und können eigene Kultureinrichtungen unterhalten. Die meisten dieser Kultureinrichtungen werden von Städten und Gemeinden getragen und finanziert.« (Müller 1999: 51)
Um Bundes-, Landes- oder kommunale Förderung zu erhalten, müssen Museen weitere Bedingungen beachten: Öffentliche Förderung für Kultureinrichtungen erfolgt nach dem sogenannten Subsidiaritätsprinzip. Das bedeutet, dass Kommunen, Länder und der Bund in aufsteigender Reihenfolge nach örtlichen, regionalen, überregionalen und landesweiten Interessen fördern: Nicht jede öffentliche Stelle darf alles fördern. Das bedeutet, dass
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im Vorfeld zu prüfen ist, ob eine Aufgabe dem Bund zufällt oder den Ländern und Gemeinden. Sowohl Bund als auch Länder und Gemeinden haben unterschiedliche Förderkompetenzen und dürfen nicht gegenseitig in ihre Kompetenzen eingreifen (vgl. Hartung 2004: 12). Bei der Suche nach Finanzierungsquellen sollte bei der öffentlichen Förderung auch Folgendes im Auge behalten werden: Projektfinanzierung von barrierefreien Projekten in Museen ist einerseits Kulturförderung, da sie in Kultureinrichtungen umgesetzt werden. Dennoch ist es möglich, Finanzierungen für barrierefreie Projekte zu erhalten, die nicht ausschließlich der Kulturförderung zugeordnet werden. Beispiele dafür werden nachfolgend bei der Landes- sowie bei der EU-Förderung gegeben. In beiden Fällen gilt es jedoch vorab zu klären, wie die Sicht der entsprechenden Behörde auf die Dinge ist und ob sie einem Projektvorhaben wohlwollend gegenübersteht (vgl. Zimmermann/Schulz 2005). Bundesförderung Dem Bund fallen die gesamtstaatlichen Repräsentationen zu, es werden Einrichtungen und Veranstaltungen gefördert, die von herausragender Bedeutung für das Land sind. Darunter können auch Einrichtungen fallen, die kulturpolitisch für Deutschland bedeutsam sind, die sogenannte »Leuchtturmförderung« (z.B. das Bauhaus Dessau oder die Bayreuther Festspiele). Eine weitere Aufgabe von Bundesförderung sind internationale Projekte, etwa internationale Kongresse und Veranstaltungen. Ein dritter Bereich sind bundesweit tätige Kultur(dach)verbände wie etwa der Deutsche Musikrat. Projektförderung aus Mitteln des Bundes müssen Aufgaben von gesamtstaatlicher Bedeutung sein. Also entweder • • • •
Förderung kultureller Einrichtungen von nationaler Bedeutung; Förderung der kulturellen Infrastruktur der neuen Länder; Auswärtige Kulturpolitik; Hauptstadtkulturförderung.
Kulturelle Projektförderung durch den Bund muss modellhaft, innovativ und überregional sein sowie ausstrahlenden Charakter haben. Fonds und Stiftungen der Kulturförderung des Bundes sind: • • • •
Bundeskulturstiftung; Hauptstadtkulturfonds; selbstverwaltete Kulturfonds; Kulturstiftung des Bundes (vgl. Al Ghusain 2004: 2f.).
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Eine Bundeskulturförderung für barrierefreie Projekte ist also am ehesten in Kombination mit einem wegweisenden Kulturprojekt vorstellbar, das bundesweite Ausstrahlung hat, bzw. im Zusammenhang mit einer Kultureinrichtung, die von gesamtstaatlicher Bedeutung ist. Landesförderung Landesförderung muss von regionalem bzw. Landesinteresse sein. Da an dieser Stelle nicht auf die Landesförderung jedes Bundeslandes eingegangen werden kann, wird anhand eines fiktiven Beispiels die Möglichkeit aufgezeigt, wie barrierefreie Projekte durch Landesförderung unterstützt werden können. Neben dem Kultusministerium eines Bundeslandes kommen als Förderer für barrierefreie Projekte weitere Ministerien in Frage: Etwa ein Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit oder ein Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit (vgl. Schütz 2004: 2). Es ist in allen Fällen wichtig, Einfallsreichtum für die Projektbeantragung zu entwickeln und im Vorfeld bereits mit Verantwortlichen zu sprechen, um ggf. auf Ausschlusskriterien aufmerksam zu werden oder das Interesse an einem Projekt vorab einschätzen zu können. Angenommen, ein Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit fördert Arbeitnehmer über 50 sowie das Tourismusgewerbe zur Qualitätssteigerung des Tourismusangebots (vgl. ebd.). Plant ein Museum dieses Bundeslandes ein barrierefreies Projekt, gibt es mehrere Möglichkeiten, um von der öffentlichen Förderung zu profitieren. Im ersten Fall kann ein zusätzlicher, geförderter Mitarbeiter über 50 eingestellt werden, um notwendige und umfangreiche Recherchen zu tätigen, die möglicherweise vom Stammpersonal nicht zusätzlich geleistet werden können. Im zweiten Fall kann ein Antrag zur Förderung eines barrierefreien Projektes in einem Museum gestellt werden (idealerweise mit weiteren Partnern, die dasselbe Ziel verfolgen), mit der Begründung, dass solch ein Projekt die Qualität des Tourismusangebots eines Landes erheblich verbessert. Es kann nur empfohlen werden, sich genau mit der eigenen Landesförderung vertraut zu machen und entsprechend kreativ ein geplantes Projektvorhaben in bestehende Programme ›einzupassen‹ (vgl. dazu ausführlich Hartung 2004: 1-30). Förderung der Kommunen Auf den ersten Blick erscheinen die Herausforderungen geringer, Projektgelder von Gemeinden oder Gemeindeverbänden zu erhalten. Kommunen können zwar einerseits ihre ›freiwilligen‹ Aufgaben und ihren Kulturauftrag selbst bestimmen, doch sie müssen zugleich den größten Anteil der Kultur-
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finanzierung in Deutschland bewerkstelligen.2 Tatsächlich hängt die Höhe von Zuwendungen durch die Gemeinden allerdings von ihren finanziellen Spielräumen ab. Auf der Ebene der Projektförderung gibt es Beihilfen an Träger und Veranstalter. Nicht selten beruht diese Art der Förderung auf Gewohnheiten. Das kann durch Beschlüsse in Gremien erfolgen oder durch pauschale Verteilung. Einige Kommunen haben »Bagatellgrenzen« etwa bei Beträgen von 500 EUR eingeführt, unterhalb derer sie keinen Förderantrag prüfen. Eine weitere Handhabe kommunaler Förderung besteht in der Umsetzung von Förderrichtlinien und festgelegten Vergabekriterien. Als solche können etwa »Kulturleitlinien« dienen oder verbindliche Rechtsgrundlagen in der Form von kommunalen Satzungen. In diesen Fällen sind die Herausforderungen, an Projektgelder zu gelangen, etwas höher, da die Kriterien vorab festgelegt sind (vgl. Hartung 2004: 24). Insgesamt ist es von zentraler Wichtigkeit, bei Zuwendungen der öffentlichen Hand zunächst die Aufgaben- und Förderkompetenz zu berücksichtigen (vgl. ebd.: 28f.). Vorab sollte eine genaue Einschätzung vorgenommen werden, auf welches Gebiet des potenziellen Zuwendungsgebers (Bund, Land oder Gemeinde), die geplante Maßnahme Auswirkungen hat. In einigen Fällen überschneiden sich die Interessen mit Zielen der öffentlichen Hand, was bei der Umsetzung von Barrierefreiheit durchaus gegeben sein kann. Wichtig ist es auch hier, vorab in Gesprächen zu klären, ob die öffentlichen Stellen dem Vorhaben aufgeschlossen gegenüberstehen, denn vieles hängt von Einschätzungen der zuständigen Behörden ab. Öffentliche Förderung: Bund: • kulturelle Einrichtung von nationaler Bedeutung; • kulturelle Infrastruktur der neuen Länder; • auswärtige Kulturpolitik; • Hauptstadtkulturförderung. Land: • Vorhaben von Interesse für die Region oder das Land; • Berücksichtigung aller Landesförderprogramme, nicht nur der Kulturförderung.
2 Rechnet man den Anteil der Stadtstaaten (11 %) der kommunalen Ebene zu, so ergibt sich laut Kulturfinanzbericht 2006 ein Anteil von 55 % an den öffentlichen Kulturausgaben in Deutschland.
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Kommune: • Vorhaben von Interesse für die Kommune; • Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit einer Gemeinde. Private Förderung Neben dem Spendenmarketing gibt es noch weitere Fundraisingaktivitäten, die ein vorhandenes Fundraisingkonzept oder gar eine Fundraisingabteilung voraussetzen: Auch auf Ehrenämter, Beiträge von Freundes- und Förderkreisen und weiteren Aktivitäten privater Förderung soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Hierzu gibt es ausführliche Informationen bei Ellen Lissek-Schütz (2004). Im Folgenden werden private Finanzierungsmöglichkeiten aufgezeigt, die auch für einzelne größere wie kleinere Projektvorhaben aktiviert werden können: das Sponsoring und weitere Formen privater Kulturförderung durch Stiftungen und Vereine sowie die Mischfinanzierung. Sponsoring Sponsoring wird folgendermaßen definiert: Unternehmen fördern Projekte und profitieren vom Imagetransfer der Kultureinrichtung (vgl. Bertoluzzi Dubach 2004: 327). Sponsoring ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Die Unternehmen finanzieren Projekte mit Geld-, Sach- oder Dienstleistungen. Im Gegenzug wird der Sponsor bei öffentlichen Veranstaltungen und in den Medien erwähnt, sein Logo wird an prominenter Stelle platziert, er erhält beispielsweise Sonderführungen oder ein Kartenkontingent für Firmenkunden und eigene Mitarbeiter. Wie die anderen Finanzierungsquellen auch, ist Sponsoring ein Geschäft, das auf Langfristigkeit angelegt ist. Kurzfristig einen Unternehmer zu überzeugen, Geld für ein barrierefreies Projekt bereitzustellen, kann voraussichtlich nur in einzelnen Fällen zum Erfolg führen. Meist wird es erforderlich sein, mindestens ein, besser noch zwei Jahre im Voraus zu planen. Es empfiehlt sich, bei der Anbahnung der Kontakte besondere Sorgfalt walten zu lassen: »Kultursponsoring ist eine Disziplin der Kommunikation.« Wie in allen Bereichen der Kommunikation sind auch – und vor allem – im Kultursponsoring die Menschen von herausragender Bedeutung. (Ebd.: 345)
Aus der Sicht der Museen Um erfolgreich nach einem Sponsor für sein Projekt zu suchen, sollte folgender Leitsatz befolgt werden: Das eigene Projekt muss mit den Unter-
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nehmenszielen des Sponsors zu vereinbaren sein. Wer also ein barrierefreies Projekt in seinem Haus umsetzen möchte, sollte speziell nach Unternehmen suchen, die ebensolche Ziele verfolgen. Es ist vor allen Dingen wichtig, Sponsoring als Chefsache zu begreifen: Der erste Kontakt zu einem Unternehmen muss vom Geschäftsführer oder Leiter eines Hauses ausgehen. Dennoch ist es gleichzeitig erforderlich, dass sich ein Mitarbeiter des Hauses der dauerhaften Kommunikationsleistung annimmt, die ein Sponsoringverhältnis erfordert. Im Falle barrierefreier Projekte könnten zunächst Unternehmen angesprochen werden, die in der Region vertreten sind und deren eigene Zielgruppe Menschen mit Behinderungen bzw. Einschränkungen sind, seien es Brillen- und Hörgerätehersteller oder Sanitätshäuser, die Rollstühle und Gehhilfen sowie weitere Produkte für ältere Menschen verkaufen. Weiterhin sind auch Banken und Versicherungen sowie Finanzdienstleister häufig für neue Zielgruppen aufgeschlossen. Zu beachten ist ebenfalls, dass Sponsoring häufiger auf lokaler Ebene stattfindet, bei regionalen Firmen besitzen Anfragen daher auch die größten Erfolgschancen. Ebenso sind barrierefreie Projekte in Kultureinrichtungen für den Tourismus interessant. Hotels oder Dienstleister mit eigenen Angeboten für diese Zielgruppe stehen daher häufig einer Förderung aufgeschlossen gegenüber.3 »Erfolgreiches Sponsoring sollte sich immer auf das Leitbild einer Unternehmung oder einer Organisation stützen. Das Leitbild ist die Grundsatzerklärung eines Unternehmens oder einer Organisation, die darüber Auskunft gibt, was ein Unternehmen oder eine Organisation tut, was sie nicht tut, was sie will, wohin sie will und welches die Zielsetzungen der Führung bzgl. Leistungserstellung, Mitarbeiterführung und sozialer Verantwortung sind. Die Philosophie und das Selbstverständnis einer Unternehmung und einer Organisation beeinflussen den Entscheid für oder gegen Sponsoring sowie die Art und das Ausmaß, in dem Sponsoring bzw. Kultursponsoring verstanden und gehandhabt wird.« (Bertoluzzi-Dubach 2004: 328)
Aus der Sicht der Unternehmen Sponsoring ist ein Geschäft, das auf Gegenleistungen beruht, d.h., Unternehmen wollen genau wissen, warum sie in ein bestimmtes Haus und in ein bestimmtes Projekt investieren sollen. Aus Unternehmersicht ist Sponsoring ein Mittel, um eigene unternehmerische Kommunikationsziele zu erreichen. Kultureinrichtungen sind Sympathieträger, sie werden mit Kreativität und Niveau in Verbindung ge3 Ausführliche Informationen zur Sponsoring-Strategie und zu Sponsoring-Werkzeugen finden sich bei Bertoluzzi Dubach 2004.
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bracht, mit denen sich ein Unternehmen gerne schmückt. Es entsteht ein Imagetransfer. Nicht zuletzt bieten Museen eine Plattform, um Zielgruppen anzusprechen, die für Unternehmen sonst möglicherweise schwer erreichbar sind. Jürgen Preiß (1999: 157f.) widmet sich dem Kultursponsoring aus Unternehmenssicht. Ein Unternehmen, das mit einer Sponsoring-Anfrage konfrontiert wird, stellt sich nach seiner Aussage folgende Fragen: • Passt das Projekt zum Unternehmen und ist es geeignet, die Sponsoringziele zu erfüllen? • Stimmen Zielgruppen von Unternehmen sowie Projektpartner überein? • Wie hoch ist die Reichweite (Medienwirkung)? • Welche Präsentationsmöglichkeiten und Gegenleistungen bestehen? • Passt das Projekt inhaltlich, zeitlich und räumlich zur Kommunikationskampagne des Unternehmens (Vernetzungsmöglichkeiten)? • Ist das Projekt bereits von Wettbewerbern besetzt? • Rechtfertigt die Kosten/Nutzen-Relation ein Engagement? Häufig gehen bei großen Firmen monatlich mehrere Hundert Sponsoringanfragen ein. Zu beachten ist zunächst der Vorlauf: Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte wird dort häufig für das nächste Jahr geplant. Für Unternehmen ist es hilfreich, auf den ersten Blick das Profil der Kultureinrichtung wahrnehmen zu können und den Nutzen für den Sponsor, also das eigene Unternehmen, zu erkennen. Die Verbindung von Sponsor und Gesponsertem muss aber nicht zuletzt für das Publikum glaubwürdig sein. Beispiel privater Kulturförderung: Der Lions Club Bonn unterstützt seit 1999 regelmäßig die kontinuierlichen Veranstaltungen von Menschen mit Behinderungen im Kunstmuseum Bonn. Angesprochen wurde der Verein durch die Abteilung Museumspädagogik, die Resonanz war sehr positiv. Vom Museum wurde folgende Gegenleistung angeboten: Die Festaktivität »50 Jahre Lions Club Bonn« (2007) findet im Kunstmuseum statt, in Verbindung mit einer Ausstellung der Werkstattergebnisse. Ein weiteres Beispiel ist die Finanzierung des Flyers »Barrierefrei im Kunstmuseum Bonn«. Das Museum suchte dafür Sponsoren, was sich als relativ einfach erwies: Es fand sich ein Grafikbüro, welches bislang nicht für das Museum gearbeitet hatte, das die komplette grafische Gestaltung übernahm; die Druckkosten finanzierte die Sparkassenstiftung und ein restlicher kleinerer Betrag der Verein der Freunde des Museums.
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Sponsoring: • Analyse der Ausgangslage: Bestandsaufnahme, Stärken und Schwächen; • Chefsache – muss von der Leitung mitgetragen werden; • langfristige Kommunikationsleistung; • Vorlauf von mindestens einem Jahr; • Geschäft auf Gegenleistung; • Unternehmen aus der Region mit gleichen Zielen ansprechen; • Alleinstellungsmerkmale auf beiden Seiten; • Zielgruppen müssen sich überschneiden. Weitere Formen privater Kulturförderung Mit der Hilfe von Stiftungen, Vereinen oder Verbänden können ebenfalls Projekte zur Barrierefreiheit umgesetzt werden. Beispielsweise können auf den Websites www.stiftungsindex.de sowie auf www.maecenata.de Stiftungen für Menschen mit Behinderungen bzw. für einzelne Behinderungsarten recherchiert werden. In der Regel fördern Stiftungen in sich geschlossene Projekte, die innovativ und gesellschaftlich relevant sind (vgl. Elfert 2005: 2f.). Sie fördern gemeinnützige Organisationen oder öffentliche Einrichtungen. Nicht selten werden auch Eigenmittel oder Eigenleistungen vom Antragsteller bzw. eine Kofinanzierung etwa durch Sponsoren oder die öffentliche Hand erwartet. Wichtig ist es, sich vorab zu informieren, ob die Stiftung operativ tätig ist oder fördernd. Etwa ein Drittel der Stiftungen sind nur operativ tätig, das heißt, sie nehmen keine Anträge von außen entgegen, sondern fördern ausschließlich eigene Projekte. Genau betrachtet werden muss auch der Stiftungszweck, der in der Satzung verankert ist. Stiftungen dürfen nur auf der Grundlage ihres Stiftungszweckes fördern. Die Stiftungsrecherche ist zwar sehr aufwendig, doch ist sie notwendig, um sich die Arbeit mit umfangreichen und am Ende erfolglosen Anträgen zu ersparen. Stiftungen: • Nimmt die Stiftung Anträge von außen entgegen, ist sie fördernd oder operativ? • Passt das Projektvorhaben zum Förderzweck, der in der Stiftungssatzung verankert ist? • Ist die Stiftung nur in einer Stadt tätig, in einer Region, einem Bundesland oder bundesweit? • Gibt es Förderschwerpunkte für ein oder mehrere Jahre? • Welche Arten von Ausgaben werden gefördert (Honorare, Sachkosten, Baukosten etc.)?
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• Werden Eigenmittel oder Eigenleistungen erwartet und in welcher Form dürfen sie erbracht werden (Spenden, Personalmittel, öffentliche Gelder)? • Welche Antragsfristen und Entscheidungstermine sind zu berücksichtigen (vgl. ebd.: 4f.)? Die Aktion Mensch fördert gemeinnützige Vereine und hat die Ausstellung »Der (im-)perfekte Mensch« des Hygienemuseums Dresden gefördert (siehe den Beitrag von Petra Lutz in dieser Publikation). Es lohnt sich grundsätzlich, Kontakte mit verschiedenen Wohlfahrtsverbänden oder Behindertenorganisationen aufzunehmen, um über sie Ideen für die Unterstützung oder Förderung von barrierefreien Projekten zu erhalten und diese als Partner zu gewinnen. Mischfinanzierung Die Mischfinanzierung ist eine Verbindung von öffentlicher und privater Finanzierung. Der Vorteil von Mischfinanzierungen ist, dass öffentliche Stellen mitunter eher bereit sind, Gelder beizusteuern, wenn sie erkennen, dass Museen selbst für einen Teil der Projektfinanzierung aus anderen Quellen sorgen. Umgekehrt besteht für Museen ein erheblicher Anreiz, eine Privatfinanzierung zu beschaffen, wenn in etwa die gleiche Summe von der öffentlichen Hand hinzugegeben wird. Als Möglichkeiten einer gemeinsamen Finanzierung von öffentlicher und privater Seite sollen an dieser Stelle das sogenannte »Challenge Funding« sowie die »Matching Funds« vorgestellt werden. Weiterhin wird das immer wichtiger werdende »Public-Private-Partnership« beschrieben, das sich vor allem für große Projektvorhaben eignet. »Challenge Funding« und »Matching Funds« Beim »Challenge Funding« stiftet die Behörde selbst einen Anreiz zu eigenen Finanzierungsbemühungen. Wenn ein Museum Mittel über Fundraising oder Sponsoring beschafft, sagt die Behörde zu, diese Mittel um einen bestimmten Prozentsatz aufzustocken (vgl. Bendixen/Heinze 1999: 27f.). Das »Challenge Funding« kann für Projektvorhaben ein Anreiz für Institutionen sein, zunächst Drittmittel einzuwerben, die dann um einen vorher zugesicherten Prozentsatz (beispielsweise 50 Prozent) durch die öffentliche Hand erhöht wird. Die Initiative hierzu geht aber in der Regel von der Behörde aus. Die Behörde hat entsprechend eigene Kriterien, anhand derer sie Projekte auswählt. Ganz ähnlich stellt sich die Situation bei den sogenannten »Matching Funds« dar: Es einigen sich Partner darauf, gemeinsam ein Projektvorhaben
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zu finanzieren. Beispielsweise erklärt eine Bank, die gleiche Summe bereitzustellen, die bei einer privaten Spendenaktion zusammenkommt. Gleichermaßen kann die öffentliche Hand die Einwerbungen durch private Sponsoren nochmals verdoppeln. Beim Bau der Pinakothek der Moderne in München hat der Freistaat Bayern die Finanzierung davon abhängig gemacht, dass zehn Prozent der Summe von privater Seite aufgebracht wurden (vgl. Wagner 1999: 211f.). »Public-Private-Partnership« Ein ähnliches Verfahren ist das »Public-Private-Partnership« (PPP). Auch hier geht es um eine Mischfinanzierung von öffentlichem und privatem Kapital zur Finanzierung gemeinsamer Kulturprojekte. PPP steht einerseits dem Sponsoring recht nahe, doch Projekte, die durch PPP finanziert werden, sind vom Umfang her meist deutlich größer (vgl. Bendixen/Heinze 1999: 31). Die Kooperation der öffentlichen Hand, der beteiligten Kultureinrichtung sowie der Privatwirtschaft wird mit einer gemeinsamen Leitung institutionalisiert, oft im Rahmen eines eingetragenen Vereins oder einer Stiftung. Dieses Instrument besteht allerdings nicht nur aus einer rein finanziellen Einbindung. Ein Anreiz, der eine Kooperation für beide Seiten interessant macht, ist die Partnerschaft der Akteure. Es wird bei PPP-Projekten für das gemeinsame Vorhaben eine Entscheidungs- und Verantwortungsgemeinschaft gebildet, die deutlich über eine bloße Kooperation von öffentlicher und privater Hand hinausgeht. Die Vorteile liegen darin, dass diese Finanzierungsform sehr flexibel und an der jeweiligen Aufgabe orientiert ist. Durch diese Mischform wird nicht zuletzt das bürgerschaftliche Engagement für Kultur aktiviert (vgl. ebd.). Häufig sind »Public-Private-Partnership«-Projekte langfristige und finanziell tragfähige Grundlagen für Einrichtungen, die für beide Seiten bestimmte Potenziale und Chancen bieten. »Public-Private-Partnerships« bieten neue Wege der Kulturfinanzierung: Es können damit Projekte verwirklicht werden, die nicht allein durch die öffentliche Hand gefördert werden konnten und für die keine Sponsoren zu finden waren (vgl. ebd.: 33f.). »Public-Private-Partnerships« erstrecken sich meist auf größere Projekte und Vorhaben, wie etwa große Festivals oder Investitionen wie Museumsbauten. Es gibt bereits zahlreiche Beispiele im Kulturbereich, die auf dieser Grundlage arbeiten.
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Beispiel Mischfinanzierung: PINK4 (Kunstvermittlung für besondere Zielgruppen in der Pinakothek der Moderne) Die Projektmittel für das Projekt PINK stammen fast ausschließlich von Philip Morris International. Einige Schwerpunktprojekte für Jugendliche wurden anteilig von zusätzlichen Spendenmitteln anderer Herkunft unterstützt. Es fließen aber auch Ressourcen des Museums ein, vor allem personelle Leistungen in der Organisation und Konzeption. Das Museum ermöglicht den PINK-Gruppen außerdem freien Eintritt. Hierzu wurde eine Sondergenehmigung vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eingeholt. Die erste Idee für PINK kam aus dem Kunstförderungsbereich des Unternehmens, dass zu den langjährigen Förderern der Pinakotheken zählt und einen Schwerpunkt in der Förderung sozialer Projekte hat, weshalb der Wunsch nach einer Verbindung, einem kulturellen und sozialen Projekt entstand. Im Detail wurde das Konzept dann vom Museum (Ute Marxreiter und Susanne Kudorfer) ausgearbeitet. Die Mittel für PINK sind eine Spende des Konzerns. Das Palais Pinakothek, in dem auch PINK-Veranstaltungen stattfinden, ist ein »PublicPrivate-Partnership« mit der Bayerischen Landesbank.
Mischfinanzierungen: »Challenge Funding«: Anreiz für Museen, zusätzliche Geldgeber für Projekte zu akquirieren, da die öffentliche Hand die akquirierten Mittel aufstockt. »Matching Funds«: Partner einigen sich darauf, gemeinsam ein Projekt zu finanzieren. Einer der Partner stockt die vom anderen erworbenen Finanzmittel auf. »Public-Private-Partnership«: • eignen sich vor allem für sehr große Projektvorhaben und wenn kein Sponsor gefunden werden konnte; • Entscheidung und Verantwortung wird von öffentlicher Hand, Unternehmen sowie dem Museum gemeinsam getragen; • es wird eine gemeinsame Leitung institutionalisiert; • für Projekte, die nicht mit öffentlichen Mitteln finanziert werden konnten.
4 Zum Projekt siehe auch den Beitrag von Susanne Kudorfer und Ute Marxreiter.
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Zusammenfassende Hinweise für alle vorgestellten Arten von Finanzierungen: Alle potenziellen Geldgeber fordern im Rahmen der Antragstellung Projektbeschreibungen, Angaben über die Kosten sowie die erwarteten Ergebnisse. Diese grundlegenden Faktoren müssen in den Anträgen entsprechend der jeweiligen Richtlinien, Abläufe und Regeln dargestellt werden. Folgendes sollte darüber hinaus von den Antragstellern gewährleistet werden: • Interne Qualitätssysteme: Es muss deutlich werden, welche Ziele das Projekt verfolgt und wie es am Ende ausgewertet wird. • Ergebnisse bestimmen: Die Projekte haben nachweisliche Arbeitsergebnisse und beinhalten bewertende Verfahren. • Entwicklung und Nachhaltigkeit: Die Antragsteller müssen darstellen, welche Ziele sie während der Förderperiode erreichen wollen. Außerdem müssen sie über die Konsequenzen nach Beendigung der Finanzierung nachgedacht haben: Es sollten über den Förderzeitraum hinausreichende Pläne vorliegen. • Unterstützer und Partnerschaften: Barrierefreie Projekte müssen Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen einbeziehen, sowohl als Berater- wie auch als Zielgruppe. • Effektive Nachbereitung: Nach Projektende ist die Auswertung und Berichterstattung gegenüber den Geldgebern erforderlich (vgl. Disability Directory for Museums and Galleries 2001: 140).
Argumentationstipps für barrierefreie Projekte: • Barrierefreie Museen sind für behinderte Besuchergruppen wichtig, doch nutzen sie allen Besuchern. • Museen sind öffentliche Einrichtungen, die nicht einen Teil der Gesellschaft ausklammern sollten. • Barrierefreiheit in Museen kann eine Selbstbestimmung von behinderten Menschen fördern. Ziel sollte die Möglichkeit eigenständiger Besuche behinderter Besuchergruppen sein. • Das Willkommenheißen von behinderten Besuchergruppen dient dem Entgegenwirken einer sozialen Isolation und fördert die Teilhabe an der Gesellschaft. • Klar strukturierte Leitsysteme dienen der allgemeinen Besucherorientierung.
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• Die verbesserte Vermittlung von Inhalten, beispielsweise durch AudioGuides, Leichte Sprache oder Übersichtstafeln, kommen allen Besuchern zugute. • Barrierefreie Angebote, am besten in Zusammenarbeit mit mehreren lokalen Partnern – wie dem öffentlichen Nahverkehr, Restaurants und Hotels sowie anderen Museen – steigern die touristische Relevanz einer Region. • Die alternde Gesellschaft und Familien mit Kindern profitieren von barrierefreien Angeboten. • Bei der Vermittlung von Ausstellungsinhalten können behinderte Besuchergruppen nicht nur als Zielgruppe verstanden werden, sondern als Berater und möglicherweise auch als Vermittler ausgebildet und einbezogen werden (vgl. den Beitrag von Rebecca McGinnis in diesem Band). Am 1. Dezember 2006 ging die neue Datenbank des Deutschen Informationszentrums Kulturförderung (DIZK) online (www.kulturfoerderung.org). Das Portal soll als bundesweit erste Informationsstelle im Internet einen Überblick über kulturfördernde Stiftungen, Unternehmen und Initiativen in Deutschland geben. Das DIZK ist eine Gemeinschaftsinitiative der Kulturstiftung der Länder, des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI. Als Einrichtungen bzw. Interessenvertreter der öffentlichen und privaten Förderung von Kunst und Kultur verfolgen sie das Ziel, mit dem DIZK eine zentrale Anlaufstelle für Kunstund Kulturförderung aufzubauen. Mithilfe nationaler und internationaler Kooperationen werden die Recherchemöglichkeiten kontinuierlich ausgebaut. Resümee und Ausblick Die Finanzierung von barrierefreien Projekten ist ein zentrales Thema. Es gibt, wie die Praxis zeigt, zahlreiche Möglichkeiten der Einwerbung finanzieller Mittel durch die öffentliche Hand und der privaten Finanzierung sowie Mischfinanzierungsformen. Damit können kleinere wie größere barrierefreie Projekte in Museen umgesetzt werden. In allen Bereichen sollte im Auge behalten werden: Um Finanzierungen von außen zu erhalten, müssen sich die Leitungen der Häuser verantwortlich fühlen. Es ist eine langfristige Planung erforderlich – und eine erhebliche Kommunikationsleistung, die niemals nur ›nebenbei‹ erfolgen kann. Für eine öffentliche Förderung wird die Bereitschaft der Politik immer ansteigen, wenn die Museen Eigenengagement zeigen und selbst bereit
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sind, zusätzlich zur öffentlichen Förderung auch private Geldgeber zu gewinnen. Bei der privaten Finanzierung ist es erforderlich, längeren Atem zu zeigen und ein strategisches Konzept zum Sponsoring zu erarbeiten. Dann stehen die Chancen sehr gut, private Förderer für eigene barrierefreie Projekte zu gewinnen. Literatur Al Ghusain, Muchtar (2004): Projektförderung aus Mitteln des Bundes. In: Dirk Heinze/Dirk Schütz (Hg.): Erfolgreich Kultur finanzieren: Lösungsstrategien für die Praxis, Berlin u.a.O. 2003ff., Kap. B 2.2-3, S. 1-26. Bendixen, Peter/Heinze, Thomas (1999): Kultur und Wirtschaft: Perspektiven gemeinsamer Innovation. In: Thomas Heinze (Hg.): Kulturfinanzierung, Münster u.a.O., S. 15-44. Bertoluzzi Dubach, Elisa (2004): Kultursponsoring. In: Armin Klein (Hg.): Kompendium Kulturmanagement, München, S. 327-347. Disability Directory for Museums and Galleries (2001): Resource: The Council for Museums, Archives and Libraries, London. Elfert, Doris (2005): Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Stiftungen. In: Handbuch Kulturmanagement, Berlin u.a.O. 1992ff., Kap. D 4.2-1, S. 1-14. Gundlach, Christian (2000): Sponsoren finden im lokalen und regionalen Raum. In: Handbuch Kulturmanagement, Berlin u.a.O. 1992ff., Kap. D 4.9, S. 1-26. Hartung, Werner (2004): Öffentliche Kulturförderung: Vergabegrundsätze und Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen. In: Dirk Heinze/Dirk Schütz (Hg.): Handbuch Erfolgreich Kultur finanzieren: Lösungsstrategien für die Praxis, Berlin u.a.O. 2003ff., Kap. A 1.1-1, S. 1-30. Heinrichs, Werner/Klein, Armin (2001): Kulturmanagement von A-Z, 2. Aufl., München. Heinze, Dirk/Schütz, Dirk (Hg.) (2003ff.): Handbuch Erfolgreich Kultur finanzieren: Lösungsstrategien für die Praxis, Berlin u.a.O. Heinze, Thomas (Hg.) (1999): Kulturfinanzierung: Sponsoring – Fundraising – Public-Private-Partnership, Münster u.a.O. Klein, Armin (Hg.) (2004): Kompendium Kulturmanagement – Handbuch für Studium und Praxis, München. Lissek-Schütz, Ellen (2004): Fundraising. In: Armin Klein (Hg.): Kompendium Kulturmanagement, München, S. 350-374. Müller, Jens (1999): Kultursponsoring – ein theoretisches Konzept. In: Thomas Heinze (Hg.): Kulturfinanzierung, Münster u.a.O., S. 45-65. Opitz, Stephan/Steinbrink, Matthias/Thomas, Volker (2004): Öffentliche Zuwendungen. In: Armin Klein (Hg.): Kompendium Kulturmanagement, München, S. 313-325.
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Preiß, Jürgen (1999): Anforderungen an das Kultursponsoring aus Unternehmenssicht. In: Thomas Heinze (Hg.): Kulturfinanzierung: Sponsoring – Fundraising – Public-Private-Partnership, Münster u.a.O. Schütz, Dirk (2004): Kulturförderung im Freistaat Thüringen. In: Dirk Heinze/Dirk Schütz (Hg.): Handbuch Erfolgreich Kultur finanzieren: Lösungsstrategien für die Praxis, Berlin u.a.O. 2003ff., Kap. B 2.2-6, S. 1-22. Wagner, Bernd (1999): Neue Wege öffentlicher Kulturförderung. In: Thomas Heinze (Hg.): Kulturfinanzierung: Sponsoring – Fundraising – Public-Private-Partnership, Münster u.a.O., 187-215. Wendt, Stefan (2004): Erfolgreiches Fundraising vor Ort. In: Handbuch Kulturmanagement, Berlin u.a.O. 1992ff. Zimmermann, Olaf/Schulz, Gabriele (Hg.) (2005): Im Labyrinth der Kulturzuständigkeit: Die Kulturverwaltung der Länder, des Bundes und der Europäischen Union, Berlin.
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Kulturförderung der Europäischen Union. Programme – Kriterien – Antragstellung
Christine Beckmann Die Antragstellung bei der Europäischen Union steht in dem Ruf, die Träger von Kulturprojekten an den Rand der Verzweiflung zu bringen. Sicher – das Antragsformular ist umfangreich, die Modalitäten sind nicht leicht zu überblicken und die korrekte Abrechnung ist aufwendig. Aber eines vorweg: Es gibt erfolgreiche Projektbeispiele mit EU-Beteiligung und es gibt Beratungsstellen wie den Cultural Contact Point Germany, der als offizielle Nationale Kontaktstelle für die Kulturförderung der Europäischen Union kostenlos informiert und Antragsteller berät. Die Erfahrung zeigt, dass das, was vielfach als mutwillige Hürde bei der Antragstellung wie auch bei der Abrechnung eines EU-Projektes empfunden wird, durchaus nachvollziehbare Hintergründe haben kann, wenn man die Logik der EU-Förderungen kennt. Im Folgenden werden zwei Programmbereiche vorgestellt, die für den Kultursektor interessant sind und die auch Fachkräfte in Museen für ihre Vorhaben kennen sollten: das KULTUR-Programm der EU und die Strukturfonds, beide mit einer Laufzeit von 2007 bis 2013. Während das KULTURProgramm Kooperationen zwischen Organisationen und Einrichtungen fördert, können aus den Strukturfonds Mittel z.B. für den Auf- und Ausbau von Infrastrukturen oder für beschäftigungsrelevante Vorhaben beantragt werden. Beide Programmbereiche haben also sehr unterschiedliche Förderziele und Antragslogiken. Das KULTUR-Programm der EU (2007-2013) Ziel der Kulturförderung der EU ist die Schaffung eines europäischen Kulturraums. Um zur Integration Europas beitragen zu können, wurden drei Ziele für das KULTUR-Programm definiert: die Förderung der Mobilität von Profis im Kunst- und Kulturbereich, Kulturschaffenden, Kulturvermittlern und Kulturmanagern, die Förderung von künstlerischen Werken, kulturellen Produkten und Objekten sowie drittens der interkulturelle Dialog und das Verständnis der europäischen Kulturen für die jeweils anderen. Diese sehr allgemein formulierten Ziele lassen inhaltlich eigentlich alles zu – wie auch schon das Vorgängerprogramm KULTUR 2000. Als Weiterentwicklung des Vorgängers legt das KULTUR-Programm 2007-2013 gesteigerten Wert auf interdisziplinäre Kulturprojekte, löst sich also weiter von einer Spartenzuordnung und sieht keine Priorisierung einzelner Sparten in bestimmten Jahren vor. Für die siebenjährige Laufzeit des KULTUR-Programms stehen insgesamt 400 Millionen Euro zur Verfügung. Hinzu kommen die Beiträge der assoziierten Länder.
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Es ist generelles Anliegen der Kulturförderung der EU, die Zugänglichkeit von kulturellen Angeboten für möglichst breite Bevölkerungsschichten zu erhöhen. Einen Bonus erhalten Projekte, die Bevölkerungsgruppen ansprechen, die – aus welchen Gründen auch immer – nur schwer Zugang zur Kultur finden. Insofern ist Barrierefreiheit durchaus ein Thema, für das sich die eingehende Beschäftigung mit der EU-Kulturförderung lohnen kann. Wie wird das Programm umgesetzt? Zuerst gilt es zu akzeptieren, dass das KULTUR-Programm im Wesentlichen ein Kooperationsprogramm ist. Einzelne Einrichtungen auf nationaler Ebene und Einzelpersonen können keine Zuschüsse bekommen. Das Programm fördert insbesondere die Zusammenarbeit zwischen mehreren Organisationen und Institutionen auf europäischer Ebene. Als Rahmenprogramm umfasst es drei Förderbereiche, die dies in unterschiedlicher Weise einfordern: die Projektförderung, Betriebskostenzuschüsse für Organisationen, die auf europäischer Ebene im Kulturbereich tätig sind, und schließlich Analysen, Studien und Informationsarbeit, die dazu beitragen, die Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen kultureller Kooperation in Europa transparent zu machen. In diesem Zusammenhang konzentrieren wir uns auf die Förderung von Kooperationsprojekten, weil hierzu Vorhaben von Museen gehören können, die ihre Präsentationen barrierefrei gestalten möchten. Bei der Neukonzeption des Kulturförderprogramms der EU für die Jahre 2007 bis 2013 wurde Wert darauf gelegt, zur Bildung möglichst großer Kooperationskonsortien anzuregen. Deswegen wurde die Förderung mehrjähriger Kooperationsnetze – anders als bei dem Vorgängerprogramm – als erste Projektform den anderen vorangestellt. Gefördert werden: 1. »Mehrjährige Kooperationsprojekte«; 2. »Kleinere Kooperationsmaßnahmen und Übersetzungen«; 3. »Besondere Maßnahmen«. Konzentrieren wir uns auf die ersten beiden Projektformen, denn die Ausschreibungen unter dem Titel der »Besonderen Maßnahmen« sind zwar auch für Museumsarbeit und Schutz des Kulturerbes allgemein interessant, werden aber keine Maßnahmen zur Installation barrierefreier Präsentationen in Museen betreffen.1
1 Informationen hierzu sind auf der Internetseite des Cultural Contact Point Germany (www.ccp-deutschland.de) erhältlich.
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»Mehrjährige Kooperationsprojekte« Um zu langfristigen Kooperationen anzuregen, unterstützt die EU kulturelle Vorhaben mit einer Laufzeit von drei bis fünf Jahren, an denen mindestens sechs Einrichtungen aus unterschiedlichen am Programm teilnehmenden Ländern beteiligt sind. Diese müssen durch Kooperationsabkommen zwischen den beteiligten Einrichtungen abgesichert sein, damit für diese langen Zeiträume eine gewisse Verbindlichkeit erreicht werden kann. Der Zuschuss der EU kann pro Jahr bis zu 500.000 Euro betragen. Jährlich sollen mit dieser Förderung ca. 16 Kooperationsnetze aus der Taufe gehoben werden. Ziel der Förderung dieser mehrjährigen Projekte ist es, zur Bildung von internationalen langfristigen Kooperationen beizutragen, die auch ohne die Förderung der EU weiterexistieren. Allein für die Installation von Hilfsmitteln (wie Rampen) oder neuen Präsentationstechniken (wie blindengerechte Vitrinen) ist diese Förderung weniger geeignet. Es sollte vielmehr darum gehen, ein Netzwerk von Museen aus möglichst vielen europäischen Ländern zu schaffen, die – z.B. gemeinsam mit Theatern oder Musikern, mit Universitäten, Unternehmen aus dem Gesundheits- und Pflegebereich oder auch mit Behörden – ihre Erfahrungen austauschen wollen, für Probleme und Hürden gemeinsam Lösungen erarbeiten, innovative Methoden und Techniken entwickeln sowie testen und vielleicht sogar an europäischen Standards mitarbeiten. Dies sind nur Beispiele – die Praxis bietet viele Möglichkeiten. »Kleinere Kooperationsmaßnahmen« Diese Förderung ist erfreulicherweise gegenüber dem Vorgängerprogramm etwas flexibilisiert worden: Statt exakt nach einem Jahr abgeschlossen sein zu müssen, können die Projekte nun bis zu 24 Monate dauern. Einschließlich der antragstellenden Einrichtung müssen mindestens drei Organisationen aus unterschiedlichen am Programm teilnehmenden Ländern beteiligt sein. Obwohl es natürlich auch hier um Vernetzung und Erfahrungsaustausch geht, liegt der Schwerpunkt der Förderung dieser kürzeren Vorhaben auf deren Innovationsleistung und Experimentcharakter. Sie sollen insbesondere der Erprobung neuer Organisations- oder Managementformen, neuer Techniken, Materialien oder Methoden, der Erarbeitung neuer Inhalte, künstlerischer bzw. kultureller Arbeitsweisen oder Ausdrucksformen dienen. Diese Projekte werden mit maximal 200.000 Euro für die gesamte Laufzeit gefördert. Der kleinste Zuschuss beträgt 50.000 Euro, und da die EU-Förderung maximal 50 Prozent des gesamten Projektbudgets ausmachen darf, werden Kulturvorhaben erst ab einem Projektvolumen von
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100.000 Euro gefördert. Ca. 120 ein- bis zweijährige Projekte sollen pro Jahr mithilfe des KULTUR-Programms umgesetzt werden. Diese Förderung dient genauso wenig der vollständigen Umstellung von Gebäuden, Ausstellungsflächen und/oder Präsentationstechniken wie die Förderung mehrjähriger Kooperationsprojekte, weil auch hier Investitionskosten nicht zuwendungsfähig sind. Wenn aber Ziel des Projektes ist, exemplarisch Innovationen z.B. im Umgang mit Blindenschrift oder akustischen Präsentationen einzuführen, um die Erfahrungen damit auf internationaler Ebene auszuwerten und weiteren Kreisen zugänglich zu machen, z.B. durch Konferenzen und Publikationen, könnte ein EU-Zuschuss gewährt werden. Generell sind Austausch von Erfahrungen und Know-how, Entwicklung neuer Techniken und Verfahren sowie deren Erprobung förderfähige Vorhaben. »Mehrjährige Kooperationsprojekte«: • mindestens sechs Organisationen aus sechs Ländern; • Förderzeitraum drei bis fünf Jahre; • Zuschuss beträgt max. 50 Prozent der Gesamtkosten; • Zuschuss kann jährlich bis zu 500.000 Euro betragen. »Kleinere Kooperationsmaßnahmen«: • mindestens drei Organisationen aus drei Ländern; • Förderzeitraum max. 24 Monate; • Zuschuss beträgt max. 50 Prozent der Gesamtkosten; • Zuschuss kann bis zu 200.000 Euro insgesamt betragen. Antragsmodalitäten für Kooperationsprojekte Antrags- und Teilnahmeberechtigte Antrags- bzw. teilnahmeberechtigt sind Organisationen, Institutionen und Unternehmen, die überwiegend im kulturellen Bereich tätig sind. Sie müssen über eine eigene Rechtsform verfügen und dürfen mit dem Projekt keine Gewinnabsichten verfolgen. Außerdem müssen sie ihren Sitz in einem der am Programm teilnehmenden Länder haben. Die 25 Mitgliedstaaten der EU nehmen automatisch am KULTUR-Programm teil, auch die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Island, Norwegen und Liechtenstein. Weitere europäische Länder können teilnehmen, wenn sie ein sog. Assoziationsabkommen zu diesem Programm mit der EU unterzeichnet haben und gesondert in das Programmbudget einzahlen. Dies war schon seit einigen Jahren der Fall bei den Beitrittsländern Rumänien und Bulgarien, die 2007
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Mitglieder wurden und damit automatisch am Programm teilnehmen. Auch die Beitrittskandidaten Türkei und Kroatien haben Interesse an einer Beteiligung angemeldet; die Assoziation ist noch nicht abgeschlossen.2 Die Teilnahme von Mazedonien und den Westbalkanstaaten ist im Programm vorgesehen, Assoziierungsverhandlungen wurden jedoch noch nicht aufgenommen. Akteure aus anderen als den genannten Ländern können als Partner an einem Projekt teilnehmen. Sie können so ihr Know-how und Erfahrungen einbringen, profitieren von der mit einer EU-Förderung verbundenen Publicity und sicher auch direkter von den erzielten Ergebnissen, aber nicht von den EU-Zuschüssen. Definition von ›europäischer Kooperation‹ Für die Europäische Union sind kulturelle Kooperationsprojekte auf europäischer Ebene dadurch definiert, dass sich alle Einrichtungen, Unternehmen und Organisationen maßgeblich an der Konzeption, der Durchführung und auch an der Finanzierung beteiligen. Um zu verhindern, dass in dem Antrag Namen von Einrichtungen genannt werden, die eher zur Erreichung der geforderten Mindestzahl dienen, aber eigentlich nicht zum Gelingen des Projektes beitragen, wird ein finanzieller Beitrag eines jeden Mitorganisators von fünf Prozent des gesamten Projektvolumens erwartet. Diesen müssen sie nicht notwendigerweise aus ihrem eigenen Haushalt finanzieren, sondern können hierfür weitere öffentliche Zuschüsse aus ihrem Land, Spenden und Sponsorengelder einwerben. Definitionen: Mitorganisatoren: Einrichtungen bzw. Organisationen inkl. der federführenden, die das Projekt konzeptionell, organisatorisch und finanziell tragen (jede mit mindestens 5 % des Gesamtbudgets); Antragsteller: federführende Einrichtung, die gegenüber der EU für die Koordination, Durchführung und Abrechnung des Projekts verantwortlich ist; Partner: weitere Organisationen aus allen Ländern der Welt, die sich ideell, konzeptionell oder praktisch einbringen können, aber nicht notwendigerweise einen finanziellen Beitrag leisten.
2 Informationen über den Stand der Assoziierungsverfahren gibt der Cultural Contact Point Germany, Bonn.
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Zeitplanung von der Ausschreibung bis zur Umsetzung Leider ist der Start von EU-geförderten Kulturprojekten an einen relativ starren Zeitplan gebunden. Projekte können nur auf der Basis von Ausschreibungen umgesetzt werden; d.h. die Europäische Kommission veröffentlicht in der Regel einmal jährlich – meistens im Frühjahr bis Frühsommer – im Internet und im Amtsblatt der Europäischen Union sogenannte Aufrufe zur Einreichung von Vorschlägen. Mit der Ausschreibung wird die Einreichfrist bekannt gegeben; dies war in der Vergangenheit im Herbst, meistens im Oktober. In der Regel haben die Antragsteller vier bis fünf Monate Zeit, das umfangreiche Formular auszufüllen und die erforderlichen Anlagen zu erstellen bzw. zu beschaffen. Allerdings kann man sich gut an den jeweiligen Vorjahresausschreibungen orientieren und sich somit etwas ›Hektik‹ ersparen. Mit seinen Kooperationspartnern in den beteiligten Einrichtungen sowohl in Deutschland als auch in den anderen Ländern sollte man sich ohnehin schon länger auseinander- und zusammengesetzt haben. Eine europäische Kooperation dieser Dimension erst aufgrund einer Ausschreibung zu avisieren, kann zwar gut gehen, birgt aber viele Risiken. Der Auswahlprozess dauert recht lange – er kann gut ein halbes Jahr in Anspruch nehmen –, da nicht nur die Europäische Kommission die Anträge prüft, sondern weitere Gremien beteiligt sind. Während das Auswahlgremium innerhalb der Kommission insbesondere mit der formalen und finanziellen Prüfung im Hinblick auf Vollständigkeit und Plausibilität befasst ist, fällt die unabhängige Expertenjury, die von der Europäischen Kommission aufgrund von Vorschlägen aus den Mitgliedstaaten berufen wird, ihr Votum anhand von definierten Kriterien. Danach haben sowohl der Verwaltungsausschuss des KULTUR-Programms als auch das Europäische Parlament Mitspracherechte, sodass nach der Juryauswahl weitere sechs Wochen vergehen, ehe die Europäische Kommission die letzte Konsistenzprüfung der nun priorisierten Projektanträge vornimmt, weitere Informationen zu den Konzeptionen und vorgesehenen Finanzierungen einholt und schließlich die Antragsteller über das Auswahlergebnis informiert. Im Zuge der Verhandlungen über das neue KULTUR-Programm wurden Überlegungen eingeleitet, das Auswahlverfahren zu verkürzen.3
3 Bei Redaktionsschluss war noch keine Entscheidung über eine Änderung des Auswahlverfahrens getroffen worden.
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Tipp: Newsletter abonnieren Der kostenlose Newsletter des Cultural Contact Point Germany bietet: • Neuigkeiten zu kulturrelevanten Programmen der EU; • Ausschreibungstermine der EU-Programme; • europaweite Ausschreibungen und Wettbewerbe weiterer Fördereinrichtungen; • Terminhinweise zu europäischen Kongressen, Veranstaltungen, Workshops. Ein Abonnement ist über die Website möglich: www.ccp-deutschland.de. Das Projektbudget Welche Projektkosten zuwendungsfähig sind und somit in den Kostenplan aufgenommen werden können, steht – neben vielen anderen wichtigen Hinweisen – im Leitfaden für Antragsteller, den die Europäische Kommission mit der Ausschreibung veröffentlicht. Vier Hinweise an dieser Stelle: • Das Projektbudget muss bei der Antragstellung schon durch verbindliche Absichtserklärungen der weiteren Mittelgeber gesichert sein. • Die Summe der geschätzten Kosten muss mit der Summe der Einnahmen identisch sein. • Personalkosten können geltend gemacht werden in dem Maße, in dem sie direkt für das Projekt anfallen. • Es müssen Mittel fließen: Sach- oder unbare Leistungen wie ehrenamtliche Tätigkeiten können nicht eingerechnet werden. Die Auswahlkriterien Den Entscheidungen der Europäischen Kommission und dem Votum der Jury liegen definierte Auswahlkriterien zugrunde, die im Leitfaden für Antragsteller mit jeder Ausschreibung präzisiert werden. Erwartet werden unter anderem: • eine überzeugende Projektdarstellung; • ein ausgeglichener Projekthaushaltsplan; • die finanzielle und organisatorische Leistungsfähigkeit aller Mitorganisatoren; • eine Ausgewogenheit zwischen den vorgeschlagenen Aktivitäten, Personal und Finanzmitteln; • die Umsetzung der Programmziele: Mobilität der Kulturschaffenden, Zir-
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kulation kultureller/künstlerischer Werke bzw. Objekte, interkultureller Dialog; • Originalität, Innovation und Kreativität in inhaltlicher, künstlerischer, wissenschaftlicher Hinsicht und/oder in technisch-organisatorischer Hinsicht; • kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche Qualität; • ein europäischer Mehrwert, der sich seinerseits definiert durch die europäische Relevanz des Themas und den Grad der Einbeziehung aller Mitorganisatoren, die Einbeziehung möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger Europas und auch benachteiligter Bevölkerungsgruppen, die Sichtbarkeit in vielen Ländern Europas durch aktive Medienarbeit sowie last but noch least: die Nachhaltigkeit der Kooperation und/oder der Projektergebnisse. Projektbeispiel: »People and Potteries« Mehrjähriges KULTUR 2000-Projekt aus dem Bereich Kulturerbe: Das Projekt »People and Potteries« ist ein Nachfolgeprojekt des »Ceramic-Culture-Innovation«-Projekts, das auf dem Netzwerk dieses Vorgängers gründet. Fünf der führenden Keramikmuseen und Technologie-Partner aus Deutschland (DE), Ungarn (HU), Großbritannien (GB), Frankreich (FR) und Italien (IT) arbeiten am »People and Potteries«-Projekt zusammen, wobei das Europäische Industriemuseum für Porzellan in Selb die Projektleitung übernahm. Unter sechs Schwerpunkten, für die jeweils ein Projektpartner hauptverantwortlich tätig ist, wird die europäische Geschichte der Keramik erforscht und in verschiedenen musealen Formaten zugänglich gemacht. Das Industriemuseum für Porzellan in Selb (DE) und das Hothouse Centre of Design in Stoke-on-Trent (GB) erproben innerhalb des Projekts neue Vermittlungsmethoden für Museen. Dort werden vor allem computergestützte Methoden im sogenannten »Virtual Reality«-Bereich erarbeitet. In einer dreidimensionalen Computergrafik wurde ein Rundgang durch die Geschichte der Keramik rekonstruiert und durch Videosequenzen und Fotografien ergänzt. Der Besucher kann durch diese Grafikpräsentation individuell und interaktiv auf Informationen zugreifen und sich zugleich einen dreidimensionalen Eindruck von der Arbeitswelt eines Keramikers, z.B. von alten Fabrikräumen der Keramikindustrie und ihrer Ausstattung in den verschiedenen Epochen und Ländern machen. Durch eine solche visuelle und grafische Vermittlung soll ein intuitiver Zugang zur »Virtual Reality«-Welt ermöglicht werden, der sich über Kultur-, Sprach-, und Altersbarrieren hinwegsetzt. Die auf
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interaktiven Modulen basierende Computerpräsentation ist zudem darauf angelegt, ihre Informationen jederzeit zu aktualisieren und sie weltweit im Internet vernetzen zu können. Um insbesondere Kindern – aber auch Blinden – die Keramik näher zu bringen, wird daneben angeboten, sich praktisch mit dem Material zu befassen und die Techniken des traditionellen Töpferns auszuprobieren. Im Potteries Museum and Art Gallery (GB) wiederum gilt es, die Erinnerungen von Keramikern audiovisuell aufzuzeichnen, um die Videos dann in allen teilnehmenden Museen zu präsentieren, aber auch im Internet oder für den Verleih an Schulen zur Verfügung zu stellen. Der französische Projektpartner, das Musée Nationale Adrien Dubouché in Limoges, beschäftigt sich mit der Erarbeitung und der Veröffentlichung einer biografischen Datenbank, die die wichtigsten europäischen Künstler und Designer erfasst und ihre technischen Verfahren präsentiert. Es ist weiterhin geplant, die im Vorgängerprojekt entwickelte und im Keramikmuseum in Faenze bereits genutzte Software »Sebina« auszubauen, um den Zugriff auf die bis dato erfasste Fachliteratur über Keramik im Internet zu ermöglichen. Die Porzellanmanufaktur in Herend/Ungarn (HU) ist für die Erarbeitung einer multilingualen Wanderausstellung zum Thema »People and Potteries« zuständig, die in allen beteiligten Museen gezeigt werden soll. Das Ziel des Projekts ist, durch verschiedene Methoden die gemeinsame europäische Geschichte des Kulturerbes Keramik in Wort und Bild festzuhalten, dabei insbesondere auf die Menschen und ihre Arbeitswelt in der Keramikbranche einzugehen und diese zu vermitteln. Das so geschaffene Netzwerk soll nicht nur Museen, sondern auch Keramikern, Ausbildungsstätten, Schulen, Sammlern und der Industrie den Zugang zur europäischen Geschichte der Keramik ermöglichen und den fachlichen sowie interkulturellen Austausch fördern. Das Projekt wird über die dreijährige Laufzeit von Juli 2005 bis Juni 2008 mit einem Zuschuss von 884.000 Euro durch die EU unterstützt. Weitere Informationen: www.eimpk.de Beratung des Cultural Contact Point Germany Als offizielle Nationale Kontaktstelle für die Kulturförderung der Europäischen Union bietet der Cultural Contact Point Germany (CCP) umfassende Informationen zum KULTUR-Programm und weiteren Fördermöglichkeiten der EU auf seiner Website (www.ccp-deutschland.de). Mit seinem Newsletter weist er zeitnah auf Neuerungen in den kulturrelevanten Programmen der EU hin, auf Ausschreibungstermine insbesondere der EU-Programme, aber auch anderer europaweit tätiger Fördereinrichtungen, auf Wettbewerbe,
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Kongresse und Tagungen zu kulturellen Themen in Europa. Darüber hinaus stehen die Referentinnen telefonisch und per E-Mail zur Verfügung. Neben allgemeinen Informationen helfen sie bei der Konzeption eines Projekts und geben – womöglich – Hinweise zur Kooperationspartnersuche. Ein besonders geschätzter Service ist die Antragsberatung. Dazu gehört das Angebot an die Antragsteller, ihr ausgefülltes Formular vorab per E-Mail an den CCP zu schicken, der es auf Vollständigkeit und Plausibilität hin prüft. An der Auswahl der Projekte ist der CCP zwar nicht beteiligt und er kann auch keine Erfolgsgarantie geben, aber bisher wurde kein Antrag, der beim CCP in Bonn vorlag, aus formalen Gründen abgelehnt. Die Angebote des CCP sind kostenlos, da er zu einer Hälfte von der Europäischen Union finanziert wird, zur anderen vom Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien. Träger ist die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. Nützliche Websites: Kulturförderung der EU • Cultural Contact Point Germany: www.ccp.deutschland.de • Exekutiv-Agentur der Europäischen Kommission: http://eacea.ec.eu ropa.eu/static • Kulturpolitische Gesellschaft e.V.: www.kupoge.de • Deutsch-österreichische Info-Website: www.europa-foerdert-kultur.info Die Strukturfonds der EU (2007-2013) Sowohl wegen der finanziell engen Grenzen des KULTUR-Programms der EU als auch wegen seiner Einschränkung auf Kooperationsprojekte sind die Strukturförderprogramme, über die Investitionsmittel vergeben werden können, von großer Bedeutung für den kulturellen Sektor. In den letzten Jahren konnten Kulturprojekte zunehmend erhebliche Mittel aus den EURegionalförderprogrammen beziehen. Ziel der Strukturfonds, des Landwirtschaftsfonds und des Kohäsionsfonds ist die Förderung der regionalen Entwicklung in Europa sowie des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts durch den Abbau von Disparitäten zwischen den europäischen Regionen sowie zwischen sozialen Gruppen. Die Bereiche Kultur und Tourismus sind nur zwei unter vielen anderen, in denen diese Ziele umgesetzt werden. Was sind die Strukturfonds der EU? Zu den Strukturfonds gehören seit der Neukonzeption der Kohäsionspolitik der EU, die ab 2007 wirksam wird, nur noch der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und der Europäische Sozialfonds (ESF). Der neue Landwirtschaftsfonds (ELER), der auch für den kulturellen Bereich interessant sein kann, wenn es um Projekte geht, die zur Entwicklung des
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ländlichen Raumes beitragen, wird vollständig in den Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik überführt. Für die Verwendung der Mittel gibt die EU Leitlinien, Strategiepapiere und Verordnungen vor, die gemeinsam von der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament entwickelt und verhandelt wurden. Diese Leitlinien definieren die Themenbereiche wie Verkehr, Umwelt, Gesundheit, Risikoprävention etc., in denen durch europäische Mittel Entwicklungen und Innovationen gefördert werden sollen. Kultur wird hier – leider, wenn auch nicht überraschend – nicht als Priorität gesehen, aber im Zusammenhang mit Stadtentwicklung, Regionalentwicklung, Kulturtourismus und Beschäftigungsförderung wird auch der kulturelle Bereich genannt. Der Europäische Regionalfonds Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) dient in erster Linie der Verwirklichung des Ziels der Entwicklung und strukturellen Anpassung der Regionen mit Entwicklungsrückstand4 sowie der wirtschaftlichen und sozialen Umstellung der Gebiete mit Strukturproblemen.5 Zugunsten der Kultur werden im Wesentlichen Investitionen zur Erschließung des kulturellen Erbes sowie zur Erhaltung von Kulturdenkmalen gefördert, die sich positiv auf Ansiedlung, Erhalt und Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft auswirken und einen Beitrag zur Förderung des Kulturtourismus leisten. Gefördert werden Projekte mit überregionaler Bedeutung sowie Maßnahmen, die Bestandteil regionaler Aktionsprogramme oder von Landesinitiativen sind. Ebenfalls aus dem EFRE wird die Zusammenarbeit von Regionen gefördert. Unter dem neuen Titel »Europäische territoriale Zusammenarbeit« werden die Erfahrungen der Gemeinschaftsinitiative INTERREG III fortgesetzt, die Ende 2006 auslief. Die Programme unter diesem Titel dienen der ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der EU, in dem sie die grenzübergreifende, interregionale und transnationale Kooperation zwischen Behörden, Institutionen und Organisationen fördern. Im kulturellen Bereich waren dies bisher z.B. der Aufbau von grenzübergreifenden Netzwerken für Kulturaustausch, Kulturstraßen, Aufbau und Erweiterung von Infrastrukturen wie Museen sowie Touristik- und Kulturzentren, gemeinsame Marketingkonzepte oder grenzüberschreitende Medien. Aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung werden zurzeit in zwei Berliner Museen Projekte mit dem Schwerpunkt Barrierefreiheit ge4 Regionen mit einem Pro-Kopf-BIP unter 75 Prozent des EU-Durchschnitts. 5 Regionen mit einem Pro-Kopf-BIP über 75, aber unter 100 Prozent.
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fördert. Gemeinsam mit dem »Netzwerk für Kulturberatung« wurden ab Sommer 2005 im Deutschen Technikmuseum Berlin sowie im Bauhaus-Archiv e.V./Museum für Gestaltung Anträge für die Projekte erarbeitet, die im Frühjahr 2006 von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur positiv beschieden wurden. Im Deutschen Technikmuseum Berlin (siehe hierzu ausführlich den Beitrag von Svenja Gaube in diesem Band) wurde im Frühjahr 2006 das Projekt »Ein Museum für alle« begonnen. Mit den EFRE-Mitteln, die hier 50 Prozent der Projektförderung ausmachen, werden folgende Teilprojekte umgesetzt: ein Info-Kiosk der Sinne im Anschluss an die Sonderausstellung »Hören, Fühlen, Sehen. Eine Ausstellung für Blinde und Sehende«, ein »Multisensorischer Rundgang« durch das Museum sowie die Entwicklung eines barrierefreien Internetauftritts. Das Projekt begann im März 2006 und endet im Dezember 2007. Im Bauhausarchiv e.V./Museum für Gestaltung wurde im Frühjahr 2006 das Projekt »Barrierefreies Bauhaus-Archiv« mit EFRE-Mitteln gestartet. Bei diesem Projekt wird die Verbesserung der Zugänglichkeit des Eingangs für Menschen mit Behinderungen umgesetzt. Weiterhin wird ein mehrsprachiger Audio-Guide für die ständige Ausstellung entwickelt. Ein weiterer Fokus des Projekts liegt darin, den Internetauftritt barrierefrei zu gestalten, ein pädagogisches Vermittlungskonzept zu erarbeiten sowie ein verbessertes Leitsystem zur Orientierung innerhalb und außerhalb des Museums zu konzipieren.6 Der Europäische Sozialfonds Aufgabe des Europäischen Sozialfonds (ESF) ist es, zur Beschäftigungsförderung beizutragen. ESF-Mittel fließen u.a. in Projekte, die den kulturellen Bereich als Arbeitsmarkt und Standortfaktor etablieren. Dies sind z.B. Qualifizierungsmaßnahmen, berufliche Weiterbildung, neue Ausbildungsgänge z.B. im Bereich Kulturmanagement, die Entwicklung von Studienangeboten in kulturellen Fächern unter Einbeziehung von arbeitsmarktrelevanten Fähigkeiten sowie Existenzgründungen. Im Mittelpunkt des ESF stehen die zu qualifizierenden Teilnehmer. Museen können Orte sein, die Menschen aus- oder weiterbilden: Es ist vorstellbar, dass im Rahmen von ESF-Projekten behinderte Menschen in der Vermittlung von Museumsinhalten geschult werden, um selbst Führungen anzubieten. In der Regel erarbeiten Bildungsträger Qualifizierungsprogramme für bestimmte Zielgruppen. 6 Die Hinweise auf die EFRE-Projekte stammen von Stefanie Erdrich/Netzwerk für Kulturberatung.
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Im Land Berlin ist die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen als Verwaltungsbehörde für die Umsetzung der ESF-Förderung verantwortlich. Die Beantragung einer Förderung aus Mitteln des ESF muss bei der für das Vorhaben fachlich zuständigen Senatsverwaltung oder Servicegesellschaft erfolgen. Förderanträge können nur von juristischen Personen (Vereine etc.) gestellt werden.7 In jedem Bundesland gibt es eigene Förderrichtlinien und Zuständigkeiten.8 Der Europäische Landwirtschaftsfonds Neben der Modernisierung und Umstrukturierung der Landwirtschaft fördert der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, Verbesserungen im Umweltbereich sowie der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Die Förderprogramme dienen der ausgewogenen Entwicklung des ländlichen Raumes im Gemeinschaftsgebiet – in der Vergangenheit wurden zu diesem Ziel auch kulturelle Projekte umgesetzt, z.B. Maßnahmen im Rahmen von Dorferneuerung und -entwicklung, Projekte zum Schutz des Kulturerbes sowie der Entwicklung des Fremdenverkehrs in ländlichen Regionen. Die Gemeinschaftsinitiative LEADER+ wird als Querschnittsaufgabe und -methode im Rahmen der ELER-Programme (2007-2013) fortgesetzt. Das Besondere an dieser Förderung ist, dass sie Projekte unterstützt, die von lokalen Aktionsgruppen initiiert und umgesetzt werden, in denen engagierte Personen und Organisationen vor Ort zusammenarbeiten. Diese Projekte müssen in längerfristige Regionalentwicklungskonzepte eingebunden werden. Ziel ist es, mit diesem Bottom-up-Ansatz integrierte Strategien für eine nachhaltige Entwicklung in ländlichen Gebieten zu realisieren. Wie kann man Anträge stellen? Die Umsetzung der Programme, d.h. die Vergabe der Mittel, erfolgt dezentral in den Mitgliedstaaten und Regionen, nicht in Brüssel. In Deutschland sind neben dem Bund insbesondere die Bundesländer dafür zuständig, auf der Grundlage der Vorgaben der EU sogenannte »Operationelle Programme« für jeden Fonds zu erstellen. Darin werden Maßnahmen formuliert, die zu den in den Richtlinien der EU genannten Themenbereichen in dem betreffenden Bundesland bzw. einer Region umgesetzt werden sollen. Einige in den »Operationellen Programmen« vorgesehenen Maßnahmen werden di7 Vgl. www.berlin.de/strukturfonds/html/esf_fobe.html (15.12.2006). 8 Die Hinweise auf mögliche ESF-Projekte stammen von Stefanie Erdrich/Netzwerk für Kulturberatung.
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rekt von den Bundesländern umgesetzt, für andere gibt es Ausschreibungen z.B. in Form von Wettbewerben. Die Ansprechpartner für die Förderungen aus dem EFRE sitzen also in den Wirtschaftsministerien der Länder, für den ESF in den Ministerien für Arbeit und Soziales. Für INTERREG wurden zahlreiche Sekretariate in den betreffenden Regionen eingerichtet, die zum großen Teil ihre Arbeit für die neue Programmgeneration der Strukturfonds 2007-2013 fortsetzen werden. Für die LEADER-Förderung gibt es eine bundesweite Vernetzungsstelle, die weiterführende Informationen und Kontakte anbietet. Nützliche Website: Struktur- und Regionalförderung der EU Die Website »Europa fördert Kultur« bietet neben einer Einführung in die Strukturfondsförderung Zugang zu den »Operationellen Programmen« der jeweiligen Bundesländer und Regionen. Dort findet man die zuständigen Personen in den Landesministerien bzw. Sekretariaten, zu jedem Programm unter dem Stichwort »Beratung«. www.europa-foerdert-kultur.info
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Barrierefreies Museumsmarketing
Patrick S. Föhl Barrierefreiheit und Marketing: Eine gute Mischung Das Thema »Barrierefreiheit« betrifft so gut wie alle Bereiche eines Museums und muss, sobald sich die Museumsleitung diesem Thema verpflichtet, auch bei den Marketingaktivitäten Beachtung finden. Das verlangt einerseits die Selbstverpflichtung, zum anderen können auf den bestehenden Wegen viele Zielgruppen nicht erreicht werden, die mit barrierefreien Maßnahmen angesprochen werden sollen. So haben Menschen mit Hörbehinderungen ganz spezifische Angewohnheiten, Informationen weiterzugeben bzw. zu rezipieren (z.B. via SMS), oder sehbehinderte Menschen stellen besondere Anforderungen an Printprodukte. D.h., die vorhandenen Maßnahmen müssen entsprechend modifiziert und ggf. bezüglich der jeweiligen Inhalte erweitert werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass barrierefreie Angebote offeriert, aber nicht wahrgenommen werden, weil das fokussierte Publikum gar nicht erreicht wird. Die Reflexion der eigenen Marketingaktivitäten kann zudem auch ein neuer Anstoß sein, grundsätzlich in diesem Bereich etwas zu verbessern und möglicherweise weitere Zielgruppen stärker sowie spezifischer anzusprechen (z.B. auch Senioren). Ebenso kann barrierefreies Marketing von sich aus bewirken, weitere potenzielle Besucher zu erreichen. So können Informationen via SMS nicht nur hörbehinderte Menschen über Museumsangebote informieren. Diese Form der Kommunikation spricht zugleich Jugendliche an, wie der SMSDienst des Kunstmuseums Wolfsburg für Abendveranstaltungen belegt. Diese Herangehensweise korrespondiert mit der Wahrnehmung und dem Service von barrierefreien Museumsangeboten im Allgemeinen. So helfen Rampen nicht nur Rollstuhlfahrern, sondern auch Eltern mit Kinderwagen oder älteren Menschen mit Gehbeschwerden. Texte in sogenannter Leichter Sprache unterstützen nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern beispielsweise auch Kinder oder Immigranten mit geringen Deutschkenntnissen, die Exponate bzw. wissenschaftlichen Ausstellungstexte besser zu verstehen (vgl. hierzu den Beitrag von Petra Lutz in diesem Band). Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass gerade durch die Verschmelzung von Marketing und Barrierefreiheit viele neue Chancen entstehen können. Da der Begriff Kulturmarketing sehr ambivalent ausgelegt wird, soll zunächst geklärt werden, welcher Kulturmarketingbegriff diesem Beitrag zugrunde liegt: »Kultur-Marketing in öffentlichen Kulturbetrieben ist die Kunst, jene Marktsegmente bzw. Zielgruppen zu erreichen, die aussichtsreich für das Kulturprodukt interessiert
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werden können, indem die entsprechenden Austauscheigenschaften (z.B. Preis, Werbung, Vertrieb, Service usw.) dem künstlerischen Produkt bzw. der kulturellen Dienstleistung möglichst optimal angepasst werden, um dieses mit einer entsprechenden Zahl von Nachfragern erfolgreich in Kontakt zu bringen und um die mit der allgemeinen Zielsetzung des Kulturbetriebs in Einklang stehenden Ziele zu erreichen.« (Klein 2005: 41)
D.h., wesentliches Ziel eines barrierefreien Museumsmarketings ist die optimale Vermittlung von (ggf. auch nur beschränkt) barrierefreien Angeboten an die entsprechenden Bedürfnisgruppen, um damit letztendlich den Grad der Zielerreichung, der Vermittlung und Präsentation zu erhöhen. Dafür ist es notwendig zu wissen, wer diese Besucher sind, wie sie erreicht werden können und welche Bedürfnisse diese spezifischen Zielgruppen haben. In diesem Beitrag kann allerdings kein ausführliches barrierefreies Marketingkonzept entworfen werden, sondern lediglich auf ausgewählte Faktoren hingewiesen werden, die es im Umgang mit verschiedenen Bedürfnisgruppen und mit Marketing zu beachten gilt. Dazu werden im Folgenden zunächst einige Hinweise zum Marketingmanagement offeriert und anschließend zentrale Komponenten des operativen Kulturmarketings in Bezug auf Barrierefreiheit reflektiert. Zur weiteren Vertiefung der Thematik wird zentral auf das Standardwerk zum »Kultur-Marketing« von Armin Klein (2005), zum »Museumsmarketing« auf Anne Koch (Koch 2002) sowie Neil und Philip Kotler (1998) verwiesen; zum spezifisch »barrierefreien Marketing im Kulturbereich« sei außerdem auf die Publikationen von Annie Delin und Elspeth Morrison (1995) sowie dem Australia Council (s. Wyatt-Spratt et al. 1999) hingewiesen. Der Managementprozess Im besten Falle besteht bereits ein funktionierendes Marketingkonzept im Museum, in dessen strategische Ausrichtung und operative Umsetzung die barrierefreien Inhalte eingearbeitet werden können. Allerdings wird Marketing häufig mit einem ›Setzkasten‹ verschiedener ›Werkzeuge‹ (z.B. Pressearbeit, Evaluation) verwechselt, die nach Bedarf zum Einsatz kommen. Armin Klein spricht in diesem Zusammenhang von dem sogenannten »Marketing aus dem Bauch«, das stark personenzentriert und situativ funktioniert, keine strategische Ausrichtung aufweist und dem es häufig an Nachhaltigkeit mangelt (es wird reagiert statt agiert; vgl. Klein 2005: 88-93). Diese Bedingungen sind besonders ungünstig für eine tiefer greifende Implementierung barrierefreier Maßstäbe in das Museumsmarketing, da diese ggf. nicht sofort zum Erfolg führen und ein langfristiges Umdenken sowie Lernen verlangen. Deshalb sollen an dieser Stelle zunächst die einzelnen Schritte
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des Managementprozesses im Kulturmarketing skizziert und in barrierefreie Fragestellungen eingebunden werden. Abbildung 1: Der Kulturmarketing-Managementprozess in der Übersicht Mission Statement
Corporate Identity
Analyse- Phase
Zielpräzisierung Strategieplanung
Operative Marketingprogramme/Instrumente
Marketingcontrolling/-kontrolle Grafik nach Klein 2005: 97
Sollte noch kein vollständig durchdachtes Marketingkonzept vorliegen, könnte das Thema Barrierefreiheit zum Anlass genommen werden, ein solches Konzept nach den oben aufgeführten Schritten zu erarbeiten. Damit würde eine Verbesserung der Gesamtsituation herbeigeführt. In diesem Falle wäre das Thema Barrierefreiheit eine Fragestellung unter vielen, z.B.: ›Wer sind unsere bisherigen Besucher?‹, ›Wen wollen wir in Zukunft erreichen?‹, ›Für welche Zielgruppen brauchen wir welche Marketingmaßnahmen?‹ Liegt ein funktionierendes Konzept vor, sollte an den entscheidenden Stellen eine Modifikation hinsichtlich der barrierefreien Anforderungen an das Museumsmarketing bzw. die spezifischen Angebote vorgenommen werden. Im Detail müssen demnach folgende Maßnahmen durchgeführt und Fragen beantwortet bzw. barrierefreie Inhalte in den bestehenden Prozess eingebunden werden:1 1 Aufgrund des begrenzten Umfangs können einzelne Begrifflichkeiten und Maßnahmen nicht im Detail beschrieben, sondern nur in Form eines Überblicks vermittelt werden, der zu weiteren Auseinandersetzungen mit den Methoden sowie Fragestellungen anregen soll.
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»Mission Statement«, Leitbild und »Corporate Identity« Am Anfang eines jeden Marketingprozesses sollte immer die Frage nach dem »reason why we exist« stehen, also die Reflexion und Manifestation des Grundes für die Existenz der Einrichtung (z.B. ›Wer sind wir?‹, ›Was tun wir?‹). Hier wird die grundsätzliche Zielrichtung des Museums bestimmt, die die Grundlage für das Handeln darstellt und u.a. dessen Steuerung sowie Controlling dient. Das »Mission Statement« ist auch der Ausgangspunkt für das strategische Museumsleitbild (»Vision«), in dem die barrierefreie Orientierung und Selbstverpflichtung verortet werden sollte. Es gibt auch die Möglichkeit, ein separates Leitbild zu entwerfen, wie es das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt in einer 48-seitigen Broschüre zum Thema »Leitbild. Erwachsene Menschen mit einer Behinderung« entworfen hat. Zudem ist das »Mission Statement« die Grundlage für die »Corporate Identity« (»Value«) mit ihren drei Funktionsbereichen, die stark von der barrierefreien Selbstverpflichtung ›betroffen‹ sein werden (vgl. Klein 2005: 99-119): • »Corporate Design« ist die einheitliche, optische Darstellung des Museums, die das Objekt-, Architektur- und Grafikdesign umfasst. In allen drei Teilbereichen werden kurz- bis langfristig Anpassungen notwendig sein. So sollten beispielsweise Programmhefte im Ganzen oder wenigstens teilweise auf die Bedürfnisse sehbehinderter und blinder Menschen (z.B. größere, kontrastreichere Schrift und Brailleschrift) sowie auf Menschen mit Lernschwierigkeiten (z.B. »Bildertexte« und/oder Texte in Leichter Sprache) angepasst werden. Ebenso ist die Herstellung separater Printprodukte denkbar, wie die »Large Print and Braille«-Führer des Getty Centers in Los Angeles. Je nachdem, welche Zielgruppe erreicht werden soll, muss auch das Architekturdesign in einzelnen Bereichen modifiziert werden. So müssen beispielsweise Einrichtungsgegenstände auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern in der Höhe etc. angepasst werden. • »Corporate Communication« ist die einheitliche Gestaltung der internen und externen Kommunikationsaktivitäten. Sie übersetzt die Identität eines Museums in Kommunikation, wie z.B. die Form der Begrüßung der Besucher oder der Ansagetext auf dem Anrufbeantworter. Barrierefreie Anforderungen werden hier zweierlei Einfluss haben: einerseits auf die Kommunikation an sich (z.B. ein offenes, geschultes und angemessenes Kommunizieren mit behinderten Menschen; vgl. dazu ausführlich Playforth 2003a) und zum anderen auf die Kommunikationsmittel (z.B. Anschaffung von Bildtelefonen). • »Corporate Behaviour« ist das Auftreten und Verhalten der Museumsmitarbeiter gegenüber externen Austauschpartnern und gegenüber den ei-
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genen Kollegen. Dieser Bereich korrespondiert stark mit der zuvor angesprochenen Thematik der »Corporate Communication«. Allerdings wird neben dem verbalen Verhalten auch das nonverbale, einheitliche Auftreten miteinbezogen (z.B. Diskretion, Umgangsformen, einheitliche Kleidung). Bezüglich Barrierefreiheit ist unter diesem Aspekt besonders das offene Zugehen auf Menschen mit Behinderungen zu nennen, damit sich diese willkommen fühlen. D.h., dass das Personal entsprechend der anvisierten Zielgruppen geschult werden muss (vgl. dazu ausführlich Playforth 2003b). Analysephase Auf dem Fundament der inhaltlichen Orientierung folgen diverse Analyseschritte, die das Museumsumfeld beleuchten, aber ebenso die Innenwelt des Museums analysieren sollen. Selbst wenn bereits eine vollständige Marketingkonzeption vorliegt, wird die Durchführung ausgewählter Analyseschritte nahe gelegt. Beispielsweise können mittels einer Nachfrageanalyse die Bedürfnisse der anvisierten Zielgruppen im Detail herausgearbeitet werden. Ebenso kann die generelle Machbarkeit der barrierefreien Maßnahme im Allgemeinen oder bzgl. des Marketings im Besonderen überprüft werden (vgl. Föhl 2006). Externe Analyse Zu den externen Analysemethoden zählt u.a. die Umweltanalyse, die museumsrelevante Rahmendaten untersucht. So könnte der demografische Wandel ein zentrales Untersuchungsobjekt sein, um die Relevanz von barrierefreiem Marketing bzw. entsprechenden Angeboten – angesichts einer alternden Bevölkerung mit zunehmenden Ressourcen und Freizeit (vgl. hierzu ausführlich Hippe/Sievers 2006) – zu unterstreichen. Die bereits angesprochene Nachfrageanalyse stellt einen mehr oder weniger unumgänglichen Schritt zur Erarbeitung eines profunden und funktionierenden barrierefreien Marketingkonzeptes dar. Da viele spezifische Anforderungen nicht ohne Weiteres bekannt bzw. nachzulesen sind, müssen Bedürfnisgruppen in den Analyseprozess mit eingebunden werden. Damit lässt sich herausfinden, was die potenziellen Kunden benötigen, um sich über die Museumsangebote informieren zu können (z.B. welche Form der Kommunikation, Schriftgrößen, spezifische Medien). In Großbritannien haben sich inzwischen »Access Consultation Groups« etabliert, die neben den Marketingaktivitäten vor allem das Museum und seine Angebote auf Barrierefreiheit überprüfen und regelmäßig – z.B. bei größeren Veränderungen – konsultiert werden. Bei einem Projekt des Dorset County Council in Großbritannien wurde beispielsweise eine Gruppe zusammengeführt, die
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aus einem blinden, einem sehbehinderten, einem tauben, einem schwerhörigen und einem mobilitätseingeschränkten Menschen, einem Rollstuhlfahrer sowie aus Menschen mit verschiedenen Lernschwierigkeiten bestand. In dieser Gruppe konnten dann die geplanten Maßnahmen, die sich an alle Menschen mit Behinderungen richteten, diskutiert, getestet sowie anschließend modifiziert werden (vgl. Playforth 2004: 8f.). Eine solche Maßnahme sollte mit den Kollegen aus anderen Abteilungen durchgeführt und finanziert werden oder gar in Kooperation mit anderen Museen, um sich die anfallenden Kosten teilen zu können. Zugleich sollte auf einen intensiven Austausch der Museumsmitarbeiter mit der »Access Consultation Group« geachtet werden, damit diese vor Ort die besonderen Anforderungen kennen lernen sowie verstehen können. Weitere externe Analysemethoden sind z.B. die Beschaffungsanalyse (›Was brauchen wir?‹), die Konkurrenzanalyse (›Haben wir einen Konkurrenten im Bereich Barrierefreiheit?‹ oder ›Was können wir von der Konkurrenz bzgl. Barrierefreiheit lernen?‹) sowie die Chancen-Risiko-Analyse. Interne Analyse Für die interne Analyse bieten sich ebenfalls zahlreiche Maßnahmen an. Ein zentrales Analyseinstrumentarium ist die Stärken-Schwächen-Analyse, auch Potenzialanalyse genannt. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht die Frage: ›Welche Strategien benötigen wir, um Schwächen zu kompensieren und Stärken auszubauen?‹ bzw. ›Was können wir hinsichtlich Barrierefreiheit leisten?‹ Einerseits kann die aktuelle Gesamtsituation untersucht werden (Ist-Zustand) und zum anderen, in deren Fokus, die Stärken und Schwächen der geplanten Maßnahmen hinsichtlich Barrierefreiheit. Mit dem erarbeiteten Überblick können besonders hervorzuhebende sowie eher schwache Bereiche identifiziert und mit der diesbezüglichen Strategienbildung (z.B. notwendige Schulungen hinsichtlich Barrierefreiheit) begonnen werden. Zielpräzisierung Nach Durchführung der Analysemethoden müssen die Ziele nochmals reflektiert und präzisiert werden. So sind manche Maßnahmen vielleicht nur beschränkt umsetzbar, da notwendige Ressourcen nicht vorhanden sind. Oder die anvisierte Besuchergruppe stellt sich als größer heraus als vermutet, da die barrierefreien Maßnahmen voraussichtlich mehr Menschen aktivieren und deswegen mehr Ressourcen investiert werden sollten. Diese Präzisierung muss zwei Perspektiven einnehmen und folgende Fragen beantworten: • Inhaltliche Ziele: Was wollen wir im Detail mit den barrierefreien Maß-
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nahmen erreichen (also nochmals generelle Reflexion der barrierefreien Maßnahmen)? Was können wir im Rahmen unserer Möglichkeiten kurz-, mittel- und langfristig real verwirklichen? • Marketingziele: Wen wollen wir mit den barrierefreien Maßnahmen genau ansprechen? Z.B. blinde Menschen in unserer Stadt, in unserem Landkreis, in unserem Bundesland oder gar deutschlandweit? Nach dieser Präzisierung und dem Zielabgleich müssen verbindliche Kriterien für den Erfolg benannt werden, um diese später mittels eines begleitenden Controllings und einer abschließenden Kontrolle bewerten zu können (vgl. Klein 2005: 96). Strategieplanung Es folgt die Strategieplanung für die spezifischen Teilmärkte und somit die Vorbereitung bzw. Auswahl der operativen Marketingprogramme und -instrumente. Die Unterteilung und Differenzierung einer barrierefreien Marketingstrategie kann durchaus Sinn machen, wenn unterschiedliche Angebote offeriert – z.B. wenn Teilbereiche der Dauerausstellung sehbehindertengerecht, aber aktuell nur in Wechselausstellungen Führungen für gehörlose Menschen im Angebot sind – und verschiedene Zielgruppen erreicht werden sollen. Häufig nehmen Museen ihren ›Markt‹ als weitestgehend ›homogene Masse‹ wahr, die mit einer einzigen Marketingstrategie beworben werden kann. Allein die unterschiedlichen Bedürfnisse eines Jugendlichen, eines Menschen mit Lernschwierigkeiten und eines Senioren zeigen allerdings, dass eine Unterteilung des eigenen Marktes notwendig ist. Eine gängige Strategie ist das STP-Marketing, das folgende Vorgehensweisen offeriert (vgl. Colbert 1999: 109-134; Klein 2005: 259-272): • »Segmenting«: Marktsegmentierung nach unterschiedlichen Zielgruppen bzw. unterschiedlichen Bedürfnissen. • »Targeting«: Die Zielgruppen werden nach ihrer ›Attraktivität‹ ausgewählt. • »Positioning«: Die spezifische Positionierung kultureller Produktionen bzw. barrierefreier Angebote für jedes einzelne Marktsegment. Häufig öffnen sich Museen sukzessive dem Thema Barrierefreiheit und richten sich zunächst nur an eine Bedürfnisgruppe, was unter Marketinggesichtspunkten dem »Positioning« gleichkommt.
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Operative Marketingprogramme und -instrumente Anhand der ausgewählten Strategien wird der Einsatz von Marketinginstrumenten festgelegt. Da es sich hierbei um die konkreten ›Ausprägungen‹ des Museumsmarketings handelt, wird dieser Aspekt in dem folgenden Hauptkapitel separat vertieft. Marketing-Controlling und -kontrolle Der Marketingprozess sollte sowohl durch ein Marketing-Controlling Begleitung finden, um ggf. im operativen Prozess nachbessern zu können; außerdem sollte er durch eine abschließende Marketingkontrolle analysiert werden: • Das Marketing-Controlling sammelt notwendige Daten und kanalisiert Informationswege, die in regelmäßigen Abständen in einem empfängerorientierten Bericht zusammengefasst werden; entscheidungsrelevante Inhalte sollten hierbei weitergegeben werden, um auf deren Grundlage Entscheidungen treffen zu können (vgl. Schneidewind 2006: 140f. und vertiefend zum Museumscontrolling Rump 2001). In Bezug auf Barrierefreiheit müssen demnach Ziele definiert und regelmäßig überprüft werden, damit ggf. eine Nachsteuerung stattfinden kann. • Die Marketingkontrolle greift weder steuernd in den Marketingprozess ein noch soll sie direkt bestehende Mängel beseitigen. Vielmehr soll nach Abschluss einer Periode, wie z.B. dem Ende einer großen Wechselausstellung, überprüft werden, ob die fixierten Ziele erreicht und die geplanten Maßnahmen sachrichtig umgesetzt wurden. Dazu können verschiedene Methoden herangezogen werden, wie z.B. die Presseauswertung, die Auswertung von Beschwerden sowie Lob, Experteninterviews und Besucherbefragungen (vgl. Klein 2005: 504). Letzteres ist besonders geeignet, um die vorhandenen barrierefreien Marketingmaßnahmen und ggf. das gesamte barrierefreie Angebot zu bewerten. Diese Evaluation sollte von ausgewiesenen Experten durchgeführt bzw. begleitet werden, wie z.B. von spezialisierten Beratern, lokalen Behindertenverbänden oder der zuvor angesprochenen »Access Consultation Group«. In Großbritannien hat sich zum Thema der spezifischen Evaluation inzwischen der Begriff des »Access Audit« etabliert (vgl. dazu ausführlich Delin 2003).
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Barrierefreies Museumsmarketing operativ umsetzen: Der Marketingmix Marketinginstrumente werden klassischerweise in vier Bereiche unterteilt, in den sogenannten Marketingmix bzw. die »vier P’s«, die untereinander ausbalanciert werden müssen: Product (Produktpolitik): Das Produkt ist der Ausgangspunkt einer Museumsmarketingstrategie, da es den Inhalt bzw. den Knotenpunkt eines Museums bildet. Zum Produkt zählen z.B. die Dauerausstellung und Wechselausstellungen (»Kernprodukte«), aber auch Kataloge, museumspädagogische Angebote und Museumsshopartikel (»Zusatzprodukte«). Diese Produkte müssen teilweise differenziert beworben werden, wenn sie verschiedene Zielgruppen ansprechen sollen; unter Umständen wird es zudem gelten, diese Produkte teilweise untereinander zu harmonisieren (vgl. ausführlich Klein 2005: 309-349). Häufig wird die Produktpolitik um den Aspekt der Leistungspolitik erweitert (vgl. Kaltwasser 1999: 22), die neben der Produktpolitik im engeren Sinne auch Maßnahmen wie die Beschwerdepolitik mit einbezieht, da diese Leistungen sehr eng mit den Kernprodukten verknüpft sind. Armin Klein (2005: 97) unterscheidet dagegen zwischen Produkt- und Servicepolitik. Diesem Ansatz möchte ich mich aufgrund seiner besseren Differenzierbarkeit und kohärenteren Terminologie anschließen. Price (Preispolitik): Jedes Museumsprodukt hat einen Preis, der sich zumeist in einem monetären Wert ausdrücken lässt. Allerdings verhält sich dieser Preis – gerade in der öffentlich geförderten Kultur – nicht immer proportional zu dessen Produktionskosten. Es gibt zahlreiche Strategien, den richtigen Preis für das jeweilige Produkt zu kreieren bzw. über Rabatte jeweils individuell anzupassen (vgl. hierzu ausführlich Klein 2005: 351-384; Kotler/ Kotler 1998: 264-286). Als Faustregel schlägt François Colbert (1999: 22) folgende Herangehensweise vor: »Der faire Preis ist […] jener, den der Konsument zu bezahlen bereit ist.« Place (Distributionspolitik): Im engeren Sinne ist hier der Ort gemeint, an dem sich das Museum befindet: also das Gebäude, der Parkplatz, die Infrastruktur u.v.m., die möglichst zentral bzw. gut erreichbar liegen sollten (vgl. Wyatt-Spratt et al. 1999: 13f.). Allerdings werden unter diesem Aspekt vor allem die Distributionsbeziehungen des Museums verstanden, auf welchen Wegen also die – potenziellen – Besucher zu den Angeboten des Museums gelangen bzw. an diese gebunden werden. Dazu zählen beispielsweise Mitgliedschaften, verkehrstechnische Anbindung, adäquate Öffnungszeiten und Informationsflüsse (z.B. via Internet), Partnerschaften mit anderen kulturellen und touristischen Einrichtungen u.v.m. (vgl. ausführlich Klein 2005: 385-421 und Kotler/Kotler 1998: 195-218).
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Promotion (Kommunikationspolitik): Die Kommunikationspolitik schließt sich an die vorgenannten Bereiche an. Denn erst, wenn das Produkt, der Preis sowie die Distribution besprochen und fixiert wurden, können die spezifischen Kommunikationsmittel festgelegt werden. Dazu zählen neben der klassischen Werbung und Reklame (z.B. Anzeigen, Plakate und Radiospots) vor allem die Pressearbeit (spezielle Maßnahmen für Journalisten), die Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Broschüren, Kataloge, Handzettel, Gespräche), verkaufsfördernde Promotion (Merchandisingartikel, Preisausschreiben, Sonderangebote, »Lange Nacht der Museen« u.v.m.) und das Internet, das viele Aspekte nochmals vereint (Website mit Informationsangeboten, Newslettern, E-Mail-Funktion für Beschwerden usw.) (vgl. ausführlich Klein 2005: 423-470; Kotler/Kotler 1998: 219-263). Zusätzlich zu den klassischen vier Bereichen2 des Marketings haben sich im Dienstleistungsmarketing drei weitere Instrumente herauskristallisiert (vgl. ausführlich Zollondz 2005), die hinsichtlich eines barrierefreien Museumsmarketings eine sinnvolle Ergänzung bzw. Differenzierung darstellen können: People (Personalpolitik): Die Qualität der Interaktion des Personals mit den Besuchern vor Ort ist gerade hinsichtlich der Barrierefreiheit ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Im Fokus der Personalpolitik stehen insbesondere diejenigen Mitarbeiter, die direkt mit dem Besucher arbeiten und entsprechend geschult sein müssen. Menschen mit spezifischen Bedürfnissen stellen häufig gerade ungeschultes Personal in den Mittelpunkt ihrer Kritik, weit häufiger als andere, z.B. bauliche Barrieren. Die zentrale Frage ist demzufolge: Welche Qualifizierungs- und Kapazitätsbedürfnisse entstehen bzgl. barrierefreiem Museumsmarketing? Ebenso sollten auch die Mitarbeiter im ›Hintergrund‹ einbezogen werden, die die barrierefreien Angebote umsetzen (z.B. Techniker und Kuratoren). Physical facilities oder evidence (Ausstattungspolitik): Dieser Aspekt nimmt eine sinnvolle Differenzierung zwischen »Place« im Sinne der Distributionspolitik und der Ausstattungspolitik (»Physical facilities«) vor. Sorgte die Verbindung des eigentlichen physischen Ortes mit der Distributionspolitik oft für Verwirrung, können diese Bereiche nun getrennt voneinander betrachtet werden. Die Ausstattungspolitik beschäftigt sich also mit dem Museumsgebäude im engeren Sinne: Wie sind der Eingangsbereich, der Sanitärbereich u.v.m. ausgestattet? Dies sind Aspekte, die insbesondere bei barrierefreien Projekten genauestens beleuchtet werden müssen (›Wie muss die Ausstattung sein?‹). 2 Bzw. fünf Bereiche, wenn man Servicepolitik als separaten Bereich hinzunimmt.
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Process (Prozesspolitik): Dieser Faktor exzerpiert den Begriff der Prozesspolitik, um die übergeordnete Frage zu stellen, welche Prozesse benötigt werden und wie deren Umsetzung vonstatten zu gehen hat. Zur Vereinfachung werden diese Aspekte in andere Marketingbereiche inkludiert, sodass sie im Folgenden keine gesonderte Beachtung mehr finden müssen. In den kommenden Abschnitten werden die zentralen Faktoren und Fragen des Marketingmix hinsichtlich barrierefreier Faktoren aufgelistet. Dabei kann kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, sondern es können lediglich ausgewählte Hinweise gegeben werden. Grundsätzlich sollte man sich vor einer Maßnahme mit denjenigen Menschen abstimmen, die angesprochen werden sollen, um zu garantieren, dass diese auch adäquat erreicht werden.3 Hinweise und Fragen zu einer barrierefreien Produkt- und Servicepolitik Produktpolitik 4 Produktauswahl: Welche unserer Produkte wollen wir barrierefrei gestalten? Bzw. welche Bedürfnisgruppen wollen oder können wir zunächst ansprechen? Daraus ergeben sich dann die Implikationen für die Marketingstrategie und den Marketingmix. Barrierefreie Orientierung und Vermittlung: Wie können wir die Orientierung und Vermittlung in unserem Hause entsprechend der anvisierten Zielgruppen verbessern? Z.B. taktile Leitsysteme und/oder Gebäudekarten, PDAs, Labels in Leichter Sprache und in Braille-Schrift sowie in großen Lettern, Führungen für hörbehinderte Menschen, Führungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten, Ausnahmeregelungen bspw. für das Mitführen von Blindenhunden, Exponate zum Anfassen (»Hands-on«-Konzepte), die wich3 Grundlage für die folgenden Ausführungen bilden die zahlreichen Beiträge in diesem Band und der Austausch mit Marianne Hilke (Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten), Dr. Sabina Leßmann (Kunstmuseum Bonn), Petra Lutz (Deutsches Hygiene-Museum Dresden) sowie persönliche Erfahrungen und folgende Literaturquellen: Wyatt-Sprat u.a. 1999; Arts Council England 2003, 2004; Fondation de France/ICOM 2002 sowie die diversen Ressource Disability Portfolio Guides (Delin 2003; Playforth 2003a, 2003b, 2004), die in der Literaturliste aufgeführt sind. 4 In diesem Abschnitt sollen im Kern vereinzelte Wege skizziert werden, wie die ›Produkte‹ eines Museums zugänglicher gestaltet werden können. Da diese Aspekte in vorliegendem Band mehrfach im Detail beschrieben werden, sollen hier nur einige typische Bereiche Erwähnung finden.
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tigsten Bereiche für Rollstuhlfahrer zugänglich machen u.v.m. Vgl. ausführlich zu den spezifischen Bedürfnissen und Anforderungen die entsprechenden Beiträge in diesem Band. Strategieentwicklung: Die Marketingstrategien und -maßnahmen müssen dann analog zu der Entscheidung, welche barrierefreien Produkte im Leistungsspektrum des Museums Aufnahme finden, entwickelt werden. Servicepolitik Besucherservice: Je nach zielgruppenspezifischer Orientierung müssen verschiedene Dienstleistungen vorgehalten werden, um das Museum überhaupt für einen Besuch attraktiv bzw. ›tauglich‹ zu machen. Diese Themen werden im vorliegenden Band mehrfach vertieft. Prinzipiell gilt, dass sich die Museumsattraktivität für Menschen mit spezifischen Bedürfnissen in dem Maße erhöht, in dem neben dem Kernprodukt (Ausstellungen etc.) sinnvolle weitere Serviceleistungen angeboten werden. Dieser Service beinhaltet u.a. Kommunikationsangebote (z.B. Mobiltelefon o.Ä. für den Empfang von SMS von gehörlosen Besuchern), den Empfang (z.B. adäquate Informationsformate und geschultes Personal), Infrastruktur (z.B. barrierefreie Toiletten, Ruheraum für Menschen mit Lernschwierigkeiten) und die Vermittlung im Museum (z.B. festangestellter oder nach Bedarf freiberuflicher Gebärdenführer, Audio-Guide für spezifische Bedürfnisse). Der letzte Punkt ist hervorzuheben, da spezifische Vermittlungs- und Lernangebote besonders gerne angenommen werden. Wichtige Hinweise zur Betreuung von Menschen mit spezifischen Anforderungen im Museum (Auswahl) • Besucher sollten gefragt werden, ob sie eine spezifische Unterstützung benötigen und wie man ihnen genau helfen kann. • Es sollte abgewartet werden, ob die Hilfe akzeptiert wird. • Besucher mit spezifischen Bedürfnissen müssen direkt angesprochen werden, nicht ihr Pfleger, Dolmetscher o.Ä. • Es muss Augenkontakt hergestellt, aber nicht ›gestarrt‹ werden. • Blinden oder sehbehinderten Menschen sollte man sich persönlich vorstellen. • Es muss Kreativität im Umgang mit behinderten Menschen angewendet werden, da nicht immer alles unmittelbar funktionieren kann oder barrierefrei ist. Sollte der Empfangstresen z.B. zu hoch sein, kann man um diesen herumtreten. Wenn etwas nicht verstanden wird, kann man es aufschreiben. • Bei Notfällen: Ein bestehender Notfallplan muss auf spezifische Bedürfnisse angepasst (z.B. Umgang mit Rollstuhlfahrern bei einem Feuer) und die Mitarbeiter müssen entsprechend informiert werden.
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• Bei Zwischenfällen/Störungen: Es wird von Zeit zu Zeit vorkommen, dass sich andere Besucher gestört fühlen, wenn bspw. ein Besucher aufgrund seiner Behinderung laute Geräusche macht. Für solche Situationen muss festgelegt werden, wie die Mitarbeiter vorzugehen haben. Folgende Situationen sollten vermieden werden: • Keine Vermutungen über die spezifischen Anforderungen eines Menschen anstellen. • Sätze für Menschen beenden. • Den Mund mit der Hand abdecken, während man spricht oder sich währenddessen wegdrehen. • So tun, als ob man einen Satz/Inhalt verstanden hat, wenn dem nicht so ist. • Sich von blinden oder sehbehinderten Besuchern entfernen, ohne ihnen das anzukündigen. • Sich auf einen Rollstuhl abstützen. • Blindenhunde sollten nicht gefüttert werden, da diese häufig eine sehr strenge Diät haben. • Einen Besucher mit spezifischen Anforderungen fragen, was ihm widerfahren ist oder was ihm fehlt. Ticketerstattung: Bei vorbestellten Tickets (z.B. für Gruppen oder Sonderveranstaltungen) sollten gelockerte Erstattungsbedingungen eingeführt werden, denn behinderte Menschen werden besonders häufig mit unvorhersehbaren Situationen konfrontiert (Krankheit, Unfälle, Ausfall des Pflegers etc.) und müssen dann ihren Museumsbesuch absagen. Beschwerdemanagement: In der Arbeit mit Besuchern kann nicht immer alles richtig gemacht bzw. eingeschätzt werden. Um von den eigenen Fehlern zu lernen bzw. diese überhaupt zu erkennen und um unzufriedene Besucher nicht zu verlieren, sollte ein aktives Beschwerdemanagement praktiziert werden. Dazu zählt (vgl. Klein 2005: 498f.): • Beschwerdestimulierung: Signalisierung, dass Beschwerden erwünscht sind, z.B. durch Befragungskarten; • Beschwerdeannahme: z.B. durch entsprechenden Briefkasten und/oder Anlaufstelle ebenso wie durch »Access Audit«; • Beschwerdebearbeitung: regelmäßige Auswertung und Kategorisierung der verschiedenen Beschwerden; • Beschwerdereaktion: z.B. durch Kompensationsangebote (Freikarten etc.) oder persönliches Anschreiben; • Beschwerdekontrolle: Aufbau eines Kontroll- und Implementierungssys-
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tems, dass berechtigte Kritikpunkte auch tatsächlich entsprechend verbessert werden. Servicereichweite: Es sollte abgeklärt werden, wie weit der Service reichen soll bzw. kann. Können z.B. Personen auf die Toilette oder zum Museumsshop begleitet werden? Stichwort Besucherbindung: In Zeiten eines zunehmenden Wettbewerbs ist es besonders notwendig, eine aktive Besucherbindung zu betreiben. Diese wird vor allem durch ein stimmiges Produkt und den darauf aufgebauten Service, also durch zufriedene Besucher erreicht. Menschen mit spezifischen Anforderungen zählen erfahrungsgemäß zu den Gruppen, die einer Einrichtung besonders treu bleiben, wenn sie mit dem Besuch zufrieden waren. Zudem fungieren sie als potente Multiplikatoren, da sie gut in Vereinen u.Ä. vernetzt sind und positive (als auch negative) Erlebnisse weitergeben. Ein fester Kundenstamm bietet Planungssicherheit und trägt insbesondere für barrierefreie Maßnahmen zur Legitimation entsprechender Ausgaben bei (vgl. vertiefend zur Besucherbindung Klein 2003 und Günter/John 2000). Hinweise und Fragen zu einer barrierefreien Preispolitik Rabatt Die wesentliche Frage (neben den Optionen für Jahreskarten etc.), die sich in Bezug auf die Preispolitik und Barrierefreiheit stellt, ist die Frage, ob ein Rabatt gewährt werden sollte oder nicht: Argumente gegen einen Rabatt: Gegen einen Rabatt spricht das Ziel der Gleichbehandlung von behinderten Menschen. Außerdem gelten sie automatisch als ›anders‹, wenn ihnen Rabatt gewährt wird. Eine weitere Frage ist, wo eine sogenannte Behinderung anfängt, wem also Rabatt gewährt wird und wem nicht. Wer soll das z.B. einschätzen, wenn behinderte Besucher aus dem Ausland das Museum besuchen wollen, die keinen Behindertenausweis besitzen? Argumente für einen Rabatt: Ein beachtlicher Teil behinderter Menschen ist arbeitslos, was auch ein Resultat gesellschaftlicher Ausgrenzung und eines schweren Zugangs zu Arbeitsplätzen ist. Viele behinderte Menschen verfügen demnach – trotz verschiedener Kompensationen wie z.B. dem »Blindengeld« – über ein begrenztes Einkommen, bei oft sehr hohen Kosten (z.B. für Pfleger, Taxi). Außerdem kommen sie häufig in Begleitung und sorgen somit für zusätzliche Besucher. Für den Begleiter sollte dann ebenfalls eine vergünstigte oder gar kostenfreie Eintrittskarte (wie es ja häufig der Fall ist) angeboten werden, da die behinderte Person häufig dafür aufkommen muss bzw. möchte. Behinderte Menschen wurden bislang von einem Großteil kul-
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tureller Veranstaltungen ausgeschlossen. Ein Rabatt könnte als Teil der Marketingstrategie deutlich machen, dass man behinderte Besucher willkommen heißt und sie als marketingrelevante Zielgruppe wahrnimmt (ebenso wie Studenten, Senioren etc.). Hinweise und Fragen zu einer barrierefreien Distributionspolitik Öffnungs-, Veranstaltungs- und Servicezeiten Die Öffnungs-, Veranstaltungs- und Servicezeiten müssen ggf. angepasst werden. Verschiedene Menschen mit Behinderungen benötigen z.B. einen Pfleger, der am Abend möglicherweise nur beschränkt arbeiten darf/kann. Ebenso sollten Veranstaltungen für Menschen mit spezifischen Anforderungen möglichst nicht in ›Stoßzeiten‹ stattfinden, da sich bspw. Personen mit eingeschränkter Mobilität, Phobien, Schizophrenie oder Lernschwierigkeiten häufig in größeren Menschenmassen unwohl fühlen. Am besten sollten die Bedürfnisse direkt mit der anvisierten Zielgruppe abgestimmt werden. Ticketkauf Wenn (barrierefreie) Sonderveranstaltungen angeboten werden oder bei Gruppenbuchungen eine Vorbestellung notwendig ist, sollte darauf geachtet werden, dass entsprechend der Zielgruppen verschiedene Möglichkeiten des Erwerbs möglich sind. Neben dem Direkt- und Telefonverkauf sollte es z.B. das Angebot geben, über Fax, SMS, E-Mail oder eine Internetmaske bestellen zu können. Absatzkanäle • Personal: Ein zentraler Absatzkanal ist nach wie vor der direkte Verkauf und der Austausch mit dem Museumspersonal, das entsprechend serviceorientiert und barrierefrei geschult sein muss. • Zufriedene Besucher: Zufriedene Besucher sind die beste Werbung und Multiplikatoren für ein Museum. • Mitgliedschaften: Menschen mit spezifischen Bedürfnissen sollten aktiv in die bestehenden Museumsorganisationen, wie z.B. den ›Freundeskreis des Museums‹, eingebunden werden. Das dient zum einen der Besucherbindung und zum anderen dem direkten Austausch sowie der Diskussion innerhalb des Hauses bezüglich barrierefreier Maßnahmen (»Access Audit«). • Kooperationen: Menschen mit spezifischen Anforderungen kommunizieren häufig intensiv innerhalb ihrer Vereine, Selbsthilfegruppen und Verbände. Entsprechend sollten diese angesprochen und als Partner gewonnen werden. Ebenso sollten Servicepakete mit anderen kulturellen Einrichtungen (z.B. Kombitickets) und touristischen Dienstleistern, z.B.
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mit barrierefreien Hotels in Form einer Pauschalreise, angeboten werden (siehe dazu den Beitrag von Anne Funke in diesem Band). • Data-Base-Marketing: Die spezifischen Kundendaten und -anforderungen können gewonnen, zusammengefasst sowie entsprechend für die Produkt- und Servicepolitik nutzbar gemacht werden (vgl. ausführlich Klein 2005: 415-420). Erreichbarkeit (der Weg zum Museum) • Alle Mitarbeiter müssen die Möglichkeiten und Zeiten kennen, die der öffentliche – barrierefreie – Nahverkehr offeriert. • Veranstaltungen sollten entsprechend der Erreichbarkeit und der Abfahrtmöglichkeiten (›Wann fährt der letzte Bus?‹ etc.) gelegt werden. • Alle Mitarbeiter müssen die Stellen für Taxis kennen, an denen sie behinderte Besucher abholen oder absetzen können. • Wenn möglich, sollten behindertengerechte Parkplätze in der Nähe des Museums reserviert oder es sollte für einen adäquaten Ersatz gesorgt werden. Der Weg von dort zum Museum muss barrierefrei sein (vgl. ausführlich den Beitrag von Beat Ramseyer in diesem Band). • Informationsblatt: Es sollte ein Informationsblatt zur Verfügung stehen, welches die vorgenannten und weitere Informationen (ÖPNV, Taxianfahrt, Parken etc.) offeriert. • Siehe für weitere Hinweise bezüglich der Zugänglichkeit zum und im Museum die Hinweise zur »Ausstattungspolitik«. Hinweise und Fragen zu einer barrierefreien Kommunikationspolitik Wichtige Grundkenntnisse für barrierefreie Kommunikation, Teil 1: Sprache (Auswahl) Sprache ist – geschrieben oder ausgesprochen – ein mächtiges Instrument. Nicht nur, was man sagt, sondern auch, wie man es sagt, kann einen sehr großen Unterschied machen. Entsprechend müssen zumindest die Museumsmitarbeiter mit direktem Besucherkontakt im Umgang mit behinderten Menschen geschult (siehe dazu auch den Abschnitt zur »Personalpolitik«), aber auch die Printprodukte etc. diesbezüglich überprüft werden. Im Folgenden werden ausgewählte Wörter und Paraphrasierungen aufgelistet, die derzeit Verwendung und Akzeptanz finden:5 5 Terminologien unterliegen einem ständigen Wandel. Die aufgelisteten Formulierungsvorschläge geben derzeit gebräuchliches Vokabular wieder (vgl. u.a. Arts Council England 2004: o.S.). Dennoch handelt es sich um unverbindliche Vorschläge ohne Gewähr.
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• »behinderter Mensch« (Engl.: »Disabled person«) oder »Person mit spezifischen Bedürfnissen«; • »blinde Person« (»Blind person«); • »sehbehinderte Person« (»Visually impaired person«); • »mobilitätseingeschränkte Person« (»Mobility impaired person«); • »gehörlose Person« (»Deaf person«); • »schwerhörige Person« (»Hearing impaired person«); • »taubstumme Person« (»Deaf without speech«); • »sprachbehinderte Person« (»Person with a speech impairment«); • »Rollstuhlfahrer« (»Wheelchair user«); • »Person mit Lernschwierigkeiten« (adäquatere Formulierung als »geistig behinderte Person«) (»Person with learning disabilities«); • »Begleitperson« (»Personal assistant«); • »barrierefreie Anforderungen« (»Access requirements«) oder »spezifische Anforderungen« (»Specific needs«). • Anstatt dem Wort »Person« könnten auch die Bezeichnungen »Besucher« (»Visitor«) oder »Menschen« Verwendung finden. • Abgewandelte Formen wie »Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen« sind ebenfalls möglich und teilweise sogar »eleganter«. Wichtige Grundkenntnisse für barrierefreie Kommunikation, Teil 2: Überblick der Kommunikationsmittel (Auswahl) Informationen können auf vielfältigen Wegen weitergegeben werden. Für barrierefreie Kommunikation bieten sich folgende Formate an, die je nach Bedarf eingesetzt werden sollten (Auswahl): • CD-ROM: Auf CD-ROMs können bspw. alle wichtigen Informationen über das Museum in WORD-Dokumenten mit großer Schrift (sogenanntem »Large Print«) offeriert werden, die sich die Besucher dann vor und/oder nach dem Besuch anschauen können. Neben Informationen über die Zugänglichkeit etc. könnten auch Kataloge u.Ä. in großer Schrift angeboten werden. Für blinde oder sehbehinderte Personen sollten auch Informationen in Sprachdateien angeboten werden. Gleiches gilt für Texte in Leichter Sprache (vgl. hierzu ausführlich: Mensch zuerst, 2004), die Menschen mit Lernschwierigkeiten Informationen über die Museumsinhalte näher bringen können, um Gesehenes und Gelesenes ›mit nach Hause‹ zu nehmen. • Videos/DVD: Wenn verfügbar, sollten auch Filme u.Ä. angeboten werden, die mit den Museumsinhalten korrespondieren (z.B. Dokumentationen), und ggf. Audiodeskriptionen von in den Ausstellungen vorgeführten Filmen für blinde und sehbehinderte Menschen.
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• Websites: Die Museumswebsite offeriert vielfältige Möglichkeiten, Informationen (Öffnungszeiten, Führungen etc.) und Museumsinhalte für einen Großteil der verschiedenen Bedürfnisse aufzubereiten (zum Aufbau und der Gestaltung einer barrierefreien Website sowie zur barrierefreien, digitalen Aufbereitung von Texten vgl. die Beiträge von Jan Eric Hellbusch in diesem Band). • SMS/Fax: Textinformationen via SMS sind mittlerweile ein gängiges Informationsmedium, das besonders von gehörlosen oder schwerhörigen Personen benutzt wird. So können Informationen über Ausstellungseröffnungen, spezielle Veranstaltungen u.v.m. via SMS verbreitet werden. Gleiches gilt für das Fax. • Bild- und Texttelefon: Ein weiterer Service, insbesondere für gehörlose oder schwerhörige Personen, sind Bild- und Texttelefone. • E-Mail: E-Mails sind in den letzten Jahren ebenfalls zu einem wichtigen Informations- und Austauschmedium geworden, das besonders stark von blinden und sehbehinderten Personen – mit entsprechender Sprachausgabe – benutzt wird. • Barrierefreie Druckerzeugnisse: Barrierefreie Druckerzeugnisse sollten in serifenloser Schrift (z.B. Arial, Helvetica) und mindestens in einer Schriftgröße von 12-14 pt verfasst sein. Sie sollten klar strukturiert (z.B. kein Text auf Abbildungen), leicht ›bedienbar‹, kontrastreich (dunkle Farben für den Text) und auf mattem Papier gedruckt sein. Barrierefreie Druckerzeugnisse offerieren alle wichtigen Informationen (Erreichbarkeit, Zugänglichkeit, Zeiten, Inhalte u.v.m.). • Große Schrift: Für sehbehinderte Menschen sollten Informationen mindestens in der Schriftgröße 16 pt (oder größer) angeboten werden. • Braille-Schrift: Wird nur von einem geringen Teil der blinden Bevölkerung benutzt. Deswegen sollten neben Informationen in BrailleSchrift auch taktil erfassbare Informationen (vor allem hinsichtlich der Orientierung und Beschilderung), Audiotexte (z.B. auf CD-ROM) u.v.m. bereitgehalten werden. • Bildertext: Diese Form der Kommunikation, die vor allem durch die Bebilderung der Informationen bestimmt ist, kann für Menschen mit Lernschwierigkeiten und auch für Fremdsprachler angeboten werden. Werbung und Reklame In bestehenden bzw. geplanten Werbekampagnen, wie z.B. Anzeigen und Plakaten, sollte der Hinweis auf die barrierefreie Infrastruktur und barrierefreie Programme, je nach Zielgruppe, hinzugefügt werden. Bsp.: »barrierefreier Zugang«, »Führungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten«, »Füh-
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rungen in Gebärdensprache« und Hinweis auf weitere Informationen (z.B. via Internet, SMS, Fax, Rückruf) und ggf. Anmeldepflichten. Die Verwendung von Piktogrammen, wie sie z.B. vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband für verschiedene »barrierefreie Kategorien« verwendet werden, sollte unter Vorbehalt stattfinden, da diese bislang noch nicht vereinheitlicht bzw. standardisiert sind. Ebenso können Anzeigen in den zahlreichen spezifischen Zeitschriften geschaltet werden, um die fokussierte Zielgruppe direkt anzusprechen. Dazu zählen Zeitschriften wie »Die Gegenwart«, eine Monatszeitschrift für blinde und sehbehinderte Menschen; die 14-tägige Zusammenstellung der Zeitschriften »stern« und »DIE ZEIT« in Braille-Schrift, in der auch kostenlose Anzeigen von nicht gewinnorientierten Einrichtungen geschaltet werden können; die »Lebenshilfe-Zeitung«, eine Zeitschrift für Menschen mit Lernschwierigkeiten; die »Startrampe«, eine Onlinezeitschrift für Rollstuhlfahrer und Querschnittsgelähmte, oder »Das Zeichen«, eine Zeitschrift für die Sprache und Kultur gehörloser Menschen. Außerdem sollte auf regionale Formate geachtet werden, um die Zielgruppen direkt vor Ort anzusprechen. In den letzten Jahren hat die Zahl barrierefreier Reiseführer bzw. lokaler Faltblätter zugenommen. So bietet die Stadt Dresden einen Flyer für Städtetouristen mit Behinderungen, in dem auch die entsprechenden Museen aufgelistet werden. Zudem bietet die Dresden Werbung und Tourismus GmbH Pressereisen für Fachjournalisten zu diesem Thema an. D.h., man sollte mit entsprechenden Einrichtungen und Medien gut vernetzt sein, um an diesen Angeboten zu partizipieren. Auch andere Medien kommen für eine direkte Bewerbung in Frage. Sehr viele regionale Radiosendungen, wie »GanzNormal« in der Gegend von Wiesbaden und Mainz, kümmern sich um die Belange und die spezifische Information von behinderten Menschen. Telefonmarketing: Ein adäquates Mittel zur Ansprache spezifischer Bedürfnisgruppen ist das Telefonmarketing (z.B. mit Vereinsvorständen, Direktoren von Blindenschulen), welches allerdings sehr zeit- und personalintensiv ist. Hinweis: Es muss absolut ehrlich und stimmig vermittelt werden, welche barrierefreien Möglichkeiten angeboten werden, damit die angesprochenen Zielgruppen diese auch tatsächlich wahrnehmen und ihnen nicht, bspw. an einer steilen Treppe, doch der Zugang verwehrt ist, da der Begriff »Barrierefreiheit« überstrapaziert wurde. Pressearbeit: Gerade bei größeren Projekten hinsichtlich Barrierefreiheit sollten gezielt Journalisten der entsprechenden Fachzeitschriften angesprochen werden (z.B. Pressekonferenz, Vorabbesichtigung, ausführliche Pressemappen). Ebenso müssen die vorhandenen Pressekontakte genutzt wer-
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den, um über die Inhalte und Notwendigkeiten eines solchen Projektes bzw. spezifischer Angebote zu informieren. Öffentlichkeitsarbeit Presseverteiler: Zusätzlich zu dem vorhandenen Presseverteiler sollte ein spezifischer Bereich für Medien, Medienvertreter und Einrichtungen erarbeitet werden, die sich speziell um Belange behinderter Menschen kümmern. Dieser sollte dann nochmals nach den verschiedenen vier Hauptanspruchsgruppen unterteilt werden, um noch gezielter und differenzierter informieren zu können. Pressemitteilungen: Barrierefreie Angebote hinsichtlich Service, Infrastruktur und spezifischer Vermittlungsangebote sollten in allen relevanten Pressemitteilungen Aufnahme finden. Zudem kann gesondert auf spezifische Angebote hingewiesen werden. Broschüren: Neben der Aufnahme barrierefreier Hinweise in die bestehenden Printprodukte kann – je nach Umfang und Inhalt – eine separate Broschüre erstellt werden, die ausführlich auf die Belange von Menschen mit spezifischen Bedürfnissen eingeht. Diese Herangehensweise ermöglicht die Vertiefung von barrierefreien Fragestellungen, die in den allgemeinen Führern ggf. zu viel Platz einnehmen würden. Das Kunstmuseum Bonn offeriert beispielsweise ein Leporello mit dem Titel »Informationen. Für Seniorinnen und Senioren. Für Menschen mit Handicaps und Behinderungen«. Auf der einen Seite werden ausführlich die spezifischen Angebote vorgestellt. Dazu zählen etwa Angebote für Senioren, Angebote für gehörlose und schwerhörige Personen, Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung (also Menschen mit Lernschwierigkeiten) und Angebote für Förderschulen und integrative Klassen. Auf der anderen Seite werden ausführlich spezifische Informationen zu Erreichbarkeit, ermäßigten Preisen und der barrierefreien Infrastruktur vermittelt. Kataloge etc.: Druckerzeugnisse wie Ausstellungskataloge können nicht ohne Weiteres umfassend barrierefrei gestaltet werden, da dies in der Regel wesentlich mehr Platz in Anspruch nehmen würde (größere Schrift etc.). Deswegen bietet sich hier die Erstellung von CD-ROMs an, auf welchen der Katalog in digitaler Form offeriert und somit individuell in die spezifischen Formate konvertiert werden kann (größere Schrift, Audiowiedergabe etc.). »Mund-zu-Mund-Propaganda«: Erfahrungsgemäß sind die Netzwerke der einzelnen Behindertengruppen, wie z.B. Blindenvereine, eine wichtige Kommunikationsplattform, in der Informationen weitergegeben werden können. Entsprechende Verteiler mit regionalen Vereinen wie die Behindertenhilfe, Selbsthilfegruppen und spezielle Einrichtungen (z.B. Heime für Kinder mit spezifischen Bedürfnissen) sollten deswegen eingerichtet werden.
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Verkaufsfördernde Promotion: Zu diesem Segment zählen Merchandisingartikel, Preisausschreiben, Sonderangebote u.v.m. Vieles wird nicht ohne Weiteres umzusetzen sein. Deswegen sollten vor allem vorhandene Elemente nutzbar gemacht werden. So könnte es bspw. bei einer »Langen Nacht der Museen« spezifische Angebote geben. Ebenso wäre ein »Barrierefreier Tag der offenen Tür« für behinderte und nicht behinderte Menschen vorstellbar, um Berührungsängste abzubauen und um voneinander zu lernen. Internet: Wie bereits zuvor beschrieben, sollten alle Informationen und Austauschkanäle via Internet für alle Arten von spezifischen Anforderungen (bzw. zumindest der fokussierten Zielgruppen) zugänglich sein. Das reicht von der Option, die Schrift vergrößern zu können, bis hin zu Kontaktformularen für spezifische Bedürfnisse. Über die genauen Anforderungen einer barrierefreien Website informiert Jan Eric Hellbusch mit seinen Beiträgen in diesem Band. Hinweise und Fragen zu einer barrierefreien Personalpolitik Schulung/Austausch Der zentrale Erfolgsfaktor von barrierefreien Maßnahmen sind Museumsmitarbeiter, die die Anforderungen von Menschen mit spezifischen Bedürfnissen kennen bzw. zumindest mit diesen umgehen können. Zum notwendigen Verhalten, zur Sprache u.v.m., also den notwendigen Grundlagen, die vermittelt werden müssen, wurde zuvor schon einleitend referiert. Bei der Schulung, z.B. durch professionelle Berater, »Access Consultant Groups«, im Austausch mit anderen Museen oder speziellen Firmen, sollte zudem Folgendes vermittelt werden (Auswahl): • Personen mit spezifischen Bedürfnissen sind – potenzielle – Besucher und kein ›Problem‹, das es zu lösen gilt; • der Umgang mit barrierefreien Applikationen sowie Materialien und die Mitteilung, wo sich diese befinden; • Kritik und Lob sammeln, um diese für alle Mitarbeiter und ggf. für notwendige Verbesserungen zugänglich zu machen; • Notwendigkeiten der Vernetzung untereinander. Nur wenn alle involvierten Abteilungen an einem Strang ziehen, können barrierefreie Projekte in ihrer Gesamtheit umgesetzt werden. Hinweise und Fragen zu einer barrierefreien Ausstattungspolitik • Außenbereich: Vgl. ausführlich zu den spezifischen Bedürfnissen die entsprechenden Beiträge in diesem Band (z.B. die Beiträge von Heiner Mockenhaupt und Beat Ramseyer);
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• Innenbereich: vgl. ebd.; • Kataloge, Prospekte u.v.m.: siehe oben; • Vertiefung: Beschilderung (auch als Bestandteil des »Corporate Design«): – Bereiche sollten ausgeschildert sein (Auswahl): direkter barrierefreier Weg zum Museum (z.B. vom Parkplatz bzw. der Bushaltestelle), Informationspunkt/Kasse, barrierefreie Toiletten, Museumsshop, Sitzmöglichkeiten, ggf. Ruheraum (für Menschen mit Lernschwierigkeiten), Fahrstühle, barrierefreies Telefon; – die Beschilderung sollte deutlich sichtbar, gut lesbar (große, serifenlose Schrift z.B. in Arial oder Helvetica), gut beleuchtet, kontrastreich und in einem immer wiederkehrenden Verfahren und in gleicher Höhe angebracht sein; – des Weiteren müssen die verwendeten Zeichen einfach zu verstehen sein; – ebenfalls sollten Informationen zur Orientierung in Brailleschrift und taktile Hinweise sowie Sprechansagen u.a. in den Fahrstühlen offeriert werden. Den Anfang machen Die Notwendigkeiten eines barrierefreien Marketings wurden bereits in der Einleitung herausgearbeitet. Bei der Lektüre dieser Publikation kann schnell der Eindruck gewonnen werden, dass dies alles ›nie zu schaffen‹ sei und sich vor allem zu kostspielig darstellt. Sicherlich wird nicht ›von heute auf morgen‹ ein annähernd barrierefreies Museumsmarketing zu realisieren sein. Vielmehr wird man sich nach und nach dem Thema annähern, wenn die Selbstverpflichtung zur Barrierefreiheit ernst genommen wird. An der Stelle eines Fazits sollen hier noch einmal die wichtigsten Schritte zusammengefasst werden, die zunächst auch ohne größere Ressourcen realisiert werden können, um ein barrierefreies Marketing bzw. Denken in Gang zu setzen. Diese Maßnahmen und die hoffentlich positiven Effekte können dann den notwendigen Grundstein für ein ausführliches, strategisches und barrierefreies Marketingkonzept, verbunden mit einem adäquaten Ressourceneinsatz, legen: ›Den Anfang machen‹ (vgl. Arts Council England 2004: o.S.): Aktionsplan erstellen • Welche Produkte sind barrierefrei? Was sind die Besonderheiten bzw. ›Verkaufsargumente‹ der Produkte? • Auflistung der barrierefreien Infrastruktur und Serviceangebote; • Welche spezifischen Zielgruppen sollen bzw. können mit den vorhandenen Angeboten erreicht werden?
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• Welches sind die besten Wege, um die identifizierten Gruppen zu erreichen (z.B. SMS für gehörlose und Audiobroschüren für blinde Besucher)? • Ausarbeitung eines Projekt- (Zeiten, Arbeitspakete etc.) und Kostenplans. Kontakt zu potenziellen Besuchern aufbauen • Überprüfung bestehender Marketingaktivitäten und – so weit es geht bzw. notwendig ist – Erarbeitung erster barrierefreier Modifikationen (beginnend mit Informationen zu spezifischen Angeboten etc.); • Aufbau eines adäquaten Verteilers. Akkumulation und Systematisierung von spezifischen Besucherdaten (z.B. durch die Auslage von Adresslisten bei entsprechenden Veranstaltungen), ebenso wie von relevanten Vereinen, Einrichtungen und Medien; • Offerierung von Informationen in verschiedenen barrierefreien Versionen. Das kann schon bei der Vergrößerung eines Flyers am Kopierer beginnen; • ein Leporello, wie es das Kunstmuseum Bonn anbietet, das über die barrierefreien Vermittlungsangebote und die entsprechende Infrastruktur informiert, kann ohne größeren Aufwand produziert werden und ein adäquates Werbe- und Informationsmedium darstellen; • Einbindung/Ansprache lokaler Einrichtungen, wie Lernbehindertenund Blindenschulen, Selbsthilfegruppen und Vereine. Kooperationen/Know-how • Aufbau eines Kompetenznetzwerkes (»Access Consulting Group«): z.B. Austausch mit Partnermuseen zum Thema und regelmäßiger Austausch untereinander; Kontaktpflege mit speziellen Firmen, die ohnehin zum Themenbereich im Museum arbeiten; diese ebenso in einen kontinuierlichen Austausch einbinden, ansprechen und einladen wie Verbände etc.; Besucher fragen und ernst nehmen (aktives Kommunikations- und auch Beschwerdemanagement); • Kontakt zu bestehenden Netzwerken und Angeboten aufnehmen (z.B. barrierefreier Stadtführer); • Wissensgenese: Erfahrungen und Wissen zum Thema dokumentieren (z.B. in einem Extrabereich im Intranet). Formate • Bereitstellung von Informationen in großer Schrift; • Bereitstellung einer Audiobroschüre (CD), die mit wichtigen Inhalten zum Museum besprochen ist (Infrastruktur und Inhalte);
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• Überprüfung der bestehenden Druckerzeugnisse, hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit und Optionen der Modifikation (z.B. größere Kontraste, Hinweise auf Barrierefreiheit, spezifische Bereiche wie z.B. einen Informationstext über das Museum in Leichter Sprache). Kommunikationsmittel • Überprüfung der Museumswebsite hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit. Soweit möglich barrierefrei gestalten (›den Anfang machen‹). Mittelfristig sollte ein barrierefreier Relaunch geplant werden. • Einrichtung eines SMS-Services und Nutzbarmachung der bestehenden E-Mail- und Faxleistungen. Preispolitik • Diskussion über die Rabattpolitik hinsichtlich behinderter Besucher. Beschilderung • Das Gebäude sollte in den Bereichen, in denen es barrierefreie Angebote offeriert, adäquat – zur Not auch zunächst noch provisorisch – beschildert werden. Sprache • Überprüfung des bislang verwendeten Sprachgebrauchs der Mitarbeiter und in den Druckerzeugnissen hinsichtlich einer adäquaten Ausdrucksweise. Anschließend ggf. entsprechende Modifikation, möglicherweise auch hinsichtlich Leichter Sprache. Personal/Service • notwendige Schulungen durchführen (Umgang mit Menschen mit spezifischen Anforderungen, Sprache und Anwendung von barrierefreien Applikationen) sowie den Austausch der Mitarbeiter untereinander sicherstellen; • Notfall- und Zwischenfallplan erarbeiten. Literatur Arts Council England (2003): Disability Access. A Good Practice Guide for the Arts, London. Arts Council England (2004): Action for Access. A Practical Resource for Arts Organisations, London. Colbert, Francois (1999): Kultur- und Kunstmarketing. Ein Arbeitsbuch, Wien Delin, Annie; Morrison, Elspeth (1995): Access: Guidelines for Marketing to Disabled Audiences, London.
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Delin, Annie (2003): Audits. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 4, London. Föhl, Patrick S. (2006): Die Machbarkeitsstudie. »Sorgfaltpflicht« vor nachhaltigen Veränderungsmaßnahmen und Projekten im Kulturbereich. In: Handbuch KulturManagement, Berlin u.a.O. 1992ff., Kap. B 3.11. Fondation de France/ICOM (Hg.) (2002): Museums Without Barriers. A New Deal for Disabled People, 3. Aufl., London/New York. Günter, Bernd/John, Hartmut (Hg.) (2000): Besucher zu Stammgästen machen. Neue und kreative Wege zur Besucherbindung, Bielefeld. Hippe, Wolfgang/Sievers, Norbert (2006): Kultur und Alter. Kulturangebote im demografischen Wandel, Essen. Kaltwasser, Dieter (1999): Erfolgreich Kultur-Marketing-Konzeptionen gestalten. In: Handbuch KulturManagement, Berlin u.a.O. 1992ff., Kap. E 2.3. Klein, Armin (2003): Besucherbindung im Kulturbetrieb. Ein Handbuch, Wiesbaden. Klein, Armin (2005): Kultur-Marketing. Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe, 2. Aufl., München. Koch, Anne (2002): Museumsmarketing. Ziele – Strategien – Maßnahmen. Mit einer Analyse der Hamburger Kunsthalle, Bielefeld. Kotler, Neil; Kotler, Philip (1998): Museum Strategy and Marketing. Designing Missions. Building Audiences. Generating Revenue and Resources, San Francisco. Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland (2004): Wörterbuch für leichte Sprache. Halt. Bitte leichte Sprache, 5., überarb. Aufl., Kassel. Playforth, Sarah (2003a): Inclusive Information. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 6, London. Playforth, Sarah (2003b): Meeting Disabled People. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 2, London. Playforth, Sarah (2004): Consulting Disabled People. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 11, London. Rump, Oliver (2001): Controlling für Museen, Ehestorf. Schneidewind, Petra (2006): Betriebswirtschaft für das Kulturmanagement. Ein Handbuch, Bielefeld. Wyatt-Spratt, Neridah/Wyatt-Spratt, Pam/Haley, Jane/McKoy, Lisa (1999): Access all Areas: Guidelines for Marketing the Arts to People with Disabilities, Surry Hills. Zollondz, Hans-Dieter (2005): Marketing-Mix. Die sieben P’s des Marketings, Berlin.
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Jan Eric Hellbusch Menschen mit Behinderungen profitieren von barrierefreien Webangeboten im besonderen Maße, weil der Zugang zum Web wesentlich freier ist. Ob ein Gebäude ohne stufenlosen Zugang, das Schriftbild von Druckerzeugnissen, nicht barrierefreie Kiosksysteme und vieles andere mehr – frei zugängliche Informationen können Barrieren in der physischen Welt zumindest zum Teil kompensieren. Beispielsweise können barrierefreie Informationen im Internet vergrößert dargestellt, mit synthetischen Sprachausgaben vorgelesen, mit beliebigen internetfähigen Geräten abgerufen oder auch in verschiedenen multimedialen Formen angeboten werden. Einleitung Seit 2001 wird die Qualität in kulturbezogenen Digitalisierungsprojekten auf europäischer Ebene diskutiert und gefördert.1 Ausgehend von den Prinzipien von Lund2 wurden zehn Qualitätsprinzipien für webbasierte Informationsangebote formuliert und erläutert. Eines dieser Qualitätsprinzipien ist die Barrierefreiheit. Demnach umfasst Barrierefreiheit den uneingeschränkten Zugang zu Informationen für jeden Bürger. Digitalisierte Informationen sollen einen universellen Zugang ermöglichen, unabhängig von Zeit und Ort, aber auch von technischen Voraussetzungen und Fähigkeiten der Nutzer, die diese Informationen abrufen wollen. Das Web bietet hierfür das ideale Medium, Eindrücke, Informationen und Dienstleistungen verschiedener Art für jeden zugänglich anzubieten. Eine in 2004 beauftragte Untersuchung3 der Webauftritte von 300 englischen Museen, Bibliotheken und Archiven hat ergeben, dass 59 Prozent der Webangebote gegen Kriterien der Barrierefreiheit mit höchster Priorität verstoßen und somit in jedem Fall mindestens eine Nutzergruppe mit Behinderung ausschließen. Nur ein einziger Webauftritt konnte annähernd die Konformität mit allen Anforderungen der Barrierefreiheit vorweisen. Auch
1 Vgl. www . cfwb . be / qualite - bruxelles / gb / quality framework 11 december . doc vom 18. September 2006. 2 Vgl. ftp://ftp.cordis.lu/pub/ist/docs/digicult/lund_principles-de.pdf vom 18. September 2006. 3 Vgl. www.mla.gov.uk/resources/assets//M/mla_web_accessibility_pdf_6541.pdf vom 18. September 2006.
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ein Test mit einer Kontrollgruppe bestätigte den dringenden Handlungsbedarf. Nutzer mit Behinderungen wurden vor Aufgaben gestellt wie: • Ist das Museum montags geöffnet? • Welche Ausstattung bietet das Museum für Menschen mit Behinderungen? Diese vermeintlich einfachen Rechercheaufgaben konnten immerhin von einem Viertel der Teilnehmer nicht gelöst werden. Eine vergleichbare Untersuchung liegt für Webauftritte des deutschsprachigen Kulturbereichs nicht vor. Was ist barrierefreies Webdesign? Viele kennen den Begriff, aber nur wenige haben eine konkrete Vorstellung davon. Trotz formaler Richtlinien stellt das barrierefreie Webdesign viele Webmacher vor Rätsel. Standardkonformität oder CSS-Design, vergrößerbare Schriften oder sogar Alternativtexte mögen geläufig sein, aber wer sich mit der Materie eingehender beschäftigt, entdeckt zu Beginn mehr Fragen als Antworten. Das mag daran liegen, dass eine verschwindend geringe Zahl der Kriterien der Barrierefreiheit maschinell überprüfbar ist.4 Die meisten Kriterien sind ›weich‹ und lassen Raum zur Interpretation. Vorwegnehmend kann gesagt werden, dass die Umsetzung des barrierefreien Webdesigns • die Arbeitsweise behinderter Nutzer in den Mittelpunkt stellen muss; • im Kontext eines einzelnen Webauftritts und der einzelnen Inhalte zu sehen ist und • die Übernahme moderner und standardkonformer Webtechniken bedeuten wird. Wenn Kompetenzen in der Umsetzung der Barrierefreiheit vorhanden sind, so orientieren sie sich oft an der Technik bzw. Standardkonformität. Eine Umsetzung von technischen Vorgaben sagt aber nichts über die Lesbarkeit oder Nutzbarkeit eines Webauftritts durch Menschen mit Behinderungen aus. Technik ist wichtig für die Barrierefreiheit, nutzerorientierte Konzepte und intelligente Designs sind allerdings wesentlich wichtiger. So werden in der Praxis folgende Fehler oft gemacht: • Die Komplexität des barrierefreien Webdesigns wird unterschätzt: Expertise und Erfahrungen behinderter Nutzer müssen unbedingt bei der Planung und Durchführung von Webprojekten berücksichtigt werden. 4 Vgl. www.bik-online.info/info/pruefung/automatische_tests.php#stellenwert vom 30. Oktober 2006.
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• Die Wahl der Technik wie Redaktionssystem und Entwicklungswerkzeuge genügen nicht den Anforderungen der Barrierefreiheit. Die technischen Rahmenbedingungen sind aber meist die Voraussetzung für die Aufrechterhaltung eines angestrebten Niveaus. Dieser Beitrag bietet einen Einblick in die Anforderungen, die bei der Umsetzung des barrierefreien Webdesigns für ein Museum wichtig sind. Zunächst werden sieben nutzerorientierte Aspekte vorgestellt und die relevanten Richtlinien skizziert. Anschließend wird auf die Rahmenbedingungen eingegangen, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Barrierefreiheit berücksichtigt werden sollten. Dabei werden Fragen der Verständlichkeit und Technik ebenso wie kommunikative Aspekte und die Wahl eines geeigneten Redaktionssystems diskutiert. Da es sich bei barrierefreiem Webdesign um ein technisch geprägtes Thema handelt, ist die Vermeidung von Fachbegriffen nicht immer möglich. Die technischen Aspekte werden nur erläutert, soweit sie für das Verständnis erforderlich sind. Nutzer mit Behinderung stehen vor Barrieren Von Barrierefreiheit können viele profitieren, aber bei diesem Begriff geht es in erster Linie um den Zugang durch Menschen mit Behinderungen. Wer barrierefreie Webauftritte ›bauen‹ will, muss die Arbeitsweise behinderter Nutzer kennen. Aber wie arbeiten Menschen mit Behinderungen am Computer? Alleine wenn an die Ausgabe mit synthetischer Sprachausgabe oder das Lesen in der Gebärdensprache gedacht wird, wird die Vielfältigkeit der Anforderungen deutlich. Diskussionen über Implikationen der Barrierefreiheit setzen das Wissen über die Arbeitsweisen behinderter Nutzer voraus: Wie arbeitet eine Sprachausgabe eines blinden Nutzers im Netz? Was ist bei Vergrößerungssystemen sehbehinderter Nutzer besonders zu beachten? Welche besonderen Anforderungen haben Menschen mit verschiedenen Behinderungen an die sprachliche Aufbereitung? Wie ist es eigentlich, gänzlich ohne Mauszeiger oder ohne Tastatur zu arbeiten? Diese und viele andere Themen erfordern teilweise fundiertes technisches Wissen und teilweise viele Experimente, denn barrierefreie Lösungen für die Aufbereitung von Inhalten sind oft abhängig vom Informationsangebot selbst. Dies gilt umso mehr, je komplexer das Angebot ist. Die Barrierefreiheit sollte im Dialog mit Betroffenen entwickelt werden, weil sie als die größten Experten auf diesem Gebiet gelten können.5 5 Vgl. 5. MINERVA-Qualitätsprinzip: die Einbindung der Nutzer bei der Entwick-
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Bei der Entwicklung eines barrierefreien Webauftritts sollten die folgenden sieben Aspekte beachtet werden (vgl. Hellbusch/Mayer 2006: 10ff.): • • • • • • •
Textorientierung; Kontraste und Farben; Skalierbarkeit; Linearisierbarkeit; Geräteunabhängigkeit und Dynamik; Verständlichkeit, Navigation und Orientierung; strukturierte Inhalte.
Diese Themen sollen helfen, die Barrierefreiheit im Sinne des Nutzers zu beurteilen, und werden im Folgenden näher betrachtet: Textorientierung Webinhalte werden nicht nur in grafischer Zugangssoftware (z.B. Browsern) angezeigt. Es gilt, für nicht grafische Zugangssoftware gleichwertige Informationen bereitzustellen. Beispielsweise setzen blinde Nutzer anstatt eines Bildschirms einen »Screenreader« ein, um Inhalte über eine Sprachausgabe zu hören. »Screenreader« sind multifunktionale Anwendungen, die sich im Leistungsspektrum sehr unterscheiden können. Einige »Screenreader« arbeiten mit verschiedenen Anwendungen, z.B. Office-Programmen, E-Mail-Clients oder Browsern, während andere ausschließlich auf das Web spezialisiert sind (»Webreader«). »Screenreader« liefern nicht nur Inhalte in synthetischer Sprache, sondern setzen Inhalte auch auf einem Brailledisplay um, sodass der Nutzer in der Blindenschrift lesen kann. Diese Programme haben einen außerordentlich großen Funktionsumfang und erlauben eine effektive Arbeit am Computer unabhängig vom Bildschirm (vgl. ebd.: 7ff.). Um Webinhalte mit Sprachausgabe und Brailledisplay lesen und bearbeiten zu können, sind folgende Aspekte in der Webentwicklung besonders zu beachten (vgl. ebd.: 54ff.): • • • •
Alternativtexte für Bilder, Grafiken und Image-Maps; Titel für Frames; Audiodeskription für Multimedia und Alternativtexte und Textabschriften für Multimedia und Audio.
lung eines Webauftritts wird eingefordert. Zu den MINERVA-Qualitätsprinzipien siehe auch den Abschnitt unten.
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Dabei geht es um die textuelle Beschreibung von visuellen Elementen. Jedes dieser Elemente ist ohne äquivalente Texte in einem »Screenreader« nicht wahrnehmbar, d.h. der »Screenreader« kann sie erkennen, aber nicht deren Inhalt. Beispielsweise werden Grafiken erkannt, aber nur wenn eine Grafik einen beschreibenden Text besitzt, erfährt der Nutzer etwas zum Inhalt. Bei der Textorientierung gibt es noch den Aspekt der akustischen Wahrnehmung, die vor allem bei multimedialen Inhalten zum Tragen kommt. Wenn in der vorangestellten Auflistung die visuelle Wahrnehmung durch Text ersetzt werden soll, so sollen akustische Inhalte ebenfalls mit äquivalentem Text in Form von Untertiteln ergänzt werden (vgl. ebd.: 220ff.). Untertitel in Multimedia sind an gehörlose und schwerhörige Menschen gerichtet. Kontraste und Farben Auch am Bildschirm und mit anderen grafischen Ausgabegeräten kann die Darbietung von Webinhalten zu Wahrnehmungsproblemen führen. Es gilt, die visuelle Wahrnehmbarkeit bei der Gestaltung zu berücksichtigen, etwa (vgl. ebd.: 72ff.): • Mehrfachkennzeichnung von Informationen (z.B. dass Links nicht nur eine andere Farbe besitzen, sondern eine weitere Kennzeichnung wie eine Unterstreichung haben); • Vermeidung bestimmter Farbkombinationen (mit Rücksicht auf Farbfehlsichtigkeit) und • Einhaltung von ausreichenden Kontrasten. Von diesen Aspekten profitieren sehbehinderte Nutzer und andere wie z.B. Senioren, die den Bildschirminhalt nicht gut erkennen können. Skalierbarkeit Die flexible Darstellung von Inhalten, insbesondere die Vergrößerbarkeit von Informationen, ist für die Barrierefreiheit essenziell. Wer sehr starken Vergrößerungsbedarf hat, wird in der Regel ein Vergrößerungssystem oder eine Bildschirmlupe einsetzen – beides Programme, die einen Ausschnitt des Bildschirms vergrößern. Während Bildschirmlupen im Prinzip wie eine Lupe funktionieren und Inhalte in einem beweglichen Fenster anzeigen, bieten Vergrößerungssysteme komplexe Funktionen, die von der Anpassung von Layout und Veränderung von Farben bis hin zu unterstützender Sprachausgabe reichen.
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Nicht jeder mit einer Sehschwäche oder Sehbehinderung benötigt aber starke Vergrößerung. Oft reichen einige kleinere Änderungen am System, um den Bildschirm lesen zu können. Webentwickler müssen in diesem Zusammenhang Folgendes berücksichtigen (vgl. ebd.: 139ff.): • Übernahme der benutzerdefinierten Schriftgrößen für die Textdarstellung; • Anpassungen des Layouts an geringe Bildschirmauflösungen und • Kombinationen der beiden ersten Punkte. Linearisierbarkeit In »Screenreadern«, aber auch in Vergrößerungssystemen ist die Nutzbarkeit eines Web-Layouts abhängig von der linearen Darstellbarkeit der Inhalte. Während der Bildschirm einen Überblick wie z.B. Kopfzeile, Navigation und Inhalt bietet, werden von Sprachausgaben und Brailledisplays nur kleinere Informationsblöcke in linearer Form nacheinander ausgegeben. So kann eine umfangreiche Navigationsleiste dazu führen, dass der Inhalt ›sehr weit hinten‹ auf einer Seite zu finden ist (vgl. ebd.: 152ff.). Diese Problematik lässt sich im Wesentlichen mit semantischem (X)HTML lösen, erfordert jedoch konzeptionelle Vorarbeit. Es geht hier um die Gebrauchstauglichkeit in der linearen Nutzung einer ansonsten zweidimensionalen Benutzeroberfläche. Während in einem Browser die Nutzung am Bildschirm durchaus ergonomischen Prinzipien genügen kann, so ist die Nutzung ohne Layout – z.B. mit einem »Screenreader« – gesondert zu analysieren und zu bewerten. Geräteunabhängigkeit und Dynamik Die Geräteunabhängigkeit ist einer der übergreifenden Ziele der Barrierefreiheit – und gleichzeitig kritisch in der Umsetzung. Neben der Bedienbarkeit mit beliebigen Eingabegeräten spielen die eingesetzten Techniken eine Rolle (vgl. ebd.: 166ff.): • Zunächst sollten alle Funktionen mit Maus und Tastatur bedient werden können. Im Web umfasst das vor allem Links und Formulare sowie Strukturelemente. Oft ist es bei der Tastaturnutzung nicht eine Frage des ›Ob‹, sondern des ›Wie‹: Während der Mauszeiger eine Eingabemöglichkeit darstellt, die über den gesamten Bildschirm bewegt werden kann, ist die Navigation alleine mit der Tastatur im Wesentlichen linear. Mit der Tabulatorentaste auf der Tastatur werden Links und Formulare sequenziell angesprungen, was eine gute Gliederung verlangt.
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• Bei Techniken, die in einer eigenen Anwendung oder in einem BrowserPlug-In angezeigt und bedient werden müssen (z.B. Flash, PDF, JavaApplets), kommt es bei der Barrierefreiheit vor allem darauf an, dass Hilfsmittel mit diesen ›anderen‹ Anwendungen kommunizieren können und die Inhalte direkt zugänglich gemacht werden. Beispielsweise werden PDF-Dokumente nicht nativ im Browser, sondern entweder in einem PDF-Anzeigeprogramm wie Adobe Reader oder mit einem Plug-In für den Browser angezeigt. • Dynamische Veränderungen von Inhalten (z.B. mit JavaScript) können in »Screenreadern« und Vergrößerungssystemen Probleme verursachen, wenn mehrere Informationen gleichzeitig verändert werden. Diese Problematik hängt eng mit der Linearisierbarkeit zusammen, denn am Bildschirm können dynamische Veränderungen von Inhalten erkannt und gegebenenfalls mit dem Mauszeiger bedient werden. Hingegen ist mit einer Sprachausgabe oder einer starken Vergrößerung mit einem winzigen Bildschirmausschnitt nicht immer deutlich, dass sich weiter oben oder links auf der Seite etwas geändert hat. Verständlichkeit, Navigation und Orientierung Diese sehr nutzerorientierten und oft individuellen Anforderungen umfassen die meisten ›weichen‹ Kriterien. Gleichzeitig haben sie eine große Schnittmenge zur Gebrauchstauglichkeit. Diese Aspekte umfassen (vgl. ebd.: 95ff.): • Navigation (z.B. Wahrnehmbarkeit, Geräteunabhängigkeit oder Schlüssigkeit und Konsistenz von Navigationsleisten); • Orientierungshilfen (z.B. Hilfefunktion, Übersichten); • verständliche Texte sowohl in redaktionellen Beiträgen als auch für die Navigation; • zusätzliche Inhalte in Leichter Sprache und in Gebärdensprache; • Kennzeichnung fremdsprachiger Texte (für Sprachausgaben). Vor allem die ersten drei Punkte kommen nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern allen Nutzern zugute. Strukturierte Inhalte Mit gut strukturierten Inhalten ist sowohl eine bessere Navigation innerhalb einer Seite als auch leichtere Erschließung von Inhalten mit »Screenreadern« möglich. Vor allem die semantischen Aspekte von (X)HTML fördern dabei die Barrierefreiheit (vgl. ebd.: 182ff.):
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• Ein semantischer Seitenaufbau kann die schwierige Problematik der Linearisierbarkeit kompensieren, indem Überschriften, Listen und ähnliche (X)HTML-Elemente sinnvoll eingesetzt werden. Spezielle Funktionen in »Screenreadern« erlauben es dem Nutzer, diese Informationen zu erfassen, sie gezielt anzuspringen und ebenso zu umgehen. • Formulare und Datentabellen sind in einer linearen Ausgabe besonders schwierig zu navigieren und deshalb erhält ihre korrekte Strukturierung eine besondere Rolle. Durch die Strukturierung der Inhalte mit (X)HTML wird auch die Grundlage gelegt für die Trennung von Inhalt und Layout. Diese Themen werden im nachfolgenden Beitrag »Umsetzung eines barrierefreien Webauftritts für Museen« wieder aufgegriffen. Richtlinien für barrierefreie Museumsangebote im Web BITV und WCAG1 In Deutschland ist die Grundlage für das barrierefreie Webdesign die »Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung« (BITV).6 Museen fallen im Allgemeinen nicht in den Geltungsbereich der BITV,7 jedoch sind die technischen Standards, die in der BITV enthalten sind, ein anerkannter Maßstab für die Barrierefreiheit im Web. Vorlage für die seit dem 24. Juli 2002 geltende BITV waren die internationalen »Web Content Accessibility Guidelines 1.0« (WCAG1) des World Wide Web Consortiums (W3C) vom 5. Mai 1999.8 Anlage 1 der BITV enthält eine deutschsprachige Übertragung der WCAG1. Die 14 Themengebiete der WCAG1 sowie die 66 konkretisierenden Checkpunkte sind in die BITV übertragen worden. WCAG2 Seit der Veröffentlichung der WCAG1 wird an den »Web Content Accessibility Guidelines 2.0« (WCAG2) gearbeitet. Fast alle Kriterien der WCAG1 werden in den WCAG2 aufgenommen und einem von vier Gestaltungsprinzipien 6 Vgl. www.einfach-fuer-alle.de/artikel/bitv/bgg vom 18. September 2006. 7 Welche Museen zur Barrierefreiheit im Web verpflichtet sind, hängt von der Trägerschaft ab. Von der Bundes-BITV aus sind bundesunmittelbare Körperschaften verpflichtet. Vgl. www.bik-online.info/info/gesetze/geltungsbereich vom 18. September 2006. 8 Vgl. www.w3.org/TR/WCAG10 vom 18. September 2006.
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zugeordnet. Diese vier Prinzipien lauten: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit der Technik. Die Gestaltungsprinzipien sind allgemeiner formuliert und technikübergreifend, d.h. sie sind nicht mehr nur auf (X)HTML oder auf andere Techniken beschränkt wie in den WCAG1. Damit soll sichergestellt werden, dass alle im Web eingesetzten Techniken einschließlich solcher, die erst in der Zukunft verfügbar sein werden, barrierefrei umgesetzt werden. Derzeit liegt ein Entwurf der WCAG2 vor, der offiziell als Richtlinie des W3C verabschiedet werden soll.9 Danach stünden sie auch als zugrunde liegende Standards zur Übernahme in die BITV zur Diskussion. MINERVA-Qualitätsprinzipien Die von den europäischen Kultusministerien initiierte National Representatives Group verfolgt das Ziel, Digitalisierungsprojekte im Bereich des europäischen Kulturerbes zu koordinieren. Das MINERVA-Projekt ist der operative Arm dieser Bestrebungen, bei dem gemeinsame Ansätze für Digitalisierungsprojekte in Kultur und Wissenschaft festgelegt werden. Für die verschiedenen Themenkomplexe wurden vier Arbeitsgruppen eingerichtet, einschließlich der Arbeitsgruppe »Qualität«,10 die das Handbuch »Quality Principles for Cultural Websites« veröffentlicht hat. In dieser Veröffentlichung werden zehn Qualitätsprinzipien für Webauftritte erläutert und Checklisten zur Überprüfung geboten (vgl. MINERVA 2005b). Demnach soll ein qualitativ hochwertiger kultureller Webauftritt:11 • sich durch Transparenz auszeichnen – durch deutliche Benennung von Identität und Zweck des Webauftritts sowie der verantwortlichen Organisation; • effektiv für die Nutzer sein durch Auswahl, Digitalisierung, Aufbereitung, Präsentation und Richtigkeit der Inhalte; • qualitätspolitischen Richtlinien entsprechen, die eine angemessene Pflege und Aktualisierung des Webauftritts sicherstellen; • für alle Nutzer zugänglich sein, unabhängig von deren eingesetzter
9 Vgl. www.w3.org/TR/2006/WD-WCAG20-20060427 vom 18. September 2006. 10 Die vollständige Bezeichnung lautet: MINERVA-Arbeitsgruppe »Qualität« WP5 – Identifizierung von Benutzerbedürfnissen, Inhalt und qualitativen Rahmenbedingungen für den Zugang zu kulturellen Webseiten. 11 Die folgenden Prinzipien sind Übersetzungen aus dem englischen Original, die vom Autor erstellt wurden. Zum Zeitpunkt der Manuskriptabgabe lag keine Übersetzung der MINERVA-Arbeitsgruppe vor.
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Technik oder einer Behinderung. Dies gilt für Navigation, Inhalte und interaktive Elemente; benutzerorientiert sein, indem die Nutzerbedürfnisse sowie Relevanz und leichte Bedienbarkeit und das Reagieren auf Auswertungen und Rückmeldungen der Nutzer berücksichtigt werden; kommunikationsorientiert sein, indem die Nutzer Kontakt aufnehmen können und zweckdienliche Antworten erhalten. Wo angemessen, sollen Nutzer zu Fragen, zur Mitteilung von Informationen und zu Diskussionen mit anderen Nutzern motiviert werden; der Bedeutung von Mehrsprachigkeit bewusst sein, indem ein Mindestmaß an Zugang in mehr als einer Sprache geboten wird; die Interoperabilität zwischen kulturellen Netzwerken anstreben, damit Nutzer ihren Bedürfnissen entsprechend Inhalte und Dienstleistungen leichter auffinden können; rechtlichen Bestimmungen wie Urheberrecht und Datenschutz nachkommen und die Regelungen und Bedingungen zur Nutzung des Webauftritts und der Inhalte verdeutlichen; solche Strategien und Richtlinien übernehmen, die die langfristige Bewahrung des Webauftritts und dessen Inhalts sicherstellen.
Im Handbuch über die Qualitätsprinzipien wird das Prinzip »Zugänglichkeit« direkt mit den WCAG1 verknüpft, was in diesem Kontext gleichwertig mit der BITV ist. Aus diesem Grund wird in diesem Beitrag auf die BITV und nicht die WCAG1 verwiesen und ebenso von »Barrierefreiheit« und nicht »Zugänglichkeit« gesprochen. In den Erläuterungen zum Qualitätsprinzip der Barrierefreiheit wird auf die Möglichkeit einer Textversion hingewiesen. An dieser Stelle soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass solche Sonderseiten im Widerspruch zur BITV stehen und kein Ausdruck der Barrierefreiheit sind.12 Rahmenbedingungen für barrierefreies Webdesign Barrierefreies Webdesign ist die Kunst, Webseiten so zu gestalten, dass jeder sie nutzen und lesen kann.13 Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, die Nutzbarkeit und Lesbarkeit eines Webauftritts zu verbessern. Selbstverständlich müssen die Richtlinien zur Barrierefreiheit eingehalten werden, aber sie stellen lediglich ein Gerüst dar, das es mit Inhalt, Struktur und Funktion zu füllen gilt. 12 Vgl. den Beitrag »Umsetzung eines barrierefreien Webauftritts für Museen« des Autors in diesem Band. 13 Vgl. www.barrierefreies-webdesign.de vom 18. September 2006.
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Barrierefreiheit ist eine nutzerorientierte Betrachtung eines Webauftritts, und die dauerhafte Bewahrung eines einmal erreichten Zustandes erfordert mehr als technische Anpassungen. Die Themen sind vielfältig und betreffen unterschiedliche Bereiche der Informationsverarbeitung. In diesem Abschnitt wird auf drei Aspekte exemplarisch eingegangen, die bei der Umsetzung wichtig sind: Umfang, Organisation und Werkzeuge. Barrierefreiheit ist mehr als die Einhaltung technischer Standards Barrierefreie Webauftritte erfordern in allen Arbeitsprozessen Anpassungen, die vor allem die verschiedenen Nutzergruppen in den Mittelpunkt stellen. Die Frage lautet: ›Wie kommt ein beliebiger Nutzer mit seinen Fähigkeiten und Kenntnissen zu seiner gewünschten Information?‹ Anhand von zwei Beispielen, »Verständlichkeit« und »Technik«, soll die Komplexität dieser Frage vor dem Hintergrund der Barrierefreiheit dargestellt werden. Verständlichkeit und die Erreichung der Nutzer Das Web ist ein globales und in vielen Punkten neuartiges Medium. Praktisch jeder ist in der Lage, Webinhalte zu erschließen. Deshalb erhält die Verständlichkeit und die Berücksichtigung der Nutzerfähigkeiten und -kenntnisse beim Medium »Web« eine besondere Rolle. Diese Aspekte werden noch viel wichtiger, wenn ein Informationsangebot einzigartige Inhalte enthält und dem Nutzer keine Alternativen zur Verfügung stehen. Allgemeine Verständlichkeit Das verwendete Sprachniveau ist entscheidend für das Verständnis von Inhalten. Verständlicher Text wird sowohl in der BITV14 als auch in den MINERVA-Prinzipien15 gefordert, jedoch werden Bewertungskriterien offen gelassen. Es gibt verschiedene Verständlichkeitsmodelle.16 Das bekannteste Modell ist die »Flesch-Formel«. Die Verständlichkeit von Texten wird u.a. anhand von Wort- und Satzlängen gemessen, was in der deutschen Sprache regelmäßig zu schlechten Ergebnissen führt. Ein auf deutsche Texte anwendbares Modell ist das Hamburger Verständlichkeitskonzept von Lange et al.17 Texte werden nach diesem Konzept anhand der vier Merkmale »Ein14 Vgl. Bedingung 14.1 der BITV. 15 Vgl. 2. MINERVA-Qualitätsprinzip. 16 Vgl. www . doctima . de/allgemein/verstaendlichschreiben.html vom 18. September 2006. 17 Vgl. www.doctima.de/allgemein/uebergreifend/verstaendlichkeitstheorie.html vom 11. April 2007.
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fachheit«, »Gliederung und Ordnung«, »Kürze und Prägnanz« sowie »anregende Zusätze« bewertet.18 Ein weiterer Ansatz wurde von Groeben vorgestellt. Die Schwerpunkte seines Ansatzes sind psychologischer, linguistischer und kybernetischer Natur. Das Ergebnis ähnelt dem Hamburger Verständlichkeitskonzept mit dem Unterschied, dass Groeben nicht nur Merkmale von Texten beschreibt, sondern auch Merkmale des Lesens.19 Welches der Konzepte soll als Maßstab für die Bewertung der Verständlichkeit eingesetzt werden? Die »Flesch-Formel« ist einfach anzuwenden, allerdings auf die englische Sprache bezogen. Außerdem sagt sie nichts über die tatsächliche Verständlichkeit aus, sondern gibt Auskunft über die objektive Oberflächenstruktur eines Textes. Die Konzepte von Lange bzw. Groeben erlauben hingegen die Bewertung der Verständlichkeit eines Textes. Die Anwendbarkeit dieser Konzepte erfordert aber ein entsprechendes Training sowie Erfahrung. Die Verständlichkeit von Webinhalten hängt also in nicht unerheblichem Maße von der Qualifikation der Redakteure ab. Zu bedenken sind auch folgende Punkte: • Das Web bzw. das Lesen am Bildschirm bringt eigene Anforderungen an die Textgestaltung mit sich, z.B. die Verwendung von knappen Texten. • Ein kulturbezogener Webauftritt muss in einer Sprache geschrieben sein, die der kommunikativen und qualitativen Aufgabe des Kulturerbes angemessen ist.20 • Je tiefer ein Nutzer in einem Webauftritt forscht, desto spezialisierter kann die Sprache werden.21 Übersetzung von Inhalten Trotz Bemühen um eine verständliche und mediengerechte Sprache kann die Verständlichkeit von Texten nicht immer gewährleistet werden. Inhalte könnten aufgrund ihrer Komplexität oder einer geringeren Schriftsprachkompetenz der Nutzer nach wie vor unverständlich sein. Insbesondere bei Gehörlosen und Menschen mit Lernbehinderungen können Übertragungen von Texten in leichter verständliche Formen erforderlich sein. Für Texte, die an deutsche Gehörlose gerichtet sind, könnte der Einsatz 18 Vgl. www.barrierefreies-webdesign.de/knowhow/verstaendlicher-text vom 18. September 2006. 19 Vgl. www.doctima.de/allgemein/verstaendlichkeitstheorie.html vom 18. September 2006. 20 Vgl. 5. MINERVA-Qualitätsprinzip: Dort wird explizit darauf eingegangen, dass Nutzer nicht unbedingt die erforderliche Fachsprache beherrschen. Vgl. hierzu auch MINERVA (2005a: Abschnitt 1.B.5). 21 Vgl. MINERVA (2005a: Abschnitt 1.B.6).
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der Deutschen Gebärdensprache (DGS) in Frage kommen.22 Für einen Teil der Gehörlosen in Deutschland ist die deutsche Schriftsprache eine Fremdsprache, die zu Verständnisschwierigkeiten führt. In Deutschland ist die DGS eine anerkannte Sprache (vgl. § 6 Abs. 1 Behindertengleichstellungsgesetz). Für solche Übersetzungen sind Spezialisten anzusprechen. Ein weiteres Thema ist die Leichte Sprache – eine Vereinfachung von Sätzen und Wörtern für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Genauso wie die Gebärdensprache sind hier Übertragungen der Inhalte erforderlich, die erstellt und ggf. laufend gepflegt werden müssen. Ein Beispiel für Leichte Sprache bietet die Aktion Mensch in der Dokumentation zur Ausstellung »der [im]perfekte mensch«.23 Messungen des Besucherverhaltens ergaben, dass bis zu einem Drittel der Besucher auf Leichte Sprache ›umschalteten‹ und diese Einstellung während ihres Besuchs auf dem Webauftritt beibehielten. Alternative Erschließung von Inhalten Im Web geht es nicht allein um Texte, sondern auch um Navigation und Orientierung. Heute bieten viele Webauftritte bereits mehrere Navigationsmechanismen an. Neben einer oder mehrerer Navigationsleisten finden sich Gesamtübersichten (»Sitemaps«) und Suchfunktionen auf vielen Webauftritten. In der BITV sind viele Anforderungen speziell an die Navigation und Orientierung gestellt.24 Die Verständlichkeit von Navigationssystemen beruht dabei nicht alleine darauf, wie die Themen online organisiert werden. Bei der Barrierefreiheit der Navigation geht es darum, verschiedene Konzepte anzubieten, die sich ergänzen und alternativ genutzt werden können. Konkret geht es um folgende drei Fragenkomplexe: • Sind die Navigationsleisten für jeden Besucher nachvollziehbar und schlüssig? Hier spielen Umfang, Anordnung im Layout und Konsistenz innerhalb des Webauftritts eine wesentliche Rolle. Weiter stellt sich die Frage, ob die verwendeten Begriffe, z.B. innerhalb von Menüs, allgemein verständlich sind. • Stellen Übersichten geeignete Alternativen zur Navigation dar? Die reine 22 Vgl. 8. MINERVA-Qualitätsprinzip: die Gebärdensprache in ihren verschiedenen europäischen Ausprägungen wird als Option zur Verbesserung der Verständlichkeit erläutert. 23 Vgl. www.imperfekt.de vom 18. September 2006 sowie den Beitrag von Petra Lutz in diesem Band. 24 In der BITV werden Navigation und Orientierung in Anforderung 13 behandelt. Vgl. auch das 2. MINERVA-Qualitätsprinzip.
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Abbildung der Navigation mit allen Unterseiten ist zwar in vielen Fällen hilfreich zur Erfassung eines Angebots, aber es kann nützen, kontextuelle Übersichten, Stichwortverzeichnisse, ergänzende Beschreibungen für einzelne Seiten oder interaktive Filterfunktionen anzubieten. • Was ist, wenn ein Nutzer eine Rechtschreibschwäche hat und die Suchfunktion nicht nutzen kann, z.B. weil Suchbegriffe orthografisch falsch verwendet werden? Sind phonetische Suchen oder Korrekturvorschläge in der Bearbeitung der Suchanfragen berücksichtigt? Vor allem bei der Konzeption eines Webauftritts müssen diese alternativen Nutzerstrategien bei der Erschließung von Inhalten berücksichtigt werden. Inhalt vor Form Wie bei der Verständlichkeit von Inhalten ist auch bei der Wahl der Präsentationstechnik Einiges in Hinblick auf die Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Es geht um Prinzipien – oder im Klartext: um Standardkonformität. Es geht aber auch um die Wahl der ›angemessenen‹ Technik für eine bestimmte Aufgabe. Während die Einhaltung von Standards, etwa (X)HTML und CSS, von der Technik beherrschbar ist, kann die Wahl einer anderen Präsentationstechnik, wie PDF oder Flash, auf Dauer zu Mehraufwendungen führen, wenn die Barrierefreiheit gewährleistet werden soll. Auch stellt sich die Frage, ob das Design oder der Inhalt vorrangig für die Präsentation ist. Wenn Arbeitsprozesse betrachtet werden, so steht Design meist am Anfang eines Prozesses. Bereiche und Funktionen eines Webauftritts werden definiert, Logos und Farben werden festgelegt und der Abstimmungsprozess mit dem Grafikdesign beginnt. Erst später im Prozess werden die technische Umsetzung des Designs und die Optimierung der Gebrauchstauglichkeit vorgenommen. Diese Vorgehensweise hat seinen guten Grund: Wenn es nichts zu sehen gibt, gibt es auch keinen Auftrag. Und dennoch muss dieses Vorgehen bei der Entwicklung eines Webauftritts aus zwei Gründen kritisiert werden: • Ein einmal abgenommenes grafisches Design kann höchst einschränkend sein, wenn spätere Anpassungen an inhaltliche und funktionale Anforderungen gestellt werden, denn diese müssten sich dem Design unterordnen. Wenn Inhalt und Funktion zuerst ›abgeklopft‹ werden, so kann das grafische Design die wesentlichen Inhalte und Funktionen besser akzentuieren. • Ein Aspekt der Barrierefreiheit ist die Standardkonformität und die damit einhergehende Trennung von Inhalt und Layout. Wer nach diesen Maximen handelt, muss Inhalte zunächst strukturieren, um erst im Anschluss ein Design darüber legen zu können. Bei gut strukturierten Seiten ist ein
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Design beliebig austauschbar, wie die Seite www.csszengarden.com eindrucksvoll zeigt. Das Umdenken ist kein Spaziergang und erfordert Anstrengungen sowohl im Umgang mit Webtechniken als auch in der Kommunikation. Hierzu kommen wir im nächsten Abschnitt. HTML ist das Handwerk, CSS ist die Kunst Ohne Zweifel ist (X)HTML die grundlegende Technik im Web. (X)HTML ist die Sprache des Webs, die sämtliche Browser verstehen. Dabei sind HTML 4.01 und XHTML 1.0 gleichwertig einzustufen, d.h. sie werden hier stets mit (X)HTML bezeichnet. Ein semantisch mit (X)HTML aufbereitetes Webdokument ist wiederum die Voraussetzung für die standardkonforme Gestaltung mit CSS oder in anderen Worten: die Trennung von Inhalt und Layout. CSS steht für »Cascading Style Sheets« und ist eine äußerst leistungsfähige und effektive Möglichkeit, das Layout und die Formatierung von Webseiten zu kontrollieren. Seit vielen Jahren gibt es keinen nennenswerten Grund, auf semantisches (X)HTML und CSS zu verzichten.25 Dennoch werden viele Webauftritte nach wie vor mit Tabellen gestaltet. Die Erfahrung zeigt, dass Webentwickler zwei bis drei Projekte durchlaufen haben müssen, um die Vorteile von CSS ausschöpfen zu können. Ohne die Trennung von Inhalt und Layout ist aber die Barrierefreiheit nicht zu haben und zur Erreichung der Barrierefreiheit müssen ggf. veraltete Arbeitsweisen und Software auf den heutigen Stand gebracht werden. Fragen der Kompatibilität Es gibt zahlreiche Formate, die im Web genutzt werden. Für Dokumente werden neben (X)HTML beispielsweise PDF oder RTF genutzt. Genauso gibt es aber für Multimedia verschiedene Formate, ebenso wie für Grafiken. Obwohl der Einsatz jedes Formats Vor- und Nachteile haben kann, spielt bei der Barrierefreiheit die Kompatibilität und die direkte Zugänglichkeit die ausschlaggebende Rolle. Bestimmte Techniken sind nur bedingt kompatibel mit Hilfsmitteln wie »Screenreadern« oder Vergrößerungssystemen. Zu diesen Techniken zählen u.a. Flash, aber auch Java-Applets oder PDF. Der Grund hierfür ist, dass diese Techniken mit anderer Software als dem Browser angezeigt werden und dass die Hilfsmittel beispielsweise nicht optimal mit der dafür nötigen 25 Semantisches (X)HTML und die Gestaltung mit CSS erfordert die Unterstützung von CSS2. Obwohl diese Spezifikation 1998 vom W3C veröffentlicht wurde (www. edition-w3c.de/TR/1998/REC-CSS2-19980512/),unterstütztederBrowserNetscape 4 CSS2 nicht. Heute spielt Netscape 4 keine Rolle mehr.
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Software wie dem »Adobe Reader« arbeiten. Jedes Format hat bestimmte Vorzüge, aber es müssen auch Gesichtspunkte der Barrierefreiheit einbezogen werden, um die Frage nach der Angemessenheit eines Formats zu beantworten. Die Angemessenheit eines Formats ergibt sich durch die Komplexität der Inhalte beziehungsweise der Aufgabe. Für einfache Inhalte ist (X)HTML vorzuziehen, weil (X)HTML bzw. die Browser in Verbindung mit den Hilfsmitteln die beste Zugänglichkeit bieten. Es gibt aber Aufgaben, die derzeit nicht mit standardkonformer Gestaltung erfüllt werden können, etwa interaktive Multimedia oder das Signieren von Dokumenten. Für zweiteres ist PDF ›angemessen‹, wenn die Möglichkeiten der barrierefreien Gestaltung von PDF26 ausgeschöpft werden. Aber wie sieht es aus, wenn z.B. umfangreiche (nicht barrierefreie) PDF-Archive bestehen und das PDF-Format für diese Dokumente nicht angemessen ist bzw. wenn die Inhalte keinerlei Strukturen (Tags) aufweisen? Gibt es Möglichkeiten, große Mengen an Dateien in (X)HTML umzuwandeln? Speziell zu PDF ist zu sagen, dass bereits bestehende Archive nur durch die komplette Überarbeitung mit Software von Adobe Systems oder ABBYY Software House barrierefrei umgestaltet werden kann. Da es vor allem um »tagged PDF« geht, kann auch »Open Office 2« eingesetzt werden, wenngleich die Möglichkeiten in dieser Anwendung begrenzt sind. Es muss abgewogen werden, ob und wie PDF-Dokumente angeboten werden und wie Arbeitsprozesse geändert werden können, damit die Inhalte von PDF-Dokumenten für alle zugänglich werden.27 Barrierefreiheit heißt zunächst mal: Kommunizieren und Diskutieren Ein erfolgreiches Webprojekt sollte zur Zufriedenheit des Auftraggebers, der dienstleistenden Agentur und des Nutzers online gehen. Um ein Projekt so weit zu bringen, müssen verschiedene Ziele zusammengeführt werden. Problematisch kann hier die Kommunikation werden, denn die Beteiligten aus Design, Technik und Öffentlichkeitsarbeit ›sprechen‹ unterschiedliche ›Sprachen‹. Bei der Barrierefreiheit ist dieser Aspekt besonders zu beachten, denn es gibt nach wie vor viele Missverständnisse bei diesem Thema, etwa:
26 Vgl. www.barrierefreies-webdesign.de/knowhow/pdf vom 18. September 2006. 27 Vgl. www.barrierefreies-webdesign.de/knowhow/pdf-barrierefrei vom 18. September 2006.
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• Barrierefreiheit wird gelegentlich als einschränkend für das Design angesehen, dabei schließt Barrierefreiheit das CSS-Design mit allen Konsequenzen ein.28 • Es findet sich ein neuer Posten »Barrierefreiheit umsetzen« auf dem Kostenvoranschlag. Barrierefreiheit bedeutet mehr Aufwand, wenn man sich vorher nicht damit befasst hat.29 Die Standardkonformität sollte Kosten erheblich reduzieren, hingegen werden einzigartige und komplexe Angebote in ihrer Gesamtheit konzipiert, gestaltet und umgesetzt werden müssen. Barrierefreiheit ist dabei ein integrativer Bestandteil und kann nicht gesondert betrachtet werden. Wie in jedem Prozess spielen bei der Umsetzung eines Webauftritts eine gute Vorbereitung und der Einsatz geeigneter Ressourcen eine wichtige Rolle. Verschiedene Interessen wollen berücksichtigt werden, Termine und Kosten werden abgesteckt und natürlich soll eine bestimmte Qualität des Ergebnisses erreicht werden. Wenn hierzu die MINERVA-Qualitätsprinzipien herangezogen werden, so kommen weitere komplexe Anforderungen hinzu, die weit über den Tag der Onlinestellung hinaus projiziert werden müssen – wie z.B. die dauerhafte Bewahrung eines Webauftritts oder die Interoperabilität. Die Barrierefreiheit spielt sowohl während der Entwicklungsphase als auch bei der redaktionellen Pflege eine Rolle. Während die Aspekte in der tagtäglichen Aufrechterhaltung des Webauftritts durch ein geeignetes Redaktionssystem in Verbindung mit Redakteursschulungen überschaubar gehalten werden können, werden in der Entwicklungsphase oft Fehler gemacht, die mit dem Fortschreiten des Prozesses nur mit hohem Aufwand nachkorrigiert werden können bzw. zu einem höheren Aufwand während des späteren Redaktionsalltags führen. Eine Möglichkeit, solche Fehler zu vermeiden, ist der Einsatz von Prototypen und eine entsprechende Einbindung behinderter Nutzer in der Entwicklungsphase. Mit »Prototyp« ist eine funktionsorientierte Darbietung des Webauftritts gemeint, in der vor allem Navigation und Inhalte enthalten sind. Ganz nach dem Leitsatz »Funktion geht vor Form« sollen die funktionalen Aspekte im Vordergrund stehen. Zunächst besteht der Entwurf eines Webauftritts aus inhaltlichen und funktionalen Beschreibungen, die sukzessive eingestellt und getestet werden. Gemeinsam werden Strukturen, Inhalte und Funktionen von Auftraggeber, Dienstleister und Nutzer entwickelt. Verbesserungs28 Vgl. www.csszengarden.com vom 30. Oktober 2006. 29 Vgl. http : // blog . aperto. de/ 2005/ 11/ 08/ usability/ barrierefreiheit - als - wirtschaftsfaktor vom 18. September 2006 und www.design4all.ch/workshops/040820/data/02_ business-accessibility.pdf vom 18. September 2006.
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vorschläge können unmittelbar umgesetzt werden und der Austausch zwischen den Beteiligten kann laufend erfolgen.30 Auf diese Weise können Fragen zu ›Kleinigkeiten‹ auf dem ›kurzen Dienstweg‹ diskutiert und dokumentiert werden. Beispielsweise wird oft die Frage nach den optimalen Alternativtexten für Bilder gestellt. Was genau als Alternativtext für ein bestimmtes Bild formuliert werden soll, hängt aber nicht nur von Inhalt und Funktion des Bildes, sondern auch von seinem Kontext ab. Es sind einerseits die formalen Kriterien (Textäquivalenz) zu erfüllen und andererseits die Bedingungen einer guten Nutzbarkeit (in diesem Fall) in einem »Screenreader« anzustreben, denn ein Alternativtext »Eisenbahn« kann genauso äquivalent für ein bestimmtes Bild sein wie »Schnellzuglokomotive 01 10 82, Darstellung ohne Fahrer«.31 Natürlich müssen solche Detailfragen frühzeitig geklärt sein, die Problematik in Schulungen integriert und Nutzer regelmäßig bei der Qualitätssicherung eingebunden werden. Möglicherweise reichen zur Optimierung der Alternativtexte einige Testdurchläufe mit einem blinden Nutzer aus. Prototypen dienen in erster Linie der Optimierung der Entwicklungsund Designprozesse. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Kommunikationsmöglichkeiten. Eine gelungene Beschreibung eines derartigen Verfahrens findet sich in »Client vs. Developer Wars« von Eric Holter (2002).32 Auswahl eines Redaktionssystems Neben der gestalterischen Auseinandersetzung mit der Barrierefreiheit müssen auch geeignete Werkzeuge in Form eines Redaktionssystems vorhanden sein. Ein solches System wird eingesetzt, um möglichst viele Aufgaben bei der Bereitstellung von Webseiten automatisch umzusetzen. Dabei sollen die Redakteure sich auf die redaktionellen Tätigkeiten beschränken können. Auf diesem Wege sollte ein Redaktionssystem einen Großteil der Anforderungen zur Barrierefreiheit abdecken, was aber in der Praxis meist nicht der Fall ist. Aber wie stellt man fest, ob ein Redaktionssystem die Barrierefreiheit sicherstellen kann? Bei der Auswahl eines Redaktionssystems spielt die Standardkonformität eine wichtige Rolle. Diese Anforderung muss vom Redaktionssystem 30 Vgl. das 5. MINERVA-Qualitätsprinzip: Die Integration verschiedener Nutzer im Entwicklungsprozess wird explizit gefordert. 31 Ein »Spiel« auf http://images.google.com/imagelabeler vom 18. September 2006 verdeutlicht, wie sehr der Alternativtext auch vom Kontext, in dem das Bild zu sehen ist, abhängt. 32 Ein sehr einfacher Prototyp steht auf www.minervaeurope.org/structure/working groups/userneeds/prototipo/museoweb_e.html vom 18. September 2006 beschrieben.
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geleistet werden können, wenn Barrierefreiheit erreicht werden will. Im Umkehrschluss heißt das, dass viele Redaktionssysteme und sonstige Software zur Erstellung von Webinhalten mangels der Unterstützung der Trennung von Inhalt und Layout von vorneherein ausgeschlossen werden müssen.33 Die Frage nach dem ›richtigen‹ Redaktionssystem kann nicht eindeutig beantwortet werden, dafür gibt es zu viele Parameter. Generell könnte auf die »Authoring Tool Accessibility Guidelines 1.0« (ATAG1) des W3C verwiesen werden.34 Allerdings wird sich kein Redaktionssystem finden, das die Anforderung der ATAG1 erfüllt. Ebenso wenig gibt es derzeit ein Ranking o.Ä., das eine solche Qualität von Redaktionssystemen attestiert. Bei der Auswahl eines Redaktionssystems sollte systematisch vorgegangen werden. Folgende allgemeine Fragen35 sollten zunächst unabhängig von der Barrierefreiheit gestellt werden: • Handelt es sich um eine neue Entwicklung oder um einen Relaunch? • Handelt es sich um ein großes, mittleres oder kleines Projekt (inhaltlich)?36 • Steht ein großes, mittleres oder kleines Budget zur Verfügung? • Wie groß ist die Redaktion und wie gestaltet sich die Ablauforganisation? Weitere Fragen, etwa ob ein verfügbares Redaktionssystem eingesetzt werden soll oder ob es eine eigene Lösung geben soll, hängen von der Komplexität des Webauftritts ab. Wenn solche grundlegenden Fragen geklärt sind und aus der Vielfalt der Systeme eine überschaubare Menge37 der in Frage kommenden Systeme ermittelt wurde, müssen in Bezug auf die Barrierefreiheit noch einige weitere Fragen gestellt werden: • Welche gesetzlichen Bestimmungen können das Redaktionssystem betreffen (z.B. BITV, SGB IX)? • Welche Inhalte müssen in das neue System übernommen werden (Migration)? 33 Zahlreiche Produkte sind fast zehn Jahre nach der Veröffentlichung der CSS2Spezifikation in 1998 nur in der Lage, Weblayouts mit Tabellen zu erzeugen. 34 Vgl. www.w3.org/TR/ATAG10 vom 30. Oktober 2006. 35 Vgl. Checklisten wie auf www.axentic.com/de/download/CMS %20Evaluation.pdf vom 18. September 2006. 36 Vgl. 3. und 7. MINERVA-Qualitätsprinzipien: Es sind einige technische Aspekte auch in einem Redaktionssystem zu berücksichtigen. 37 Vgl. www.contentmanager.de/itguide/produktfinder.html vom 18. September 2006.
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• Wie soll der Interaktionsgrad zwischen Nutzer und Webauftritt sein? • Ist das System skalierbar? • Wie groß ist der Schulungsaufwand für die Redaktion? Die Antworten hängen zum Teil von den allgemeinen Parametern und zum Teil vom Grad der zu erreichenden Barrierefreiheit ab. Worauf sollte man also unbedingt achten, wenn man ein Redaktionssystem auswählt? Die wichtigsten Merkmale sind: • Erzeugung von validem (X)HTML; • Integration von Werkzeugen zur Erhöhung der Barrierefreiheit (z.B. »Tidy«); • alternative Eingabemöglichkeiten (Texteditor, WYSIWYG, Formular) und • Trennung von Inhalt, Struktur, Präsentation und Logik im Redaktionssystem. Am letzten Punkt scheitern die allermeisten heutigen Redaktionssysteme. Auf dieser Basis kann man nur wenige Empfehlungen für barrierefreie Redaktionssysteme abgeben und Barrierefreiheit ›out of the Box‹ ist auch in diesen Systemen nicht gegeben. Das gilt auch für umfangreiche Systeme wie TYPO3 oder »Joomla«. Wenn die Barrierefreiheit ein entscheidendes Kriterium ist, ließen sich die folgenden Systeme anwenden: • »Textpattern«: Dieses System ist geeignet für ganz kleine Websites. Die Bedienung ist sehr leicht zu lernen und die HTML-Ausgabe entspricht den Anforderungen. Das System bietet einen Weblog und ist stark erweiterbar. Der große Malus ist die fehlende Möglichkeit, Navigationsstrukturen abzubilden. • »Papoo«: Dieses System wirbt sehr stark mit der Barrierefreiheit. Das System kann Navigationsstrukturen abbilden, kommt aber bei mittleren Projekten schon mal an seine Leistungsgrenzen heran. • »WebEdition«: Dieses kostenpflichtige System bietet einige Module und Werkzeuge für die Unterstützung der Barrierefreiheit. Das System ist skalierbar und in der Version 4 ausgereift. Auch komplexe Webauftritte (Mehrsprachigkeit, Dynamik) können abgebildet werden. Diese Liste ist nicht erschöpfend. Unter anderem haben diese Anbieter sich lediglich etwas früher als andere mit der Barrierefreiheit befasst und können positive Ergebnisse vorweisen.
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Resümee Folgende vier Aussagen geben den Kern dieses Aufsatzes wider: • Barrierefreiheit ist nur erreichbar, wenn alle an der Webentwicklung beteiligten Personen die erforderliche Sensibilisierung erfahren haben. Dabei müssen Arbeitsweisen behinderter Nutzer im Mittelpunkt stehen. • Die Kosten für Barrierefreiheit entstehen vor allem auf organisatorischer Ebene. Hierzu zählen der Aufbau von Ressourcen genauso wie die Einbindung von Experten in laufende Prozesse. • Solange Nutzer mit Behinderung als Abweichung zum ›Durchschnittssurfer‹ gesehen werden, wird das Streben nach Barrierefreiheit Fehler und somit auch zusätzliche Kosten verursachen. Wenn hingegen die Heterogenität aller Nutzer angenommen wird, stellt das barrierefreie Webdesign ein Ziel sowohl für Anbieter als auch für Nutzer dar. • Die Bewertung der Barrierefreiheit muss stets im Nutzungskontext erfolgen. Die formalen Kriterien der Barrierefreiheit können lediglich als Rahmen gesehen werden. Literatur Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV), online verfügbar auf http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl102s2654.pdf. Hellbusch, Jan Eric/Bühler, Christian (Hg.) (2005): Barrierefreies Webdesign – Praxishandbuch für Webgestaltung und grafische Programmoberflächen, Heidelberg. Hellbusch, Jan Eric/Mayer, Thomas (2006): Barrierefreies Webdesign – Webdesign für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, 4. Aufl., Osnabrück. Holter, Eric (2002): Client vs. Developer Wars – Communicating the Web Development Experience, E-Book (PDF), online verfügbar auf www.newfang led.com/background/book.php. MINERVA (2005a): Identification of User Needs, Content and Quality Framework for Common Access Points, E-Book (PDF), online verfügbar auf www.minervaeurope.org/structure/workinggroups/userneeds.htm. MINERVA (2005b): Quality Handbook, E-Book (PDF), online verfügbar auf www.minervaeurope.org/publications/qualitycriteria.htm.
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Weiterführende Quellen im Web zu barrierefreiem Webdesign www.barrierefreies-webdesign.de – Informationsportal www.barrierekompass.de – Weblog www.einfachfueralle.de – Informationsportal mit Weblog www.minervaeurope.org – MINERVA-Projektseite
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Umsetzung eines barrierefreien Webauftritts für Museen
Jan Eric Hellbusch Einleitung Die Barrierefreiheit auch der Webangebote von Museen sollte ein wichtiges Anliegen bei der Planung und Entwicklung sein, dass nicht nur durch die MINERVA-Qualitätsprinzipien1 eingefordert wird: Die Angebote der Museen sind einzigartige Belege von Kultur und Wissenschaft, die jedem Bürger zugänglich gemacht werden müssen. Barrierefreies Webdesign genauso wie dessen Umsetzung ist kein spezifisches Thema der Museen. Das Web ist ein Medium, das der Information und der Kommunikation dient. Bei diesem Thema geht es darum, die technischen Voraussetzungen für Barrierefreiheit zu schaffen und die Inhalte so anzubieten, dass ein möglichst breites Publikum erreicht werden kann. Was Barrieren in der Webtechnik sind und welche Maßstäbe zur Bewertung der Barrierefreiheit herangezogen werden können, wurde im vorherigen Beitrag (»Barrierefreie Webauftritte der Museen: Eine Einführung«) diskutiert. Bei der Berücksichtigung der Barrierefreiheit sollten jedoch zwei Arten von Barrieren unterschieden werden: • Barrieren, die auf Fähigkeiten und Kenntnisse der Nutzer zurückzuführen sind. Diese müssen mit geeigneten Konzepten und mit dem Wissen über die besondere Behinderung der Nutzer entgegnet werden. • Barrieren, die auf technische und situative Bedingungen zurückzuführen sind. Obwohl auch hier das Wissen über verschiedene Behinderungsarten und die besonderen Einschränkungen erforderlich ist, so setzt der Abbau solcher Barrieren die Einhaltung einschlägiger Richtlinien voraus. Zugrunde gelegt wird hierfür die Anlage der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung (vgl. Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung 2002). Die Umsetzung des barrierefreien Webdesigns bedeutet oft ein Umdenken. Auf technischer Ebene setzt das die Verabschiedung von Tabellenlayouts und die Entdeckung der sehr viel flexibleren Möglichkeiten von CSS voraus. Aber auch Konzepter und Redakteure müssen bestimmte Teile ihrer Arbeit neu bedenken, um Webseiten von einem breiteren Publikum nutzen und lesen zu lassen. Das bedeutet z.B., dass das Vermitteln von Informationen 1 Vgl. den Beitrag »Barrierefreie Webauftritte der Museen: Eine Einführung« des Autors in diesem Band.
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aus Kultur und Wissenschaft auf eine barrierefreie Art und Weise zu einer Kernkompetenz der Museen entwickelt werden muss. Dieser Beitrag ist auf den Umsetzungsprozess ausgerichtet und zunächst in vier Kompetenzbereiche untergliedert: Konzeption, Technik, Grafikdesign und Redaktion. Es werden wichtige Zugangsbarrieren aufgegriffen und im Zusammenhang mit diesen Kompetenzbereichen beschrieben. Ausführliche Anleitungen, konkrete Handlungsanweisungen, Code-Beispiele und die teilweise erforderlichen Diskussionen über Lösungsstrategien müssen der weiterführenden Literatur entnommen werden. Auch sollte deutlich sein, dass bestimmte Themen zwei und mehr Kompetenzbereiche berühren können, auch wenn sie hier nur an einer Stelle genannt werden. In realen Projekten steht Grafikdesign oft am Anfang eines Projekts – zusammen mit der Konzeption. Das Grafikdesign wird hier jedoch erst nach der Diskussion der Technik behandelt. Damit soll nicht nur dem im vorherigen Beitrag beschriebenen Prototyping Rechnung getragen werden, sondern auch der Forderung nach Standardkonformität: Ein mit CSS umgesetztes Design ist erst nach der Bestimmung von Seitenaufbau und Semantik sinnvoll. Dem Autor ist bewusst, dass die Gestaltung eines Webauftritts für gewöhnlich nach grafischen Vorlagen erfolgt und die gewählte Einordnung als Idealzustand für die Erreichung der Barrierefreiheit anzusehen ist. In der Praxis ist der Umgang mit der Barrierefreiheit selbst ein Prozess, was einerseits mit dem Bekanntwerden mit Arbeitsweisen behinderter Nutzer zu tun hat und andererseits mit oft nicht eingeräumten Budgets für Schulungen und Workshops. Zu bedenken sind auch technische Rahmenbedingungen wie ein Redaktionssystem, das eingerichtet und erlernt werden will. Weil manche Museen nicht über die erforderlichen Kapazitäten verfügen und eine Anpassung der Arbeitsprozesse nur langfristig denkbar ist, wird am Ende des Beitrags auf einige Aspekte eingegangen, die als Sofortmaßnahme eingeleitet werden können. Diese können allein nicht zur »Barrierefreiheit« führen, aber es können zumindest einige Zugangsbarrieren abgebaut werden. Konzeption In Bezug auf Barrierefreiheit muss bereits in der Konzeptionsphase eines Webauftritts eine Auseinandersetzung mit technischen Angelegenheiten erfolgen. Diese Auseinandersetzung umfasst sowohl die Semantik von (X)HTML als auch den Umgang mit diversen Formaten wie Multimedia, PDF oder JavaScript. Inhaltlich sollte die Konzeption den Navigationsmechanismen besondere Aufmerksamkeit schenken sowie einige besondere Aspekte des Designs berücksichtigen.
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Barrierefreiheit ist ohne Semantik nicht zu haben Semantik ist die Bedeutungslehre. Im Kontext des Webdesigns und dieses Beitrags ist mit »Semantik« stets die Bedeutung einzelner (X)HTML-Elemente gemeint. Grundsätzlich wird auch davon ausgegangen, dass (X)HTML nur zur Strukturierung von Inhalten eingesetzt wird. Die Präsentationsebene sollte mit CSS und die Verhaltensebene mit JavaScript oder anderen dynamischen Scripten erzeugt werden. Gerade semantisches (X)HTML macht deutlich, wie stark die verschiedenen Arbeitsschritte bei der Erstellung eines Webauftritts voneinander abhängen, sodass die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Umsetzungsphasen betont werden muss. Semantik ist ein übergreifendes Thema und die Konzeption muss wissen, was ›semantisch umsetzbar‹ ist. Dabei geht es zunächst um grobe Strukturen: • • • • • •
Wie wird eine Seite semantisch aufgebaut? Wie sollen Informationsblöcke gegliedert werden? Wann sind Beschriftungen und andere Überschriften sinnvoll? Wann sollen Listen eingesetzt werden? Ist die Darstellung einer Seite sinnvoll, wenn CSS ausgeschaltet ist? Ist die Umsetzung im redaktionellen Alltag gewährleistet?
Die Semantik innerhalb einer Webseite beschreibt die korrekte Verwendung von (X)HTML. Beispielsweise sollten Absätze mit einem
(engl.: paragraph = Absatz) erzeugt werden und nicht mit einfachen Zeilenumbrüchen. Gleiches gilt für die verschiedenen Überschriften- und Listentypen ebenso wie für Tabellen, Formulare usw. Es ist das Prinzip der Formatvorlage, das hier verfolgt wird. Formatvorlagen kennen wir aus der Textverarbeitung. Beispielsweise gibt es in Microsoft Word die Unterscheidung zwischen »Standard«, verschiedenen Überschriften usw. Es ist möglich, das Erscheinungsbild eines Dokuments über diese Formatvorlagen zu bestimmen. Wurden in einem Dokument alle Überschriften mit den entsprechenden Formatvorlagen versehen, ist die spätere Veränderung des Erscheinungsbildes durch die Veränderung der Formatvorlage möglich – die Anpassung der einzelnen Überschriften erfolgt dann automatisch. Genauso funktioniert das Konzept der Trennung von Inhalt und Layout auf Webseiten: »Cascading Style Sheets« (CSS) sind die Formatvorlage für Webseiten. Für die Darstellung in einem Browser ist korrektes (X)HTML nicht essenziell, weil Browser meist sehr fehlertolerant sind. Für die Barrierefreiheit hingegen ist sie aus mehreren Gründen wichtig:
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• Sie erlaubt die bessere Erschließung von Inhalten in alternativen Ausgabemedien wie »Screenreader« oder PDAs. • Sie ermöglicht die Trennung von Inhalt und Layout und ist eine Vorstufe der Interoperabilität. Der Seitenaufbau mit korrektem (X)HTML ist schon aus dem Grund erforderlich, da der effektive Einsatz von CSS für das Layout kaum mit fehlerhaftem (X)HTML gelingen wird. Gleichzeitig muss jedem klar sein, dass barrierefreies Webdesign ohne Semantik der Inhalte nicht zu haben ist und dass Semantik trotzdem keinesfalls mit der Barrierefreiheit gleichzusetzen ist. So kommt auch die Redaktion in die Pflicht, die Semantik bei der Einstellung von Inhalten zu berücksichtigen und Absätze, Überschriften, Listen u.v.m. korrekt einzusetzen, denn sonst greift die Formatvorlage bzw. CSS nicht richtig. Dies kann nur gelingen, wenn einerseits die Funktionsweise von CSS in Schulungen vermittelt wurde und wenn andererseits das Redaktionswerkzeug die erforderlichen Textauszeichnungen zulässt. Diese Aspekte müssen in der Konzeptionsphase bedacht werden. Richtige und falsche Formate 2 Im vorherigen Beitrag wurde bereits auf die Kompatibilität und Angemessenheit von Formaten eingegangen. Einige Formate bereiten Probleme im Zusammenspiel mit Hilfsmitteln wie »Screenreadern«, etwa Inhalte in PDF, Flash oder Java-Applets. Die Ursache für diese Kompatibilitätsprobleme liegt in erster Linie in der kommerziellen Natur der Formate: Sie wurden alle nicht in einem offen zugänglichen Verfahren wie die Formate des W3C entwickelt und entsprechend wurde die direkte Zugänglichkeit durch »Screenreader« recht spät berücksichtigt. Der Einsatz von solchen Formaten will daher gut vorbereitet sein. Es sollten nach Möglichkeit offen zugängliche Formate eingesetzt werden, weil die Hersteller von Hilfsmitteln die Zugänglichkeit in der Regel berücksichtigen können. Auch muss die fast philosophische Frage gestellt werden: ›Kann man erwarten, dass ein Nutzer auch etwas anderes als einen Browser auf seinem Rechner installiert hat?‹ Eine verbindliche Antwort kann hier nicht gegeben werden, aber der Ansatz ist, dass jede zusätzliche Technik ein Zugänglichkeitsproblem darstellen kann. Daher sollten Inhalte so aufbereitet werden, dass sie zumindest mit dem Mindeststandard (X)HTML bezogen werden können, was natürlich nicht immer möglich ist, wenn an virtuelle Rundgänge und andere dynamische Inhalte gedacht wird. 2 Vgl. 8. MINERVA-Qualitätsprinzip: Obwohl es keine »falschen Formate« gibt, so stellt die Kompatibilität eine wichtige Rolle bei der Interoperabilität dar.
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(X)HTML und Co. Die beste technische Zugänglichkeit im Web wird mit (X)HTML und CSS erreicht. Dies liegt unter anderem daran, dass (X)HTML ein »Klartextformat« ist und an sich von beliebiger Software aufbereitet werden kann. Der Einsatz von CSS für die Präsentation bedeutet dann die Trennung von Inhalt und Layout, was den Vorteil hat, dass das Layout vom Nutzer abgeschaltet werden kann, wenn die visuelle Darstellung Probleme bereitet. Nicht selten werden die CSS von sehbehinderten Nutzern ausgeschaltet, ersetzt oder in Teilen überschrieben. Die öffentlich dokumentierten Formate des W3C sind so spezifiziert, sodass die technische Zugänglichkeit sichergestellt werden kann.3 Neben (X)HTML und CSS wurden zahlreiche andere Sprachen definiert, etwa Synchronized Multimedia Integration Language (SMIL) zur Synchronisation von Video, Audio und Texten, Scalable Vector Graphics (SVG) zur Gestaltung von Vektorgrafiken oder MathML zur Darstellung von Formeln. Trotz dieser Möglichkeiten sind nicht alle Techniken zugänglich. SVG ist z.B. eine textbasierte Möglichkeit, interaktive Bilder zu gestalten – und obwohl die Grundlage Text ist, können »Screenreader« die Informationen nicht auslesen, weil die Komplexität und Interaktion kaum linear dargestellt werden kann. JavaScript und dynamische Inhalte JavaScript muss aus Sicht der Barrierefreiheit ebenfalls kritisch betrachtet werden. Bei JavaScript handelt es sich zwar auch um ein »Klartextformat«, jedoch spielen hierbei zwei weitere Aspekte eine wesentliche Rolle. Zunächst stellt JavaScript einen (Un-)Sicherheitsfaktor für den Computer dar, der nicht selten dazu führt, dass die Funktionalität von Nutzern abgeschaltet wird. Darüber hinaus kann zwar heute davon ausgegangen werden, dass Hilfsmittel wie »Screenreader« mit JavaScript umgehen können, weil aber »Screenreader« linear arbeiten, kann die dynamische Veränderung von einzelnen Seiteninhalten auf einem zweidimensionalen Bildschirm in einer ›eindimensionalen‹ Betrachtungsweise des »Screenreaders« schwer zu erfassen sein.4 Folgende Fragen müssen im Besonderen beachtet werden: 3 Alle Spezifikationen bzw. »Core Technologies« des W3C werden Zugänglichkeitsprüfungen unterzogen. Vgl. www.w3.org/WAI/about.html vom 10. November 2006. 4 Einigen Lesern werden Begriffe wie Web 2.0 oder AJAX bekannt sein. Es sind diese Themen, um die es u.a. bei der JavaScript-Problematik geht. Die Faustregel lautet, dass JavaScript zur Optimierung der Gebrauchstauglichkeit, z.B. für Maus-
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• Sind die dynamischen Inhalte mit Maus und Tastatur gleichwertig bedienbar? • Wie erfährt ein »Screenreader«-Nutzer, dass Inhalte dynamisch ausgetauscht wurden? Es gibt zahlreiche Probleme in verschiedenen dynamischen Techniken einschließlich Flash, die mit der Nutzbarkeit in einem »Screenreader« zusammenhängen. Gerade in der Museumspädagogik tritt Multimedia häufig zur Visualisierung auf. Es wird mit Mehrfenstertechnik gearbeitet, die in einer ›eindimensionalen‹ Sprachausgabe sehr schwierig zu erfassen ist. Die Lösung liegt auf einer Entscheidungsebene, ob alle Inhalte auch jedem zur Verfügung gestellt werden sollen oder nicht. Unabhängig davon müssen jedoch die technischen Kriterien der Barrierefreiheit auch für Techniken wie JavaScript und Flash berücksichtigt werden. • Sind die dynamischen Inhalte in sich auch barrierefrei, z.B. hat ein eingefügtes Bild auch einen Alternativtext? Wo immer möglich, sollte es »Fallback-Lösungen« für JavaScript-Links geben für den Fall, dass JavaScript nicht aktiv ist. Die meisten JavaScript-Links lassen sich auch ohne JavaScript gestalten. Sollte JavaScript dennoch gewünscht sein, müssen solche Links dynamisch erzeugt werden. Multimedia Ein komplexes Thema stellt Multimedia dar. Unter Multimedia werden vor allem Videoclips und andere Animationen, etwa Flash, verstanden. Aufgrund der hohen Dichte an Informationen, die Multimedia enthalten kann, sowie der zeitabhängigen Darstellung, müssen geeignete Alternativformen für visuell und akustisch vermittelte Informationen angeboten werden. Grundsätzlich gilt, dass visuelle Informationen für Blinde und akustische Informationen für Gehörlose zugänglich gemacht werden müssen. Bei der Konzeption eines Angebots mit multimedialen Inhalten ist zu beachten: • Synchronisation: Audiodeskriptionen und Untertitel sollen über SMIL mit Multimedia synchronisiert werden. Textabschriften unter Verzicht der Synchronisation sind nur in bestimmten Fällen, z.B. bei einer Rede, zweckmäßig; • Kompatibilität: die Nutzung der Audiodeskriptionen und Untertitel mit und Bildschirmnutzer, eingesetzt werden kann, aber von einem auch ohne Java Script funktionierenden Ursprungsdokument ausgegangen wird. Vgl. www. einfach-fuer-alle.de/blog/tags/AJAX vom 18. September 2006.
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den gängigen Multimedia-Spielern (Windows Media Player, Real Player, QuickTime) muss sichergestellt werden. Dazu gehört, dass die Videos durch einen Link im externen Spieler aufgehen; • Alternativtexte: Für den Fall, dass ein Nutzer keinen Multimedia-Spieler zur Verfügung hat, soll eine Zusammenfassung bzw. Textabschrift verfügbar sein, die anstelle des Multimedia-Objekts erscheint. Dieser Alternativtext kann höchstens deskriptiven Charakter haben und hat seine Grenzen bei interaktiver Multimedia. Problematisch bei der Aufbereitung von barrierefreier Multimedia ist die Qualität der zu synchronisierenden Untertitel und Audiodeskriptionen. Wann sind Untertitel sinnvoll? Welche Informationen sollten für eine Audiodeskription berücksichtigt werden? Solche Fragen lassen sich meist nur in Abhängigkeit der Multimediainhalte und unter Befragung der Nutzer beantworten. Eine virtuelle Führung durch eine Galerie könnte als Untertitel den Sprechertext und als Audiodeskription die Beschreibung der virtuellen Räumlichkeiten enthalten. Allerdings sollte stets auf den tatsächlichen Mehrwert geachtet werden und nach Möglichkeit mit zugänglichen »Fallback-Lösungen« gearbeitet werden, z.B. die direkte Abfrage mit einem Formular, um auf Inhalte in alternativer Form zuzugreifen. Das Rückgrat eines Webauftritts Die Navigation bildet das Rückgrat eines Webauftritts. Wenn sich die Navigation als nicht barrierefrei erweist, so kommt ein Nutzer wahrscheinlich nicht sehr weit bei der inhaltlichen Erschließung des Online-Angebots. Die wichtigste Frage bei der Erarbeitung der Navigationskonzepte ist sicher, was ein beliebiger Nutzer – möglicherweise ohne Vorkenntnisse – auf dem Webauftritt des Museums suchen könnte. Navigationskonzepte Eine Seite in einem Webauftritt sollte verschiedene Navigationsmöglichkeiten bieten (vgl. das 2. Qualitätsprinzip bei MINERVA 2005). Dieses Miteinander in Einklang zu bringen, ist eine Herausforderung für das Webdesign: Auf der einen Seite sollen flexible Navigationsmöglichkeiten geboten und andererseits soll eine Seite nicht mit Links überladen werden. Es geht um eine gute Mischung verschiedener Navigationskonzepte. Die meisten Nutzer können sich über hierarchische Strukturen orientieren. Eine gut nachvollziehbare Struktur eines Webauftritts ist sehr wichtig, kann aber gleichzeitig einschränkend sein, wenn die Inhalte beispielsweise chronologischer Natur sind.
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Da die Hierarchie durch Begrifflichkeiten in der Navigationsleiste geprägt ist, setzt eine hierarchische Struktur auch voraus, dass beliebige Nutzer die gewählten Begriffe in der Navigation kennen bzw. verstehen. Dabei orientieren sich Nutzer an bekanntem Wissen. Eine Abbildung einer Abteilungsstruktur bzw. die Wiedergabe eines Organigramms in der Navigation eines Webauftritts ist nicht nutzer- und auch nicht mediengerecht. Eine Hierarchie kann aus diesen beiden Gründen nur als Grundgerüst für die Struktur eines Webauftritts dienen und alternative Navigationskonzepte müssen dieses System ergänzen. Diese können sein:5 • Inhaltsbezogene Navigationsleisten: Es ist nicht unbedingt erforderlich, für alle Seiten eines Webauftritts die komplette Navigationsleiste abzubilden. Vor allem bei großen Webauftritten ist zu beachten: Je spezifischer Inhalte werden, desto schwieriger wird es, eine überschaubare Navigation zu bieten. In solchen Fällen kann auf einige Hauptpunkte verzichtet werden zugunsten einer themenbezogenen Navigation. Lediglich solche Navigationspunkte, die der Transparenz des Webauftritts dienen, wie z.B. das Impressum, sollten von der allgemeinen Navigationsleiste übernommen werden (vgl. das 1. Qualitätsprinzip bei MINERVA 2005). Das Design wird vom Museumsportal übernommen, die Navigation wird lediglich an eine Sonderausstellung oder Dokumentation angepasst. • Die Einbettung von Links im Fließtext kann für Nutzer vorteilhaft sein, wenn sie nicht übermäßig eingesetzt werden. • Redaktionelle Linklisten z.B. am Ende eines Beitrags können ebenso zur Flexibilisierung der Navigation beitragen. • Größere Linksammlungen wie Gesamtübersichten und Verzeichnisse bieten kompakte Darstellungen der Inhalte. Dabei können sie sich an der Hierarchie des Webauftritts orientieren, aber genauso gut können andere Kriterien für solche Zusammenstellungen herangezogen werden (alphabetisch oder dynamisch nach Häufigkeit der Abfrage). Die Frage nach der Strukturierung von und Navigation innerhalb solcher Linklisten muss besonders beachtet werden. Das Erfordernis nach alternativen Zugängen muss im Hinblick auf die unterschiedlichen Fähigkeiten des Nutzers gesehen werden. Wenn ein Nutzer die Navigation nicht versteht, dann sollte die Gesamtübersicht eine echte Alternative bieten. Die Bereitstellung von Suchfunktion und Stichwortlisten sind weitere Alternativen, die nicht redundant, sondern ergänzend genutzt werden können. 5 Die Liste ist nicht ausschöpfend. Das 2. MINERVA-Qualitätsprinzip empfiehlt beispielsweise auch den Einsatz von »Bread-Crumb-Trails«.
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Weitere Anforderungen der Barrierefreiheit zur Navigation sind: • Konsistenz: Sowohl visuell als auch semantisch sollte der Nutzer stets die Zugehörigkeit von Inhalten zu einem bestimmten Webauftritt erkennen. • Schlüssigkeit: Beispielsweise sollte der Zusammenhang zwischen dem Dokument und dem Webauftritt sowohl visuell als auch semantisch deutlich sein. Solche Zusammenhänge müssen auch zwischen über- und untergeordneten Punkten des Navigationssystems für jeden Nutzer deutlich werden.6 • Hilfefunktionen: Unterstützung ist immer dann sinnvoll, wenn der Nutzer eine Formulareingabe vornehmen soll. Darüber hinaus kann für Erstbesucher eine allgemeine Hilfe zur Orientierung und Nutzung besonderer Features geboten werden. Letzteres kann z.B. auch in Form eines virtuellen Rundgangs präsentiert werden. • Suchfunktionen: Eine Eingabe von zu suchenden Stichwörtern sollte gut zu bedienen sein und sinnvolle Ergebnisse liefern. Während eine erweiterte Suche fortgeschrittenen Nutzern hilft, unterstützt eine phonetische Suche Besucher mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche. Links Es lohnt sich, aus Sicht der Barrierefreiheit auch einen Blick auf einige besondere Anforderungen an den Link selbst zu werfen. Der Link ist sowohl ein wichtiger Orientierungspunkt für Nutzer als auch für Suchmaschinen. Aus Sicht der Nutzer sind vor allem folgende drei Punkte in einem Konzept zu berücksichtigen: • ›Sprechende Links‹: Die Eindeutigkeit von Links ist unentbehrlich für die Nutzer von Sprachausgaben, wenn durch ein Angebot von Link zu Link mit der Tabulatorentaste gesprungen wird und nur der Linktext »gesprochen« wird. Zudem sind klare Bezeichnungen von Links »Futter« für Suchwerkzeuge. Nicht eindeutige Links sind z.B. »mehr« oder »Klicken Sie hier«. • Dokumentinformationen: Ein Verweis auf ein Webdokument sollte Nutzern vor Überraschungen bewahren, etwa weil das Dokument in einer anderen Anwendung geöffnet wird. So sollte der Nutzer vor Betätigen eines Links zu einem PDF-Dokument oder einer Audio-Datei erfahren, dass es sich um ein anderes Format handelt.
6 Vgl. http://bf-w.de/knowhow/navigationsleiste vom 10. November 2006.
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• Neue Fenster: Sogenannte Pop-Up-Fenster sollen ebenfalls angekündigt werden. Pop-Ups sind vor allem dann problematisch, wenn zwei oder mehr Fenster gleichzeitig aufgehen.7 Sonderseiten Internetangebote sollen für alle zugänglich gestaltet sein. Das ist ein Credo des barrierefreien Webdesigns. Wenn man sich für eine inhaltsgleiche, aber parallele Version eines Webauftritts entscheidet, dann muss man damit rechnen, dass alle Bemühungen zur Barrierefreiheit durch diesen Umstand als nicht ausreichend eingestuft werden. Sonderseiten sind nur für einzelne Seiten zulässig, wenn diese Seiten identische Inhalte und Funktionen barrierefrei darbieten. Es gibt einige Situationen und besondere Anforderungen an die Verständlichkeit (z.B. Übersetzung in Leichter Sprache oder Deutsche Gebärdensprache), die das Erstellen einer Sonderseite sinnvoll machen können. Der oft als »Textversion« bekannte Versuch, sich aus der Verpflichtung zur Barrierefreiheit zu entziehen, ist hingegen nicht akzeptabel. Spezielle Textversionen für blinde Besucher sind nicht erforderlich, wenn Standards eingehalten werden, denn »Screenreader« können standardkonforme Webinhalte mittlerweile sehr gut auslesen. Kritischer ist aber, dass eine Textversion in der Regel nur Nutzern von Textbrowsern hilft und anderen, insbesondere Menschen mit Behinderungen, nicht. Einflüsse auf das Erscheinungsbild Es gibt auch einige Webtechniken, die vor dem Hintergrund der Barrierefreiheit im Besonderen konzipiert werden müssen und direkten Einfluss auf die Gestaltung von Webauftritten haben. Hierzu zählen: • Image-Maps: Es sind alternative textbasierte Zugänge erforderlich. Dies können Linklisten oder Formularabfragen sein. Bei der Gestaltung solcher Alternativen ist vor allem auf die Benutzbarkeit mit der Tastatur zu achten. • Schriftgrafiken: Von der Verwendung von Text, der als Grafik angelegt ist, ist prinzipiell abzuraten. Schrift, die als Grafik eingebettet wird, ist nicht skalierbar, benötigt Alternativtext und ist in seinen Farben nicht verän-
7 Vgl. http://bf-w.de/knowhow/pop-up-fenster vom 18. September 2006.
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derbar. Nur wenn rechtliche Aspekte eine Rolle spielen (z.B. Logos), können ausnahmsweise Schriftgrafiken eingesetzt werden (vgl. das 1. Qualitätsprinzip bei MINERVA 2005). Grundsätzlich sollte aber Text mit CSS gestaltet werden.8 • Anreicherung mit Multimedia: Mit Bildern und Audio kann die Verständlichkeit von Text gefördert werden, etwa mit »Guided Tours«, durch Videos in der Deutschen Gebärdensprache für Gehörlose oder Piktogramme und Animationen für Lernbehinderte. Denkbar ist auch die Ergänzung einer Präsentation mit gesprochenem Text als Audio. Die Anreicherung von Inhalt kann aber dezenter ausfallen, z.B. bei der Visualisierung von Informationen. Symbole vor Links können beispielsweise den Unterschied zwischen internen und externen Links verdeutlichen oder Auskunft über das Format des verlinkten Dokuments geben. • Blinken und Bewegung: Die Lesbarkeit von Inhalten kann durch animierte Bildschirmelemente eingeschränkt werden. Ein blinkender Text oder eine Laufschrift kann von manchen Nutzern aufgrund der Animation gar nicht gelesen werden und es muss eine Möglichkeit des Lesens im statischen Zustand geben. Der Zweck animierter Elemente ist es, die Aufmerksamkeit zu gewinnen, aber genau dieser Aspekt führt bei manchen Nutzern zur völligen Ablenkung vom Inhalt. Es ist abzuwägen, ob blinkende Banner und sonstige Ablenkung vom Text in Einklang mit Zielen der Barrierefreiheit zu bringen sind. Technik Zahlenmäßig hat die Technik die meisten Anforderungen der BITV umzusetzen. Viele Aspekte sind nicht aufwendig. Insbesondere in Bezug auf Semantik und CSS-Design besitzt die technische Umsetzung der Barrierefreiheit eine hohe Intensität. Semantik ist nichts anderes als die richtige Verwendung der vorgesehenen Elemente für Absätze, Überschriften, Listen, Zitate u.v.m. Es obliegt der Technik, das Grundprinzip der Trennung von Applikationslogik (»Backend«), Inhalt (HTML), Präsentation (CSS) und Verhalten (JavaScript) sicherzustellen. Dies ist die technische Voraussetzung für Barrierefreiheit. In diesem Zusammenhang muss auch die Skalierbarkeit von Layout und Schrift benannt werden. Kurzum: Semantischer Seitenaufbau
8 Auch Techniken, die als »Image Replacement« bekannt geworden sind, sind trotz des immer wieder behaupteten Gegenteils nicht barrierefrei, vgl. www.ein fach-fuer-alle.de/artikel/fir-nicht-barrierefrei vom 18. September 2006.
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und die Flexibilisierung eines CSS-Layouts werden im Mittelpunkt der technischen Umsetzung stehen, wenn es um Barrierefreiheit geht. Die Technik trägt aber auch die Hauptverantwortung bei der Umsetzung geräteunabhängiger Ergebnisse. Alle Ein- und Ausgabegeräte müssen unterstützt werden. Layout-Techniken Es wird davon ausgegangen, dass zur Erreichung eines barrierefreien Webauftritts CSS für das Layout eingesetzt wird. Obwohl Tabellen zu Layoutzwecken generell nicht ›verboten‹ sind, kann für eine barrierefreie Umsetzung nicht auf semantisches (X)HTML verzichtet werden. Trennung von Inhalt und Layout mit CSS Bei konsequenter Befolgung der Maxime der Trennung von Inhalt und Layout sollte das Ergebnis ein mehrfach einsetzbares (X)HTML-Dokument sein, das mit verschiedenen medienspezifischen CSS für Bildschirm, Drucker und PDA gestaltet werden kann. Tendenziell kann behauptet werden, dass ein Layout mit CSS die Linearisierbarkeit von Inhalten z.B. in »Screenreadern« verbessert. Semantischer Seitenaufbau Mit »Semantik« ist vor allem die ›richtige‹ Verwendung von (X)HTML-Elementen gemeint. Beispielsweise sollten die (X)HTML-Elemente für Absätze, Überschriften oder Listen entsprechend ihrer Bedeutung eingesetzt werden. Große, fette Schrift ist erst dann eine Überschrift, wenn sie mit einem der dafür vorgesehenen (X)HTML-Elementen H1 bis H6 ausgezeichnet wurde. Durch einen gut organisierten Seitenaufbau kann die gezielte Beeinflussung der grafischen Darstellung mit wenigen Handgriffen seitenübergreifend und ggf. auch medienspezifisch angepasst werden. Technische Anleitungen finden sich in den Literaturhinweisen zur Gestaltung mit CSS. Semantik in Navigationsleisten Navigation und Orientierung sind konzeptionelle Aufgaben, müssen aber von der Technik mit Sorgfalt umgesetzt werden. Dabei geht es um semantische Aspekte, die für »Screenreader« wichtig sind: • Durch die Gestaltung von Navigationsleisten als Liste mit den entsprechenden (X)HTML-Elementen wird die »Gruppierung« und somit bessere
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Navigierbarkeit von langen Linklisten vorgenommen. Zur Verdeutlichung von hierarchischen Strukturen sollten Unterpunkte als verschachtelte Liste umgesetzt werden.9 • Die Beschriftung von Informationsblöcken sollte im Hinblick auf »Screenreader«-Nutzer vorgenommen werden. Inhaltsblöcke, also z.B. Navigationsleisten, sollten eine Bezeichnung wie »Navigation« erhalten. Dies kann als (unsichtbare) Überschrift umgesetzt werden. Layout-Tabellen sind wie Briefe in Excel Früher hieß es in der ersten Stunde der Webdesigner-Schulen: »Um ein Layout aufzubauen, brauchen Sie Tabellen.« Leider hat sich das bis heute in Literatur und Bildung festgesetzt. Dabei ist der eigentliche Grund für diesen ›Missbrauch‹ schon längst Vergangenheit. Der ›Übeltäter‹ heißt »Netscape 4«, der CSS kaum unterstützte, aber heute als Browser keine Rolle mehr spielt.10 Sollte trotz der höheren Leistungsfähigkeit von CSS ein Tabellenlayout verwendet werden, dann sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: • Linearisierbarkeit: Tabellen müssen stets in der linearen Ausgabe Sinn machen. • Einspaltige Version: Layouttabellen müssen jederzeit in eine einspaltige Version umgeschaltet werden können und umgekehrt. • Strukturelemente: In Layouttabellen dürfen keine semantischen Tabellenelemente, wie Tabellenüberschriften, eingesetzt werden. Auch sind Zusammenfassungen und Verknüpfungen nicht zulässig. Frames Frames sind eine (X)HTML-Technik, um die Bildschirmdarstellung von Webinhalten aufzubereiten. So kann das Browserfenster in verschiedene Rahmen aufgeteilt werden, in denen unterschiedliche Inhalte unabhängig voneinander dargestellt und bedient werden können. Frames bedeuten nicht, dass ein Webauftritt nicht zugänglich ist. Vielmehr sind folgende Anforderungen zu berücksichtigen:
9 Vgl. www. barrierefreies - webdesign . de / knowhow / navigations leiste / struktureller-auf bau.html vom 18. September 2006. 10 Vgl. http://aktuell.de.selfhtml.org/weblog/browserstatistik vom 18. September 2006: Der Anteil der »Netscape 4«-Benutzer wird mit 0,6 Prozent beziffert.
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• Titel: »Screenreader« werten diese Beschriftungen aus und geben dem Nutzer die entsprechende Orientierung. Die Beschriftungen sollten auf den Inhalt schließen lassen, wie z.B. »Navigation« oder »Inhalt«. • Abhängigkeiten: Bei Einsatz zahlreicher Frames muss deren Zusammenhang mit einer langen Beschreibung (»longdesc«) erläutert werden. • Inhalte: Frames dürfen nicht auf Objekte wie PDF-Dokumente, Bilder oder Multimedia verweisen, sondern nur auf (X)HTML-Dokumente. • Alternativtext: Für den Fall, dass ein Browser keine Frames unterstützt, muss eine geeignete Alternative geboten werden, etwa ein Link zu einer Übersicht. Wie bei Layout-Tabellen sollte jedoch zugunsten von einem CSS-Design entschieden werden. Frames beeinflussen die visuelle Darstellung und setzen implizit die Verwendung eines Bildschirms voraus. Formulare Die Linearisierbarkeit von Webinhalten muss im Besonderen auch beim Aufbau von Formularen beachtet werden. Die Technik muss auf die sinnvolle Gruppierung von Formularelementen und die richtige Anordnung der Formularbeschriftungen (»Label«) im Quelltext achten. Die Beschriftungen sollen darüber hinaus unabhängig von der Linearisierbarkeit explizit mit den dazugehörigen Formularelementen verknüpft werden. Formulare sind in der BITV ›unterrepräsentiert‹. Technisch sind die Anforderungen für barrierefreie Formulare überschaubar und eindeutig, jedoch sind Formulare oft für die Interaktion des Nutzers notwendig. Ob ein Shop oder ein Forum,11 durch den ständigen Neuaufruf von Seiten wird die Gebrauchstauglichkeit ein entscheidendes Kriterium für die erfolgreiche Nutzung sein. Insbesondere in »Screenreadern« stellen Formulare oft eine schwierigere Angelegenheit dar. Validierung Die Validierung stellt den korrekten Einsatz von (X)HTML fest. Eine standardkonforme (X)HTML-Syntax vereinfacht Browsern, »Screenreadern« und anderer Software die korrekte Verarbeitung der Informationen. Ein validiertes Dokument wird keine Barrierefreiheit garantieren, aber es ist eine technische Grundlage und ein Ausdruck sorgfältiger Arbeit.
11 Vgl. MINERVA (2005), 6. Qualitätsprinzip: Das aktive Mitwirken der Nutzer wird gefordert.
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Geräteunabhängigkeit Barrierefreiheit bedeutet auch Geräteunabhängigkeit sowohl der Eingabeals auch Ausgabegeräte. Eingabegeräte sind z.B. Maus, Tastatur, Touchpad, Touchscreen, Spracheingabe, Großfeldtastaturen oder Mikrotastaturen. Ausgabegeräte sind z.B. Bildschirme in verschiedenen Auflösungen, »Screenreader« (Sprachausgabe und Braillezeile), reine Sprachausgaben, Vergrößerungssysteme, Bildschirmlupen, Drucker, PDA oder Handy. Im Zweifel hat ein Nutzer nur ein bestimmtes Ein- oder Ausgabegerät zur Verfügung. Bei den Eingabegeräten wird stets auf den Mauszeiger oder die Tastatureingabe zurückgegriffen. Eine Spracheingabe ist kein Ersatz der Maus oder Tastatur, sondern steuert die Maus- bzw. Tastatureingabe. Bei der Eingabebehandlung müssen also in erster Linie Maus und Tastatur berücksichtigt werden. Bei der Ausgabe ist diese Art der Vereinfachung nicht möglich. Die diversen Geräte und Anwendungen sollten sich aber alle an standardkonformem (X)HTML orientieren. Dies gilt nicht nur für Browser, sondern für jegliche Software, die Webinhalte aufbereitet. Tastaturnutzung im Browser Generell ist die Browserschnittstelle für Tastaturnutzer nicht bedienungsfreundlich. Zumindest ist im derzeit gängigsten Browser, dem »Internet Explorer 6«, die Navigation im Wesentlichen nur mit der Tabulatortaste möglich, wobei zur Auswahl noch zusätzlich Pfeil-, Leer- und Eingabetasten eingesetzt werden. Wenn aber eine Seite 160 Links enthält und der tastaturnutzende Besucher den 90. Link aufrufen will, so hat er die Möglichkeiten, entweder 90 Mal auf die Tabulatortaste zu drücken oder, wenn er sich am Ende der Seite befindet, 70 Mal gleichzeitig auf Umschalt- und Tabulatortaste. Diese Situation stellt eine erhebliche Barriere in der Nutzung dar. Zunächst kommt es darauf an, dass die Tabulatorreihenfolge schlüssig ist. Links und Formulare sollten so angeordnet werden, dass die Navigation innerhalb der Seite mit der Tabulatortaste gut nachvollzogen werden kann. Das gilt insbesondere für den nicht visuellen Zugang. Der Umfang der Links und Formularelemente stellt einen weiteren Aspekt bei den Überlegungen zur Tastaturnutzung dar. Wie oben beschrieben, können viele Links eine mühsame Angelegenheit werden. Hier helfen (unsichtbare) Sprungmarken, die große Linklisten überspringbar machen. Die richtige Verwendung von Überschriften und Listen hilft weiterhin, die Navigation speziell in »Screenreadern« zu verbessern. (X)HTML bietet auch die Möglichkeit, mit Tastaturkurzbefehlen (»Accesskeys«) zu arbeiten. Leider gibt es hierfür nur sehr eingeschränkte Mög-
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lichkeiten der Verwendung, die vor allem mit fehlenden Standards und der Vorbelegung der Tastaturkurzbefehle in den Browsern zusammenhängen.12 Tastaturnutzung in anderen Techniken Die geringere Nutzbarkeit von Webinhalten mit der Tastatur zieht sich durch Theorie und Praxis. Umso wichtiger ist es, die bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen: • Event-Handler: Alle JavaScript-Ereignisse müssen sowohl mit der Maus als auch mit der Tastatur ausgelöst werden können. Beispielsweise ist hier die Hervorhebung von Links (»onfocus« und »onmouseover«) oder die Bedienung von Formularen (»onsubmit« statt »onclick«) zu nennen. • Objekte: Alle eingebetteten Objekte in einem Webauftritt müssen sowohl mit der Tastatur (Tab-Taste) fokussiert beziehungsweise aufgerufen als auch mit der Tastatur bedient werden können. Dies betrifft beispielsweise Flash, Bedienelemente von Multimedia, Java oder Dokumentformate wie PDF oder RTF. Es gibt viele Anwendungen im Web, die mausorientiert gestaltet sind. Es muss darauf geachtet werden, dass sämtliche Informationen, die solche Anwendungen bieten, auch ohne Einsatz des Mauszeigers erreicht und angezeigt werden können. Grafikdesign Die Entwicklung eines Designs für einen barrierefreien Webauftritt sollte die Kreativität nicht einschränken. Die BITV ist auf Inhalte und nicht Design ausgerichtet. Dennoch finden sich Anforderungen, die die Arbeit im Grafikdesign beeinflussen, z.B.: • Kontraste und Farbkombinationen müssen so gewählt werden, dass Farbfehlsichtige nicht benachteiligt werden. • Die Erfordernis nach Mehrfachkennzeichnung, z.B. die Hervorhebung eines Links in der Navigation nicht nur durch eine Hintergrundfarbe, kann die Berücksichtigung zusätzlicher Designelemente bedeuten. Ausgangspunkt für die Barrierefreiheit ist auch beim Grafikdesign die Kenntnis über die Umsetzung eines Layouts mit CSS. Zumindest müssen Grafikdesigner wissen, was mit CSS machbar ist und was nicht. Idealerweise sind Grafikdesigner in der Lage, (X)HTML-Vorlagen und die CSS selbst 12 Vgl. http://2bweb.de/accesskey vom 18. September 2006.
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umzusetzen. Wichtig dabei ist, dass die Vielfalt der Ausgabegeräte berücksichtigt wird und nicht ein Optimum wie bei Druckerzeugnissen angestrebt wird. Flexibilisierung statt Optimierung Sogenannte »optimierte« Designs, etwa für eine bestimmte Bildschirmauflösung oder einen bestimmten Browser, sind nicht im Sinne des barrierefreien Webdesigns. Die »Optimierung« ist im Web kontraproduktiv, denn es geht im Web vor allem um die Darstellung auf verschiedenen Medien in verschiedenen Situationen. Im Extremfall sollte sich ein Design an den verfügbaren Platz im beliebigen Browser anpassen, was auch eine automatische ein- oder zweispaltige Darstellung eines ursprünglich dreispaltigen Layouts bedeuten kann. Die Vielfalt solcher Szenarien muss bei der grafischen Gestaltung berücksichtigt werden, wenn Barrierefreiheit erreicht werden soll. Die Skalierbarkeit hat natürliche Grenzen, die durch Bildschirm bzw. Browserfenster bestimmt sind. Bei der Umsetzung eines Designs sollte experimentiert werden, inwieweit die Vergrößerung im Zusammenhang mit dem Layout und dem verfügbaren Platz ausgereizt werden kann. Flexible Schrift Es sind relative Einheiten für Schriftgrößen zu verwenden, damit der Nutzer die Schrift vergrößern kann, d.h. Schriftgröße muss in Maßeinheiten wie em oder % erfolgen. Hierbei geht es nicht um diejenigen Nutzer, die mit Vergrößerungssystemen eine starke Schriftvergrößerung einstellen können, sondern um den Fall, dass eine leichte Vergrößerung das Lesen erleichtert. Die Vergrößerung sollte einen Nutzen bringen und eine Vergrößerung von Schrift (einschließlich Formularinhalten) auf mindestens 14px erlauben. Diese flexible Darstellung muss natürlich im Layout berücksichtigt werden. Layout im Fluss Längerer Fließtext ist bei horizontalem Scrollen praktisch nicht lesbar. Die Skalierbarkeit sollte deshalb unter folgenden zwei Bedingungen geprüft werden: • 640 px breites Fenster bei Standardschrift: Ist beispielsweise die inhaltliche Spalte ohne horizontales Scrollen lesbar? Eine dynamische Veränderung des Layouts kann dabei erforderlich sein. • 800 px breites Fenster und vergrößerte Schrift: Ist ebenfalls ein Lesen ohne horizontales Scrollen möglich? Sind alle Inhalte lesbar oder kommt es zu Überlagerungen? Wenn durch die vergrößerte Schrift Texte von einer Spalte in die nächste hinausragen, wird das Lesen unmöglich.
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Kontraste und Farben werden subjektiv wahrgenommen Die Wahrnehmbarkeit am Bildschirm ist durch sehr viele Faktoren bestimmt. Eine ›sichere‹ Schwelle, wann welche Kontraste und Farben vom Nutzer erkannt werden, ist kaum möglich. Es ist jedoch möglich, die Farbunterschiede und Kontraste zu messen. Damit kann zumindest formal vermieden werden, dass bestimmte Grenzwerte bei der Farbgebung unterschritten werden. Hinweise zu Farbwerten finden sich beim W3C-Konsortium.13 Des Weiteren muss bei der Gestaltung bedacht werden, dass sehbehinderte Nutzer sehr unterschiedliche Bildschirmeinstellungen haben. Relevant für das Grafikdesign sind vor allem die Anzeigeoptionen des Betriebssystems und des Browsers zur Erzwingung benutzerdefinierter Farben. Kontraste in Bildern Bei Grafiken ist die Anforderung nach ausreichendem Kontrast wichtiger als bei Text. In der Regel werden bei Veränderung der Farbschemata im Betriebssystem oder im Browser nur Hintergrund und Text beeinflusst. D.h., wenn ein Nutzer ein Schema auswählt, das weißen Text auf schwarzem Hintergrund erzwingt, werden alle Texte weiß und alle Hintergründe, einschließlich Hintergrundbilder schwarz. Was aber nicht verändert wird, sind Grafiken. Insbesondere wenn Grafiken Informationen enthalten, muss die Lesbarkeit gewährleistet werden. Hintergrundfarbe Bei der Einstellung eigener Farbschemata durch den Nutzer können erhebliche Barrieren auftreten, wenn in einem Webangebot mit transparenter Farbe gearbeitet wird bzw. wenn nur entweder Vordergrund oder Hintergrundfarbe eines Elements definiert wurde. • Transparente Hintergrundfarbe in Bildern: Wenn z.B. ein grafischer Schriftzug schwarz auf »transparent« gestaltet wird, so ist dieser Schriftzug unsichtbar, wenn der Nutzer ein Kontrastschema »weiß auf schwarz« bevorzugt. Der schwarze Schriftzug wird auf dem schwarzen Hintergrund dargestellt. • Definition von Vordergrund- und Hintergrundfarbe im CSS: Es gibt bestimmte Szenarien bei der Verwendung benutzerdefinierter Farben, in denen die Farben nur teilweise auf einer Webseite greifen. Das passiert dann, wenn der Benutzer die Originalfarben des Webauftritts einschaltet, um das Originaldesign anzuschauen, aber üblicherweise benutzerdefinierte Farben des Systems verwendet. Es kann dann passieren, dass 13 Vgl. www.w3.org/TR/AERT vom 30. Oktober 2006.
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eine benutzerdefinierte Schriftfarbe zusammen mit einer Hintergrundfarbe angezeigt wird, die zusammen keinen ausreichenden Kontrast bieten. Mehrfachkennzeichnung Farbe kann im Design auch zur Kennzeichnung von Informationen dienen. Das kann eine andere Hintergrundfarbe für einen hervorgehobenen Navigationspunkt, die Einfärbung einer Fehlermeldung in einem Formular oder eine Kennzeichnung von Text sein. Solche Farben mit Informationsgehalt können u.U. nicht wahrgenommen werden, wenn ein Nutzer ein eigenes Farbschema einsetzt oder ohne CSS-Unterstützung surft. Wenn Farbe zur Vermittlung von Information eingesetzt wird, dann muss diese Information mindestens zwei weitere Merkmale besitzen:14 • sie muss am Bildschirm durch eine Zusatzformatierung erkennbar gemacht werden (z.B. fett/kursiv, vorangestelltes Symbol, Unterstreichung bei Links, Schriftgröße/-art bei Überschriften usw.); • zusätzlich muss sie für Ausgabemedien wie »Screenreader« mit einer Strukturinformation gekennzeichnet werden. Ein Link zeichnet sich bereits durch das A-Element aus. Überschriften können durch die verschiedenen Überschriftenelemente unterscheidbar gemacht werden, aber Hervorhebungen im Text oder verschiedenartige Links in einer Liste benötigen semantische Informationen, damit sie voneinander unterschieden werden können. Redaktion Im Alltagsbetrieb ist die Redaktion für die Fortführung der Barrierefreiheit zuständig. Hierzu zählen insbesondere die Sicherstellung der allgemeinen Verständlichkeit, die Bereitstellung von zusätzlichem Text z.B. für Bilder und die Berücksichtigung einiger technischer Details. Die wichtigste Aufgabe der Redaktion ist die verständliche und nutzergerechte Aufbereitung von Inhalten. Auf die verschiedenen Modelle für verständliche Texte wurde bereits im vorherigen Beitrag eingegangen. Die BITV hält sich ansonsten sehr vage, was die redaktionelle Arbeit und insbesondere die Verständlichkeit angeht. Ein besonderer Aspekt im Web ist die (X)HTML-Semantik der Inhalte, was Kenntnisse des Codes und/oder ausgereifte Funktionen im Redaktionssystem erfordert.
14 Vgl. www.barrierefreies-webdesign .de/knowhow/navigations leiste/farben-und-kon traste.html vom 18. September 2006.
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Orientierungshilfen Ergänzend zu den bereits beschriebenen Navigationskonzepten sind Orientierungshilfen verschiedener Art zu berücksichtigen. Zum einen gilt es, Quereinsteigern die aktuelle Position innerhalb des Webauftritts kenntlich zu machen und zum anderen geht es um die Orientierung innerhalb einer Seite. Beim letzteren Punkt steht die Navigation mit einem »Screenreader« mithilfe semantischer Informationen im Vordergrund. Metainformationen Metainformationen im Kopfbereich oder im Inhalt einer XHTML-Seite erfüllen verschiedene Funktionen. Besonders wichtig ist der Titel einer Seite, der in »Screenreadern« stets als erste Information zu einer Seite gelesen wird.15 Auch andere Metainformationen helfen dem Nutzer, sich in den Inhalten eines Webangebots zu orientieren.16 Neben dem Dokumenttitel können Schlüsselbegriffe (»keywords«) für geeignete interne Suchfunktionen berücksichtigt werden, um die Auffindbarkeit von Informationen zu verbessern. Genauso sollten Dokumentbeschreibungen (»description«) zum Einsatz kommen. Weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Orientierung sind Verknüpfungen zwischen Seiten über Relationen oder ein »Tag«-System. Während Relationen Dokumentbeziehungen in der Browserwerkzeugleiste abbilden, sind »Tags« Stichworte, die innerhalb der Seite als Links geboten werden. Gliederung von Inhalten Die Gliederung von Texten stellt einen bedeutsamen Aspekt der Verständlichkeit dar. Dieser Aspekt darf aber nicht rein visuell sein, sondern muss auf der strukturellen Ebene widergespiegelt werden. Mit strukturierten Inhalten kann z.B. ein »Screenreader« besser innerhalb einer Seite navigieren, etwa über die Überschriftenstruktur. Neben den Elementen für Absätze, Überschriften und Listen bietet (X)HTML zahlreiche weitere Elemente mit einer semantischen Bedeutung, die – je nach Inhalt – berücksichtigt werden sollen.
15 Vgl. MINERVA (2005), 1. Qualitätsprinzip: Ein Dokumententitel wird allgemein als wesentlich für die Orientierung eingestuft. 16 Vgl. MINERVA (2005), 8. Qualitätsprinzip: Erläuterungen zu den Schemata, die für Meta-Informationen eingesetzt werden können.
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Redaktionsbilder Alternativtexte für Bilder und Grafiken Bei Bildern ist eine knappe Beschreibung des Inhalts im Alternativtext erforderlich. In alternativen Ausgabemedien, etwa Sprachausgaben oder Braille-Zeilen, kann der Inhalt eines Bildes nur anhand von textlichen Beschreibungen verstanden werden. Zugegebenermaßen haben Kunstmuseen stark ›visuelle‹ Inhalte. Da stößt das Konzept des Alternativtextes schnell an seine Grenzen. Wie mit tausenden Bildern auf dem Webauftritt eines Museums produktiv umgegangen werden soll, ist keine leicht zu beantwortende Frage. Eine textliche Äquivalenz ist die Forderung der BITV, die aber in vielen Situationen nicht möglich sein wird. Auch muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, welche Intensität der Beschreibung für blinde Menschen und welche für die ›sehende Allgemeinheit‹ erforderlich ist. Im Quellcode wird der Alternativtext für Bilder mit Informationsgehalt mittels des »alt«-Attributs für das IMG-Element eingebunden. Was in den Alternativtext gehört, richtet sich nach folgenden Fragen: • Welche Funktion hat das Bild? Diese Frage ist bei verlinkten Grafiken bedeutsam. • Welchen Inhalt hat das Bild? • Welcher Zusammenhang besteht zwischen Bild und Text? Dadurch ergeben sich folgende Erfordernisse: • knappe Alternativtexte für Logos und andere Schriftgrafiken: Sollten Schriftzüge als Grafik im Inhalt eingesetzt werden, so sollte der Alternativtext genau den Wortlaut umfassen, der im Bild zu lesen ist. • knappe Alternativtexte für Redaktionsbilder: Inhalte eines Bildes sollten in wenigen Worten beschrieben werden. Dabei kommt es auf wesentliche Merkmale des Inhalts an, nicht jedoch auf Metainformationen wie Angaben zum Künstler oder dergleichen. • lange Beschreibungen bei komplexen Bildern mit Informationsgehalt: Komplexe Bilder sollen durch eine ausführliche Beschreibung erklärt werden. Für blinde Nutzer kommt es zunächst auf eine ›technische‹ Beschreibung der Inhalte an.17
17 Vgl. MINERVA (2005), 2. Qualitätsprinzip: Es sollen Hintergrundinformationen ebenfalls berücksichtigt werden.
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Kontraste in Bildern Vorder- und Hintergrundinformationen in Redaktionsbildern müssen sich stets gut voneinander abheben. Bei der Auswahl von Bildmaterial sollte deshalb besonders auf gut erkennbare Informationen geachtet werden. Mögliche Probleme beim Einsatz von Redaktionsbildern sind: Bilder können am Bildschirm nur unzureichend wahrgenommen werden, weil der Nutzer besondere Anforderungen an Kontrast und Helligkeit hat, und Bildinhalte sind zu klein und können nicht ausreichend vergrößert werden. Möglicherweise sollten Bilder für das Web nachbearbeitet werden; zu bedenken ist, dass die Darstellung einer Grafik auf verschiedenen Systemen sehr unterschiedlich aussehen kann. Vor allem wenn ein Bild Informationen enthält, ist abzuwägen, ob diese Informationen gut erkennbar sind. Als Richtwert für die Schriftgröße auf einem Bildschirm gilt beispielsweise mindestens 14px. Aber die visuelle Wahrnehmung ist abhängig von zahlreichen objektiven Umständen (etwa Lichtverhältnisse, Monitor/Display oder richtige Brille) und subjektiven Wahrnehmungen (z.B. Sehschärfe, Gesichtsfeld oder Blendempfindlichkeit), sodass die Reduzierung der Anforderung auf einer Schriftgröße nicht ausreicht, um die Lesbarkeit einschätzen zu können. Die Messung der Kontraste und Farbwerte muss also genauso bedacht werden. Technische Zugänglichkeit Auch wenn ein Redaktionssystem die technische Seite der Umsetzung übernehmen soll, ist die vollständige Abnahme der Arbeitsschritte nicht möglich. Einige Aspekte der Barrierefreiheit erfordern Code-Kenntnisse von den Redakteuren. Die folgenden Punkte zeigen Arbeitsbereiche auf, wo ein Redaktionssystem nur unterstützend eingesetzt werden kann. Datentabellen Ein relativ komplexes Thema ist die Strukturierung von Datentabellen. Wichtig ist zunächst, dass Tabellenüberschriften korrekt strukturiert werden. Spalten- und Reihenüberschriften helfen bei der Orientierung in einer Tabelle, wenn die Tabelle linear mit einem »Screenreader« gelesen wird. Tabellen können schnell komplex werden, insbesondere wenn Beziehungen zwischen verschiedenen Spalten- oder Reihenüberschriften bestehen. Es gibt hierfür verschiedene Arten der Verknüpfung von Zellen mit Überschriften, bei denen entweder eine Überschrift den Spalten oder Reihen zugewiesen wird, oder Tabellenzellen mit einzelnen Spalten- und Reihenüberschriften verknüpft werden. Eine automatische Verknüpfung in komplexen, mehrdimensionalen Tabellen ist kaum möglich, weil es hierfür zu viele Varianten gibt.
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Es gibt noch weitere Anforderungen an Datentabellen. Die Verwendung von Zusammenfassungen (»summary«) und Kurzformen für Spalten- und Reihenüberschriften (»abbr«) können sinnvoll sein, müssen aber abhängig von einzelnen Inhalten bewertet werden. Sprachwechsel Sprachwechsel sind insbesondere für auditive Ausgabegeräte von Bedeutung. Durch die Angabe der natürlichen Sprache im HTML-Quellcode kann eine Sprachausgabe die Aussprache beispielsweise von deutsch auf englisch wechseln. Derzeit werden die gängigsten westeuropäischen Sprachen von Sprachausgaben unterstützt. Abkürzungen Abkürzungen sollen ausgeschrieben werden. Sofern die Abkürzung nicht zumindest einmal vollständig ausgeschrieben wird, etwa »Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV)« muss dies mit den entsprechenden (X)HTML-Elementen vorgenommen werden. Dabei wird die Auflösung der Abkürzung Mausnutzern als »Tooltip« am Bildschirm präsentiert. Einige Redaktionssysteme haben hierfür unterstützende Werkzeuge.18 Validierung Die Validierung ist ein Ausdruck der Standardkonformität und drückt aus, dass die Inhalte sorgfältig und zeitgemäß für das Web aufbereitet werden: • Inhalte können von beliebiger Software, die Standards einhalten, aufbereitet werden; • die Übernahme von CSS-Eigenschaften wird sichergestellt. Valides (X)HTML bedeutet nicht, dass der Inhalt barrierefrei ist. Vielmehr ist es das i-Tüpfelchen, wenn alle vorhergehenden Aspekte berücksichtigt sind. Rückblick Die bisherigen Ausführungen beschreiben in gewisser Weise einen Idealzustand. Es wurden verschiedene, teilweise sehr vielfältige Themen der Barrierefreiheit angesprochen und einem von vier Kompetenzbereichen zugeordnet. Wie eingangs bereits angeführt, sind bestimmte Themen oft von
18 Vgl. www.einfach-fuer-alle.de/artikel/abkuerzungen vom 18. September 2006.
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übergreifender Natur. Tabelle 1 stellt dar, welche Kompetenzbereiche sich primär mit bestimmten Themen auseinandersetzen sollten, um Barrierefreiheit im Web sicherzustellen. Letztlich kommt es auch auf eine gute Zusammenarbeit zwischen einzelnen Verantwortlichen in Webentwicklung und Redaktion sowie auf die Einbindung behinderter Nutzer in den Prozess der Webgestaltung an.19 Tabelle 1: Einige wichtige Aspekte der Barrierefreiheit werden verschiedenen Kompetenzbereichen zugeordnet Konzeption
Technik
Grafikdesign
– alternative Navi- Semantik in den gationskonzepte Templates – Links Semantik
Trennung von Inhalt und Layout
Redaktion – Verständlichkeit – Gliederung von Inhalten
Flexibilisierung statt Datentabellen Optimierung Abkürzungen
Kompatibilität (PDF, Flash etc.)
PDF
JavaScript (»Fallback-Lösungen«, Web 2.0 etc.) Multimedia (Interaktion, SMIL) Formulare Geräteunabhängigkeit Kontraste und Farben Mehrfachkennzeichnung Metainformationen Alternativtexte Sprachwechsel
19 Vgl. www.w3.org/WAI/eval/users vom 10. November 2006.
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Den Anfang machen: Bestehende Webseiten anpassen/verbessern Auf das Zitieren von Richtlinien und der Bereitstellung von Codebeispielen wurde bislang bewusst verzichtet. Auch in diesem Abschnitt wird es keine Musterlösungen geben, denn die Barrierefreiheit eines Webauftritts ist sehr stark abhängig vom dargebotenen Inhalt. Dabei spielen Design, Technik und Interaktion genauso eine entscheidende Rolle wie inhaltliche Anforderungen und die Komplexität von Anwendungen. Was unerwähnt geblieben ist, sind die Prioritäten der einzelnen Anforderungen der Barrierefreiheit (vgl. Hellbusch/Bühler 2005: 43ff.). Es gibt Barrieren, die mindestens eine Nutzergruppe von der Nutzung eines Angebots komplett ausschließen können, etwa fehlende Alternativtexte, die blinde Nutzer außen vor lassen, oder nicht ausreichende Kontraste, die sehbehinderten Nutzern das Lesen erschweren. Es ist natürlich sinnvoll, beim Anstreben der Barrierefreiheit die ›schweren‹ Barrieren zuerst zu beseitigen, bevor auf nachrangige Aspekte eingegangen wird (vgl. Hellbusch/Mayer 2006: 4). Da die Anforderungen mit höchster Priorität aber teilweise recht aufwendig sein können, z.B. die Überarbeitung von PDF-Archiven, muss im Alltag oft mit der Beseitigung kleinerer Barrieren begonnen werden. Bevor der Abbau von Barrieren beginnen kann, sollte eine Bestandsaufnahme vorgenommen werden. Ein umfangreicher Test kann in Auftrag gegeben, aber auch selbst durchgeführt werden.20 Anschließend kann in Abhängigkeit des Ergebnisses und der Seiteninhalte, aber auch der eigenen Möglichkeiten eine Prioritätenliste für Anpassungen erstellt werden. Dabei sollten Nutzen (für den Nutzer) und Aufwand (für das Museum) die entscheidenden Kriterien sein. Eine solche Liste sollte tabellarisch aufbereitet werden und könnte folgende Inhalte enthalten: hoher Nutzen: • grafische Links mit Textlinks ersetzen (vgl. Bedingung 3.1 der BITV); • wo möglich, die Breite des Layouts an den Bildschirm des Nutzers anpassen (relative Einheiten/vgl. Bedingung 3.4); • die Titel der Frames sinnvoll bezeichnen (vgl. Bedingung 12.1); • Alternativtexte für Templates und Redaktionsbilder überarbeiten; • relative Schriftgrößen einsetzen (vgl. Bedingung 3.4); • Hervorhebungsfarben für Farbfehlsichtige anpassen (vgl. Bedingung 2.3);
20 Vgl. www.bitvtest.de vom 10. November 2006.
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• JavaScript-Links (z.B. für Pop-Ups) als normale Links gestalten (vgl. Bedingung 6.3); • explizite Beschriftung für Formulare einbauen (vgl. Bedingung 12.4); • Datentabellen überarbeiten (vgl. Bedingungen 5.1 und 5.2). geringerer Nutzen: • Hervorhebung der tastaturfokussierten Links (z.B. mit Hintergrundfarbe) (vgl. Bedingung 9.2); • lange Linklisten ›herunterbrechen‹ (vgl. Bedingung 13.6); • Dokumentsprache für jede Seite angeben (vgl. Bedingung 4.3); • redundante Links für Image-Maps (vgl. Bedingung 1.5). Diese Liste ist eine fiktive Auswahl. Ein Webauftritt, der weder Frames noch Image-Maps benutzt, mag andere Techniken einsetzen, die ebenso beseitigt werden können. Allerdings sind die größten Hürden zu nehmen, wenn ein neuer Webauftritt geplant wird: Standardkonformität, Verständlichkeit von Inhalten oder Kompatibilität verschiedener Techniken sind in dieser Liste nicht enthalten, weil sie üblicherweise langfristig angelegt werden müssen. Eine gelungene Beschreibung einer solchen Vorgehensweise, also eine kurzfristige Anpassung behebbarer Barrieren gefolgt von einer grundlegenden Neuauflage eines Webauftritts, finden Sie in Radtke/Charlier (2006). Ausblick Barrierefreiheit ist kein spezifisches Thema der Museen. Sie betrifft alle Webauftritte, wenngleich die Relevanz unterschiedlich sein kann. Während für viele Organisationen das Angebot ›einzigartig‹ ist, wozu die der Verwaltungen und auch beispielsweise der Museen zählen, stehen andere Angebote in Konkurrenz zueinander. Einzigartige Webauftritte müssen für alle zugänglich sein. Für das Kulturerbe Europas gilt dies ohne Zweifel, auch wenn die gesetzliche Verpflichtung auf allgemeiner Basis nicht vorliegt. Bei der barrierefreien Webgestaltung muss heute noch auf »Best-Practice«-Beispiele geschaut werden, denn nur wenige Webauftritte können annähernd die vielfältigen Anforderungen der BITV erfüllen. Das gilt nicht nur, aber auch für Museen.21 Barrierefreiheit muss in jedem Konzept als Ziel formuliert werden, denn ansonsten können die vielfältigen Aufgaben nicht sinnvoll bewältigt werden. Wenn das Thema nicht an den Wurzeln gepackt wird, entsteht wie in 21 Vgl. www.biene-award.de/award/preistraeger vom 18. September 2006 für Preisträger im Bereich der Museen.
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Jan Eric Hellbusch ➔ Umsetzung eines barrierefreien Webauftritts für Museen
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jedem anderen Bereich das sogenannte »Scope Creep«: Die Barrierefreiheit wird nachträglich doch nicht zu den Zielen gezählt. Letztlich muss eine Einstellung zur Barrierefreiheit vorhanden sein, die es erlaubt, ständige Verbesserungen in einem bestehenden System einfließen zu lassen. Die Berücksichtigung des derzeit ›Machbaren‹ und die Auseinandersetzung mit der vielfältigen Nutzung von Webangeboten durch Menschen mit Behinderungen ist dabei der Anfang. Auch muss bedacht werden, dass sich sowohl Web- als auch Hilfsmitteltechniken stets weiterentwickeln. Nicht vergessen werden darf aber die Tatsache, dass es immer auch die Fähigkeiten und nicht nur die Kenntnisse des Nutzers sind, an denen die Barrierefreiheit letzten Endes gemessen werden muss. Literatur Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) vom 17.7.2002, online verfügbar auf http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl102s2654.pdf. Caspers, Tomas (2003): BITV für Alle, E-Book (PDF), Stand vom 12.5.2003, online verfügbar auf www.einfach-fuer-alle.de/artikel/bitvfueralle. Hein, Ansgar/Morsbach, Jörg (2006): Einkaufsführer Barrierefreies Internet 2006, E-Book (PDF), Düsseldorf. Hellbusch, Jan Eric/Bühler, Christian (Hg.) (2005): Barrierefreies Webdesign – Praxishandbuch für Webgestaltung und grafische Programmoberflächen, Heidelberg. Hellbusch, Jan Eric/Mayer, Thomas (2006): Barrierefreies Webdesign – Webdesign für Menschen mit einer körperlichen Einschränkung, 4. Aufl., Osnabrück. Laborenz, Kai (2006): CSS-Praxis, 4. Aufl., Bonn. MINERVA (2005): Quality Handbook, E-Book (PDF), online verfügbar auf www.minervaeurope.org/publications/qualitycriteria.htm. Radtke, Angie/Charlier, Michael (2006): Barrierefreies Webdesign – Attraktive Websites zugänglich gestalten, München. Schweibenz, Werner/Bornemann-Jeske, Brigitte (Hg.) (2005): Barrierefreiheit im Internet, Wiesbaden, online verfügbar auf www.bit-informationsde sign.de/iwp-8-2005. Weiterführende Quellen im Web zu barrierefreiem Webdesign www.barrierefreies-webdesign.de – Informationsportal www.barrierekompass.de – Webblog www.bitvtest.de – Testverfahren zum Überprüfen der Barrierefreiheit www.einfach-fuer-alle.de – Informationsportal mit Webblog www.minervaeurope.org – MINERVA-Projektseite
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Kooperieren für ein barrierefreies Museum
Patrick S. Föhl Anstieg von Zusammenarbeit Die ›Kooperationsthematik‹ zieht sich wie ein roter Faden durch den vorliegenden Band und soll an dieser Stelle nochmals gesondert aufgegriffen werden. Die verbindliche und formalisierte Zusammenarbeit von Organisationen ist keine neue Erscheinung, erlebt aber in den letzten Jahren einen besonders großen Zuwachs in allen Kultursparten. Einerseits werden die Grenzen für die Zusammenarbeit der Einrichtungen flexibler und können sich schnell verschieben. Andererseits nimmt der Druck der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, setzen auch Museen inzwischen vermehrt auf nachhaltige Veränderungsmaßnahmen wie Kooperationen, um ihre kulturelle Substanz und ihre Inhalte zu schützen. So werden große Ausstellungen zunehmend in intensiven Allianzen mit anderen Museen umgesetzt. Nachhaltige Kooperationen mit lokalen Partnern, z.B. mit anderen Kultureinrichtungen, dem Tourismusbüro, mit Schulen und Hochschulen werden anvisiert. Für Großprojekte werden »PublicPrivate-Partnerships« gebildet und Fusionen zwischen Museen sind in den letzten Jahren ebenfalls gängige Instrumente der Konzentration (vgl. ausführlich Föhl/Huber 2004 und Föhl 2005). Wenn für viele Bereiche des Museums die Kooperationsthematik erst jetzt allmählich in den Mittelpunkt rückt, so war und ist Barrierefreiheit ohne diese kaum denkbar. Die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren kann als eine Grundvoraussetzung für den Erfolg barrierefreier Projekte begriffen werden. Die Mehrzahl barrierefreier Maßnahmen wird von nicht behinderten Museumsmitarbeitern konzipiert und umgesetzt. Um sicherzustellen, dass diese Angebote auch zweckdienlich sind, müssen sie im Diskurs mit den anvisierten Zielgruppen erarbeitet werden; aber ebenso müssen entsprechende Firmen oder Einrichtungen hinzugezogen werden, die bereits ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Zudem kommunizieren viele behinderte Menschen über spezielle Portale oder über ihre Verbände, die entsprechend eingebunden werden sollten. Das sind nur wenige Beispiele für den Nutzen bzw. den Bedarf von Kooperationen. Grundsätzlich weisen Zusammenarbeitsmodelle folgende Merkmale auf (vgl. Föhl 2005: 2): • formalisierte Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehreren Partnern
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(zumeist vertraglich fixiert), die rechtlich und wirtschaftlich selbstständig sind; Entstehung auf freiwilliger Basis; Austausch (bzw. Einbringung) von Ressourcen, Wissen und/oder Fähigkeiten zwischen den Partnern. Der Know-how-Transfer ist als zentrales Element von Kooperationen zum Thema Barrierefreiheit zu verstehen; gemeinsames Ziel ist es, die Position eines jeden Partners zu verbessern bzw. zu erhalten: die Verbesserung der barrierefreien Position des Museums auf der einen Seite und die Verbreiterung von profunden Servicesowie Bildungsleistungen für behinderte Menschen auf der anderen Seite; im Vergleich zum Alleingang bestehen größere Chancen auf eine Erreichung der Ziele.
Im Folgenden werden einzelne Aspekte zu den Kooperationsmotiven und zum Management von Zusammenschlüssen in Bezug auf barrierefreie Maßnahmen überblicksartig dargestellt. Die spezifischen Anforderungen von loser bis intensiver Zusammenarbeit können allerdings nicht in ihrem Gesamtumfang abgebildet werden. Hierfür sollen folgende Werke exemplarisch empfohlen werden: Dickerhof/Gengenbach (2006); Föhl/Huber (2004); Föhl (2005); Schuh/Friedli/Kurr (2005); Zentes/Morschett/Swoboda (2005). Warum kooperieren? Wie bereits zuvor dargestellt, sind an die Kreativität und Vielfalt von Kooperationen, aber auch an deren Notwendigkeiten keine Grenzen gesetzt. Nachfolgend sollen exemplarisch ausgewählte Motive und Möglichkeiten von Kooperationen im Bereich Barrierefreiheit vorgestellt werden (vgl. Föhl 2005: 3f.; Sargent 2004). Know-how-Transfer, Beratung und Evaluation Je nach Angebotserstellung sollten betroffene Menschen in den Konzeptions- und Produktionsprozess von barrierefreien Museumsleistungen eingebunden werden. Die Museumsmitarbeiter können auf diese Weise kontinuierlich ihre Konzepte und Vermittlungs- bzw. Hilfsangebote auf deren ›Nutzen‹ überprüfen. Die betroffenen Menschen dagegen werden aktiv als ›Spezialisten‹ an der Erstellung von Museumsangeboten beteiligt. Ein solcher Dialog dient zum einen der Qualitätssicherung und zum anderen der Partizipation von behinderten Menschen an der Erstellung öffentlicher Dienstleistungen.
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In Großbritannien haben sich sogenannte »Access Consultation Groups« etabliert (vgl. Playforth 2004), die mit ihrem Expertenwissen bezüglich der eigenen Behinderung als Berater herangezogen und häufig langfristig durch Kooperationsverträge gebunden werden. Dadurch kann auch eine dauerhafte Zusammenarbeit und Evaluation (vgl. zum Thema »Access Audits« Delin 2003) sichergestellt werden. Diese Art der Kooperation wird häufig direkt mit den entsprechenden Verbänden, Selbsthilfe- oder Wohngruppen realisiert. Integration und Beschäftigungsverhältnis Mit der möglichen Anstellung (z.B. mittels Werkvertrag, Teilzeit oder Vollzeit) von Menschen mit Behinderungen kann über den zuvor dargestellten Aspekt der Partizipation hinausgegangen und ein weiterer Schritt in Richtung Integration getätigt werden. So können beispielsweise Betroffene andere Betroffene durch eine Ausstellung führen (vgl. u.a. die Texte von Martina Bergmann und Rebecca McGinnis in diesem Band). Dies hat den Vorteil, dass sie eher die ›gleiche Sprache‹ benutzen und wissen, worauf es beim Service und der Vermittlung ankommt. Zudem sind die Betroffenen Vorbilder für andere Betroffene und signalisieren auch nicht behinderten Besuchern, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Erstellung von öffentlichen Angeboten leisten können. Über die beschriebene Wechselbeziehung hinaus wird so einer Gruppe von Menschen, die es besonders schwer hat, eine Arbeitsstelle zu finden, die Chance eröffnet, ein selbstständigeres Leben aufzubauen (vgl. ausführlich Delin 2004). Außerdem gibt es zahlreiche Förderprogramme der Kommunen und anderer öffentlicher Gebietskörperschaften sowie von nicht staatlichen und privaten Einrichtungen zu derartigen Beschäftigungsverhältnissen.1 Erhöhung der Kundenzufriedenheit Im Zuge von Kooperationen im Bereich Barrierefreiheit lässt sich weiterhin ein breites Bündel möglicher Maßnahmen zur Verbesserung der Kundenzu-
1 So erhält die CAP-Supermarktkette, die vorwiegend Menschen mit Behinderungen beschäftigt, für ihre Filiale in Duisburg Zuschüsse für jeden Mitarbeiter mit einer Behinderung, der wiederum Steuern abführt und keine sonstigen öffentlichen Leistungen in Anspruch nehmen muss. Zudem wurde die Filiale in Duisburg aufgrund ihres einmaligen Konzeptes auch durch einen Investitionskostenzuschuss des Landschaftsverbandes Rheinland gefördert (vgl. hierzu vertiefend die Website des CAP-Marktes: www.cap-markt.de).
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friedenheit nennen (vgl. den Beitrag des Autors zum »Barrierefreien Museumsmarketing« in diesem Band): • Kombitickets für barrierefreie Angebote in der Region (z.B. mehrere Museen und Fahrkarte des ÖPNV); • Servicepakte, wie beispielsweise Pauschalreisen, die Barrierefreiheit beim Transport, der Unterkunft und Verpflegung sowie bei Kultur- und Freizeitangeboten anbieten bzw. garantieren; • Informationen aus einer Hand, z.B. gemeinsames Programmheft vieler Kultureinrichtungen und weiterer Partner einer Region für barrierefreie Angebote; • gemeinsame (Online-)Plattform zum Thema Barrierefreiheit; • gemeinsamer Event zur Gewinnung neuer Besuchergruppen, wie z.B. ein Tag der offenen Tür für behinderte und nicht behinderte Menschen; • für alle potenziellen Besucher ergibt sich durch barrierefreie Kooperationsangebote eine Angebotsvergrößerung und -verbesserung; • in Absprache mit anderen Bildungsträgern Erarbeitung spezifischer Angebote, wie z.B. Workshops für Senioren oder für Kinder mit Lernschwierigkeiten. Publikumszuwachs und Verbreiterung der Stakeholder Durch Kooperationen mit Einrichtungen im Einzugsgebiet des Museums, wie beispielsweise Schulen, Vereinen und Firmen, können behinderte und nicht behinderte Besuchergruppen besser erreicht und für Museumsinhalte begeistert werden, da sie direkt in ihrem Lebensalltag ›abgeholt‹ werden. Ebenso können Kooperationen mit Fördervereinen, Behindertenverbänden oder beispielsweise anderen Kultureinrichtungen dazu beitragen, dass die ideelle und finanzielle Stakeholderschaft des Museums verbreitert wird. Diese Aspekte können insbesondere bei den Verhandlungen über Mittel für barrierefreie Projekte von großem Vorteil sein. Effizienzsteigerung und Risikoverteilung durch Zusammenarbeit Neben inhaltlichen, sozialen sowie marketingrelevanten Vorteilen von Kooperationen lassen sich auch zahlreiche finanzielle und strukturelle Vorteile herausarbeiten: • gemeinsame Entwicklung und Herstellung von barrierefreien Anwendungen mit anderen Museen, die in Kostenreduktionen resultieren; • gemeinsamer Einkauf barrierefreier Applikationen zur Erzielung höherer Rabatte;
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• Einrichtung eines gemeinsamen Berater-/Evaluationsteams (Knowhow-Transfer und Kostensynergien, da Transportkosten etc. geteilt werden können); • Bündelung von Ressourcen und Kompetenzen; • Austausch über bereits durchgeführte Maßnahmen (»voneinander lernen«) und Einrichtung von Arbeitsgruppen, auch sparten- und sektorenübergreifend; • Risikominimierung, beispielsweise durch die kooperative Durchführung von Sonder- und Wechselausstellungen mit barrierefreien Elementen (mehrere Träger und Produktionsverantwortliche). Weitere ausgewählte Kooperationsmotive und -möglichkeiten • Motivation von Mitarbeitern, die in neuen Kooperationsarrangements neue Aufgabenfelder finden können; • Steigerung der Teamfähigkeit der Mitarbeiter innerhalb der Kooperationsgruppen, die ggf. auch in andere Museums- bzw. Arbeitsbereiche positiv ›abstrahlt‹ (u.a. Verbesserung der internen Kommunikation); • Zugriff auf öffentliche und private Förderung; • Förderung des Bürgerschaftlichen Engagements, z.B. durch Einbindung von Rentnern in den Museumsbetrieb, wie es im Museumsshop des Von-der-Heydt-Museums in Wuppertal nachhaltig praktiziert wird; • produktiver Diskurs mit den Kooperationspartnern und Erarbeitung bzw. Gewinnung neuer Sichtweisen; • künstlerische Synergien, z.B. durch die Einbindung von behinderten Menschen in den Schaffensprozess bei der Konzipierung neuer Ausstellungen. Mit wem kooperieren? So vielfältig die Motive und Möglichkeiten von Kooperationen sind, so mannigfaltig sind die möglichen Partner. Je nachdem, welches Ziel erreicht werden soll, kommen verschiedene Gruppen, Einrichtungen oder Einzelpersonen für eine Kooperation in Frage (Auswahl): • Behindertenverbände/Selbsthilfegruppen/Betroffene/Einzelpersonen/ Krankenhäuser/Heime und Seniorenheime: Zusammenarbeitsmöglichkeiten in den Bereichen Beratung, Austausch, Integration, Beschäftigung, künstlerische Synergien und gemeinsame Angebote; • spezifische Schulen, z.B. Blindenschulen: Einbindung in die museumspädagogische Arbeit, z.B. durch Kooperationsprojekte mit Schulkindern, die nicht behindert sind zwecks gegenseitigen Kennen- und Verstehenlernens;
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• weitere Bildungseinrichtungen: Kooperation mit Schulen, Hochschulen und Volkshochschulen für gemeinsame Veranstaltungen und Angebote, Erfahrungsaustausch sowie Projekte; • Museen: Vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit in den Bereichen Konzeption, Einkauf, Produktion und Erfahrungsaustausch; • weitere Kultureinrichtungen: z.B. Erarbeitung eines gemeinsamen Kulturangebotes für behinderte Menschen mit dem Orchester und dem Theater einer Stadt; • Firmen/lokale Wirtschaft: finanzielle Kooperationsmöglichkeiten (Förderung, gemeinsame Projekte etc.) und inhaltlicher Austausch mit Firmen, die sich auf das Thema Barrierefreiheit spezialisiert haben; gemeinsame Angebote (z.B. mit Hotels und der Gastronomie); • Bürger: Einbindung der Bürger zur Unterstützung barrierefreier Angebote (ideell, personell oder finanziell) und/oder Einbindung behinderter Bürger in die Erstellung musealer Angebote; • Tourismus: u.a. Erarbeitung von Broschüren und Angeboten zum Thema »Barrierefreiheit«; • Netzwerk: im besten Falle wird eine Netzwerkstruktur aufgebaut, die die beteiligten Partner einer Region zum Thema Barrierefreiheit zusammenführt (z.B. gemeinsame Diskussionsforen, Verteiler und Dachverband). Kurze Einführung in das Kooperationsmanagement Das Management von Kooperationen ist eine komplexe und umfassende Angelegenheit. Deshalb werden im Folgenden zentrale Aspekte für barrierefreie Kooperationsprojekte herausgegriffen und überblicksartig vorgestellt. Generell lassen sich alle Kooperationen im Kulturbereich in das in Abbildung 1 dargestellte idealtypische Vier- bzw. Fünfphasenmodell einteilen. Die folgenden Stichpunkte fassen die zentralen Schlüsselfaktoren und -begriffe des Kooperationsmanagements zusammen (vgl. Föhl 2005: 8-30 und Sargent 2004). Kooperationsbedürfnisse und Ziele Zunächst muss eine Analyse der eigenen Position vorgenommen werden, um herauszufinden, in welchen Bereichen bzw. ob Bedarf für »barrierefreie Kooperationen« besteht. Dazu eignet sich z.B. die Stärken-Schwächen- und die Chancen-Risiken-Analyse, aber auch die Zielanalyse. Die Untersuchungen können auch mit einer generellen Evaluation der aktuellen Museumssituation verbunden werden.
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Abbildung 1: Kooperationsphasen Strategische Analyse des Kooperationspotenzials 1. Analyse der eigenen Position 2. Analyse des Kooperationspotenzials und Formulierung der Ziele 3. Beurteilung der Chancen/ Risiken und der generellen Machbarkeit
Gestaltung der Kooperation
Partnerselektion
1. Wer und was kommt in Frage (Machbarkeit hinsichtlich Strategie, Organisation und kulturellen Inhalts)? 2. Bestimmung der tatsächlichen Synergiepotenziale
1. Bestimmung der Kooperationsfelder (hängt stark von der Ausrichtung ab; z.B. Kooperation mit Museum, Tourismusbüro oder Selbsthilfegruppe) 2. Bestimmung der Intensität (u.a. zeitlicher Horizont, Formalisierungsgrad, Tiefe etc.) 3. Kooperationsvertrag
Betrieb der Kooperation
1. Koordination und Steuerung (Gremien, Aufgabenverteilung, Kontrolle, Berichtwesen) 2. Kultur- und Konfliktmanagement, neue Managementfähigkeiten, Schiedsverfahren) 3. Lernen und Anpassung (u.a. »voneinander lernen«, Anpassung Prozesse und Strukturen, Informationsaustausch)
Beendigung Nur relevant für zeitlich befristete Kooperationen:
1. Entscheidung über Auslauf oder evtl. Revitalisierung 2. Was geschieht mit den gemeinsamen Systemen und Ressourcen? 3. Projektorganisation für Abwicklung 4. Projektabschlussbericht
Eigene Abbildung nach Föhl (2005: 9)
Zeit Die Vorbereitung und Durchführung von Kooperationen benötigt vor allem Zeit, die entsprechend zur Verfügung gestellt werden muss. Partnersuche und -wahl: Gemeinsame Ziele Zu zahlreichen Fragestellungen werden sich automatisch bestimmt regionale Akteure anbieten. D.h., eine größere Auswahl wird nicht immer gegeben sein. Dennoch sollte reflektiert werden, ob eine Zusammenarbeit hinsichtlich Strategie, Organisation, Parität der ›Mittel‹ und der Kultur grundsätzlich gegeben ist. Fundamental ist die Einigung über gemeinsame bzw. kompatible Ziele, die mit der Kooperation erreicht werden sollen (Leitbild und Funktionsgrundlage der Kooperation).
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Damit ggf. weitere Kooperationspotenziale nicht vergeben werden, sollte kontinuierlich das Umfeld auf weitere mögliche Allianzpartner untersucht werden. Hierzu ist besonders der Austausch mit behinderten Menschen, Lehrern der Kinder- und Erwachsenenbildung, Ärzten, Sozialarbeitern, Selbsthilfegruppen, Heimleitern, lokalen Firmen, Vereinen und Verbänden, Kulturschaffenden sowie der lokalen Politik zu empfehlen. Strukturen und klare Verantwortlichkeiten Wichtig sind klare Strukturen für den Kooperationsablauf. Jeder Partner hat unterschiedliche Gewohnheiten, die nun auf die Zusammenarbeit abgestimmt werden müssen. Hier stellen sich u.a. folgende Fragen: Wie ist der Zeithorizont der Kooperation? Wer übernimmt welche Aktivitäten und Verantwortlichkeiten? Welche Ziele verfolgen wir? Wie häufig und wo treffen wir uns? Wie kommunizieren wir? Wie funktioniert der Transport? Wie gehen wir mit Konflikten um (z.B. Mediation oder Schiedsgericht)? Wer trägt welche Kooperationskosten? Bei besonders intensiven Kooperationen sollten diese vorab hinsichtlich ihrer Machbarkeit gründlich überprüft werden (vgl. Föhl 2006) und in einen Kooperationsvertrag münden (vgl. Föhl 2005: 19f.). Ebenso ist die Wahl eines ›Kooperationsbeauftragten‹ zu empfehlen, der die Kooperationen und die jeweiligen Rahmenbedingungen sowie die Termine und Notwendigkeiten im Blick behält. Kompromissbereitschaft und Vertrauen Wichtige Faktoren für das langfristige Gelingen einer Kooperation sind Vertrauen und Kompromissbereitschaft. Beides wird nicht ›von heute auf morgen‹ zu realisieren sein, sondern sich erst durch positive Zusammenarbeit entwickeln. Dafür ist es notwendig, dass sich beide Partner gleichberechtigt fühlen. Im Mittelpunkt steht hierbei die Abstimmung der Entscheidungsstrukturen. Folgende Möglichkeiten sind als verfügbar anzusprechen: 1. 2. 3. 4.
kooperative Verfahren zur Entscheidungsfindung (z.B. im Gremium); sinnvolle Aufteilung der Verantwortung; Leiteinrichtung (asymmetrische Verantwortung nach Absprache) oder Heterarchie (jeweils aufgabenspezifische Festlegung der Entscheidungsstrukturen).
Erfolgreiche Kooperationen beruhen auf der »Win-Win-Situation« für alle Partner, welche die Langfristigkeit und die durchweg gute Motivation sowie eine konstante Produktivität aller Beteiligten sichert.
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Kommunikation Neben der Integration kommt dem Kommunikations- und Informationsmanagement eine wichtige Aufgabe zu, insbesondere in der Arbeit mit behinderten Menschen (vgl. Playforth 2003). Hierbei gibt es insbesondere vier Funktionen, die Beachtung finden sollten: 1. Steuerungsfunktion: diese Kommunikationsfunktion findet im Wesentlichen in einem »top-down«-Prozess statt. Hierbei handelt es sich z.B. um die Weitergabe von Anweisungen und um Feed Back-Gespräche. Bsp.: Belohnung guter Arbeit durch ein positives Mitarbeitergespräch. 2. Informationsfunktion: in Austauschgesprächen mit der Leitung geht es im Kern darum, Ungewissheiten bzgl. der Kooperation zu absorbieren bzw. zu klären. Diese Funktion zielt durch direkte Information besonders auf die Vermeidung von Gerüchten. Bsp.: ›Wer sind die Entscheidungsträger in den Kooperationsbereichen?‹ 3. Koordinationsfunktion: unter diesem Aspekt wird die Kommunikation als Abstimmungs- und Controllinginstrument eingesetzt. Bsp.: ›Wer hat welche Aufgaben und ist wie zu erreichen?‹ 4. Sozialisierungsfunktion: Vermittlung der Kooperationsziele und verbindlicher Leitbilder. Bsp.: ›Welche Grundsätze und Verfahrensweisen gelten zukünftig?‹ Vermittlung von »early wins« (positive Erfolge der Kooperation in den Vordergrund stellen), die neben den Mitarbeitern vor allem auch den Zuwendungsgebern und nach außen vermittelt werden sollten. Lernen und Anpassung Die Kooperation muss intensiv dazu genutzt werden, voneinander zu lernen. Wenn z.B. mit einem Museum kooperiert wird, lohnt sich auch der Blick über die Kooperationsgrenzen hinaus. Kooperationen sind kein starres Gebilde, sondern müssen durch die involvierten Menschen und deren Erfahrungen stetig reflektiert und modifiziert werden, um den bestmöglichen Effekt der Zusammenarbeit erzielen zu können. Resümee und Ausblick Kooperationen im Museumsbereich stellen ein mitunter schwieriges Unterfangen dar; dies soll in diesem Beitrag nicht verschwiegen werden. Interne Hemmnisse sind häufig nachhaltig ausgeprägt, sodass allzu oft vor äußeren Eindrücken und Veränderungen zurückgeschreckt wird. Allianzen sind auch schon daran gescheitert oder haben sich nicht effektiv entwickelt, weil die
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elementarsten Faktoren nicht beachtet wurden (z.B. klare Strukturen und laufende Kommunikation). Deshalb sind eine Analysephase im Vorfeld und die Formulierung eindeutiger bzw. gemeinsamer Kooperationsziele von entscheidender Bedeutung. Zusammenfassend kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Kooperationen aufgrund der prognostizierbaren Steigerung von barrierefreien Maßnahmen im Museum eher zu- als abnehmen werden. Die möglichen Schwierigkeiten werden dabei von den potenziellen Synergien aufgefangen, denn die vielen Motive und Vorteile von Kooperationen, die in diesem Beitrag dargelegt wurden, stellen einen wichtigen Teil des Fundamentes für barrierefreie Projekte dar. Dies hat die kulturelle Praxis bereits mehrfach bewiesen. Abschließend lohnt sich deshalb der Blick auf ein gelungenes Beispiel, das besonders durch die ›Kooperationskreativität‹ der verantwortlichen Kulturakteure überzeugt: Die Hatton Gallery in Newcastle upon Tyne (Großbritannien) arbeitet seit mehreren Jahren mit dem St. Nicholas-Krankenhaus zusammen. Gruppen von acht bis zehn psychisch kranken Menschen arbeiten in ihrer Freizeit in der Galerie an eigenen Kunstwerken. Neben der Erschaffung der Kunstwerke planen sie gemeinsam mit den Verantwortlichen der Galerie und ihren Betreuern jeweils eine Ausstellung, inklusive der Ausstellungsarchitektur, der Hängung, Beschilderung etc. Die Kunstwerke in der Ausstellung werden verkauft und die Einnahmen gehen in einen Fonds für weitere Gruppen aus dem St. Nicholas-Krankenhaus. Die Teilnehmer gewinnen erfahrungsgemäß an Vertrauen in sich selbst und erfahren eine Steigerung ihres Selbstwertgefühls. Die Galerie erhält weitere Einflussbereiche, erschließt neue Käufergruppen sowie Interessenten und wird ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht. Das Krankenhaus freut sich über die Möglichkeiten dieser Form der ›Therapie‹ an einem öffentlichen Ort und über die Öffnung der eigenen Arbeit nach außen (vgl. Sargent 2004: 19). Literatur Delin, Annie (2003): Audits. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 4, London. Delin, Annie (2004): Employment at Every Level. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 12, London. Dickerhof, Markus/Gengenbach, Ulrich (2006): Kooperationen flexibel und einfach gestalten. Checklisten – Tipps – Vorlagen, München/Wien Föhl, Patrick S./Huber, Andreas (2004): Fusionen von Kultureinrichtungen. Ursachen, Abläufe, Potenziale, Risiken und Alternativen, Essen. Föhl, Patrick S. (2005): Erfolgreiches Management von Kooperationen. Motive, Formen, Phasen und Durchführung. In: Dirk Heinze/Dirk Schütz
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(Hg.): Erfolgreich Kultur finanzieren: Lösungsstrategien für die Praxis, Berlin u.a.O. 2003ff., Kap. D 3.2-2. Föhl, Patrick S. (2006): Die Machbarkeitsstudie. »Sorgfaltpflicht« vor nachhaltigen Veränderungsmaßnahmen und Projekten im Kulturbereich. In: Handbuch KulturManagement, Berlin u.a.O. 1992ff., Kap. B 3.11. Playforth, Sarah (2003): Meeting Disabled People. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 2, London. Playforth, Sarah (2004): Consulting Disabled People. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 11, London. Sargent, Linda (2004): Outreach and Partnerships. Resource Disability Portfolio Guide, Vol. 10, London. Schuh, Günther/Friedli, Thomas/Kurr, Michael A. (2005): Kooperationsmanagement, München/Wien. Zentes, Joachim/Swoboda, Bernhard/Morschett, Dirk (Hg.) (2005): Kooperationen, Allianzen und Netzwerke. Grundlagen – Ansätze – Perspektiven, 2., überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden.
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Heiner Mockenhaupt ➔ Bauliche Angelegenheiten bei der Gestaltung
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Bauliche Angelegenheiten bei der Gestaltung von barrierefreien Museen
Heiner Mockenhaupt1 Für wen barrierefreie Museen? Wenn man heute eine der zahllos angebotenen Städtereisen bucht, steht neben der Besichtigung der aufgesuchten Stadt oft auch ein Besuch im Museum auf dem Plan. Ist man gesund und mobil, steht diesem Vorhaben auch nichts entgegen. Doch schon ein etwas gesetzteres Alter bringt oft Probleme mit sich: Wie weit sind die Wege? Gibt es Sitzmöglichkeiten zum Ausruhen? Sind die Toiletten erreichbar? … und andere Fragen mehr. Noch schwieriger werden die Nachforschungen, wenn ein behinderter Mensch eine solche Reise plant: Ist das Museum, welches ich besuchen möchte, barrierefrei, also komme ich überhaupt in das Gebäude? Sind für mich benutzbare WCs vorhanden? Oder: Wie sind die mich interessierenden Objekte ausgestellt? Kann ich als kleinwüchsiger Mensch sie überhaupt betrachten? Gibt es Objekte, die ich als blinder Mensch ertasten kann? Diese Fragen, die von außen an das Museum gestellt werden, sollten im Innern des Hauses entsprechende Fragen und in der Folge das Bestreben, diese zu beantworten, bewirken. Dafür ist es zunächst erforderlich, sich im Klaren zu sein über die Anforderungen, die verschiedene Behinderungsarten und -grade mit sich bringen. Natürlich gibt es in Wissenschaft und Literatur unzählige Abhandlungen über die unterschiedlichsten Behinderungen. Für die praktische Arbeit zur Erreichung einer umfassenden Barrierefreiheit von Museen und anderen Kultureinrichtungen wird hier eine leicht zu handhabende Tabelle zur Verfügung gestellt, denn die Abfrage der Haupt-Behinderungsgruppen bei Planung und Beratung soll verhindern, dass wichtige Bereiche vergessen werden. Die Hauptgruppen werden wie folgt bezeichnet: • • • •
Gruppe der mobilitätseingeschränkten Menschen; Gruppe der sinneseingeschränkten Menschen; Gruppe der psychisch und kognitiv eingeschränkten Menschen;2 Gruppe der Senioren.
1 Unter Mitarbeit von Ursula Wallbrecher, M.A., Archäologin und Kunsthistorikerin. 2 Diese beiden Gruppen werden hier zusammengefasst, weil ihre Anforderungen an eine Architektur oft ähnlich sind.
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Dass diese vier Hauptgruppen eine Vielzahl von Untergruppen haben, ist nachvollziehbar und wird an anderer Stelle behandelt. Ziel der Barrierefreiheit muss immer die umfassende Berücksichtigung aller Behinderten sein. Leitmotiv dabei ist, dem Behinderten soviel Selbstbestimmung in allen Bereichen zu ermöglichen, dass er ohne fremde Hilfe seine Bedürfnisse und Interessen verwirklichen kann – denn das schließlich ist es, was alle Menschen wollen! Die gesetzlichen Grundlagen Grundsätzlich sind für die Belange behinderter Menschen die Gleichstellungsgesetze maßgebend: das Bundesgleichstellungsgesetz auf Ebene des Bundes und die Landesgleichstellungsgesetze auf Länderebene, soweit sie erlassen sind. Für das Bauen liegt die Zuständigkeit in unserem föderalen Staatssystem bei den Ländern; das Bauen wird in den Landesbauordnungen geregelt. In diesen Landesbauordnungen sind in sehr unterschiedlicher Weise die Vorschriften für das barrierefreie Bauen geregelt. Auf die Unterschiede zwischen den Landesbauordnungen der verschiedenen Bundesländer einzugehen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. In allen Bundesländern sind die DIN-Normen für barrierefreies Bauen in die Gesetze eingeführt, wenn auch teilweise in unterschiedlicher Form. Folgende DIN-Normen sind für den Bereich barrierefreies Bauen für Museen maßgebend: DIN 18 024-1
Barrierefreies Bauen Teil 1 Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze
DIN 18 024-2
Barrierefreies Bauen Teil 2 Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten
DIN EN 81-70
Besondere Anwendungen für Personen- und Lastenaufzüge Teil 70 Zugängigkeit von Aufzügen für Personen einschließlich Personen mit Behinderungen
DIN 32 984
Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum
E DIN 18 030
Barrierefreies Bauen (Entwurf)
Von den oben aufgeführten Normen ist die »DIN 18 024-2 Barrierefreies Bauen Teil 2 Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten« die meistgebrauchte. Diese DIN enthält die Vorgaben für die Errichtung und das Umbauen von öffentlich zugänglichen Gebäuden. Zu diesen werden auch Museen gezählt.
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Der Inhalt regelt insbesondere die folgenden Bereiche: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Maße der Bewegungsflächen (4); Maße der Begegnungsflächen (5); Türen (6); stufenlose Erreichbarkeit, Aufzüge, Rampen (7); Treppen (8); Bodenbeläge (9); Sanitärräume (11); Tresen, Serviceschalter, Verkaufstische (15); PKW – Stellplätze (16); Orientierungshilfen und Beschilderungen (18).3
1. Maße der Bewegungsflächen Bewegungsflächen sind die zur Bewegung mit dem Rollstuhl notwendigen Flächen. Bei den Bewegungsflächen wird je nach Notwendigkeit und Lage der Flächen zwischen drei Maßen unterschieden. Dabei werden Tiefen und Breiten von 150 cm, 120 cm und 90 cm vorgeschrieben. 2. Maße der Begegnungsflächen Bei Begegnungsflächen zum Beispiel in über 15 m langen Fluren wird die Fläche von 180 cm auf 180 cm gefordert. 3. Türen Hier wird eine lichte Breite von mindestens 90 cm für Türen gefordert. Außerdem werden Aufschlagrichtung von Türen und kraftbetätigte Türen behandelt. 4. Stufenlose Erreichbarkeit, Aufzüge, Rampen Alle Gebäudeebenen müssen stufenlos, gegebenenfalls mit einem Aufzug oder einer Rampe erreichbar sein. Aufzüge und die Anforderungen an diese werden in der Europäischen Norm DIN EN 81-70 »Zugänglichkeit von Aufzügen für Personen einschließlich Personen mit Behinderungen« geregelt. Hier werden die Ausbildung von Rampen, deren Steigung von maximal sechs Prozent sowie Breiten und Längen festgelegt. 3 Die in Klammer gesetzten Zahlen sind Ordnungszahlen der DIN.
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5. Treppen Für die Nutzung von Treppen gerade auch für blinde und sehbehinderte Menschen werden Ausführungsvorschriften gefordert, die im Bereich von Handläufen und der Ausbildung von Stufen auf diese Gruppe von Behinderten gesondert abgestimmt sind. 6. Bodenbeläge Gefordert werden rutschhemmende, rollstuhlgeeignete und elektrostatisch nicht aufladbare Bodenbeläge. 7. Sanitärräume Einen Schwerpunkt der DIN 18024-2 bildet der Bereich Sanitärräume. Hier werden Maße für Höhen, Längen und Breiten, für Planung und Ausstattungen genau vorgeschrieben. Die genaue Einhaltung dieser Vorschriften ist für alle behinderten Menschen von substanzieller Bedeutung. So, wie man im Dunkeln den Türgriff durch lebenslange Übung findet, verlässt sich der behinderte Mensch auf die ihm bekannten Abmessungen und Anordnungen in dem von ihm genutzten WC. Schon Abweichungen im Zentimeterbereich können zur Nicht-Benutzbarkeit durch Behinderte führen; im schlimmsten Fall können Unfälle die Folge sein. Deshalb noch einmal der eindringliche Hinweis, die Vorgabe der DIN im Sanitärbereich umfassend einzuhalten. In der DIN 18024-2 werden Klappliegen nur für Raststätten, Sportstätten und Behinderteneinrichtungen empfohlen; sie sind aber für jede Behindertentoilette erforderlich, weil sie beispielsweise Menschen mit Kathetern dazu dienen, diese wechseln zu können. Eine höhenverstellbare Toilette sollte keine Ausnahme darstellen, sondern sie sollte zu einer Standardausstattung jeder Behindertentoilette werden. Hierdurch werden Erleichterungen für behinderte Menschen geschaffen, die nicht genug gewürdigt werden können. Und zu guter Letzt: Auch das Vorhandensein von einem Wickeltisch in einer Behindertentoilette in einem Museum ist nirgendwo explizit geregelt, erweist in diesem Fall aber nicht dem Behinderten, sondern Müttern und Vätern nützliche Dienste.
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8. Tresen, Serviceschalter, Verkaufstische Zur rollstuhlgerechten Nutzung sollten Tresen, Serviceschalter und Verkaufstische nicht höher als 85 cm sein. 9. PKW – Stellplätze Anzahl, Gestaltung und Lage der Behinderten-Stellplätze sind hier geregelt. 10. Orientierungshilfen und Beschilderungen Öffentlich zugängige Gebäude sind mit Orientierungshilfen auszustatten. Details werden hier beschrieben. In der DIN 32 984 ist alles über Blindenleitsysteme im Außenbereich geregelt. Diese DIN-Norm ist zum Beispiel für die Auffindbarkeit von Zugängen der Museen für Blinde von entscheidender Bedeutung. Die DIN E 18 030 »Barrierefreies Bauen Ausgabe 2006-01« ist der Entwurf einer DIN-Norm, der die verschiedenen Normen für barrierefreies Bauen in einer Norm zusammenführen soll. Zurzeit ist diese Norm nur ein Entwurf, er ist jedoch schon sehr weit ausgearbeitet. Ein interessanter Aspekt in diesem Entwurf ist das »Zwei-Sinne-Prinzip«. Hierbei geht man davon aus, dass bei allen Angeboten im Lebensbereich von Behinderten immer zwei Sinne angesprochen werden. Hören und Sehen, Hören und Fühlen, Sehen und Fühlen sind nur eine Auswahl von Möglichkeiten, die das »Zwei-Sinne-Prinzip« beinhaltet. Ein typisches Beispiel für dieses Prinzip ist die Fußgängerampel. Der blinde Mensch wird mit einem Leitsystem, das taktil erfasst wird (1. Sinn), zur Ampel geführt und hier durch ein akustisches Signal (2. Sinn) über die Straße geleitet. Über dieses Prinzip nachzudenken und es umzusetzen, ist eine Aufgabe, die uns in vielen Bereichen der barrierefreien Umwelt weiter voran bringen wird. Umsetzung der Barrierefreiheit bei Neubauten Ein Neubau eines Museums ist hierzulande bei den engen finanziellen Möglichkeiten von Kommunen und Ländern sehr selten geworden. Umso mehr hat es mich gefreut, den Neubau eines Museums im Bereich der Barrierefreiheit begleiten zu können – allerdings nicht gleich von Beginn an. Um bei Neubauten Barrierefreiheit sicherzustellen, ist es aber erforderlich, dass der Sachverständige für barrierefreies Bauen in allen Entwurfsphasen von An-
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fang an aktiv mitwirkt. Barrierefreiheit war zwar auch hier von Anfang an Bestandteil der Planung des Architekten. Der sensibilisierte Architekt hatte auch die Vorgaben der DIN 18 024-2 zu erfüllen gesucht, womit die Barrierefreiheit für mobilitätseingeschränkte Menschen ja weitgehend erreicht wird. Aber wie meist in solchen Fällen liegen die Schwierigkeiten in den Details. Hier kommen mir persönlich die Erfahrung von vielen Jahren barrierefreien Bauens und meine eigene Behinderung (ich bin Rollstuhlfahrer) zugute. Da ich nicht schon immer auf den Rollstuhl angewiesen war, habe ich durch viele Jahre hindurch bei meinen eigenen Planungen die Barrierefreiheit zwar teilweise beachtet, aber durch meine Behinderung ist meine Sichtweise natürlich eine andere geworden. Daher weiß ich auch, dass Fehler im Bereich des barrierefreien Bauens nichts mit Unkenntnis oder Absicht zu tun haben: Es ist einfach nur die andere Sichtweise, die man als Gesunder hat. So kommt es zu Fehlern in Planung und Ausführung. Nur die Begleitung eines Bauvorhabens vom ersten Entwurf über die Ausführungsplanung bis zur Schlussabnahme sichert die Barrierefreiheit und verhindert nachträgliche teure Umbauten und Änderungen. Gerade in der Schlussphase schleichen sich nämlich schnell Fehler ein: Hier geht es oft um richtige Höhen und Abstände, und man hört von Handwerkern gern den Kommentar ›Das haben wir aber doch schon immer so gemacht.‹ Es kann aber in allen Planungsphasen zu Fehlern kommen. Ich will an dieser Stelle Beispiele aus meiner Praxis, konkret von dem Neubau jenes Museums erzählen, weil ich denke, dass sie in gewisser Weise typische Erfahrungen wiedergeben: Der Abgleich der Planung mit den Hauptgruppen der Behinderungen am Beginn der Bauplanung ergab Versäumnisse im Bereich aller oben aufgeführten Behinderungsgruppen: 1. Bei der Gruppe der mobilitätseingeschränkten Menschen Bei der Ausstattung der barrierefreien Toiletten fehlte die Liege (Klappliege). ›Warum eine Liege in der Toilette? Wir haben doch eine Liege im Sanitätsraum!‹ Die Liege in der Behindertentoilette ist aber nicht zum Ausruhen gedacht, sondern, wie wir bereits gelernt haben, ermöglicht sie beispielsweise Behinderten mit Kathetern, diese zu wechseln. Bei der Ausstattung des WCs mit Spiegel und Notruf, bei der Anordnung der Spülung, der Kleiderhaken und anderen in der DIN vorgeschriebenen Einrichtungen konnte vor der Ausführung nachgebessert werden: Es erwies
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sich als sinnvoll, Spülung, Notruf und Toilettenpapierhalter in die notwendigen Haltegriffe an der Toilette zu integrieren. Durch die Beratung vor Ort war dies jedoch eine problemlose Sache, die außerdem keine zusätzlichen Kosten verursacht hat. 2. Bei der Gruppe der sinneseingeschränkten Menschen Ein Blinden-Leit- und Orientierungssystem war überhaupt nicht eingeplant. Als ich dies bemerkte, wurde mir die Frage gestellt: ›Ja, geht denn ein Blinder überhaupt in ein Museum?‹ Auf diese Frage hätte ich vor Jahren keine Antwort gewusst. Aber durch die Zusammenarbeit mit meinem blinden Kollegen, der mich in allen Fragen der Barrierefreiheit für Blinde berät, habe ich erfahren, dass es auch für einen Blinden wie für jeden anderen Menschen ein Erlebnis sein kann, in ein Museum zu gehen. Welche Erfahrungen kann er dort machen? Ein modernes Museum wird für blinde Menschen beispielsweise Objekte (Repliken) bereithalten, die es ihnen ermöglichen, durch Ertasten die Ausstellungsstücke zu ›begreifen‹. Gerüche und Geräusche können andere Sinne ansprechen. Ein taktiler Plan des Museums bietet dem Blinden die Möglichkeit, das Gebäude mit seinen Räumen und Abmessungen zu erfassen.4 Für gehörlose Menschen war vergessen worden, bei der Ausstattung der Aufzüge darauf zu achten, dass es eine optische Bestätigung des Notrufs gab. Dieser wurde nur akustisch bestätigt. Es fehlte auch die optische Anzeige für einen Notfall innerhalb des Museums (z.B. bei Feuer). 3. Bei der Gruppe der kognitiv und psychisch eingeschränkten Menschen Es wurde festgestellt, dass nirgendwo Beschriftungen – an Objekten, solche zur Auffindung von Räumen, allgemeine Hinweise – in einfacher Sprache abgefasst waren. Diese sind im Übrigen nicht nur für kognitiv eingeschränkte Menschen, sondern auch für gehörlose und hörbehinderte Menschen notwendig. Die oben aufgeführten Beispiele sind nur Versäumnisse bei der Planung. Es muss und kann aber auch gesagt werden: Durch die Beratung zu einem immerhin sehr frühen Zeitpunkt konnte der Architekt sein Konzept zu 100 4 Die Beschriftung eines solchen Planes muss sowohl in Brailleschrift (wird von Geburtsblinden benötigt) als auch in taktiler Schrift (die Buchstaben sind in Pyramidenform erhaben und können so ertastet werden) ausgeführt werden.
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Prozent umsetzen. Die Barrierefreiheit ist integrierter Bestandteil der Gesamtplanung geworden und wird von nicht behinderten Besuchern nicht wahrgenommen. Der behinderte Besucher jedoch kann dieses Museum in allen Facetten erfahren. Durch die behindertengerechte Präsentation der Objekte ist nicht nur das Museum als Gebäude barrierefrei geworden, sondern auch die Ausstellung ist zum barrierefreien Erlebnis geworden. Und noch ein abschließender Satz zum Thema frühestmögliche Beratung: Es ist sogar schon dazu gekommen, dass durch die Beratung Ausführungsdetails nicht nur besser, sondern auch kostengünstiger eingerichtet werden konnten. Herstellung der Barrierefreiheit bei bestehenden Gebäuden unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes Vorentwurfsplanung und Entwurfsplanung Wenn die Möglichkeit besteht, ein Museum, das umgebaut werden soll, für eine bestimmte Zeit vollständig zu schließen, kann der Umbau in einer zusammenhängenden Planung erstellt und ausgeführt werden. Ist dies nicht der Fall – was wohl eher im Interesse der Museumsleitung liegt –, kann es beim Umbau eines bereits bestehenden Hauses eventuell dazu kommen, dass einige Abteilungen geschlossen werden, während in anderen Abteilungen weiterhin normaler Besucherverkehr stattfindet. Dies ist allerdings nur möglich, wenn es eine fein abgestimmte Logistik zwischen Museumsleitung, Architekten und ausführenden Firmen gibt. Eines aber unterscheidet den Umbau eines bestehenden Hauses nicht vom Neubau eines Museums: Auch hier ist die Abstimmung zwischen dem Architekten und dem Sachverständigen für barrierefreies Bauen von Anfang an zwingend erforderlich. Die Gründe und Ziele der Barrierefreiheit sind zu diesem Zeitpunkt genau zu definieren und festzulegen. Diese Festlegung ermöglicht es, die im Laufe des Umbaus auftretenden Probleme und Fragen, die den Bereich Barrierefreiheit betreffen, nicht immer aufs Neue diskutieren zu müssen, sondern festgelegte Standards auch bei unvorhergesehenen Schwierigkeiten umzusetzen. Das ›Warum‹ ist somit von Anfang an geklärt. Wenn der Architekt seine Vorentwurfsplanung fertig gestellt hat, ist diese unter Abgleich mit den verschieden Behinderungsgruppen zu ergänzen und abzustimmen. In dieser ersten Planungsphase müssen folgende Bereiche festgelegt werden:
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• die Zugänglichkeit des Gebäudes; • die Standorte für Behindertentoiletten; • das System der Führung von blinden Besuchern (Blindenleitsystem und/ oder Audio-Guide); • die Erreichbarkeit aller Ebenen durch Aufzüge und/oder Rampen; • die Barrierefreiheit für behinderte Mitarbeiter und • die barrierefreie Präsentation. Ein Bereich, der im Zusammenhang mit Neubauten nicht auftritt, ist gerade bei Renovierungs- und Umbauarbeiten von historischen Gebäuden der Denkmalschutz. Das berechtigte und gesetzlich verankerte Interesse des Denkmalschutzes kann auf den ersten Blick mit der barrierefreien Gestaltung von betreffenden Gebäuden nicht ›zusammen gehen‹. Doch wenn es eine grundsätzliche Einigkeit über den gemeinsamen Wunsch gibt, ein denkmalgeschütztes Gebäude barrierefrei zu gestalten, wird es in den meisten Fällen doch möglich sein, nicht nur ein Problem zu beschreiben, sondern auch Lösungen zu benennen. Nur durch die Suche nach einer Symbiose von Barrierefreiheit und Denkmalschutz, ähnlich wie sie bei Architektur und Barrierefreiheit eingegangen wird, kommt beiden Bereichen die notwendige Würdigung zu. Dass Rampen, technische Einrichtungen wie Hubbühnen, die Kraftverstärkung von Türen und das Anbringen der hierfür notwendigen Schalter in die historische Substanz eingreifen, ist unbestritten. Aber wenn Lösungsorientierte aufeinander zugehen, kann das zu befriedigenden Ergebnissen für beide Seiten führen. Dass es hierbei keine Lösungen ›von der Stange‹ gibt und die Kreativität aller Beteiligten in höchstem Maße gefordert ist, liegt auf der Hand. Aus der Erfahrung von vielen Bauvorhaben weiß ich, dass eine Lösung immer gefunden werden kann, auch wenn das zähe Verhandeln zur Durchsetzung der eigenen Position genau so dazugehört wie die Suche nach und die Annahme von Kompromissen auf beiden Seiten. An dieser Stelle können daher auch keine Beispiele für Lösungen aufgezeigt werden, da diese immer nur im Kontext einer Gesamtplanung einen Sinn ergeben. Ausführungsplanung Wenn alle Details der Ausführung festgelegt sind, wird – meist im Maßstab 1:50 – ein Ausführungsplan erstellt, der alle diese Details enthält. An diesem Punkt ist es ungeheuer wichtig – und auch des Maßstabs wegen eigentlich erst möglich –, dass die in der ersten Phase gesetzten Eckpunkte kontrolliert werden:
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• Wurden alle Forderungen erfüllt und eingeplant? • Sind möglicherweise Forderungen durch Planänderungen nicht mehr ausführbar oder notwendig? • Haben sich durch Änderungen Situationen ergeben, die andere Lösungen als die zuvor geplanten vernünftiger erscheinen lassen? Nun ist es auch möglich, die Übereinstimmung der Ausführungsplanung mit der Entwurfsplanung und den Vorgaben der DIN-Normen zu überprüfen: beispielsweise die geplanten Größen von Toilettenräumen, die Größen von Aufzügen, das Gefälle von Rampen, die geplanten Flächen vor Aufzügen und Rampen, die Breite von Fluren mit den erforderlichen Begegnungs- und Bewegungsflächen und alle anderen Details. Da zu diesem Zeitpunkt auch die Ausschreibung der einzelnen Gewerke (zum Beispiel für Aufzüge, Hubbühnen oder Leitsysteme) fertig ist, kann auch hier die Übereinstimmung mit den Vorgaben überprüft werden. Dies alles findet nicht aus Misstrauen gegenüber der Planungskompetenz des Architekten statt, sondern hat sich als sinnvoll erwiesen aus der Erfahrung heraus, dass durch das komplexe Zusammenführen von den unterschiedlichsten Teilen der Planungen Vorgaben verloren gehen können. Da auch der Bereich des barrierefreien Bauens ständig den Erkenntnissen neuer Entwicklungen unterliegt, ergibt sich in dieser Phase noch einmal ohne größeren Aufwand die Gelegenheit, neue Erkenntnisse einfließen zu lassen. Ausführung und Schlussabnahme Es ist zu hoffen und jedenfalls anzustreben, dass die in der Planungsphase entstandene gute Zusammenarbeit zwischen Architekten und Sachverständigen sich in der Zusammenarbeit mit den ausführenden Firmen fortsetzt und die Architekten auf das Angebot der Beratung durch Sachverständige im Detail zurückgreifen. Die Sensibilität und Erfahrung der entsprechenden Sachverständigen führt dazu, dass Fehler in der Ausführung erkannt werden, die sich auf den ersten Blick einem anderen nicht erschließen. Wenn das Waschbecken auch nur drei Zentimeter zu hoch angebracht werden soll, wird das einem Handwerker eventuell den Satz entlocken: ›Das haben wir immer schon so gemacht – sind doch nur drei Zentimeter!‹ Für den behinderten Benutzer ist damit aber eventuell die Erreichbarkeit der Armaturen in Frage gestellt – und das weiß der Sachverständige. Noch einmal: In der Ausführung liegen noch einmal alle Möglichkeiten, Fehler zu verhindern. Nachdem nun die Beratungs- und Planungsphasen und die Ausführung
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abgeschlossen sind und das Bauvorhaben dem Ende zugeht, kommt einer der wichtigsten Momente des Baugeschehens: Alles das, was bisher Planung und Theorie war, ist nun Realität geworden. Jetzt muss sich beweisen, ob alle Ideen umgesetzt wurden und ob sie sich auch in der Praxis als hilfreich für behinderte Menschen erweisen. Bevor jedoch der Praxistest anläuft, muss mit Zollstock und Wasserwaage die Ausführung überprüft werden. Auch dies ist wiederum keine Maßnahme des Misstrauens, sondern die fachliche Überprüfung der Ausführung. Es ist unbedingt erforderlich, dass bei der Abnahme der barrierefreien Einrichtungen Sachverständige für diesen Bereich hinzugezogen werden: Dass auch bei Beachtung aller Normen und Richtlinien einzelne Personen, ob behindert oder nicht behindert, Mängel in der Ausführung finden, liegt wohl in der Natur des Menschen. Doch gerade in solchen Fällen kann durch den Verweis auf die Normen oder den Hinweis darauf, dass es sich im speziellen Fall um einen bewusst eingegangen Kompromiss handelt, oft schon am Anfang ein beginnender Konflikt entschärft werden. Es sei an dieser Stelle auch noch auf Folgendes hingewiesen: Ohne dass es bewusst geplant wurde, haben sich im hier beschriebenen Beispielfall durch den barrierefreien Umbau Möglichkeiten auf anderen Ebenen ergeben, die eine Erleichterung des alltäglichen Museumsbetriebs bewirken. So können Bildertransporte für Ausstellungen über Rampen und Aufzüge vorgenommen werden, ohne dass mühsam Treppen überwunden werden müssten. Und: Die für Behinderte geplanten Einbauten werden von nicht behinderten Besuchern des Museums ebenfalls gern genutzt werden, was zu einer Steigerung der Attraktivität des Hauses führt. Nun ist im Idealfall ein komplett barrierefreies Gebäude entstanden. Damit ist im Falle eines Museums aber bei Weitem noch nicht alles geschehen: Jetzt muss es um die Präsentation der Dauer- wie auch der Sonderausstellungen gehen, damit der Museumsbesuch für alle Menschen, ob behindert oder nicht behindert, zum Erlebnis wird. Zielgruppenorientierter Umbau Barrierefreiheit mal nicht im Sinne von ›Alles oder Nichts‹ Alle Museen im engsten Sinne des Wortes barrierefrei zu gestalten, ist ein Ziel, das zu erreichen wohl in weiter Zukunft liegt. Aber wenn die Bereitschaft und die Mittel vorhanden sind, auch nur in kleinem Maße Veränderungen vorzunehmen, ist es doch oft möglich, für einzelne Zielgruppen Erleichterungen zu erreichen oder sogar Zugänglichkeit zu schaffen, wo diese
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bisher nicht gegeben war. In eigentlich allen Häusern liegt viel mehr Potenzial, als der Laie sich vorstellt. Das liegt daran, dass wir bisher sprachlich eine Verallgemeinerung vorgenommen haben, die dem großen Ziel einer »Barrierefreiheit für Alle« verpflichtet ist. Sieht man sich aber verschiedene Behinderungsgruppen an, wird man feststellen, dass Behinderte oft sehr viel mehr Möglichkeiten haben, als eine Vereinheitlichung wahrnehmen lässt. Wenn man diesem Gedanken weiter folgt, ergibt sich die Möglichkeit, auch mit kleinen Mitteln Museen für bestimmte Gruppen zugänglich zu machen. Wichtig ist dabei immer, dass die Information, über welche Erleichterungen das Haus verfügt oder wie es auch nur zugänglich ist, den Betroffenen erreicht. Dafür kann es schon ausreichend sein, wenn ›der Behinderte‹ an der Stelle, wo er auf die erste Barriere trifft, eine Telefonnummer vorfindet, über die er Kontakt ins Haus aufnehmen kann – fast jeder Mensch verfügt heute über ein Handy, besonders eingeschränkte Menschen. Von einigen Behindertenverbänden werden Schulungen angeboten, die z.B. Museumspersonal vermitteln, wie auf behinderte Menschen zugegangen werden sollte. In diesem Rahmen gibt es Hilfestellungen, wie z.B. blinden Menschen am besten Sachverhalte erklärt werden können. Hierdurch sollen, neben dem Weiterbildungsaspekt, Berührungsängste, etwas ›falsch zu machen‹, abgebaut werden. Auch Unterstützungen wie das Kippen von Rollstühlen und weitere Hilfen werden geübt und angewandt. Auf diese Weise geschultes Personal wird einen ganz anderen Zugang zu behinderten Besuchern finden und einen wesentlich besseren Service bieten können. Gruppe der mobilitätseingeschränkten Menschen Rollstuhlfahrer mit leichten Klapprollstühlen können mithilfe von geschultem Personal durchaus einige wenige Stufen überwinden. Voraussetzung dafür ist aber, dass eine Personalschulung stattgefunden hat und der behinderte Mensch diese Unterstützung in Anspruch nehmen will. Sind dann Türbreiten von mindestens 75 cm lichte Breite vorhanden, kann auch ein ansonsten nicht barrierefreies Haus besucht werden. Das Vorhalten einer mobilen Rampe ergibt weitere Möglichkeiten der Überwindung von Stufen. So können auch Menschen mit Gehhilfen und Gehwagen ein Haus erreichen, das ihnen bisher nicht zugänglich war. Das Anbringen von Handläufen an den richtigen Stellen verschafft gehbehinderten Menschen die Zugänglichkeit zu Räumen, die sie zuvor nicht betreten konnten. Wenn die vorhandenen Toiletten ebenerdig erreichbar sind und über Türen mit einer Breite von mindestens 75 cm verfügen, kann durch das An-
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bringen von Klappgriffen die Nutzung für viele Mobilitätseingeschränkte ermöglicht werden. Das Vorhalten von Schemeln ermöglicht es kleinwüchsigen Menschen, eine ›normale‹ Toilette zu benutzen. Gruppe der sinneseingeschränkten Menschen Blinde und sehbehinderte Menschen Durch das Aufbringen von Leitstreifen auf dem Fußboden und das Freiräumen der Laufwege von Stolperfallen kann eine gewisse Barrierefreiheit für blinde Menschen erreicht werden. Für sehbehinderte Menschen ist es ebenfalls wichtig, dass mobile Stolperfallen beseitigt werden; Hindernisse wie Stufen, niedrige Durchgänge und Schwellen müssen kontrastreich gekennzeichnet werden. Im Umgang mit blinden Menschen geschultes Personal erleichtert den Umgang für beide Seiten. (Vgl. Beitrag von Wilfried Laufenberg in diesem Band.) Gehörlose und hörbehinderte Menschen Bei allen Beschreibungen an Ausstellungsgegenständen und bei Hinweisen und Informationen muss auf eine Leichte Sprache geachtet werden. Wenn es möglich ist, einer Gruppe von Gehörlosen und hörbehinderten Menschen bei entsprechender Anfrage einen Gebärden-Dolmetscher anzubieten, wird das Haus für solche Gruppen attraktiv. (Vgl. Beiträge von Martina Bergmann in diesem Band.) Gruppe der Senioren Eine Sitzgelegenheit in langen Gängen erleichtert einen sonst oft übermäßig anstrengenden Museumsbesuch. Beschreibungen und Texte sollten ausreichend groß sein und in einer Höhe angebracht werden, die das Lesen erleichtert; eventuell können Texte in zwei verschiedenen Höhen angebracht werden. Resümee Hier konnten nur wenige Beispiele von Möglichkeiten der Umgestaltung eines Hauses mit geringen Mitteln aufgezeigt werden. Bei entsprechendem Interesse kann durch Kreativität in Verbindung mit der Einholung von Informationen bei Betroffenen und Sachverständigen fast immer eine Verbesserung der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit eines Museums erreicht werden. Alle in dem Kapitel zu den zielgruppenorientierten Umbauten gemach-
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ten Aussagen beziehen sich auf die Fälle, in denen mehr nicht möglich ist – das sollte aber die absolute Ausnahme bleiben! Ziel der Barrierefreiheit muss es bleiben, dass alle Einrichtungen von allen Behinderten ohne Einschränkung, d.h. in absoluter Selbstbestimmtheit erreicht und genutzt werden können.
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Kapitel 4 Fallbeispiele aus Deutschland
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) T01_04 KAP-RESPEKT 4.p 154649786280
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) vakat 280.p 154649786288
Petra Lutz ➔ Barrierefreiheit im Deutschen Hygiene-Museum
➔
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Barrierefreiheit im Deutschen Hygiene-Museum. Ein Praxisbericht
Petra Lutz Warum Barrierefreiheit im Deutschen Hygiene-Museum? Einleitung Gemeinsam mit der Deutschen Behindertenhilfe – Aktion Mensch e.V. zeigte das Deutsche Hygiene-Museum zwischen 2000 und 2002 in Dresden und im Berliner Martin-Gropius-Bau die große Sonderausstellung »Der (im-)perfekte Mensch. Vom Recht auf Unvollkommenheit«. Ausgehend vom Thema »Behinderung« fragte sie nach den kulturellen Grundlagen unserer Vorstellungen von Normalität und Abweichung, von Perfektion und Unvollkommenheit – mit dem Ziel, diese kulturhistorische Fragestellung in eine breite Öffentlichkeit zu tragen. Zugleich aber sollte eine Gruppe von Besuchern angesprochen werden, die durch ihre Lebenssituation zwangsläufig Experten für das Thema sind: Menschen mit Behinderungen, die damit erstmals explizit zu einer Hauptzielgruppe des Deutschen Hygiene-Museums wurden. Die Sonderausstellung sollte also barrierefrei werden, nur: Was bedeutete das? Wer sollte es umsetzen? Und wie? Welche Konsequenzen waren zu erwarten? Von solchen Fragen ging unsere Beschäftigung mit der barrierefreien Gestaltung von Ausstellungen und Museen aus, die auch heute längst nicht abgeschlossen ist und deren Folgen wesentlich weiter reichten als erwartet. Die meisten Anhaltspunkte fanden wir zunächst außerhalb Deutschlands, etwa in den USA und Großbritannien.1 Wir fanden Anknüpfungspunkte – keine Lösungen. Denn diese, so eine der ersten Erfahrungen, müssen für jede Ausstellung und jedes Museum immer wieder neu erfunden werden, wenn sie nicht als Fremdkörper erscheinen sollen. Will man Museen und Ausstellungen für rollstuhlfahrende, gehörlose und schwerhörige, sehbehinderte und blinde, lern- oder geistig behinderte Besucher erschließen, muss man sich mit etlichen technischen Details befassen. Es heißt aber vor allem, mit zusätzlichen und sehr ungewohnten Perspektiven in die entsprechenden Planungsprozesse einzutreten. Es bedeutet, Experten mit Behinderungen heranzuziehen, also mit potenziellen Besuchern ins 1 Vor allem in den Smithsonian Guidelines for Accessible Exhibition Design, die im Internet veröffentlicht und auch heute noch hilfreich sind (www.si.edu/opa/acces sibility/exdesign/start.htm), und über den britischen Museums, Libraries and Archives Council (siehe etwa: www.mla.gov.uk/resources/assets//D//dis_guide09_ pdf_7307.pdf).
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Gespräch zu kommen, es bedeutet, neue Anforderungen an Gestaltung wie Inhalte zu stellen. Die Sonderausstellung »Der (im-)perfekte Mensch« entwickelte sich so zu einem Experimentierlabor für barrierefreien Ausstellungsbau, wobei wir stark von Wissen und Kontakten unseres Kooperationspartners Aktion Mensch profitierten. Unser Ziel war, tatsächlich eine Ausstellung für (fast) alle zu machen – also für rollstuhlfahrende und gehende, für große und kleine Besucher, für Besucher mit unterschiedlichen Sinnesbehinderungen und für Besucher mit sogenannten Lern- oder geistigen Behinderungen. Daraus entwickelte sich ein dauerhaftes Suchen, Tasten, Finden, Scheitern, Verwerfen und neu Versuchen – aber bis zur Eröffnung in Dresden waren die wesentlichen Elemente entwickelt. Abbildung 1: Die Ausstellung »Der (im-)perfekte Mensch« im Martin-GropiusBau
Der tastbare Bodenleitpfad für blinde Besucher hatte hier die Form eines »roten Fadens«. Foto: David Brandt, Dresden/Berlin
Die Möglichkeit, die Ausstellung wegen ihres Erfolgs noch einmal in Berlin in einer für die dortigen Räume überarbeiteten Version zu zeigen, bot die Chance, die Dresdner Erfahrungen direkt für eine Neukonzeption einzelner Bestandteile des barrierefreien Zugangs auszuwerten. So gut wie alle Grundelemente blieben bestehen, da sie sich bewährt hatten, aber viele wurden technisch wie auch in ihrer Gestaltung weiterentwickelt. Seit den Erfahrungen mit der Sonderausstellung »Der (im-)perfekte Mensch« in Dresden und Berlin wird der Gesichtspunkt der Barrierefreiheit im Deutschen Hygiene-Museum in alle Planungen für Ausstellungen, Veranstaltungen oder Publikationen einbezogen, allerdings sind die Umsetzungsmöglichkeiten nicht bei jedem Projekt gleich. In diesem Beitrag sollen die beiden ›Idealfälle‹ barrierefreier Ausstellungen vorgestellt werden: ne-
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ben der genannten Sonderausstellung die neue Dauerausstellung, die 2004 und 2005 in zwei Etappen eröffnet wurde und für welche die bereits entwickelten Elemente noch einmal adaptiert werden konnten. In diese Ausstellung wurde – neben einigen neuen Elementen – vieles von dem integriert, was in den vorhergegangenen Sonderausstellungen entstanden war, daher richtet sich das Augenmerk im Folgenden weitgehend auf sie. Auch für sie gilt der Anspruch einer weitgehenden Zugänglichkeit für Menschen mit körperlichen Behinderungen, mit Sinnesbehinderungen und mit Lern- oder sogenannten geistigen Behinderungen. Durch Anfragen anderer Museen, in denen barrierefreie Ausstellungen entstehen sollten, kamen inzwischen zu den eigenen noch viele Informationen über die Erfahrungen anderer Projekte. Diese werden im Folgenden insofern einfließen, als dass manche Probleme sich als ›klassisch‹ – vielleicht sogar als unvermeidlich – erwiesen haben und daher besondere Berücksichtigung erfahren sollen. Barrierefreiheit im Deutschen Hygiene-Museum – was ist das? »Barrierefrei sind […] gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.«2 Diese an Gleichberechtigung, Eigenständigkeit und der Ablehnung von Sonderwegen orientierte Definition ist in Deutschland maßgeblich, auf sie bezieht sich etwa das Deutsche Institut für Normung (DIN) in seinen Vorgaben für barrierefreies Bauen. Sie lehnt sich eng an Forderungen an, die ursprünglich aus der Behindertenbewegung kamen. Für die Ausstellungen, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Hygiene-Museums bildet diese Definition eine Art Orientierungsmarke. Das hat weitreichende Folgen: »In der allgemein üblichen Weise« heißt etwa: Es geht nicht um Sonderzugänge oder besondere Zugeständnisse an einzelne Besucher, sondern was entstehen soll, sind Situationen, welche die Anforderungen aller Besucher integrieren, angefangen mit einem gemeinsamen Museumseingang für alle. »Ohne besondere Erschwernisse« bedeutet, dass der Ausstellungsbesuch mit Behinderung nicht weniger komfortabel sein soll als ohne – wenn sich jemand etwas verbiegen muss, um auch in die Vitrine sehen zu können, ist das, streng genommen, bereits nicht mehr gegeben. »Grundsätzlich ohne fremde Hilfe« heißt, dass der Bezugspunkt der Planung zunächst der unbegleitete Einzelbesucher ist, ohne besondere museumspädagogische Führung und ohne die Notwendigkeit, spezifische Unterstützung des Aufsichtspersonals in Anspruch zu nehmen. 2 Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze, Artikel 1, Abschnitt 1, § 4.
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Natürlich ist keine Ausstellung des Deutschen Hygiene-Museums diesem Ziel bislang je in vollem Umfang gerecht worden. Vielleicht kann man unsere bisherigen – wie vermutlich auch schon die künftigen – Erfahrungen so zusammenfassen: Barrierefreiheit ist eine Idealvorstellung, der man sich nur immer wieder annähern, die man aber nie erreichen kann. Was gelingen kann, ist, Ausstellungen und Museen möglichst barrierearm zu machen, indem man neue und alte Hürden aufmerksam registriert und sich dauerhaft auf die Suche nach eleganten Lösungen begibt, die möglichst viele Besucher integrieren, möglichst wenige exkludieren. Der erste Schritt: über Barrierefreiheit entscheiden Sowohl für die Sonderausstellung »Der (im-)perfekte Mensch« als auch für die neue Dauerausstellung des Deutschen Hygiene-Museums wurde die Möglichkeit geschaffen, auch aufwendigere Elemente umzusetzen. Wir konnten also alle Ausstellungs-Ebenen einbeziehen: Inhalte, Architektur, Licht, Objekte, Medien, Grafik, Texte, Personal etc. – eine Voraussetzung dafür, die Zielgruppen, die wir erreichen wollen, auch tatsächlich ansprechen zu können. Für beide Ausstellungen wurde diese Entscheidung sehr früh gefällt, und das hat sich als ausgesprochen sinnvoll erwiesen. Es blieben trotzdem noch Irrwege genug, bis die einzelnen Elemente, welche die Ausstellungen für behinderte Besucher erschließen sollten, geplant und realisiert waren. Daraus lässt sich eine Empfehlung ableiten, die für jede Art Ausstellung gelten dürfte, die barrierefrei werden soll: Die Frage, wie viel Barrierefreiheit für ein bestimmtes Projekt einerseits wünschenswert, andererseits möglich ist, sollte immer an dessen Anfang stehen. Ihre Beantwortung ist ein wichtiger Teil der Projektbeschreibung. Welche Anhaltspunkte gibt es für die Beantwortung dieser Frage? Zentral sind natürlich die Größe und Ausstattung des Projekts. Nicht alles, was denkbar ist, ist immer zu realisieren – es gibt bauliche Grenzen, organisatorische und nicht zuletzt finanzielle. Große Museen können (manchmal) anders arbeiten als kleine, in Dauerausstellungen ist anderes möglich als in Sonderausstellungen, und für die Präsentation von Kunst wird man andere Antworten suchen als für eine ›Mitmach-Ausstellung‹. Einige weitere Fragen, die eine Rolle spielen könnten, sind: • Inwieweit und für wen ist der Ausstellungsort ohne allzu großen Aufwand zugänglich? Das ist eine Frage, die sich auf den Anfahrtsweg ebenso beziehen kann wie auf den Zugang zum und das Bewegen im Gebäude. Eine Ausstellung kann schließlich noch so barrierefrei sein: Erst einmal müssen Besucher dorthin gelangen. So könnte es sich manchmal als
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sinnvoll erweisen, vorhandene Ressourcen zunächst in die komfortable Erschließung eines Gebäudes zu investieren – und erst darauf aufbauend in die Präsentation von Ausstellungen. Wer zählt, angesichts des jeweiligen Themas, der Ausstellungsform, des Eintrittspreises, der Öffnungszeiten usw., zur Zielgruppe – und wer eher nicht? Ist mit einer entsprechenden Nachfrage zu rechnen? Diese Frage ist oft schwerer zu beantworten als es zunächst erscheint. Solange ein Angebot nicht zugänglich ist, kommen natürlich auch die jeweiligen Besucher nicht – wie also erschließen, wer gegebenenfalls kommen würde? Unsere Erfahrung ist: Man sollte nicht versuchen, sich diese Frage allein zu beantworten, sondern sie einfach mit Vertretern der potenziellen Zielgruppe diskutieren. Oft ist das Interesse größer als erwartet, dennoch kann es sich im Fall begrenzter Ressourcen als sinnvoll erweisen, zwischen unterschiedlichen Projekten abzuwägen. Prinzipiell gilt, dass sich Erschließen immer lohnt – auch in anderen Bereichen kultureller Angebote geht es schließlich aus gutem Grund nicht nur um Besucherzahlen. Gibt es personelle Ressourcen für die Umsetzung der Barrierefreiheit oder die Möglichkeit, diese zu bezahlen (etwa für Recherchen, Koordination, Vernetzung mit Experten, Beraterhonorare)? Gibt es Kooperationspartner, die sich personell oder finanziell beteiligen könnten? Welche Rolle spielt Barrierefreiheit im Leitbild des Museums?
Der zweite Schritt: Barrierefreiheit vernetzen Barrierefreiheit intern kommunizieren und organisieren Wenn entschieden ist, welche Rolle Barrierefreiheit für ein Projekt spielen soll, muss das allen Projektbeteiligten mitgeteilt werden. Eine Selbstverständlichkeit – aber gar nicht so einfach zu realisieren. Wichtig ist: Die Aufgabe, eine Ausstellung barrierefrei zu machen, sollte nicht als Wunsch, sondern als verpflichtende Anforderung an alle Projektbeteiligten gerichtet werden. Das wird in dem Moment wichtig, wenn (etwa finanzielle) Entscheidungen getroffen werden, wenn es um Prioritäten geht, wenn Abwägungen erfolgen müssen. Wenn diese dann immer zu Lasten der Barrierefreiheit gehen, bleibt am Ende wenig übrig – eine Gefahr, die vor allem dann besteht, wenn das Thema für viele der Projektbeteiligten neu ist. Um allerdings die barrierefreie Erschließung als Verpflichtung festzuschreiben, muss man den Umfang möglichst genau definieren, der angestrebt wird: von den Ressourcen bis zu den Zielgruppen. Da bislang nur in seltenen Fällen alle Beteiligten bereits das nötige Vorwissen haben, um den Umfang der Aufgabe überhaupt abschätzen zu können, brauchen sie die
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Möglichkeit, sich entsprechend zu informieren (zunächst etwa über Fachliteratur). Ebenfalls gleich zu Anfang sollten die notwendigen Strukturen entstehen: Kaum verzichtbar ist eine zentrale, verantwortliche Koordination – für den Organisations- und Zeitplan, für die Verteilung und Verzahnung der einzelnen Aufgaben, für die Erfolgskontrolle. All das, um die ineffektivste Form barrierefreier Ausstellungsplanung zu vermeiden, nämlich: Eine Ausstellung erst zu planen und sie dann, barrierefrei, nochmals zu planen. Nach (offenbar nicht nur unserer) Erfahrung stellt gerade die erste barrierefreie Ausstellung eines Museums alle Beteiligten vor große technische, organisatorische und kommunikative Herausforderungen, auch dann, wenn alle besten Willens sind. Irgendwie müsste alles gleichzeitig stattfinden: Planung, Recherche, Beratung mit den Experten, Umsetzen – oder auch schon wieder Verwerfen – von Lösungen und so weiter. Das liegt unter anderem an den vielen Beteiligten, und diese wiederum sind unverzichtbar, da zwar einigermaßen einheitliche Anforderungen an barrierefreie Ausstellungen formuliert werden können – zumindest für das, was (im Idealfall) wünschenswert ist –, aber die jeweiligen Umsetzungen können (und müssen) inhaltlich wie in ihrer Gestaltung für jede Ausstellung neu entworfen werden. Denn Barrierefreiheit sollte kein nachgereichter Fremdkörper sein, sondern von vornherein ein integraler Bestandteil der Planungen, der Inhalte, der Gestaltung. Das heißt aber: Inhaltlich müssen die Kuratoren denken (welche Medien sind zentral und werden untertitelt? Ist eine Hörführung sinnvoll und wie soll sie gegebenenfalls aufgebaut und geschrieben werden? Von welchen Objekten soll es tastbare Abgüsse geben?), gestalterisch die Ausstellungsgestalter, bei Fragen der Zugänglichkeit des Museumsgebäudes vielleicht die Museumsleitung. Und zugleich gibt es einerseits Experten mit Behinderungen, die das Projekt beraten, andererseits etwa Fachfirmen für einzelne Elemente, wie Audio-Guides oder taktile Pläne, deren Arbeit integriert werden muss. Die Arbeit der Einzelnen sowie ihre Zusammenarbeit wird einfacher, wenn zumindest einige der Beteiligten schon absehen können, um was es geht – sprich: wenn sie bereits Erfahrung mit barrierefreier Ausstellungsplanung haben. Denn es geht, wenig überraschend, eben auch in diesem Bereich nicht zuletzt um Know-how und Erfahrung. Schöne, elegante Lösungen zu finden, setzt aber vor allem voraus, dass die Beteiligten die Frage der Barrierefreiheit ganz selbstverständlich in das Nachdenken über die Ausstellung einbeziehen. Das ist anfangs – gerade für erfahrene Ausstellungsmacher – ungewohnt, kann aber zu einem spannenden kreativen Prozess werden, in dem die Ausstellung letztlich für alle Besucher besser wird, da selten so intensiv über Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen nachgedacht wird wie in diesem Zusammenhang.
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Externe Beratung Wenn klar ist, an wen sich die Ausstellung richten soll und welche Ressourcen verfügbar sind, ist es an der Zeit, externe Berater zu suchen, nicht zuletzt, um möglichst umfassend klären zu können, wo überhaupt Barrieren liegen oder entstehen könnten – natürlich eine zentrale Voraussetzung für deren Abbau. Das Wichtigste ist daher die Vernetzung ›nach außen‹. Der gesamte Planungsprozess sollte durch Experten mit Behinderungen begleitet werden. Unverzichtbare Berater sind hier Vertreter der Besuchergruppen, für welche die Ausstellung zugänglich werden soll. Mit ihnen sollte man in ein kontinuierliches Gespräch kommen und auch entsprechende Honorare einplanen. Solche Berater zu finden, dürfte inzwischen fast überall möglich sein. Eine erste Anlaufstelle waren für uns Selbsthilfeverbände auf Bundesoder Landesebene.3 Oft konnten bereits die regionalen oder kommunalen Verbände weiterhelfen, und für den ständigen kurzfristigen Austausch sind Berater vor Ort der Idealfall. Schwieriger war es, Beratung für die Erschließung der Ausstellungen für Besucher mit sogenannten geistigen Behinderungen zu finden. Hier wurden wir durch Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V. aus Kassel sehr kompetent beraten.4 Weitere Adressen waren und sind regional- bzw. kommunalspezifisch.5 Vergleichbare Experten dürften vermutlich mittlerweile in jeder größeren Stadt zu finden sein. Vielleicht kann man die Anforderungen an die Berater, die ein Projekt möglichst während der gesamten Vorbereitungszeit begleiten sollten, so zusammenfassen: Unverzichtbar ist das Gespräch mit Experten mit Behinderungen; hilfreich, aber nicht unerlässlich ist es, wenn diese Erfahrung mit Planungsprozessen, etwa mit Bauprojekten, haben. Gut sind Erfahrungen im Kulturbereich, und ideal sind Erfahrungen mit der Planung 3 Um nur einige mögliche Kontakte zu nennen: Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (www.dbsv.org), Deutscher Gehörlosen-Bund e.V. (www.gehoer losen-bund.de), Allgemeiner Behinderten-Verband in Deutschland (www.abid-ev. de). 4 Siehe www.people1.de/hier.html. Diese Gruppe hat inzwischen etwa auch die »Euthanasie«-Gedenkstätte Hadamar beraten. 5 So hatten wir etwa in Dresden kontinuierlichen Kontakt zur Landesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte Sachsen e.V. (www.interreglife.org/index.php? menu id=141), zu einem Mobilitätstrainer für blinde und sehbehinderte Menschen der Diakonie (Ambulantes BehindertenZentrum der Diakonie Dresden: www.diakonie-dresden.de/abz) und auch zur Dienststelle der Behindertenbeauftragten der Stadt Dresden (www.dresden.de/index.html?node=2369&PHPSESSI D=b0cbd64e2b26d0e8dc13a0ff22).
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von Ausstellungen. Fehlt Letztere bei den Beratern, lässt sich das aber kompensieren. So gibt es mittlerweile schon einige Firmen, die bereits in barrierefreie Ausstellungsprojekte involviert waren, etwa im Bereich Hörführungen/andere mobile Führungssysteme oder bei der Planung und Realisierung taktiler Ausstellungspläne und Leitsysteme (mehr dazu unten). Gerade für Projekte/Museen mit wenig Erfahrung empfiehlt es sich vielleicht, solche Firmen einzubeziehen, denn es hat einiges für sich, auf Vorwissen und bereits entwickelten Lösungen aufbauen zu können. Hinzu kommt, dass erfahrene Anbieter nicht selten bereits eine eingespielte Zusammenarbeit mit Beratern mit Behinderungen haben. Werden Firmen beauftragt, für die das Gebiet neu ist, sollte man solche Kontakte herstellen bzw. einfordern. Dies war nach unserer Erfahrung nie ein Problem, schließlich wird hier unverzichtbares Wissen – auch für künftige Angebote der jeweiligen Firma – bereitgestellt. Die Zielgruppen über barrierefreie Angebote informieren Je besser die Vernetzung im Vorfeld ist, desto einfacher ist es später, zu kommunizieren, dass eine Ausstellung/ein Museum barrierefrei zugänglich ist: Viele der Experten, die uns beraten haben, gehörten gleichzeitig zur jeweiligen Zielgruppe und waren innerhalb dieser ihrerseits gut vernetzt. Neben diesen persönlichen Kontakten sind die Publikationen, die viele Hilfeund Selbsthilfeverbände herausgeben, wichtige Medien. Das heißt, man sollte diese zum einen in den Presseverteiler aufnehmen und zum anderen sollte man in den Pressemappen und -mitteilungen auf die jeweiligen barrierefreien Angebote im Einzelnen hinweisen. Das Interesse an diesen Informationen ist bei den Verbänden nach unserer Erfahrung groß. Für viele Menschen mit Behinderungen hat sich das Internet zu einem wichtigen Medium entwickelt. Daher sollte die Website des Museums/der Ausstellung die Informationen zur Barrierefreiheit enthalten – und natürlich ihrerseits barrierefrei zugänglich sein.6 Natürlich sollte der Museums- und/oder der Ausstellungsflyer auf die barrierefreie Erschließung, deren Zielgruppen und deren wichtigste Elemente hinweisen, gegebenenfalls auch auf spezifische Führungsangebote. In einigen US-amerikanischen Museen gibt es spezielle Flyer für die Bewerbung der Barrierefreiheit, etwa im Boston Museum of Science. Wir hatten einen solchen »Access Guide« geplant, allerdings bis heute nie realisiert, ohne dass wir bislang einen Hinweis darauf bekommen hätten, dass er vermisst worden wäre. Man könnte die einzelnen Angebote dort ausführ-
6 Siehe dazu die Beiträge von Jan Eric Hellbusch in diesem Band.
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licher vorstellen und sich vielleicht auch enger an den Vorgaben für barrierefreie Printprodukte orientieren, um den Flyer möglichst vielen sehbehinderten Lesern zugänglich zu machen. Falls eine Ausstellung für Schüler interessant sein könnte, sollte man das entsprechende Informationsmaterial an die Förderschulen schicken. Hier ist es auch besonders einfach, Sonderführungen, etwa in Gebärdenoder Leichter Sprache (s.u.), einzuführen, da die Schüler schon als Gruppe kommen. In Dresden werden barrierefreie Angebote außerdem über die Stadt beworben, so erscheint das Deutsche Hygiene-Museum etwa in dem von der Stadt herausgegebenen Flyer für Städtetouristen mit Behinderung.7 Des Weiteren führt die Dresden Werbung und Tourismus GmbH Pressereisen mit Fachjournalisten zu diesem Thema durch. Es war aber ohnehin recht schnell bekannt, dass es im Deutschen Hygiene-Museum barrierefreie Angebote gibt, sodass Journalisten auch von sich aus kamen, um in diesem Zusammenhang etwa über die neu eröffnete Dauerausstellung zu berichten. Der dritte Schritt: Barrierefreiheit planen Gleich zu Beginn der Ausstellungsplanung sollte, wie oben beschrieben, der Koordinator für die Barrierefreiheit benannt werden (entweder ein Mitglied des jeweiligen Ausstellungsprojekts oder jemand, der das Thema dauerhaft für das Museum verfolgt – im Idealfall die Verbindung von beidem). Dieser sollte diesen Gesamtbereich von Anfang an überblicken und steuern, die Kontakte herstellen, bündeln und kontinuierlich aufrechterhalten, die Kommunikation aller Projektbeteiligten sicherstellen und verantwortlicher Ansprechpartner sein. Noch vor dem ersten Gespräch mit externen Beratern sollte eine Bestandsaufnahme vorhandener und potenzieller Barrieren beginnen. Erste Hinweise, wo Probleme liegen könnten, ergeben sich schon über die verfügbare Literatur. Ein zweiter Schritt ist der Versuch, sich in die Situation der jeweiligen Besucher zu versetzen. So kann man sich etliche mögliche Hindernisse bereits selbst erschließen, etwa über die Frage, wie potenzielle Besucher überhaupt von einem Angebot erfahren könnten. Es folgt die Frage, wie bzw. ob es ihnen gelingen kann, das Museum zu erreichen. Erst dann wird die Überlegung interessant, ob sie in der Lage wären, hineinzukommen, und wie es dann im Gebäude und schließlich in der Ausstellung weiterginge. Ein wichtiger Schritt zur Identifikation möglicher Barrieren sind
7 Siehe http://barrierefrei.dresden.de/index.html?node=14160; http://barrierefrei.dres den.de/pdf/dwt/handicap_museen.pdf.
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also ›virtuelle Rundgänge‹. Von Anfang an und während des gesamten Planungsprozesses sollten die Beteiligten immer wieder im Kopf die Wege zum Museum, durch das Museum und durch die Ausstellung gehen – wie würde man sie im Rollstuhl zurücklegen, wie, wenn man nicht hören könnte, wie ohne zu sehen? Während des Ausstellungsaufbaus sollten solche Rundgänge dann in der Realität stattfinden. Auch wenn das eigene Vorstellungsvermögen unverzichtbar ist, kann es frühe und kontinuierliche Gespräche mit behinderten Experten nicht ersetzen, die immer noch Dinge finden, die man selbst übersehen hat – oder auch darauf hinweisen, dass vermutete Probleme gar keine sind. Im Deutschen Hygiene-Museum hat sich die Praxis bewährt, in einem ersten Schritt möglichst viele Experten einzuladen, diesen das Projekt insgesamt – also nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit – vorzustellen und alle Fragen aufzuwerfen, die zu diesem Zeitpunkt schon absehbar sind. Wenn bereits ein ›virtueller Rundgang‹ durch die geplante Ausstellung und die vorgedachten Elemente der Barrierefreiheit möglich ist, etwa an einem Modell, einer Computersimulation oder durch Beschreibung, sollte man dies einbeziehen. Wenn es auch um die Erschließung des Museumsgebäudes gehen soll, sollte zu diesem Termin ein Rundgang gehören, am besten auch durch die künftigen Ausstellungsräume. Im weiteren Verlauf sollten dauerhafte Beratungsverhältnisse etabliert werden. Wichtig ist die Möglichkeit, Fragen jederzeit kurzfristig stellen zu können. Oft sind Einzelgespräche ab einer bestimmten Phase wichtiger als größere Treffen. Im Idealfall sind Experten mit Behinderungen direkt an Planung und Entwurf beteiligt. Weit häufiger ist allerdings erfahrungsgemäß der Fall, dass die (nicht behinderten) Kuratoren oder Ausstellungsgestalter planen, gegebenenfalls gemeinsam mit Fachfirmen, während die Experten beraten, entweder auf der Basis einer möglichst genauen Beschreibung des Planungsstandes, bei der alle möglichen Probleme benannt werden sollten, oder, noch besser, beim Testen von Modellen, Versuchsreihen oder Materialproben. Was auch immer testbar ist, sollte getestet werden (etwa tastbare Raumpläne, Bodenleitsysteme, Vorschläge zur Formulierung von Texten, Ausstellungsgrafiken), und dies möglichst durch mehrere Personen. Je enger Experten mit Behinderungen in die Planung einbezogen werden, desto weniger Überarbeitungen werden während der Ausstellungslaufzeit fällig. Dennoch sollte man nicht darauf verzichten, die fertige Ausstellung durch behinderte Besucher evaluieren zu lassen und diese um eine Rückmeldung zu bitten. Dabei sollte man möglichst flexibel auf Rückmeldungen reagieren (können), was bei fertigen, aufwendig gebauten Ausstellungen jedoch ein Problem darstellt. Soweit möglich, sollten die jeweiligen Lösungen weiterentwickelt werden – für die bestehende oder zumindest für
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die kommenden Ausstellungen. Einfacher ist es, zu prüfen, inwieweit Interesse an zusätzlichen Programmen besteht, etwa an Führungen in Gebärdensprache. Insgesamt lohnt es sich, Barrierefreiheit zu einem wichtigen, allgemein bzw. den Zielgruppen bekannten Teil des Profils des Museums machen – denn das Angebot kann nur im ständigen Austausch, bei Interesse und mit Rückmeldungen aus den Zielgruppen verbessert werden. Schritte zur Planung und Realisierung barrierefreier Ausstellungen: • den Umfang bestimmen, in dem Barrierefreiheit realisiert werden soll, die Zielgruppen benennen, Ressourcen bereitstellen; • Barrierefreiheit als Projektziel allen Projektbeteiligten mitteilen, notwendige Strukturen aufbauen; • erste Ermittlung (potenzieller) Barrieren, erster Entwurf eines Gesamtsystems zur Erschließung der Ausstellung; • Vernetzung: Präsentation des Projekts vor Experten, etwa aus Selbsthilfeverbänden, Beginn eines dauerhaften Austauschs; • Recherche geeigneter Firmen für einzelne Elemente; • erste Planung der einzelnen Elemente ; • Beratungen, Materialtests, Probeläufe mit Experten mit Behinderungen • Überarbeitungen; • erneute Probeläufe/Tests (und so weiter); • Realisierung; • Bewerbung des Angebots, Öffentlichkeitsarbeit; • Evaluierung; • Weiterentwicklung der Angebote. Elemente der barrierefreien Erschliessung von Museen und Ausstellungen Das Museumsgebäude Der barrierefreie Zugang sollte, wenn möglich, spätestens mit dem Betreten des Museumsgebäudes gegeben sein. Hier liegt allerdings, gerade bei alten, denkmalgeschützten Museumsgebäuden, oft auch bereits das erste Problem. Das Deutsche Hygiene-Museum wurde im Rahmen einer ohnehin stattfindenden Generalsanierung des Gebäudes für Besucher mit Behinderungen zugänglich gemacht. Das schloss eine Vielzahl architektonischer Maßnahmen und Vorgaben ein, die hier nicht alle aufgezählt werden können. Hilfreich für die Erschließung von Gebäuden ist die Beachtung der entspre-
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chenden DIN-Vorgaben, die allerdings bereits seit mehreren Jahren überarbeitet werden. Mit der Veröffentlichung einer (vorläufig) endgültigen Fassung ist in näherer Zukunft zu rechnen.8 Eine wichtige Maßnahme am und im Gebäude des Deutschen Hygiene-Museums war die Ausstattung der großen, klassisch schweren Eingangstüren mit elektrischen Öffnern, die über ein gut sichtbares, vom Rollstuhl aus erreichbares Bedienungselement in Gang gesetzt werden können – nicht nur für Rollstuhlfahrer eine Erleichterung. Eine insgesamt großzügige Museumsarchitektur führte dazu, dass die notwendigen Wegbreiten für Rollstühle (mindestens 100 cm für ›Einbahnstraßen‹, 150 cm bei Verkehr in beide Richtungen) fast überall deutlich überschritten und auch im Restaurant zwischen den Tischen sowie im Museumsshop eingehalten werden. Im Shop orientieren sich allerdings die Regalhöhen an stehenden Besuchern, da ansonsten die Präsentationsflächen zu stark schrumpfen würden. Mehrere Behindertentoiletten wurden eingebaut. Alle Ebenen des Besucherbereichs können mit dem Aufzug oder über Rampen erreicht werden; die Bedienungselemente in den Aufzügen sind in einer Höhe angebracht, die auch Rollstuhlfahrer und Kinder erreichen können. Die Beschriftung dieser Bedienelemente ist in abgesenkter und damit tastbarer Schrift gehalten. Die Aufzüge sind mit Stockwerksansagen für sehbehinderte Nutzer ausgestattet und geben ein akustisches Signal, wenn die Türen sich öffnen oder schließen. Bei der Innengestaltung des Museums wurde darauf geachtet, die Verkehrsflächen großzügig und übersichtlich zu gestalten und das Leitsystem kontrastreich und gut sicht- und lesbar zu präsentieren. Ein Informationscounter ist für jedermann als zentrale Anlaufstelle der Eingangshalle gut erkennbar. In diesen Counter ist eine Absenkung auf 90 cm eingelassen, die es Rollstuhlfahrern oder Kindern möglich macht, komfortabel Kontakt zum Informations- und Kassenpersonal aufzunehmen. Hier sind auch alle Informationen über einzelne Elemente zur barrierefreien Erschließung des Museums abzufragen. In den Tresen dieses Counters ist des Weiteren ein tastbarer, kontrast8 Bereits seit mehreren Jahren wird in einem Entwurfs- und Abstimmungsverfahren daran gearbeitet, die DIN-Normen 18024 und 18025 »Barrierefreies Bauen« zu ersetzen. Auf einen 2002 veröffentlichten neuen Norm-Entwurf 18030-E (2002-11) gingen so zahlreiche Einsprüche und Stellungnahmen ein, dass das bearbeitende Gremium beschloss, einen zweiten Norm-Entwurf herauszugeben (Norm-Entwurf DIN 18030, Ausgabe 2006-1). Die redaktionellen Beiträge zu diesem zweiten Entwurf sind mittlerweile ebenfalls verfügbar (DIN 18030, Ausgabe 2007-7). Vgl. http://www2.din.de; www.nullbarriere.de/din18030_barrierefreiheit. htm.
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reicher Gebäude-Übersichtsplan eingelassen, der eine grundsätzliche Orientierung ermöglicht. Er bildet das erste Stück eines Leitsystems für blinde und sehbehinderte Besucher, wird aber mittlerweile auch durch andere Besucher gerne zur Orientierung genutzt. Hingegen beginnt das taktile Bodenleitsystem, das es Stocknutzern ermöglicht, einen durchgängig vorgegebenen Weg auf dem Boden zu ertasten, erst in der Dauerausstellung. Ein solches Leitsystem gibt zwangsläufig einen festen Weg vor, was innerhalb der Ausstellung sinnvoll sein kann. Vom Counter hingegen könnte man auch zur Toilette, in den Museumsshop, ins Restaurant oder zu den Veranstaltungsräumen gehen wollen, dem kann ein taktiles Leitsystem kaum gerecht werden. Der Weg vom Tresen zur Ausstellung wird daher für sehbehinderte Besucher lediglich im Audio-Guide beschrieben. Sie können sich aber natürlich auch einfach vom Personal begleiten lassen. Abbildung 2: Orientierung im Museumsgebäude
Tastbarer, kontrastreicher Plan (Ausschnitt). Foto: David Brandt, Dresden/Berlin
Am Informationscounter wird alles ausgegeben, was Besucher mit Behinderungen zusätzlich brauchen, um sich die Dauerausstellung zu erschließen: eigene Audio-Guide-Versionen für blinde und sehbehinderte Besucher
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und für Besucher mit sogenannten geistigen Behinderungen sowie Textfassungen von Audiobeiträgen für gehörlose Besucher. Auch wenn keine Generalsanierung ansteht, lassen sich Gebäude manchmal zugänglich machen – wenn auch provisorisch und ohne Anspruch auf Perfektion: Die Ausstellung »Der (im-)perfekte Mensch« etwa eröffnete in Dresden noch vor der Gebäudesanierung des Deutschen Hygiene-Museums – und traf dort wie auch später im Berliner Martin-Gropius-Bau auf ein überraschend breites Problemspektrum. Insofern standen, auch was die Erschließung von Museumsgebäuden angeht, am Anfang zunächst einmal Erfahrungen im Improvisieren – von Garderoben, die nur über laufende Boten zugänglich waren, über sehr enge Aufzüge, die mit Spiegeln ausgestattet wurden, um das ›Einparken‹ zu erleichtern, bis hin zu temporären Bodenleitsystemen. Ein großes Problem war, dass in beiden historischen Gebäuden der jeweilige Haupteingang nur über Stufen zu erreichen war. Hier ging es nicht nur um die pragmatische Frage der Zugänglichkeit, sondern auch um den nicht zu unterschätzenden Symbolcharakter: Wie soll man jemandem einerseits vermitteln, dass er willkommen ist, indem man ihn andererseits gleich anfangs durch einen Hintereingang schickt? – Ein Problem, mit dem viele Museen sicher noch lange zu kämpfen haben werden. In diesem Fall war es möglich, das Problem so kreativ wie temporär anzugehen und eine große Rampe mit rotem Teppich über die Treppe zu legen (Dresden) bzw. den damaligen Hintereingang zum Haupteingang für alle Ausstellungsbesucher zu machen (Berlin). Die Erfahrungen mit diesen Lösungen zeigen, dass Fantasie und Einfälle oft gut ankommen, auch wenn sie nur bedingt komfortabel sind. Wenn durchführbar, sollte man auch den Weg ins Museum bedenken und erleichtern, aber hier sind die Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, meist begrenzt. Immerhin sollten Anfahrtsmöglichkeiten recherchiert und in die Flyer wie auf die Website übernommen werden: Gibt es Behindertenparkplätze am Museum oder in der Nähe? Wie weit sind Haltestellen des ÖPNV entfernt? Welche Linien verkehren dort? Verkehren dort Niederflurstadtbahnen oder Niederflurbusse? Ausstellungen Die Dauerausstellung des Deutschen Hygiene-Museums Die Dauerausstellung des Deutschen Hygiene-Museums, in den Jahren 2004 und 2005 in zwei Etappen eröffnet, soll hier in ihrem Charakter nur insoweit skizziert werden, als sich daraus Konsequenzen für die Form ergeben, in der wir versucht haben, sie für Besucher mit Behinderungen zugänglich zu machen. Auf rund 2500 Quadratmetern Fläche sind in einer klassischen Ausstellungsarchitektur über 1300 Exponate ausgestellt, die über-
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wiegend aus der eigenen Sammlung des Museums stammen. Hierzu gehören etwa die Gläsernen Figuren, Wachsmoulagen oder historische anatomische Modelle. Daneben sorgen Leihgaben anderer Institutionen, eigens für die Ausstellung entwickelte Medieneinheiten und interaktive Stationen für einen vielschichtigen Zugang zu den Ausstellungsthemen, der auf ganz unterschiedliche Besucherbedürfnisse abgestimmt ist. Sieben Ausstellungsabteilungen verbinden die Anschaulichkeit klassischer Exponate, das eigenständige Lernen und das aktive Ausprobieren. Der Zugang verbindet naturund kulturwissenschaftliche Fragestellungen, im Blickpunkt der Dauerausstellung stehen jedoch nicht zuletzt die aktuellen Biowissenschaften, etwa Fragen der Reproduktionsmedizin oder der Hirnforschung. Das Thema, um das die Dauerausstellung kreist, ist so naheliegend wie anspruchsvoll: der Mensch. Die sieben Themenräume streben keine enzyklopädische Systematik an, sondern behandeln Aspekte des menschlichen Lebens, die immer in der Alltagserfahrung der Besucher verankert sind: • Der Gläserne Mensch. Bilder des Menschen in den modernen Wissenschaften; • Leben und Sterben. Von der ersten Zelle bis zum Tod des Menschen; • Essen und Trinken. Ernährung als Körperfunktion und Kulturleistung; • Sexualität. Liebe, Sex und Lebensstile im Zeitalter der Reproduktionsmedizin; • Erinnern – Denken – Lernen. Kosmos im Kopf: Das Gehirn; • Bewegung. Die Kunst der Koordination; • Schönheit, Haut und Haar. Offene Grenze zwischen Körper und Umwelt. Die Ausstellung ist konzipiert als eine Erlebnisreise zum eigenen Körper und zum eigenen Ich, seinen Gedanken und Gefühlen. Durch die Zusammenstellung und Kontrastierung der Exponate erreicht sie das, was Ausstellungen im besten Fall erzeugen können: Sie setzt die Bildwelten im Kopf der Besucher in Bewegung und regt zum Nachdenken an. Es gibt eine Verbindung zwischen der inhaltlichen Ausrichtung der Dauerausstellung und dem Anspruch, sie barrierefrei zu gestalten. Die Präsentation setzt sich bewusst von einem ›Menschen nach Maß‹ ab, der noch bis in die Jahre der DDR Leitbild des Deutschen Hygiene-Museums war. Auch als Folge der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte fragt das Museum in seiner Dauerausstellung nicht mehr nach einem Idealkörper, sondern nach der Vielfalt des Menschen. Und die so präsentierte Vielfalt ist zugleich Bezugspunkt für die Adressierung der Besucher: Das Ziel, Besuchern mit Behinderungen einen möglichst barrierefreien Zugang zur Dauerausstellung zu bieten, ist also auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten wichtig.
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Abbildung 3: Einblick in die Dauerausstellung
Am Boden: tastbare Markierung des Wegverlaufs für blinde Besucher. Foto: David Brandt, Dresden/Berlin
Die barrierefreie Erschließung der Dauerausstellung Zentrale Elemente des barrierefreien Zugangs zur Dauerausstellung sind: • eine rollstuhlgerechte Ausstellungsarchitektur mit Präsentationshöhen, die sich (auch) an den Blickfeldern von Kindern, kleinwüchsigen Besuchern und Rollstuhlfahrern orientiert; • eine Audioführung in Leichter Sprache für Besucher mit sogenannten Lern- und geistigen Behinderungen sowie spezifische museumspädagogische Angebote für diese Besuchergruppe; • die Untertitelung von Tonfilmen und die Ausgabe von an Hörstationen gesprochenen Texten als Leseversion für gehörlose Besucher, außerdem auf Anfrage Führungen in Gebärdensprache; für die Nutzer von Hörgeräten die Möglichkeit, den Ton verstärkt zu empfangen; • ein umfassendes Leit- und Vermittlungssystem für blinde und sehbehinderte Besucher.
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Ausstellungsarchitektur Durch die gesamte Ausstellung führt ein mindestens 200 cm breiter, stufenloser Weg. Vor Vitrinen ist ausreichend Platz, um mit dem Rollstuhl rangieren zu können. Die Präsentationshöhen von Exponaten, Medien und Texten orientieren sich an den Blickfeldern von Stehenden und Sitzenden sowie von Kindern. Sie beginnen daher relativ niedrig, bei ca. 90 cm, und enden in einer Höhe, die etwa davon abhängig ist, wie weit der Betrachter Abstand nehmen kann, oder wie groß, im Falle von Texten, die Schrift ist. Auch die Höhe der Tischvitrinen liegt bei etwa 90 cm. Abbildung 4: Medienstationen
Unterfahrbare Tische für Rollstuhlfahrer. Foto: David Brandt, Dresden/Berlin
Eine Erfahrung, die sich während jedes Ausstellungsaufbaus wiederholt, ist, dass standardisierte Richtmaße nur begrenzt vorgegeben werden können, da es am Ende von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, was vom Rollstuhl aus einsehbar ist und was nicht. Natürlich müssen die grundsätzlichen Höhen bereits während der Planung festgelegt werden, dennoch war es wichtig, während der Aufbauzeit immer wieder mit dem Rollstuhl durch die Ausstellung zu fahren. Das ist die einfachste, die spätest mögliche und die am wenigsten fehleranfällige Methode, festzustellen, wo es Probleme gibt.
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Auch wenn dann an der Architektur nicht mehr viel verändert werden kann, kann man oft mit kleineren Eingriffen (etwa durch die Ergänzung von Sockeln, das Schrägstellen oder Erhöhen von Vitrinenböden, die Verkleinerung der Präsentationsflächen in Tischvitrinen) noch Verbesserungen erreichen. Wo interaktive Stationen, Medien und dergleichen auf Tischen stehen, sind diese ›unterfahrbar‹. Das heißt, es ist möglich, mit dem Rollstuhl darunterzurollen. Ideal wäre, wenn dies auch bei den Tischvitrinen der Fall wäre. Diese Vorgabe konnten wir allerdings wegen der für die Statik und die Klimatisierung notwendigen Unterbauten nicht einhalten. Das Leit- und Vermittlungssystem für blinde und sehbehinderte Besucher Der umfangreichste Bereich der barrierefreien Gestaltung der Dauerausstellung war die Entwicklung eines umfassenden Leit- und Vermittlungssystems für blinde und sehbehinderte Besucher. Zu diesem System gehören die folgenden Elemente: • • • • •
tastbare, kontrastreiche Gebäude- und Raumübersichtspläne; eine taktile (und akustische) Bodenführung; tastbare Objekte und Modelle; eine für sehbehinderte und blinde Besucher konzipierte Hörführung; die Audiodeskription der wichtigsten Filme.
Dieses Vermittlungssystem folgt dem Anspruch, blinden und sehbehinderten Besuchern den vollen inhaltlichen und medialen Bogen der Ausstellung zugänglich zu machen. Neben der Erschließung der Räumlichkeiten, vor allem durch tastbare, kontrastreiche Raumpläne und ein durchgehendes Bodenleitsystem, werden für die unterschiedlichen Ausstellungsinhalte, -ebenen und -medien differenzierte Vermittlungsformen eingesetzt. Eine Hörführung führt blinde und sehbehinderte Besucher in die Ausstellungsinhalte ein, vermittelt die Informationen der Raum- und Objekttexte und beschreibt Raum-Inszenierungen und ausgewählte Exponate. Für die Texte dieser Hörführung gilt es, eine Balance zwischen der notwendigerweise ausführlicheren Vermittlung von Inhalten und einer für die Hörer noch erträglichen Länge zu finden. Wichtige Objekte werden so präsentiert, dass sie betastet werden können. Wo dies nicht möglich ist, sind tastbare Modelle vorhanden. Einzelne interaktive Elemente werden akustisch oder durch Braille-Beschriftung für blinde und sehbehinderte Besucher erschlossen. Einzelne, inhaltlich wichtige Filme sind audiodeskribiert, d.h. akustisch so beschrieben, dass gewissermaßen ein ›Hörfilm‹ entsteht.
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Es gibt wesentlich mehr sehbehinderte als blinde Menschen. Daher wurde Wert auf eine kontrastreiche Farbgestaltung gelegt. Hier waren uns allerdings durch die eher klassische Ausstellungsarchitektur Grenzen gesetzt. Ebenfalls mit Blick auf sehbehinderte Besucher haben wir versucht, die Ausstellungstexte durch eine serifenlose Schrift, die Wahl der Schriftgrößen, kurze Zeilenlängen, einen großen Durchschuss sowie durch einen möglichst großen Kontrast zwischen Schrift und Textträger für möglichst viele Menschen lesbar zu machen. Alle Elemente, die sich direkt an blinde und sehbehinderte Besucher richten, sind doppelt beschriftet: in Brailleschrift, die vor allem von Menschen gelesen wird, die früh erblindet sind, und in erhabener ›Schwarzschrift‹ (d.h. in dem uns vertrauten, aber in diesem Fall nicht nur visuell, sondern auch taktil erfassbaren) Alphabet, eine Beschriftung, die sich vor allem an spät Erblindete richtet. Gerade was die Erschließung von Ausstellungen für blinde Besucher angeht, wird sicher noch viel experimentiert werden müssen. Nach unserer Erfahrung liegt ein zentrales Problem in der räumlichen Orientierung. Wird diese – wie aktuell in der Dauerausstellung – über ein taktiles, also fest in die Ausstellungsarchitektur integriertes System ermöglicht, muss man einen festen Weg vorgeben, der wenig Wahlmöglichkeiten lässt. Auch kann die dauerhafte Aufbringung eines Bodenleitsystems die Ausstellungsplaner vor technische Schwierigkeiten stellen – vor allem, da es die Möglichkeit geben sollte, es zu einem späteren Zeitpunkt rückstandslos zu entfernen. Trotz dieser Schwierigkeiten scheint dies aber beim jetzigen Stand der bessere Weg, da der Versuch, die Besucher über den Audio-Guide im Raum zu leiten, wie er im Rahmen der Sonderausstellung »Der (im-)perfekte Mensch« unternommen wurde, grundsätzlich scheiterte. Dies vor allem, da ein Audio-Guide, selbst wenn er geortet und der Nutzer damit über seinen Standort informiert werden kann, nicht feststellen kann, in welche Richtung der Nutzer blickt. Damit werden sämtliche Richtungsangaben, wie »vorn«, »hinten«, »rechts« und »links«, sinnlos – der Besucher kann nicht mehr geführt werden. Medien In der Ausstellung gibt es zahlreiche Audio- und visuelle Medien. Für deren Gestaltung galt die Grundregel, dass jede Information über unterschiedliche Sinneskanäle zugänglich sein sollte. Das heißt, dass – wie bereits beschrieben – wichtige Filme für blinde Besucher über Audiodeskription erschlossen werden, also über eine separate Tonspur, die neben dem normalen Filmton eine Beschreibung dessen enthält, was zu sehen ist. Für gehörlose Besucher sind die Tonfilme untertitelt, der Inhalt von Audiostationen ist für sie über eine Textfassung zugänglich. Allerdings ist gesprochene bzw. geschriebene Sprache für Gehörlose meist nur die Zweitsprache, sodass man
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bei ihnen nicht immer von der Sprachkompetenz ausgehen kann, die bei Hörenden vorausgesetzt wird. Auf Anfrage werden daher zusätzlich Führungen in Gebärdensprache angeboten. Für schwerhörige Besucher sind Audiostationen mit Raumton mit Induktionsschleifen ausgestattet. Diese senden elektromagnetische Signale, die von den Hörgeräten empfangen werden können, und verstärken so den zu übermittelnden Ton. Auch die Audio-Guides können mit den Hörgeräten so verkoppelt werden, dass ihr Ton verstärkt empfangen werden kann. Eine Hörführung für Besucher mit sogenannten Lern- und geistigen Behinderungen Von einigen der oben bereits beschriebenen Gestaltungselemente profitieren auch Besucher mit sogenannten Lern- oder geistigen Behinderungen, zum Beispiel von einer übersichtlichen und eindeutigen Ausstellungsgestaltung oder von der Möglichkeit, wichtige Elemente auch taktil zu erfassen. Abbildung 5: Tast- und sichtbare AudioGuide-Nummer
In Brailleschrift und in erhabener Schwarzschrift. Foto: David Brandt, Dresden/Berlin
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Hinzu kommt als eigenes Angebot eine Audioführung in Leichter Sprache. Leichte Sprache wurde in den letzten Jahren entwickelt. Sie arbeitet mit kurzen Sätzen, ohne komplizierte Satzstruktur, vermeidet Fremdworte, verzichtet auf Abstraktionen zugunsten anschaulicher Begriffe und Konkretisierungen. Sie verzichtet weitgehend auf Zahleninformationen und reduziert komplexe Informationen. In der Sonderausstellung »Der (im-)perfekte Mensch« gab es nicht nur eine Hörführung, sondern auch Ausstellungstexte in Leichter Sprache. Hierbei stellte sich heraus, dass diese gegenüber den Texten in ›schwerer Sprache‹ von vielen Besuchern bevorzugt wurden – ein wichtiger Hinweis für das künftige Verfassen von Ausstellungstexten. Neben der Hörführung in Leichter Sprache richten sich spezifische museumspädagogische Angebote der Dauerausstellung an Besucher mit sogenannten Lern- und geistigen Behinderungen. Resümee und Ausblick Der Aufwand, der mit dem Versuch verbunden ist, eine Ausstellung barrierefrei zugänglich zu machen, ist beträchtlich. Das heißt aber keinesfalls, dass man sich davon abschrecken lassen sollte. Es sei denn, man wollte auf ein großes Potenzial neuer Besucher verzichten. Aber es geht nicht ›nur‹ um eine Erweiterung der Zielgruppen und nicht nur darum, dass sich die Ausstellungsvorbereitungen verändern. Auch die Ausstellungen selbst ändern sich, mehr noch: Sie werden besser. Viele Elemente einer barrierefreien Gestaltung erreichen weit mehr Besucher als die ursprünglich anvisierte Zielgruppe: Sitzbänke eignen sich nicht nur für Gehbehinderte, sondern auch für Ermüdete; Schrägen und Aufzüge nicht nur für Rollstühle, sondern auch für Kinderwagen; tastbare Objekte nicht nur für Blinde, sondern auch für Kinder – und eine übersichtlichere Ausstellungsgestaltung oder besser lesbare Texte sind selbstverständlich für alle Besucher ein Gewinn. Der Anspruch, Museen besucher- und serviceorientiert zu gestalten, führt sehr konkret vor Augen, wie unrealistisch und gleichzeitig fest verankert die Orientierung an einem fiktiven ›Normalbesucher‹ ist, der ohne jedes Gebrechen und in Normhöhe, aber mit sehr viel Ausstellungserfahrung durch das Museum geht. So bietet das Nachdenken über und das Umsetzen von Barrierefreiheit nicht nur die Möglichkeit, neue Besuchergruppen anzusprechen, sondern auch die, die Angebote für die bereits vorhandenen Besucher zu verbessern. Und was die neuen Besucher angeht, war deren Interesse an kulturellen Angeboten oft schon vorher groß, nur haben viele die Erfahrung gemacht, dass ein Angebot für ihre spezifischen Bedürfnisse fehlt. Das sollte nicht so bleiben.
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PINK – eigene Wege zur Kunst. Kunstvermittlung für besondere Besuchergruppen in der Pinakothek der Moderne 1
Susanne Kudorfer, Ute Marxreiter Einleitung PINK wendet sich an Menschen, die aufgrund von körperlichen oder sozialen Einschränkungen bislang wenig Zugang zum Museum hatten. Mit speziell entwickelten Angeboten spricht die Pinakothek der Moderne aktiv soziale Einrichtungen an, arbeitet in der Entwicklung der Angebote eng mit ihnen zusammen und leistet so einen Beitrag zur Öffnung des Museums für Besuchergruppen, die Kunst und Kultur bisher nicht als Bereicherung ihres Lebens und ihrer persönlichen Entwicklung wahrnehmen konnten. Die Initiative für PINK ging von der Philip Morris GmbH, einem langjährigen Förderer der Pinakothek, aus. Mit Blick auf Vorbilder in der internationalen Museumslandschaft soll so kreative und innovative Bildungsarbeit für besondere Besuchergruppen gefördert werden. Vorbildlich für unsere Arbeit in München sind die »Community Programs« der TATE Modern in London und die »Access-Programs« des MoMA in New York.2 PINK spricht neue Besuchergruppen an Kunst und Kultur sollen für Menschen jeden Alters und jeder Herkunft erlebbar sein. Die Pinakotheken bieten ihren Besuchern daher ein breites Angebot öffentlicher thematischer Führungen, Kunstgespräche und Workshops. Die Angebote erreichen ein wachsendes Stammpublikum von Menschen, die die Pinakotheken als Ort für ihr »life-long-learning« und die Begegnung mit anderen Kunstinteressierten nutzen. Dieses vielfältige Angebotsspektrum erreicht jedoch nicht alle: Für viele Menschen ist das Museum kein einfach zugänglicher, kein barrierefreier Ort. Die Barrieren können körperlicher Natur sein, wie z.B. eine Sehbehinderung, oder gesellschaftlichen Faktoren geschuldet sein, etwa der mangelnden Heranführung an Kunst oder sozialer Benachteiligung. Möchte ein Museum tatsächlich ein ›Museum für Alle‹ sein, muss es neue Wege be1 Dieser Beitrag findet sich in leicht veränderter Form ebenfalls abgedruckt im Band »Museen neu denken«, hg. von Hartmut John und Anja Dauschek, Bielefeld 2007. 2 Siehe www.tate.org.uk/modern/eventseducation/community; www.moma.org/education/moma_access.html.
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schreiten, muss aktiv auf diese Noch-Nicht-Museumsbesucher zugehen und für deren besondere Bedürfnisse eigene Angebote entwickeln. Um solche Programmangebote realisieren zu können, benötigte der Arbeitsbereich der Kunstvermittlung strukturelle und finanzielle Unterstützung. Im Dezember 2002 konnten wir, das Team der Pinakothek der Moderne, dank der Initiative und Finanzierung unseres Förderers eine freie Mitarbeiterin halbtags als Projektleiterin einsetzen und mit der Entwicklung des Konzepts beginnen. Acht Kunstvermittler/-innen aus dem Kreis unserer freien Mitarbeiter/-innen bilden das Team von PINK. Sie haben unterschiedliche Ausbildungen als Pädagoginnen, Kunsthistoriker oder Künstlerinnen und Erfahrungen in der Museumspädagogik, Kunsterziehung, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung. Ein ausführliches Fortbildungsprogramm bereitete das Team auf seine neuen Aufgaben vor. Die Zielsetzung unserer Vermittlungsarbeit wurde erarbeitet, Methoden und erste Schritte für die Einzelkonzepte entwickelt. Trainings für Stimme, Körpersprache, den Umgang mit Konflikten und individuelle Coachings fanden statt. Gezielte Weiterbildung, kontinuierlicher Erfahrungsaustausch und Reflexion der Arbeit werden bis heute im Vermittlerteam fortgeführt und gepflegt. Nach unseren Recherchen zu anderen, in München bereits vorhandenen Angeboten haben sich zu Beginn folgende Zielgruppen für PINK herauskristallisiert: • • • •
Jugendliche aus sozialen Brennpunkten; Blinde und Sehbehinderte; Gruppen aus Senioreneinrichtungen; Gruppen aus Frauenhäusern und anderen Hilfsnetzwerken.
Diese Auswahl bildete für uns bei der Programmentwicklung einen ersten Fokus. PINK ist jedoch grundsätzlich für alle Besucher, die sozial benachteiligt oder körperlich eingeschränkt sind, offen. Alle Gruppen werden über soziale Einrichtungen, also Multiplikatoren oder Schnittstellen angesprochen. Hierfür waren im Vorfeld ausführliche Recherchen und Gespräche mit interessierten Einrichtungen erforderlich, die gegenseitiges Vertrauen aufbauten. Nach einer Testphase wurde PINK im November 2003 mit einem Pressegespräch der Öffentlichkeit vorgestellt. Viele weitere Organisationen haben sich daraufhin bei uns gemeldet. Das Angebot spricht sich einerseits herum, wir suchen aber auch weiter aktiv nach möglichen Adressaten und sprechen Fachstellen, Einrichtungen und Multiplikatoren direkt an. Zwischen 2003 und 2006 haben rund 2000 Teilnehmer/-innen ein PINK-Programm besucht. Im Schnitt besuchen uns vier Gruppen im Monat. Die Gruppen kommen z.B. aus: dem Drogennotdienst München, der Katholischen Jugendstelle, der Organisation »Lichtblick Hasenbergl«, aus Altenpflegehei-
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men, dem Frauenobdach »Karla 51«, aus Einrichtungen der berufsbezogenen Jugendhilfe und der Jugendsozialarbeit, aus der Tagesklinik des MaxPlanck-Institutes für Psychiatrie, der Stiftung »Pfennigparade«, aus Behindertenwerkstätten, Flüchtlingseinrichtungen und aus Förderschulen. Bemerkenswert ist der große Anteil der Jugendlichen. Mit einem Besucheranteil von knapp 50 Prozent bilden sie kontinuierlich die stärkste Gruppe bei PINK. Massgeschneiderte Angebote Acht thematisch und methodisch unterschiedliche Angebote wurden in enger Zusammenarbeit mit ausgewählten Einrichtungen entwickelt: • • • • • • • •
Kunsturlaub; Tempo Tempo; Nehmen Sie Platz; Raumbild – Bildraum; Sehen und gesehen werden; Farbstürme; Wahlverwandtschaften; Zweiteiler.
Wir hatten bei der Entwicklung sowohl die Zielgruppen, ihre speziellen Interessen und Bedürfnisse als auch die Sammlungen der Pinakothek der Moderne und ihre spezifischen Qualitäten im Auge. Vor jedem Besuch finden intensive Gespräche mit den Betreuern statt, die dazu dienen, Interessen und Vorwissen der Gruppen zu erfragen und das am besten geeignete Angebot herauszufinden bzw. speziell für die Gruppe zu adaptieren. Auf diese Weise sind aus den ursprünglich acht Angeboten inzwischen mehr als fünfzehn verschiedene Programme entstanden, die speziell auf die jeweiligen Gruppen eingehen. Die hohe Flexibilität, mit der die Vermittler auf die Bedürfnisse der Gruppen – auch spontan – reagieren und somit stark prozessorientiert agieren können, macht eine wesentliche Qualität der Programme aus. Von großem Vorteil für PINK ist die spartenübergreifende Ausrichtung der Pinakothek der Moderne auf Kunst, Architektur, Design und die Popularität, die das Museum seit seiner Eröffnung hat. Sonntags kostet der Eintritt in die Pinakothek der Moderne nur einen Euro, bis vor Kurzem war der Eintritt in die staatlichen bayerischen Museen an diesem Tag sogar frei. Für unsere Arbeit ist diese Regelung sehr wichtig, denn nur so besteht wirklich die Chance, dass Menschen, die über ein PINK-Programm mit dem Museum in Kontakt gekommen sind, von sich aus wiederkommen. Beim regulären
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Eintrittspreis von derzeit 9,50 Euro wäre das sicher aussichtslos. Auch die PINK-Programme sind für die Teilnehmer kostenfrei. Wir bitten die Organisationen um eine Spende, wenn es ihnen möglich ist, ansonsten werden die Kosten für die Betreuung der Gruppen über unseren Förderer abgedeckt. Tempo Tempo Große Anziehungskraft haben übergreifende Themen mit Bezügen zum Alltag. Ein Angebot wie »Tempo Tempo« nutzt die Attraktivität des Ausstellungsbereichs Automobildesign. Wie wird Bewegung und Geschwindigkeit sichtbar? Die Gruppen beginnen ihren Besuch im Ausstellungsbereich Design bei den stromlinienförmigen Fahrzeugen. Ein Experiment mit einer Videokamera leitet über zur Abteilung Kunst. Auf Bildern des Kubismus und Futurismus ist Bewegung und Geschwindigkeit in Malerei dargestellt. Abschließend werden Bewegungsabläufe zeichnerisch erschlossen, technischer Fortschritt und seine Auswirkungen für die Menschen diskutiert. Raumbild – Bildraum Das Angebot »Raumbild – Bildraum« ist ein gutes Beispiel für die Entwicklung eines PINK-Programms. Gemeinsam mit einer blinden Frau wurde das Museum im Vorfeld erkundet. Da in der Sammlung »Moderne Kunst« kaum Skulpturen präsentiert werden, ist das Team vor die Aufgabe gestellt, Gemälde für Blinde und Sehbehinderte erlebbar zu machen. Wie lassen sich Perspektive und Abstraktion für Blinde vermitteln? Wie lässt sich das spezifisch ›Moderne‹ von Bildern des 20. Jahrhunderts erklären, wenn es die Bezugsgröße der älteren Tafelmalerei nicht gibt? Wie lassen sich visuelle Eindrücke in andere Sinnesqualitäten übertragen? Nur ein Bild, das Stillleben »Buch, Mandoline und Obstschale« von Pablo Picasso, wurde für unser Programm ausgewählt. Das Gemälde zeigt Alltagsgegenstände, die allen vertraut sind, und bewegt sich an der Grenze zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Es hat einen klaren Bildaufbau und eine überschaubare Farbpalette. Ein originalgroßes Tastmodell des Gemäldes in Holz wurde angefertigt. Die einzelnen Bildgegenstände sind als Einzelteile herausnehmbar. Für jede Farbe auf dem Bild steht eine bestimmte Oberfläche. Um das zentrale Thema – die Anordnung verschiedener Gegenstände auf einer Bildfläche – erfahrbar zu machen, bekommt jeder Teilnehmer zu Beginn einen Karton, auf dem er geometrische Grundformen frei anordnet. Es entstehen verschiedenste Kompositionen, die zum Tasten für alle Teilnehmer herumgereicht werden. Nach diesem Einstieg geht die Gruppe in den Ausstellungsraum mit dem Stillleben von Picasso. Das Tastmodell ist wie ein Tisch vor dem Gemälde aufgebaut. So können die Teil-
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nehmer, die noch über Restsehfähigkeit verfügen, auch das Original betrachten. Die Teilnehmer ertasten das Holzbild, jeder sucht sich ein Lieblingsteil, nimmt es aus dem Bild heraus und begründet kurz seine Wahl. Die einzelnen Teile werden in der Gruppe weitergegeben. Auf einem zweiten Tisch werden die Teile, die Gegenstände repräsentieren, wieder zusammengesetzt. Im direkten Vergleich zu einem realen Objekt, z.B. einem Buch, wird die Darstellungsweise des Buches im Bild herausgearbeitet. Die Teilnehmer lernen so Picassos Formensprache und seine Interpretation der Objekte kennen, die einerseits der Gegenständlichkeit verpflichtet ist, aber auch die Autonomie der Formen vorantreibt. Abschließend werden alle Teile wieder eingefügt. So erschließt sich die Gesamtkomposition des Bildes, bzw., wie die Gegenstände im Bildraum zwischen Tisch, Wand und Hintergrund angeordnet sind. In einem abschließenden Gespräch werden Beobachtungen und Erfahrungen ausgetauscht. Kunsturlaub Für viele Gruppen eignet sich das Programm »Kunsturlaub« – kleine Ferien im Museum: Mit einem Koffer voll Urlaubsutensilien reisen die Teilnehmer in die Landschaften der Expressionisten, zu Max Beckmann ans Meer und zur Capri-Batterie von Joseph Beuys. Das Motiv des Reisens wird unter verschiedenen Aspekten beleuchtet: Das Erleben von Landschaft und Natur spielt eine Rolle, die Teilnehmer sprechen über Heimat und Exil. Und ganz wichtig ist das Aufladen der ›Batterien‹ – Energie und Inspiration, die auch ein kleiner Urlaub im Museum bringt. Zweiteiler Der »Zweiteiler« hat sich als ideales Format für Jugendliche erwiesen, die meist ihr ›erstes Mal‹ mit Kunst im Museum erleben. Das Angebot kombiniert einen gestalterisch-praktischen Teil in der sozialen Einrichtung mit einem Kunstgespräch im Museum und wird von zwei Vermittlerinnen durchgeführt, einer bildenden Künstlerin und einer Kunsthistorikerin. Wir nehmen uns einen ganzen Vormittag Zeit, was eine intensive Auseinandersetzung in kleinen Gruppen ermöglicht. In der Arbeit mit zwei Persönlichkeiten erfahren die Jugendlichen die Auseinandersetzung mit Kunst als lebendigen Dialog, der auch konträre Sichtweisen zulässt. Der Einstieg über das praktische Gestalten in der Einrichtung fördert die Aktivität der Jugendlichen auch im Museum. Praxis und Theorie sind so eng miteinander verzahnt.
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Ziele und Haltung Was kann Kunstvermittlung für die Bildungsarbeit mit besonderen Besuchergruppen leisten? Wir halten die Auseinandersetzung mit Kunst nicht nur für einen schönen Zeitvertreib. Die Begegnung mit einem Kunstwerk kann eine essenzielle Erfahrung sein, die für viele Lebensbereiche brauchbar ist. Kunst ist vielschichtig, komplex und uneindeutig. Sie bietet ein offenes Feld für Assoziationen und Diskussionen. Kunst spricht Gefühle an, fordert das Aushalten von Fremdheit, auch Widerspruch. Kunst gibt zu denken und hat Schnittstellen zu unendlich vielen Gebieten. Kunst hat Tiefe, fordert Hinsehen, Konzentration, Innehalten und verweist auch auf Werte jenseits von Gewinn und Konsum. Gerade in Bezug auf Persönlichkeitsbildung und die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen kann die Auseinandersetzung mit Kunst sehr viel leisten, wenn sie mit Sorgfalt und respektvoller Zuwendung geschieht. Wir versuchen in unserer Vermittlungsarbeit diesem Anspruch gerecht zu werden, gehen von den Interessen und Bedürfnissen der Teilnehmer aus, berücksichtigen ihre Motivation und vorausgegangene Erfahrungen. Das Potenzial des Einzelnen und das der Gruppe soll genutzt werden, was Respekt und Wertschätzung für jeden Besucher voraussetzt. Wir wollen einen eigenen Zugang ermöglichen, nicht Fachwissen abladen. Austausch und Auseinandersetzung sind uns wichtig. Ein positives, mit Freude verbundenes Lernerlebnis soll ankommen. Nicht nur die Begegnung mit originalen Objekten, auch die Begegnungen mit den Menschen im Museum soll authentisch sein. Bei größeren Gruppen arbeiten wir immer zu zweit. Verschiedene Persönlichkeiten bringen ihre jeweiligen Qualitäten und Haltungen ein. Auch die Vorbereitung jeder Veranstaltung erfordert große Sorgfalt. Je besser ein Museumsbesuch in das ›Davor‹ und das ›Danach‹ eingebettet ist, desto nachhaltiger kann die Erfahrung sein. Partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Einrichtungen und intensiver Austausch mit den Betreuern der Gruppen sind notwendig. Das Museum kann so ein Ort der Begegnung mit verschiedensten Bevölkerungskreisen sein und damit auch zum Abbau von Vorurteilen und Barrieren aller Art beitragen. Ein gelungener Museumsbesuch, eine wirkliche Begegnung mit einem Kunstwerk, kann ein echtes ›Schlüsselerlebnis‹ sein. Wenn das ›erste Mal‹ im Museum jedoch misslingt, folgt unter Umständen so schnell kein zweites. Wir haben also eine besonders hohe Verantwortung bei Gruppen, denen wir das Museum als neuen Erfahrungsort aufschließen möchten.
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Evaluation Ob diese Ziele erfüllt werden und die gewünschte Qualität auch bei den Teilnehmern ankommt, hängt von unserer Arbeit ab, die wir auf verschiedenen Wegen evaluieren: Die Vermittler reflektieren jede Veranstaltung in einem Protokoll. Teilnehmer und Betreuer bekommen Feedbackbögen, die sie in der Regel auch ausfüllen und zurückschicken. Ein Kreis von interessierten Beobachtern begleitet das Projekt. Unser Förderer gab außerdem eine soziologische Studie in Auftrag, die im Herbst 2005 abgeschlossen wurde. Fokus der Studie ist die Arbeit mit den Jugendlichen. In der Zusammenfassung des Endberichtes kommt das Soziologenteam zu folgenden Ergebnissen: »Die Auswertung unserer Beobachtungen und Befragungen hat ergeben, dass durch die Teilnahme an PINK bei Teilnehmerinnen und Teilnehmern der untersuchten Gruppen zieladäquate Bildungsprozesse angeregt bzw. verstärkt werden konnten. Diese beziehen sich auf • den Abbau zielgruppenspezifischer Hemmschwellen im Umgang mit Kulturinstitutionen • die Überwindung sozialräumlicher Beschränkungen und die Schaffung von Ermöglichungsräumen lebensweltübergreifender sozialer Begegnungen • Förderung von Sozialkompetenz bei den Teilnehmern • Vermittlung positiver selbstwertstabilisierender bzw. -fördernder Erfahrungen • Unterstützung von Selbstreflexion und Förderung kreativer Ausdrucksformen • Vermittlung von kunstbezogenem Bildungs- und allgemeinbildendem Weltwissen.« (Abraham et al. 2005: 3)
PINK regt bei den Teilnehmern eine Vielzahl von positiven Prozessen an. Für die Pinakotheken und das Vermittlerteam ist dies eine ermutigende Bilanz, die sich auch auf die Arbeit mit den anderen Besuchergruppen bei PINK übertragen lässt und mit deren Rückmeldungen deckt. Aussichten und Entwicklungen Seit der Einführung von PINK im Herbst 2003 wurde die Unterstützung für das Projekt aufgrund der anhaltenden positiven Resonanz bei allen Beteiligten jeweils jährlich verlängert. Trotz dieser kontinuierlichen Förderung hat PINK keine Planungssicherheit. Wir hoffen natürlich und arbeiten daran, dass das Angebot langfristig als fester Bestandteil der Sozial- und Bildungsarbeit des Museums bestehen bleibt, daher muss zur finanziellen Sicherung ein Fundraising-Konzept entwickelt werden.
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Sowohl die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Unternehmen, das PINK möglich gemacht hat, als auch die Kooperation mit den Einrichtungen, die PINK nutzen, erscheint uns bemerkenswert. Neben den ›Einmal-Besuchern‹, die maßgeschneiderte Angebote bekommen, beginnen sich auch engere Beziehungen zu und längerfristige Projekte in einzelnen Einrichtungen zu entwickeln. PINK gibt Impulse. Die positive Erfahrung mit dem Museumsbesuch regte den Lehrer einer Blockklasse3 an, ein einwöchiges Gestaltungsprojekt für Jugendliche zu planen. Konzipiert und durchgeführt wurde die Projektwoche vom PINK-Team, die Kosten teilten sich die Schule und PINK. Hier wird eine Nachhaltigkeit sichtbar, die ansonsten bei den kurzen Formaten der Programme nicht im Vordergrund stehen kann. Als nachhaltig erweist sich außerdem die Vernetzung und der Erfahrungsaustausch mit Verbänden und Bildungseinrichtungen, auch auf internationaler Ebene. Besonders wichtig ist für uns die Verbindung zum Bereich Sozialwesen an zwei Münchner Fachhochschulen: Seit Herbst 2005 führen wir dort regelmäßig praxisorientierte Lehrveranstaltungen für angehende Sozialpädagogen durch, in denen wir der Frage nachgehen, was die Begegnung mit Kunst für Zielgruppen der sozialen Arbeit leisten kann. PINK wurde ein Motor für den gesamten Arbeitsbereich der Kunstvermittlung in den Pinakotheken. Potenziale und Chancen wurden sichtbar. Herausragend ist die Intensität in der Entwicklung, Durchführung und Evaluation der Angebote. Professionalität ist ein wichtiger Punkt: die Arbeit in einem gut ausgebildeten Team, das angemessen bezahlt wird, sich kontinuierlich austauscht, weiterbildet und individuelle Coachings in Anspruch nehmen kann. Die bei PINK erworbene Methoden- und Sozialkompetenz bereichert als Erfahrungsschatz auch die Vermittlungsarbeit mit anderen Besuchergruppen. Als besonders wertvoll empfindet das Team die Sichtweisen der PINK-Teilnehmer/-innen auf die Kunst; so hat etwa die Arbeit mit Blinden und Sehbehinderten unseren Blick als Sehende auf die Kunstwerke nachhaltig geschärft und verändert. Literatur Abraham, Martin et al. (2005): Zusammenfassung des Endberichts. In: Dies.: Evaluation des Projektes »PINK – eigene Wege zur Kunst« der Pinakothek der Moderne. München, Institut für Soziologie, S. 3. 3 In Bayern werden Jugendliche mit Hauptschulabschluss, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben und noch schulpflichtig sind, in sogenannten »Blockklassen« an Berufsschulen beschult. Die Motivation der Jugendlichen in den Blockklassen ist sehr schlecht, der Anteil an sozial benachteiligten Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist sehr hoch.
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Die barrierefreien Aktivitäten des Landschaftsverbandes Rheinland
Susanne Vogel Einleitung Der Titel der zweitägigen Fachtagung »Barrierefreies Natur- und Kulturerlebnis« im April 2005 war Programm und Aufforderung zugleich für die Aktivitäten und das Engagement des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in seinem Geschäftsbereich, der neben Jugend/Schulen, Soziales/Integration und Gesundheit auch die Kultur umfasst. Der LVR als Kommunalverband der 14 kreisfreien Städte und 13 Kreise im Rheinland steht besonders in der Pflicht, die Lebensqualität für Menschen mit Behinderungen und in den unterschiedlichsten Lebenslagen zu verbessern. »Barrierefreiheit« – ein Fachbegriff, der in immer mehr Lebens- und Arbeitsbereichen auftaucht und nicht nur ein gesetzlicher Auftrag, sondern vor allem auch eine gesellschaftliche Aufgabe der Zukunft ist. ›Nichts soll mehr im Wege stehen‹: Allen Menschen soll die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilnahme am öffentlichen Leben und die freie Zugänglichkeit sowie Nutzbarkeit der öffentlich gestalteten Lebensbereiche ermöglicht werden. Davon profitieren alle: Kinder, Ältere und Kranke sowie Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung. Besonders im Zeichen des demografischen Wandels, in einer Gesellschaft mit immer weniger und immer älteren Menschen, werden die Forderungen nach Barrierefreiheit zunehmend lauter. Denn viele können dann nicht mehr so gut sehen, hören und laufen. Deshalb sind Hilfen wie Tafeln mit großer Schrift, mündliche Erläuterungen, ausreichende Sitzmöglichkeiten und stufenlose Zugänge, die dann auch problemlos mit Kinderwagen genutzt werden können, angemessen und zukunftsweisend. So nutzt Barrierefreiheit allen im Alltag und Freizeit und bringt das angestrebte Ziel des »barrierefreien Natur- und Kulturerlebnisses« näher. Auftrag Der Umweltausschuss des LVR beschäftigte sich in seiner Sitzung im Juni 2005 mit den Ergebnissen dieser Fachtagung und bat die Verwaltung, die LVR-Einrichtungen hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit zu katalogisieren und daraus einen Maßnahmenkatalog mit einer Prioritätenliste zum Abbau vorhandener Barrieren zu erarbeiten. Das Umweltamt des LVR im Dezernat Kultur und Umwelt übernahm die Federführung dieser ämterübergreifenden Querschnittsaufgabe.
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Ist-Zustand Der Themenbereich Barrierefreiheit spricht Aspekte an, die bereits in unterschiedlichen Dienststellen des LVR bearbeitet wurden: • das Medienzentrum Rheinland bereitete schon den barrierefreien Internetauftritt für alle Kulturdienststellen der Zentralverwaltung vor; • das Kulturamt führte im Herbst 2005 eine Bestandserhebung in den Außendienststellen zum Thema »Barrierefreiheit« für die Beschäftigten des LVR gemäß der Rahmenintegrationsvereinbarung zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen beim LVR durch. In der zwischen den Dienststellen und der Schwerbehindertenvertretung getroffenen Zielvereinbarung wurde die uneingeschränkte Zugänglichkeit und Nutzung als Voraussetzung für die gleichberechtigte Teilnahme am Arbeitsleben vereinbart; • das Umweltamt förderte mit dem »Agenda 21«-Handlungsfeld »Umweltbildung in der Region« die Vermittlung umweltrelevanter Themen in verschiedenen Kulturdienststellen. In diesem Zusammenhang wurden einzelne Standorte der Kultureinrichtungen hinsichtlich ihrer museumspädagogischen und umweltdidaktischen Angebote sowie deren barrierefreien Nutzungs- und Umsetzungsmöglichkeiten untersucht. Das daraus initiierte Kooperationsprojekt zwischen einer rheinischen Förderschule und dem Bergischen Freilichtmuseum zeigte, wie in solchen Projekten insbesondere die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen verstärkt mit einbezogen werden können; • das Medienzentrum Rheinland produzierte in Zusammenarbeit mit dem Umweltamt und dem Amt für rheinische Landeskunde eine barrierefrei nutzbare DVD über die Wege der Jakobspilger im Rheinland; • das Bergische Freilichtmuseum Lindlar untersuchte die Begehbarkeit des Geländes für mobilitätseingeschränkte Menschen und arbeitete konkrete Verbesserungsvorschläge unter Berücksichtigung des musealen Anspruches aus; • das Rheinische Freilichtmuseum Kommern erstellte einen Gesamtübersichtsplan des Geländes mit detaillierten, auch fremdsprachigen Erläuterungen zur Orientierung und bietet geländegängige Rollstühle und Kinderwagen zur Ausleihe an; • der Archäologische Park Xanten erarbeitete einen Plan für mobilitätseingeschränkte Menschen, in dem die gut berollbaren Wege und leicht erreichbaren Gebäude (teilweise mit mobilen Rampen) erkennbar sind; • im Rheinischen Landesmuseum gibt es ausleihbare Hilfsmittel wie zusammenklappbare, transportable Sitzhocker und Rollstühle, die den Museumsbesuch einfacher und bequemer machen;
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• im Amt für rheinische Landeskunde wurden Ideen zur Verbesserung eines barrierefreien Informationszugangs gesammelt und zum »Tag der Begegnung« wurde ein Flyer in Blindenschrift (Brailleschrift) erstellt, der das Amt vorstellt; • das Amt für Gebäude- und Liegenschaftsmanagement setzt die notwendigen baulichen Maßnahmen zur Gewährleistung einer barrierefreien Nutzung der Kultureinrichtungen unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Belange und mit Beteiligung der jeweiligen Dienststelle und der Schwerbehindertenvertretung schrittweise um. Bestandsaufnahme Um den Beschluss der politischen Vertretung – Ermittlung des Ist-Zustandes, Erstellung des Maßnahmenkatalogs mit Prioritätensetzung – umzusetzen, wurde im Januar 2006 unter Federführung des Umweltamtes die Projektgruppe »Barrierefreiheit in LVR-Kultureinrichtungen« mit Verantwortlichen aus den Kulturdienststellen ins Leben gerufen. Bei diesen Sitzungen waren das Rheinische Industriemuseum mit den sechs Schauplätzen, das Bergische Freilichtmuseum Lindlar, das Rheinische Freilichtmuseum Kommern, der Archäologische Park Xanten, das Rheinische Landesmuseum Bonn, das Amt für Rheinische Landeskunde, das Archiv- und Museumsamt, das Medienzentrum Rheinland sowie Fachleute aus anderen Dezernaten (Schule, Gesundheit, Soziales) vertreten. In dieser Gruppe, die im Jahr 2006 viermal tagte, wurde eine systematische, komplette Bestandsaufnahme der bereits vorhandenen barrierefreien Infrastruktur, Ausstattungselemente und Angebote vorgenommen. Parallel dazu wurde die Thematik »Barrierefreiheit« in der Lenkungsgruppe »Gender Mainstreaming« des LVR sowie der Vorsitzenden des Vereins »Frauen und Behinderungen« vorgestellt und das weitere Vorgehen abgestimmt. Mittels der vom Umweltamt erstellten Checkliste wurden 120 Kriterien, Kennzeichen und Merkmale zur Barrierefreiheit aufgelistet, um das gesamte, bereits vorhandene Spektrum in den Kultureinrichtungen des LVR zu erfassen. So wurden alle 15 Kulturdienststellen nach ihren museumspädagogischen und umweltdidaktischen Programmen sowie den infrastrukturellen und baulichen Voraussetzungen (Erreichbarkeit, Erschließung, Infrastruktur der Gastronomie, Ausstattung der Museumsshops und -cafés) befragt. Erfasst wurden die Art der Wegeführung und -gestaltung sowie Möglichkeiten, mobile Hilfsmittel wie Fahrräder, Tandems, Rollstühle oder Bollerwagen auszuleihen, sowie spezielle Angebote für Menschen mit Behinderungen (wie Führungen in Gebärdensprache, Flyer in Blindenschrift, Kopfhö-
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rer-Führungen [Audio-Guides]) oder Gebäude-, Gelände- und Maschinenmodelle ›zum Anfassen‹. Im Laufe der sechsmonatigen Bestandsaufnahme wurde dieser Fragebogen konkretisiert, gestrafft oder in einzelnen Themenbereichen erweitert, etwa um Fragen nach familienfreundlichen und fremdsprachigen Angeboten. Evaluation und Bewertung Das Ergebnis der Erfassung: In allen Kulturdienststellen gibt es unterschiedliche Angebote und Programme für Menschen mit Behinderungen. Diese wurden einzeln hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen sowie der Praktikabilität und Nachfrage diskutiert, um Lücken und Ansatzpunkte für Verbesserungsvorschläge zu konkretisieren. Es zeigte sich die Vielfalt – aber manchmal auch die Grenze – des Machbaren. Wichtig erschien jedoch immer, die Probleme direkt vor Ort aufzuzeigen, um keine falschen, nicht realisierbaren Erwartungen zu wecken. Das Spektrum in den Einrichtungen des LVR soll im Folgenden vorgestellt werden: Übersichtspläne Übersichtspläne mit musealen und infrastrukturellen Informationen sowie zu Wegeverlauf, -längen und -steigungen liegen bereits für einzelne Kulturdienststellen in unterschiedlicher Ausführung vor. Da historische Gebäude mit oft steilen Treppeneingängen und Wegen mit Natursteinpflaster oder Kiesbelag schwer oder gar nicht mit Gehhilfen, Kinderwagen oder Rollstühlen begeh- oder befahrbar sind, werden manchmal Hilfsmittel zur Überwindung von Barrieren oder zur Erleichterung von Erschwernissen angeboten – wie mobile Rampen, stabile geländegängige Kinderwagen, Rollstühle oder auch menschliche Hilfestellung. Gebäude- und Geländemodelle Gebäude- und Geländemodelle im Außenbereich wurden in der Projektgruppe kontrovers diskutiert. Zwar ist eine solche Präsentation grundsätzlich sehr anschaulich, aber nach bisherigen Erfahrungen nur sinnvoll in überschaubaren Räumen oder Höfen, im ungeschützten Bereich jedoch nicht praktikabel (Vandalismus, Zerstörung, Mitnahmeeffekt). Bei den Modellen ist sicher zu stellen, dass sie nicht nur optisch erfasst, sondern auch angefasst und erfühlt werden können – also muss etwa auf eine gläserne Abdeckhaube zugunsten einer stabilen Verarbeitung verzichtet werden.
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Führungen Führungen werden in allen Kultureinrichtungen für die unterschiedlichsten Besuchergruppen angeboten. Auf Nachfrage werden spezielle Wünsche berücksichtigt, etwa Führungen in Gebärdensprache oder spezielle Tastführungen für blinde und sehbehinderte Menschen sowie für Kinder, bei denen jene Ausstellungsobjekte angefasst, ertastet und befühlt werden können, die anderen Gästen nur zur Ansicht offenstehen. Für Besuchergruppen mit älteren Frauen und Männern werden spezielle Programme und Führungen angeboten oder auf Wunsch gezielt zusammengestellt. Diese nehmen Rücksicht auf Mobilitäts- und Aktivitätseinschränkungen, knüpfen an frühere Kenntnisse und Lebenserfahrungen an und wecken damit Erinnerungen an vergangene Erlebnisse. Auch Führungen in verschiedenen Sprachen sind in Abhängigkeit von der geografischen Lage der Einrichtung und der Nähe zu den europäischen Nachbarn möglich (z.B. in Niederländisch, Französisch, manchmal Spanisch, Türkisch, aber immer in Englisch). Teilweise regelmäßig können Führungen für Schulklassen auch mit behinderten Kindern in Vorabstimmung mit den Lehrkräften durchgeführt werden. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere beim Besuch von Klassen mit schwerhörigen oder gehörlosen Kindern die problemlose Übersetzung in Gebärdensprache durch das schulische Begleitpersonal sichergestellt ist. Je nach Museumstyp wirkt schon das Gebäude, die Einrichtung, das Umfeld für sich – durch die Dimensionen der Ausstellungsstücke, den Geruch, die Lautstärke. So können ohne viele Worte dauerhafte Eindrücke vermittelt werden, insbesondere dann, wenn viel angefasst, berührt und bewegt werden kann. Mitmachaktionen Mitmachaktionen in den Museen sind begehrte Programme für Kinder, aber auch für viele Erwachsene. Besondere handwerkliche Tätigkeiten, wie Papier schöpfen, Flachs spinnen, Brot backen oder Scheren schleifen, laden ein, machen neugierig und ermöglichen das Erlernen neuer Fertigkeiten. Wohnen im Museum Wohnen im Museum ist ein ganz besonderes Angebot für Schulklassen auch mit behinderten Kindern, das sowohl Einblicke in die vergangene Zeit als auch in das Leben früherer Zeiten ermöglicht, so etwa im Archäologischen Park Xanten für das römische Leben und im Rheinischen Freilichtmuseum Kommern für das Leben auf dem Land in früheren Jahrhunderten.
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Informationen Informationen zu den ausgestellten Objekten sowie zur Veranschaulichung und Erläuterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in der damaligen Zeit werden textlich auf Schautafeln sowie akustisch und optisch durch Filmbeiträge, am besten mit Untertiteln und in Gebärdensprache übersetzt, vermittelt. Große, kontrastreiche Schrift in Augenhöhe, Texte in einfacher Sprache und das Vorlesen der Erläuterungen auf Knopfdruck erhöhen die Nutzungsfreundlichkeit genauso wie ausreichend Sitzmöglichkeiten an informativen oder ruhigen Stellen. Museumscafés In den Museumscafés oder historischen Restaurants der Freilichtmuseen werden teilweise traditionelle Spezialitäten aus der Region serviert, mit besonderer Berücksichtigung der Wünsche von Kindern, kranken und älteren Menschen (etwa große oder kleine Portionen). Die Speisekarten werden nach Wunsch vom Personal erläutert, das auch Hilfe bei der Selbstbedienung bietet. Vorschläge zur Verbesserung der Nutzungsfreundlichkeit wurden diskutiert, so wird durch große Schrift, die fotografische oder zeichnerische Darstellung der verschiedenen Speisen Service und Auswahl erleichtert, hilfreich besonders für Kinder und ausländische Gäste. Beflügelte Ideen Anhand eines konkreten Beispiels wurden Ideen zu barrierefreiem Naturund Kulturerlebnis sowie zur Umweltbildung gesammelt und weiterentwickelt. Dazu diente die aktuelle Untersuchung über die Hymenoptera (Hautflügler) im Archäologischen Park Xanten und die Frage, wie diese Objekte barrierefrei ausgestellt werden können. Die Informationen über die im Park befindlichen Bienen, Hummeln und Ameisen können ganz traditionell in einem Schaukasten ausgestellt werden. Zusätzlich sollte es jedoch tastbare, bewegliche Modelle der verschiedenen Tiere geben, deren Geräusche hörbar sind, und die nicht sichtbaren Lebensweisen sollten auch in Ton- und Bilddokumenten veranschaulicht werden. Filmdarstellungen können Aufschluss über Lebensräume und Bedürfnisse der einzelnen Arten geben – mit Untertiteln, in Gebärdensprache übersetzt und in einfacher Sprache vermittelt. Damit wird erreicht, dass die Informationen auch für Menschen mit geistiger Behinderung, mit Lernschwierigkeiten oder mit Migrationshintergrund verständlich sind.
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Mindest- und Komfortstandard Alle barrierefreien Angebote, Ausstattungsmerkmale, Programme und Ideen wurden unter verschiedensten Gesichtspunkten in der Projektgruppe beurteilt, insbesondere bezüglich der Nachfrage, des Bedarfs, der Umsetzungsmöglichkeiten und der Dringlichkeit. Ziel ist die Formulierung eines einheitlichen Mindeststandards für alle LVR-Kultureinrichtungen. Je nach Art und Besonderheit der Einrichtungen können diese um standortangepasste, zusätzliche Komfortstandards ergänzt werden. Barrierefreiheit wurde dabei umfassend – nicht nur in räumlicher, sondern auch in kommunikativer Hinsicht – verstanden. Dabei wurden folgende Prämissen gesetzt: • barrierefreier Internetauftritt als zentrale Informationsquelle für die Fragen ›Was erwartet mich? ‹, ›Was kann ich erwarten?‹; • barrierefreie Infrastruktur, Erschließung und Ausstattung als Grundvoraussetzungen (Toiletten, Sitzbänke, Wege, Shop, Gastronomie); • barrierefreie Informationen über das museumspädagogische und umweltdidaktische Angebot (Flyer, Audio-Guides, Führungen, Modelle der Werkzeuge/Maschinen); • barrierefreie Angaben zu Gebäude- und Geländebedingungen (Übersichtspläne, Gebäude- und Geländemodelle zum Erfassen und Anfassen der Dimensionen). Umsetzung, Realisierung Im Laufe der Besprechungen und Diskussionen kristallisierten sich Standards mit hoher Priorität heraus, die im Einzelnen weiter konkretisiert und im Laufe des Jahres entweder bereits realisiert wurden oder zumindest zeitnah umgesetzt werden sollen: • Die Broschüre »Kultur im Rheinland« wurde mit Hinweisen zu barrierefreien Angeboten in den Museen und Kultureinrichtungen des LVR ergänzt und im Sommer neu gedruckt und verteilt. Die Informationsflyer der einzelnen Kultureinrichtungen werden bei Neuauflage mit Hinweisen zur barrierefreien Nutzung und zusätzlichen, nachfrageorientierten Angeboten erscheinen (z.B. Tastführungen, Führungen in Gebärdensprache, Mitmachaktionen). Mit diesem Informationsmaterial kann für die Kultureinrichtungen auch bei Menschen mit Behinderung geworben werden. Diese nutzen in letzter Zeit verstärkt die Kulturangebote – meist
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einzeln, oft mit Begleitung und in geringerem Maße innerhalb geschlossener Besuchergruppen. Der Internetauftritt der Zentralverwaltung ist seit Dezember 2006 barrierefrei nutzbar. Durch Überarbeitung der Inhalte (leicht verständliche Texte, einfache Navigation) als auch durch die Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten soll die Benutzungsfreundlichkeit und Barrierefreiheit verbessert werden. Die Internetauftritte der einzelnen Kulturdienststellen sollen im Laufe des Jahres 2007 barrierefrei gestaltet werden. Dabei wird sichergestellt, dass alle Texte auch im Hinblick auf ihre Verständlichkeit überprüft und gegebenenfalls in Leichte Sprache ›übersetzt‹ werden. Das ›barrierefreie Natur- und Kulturerlebnis für Alle‹ soll auch über die Kulturdienststellen des LVR hinaus im gesamten Rheinland gefördert werden. Deshalb werden in einer gemeinsamen Publikation mit allen Rheinischen Naturparks deren barrierefreie Erholungs- und Erlebnisangebote vorgestellt. In dieser Zusammenstellung wird gezeigt, wo und wie Menschen mit und ohne Behinderungen, egal welchen Alters, die Vielfalt von Natur und Landschaft zusammen genießen können. In Fortbildungen soll das Personal der Kultureinrichtungen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen geschult werden. Denn nur durch Wissen und Aufklärung können Barrieren, Vorurteile und Unsicherheiten abgebaut werden, damit das ›Du bist willkommen‹ für alle spürbar wird und eine freundliche und hilfsbereite Betreuung der Menschen mit unterschiedlichsten Handicaps durch das Personal gewährleistet wird. Die Erstellung barrierefreier Informationsmaterialien einschließlich Übersichtskarten und Lageplänen mit genauen Angaben über Wegebeschaffenheit und -länge sowie über Standort und Nutzungsmöglichkeit der baulichen und musealen Anlagen wird vorangetrieben, ebenso wie die Darstellung von Gelände- und Gebäudemodellen sowie von Maschinen und Handwerkszeug zur Veranschaulichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das Angebot von ausleihbaren Hilfsmitteln zur Erhöhung der Nutzungsfreundlichkeit und des Komforts in und außerhalb des Museums soll vergrößert werden. Die kulturellen Einrichtungen sollen in eine barrierefreie touristische Servicekette eingebunden werden. Dies bedeutet, dass Anreise, leichte Erreichbarkeit und evtl. Übernachtung (u.a. durch Optimierung des ÖPNV, etwa mit Einbindung von Pendelbussen) ohne Barrieren selbstständig ermöglicht werden.
Unter Einbeziehung von weiteren LVR-Dienststellen sowie von Fachleuten
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und Betroffenen sollen die Mindest-, Komfort- und Ergänzungsstandards 2007 weiter in der Projektgruppe auch nach Bedarf und Nachfrage beurteilt werden, um daraus einen abgestimmten Maßnahmenkatalog mit Prioritätenliste abzuleiten, mit dem dann ›Zug um Zug‹ die noch vorhandenen Barrieren in den LVR-Kultureinrichtungen abgebaut werden können. Deshalb wird die Kooperation mit anderen Dienststellen innerhalb des LVR wie den Rheinischen Förderschulen, Heilpädagogischen Heimen, Rheinischen Kliniken und dem Integrationsamt intensiviert, um den gegenseitigen Informationsaustausch zwischen den Dezernaten, die mit Menschen mit Behinderungen ganz unterschiedlichen Alters und Lebenserfahrungen betraut sind (z.B. mit dem Netzwerk Heilpädagogische Hilfen »Gemeinsam Ganz Normal«, den Rheinischen Förderschulen), und dem Dezernat Kultur und Umwelt zu fördern. Zusammenfassung Die Fachtagung »Barrierefreies Natur- und Kulturerlebnis« im April 2005 war Programm und Aufforderung für das Engagement und die Aktivitäten des LVR im Hinblick auf Barrierefreiheit in räumlicher und kommunikativer Hinsicht. Auf Beschluss der politischen Vertretung wurde unter Federführung des Umweltamtes die barrierefreie Nutzbarkeit aller Kultureinrichtungen, darunter sieben Industriemuseen und drei Freilichtmuseen, untersucht. Kennzeichen wie die barrierefreie Erreichbarkeit, Zugänglichkeit, technische und bauliche Infrastruktur sowie museumspädagogische und umweltdidaktische Angebote speziell für Menschen mit Behinderungen wurden entsprechend einer einheitlichen Checkliste abgefragt. Die Bestandsaufnahme wurde in einer Gesamtübersicht dargestellt und hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen, tatsächlichen Nachfrage und praktischen Umsetzung hinterfragt und bewertet. Daraus wurden barrierefreie Mindeststandards, die in allen Kulturdienststellen vorhanden sein sollten, und Komfortstandards, die je nach Art und Besonderheit der Einrichtung am einzelnen Standort sinnvoll und möglich sind, entwickelt. Weitere zusätzliche Angebote können im Einzelfall je nach Nachfrage und Bedarf ergänzt werden. Diese Standards werden 2007 nach Kriterien wie z.B. Bedarf und Nachfrage beurteilt werden, um einen abgestimmten Maßnahmenkatalog mit Prioritätenliste zu erarbeiten, der dann Schritt für Schritt umgesetzt werden soll. In der Projektgruppe »Barrierefrei«, mit Vertreterinnen und Vertretern aller Kulturdienststellen und anderer betroffener Dienststellen, wurde das Bewusstsein für die Notwendigkeit – aber auch die Selbstverständlichkeit – der Barrierefreiheit sensibilisiert und geschärft, gemäß dem Motto des LVR: »Qualität für Menschen«.
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Svenja Gaube ➔ »Museum für alle« – Projekt im Deutschen Technikmuseum Berlin
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»Ein Museum für alle« – Projekt zur barrierefreien Orientierung und Vermittlung im Deutschen Technikmuseum Berlin
Svenja Gaube Einleitung Das Deutsche Technikmuseum Berlin ist großartig: 25.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche auf einem ausgedehnten Areal, attraktive historische und neue Gebäude, ein weitläufiger, geschichtsträchtiger Museumspark, zentrale Lage in der Nähe des Potsdamer Platzes und beeindruckende Großobjekte, die geradezu zum Anfassen einladen. Das Deutsche Technikmuseum Berlin ist aber auch problematisch: Das große Ensemble von Alt und Neu erschwert die Orientierung und zwingt zu Kompromissen beim barrierefreien Bauen, keine der beiden nahe gelegenen U-Bahn-Stationen ist rollstuhlgerecht – und auch für die technikhistorischen Objekte heißt es aus konservatorischen Gründen in der Regel: »Berühren verboten!« Abbildung 1: Orientierungsplan des Deutschen Technikmuseums Berlin
Quelle: Deutsches Technikmuseum Berlin, Gestaltung: GfG Gruppe für Gestaltung GmbH
Allein die besondere Gebäudestruktur des Museums macht barrierefreies Bauen und barrierefreie Orientierung zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Das Museum mit seinen historischen und neu errichteten Gebäuden erstreckt sich über das Gelände des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs.
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1983 öffneten die ersten Ausstellungen in Teilen der Fabrik der früheren Gesellschaft für Markt- und Kühlhallen, die 1908 gebaut wurde. In diesem Bereich des Museums, dem Eingangsgebäude in der Trebbiner Straße, befinden sich momentan vor allem Ausstellungen zu Kommunikationstechniken und die Abteilung Textiltechnik. Im heutigen Foyer des Museums wurden die Wagen der Firma untergestellt und die Pferde angespannt. Die Pferdetreppe zu den Ställen im zweiten Stock ist erhalten und begehbar. Wer sie nicht erklimmen kann, kommt nur über den Fahrstuhl in die oberen Etagen. Vom Foyer gelangt man im ersten Stock entweder links in den Neubau oder rechts in die Lokschuppen. Zur Blütezeit des Anhalter Güterbahnhofs zwischen 1880 und 1945 waren in den zwei ringförmigen Lokschuppen über 80 Lokomotiven untergebracht. 1952 wurden Bahnhof und Betriebswerk geschlossen. Die maschinellen Anlagen wurden demontiert, die Gebäude verfielen. Für die Museumsabteilung Schienenverkehr wurden die Lokschuppen historisch rekonstruiert. Die Lokschuppen sind sozusagen eine Sackgasse. Um wieder in das Foyer oder den Neubau zu gelangen, muss man umkehren und zurückgehen. Der Neubau des Museums wurde im Dezember 2003 zusammen mit der neuen Dauerausstellung »Schifffahrt« eröffnet. Die Präsentation erstreckt sich vom Erdgeschoss bis in das zweite Stockwerk. Die dritte und vierte Etage sind seit April 2005 mit der Ausstellung zur Luft- und Raumfahrt bespielt. Die ursprüngliche Planung sah vor, den Neubau über ein zentrales Eingangsgebäude zu erschließen. Aus finanziellen Gründen ist dies bislang noch nicht realisiert. Die Zugangsmöglichkeiten zu den Ausstellungen im Neubau sind von jedem der drei Treppenhäuser deshalb andere, der Neubau selbst kann sozusagen nur über den Hintereingang, nämlich das bisherige Eingangsgebäude in der Trebbiner Straße, betreten werden. Ein Großteil der Orientierungsschwierigkeiten vieler Besucher/-innen im Museum ergibt sich aus diesen problematischen Bedingungen. Seit Dezember 2003 gibt es im Deutschen Technikmuseum Berlin ein neues Besucherorientierungssystem für die weitläufigen Gebäudeteile sowie für den im gleichen Jahr eröffneten Neubau. Obwohl anfangs geplant war, dieses Leitsystem sehgeschädigtengerecht zu entwickeln, wurde schließlich beschlossen, in einem ersten Schritt nur ein Leitsystem für Sehende zu installieren. Der Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverband Berlin hat dieses Vorgehen aufgrund der unten angeführten Gründe akzeptiert. Ausschlaggebend für die Entscheidung war vor allem der Anspruch eines umfassenden Konzeptes: Barrierefreie Orientierung, Gestaltung und Vermittlung sowie Zugang zu Informationen sollten miteinander verbunden werden. Es sollte keine integrierte taktile Wegeführung geben, die dann vor einem Exponat endet, das einem sehgeschädigten Besucher durch eine Vi-
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trine ohnehin verschlossen bleiben muss. Denn viele technikhistorische Objekte erscheinen zwar aufgrund ihrer robusten Materialeigenschaften, ihres Gebrauchshintergrunds und ihrer Größe prädestiniert für ein ›Museum zum Anfassen‹. Tatsächlich gelten jedoch teilweise die gleichen konservatorischen Bedingungen wie beispielsweise für kunsthistorische Objekte, für die das viel selbstverständlicher anerkannt ist. Allen Schwierigkeiten zum Trotz ist Barrierefreiheit dem Deutschen Technikmuseum Berlin seit Langem ein großes Anliegen. Das Museum ist weitgehend rollstuhlgerecht und seit vielen Jahren besteht eine enge Zusammenarbeit mit Behindertenverbänden; es werden Führungen für Sehund Hörgeschädigte angeboten. Diese Anfänge barrierefreier Arbeit stehen im Mittelpunkt des ersten Teils dieses Beitrages. Doch es soll weitergehen: Mit dem Pilotprojekt »Ein Museum für alle«, gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), werden seit 2006 die verschiedenen bestehenden Ansätze zusammengeführt und ergänzt. Damit werden Schritt für Schritt die Möglichkeiten verbessert, die Ausstellungen und Objekte physisch, intellektuell und sinnlich erfahrbar zu machen. Zukünftig werden die Informationen über das Haus im Internet barrierefrei angeboten. Die in diesem Zusammenhang bereits umgesetzten und geplanten Teilprojekte werden im zweiten Teil dieses Beitrages vorgestellt. Das Museum hat eine weitergehende Vision: Aufbauend auf den durch das Projekt gewonnenen Erkenntnissen und mithilfe der implementierten Bausteine können nach und nach die Vorstellungen eines barrierefreien Museums noch weitreichender umgesetzt werden. Insbesondere die geplante Erweiterung des Hauses zum »Technoversum«, von dem im dritten Teil die Rede ist, wird von diesen noch zu sammelnden Erfahrungen profitieren. Barrierefreiheit im Deutschen Technikmuseum Berlin? Im Deutschen Technikmuseum Berlin ist das Thema Barrierefreiheit traditionell in drei verschiedenen Bereichen angesiedelt: baulich in der Abteilung Technik und in Bezug auf Vermittlung und Besucherservice in den Bereichen Museumspädagogik sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass in der Anfangszeit des Hauses diese beiden Bereiche unter einer Leitung zusammengefasst waren. Der in dem Projekt »Ein Museum für alle« verfolgte, integrative Ansatz barrierefreier Arbeit hat hier seine Wurzeln. Zwei Schwerpunktprojekte der Vergangenheit sollen kurz vorgestellt werden: Das integrative Leit- und Informationssystem im Museumspark und die blindengerechten Führungen und Vorführungen.
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Integratives Leit- und Informationssystem im Museumspark 1996 wurde ein damals neuartiges Leit- und Informationssystem im vier Hektar großen Park des Deutschen Technikmuseums errichtet. Der Park mit historischen Bahnanlagen, Mühlen und Schmiede, seltenen Pflanzen und speziell errichteten sogenannten Experimenten wurde damit auch Blinden und Sehbehinderten zugänglich gemacht. Der Weg durch den Park war durch einen speziellen Bodenbelag mit dem Langstock ertastbar und führte über 28 Stationen. An diesen Stationen befanden sich Informationsträger mit Beschreibung der Objekte, Pflanzen oder Experimente sowie tastbare Pläne mit Informationen zum Gelände und zum Standort. Die Tafeln und Pläne dieses integrativen Leitsystems waren mit pyramidenförmigen, erhabenen Großbuchstaben der Schwarzschrift beschriftet und damit für Blinde und Sehende gleichermaßen zu erfassen. Auch Grafiken zu Objekten und Pflanzen oder Funktionsdarstellungen waren allesamt sicht- und tastbar und für Sehbehinderte kontrastreich gestaltet. Zum Leitsystem gehörten auch tastbare Handkarten, die am Eingang erhältlich waren oder verschickt werden konnten. Leider besteht der Rundgang in dieser Form nicht mehr: Wind und Wetter haben den Tafeln stark zugesetzt. Aufgrund von unvermuteten Schwierigkeiten mit der Wartung und der Lieferung einzelner Teile hat sich das Haus mittlerweile entschlossen, die Tafeln in naher Zukunft zu entfernen. Vorführungen und Führungen für Blinde und Sehbehinderte Neben dem Rundgang durch den Park, den sich Blinde und Sehbehinderte selbst erschließen konnten, gab es bereits früh blindengerechte Führungen und Vorführungen. Das Programm wurde zusammen mit dem Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverband Berlin (ABSV) entwickelt. Die Vorführungen wurden danach ausgesucht, ob sie blindengerecht gestaltet werden können, das heißt, ob die dabei in Betrieb genommenen Maschinen zum einen sicher genug waren und zum anderen in ihrer Charakteristik von Blinden erkannt werden konnten. So waren zum Beispiel die Vorführungen mit Setzkasten und Handpresse in der Drucktechnik, mit Schöpfbottichen in der Papiertechnik und den Mühlrädern in den Mühlen besonders geeignet. Die Vorführer erhielten ein spezielles Sensibilisierungstraining durch den ABSV, um das Wesentliche von Sehbehinderungen und Blindheit verstehen und die Vorführungen daraufhin ausrichten zu können. Für die blindengerechten Führungen wurden Objekte zum Anfassen ausgewählt. Auf dieser Grundlage hat die Abteilung Bildung dann eine Führung erstellt. Die Mitglieder des Führungsteams testeten bei Schulungs-
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Rundgängen mit Blinden aus dem ABSV Objekte auf ihre Eignung für eine solche Führung, trainierten ihre Fähigkeit, ein Objekt zu beschreiben und – ganz wichtig – bekamen ein Gefühl, wie viel Zeit sie für das Betasten eines Exponats einplanen müssen. Die Führungen und Vorführungen werden in Zusammenarbeit mit dem ABSV angeboten und finden regelmäßig einmal im Monat oder auf Anfrage statt. Der ABSV übernimmt dabei vor allem die Anmeldung für die Veranstaltungen. Auch Einzelbesucher/-innen ohne Anmeldung sind dabei herzlich willkommen. Die Themen der Führungen und die besprochenen Objekte wechseln immer wieder, sodass viele Besucher/-innen regelmäßig ins Haus kommen. Das Leitsystem im Park wurde seinerzeit von Behindertenverbänden und Behindertenbeauftragten immer wieder als vorbildhaft herausgestellt. Auch das Angebot betreuter Vorführungen und Führungen erhält bis heute viel Lob. Das Deutsche Technikmuseum Berlin hat die Erfahrung gemacht, dass barrierefreie Arbeit zwar manchmal viel Aufwand bedeutet, aber immer auch einen großen Imagegewinn mit sich bringt. Das Projekt »Ein Museum für alle« Die oben erwähnten Erfahrungen und Kontakte sind die Grundlage der weiteren Arbeit im Sinne der Barrierefreiheit. Das Ziel ist ein integratives Angebot, das die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Gruppen befriedigt. Das Deutsche Technikmuseum Berlin will sich dauerhaft als »Ein Museum für alle« etablieren. »Zugänglichkeit« soll langfristig ein Markenzeichen des Hauses werden, von dem alle Besucher/-innen profitieren. Doch wo und wie anfangen? Finanzielle und personelle Ressourcen sind knapp, aber Barrierefreiheit ist im Haus ein fest verankertes Ziel – für diejenigen, die Ausstellungen und andere Projekte betreuen, manchmal jedoch nur ein sekundäres. Teilweise fehlt noch die Sensibilität für bestimmte Bedürfnisse und es entstehen jede Menge Fragen: • • • •
Welche Blinden kommen schon ohne Begleitung? Sollen alle Textträger schwarz auf gelb gestaltet sein? Brauchen wir Hebebühnen, um Rollstühle auf eine Lok zu bringen? Wer soll die ganzen Filme in den Ausstellungen für Hörgeschädigte untertiteln?
Erfahrungen wie diese machen wohl die meisten, die sich mit dem Ziel eines barrierefreien Museums beschäftigen. Deshalb wurde entschieden, in einem Pilotprojekt zu entwickeln, was im Haus unter Barrierefreiheit zu verstehen ist und wie sie umgesetzt werden kann. Das Projekt ist ein erster ›Baustein‹, der nach und nach erweitert werden kann.
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Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit Mit den Abteilungen Museumspädagogik und Öffentlichkeitsarbeit haben sich zwei Abteilungen gefunden, die das Anliegen nicht nur teilten, sondern bereits eigene barrierefreie Angebote umgesetzt hatten und weitere planten. Die bestehenden Planungen und weitergehenden Ideen sind zu einem gemeinsamen Konzept zusammengefügt worden. Für die Akquise von Drittmitteln wurde mit dem Netzwerk für Kulturberatung Unterstützung von außen herangezogen. Als ›vernetztes Projekt‹ – mit einer klaren Vorstellung in Bezug auf Finanzierung, Umsetzung und Nutzen für das Haus – ist das Konzept auch von der Direktion des Museums vorbehaltlos und engagiert gefördert worden. Was sich so einfach anhört, war ein langer Prozess mit vielen Hürden und Durststrecken: Von den ersten Überlegungen zu einem integrativen Ansatz für barrierefreie Angebote bis Projektbeginn vergingen fast zwei Jahre. Neben dem abverlangten Durchhaltevermögen war die Finanzierung der entscheidende Aspekt für den Erfolg. »Ein Museum für alle« im Deutschen Technikmuseum Berlin wird mit finanzieller Unterstützung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) realisiert. Finanzierung Der EFRE ist einer der vier EU-Strukturfonds und versteht sich selbst als das wichtigste Instrument der Regionalpolitik durch die Europäische Union. Durch ihn sollen unterschiedliche Entwicklungsstände und Lebensstandards in den Regionen Europas angeglichen werden. Gefördert werden die Wettbewerbsfähigkeit der gewerblichen Wirtschaft, die Infrastruktur sowie der Schutz und die Verbesserung der Umwelt. Kulturelle Einrichtungen können beispielsweise im Rahmen der touristischen Infrastruktur gefördert werden. Das Projekt »Ein Museum für alle« zielt unter anderem auf die Erhöhung der Besucherzahlen und die Erweiterung der Zielgruppen in Bezug auf behinderte und nicht deutschsprachige Gäste. Damit ist das Projekt als förderungswürdig anerkannt worden. Allerdings können die Projekte nicht zu 100 Prozent durch EFRE gefördert werden. In diesem Fall mussten 50 Prozent als Kofinanzierung vom Museum selbst aufgebracht werden. Diese Kofinanzierung kann aus anderen Fördertöpfen, durch Sponsoren oder aus eigenen Mitteln erfolgen. Das Konzept »Ein Museum für alle« bindet auch Vorhaben ein, die im Deutschen Technikmuseum Berlin zwar beabsichtigt waren, jedoch nicht oder nicht in dieser Form alleine finanziert werden konnten (diese Vorhaben waren die blindengerechte Sonderausstellung und der barrierefreie Internetauftritt).
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Das Projekt »Ein Museum für alle« des Deutschen Technikmuseums Berlin umfasst drei Teile, die im Folgenden vorgestellt werden sollen: • die blindengerechte Sonderausstellung »Fühlen, Hören, Sehen – 200 Jahre Blindenbildung in Berlin«; • die barrierefreie Reprogrammierung des Internetauftritts der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin; • die »Info-Kioske der Sinne« und ein barrierefreier Rundgang. Zur Verwirklichung dieser Projekte waren ausführliche Beratungen im Vorfeld und begleitende Konsultationen mit Behindertenverbänden notwendig. Das entspricht dem Motto der Emanzipationsbewegung von Menschen mit Behinderungen: »Nicht über uns ohne uns«, und stellt gleichzeitig sicher, dass die geplanten Informations- und Vermittlungskonzepte tatsächlich für die angesprochenen Zielgruppen geeignet sind. Erfolgreich umgesetzt: »Fühlen, Hören, Sehen« – Eine Ausstellung für Blinde und Sehbehinderte Die Ausstellung »Fühlen, Hören, Sehen – 200 Jahre Blindenbildung in Berlin« wurde auf Anregung von und in Zusammenarbeit mit dem Blindenmuseum Steglitz am Deutschen Technikmuseum Berlin durch die Kuratorin und Leiterin der Abteilung Bildung, Anna Döpfner, als Sonderausstellung umgesetzt (1. Juli bis 15. Oktober 2006).1 Die Ausstellung wirft die Frage nach dem Zusammenhang von Sinneswahrnehmung und Lernen auf. Sie thematisiert die menschlichen Sinne mit dem Schwerpunkt Hören, Fühlen und Sehen im Hinblick auf Bildung, Ausbildung und Erwerbsarbeit von Blinden und erweitert das Besucherspektrum. Dadurch dient sie der Verständigung zwischen unterschiedlichen Besuchergruppen. Die Ausstellung versteht sich nicht als eine Einführung für Sehende in die Welt der Blinden. Vielmehr nimmt sie das Leitbild der Museumspädagogik am Deutschen Technikmuseum ernst und unterstützt die Besucherinnen und Besucher in ihrem jeweils individuellen Versuch, die sie umgebende wissenschaftlichtechnische Lebenswirklichkeit zu deuten und zur Schaffung einer gemeinsamen kulturellen Identität beizutragen.
1 Dieses Kapitel beruht auf verschiedenen unveröffentlichten Papieren von Anna Döpfner, Leiterin der Abteilungen Bildung und Textiltechnik sowie Kuratorin der Ausstellung »Fühlen, Hören, Sehen«.
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Die Ausstellung befindet sich im sogenannten Beamtenhaus zwischen den beiden Lokschuppen des Museums. Eine taktile Bodenmarkierung führt von der Eingangshalle direkt in die Ausstellung. Eine Hörführung, die sowohl für sehgeschädigte als auch für sehende Besucher/-innen konzipiert wurde, hilft bei der Orientierung sowie bei der Erschließung der Objekte und Inhalte. Die Hörführung wurde mit Unterstützung von Hörfilm e.V. blindengerecht überarbeitet. Sie steht als Textfassung auch Hörgeschädigten zur Verfügung. Menschen mit Hörgeräten erhalten außerdem eine Induktionsschleife, um die Information direkt in ihr Hörgerät einspeisen zu können. Damit das Konzept einer »Ausstellung für Blinde und Sehende« nicht nur inhaltlich, sondern auch gestalterisch Wirklichkeit werden konnte, wurde ein Berliner Designstudio beauftragt, in vier Gestaltungsbereichen Möglichkeiten der Orientierung und Vermittlung für Blinde zu entwickeln: • • • •
Raummodelle; Bodenleitsystem; Beschriftungsträger; Vitrinen.
Am Eingang der Ausstellung steht ein Tastmodell der fünf Ausstellungsräume zur allgemeinen Orientierung und Vorbereitung der Besucher/-innen auf den Ausstellungsbesuch. Die Texttafel am Tastmodell gibt gleichzeitig eine Einführung in die Nutzung der Ausstellung. Hier ist die erste Station der Audioführung, verbunden mit einer allgemeinen Einführung in Inhalt und Form der Ausstellung. In jedem Raum befindet sich in der Mitte ein Podest mit einer kurzen inhaltlichen Rauminformation und einem Tastmodell des Raumes mit den wichtigsten Vitrinen und Medienstationen. Die Gäste werden über die Texttafel am Eingang und über den Audio-Guide aufgefordert, in jedem Raum immer zuerst zum Mittelpodest zu gehen und danach den jeweiligen Raum im Uhrzeigersinn zu erkunden. Die Objekte sind entlang der Wände angeordnet. Sie stehen auf einer durchgehenden, gelben Holzplatte, die als taktile Bodenmarkierung und Wegführung dient. Einkerbungen in der Bodenplatte verweisen auf die Objekte und die dazugehörigen Texttafeln oder Medienstationen. Sehbehinderten erleichtert die auffällige Farbkontrastierung die Orientierung: Der braune Parkettboden wird kontrastiert von der gelben Bodenplatte, auf der die hellgrauen Podeste und Vitrinen stehen, die in weißer Schrift auf rotem Grund beschriftet sind.
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Abbildung 2: Eine Besucherin erkundet die Ausstellung »Fühlen, Hören, Sehen – 200 Jahre Blindenbildung in Berlin« entlang der Bodenleitlinie
Foto: Franke/Steinert Designstudio
Die an den Vitrinen angebrachten Beschriftungsträger, die blinde und sehbehinderte Menschen bei jeder Fußbodeneinkerbung ertasten können, sind dachartig konstruiert. Das ›Dach‹ trägt auf der dem Besucher zugewandten Seite die Beschriftung in Schwarzschrift und auf der Rückseite die Brailleschrift nach dem Prinzip der fallenden Hand, d.h. Blinde lesen diese Beschriftung von unten nach oben. Jeder Beschriftungsträger hat eine Nummer und eine Informationszeile. In ihr steht, ob die Objekte angefasst werden dürfen oder nicht und ob die Vitrine für Blinde zu öffnen ist. Es gibt also drei mögliche Informationen: ›Anfassen für alle ausgeschlossen‹, ›für alle erlaubt‹ oder ›nur für Blinde erlaubt‹. Die Nummer der Vitrine in der Beschriftungszeile ist gleichzeitig die Audio-Guide-Nummer. Die Beschriftungsträger an den Medienstationen sind ebenfalls auf diese Weise gestaltet. Die Knöpfe zum Anwählen von Ton- und Filmausschnitten sind in die Träger eingefügt, sodass der zugehörige Text leicht ertastet werden kann. Die Filmausschnitte sind von der Hörfilm GmbH mit zusätzlichen Erläuterungen für Blinde und Sehbehinderte, der sogenannten Audiodeskription, versehen worden. Die Objekte werden entsprechend ihrer Empfindlichkeit unterschiedlich
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präsentiert. Einige stehen frei zugänglich auf Podesten, andere in geschlossenen Vitrinen. Objekte, die nur von Blinden angefasst werden dürfen, befinden sich in Vitrinen, die mit einem Schlüssel geöffnet werden können. Blinde und Sehbehinderte erhalten in der Ausstellung einen Schlüssel für diese Vitrinen. Die Vitrinen sind Spezialkonstruktionen mit U-förmigen Vitrinenhauben, die jeweils in die angrenzende Vitrine geschoben werden können. So liegen die Objekte frei zum Tasten. Alle drei Präsentationsarten sind in Höhe und Breite miteinander kombinierbar. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass besonders empfindliche Objekte gar nicht, weniger empfindliche Objekte von Blinden und Sehbehinderten und robuste Objekte von allen angefasst werden können. Abbildung 3: Eine Besucherin ertastet ein Exponat in der Ausstellung »Fühlen, Hören, Sehen – 200 Jahre Blindenbildung in Berlin«
Foto: Franke/Steinert Designstudio
In wenigen anderen Museen gibt es Ansätze zur Orientierung von Blinden, z.B. im Deutschen Hygienemuseum und in den Technischen Sammlungen in Dresden. Von dort, im Gespräch mit Blinden und durch Kontakt zur Blindenstudienanstalt in Marburg, kamen Anregungen für die jetzt erarbeiteten Lösungen. Während es bereits einige Ansätze für Modelle für Blinde in Ausstellungen gibt und auch die Beschriftung in einer ähnlichen Form wie jetzt im Deutschen Technikmuseum Berlin in einer Ausstellung in den Technischen Sammlungen Dresden ausprobiert wurde, ist die Stärke des Entwurfs in unserem Haus die sinnvolle Verknüpfung und Ergänzung dieser und weiterer Elemente zu einer Einheit.
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Die Ausstellung ist von Sehgeschädigten und von Sehenden gleichermaßen gut angenommen worden. Um zu gesicherten Erkenntnissen zu gelangen, werden Orientierung, Gestaltung und Vermittlung zurzeit evaluiert. Dies ist umso wichtiger, als dass die Ausstellung teilweise in die Gestaltung der »Info-Kioske der Sinne« (s.u.) integriert werden soll. ›Work in Progress‹: »Info-Kioske der Sinne«, multisensorischer Rundgang und barrierefreies Internet Mit allen Sinnen im Museum: Über die fünf Sinne des Menschen gelangen Informationen in das Gehirn und können dort weiterverarbeitet werden. Je mehr Sinne angesprochen werden, desto größer kann der Lernerfolg sein, desto höher die Vernetzung unterschiedlicher Gehirnregionen. Museen gehören zu den wenigen Orten, wo das intensive, verweilende Schauen noch im Vordergrund steht. Nur bringen nicht alle Besucher/-innen die Fähigkeit zum ›Hinschauen‹ mit. In sogenannten »Info-Kiosken der Sinne« soll daher der Frage nachgegangen werden, was man durch intensives Schauen über ein Objekt lernen kann. Zum anderen werden weitere Sinne entdeckt, mit deren Hilfe man ein Objekt ›begreifen‹ kann. Die Nutzung unterschiedlicher Sinne – im Museum neben dem Sehen insbesondere Fühlen und Hören – fördert auch für Sehende die intensive Beschäftigung mit den Objekten sowie die Auseinandersetzung mit den eigenen Sinnen und die Entwicklung eines Bewusstseins für die Belange sinnesbehinderter Menschen. Ziel ist es außerdem, den Wert von Objekten als materielle Zeugen kultureller Identität und die Bedeutung musealer Arbeit zu erkennen. Es geht also weniger um eine reine Konfrontation mit den Sinnen, wie dies in verschiedenen Museen und Ausstellungen bereits sehr gut umgesetzt wurde, sondern vielmehr um die sinnliche Begegnung mit technischen Objekten. Vorrangig geht es bei der Konzeption der »Info-Kioske« um Material, Form und Funktion von Objekten beziehungsweise Teilen von Objekten. Ein Teil der dabei verwendeten Elemente wird zuvor bereits in der Sonderausstellung »Hören, Fühlen, Sehen. Eine Ausstellung für Blinde und Sehende« erprobt. Diese Elemente sind: Bodenmarkierungen und Raumpläne, ein betastbares Modell des Gesamtgeländes (Standort im Foyer), die Beschriftungsträger, die speziell angefertigten Vitrinen und ein digitales Besucherbuch mit Braillezeile. Ziel der »Info-Kioske« ist die Nutzung, Schulung und Schärfung der Sinne an den Museumsobjekten. Durch Anfassen, Hinhören und Anschauen sollen Objekte auf eine sinnliche Art vermittelt werden. An die »Info-Kioske« soll sich ein »multisensorischer Rundgang« anschließen, der in die Ausstel-
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lungen und zu ausgewählten Objekten führt. Die in den Info-Kiosken gewonnene ›neue‹ Art der Betrachtung kann dann gleich auf einige Objekte angewandt werden. Als Vermittlungshilfen dienen Modelle von Objekten, kurze Texte z.B. in Deutsch, Englisch und in Leichter Sprache, in Schwarz- als auch in Brailleschrift. Dabei kommen Texttafeln ebenso zum Einsatz wie Audio-Guides. Darüber hinaus wird an akustische Stationen mit Klangbeispielen (Musik, Geräusche im Museum), »Hands-on«-Versuche zum Thema Hören, Fühlen, Sehen sowie Taststationen zu Materialien, Formen und Objekten aus dem Museum gedacht. Ein elektronisches Besucherbuch mit Eingabe über Tastatur und Braillezeile soll die Besucher/-innen animieren, ihre Erfahrungen miteinander zu teilen und ihre Einschätzungen über die Ausstellung zu kommunizieren. Die Ziele der »Info-Kioske« werden bei dem multisensorischen Rundgang themen- und objektbezogen verdeutlicht. Hier gilt es, Objekte in ihrem Ausstellungszusammenhang zu entdecken und die zuvor erlernten Wahrnehmungsweisen zu erproben. Dafür werden geeignete Exponate ausgesucht und teilweise mit speziellen Modellen ergänzt. Eine taktile Leitlinie verbindet diese Objekte miteinander. Die Hörführung ermöglicht zusätzlich das Einspielen von Geräuschen, Originaltönen, Interviews oder Musik und somit eine weitere Vermittlung der Objekte. Assoziativ-bildhaft entstehen so für alle Besucher/-innen neue ›Betrachtungsweisen‹ der Gegenstände. Außerdem unterstützt die Hörführung bei der Orientierung von Objekt zu Objekt mit Hinweisen auf die Wegeführung. Die Führung kann in verschiedenen Sprachen angeboten werden, so zum Beispiel auch in Leichter Sprache, die auf lern- und kognitiv behinderte Gäste ausgerichtet ist. Hörgeschädigte können mithilfe von Induktionsschleifen ihre Hörgeräte auf die entsprechende Frequenz einstellen. Zusätzliche Unterstützung bietet ein gedrucktes Skript der Hörtexte. Bei entsprechender Nachfrage kann dieses Skript auch in weiteren Sprachen angeboten werden. Dieser Projektteil befindet sich noch in der Konzeptionsphase. Die Ergebnisse aus der Evaluierung der Ausstellung »Fühlen, Hören, Sehen« werden bei der Erarbeitung von Themen und Umsetzungsmöglichkeiten wertvolle Hilfestellung bieten. Darüber hinaus ist ein Workshop geplant mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der Kulturvermittlung, die entweder Erfahrung im Bereich Barrierefreiheit haben oder selbst behindert sind. Der einleitend genannte Anspruch eines integrativen Ansatzes von Orientierung, Vermittlung und Zugang zu Informationen geht jedoch über Veränderungen in den Ausstellungen hinaus. Besucher/-innen sollen sich bereits vor dem Besuch über das Museum und seine Angebote informieren können. Das Internet ist dafür zum geeigneten Medium geworden: Durch barrierefreie und mehrsprachige Gestaltung der Webseiten der Stiftung
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Deutsches Technikmuseum Berlin können sich zukünftige Besucher/-innen und andere Interessierte, unabhängig von Nationalität, Alter oder Art und Grad der Behinderung, über das Haus informieren. Der barrierefreie Internetauftritt ist deshalb ebenfalls ein Teilprojekt von »Ein Museum für alle«. Das Projekt-Team2 arbeitet unter anderem auf der Grundlage der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung (BITV). Vision: Barrierefreies »Technoversum« Mit der geplanten Erweiterung des Deutschen Technikmuseums Berlin, dem »Technoversum«, erhält das Museum ein neues Hauptgebäude und dadurch endlich einen zentralen, großzügigen und besucherorientierten Eingangsbereich. Mit den geplanten Ausstellungen soll Neuland erschlossen werden. Als wesentlicher Unterschied zu den bisherigen sammlungsbezogenen Ausstellungen wird zukünftig ein themenbezogener Ansatz gewählt, mit dem sich die Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin aktiv an den politischen und wissenschaftlichen Diskursen über die Rolle von Technik und Wissenschaft in modernen Gesellschaften beteiligen wird. Das »Technoversum« wird also verstärkt ein Ort des Wissens und der Begegnung mit Wirtschaft und Politik. Hier haben Menschen die Gelegenheit, Informationen und Gedanken über Technik in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auszutauschen. Die Realisierung eines so umfangreichen Bau- und Ausstellungsvorhabens erfordert gründliche Überlegungen zu Konzepten, Architektur und Finanzierung. Aufgrund der guten Erfahrungen mit der oftmals abschreckenden, weil bürokratisch aufwendig erscheinenden Akquise von EU-Fördergeldern strebt das Deutsche Technikmuseum Berlin nun auch die Bewerbung um weitere EU-Mittel für das »Technoversum« an. Das Projekt »Technoversum« wird sich in mehrere Phasen gliedern und voraussichtlich über einen Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren erstrecken. Das ist ideal, um die mit dem Pilotprojekt »Ein Museum für alle« gemachten Erfahrungen auszuwerten und in größerem Stil gesamtheitlich umzusetzen. Im »Technoversum« soll bereits in der Planungsphase das Thema Barrierefreiheit einbezogen und in den Bereichen baulicher Zugang, Orientierung, Ausstellungsgestaltung und Vermittlung umgesetzt werden. Die im Rahmen des Pilotprojekts gemachten Erfahrungen werden dabei hilfreich sein:
2 Das Projekt-Team »Barrierefreies Internet« wird geleitet von Renate Förster aus der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit.
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• Sammeln von durch Evaluierung gefestigten Erkenntnissen, die Antwort auf die vielen eingangs erwähnten Fragen geben; • Erkennen der Möglichkeiten und sicherlich auch der Grenzen von Barrierefreiheit im Museum; • Definition des Begriffs »Barrierefreiheit« für das Museum, sein Anliegen und seine Zielgruppen; • Erarbeiten von Netzwerken im Haus, mit Vertreterinnen und Vertretern von Behindertenverbänden, Gestalterfirmen und anderen kulturellen Einrichtungen; • Erproben von Finanzierungsmöglichkeiten und gleichzeitiges Schaffen einer besseren Ausgangslage für die Realisierung von Folgeprojekten; • Werbung für Barrierefreiheit im Haus und darüber hinaus. Kurz: Die Frage nach dem ›Wo anfangen‹ muss mit ›hier und jetzt‹ beantwortet werden. Das Schnellrezept für das »Ein Museum für alle«-Projekt lautet: Vernetzung im Haus und nach außen, eine gute Idee – und ausreichend Geld. Auf gutes Gelingen! Zusammenfassung • Vernetzung im Haus: die abteilungsübergreifende Zusammenführung der im Haus bestehenden Vorstellungen und Pläne in Bezug auf Barrierefreiheit, um das Projekt auf eine möglichst breite Basis zu stellen; • Vernetzung nach außen: enge Zusammenarbeit mit Behindertenverbänden (Konzept und Umsetzung) und externen Beratern (Finanzierung, barrierefreies Internet, Gestaltung); • Konzept: tragfähige Ideen, die zukunftsweisend, aber im eigenen Haus auch umsetzbar sind; • Finanzierung: realistische Kostenschätzung und gezielte Investition in Beratung zu verschiedenen Finanzierungsmodellen; • Nutzenanalyse: Begreifen von Barrierefreiheit nicht nur als Anspruch, sondern auch als Möglichkeit, das Image des Hauses positiv zu prägen und damit offensiv bei Besucherinnen und Besuchern, aber auch bei politischen (und damit finanziellen) Entscheidungsträgern für das ganze Museum zu werben.
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Marianne Hilke ➔ Arbeit mit blinden Menschen im Archäologischen Park Xanten
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Die langjährige Arbeit mit blinden Menschen im Archäologischen Park/Regionalmuseum Xanten des Landschaftsverbandes Rheinland
Marianne Hilke Einleitung Der Archäologische Park/Regionalmuseum Xanten ist eine Einrichtung des Landschaftsverbandes Rheinland. Dieser Kommunalverband im Rheinland erfüllt überregionale Aufgaben im Bereich Kulturpflege sowie im Gesundheits-, Schul-, Jugend- und Sozialwesen. Barrierefreiheit ist somit seine ureigenste Querschnittsaufgabe, an deren Erfüllung in Xanten die Abteilung Museumspädagogik seit etwa 1990 verstärkt arbeitet. Seitdem ist das Angebot in diesem Bereich konsequent ausgebaut und standardisiert worden. In diesem Artikel wird es schwerpunktmäßig um die Arbeit für und mit blinden und sehbehinderten Besucherinnen und Besuchern gehen. Der Archäologische Park und das Regionalmuseum Xanten Der Archäologische Park Xanten wurde 1977, drei Jahre nach dem Regionalmuseum, eröffnet. Beide zusammen bilden heute eine organisatorische Einheit. Inhaltliche Grundlage der Einrichtung waren und sind die nicht überbauten Reste einer um 100 nach Christus gegründeten Stadt, der »Colonia Ulpia Traiana«. Vom römischen Kaiser Trajan gegründet und deshalb nach ihm benannt, bestand die Stadt knapp 300 Jahre. Sie wurde von den Franken eingenommen, zerstört und schließlich ganz aufgegeben. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte diente sie als Steinbruch. Deshalb sind heute nur noch unterirdische Reste vorhanden. Die Spuren der großartigen und imposanten Gebäude der Glanzzeit (der Haupttempel der Stadt war einer der zehn Größten im gesamten römischen Imperium) werden heute archäologisch erforscht. Einige Gebäude (u.a. Amphitheater, Stadtmauer, Stadttor, Tempel und Herberge) wurden rekonstruiert und dienen heute als Modelle in Originalgröße. Die Funde aus den Ausgrabungen werden im Regionalmuseum Xanten ausgestellt.1
1 Der Archäologische Park befindet sich aktuell in einer Erweiterungsphase. Eine Bundesstraße, die bisher quer durch das Gebiet der römischen Stadt verlief und die Ausdehnung des Parks auf die östliche Hälfte der Stadt begrenzte, erhält eine Umgehungstrasse. Die Maßnahmen werden sich noch einige Jahre hinziehen. Wenn alles fertig ist, wird die gesamte antike Stadtfläche als Ausstellungsterrain hergerichtet sein. Noch bis Ende 2006 lag das Museum im Zentrum der Stadt
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In Museum und Park kommen sehr viele Schulklassen, die etwa die Hälfte der Gesamtbesucherzahl ausmachen. Außerdem kommen Familien sowie Erwachsenengruppen und Kinder in außerschulischen Gruppenzusammenhängen. Einzelne Personen kommen vor allem ins Museum. Insgesamt zählen beide Einrichtungen jährlich etwa 400.000 Besucher. Der Archäologische Park und ›benachteiligte‹ Besuchergruppen (Historie) Seit 1990 arbeitet die Abteilung Museumspädagogik verstärkt für Zielgruppen, die einen besonderen Zugang zum Museum benötigen. Eine Museumspädagogin legte hierfür die Grundlagen, indem sie Kontakte zu Einzelpersonen, Gruppen, Vereinen und Institutionen knüpfte, die entsprechende Erfahrungen und Anforderungen haben. Blinde und sehbehinderte Menschen standen schon früh im Fokus dieser Bemühungen. 1991 wurde die »Tastgalerie« eröffnet und die Pflanzen im römischen Kräutergarten sowie markante Bäume und Sträucher im gesamten Areal mit Braille2 beschriftet. 1992 führte eine dunkel gehaltene Ausstellung zum Thema »römische Thermen« zu weiteren Erfahrungen, die in die Erarbeitung einer Hörführung und eines Tastplans mit einflossen. Zeitgleich wurde das allgemeine Angebot um entsprechende »Sinnesaspekte« erweitert. Eine Ausstellung in vollkommener Dunkelheit3 war die zentrale Attraktion der Großveranstaltung »Fest der Sinne« zum Saisonbeginn 1992. Seitdem besuchen immer mehr Blinden- und Sehbehindertenvereine den Park und das Museum. An diesem Beispiel wird ein wichtiges Merkmal in der Arbeit mit und für behinderte Menschen deutlich: Es geht nicht darum, ein isolierendes Sonderprogramm für diese Zielgruppe zu erarbeiten, vielmehr profitiert die allgemeinpädagogische Arbeit von der sonderpädagogischen und umgekehrt. Mit beginnenXanten, welche an den Bereich der früheren römischen Stadt angrenzt. Im Zuge der Erweiterungsmaßnahmen wird das Museum in den Park integriert und barrierefrei gestaltet. Im April 2008 wird das neue Museum eröffnet. 2 Die Brailleschrift gibt es in verschiedenen Versionen: eine Vollschrift, die für jeden Buchstaben ein Braillezeichen hat, und abgekürzte Versionen, bei denen wiederkehrende Buchstabengruppen wie Vorsilben oder häufige Endungen mit einem einzigen Zeichen besetzt werden. Nur wenige blinde Menschen beherrschen überhaupt die Brailleschrift. Vor allem altersblinde Menschen lernen sie nur noch schwer. Alle Braillebeschriftungen im Archäologischen Park sind in Kurzschrift. 3 Die Ausstellung basierte auf dem Konzept der Ausstellung »Dialog im Dunkeln«, das 1989 von Andreas Heinecke und Axel Rudolph entwickelt wurde. Für mehr Information siehe: www.dialog-im-dunkeln.de.
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der Integration behinderter Menschen in die Gesellschaft lässt sich oft das eine nicht mehr von dem anderen differenzieren. Immer häufiger besuchen integrative Schulklassen den Park. Die Sondereinrichtungen des Parks sind nicht nur für behinderte Menschen nutzbar und nützlich. Deshalb ist die Höhe der finanziellen Aufwendungen dafür auch wirtschaftlich zu rechtfertigen. So sind verschiedene Tastspiele mit archäologischem Material, römische Kleidung zum Anprobieren und »Geschichte zum Anfassen« auch Teil des allgemeinen Angebots. Die einzige Voraussetzung für die Nutzung ist die Buchung eines betreuten Angebots, denn freie Zugänglichkeit hat häufig hohen Verschleiß zur Folge und birgt auch das Risiko von Vandalismus. Das einzige Programm des Archäologischen Parks, welches nur für Menschen mit Behinderung angeboten wird, ist das »Wohnen in der Herberge«. Dabei können Gruppen für mehrere Tage in der rekonstruierten römischen Herberge im Archäologischen Park bleiben, um ganz in Ruhe und in der jeweils eigenen Geschwindigkeit ihren Zugang zur römischen Geschichte zu finden.4 Seit 1998 findet im Archäologischen Park Xanten jährlich der »Tag der Begegnung« statt, Deutschlands größtes integratives Familienfest. Zahlreiche Angebote auf dem weitläufigen Gelände sprechen vor allem Familien mit Kindern an. Ein Angebot von vielen ist das »Dunkelcafé«, welches sehenden Menschen einen Ausflug ins Dunkle in Begleitung von blinden Menschen ermöglicht.5 Etwa 20.000 Besucher/-innen kommen jedes Jahr zum meist im Mai stattfindenden »Tag der Begegnung« nach Xanten.6 Blinde und sehbehinderte Personen als Zielgruppe mit besonderen Bedürfnissen Blindenschulen gibt es in Deutschland bereits seit mehr als 200 Jahren, dementsprechend können museumspädagogische Angebote auf einer breiten Basis von didaktisch-methodischen Erfahrungen erarbeitet werden.7 Da der Sehsinn als Kommunikationskanal ausfällt, muss das Angebot die anderen Sinne, schwerpunktmäßig den Tastsinn, nutzen. Wichtig ist es dabei, zu beachten, dass sehr viele sehbehinderte Menschen über nutzbare Sehreste verfügen. Dementsprechend wurde für den Archäologischen Park 4 Für eine detaillierte Beschreibung des Programms siehe Noelke 2001. 5 Solche Einrichtungen gibt es mittlerweile auch im Angebot verschiedener Städte, z.B. das Restaurant »Unsicht-bar«, welches von Köln ausgehend Ableger in Berlin und Hamburg hat. Für mehr Information siehe: www.unsicht-bar.com. 6 Informationen sind unter www.lvr.de jeweils zu Beginn des Jahres zu finden. 7 Grundlegende Informationen zur Blindenpädagogik sind zu finden unter www. sonderpaedagoge.de/geschichte/deutschland/bl.
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zur ersten Orientierung ein tastbarer Geländeplan produziert. Er enthält Informationen in Braille und Großschrift und nutzt stark kontrastierende Farben auf der Oberfläche. Die Kommunikation mit blinden und sehbehinderten Personen sollte aber nicht auf den Tastsinn beschränkt bleiben. Die menschliche Nase vermag rund zehntausend Gerüche zu unterscheiden. Im Archäologischen Park wird dies beim römischen Kochen (siehe Abb. 1), im Kräutergarten und vor allem bei der Präsentation römischer Parfums gezielt genutzt. Abbildung 1: Kochen mit frischen Gewürzpflanzen aus dem römischen Kräutergarten
Foto: Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten
Nebenbei spielen bei Führungen die spezifischen Gerüche der jeweiligen Umgebung eine wichtige Rolle, z.B. im holzfeuerbetriebenen römischen Badehaus oder im feuchtdunklen Gang des Amphitheaters. Sie sind untrennbar mit den anderen Sinneseindrücken verknüpft und tragen so zu einer erfolgreichen Vermittlung – auch im Unbewussten – bei. Stärker instrumentalisieren lassen sie sich natürlich, wenn man die Besuchenden darauf aufmerksam macht. Das gilt sowohl für sehende als auch für blinde Menschen. Den meisten blinden Menschen fehlt eine Vorstellung von Dreidimensionalität, soweit sie ihre unmittelbare Reichweite überschreitet. Zur Vermittlung der römischen Großarchitektur im Park (Tempel, Amphitheater, Stadtmauer) werden Modelle in unterschiedlichem Maßstab genutzt. Die Größe wird so bestimmt, dass die Modelle mit einer Armeslänge erfassbar sind. Sie bilden das Grundgerüst der Tastgalerie und wurden mit Materialien gestaltet, die der haptischen Qualität des Originals entsprechen (die steinernen Anteile wurden mit Gussstein hergestellt, die Innenverkleidung
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im Tempel mit dem Originalmaterial Marmor, der Wall an der Stadtmauer mit Erde). Auch der Hörsinn kann blinden (und sehenden) Menschen helfen, Dreidimensionalität zu erfahren. Die spezielle Akustik des Amphitheaters etwa, mit dem Echo in der Arena und der Lautverstärkung auf die Zuschauerränge, ist leicht erlebbar (siehe Abb. 2). Abbildung 2: Schüler/-innen der Rheinischen Förderschule, Förderschwerpunkt Sehen, Düren, testen die Akustik in der Rekonstruktion des römischen Amphitheaters
Foto: Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten
Genau wie der besondere Ortsgeruch trägt auch die Ortsakustik zur Gesamterfahrung bei. Auch hier sind Hinweise auf die akustischen Besonderheiten für die Vermittlung der Sachinformationen wichtig. So wie man sich fehlende optische Details vorstellen kann, hilft die Imagination bei (nicht mehr) vorhandenen Gerüchen oder Geräuschen. Die vermittelnde Person muss sich vergegenwärtigen, dass blinde Menschen vermehrt ihre anderen Sinne einsetzen – und dort ist auch ihre Vorstellungskraft bzw. Erinnerung verankert. Auf zwei besondere Schwierigkeiten in Bezug auf die Zielgruppe der blinden und sehbehinderten Menschen sei hier hingewiesen: Die wenigsten werden blind geboren oder entwickeln das Defizit schon in der Kindheit – meist hat man es mit altersblinden Personen zu tun, die selbst noch kaum Erfahrungen mit ihrer Einschränkung haben. Zweitens gibt es zunehmend Menschen mit Mehrfachbehinderungen. In diesen Fällen ist es notwendig, ganz spezielle Zugangsmöglichkeiten für die jeweilige Person erst im Umgang mit ihr zu finden oder zu erarbeiten, bzw. auf das Wissen der Begleitenden zurückzugreifen. Viel Sensibilität ist erforderlich, um den behinder-
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ten Menschen dabei nicht zu entmündigen, sondern in seiner Autonomie zu unterstützen. Deshalb wurde für die Hörführung auf CD eine spezielle Blindenversion erarbeitet, die eine Wegbeschreibung zwischen den einzelnen Besuchspunkten enthält. So sind blinde Menschen in der Lage, sich eigenständig zu orientieren. Dies ist wichtig, auch wenn die meisten blinden Besucher/-innen in Xanten mit Begleitung kommen. Die Kommunikation mit blinden und sehbehinderten Menschen dauert gewöhnlich viel länger als mit sehenden. Deshalb dauern auch alle Programme normalerweise doppelt so lang. Um konzentriertes Zuhören zu ermöglichen, ist eine entsprechende inhaltliche Kürzung oft unumgänglich. Außerdem ist es häufig sinnvoll, mit kleinen Gruppen zu arbeiten. Größen von 5 bis 15 Personen sind Standard. Wenn dadurch höhere Kosten in der Betreuung der Gruppen entstehen, werden in Xanten bei Bedarf Sonderrabatte ermöglicht. Eine kleine Gruppengröße erlaubt die Zuwendung zu den Einzelnen. Dabei sollte bedacht werden, dass tastbare Objekte durch die Hände aller teilnehmenden Personen gehen müssen. Will man Zeit sparen, kann man dies durch den Einsatz mehrerer gleicher Objekte erreichen. Die Erklärung muss zum Objekt zeitgleich mit dem Tasten erfolgen, deshalb ist es keine Lösung, verschiedene Objekte gleichzeitig in ›Umlauf‹ zu haben. Wichtig ist es, dass die Tastobjekte sauber sind, weil staubige oder sogar grob verschmutzte Gegenstände natürlich ungern angefasst werden. Gefährlich und ungeeignet sind Objekte, die spitze oder scharfe Kanten haben, Ähnliches gilt für Dinge, die sich unangenehm anfühlen. Sind solche Dinge im Vermittlungskontext unverzichtbar, muss ein Ersatz gefunden werden. Zumindest aber sollten die Tastenden entsprechend vorgewarnt werden. Im Archäologischen Park und im Regionalmuseum sind selbstverständlich Blindenhunde ohne Einschränkung zugelassen und Begleitpersonen bezahlen keinen Eintritt. Zugänglichkeit und Zugangshilfen Schon in den vorangegangenen Abschnitten wurden einzelne konkrete Einrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen erwähnt: die Tastgalerie, Tastspiele (siehe Abb. 3), Brailleschrift auf Schildern, akustischer Führer (CD und Kassette), Tastplan als Relief mit Großdruck und Kontrastfarben sowie Brailleschrift. Als Ergänzung zum Programm »Wohnen in der Herberge« (s.o.) gibt es im Museum das Programm »Geschichte zum Anfassen«, das sogar Originale zur Verfügung stellt.
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Abbildung 3: Schülerin und Schüler der Rheinischen Förderschule, Förderschwerpunkt Sehen, Düren, mit dem Tastspiel aus originalen römischen Scherben, zu denen der jeweilige Gipsabguss gesucht werden muss
Foto: Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten
Abbildung 4: Blinde Schülerin mit einem Replikat einer römischen Keramikschüssel
Foto: Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten
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Aus konservatorisch-rechtlichen Gründen können dafür nicht die Objekte aus dem Bestand des Museums genutzt werden, die dem Museum selbst gehören.8 Kooperationen Kein Angebot – egal für wen – lässt sich ohne die Einbeziehung der Zielpersonen erarbeiten. In Xanten konnten wir auf die Hilfe verschiedener Einrichtungen zurückgreifen. Zunächst ist hier die verbandseigene Schule in Düren (Landschaftsverband Rheinland, Rheinische Förderschule, Förderschwerpunkt Sehen9) zu nennen. Alljährliche Besuche macht die Deutsche Blindenstudienanstalt aus Marburg in Park und Museum (siehe Aufsatz von Wilfried Laufenberg und Karin Edtmüller in diesem Band). Dort wurde auch der Orientierungs-Tastplan hergestellt, der demnächst eine Neuauflage erhält. Die ehemalige Blindenlehrerin Liz Döhring aus Xanten war besonders engagiert in der Ausbildung der Führer/-innen. Individuelle Hilfen bekamen wir vom Blinden- und Sehbehindertenverband Nordrhein e.V., der uns Kontakte zu blinden Männern und Frauen in Xanten und der näheren Umgebung vermittelte. Axel Rudolph (gemeinsam mit Andreas Heinecke Erfinder der Dunkelausstellung »Dialog im Dunkeln«, www.dialog-im-dunkeln.de) baute 1992 die Dunkelausstellung zum Thema »Römische Thermen« im Archäologischen Park auf. Prof. em. Wilm-Peter Möllmann (Hochschule Niederrhein, Fachbereich Sozialwesen)10 führte Fortbildungen für die Mitarbeiter/-innen der Museumspädagogik des Archäologischen Parks und Regionalmuseums Xanten durch. Außerdem vermittelte er uns durch das Angebot, ein »blindes Wochenende« zu erleben, wichtige und anders kaum zu gewinnende Erfahrungen. Er arbeitet mit der sogenannten »Sanften Brille«, die die Augen verdeckt und damit sehenden Menschen einen Ausflug in die Welt der blinden Menschen ermöglicht. Dadurch können Sehende ihre eigene Barriere zur Welt der Blindheit überwinden. Sie kommen aus der Rolle der ›gönnerhaften Helfer‹ heraus und stellen 8 Die verwendeten Objekte gehören dem Niederrheinischen Altertumsverein Xanten (NAVX), dem an dieser Stelle unser Dank gebührt. Ohne diese privaten Leihgaben könnte das Programm nicht durchgeführt werden. In mehr als 15 Jahren ist hierbei mit blinden Menschen noch nie etwas zu Bruch gegangen. Dennoch muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich die übergeordnete museale Aufgabe »Bewahren« mit diesem Programm nicht verträgt, denn jedes Berühren mit der Hand schädigt die Originale. Ohne solche Angebote hat aber eine ganze gesellschaftliche Gruppe keine Beteiligung an der »Aura« des Originals (siehe Abb. 4). 9 Weitere Informationen finden sich unter www.lvr.de/SCHULEN/blind_dueren. 10 Siehe http://atlas.hs-niederrhein.de.
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plötzlich fest, dass sie eine Erweiterung ihres eigenen Erfahrungshorizontes erreicht haben.11 Es gibt auch Hilfsmittel, mit deren Hilfe man verschiedene Sehbehinderungen wie zum Beispiel den »Röhrenblick« simulieren kann.12 Die Modelle der Tastgalerie wurden gemeinsam mit einer Aachener Modellbau-Firma entwickelt. Zahlreiche weitere blinde Helfer/-innen bei der Entwicklung der museumspädagogischen Angebote können leider nicht persönlich benannt werden. Aber gerade die individuelle Hilfe war oft ausschlaggebend für eine wesentliche Verbesserung des Angebots für blinde Menschen. Aus der Praxis – Variationen im Standard ›Es kommt immer alles anders, als man denkt!‹ Diese allgemeingültige Lebensweisheit trifft insbesondere auf die museumspädagogische Arbeit mit behinderten Menschen zu. Aber je mehr Erfahrungen gesammelt werden können, desto seltener sind die Überraschungen, mit denen man als betreuende Person nicht umgehen kann. Flexibilität im Umgang mit der Zeit und den Inhalten der Programme haben höchste Priorität, man darf sich keinen starren Ablaufplan vornehmen. Besser ist es, kleine Programmbausteine zu entwickeln, die je nach Bedarf in unterschiedlicher Reihenfolge und Auswahl eingesetzt werden können. Die optimale Länge dieser Programmbausteine beträgt etwa zehn Minuten. Bei der Zeitplanung des Gesamtprogramms müssen Zeitpuffer eingeplant werden. Eine ganz besondere Herausforderung für das Vermittlerteam sind gemischte Gruppen, bei denen nur eine oder wenige Personen tatsächlich blind oder sehbehindert sind. Es ist wichtig, den individuellen Bedarf der behinderten Menschen in der Gruppe zu berücksichtigen, aber dabei die anderen Gäste nicht zu vergessen. Die Tatsache, dass gerade der besondere Zugang zu den Dingen, den blinde und sehbehinderte Personen nutzen, für diese zwar Routine, für die Allgemeinheit aber etwas ganz Neues darstellt, kann dabei helfen. So können alle von der Situation profitieren. Dafür muss der museumspädagogische Vermittler allerdings in der Lage sein, die Dynamik innerhalb der Gruppe im Auge zu behalten, wozu es einiger Erfahrung bedarf. Bei Gruppen mit mehrfachbehinderten Besucherinnen und Besuchern ist häufig eine Betreuung durch mehrere Vermittler nötig. Dies ist im Vorgespräch bei der Anmeldung unbedingt genau abzusprechen.
11 Der umfangreiche Nutzen der »Sanften Brille« passt nicht in gesamter Breite zum Thema dieses Aufsatzes. Für vollständige Informationen siehe die Broschüre von Möllmann 1999. 12 Online erhältlich unter www.absv.de/sbs/sbs_intro.html.
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Ausbildung von Betreuungspersonen Schon mehrfach wurde bisher deutlich, dass die betreuenden Personen sorgfältig auf die Situation vorbereitet sein müssen. Die Vermittler/-innen im Archäologischen Park haben häufig Kontaktmöglichkeiten, da viele blinde und sehbehinderte Menschen nach Xanten kommen. Für die Aus- und Fortbildung kann man allerdings nicht mit voll zahlenden Besucherinnen und Besuchern arbeiten. Am Anfang sollten zunächst eigene Erfahrungen mit dem Wegfall des Sehsinnes stehen. Diese kann man am besten durch den Einsatz der »Sanften Brille« (s.o.) sammeln. Mindestens zwei Fortbildungseinheiten sollten dafür eingeplant werden, die erste möglichst in einem ›neutralen‹ Raum, die zweite im Museumsbereich mit den entsprechenden Objekten (vgl. Abb. 5). Abbildung 5: Studentinnen und Studenten der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Sozialwesen bei der Arbeit mit der »Sanften Brille«
Foto: Wilm-Peter Möllmann
Das spielerische Arbeiten mit der »Sanften Brille« wirkt fast erholend, daher kann man sie immer wieder einsetzen und so den Zustand des »Nicht-Sehen-Könnens« zu einem vertrauten machen. Nach der Phase der Selbsterfahrung sollten die Fortbildungsteilnehmer mit blinden Menschen zusammenkommen. Auch hier ist es sinnvoll, zunächst im neutralen, nicht musealen Umfeld zu starten. Man sollte sich dafür an einen lokalen Blindenbzw. Sehbehindertenverein wenden. In Xanten wurde zusätzlich eine Blindenlehrerin konsultiert, die über spezielle Didaktik und Methodik für blinde Menschen informierte.
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Ein nächster Schritt nach der Fortbildung ist die Umsetzung der jeweiligen Museumsinhalte in barrierefreie Angebote. Wenn dies gemeinsam mit den museumspädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschieht, ist ein positives Umsetzungsergebnis am effektivsten. Wirtschaftlichkeit, Werbung und Marketing Wenn man plant, zu hohen Kosten Hilfsmittel anzuschaffen, entsprechende Bereiche des Museums umzubauen oder anzupassen und die Mitarbeiter/ -innen und Mitarbeiter intensiv auf den Besuch von blinden und sehbehinderten Menschen vorzubereiten, sollte man sich die Größe der Zielgruppe vor Augen halten: Knapp 1,6 Millionen schwerbehinderte Menschen gibt es in Nordrhein-Westfalen (6,6 Mio. in ganz Deutschland). Das sind etwa 9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Von diesen sind wiederum nur etwas mehr als vier Prozent blind oder sehbehindert, was knapp 70.000 Personen entspricht. Geht man davon aus, dass etwa zehn Prozent dieser Personen einmal im Jahr ein Museum besuchen und in NRW 700 Museen existieren, auf die sich die Besuche verteilen, dann kommt man auf zehn Museumsbesucher/-innen pro Museum und Jahr. Dies ist eine fiktive Zahl mit relativer Aussagekraft. Sie macht deutlich, dass es unmöglich ist, eine Wirtschaftlichkeit der barrierefreien Angebote zu erreichen, wenn man sich als Zielgruppe nur sehbehinderte Personen vorstellt. Wie in diesem Artikel schon mehrfach betont wurde, sind die synergetischen Effekte – der Nutzen für die allgemeine Museumspädagogik, die Qualifikationssteigerung bei den Betreuungspersonen und die Verbesserung des allgemeinen Vermittlungseffekts – durch barrierefreie Angebote in Museen jedoch enorm. Ein Umdenken in diese Richtung ist unumgänglich und hat in großem Stil schon begonnen. Dazu gehört auch der Wechsel von Begriffen wie z.B. »behindertengerecht« zu »barrierefrei«. Vor diesem Hintergrund sollte man auch die entwickelten Angebote ganz allgemein bewerben. Denn barrierefreie Vermittlungsarbeit ist natürlich auch ein Qualitätsstandard, mit dem sich ein Museum einen guten Ruf erwerben kann und der ein positives Werbeargument darstellt. Für Werbung bei der Zielgruppe der blinden und sehbehinderten Menschen hat das Internet eine stetig wachsende Bedeutung. Dazu gehört als unabdingbare Voraussetzung (zu der öffentliche Einrichtungen überdies gesetzlich verpflichtet sind) ein barrierefreier Internetauftritt.13 13 Vgl. die Beiträge von Jan Eric Hellbusch in dieser Publikation. Die Initiative »Aktion Mensch« prämiert seit 2003 die besten barrierefreien Webauftritte mit einem Gütesiegel (BIENE – »Barrierefreies Internet eröffnet neue Einsichten«). Vgl. www.einfach-fuer-alle.de.
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Neben dem Internet gibt es traditionelle Blinden- und Sehbehindertenmedien wie etwa die Hörzeitung oder Hörbücher. Darüber informiert sehr ausführlich ATZ (Aktion Blindenzeitung, Hörmedien für Blinde- und Sehbehinderte).14 Informationen in Blindenschrift oder in akustischer Form, die den Vermerk »Blindensendung« tragen, werden weltweit portofrei transportiert. Vor der Produktion eines Werbeflyers mit Brailleschrift sollte man sich die Adressaten noch einmal genau vergegenwärtigen: Viele Altersblinde lesen gar kein Braille, viele blinde Menschen mit der Standardausbildung lesen nur die Vollversion der Brailleschrift. Exkurs: Blindheit in der Antike 15 Behindert geborene Kinder wurden in der Antike zumeist nicht vom Vater anerkannt und deshalb direkt getötet oder ausgesetzt. Sie wurden als »unnütze Last« betrachtet, deren Leiden man nicht unnötig verlängern sollte. In einer besonderen Zeremonie nahm der römische Vater das auf die Erde gelegte Kind zum ersten Mal in seine Arme und erkannte es so an. Wenn ein körperlicher Mangel nicht sofort erkennbar war (wie es bei Blindheit ja durchaus vorkommen kann), war auch ein behindertes Kind nach der »Vateraufhebung« ein vollwertiges Familienmitglied. Viele akzeptierte behinderte Kinder, darunter auch eine große Anzahl blinder, erhielten keine Ausbildung, sondern landeten als Bettler oder Prostituierte auf der Straße, wenn nicht gar auf den Galeeren oder in den Erzbergwerken. Der Blindenstock ist als Hilfsmittel seit der Antike bekannt. Altersblinde Personen behielten ihren sozialen Status und konnten Weissager, Priester oder Magier sein. Man hatte die Vorstellung, dass mit dem Erlöschen des körperlichen Augenlichts eine transzendente Art des Sehens möglich wurde. Der griechische Philosoph Demokrit soll sich selbst geblendet haben, um nicht durch die Außenwelt abgelenkt zu werden. Erst in der Spätantike und mit dem aufkommenden Christentum erkannte man blinden Menschen ein moralisches Recht auf Unterstützung zu. Bei den Römern behielten spät erblindete Beamte auch in hohen Ämtern ihre Aufgabe. Bereits blinde Männer wurden aber nicht zur Wahl in Staatsämter zugelassen (zum Vergleich: noch 1988 entschied der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland, dass ein blinder Mensch nicht Richter Speziell zum Thema Blinde und sehbehinderte Menschen und Internet informiert der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband: www.dbsv.org/computer. 14 Im Internet zu finden unter www.atz-blinde.de oder der »Verein zur Förderung der Blindenbildung« www.vzfb.de. 15 Die Inhalte dieses Abschnitts basieren auf der Publikation Küster 1991.
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werden kann!). Ein bedeutender Politiker war Appius Claudius Caecus (lat. caecus = blind), der 296 Konsul und später als Diktator sogar Staatsoberhaupt war. Er veranlasste den Bau der Via Appia, die noch heute bekannteste und nach ihm benannte römische Straße. Das Sprichwort »Jeder ist seines Glückes Schmied« stammt angeblich von ihm. Er war auch ein guter Jurist und reformierte die staatliche Gerichtsordnung (zu diesem Zeitpunkt konnte er wohl noch sehen). In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die blinde Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, erst seit 1500 mit der Augenbinde dargestellt wird. Sie ist nicht im eigentlichen Sinne blind, sondern nur blind gemacht. Die Augenbinde steht als Symbol dafür, dass ein Urteil ohne Ansehen der Person gefällt werden soll. »Blendung« war noch im Mittelalter die Strafe für Vergewaltigung oder Verführung zum Ehebruch, da den Augen der wesentliche Anteil an diesen Verbrechen zugeschrieben wurde. Ödipus, der griechische Tragödienheld, bestrafte sich selbst durch Blendung, nachdem er seine Schuld erkannt hatte. Ausblick Der Archäologische Park mit dem Regionalmuseum Xanten ist schon ein gutes Stück auf dem weiten Weg zum barrierefreien Museum gegangen. Selbstverständlich ist noch vieles verbesserungswürdig. So soll besonders die Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf Barrierefreiheit verstärkt werden. Im Zuge dessen wird auch die Öffentlichkeitsarbeit für blinde und sehbehinderte Menschen weiter ausgebaut. Durch die stetig wachsende Anfragenzahl für Führungen wird darüber nachgedacht, einzelne Mitarbeiter/-innen ganz auf diesen Bereich zu spezialisieren. Sehr wichtig wird die Arbeit für ein barrierefreies Museumsumfeld (ÖPNV, Übernachtungsangebote usw.) werden. – Was nützen die besten Angebote, wenn sie nicht erreichbar sind? Die Arbeit für Barrierefreiheit dient zwar in erster Linie den Zielpersonen, sie wirkt sich aber auch positiv auf die persönliche Entwicklung der Menschen aus, die daran mitarbeiten. Dazu zum Abschluss ein Zitat von Pfarrer Schah-Mohammed, des ehemaligen Leiters des Evangelischen Blindendienstes Berlin, der auf den Internetseiten www.blindendienst.de einen Beratungsdienst für Blinde betreibt: »Mein Leben hat sich weitgehend im Dunkeln vollzogen. Deshalb weiß ich, dass die ›Nacht‹ mehr anzubieten hat, als nur die ›Sehnsucht‹ nach dem Morgen.«
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Literatur Küster, Axel (1991): Blinde und Taubstumme im römischen Recht, Köln/ Wien: Böhlau. Möllmann, Wilm-Peter (1999): Näher am ganzen Menschen – Soziale Arbeit mit der Sanften Brille. Schriftenreihe des Fachbereiches Sozialwesen der Fachhochschule Niederrhein, Band 24. Noelke, Peter (Hg.) (2001): Archäologische Museen und Stätten der Römischen Antike, 2. Int. Colloquium zur Vermittlungsarbeit in Museen, Köln, 3.-6. Mai 1999, Bonn.
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Sabina Lessmann ➔ Kooperationen mit Förderschulen im Kunstmuseum Bonn
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Kooperationen mit Förderschulen für geistig- und mehrfachbehinderte Jugendliche im Kunstmuseum Bonn
Sabina Lessmann »… weil eine Reise zum Museum fast wie ein kleiner Ausflug für mich ist«.1 Das Potenzial der zeitgenössischen Kunst Das Kunstmuseum Bonn mit seiner Sammlung der Rheinischen Expressionisten, der deutschen Kunst ab 1945 sowie der zeitgenössischen internationalen Kunst blickt auf eine lange Tradition museumspädagogischer Arbeit zurück, die, auf die unterschiedlichen Besuchergruppen bezogen, das Museum als Ort der Bildung, der Freizeit, aber auch der Chancengleichheit und der Erziehung zu Kreativität definiert. Die museumspädagogischen Angebote am Kunstmuseum Bonn verstehen sich als Aufforderung zur Begegnung mit zeitgenössischer Kunst, mit dem Ziel, Kunst als gesellschaftsrelevante Kraft vorzustellen und die Gesellschaft mit der Kunst in ein Gespräch zu bringen. Dabei stellen die Sammlungsschwerpunkte und Wechselausstellungen zeitgenössischer Kunst eine besondere Herausforderung dar. Sie konfrontieren mit aktuellen Fragen, mit nur bedingt entschlüsselbaren Statements oder auch mit Provokationen, mit Fremdheit und Barrieren, die ohne Diskussionen, Informationen oder eine praktische kreative Arbeit – also ohne museumspädagogische Betreuung – oftmals nicht zu überwinden sind. Zugleich ist gerade eine Sammlung zeitgenössischer Kunst besonders geeignet, um den Umgang mit Fremdheit zu lernen, Barrieren zu überschreiten oder Experimente zu wagen. Kreativität wird hier erfahrbar als ein Potenzial für Veränderung, Meinungsäußerung, Verantwortung und aktive Teilhabe an gesellschaftlichen Fragen und Prozessen. Die Besucher/-innen in einen kreativen Prozess einzubinden, ist wesentliches Ziel der museumspädagogischen Arbeit. Fast ein Viertel der Museumsgäste, das sind etwa 100.000 pro Jahr, verdankt das Kunstmuseum Bonn seinen museumspädagogischen Aktivitäten. Angebote für Menschen mit Behinderungen nehmen im Kunstmuseum Bonn einen großen Stellenwert ein.2 Die Gründe und Motivationen dafür sind vielfältig, sie liegen zum Teil in der Kunst selbst begründet, die motivierend, 1 Schüler mit mehrfacher Behinderung, 14 Jahre, in einem Dankesschreiben an den Sponsor der Museumsveranstaltungen. 2 Der Flyer »barrierefrei« mit Informationen zur Erreichbarkeit und mit Veranstaltungshinweisen kann beim Kunstmuseum Bonn angefordert werden.
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inspirierend, emotional ansprechend und mit allen Sinnen erlebbar ist. Wesentlich ist aber auch das Selbstverständnis des Museums als einer städtischen Kultureinrichtung, welche Vernetzungen und vor allem das Ausschöpfen vorhandener Potenziale als wichtige Aufgabe begreift. Hier geht es weniger um die Erschließung neuer Ziel- und Besuchergruppen als vielmehr um die zahlreichen Vorteile und Chancen der Begegnung von Menschen mit Behinderungen mit Kunst, die eine konsequente Barrierefreiheit voraussetzen. Finanziell getragen von einzelnen Institutionen, dem Museum, den teilnehmenden Personen und dem Lions Club Bonn, entwickelte sich ein umfangreiches Programm, das die verschiedenen Formen der Behinderungen sowie alle Altersgruppen zu berücksichtigen versucht. So kooperiert das Kunstmuseum Bonn seit vielen Jahren mit Förderschulen, Behindertenwerkstätten, Pflegeheimen und Tagesstätten. Das Potenzial gerade zeitgenössischer Kunst für Menschen mit Behinderungen ist enorm, ist sie doch selbst voller Barrieren, Widerstände und Ausgrenzungen. So verleiht diese Begegnung die Kraft, die beflügeln, stärken, ermutigen, schrecken und beglücken kann. Dieses Potenzial kann sich in den erworbenen Kenntnissen über die Kunst, in einem selbst gestalteten Bild, in einer zu bewältigenden Anreise in öffentlichen Verkehrsmitteln, in der Sensibilisierung der Sinne sowie in der Stärkung der Ausdrucksmöglichkeiten und nicht zuletzt im Selbstbewusstsein der Beteiligten widerspiegeln. Abbildung 1: Herausforderung Museumsarchitektur: Mitarbeiter der Bonner Werkstätten für Behinderte (Hersel), die seit vielen Jahren regelmäßig an Workshops im Kunstmuseum teilnehmen, fotografieren im Museum
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Angebote für Förderschulen Schulklassen stellen für Museen sicherlich die wichtigsten und zahlenmäßig relevantesten Besuchergruppen dar. Insgesamt betrachtet sind es vor allem Grundschulen, die das museumspädagogische Programm wahrnehmen, während bei den Förderschulen die älteren Jahrgänge zu Kooperationen und Museumsbesuchen tendieren. Auch sind diese eher zu langfristigen Kursangeboten und Projekten bereit, was auch den Richtlinien der sonderpädagogischen Förderung zu verdanken ist. In einem diesbezüglichen Text des Schulamtes Bonn von 2003 findet sich unter dem Stichwort Bildungsziel: »Die sonderpädagogische Förderung hat zum Ziel, behinderten Schülerinnen und Schülern im Lernen zu helfen und eine gesellschaftliche bzw. berufliche Integration zu ermöglichen.« Weiter heißt es: »In der Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung besteht der Unterricht aus lebenskundlicher Orientierung, lebenspraktischem Training […], Sinnesschulung und Wahrnehmungstraining, Sport/Musik/Bildnerischem Gestalten, Sprache […], Werken und Arbeiten […].«3
Zu diesem Zweck wissen viele Förderschulen das Gesamtpaket Museumsbesuch für sich zu nutzen, das neben der Kunstbegegnung, neben verbalem und nonverbalem Austausch und neben Materialerfahrungen auch die Fahrt und den Aufenthalt selbst, also den ›Eintritt‹ in den öffentlichen Raum Museum beinhaltet. Natürlich erweist sich der Aufwand als hoch. Zum Teil müssen Fahrdienste organisiert, immer genügend Begleitpersonen einbezogen werden. Die notwendigerweise geringe Gruppenstärke trägt zu deutlichen hohen Kosten bei – die sich bei mehrmaligen Museumsbesuchen oder sogar einer kontinuierlichen Teilnahme noch einmal erhöhen. Und dennoch: Von Seiten der Schulen besteht ein großes Interesse. Von beinahe 54.000 Schülerinnen und Schülern der Bonner Schulen besuchen fast 2000 die insgesamt elf Förderschulen. Im Jahr 2004 besuchten insgesamt 250 Schülerinnen und Schüler aus Förderschulen Veranstaltungen im Kunstmuseum Bonn. Vor allem die Förderschulen für Kinder und Jugendliche mit geistiger, körperlicher und mehrfacher Behinderung nehmen die museumspädagogischen Angebote gerne wahr – Gruppen, die Anderssein als Potenzial und auch als Selbstverständlichkeit begreifen und vermitteln: sicherlich eine nicht bewusst wahrgenommene Parallele zur zeitgenössischen Kunst, wenn diese nicht auf ›Mainstream‹, sondern auf Einmaligkeit, Fremdheit, Toleranz und individuelle Freiheit verweist. Dementsprechend geht es bei den Angeboten im Kunstmuseum nicht um einen Ausgleich von 3 www.bonn.de/bildungsberater.
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Defiziten, sondern um den Nutzen der Ressource Kunst für die Teilnehmer/ -innen. Dabei stellt die Erweiterung einer ästhetischen Kompetenz mit all ihren Aspekten die Basis der Arbeit dar. Jugendliche erleben Kunst 2002 zeigte das Kunstmuseum Bonn im Rahmen der jährlich stattfindenden Ausstellungen für Kinder und Jugendliche die Ausstellung »ICH DU ER SIE ES« mit Arbeiten von Pia Stadtbäumer und Rineke Dijkstra, welche Aspekte wie Identität, Identifikation und Geschlechterrolle thematisierte. Dijkstras Videoarbeit »Annemiek« (1997) zeigt ein etwa zwölfjähriges Mädchen mit Haarreif und Zahnspange, die zu ihrem Lieblingssong »I wanna be with you« von den Backstreet Boys von der Künstlerin gefilmt wird: Gezeigt wird ein abwechselnd befangenes, konzentriertes, lächelndes, ernstes, zweifelndes und schüchternes Mädchengesicht, dessen Mund den Text des Liedes mitzusingen scheint. Hier geht es offensichtlich nicht um die Imitation eines Popstars, auch nicht um Karaoke, sondern um die Wiedergabe verborgener Wünsche, von Stärke, Identifikation – und vor allem um die Zerbrechlichkeit der Identität. Eine regelmäßig das Kunstmuseum Bonn besuchende Schulklasse mit geistig behinderten Jugendlichen bezog diese Arbeit in ein Projekt ein, in dem die Schüler/-innen ihre eigenen Lieblingssongs ins Museum mitbrachten und sich zu diesen vor einer Videokamera präsentierten: singend, sich bewegend, verhalten oder wild, spontan oder einstudiert. Die Freude und die Ernsthaftigkeit der Jugendlichen waren überraschend – und sie unterschieden sich deutlich von anderen Museumsgruppen, bei denen überspielte Scheu und Albernheit oftmals überwogen. Die große Identifikationsbereitschaft der Jugendlichen sowie ihr Engagement waren beeindruckend. Zuvor hatten sie sich intensiv mit »Annemiek« auseinandergesetzt. Ihre Kommentare dazu waren: »Die freut sich darauf, dass sie singt.« »Die ist ein bisschen verknallt in die Backstreet Boys.« »Das ist ein Mädchen. Ich bin auch ein Mädchen.« »Ich will auch ’mal dran.« »Ich auch.«4
Rollenwechsel und Selbstinszenierung stellen auch für Jugendliche mit Behinderungen, die sich in einer wichtigen Phase lebensplanerischer und ge4 Spontane Kommentare von Schülerinnen und Schülern beim Besuch der Ausstellung wurden regelmäßig schriftlich festgehalten. Einzelne Sätze wurden wöchentlich in großen Lettern an einer Wand des Ausstellungsraumes installiert. Die Zahl der für alle lesbaren Kommentare wuchs also stetig.
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schlechterbezogener Orientierung befinden, einen enorm wichtigen Faktor dar. Aber auch andere Thematiken der Kunstwerke können Aspekte ansprechen, die den Jugendlichen wichtig sind. Franz Erhard Walthers »1. Werksatz!« (1963-1969) mit seinen »Übungsstücken« aus Stoff stellen physisch eingeschränkte Menschen vor ganz besondere Herausforderungen: die »Werkstücke«, die benutzt, ausgebreitet, übergestülpt oder gehalten werden müssen, fordern auf zur Expansion oder zum Durchschreiten des Raumes, sie verbergen, bieten Schutz oder führen bis an die Grenze der eigenen Kräfte. Abbildung 2: In der Ausstellung für Kinder und Jugendliche »Mit dem Körper formen« mit Arbeiten von Franz Erhard Walther, 2001
Foto: Friederike Winkler-Rufenach
Oder Arbeiten von Joseph Beuys: Sie konfrontieren mit Verletzlichkeit, Schutz, Verantwortung und Verwandlung. Von der Auseinandersetzung mit derartigen Themen profitiert nicht nur der einzelne Jugendliche, sondern auch die Gruppe insgesamt, wenn Erfahrungen geteilt und unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten mit einbezogen werden. Nicht nur die Kunst selbst, auch viele begleitende Faktoren bilden den Kern der Museumsbesuche durch Förderschulen. Auf der Webseite einer regelmäßig das Kunstmuseum Bonn besuchenden Förderschule heißt es unter der Rubrik »Schule und Museum«: »Der außerschulische Lernort ›Museum‹ und auch der Weg dorthin bieten zudem eine Fülle von Alltagserfahrungen, die von immenser Wichtigkeit sind. Verhalten in und Umgang mit öffentlichen Einrichtungen, Orientierung in der Stadt und Organisa-
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum tion und Durchführung einer Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind nur einige Aspekte eines solchen Selbständigkeitstrainings.«5
Bezeichnenderweise wird die selbstständig bewältigte Fahrt ins Museum mit öffentlichen Verkehrsmitteln oft von den Jugendlichen selbst voller Stolz genannt – denn für umfassend betreute Personen ist dies keine Selbstverständlichkeit. »Auch der Abschluss des Museumsbesuchs ist für mich sehr interessant und macht mir Spaß, die Fahrt alleine mit der Bahn nach Hause.«6 Ebenso stellt die Begegnung mit der Museumsarchitektur für viele eine imposante Herausforderung dar. Aber auch die Dankesschreiben an die Sponsoren, die Projektbeschreibung für die Schülerseite einer regionalen Tageszeitung oder die Realisierung einer kleinen Ausstellung mit eigenen Arbeiten in der Schule stellen Aufgaben dar, die über die Begegnung mit Kunst weit hinausgehen. Das Museum bedeutet Öffentlichkeit, denn sowohl die Aufenthalte in den Sammlungsräumen als auch das Arbeiten in den durch Glastüren als ›Schaufenster‹ konzipierten Werkräumen bieten keine Abgeschiedenheit. Ziel ist es, neue Räume zu betreten, Kompetenzen für Grenzüberschreitungen zu erwerben und die Kunst als Motor für diesen Schritt zu nutzen. Zugleich soll der Museumsbesuch auch auf den Alltag in der Schule Auswirkungen zeigen. Ein solcher idealer Fall fand in Kooperation mit einer Förderschule statt, deren sämtliche Klassen die 1999 präsentierte Ausstellung für Kinder und Jugendliche »Triplice Tenda« von Carla Accardi besuchten und mit den im Museum und in der Schule angefertigten Bildern, Rauminstallationen und Objekten das gesamte Schulgebäude dekorierten und ausstatteten. Wie gewinnbringend und genussvoll die Museumsbesuche von den Jugendlichen erlebt werden, macht der Kommentar eines 14-jährigen Schülers deutlich, der über ein gesamtes Schuljahr hinweg in zweiwöchigem Abstand das Kunstmuseum Bonn besuchte: »Ich komme gerne ins Kunstmuseum, weil … … eine Reise zum Museum fast wie ein kleiner Ausflug für mich ist. … mich die Form des Museums fasziniert. … das Museum wie ein Paradies ist. … ich die Kunstwerke so interessant finde. … es interessant ist, Erklärungen zu den Kunstwerken zu hören. … es schön ist, Kunstwerke selber zu gestalten. … meine Kreativität gefördert wird. 5 www.christophorusschule-bonn.de/images/schulemuseum.pdf. 6 Schülerin, 14 Jahre, in ihrem Dankesschreiben an den Sponsor der Museumsveranstaltungen.
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… sich meine Eltern freuen, wenn ich ihnen etwas mitbringe. … und außerdem finde ich ihre [gemeint ist die Museumspädagogin, S.L.] Haare schön.«
Zu denken geben hingegen die Wünsche einer Gruppe geistig behinderter Personen, die seit vielen Jahren das Kunstmuseum besucht: »Schaffung spezieller Angebote für geistig behinderte Menschen, zum Beispiel Führungen durch das Museum, Workshops an Wochenenden, kreative Angebote. Gezielte Ansprache behinderter Menschen, denen häufig der Zugang zu Informationen versperrt ist.«7
Diese Wünsche machen die umfassenden Ansprüche und auch die unterschätzten Barrieren im Museum deutlich. Die – wenn auch regelmäßig stattfindenden – Museumskurse für Menschen mit Behinderungen decken also keineswegs alle ihre Erwartungen. Oder anders ausgedrückt: Der Wunsch, an den vielen Möglichkeiten des alltäglichen Lebens teilzuhaben, wird Menschen mit Behinderungen allzu leicht abgesprochen. Abbildung 3: »Ich am Meer«, 2006. Gemeinschaftsarbeit von Schülerinnen und Schülern der Christophorusschule Bonn (Förderschule für Körper- und Mehrfachbehinderte) und der Künstlerin Wulpekula Schneider für das Projekt »ARTE PLURALE«, Turin 2007
Foto: Kunstmuseum Bonn
7 Die von den Menschen mit Behinderungen selbst geäußerten Wünsche wurden von Betreuern formuliert und schriftlich festgehalten.
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Kunst/Integration Bezogen auf Menschen mit Behinderungen ist auch ein Museum zunächst von Akzeptanz und Barrierefreiheit weit entfernt – es kann nicht das ausgleichen, was eine Gesellschaft nicht zustande bringt. Dennoch besitzt Kunst ein Potenzial, das Anstöße geben kann, und so kann es auch passieren, dass ein museumspädagogisches Projekt zu einer größeren ›Reise‹ wird … Mit der Christophorusschule, einer Bonner Förderschule für körperlich und mehrfach behinderte Jugendliche, die seit 1999 mit jeweils zwei Gruppen pro Schuljahr wöchentlich das Kunstmuseum Bonn besucht, – konnte eine solche Kunstreise nach Turin realisiert werden. 2004 fand dort bereits zum zehnten Mal das Projekt ARTE PLURALE – »L’ho dipinto con …« (»Ich malte es mit …«)8 statt, zu dem das Kunstmuseum Bonn als Kooperationspartner eingeladen war. Das Projekt sieht die künstlerisch-kreative Zusammenarbeit von Menschen mit verschiedenen Formen der Behinderungen mit Künstlerinnen und Künstlern vor. Ziel ist ein kreativer Dialog, durch den gemeinsam erarbeitete Kunstwerke entstehen, die von einer Jury begutachtet werden. Die Ausstellung findet mit ungefähr 60 ausgewählten Projekten an einem repräsentativen Ort statt (2004 im Palazzo Barolo, Turin), wird professionell beworben und zudem durch einen Katalog dokumentiert. Abschließend werden die Arbeiten versteigert, wobei der Erlös gemeinnützigen Einrichtungen zukommt. Eine kleine Schülergruppe reiste mit einem am Projekt beteiligten Schüler sowie der Künstlerin Wulpekula Schneider nach Turin, um die Ausstellungseröffnung, auch Fremdländisches, Unbekanntes, Aufregendes und Animierendes zu erleben, aber auch, um an einem neuen Ort mit anderen Menschen kreativ zu arbeiten. Tagebuch führen, Bäume im Park zeichnen und die Architektur der Stadt erkunden gehörten ebenso zum Programm wie Eissorten testen und mit dem Turiner Künstler Piero Gilardi zusammenzuarbeiten. Auch das Bonner Bild wurde versteigert – zur großen Freude des Schülers. An der ARTE PLURALE 2006 war auch das Kunstmuseum Bonn wieder beteiligt. Horizonte erweitern: Dies vermag Kunst auf unzählige Weisen. Den Jugendlichen sind zahlreiche weitere derartig gelungene und integrative Projekte zu wünschen.
8 Das von der Stadt Turin, der Provinz sowie der »Università della Terza Età« durchgeführte Projekt »L’ho dipinto con …« nannte sich ab 2006 »Internationale Biennale ARTE PLURALE. Projekt: Zeitgenössische Kunst – miteinander arbeiten. Kontext: Bildung.«
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Abschliessende Forderungen und Wünsche Barrierefreiheit wird von den Museen in Deutschland unterschiedlich interpretiert und realisiert, und wie in allen Bereichen der Museumspädagogik sind die Einrichtungen von Standards weit entfernt. Ehrlicherweise muss gesagt werden, dass Angebote für Menschen mit Behinderungen immer noch ausschließlich vom Engagement und dem Interesse der museumspädagogischen Teams abhängig sind. Wenn sich Museen also nicht verpflichten lassen, so sollten die Verantwortlichen doch zumindest selbst verbindliche Rahmenbedingungen festlegen. Wichtig sind unter anderem: • kontinuierliche Angebote von Seiten der Museen, aus denen wiederum neue Aktivitäten erwachsen können – innerhalb und außerhalb der Museen; • mehr aktive Forderungen, Partizipation und Einmischung sowohl der Menschen mit Behinderungen als auch der diese betreuenden oder unterrichtenden Personen und Institutionen. Allzu oft müssen Museen einladen und motivieren, stattdessen sollten diese von den für die Jugendlichen verantwortlichen Institutionen bedrängt werden mit Wünschen, Forderungen und Ideen; • trotz aller zielgruppenspezifischer Arbeit sollen die integrativen Angebote im Mittelpunkt stehen beziehungsweise ein Ziel der Arbeit sein; Öffentlichkeit herstellen, nicht bezogen auf den Sonderfall »Behinderungen«, sondern auf die Normalität der Partizipation; • Potenziale nutzen: Kooperationen und Netzwerke für die Arbeit mit Jugendlichen mit Behinderungen zwischen Museen und anderen Institutionen und Initiativen mit dem Ziel gemeinsamer Projekte.
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Malen als Denken in Bildern. Ein Angebot der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Eva Studinger Einleitung Bildnerisches Arbeiten für Menschen mit geistigen Behinderungen hat in den letzen Jahren in der Kunst- und Sonderpädagogik vermehrt Aufmerksamkeit gefunden, nachdem diesen Menschen zuvor viele Jahre lang ihre künstlerische Fähigkeit abgesprochen worden war. Als Studenten des Instituts für Sonderpädagogik der Universität Koblenz/Landau im Jahr 2000 verschiedene Museen auf ihre Barrierefreiheit untersuchten, waren die Ergebnisse noch sehr ernüchternd. In vielen Musentempeln konnte man sich unter anderem weder im Rollstuhl ungehindert bewegen noch hingen die Bilder in einer angemessenen Höhe. Die meisten Veränderungen im Bereich der bildnerischen Arbeit für Menschen mit geistigen Behinderungen1 vollzogen sich in Sonderschulen und Werkstätten, die Ateliers einrichteten, Ausstellungen organisierten und häufig sogar Kataloge herausgaben. An der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe begann 1979 der erste Malkurs für Menschen mit geistigen Behinderungen. Dabei ist dieser Bereich Teil der allgemeinen Museumspädagogik, d.h. es gibt einmalige Führungen in der Sammlung oder in den Sonderausstellungen und es gibt Malkurse, die über einen längeren Zeitraum dauern. Aus diesen Kursen entstand mit den Jahren eine umfangreiche Sammlung mit Malereien der Teilnehmer, die wir aufbewahrt und auf den Rückseiten mit kurzen Notizen zur Entstehung versehen haben. 1991 wurde mit Ausstellung und Katalog »Fremder Frühling« ein umfangreiches Resümee gezogen. Ein Schritt in die Öffentlichkeit war getan, einige Ängste und Vorurteile konnten abgebaut werden. Die Begegnungen im normalen Alltag waren nach wie vor selten, ebenso wenig sah man unter den Einzelbesuchern im Museum Menschen mit Beeinträchtigungen. Das Bewusstsein, dass man mit Kunst das Leben Behinderter bereichern kann, war noch nicht sehr ausgeprägt. 1 »Menschen mit geistiger Behinderung müssen eine dreifache Last bewältigen, sie müssen eine dreifache Leistung erbringen, nämlich: sie müssen ein Leben führen, das durch kognitive Beeinträchtigungen geprägt ist, sie müssen ein Leben führen, das geprägt ist dadurch, dass sie wissen, dass sie kognitiv beeinträchtigt sind, und sie müssen ein Leben führen, das geprägt ist dadurch, dass sie von anderen als geistig behindert etikettiert werden.« (Nirje 1992: 40, zit.n. Kaiser/Kerkhoff 1998).
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Auf der anderen Seite stand für uns Betreuer immer die Frage nach der kunstwissenschaftlichen Bildanalyse und dem Stellenwert der Bilder im Vordergrund. Auf keinen Fall wollten wir durch die Einordnung als »Kunst« dem beeinträchtigten »Künstler« wieder eine Außenseiterposition zuschreiben. Ebenso wichtig war uns, nur über Bilder zu arbeiten, deren Entstehungsprozess wir begleitet hatten. Zu groß ist sonst die Gefahr, Dinge zu schematisieren. 2002 folgte eine zweite, monografische Ausstellung »Ein träumendes Bewusstsein. Elke Zwecker 1982 bis 2002«. Hier wurde nach 20-jähriger Teilnahme am Malkurs die bildnerische Entwicklung einer Frau mit Downsyndrom präsentiert. Elke Zweckers Bilder dokumentieren den Lauf ihrer personalen und sozialen Biografie. Sie entwickelte eine eigenständige Bildsprache, ihre Werke haben einen starken künstlerischen Ausdruck. Dabei war uns immer wichtig, dieses Werk als Schaffen einer Erwachsenen zu sehen und es nicht unter den Begriffen der Kinderzeichnung einzuordnen. Zur Museumspädagogik Prof. Andreas Fröhlich, der Frau Zwecker im Malkurs besuchte, äußerte sich über seine Beobachtungen folgendermaßen: »Dadurch [den Malkurs] nimmt sie [Elke Zwecker] als kommunikative Person an unserer Kultur teil, die für sie ausgeschlossen schien, denn zu häufig sind Museen für Behinderte tabu. Doch gerade durch deren Verwandlung in einen musischen Raum außerhalb des Sozialgetriebes besitzen diese Institutionen eine Chance außerhalb des Verwertungszusammenhangs Kultur, – das ist auch Partizipation am Sozialwesen – nicht nur zu präsentieren und offerieren, sondern real in die Bedürfnisse von Behinderten umzusetzen.« (Fröhlich 2002: 217)
Wie sieht das konkret in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe aus? Unter dem Gesichtspunkt der Normalisierung wäre zu kritisieren, dass die Malkursteilnehmer außerhalb der regulären Öffnungszeiten und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Ansonsten bemühen wir uns, für die beeinträchtigten Kursteilnehmer das gleiche museumspädagogische Angebot zu machen wie für alle Museumsbesucher. Auf die verschiedenen Ansätze der Museumspädagogik, zum Beispiel Musentempel oder Lernort, möchte ich hier nicht eingehen. Als Ziel der Museumspädagogik könnte mit Detlev Hofmann formuliert werden: »Wenn es nicht gelingt, das Museum zu einem Lernort zu machen, an dem jedermann etwas über sich und seine Geschichte erfahren kann, an dem auch die Formen der Wahrnehmung und damit der Erkenntnis thematisiert sind und an dem das Lernen –
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum weil es dem eigenen Interesse nützt – Spaß macht, dann werden wir Kaufhäuser und Museen bald nicht mehr voneinander unterscheiden können.« (Hofmann 1976: 117)
Daher umfasst das museumspädagogische Angebot für Menschen mit Beeinträchtigungen unterschiedliche Möglichkeiten, von einmaligen Besuchen für Gruppen mit einer Führung ohne Aktion über mehrwöchige Malkurse oder Kindermuseumsbesuche für Sonderschulen bis hin zu den mehrjährigen Malkursen für feste Gruppen. Von unserer Seite aus planen wir für diese Malkurse mindestens zwei Jahre ein, aus dem Grund, dass die Teilnehmer meist lange brauchen, bis sie sich auf die neue Situation eingestellt haben, bis sie sich öffnen und sich zwischen Betreuern und Teilnehmern eine stabile Beziehung entwickeln kann. Meine letzten beiden Malkurse dauerten jeweils fast sechs Jahre, mit den überwiegend gleichen Schülern. Die Anfahrt der Schüler erfolgt in der Regel mit Schulbussen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ansonsten werden der jeweiligen Institution 1,50 Euro pro Person für das Material berechnet. Abbildung 1: In der Galerie
Quelle: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
1982 begann Gert Reising einen abendlichen Malkurs für Menschen aus dem Wohnheim der Hagsfelder Werkstätten, vier der damaligen Teilnehmer malen bis heute. Dies bietet eine einmalige Chance, über lange Jahre eine Entwicklung zu begleiten, wie es bei den sonst üblichen mehrwöchigen Kursen nicht der Fall sein kann. Hieraus ergibt sich auch immer wieder die Nä-
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he zur Kunsttherapie, wobei wir unsere Arbeit eindeutig als Museumspädagogik abgrenzen. Aus ihr heraus entwickeln wir auch unsere ›Lern‹-Ziele. Ganz wichtig ist uns dabei, den Museumsraum nicht als verlagerten Schulraum zu verstehen, Museumspädagogik hat mit der Schulpädagogik vielleicht Berührungspunkte, ebenso mit der Kunstpädagogik und Erwachsenenbildung, ist aber als eigenständiger Bereich der Institution Museum zu begreifen. So haben wir als Ziel unserer Arbeit definiert, über Form und Inhalt der Kunstwerke eigene Themen aus dem Lebensbereich der Teilnehmer zu entwickeln und in Malerei umzusetzen. Dabei sollte sich jeder ohne Vorgaben, Eingreifen oder Zwang frei ausdrücken können. Mit der Begleitung des Entwicklungsprozesses soll die Selbsttätigkeit ebenso gefördert werden wie die Selbstständigkeit. Mit der ganzheitlichen Erziehung zur Wahrnehmung, Erkenntnis und Empfindung, die nicht allein auf die visuelle Perzeption beschränkt ist, soll die allseitige Entwicklung der Persönlichkeit der Teilnehmer gefördert werden. Durch die besondere Atmosphäre im Museum, die immer von einem Gespräch über ein Kunstwerk ausgeht, entwickelt sich das ästhetische Empfinden und die Phantasie, was sich auf der kognitiven Ebene nicht immer unmittelbar erkennen lässt. »Ich gehe sehr gerne in die Kunsthalle. Dort kann ich abschalten, kann mich entspannen, dort spüre ich eine Ruhe, die mir gut tut. Auch habe ich die Möglichkeit, meine eigenen Vorstellungen von einem betrachteten Kunstwerk umzusetzen. Indem ich mich einbringe, kann ich mich selbst darstellen und ›ja‹ zu mir sagen«,2
brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt. Weiterhin gehören das Verhalten in der Gruppe, die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit, die Erweiterung des Wortschatzes ebenso zu den Zielen wie die Handhabung des Pinsels, der Umgang mit dem Wasserglas und das Aufräumen und Säubern nach dem Malen. Zugrunde liegt die Annahme, dass die bildende Kunst eine ihr eigene Ausdrucksweise hat, und dass »bildliche Manifestationen mehr und etwas anderes sind als die Verkleidung von bekannten, sprachlich formulierbaren Ideen und Programmen und daß eine ikonographische ›Entkleidung‹ allein nicht zum Gehalt des Bildes vorzudringen mag.« (Pächt 1977: o.S.) Malen als Denken in Bildern fasst unser Anliegen vielleicht am besten zusammen.
2 Interview Kevin (17 Jahre, linksseitig gelähmt), zit.n. Studinger (2002: 48).
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Zur museumspädagogischen Praxis Im Lauf der Jahre hat sich ein systematisches Vorgehen für den Ablauf der länger dauernden Kurse herauskristallisiert. Die ersten Stunden dienen dem Kennenlernen der Räume, der Bilder und der Personen. Wir beginnen mit abstrakten, durch Farbformen bestimmten Gemälden, deren Betrachtung in zwei Abschnitte gegliedert ist: erst die Farben – dann die Formen. Sätze wie: ›Der Himmel ist blau‹, sollen dadurch gezielt vermieden werden. Das Nachfahren der Schwünge und Bögen in der Luft schafft einen nonverbalen Zugang, der später das Umsetzen beim Malen erleichtert. Bis die verschiedenen Farbtöne und ihre Mischungen benannt werden können, kann es je nach Fähigkeit des Einzelnen mehrere Wochen bis Jahre dauern, wobei die Nuancen von Hellweiß bis Dunkelschwarz verfeinert werden. Nach oft längeren Erörterungen der Farben finden wir zu den Formen, deren Betonung auch wieder auf dem handelnden Erfahren liegt. Hat sich die Kenntnis der Farben und Formen gefestigt, wechseln wir zu einfachen Landschaftsbildern oder Stillleben. Auch hier achten wir darauf, immer zu Beginn über die Farben zu sprechen. Mit der Zeit sprechen wir dann nicht mehr nur über die Gemälde, sondern kommen über ihre Inhalte zu Themen aus dem Lebensbereich der Teilnehmer, die dann häufig auch Eingang in die selbst gemalten Bilder finden. Früher oder später überlassen wir dann der Gruppe die Entscheidung, welches Gemälde Thema des Abends sein soll. Dies ist ein für die Gruppendynamik wichtiger Prozess: Wer darf aussuchen? Wer spricht zuerst? Wer macht weiter? Meistens verbringen wir ungefähr eine halbe Stunde vor dem Gemälde, dann verlassen wir die Galerie und gehen in den Malkeller. Hier findet die Gruppe (aus Zeitgründen) ihre Plätze schon vorbereitet: zwei Pinsel, ein Mischbrett, fünf Farbbecher mit den Grundfarben und Schwarz und Weiß, einen Wasserbecher und ein ungefähr DIN-A2 großes weißes Papier. Größere Formate erwiesen sich häufig als schwer zu bewältigen, kleinere bieten zu wenig Bewegungsraum. Das Mischen der Farben fällt nicht immer leicht, manchmal legen wir auch für jede Farbe ein weiteres Mischbrett hin, um das Anrühren von brauner Soße zu verhindern. Nach diesen Vorbereitungen beginnen alle zu malen, auch die Betreuer und eventuelle Gäste. Dies ist uns besonders wichtig, um ein ›im-Rücken-Stehen und die Hand führen‹ seitens der Begleiter zu verhindern. Hilfen geben wir deshalb durch Abschauen auf unseren Bildern, oder wir beantworten Fragen auf einem Extrablatt. Einem guten Aquarellmaler stand deshalb über mehrere Monate eine Künstlerin zur Seite, da seine Unterstützung unsere malerischen Fähigkeiten überstieg. Meist sind wir dabei bemüht, von unserer Seite aus nicht einzugreifen, sondern auf ein Signal zu warten. Dies strapaziert häufig die Geduld der Beteiligten, besonders wenn jemand monatelang die gleichen Kringel malt, aber die Erfahrung hat gezeigt, dass je-
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Eva Studinger ➔ Malen als Denken in Bildern. Ein Angebot der Kunsthalle Karlsruhe
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der irgendwann aus sich herausgeht und sich auf den Weg zum eigenständigen Bild begibt. Der Schritt, eigene Bildlösungen zum Thema zu entwickeln, braucht viel Zeit – der immer gleiche Ablauf und der feste Rahmen sind hierbei hilfreich. Durch die räumliche Trennung von Galerie und Malort wird außerdem einiges an Gedächtnisarbeit verlangt. Abbildung 2: In der Malstube
Quelle: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Den Abschluss eines Kurstages bildet das gemeinsame Aufräumen und die anschließende Betrachtung und Besprechung der gemalten Bilder. Diese Phase hat genauso viel Gewicht wie der Beginn mit der Gemäldebesprechung. Jeder sagt nach seinem Vermögen etwas zu dem, was er getan hat, viele nennen nur die Farben, manche erzählen den Entstehungsprozess. Dinge, die uns wichtig erscheinen, werden von uns sofort auf der Rückseite des Blattes notiert und die Bilder in den Trockenständer gelegt. Die Aufforderung an Lehrer oder Betreuer sich zu ihren Bildern zu äußern, zeigt deutlich, wie schwer solche Formulierungen fallen. Literatur Arnheim, Rudolf (1996): Anschauliches Denken, 7. Aufl., Köln. Detlef Hoffmann (1976): »Laßt Objekte sprechen« – Bemerkungen zu einem verhängnisvollen Irrtum. In: Ellen Spickernagel/Birgit Walbe (Hg.): Das Museum – Lernort contra Musentempel, Gießen, S. 101-120.
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Fröhlich, Andreas (2002): Von der Teilhabe behinderter Menschen an der Kultur. In: Kunsthalle Karlsruhe (Hg.): »Ein träumendes Bewusstsein«, Elke Zwecker. Malerei 1982-2002, S. 211-217. Haupt, Ursula/Hansen, Gerd (Hg.) (1998): Kreative Schüler mit Körperbehinderungen, Düsseldorf. Kaiser, Dirk/Kerkhoff, Winfried (Hg.) (1998): Kunst und Kommunikation, Pfaffenweiler. Kunst und Unterricht Bd. 69, Behinderung, Oktober 1981. Kunsthalle Karlsruhe (1991): »Fremder Frühling«, Kurse mit Geistigbehinderten in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Nirje, B. (1992): The Normalisation Papers, Uppsala. Pächt, Otto (1977): Methodisches zur kunsthistorischen Praxis, München. Reising, Gert (1983): Bilder behinderter Kinder. Erfahrungen mit einem Kurs und einer Ausstellung. In: Zeitschrift für Kunstpädagogik Heft 1, S. 54-57. Reising, Gert (1988): Erlebnisreiche Besuche in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. In: Bund der Kriegsblinden e.V. (Hg.): Kriegsblinden-Jahrbuch 1988, Bonn, S. 37-39. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (2002): »Ein träumendes Bewusstsein«, Elke Zwecker. Malerei 1982-2002. Studinger, Eva (2002): Zwischen den Stühlen. Museumspädagogik für Menschen mit geistigen Behinderungen, Frankfurt a.M. Theunissen, Georg/Großwendt, Ulrike (Hg.) (2006): Kreativität von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen, Bad Heilbrunn.
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Martina Bergmann ➔ Angebote des Hamburger Museumsdienstes für gehörlose Menschen
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Angebote des Hamburger Museumsdienstes für gehörlose Menschen: Ein Erfahrungsbericht
Martina Bergmann »Ihre Führung mit DGS war sehr hochinteressant und faszinierend für uns« 1 »Munch und Deutschland« – war im Februar 1995 die erste Führung in der Hamburger Kunsthalle in Deutscher Gebärdensprache (DGS). Und zwar anders als bisher: Die Führung fand nicht mit Dolmetscherin, sondern durch eine Gehörlose selbst statt. Ich hatte damals als freie Mitarbeiterin beim Museumsdienst in Hamburg einen Vertrag unterschrieben, wohnte aber noch in Nürnberg. Damals wusste ich eigentlich gar nichts über museumspädagogische Arbeit und über die Arbeit mit Gehörlosen im Museum erst recht nichts. Es gab ja auch nichts, worauf ich hätte aufbauen können. Niemand konnte mir seine oder ihre Erfahrungen weitergeben: die Hörenden nicht, weil sie nicht mit mir kommunizieren konnten, und die Gehörlosen, die solche Arbeit schon damals machten, saßen weit weg – in Paris. Ich bereitete mich also so gut es ging inhaltlich mithilfe des Katalogs auf diese Führung vor, überlegte mir im Einzelnen den Aufbau, ging zuvor durch die Ausstellung, machte mir eine Skizze von der Hängung, um mir so den genauen Weg während der Führung einzuprägen. Ich lernte auch, so gut es ging, meine Notizen, die ich auf Deutsch gemacht hatte, auswendig, da ich während der Führung als Gehörlose die Hände für die Kommunikation brauche, also keine Notizen in den Händen halten kann. Dennoch begann ich diese Führungen nicht völlig voraussetzungslos: Schon als Jugendliche interessierte ich mich für Bildende Kunst, Architektur, Design, Schmuck und Stoffe aus Afrika und Asien sowie Antiquitäten. Ich las Bücher darüber und bekam so eine wertvolle Wissensbasis für meine Arbeit im Museum. Von Fernsehsendungen zu diesen Themen, die meistens nicht untertitelt waren, ließ ich mir die Manuskripte zuschicken. So entwickelte ich eine Vorstellung davon, wie man Wissen über Kunst und Ähnliches vermitteln kann. Auch hatte ich unmittelbar vor der Aufnahme meiner freien Mitarbeitertätigkeit beim Museumsdienst in Hamburg an einer der letzten Führungen mit Gebärdensprachdolmetscherin in der Hamburger Kunsthalle teilgenommen. Diese Erfahrung half ein wenig, meine ersten eigenen Führungen zu gestalten.
1 Aus einer Postkarte einer Teilnehmerin an der Führung »Mexiko – Megastadt« im September 1999 an mich.
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Lernprozesse und Veränderungen Wenn ich heute, elf Jahre später, auf die Anfangszeit zurückblicke, so muss ich sagen, dass Welten zwischen den ersten Führungen und denen, die ich heute anbiete, liegen. Darüber hinaus haben sich auch meine Arbeitsbedingungen radikal verändert: Damals fuhr ich von Nürnberg aus einmal im Monat nach Hamburg, bereitete mich mithilfe der Kataloge und – wenn es sie denn gab – der Audio-Guide-Texte vor, führte jede Führung nur einmal, stellte mein Programm nur für die Kunsthalle für Sonderausstellungen und die feste Sammlung sechs Monate im Voraus zusammen und verteilte diese per Hand im Gehörlosenverein oder an anderen Treffpunkten der Gehörlosen. Damals mussten meine Führungen als Kurs mit zehn Terminen stattfinden. Um mein Honorar abzudecken, war eine Mindestanzahl von zehn Personen notwendig. So ein Kurs musste eigentlich im Voraus gebucht und bezahlt werden. Unmöglich mit Gehörlosen! Ich wusste das, konnte dies aber den Verantwortlichen beim Museumsdienst nur schwer verständlich machen. Dieser Kurs fand jeweils am zweiten Donnerstag im Monat von 19.00 bis 20.30 Uhr statt. Nach ungefähr zweieinhalb Jahren (!) hatte sich dieses Angebot herumgesprochen und es kamen die ersten Anfragen für zusätzliche Angebote an Wochenenden, da für Berufstätige auch der späte Donnerstagabend schlecht geeignet war. Heute lebe ich in Hamburg, habe – nach drei Jahren auf einer ABM-Stelle beim Museumsdienst – seit Juni 2002 eine feste Stelle bei der Kulturbehörde und stelle für alle Hamburger Museen Programme für feste Gruppen wie Senioren, Erwachsene, vom Usher-Syndrom2 Betroffene, Jugendliche und Studierende der Gebärdensprache zusammen. Zu diesen ständigen Gruppen kommen zahlreiche andere hinzu, die eine einmalige Führung durch eine bestimmte Sonderausstellung oder durch eine Sammlung zu einem bestimmten Thema buchen. Diese Gruppen können aus Hamburg kommen, aber auch aus anderen Städten oder Ländern. Ich biete zudem Führungen für Gehörlose mit einer anderen Muttersprache als DGS an, da ich auch internationale Gebärden beherrsche. Die Kommunikation verläuft dann zwar etwas langsamer, weil sie immer wieder abgesichert werden muss, aber es funktioniert. Vorbereiten kann ich mich mithilfe der Kataloge, der Texte für den Audio-Guide sowie anderen schriftlichen Materialien, die mir von den Museen zur Verfügung gestellt werden, und ich kann die Bibliotheken der Museen 2 Das Usher-Syndrom ist eine Hör-Seh-Behinderung und ist erblich bedingt. Die davon betroffenen Menschen sind von Geburt an beidseitig gehörlos. Später setzt der Verlust des Sehfeldes ein – von der Peripherie her hin zum Zentrum der Netzhaut.
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nutzen. Was aber den größten Unterschied zu früher ausmacht: Gemeinsam mit allen anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bin ich mithilfe von Gebärdensprachdolmetschern und -dolmetscherinnen an den Einführungen zu den Sonderausstellungen dabei – wie alle anderen Mitarbeiter/-innen auch kann ich so an deren Gesprächen teilhaben und teilnehmen. Auf diese Weise habe ich auch zum ersten Mal erleben können, dass nicht alle Führungen gleichartig sind: Abhängig von Temperament und/oder Thema kann die Ansprache sehr unterschiedlich sein. Dies war eine sehr wertvolle Erfahrung für mich. Meine Programme stelle ich einerseits für die unterschiedlichsten Sonderausstellungen in allen Hamburger Museen zusammen. Ich achte dabei für die festen Gruppen auf Abwechslung, berücksichtige die Highlights, aber auch die Wünsche der Teilnehmer/-innen. Andererseits überlege ich mir eigene Themen für Führungen durch die ständigen Sammlungen. Dabei orientiere ich mich selbstverständlich auch an den Themen, die für Hörende angeboten werden. Durch die verschiedenen festen Gruppen und durch die Anfragen anderer Gruppen, mache ich Führungen in den meisten Fällen nicht – wie früher – nur einmal. Bisher am meisten gefragt war die Ausstellung »Sexarbeit« im Museum der Arbeit 2005/2006. Durch diese Ausstellung habe ich zehn unterschiedliche Gruppen sowohl aus Hamburg als auch aus anderen Städten geführt. Meine Programme an die Senioren und Seniorinnen verteile ich vor allem immer noch per Hand oder faxe sie ihnen, vielen jüngeren Hörgeschädigten schicke ich sie inzwischen per E-Mail. Daneben erscheint mein gesamtes Programm in der »Hamburger Gehörlosenzeitung«, in der Zeitschrift »Das Zeichen« und auf der Website des Museumsdienstes Hamburg. Diese ist verlinkt mit Deutschlands größter und beliebtester Website für Gehörlose www.taubenschlag.de, sodass überall in anderen Städten Gehörlose auf dieses Angebot zugreifen können. Da ich jetzt eine feste Stelle habe, erhalte ich für die einzelnen Führungen kein Honorar mehr. So ist es nicht wichtig, dass eine bestimmte Mindestzahl von Personen an meinen Führungen teilnimmt. Tatsächlich schwanken die Zahlen: Gelegentlich sind es weniger als fünf, durchschnittlich vielleicht zehn, selten mehr als 20. Dabei sollten nicht mehr als 14 bis 16 Leute an einer Führung in Gebärdensprache teilnehmen. Alle müssen ja mich, das jeweilige Ausstellungsstück und – für eine Diskussion – möglichst auch einander sehen können. Ein Halb- oder Dreiviertelkreis um mich herum ist bei einer Teilnehmerzahl von über 20 zu groß für die oft kleinen und/oder viel besuchten Ausstellungsräume.
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Abbildung 1: Anzahl der Besucher von Programmen für Hörgeschädigte in Hamburger Museen3
800 700 600 500 400 300 200 100 0 Juni bis Januar bis Januar bis Januar bis Januar bis Januar bis Januar bis Januar bis Dezember Dezember Dezember Dezember Dezember Dezember Dezember September 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Zahl der Veranstaltungen
Zahl der Teilnehmenden
Dadurch, dass ich die ersten viereinhalb Jahre kaum mehr als zehn Führungen pro Jahr gemacht habe – es kamen lediglich ab und zu Führungen durch Sonderausstellungen für Klassen aus der Gehörlosenschule in Hamburg hinzu –, konnte ich kaum Routine entwickeln, weder bei der inhaltlichen Vorbereitung noch bei der Art, wie ich die Gehörlosen durch die Ausstellung leitete. Ich stopfte allzu viele Informationen hinein, da ich den Anspruch hatte, die großen Wissenslücken, die Gehörlose aufgrund ihrer schlechten schulischen Bildung in Bereichen wie Geschichte, Politik und Kunst haben, möglichst alle auf einmal zu schließen. Ich gebärdete viel zu schnell und 3 Seit Frühjahr 2005 gibt es zusätzlich zu meinen Führungen Kinderkurse von einem freien Mitarbeiter, seit Frühjahr 2006 bieten zwei weitere hörgeschädigte Mitarbeiterinnen Führungen mit lautsprachunterstützenden Gebärden an. Nicht in der Statistik enthalten sind die Kinderprogramme, die Führungen einer hörenden Mitarbeiterin mit FM-Anlage für schwerhörige Museumsbesucher/-innen sowie die Führungen einer fest angestellten hörgeschädigten Mitarbeiterin des Museums für Kunst und Gewerbe, die seit Frühjahr 2006 ebenfalls Führungen in ihrem Haus anbietet.
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ließ den Teilnehmenden so kaum Zeit, um sich über das Erfahrene eigene Gedanken zu machen. War ein Bild fertig behandelt, hastete ich zum nächsten, sodass die Leute kaum eine Chance hatten, sich das Bild mit dem Hintergrund des eben Erfahrenen anzuschauen. Gehörlose können ja nicht wie Hörende gleichzeitig Sprache aufnehmen und dazu einen Gegenstand betrachten. Gewachsene Aufgaben Heute sehe ich es als meine Aufgabe an, den Gehörlosen nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern die Menschen, die zu mir in die Führungen kommen, anzuregen, sich über das Erfahrene auszutauschen sowie eigene Verbindungen zwischen früher Erfahrenem und dem Neuen herzustellen. Dass dies immer besser gelingt, kann ich vor allem bei meinen festen Gruppen beobachten. Deren Teilnehmer/-innen beteiligen sich immer lebhafter an Gesprächen mit mir und untereinander. Routine entwickeln, meine Arbeit mehr reflektieren und somit verbessern konnte ich eigentlich erst ab Juni 1999. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine ABM-Stelle beim Museumsdienst Hamburg bekommen, hatte dafür meine feste Stelle in Nürnberg gekündigt und war nach Hamburg umgezogen. Neben der Konzipierung der Museumsgespräche und Durchführung in Gebärdensprache gibt es inzwischen folgende Arbeitsbereiche: • Öffentlichkeitsarbeit: Dazu gehört, dass ich die Programme an die entsprechenden Publikationsorgane jeweils rechtzeitig zur Drucklegung schicke und die Hörgeschädigtenschule in Hamburg und Umgebung mit Plakaten und Kursangeboten versorge; • Treffen mit Ansprechpartnern oder -partnerinnen der unterschiedlichen Gruppen von Hörgeschädigten zur Planung des zukünftigen Angebots; • Verwaltungsaufgaben: dies umfasst unter anderem die Buchungen der Gruppenführungen, die Führung der Statistik, die Gebührenorganisation für die unterschiedlichen Gruppen und Museen, die Bestellung der Dolmetscherinnen und Dolmetscher und ihre Versorgung mit Material zur Vorbereitung ihres Einsatzes sowie die Teilnahme an den Einführungen in den verschiedenen Hamburger Museen, an denen ich für meine Zielgruppe Veranstaltungen anbiete; • Teilnahme an den wöchentlichen Teambesprechungen der Mitarbeiter/ -innen vom Museumsdienst; • Teilnahme an den monatlichen pädagogischen Konferenzen aller Museumspädagogen und -pädagoginnen;
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• Mitarbeit bei den jährlich stattfindenden Veranstaltungen »Museumsnacht« und »Kunstmeile«; • Zusammenstellung der Programme für alle Gruppen von Menschen mit Behinderungen; • Mitbetreuung des Newsletters für Menschen mit Behinderungen; • Unterstützung der Entwicklung von Fachgebärden im Bereich der bildenden Kunst. Die radikalste Veränderung meiner Arbeit entstand durch die Betreuung anderer hörgeschädigter Personen als freie Mitarbeiter. Meine eigenen Erfahrungen als Hörgeschädigte aus den Anfangsjahren waren dafür eine gute Grundlage. Ich helfe ihnen bei der Beschaffung von Vorbereitungsmaterial, informiere über Einführungstermine, unterstütze sie bei der Vorbereitung selbst, gehe gegebenenfalls mit dem neuen Mitarbeiter oder der neuen Mitarbeiterin durch die Ausstellung, um die Führung zu üben. Bei der Veranstaltung selbst bin ich im Hintergrund dabei und wir machen im Anschluss ein Auswertungsgespräch. Gemeinsam besprechen wir, welche weiteren Themen angeboten werden können. Dabei geht es aber nicht nur darum, neue Mitarbeiter/-innen zu unterstützen und ihnen so den Einstieg zu erleichtern. Ich sehe es auch als meine Aufgabe an, zu prüfen, ob jemand für die museumspädagogische Arbeit mit Hörgeschädigten geeignet ist oder nicht. Diese neue Situation ist für mich sehr bereichernd. Während ich davor sehr allein auf mich gestellt alles organisiert und durchgeführt habe, freue ich mich jetzt, in einem kleinen Team den kollegialen Austausch pflegen zu können. Ganz neu – seit dem Frühjahr 2005 – ist der Aufbau von Kinderkursen in DGS mit (Mal-)Praxis. Dazu habe ich einen gehörlosen freien Mitarbeiter gewonnen, der ausgebildeter Grafiker ist und den ich bei diesen Kursen berate und begleite. Vernetzung und Ausblick Eine Erweiterung anderer Art erfährt meine Arbeit durch Anfragen von hörenden Kollegen bei Museumsdiensten in anderen Städten, die eine Beratung im Hinblick auf Angebote für Menschen mit Hörschädigung möchten. Aber auch Hörgeschädigte in ganz Deutschland wollen mehr über meine Arbeit erfahren und wissen, was sie ihrerseits machen müssen, damit in ihrer Stadt ein ähnliches Angebot entstehen kann. Und so fahre ich gelegentlich zu Vorträgen in Gehörlosenzentren anderer Städte und versuche dazu beizutragen, dass das Hamburger Beispiel Schule machen kann.
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Christine Ferreau ➔ Industriekultur barrierefrei: Das Rheinische Industriemuseum
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Industriekultur barrierefrei: Das Rheinische Industriemuseum
Christine Ferreau Sechs Schauplätze, ein Museum 1984 gründete der Landschaftsverband Rheinland (LVR) das Rheinische Industriemuseum (RIM). Vor dem Hintergrund der dramatischen Veränderung der industriellen Arbeitswelt seit den 1970er Jahren sollten durch die Einrichtung eines Industriemuseums nicht nur stillgelegte, industriehistorisch bedeutsame Produktionsstätten erhalten bleiben, sondern auch die industriekulturelle Identität des Rheinlandes in Sammlungen und Ausstellungen bewahrt und vermittelt werden. Abbildung 1: Die Baumwollspinnerei Ermen & Engels in Engelskirchen
Foto: LVR/Rheinisches Industriemuseum
Heute bilden insgesamt sechs Schauplätze das dezentrale Rheinische Industriemuseum. Alle sind in denkmalgeschützten, zum Teil komplett erhaltenen Fabriken eingerichtet. Diese Schauplätze finden sich über das Rheinland verteilt, und zwar in Oberhausen (Zinkfabrik Altenberg), Ratingen (Textilfabrik Cromford), Solingen (Gesenkschmiede Hendrichs), Bergisch Gladbach (Papiermühle Alte Dombach), Engelskirchen (Baumwollspinnerei Ermen & Engels) und Euskirchen (Tuchfabrik Müller). Im Mai 1996 wurde mit der Baumwollspinnerei Ermen & Engels in Engelskirchen der erste, im September 2000 mit der Tuchfabrik Müller in Euskirchen der sechste und letzte Schauplatz des dezentralen Museums eröffnet. Die sechs Dauerausstellungen bzw. deren Konzeption und Gestaltung
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verpflichteten sich bereits in der Planungsphase einer besonderen Besucherorientierung, die von vornherein immer auch Menschen mit Behinderungen mit einbezog. Schon das Prinzip des authentischen Ortes ermöglicht es, die Geschichte der Arbeit und des Alltags unvergleichlich lebendig zu erzählen und einer breiten Schicht von Besucherinnen und Besuchern nahezubringen: Der in den stillgelegten Fabriken immer noch vorhandene Geruch nach Maschinen und Öl bietet jenseits des Anschauens und Betrachtens natürlich eine ganz andere, unmittelbare Möglichkeit der Annäherung an Geschichte. Viele, wenn nicht die meisten Exponate verschwinden in den Ausstellungen keinesfalls hinter Glas. Alle Schauplätze präsentieren zahlreiche Ausstellungsstücke, deren Berührung durch Museumsgäste keine Schäden hinterlässt und somit auch ein haptisches Erfassen der Museumsinhalte ermöglicht. Vor allem spielt die Vorführung von Geräten und Maschinen an allen Standorten eine bedeutende Rolle in der Museumskonzeption: Wer einmal dem Lärm der Webstühle oder einer Schmiede ausgesetzt war, wird verstehen, dass viele Arbeitskräfte nach langen Jahren des Arbeitslebens schwerhörig oder gar gehörlos waren. Abbildung 2: Vorführbetrieb am Schauplatz Solingen
Foto: LVR/Rheinisches Industriemuseum
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Christine Ferreau ➔ Industriekultur barrierefrei: Das Rheinische Industriemuseum
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Ebenso konkret wie der Schaubetrieb sind die Mitmachaktivitäten, die die Besucher/-innen in das Museumsgeschehen mit einbeziehen und ihnen wichtige Grundlagen für das Verständnis des Gezeigten vermitteln. So können Gäste zum Beispiel in Ratingen in der Textilfabrik Cromford Baumwolle kämmen, in Euskirchen ihr Geschick beim Weben erproben, in der Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen Scheren schleifen oder in Bergisch Gladbach, in der ehemaligen Papiermühle Alte Dombach, Papier schöpfen. Das RIM bietet Erleben, Entdecken und Lernen ›mit allen Sinnen‹ und viele Möglichkeiten zum Anfassen und Be-Greifen, zum haptischen und taktilen Erleben. Alle Angebote für Menschen mit Behinderungen verfolgen einen möglichst weitgehenden und integrativen Ansatz: Vorhandene Programme werden modifiziert und den Bedürfnissen der jeweiligen Gruppe angepasst, ohne dass der Reiz der Ausstellungen verloren ginge. Im Gegenteil: Es ist im Industriemuseum an vielen Stellen gut möglich, Menschen mit Behinderungen in den Museumsalltag zu integrieren. Wichtig ist, das Museumserlebnis mitten im Museum auch für diese Zielgruppe zur zentralen Erfahrung zu machen. Wie bei der Arbeit mit nicht behinderten Besucherinnen und Besuchern finden auch hier nur einzelne Zusatzangebote in museumspädagogischen Arbeitsräumen außerhalb der Ausstellungen statt. Den Vorteilen im Erlebnisraum Industriedenkmal stehen aber auch gewisse Schwierigkeiten gegenüber: Die bauliche Instandsetzung der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude bzw. deren museale Umnutzung gestaltete sich dank der Beratung und Kompetenz des Museumsträgers, des Landschaftsverbandes Rheinland, immer auch aus der Sicht behinderter Besucher/-innen. So sind die sechs Schauplätze weitestgehend zugänglich für Rollstühle. Doch gelegentlich steht die Zugänglichkeit für alle in Konkurrenz zu den Ansprüchen der Denkmalpflege. In Oberhausen wurde zum Beispiel 2005 das Zentraldepot des Museums für den Publikumsverkehr baulich erweitert und verändert. Bei dem ehemaligen Lagerhaus der Gutehoffnungshütte, erbaut von dem bekannten Architekten und Designer Peter Behrens, handelt es sich um ein Industriedenkmal ganz besonderer Güte. Um das Gebäude barrierefrei zugänglich zu machen, musste die Eingangssituation verändert und mit einer rollstuhlgerechten Rampe versehen werden – ein aus der Sicht der Denkmalpflege starker Eingriff in das historische Erscheinungsbild des Gebäudes. Nach einem intensiven und zugleich von Kompromissbereitschaft geprägten Entscheidungsprozess ist die Rampe heute zum integralen Bestandteil der Eingangsgestaltung geworden und wurde keinesfalls verschämt und versteckt hinter dem Gebäude angebracht. Am Schauplatz Ratingen dagegen ist es noch nicht gelungen, eine beide Seiten zufrieden stellende Lösung zu finden. Dort hat der Landschaftsverband die zweite Hälfte des ehemaligen Herrenhauses aus dem 18. Jahrhun-
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dert übernommen, um seine Dauerausstellung erweitern und Veranstaltungsräume anbieten zu können. Hier erschweren die Anforderungen des behindertengerechten Zugangs aller Funktionsbereiche – gerade unter Berücksichtigung brandschutztechnischer Auflagen – den Umbau doch erheblich, eine Lösung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gefunden. Barrierefreie Angebote im Rheinischen Industriemuseum Angebote für blinde und sehbehinderte Menschen »Geschichte sehen« könnte man die Programme für blinde und sehbehinderte Menschen betiteln, die an den Schauplätzen Solingen, Oberhausen und Ratingen angeboten werden (vgl. Wernsing 2001: 16-19). Abbildung 3: Museumsfoyer in Oberhausen
Foto: LVR/Rheinisches Industriemuseum
Eine Museumsführung für blinde und stark sehbehinderte Menschen kann keine normale Führung mit der gelegentlichen Auforderung zum Anfassen
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Christine Ferreau ➔ Industriekultur barrierefrei: Das Rheinische Industriemuseum
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oder Tasten sein. Es geht im Industriemuseum nicht nur um die Vermittlung von Inhalten und Themen, sondern vielmehr um die Möglichkeit, den besonderen Ort, die authentische Fabrik auch mit einer Behinderung erfahren und erleben zu können. Blinde und stark sehbehinderte Menschen brauchen dabei andere Informationen und Vermittlungsangebote als nicht behinderte Menschen: Sie erfassen ihre Umwelt durch Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken. In der alten Oberhausener Zinkfabrik ist der Hallencharakter des Gebäudes durchaus hörbar, über akustische Experimente erschließen sich Raumhöhe und Raumweite. Beim Ertasten der Bodenplatten aus Eisenguss verschaffen sich die Besucher/-innen Eindrücke über die massiven Fundamente eines Metall verarbeitenden Betriebs. Sie können Werkzeuge und Produkte anheben und Aufschluss gewinnen über die Größe der Maschinen, das Gewicht der Produkte und die Schwere der Arbeit. Darüber hinaus werden beim entdeckenden Ertasten von Pulten und Vitrinen diese als ausgewiesene Elemente der Ausstellungsgestaltung mit einer speziellen Funktion erkannt: So vermittelt sich ganz nebenbei ein nachvollziehbarer Eindruck von der besonderen Ausstellungsgestaltung im Industriemuseum, die sich deutlich von Kunstmuseen mit ihren in der Regel großen, karg möblierten Räumen und (fast) ausschließlicher ›Wandbespielung‹ unterscheidet. Das Vermitteln und Erfahren eines Objekts bzw. eines Sachverhaltes ohne jede visuelle Information ist langwieriger als das Verstehen/Erfassen im wörtlichen Sinne ›auf einen Blick‹. Und da das Ertasten und Erfühlen durch mehrere Personen sowie der gewünschte Erfahrungsaustausch vor Ort viel Zeit in Anspruch nehmen und auch nehmen sollen, ist eine thematische Reduktion und Konzentration bei dieser Zielgruppe unerlässlich. In Oberhausen konzentriert sich eine Führung für blinde und sehbehinderte Menschen daher auf ausgewählte Aspekte wie die Produktion von Eisen und Stahl, die Weiterverarbeitung zu bestimmten Produkten und den Bereich der Arbeitswelt. Bei dieser Führung durch die Dauerausstellung »Schwerindustrie« kommt ein wichtiges zusätzliches Objekt zum Einsatz: ein mobiler Museumskoffer, der während der Führung mitgeführt wird und verschiedene Dinge zum Ertasten enthält. Dort, wo die Gegebenheiten der Ausstellung für behinderte Menschen nicht ausreichend sind, kommen diese Dinge zum vertiefenden Verständnis zum Einsatz. Außerdem enthält der Koffer ganz Praktisches wie beispielsweise Tücher zum Reinigen der Hände oder eine Handcreme. Am Beispiel der Textilfabrik Cromford in Ratingen lässt sich gleichfalls zeigen, wie additive Angebote für Blinde und Sehbehinderte den Museumsbesuch bereichern. Der Prozess des Spinnens kann zwar sehr gut anhand der ausgestellten Museumsmaschinen dargestellt werden, nicht aber der Kernbereich des mechanischen Antriebssystems. Dieser lässt sich aufgrund
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seiner Größe und Komplexität, aber auch wegen des Gefahrenpotenzials beim laufenden Betrieb nur schwer ertasten. Daher entstand ein ›handliches‹ und ungefährliches Modell der Wasserrad- und Transmissionsanlage, das die Besucher/-innen sogar selbst in Betrieb setzen können und dadurch im ganz konkreten Sinne erfahren, wie die Räder eines frühindustriellen Antriebssystems ineinandergriffen. Abbildung 4: Nachgebautes Wasserrad mit Transmission in Ratingen
Foto: LVR/Rheinisches Industriemuseum
Angebote für Menschen mit Lernschwierigkeiten Auch bei dieser Zielgruppe legt das Rheinische Industriemuseum Wert auf einen integrativen Ansatz und bemüht sich, Programme für nicht behinderte Museumsgäste individuell an die Bedürfnisse für Menschen mit Behinderungen anzupassen. Anders als bei der Arbeit mit hör- oder sehgeschädigten Menschen, die in der Regel über eine durchschnittliche bis gute Allgemeinbildung verfügen und die differenzierten Themenstränge der Ausstellungen durchaus nachvollziehen können, geht es bei der Arbeit mit dieser Zielgruppe verstärkt darum, soziale Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln. Konzentrationsschwächen und geringe Aufmerksamkeitspannen, motorische Unruhe oder Sprachhemmungen müssen berücksichtigt und aufgefangen werden. Der Reduzierung und Simplifizierung der Museumsinhalte kommt hier größte Bedeutung zu. Am Schauplatz Solingen konzentrieren sich die Vermittlungsinhalte auf den Produktionsprozess in der ehemaligen Gesenkschmiede auf einfache, für behinderte Menschen leicht nachvollziehbare Schritte. Dabei sind häufi-
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ge Vertiefungsphasen vorgesehen. Für das eigenständige Erkunden wird viel Raum gelassen. Von herausragender Bedeutung für diese Gruppe ist die Möglichkeit zum Anfassen und Selbermachen, die Teilnehmer/-innen stellen beispielsweise Scherenrohlinge aus Knetmasse her oder feilen Stahlscheren selbst. Zusätzliches Plus sind die dialogorientierte Vermittlung und die persönliche Ansprache durch Museumsmitarbeiter. Das Programm für geistig behinderte Menschen in Solingen entstand in gemeinsamer Arbeit mit dem Sonderschullehrer Rüdiger Heitmann (1996). Auch am Schauplatz Bergisch Gladbach ist in Zusammenarbeit mit einer Lehrerin ein Projekt für lernbehinderte Schülerinnen und Schüler unter besonderer Berücksichtigung eines integrativen Ansatzes entwickelt worden (vgl. Engels 2005). Die Integration von lernbehinderten Menschen in den Regelklassen nimmt zu und stellt die Museumspädagogik vor neue Aufgaben. Das gemeinsame Lernen von nicht behinderten und behinderten Schülerinnen und Schülern kann aber gerade in einem Museum wie dem RIM besonders gut funktionieren, weil hier anhand eines konkreten Materials wie zum Beispiel dem Papier handlungsorientiert gearbeitet werden kann: Kinder und Jugendliche führen Experimente durch und lernen Maschinen und technische Prozesse durch unmittelbare Anschauung, teilweise auch durch eigenes Nachvollziehen, kennen und verstehen. Der Schauplatz Bergisch Gladbach bietet in dieser Hinsicht einen Pflanzenpfad mit zahlreichen, zur Papierherstellung genutzten Pflanzen, eine Lumpenkammer, in der der Gestank von alten, verschmutzten Lumpen wirklich zu riechen ist, ein ohrenbetäubend laut schlagendes Lumpenstampfwerk und natürlich die Möglichkeit, an der Bütte selbst Papier zu schöpfen. Vor allem aber können Kinder und Jugendliche durch die im Museum immer häufiger praktizierte Partner- oder Gruppenarbeit individuell gefordert und gefördert werden: Das Lernen an Stationen, das sogenannte »Stationenlernen«, wird an vielen Schauplätzen des RIM erfolgreich eingesetzt. Kern des Stationenlernens ist das gemeinsame und selbstständige Lösen von Aufgaben- und Fragestellungen. Nicht selten können die Fragen dabei von den Schülern selbst generiert werden, bis zu einem gewissen Umfang bestimmen sie den Schwierigkeitsgrad und das Lerntempo selbst. Beim Stationenlernen kann auf Lernschwächen oder -defizite einzelner Schüler eingegangen werden, ohne dass diese bloßgestellt werden und ohne dass die anderen sich langweilen. Vor allem aber bietet das Stationenlernen im Museum mit »Kopf, Herz und Hand« gerade lernbehinderten Schülerinnen und Schülern die Chance, sich einem Thema ihren Fähigkeiten und ihren Interessen gemäß zu nähern. In Ratingen beispielsweise werden die Stationen zunächst inhaltlich kurz vorgestellt und die Museumsbegleitung informiert die Lehrkräfte sowie die Kinder und Jugendlichen vorab über ihre ›Freiheiten‹ (selbstständig einzuteilende Arbeitszeit und Reihenfolge der
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Stationen; bestimmte Stationen können allein, zu zweit oder zu mehreren bearbeitet werden) und ›Pflichten‹ (Hinweis auf ›Pflichtstationen‹ oder Bitte um ruhiges, rücksichtsvolles Arbeiten) beim Projekt. An allen Stationen können die Schüler/-innen selbst tätig werden. Eine Gruppe wird zu Maschinenfachleuten, die spinnen können wie vor 200 Jahren. Dabei arbeiteten die Kinder und Jugendlichen eng mit den Maschinenvorführern im Museum zusammen: einfache Handgriffe werden selbst übernommen. Eine andere erarbeitet zum Thema Kinderarbeit ein kleines Theaterstück, das am Ende des Vormittags ›Premiere‹ hat. Hier werden nachgeschneiderte Kostüme zur Verfügung gestellt, sodass die Schüler/-innen stilecht in ihre Rollen als Polizist, Fabrikantengattin oder Schulmeister schlüpfen können. Eine weitere Gruppe arbeitet mit Computerspielen und audiovisuellen Medien. Abbildung 5: Papierschöpfen am Schauplatz Bergisch Gladbach
Foto: LVR/Rheinisches Industriemuseum
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass im RIM die Programme für Menschen mit Behinderungen immer in Absprache und Rückkopplung mit ausgewiesenen Fachleuten entwickelt werden. Rat und kompetente Unterstützung in der Museumsarbeit erfährt das RIM vor allem durch seinen Träger, dem LVR. Die zahlreichen Schulen und Einrichtungen der LVR-Behindertenförderung sind unersetzliche Partner, ebenso wie die bereits skizzierte Zusammenarbeit mit Lehrerinnen und Lehrern, aber auch mit Verbänden und Vereinen. So konzipierte die Museumspädagogik am Schauplatz Ratingen gemeinsam mit dem Blindenverein Ratingen ein auf dieses Publikum zugeschnittenes Angebot anlässlich der Sonderausstellung »Kleiderlust und Körperfrust«. Die Geschichte der Mode nahm in diesem Projekt ›fühlba-
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re Formen‹ an: Nachgeschneidert wurde exemplarische Kleidung seit Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1950er Jahre. Spezielle Materialien und Schnitte, aber auch besondere »Bekleidungstechniken« konnten erfühlt werden: Um 1900 war der Reißverschluss keineswegs selbstverständlich: vielmehr musste geknöpft, gehakt und geschnürt werden. Angebote für gehörlose und hörgeschädigte Menschen Bezüglich der Zusammenarbeit mit hörgeschädigten und gehörlosen Menschen gibt es im RIM bisher leider nur wenig Erfahrungen. So existieren zum Beispiel keine Museumstexte in einer für hörgeschädigte oder gehörlose Menschen verfassten Sprache. Zu aufwendig und schwierig war es bisher auch, Führungen oder Projekte in Gebärdensprache zu organisieren, geschweige denn offensiv anzubieten. Hier zeigt sich ein Problem, dem viele Museen in ihrer Arbeit mit Behinderten gegenüberstehen: Angebote für Behinderte zu konzipieren ist zwar nicht unbedingt aufwendiger als Angebote für nicht behinderte Menschen zu erstellen, aber natürlich ist eine gewisse Planungs- und Probephase unumgänglich. Diesem ›Aufwand‹ steht derzeit leider eine im Vergleich zu anderen Museumszielgruppen sehr geringe Nachfrage gegenüber. So arbeiten sich zum Beispiel Gästeführer/-innen mit großem Engagement in Behinderten-Projekte ein, welche dann aber höchstens ein- bis zweimal im Jahr stattfinden. Dabei verlangt die Kommunikation mit behinderten Einzel- wie Gruppenbesuchern eine besondere Kompetenz: So ist beispielsweise bei der Begleitung von Hörgeschädigten oder Gehörlosen auf eine bewusst eingesetzte Mimik und Gestik zu achten und Führungen für blinde und sehbehinderte Menschen verlangen besondere Sprach- und Sprechqualitäten hinsichtlich Anschaulichkeit und Bildhaftigkeit. Behinderte Besucher auf das Museum aufmerksam zu machen oder diese an das Museum zu binden, erfordert seitens der Museumsmitarbeiter/-innen viel Zeit und einen langen Atem. Ganz vorn auf der Agenda befinden sich dabei die verbesserte Kommunikation der Angebote und die Ansprache der Zielgruppen über spezielle Informationsmedien – zum Beispiel in Leichter Sprache für lern- und geistig behinderte Menschen, über gezielte Pressearbeit und besondere Verteiler sowie natürlich über einen barrierefreien Internetauftritt. Qualität für Menschen am Beispiel Euskirchen Die bisher skizzierten Angebote richten sich in erster Linie an (angemeldete) Gruppenbesucher, die in Begleitung eines Gästeführers/einer Gästeführerin das Museum kennen lernen.
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Doch auch behinderten Einzelbesucherinnen und -besuchern soll der Museumsbesuch ermöglicht werden und Freude machen. Besonders weit in Sachen Service und Besucherfreundlichkeit ist der Schauplatz Euskirchen: Das Angebot an Sitzgelegenheiten im Innen- wie Außenbereich des Museums wurde geprüft und leicht transportierbare Klappstühle, die zugleich auch als Steh- und Gehstützen einsetzbar sind, angeschafft. Weiterhin plant das Museum, die Anzahl der bereits vorhandenen Tastobjekte, wie zum Beispiel lose Wolle, Karden, Vorgarn und gesponnener Faden, zu erweitern und über ertastbare Grundriss-/Aufrissmodelle der Fabrik sowie kleiner Maschinenmodelle zusätzliche Erschließungshilfen zu geben. Außerdem wird daran gearbeitet, eine kleine Begleitbroschüre in Brailleschrift zu erstellen. Abbildung 6: Filzen
Foto: LVR/Rheinisches Industriemuseum
Bei den museumspädagogischen Angeboten in Euskirchen sollen insbesondere die Filzprogramme, vor allem für geistig und körperbehinderte Menschen, künftig weiter ausgearbeitet werden: Beim Filzen wird die taktil-haptische Wahrnehmung geschult und es findet eine olfaktorische Sinnesförderung statt. Die mehr oder weniger rhythmische Bewegung hat beruhigende Wirkung. Es werden keine Ansprüche an das zu erstellende Produkt von außen auferlegt, man kann einfach ausprobieren und wahrnehmen, wie sich das anfühlt und was man damit machen kann. Eine Kommunikation kann sich zwanglos ergeben. Zugleich gibt es wichtige ergotherapeutische Komponenten: Förderung der Handmotorik, d.h. Schulung der Grob- und Feinmotorik. Durch die Roll- oder Reibetechnik lassen sich Verkrampfungen lösen. Jeder Filzende kann dabei das Erlebnis der Veränderung durch Eigentätigkeit selbst ›handgreiflich‹ produzieren, ganzheitlich vom Rohmaterial bis
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zum fertigen Produkt. Damit einher geht die Erfahrung der eigenen Handlungskompetenz und damit eine Stärkung des Selbstvertrauens. Die abschließende Präsentation eigener Ergebnisse vor anderen erweitert zudem soziale Kompetenzen. In Euskirchen wurde die intensive Arbeit mit und für behinderte Menschen honoriert: Auf Initiative des dortigen Museums-Fördervereins wurde 2002 ein jährlicher »Tag der Begegnung« ins Leben gerufen. Ziel der Begegnungstage im Museum ist zum einen, dass das Haus seine Angebote für Menschen mit Einschränkungen präsentiert. Zum anderen fordert das Museum zur unkomplizierten Integration von behinderten Menschen auf. Die Begegnung mit behinderten Menschen ist für das Personal des Museums wie auch für die Fördervereinsmitglieder und die externen, nicht behinderten Besucher/-innen der Veranstaltungen ein ausgesprochen positives Erlebnis, das viele Unkenntnisse, Berührungsängste und auch Vorurteile beseitigt. Abbildung 7: Tag der Begegnung am Schauplatz Euskirchen
Foto: LVR/Rheinisches Industriemuseum
Als Vorbild darf sicherlich der ebenfalls jährlich stattfindende »Tag der Begegnung« des Landschaftsverbandes Rheinland im Archäologischen Park Xanten als Deutschlands größtes Familienfest für Menschen mit und ohne Behinderung gelten.
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Literatur Carl, Hermann (2005): Zum Umgang mit Behindertengruppen – Menschlichkeit statt High Tec: Lernort Natur der Kreisjägerschaft Aachen. In: Barrierefreies Natur- und Kulturerlebnis, 16. Fachtagung des Umweltamtes des Landschaftsverbandes Rheinland, Bad Honnef, S. 134-140. Engels, Barbara (2005): Entwicklung eines Konzeptes zur Förderung der Integration von lernbehinderten Schülerinnen und Schülern im Technikunterricht der Jahrgangsstufe 7 einer Hauptschule, Schriftliche Hausarbeit am Studienseminar Siegburg im Rahmen der Zweiten Staatsprüfung, Hennef (unveröffentl.). Heitmann, Rüdiger (1996): Praxisbericht aus der Sonderschule. Wir erkunden die Gesenkschmiede Hendrichs, Museumspädagogische Arbeitsmaterialien Rheinisches Industriemuseum Solingen. Hoefs, Hartmut (1996): Offenheit macht Schule. Ein anderer Schulalltag. Bausteine für Freies Lernen in Projekten, Mülheim. Schruck, Dietmar (2005): Der Umweltbus »Lumbricus« – bewährtes Umweltbildungsangebot des Landes NRW, angepasst an die Bedürfnisse Hörgeschädigter. In: Barrierefreies Natur- und Kulturerlebnis, 16. Fachtagung des Umweltamtes des Landschaftsverbandes Rheinland, Bad Honnef, S. 141-144. Sturm, Lotte (Hg.) (1992): Erlebnis Museum. Ein Handbuch für Besucher mit Behinderungen, Essen. Wernsing, Susanne (2001): Geschichte sehen? – eine Besucherführung für Blinde im Rheinischen Industriemuseum Solingen. In: Museen im Rheinland 4/01, S. 16-19.
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Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und das Thema »Barrierefreiheit«
Wilma Otte Einleitung Zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) zählen mehr als 30 Schlossbauten und Gartenkunstwerke von europäischer Bedeutung. Wie in kaum einer anderen Kultureinrichtung sind hier über 400 Jahre Kunst-, Kultur- und Architekturgeschichte Brandenburg-Preußens erlebbar. Seit 1990 sind die Schlösser, Gärten und Parks der Potsdamer Parklandschaft von der UNESCO als Welterbe der Menschheit anerkannt. Die historischen Anlagen und Kunstschätze von Charlottenburg, Glienicke, der Pfaueninsel und Grunewald bilden in der Hauptstadt kunstvolle Höhepunkte. In Brandenburg locken die märkischen Schlösser Rheinsberg, Caputh, Königs Wusterhausen, Oranienburg und Paretz die Besucher. Zu den Hauptaufgaben der Stiftung gehört die Vermittlung der Sammlungsinhalte für alle interessierten Besucher. Kinder und Jugendliche, Spezialisten und Eventbesucher, Touristen und Einheimische – die verschiedensten Besuchergruppen suchen Bildung und Vergnügen in den Schlössern und Gärten. Doch für Menschen mit Behinderungen gibt es in allen Gebäuden und Parkanlagen unendlich viele Barrieren, historisch gewachsene und bewusst geschaffene. Erstere gehören – wie zum Beispiel Treppenstufen und die verschiedenen Höhenlagen, die das Bild des Parks Sanssouci prägen – zum Gesamtkunstwerk, Letztere, wie zum Beispiel Absperrungen und Alarmsicherungen, schützen die Bauten und Kunstwerke vor der Zerstörung durch Vandalismus und Unachtsamkeit. Möbel, Gemälde und Porzellan sind vor jeder Berührung geschützt. Skulpturen schauen von hohen Sockeln auf die Besucher, nur Waden und Zehen befinden sich in Augen- und Greifhöhe. Treppen, Schwellen und steile Zufahrten erschweren die Zugänge, historische Pflastersteine machen Parkwege und Schlosshöfe schlecht passierbar. Ein schwieriges Pflaster also für all jene Besucher, die Räder oder mehr als nur die Augen und Ohren brauchen, um das Weltkulturerbe erkunden, erleben und begreifen zu können. Die dazu notwendigen Mittel und Methoden zu finden ist in den denkmalgeschützten Schlössern und Parkanlagen oft eine besondere Herausforderung. Alle Schlösser für alle Besuchergruppen zugänglich zu machen ist schwierig. Bauliche Veränderungen sind aufgrund des Denkmalschutzes nicht immer umsetzbar. Aber es gibt Möglichkeiten, Vieles für viele Bedürfnisse aufzubereiten und auf ganz spezifische Art zu vermitteln. In der SPSG nutzen wir zwei Wege, um die vorhandenen Barrieren in un-
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seren Schlössern und Gärten abzubauen – den baulich-technischen und den Weg der Vermittlung. Beide erfordern genaue Recherchen der vorhandenen Bedürfnisse. Wer möchte die Schlösser besuchen? Welche Einschränkungen und Möglichkeiten hat diese Besuchergruppe? Sind Hilfsmittel oder Umbauten notwendig und möglich? Was ist im Rahmen des Denkmalschutzes möglich, was können wir baulich verändern oder mit reversiblen Hilfsmitteln zugänglich machen? Im Folgenden werden einzelne barrierefreie Projekte und Angebote für unterschiedliche Bedürfnisgruppen exemplarisch vorgestellt: Auf ganz speziellen Wegen durch das Schloss Die zunächst ins Auge fallende Besuchergruppe sind natürlich die Rollstuhlfahrer. Für sie ist die Schaffung von Zugangsmöglichkeiten besonders dringlich. Aufzüge, Hebelifte, Rampen und Schienen sind die Hilfsmittel, die einen Schlossbesuch in den meisten Fällen erst ermöglichen. Doch Treppenstufen und steile Schrägen sind nicht das einzige Problem. Ebenso schwierig ist das Befahren kleiner enger Korridore, Durchgänge und Räume. Und nicht minder wichtig – die Augenhöhe. Mitten in einer Gruppe sehen die im Rollstuhl sitzenden Besucher Knie und Hinterteile – aber kein Gemälde, keinen Marmorkamin und kein Porzellangefäß. Ganz sicher kein genussvoller Schlossbesuch! Viele Probleme also, für die Lösungen zu finden sind. Am Beispiel des Schlosses Rheinsberg ist der SPSG eine bauliche und logistische Lösung gelungen. Den Anstoß dazu gab eine örtliche Besonderheit – der Bau eines speziell auf die Bedürfnisse körperbehinderter Menschen ausgerichteten Hotels durch die Fürst-Donnersmarck-Stiftung. Die Hotelgäste sind natürlich daran interessiert, alle kulturellen Angebote im Umkreis ihres Urlaubsortes zu nutzen. Was liegt da näher als das Schloss. Doch ein Schlossbesuch war für Rollstuhlfahrer unmöglich. Verwinkelte Räume, viele Treppen, kein Aufzug und viel zu kleine Türdurchgänge – das malerisch am Grienericksee gelegene Gebäude war nur von außen zu besichtigen. Und das taten die Hotelgäste auch. Sie waren im Stadtbild präsent, besuchten Schlosspark und Ehrenhof – ihr Interesse war nicht zu übersehen. Es gab Gespräche mit allen zuständigen Stiftungsmitarbeitern und mit Mitarbeitern der Fürst-Donnersmarck-Stiftung. Eine Zugangsmöglichkeit zu finden war nicht leicht – aber möglich. Ein Bereich des Schlosses, in dem es bereits früher Umbauten gegeben hatte, wurde als Standort für einen Lift ausgewählt. Der ist zwar relativ klein und nur für jeweils einen Rollstuhl pro Fahrt zugelassen – aber der Zugang ist nun möglich. Für den nur über Sandsteinstufen begehbaren Bereich der Sommer-
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wohnung wurden handelsübliche Rampen aus Riffelblech angeschafft und an den Auflagestellen so unterlegt, dass an dem originalen Material kein Schaden entsteht. Auch eine Besichtigungsroute durch das Schloss wurde gefunden, erschwert dadurch, dass viele Räume und Türen so schmal sind, dass Rollstühle diese Bereiche nicht befahren können und alle Räume durch Türschwellen getrennt sind. Die Schwellen wurden von eigenen Mitarbeitern so verändert, dass ein unkompliziertes Überfahren möglich ist. Rollstuhlfahrer werden jetzt auf einer speziellen Route von einem Schlossführer begleitet und können einen großen Teil des Hauses besichtigen. Wegen der Sicherheit und der Enge der Räume können maximal vier Rollstuhlfahrer gleichzeitig an solch einem Rundgang teilnehmen. Mit dem Hotel gibt es Vereinbarungen über einen Anmeldemodus, der es allen Gästen ermöglicht, das Schloss während des Hotelaufenthaltes zu besuchen. Individualbesucher können dieses Angebot ebenfalls nutzen. Sicher nicht die ideale Lösung – aber doch ein Kompromiss, der die Substanz des Denkmals schont und allen Besuchern Rheinsbergs Einblicke in das idyllische Sommerschloss des preußischen Kronprinzen ermöglicht. Schloss Rheinsberg ist auch ein Beispiel für die Abstimmung der durchgeführten Maßnahmen auf die jeweiligen örtlichen Besonderheiten. Hier war es die Zielgruppe der körperbehinderten Besucher, die starkes Interesse am Besuch des Schlosses zeigten, an anderen Orten gibt es andere Bedürfnisse. Ein Schloss in ›greifbarer Nähe‹ Im Jahr 2000 hat die SPSG nach langer Restaurierungszeit das Schloss Königs Wusterhausen eröffnet. Da in der Stadt die Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte ansässig ist, war es unser Anliegen, den Schülern dieser Einrichtung die Wahrnehmung des Schlosses als stadtbildprägendes Bauwerk zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde in direkter Nähe des Schlosseingangs ein Bronzemodell des gesamten Schlossbereichs aufgestellt. Das Bauwerk und seine Umgebung sind hier maßstabgerecht ›begreifbar‹. Und auch im Innern des Schlosses gibt es die Möglichkeit, sich mit dem Tastsinn über die Zeit des Schlosserbauers, das Aussehen seines Schlosses und das seiner Zeitgenossen zu informieren. Da es unmöglich ist, Gemälde in dreidimensionale Darstellungen zu ›übersetzen‹, wurde zumindest das Kleid einer hier porträtierten Prinzessin perfekt nachgeschneidert und ist so in Form und Material auch für sehbehinderte Menschen erfassbar. Auch die Uniform eines Prinzen ist so zu erleben. Und einige der wenigen Ausstattungsstücke, wie ein
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über dem Kamin angebrachtes Relief mit einer Götterfigur, die hier erhalten sind, kann diese spezielle Besuchergruppe ebenfalls erfühlen. Bauliche Veränderungen und technische Hilfsmittel sind wichtig, um jedem Besucher den ganz individuellen Zugang zu den Zeugnissen unserer Geschichte zu ermöglichen – doch gerade bei Besuchern mit Behinderungen ist eine zielgruppenspezifische Aufbereitung der Inhalte bei Führungen und anderen Veranstaltungen oder auch durch verschiedene Hilfsmittel unumgänglich. Seide raschelt und Marmor fühlt sich kühl an … In den Schlössern der SPG werden die Besucher meist von Schlossführern durch die Ausstellungsräume geleitet. Gruppen, die maximal 40 Personen umfassen, erhalten in jedem Raum Informationen zur Geschichte und zu den hier vorhandenen Objekten. Auf spezielle Bedürfnisse einzugehen ist so gut wie unmöglich, das Berühren von Möbeln oder Stoffen streng verboten. Für Besucher mit Behinderungen sind solche Rundgänge weder Bildung noch Genuss. Kurz – sie haben ganz einfach nichts davon. In für sie viel zu kurzer Zeit sollen sehbehinderte Besucher mitten in einer Gruppe von Menschen und durch Erklärungen, die für Sehende bestimmt sind, ein Raumerlebnis oder einen Wissenszuwachs erlangen – unmöglich. Gehörlose Besucher bleiben uninformiert, Besucher mit geistigen Behinderungen sind überfordert. Hier gibt es die Möglichkeit, Sonderführungen zu buchen: Nach genauer vorheriger Absprache werden die Veranstaltungen speziell auf die Wünsche und Möglichkeiten der Besucher abgestimmt und die für die jeweiligen Bedürfnisse günstigsten Voraussetzungen geschaffen. Das beginnt mit der Suche des passenden Ortes. Schloss Sanssouci ist natürlich das stets gewünschte Besuchsziel – für diese Zielgruppe aber denkbar ungeeignet. Hier ist es immer voll, die Räume sind klein und die Gruppe muss sich streng an den vorgeschriebenen Zeitplan halten. Doch der Erbauer Sanssoucis, Friedrich II., beherbergte kaum 100 Meter entfernt von seinem eigenen Sommersitz im Schloss Neue Kammern seine Gäste. Und auch hier kann man ein friderizianisches Schloss erleben. Es ist ebenerdig, licht und mit großen Sälen ausgestattet. Der Besucherandrang ist kleiner als im Schloss Sanssouci und, der wichtigste Punkt, die Führung kann flexibel gestaltet werden. Je nach Möglichkeit der Besucher kann es schnell oder langsam gehen. Ohne von der nachfolgenden Gruppe gedrängt zu werden, können die Schlossbesucher hier alle Sinne und auch ihren Körper einsetzen, um das Schloss zu erleben. Sie tun das, indem sie die Säle in
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ihrer ganzen Breite und Länge abschreiten, die Breite der Spiegel erfühlen und mithilfe des Schalls die Höhe der Räume hören. Die Jaspis- und Marmorfußböden fühlen sich kühler an als die aus Gips geformten Stuckornamente und der Taft, der die Wände schmückt, ›schreit‹, wenn man mit dem Fingernagel über eine nachgewebte Stoffprobe streift. Das Schloss ist ein Ort, der für alle Sinne erlebbar ist. Natürlich gibt es dazu auch die mündlichen Erläuterungen und genaue Beschreibungen dessen, was die Besonderheiten der Schlösser und Gärten ausmacht. Und auch für den, der Sprache sehen muss, wird es schon im nächsten Sommer ein Angebot geben: Per GPS-System werden diese Besucher in der Gebärdensprache durch den Park rund um das Schloss Sanssouci geleitet. Rück- und Ausblick Denkmalgeschützte Bauten und Gartenanlagen und Barrierefreiheit sind auf den ersten Blick Begriffe, die nicht wirklich gut miteinander zu vereinbaren sind. Fragen wie: »Wollen die Rollstuhlfahrer denn überhaupt ein Schloss besuchen?«, oder ›good will‹-Sätze wie: »Wir helfen dann schon, wenn so einer rein will«, zeigen, dass in unserer Gesellschaft der Umgang mit Menschen mit Behinderung ein immer noch nicht selbstverständlicher ist. Und in Museen als Teil dieser Gesellschaft, also auch in der SPSG, spiegeln sich Unsicherheit und Unwissenheit wider. Neben den Barrieren in den Häusern gilt es, die Barrieren in den Köpfen abzubauen und immer wieder die Notwendigkeit der verschiedenen Angebote anzumahnen – übrigens auch und vor allem durch die Betroffenen selbst! Ein Anfang ist mit den beschriebenen Aktivitäten gemacht, und auch ein zweiter aus meiner Sicht sehr wichtiger Schritt ist bereits getan: Eine kleine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern der Baudenkmalpflege und der Abteilung Marketing wird sich intensiv mit der barrierefreien Gestaltung der Schlösser und Gärten beschäftigen. Am Beispiel eines ›Pilotprojektes‹ werden wir versuchen, alle möglichen und aus Sicht der Denkmalschützer vertretbaren Barrieren auszuräumen und den Dialog mit Betroffenen aber auch mit Kollegen aus anderen Schlösserverwaltungen zu suchen. Auch die Website der SPSG wird im kommenden Jahr barrierefrei gestaltet werden.
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Ich denke, wir sind auf dem Weg, »Vieles für Viele« zugänglich und erlebbar zu machen, ein gutes Stück vorangekommen – aber längst noch nicht am Ziel. Und ich wünsche mir, dass die ›Betroffenen‹ ihre Wünsche sehr viel offensiver an uns und alle anderen kulturellen und sonstigen gesellschaftlichen Einrichtungen herantragen.
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Anne Funke ➔ Barrierefreier Tourismus im Saarland
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Barrierefreier Tourismus im Saarland
Anne Funke Einleitung Reisen, Kultur- und Freizeitgestaltung sind wichtige Wünsche im Leben des Menschen. Auch heute ist dies für die meisten Familien eine Selbstverständlichkeit und ein wesentlicher Bestandteil des Familienlebens geworden, auch für Familien, in denen Angehörige mit einer Behinderung leben. Die Betroffenen wollen selbst, wie alle anderen auch, im Rahmen ihrer Möglichkeiten über Ort, Zeit und individuelle Gestaltung ihres Urlaubs entscheiden. Mit barrierefreiem Tourismus oder auch »Tourismus für Alle« soll »jede Person in der Lage sein, zu reisen zu einem Land, innerhalb eines Landes oder zu der Destination, Sehenswürdigkeit oder Veranstaltung, die sie besuchen möchte«. (BMWA 2003: 2) Barrierefreier Tourismus ist nicht ein Tourismus für Menschen mit Behinderung, sondern ein Qualitätstourismus, der allen – mit oder ohne Behinderung, älteren Menschen, schwangeren Frauen und Familien mit Kinderwagen – ermöglicht, reizvolle touristische Angebote ohne Einschränkungen barrierefrei nutzen zu können. Die Teilnahme von Menschen mit Behinderung am aktiven Leben muss nicht mehr gerechtfertigt werden und ist Bestandteil des Grundgesetzes. Doch die Betroffenen treffen in der Realität noch immer auf Hindernisse, beispielsweise zu wenige barrierefreie Hotels und Restaurants, unzugängliche Kultur- und Freizeitangebote. Schon ein kurzer Blick ins Internet zeigt die noch zu leistende Arbeit: Zum Beispiel auf den Seiten einer der bekanntesten Online-Enzyklopädien wie »Wikipedia« ist eine ausführliche Definition für »Tourismus« zu finden. Es wird auf die Spezifizierung des Reisezwecks eingegangen und die verschiedenen Aspekte wie Bade-, Ski-, Erlebnis-, Kulturtourismus usw. werden in Sonderartikeln behandelt, aber auf keiner Seite erscheint der Begriff »barrierefreier Tourismus« oder »Tourismus für Alle«.1 Allerdings zeigt eine weitere Durchforstung der Suchmaschinen, dass sich beide Begriffe vermehrt durchsetzen.2 Dass »Tourismus für Alle« besser angenommen wird als »barrierefreier Tourismus«, liegt vermutlich an der Errichtung der
1 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Tourismus, http://de.wikipedia.org/wiki/Kulturtou rismus vom 01.09.2006. 2 Über die Suchmaschine Google.de: Bei »Tourismus« als Suchbegriff werden 87.000.000 Einträge gegeben, 36.600 bei »Tourismus für Alle« und 37.100 bei »Barrierefreier Tourismus«.
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Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für Alle e.V. (NatKo) und der Internetseite www.tourismus-fuer-alle.de.3 »Ein Tourismus ohne Barrieren erfordert ein weiterhin enges Zusammenwirken von öffentlicher Hand, privaten Unternehmen, Behindertenverbänden und der Tourismuswirtschaft. Alle gemeinsam sind in die Pflicht genommen, Bandbreite und Qualität der touristischen Angebote für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Menschen mit Seh-, Hör- oder Lernbeeinträchtigung nach und nach zu verbessern.«4 Wie kann auf Landesebene ein barrierefreier Tourismus initiiert, die unterschiedlichen Angebote verknüpft und die gesamte touristische Servicekette ausgebaut werden? Der Bericht setzt sich mit diesen Gedanken, Schwierigkeiten und Realisierungen um den Ausbau der kompletten touristischen Servicekette im Saarland auseinander. Zunehmende und attraktive Zielgruppe Allein durch die soziodemografische Entwicklung wird sich die Zahl derer, die in ihrer Orientierung oder Bewegung eingeschränkt sind, in den nächsten Jahren ständig erhöhen. Derzeit leben in Deutschland fast 7 Mio. Menschen mit einer Behinderung und im Saarland rund 85.600, davon 8300 mit außergewöhnlicher Gehbehinderung (»aG«), 36.000 mit erheblicher Gehbehinderung (»G«).5 Europaweit wird der Anteil der von einer Mobilitätsbehinderung betroffenen Menschen für die planbare Zukunft von der Europäischen Verkehrsministerkonferenz sogar mit über 30 Prozent der Bevölkerung angenommen (vgl. ADAC 2003). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass behinderte Menschen im Tourismus nicht eine Nischenzielgruppe, sondern in der Summe ein erhebliches Nachfragepotenzial darstellen (vgl. zusammenfassend Ranegger 2006). Alljährlich geben sie rund 3 Mrd. € für Urlaubsreisen in Deutschland aus (1,6 Mrd. € im übernachtenden Reiseverkehr und 1,5 Mrd. € im Tagestourismus). Bereits zum jetzigen Zeitpunkt könnten unter bestimmten Voraussetzungen, basierend auf diesem Umsatzvolumen, nahezu 90.000 Vollarbeitsplätze allein für die Ausflugs-, Kurz-, Urlaubs- und Geschäftsreisen von Menschen mit Behinderungen in Deutschland geschaffen werden, wie eine Untersuchung des Bundesministeriums für Wirtschaft von 2003 belegt (vgl. BMWA 2003: 36). 3 Natko: www.natko.de und http://tourismus-fuer-alle.de mit der weiteren Bibliografie von Peter Neumann zum Thema. 4 Klaus Reppel, aus: www.reppel.de/cgi-bin/mt-tb.cgi/508 vom 01.09.2006. 5 Zahlen des saarländischen Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Stand vom 10.01.06.
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Die Reisefreudigkeit dieser Zielgruppe könnte mit einem den Anforderungen entsprechenden Angebot in Deutschland noch bedeutend gesteigert werden: Fast 50 Prozent der Menschen mit Behinderungen haben schon auf einen Urlaub verzichtet, weil passende barrierefreie Angebote oder Dienstleistungen gefehlt haben (vgl. ebd.: 11). Das »Europäische Jahr der Menschen mit Behinderung 2003« hat zahlreiche Anstöße auf europäischer Ebene gegeben. Förderprogramme und Gesetze sind verabschiedet worden, ihre Umsetzung auf nationaler Ebene wird nach und nach durchgeführt. Darüber hinaus versuchen viele Länder, Impulse für angehende Projekte aus den europäischen Initiativen zu bekommen, wie zum Beispiel ECA (European Concept for Accessibility, vgl. EDAD 2005), das sich in erster Linie mit der baulichen Barrierefreiheit und auch mit der Zugänglichkeit von Verkehrsmitteln, Elektronik-, Informationsund Kommunikationssystemen sowie Dienstleistungs- und Serviceangeboten auseinandersetzt;6 »Euforme«, ein Konzept für »Tourismus für Alle« mit entsprechenden Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen oder »Equal«, eine europäische Gemeinschaftsinitiative, die durch lokale Projekte Erwerbschancen für Arbeitssuchende im barrierefreien Tourismus anbietet.7 Solche Projekte sind auf langfristige Sicht wichtig: Sie helfen, die Lobby für die Belange von Menschen mit Behinderungen zu stärken und einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen. Trotzdem gibt es noch keine Vereinheitlichung der Kriterien für Barrierefreiheit. Aus diesem Grund sind punktuelle grenzüberschreitende und klar definierte Projekte wichtig. Sie ermöglichen einen unbeschwerten Austausch zwischen Partnern von Grenzregionen über die administrative Ebene hinaus und die Durchsetzung kleinerer Projekte, die anschließend wie Motoren für weitere, breitere Verfahren wirken. Situation im Saarland Die erste Bedingung für einen »Tourismus für Alle« ist die Umsetzung der baulichen sowie informativen Barrierefreiheit. Im Saarland wird sie gesetzlich durch die saarländische Landesbauordnung (LBO) und für den öffentlichen Bereich durch das Landesgleichstellungsgesetz (Saarländisches Behindertengleichstellungsgesetz SBGG) festgelegt. Das Gleichstellungsge6 Vgl. www.euforme.net vom 01.09.2006. 7 Im Land Brandenburg läuft z.Zt. das Projekt »FAIRWAY – Neue Wege zu selbstbestimmtem ErwerbsLeben durch mehr Barrierefreiheit«. Dabei wird eine Qualifizierungsmaßnahme für ProduktmanagerInnen im Tourismus (IHK/IMB) sowie Call-Center-Agents (IHK/IMB) angeboten. S. www.ltv-brandenburg.de vom 01.09. 2006.
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setz gibt allerdings nur den Rahmen für die Träger öffentlicher Gewalt, wichtig ist aber, dass eine baldige Umsetzung im privaten Bereich stattfindet und dort auch der »Zugang für Alle« freiwillig gewährleistet wird. Mehr als andere Felder ist der Bereich Tourismus abhängig von einer Verzahnung zwischen Öffentlichem und Privatem. Dadurch kann Tourismus auf lange Sicht die Möglichkeit der Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben beeinflussen. Dabei ist es im Sinne der Betroffenen wichtig, die Barrierefreiheit mit gleichen Kriterien in beiden Bereichen zu messen. Verlässliche Labels sind dafür ein stabiler Grundstein zum qualitativen Ausbau der touristischen Servicekette. Im Saarland ist die Vergabe von Labels im letzten Landesbehindertenplan empfohlen worden und wird demnächst mit dem Projekt »EureWelcome/Eurecard« umgesetzt. Zurzeit existieren keine standardisierten barrierefreien Kriterien auf europäischer Ebene; so haben Länder mit unterschiedlichen Maßstäben Labels ins Leben gerufen: Das Label »EureWelcome« existiert grenzüberschreitend in der »Euregio Maas-Rhein«: Grenzregionen aus den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Rheinland-Pfalz sind an dem Projekt beteiligt, das Saarland ist seit Anfang 2006 neues Mitglied in diesem Verbund und hat sich bei Abschluss des Vertrages dafür engagiert, Lothringen für das Projekt zu gewinnen. Die grenzüberschreitende Arbeit ist erfolgreich, weil sie auf einer langjährigen Zusammenarbeit mit den Partnern ruht. Das Saarland hat gemeinsam mit Luxemburg schon mehrere Projekte durchgeführt, einige werden hier noch vorgestellt. Dabei sind die Erstellung von Kriterien und Checklisten sowie Erfahrungen über die Durchführung des Labelverfahrens in intensiver Zusammenarbeit besprochen und aufgestellt worden. Derzeit wird keine Unterscheidung in den verschiedenen Feldern der touristischen Servicekette gemacht, um ihre barrierefreie Entwicklung zu verankern, d.h. es wird nicht zwischen barrierefreiem Kulturtourismus, barrierefreiem Sporttourismus oder barrierefreiem Gastronomietourismus unterschieden. Anbieter von öffentlichen Verkehrsmitteln, Gastronomie, Hotellerie werden genauso sensibilisiert wie Verantwortliche in den Bereichen Kultur und Freizeit. Es wird erwartet, dass die Erfahrungen in einem Bereich Vorbild und auch Anreiz für andere Bereiche sein können: Ein barrierefreies Museum ohne barrierefreie Gastronomie in der Nähe ist zum Beispiel nicht so attraktiv wie ein Museum mit entsprechendem barrierefreien Umfeld. Daneben ist die Gruppendynamik zu beachten: Die meisten Menschen – ob mit Behinderung oder ohne – schätzen den gesellschaftlichen Umgang und gehen gerne mit Begleitung zu Veranstaltungen, Museen, Kinos usw. Dabei ist es selten, dass auch in einer Gruppe ohne mobilitätseingeschränkte Teilnehmer alle die gleiche Ausdauer haben. Abweichungen und Rückzugsmöglichkeiten werden von vielen Teilnehmern begrüßt und sorgen für einen angenehmen Ausflug. Sind diese Möglichkeiten nicht vorhanden,
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werden sich einige Menschen von geselligen Runden zurückziehen und weniger weggehen. Barrierefreier Tourismus Saarland/Luxemburg: Sensibilisierungsarbeit und Broschüren Um »Tourismus für Alle« in der Saar-Lux-Region zu verankern, haben sich seit mehreren Jahren das saarländische Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales, das luxemburgische Ministère de la Famille et de l’Intégration und der ADAC-Saarland e.V. für gemeinsame Projekte in diesem Bereich eingesetzt. Ziel der Partner war es, zuverlässige Informationen über barrierefreie Angebote für die Betroffenen zu liefern und gleichzeitig Anbieter für das Thema zu sensibilisieren. Eine zweisprachige Broschüre (deutsch und französisch) war dabei ein guter Anfang, woraus bis heute vier Broschüren entstanden sind. Nachdem die erste 20 Ausflugsziele im Jahre 1998 aufnehmen konnte, sind in der letzten Broschüre »Barrierefreier Tourismus für Alle, Saarland/Luxemburg« im Frühjahr 2006 bereits 80 Ziele vorgestellt worden (vgl. Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales/ADAC Saarland e.V./Ministère de la Famille et de l’Intégration 2005). Dazwischen wurde der »Barrierefreie Hotel- und Restaurantführer für Alle« im März 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Kooperation soll in Kürze mit der Teilnahme Lothringens erweitert werden, erste Kontakte mit dem Conseil Général de la Moselle sind bereits geknüpft. Ziel der letzten Broschüre »Barrierefreier Tourismus Saarland-Luxemburg« ist es, attraktive und außergewöhnliche kulturelle und touristische Angebote in Luxemburg und dem Saarland vorzustellen. Diese Ziele sind sowohl für behinderte als auch für nicht behinderte Menschen von Interesse. Gleichzeitig tragen sie dazu bei, das kulturelle Erbe der Region zu erhalten. Drei Schwerpunkte sind dabei berücksichtigt worden: Museen, Sehenswürdigkeiten und Natur. Insgesamt werden 80 Objekte aus der Großregion Saar-Lor-Lux präsentiert (inklusive dreier Ziele aus Lothringen und einem aus der Pfalz). Vom Weltkulturerbe Völklinger Hütte über die Museen des Saarländischen Kulturbesitzes zum Musée National Luxembourgeois d’Histoire et d’Art und dem Grand Théâtre Municipal von Luxemburg sind ca. 45 Ziele der Broschüre Museen oder kulturelle Einrichtungen, die restlichen sind Gärten, Wanderwege oder Freizeiteinrichtungen. Die Angaben in den Info-Schriften sind für die Betroffenen verlässlich, damit sie beim Antritt ihres Urlaubes keine ›Überraschung‹ erleben. Daher sind alle 80 beschriebenen Objekte durch geschulte Kräfte überprüft worden. Geknüpft an das Angebot barrierefreier Hotels und Restaurants in der Region Saar-Lux, können die Nutzer interessante Touren mit zahlreichen Schwerpunkten buchen (Natur, Kultur, Sehenswürdigkeiten). Das nächste
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Ziel soll sein, die professionellen Anbieter zu motivieren, diese Angebote bekannt zu machen. Die Unterstützung des ADAC Saarland und der Tourismus-Zentrale des Saarlandes ist dabei für eine weitere Vernetzung wichtig. Der zweisprachige Text der Broschüre versucht in einer Leichten Sprache, die wichtigen Informationen wie in einem gängigen Reiseführer wiederzugeben. Nach einer kurzen Beschreibung des Objektes liegt der Schwerpunkt in den Informationen, die für mobilitätsbehinderte Menschen jeden Alters relevant sind. Falls vorhanden, wurden auch weitere Informationen, die für blinde oder sehbehinderte, schwerhörige und lernschwache Menschen wichtig sind, mit angegeben. Auch auf die Verwendung von Piktogrammen wurde bewusst verzichtet, um Interpretationsfehler zu vermeiden. Piktogramme sind im barrierefreien Bereich bundes- sowie auch europaweit noch nicht standardisiert und können durch die Vielfalt der möglichen Darstellungen immer wieder falsch interpretiert werden. Im Saarland und in Luxemburg wird eine detaillierte Erklärung immer vor einem Piktogramm bevorzugt. Für blinde Menschen liegt die Broschüre nicht in Brailleschrift vor, allerdings ist eine barrierefreie Schriftform ausgesucht worden und das gesamte Layout folgt den neu entwickelten, barrierefreien Druckbestimmungen. Gleichzeitig werden die letzten Broschüren ins Internet gestellt (PDF-Datei). Der Nutzer kann sich, wenn notwendig, Exemplare mit größerem Schriftbild ausdrucken. Merkmale einer barrierefreien Broschüre • verlässliche und detaillierte Angaben: u.a. Toiletten, Parkplätze, Wege, Öffnungszeiten usw., ohne Piktogramme; • barrierefreie Schriftform; • Ausdruck aus dem Internet mit größerem Schriftbild möglich; • handliches Format mit festem Papier. Das Label »EureWelcome«: Grenzen dürfen nicht ausgrenzen – Barrierefreiheit in der Grossregion Maas-Rhein-Mosel-Saar Um die verschiedenen barrierefreien Aktivitäten und die Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben in der Großregion trotz unterschiedlicher administrativer Strukturen weiter zu fördern, ohne in der manchmal wenig beweglichen europäischen Bürokratie zu versinken, ist die von der Europäischen Union finanzierte Initiative »Euregio for all« gegründet worden. Das Motto »Grenzen dürfen nicht ausgrenzen« sieht als Forderung eine grenzüberschreitende Kooperation für mehr Mobilität und Akzeptanz für Menschen mit Behinderung in der »Euregio Maas-Rhein-MoselSaar« vor. Diese Initiative basiert auf schon entstandenen gemeinsamen Projek-
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ten, wie dem Projekt »Eurecard/EureWelcome«. »Eurecard« ist eine Servicekarte und »EureWelcome« ein Label. Beide haben Menschen mit Behinderung als Zielgruppe. Das Label »EureWelcome« basiert auf festgelegten messbaren, baulichen und technischen Kriterien und der Bereitschaft, den Kunden/Besucher mit oder ohne Behinderung respektvoll zu empfangen. Dies sind die Bedingungen, die von den Anbietern zu erfüllen sind, um das Label führen zu können. Eine gründliche und fachliche Untersuchung der Anlagen und die Unterzeichnung einer Charta sind die Garantie für den Nutzer. Die Kriterien für das Label evaluieren in erster Linie die bauliche Barrierefreiheit eines Betriebes: Von den Parkplätzen bis zu den akustischen Signalen im Aufzug wird alles gründlich untersucht und überprüft, dabei steht die Zugänglichkeit im Vordergrund. Zusätzlich werden weitere Kriterien wie die Qualität des Empfanges, die Vielfalt der Führungen, der Einsatz von technischen Hilfen (Induktionssystem für Hörgeschädigte, Tastführungen für blinde Menschen usw.) berücksichtigt. Ein ausführlicher Fragebogen (»EureWelcome«-Checkliste) ist zu diesem Zweck entworfen worden und hilft bei der Bewertung der verschiedenen Daten. Die Erhebungen werden immer von anerkannten, ausgebildeten Kräften durchgeführt und bearbeitet. Danach werden die Daten in St. Vith (Belgien) zentral gesammelt und im Internet unter der Adresse www.eurecard.org vorgestellt. Das Label »EureWelcome« kann auch Orten und Gebäuden zuerkannt werden, bei denen die Barrierefreiheit noch nicht vollkommen ist. Eventuelle Mängel in der baulichen Zugänglichkeit können durch einen respektvollen Umgang gegenüber Kunden oder Besuchern mit einer besonderen Aufmerksamkeit für Personen mit spezifischen Bedürfnissen oder mit einer eingeschränkten Mobilität ausgeglichen werden. Dazu verpflichtet sich der Anbieter mit seiner Unterschrift auf der Charta. Großer Vorteil dieses Labels ist – wie der Name es suggeriert – seine Anerkennung außerhalb der Grenzen unseres Landes. Besucher aus der »Euregio Maas-Rhein-Mosel-Saar« können mit Leichtigkeit die barrierefreien Orte identifizieren. Aus diesem Grunde ist für jede Region eine gewisse Freiheit in der Festlegung der Kriterien gegeben. Damit können jeweilige Landes- oder Bundesverordnungen bzw. Zielvereinbarungen mit den Verbänden berücksichtigt werden. Auch in der Präsentation und Öffentlichkeitsarbeit ist eine große Kreativität und Gestaltungsmöglichkeit zugelassen. Die an die Labels geknüpften Garantien:
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• Die Vergabe des Labels ist an die Besichtigung der Örtlichkeiten und die Erstellung einer Bestandsaufnahme durch ausgebildete Fachkräfte gebunden. • Die Bestandsaufnahme der besichtigten Örtlichkeiten muss auf Anfrage verfügbar sein, damit die Kunden oder Besucher einschätzen können, ob ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen wird (www.eurecard. org). Das Label »EureWelcome« ist ein Zeichen für Qualität; das damit verbundene aufgewertete Image betrifft nicht nur die Anbieter, sondern auch die Benutzer, die per Internet, Broschüren usw. bequem zuverlässige und detaillierte Informationen über die Barrierefreiheit eines Ortes bekommen können. Das Label soll schnellstmöglich Prestigewert bekommen und damit ein Anreiz für weitere Anbieter sein – und Nachmachen ist natürlich gewünscht. Mit der Vergabe des Labels und der Charta »EureWelcome« ist die Aktion »EureCard« mit eingebunden. Diese Servicekarte wird in der »Euregio for all« verteilt und hat als Grundlage die Idee, dass Museen, Freizeiteinrichtungen usw. Informationen über Barrierefreiheit oder pädagogische Programme nach unterschiedlichen Schwerpunkten (Tastführungen, Führungen mit Gebärdendolmetscher etc.) und/oder Nachteilsausgleiche für Menschen mit Behinderungen anbieten. Die Betriebe/Einrichtungen, die sich an dem Projekt beteiligen möchten, müssen nicht sofort das Label »EureWelcome« besitzen. Sie werden aber im Rahmen von Informationsgesprächen über Sinn und Vorteile einer hohen Barrierefreiheit informiert. Gewünscht ist, dass sie bald Veränderungen unternehmen, falls die Voraussetzungen nicht entsprechend sind. Im Saarland wird die »EureCard« automatisch zusammen mit dem Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Dadurch erhalten die Betroffenen einen privilegierten Zugang zu den unter dem Label geführten Institutionen und können auch über Veranstaltungen, Programme und Sonderangebote der Großregion direkt informiert werden. Nachteilsausgleiche, falls vorhanden, werden von den an dem Projekt teilnehmenden Institutionen grenzüberschreitend durch die Servicekarte gewährt (was mit dem Schwerbehindertenausweis alleine nicht der Fall ist). Die »EureCard« bietet den Institutionen auch die Möglichkeit, sich zu profilieren und an ein größeres Kundenpotenzial zu kommen. Anbieter bekommen die Möglichkeit, eine kostenlose Verlinkung mit der Internetseite www.eurecard.org zu erstellen und gezielt Werbung und Sonderangebote über diese Internetseite anzubieten. Auf Landesebene werden die Mitglieder des Sozialverbandes VdK die Erhebungen anhand der Checkliste durchführen. Der Sozialverband VdK ist mit ca. 32.000 Mitgliedern der größte Sozialverband im Saarland und hat eine fundierte Kenntnis über die Bedürfnisse von Menschen mit Behinde-
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rungen, die sie zum großen Teil vertritt. Das ganze Projekt wird im Saarland von der »Abteilung Soziales/Politik für behinderte Menschen« im Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales und vom Landesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen koordiniert. Gleichzeitig werden von dort Schulungen und Seminare über barrierefreie Zugänglichkeit von Gebäuden und Empfang von Menschen mit Behinderungen für die in das Projekt einbezogenen Mitarbeiter sowie für die Anbieter angeboten. Ausblick Eine Herausforderung für die ganze Großregion, und damit die Möglichkeit, tiefgreifender für die Barrierefreiheit zu werben, stellt das Jahr 2007 mit Luxemburg und dessen Großregion als Kulturhauptstadt dar. Bei den Veranstaltungen wird gezielt auf eine bauliche Zugänglichkeit geachtet, aber auch die Internetinformationen sollen barrierefrei gestaltet werden, um die Recherchen von blinden Menschen und/oder Menschen mit Lernschwierigkeiten im Internet zu erleichtern.8 Gleichzeitig werden die gesammelten Informationen über die Barrierefreiheit der Orte leicht im Internet abrufbar werden, Führungen werden gezielt für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen organisiert. ADAC und Tourismus-Zentrale sind als Multiplikatoren beteiligt. Die mit dem Projekt »Kulturhauptstadt 2007« verbundenen Institutionen werden über das grenzüberschreitende Projekt »EureCard/EureWelcome« informiert. Resümee Die Initiativen für den vollständigen Ausbau der barrierefreien Tourismuskette zeigen schon Wirkung. Es gibt jedoch noch viel zu tun: Trotz kontinuierlichem Engagement und einer unterstützenden Gesetzgebung für das Thema sind Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen noch mit vielen Barrieren konfrontiert. Sensibilisierungsarbeit, Information und Vernetzung sind notwendig, um die selbstbewusste Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. So auch der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der darauf hinwies, »dass Behinderung nur als Verschiedenheit aufgefasst wird, […] ein Ziel ist, um das es uns gehen muss«. Eine verstärkte Anwendung des zu selten eingesetzten Instrumentes – der Zielvereinbarungen zwischen anerkannten Verbänden und Vereinbarungspartnern – könnte durch ihre praxisorientierte Wirkung auch zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen. 8 Siehe den Beitrag von Jan Eric Hellbusch in diesem Band sowie Heiserholt 2005 und Hellbusch 2005.
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Am 12. März 2005 haben der DEHOGA-Bundesverband, der Hotelverband Deutschland und fünf anerkannte Behindertenverbände die erste bundesweite Zielvereinbarung nach dem Behindertengleichstellungsgesetz geschlossen. Eine verlässliche und mit konkreten Inhalten hinterlegte Kennzeichnung barrierefreier Restaurants und insbesondere Hotels sind für behinderte Reisende eine Voraussetzung, um ihre Urlaubs- und Geschäftsreisen planen und durchführen zu können, so die Initiatoren. Damit ist der Grundstein für eine Standardisierung der Kriterien in der Barrierefreiheit im Tourismusbereich gelegt worden. Viele touristische Anbieter haben schon nachgefragt, um sich entsprechend zu orientieren. Der saarländische Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen hat in diesem Sinne den Landesverbänden seine Unterstützung bei der Durchführung von Zielvereinbarungen zugesichert. Literatur Allgemeiner Deutscher Automobil Club e.V. (ADAC) (2003): Barrierefreier Tourismus für Alle. Eine Planungshilfe für Tourismus-Praktiker zur erfolgreichen Entwicklung barrierefreier Angebote, München. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) (Hg.) (2003): Ökonomische Impulse eines barrierefreien Tourismus für Alle, Münster/Berlin (= Dokumentation des BMWA Nr. 526). Europäisches Institut Design für Alle in Deutschland e.V. (EDAD)/Fürst-Donnersmarck-Stiftung zu Berlin (Hg.) (2005): ECA – Europäisches Konzept für Zugänglichkeit – Handbuch, Berlin (Bezug: Fürst-Donnersmarck-Stiftung zu Berlin, Dalandweg 19, 12167 Berlin oder als download unter: www.fdst.de, www.design-fuer-alle.de, www.eca.lu). Heiserholt, Michael (2005): Events für Alle – Qualitätsstufen für barrierefreie Veranstaltungen, hg. vom Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit, Erfurt. Hellbusch, Jan Eric (2005): Barrierefreies Webdesign. Praxishandbuch für Webgestaltung und grafische Programmoberfläche, Heidelberg. Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales/ADAC Saarland e.V./Ministère de la Famille et de l’Intégration (Hg.) (2005): Barrierefreier Tourismus/Tourisme accessible à tous, Saarland-Luxemburg, auch verfügbar unter www.justiz-soziales.saarland.de. Netzwerk Artikel 3 e.V. (Hg.) (2006): Einfach Europa. Einführung in die europäische und internationale Behindertenpolitik, Berlin (Bezug: Netzwerk Artikel 3 e.V., Krantorweg 1, 13503 Berlin oder als download unter: www. netzwerk-artikel-3.de).
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Rannegger, Rudolf (2006): Barrierefreier Tourismus in Österreich, Analyse des Reiseverhaltens und den dabei auftretenden Problemen entlang der touristischen Servicekette von Menschen im Rollstuhl aus Österreich, Magisterarbeit, unter: www.ibft.at/infodb/doc/Barrierefreier%20Tourismus%20in%20 %20Oesterreich_Rudolf%20Rannegger.pdf.
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»Design für Alle«, mehr als nur ein theoretisches Konzept
Rüdiger Leidner Vorbemerkung zum Begriff »Design« Es gibt zahlreiche Versuche, den Begriff »Design« zu definieren. Die Konsequenz ist eine Aufsplittung in verschiedene Disziplinen wie Produktdesign, Industriedesign, Schnittstellendesign usw., was aber nichts anderes ist als das Eingeständnis, dass sich der Begriff allgemein nicht definieren lässt, ohne an Bedeutungsgehalt zu verlieren. Wichtig ist, einer Begriffsbestimmung im Kontext dieses Sammelbandes zugrunde zu legen, dass Design nicht etwas rein Künstlerisches ist, im Alltagsgebrauch vielleicht sogar funktionslos. Hilfreich hingegen ist der Rückgriff auf die lateinische Wurzel. »Designare« hat nichts mit künstlerischem Gestalten zu tun, sondern heißt »bestimmen«. Der »designierte« Präsident ist schließlich nicht derjenige, der gut »designed« ist, sondern zu diesem Amt bestimmt wurde. Design ist demnach ein auf den späteren Nutzer gerichteter Prozess, wie bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die deutsche Bauhaus-Bewegung feststellte. Dem folgte auch das Prinzip »Form follows function«. Andrej Kupitz, Präsident des deutschen Rates für Formgebung, drückt es so aus: »Design dient der Lösung von Interaktionsproblemen zwischen Menschen und Produkten sowie – auf einer höheren Ebene – der Entwicklung von Lösungen für den sozio-kulturellen Wandel von Industriegesellschaften.« (Zit. in Dreyer 2006) Produkte, Gebäude und Dienstleistungen, die dem Kriterium des »Design für Alle« genügen wollen, sind zumindest von ihrer Idee her zur Nutzung durch alle Mitglieder der Gesellschaft bestimmt. Begriffsabgrenzung: »Design für Alle«, »inklusives Design«, »Universal Design«, Barrierefreiheit Die Idee des »Design für Alle« entstand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im skandinavischen Raum und steht daher chronologisch vor »Universal Design«, das erst im Zuge der US-amerikanischen AccessibilityBewegung Ende des vergangenen Jahrhunderts öffentlich wahrgenommen wurde (vgl. Kercher 2006). »Inclusive Design« wird fast ausschließlich in Großbritannien verwendet; inhaltlich sind aber keine Unterschiede zu »Design für Alle« zu erkennen. Damit reduziert sich die Begriffsabgrenzung im Wesentlichen auf die
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Rüdiger Leidner ➔ »Design für Alle«, mehr als nur ein theoretisches Konzept
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Begriffe »Universal Design« und »Design für Alle«.1 Beide Begriffe sind deckungsgleich darin, dass Produkte und Dienstleistungen so gestaltet werden sollen, dass sie • für einen möglichst großen Nutzerkreis ohne Anpassung verwendbar und • leicht auf verschiedene Anforderungen einstellbar sind. Das Konzept des »Design für Alle« hat zwei weitere Kriterien hinzugefügt, nämlich dass • die Nutzung individueller Hilfsmittel möglich sein muss und • die potenziellen Nutzer an allen Entwicklungsphasen beteiligt sind (vgl. Build for all Projektpartner 2004: 9). Auch die theoretische Abgrenzung zum Begriff der Barrierefreiheit, auf den in diesem Band zuvor ausführlicher eingegangen wurde, ist in erster Linie in der deutlichen Betonung der Abstimmung mit den potenziellen Nutzern zu sehen. »Universal Design« und Barrierefreiheit beschränken sich zumindest in den Verlautbarungen ihrer Entstehungszeit auf die technischen Spezifikationen von Produkten und Gebäuden. Semantisch dürfte der Unterschied am ehesten darin liegen, dass Begriffe wie »Universal Design« und »Design für Alle« die Vorstellung zu implizieren scheinen, dass diese Konzepte nur bei der Neugestaltung der Umwelt Anwendung finden können, während das Konzept der Barrierefreiheit sowohl auf den Abbau vorhandener Barrieren als auch deren Vermeidung bei neuen Produkten und Gebäuden zielt. Dies ist jedoch, wie zu zeigen sein wird, eine zu enge Auslegung dieser Konzepte. Richtig daran ist, dass »Design für Alle« die apriorische Vermeidung stärker betont und sich auch nicht auf die Vermeidung von Barrieren für Menschen mit Behinderungen beschränkt, sondern die ›menschliche Viel-
1 Die EU hat 2004 zwei Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge verabschiedet (vgl. Richtlinie 2004/17/EG und 2004/18/EG vom 31.03.2004, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union L 134/114 vom 30.04.2004), in denen erstmals die Berücksichtigung von Kriterien der Zugänglichkeit sowie von »design for all« verlangt wird. In der deutschen Übersetzung wurde »design for all« als »Konzeption für Alle« übersetzt. Um die Begriffsvielfalt nicht noch mehr zu vergrößern, bleibe ich in diesem Aufsatz bei der Verwendung von »Design für alle« (DFA), ohne dass ich mich hierdurch von den Zielen der einschlägigen EURichtlinien abgrenzen will.
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falt‹, also etwa auch die Bedürfnisse verschiedener Altersgruppen, im Auge hat (vgl. European Institute For Design and Disability 2004). Das Konzept der Barrierefreiheit bezog sich ursprünglich ausschließlich auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben (vgl. Vereinte Nationen 1993), und erst im Verlauf der öffentlichen Diskussion wurde argumentativ herausgearbeitet, dass die Schaffung von mehr Barrierefreiheit auch anderen Bevölkerungsgruppen dient. Die prägnanteste Formulierung dieses Zusammenhangs besteht in der Aussage: »[E]ine barrierefrei zugängliche Umwelt ist für etwa 10 % der Bevölkerung zwingend erforderlich, für etwa 30 bis 40 % notwendig und für 100 % komfortabel.« (Neumann o.J.) Umgekehrt musste »Design für Alle« durch praxisnahe Beispiele dem Eindruck entgegentreten, dass es sich um ein Konzept nur für die Phase der Neugestaltung handelt, was es angesichts der Lebensdauer von Gebäuden weitgehend zur Bedeutungslosigkeit verdammt hätte. Dies geschah beispielsweise durch den Hinweis, dass zwar die gebaute Umwelt nur einmal von Grund auf geplant und gebaut wird, dass aber gerade Gebäude und die Verkehrsinfrastruktur permanenten Veränderungen unterworfen sind. Neben Anpassungen an neue Erfordernisse der Stadt- und Verkehrsplanung gehören hierzu auch die regelmäßigen Wartungsarbeiten. Insofern gibt es auch während der Lebensdauer eines Gebäudes oder einer Straße immer wieder Möglichkeiten, nachträglich »Design für Alle« in die Planung einzubeziehen. Das Beispiel ist auch deswegen von Interesse, weil es deutlich macht, dass nachträgliche Anpassungen zur Verbesserung der Nutzbarkeit für alle nicht mit Zusatzkosten verbunden sein müssen, wenn sie in die sowieso notwendigen Arbeiten integriert werden. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Konzepten sind insofern eher historisch begründet. Die heutige Zielsetzung dürfte in allen genannten Konzepten übereinstimmen. Das beste Beispiel hierfür ist das deutsche Behindertengleichstellungsgesetz, das in § 4 eigentlich nur das Ziel der Barrierefreiheit nennt, dieses aber so definiert, dass Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gestalteten Umwelt einbezogen werden und die sehr weitgesteckten Anforderungen der gleichberechtigten Teilhabe aller in vollem Umfang eigentlich nur erfüllt werden können, wenn dies bereits in der Entwicklungsphase berücksichtigt wird. »Design für Alle« in Deutschland und in Europa 1993 wurde in Irland das European Institute For Design And Disability (EIDD) gegründet, das sich im Mai 2006 in »Design for all Europe« umbenannte.2 2 Siehe www.design-for-all.org.
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Im Laufe dieser mehr als zehn Jahre wurden unter dem Dach des EIDD insgesamt 16 nationale Mitgliedsorganisationen gegründet, darunter 2004 in Deutschland das Europäische Institut Design für Alle in Deutschland e.V. Das EIDD sieht Planung und »Design für Alle« als unverzichtbare Elemente einer aktiven Strategie für eine in mehrfacher Hinsicht nachhaltige Entwicklung an und hat inzwischen vier Schwerpunktbereiche identifiziert, die in einem vierjährigen Konferenzzyklus angegangen werden sollen, um das Konzept des »Design für Alle« in Politik und Wirtschaft zu verbreiten. 2005 – Kultur für Alle
(Berlin)
2006 – Arbeitsplätze für Alle
(Waterford, Irland)
2007 – Tourismus für Alle
(Italien)
2008 – Eine Gesellschaft nachhaltig für Alle
(Ort und Zeitpunkt noch offen)
2009 – Kultur für Alle
(Österreich)
Die Berliner Konferenz, die von der deutschen Mitgliedsorganisation EDAD vorbereitet wurde, fand große Resonanz in Politik und Wirtschaft. Die präsentierten Lösungen zugänglicher Museen, überwiegend aus den europäischen Nachbarländern, zeigten jedoch auch, wie groß der Handlungsbedarf noch ist, das Konzept eines »Design für Alle« in diesem Bereich umzusetzen. Die Konferenz verabschiedete abschließend die sogenannte »Schlussakte von Berlin«: Die Teilnehmer der internationalen Konferenz »Kultur für Alle«, die im Presse- und Besucherzentrum der Deutschen Bundesregierung in Berlin am 12. und 13. Mai 2005 stattgefunden hat, • bekräftigen das Recht, das in Artikel 27.1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 festgeschrieben ist: »Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben«,
• einschließlich dessen Erneuerung in Artikel 15 der Internationalen Konvention der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrechte von 1966; • beziehen sich auf die Rahmenbestimmungen der Vereinten Nationen für die Herstellung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen, welche 1993 von der UN-Vollversammlung verabschiedet wurden;
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• berücksichtigen die Entscheidung des Europäischen Rates zur Zugänglichkeit kultureller Einrichtungen und kultureller Aktivitäten vom 6. Mai 2003; • begrüßen die in Kapitel 3, »Kultur«, Artikel III-280, in die Europäische Verfassung aufgenommene Position; • haben sich über die aktuellen Fortschritte in der Anwendung des »Design für Alle« in unterschiedlichen Kulturbereichen informiert: 1) Kulturerbe – Zugang zu Gebäuden, Großschutzgebieten und Artefakten; 2) städtische Umwelt und öffentlicher Personenverkehr im kulturellen Zusammenhang; 3) Kulturtourismus und -marketing; • würdigen die zentrale Bedeutung eines nahtlosen Ansatzes zur physischen wie virtuellen Zugänglichkeit kultureller Inhalte und Einrichtungen, weil eine Gesellschaft, in welcher Kultur nur von Wenigen gewahrt wird, unsicher und ungesund ist; • sind besorgt wegen der fehlenden Berücksichtigung der Kultur als mögliche Quelle des Wohlstands für die europäische Wirtschaft sowohl in der ursprünglichen wie in der überarbeiteten Version der Agenda von Lissabon; • sind überzeugt von der zentralen Bedeutung eines »Design für Alle« als Mittel zur Erreichung einer blühenden, auf menschlicher Verschiedenheit, sozialer Inklusion und Gleichstellung basierenden Gesellschaft und erneuern die in der EIDD-Deklaration von Stockholm– festgehaltenen und am 9. Mai 2004 angenommenen Prinzipien; • erklären, dass »Design für Alle« konkrete Ansätze zur Entwicklung von kulturellen Inhalten und Einrichtungen schaffen kann, die für alle leichter zugänglich sind; • fordern alle öffentlichen und privaten, sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Organisationen auf lokaler, regionaler, nationaler, kontinentaler und internationaler Ebene auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, Theorie und Praxis des »Design für Alle« bei allen kulturellen Veranstaltungen, Produkten und Programmen auf horizontaler und interdisziplinärer Ebene praktisch zu erproben; • fordern die europäischen Institutionen auf, im zukünftigen siebten Rahmenprogramm sowie in anderen Bereichen Finanzmittel zielgerichtet zur Verfügung zu stellen, um Europas reiches Kulturerbe als eine zunehmend bedeutende Quelle des Wohlstandes für eine inklusive europäische Gesellschaft und Wirtschaft erschließen zu können; • bieten dem EIDD ihre Unterstützung bei der Implementierung einer europaweiten Konferenz zum Thema »Kultur für Alle« an, welche re-
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gelmäßig in einem Vier-Jahre-Turnus stattfinden soll, als Forum für die unterschiedlichsten Akteure der Design- und Kulturlandschaft dient und einem interessierten Publikum aus der ganzen Welt gute Beispiele präsentiert. Das Europäische Institut Design für Alle in Deutschland hat sich in seiner kurzen Geschichte seit seiner Gründung 2004 neben der Durchführung der Berliner Konferenz um die Übernahme der EU-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen in deutsches Recht bemüht und im April 2006 seine eigene Jahreskonferenz zum Thema »Städte und Gemeinden gestalten für Alle« in Münster durchgeführt. Hier wurden praxisnahe Lösungsansätze zur Gestaltung von Gemeinden in verschiedenen Bereichen demonstriert.3 Handlungsinstrument zur Umsetzung von »Design für Alle« in Museen Wie lassen sich diese Prinzipien aber in Museen umsetzen, insbesondere dann, wenn man davon ausgeht, dass das Gebäude bereits existiert? Abstimmung mit den potenziellen Nutzern, dem Element, durch das sich »Design für Alle« von den anderen Konzepten unterscheidet, heißt dann, zunächst einmal intern die Frage zu beantworten, für welche Besuchergruppen das Museum zugänglich sein soll: nur für Durchschnittsbesucher beiderlei Geschlechts ohne jede Beeinträchtigung (also 160-180 cm groß, Rechtshänder, kein Brillenträger, ohne Kinderwagen) oder auch für Besucher, die von dieser Norm abweichen (also gut kontrastierende Schrift bevorzugen, mehr und bessere Wegweiser benötigen und auch von treppenfreien Wegen profitieren). Angesichts der demografischen Entwicklung, die zu einem stetigen Anstieg des Anteils älterer Menschen (im Jahr 2040 in Europa auf fast 30 %) führt, nimmt der Anteil der Besucher mit funktionalen Beeinträchtigungen irgendeiner Art ebenfalls zu. Man muss nicht an Besucher mit Lernbehinderungen denken, wenn man sich um eine einfachere Sprache bemühen will. Als ich in Berlin vor einigen Jahren die Ausstellung »Der imperfekte Mensch« des Deutschen Hygiene Museums Dresden besuchte, sagte mir eine wissenschaftliche Mitarbeiterin anschließend, es sei aus Sicht einer wissenschaftlichen Ausstellungsleitung schon fast ›frustrierend‹ zu sehen, wie viele Besucher ohne erkennbare Lernbehinderung ausschließlich die Informationstafeln in Leichter Sprache lesen würden. Offensichtlich waren diese Informationen ›leicht für alle‹! Nach dieser internen Klärung sollten im Dialog mit den potenziellen Be3 S. www.design-fuer-alle.de.
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suchern deren Wünsche und Anforderungen gesammelt werden. Da davon auszugehen ist, dass die Summe dieser Wünsche die finanziellen Möglichkeiten des Museums übersteigt, müssen Prioritäten in zeitlicher Hinsicht gesetzt werden. Planungstechnisch bedeutet dieser Prozess, dass ein »Zugänglichkeitsplan« (engl. »Accessibility Plan«) entsteht, der ausgehend von den Zielen und finanziellen Möglichkeiten des Museums die Anforderungsprofile der künftigen Besucher zeitlich ordnet. Sofern es um die Öffnung für Besucher mit motorischen oder sensorischen Einschränkungen geht, so wurde bereits in den vorherigen Beiträgen über Barrierefreiheit auf die gute Eignung von nach Behinderungsart getrennten Anforderungskatalogen hingewiesen, da es nach Erstellung derartiger Kataloge der Museumsleitung überlassen bleibt, zu entscheiden, ob diese Anforderungslisten zeitlich der Reihe nach erfüllt werden sollen oder gleichzeitig mehrere Profile schrittweise angestrebt werden. Das Vorhandensein derartiger Listen für die Planung hat für den Dialog mit den ins Auge gefassten Besuchergruppen zudem den Vorteil größerer Transparenz, da jeweils genau gesagt werden kann, für welchen Kundenkreis welche Maßnahmen vorgenommen wurden und welche noch geplant sind. In diese Planungen müssen neben den potenziellen Besuchern gegebenenfalls auch andere Stellen außerhalb des Museums einbezogen werden wie z.B. die Gemeindeverwaltung. Denn vor der Nutzbarkeit des Innenbereichs steht die Zugänglichkeit des Museums. Das bedeutet, dass es diesen Besuchergruppen auch möglich sein muss, von ihrem PKW-Parkplatz oder von der nächstgelegenen ÖPNV-Haltestelle aus zum Museum zu gelangen, indem für Rollstuhlfahrer beispielsweise stufenlose Zugänge geschaffen werden, für blinde Besucher taktile und für Sehbehinderte kontrastreiche Orientierungen angebracht werden. Konkrete Maßnahmen im Inneren sollten so gestaltet werden, dass die Bedürfnisse möglichst mehrerer Besucherprofile erfüllt werden. Ein gutes Beispiel für an die individuellen Bedürfnisse verschiedener Besuchergruppen angepasste Informationsvermittlung sind Audio-Guides, bei denen der Besucher zu Beginn ein Profil auswählen kann (blind, gehörlos, Kind, lernbehindert) und dann nur die seinem Profil entsprechenden Informationen präsentiert bekommt, also für Gehörlose beispielsweise in Gebärdensprache.4 Bei neueren Geräten werden die jeweiligen Informationen über Funk automatisch ausgelöst, wenn der Besucher in die Nähe eines Exponats 4 Dies ist z.B. bei der nächsten Generation der Guideports der Firma Sennheiser geplant.
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kommt. Während diese Technik bei Ausstellungen unter freiem Himmel wegen der größeren Abstände der Objekte keine Probleme machen dürfte, ist beim Einsatz in Museen darauf zu achten, dass Geräte ausgewählt werden, die auch bei geringen Abständen der Exponate die Überlagerung von Informationen vermeiden. Es gibt bereits Systeme, die nur einen Mindestabstand von 50 cm erfordern. Organisatorisch empfiehlt es sich, mit der Erstellung eines solchen Zugänglichkeitsplans und der Koordinierung im Museum sowie gegenüber externen Partnern eine/-n spezielle/-n Mitarbeiter/-in zu beauftragen, also eine/-n »Zugänglichkeitskoordinator/-in« zu ernennen. Diese/-r hat neben der Erstellung des Zugänglichkeitsplans noch andere wichtige Aufgaben, um das Konzept eines Museums »barrierefrei für Alle« zu verwirklichen. Er oder sie müsste nicht nur den Gedanken- und Erfahrungsaustausch zwischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Gang bringen und halten, sondern ggf. auch Schulungen, etwa zum Umgang mit behinderten Besuchern, organisieren. Hinzu kommt, dass ein/-e Zugänglichkeitskoordinator/-in, wenn es erst einmal mehrere »Museen für Alle« gibt, auch den Gedanken- und Erfahrungsaustausch mit den anderen Museen wahrnehmen kann, damit das ›Rad‹ nicht immer wieder ›neu erfunden‹ werden muss. Literatur Build for all Projektpartner (Hg.) (2004): BAUEN FÜR ALLE, Förderung der Zugänglichkeit für Alle in der baulichen Umwelt & öffentlichen Infrastruktur, Luxemburg. Deutsche Fassung in: www.neumann-consult .com. Dreyer, Stefan (2006): Design in Deutschland. In: Design for All India (Hg.): Newsletter 4/2006, in: www.designforall.in. European Institute For Design and Disability: Erklärung von Stockholm 2004. Deutsch in: www.design-fuer-alle.de. Kercher, Pete (2006): Ohne Titel. In: Design for All India (Hg.): Newsletter 1/2006, in: www.designforallIndia.in. Neumann, Peter (o.J.): Barrierefreier Städtetourismus. In: www.neumann-con sult.com. Vereinte Nationen (1993): Standard Rules on the Equalization of Opportunities for Persons with Disabilities. A/RES/48/96. 85. Vollversammlung am 20. 12.1993. In: www.un.org/documents/ga/res/48/a48r096. htm.
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Kapitel 5 Internationale Fallbeispiele
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Barrierefreiheit in Museen: ein englisches Gruppenbild
Marcus Weisen Einleitung In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Kultureinrichtungen in Großbritannien in beispielloser Weise für den barrierefreien und gleichberechtigten Zugang von Behinderten zu ihren Einrichtungen eingesetzt. Diesen Initiativen liegt die gemeinsame Überzeugung zu Grunde, dass kulturelle Einrichtungen nur dann eine große Öffentlichkeit integrieren können, wenn sie selbst bereit sind, sich zu ändern. Maßnahmen, die Behinderten Zugang ermöglichen, können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn sie ein integraler Bestandteil aller Aktivitäten eines Museums werden. Die Veränderungen, die in England stattgefunden haben, stoßen auch auf internationales Interesse. Wie ist es dazu gekommen? Welche Strategien diesen Veränderungen zu Grunde liegen, wie die auf nationaler und regionaler Ebene verfügbare Infrastruktur und Beratung aussehen und wie sich dies in der täglichen Praxis der Museen niederschlägt, ist das Thema dieses Beitrags. Sechs Experten1 haben zu diesem Text beigetragen, der: • einen Überblick über die in Großbritannien eingesetzten politischen Maßnahmen und die strategische Entwicklung gibt; • Einblicke in die Rolle gewährt, die regionale Behindertennetzwerke der Museen, Bibliotheken und Archive bei der Entwicklung gespielt haben; • Beispiele für vorbildliche Lösungen in einem regionalen Museum (Colchester Museums) und einem überregionalen Museum (Tate Modern) vorstellt, die anschaulich einen praktischen, gut durchdachten und vielschichtigen Ansatz darstellen, der darauf abzielt, barrierefreien Zugang für Behinderte zu einem integralen Bestandteil der Museumsarbeit zu machen; • einen anregenden Ausblick auf einen barrierefreien Zugang zu OnlineSammlungen aufzeigt (»i-Map«-Website, Tate Modern).
1 Die Autoren sind: Marcus Weisen, Strategieberater für den Museums, Libraries and Archives Council, England; Shruti Jain, leitender Entwicklungsreferent bei MLA North East; Carol Dixon, Entwicklungsleiterin, MLA London; Sophie Weaver, Referentin für barrierefreien Zugang, Colchester Museums; Marcus Horley, Kurator für Projekte zum Thema barrierefreier Zugang, Tate; Caro Howell, Leiterin der Abteilung Bildung und öffentliche Veranstaltungen, Whitechapel Gallery.
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Ein dynamischer rechtlicher und politischer Kontext Antidiskriminierungsgesetze für Behinderte sind in Großbritannien seit 1996 in Kraft. Diese Gesetze gaben behinderten Menschen zum ersten Mal das Recht auf Zugang zu allen Dienstleistungen – und juristisch sind Museen als Anbieter von Dienstleistungen definiert. Die Kulturpolitik der Regierung erhob im Jahre 2001 die Forderung, dass Kultureinrichtungen zu »Vermittlern des sozialen Wandels« (DCMS 2001) werden müssten. Die Geltendmachung einer sozialen Verantwortung gegenüber kulturellen Einrichtungen hat weitreichende langfristige Konsequenzen, da alle direkt vom DCMS, dem Ministerium für Kultur, Medien und Sport, finanzierten Kulturgremien, wie der Arts Council, English Heritage und der Museums, Libraries and Archives Council, in ihren Planungen und Vorhaben nachweisen müssen, wie sie zur Umsetzung dieser politischen Strategie beitragen werden. So hat – zum Beispiel – das DCMS bestimmte Vorgaben gemacht und einen höheren Anteil behinderter Besucher an den Besucherzahlen bestimmter Programme gefordert, die von den Kulturgremien verwaltet werden. Auch die Dienstleistungen kultureller Einrichtungen, die von den Kommunen finanziert werden und auf die etwa 51 Prozent der Ausgaben für Kultur in Großbritannien entfallen, sind mehr oder weniger beeinflusst von den soziopolitischen Rahmenbedingungen, die Auswirkungen auf den gleichberechtigten Zugang Behinderter zu diesen Einrichtungen haben. Obwohl es kaum Zahlen gibt, besteht allgemein die Auffassung, dass diese politische Strategie dazu geführt hat, dass die Zahl der behinderten Besucher erhöht werden konnte. So gaben 67 Prozent der Befragten in einer Behindertenstudie des MLA (Museums, Libraries and Archives Council) aus dem Jahre 2005 (siehe unten) an, dass sich die Zahl der behinderten Besucher in den vergangenen fünf Jahren erhöht habe. In den letzten Jahren hat eine wachsende Zahl von Museen damit begonnen, behinderte Besucher als gesonderte Publikumskategorie in ihren Besucherumfragen aufzuführen, was die Sammlung von Längsschnittdaten über einen längeren Zeitraum ermöglicht – obwohl die Daten bisher noch nicht systematisch gesammelt werden. Das Sunderland Museum gehört zu den Museen, die eine erhebliche Zunahme bei der Zahl behinderter und älterer Besucher verzeichnen konnten, nachdem sie den physischen Zugang zu ihren Sammlungen bedeutend verbessert hatten, etwa dadurch, dass sie zusätzliche Sitzmöglichkeiten anboten. Diese Museen sind geleitet von der die gesamte Organisation durchziehenden Überzeugung, dass »Zugang für jedermann« gewährleistet sein muss und unternehmen die entsprechenden Schritte, um diese Überzeugung in die Tat umzusetzen – dies schließt auch eine verbesserte Dienstleistung und Marketing für behinderte Personen ein. Die gegenwärtige Kulturpolitik und Anti-Diskriminierungsgesetzgebung
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der Regierung erweitern und systematisieren die Innovationen, die bereits in der Mitte der 80er Jahre begonnen wurden. Im Jahre 1984 machte zum Beispiel der Arts Council, ein Gremium, das finanzielle Leistungen an kulturelle Einrichtungen vergibt, die Verpflichtung, Menschen mit Behinderungen den Zugang zu ermöglichen, zu einem Kriterium für die Zuweisung von Geldern. Die im Jahre 1990 verabschiedete Rundfunkgesetzgebung stellte sicher, dass sehbehinderte Menschen heute jeden Monat mehrere hundert Stunden mündlich beschriebene Fernsehprogramme verfolgen können. Wie beeinflusst die Anti-Diskriminierungsgesetzgebung die praktische Museumsarbeit? Das Anti-Diskriminierungsgesetz »Disability Discrimination Act« (DDA, 1995)2 verpflichtet die Anbieter von Dienstleistungen, eine Reihe von »angemessenen Veränderungen« vorzunehmen, um ihre Leistung behinderten Menschen zugänglich zu machen. Es fordert zum Beispiel ausdrücklich, dass die Anbieter von Dienstleistungen alle organisatorischen Grundsätze, praktischen Abläufe und Verfahren überarbeiten, die behinderte Menschen in irgendeiner Form benachteiligen. Wenn ein Museum es zum Beispiel systematisch versäumt, Kosten für einen barrierefreien Zugang für Behinderte in seinen Etat einzustellen, kann dies von einem Gericht als Beispiel für eine diskriminierende Praxis gewertet werden. Diese Verpflichtung kann einen Anreiz für Museen darstellen, sich mit den Möglichkeiten einer barrierefreien und integrativen Gestaltung von Ausstellungen zu befassen. Die im Anti-Diskriminierungsgesetz formulierten Pflichten haben systemische Veränderungen zum Ziel und sind ein starker Anreiz für Anbieter von Dienstleistungen, Strategien und Pläne zu entwickeln, damit Behinderte Zugang zu ihren Leistungen erhalten – und die Behinderten dabei zu Rate zu ziehen. Der Museums, Libraries and Archives Council (MLA) Der MLA ist als strategisches Gremium richtungsweisend für alle Museen, Bibliotheken und Archive in England.3 Gemeinsam mit den regionalen Museums, Libraries and Archives Councils in den neun englischen Regionen hat er sich zur MLA-Partnerorganisation zusammengeschlossen. Das Ziel der MLA-Partnerorganisation besteht darin, »dafür zu arbeiten, dass das Leben der Menschen durch den Erwerb von Kenntnissen, die Förderung des Lernens, die Anregung der Kreativität und die Würdigung ihrer Identität verbessert wird. Die in der Partnerorganisation zusammengeschlosse2 Für breit gefächerte Informationen zum britischen Antidiskriminierungsgesetz siehe: www.drcgb.org. 3 Vgl. www.mla.gov.uk.
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum nen Gremien arbeiten gemeinsam zum Wohle der Einrichtungen in ihrem Zuständigkeitsbereich und zum Wohle der Öffentlichkeit, mit dem Ziel maßgebend an der Umgestaltung der Museen, Bibliotheken und Archive mitzuarbeiten, sodass sie auch in Zukunft ihren Auftrag erfüllen können.«
Lernen, Zugang zu Bildung, Integration und Vielfalt sind ein integraler Bestandteil unserer Selbstverpflichtung, die Einrichtungen in unserem Zuständigkeitsbereich zu modernisieren. »Inspiring Learning for All«4 beschreibt den transformationellen Rahmen des MLA, innerhalb dessen er Museen, Bibliotheken und Archive darin unterstützt, für eine breite Öffentlichkeit zu Stätten des Lernens und des Zugangs zu Bildung, der Recherche und der Neugier zu werden. Er wurde in enger Zusammenarbeit mit etwa 400 Einzelpersonen und Organisationen entwickelt. Barrierefreier Zugang für Behinderte: Forschung des MLA und praktische Orientierungshilfe Im Jahre 2001 gab der MLA eine landesweite Umfrage in Auftrag, um herauszufinden, inwieweit Behinderte barrierefrei Zugang zu Museen, Bibliotheken und Archiven hatten. Die wichtigsten Ergebnisse waren, dass unter barrierefreiem Zugang immer noch überwiegend der Zugang für Rollstuhlfahrer verstanden wurde und dass die leitenden Mitarbeiter und Verwaltungsgremien die strategische Führung in Fragen des barrierefreien Zugangs für Behinderte vermissen ließen. Die Umfrageteilnehmer (repräsentative Auswahl: 340 Organisationen) nannten einen breit gefächerten Katalog von Maßnahmen, bei denen sie Orientierungshilfe vermissten. Der MLA reagierte im Jahre 2002 und produzierte eine Reihe mit integrierten Materialien für Organisationen in seinem Zuständigkeitsbereich. Dazu gehörte die »MLA Disability Checklist« – eine Kontrollliste, anhand derer man leicht feststellen kann, welche Dinge bereits vorbildlich gelöst sind und wo noch Verbesserungsbedarf besteht, die »MLA Disability Experts« – eine Datenbank mit Namen von Ausbildern für Behinderte sowie von Prüfern und Beratern, und das »MLA Disability Portfolio« – zwölf nach Themen geordnete Publikationen mit praktischen Orientierungshilfen. Das »Disability Portfolio« wurde an 4500 Museen, Bibliotheken und Archive verschickt. Es ist in vier Sprachen übersetzt worden. Auf der Grundlage der oben beschriebenen Selbstverpflichtung gab der MLA bei der City University, die bereits 1000 Webangebote für die Disability Rights Commission analysiert hatte, eine Untersuchung in Auftrag, um herauszufinden, welche Zugangsmöglichkeiten Museen, Bibliotheken und Ar4 Vgl. www.inspiringlearningforall.gov.uk.
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chive über das Web bieten. Die Analyse zeigte, dass 38 Prozent der untersuchten Webangebote (repräsentative Auswahl: 300) der untersten Stufe der Richtlinien für Zugangsmöglichkeiten über das Web (»Web Content Accessibility Guidelines Level A«) entsprachen – das sind beinahe doppelt so viele wie im landesweiten Durchschnitt. In der Folge nahm der MLA die Empfehlungen der Analyse in seine Kriterien für die Verleihung der »Jodi Awards for excellence in museum, library and archive webaccessibility« auf, einer Reihe von Preisen für ausgezeichnete Präsentationen von Museen, Bibliotheken und Archiven im Netz, die er zusammen mit dem British Museum und dem 24 Hour Museum vergibt. Insbesondere wird die Tatsache gewürdigt, dass es bei dem Zugang zu Webangeboten mit kulturellem Inhalt um mehr geht als die bloße Erfüllung technischer Standards. Es geht dabei auch darum, Sammlungen und Bildungsmaterial online zur Verfügung zu stellen und so bestimmten Gruppen von Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen. Im Oktober 2006 veröffentlichte der MLA eine zweite Umfrage zu barrierefreiem Zugang für Behinderte (repräsentative Auswahl: 116 Organisationen). Ein Vergleich mit der Umfrage von 2001 zeigt, dass in den fünf Jahren eine wirkliche Veränderung erzielt worden ist. Er macht allerdings auch nur zu deutlich, dass viele Barrieren weiterhin bestehen und dass barrierefreie Museen, Bibliotheken und Archive ein langfristiges Ziel darstellen, für dass sich alle engagieren müssen. Praktische Instrumente für Veränderungen Näheres zu allen oben erwähnten Richtlinien, Forschungsergebnissen und Preisen ist abrufbar unter: www.mla.gov.uk (Unterpunkte »policy«, »diversity« und »disabled people«). Interessant sind auch die WebLernmaterialien »Delivering library services for disabled people«, die einen Videoclip mit Interviews mit behinderten Bibliotheksbenutzern enthalten (Unterpunkt »programmes«, »libraries and disability«). Die Vorteile von geplanten Veränderungen Die MLA-Umfrage aus dem Jahr 2001 hat gezeigt, dass Organisationen, die nach einem Plan vorgehen, bessere Leistungen erbringen. Von den Organisationen, die am besten abschnitten (die bei mehr als 85 von 125 Indikatoren Punkte erzielten), hatten: • neun von zehn prüfen lassen, inwieweit ihre Einrichtungen barrierefrei zugänglich waren, verglichen mit weniger als einem Drittel in der Gruppe der Organisationen mit weniger guten Resultaten; • neun von zehn Trainingsmaßnahmen durchgeführt, um das Bewusstsein für mögliche Probleme/gleichberechtigten Zugang behinderter Nutzer zu schärfen, verglichen mit weniger als einem Fünftel;
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• doppelt so viele mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Plan für barrierefreien Zugang; • zehnmal so viele mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Nutzer und auch Nicht-Nutzer zurate gezogen. Regionale Behindertennetzwerke für Museen, Bibliotheken und Archive Der MLA arbeitet mit seinen regionalen MALP-Partnern zusammen, um Kapazitäten aufzubauen und den barrierefreien Zugang für Behinderte zu verbessern. Alle regionalen Büros haben sogenannte »Diversity Networks« eingerichtet. Der MLA North East und der MLA London5 haben zusätzlich im Jahre 2003 und 2005 »Disability Networks« gegründet. Die Behindertennetzwerke führen typischerweise in jedem Jahr drei bis vier Seminare durch. Sie bieten ein regionales Forum für Diskussionen, Beratungen sowie den Austausch von Informationen über vorbildliche Lösungen und vernetztes Arbeiten an. Die Programme spiegeln regionale Prioritäten und Bedürfnisse wider. Die eintägigen Seminare des MLA North East befassten sich mit Themen wie Zugang zu Informationen, Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit versteckten Behinderungen und Hinterfragung der klischeehaften Darstellung von Behinderten in den Sammlungen. Bei halbtägigen Seminaren des Londoner MLP standen Themen wie Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für Behinderte im Kulturbereich, repräsentative Führungssysteme und effektive Vermarktung der Dienstleistungen im Vordergrund. Das Netzwerk des MLA North East besteht aus etwa 50 Mitgliedern. Von Anfang an stand fest, dass Behinderte und Behindertenorganisationen eine Mitgliedschaft anstreben würden. Das Behindertennetzwerk des Londoner MLA hat ein Diskussionsforum im Internet eingerichtet, dem 87 Mitglieder angehören. Fünfzig dieser Mitglieder sind Fachleute aus dem Kulturbereich, 15 arbeiten in landesweiten und regionalen Behinderten- und Behindertenrechtsorganisationen, zehn sind freiberuflich tätige Berater mit dem Fachgebiet Barrierefreiheit, acht sind Leistungsnutzer und der Rest setzt sich zusammen aus politischen Entscheidungsträgern verschiedener Kulturbüros. Ungefähr 15 Prozent der Mitglieder sind Menschen mit Behinderungen. Beim Aufbau seines Netzwerkes hat der Londoner MLA Wert darauf gelegt, von Anfang an ein breites Spektrum von Fachleuten und Leistungsnutzern zurate zu ziehen, um sicherzustellen, dass das Netzwerk direkt auf den artikulierten Bedarf reagiert. Ein Hauptmerkmal dieses Diskussionsprozesses bestand unter anderem 5 Vgl. www.mlanortheast.org.uk; www.mlalondon.org.uk.
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darin, Verbindungen zu Fachorganisationen herzustellen, die bereits Erfahrungen und nachweisbare Erfolge auf dem Gebiet der Förderung des barrierefreien Zugangs für Behinderte zu Kunst- und Kultureinrichtungen vorweisen konnten. Eine Evaluierung des Netzwerkes des MLA North East hat gezeigt, dass die Mitarbeit im Netzwerk die Möglichkeiten der Mitglieder erhöht hat, sich innerhalb ihrer Organisationen für barrierefreien Zugang für Behinderte einzusetzen. Um weitere Netzwerktagungen inhaltlich vorzubereiten, hat der MLA North East gemeinsam mit der von den Tyne and Wear Museen angeführten Museumsgruppe North East Renaissance in Regions6, die auch einen Behindertenbeauftragten beschäftigt, eine Studie in Auftrag gegeben, die den Schulungsbedarf zum Thema Barrierefreiheit für Behinderte feststellen soll. Die Hauptziele des Behindertennetzwerkes des Londoner MLA sind: • Menschen mit Behinderungen in die regionale Leitung, strategische Entscheidungen und die Bereitstellung von Leistungen in Archiven, Bibliotheken und Museen einzubeziehen; • bessere Möglichkeiten zu entwickeln, Behinderte, Gleichstellungs- und Behindertenrechte-Gruppen sowie Experten für barrierefreien Zugang zurate zu ziehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Behindertennetzwerke können sich mit der Zeit verändern. Der Museums and Galleries Disability Association (MAGDA) wurde im Jahre 2006 nach 20jährigem Bestehen aufgelöst, da er ohne einen hauptamtlichen, bezahlten Mitarbeiter nicht überlebensfähig war. Das Behindertennetzwerk des MLA Yorkshire wird nach dreijährigem Bestehen mit dem Multikultur-Netzwerk des MLA Yorkshire fusionieren, da sich gezeigt hat, dass es breite Überschneidungen bei der Mitgliedschaft der beiden Netzwerke gab und dass auch eine Reihe von Themen ähnlich sind. Angeregt durch die Erfahrungen in Großbritannien sind auch in New York, Norwegen, Österreich und Serbien Netzwerke gegründet worden. Ihre Rolle bei der Schaffung einer Kultur der Barrierefreiheit und das Eintreten für eine solche Kultur darf nicht unterschätzt werden. Schließen Sie sich einem Internet-Diskussionsforum in englischer Sprache an! Gegenwärtig leitet der MLA London das Internet-Diskussionsforum im Auftrag der MLA-Partner. Alle Interessenten weltweit können Mitglied werden, unabhängig davon, wo sie wohnen: www.mailtalk.ac.uk/lists/ disability-network.html. 6 S. www.mla.gov.uk, Unterpunkt »programmes«, »Renaissance in the Regions«.
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Beschäftigung von Behinderten in den Museen von Colchester Der Museumsverbund Colchester Museums7 hat sich landesweit und international den Ruf erworben, vorbildliche Lösungen für Barrierefreiheit für Behinderte zu entwickeln und zu fördern. In diesem Jahr haben Delegierte aus sieben Ländern an der alljährlich stattfindenden Konferenz zur Darstellung von Behinderung in den Sammlungen von Museen »Dis:cover! Disability explored, exposed, exhibited«8 der Colchester Museums teilgenommen. Im Zentrum der Bemühungen von Colchester Museums, Barrierefreiheit für Behinderte zu schaffen, steht PORTAL, das mit Barrierefreiheit für Behinderte befasste Gremium der Museen, das im April 2000 gegründet wurde. Die Aufgabe dieses Gremiums besteht darin sicherzustellen, dass kontinuierlich der physische, sensorische und intellektuelle Zugang zur gesamten Bandbreite des Museumsangebotes verbessert wird. Die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in die Diskussionen und Entscheidungsprozesse des Museumsbetriebs trägt nicht nur dazu bei, eine weitaus gesamtheitlichere Leistung zu erbringen, sie kann auch eine Erfahrung sein, die das Leben aller Beteiligten verändert. Abbildung 1: Der behindertengerechte Übersichtsplan
Quelle: Colchester Hollytrees
Ein weiterer integraler Bestandteil des Museumsbetriebs ist die Behindertenbeauftragte Sophie Weaver. Sophie ist verantwortlich für alle Themen im Zusammenhang mit Barrierefreiheit für Behinderte und ist selbst Rollstuhlfahrerin. Sie steht in ständigem Kontakt mit PORTAL, den Museumsmitar7 S. www.colchestermuseums.org.uk, Unterpunkt »access«. 8 Vgl. www.colchestermuseums.org.uk/infodesk/downloads/discover.pdf.
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beitern und externen Organisationen, um sie mit ihren Fähigkeiten und ihrem Fachwissen über Barrierefreiheit für Behinderte zu unterstützen. PORTAL setzt sich ausschließlich aus Menschen mit Behinderungen zusammen; Museumsmitarbeiter nehmen nur nach vorheriger Absprache und Einladung an den Sitzungen teil. Dies stellt sicher, dass innerhalb des Gremiums eine freimütige und offene Diskussion stattfindet. Die Mitglieder werden für ihre Arbeit bezahlt, was die Wertschätzung widerspiegelt, die ihrem Rat, ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung gezollt wird. Ein PORTAL-Mitarbeiter fungiert als Koordinator, organisiert die Treffen, legt die Tagesordnung fest, engagiert Dolmetscher, die in die britisch-englische Zeichensprache übersetzen, und veranlasst, dass in Braille geschriebene Unterlagen erstellt werden. Das Gremium trifft sich in der Regel einmal im Monat, darüber hinaus ergeben sich jedoch gelegentlich zusätzliche Aufgaben, in die entweder das Gremium als Ganzes oder einzelne Mitglieder eingebunden sind. Der Koordinator nimmt an vierteljährlichen Sitzungen zum Thema barrierefreien Zugangs mit der Behindertenbeauftragten und allen Museumsleitern teil, um alle bevorstehenden Projekte zu besprechen. Auf der Grundlage dieser Sitzungen werden dann die Tagesordnungen für die regelmäßigen PORTAL-Sitzungen festgelegt. PORTAL hat tief greifende Auswirkungen auf die Art und Weise gehabt, wie Menschen arbeiten und denken und war der Hauptanstoß dafür, dass sich das Bewusstsein der Museumsmitarbeiter für verschiedene Behinderungen und die daraus resultierenden unterschiedlichen Bedürfnisse geschärft hat. Die Museen beziehen nun Barrierefreiheit von Anfang an in alle neuen, großen wie kleinen Projekte mit ein. PORTAL wird vom Anfang bis zum Ende des Projektes zurate gezogen, was den gesamten Prozess vereinfacht – es ist immer leichter, Barrierefreiheit von vornherein mit einzubeziehen, als im Nachhinein Anpassungen vorzunehmen. Die Ergebnisse dieses Ansatzes kann man im preisgekrönten Hollytrees Museum sehen, einem denkmalgeschützten Gebäude der Kategorie II aus dem 17. Jahrhundert, das die sozialgeschichtliche Sammlung beherbergt. Trotz der Schwierigkeiten, barrierefreien Zugang zu einem denkmalgeschützten Gebäude zu schaffen, gelang es mit Beharrlichkeit und ständiger Absprache unter allen Beteiligten, einen Aufzug einzubauen, sodass nun das gesamte Museum barrierefrei zugänglich ist. Als das Museum untersuchen ließ, welche Optionen es gab, einen barrierefreien physischen Zugang zum Museum zu schaffen, stieß man auf einen Seiteneingang, der im 19. Jahrhundert zugemauert worden war. Daraufhin wurde ein Plan entworfen, den Besuchereingang von der Haupttür mit ihrem Treppenaufgang an der Vorderseite des Hauses an den neu entdeckten Seiteneingang zu verlegen.
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English Heritage9, das Denkmalschutzamt, wurde eingeschaltet und stimmte einem entsprechenden Antrag zu, die notwendigen baulichen Veränderungen vornehmen zu können. Das bedeutet, dass heute alle Besucher denselben Eingang benutzen. Die bauliche Anpassung brachte auch einen ästhetischen Vorteil: Der Empfangsbereich, der sich früher in der Eingangshalle befunden hatte, konnte in der Nähe des neuen Haupteingangs untergebracht werden, sodass die Eingangshalle heute wieder in ihrem alten Glanz erstrahlt. Praktische Orientierungshilfen von English Heritage – Vereinbarkeit von Denkmalschutzanforderungen zum Erhalt denkmalgeschützter Gebäude und barrierefreien Zugang für Behinderte English Heritage hat sowohl die Pflicht, die historische Struktur denkmalgeschützter Gebäude zu erhalten, als auch, sie einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Letztendlich haben die Bestimmungen zum Erhalt denkmalgeschützter Gebäude immer Vorrang vor den Bestimmungen des Antidiskriminierungsgesetzes. In der Praxis gibt English Heritage jedoch in der überwiegenden Zahl der Fälle die Erlaubnis, Veränderungen vorzunehmen. Dazu bedarf es möglicherweise einiger Verhandlungen. English Heritage gibt auch Orientierungshilfen bei heiklen Umbauten.10 Auf Grund der Tatsache, dass die Anforderungen an den Erhalt der historischen Struktur eines denkmalgeschützten Gebäudes mit den Forderungen nach vertretbaren Veränderungen (laut Antidiskriminierungsgesetz) in Einklang gebracht werden mussten, sind einige gut durchdachte und elegante gestalterische Lösungen entstanden. Diese Lösungen sind in einer gemeinsamen Publikation des Royal Institute of British Architects und dem Centre for Accessible Environments gut dokumentiert – dort findet sich auch eine Fallstudie zum Hollytrees Museum (Cave 2006).11 Im Inneren des Museums gibt es bei allen Exponaten Angebote für praktisch ausprobierbare, interaktive und sensorische Erfahrungen, ebenso wie ver9 Vgl. www.english-heritage.org.uk. 10 Materialien des English Heritage zu barrierefreiem Zugang: Easy Access to Historic Buildings; www.english-heritage.org.uk/upload/pdf/EH_EasyAccess_2004.pdf; Easy Access to Historic Landscapes: www.english-heritage.org.uk/upload/pdf/ EAHL.pdf. 11 Für allgemeine Hinweise zur Schaffung eines barrierefreien und integrativen Umfelds siehe: Centre for Accessible Environments: www.cae.org.uk.
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schiedene gesprochene Erläuterungen. Diese verschiedenen Erlebnismöglichkeiten sollen dazu beitragen, barrierefreie und integrative Gestaltungsmittel für Exponate zu entwickeln und einzusetzen. Wo die Exponate Sprache einsetzen, gibt es schriftliche Übertragungen, sodass sie hörgeschädigten Besuchern zugänglich sind. Im Ausstellungsbereich zur Geschichte der Kindheit gibt es auch ein Video, das als Teil eines Projektes in Zusammenarbeit mit der örtlichen Gehörlosenschule entstanden ist und auf dem das bekannte Kinderlied »Twinkle, Twinkle Little Star« in britisch-englische Zeichensprache übersetzt wurde. Die historische Forschung hat herausgefunden, dass die Mutter der Kinderautoren dieses Kinderliedes äußerst schwerhörig war – eine Tatsache, welche die Beschäftigung der Kinder mit Literatur stark beeinflusst hat. Die Familie stammt aus Colchester und ist dort sehr bekannt, auch dies ein Beispiel dafür, wie das Bild der Einwohner von Colchester in seiner ganzen Vielfalt gezeigt wird – Behinderte sind in den Sammlungen nicht mehr unsichtbar. Der museumspädagogische Dienst hat seinen integrierten Ansatz des barrierefreien Zugangs auch im Colchester Castle angewandt, einem unter Denkmalschutz stehenden historischen Baudenkmal. Der Zugang zum oberen Stockwerk wurde über einen Aufzug ermöglicht. Von den wichtigen originalen Ausstellungsobjekten wurden Nachbildungen angefertigt, um für den Gang durch die Burg neun sensorische Stationen mit berührbaren Objekten und Hörtexten zu schaffen, die über einen Hörer abrufbar sind. Es wurden Duftstoffe eingesetzt, um den Eindruck des Rundgangs zu verstärken und einzelne Bereiche voneinander abzugrenzen. Für gehörlose Besucher werden für diesen Rundgang tragbare PDAs mit Kommentaren in britisch-englischer Zeichensprache bereitgehalten. Es wurde ein DVD-Film produziert, der einen Rundgang durch die Gewölbe und über das Dach zeigt, zu dem der Zugang nur begrenzt möglich oder unmöglich ist. Von diesem Film gibt es zwei Versionen, eine für das allgemeine Publikum und eine für Schulklassen. Beide Versionen bieten die Option, sie entweder mit Untertiteln oder in britisch-englischer Zeichensprache zu sehen. Diese Art Leistung ist nun selbstverständlich geworden und wird bei allen neuen Ausstellungsgegenständen angewandt. Der Museumsverbund Colchester Museums engagiert sich auch in der Forschung über barrierefreie Zugänge für Behinderte. Er hat die Fakultät für Museumsstudien der Universität Leicester beauftragt, die Einstellung der ortsansässigen Behinderten zu untersuchen und herauszufinden, wie sie zu ihrem kulturellen Erbe stehen und ob sie finden, dass es relevant für sie ist oder nicht. Ausgehend von den Forschungsergebnissen der Universität Leicester12 zur Darstellung von Behinderung erteilte er einen Forschungsauf12 Research Centre for Museums and Galleries (2004), http://www.le.ac.uk/ms/re
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trag, bei dem die in den Museen bestehenden Sammlungen und Archive und andere lokale Quellen daraufhin untersucht werden sollten, ob sie versteckte Geschichten von Menschen mit Behinderungen enthielten, die bis dahin ignoriert oder nicht beachtet worden waren. Colchester Museums ist der Überzeugung, dass es nicht ausreicht, barrierefreien Zugang für Behinderte bereitzustellen, um eine fortschrittlichere und integrativere Gesellschaft zu schaffen, sondern dass Menschen mit Behinderungen genau so dargestellt und mit den gleichen Rechten versehen abgebildet werden müssen wie andere Mitglieder der Gesellschaft – als Teil unserer Vergangenheit, unserer Gegenwart und unserer Zukunft. Barrierefreier Zugang für Behinderte in der Tate Modern Dieser Abschnitt beschäftigt sich damit, wie die Tate Modern13 es ihren behinderten Besuchern ermöglicht, das Museum zu nutzen. Er konzentriert sich auf die Gestaltung des Gebäudes und die Art und Weise, in der das Museum Behinderte in seine Beratungen einbezogen hat, um ein barrierefreies Umfeld zu schaffen. Er beschreibt auch, wie das Museum die Sammlung für seine behinderten Besucher interpretiert. Er veranschaulicht die Überzeugung, dass es des Engagements der Menschen auf allen Ebenen einer Organisation bedarf, um barrierefreien Zugang für behinderte Besucher zu schaffen. Das Tate Modern gibt professionelle Audits in Auftrag, um seine Einrichtungen auf barrierefreien Zugang für Behinderte prüfen zu lassen sowie Barrierefreiheit zu planen und ständig zu verbessern. Seit dem Jahre 2000 haben drei solcher Audits stattgefunden, zwei wurden von einem auf barrierefreien Zugang spezialisierten Architekten durchgeführt, der selbst einen Rollstuhl benutzt. Die Prüfberichte zu diesen Audits enthielten eine Reihe von Empfehlungen, von denen die Tate Modern viele umsetzen konnte. Praktische Änderungen umfassen das Anbringen von gut sichtbaren Anzeigepunkten im Treppenhaus der Turbinenhalle, verstärkte Kontraste auf den Treppenstufen und ständig verbesserte Strategien flexibler Beschilderung. Die Tate Modern berät sich auch mit ihrem Behindertenbeirat, der sich aus zehn behinderten Museumsfachleuten, Künstlern und Museumsnutzern zusammensetzt, die ganz unterschiedliche Behinderungen haben – von Legasthenie bis zu verborgenen Behinderungen. Zu den in jüngster Zeit umgesetzten Vorschlägen des Beirats zählten, Elektroroller an den Eingängen search/Reports/BITF2.pdf. In der Rubrik Berichte finden sich auch: »Rethinking Disability Representation Project« (2006) und »Research into the attitudes of disabled people to museums and heritage for Colchester Museums« (2004-2006). 13 Vgl. www.tate.org.uk.
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zu den Abteilungen bereitzuhalten, die Sofas in der Halle mit höheren Sitzen zu versehen, Wassernäpfe für Begleithunde bereitzustellen und die Telefonoption für barrierefreie Leistungen an den Anfang der automatischen Befehlsübersicht zu setzen. Auch Mitarbeiterschulungen finden fortlaufend statt. Die Mitarbeiter für die direkte Besucherbetreuung haben Schulungen erhalten, die ihnen die Probleme körperlich behinderter, sehgeschädigter und gehörloser Besucher bewusst machen sollten, sowie Ausbildungen in britisch-englischer Zeichensprache und zur Durchführung von Führungen, bei denen Exponate berührt werden dürfen. Die Schulungsmaßnahmen im Jahre 2006 konzentrierten sich auf den Empfangsbereich, insbesondere auf den barrierefreien Parkplatz und die Eingänge zu dem Gebäude. Mobilität innerhalb des Gebäudes Innerhalb des Gebäudes sind alle Ein- und Ausgänge flach und ohne Stufen. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: einen Bereich in der Halle auf Ebene 5, der nur über Stufen zu erreichen ist (aber auch dort ist eine Rampe in die Gestaltung dieser Zone integriert worden); die ersten drei Reihen des Starr Auditoriums sind ohne Stufen über die Türen an der Vorderseite des Raumes zugänglich und Gruppen von Stühlen können aus ihrer Verankerung gelöst werden, um flexibel Raum für Rollstühle zu schaffen. Die hintere Seite des Raumes ist über einen kurzen Treppenlift zu erreichen. Es müssen nur sehr wenige Türen bewältigt werden – wo es Türen gibt, sind es automatische Schiebetüren. Neben jeder Damen- und Herrentoilette gibt es auf jedem Stockwerk barrierefreie Toiletten. Die Türen dieser Toiletten haben einen automatischen Schließmechanismus – wie man sie jedoch so gestalten kann, dass sie leichter zu handhaben sind, ist noch ein Problem. Die Tate Modern stellt kostenlos Rollstühle, Gehhilfen und Elektroroller zur Verfügung. Diese kann man im Voraus buchen, man kann sie jedoch auch häufig ohne vorherige Buchung am Tag des Besuches nutzen, falls Besucher nichts von diesem Service wussten. Für den Fall, dass das Gebäude wegen eines Feuers geräumt werden muss, gibt es auf jeder Ebene sechs rauch- und feuersichere Bereiche und einen Evakuierungsplan für Rollstuhlfahrer und andere Personen, die nicht über die Feuertreppen ins Freie gelangen können. Zudem existiert ein Ruheraum mit einer Couch für Menschen, die sich während des Museumsbesuches für einen Moment hinlegen wollen. An den Informationsständen und in den Museumsshops sind die Tresen stufig gestaltet, was sie für Rollstuhlfahrer benutzerfreundlich macht.
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Gestalterische Verbesserungen für blinde und sehbehinderte Besucher Um Bereiche voneinander abzugrenzen, wurden Farbkontraste eingesetzt. Der Museumsshop auf der Ebene 2 hat eine umlaufende Glaswand, dies wird jedoch durch kontrastreiche Beleuchtung, Farbgebung des Fußbodens, unterschiedliche, kontrastreiche Bodenbeläge und Signalpunkte kenntlich gemacht. In den Toiletten sind die Wände schwarz und alle Sanitäreinrichtungen weiß. Die Ausschilderung ist auf das Wesentliche beschränkt und es wurde immer ein großer, klarer, mit der Farbe der Wand kontrastierender Schrifttyp gewählt. In den Aufzügen werden die Stockwerke angesagt und die Ziffern auf den Bedienknöpfen sind erhaben, nicht in Braille-Schrift, damit sie auch für die größere Gruppe der blinden/sehbehinderten Besucher lesbar sind, die Braille nicht lesen können. Barrierefreier Zugang für gehörlose und schwerhörige Besucher Auf den Informationswänden ist ein deutlich lesbarer Text angebracht. Die erläuternden Videos wurden mit Untertiteln versehen; das Auditorium und die Informationsstände wurden mit Induktionsschleifen versehen. Alle regulären Museumsführer verwenden tragbare Induktionsschleifen und auch für den Einsatz in verschiedenen Situationen in Schulungsräumen/Werkstätten stehen Induktionsschleifen zur Verfügung. Für gehörlose Gastredner steht ein Texttelefon bereit, sodass sie auf mögliche Notfallsituationen aufmerksam gemacht werden können. In den Büros der Mitarbeiter sind Blinklichter angebracht, die im Fall eines Sirenenalarms aktiviert werden. Gestaltungsansätze vor und nach der Eröffnung des Tate Modern Mit der Umgestaltung der Tate Modern wurde im Jahre 1995 begonnen, als das Antidiskriminierungsgesetz für Behinderte bereits erlassen worden war. Dieses Gesetz gab öffentlichen Gebäuden neun Jahre Zeit ihrer Pflicht, Zugänge und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten, nachzukommen. Das federführende Architekturbüro wurde während des gesamten Umgestaltungsprozesses von einem zweiten, auf barrierefreien Zugang spezialisierten Architekturbüro beraten. Einige der Hauptprobleme, die in Verbindung mit der Schaffung von barrierefreiem Zugang an diesem Standort auftraten, waren:
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Überwindung der zur Turbinenhalle führenden steilen Rampe; Bereitstellung von Parkplätzen für behinderte Besucher; Beschilderung im Außenbereich; Kiesoberflächen im Außenbereich; Glaswände.
Der Standort an der Bankside bot nicht genügend Platz, um öffentliche Parkplätze zu bauen. Es wurden jedoch direkt neben dem Westeingang 11 Parkplätze eingerichtet, die reserviert werden können. Die Beschilderung war wichtig, um Autofahrer direkt zum barrierefreien Parkplatz und Eingang zu leiten. An der Wand entlang wurde ein mit Handläufen ausgestatteter Gehweg geschaffen, um den Zugang zu dem auf der Ebene 2 befindlichen stufenlosen, barrierefreien Eingang zu erleichtern. Im Außengelände wurden unterschiedliche Oberflächenstrukturen eingesetzt. Wo Kies benutzt wurde, ist er mit dem Unterbau zusammengepresst worden, sodass er fest liegt und keine potenzielle Gefahr für Räder oder gehbehinderte Menschen darstellt. Die Rampe hat einen Steigungsgrad von 1:12, sodass sie für Rollstuhlfahrer etwas zu steil ist. Es war nicht möglich, die Rampe zu verlängern, um eine flachere Neigung zu erzielen, daher wurden stattdessen ein stufenloser Eingang und ein barrierefreier Weg an der gesamten Rampe entlang geschaffen, aber für den Eingang auf Ebene 2. Wir haben jedoch beobachtet, dass Rollstuhlfahrer die Rampe trotz ihres Gefälles gerne benutzen, um nach oben zu gelangen, und den flacheren Weg, um von Ebene 2 zum Ausgang zu kommen. Die Beschilderung im Inneren des Gebäudes besteht aus einer Kombination von Texten in englischer Sprache und Piktogrammen, die auch für unser internationales Publikum und für Menschen mit Legasthenie oder Lernschwächen sehr hilfreich ist. Die Ausstellungsgestaltung und -vermittlung Für die Ausstellung der in den Sammlungen befindlichen Arbeiten wurden Richtlinien für barrierefreien Zugang erstellt, wobei besonders geachtet wurde auf: • • • •
die Höhe von Wandhängungen; den Einsatz von Sockeln und Vitrinen; Vermeidung von Wegverengungen; angemessene Zufahrts- und Wendemöglichkeiten für Rollstühle und Elektroroller.
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Es werden monatliche Vorträge in britisch-englischer Zeichensprache (BSL) angeboten, die von gehörlosen Führern gehalten werden, sodass sie nicht von Dolmetschern in Zeichensprache übersetzt werden müssen. Der »Acoustiguide«-Service bietet eine Führung durch die Glanzlichter der Sammlung in BSL an, mit Untertiteln auf PDAs. In Zusammenarbeit mit Gehörlosen ist ein auch im Internet verfügbares Glossar der in der Kunstbeschreibung verwendeten Fachbegriffe in Zeichensprache erstellt worden, die in mit Video unterlegten Dialogfeldern dargestellt werden. Die Wandtexte sind in einer vom Royal National Institute of the Blind14 empfohlenen Mindestschriftgröße angebracht. Außerdem gibt es die Wandtexte auch in gedruckter Form als Großdruck. Der Übersichtsplan für das gesamte Gebäude liegt auch in Braille vor. Für blinde und taub-blinde Einzelpersonen sowie kleine Gruppen können auf Anfrage Führungen mit Berührung der Objekte organisiert werden. Zur Erklärung von Exponaten, die zu zerbrechlich zum Anfassen sind, werden Vorführkopien benutzt. Speziell für blinde Besucher ist eine Sammlung taktiler Zeichnungen zeitgenössischer britischer Künstler zusammengestellt worden. Diese Ausstellung wird in diesem Jahr in drei Galerien in Nordlondon zu sehen sein, begleitet von Workshops und Vorträgen über das Herstellen taktiler Bilder. Zu dieser Sammlung gibt es unterstützende Materialien in Großdruck, Braille und Hörkommentare. Alle Exponate sind auch im Internet verfügbar, mit Hörkommentaren und herunterladbaren Bilddateien in hoher Auflösung. »i-Map«, die im Internet verfügbare Sammlung der Tate für Blinde und sehbehinderte Menschen, ist der Gegenstand des nächsten Beitrags, der von meiner ehemaligen Kollegin Caro Howell verfasst wurde, die das Projekt auch entwickelt hat.
14 Die Website des Royal National Institute of the Blind enthält eine Fülle von Informationen zu barrierefreien Umfeldern und barrierefreier Gestaltung: www.rnib. org.uk, Unterpunkt »good design«. Das RNIB hat ausführliche Orientierungshilfen und einen Untersuchungsbericht zu barrierefreiem Zugang für blinde und teilweise blinde sowie sehgeschädigte Personen zu Museen, Galerien und kulturgeschichtlichen Einrichtungen veröffentlicht, zu finden beim Unterpunkt »Talking Images«.
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Abbildung 2: Eine Führung in Gebärdensprache durch die Tate
Quelle: Tate Modern
»i-map«: Eine Möglichkeit, Sammlungen von kulturellem Interesse einem behinderten Publikum über das Internet zugänglich zu machen Die »i-Map« der Tate Modern war die erste als Internet-Museum präsentierte Sammlung für blinde und sehbehinderte Menschen in Großbritannien.15 Sie hat im Jahre 2003 einen BAFTA-Preis gewonnen und im Jahre 2006 einen Jodi-Preis für ausgezeichnete Leistungen auf dem Gebiet der Entwicklung von Möglichkeiten eines barrierefreien Zugangs für Menschen mit Behinderungen zu Museen, Bibliotheken und Archiven über das Internet, insbesondere für die innovativen Ansätze und die Einbeziehung zukünftiger Nutzer bei der Entwicklung des Projekts. Dieser Abschnitt beleuchtet die Überlegungen und Erfahrungen, aus denen heraus das Projekt entwickelt wurde. 15 www.tate.org.uk/imap. Interessant ist auch die online beschriebene Führung durch das British Museum auf der British Museum Compass Website: www.the britishmuseum.ac.uk/compass.
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Die Vorstellung, online Lehrmaterialien zur Verfügung zu stellen, die »allen Nutzern barrierefrei zugänglich« sind, ist nicht zu verwirklichen – nicht nur, weil verschiedene Arten von Behinderungen verschiedene Herangehensweisen verlangen, sondern auch, weil der Inhalt, das Format und die pädagogische Aufbereitung der Materialien von den speziellen Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe bestimmt sind. Dies wird klar deutlich, wenn man sich die Bedürfnisse sehbehinderter Menschen vor Augen führt, denen online Zugang zu Kunstwerken eröffnet werden soll. Das Webangebot nur so aufzubereiten, dass es für Menschen zugänglich ist, die den Bildschirm lesen können, ist sinnlos, wenn sich eine blind geborene Person die beschriebenen visuellen Konzepte nicht vorstellen kann. Ebenso muss man sich überlegen, ob die Zielperson, an die sich das Angebot richtet, blind oder sehbehindert ist, ob sie Erinnerungen an visuelle Eindrücke hat, ob es sich um eine erwachsene Person oder ein Kind handelt, welche Erfahrungen mit und Kenntnisse über Kunst sie mitbringt und welchen Nutzen ihr die Materialien bringen sollen. Jede mögliche Kombination dieser Variablen erfordert einen anderen Ansatz, wenn man sicherstellen will, dass die Materialien barrierefrei zugänglich sind – kein Material kann für sich allein genommen die Bedürfnisse aller Nutzer befriedigen. »i-Map« ist für eine genau definierte Situation und Zielgruppe entwickelt worden, nämlich für den Kunstunterricht blinder und sehbehinderter Schüler und Lehrer der 11. bis 13. Klasse. Aus Untersuchungen und aufgrund eigener Erfahrungen war bekannt, dass es landesweit Lücken bei der Versorgung mit Materialien für diese Zielgruppe gab. Man war allgemein der Auffassung, dass sich dies am besten durch Internet-Materialien beheben ließe. Das Ziel der ersten Entwicklungsphase der »i-Map« im Jahre 2002 bestand darin, sehbehinderten Schülern zu ermöglichen, sich kritisch und intellektuell mit der Kunst von Matisse und Picasso auseinanderzusetzen und gleichzeitig den Lehrern fachliche Fertigkeiten an die Hand zu geben, die sie auf die Analyse von Kunstwerken anderer Künstler übertragen konnten. Das Webangebot beschreibt die innovativen Aspekte, Einflüsse und Motivationen der Künstler sowie einige der Schlüsselbegriffe moderner Kunst. Die zweite Phase, »The Everyday Transformed«, die im Jahre 2006 angestoßen wurde, konzentriert sich auf die Arbeit von sechs weiteren Künstlern aus der Sammlung der Tate und umfasst einen Zeitraum von 1913 bis 1986. Sie setzt sich mit Bewegungen wie dem Surrealismus, dem Dadaismus, dem Futurismus, der Pop Art und dem Rayonismus auseinander. In beiden Phasen sollte eines der Ziele darin bestehen, über die reine Beschreibung von Kunst hinauszugehen. Caro Howell, die das Projekt konzipiert hat, wollte sich wegbewegen von der üblichen Konzentration auf die Beschreibung des ›Was?‹ hin zur Untersuchung der Frage des ›Warum?‹ von Kunst. Zu diesem
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Zweck enthält die »i-Map« geschriebene Texte, Hörtexte, Bildvergrößerungen und Dekonstruktionen, (langsam laufende) Animationen und Reliefbilder. Statt den Gesamteindruck eines Kunstwerks zu untersuchen, werden in einer sorgfältig geplanten Reihenfolge Detailausschnitte vorgestellt und allmählich zusammengesetzt, bis das Kunstwerk als Ganzes gesehen werden kann. Blinde Internetnutzer sowie Schulen und Organisationen für Sehgeschädigte können Schwarz-Weiß-Abbildungen des Kunstwerks herunterladen und sie in einem »Thermoform« genannten Prozess in Reliefbilder umwandeln. Im ersten Monat, nachdem die »i-Map« eingeführt worden war, wurden bereits mehrere Tausend Zeichnungen heruntergeladen. Bei der Gestaltung der Website legten die Webautoren Dan Porter und Caro Howell die Standardrichtlinien für den Webzugang zugrunde. Diese sind jedoch für so spezifische, maßgeschneiderte Materialien nur bedingt hilfreich. Im Gegenteil: Als die Website mit sehbehinderten Nutzern getestet wurde, stellte sich heraus, dass technischer Zugang nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit intellektuellem Zugang – ein ALT-Etikett gibt der künstlerischen Darstellung nur einen Namen, erklärt sie aber nicht! Daher scheinen viele Aspekte der »i-Map« den Regeln ›guten‹ Web-Designs zu widersprechen, wie zum Beispiel ausführliche Textpassagen oder Blinkzeichen und Einzelbilder, obwohl sie das Ergebnis von Benutzertests sind – die allgemeinen Standards für Webzugang wurden nicht speziell für den Kunstunterricht und die Erläuterung von Museumsobjekten entwickelt. Engagierte Interpretationen und Lehrmaterialien sind jedoch ihrem Wesen nach exklusiv, seien sie für Grundschulkinder mit Lernbehinderungen, Familien mit gehörlosen Angehörigen oder blind geborene Künstler. Keine Einheitsgröße oder Richtlinie für barrierefreien Zugang passt auf alles und jeden. Das Geheimnis des Erfolgs liegt darin, die Bedürfnisse der eigenen Zielgruppe zu kennen, mit ihr zusammenzuarbeiten, um ein Maximum an Zugangsmöglichkeiten zu erzielen und sich hohe Ziele zu setzen. Schlussbemerkung Die eingehende Beschäftigung mit barrierefreiem und gleichberechtigtem Zugang zu Museen für Menschen mit Behinderungen ist nicht im luftleeren Raum entstanden. Die Gesetzgebung und die soziale Dimension der Kulturpolitik bilden einen förderlichen und dynamischen Kontext, auf dessen Grundlage die Zugangsbarrieren beseitigt werden können. Es existiert eine landesweite und regionale Infrastruktur, die diese Entwicklungen unterstützt. Die in diesem Beitrag vorgestellten Beispiele für vorbildliche Lösungen zeigen, dass die Schaffung von barrierefreiem Zugang für Behinderte Engagement auf jeder Ebene der Organisation voraussetzt, angefangen bei der Organisation der Abläufe bis hin zur Geschäftsleitung, und dass die Be-
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nutzer auf jeder Ebene eingebunden werden müssen. Es handelt sich um einen ausgeklügelten, vielschichtigen und kontinuierlichen Prozess. Das Beispiel des »i-Map«-Webangebots zeigt, dass die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen diesen Prozess tatsächlich fördern können und die schöpferischen Kräfte nicht unbedingt ersticken müssen. Obwohl in England eine Infrastruktur für nachhaltige und kontinuierliche Verbesserungen besteht, sind sich alle Beteiligten der Tatsache bewusst und können dies auch belegen, dass Gleichberechtigung für Menschen mit Behinderungen in Museen, sei es als Besucher, Künstler oder Mitarbeiter, ein nachhaltiges, langfristiges Engagement erfordert. Literatur Cave, Adrian (2006): Making Existing Buildings Accessible – Museums and Art Galleries, RIBA Enterprises, www.ribapublishing.com. DCMS (2001): Libraries, Museums, Galleries and Archives for All: Co-operating across the sectors to tackle social exclusion, www.culture.gov.uk/PDF/libraries _archives_for_all.pdf. Research Centre for Museums and Galleries (2004): Buried in the Footnotes: the representation of disabled people in museum and gallery collection, University of Leicester, http: //www.le.ac.uk/ms/research/Reports /BITF2. pdf. Internetadressen www.colchestermuseums.org.uk – Colchester Museum www.drcgb.org – Informationen zum britischen Antidiskriminierungsgesetz www.english-heritage.org.uk/upload/pdf /EH_EasyAccess_2004.pdf – Materialien des English Heritage zu barrierefreiem Zugang www.inspiringlearningforall.gov.uk – Projekt »Inspiring Learning for All« des MLA www.mla.gov.uk – MLA – Museums, Libraries and Archives Council www.mlalondon.org.uk – MLA London www.mlanortheast.org.uk – MLA Northeast www.rnib.org.uk – Royal National Institute of the Blind www.tate.org.uk – Tate Galleries www.thebritishmuseum.ac.uk – British Museum
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Willkommen im Museum? Die Nationalgalerie fördert den gleichberechtigten Zugang zu Kultur in Finnland 1
Sari Salovaara Einführung Manchmal klappt es nicht mit einem Museumsbesuch. In München möchte ich ein Museum besuchen und betrete ein altes Museumsgebäude. Als ich mich im Foyer befinde und mich dem Ticketschalter nähere, richtet sich die Aufmerksamkeit des Kassierers auf mich, der mir zuruft, ich dürfe nicht ins Museum hereinkommen. Ich versuche, mit ihm zu diskutieren, aber das Verbot ist absolut. Ich bitte den Kassierer, seine Vorgesetzte um Rat zu fragen. Die Vorgesetzte kommt und untersagt mir ebenfalls den Eintritt. Ich erkläre ihr, dass ich in einem Museum in Finnland arbeite und zeige meine ICOM-Karte (International Council of Museums); sie holt schließlich den Museumsleiter herbei. Dieser ist sehr freundlich und bittet um Verzeihung. Selbstverständlich darf ich das Museum besuchen wie alle anderen auch. Er berichtet mir über sein Museum, diskutiert mit mir eine Weile in den Ausstellungsräumen und bietet mir noch beim Ausgang seine Hilfe an. So bleibt doch eine positive Erinnerung an diesen Besuch. In Finnland, einige hundert Meter von meinem Arbeitsplatz entfernt, befindet sich unser Kulturhistorisches Nationalmuseum. Wenn ich dieses Museum besuchen möchte, zögert der Kassierer und bittet mich zu warten. Ich trete zur Seite, Minuten vergehen, der Kassierer telefoniert, bedient andere Kunden und telefoniert wieder. Ich beginne nervös zu werden. Endlich, nach wiederholten Erkundigungen und einigem Warten gibt der Kassierer mir die Erlaubnis, mich in den Räumen des Museums zu bewegen. Mein Führhund neben mir behält seine Geduld und zeigt kein Zeichen von Frustration, ganz anders als sein Frauchen. Ich habe mich in Museen ziemlich oft in Situationen befunden, in denen die Anwesenheit meines Führhundes Verwirrung gestiftet hat. Eine solche Verwirrung entsteht jedes Mal, wenn Fragen der Zugänglichkeit nicht mit dem ganzen Personal gründlich diskutiert und erarbeitet wurden. Manchmal kann ein Museumsbesucher von einem Hund begleitet sein, ein Blinden- oder Führhund, der einen behinderten Menschen in seinem Alltagsleben unterstützt. Manchmal kann der Museumsbesucher ein Hörgerät oder einen Rollstuhl zu Hilfe haben. Wie schafft es das Museum, allen einen sachgerechten und warmherzigen Empfang zu bereiten? 1 Aus dem Finnischen von Eeva Rantamo.
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Die Zugänglichkeit der Museen unter die Lupe genommen Die Zugänglichkeit eines Museums hat mit Begriffen wie Demokratie, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zu tun. Wenn wir Quellen und Relikte unserer Geschichte sammeln und erforschen, sollten wir uns fragen, warum und für wen wir dies tun. Nur ein für alle zugängliches Museum ist ein gut funktionierendes Museum, weil ohne diese Zugänglichkeit kein Museum seine Aufgabe als Informationsvermittler in befriedigender Weise erfüllen könnte. Beeinflusst von internationalen Beispielen hat man in Finnland 1999 begonnen, mit neuem Engagement über Zugänglichkeit zur Kultur zu diskutieren. Man sah, dass die Besucherbetreuung wirklich alle Menschen erreichen muss. Die Behindertenbewegung bewirkte, dass man sich vermehrt der vielen Hindernisse für eine Teilhabe bewusst wurde und wahrnahm, dass es sich hier nicht um kleine, für Museumsangebote vernachlässigbare Randgruppen handelte. Auf der Grundlage britischer Studien begann man, Zugänglichkeit für mehrere verschiedene Teilgebiete zu definieren. Eine umfassende Hinwendung zu allen Besuchern kann erreicht werden, wenn man in die Überlegungen zur Zugänglichkeit die physische Umgebung, die Zugänglichkeit der Inhalte mit verschiedenen Sinnen, die Zugänglichkeit der Information und Kommunikation, die finanzielle Zugänglichkeit, die soziale und kulturelle Zugänglichkeit sowie die eigene Haltung und die notwendigen Entscheidungsprozesse einschließt. Der Begriff Zugänglichkeit ist in Verbindung mit Kulturangeboten sehr vielseitig und berücksichtigt vielerlei Gruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Seit der Jahrtausendwende stand die Berücksichtigung von Behinderten und anderen Menschen mit Aktivitätseinschränkungen im Mittelpunkt der Zugänglichkeitsarbeit in den finnischen Museen. Vorhandene Barrieren für Behinderte sind oft sehr konkret und benötigen klare Maßnahmen. Die Museen bekamen rasch Checklisten zur Überprüfung der Barrierefreiheit und Leitfäden zum Beispiel für die Ausstellungsplanung zur Hilfe. Ethnische und sexuelle Minderheiten sind andere benachteiligte und kaum präsente Bevölkerungsgruppen mit je eigenen Blickwinkeln. Die Zugänglichkeit für diese Gruppen mit ihren Fragestellungen wurde seit 2005 in Finnland verstärkt diskutiert. Es ist zu beobachten, dass sich die Erweiterung von Zugänglichkeit in den Museen und in anderen Bereichen der Kulturarbeit schrittweise vollzieht. In einer ersten Phase werden die aktuelle Situation untersucht und erkannte, konkrete Hindernisse beseitigt. So wird der Zugang zu den Räumlichkeiten gewährleistet, es wird Sorge getragen, dass Informationen und Eindrücke auf verschiedenartige Weisen angeboten werden, Themen und
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Vielfalt der Angebote werden überprüft und die Öffentlichkeit wird über diese Möglichkeiten informiert. In dieser Phase werden vielleicht nicht alle Hindernisse beseitigt werden können, und es muss entschieden werden, wie man zum Beispiel Bewegungsbehinderte, die nicht alle Räumlichkeiten erreichen können, in alternativer Weise berücksichtigen sollte und wie man darüber informiert. Neu gestaltete Objekte oder Aktivitäten, die für viele unterschiedliche Menschen attraktiv sind, geben die Möglichkeit, neue Teilnehmer und Besuchergruppen aktiv zu umwerben. In dieser zweiten Phase wird versucht, funktionierende Beziehungen zu den Benutzern und Besuchern zu entwickeln. Dadurch kann Aufmerksamkeit und Vertrauen geschaffen werden, sodass in dieser Einrichtung die individuellen Möglichkeiten der Menschen zu lernen, sich zu bewegen, wahrzunehmen und zu kommunizieren berücksichtigt werden. Zuletzt wird erreicht, dass die Aktivitäten des Museums oder der Kultureinrichtung Gleichberechtigung fördern, soziale und kulturelle Benachteiligung verhindern und beispielsweise mit kulturpädagogischen Mitteln die Lebensqualität der einzelnen Menschen und gesellschaftlichen Gruppen erhöht wird. Die nationale Verwaltung der Kultureinrichtungen nimmt eine Schlüsselposition ein In Finnland hat man in den letzten Jahren versucht, die Prinzipien der Gleichberechtigung auf immer mehr Kulturangebote anzuwenden. Internationale Richtlinien und Abkommen sowie die nationale Gesetzgebung beschreiben immer deutlicher die Standards, die allen Menschen bei aller Verschiedenheit zu garantieren sind. Multikulturalität und Internationalität, Rechte von Minderheiten, die gesicherte Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sowie auch die wachsende Zahl älterer Menschen sind Herausforderungen der modernen Gesellschaft. Auch die nationale Verwaltung der Kultureinrichtungen versucht, diese Herausforderungen klar zu erkennen und sucht ihrerseits nach Möglichkeiten, die Zugänglichkeit zur Kultur für alle Bevölkerungsgruppen weiter zu fördern. Der eigentlichen Förderung von Zugänglichkeit gingen im finnischen Bildungsministerium drei Schritte voraus: Im ersten Schritt bildete man eine Arbeitsgruppe, die die aktuelle Teilhabe von Behinderten an Kulturangeboten und die bisherigen unterstützenden Maßnahmen der Verwaltung untersuchte. Der zweite Schritt bestand darin, einen Ausschuss »Behinderte und Kultur« zu gründen, um ein Maßnahmeprogramm zu entwickeln, welches Kulturfachleuten helfen sollte, behinderte Menschen sowohl als Kulturschaffende wie auch beim Genuss von Kultur besser zu berücksichtigen. Der Ausschuss setzte sich aus Repräsentanten der Verwaltung, der Kulturinstitutionen und der Behindertenorganisationen zusammen. Der dritte
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Schritt war das vom Bildungsministerium entworfene Zugänglichkeitsprogramm für Kunst und Kultur, in dem das Ministerium die Linie seiner eigenen Maßnahmen für eine Periode von fünf Jahren (2006-2010) festlegte. In diesem Programm wurde der Blickwinkel der Zugänglichkeit auch auf andere Minderheiten und Gruppen wie Immigranten, Sprach- und Kulturminderheiten und ältere Menschen erweitert. Bei seinen Fördermaßnahmen regt das Ministerium eine den Arbeitsbereich überschreitende Zusammenarbeit hinsichtlich der Zugänglichkeit an. Als Instrument benutzt das Ministerium vor allem die Steuerung von Ressourcen, Informationen und Ergebnissen. Die Steuerung von Ressourcen bedeutet, dass das Ministerium auch zusätzliche Mittel bereitstellt, um die sich Museen und Kultureinrichtungen bewerben können, um die eigenen Angebote zugänglicher zu machen. Die Steuerung von Informationen bezweckt die Verbreitung von Fachinformationen. Ein Beispiel für diese Informationssteuerung ist die Finanzierung des »Kultur für Alle«-Beratungsservice, der von der Nationalgalerie koordiniert wird und sich an Kulturfachleute und Mitarbeiter der Kultureinrichtungen richtet. Zur Steuerung der Ergebnisse macht das Ministerium für alle staatlichen Förderungen zur Voraussetzung, dass die Antragsteller darlegen, wie bei ihren Vorhaben unterschiedliche Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden und in welcher Weise Zugänglichkeit erreicht werden soll. Die nordische Zusammenarbeit Die Handlungsmodelle in den nordischen Ländern ähneln sich sehr und es gibt zwischen den Staaten eine rege Interaktion. Auch Museen haben gute Erfahrungen mit der Zusammenarbeit, die sich auf die Zugänglichkeit zum Kulturerbe konzentriert. Die räumliche Nähe und die Ähnlichkeiten in den Gesellschaftsstrukturen haben Traditionen der Zusammenarbeit geschaffen und ermöglichen Finanzierungsmodelle für länderübergreifende Projekte. Eine der initiierenden Institutionen für Zugänglichkeitsprojekte ist der Nordische Behindertenrat, eine Einrichtung des Nordischen Ministerrates. Der Behindertenrat publiziert Berichte über Behindertenfragen und hat dazu beigetragen, den Aspekt, alle Menschen zu berücksichtigen, in die Diskussion der nordischen Kulturpolitik zu bringen. Das »Museum für Alle«-Projekt (2000-2003) startete die besondere Zusammenarbeit zwischen Museen in Zugänglichkeitsfragen. Außer den nordischen Museen beteiligten sich auch Repräsentanten der Behindertenorganisationen. In dem Projekt wurden vier Teilprojekte durchgeführt: eine internationale Konferenz »Museum für Alle«, eine Checkliste für Museen als Werkzeug, Zugänglichkeit zu bewerten, das »Museum für Alle«-Handbuch für Museumsfachleute und eine Wanderausstellung.
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Eine Möglichkeit, zusätzliche Aufmerksamkeit auf Zugänglichkeitsfragen zu lenken, sind Anerkennungspreise aus öffentlichen Wettbewerben. Der Nordische Behindertenrat wählte »Museen« als Thema des »Nordischen Zugänglichkeitswettbewerbes« im Jahre 2001 aus. Mit dem Wettbewerb publizierte der Rat auch ein Buch, das zwölf nordische Museen und deren Bemühungen um die Zugänglichkeit präsentiert. Die nordischen Museumsfachleute bemühten sich um eine enge Vernetzung, da rasche Kommunikation, ein einfacher Erfahrungsaustausch und schnelle Informationsbeschaffung ihnen in ihrer Alltagsarbeit helfen. Um diese Zugänglichkeitsnetzwerke der Museen zu fördern, wurde ein Projekt begonnen, in dessen Rahmen von 2006-2007 neue Kommunikationsstrukturen und -mittel entwickelt werden. Neben einer aufgeschlossenen Haltung der Beteiligten erfordert eine konsequente Entwicklung von Zugänglichkeit zur Kultur zahlreiche Kenntnisse und das Wissen um Lösungsmöglichkeiten. Diese stehen im Netzwerk mithilfe der Homepage oder in E-MailDiskussionen leicht erreichbar zur Verfügung. Die Nationalgalerie fördert die Zugänglichkeit zur Kultur In Finnland nimmt die Nationalgalerie aktiv an der Förderung von Gleichberechtigung in der Kultur teil. Sie ist das größte Kunstmuseum im Lande und besteht aus dem Ateneum Kunstmuseum, dem Museum für Moderne Kunst Kiasma, dem Sinebrychoff Kunstmuseum und dem Zentralarchiv für Bildende Kunst. Besonders die pädagogischen Fachkräfte zeigten sich hier als Vorkämpfer und haben konkrete Initiativen ergriffen. Der größte Schritt war ein 1999 begonnenes zweijähriges Projekt, das sich mit der Verbesserung der Zugänglichkeit in den eigenen Museen der Nationalgalerie befasste. Da die Nationalgalerie eines der staatlichen Zentralmuseen ist, erreichten die Auswirkungen der Aktivitäten das ganze Land. Dem ersten Projekt folgte ein nationales Untersuchungs- und Weiterbildungsprojekt zur Zugänglichkeit, an dem kleinere und größere Museen von Südfinnland bis Lappland teilnahmen. Aufgrund des Zuwachses von Erfahrung und Wissen in der Entwicklungsabteilung der Nationalgalerie entstand hier der »Kultur für Alle«Beratungsservice. In diesem Service arbeitet auch eine Koordinatorin für kulturelle Minderheiten mit, die die Angebote und Aktivitäten der Museen unter dem Aspekt der kulturellen Vielseitigkeit betrachtet. Die Zusammenarbeit der Nationalgalerie mit anderen zentralen musealen Institutionen, wie zum Beispiel dem Zentralamt für Museen und Denkmalpflege und dem Finnischen Museumsverband, ist von großer Bedeutung. Es wurden weitere Initiativen für internationale Projekte ergriffen und über die nordischen Länder hinaus auf internationaler Ebene zusammengearbeitet. Die Nationalgalerie hat auch an der kulturpolitischen Programm-
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arbeit teilgenommen. Das Ziel besteht darin, die Strukturen der Kulturangebote zu beeinflussen: Die Schaffung von funktionierenden Umgebungen für Aktivitäten, die Förderung von Akteuren und die Entwicklung neuer Praxis- sowie neuer Handlungsmodelle sollen eine langfristige Entwicklungsarbeit ermöglichen. Die Nationalgalerie ist somit ein wichtiger nationaler und internationaler Akteur bei der Entwicklung von Zugänglichkeit. Der »Kultur für Alle«-Service Der von der Nationalgalerie koordinierte »Kultur für Alle«-Service verkörpert das Bestreben, das Wissen und Know-how zu Fragen der Zugänglichkeit zu vermehren und zusammenzuführen. Der Beratungsservice gehört zur Entwicklungsabteilung des Fachbereiches Kunstmuseum. Er fördert die Zugänglichkeit zur Kunst und Kultur durch die Schaffung von Kommunikationswegen, durch Bedarfsanalysen und Bewertungen von Zugänglichkeit, durch Weiterbildungen und die Entwicklung von Materialien. Der Beratungsservice bietet den Kulturfachleuten Werkzeuge, Hinweise und Experten an. Ein wichtiger Weg der Wissensvermittlung ist die Homepage www. cultureforall.info. Das Bildungsministerium finanziert den Beratungsservice als einen Teil des Schwerpunktprogramms zur Zugänglichkeit von Kunst und Kultur. Als ein Beispiel für die Arbeit des Service seien die von den Museen beauftragten Zugänglichkeitsanalysen für die bauliche Umgebung und weiteren Angebote erwähnt. Wenn ein Museum eine Analyse wünscht, werden das Museum und seine Aktivitäten von einem oder mehreren Experten zusammen mit dem Personal detailliert untersucht. Das Museum erhält einen Analysebericht, der auch Bemerkungen aus der Sicht eines Museumsbesuchers enthält. In der Analyse werden die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, die Ankunfts- und Empfangsbereiche, der Service, die Publikumsräumlichkeiten, die Beschilderung, die Ausstellungen usw. betrachtet. Als Grundlage verwendet man unter anderem die Bauverordnung und bestehende Zugänglichkeitsrichtlinien. Die Analyse hilft dem Museumspersonal, einen Gesamtplan aufzustellen: Welche Ziele werden gesetzt, welche konkreten Maßnahmen ergriffen, was ist das Dringendste, was kann nicht realisiert werden, welche Neuerungen berühren welches Aufgabengebiet, wer ist wofür verantwortlich, wie sind die finanziellen Rahmenbedingungen, wie sieht der Zeitplan aus usw. Der »Kultur für Alle«-Service bietet auch maßgeschneiderte Bildungsveranstaltungen für Museumspersonal an, organisiert Seminare und veranstaltet Gastvorträge. Die Hauptarbeit besteht in der Erstellung von Hinweisen und Richtlinien. Hier stehen den Museen, Veranstaltungsorganisatoren und Theatern zum Beispiel Checklisten zur selbstständigen Überprüfung
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der Angebote zur Verfügung. Der »Kultur für Alle«-Service stellt außerdem das Handbuch »Open Doors« in DVD-Form zusammen, das durch internationale Beispiele die Entwicklung von Zugänglichkeit bei Objekten des Kulturerbes veranschaulicht. Die DVD wird als Teil des EU-geförderten ACCUVorhabens (»Access to Cultural Heritage: Policies of Presentation and Use 2004-2007«) produziert. Konkrete Massnahmen in Kunstmuseen In den Museen der Nationalgalerie hat man versucht, in verschiedener Weise unterschiedliche Besuchergruppen zu berücksichtigen. Von besonderer Bedeutung ist die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, die den Museumsbesuchern schon vor dem Besuch wichtige Informationen über das Museum gibt. Im Informationsblatt des Museums und auf der Homepage werden Grundinformationen zur Zugänglichkeit gegeben: Sind die Räume barrierefrei, gibt es Hilfsmittel zum Hören und Sehen usw. Die Kommunikation wird auch direkt an die Zielgruppen gerichtet. Das Personal wurde in den Bereichen »Leichte Sprache« und »sehbehindertenfreundliche Grafik« weitergebildet. Für die Webkommunikation wurden Grundkenntnisse der barrierefreien Kommunikation vermittelt, sodass die Webseiten auch mit Hilfsmitteln sehbehinderter Menschen benutzt werden können. Vollständige Zugänglichkeit zur baulichen Umgebung herzustellen, kann in alten Gebäuden eine Herausforderung sein. Die Grundsanierungen in alten Gebäuden waren sehr umfangreich, hier hat man zum Beispiel Fahrstühle eingebaut. Kleinere Sanierungen waren einfacher durchzuführen: Es wurden auf den Fußböden vor Treppen warnende Klebebänder befestigt, Beschilderungen erneuert, Stühle für die Besucher besorgt, Tele-/ Induktionsschleifen installiert, Service-Schalter abgesenkt usw. Für Ausstellungsgestalter wurde ein Hinweisblatt erstellt, das die Bedürfnisse der unterschiedlichen Publikumsgruppen zu berücksichtigen hilft. Informationen über die jeweilige Ausstellung und deren Hintergründe versucht man möglichst allen Besuchern mit geeigneten Mitteln anzubieten. Klar lesbare Texte und sorgfältig geplante Audio-Guides mit Audiodeskription für Blinde und Beschreibungen in verschiedenen Sprachen, darunter auch Leichter Sprache, sind ebenso wichtig. Die Möglichkeit, Objekte mit unterschiedlichen Sinnen zu erforschen, interessiert alle Besucher. Die Tastbildschirmpräsentationen, die im Ateneum Kunstmuseum Gebäude, Kunstwerke und Künstler erläutern, wurden für die Benutzung durch möglichst viele unterschiedliche Besucher geplant. Alle Bildschirmpräsentationen sind gut erreichbar und leicht zu bedienen sowie mit Hilfsmitteln wie Lupen und Tele-/Induktionsschleifen versehen. Die Texte und die grafische Gestaltung sind mithilfe eines deutlichen Kontrasts zwischen Objekten und
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Hintergrund und mithilfe klarer Buchstaben gut erkennbar. Die Texte wurden nach den Regeln für Leichte Sprache verfasst, Ton und grafische Gestaltung unterstützen einander und wurden mit leicht bedienbaren Regulierungsmöglichkeiten versehen. Die Museumsführer bekamen die Möglichkeit, sich für Führungen für Sondergruppen weiterzubilden und konnten so unter anderem Führungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache sowie für Sehbehinderte anbieten. Bei den Führungen wurden auch die Bequemlichkeit verbessernde Hilfsmittel wie tragbare Stühle und Hörhilfen benutzt. Den Führern wurden Materialien wie Stoffe, Gegenstände und Tonaufnahmen zur Verfügung gestellt, die in Verbindung mit den Kunstwerken viele Sinne der Hörer anregen sollten. Im Rahmen von pädagogischen Aktivitäten wurden in drei Museen der Nationalgalerie Themenaktionen realisiert, mit denen verschiedene Besuchergruppen angesprochen wurden. Einige davon wurden mit Immigrantenorganisationen durchgeführt, andere mit Behindertenorganisationen. Für Kinder wurden gesondert Aktivitäten geplant, dazu wurden auch behinderte Kinder eingeladen. Es ist sehr wichtig, dass Museumsfachleute gemeinsam mit den unterschiedlichen Zielgruppen über die Themen und Perspektiven der Museumsangebote nachdenken. Die genannten Maßnahmen helfen den Museen, den Staub der Vergangenheit abzuschütteln und zu versuchen, aktiv ein Teil des Lebens der Menschen zu werden. Museen haben viel Sinnvolles anzubieten: vielseitige Informationen, spannende Ausstellungsobjekte, Beiträge zum Selbstverständnis der Menschen. Mit Analysen und Bewertungen der eigenen Aktivitäten, mit der Erstellung eines klaren Maßnahmeplans zur Zugänglichkeit, mit dem Benennen der verantwortlichen Personen und mit der Weiterbildung des Personals kann das Museum einen Weg ins Herz vieler Menschen finden. Es begegnen ihm aber auch viele Herausforderungen. Hat das Personal des Museums die Fähigkeit, eigene, festgefahrene Handlungsmuster kritisch zu betrachten und hat es Mut genug, neue Verfahren auszuprobieren? Und lässt sich die Qualität der Zugänglichkeitsleistungen halten, wenn die Arbeitsbelastung groß ist oder das Personal wechselt? Es lohnt sich, diese Herausforderungen anzunehmen. Als Trophäen winken das gute Gefühl solide geleisteter Arbeit oder als Fachmann auf der Höhe der Zeit zu sein sowie das Feedback eines fröhlichen Publikums.
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Rebecca McGinnis ➔ Konzepte für »Universal Design« in den Museen der USA
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Konzepte für »Universal Design« in den Museen der USA: Aktuelle Bestrebungen und Erreichtes
Rebecca McGinnis Einleitung Einen Überblick über irgendeinen Aspekt der Museumsarbeit in den Vereinigten Staaten zu geben, ist eine überwältigende Aufgabe, da es viele Museen aller Arten und Größen gibt, die eine ebenso große Bandbreite verschiedener Ansätze bei Schlüsselthemen wie Sammlungsstrategien, Bildung, Forschung und barrierefreiem Zugang zu Exponaten vertreten. Nach Schätzungen des amerikanischen Museumsverbandes gibt es in den Vereinigten Staaten rund 17.500 Museen.1 Hinter dieser Zahl verbergen sich sehr kleine Museen, die von einigen ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut werden, aber auch sehr große Einrichtungen wie das Metropolitan Museum of Art. Die Themen ihrer Sammlungen erstrecken sich auf so unterschiedliche Bereiche wie Kunst, Naturwissenschaft, Geschichte und Archäologie einerseits sowie Themen von allgemeinem kulturellem und lokalem Interesse andererseits. Sie werden von dem jeweiligen Bundesstaat, von der Bundesregierung, von der Stadt, von Fördervereinen und gemeinnützigen Einrichtungen unterhalten oder als Privatunternehmen betrieben. Die Mittel, mit denen diese vielen unterschiedlichen Museen sicherstellen, dass Besucher mit Behinderungen einen barrierefreien Zugang zu ihren Sammlungen haben, sind genauso vielfältig wie die Museen selbst. Einige tun leider nur sehr wenig, sie erfüllen nur die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen, während andere richtungsweisende neue Wege beschreiten, um Menschen mit Behinderungen zu integrieren und Standards für vorbildliche Lösungen zu setzen. Immerhin: Grundsätzlich haben sich die Museen in den Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren sehr bemüht, ihre Gebäude, Sammlungen, Informationen und Programme einem breiten Publikum zugänglich zu machen. In diesem Beitrag werde ich meine Beschreibung der Museumslandschaft der Vereinigten Staaten und den barrierefreien Zugang zu den Sammlungen auf ein markantes Merkmal beschränken: das Konzept des »Universal Design«. Abgeleitet von einem sozial definierten Modell von Behinderung, bei dem das Umfeld als behindernder Faktor aufgefasst wird und nicht die einzelne Person, geht dieses Konzept über die bloße Schaffung eines barrierefreien Zuganges hinaus. »Universal Design« erhebt die Forderung, dass Gegenstände, Umfelder und Bildungsmöglichkeiten so ge1 Vgl. die Website des Verbandes Amerikanischer Museen: www.aam-us.org.
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staltet werden müssen, dass sich alle potenziellen Benutzer angesprochen fühlen. Vor dem Hintergrund dieses Konzepts werden Menschen mit Behinderungen nicht als Abweichung von der ›Norm‹ gesehen, sondern als eine von vielen möglichen Kombinationen der Fähigkeiten, über die menschliche Wesen verfügen. Das Konzept des »Universal Design« greift die Vielfalt menschlicher Erscheinungsformen auf. Dass Menschen unterschiedliche Fähigkeiten haben wird als normal angesehen, nicht als etwas Besonderes – jeder macht diese Erfahrung wohl irgendwann in seinem Leben. »Universal Design« Gegenstände und ihr Umfeld müssen so gestaltet sein, dass sie von allen Menschen so umfassend wie möglich benutzt werden können, ohne dass sie in irgendeiner Form angepasst oder ganz anders konstruiert werden müssen. Die sieben Prinzipien des »Universal Design«: • • • • • • •
gleichberechtigte Nutzung; flexible Nutzung; einfache und intuitive Nutzung; wahrnehmbare Information; Fehlertoleranz; geringe körperliche Anstrengung; angemessene Größe und Raum für Zugang und Nutzung.
(Quelle: The Center for Universal Design, North Carolina State University: www. design.ncsu.edu/cud)
Mit etwa 54 Millionen Betroffenen – das entspricht jedem fünften Amerikaner – stellen Menschen mit Behinderungen die größte Minderheit in den Vereinigten Staaten dar. Die Museen erkennen zunehmend, wie wichtig es ist, auf diese große und wachsende Bevölkerungsgruppe einzugehen. Ein weiterer Grund für die gesteigerte Aufmerksamkeit ist die Tatsache, dass die Bevölkerung der Vereinigten Staaten altert: bis zum Jahre 2030 werden 20 Prozent der Bevölkerung der Vereinigten Staaten über 65 Jahre alt sein.2 Das Konzept des »Universal Design«, mit seiner Betonung der adäquaten Präsentation von Exponaten für alle Lebensalter, sollte also bei unseren Überlegungen über die weitere Entwicklung von Museen eine zentrale Rolle spielen. Vor dem Hintergrund der Gestaltung von Museen sind die Prinzipien des
2 Vgl. Regierungsveröffentlichung zum Altern der Bevölkerung: www.aoa.gov/prof/ Statistics/statistics.asp.
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Rebecca McGinnis ➔ Konzepte für »Universal Design« in den Museen der USA
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»Universal Design« für das physische Umfeld von besonderer Bedeutung, einschließlich der Gebäude, der Gestaltung von Rundgängen sowie der öffentlich zugänglichen Bereiche und der Bereiche für die Mitarbeiter. Aber auch das intellektuelle Umfeld darf nicht außer Acht gelassen werden. Die vom Center for Universal Design an der North Carolina State University festgelegten Prinzipien des »Universal Design« beziehen sich auf Gegenstände und ihr Umfeld. Es gibt jedoch auch Bestrebungen, die Anwendung dieser Prinzipien auf Lernumfelder auszuweiten, wie etwa das »Universal Design for Learning«, das vom Center for Applied Special Technology (CAST) in Boston entwickelt wurde. Theorien, die davon ausgehen, dass es viele verschiedene Arten des Lernens gibt, wie etwa Howard Gardners (1983) Theorie der multiplen Intelligenz, sind schon seit einiger Zeit in der Diskussion. Die Ergebnisse der neueren neurowissenschaftlichen Forschung, die darauf hindeuten, dass das Gehirn jedes einzelnen Menschen Information auf unterschiedliche Art und Weise verarbeitet, lassen diese Annahmen jedoch auch unter biologischen Aspekten glaubwürdig erscheinen. Auf der Basis dieser neuen, die Theorie unterschiedlicher Lernarten unterstützenden biologischen Erkenntnisse haben Forscher am CAST Prinzipien einer universalen Gestaltung des Lernens entwickelt, um Schulpädagogen bei der Entwicklung universaler Lehrpläne zu unterstützen, die mehrere Arten der Darstellung (verschiedene Möglichkeiten, Information und Wissen zu erwerben), mehrere Arten des Ausdrucks (alternative Möglichkeiten, Kenntnisse nachzuweisen) und mehrere Arten der Beschäftigung mit einem Thema (die das Interesse erwecken, angemessene Anforderungen stellen und zum Lernen motivieren) anbieten.3 CAST wendet diese Prinzipien auf digitale Medien an, die ein flexibles Lernumfeld für die schulische Ausbildung schaffen sollen. Die Vorstellung, verschiedene Formen der Beschäftigung mit einem Thema, der Darstellung und des Ausdrucks anzubieten, ist für Museen jedoch nicht neu. Museen bieten ein ideales Umfeld für multimodale Lern- und Ausdrucksformen. Die Flexibilität des Museumsmilieus, in Verbindung mit dem Objekt, über das etwas gelernt werden soll, machen das multimodale Lernen, d.h. das Lernen vermittels der unterschiedlichen Sinne, in Museen besonders effektiv und zweckmäßig. In naturwissenschaftlichen Museen, in denen interaktive Exponate Möglichkeiten für empirisches Lernen bieten, erfreut sich das multimodale Lernen schon seit geraumer Zeit großer Beliebtheit. In Amerika stehen Museen zu anderen Themenbereichen, auch die Kunstmuseen, erst am Anfang dieser Entwicklung und sind gerade dabei, Interaktivität und multimodale Lernansätze wie elektronische Museumsführungen und Möglichkeiten, die Kunstwerke zu berühren, in ihr Angebot einzubeziehen. Die3 Center for Applied Special Technology (CAST): www.cast.org.
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ser neue Blick auf die Interaktivität hat zu einer Neudefinition des multisensorischen Lernens geführt, die auf den Fortschritten in der kognitiven Psychologie und den Neurowissenschaften – die es ermöglicht haben zu verstehen, wie das Zusammenspiel der Sinne zur menschlichen Wahrnehmung und zum Lernen beiträgt – basiert. Jeder kann von derselben Information profitieren, wenn sie über die unterschiedlichen Sinnesreize bereitgestellt und verstärkt wird. Wie wird diese Philosophie des ›alles mit allen Sinnen Erfassens‹ in den Museen der Vereinigten Staaten umgesetzt? Mit Hilfe von ausgewählten Beispielen aus Museen zu verschiedenen Themenbereichen werde ich einige der multisensorischen, multidisziplinären Ansätze darstellen, die eingesetzt werden, um umfassende Wahrnehmung von und barrierefreien Zugang zu Exponaten zu fördern. Dabei werde ich mich auf die Gestaltung von Ausstellungen und Programmen und ihre Umsetzung konzentrieren. Das physische Umfeld Besuchern physisch den Zugang zum Museum zu ermöglichen, ist der erste Schritt zu einem allgemein barrierefreien Museum. In den Vereinigten Staaten gibt es seit vielen Jahren gesetzliche Regelungen, die das Recht auf barrierefreien Zugang zu öffentlichen Gebäuden garantieren. Die für Museen maßgeblichen Gesetze waren das 1973 verabschiedete Rehabilitationsgesetz (»Rehabilitation Act«) und, sogar noch wichtiger, das 1990 verabschiedete Amerikanische Behindertengesetz (»Americans with Disabilities Act«, ADA). Das wegweisend neue Amerikanische Behindertengesetz ist ein umfassendes, bundesweit geltendes Bürgerrechtsgesetz, das Diskriminierung auf Grund von Behinderung untersagt. Dieses Gesetz geht über die Aufhebung physischer Barrieren hinaus und schließt auch den Zugang zu Waren und Dienstleistungen sowie Beschäftigung ein. In diesen Gesetzen wird davon gesprochen, dass physische Barrieren, die den Zugang zu bestehenden Gebäuden behindern, entfernt und in neuen Gebäuden vermieden werden müssen, aber sie setzen sich nicht wirklich für die Prinzipien des »Universal Design« ein. Und obwohl im Amerikanischen Behindertengesetz ADA gefordert wird, dass Zugang zu Waren und Dienstleistungen gewährleistet sein muss, lässt sich aus den Gesetzen für die konkrete Museumsarbeit kaum wirkliche Orientierungshilfe ableiten. Es gibt jedoch ein paar Publikationen, die einen ausgezeichneten Leitfaden zu solchen amerikanischen Museen bieten, die zwar auch die Anforderungen des ADA berücksichtigen, sich aber darüber hinaus zum Ziel gesetzt haben, für vorbildliche Lösungen einzutreten und nicht nur dem Gesetz Genüge zu tun. Eine dieser Publikationen ist das vom amerikanischen Museumsverband herausgegebene »Everyone’s Welcome«, ein Handbuch
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mit einer Vielzahl praktischer Anweisungen, wie man Gebäude, Ausstellungen und Information barrierefrei zugänglich machen kann (vgl. American Association of Museums 1998). Eine weitere sind die »Smithsonian Guidelines for Accessible Exhibition Design«, die sich auf das Umfeld, die Information zu und den Inhalt von Ausstellungen konzentrieren und die Philosophie des »Universal Design« vertreten.4 Abbildung 1: Ein Rollstuhlfahrer genießt ein taktiles Ausstellungsstück der »Whatever Happened to Polio?«-Ausstellung
Quelle: Smithsonian’s National Museum of American History, Division of Medicine and Science and the »Whatever Happened to Polio?« Exhibition
»Whatever Happened to Polio?«, eine Ausstellung, die vor Kurzem im Smithsonian Museum für amerikanische Geschichte zu sehen war, veranschaulicht diese Richtlinien und die Prinzipien des »Universal Design«. Zum Beispiel gibt eine bunt gekennzeichnete Karte zum Anfassen, die am Eingang zu der Ausstellung aufgestellt ist, den Besuchern mit und ohne Sehvermögen einen Überblick über die Rundgänge, während akustische Informationen und Informationen im Großdruck das Thema der Ausstellung vorstellen: Kinderlähmung in den Vereinigten Staaten. Über Modelle zum Abtasten, eine Computerstation mit Hör- und Tastreizen sowie einen von Mitarbeitern 4 Online erhältlich unter www.si.edu/opa/accessibility/exdesign/start.htm.
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des Museums betreuten interaktiven Bereich konnten die Besucher durch eigenes Erleben mehr über die Kinderlähmung und ihre Auswirkungen erfahren. Das Thema wurde vertieft durch Gegenstände, unterlegte Texte in klaren, großen Buchstaben, Videos und interaktive Demonstrationsobjekte, wie zum Beispiel einem kleinen Modell einer Eisernen Lunge, in die Besucher ihren Arm halten konnten. Es gab eine Fülle von Informationen, die auf vielen Ebenen angeboten und wiederholt über unterschiedliche Sinnesreize vermittelt wurden. Hinzu kamen reichlich Sitzgelegenheiten – auch Rollstühle, wie sie von Menschen mit Kinderlähmung benutzt werden – und reichlich Bewegungsspielraum, selbst wenn die Ausstellung stark besucht war. Die Schaukästen waren so angeordnet, dass sie für Rollstuhlfahrer die richtige Höhe hatten. Nicht zuletzt verkörperte das Thema dieser Ausstellung ein Schlüsselelement der Richtlinien des Smithsonian Museums: Behinderung war nicht nur das Thema der Ausstellung, die Art der Aufbereitung drückte auch die Erfahrungen und den Blickwinkel der Menschen mit Behinderungen aus.5 Manchmal können physische Hindernisse für Rollstuhlfahrer oder Menschen mit anderweitig eingeschränkter Mobilität nicht ohne Weiteres beseitigt werden, da sich das Museum in einem historischen Gebäude befindet. Ein kleines Museum in New York City, das Tenement Museum (Mietwohnungsbau-Museum) an der Lower East Side, hat dieses Problem sehr phantasievoll gelöst. Das Museum ist einem im 19. Jahrhundert erbauten Mietshaus nachempfunden, bei einem Museumsbesuch muss man also eine oder mehrere Treppen steigen können. In seinem für alle zugänglichen Informationssaal bietet das Museum eine audio-visuelle Präsentation an, für Gehörlose mit Untertiteln. Die Präsentation ist schon für sich genommen sehr eindrucksvoll und informativ und ist für alle Besucher eine gute Informationsquelle, entweder als Vorbereitung auf oder anstatt eines Besuchs der Wohnungen im oberen Stock. Für blinde oder in ihrer Sehfähigkeit eingeschränkte Besucher gibt es einen Stand mit Hör- und Tastreizen, mit deren Hilfe man den Weg durch das Gebäude oder andere Informationen zur Orientierung im Gebäude nachvollziehen kann. Während der gesamten Führung wird Material zum Anfassen angeboten, es gibt sogar authentische Gerüche. Virtuelle Besichtigungen, lehrreiche und amüsante Aktivitäten (unter anderem die Möglichkeit, ein eigenes Lied zu verfassen) und eine Flut zusätzlicher Informationen finden sich auf der Website des Museums6, sodass Menschen von nah
5 Vgl. http://americanhistory.si.edu/polio/index.htm. 6 Vgl. www.tenement.org.
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und fern die Möglichkeit haben, das Museum auf vielen attraktiven Wegen zu erkunden. Das Museum entwickelt im Moment den Nachbau einer Kneipe, die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts im Untergeschoss des Gebäudes betrieben wurde. Dieser Raum wird nicht nur für Rollstuhlfahrer barrierefrei sein, er wird auch nach den Prinzipien des »Universal Design« angelegt, in intensivem Austausch mit dem Beratungsgremium des Museums, das sich aus Menschen mit Behinderungen und Fachleuten für barrierefreies und behindertengerechtes Bauen zusammensetzt. Die Kneipe bietet vielversprechende Möglichkeiten, sich zu einem wahrhaft multisensorischen Ort zu entwickeln: Es sind interaktive, die verschiedenen Bedürfnisse und Lernstile der Besucher berücksichtigende Exponate geplant – und der Raum soll auch tatsächlich als Gaststätte genutzt werden, in der man essen und trinken kann. Programmgestaltung: das Bildungs- und Interpretationsumfeld Barrierefreiheit gilt nicht nur für das physische, sondern auch für das intellektuelle Umfeld. Die museumspädagogische Programmgestaltung kann einen Museumsbesuch für alle Besucher zu einem intensiveren Erlebnis machen und bietet gleichzeitig einen möglichen Vorteil durch größere Flexibilität der Annäherung an das Thema und den Inhalt. Im Folgenden sind einige Hauptmerkmale einer Museumspädagogik aufgeführt, die dem »Universal Design« folgt: • Programme beziehen jeden ein – sie sind offen und heißen alle Besucher willkommen. • Aber die Programme sind auch auf bestimmte Bedürfnisse und Vorlieben zugeschnitten. • Wahlmöglichkeiten werden angeboten – eine Programmgestaltung, die dem »Universal Design« folgt, heißt nicht unbedingt, dass ein Programm für alle Besucher ›passen‹ muss. Stattdessen werden bei der Planung und Umsetzung eines Programms oder einer Ausstellung die physischen, intellektuellen und psychologischen Bedürfnisse eines jeden Besuchers bedacht. Die Programme in ihrer Gesamtheit bieten universal gestaltete und barrierefrei zugängliche Erfahrungen. • Lehrmethoden berücksichtigen die unterschiedlichen Bedürfnisse ihres Publikums. • Pädagogen sind flexibel im Einsatz ihrer Lehrstrategien und bei der Strukturierung der Programme; sie können ›im Gehen denken‹ und die Programme nach Bedarf anpassen.
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• Die Programme beziehen multimodale Lernmethoden ein. • Programmentwurf und -umsetzung hinterfragen Annahmen und Erwartungen. • Die Museen kooperieren miteinander und mit ihrem Publikum. • Die Museen spielen eine aktive Rolle in der Gesellschaft. • Das Museum muss mit seinem Publikum einen Dialog führen. • Die Interpretation sollte eine Verbindung zwischen den Sammlungen und dem Publikum herstellen. Ein paar Fallstudien sollen im Folgenden einige der Möglichkeiten veranschaulichen, mit denen Museen ihre Stärken zu ihrem Vorteil nutzen können, um sich zu einem ›inklusiven‹ Lernumfeld zu entwickeln. Flexibilität und Wahlmöglichkeit Flexibilität und Wahlmöglichkeit sind Schlüsselbegriffe in der Programmgestaltung des »Universal Design«. Die Bandbreite der Programme für sehbehinderte Menschen im Metropolitan Museum of Art soll als Beispiel für diesen wichtigen Aspekt der Einbeziehung aller Besucher dienen. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hat das Metropolitan Museum Angebote für Sehbehinderte gemacht, die es den Besuchern möglich machten, die Kunstwerke zu berühren. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden diese Angebote für Sehbehinderte jedoch systematisiert, auf größere Bereiche ausgedehnt und zunehmend bekannt gemacht. Zusätzlich zu der »Touch Collection« mit ungefähr 150 zugänglich gemachten originalen Museumsobjekten sowie Abdrücken und Reproduktionen bietet das Museum zwei Führungen, bei denen Objekte berührt werden dürfen (»In Touch with Ancient Egypt« und »American Ornament«). Die Ägypten-Führung kann nach Anmeldung mit einem Museumspädagogen vorgenommen werden, allein mit einem in Großdruck oder Braille gedruckten Führer oder mit einem akustischen Führer, der auch eine Wegbeschreibung gibt, wie man sich von einem Objekt zum anderen bewegen muss. Berührbare Grafiken erhöhen den Lernwert der Führung. Viele Menschen mit Sehbehinderungen sind nicht daran gewöhnt, über das ›Begreifen‹ zu lernen – insbesondere dann, wenn sie ihr Augenlicht erst in späteren Lebensjahren verloren haben. Darüber hinaus können viele Kunstwerke, wie zum Beispiel Gemälde, nicht berührt werden. Nach Anmeldung können Einzelpersonen daher auch Führungen mit einem ausgebildeten Museumspädagogen unternehmen, der eine genaue Beschreibung der Kunstwerke gibt. Diese Führungen heißen »Verbal Imaging Tours« und erfreuen sich großer Beliebtheit. Viele Besucher kommen regelmäßig, um
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Sonderausstellungen zu sehen und ihre Kenntnisse über unsere Dauerausstellung zu erweitern. Es ist kaum überraschend, dass sich viele sehbehinderte Besucher scheuen, um eine Einzelführung mit Berührung oder Beschreibung der Objekte im Metropolitan Museum zu bitten. Abbildung 2: Eine »Verbal Imaging Tour« im Metropolitan Museum of Art
Quelle: The Metropolitan Museum of Art
Manche Menschen kommen auch lieber zu einer Gruppenveranstaltung, als allein einen Museumsbesuch zu machen. Schließlich sind Museumsbesuche in der Regel Aktivitäten, die man mit anderen unternimmt. Daher wurde ein monatlicher Workshop mit dem Titel »Picture This!« in das Programm aufgenommen, der Führungen mit Berührung und Beschreibung, fühlbare Bilder und manchmal auch das Herstellen eigener Kunstwerke anbietet. Diese abwechslungsreiche Programmgestaltung bietet unseren Besuchern eine Palette von Möglichkeiten an, unter denen sie auswählen können. Dieser Ansatz wurde von unserem sehbehinderten Publikum mit Beifall aufgenommen; die Besucherzahlen für dieses und für andere – speziell für Menschen mit Sehbehinderungen entwickelte – Programme hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht und wir erhalten viel anerkennendes Feedback. Im Jahre 2003 veröffentlichte das Metropolitan Museum »Art and the Alphabet: A Tactile Experience«, ein Kinderbuch, das Braille, Großdruck und Zeichnungen mit fühlbaren Linien einsetzt, die unter Verwendung einer speziellen Siebdrucktechnik übereinander auf qualitativ hochwertige Farb-
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kopien von Kunstwerken aus den Sammlungen des Museums aufgebracht wurden (vgl. Sanchez/McGinnis 2003). Das Ziel des Buches war, jungen sehbehinderten Menschen, die gerade Braille lesen lernen, zu einem Zeitpunkt, an dem sie noch dabei sind, ihre Tastfähigkeit zu entwickeln, gleichzeitig fühlbare Bilder vorzustellen und ihnen so bildende Kunst nahezubringen – etwas das ihnen häufig vorenthalten wird – und ihnen das Gefühl zu geben, das Kunst ihnen zugänglich gemacht werden kann. Es ermöglicht schließlich ein Gemeinschaftserlebnis für sehende und sehbehinderte Besucher, das beide zusammen erfahren können. Außerdem wollten wir etwas schaffen, das alle als schön empfinden – durch Sehen und durch Berühren. Dieses Buch ist ein Beispiel für einen multisensorischen, gesamtheitlichen Ansatz bei der Publizierung von Museumsmaterialien. Abbildung 3: Teilnehmerin eines »Picture This!«-Workshops für blinde und sehbehinderte Menschen erforscht eine afrikanische Maske
Quelle: The Metropolitan Museum of Art
Das Buch ist so angelegt, dass ein sehender Leser oder Pädagoge mitliest und begleitend beschreibt. »Touch Graphics« hat diesen Ansatz einen Schritt weiterentwickelt und ertastbare Grafiken mit einem Hörelement entwickelt, sodass Sehbehinderte Tastgrafiken eigenständiger benutzen können. Das »Talking Tactile Tablet« ermöglicht sehbehinderten Menschen Zugang zu grafischen Darstellungen, die ihnen sonst verschlossen blieben. Anstatt Braille zu benutzen, das die Mehrheit der Sehbehinderten nicht lesen kann, hören die Benutzer Beschreibungen der einzelnen Bestandteile eines Bildes. Dies waren Beispiele für verschiedene Möglichkeiten der Programmge-
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staltung für ein bestimmtes Publikum. Es gibt auch einige beeindruckende Beispiele für Flexibilität und Wahlmöglichkeit bei den zu interpretierenden Exponaten. Die New Yorker Hall of Science hat zum Beispiel vor Kurzem zwei maßstabsgetreue bronzene Nachbildungen der beiden realen Raketen aufgestellt, die vor dem Eingang des Museums platziert sind. Das Exponat dient als Auslöser für eine interaktive Erklärung der Raketen: Wenn ein Besucher eine der Nachbildungen berührt, ertönt der Name des Teiles, das gerade berührt wurde, aus dem Lautsprecher und eine Nahaufnahme der realen Rakete mit dem entsprechenden Text im Untertitel erscheint auf einem Videoschirm. Darüber hinaus ist eine Fülle weiterer Informationen abrufbar. Dieses Exponat spricht mehrere Sinne an: den Sehsinn, das Gehör und den Tastsinn, und bietet Informationen auf vielen Niveaus, für verschiedene Altersstufen, unterschiedlich wissbegierige Besucher und Besucher mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Im Art Institute of Chicago lädt eine Tast-Ausstellung Besucher mit und ohne Sehbehinderungen dazu ein, eine Reihe von Bronze- und Marmorbüsten aus der Sammlung des Museums zu berühren. Die einführende Texttafel beginnt mit den Worten: »Diese Ausstellung gibt Besuchern die seltene Möglichkeit zu erfahren, wie ihr Tastsinn ihre Wertschätzung eines Kunstwerks bereichern kann. Durch Berührung können wir die Form, die Linie, die Größe, den Stil, die Temperatur und die stoffliche Beschaffenheit eines Kunstwerks auf eine Art und Weise erfassen, die das Sehen allein nicht vermitteln kann.«
In der Tat ist es immer noch ein seltenes Erlebnis, ein Kunstwerk in einem Museum anfassen zu dürfen – besonders für sehende Besucher. Ohne die Erfahrung des Tastsinns, der andere Merkmale wahrnimmt und wiedergibt als das Augenlicht, ist das sehende Publikum nicht in der Lage, Informationen über stoffliche Beschaffenheit, Gewicht und Temperatur zu erhalten, es sei denn aus zweiter Hand, über Kuratoren des Museums oder über sehbehinderte Freunde. Schaffung eines einladenden Umfelds Ein Museumsbesuch ist, jedenfalls meistens, eine freiwillige Angelegenheit – und daher müssen Museen die Menschen erst einmal davon überzeugen, in die Ausstellungen zu kommen. Mehr noch als Nichtbehinderte neigen Menschen mit Behinderungen dazu, Museen als einschüchternde Orte zu empfinden, oder sie nehmen sie zumindest als Orte wahr, die ihnen nicht zugänglich und daher für sie nicht geeignet sind. Viele Museen in den Vereinigten Staaten, darunter auch das Metropoli-
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tan, bemühen sich, dieser Wahrnehmung des Ausgeschlossenseins durch verschiedene Programme und Initiativen entgegenzuwirken – sowohl auf körperlicher Ebene als auch auf Ebene der geistigen Einstellung. Die folgenden Beispiele stellen einige der unterschiedlichen Methoden vor, mit denen Museen Menschen ermutigen, zu Museumsbesuchern zu werden: Sie gehen auf persönliche Interessen ein und zeigen die ganze Bandbreite an Erfahrungen, die man im Museum machen kann, sie organisieren zum Beispiel gesellschaftliche Ereignisse, formelle und informelle Bildungsmöglichkeiten für alle Altersgruppen und vielfältige neue Möglichkeiten, sich auszudrücken. In den vergangenen zehn Jahren war das Metropolitan Gastgeber für das Konzert »The Lighthouse at the Met«: Sehbehinderte Musiker und Sänger der Lighthouse Musikschule führen Musikstücke auf, die in einem bestimmten Zusammenhang mit einer besonderen Ausstellung stehen oder einen Aspekt der ständigen Sammlung zum Thema haben. Zwischen den einzelnen musikalischen Darbietungen werden Dias von Kunstwerken gezeigt und Beschreibungen der einzelnen Werke vorgestellt. Das Konzert selbst ist kostenlos und in der Eintrittskarte enthalten. Der Eintritt ist nicht auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Im Jahre 2006 zog das Konzert zum Abbildung 4: Sehbehinderte Schüler nehmen an einer Führung in amerikanischer Zeichensprache teil
Quelle: The Metropolitan Museum of Art
Thema »Old New York« etwa 450 Besucher an, von denen viele blind oder sehbehindert waren. Jedes Jahr bringt das Konzert dem Met Besucher, die noch nie zuvor in diesem Museum waren. Und wir ermutigen sie, wiederzukommen, indem wir ihnen Prospekte über unsere Programme in Großdruck
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und Braille aushändigen und sie einladen, einen unserer Workshops zum Thema des Konzerts zu besuchen. Gehörlose Menschen sind eine weitere Personengruppe, um die sich das Metropolitan Museum sehr bemüht und die es gerne stärker in den Museumsbetrieb einbinden möchte. In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts hat das Museum begonnen, regelmäßig Kunstvorträge anzubieten, die in Zeichensprache übersetzt wurden. In den 80er Jahren wurde eine Gruppe gehörloser ehrenamtlicher Museumsführer ausgebildet, die Führungen in amerikanischer Zeichensprache (ASL) machten. Dennoch kamen nicht viele gehörlose Besucher in das Museum. Daher haben wir das Modell der »Gehörlosen Nacht« übernommen, eine Einrichtung, die erfolgreich in einigen New Yorker Restaurants praktiziert wird, und laden nun in regelmäßigen Abständen an einem Freitagabend die gehörlosen New Yorker zu einem Kunstabend mit Zeichensprache ein. Seit ihren Anfängen im Jahre 2000 hat diese innovative Reihe jedes Jahr hunderte von Gehörlosen in das Museum gezogen. Die Abende beginnen mit einem Vortrag zu einer Ausstellung, der entweder in Zeichensprache übersetzt oder in Zeichensprache gehalten und in gesprochene Sprache übersetzt wird. Anschließend findet ein Empfang statt. Dieses Format ermutigt die Gehörlosen, sich im Museum zu treffen, um etwas über Kunst zu lernen und mit Menschen zusammenzukommen, die ›ihre Sprache sprechen‹. Darüber hinaus bietet es den Museumsmitarbeitern die Gelegenheit, ungezwungen mit diesem Publikum ins Gespräch zu kommen und sich über seine Bedürfnisse und Interessen zu informieren sowie wertvolle Rückmeldungen zu den bestehenden Programmen und Dienstleistungen zu erhalten. Seit das Museum begonnen hat, diese Initiative umzusetzen, hat sich die Zahl unserer gehörlosen Besucher beträchtlich erhöht und auf viele Interessensgebiete ausgedehnt. Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Tatsächlich war der Wunsch nach einer größeren Einbindung in den Museumsbetrieb in dieser Personengruppe so stark, dass das Museum im Jahre 2003 ein Ausbildungsprogramm für Gehörlose eingerichtet hat, das ihnen eine Ausbildung zum Museumspädagogen ermöglicht. Menschen mit Lernbehinderungen und Entwicklungsstörungen sind eine weitere Personengruppe, die in Museen häufig unterrepräsentiert ist. Das Metropolitan Museum bietet ein Familienprogramm mit dem Namen »Discoveries« an, das sich an Kinder und Erwachsene mit Lernbehinderungen und Entwicklungsstörungen richtet. Die Bandbreite der Behinderungen reicht von schweren bis leichten kognitiven Störungen über Autismus, Downsyndrom, zerebraler Kinderlähmung bis hin zu einer Reihe von Lernstörungen. In dieser letztgenannten Gruppe haben Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) einen hohen prozentualen Anteil. Da dieses Programm als Familienprogramm konzipiert ist, sind auch Familienmitglieder und Freunde eingeladen, daran teilzunehmen.
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Die im »Discoveries«-Programm tätigen Museumspädagogen sind außerordentlich flexibel und benutzen viele unterschiedliche Arten von Reizen, um so viele Personen wie möglich anzusprechen – Sprache, Sehreize, Berührungsreize und Bewegung. In den Arbeitsgruppen werden Materialien mit Berührungsreizen angeboten, um das Thema zu vertiefen. Viele der Teilnehmer, zum Beispiel Kinder mit Lernbehinderungen, Autismus und Sehbehinderungen, lernen über Berührungsreize: Für sie sind Gegenstände zum Anfassen äußerst nützlich. Selbst Eltern haben angemerkt, dass sie die Elemente mit Berührungsreizen in den Arbeitsgruppen sehr interessant und hilfreich finden. »Discoveries« ist auch insofern ungewöhnlich, als es zwar ein Erlebnis für die gesamte Familie anbietet, sich aber an den Bedürfnissen der Personen mit Lernbehinderungen oder Entwicklungsstörungen orientiert. Abbildung 5: Familien während eines »Discoveries«-Programms im Metropolitan Museum of Art
Quelle: The Metropolitan Museum of Art
Das Museum ohne Mauern/ das Museum in der Gesellschaft »Discoveries« bietet auch eine »außer Haus«-Leistung für Erwachsene mit Entwicklungsstörungen, die in betreuten Einrichtungen leben oder zu einem bestimmten Zweck zusammenkommen, wie etwa in Berufsausbildungsprogrammen oder Freizeitgruppen. »Discoveries« geht in die entsprechenden Einrichtungen und stellt so einem Publikum Kunst vor, das normalerweise keinen Zugang zu ihr hätte und fördert die Kreativität durch praktisches Arbeiten. Daran anschließend werden für alle externen »Hausbesuche« Führungen durch das Museum angeboten. Ein weiteres Beispiel für diese Art von Museumsarbeit ist die Zusam-
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menarbeit der Museumspädagogen mit einer Schule auf Long Island, etwas außerhalb von New York City. Die Schüler leiden an schweren körperlichen Behinderungen und/oder Krankheiten und können nicht in das Museum kommen. Zunächst gingen Mitarbeiter des Museums in die Schule und stellten 40 Schülern der vierten, fünften und sechsten Klasse (im Alter von 9-12 Jahren) das Museum und die Zeit des alten Ägyptens mit Hilfe von Dias und Objekten zum Anfassen vor. In der folgenden Woche führte eine Museumspädagogin dieselbe Gruppe von Kindern virtuell durch die Ausstellung ägyptischer Kunst. Sie sprach mit den Kindern über ein Handy mit Freisprechanlage. Ein Kameramann aus der Schule folgte ihr auf ihrem Gang durch die Ausstellung und die Bilder wurden live in die Schule übertragen. Über das Handy sprach sie während der gesamten Führung mit den Kindern. Die Kinder waren von dieser Erfahrung begeistert, stellten eine Menge Fragen und konnten viele Beobachtungen machen. Auf dem Bildschirm in ihrer Schule konnten sie Details häufig viel deutlicher sehen, als es bei einer Schulführung durch die Ausstellung möglich gewesen wäre. Dies war die erste Führung dieser Art am Metropolitan Museum. Es ist geplant, diese Technik auch in Zukunft zu nutzen, um das Museum zu den Menschen zu bringen, die nicht zu ihm kommen können. Programme wie dieses, die aus dem Museum hinausgehen und bestimmte Personengruppen ansprechen, sind eine beliebte und wirkungsvolle Methode, um ein neues Publikum zu erreichen – und werden von vielen amerikanischen Museen eingesetzt. Bei den im Rahmen solcher Programme besuchten Einrichtungen kann es sich um Schulen, Sommercamps für Behinderte, Krankenhäuser oder Altenzentren handeln. Hinterfragen von Annahmen, Erwartungen und Klischees Einige Konzepte zur Integration von Menschen mit Behinderungen sind offensichtlicher als andere. Schwerhörigen Besuchern bei Vorträgen in den Ausstellungen Hörhilfen zur Verfügung zu stellen ist ein naheliegendes Entgegenkommen; Besuchern die Möglichkeit zu geben, Töne zu sehen und zu fühlen, setzt voraus, dass man sich kreativ mit dem Thema des barrierefreien Zugangs und des »Universal Design« auseinandersetzt. Blinde Besucher aufzufordern, eine Skulptur zu berühren, ist nicht ungewöhnlich, aber um sie dazu zu animieren, Fotos von Kunstwerken zu machen, muss man Barrieren hinterfragen, und zwar nicht nur körperlich bedingte, sondern auch durch die Einstellung erzeugte Barrieren. In einem interessanten interaktiven Experiment entwickelt und testet das Science Museum of Minnesota im Augenblick eine Ausstellung mit dem Titel »Wild Music«. Die Exponate bieten allen Besuchern Möglichkeiten, Dinge anzufassen, einschließlich – von besonderem Nutzen für sehbehinderte
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Besucher – eines berührbaren Reed-Spektrum-Analysators, eines Abspielgerätes für befühlbare 3-D-Spektrogramme von Vogelgezwitscher und Tierlauten, einem Satz Klangbausteine, der Besuchern erlaubt, ihre eigene Klanglandschaft zu bauen, und Klangkissen, die schwerhörigen Besuchern erlauben, Klang zu erfahren. Abbildung 6: Ein Highschool-Student mit einer Sehbehinderung fotografiert im Rahmen eines Fotokurses am Metropolitan Museum of Art eine Skulptur, die er zuerst per Fühlen erforscht hat
Quelle: The Metropolitan Museum of Art
Um die oben beschriebenen Angebote für sehbehinderte Besucher zu erweitern, hatte sich das Metropolitan Museum vorgenommen, Anlässe zu schaffen, durch die Annahmen und Erwartungen hinsichtlich dessen, was Blinde in einem Museum – oder auch an jedem beliebigen anderen Ort – tun können, hinterfragt werden. Dazu hat das Museum mit einer Gruppe ortsansässiger, sehbehinderter Fotografen zusammengearbeitet und ein Programm entwickelt, das sich »Seeing with Photography« nennt und sehbehinderten Schülern sowie Erwachsenen Fotokurse anbietet. Diese Kurse wa-
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ren für die Teilnehmer sehr lohnenswert und haben ihr Selbstvertrauen gestärkt, da sie ermutigt wurden, etwas zu tun, von dem die meisten Menschen gesagt hätten, dass sie dazu nicht in der Lage seien. Im Metropolitan Museum werden Annahmen und Erwartungen auch auf andere Weise hinterfragt. Museumspädagogen haben als Mentoren mit zwei Behinderten gearbeitet, von denen die eine an zerebraler Kinderlähmung leidet und der andere an einer Entwicklungsstörung, um sie zu Museumsführern auszubilden. Die an zerebraler Kinderlähmung leidende Behinderte, die einen elektrischen Rollstuhl benutzt und sich verbal überhaupt nicht verständlich machen kann, setzt für die verbale Kommunikation mit anderen einen an ihrem Rollstuhl angebrachten Computer ein, den sie über einen Schalter in ihrer Kopfstütze mit dem Hinterkopf bedient. Nachdem sie einige Monate mit den Museumspädagogen des Metropolitan gearbeitet hatte, hat sie in diesem Jahr zwei externe Workshops geleitet und eine Führung durch die Ägypten-Ausstellung durchgeführt. Einer unserer Museumspädagogen hat mit dem anderen Behinderten gearbeitet, der an einer Entwicklungsstörung leidet und lernen wollte, wie man eine Führung durch das Museum macht. Evan hat eine Führung zu Malerei mit dem Schwerpunkt auf van Gogh gemacht. Sie richtete sich an seine Altersgenossen in einer Tageseinrichtung, die er regelmäßig besucht und die von einer örtlichen Behindertenorganisation geleitet wird. Danach hat er einen Anschlussworkshop in dieser Tageseinrichtung geleitet. Die soeben vorgestellten Initiativen befassten sich damit, Behinderte so auszubilden, dass sie Führungen machen konnten – und sind Beispiele dafür, wie Annahmen und Erwartungen hinterfragt werden können. Sie lassen sich jedoch genauso gut auf einen weiteren Faktor anwenden, der für das »Universal Design« von Museumsprogrammen wichtig ist: Zusammenarbeit. Zusammenarbeit: mit Kollegen und dem Publikum Zusammenarbeit kann bei vielen Aspekten der Museumsarbeit lohnend sein, ganz besonders wichtig ist sie aber auf dem Gebiet der Arbeit mit Behinderten, denn alle Museen versuchen, ein behindertes Publikum anzusprechen, das nach herkömmlichen Maßstäben nicht zu den Museumsbesuchern zählt. Wenn Museen ihre Kollegen in anderen Museen an dem, was sie bei der Umsetzung von neuen Ideen und Methoden lernen, teilhaben lassen, erzielen sie die beste Wirkung für ihre Besucher. Im Jahre 2005 hat das Metropolitan Museum mit dem damals gerade wieder eröffneten Museum of Modern Art (MoMA) bei der Durchführung eines zweiteiligen »Picture This!«-Workshops für sehbehinderte Erwachsene
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zusammengearbeitet. Die Workshops befassten sich mit Moderner Kunst aus den Sammlungen der beiden Museen und waren sehr beliebt. Diese Erfahrung gab den Mitarbeitern des Museums die Möglichkeit, eng mit ihren jeweiligen Kollegen im MoMA zusammenzuarbeiten, sich über Lehrmethoden auszutauschen, den regelmäßigen Besuchern des Metropolitan Museum ein neues Museum zu zeigen und neue Besucher für das Metropolitan Museum zu gewinnen. Im vergangenen Jahr arbeiteten die beiden Museen bei einem zweiten Programm zusammen, das Menschen mit Entwicklungsund Lernstörungen einen zweiteiligen »Discoveries«-Workshop anbot, erneut zum Thema Moderne Kunst. Das Metropolitan Museum ist der Ansicht, dass solche Formen der Zusammenarbeit aus zwei Gründen wichtig sind: zum einen bringen sie Teilnehmern eine neue Institution nahe, zum anderen haben sie eine Modellfunktion für die Partnerinstitution. Das Museum of Modern Art hat in diesem Jahr ein eigenes Programm für Menschen mit Entwicklungsstörungen aufgelegt. Bisher gab es kein Programm in der Stadt, das dem »Discoveries«-Programm vergleichbar wäre. Die Zusammenarbeit zwischen vielen Museen, Behindertenorganisationen und Einzelpersonen kann auch sehr fruchtbar sein. In New York gibt es das Museum Access Consortium (MAC), eine Gruppe, die sich aus Vertretern aller Museen im Bereich der Stadt New York sowie Mitgliedern und Vertretern der Behindertengruppen zusammensetzt. Das MAC bemüht sich, Menschen mit Behinderungen barrierefreien Zugang zu kulturellen Einrichtungen aller Art zu ermöglichen. Der Begriff »barrierefreier Zugang« ist in diesem Zusammenhang sehr weit definiert, er umfasst Zugang zu Gebäuden, körperliche Fähigkeiten, Kommunikation, Einstellungen und andere Zugangsgegebenheiten. Das MAC geht von der Grundüberzeugung aus, dass zunehmende Barrierefreiheit für Behinderte die Barrieren für alle verringert. Die Mitglieder des MAC tauschen Informationen, Ideen und Ressourcen aus und unterstützen einander gegenseitig durch Treffen, Zusendung von Informationsmaterial sowie eine internationale Listserv-E-Mail-Mailingliste und andere Formen der Netzwerkarbeit. Der Monat Oktober wurde zum Monat der Sensibilisierung für nicht mit dem Sehvermögen wahrnehmbare Kunst (»Art Beyond Sight Awareness Month«) erklärt und ist ein weiteres Beispiel dafür, wie viele Museen, Behindertenorganisationen und Einzelpersonen zusammenarbeiten, um Behinderten die Welt der Kunst und Kultur zu erschließen. »Art Beyond Sight« bietet Schulen, Museen, Bibliotheken, Blindenorganisationen und Einzelpersonen die Möglichkeit, sich zusammenzutun, um das öffentliche Bewusstsein dafür zu schärfen, wie Kunst und Kultur in das Leben von sehbehinderten Kindern und Erwachsenen eingebracht werden können. Ein Konsortium von mehr als 150 Einrichtungen, Organisationen und Einzelperso-
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nen aus aller Welt bietet Programme an, die sich auf diese Initiative beziehen.7 Das Museum im Dialog mit seinem Publikum Museen müssen auch mit ihrem Publikum zusammenarbeiten. Die Besucher sind die Ansprechpartner, die den Museen mitteilen, was sie von einem Museumsbesuch erwarten und die den Museen helfen können, diese Erwartungen weiter zu geben. Nur indem man mit behinderten Menschen arbeitet, zum Beispiel in Beiräten, Evaluierungen und Fokusgruppen, kann man wirkliche Integration schaffen. »Integration« umfasst nicht nur Barriere- und Zugangsfreiheit für alle, sondern auch die Einbindung aller Beteiligten. Integration bedeutet nicht nur, dass Museen ihre Sammlungen für Behinderte zugänglich machen, sondern auch, dass die Mitarbeiter, Sammlungen und Darstellungen von Informationen die Bedürfnisse aller Besucher widerspiegeln – auch die der Besucher mit Behinderungen. Das etwas außerhalb von New York City auf Long Island gelegene Nassau County Museum of Art ist ein kleines Kunstmuseum in einem historischen Gebäude, mit ausgedehnten Gartenanlagen und einem Skulpturenpark. Dieses Museum hat die Zusammenarbeit mit seinem Publikum durch Intensivierung der Beziehungen zu nahegelegenen Schulen und Behindertenorganisationen gesucht. Es hat Fokusgruppen aus behinderten Schülern und Erwachsenen gebildet und die Gruppen nach ihrer Meinung zu den Umgestaltungsplänen befragt, die das Museum barrierefreier machen sollten. Das Ergebnis war ein größeres und besser informiertes behindertes Publikum, das sich in die Arbeit seines örtlichen Museums einbezogen fühlte – und eine große Zahl wertvoller Ratschläge, wie das Museum seine Integrationsbemühungen weiter entwickeln könnte. Zusätzlich zu einigen dringend erforderlichen Umbauten im Gebäude und im Gelände gibt es nun im Skulpturengarten einen Informationsstand mit Bildern, Texten und Hörmaterialien zu den Skulpturen, denen man sich körperlich nicht nähern kann, Tastgrafiken und Beschreibungen der Kunstwerke sowie viele andere Ausstattungsmerkmale, durch die ein Museumsbesuch für behinderte Besucher zu einer lohnenden Erfahrung wird. Die positive Reaktion aus der Gruppe der Gehörlosen und ihr Wunsch nach verstärkter Einbindung in die Museumsarbeit, der in den Gesprächen während der oben beschriebenen »Art & ASL«-Veranstaltung geäußert wurde, haben das Metropolitan Museum dazu angeregt, in dieser Richtung weiter zu arbeiten. In einem nächsten Integrationsschritt wurde ein Ausbil7 Vgl. www.artbeyondsight.org.
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dungsprogramm mit dem Titel »Met Signs« entwickelt, um Gehörlose zu Museumspädagogen auszubilden, die in ihrer Muttersprache, der amerikanischen Zeichensprache ASL, kommunizieren können. Das Museum führte dieses umfassende, einjährige Ausbildungsprogramm mit einer Gruppe Gehörloser durch, wobei der Schwerpunkt auf der Entwicklung von Führungen, der Arbeit mit unterschiedlichen Besuchergruppen sowie der Erarbeitung der kunsthistorischen Inhalte und der Einzelausbildung lag. Dann erhielten die Praktikanten die Möglichkeit, Vorträge zu den Ausstellungen vor einem gehörlosen Publikum zu halten. Das Ziel dieser Initiative besteht darin, gehörlosen Menschen Möglichkeiten zu eröffnen, die ihnen unter den Voraussetzungen normaler Bildungseinrichtungen nicht ohne Weiteres offen stehen. Das Museum wollte erreichen, dass die in seinem Mitarbeiterstab verfügbaren Museumspädagogen den einzelnen Gruppen der Museumsbesucher besser entsprechen. Dies hat dazu geführt, dass die Museumspädagogen am Metropolitan Museum heute hinsichtlich ihrer Fähigkeiten bunt gemischt und sachkundig sind. Drei ehemalige Praktikanten arbeiten heute als angestellte Museumspädagogen am Metropolitan Museum, halten Ausstellungsvorträge, machen Führungen, führen Familien- und andere Bildungsprogramme durch, und arbeiten gleichermaßen mit gehörlosen und hörenden Besuchern aller Altersstufen. Einer der gehörlosen Museumspädagogen hat regelmäßig im Rahmen des externen »Metropolitan Art Partners«-Programms an einer Gehörlosenschule unterrichtet. Dieses Programm besteht aus einer Folge von Unterrichtsstunden an der Schule sowie Besuchen im Museum. Die Rückmeldungen von den Lehrern der Gehörlosenschule waren überwältigend gut. Für die Schüler ist es eine neue, nie zuvor gemachte Erfahrung, dass ein gehörloser Pädagoge aus einem Museum in ihre Schule kommt, um ihnen in ihrer Sprache, der amerikanischen Zeichensprache, etwas über Kunst zu vermitteln. Eine ähnliche Reaktion kam von den erwachsenen Besuchern, die regelmäßig an den Vorträgen der gehörlosen Praktikanten und Museumspädagogen teilnehmen. Einer der gehörlosen Museumspädagogen unterrichtet nun auch in Familienprogrammen, für ihn übersetzt ein Dolmetscher die Zeichensprache in gesprochene Sprache, wenn er mit hörenden Kindern arbeitet. Hörende Kinder sind von der Zeichensprache fasziniert und auch hörende Eltern haben sich anerkennend zu dieser Form des Umgangs mit Gehörlosigkeit geäußert. Die Gehörlosen haben großes Interesse daran geäußert, dass diese Ausbildung fortgeführt wird. Im Herbst 2006 hat eine neue Gruppe gehörloser Praktikanten die Ausbildung aufgenommen, wobei nun die gehörlosen Museumspädagogen als Mentoren arbeiten.
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Abschliessende Bemerkungen Diese Initiative und die Arbeit mit Personen mit anderen Behinderungen, die dazu geführt hat, dass auch sie Führungen machen können, sind Ausdruck einer Veränderung in den Beziehungen des Museums zu seinen Besuchern. Das Museum ist bereits über die Abschaffung von Barrieren hinausgegangen und auf dem Weg zu völliger Integration: Es arbeitet mit Behinderten in einer Art und Weise, die sie aktiv in die Museumsarbeit einbindet, und versetzt sie gleichzeitig in die Lage, das Museum aktiver zu nutzen. Das Museum übernimmt gerne die Rolle des Moderators und wird diese neue und zunehmend beliebte Art der Zusammenarbeit mit Behinderten weiter ausdehnen, damit diese in Zukunft das Museum und seine Sammlungen selbstbewusster nutzen können. Die hier vorgestellten Beispiele sind nur einige von vielen Initiativen, die von Museen in den Vereinigten Staaten mit dem Ziel ins Leben gerufen wurden, eine größtmögliche Öffentlichkeit zu erreichen und zu integrieren. Wie ihre Kollegen an anderen US-amerikanischen Museen lernen und entwickeln auch die Museumspädagogen des Metropolitan Museum weiterhin integrativere Praktiken und bemühen sich, den Museumsbesuch für alle Besuchergruppen zu einem in jeder Hinsicht barrierefreien Erlebnis zu machen. Durch die Art und Weise, wie das Museum den Tastsinn und andere Sinne auf wohlüberlegte Weise in die Programmgestaltung einbaut, schafft es neue Musterbeispiele für die Museumspädagogik. Es bleibt jedoch noch viel zu tun. Ich würde gerne alle Museumspädagogen und andere Museumsexperten dazu ermutigen: • ihre schöpferische Phantasie einzusetzen, um neue Besuchergruppen anzusprechen; • flexibel zu sein, Wahlmöglichkeiten und mannigfaltige ›Eingänge‹ anzubieten; • nicht nur ständig die eigenen Annahmen und Erwartungen zu hinterfragen, sondern auch die der anderen; • Behinderten die Möglichkeit zu geben, sich an der Museumsarbeit zu beteiligen; • die Sammlungen und die Aufbereitung der Information so zu beeinflussen, dass sie die Erfahrungen von Behinderten widerspiegeln. • Denken Sie multisensuell! Nutzen Sie alle Ihre Sinne! (Nur zu, lecken Sie an einer Skulptur, riechen Sie an einem Gemälde!) Schließlich bieten Museen multisensuelle Erfahrungen im Überfluss. Wenn man das Metropolitan Museum betritt, wird man geradezu bombardiert mit
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Informationen für die Sinne – dem Duft der Blumen, dem Geräusch vieler Menschen und möglicherweise der Musik aus dem Lokal auf der Empore im ersten Stock, der veränderten Temperatur, dem Umraum, den man wahrnimmt. Ich bin sicher, dass es eine ähnliche Kakophonie sensorischer Information in jedem Museum gibt. Es ist möglich, sich diese Flut sensorischer Information zu Nutze zu machen, sie eher für die eigenen Zwecke einzuspannen als gegen sie anzukämpfen. Museen sind Orte, an denen es viel zu entdecken gibt und die allen Menschen Freude machen sollen. Wenn Museen integrativ denken, profitieren alle davon. In jeder Hinsicht barrierefreie Ausstellungen und Programmgestaltungen kann man nicht über Nacht herbeizaubern. Und das behinderte Publikum, das diese Ausstellungen und Programme besucht, muss sich auch erst entwickeln. Ob optimale Voraussetzungen für einen Erfolg bestehen, hängt zunächst einmal davon ab, dass in jedem einzelnen Museum und in der Museumslandschaft allgemein institutionelles Engagement und eine Museumskultur vorhanden sind, die Integration fördern. Dies erfordert nachhaltige Investitionen von Seiten der Museen – in Bezug auf Arbeitszeit, Finanzierung, Vorstellungskraft und anderer Ressourcen. Es braucht Zeit, um eine Beziehung zu einem Publikum aufzubauen, ein Bewusstsein für die Bedürfnisse der Behinderten zu entwickeln, barrierefreie Ausstellungen und Installationen umzusetzen und das Programm so zu gestalten, dass es den Bedürfnissen verschiedener Personengruppen entspricht. Beginnen Sie diesen Prozess allmählich, mit themenorientierten Pilotprogrammen, die evaluiert und unter Berücksichtigung der Rückmeldungen weiterentwickelt werden können. Verlieren Sie darüber jedoch nicht das Gesamtziel aus den Augen, ein Museum zu schaffen, in dem Besucher aus einer Reihe von Möglichkeiten auswählen, mit ganz verschiedenen Methoden Informationen erlangen und sich mit den Sammlungen beschäftigen können – unabhängig davon, ob sie behindert sind oder nicht. Literatur American Association of Museums (1998): Everyone’s Welcome: The Americans with Disabilities Act and Museums, für den Verband Amerikanischer Museen hergestellt von Universal Designers & Consultants, Inc., Takoma Park, MD. Erhältlich unter www.aam-us.org. Gardner, H. (1983): Frames of Mind: The Theory of Multiple Intelligences, Basic Books. Sanchez, I./McGinnis, R. (2003): Art and the Alphabet: A Tactile Experience, New York: The Metropolitan Museum of Art.
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Internetadressen www.aam-us.org – Verband Amerikanischer Museen www.artbeyondsight.org – das Projekt »Art Beyond Sight« www.cast.org – Center for Applied Special Technology (CAST) www.tenement.org – das Tenement Museum
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Museumsprogramme für Autisten. Ein Erfahrungsbericht
Monika Scheele Knight Einleitung Im englischsprachigen Raum, besonders in den USA, sind in den letzten Jahren verstärkt Museumsprogramme entwickelt und durchgeführt worden, die besonders im Hinblick auf die Bedürfnisse von Autisten konzipiert wurden. Stetig und schnell steigende Autismusdiagnosezahlen haben im englischsprachigen Raum dafür gesorgt, dass dem Autismus viel öffentliche Aufmerksamkeit in allen Medien gewidmet wird – wesentlich mehr als zum Beispiel bisher im deutschsprachigen Raum – und die Museumsprogramme sind nicht zuletzt aus dieser öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Autismus entstanden. Ich möchte in diesem Artikel zunächst kurz auf die im museumspädagogischen Zusammenhang entscheidenden Aspekte des Autismus eingehen und dann ein Museumsprogramm für Autisten aus den USA vorstellen. Dieses Museumsprogramm macht sich Elemente einer Kommunikationsintervention zunutze, die ich auch mit meinem eigenen, autistischen Sohn anwende. Zu dem Museumsprogramm in den USA habe ich die freie Journalistin Lisa Joy Rudy befragt, die ebenfalls einen autistischen Sohn hat, verantwortliche Redakteurin der Autismus-Website »About.com Autism« ist und die sich nicht nur theoretisch mit Museumsprogrammen für Autisten beschäftigt, sondern auch schon selbst an einem solchen Programm teilgenommen hat. Autismus Wesentliche Merkmale und Erziehungsziele Autismus ist eine Wahrnehmungsverarbeitungsstörung: Das Gehirn von Autisten verarbeitet die Impulse der Außenwelt anders als das neurotypische Gehirn. Dadurch nehmen Autisten alle Eindrücke aus der Umwelt anders wahr, oft sind sie gegenüber visuellen und auditiven Reizen stark überempfindlich. Viele Autisten haben Schwierigkeiten, Teileindrücke zu einem Ganzen zusammenzusetzen, sodass ihre Wahrnehmung der Außenwelt aus vielen Fragmenten besteht, die sie nur schwer zusammensetzen und deuten können, geschweige denn auf sie adäquat reagieren. Dabei kann der Grad der Beeinträchtigung zwischen sehr leichten und sehr schweren Ausprägungen stark variieren. Bis vor Kurzem wurden besonders zwei Formen des Autismus unterschieden: »Asperger«- und »Kanner«-Autismus. In den letz-
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ten Jahren hat sich allerdings aufgrund der feineren Diagnostik eine solche Bandbreite herausgestellt, dass nun immer mehr der Begriff »autistisches Spektrum« verwendet wird. Die Ursache dieser Wahrnehmungsverarbeitungsstörung ist bis heute im Detail noch unbekannt. Gewiss ist, dass es eine genetische Disposition gibt, die auf mehreren Genen liegt, aber die genaue Zahl der involvierten Gene und ihrer Fehlfunktionen wird zurzeit noch erforscht. Weil die Umwelt den Autisten so vieldeutig und unberechenbar erscheint, leben sie am liebsten in gleichbleibenden und wiederkehrenden Umgebungen und Strukturen: Durch starke Routine und Ritualisierung entsteht für sie eine verlässliche Lebenssituation, in der sie nicht permanent überfordert werden. Der Hang zu Wiederholungen, Stereotypien und festen Ritualen prägt sich bei den schwer betroffenen Autisten im Heranwachsen oft immer stärker aus. Der Widerstand gegen ein Aufbrechen der Gewohnheiten wird größer und die Bereitschaft zur Öffnung gegenüber der Außenwelt geringer. Je mehr sich Autisten zurückzuziehen versuchen, umso stärkere Begleiterscheinungen (zwanghaftes Verhalten, Auto-, Fremd- und Sachaggressionen) können sich dabei entwickeln. Heranwachsende und erwachsene Autisten – gemeint sind nach wie vor die schwer beeinträchtigten Menschen – können sich so sehr in ihre Zwanghaftigkeit hineinsteigern, dass sie extrem unglücklich werden, aber sie können dieses Verhalten selbst oft nicht kontrollieren und unterbrechen. Darum, und auch, um den Angehörigen ein lebbares Leben zu ermöglichen, ist es nötig, durch erzieherische Maßnahmen einzugreifen. Es hat sich erwiesen, dass eine Frühförderung der Kinder elementar ist; die Pubertät ist eine weitere wichtige Phase und auch erwachsene Autisten müssen kontinuierlich gefördert werden. Autisten brauchen aber auch ihre Rückzugsphasen, ihre Stereotypien und Rituale, um sich wohl zu fühlen, ansonsten prägen sich wiederum die negativen Begleiterscheinungen aus. Die Erziehung und Betreuung eines Autisten ist ein Balanceakt zwischen garantierter Struktur und einem portionsweisen Einführen der ›unberechenbaren‹ Außenwelt in diese Strukturen. Die Arbeit daran, die Teilnahme am Leben und ein sinnvolles Maß an Integration zu erlangen, ist eine lebenslange Aufgabe. Visuelle Strukturierung mit PECS Neben einer Vielzahl anderer therapeutischer Interventionen hat sich die Kommunikation mittels PECS als hilfreich erwiesen. PECS steht für »Picture Exchange Communication System«, es ist ein Bildaustausch-Kommunikationsansatz, der Ende der achtziger Jahre von Lori Frost speziell für autistische Kinder entwickelt wurde, heute aber auch bei anderen Behinderungen eingesetzt wird. In kleinschrittiger Therapiearbeit können viele nicht spre-
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chende Autisten lernen, mittels des Austauschs von Symbolkarten mit Abbildungen von Gegenständen und Menschen zu kommunizieren. Die Arbeit mit PECS kann dann auch auf die Schriftsprache ausgeweitet werden. Und obwohl Lautsprache bei PECS nicht unbedingt das grundsätzliche Ziel ist, so können die Anwender über PECS auch dazu ermutigt werden, die Symbole in einfache Sätze umzuformen. Wir wenden diese Methode schon seit über zwei Jahren für meinen sechsjährigen autistischen Sohn an. Die Vermittlung erfolgt in beide Richtungen: Ich kann ihm ein laminiertes Foto von unserem Auto zeigen und so vermitteln, dass wir nun mit dem Auto fahren werden und dann ein Bild von einem See, zu dem wir fahren, um dort spazieren zu gehen. Auf diese Weise wird das Verlassen des Hauses für meinen Sohn verständlich und stressfrei: Er weiß, welche Unternehmung geplant ist und die für Autisten oft so schwierige Übergangsphase von einem Ort zu einem anderen, von einer Aktivität zu einer anderen, wird erleichtert. Andererseits kann mein Sohn selbst auch mittels Bildkarten seine eigenen Wünsche vermitteln: So kann er mir etwa eine Bildkarte mit einem Glas bringen, wenn er Durst hat. Die Arbeit mit den Bildkarten funktioniert deshalb oft gut, weil das Gehirn der Autisten visuelle Eindrücke leichter verarbeiten kann als verbale Ansprache. Eben weil Autisten für visuelle Eindrücke so empfänglich sind, bietet sich natürlich an, ihnen Museumsbesuche zu ermöglichen. Museumsprogramm für Autisten in den USA Das Dupage Children’s Museum Sowohl für die Kinder als auch für die Museen kann es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit kommen, wenn ein Museum ein Programm für Kinder mit Lernschwierigkeiten oder auch speziell für autistische Kinder anbietet: So kehren die Eltern erfahrungsgemäß häufig mit ihren Kindern in dieses Museum zurück und werden oft sogar Mitglied des Freundeskreises. Mittlerweile gehören in den USA 13 Prozent der Kinder in die Kategorie der Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Diese und ähnliche Angebote sind durchaus auch eine Reaktion der Museen auf diese steigenden Zahlen und als Versuch zu bewerten, Besucherzahlen unter den genannten Bedingungen zu halten oder sogar auszubauen. Die Schwierigkeit, die Autisten mit der Verarbeitung von Sinneseindrücken haben, sowie auch die Schwierigkeiten im sozialen Umgang mit anderen Menschen allgemein, stellen dabei relativ große Herausforderungen an ein Museumsprogramm. Das »Illinois Autism Training and Technical Assistance Project« (IATTAP) hatte die Idee, sich das Arbeitsprinzip mit den Bildkarten zunutze zu machen und für Autisten eine Art visuellen Museumsfüh-
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rer zu entwickeln, einen Katalog mit den Bildern dessen, was im Museum zu sehen und zu erfahren ist, damit im Vorfeld des Museumsbesuchs Autisten auf die Eindrücke vorbereitet werden können. Das Dupage Children’s Museum erklärte sich bereit, gemeinsam mit dem IATTAP einen solchen Katalog zu entwerfen. Zunächst begleitete man ein autistisches Kind durch das Museum und fotografierte das Kind, um später nachvollziehen zu können, was das Kind besonders anspricht und wie es den Raum erfährt. Aus diesen Beobachtungen wurden visuelle Systeme für unterschiedliche Spielsituationen im Kindermuseum entwickelt. Verschiedene Kataloge können mittlerweile zu Vorbereitungszwecken für mehrere Ausstellungen ausgeliehen werden. Begleitet wurde die Entwicklung dieser visuellen Hilfskataloge durch ein Trainingsprogramm für Eltern, das das Dupage Children’s Museum parallel anbot. Die Angestellten des Museums besuchten im Vorfeld alle einen Workshop zum Thema »Autismus«. Seitdem veranstaltet das Museum jeden Monat einen speziellen Autismus-Abend, zu dem verschiedene Experten eingeladen werden. Dieses Programm des Kindermuseums hat sich als äußerst beliebt erwiesen und hat auch manche Mitgliedsanträge generiert. Mittlerweile gibt es ähnliche Museumsprogramme in verschiedenen Bundesstaaten der USA, aber auch im Zoo (Brookfield Zoo in Illinois). Bei diesen Programmen handelt es sich größtenteils um Eltern-Kind-Angebote, es ist aber ebenso denkbar, sie als Schulprogramme durchzuführen. Lisa Joy Rudy – Tipps für die Museen Die freie Journalistin Lisa Joy Rudy hat eine Liste mit Tipps zusammengestellt, die sie aus ihren eigenen Erfahrungen mit den Museumsprogrammen gewonnen hat: 1. Sprechen Sie sich vor dem Besuch einer Gruppe sehr genau mit den tagtäglichen Betreuern der Autisten ab. Erarbeiten Sie gemeinsam einen Plan und lassen Sie sich von den Betreuern gut auf alles vorbereiten, was eventuell passieren könnte. 2. Vorbereitung ist der Schlüssel zum Erfolg. Je mehr die besonderen Besucher und vor allem deren Betreuer über Ihr Museum, die Möglichkeiten, Bedingungen und Erwartungen wissen, umso wohler werden sie sich fühlen. Am besten ist es, wenn Sie die Gruppe vor dem Museumsbesuch einmal selbst besuchen, um sich gegenseitig kennenzulernen und Fragen zu beantworten. 3. Bereiten Sie auf jeden Fall visuelle Hilfen vor. Sie können eine Digitalkamera benutzen oder auch eine Videokamera, um das Museum aufzunehmen. Die visuellen Hilfen sollten der Gruppe weit im Voraus zur Ver-
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fügung gestellt werden, damit die Betreuer damit ausreichend vorarbeiten können. Lassen Sie es beim Besuch langsam angehen: Beginnen Sie mit einer einfachen, kleinen Erfahrung in einem möglichst reizarmen Raum, um die Wahrnehmung der Autisten keineswegs gleich zu überfordern. Gehen Sie in größere Räume mit stärkeren und zahlreicheren Eindrücken erst dann, wenn Sie merken, dass die Gruppe sich wohlfühlt. Je kleiner die Gruppe, desto besser. Die mögliche Größe richtet sich auch nach der Schwere der Beeinträchtigung der Autisten. Sie können sich dazu am besten mit den Betreuern absprechen. Generell aber gilt, selbst bei einer leicht beeinträchtigten Gruppe, dass ihre Anzahl zwölf Teilnehmer nicht überschreiten sollte. Der Personalschlüssel muss hoch sein. Ein gutes Verhältnis Erwachsener zu Kind/Jugendlichem wäre mindestens 1:3 (im Bedarfsfall aber sogar bis zu 1:1). Sollten Sie dafür nicht genügend Personal haben, so können Sie die Betreuer oder Eltern vielleicht für eine Assistenz gewinnen. Eine gute Idee wäre zum Beispiel, die jeweiligen Einzelfallhelfer der Autisten in den Museumsbesuch einzubinden. Die diversen Betreuer (Lehrer, Einzelfallhelfer, Therapeuten) und die Eltern arbeiten im Idealfall alle eng zusammen. Hier ließe sich sicherlich eine Person finden, die den Autisten beim Museumsprogramm begleiten kann. Minimieren Sie die Flut von Sinneseindrücken. Museen sind von Natur aus zahlreich bestückt, aber für Autisten muss hier eine gewisse Dosierung konzipiert werden. Vermeiden Sie zu starke Eindrücke, wie etwa Filme mit Explosionen. Seien Sie auf besondere Bedürfnisse gefasst. Kinder oder Erwachsene mit besonderen Bedürfnissen haben nun einmal besondere Ansprüche und das kann im Rahmen eines Museumsbesuches deutlich werden. Gerade für Autisten ist es nötig, für den Fall einer negativen Reaktion einen ruhigen Rückzugsraum zu haben, in dem sie sich wieder fangen können, falls sie beispielsweise mit Auto-Aggressionen auf Reizüberflutung reagieren. Halten Sie einen reizarmen Raum, zum Beispiel ein leeres Büro, zu diesem Zweck bereit.
Schlussbemerkungen Autisten in die Museen zu bringen, hat meines Erachtens keinen vorrangig therapeutischen Zweck, selbst dann nicht, wenn man sich die therapeutische PECS-Methode als Hilfsmittel zunutze macht. Die autistischen Kinder, Jugendlichen oder auch Erwachsenen können aber mittels eines solchen Besuchs lernen, neue Umgebungen als Teil ihrer bekannten Welt zu akzeptieren. Ein solcher Besuch bringt Vielfalt in das Leben und stärkt vielleicht
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sogar ihre Kompetenzen in der Wahrnehmung. Diese Faktoren sind demnach willkommene und positive Begleiterscheinungen eines Museumsbesuchs. Am wichtigsten erscheint mir aber, besonders auch aufgrund meiner eigenen Erfahrung mit meinem Sohn in der Öffentlichkeit, dass die Abweichung von gesellschaftlicher Norm oft zur Isolation führt. Dem entgegenwirkend ginge es demnach bei dem Angebot eines Museumsbesuchs für Autisten vor allem um eine Teilnahme an der Gesellschaft; darum, den Autisten einen Ort zugänglich zu machen, von dem sie sonst ausgeschlossen sind. Sobald man das Haus verlässt und für viele Menschen ›normal‹ erscheinende Dinge unternehmen möchte, stößt man sehr schnell an zahlreiche Grenzen. Die Umwelt ist häufig nicht auf die Bedürfnisse eines autistischen Menschen eingestellt und nicht selten muss schon nach einer halben Stunde wegen Überforderung und daraus resultierenden Problemen der Nachhauseweg angetreten werden. Es wäre sehr wünschenswert, wenn es ausgewählte Orte und Angebote gäbe, die auch für eine Familie mit einem Autisten zugänglich wären, um einer Isolation entgegenwirken zu können. Bekannte Örtlichkeiten zu verlassen und sich auf neue Sinneseindrücke einzulassen, das ist eine große Anpassungsanforderung für Autisten. Durch eine gewissenhafte Vorbereitung und Durchführung, die auf die besonderen Bedürfnisse zugeschnitten ist, könnte ein Museumsbesuch den Autisten aber nicht nur viel Spaß machen und ein positives Gefühl ihrer Leistung in der Bewältigung einer neuen Situation vermitteln, sondern auch einen unschätzbaren Wert im Sinne der Teilhabe und Integration haben.
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Für einen barrierefreien Zugang der Cité des Sciences et de l’Industrie
Jean-Pierre Ferragu Eine ständige Verpflichtung Die Cité des sciences et de l’industrie wurde im März 1986 eröffnet und hat den Zweck, die Entwicklungen der modernen Forschung, Technik und Industrie einem breiten Publikum zu vermitteln. Im Rahmen von Dauer- und Wanderausstellungen, durch Animationen, Vorträge, wissenschaftliche Debatten, Dokumentations- und Bildungszentren wie zum Beispiel Mediathek, Cité der Berufe und Cité der Gesundheit, fördert sie das Interesse der Besucher für die wissenschaftlichen und technischen Herausforderungen unserer Zeit. Im »Carrefour numérique« (dt.: Digitale Kreuzung) können die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ausprobiert und praktisch angewendet werden. Und in der Cité der Kinder werden schon die Allerjüngsten mit spielerischen Mitteln an die Themenkreise Forschung und Technik herangeführt. Seit der Eröffnung der Cité widmet sich ein Serviceteam den Fragen der Zugänglichkeit. Bestehend aus vier Bereichen, empfangen sie Besucher mit eingeschränkter Mobilität, mit geistiger Behinderung, mit Seh- und Hörschäden. Zwei gehörlose und eine blinde Person besitzen eine zentrale Rolle in diesem Team. Um rationelle und effiziente Lösungen zu erarbeiten, ist es in der Tat sinnvoll, Menschen mit Behinderungen bereits in die Überlegungs- und Planungsphase einzubinden. Auf diese Weise kommt es innerhalb der Arbeitsgruppe zu einer starken Sensibilisierung, zumal für die speziellen Probleme sensorieller Behinderungen, die sich schwer in eine technische Norm fassen lassen. Im Lauf der Jahre wurde dieser barrierefreie Kommunikationsansatz auf andere Besuchergruppen erweitert, deren Zugang zu kulturellen Einrichtungen ebenfalls erschwert sein kann, wie zum Beispiel ausländische Besucher, Menschen, die in sozialen Einrichtungen leben, oder auch Angehörige sozial unterprivilegierter Schichten. Zugänglichkeit für Menschen mit Mobilitätsbehinderung Das nach den Plänen von Adrien Fainsilber auf dem Gelände der alten Verkaufshalle der Pariser Schlachthöfe errichtete Gebäude der Cité des sciences et de l’industrie reflektiert in seiner Anlage das Streben nach einem barrierefreien Zugang zur Architektur und Ausstellungsgestaltung der Cité. An der Garderobe sind Rollstühle für Groß und Klein sowie Kinderwagen ausleihbar.
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Zugänglichkeit für Menschen mit Sehbehinderung Nach und nach wurden mehrere Ausstellungsflächen für blinde und sehbehinderte Menschen barrierefrei gestaltet. So wurden zum Beispiel multisensuelle Präsentationen integriert (Gebrauchsanleitungen und Hinweisschilder in Braille und Reliefschrift, taktile Karten, akustische Objekte und Elemente), damit auch blinde und sehbehinderte Menschen die Ausstellungen besuchen und sich der bereitgestellten Hilfsmittel bedienen können. Bis dato sind die Cité der Kinder sowie zehn Dauerausstellungen (z.B. Akustik, Energie, Mensch und Gene, Mineralogie und Vulkanologie, Astronomie und Weltraumfahrt usw.) entsprechend ausgestattet. Auch Führungen und Workshops unter Leitung wissenschaftlicher und technischer Museumsmitarbeiter werden angeboten, unter Einbeziehung aller interaktiven Mittel, die für die jeweilige Zielgruppe geeignet sind. Um eine Verbesserung der museologischen Präsentationstechnik zu erreichen, nimmt die Cité des sciences et de l’industrie an der Erforschung der taktilen (d.h. tastbaren) Bilddarstellung teil. Vor diesem Hintergrund finden regelmäßig Einführungs- und Fortbildungskurse zu Fragen der Bildlektüre für betroffene Erwachsene statt. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit entwickelte die Cité des sciences et de l’industrie Bilddokumente in Hochdruck, Braille und großer Schrift sowie Audiokassetten für Sehende, Blinde und Sehbehinderte. Die Publikationsreihe »A voir et à toucher« (dt.: Zum Sehen und Anfassen) umfasst mehrere Titel: »Des clefs pour bâtir«, »Machine-terre«, »Les procréations«, »Formes de l’univers«, »Kit éclipse«, »Lagaffe touch«. Was die Mediathek angeht, so ist der »Carrefour numérique« mit spezifischen Stationen ausgestattet. Darüber hinaus wurden für sehbehinderte Besucher im Saal »Louis-Braille« Bildschirmlesegeräte und Computer zum Lesen ephemerer Texte in Brailleschrift und Anhören von aufgezeichneten Dokumenten bereitgestellt. Anhand eines Braille-Druckers wird das Dokument auf Wunsch ausgedruckt und kann mitgenommen werden. Das hiesige Betreuerteam bietet Beratungen und kurze Animationen an und vermittelt den Nutzern bei Bedarf Grund- oder weiterführende Kenntnisse bezogen auf die Internetrecherche, die Erstellung von Websites und das Korrespondieren per E-Mail. Zugänglichkeit für schwerhörige Besucher Mehrere anhand eines Piktogramms auffindbare Dienste (zwei Kassen, die Kinosäle, das Planetarium, das Auditorium und die Audio-Guides) sind mit Induktionsschleifen ausgestattet. Dadurch werden die lautlichen Äußerun-
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gen eines Ausstellungsführers, der Person an der Kasse oder auch das im Rahmen einer Veranstaltung Gesprochene in Funkwellen umgewandelt, die das individuelle Hörgerät empfangen und entschlüsseln kann. Da alle störenden Geräusche aus der Umgebung ausgeblendet werden, kann ein Hörgeschädigter mit einem passenden Hörgerät über diese Bandschleife den Ton besser wahrnehmen. Bei manchen Vorträgen können alle hörgeschädigten Teilnehmer das Gesprochene dank einer computergestützten Transkription direkt mitlesen. Innerhalb der Ausstellungen sind die wichtigsten audiovisuellen Medien mit französischen Untertiteln versehen, um auch hörgeschädigten Besuchern den inhaltlichen Überblick zu vermitteln. Außerdem wurden anlässlich von Ausstellungen in der Cité des sciences et de l’industrie viele Filme in Zeichensprache realisiert, darunter »La Révolution francaise«, »Démographie en mouvement« und »La science entre fiction et réalité«. Einige dieser Titel können käuflich erworben werden. Der Film »Effets spéciaux«, der im Rahmen der Ausstellung »Star Wars« gezeigt wurde, hat Untertitel in Gebärdensprache. Zugänglichkeit für gehörlose Besucher Gehörlose können für ein Dutzend Themen Informationen in Gebärdensprache erhalten. Diese Führungen werden Gruppen und Einzelpersonen angeboten, entweder nach vorheriger Anmeldung oder auch ohne Reservierung im Rahmen von Sonderführungen, die in der Regel an den Wochenenden, Sonn- und Feiertagen stattfinden. Außerdem werden einige Themen im Rahmen einer pädagogischen Projektwoche, »Classe Villette« genannt, auch für gehörlose Schüler angeboten. In Zusammenarbeit mit französischen und ausländischen Gehörlosenverbänden werden regelmäßig Führungen und Videokonferenzen in Gebärdensprache übertragen. Parallel dazu setzt die Cité des sciences et de l’industrie ihre Bemühungen fort, die hörenden Museumsbesucher für die Kommunikationsstrukturen ihrer gehörlosen Mitmenschen zu sensibilisieren. So werden im Rahmen bestimmter Ausstellungen öffentliche Veranstaltungen in Gebärdensprache durchgeführt und »Classes Villettes« für hörende Kinder zum Thema der Kommunikation organisiert. Zugänglichkeit für Menschen mit geistiger Behinderung Die französische Vereinigung der Eltern und Freunde von Menschen mit geistiger Behinderung (UNAPAI) unterstützt die Cité des sciences et de l’industrie in ihrem Bestreben, Museumsbesuchern mit geistiger Behinderung einen barrierefreien Zugang zu den Exponaten zu ermöglichen. Durch Sen-
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sibilisierungsmaßnahmen will man die Leiter von Behindertengruppen und die betroffenen Eltern als Nutzer des Kulturangebots der Cité gewinnen. Auf dem Programm stehen Besichtigungen ›à la carte‹. Auf diese Weise haben sich auch Menschen mit geistigem Handicap an den Besuch in der Cité des sciences et de l’industrie gewöhnt. Anhand der jeweiligen Begleitdokumente können sie in autonomen Gruppen mit Freude und Neugier spezielle Aspekte einer Ausstellung entdecken. Durch ihre immer wiederkehrende Präsenz werden die Mitarbeiter der Cité in ihrem Engagement für diese Besuchergruppe bestärkt. Organisation Die Zugänglichmachung der angebotenen Kulturleistungen setzt eine permanente Betreuung der Projekte voraus. Diese erstreckt sich über 20.000 qm Ausstellungsfläche, die Mediathek, den »Carrefour numérique«, die Cité der Gesundheit, die Cité der Berufe, die Géode, das Planetarium und das Filmtheater Louis-Lumière. Nur einige Elemente spezifischen Charakters sind von dieser Regel ausgenommen, so beispielsweise das U-Boot »L’Argonaute«. Perspektiven • Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) mit dem Ziel, die Autonomie der Ausstellungsbesucher mit Behinderungen zu stärken. Neue Schnittstellen, PDA mit Zeichensprache, Orientierungsleitsysteme; • verbesserte Autonomie der Besucher mit sensoriellen Behinderungen mittels IKT durch Fernabfrage von Informationen, direkten Internetzugang, direkten Zugang zur E-Mail, zu den Datenbeständen mittels taktiler Bilder etc.; • Ausbau der Zugangskontrolle und -begleitung im Projekt durch IKT, 3DAnalysesoftware, Simulation etc.
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Anhang: Praxisbeispiele • Zwei Beispiele für barrierefreie Lösungen in unserem AUFGABENHEFT
• Fünf Beispielhafte barrierefreie INSTALLATIONEN der Sonderausstellung »Le train se découvre« (»Entdeckung der Eisenbahn«)
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Aufgabenheft Beispiel 1: Taktile Erreichbarkeit
Aufgabenheft Beispiel 2: Audiovisueller Saal
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Installation Beispiel 1: Simone, die Bahnhofsstimme
Ziel: Anhand einer Software mit stark vereinfachter Schnittstelle bildet der Benutzer aus bereits aufgezeichneten Satzteilen Zugabfahrtansagen. Man hört die Stimme von Simone, mit der alle in Frankreich gebräuchlichen Bahnhofansagen aufgenommen wurden. Bedienung: Auf dem Bildschirm erscheint eine typische Bahnhofsansage in fünf Abschnitten. Jeder Abschnitt ist anwählbar und öffnet sich auf ein Mini-Menü, das drei Worte zur Auswahl durch Klicken anbietet. Sind alle Satzabschnitte zugeordnet, drückt der Benutzer auf einen Button, um das Ergebnis abzuhören. Besucher mit geistiger Behinderung: Gute Attraktivität, da die Handhabung schöne Erfolgserlebnisse garantiert. Einfache Aufgabenstellung; die Gerätebedienung durch Anwählen und Klicken ist leicht erlernbar und führt immer zu einem Ergebnis. Gehörlose Besucher: Für diese Benutzergruppe werden die Bedienungshinweise visuell vermittelt. Auf dem linksseitig angebrachten Display wird ein Film mit erklärenden Untertiteln gezeigt. Besucher mit Sehbehinderung: Zugang wird durch eine Begleitperson ermöglicht. Das Ergebnis wird sprachlich vermittelt. Besucher mit Bewegungseinschränkung: Die Steuerelemente sind frontal und auch von der Seite gut erreichbar. Die Entfernung der audiovisuellen Elemente entspricht den empfohlenen Normen.
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Jean-Pierre Ferragu ➔ Anhang: Praxisbeispiele
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Installation Beispiel 2: Für jede Ware der passende Waggon
Ziel: Der Waggontyp muss auf die Form der zu befördernden Güter abgestimmt werden. Bedienung: Der Benutzer befindet sich vor zwei Drehzylindern. Mit dem linksseitig angebrachten Zylinder kann er das jeweilige Transportgut visuell identifizieren; die rechtsseitig angebrachte Rolle erlaubt die Visualisierung der in Frage kommenden Waggontypen. Die beiden Zylinder sind so aufeinander abzustimmen, dass die jeweiligen Transportgüter in den Waggon kommen, der ihrer Form optimal angepasst ist. Das Ergebnis wird durch einen Kontrollbutton überprüft. Besucher mit geistiger Behinderung: Hohe Attraktivität, Zuordnung der Formen ist relativ leicht. Hohe Erfolgsquote. Besucher mit Sehbehinderung: Die Art der Güter und der Waggons wird durch die äußere Beschaffenheit ertastet. Die Form der Waggons wird durch taktile Mittel dargestellt. Gehörlose Besucher: Durch die Zuordnung der einzelnen Güter zum Behältnis werden vor allem die visuellen und intuitiven Fähigkeiten angesprochen. Besucher mit Bewegungseinschränkung: Das Gerät ist gut zugänglich, die Annäherung erfolgt von der Seite her, die Bedienungsdauer ist begrenzt, und es gibt nichts zum Ergreifen. Die Anbringungshöhe der Bedienungselemente (Senkrechtstellung eines Zylinders, Druck auf den Button) und der visuellen Informationen entsprechen den empfohlenen Werten laut unserem Aufgabenheft.
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Installation Beispiel 3: Crashtest
Ziel: Veranschaulichung der vorgesehenen Knautschzonen am Beispiel eines Frontalzusammenstoßes zweier Züge. Bedienung: Auf eine Modellbahn wird eine Stoßbelastung ausgeübt. Während sich die technischen Wagenteile unter der Wucht des Aufpralls verbiegen, bleibt der Fahrgastraum intakt. Besucher mit geistiger Behinderung: Obwohl das Element der präzisen Handhabung bedarf, wird es doch intuitiv bedient und garantiert ein Erfolgserlebnis. Über dem zu bedienenden Element sind zusätzliche grafische Erklärungen angebracht. Der Text ist extrem kurz und kommt zuletzt. Gehörlose Besucher: Die Bedienung des Elements erfolgt intuitiv, der Analyseprozess wird visualisiert. Besucher mit Sehbehinderung: Die Handhabung erfolgt vorwiegend taktil und die Information wird den Nutzern allseits verständlich nichtvisuell vermittelt. Die auf das Element ausgeübte Handlung, der Rückstoß und die Zusammensetzung der verschiedenen Wagenteile erschließen sich über den Tastsinn. Besucher mit Bewegungseinschränkung: Ausgezeichnete Zugänglichkeit. Der Zugang erfolgt frontal; es gibt kein Element, das im Weg ist. Die Höhe für die taktile Handlung (Stoßen) entspricht den Empfehlungen unseres Aufgabenheftes. Ein mustergültiges Lehrbeispiel für Barrierefreiheit.
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Jean-Pierre Ferragu ➔ Anhang: Praxisbeispiele
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Installation Beispiel 4: Draisine
Ziel: Eine kleine Besuchergruppe wird auf eine kurze, aber ganz reale Zugfahrt in das Reich der Träume entführt. Bedienung: Der Benutzer setzt sich in eine Chaiselongue, die auf einer Draisine steht, um eine kleine Tour auf der Schiene zu machen. Während der Fahrt werden Filmaufnahmen von Eisenbahnstrecken rund um die Welt projiziert. Besucher mit geistiger Behinderung: Das Element ist sehr attraktiv und verführt zum Träumen. Es bedient sich der Metaphorik des Reisens. Dieser bildhafte Ansatz ist gerade für diese Gruppe ideal, weil hier die Informationen im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Das Element besticht mit seiner emotionalen Sogwirkung (die Bilder an der Wand, abgedunkelte Umgebung) und dem kinästhetischen Aspekt (Liegeposition). Es ist nur schade, dass dieses Element nicht mehr Inhalte vermittelt. Gehörlose Besucher: Hohe Attraktivität durch die bildhafte Visualisierung. Besucher mit Sehbehinderung: Der Film spricht die akustische Wahrnehmungsfähigkeit an. Allerdings könnte die Vertonung ruhig informativer sein. Besucher mit Bewegungseinschränkung: Für sie ist dieses vorbildliche Element besonders vorteilhaft. Zwei Rollstühle können bequem mitreisen.
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Installation Beispiel 5: Lärmberuhigte Bahnhöfe
Ziel: Aufzeigen, wie man durch entsprechende Bearbeitung von Außen- und Innenwänden die Lärmbelästigung auf Bahnhöfen reduziert. Bedienung: Erst wird ein Tonbeispiel eines nicht präparierten Bahnhofs angehört und dann mit dem Beispiel eines geräuschisolierten Bahnhofs verglichen. Ein Materialmuster zum Anfassen wird bereitgestellt. Besucher mit geistiger Behinderung: Interessante, einfache Zielsetzung. Gehörlose Besucher: Durch Hinzufügung von Schallwellen in Bewegung würde man das Phänomen besser nachvollziehbar machen. Besucher mit Sehbehinderung: Der Zugang wird durch eine Begleitperson ermöglicht. Das Ergebnis wird auditiv wahrgenommen. Diese Erfahrung könnte durch die Dauerausstellung »Die Töne« ergänzt werden. Besucher mit Bewegungseinschränkung: Steuerelemente gut zugänglich. Sinnvoll wäre eine Bildschirmneigung (empfohlen 60˚).
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»museumssterne*** – museen basel offen für behinderte« 1
Corinne Eichenberger »Wichtig ist, dass eine Museumsausstellung unseren Bewohnerinnen und Bewohnern verschiedene Erlebnismöglichkeiten bietet. Das heißt, dass sie etwas in Bewegung setzen, etwas anfassen und so begreifen können. Auch Geräusche sprechen sie an. Wichtig ist auch, dass die Ausstellungsräume mit Rollstühlen gut erreichbar sind und dass es für die Fußgängerinnen Sitzmöglichkeiten hat. Auch Begegnungen zwischen unseren Bewohnerinnen und Bewohnern und anderen Museumsbesuchenden sind sehr wertvoll. Dies wird in einer Ausstellung möglich, in der die Besuchenden aktiv sein können.« (Christiane Vogel-Schmitt, Betreuerin Wohngruppe icarus, Wohnund Beschäftigungsheim für mehrfach behinderte Erwachsene)
Ausgangslage Besucherinnen und Besucher sind vermehrt ins Bewusstsein der Museumsverantwortlichen gerückt. Auf ihre Bedürfnisse wird geachtet, auch deshalb, weil das Publikum für Museen zunehmend wichtig geworden ist: Es bringt Einnahmen, ist für Mund-zu-Mund-Werbung verantwortlich und treibt die Besuchszahlen in die Höhe. Die Besucherstatistiken geben einen Hinweis auf das Interesse an einem Museum oder einer Ausstellung. Besucherorientierung ist in diesem Zusammenhang ein Schlagwort, aber auch ein Weg, den Besucherinnen und Besuchern das eigene Museum bestmöglich zugänglich zu machen. Eine besondere Besuchergruppe sind Menschen mit Behinderungen. Diese nehmen heute ganz selbstverständlich am kulturellen Leben teil. Sie sind längst nicht mehr Angehörige einer Randgruppe: Eine hohe Lebenserwartung, aber auch Unfälle und Krankheiten bringen es mit sich, dass die meisten Menschen früher oder später mit Einschränkungen leben müssen. Das Besondere dieser Besuchergruppe ist aber nicht zuletzt, dass sie sehr heterogen ist: Die Arten der Behinderungen sind zahlreich, und genauso verschiedenartig sind die Bedürfnisse und Wünsche – vergleichbar mit den mannigfaltigen Bedürfnissen aller Besucherinnen und Besucher. Wichtig ist also, ein Bewusstsein für die unterschiedlichen Bedürfnisse von verschiedenen Besuchergruppen zu entwickeln. Denn oft braucht es 1 Das Projekt »museumssterne*** – museen basel offen für behinderte« steckt mitten in der Pilotphase. Daher bewegt sich der Bericht an den wichtigsten Eckpunkten des Konzepts entlang. Die Idee einer museumsübergreifenden Auszeichnung soll und kann als Inspiration dienen, und vielleicht lassen sich einzelne Überlegungen und Aspekte auf andere Situationen und Projekte übertragen.
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nur wenig, um einer Besuchergruppe mit speziellen Voraussetzungen die Angebote eines Museums zugänglich zu machen. Die Nutzungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen haben sich in den letzen Jahren in den Museen sicher verbessert. Nach wie vor besteht aber Handlungsbedarf: Präzise Informationen, gute Zugänglichkeit und Benutzbarkeit sowie bedürfnisgerechte Ausstellungen und Veranstaltungen sind eine wichtige Voraussetzung, damit behinderte Besucherinnen und Besucher in den Museen Feuer fangen und deren zahlreiche Schätze genießen und nutzen. Die Initiatoren der »museumssterne***« sind überzeugt, dass ein Engagement der Museen in diesem Bereich allen Museumsbesucherinnen und -besuchern zugute kommt: Die stufenlose Erschließung eines Museums nützt Eltern mit Kinderwagen, von Sitzgelegenheiten und guten Beschriftungen profitieren Rentnerinnen und Rentner, die in ihrer Mobilität und ihrem Sehvermögen beeinträchtigt sind, und eine Ausstellung zum Thema Behinderung wird nicht behinderten Menschen aufzeigen, wie fließend die Grenzen zwischen einem Leben mit und ohne Behinderung sind. Ausschlaggebend ist, dass nicht nur bauliche Barrieren, die gerade in den oftmals alten Museumsgebäuden den Zugang schwierig gestalten, sondern dass vor allem die mentalen Barrieren aufgeweicht werden. »Hier im Antikenmuseum habe ich im Auftrag einer Radiosendung für und mit einer blinden Frau einzelne antike Skulpturen erläutert. Ich war beeindruckt über den intensiven Dialog, der sich daraus entwickelt hat, sodass auch für mich wieder neue Sehweisen entstanden sind.« (Prof. Dr. Peter Blome, Direktor Antikenmuseum Basel)
Idee Ab 2006 werden Basler Museen, die sich für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen engagieren, ausgezeichnet. Innovative Projekte zu den Bereichen Information, Zugänglichkeit, Ausstellungen oder Veranstaltungen erhalten ein Preisgeld und »museumssterne***«. Dazu gehören zum Beispiel besonders gestaltete Ausstellungen mit Objekten zum Anfassen, Ausstellungen mit guten akustischen Informationen, die Erstellung einer rollstuhlgerechten Toilette, Führungen in Gebärdensprache, Workshops für Menschen mit geistiger Behinderung. »Als Gehörlose kann ich nicht spontan an einer öffentlichen Führung teilnehmen und erwarten, dass eine Gebärdendolmetscherin zur Verfügung steht. Ich muss im Voraus buchen und planen, und die Kosten für eine Dolmetscherin gehen zu meinen Lasten. Auch mit einer Dolmetscherin ist nicht garantiert, dass ich alle Details mitbekomme, denn ich muss auf die Dolmetscherin schauen, dabei – während der Führende spricht
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und auf die Gegenstände hinweist – verpasse ich wichtige Details. Deshalb braucht es bei Führungen mit Gehörlosen viel mehr Zeit.« »Ideal für uns Gehörlose wäre, wenn ein Gehörloser selbst eine Führung anbietet. So könnte gehörlosengerecht vermittelt werden, denn Gehörlose haben oft Wissensund Informationsdefizite, die ein gehörloser Führer besser versteht.« »Die Aussicht, Gehörlose selbst zu Museumspädagogen auszubilden und sie als Führer zu beschäftigen, wäre interessant und prüfenswert. Auf diese Weise könnten Gehörlose zu häufigeren Museumsbesuchen animiert werden. Im Metropolitan Museum in New York gibt es übrigens einen älteren gehörlosen Herrn, der Führungen in Gebärdensprache macht, die darüber hinaus für Hörende gedolmetscht werden.« (Gerda Winteler, dipl. sozio-kulturelle Animatorin, Höhere Fachschule, hörbehindert)
Ziel Es ist den Initiatoren bewusst, dass die Ziele sehr visionär sind. Die Auszeichnung »museumssterne*** – museen basel offen für behinderte« will: • das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen fördern; • Integration und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen im kulturellen Leben fördern; • Besucherorientiertes Denken und Handeln in den Museen verstärken. Wenn in möglichst vielen Museen immer wieder neue und spannende Projekte stattfinden, wird für Menschen mit Behinderungen längerfristig mit größerer Selbstverständlichkeit eine Integration in das kulturelle Leben möglich sein. Die Langfristigkeit des Engagements spielt dabei eine wichtige Rolle. Daher wurden die Strategien wie folgt gewählt: • Die Auszeichnung läuft über fünf Jahre, damit das Thema (mit seinen Möglichkeiten und Chancen) wiederholt innerhalb der Museen, aber natürlich auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird. • Das Preisgeld und die öffentliche Auszeichnung sollen für die Museen eine Motivation sein, in besondere Projekte zu investieren. • Die Projekte der Museen selbst sollen aus dem regulären Budget der Museen finanziert werden und damit genauso selbstverständlich werden wie andere Museumsprojekte auch.
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum »[Es gibt] kaum Möglichkeiten zum Parkieren, das heißt, ich muss auf der Straße ausgeladen werden […]. Restaurants sind nicht ohne fremde Hilfe zugänglich, da die Schwelle zu hoch ist […]. [Es gibt eine] schöne Rampe, aber [die ist] zu steil. […] [Das heißt dann] HINTEReingang! […]. Aber die Leute sind sehr freundlich und begleiten einen dann.« (Aiha Zemp, Dr. phil., Leiterin Fachstelle fabs [Fachstelle für Behinderung und Sexualität], mobilitätsbehindert)
Organisation Die Auszeichnung »museumssterne*** – museen basel offen für behinderte« wurde von der Fachstelle für Integration und Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung und den Museumsdiensten Basel – beides Abteilungen im Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt – initiiert. Aufgabe der Fachstelle für Integration und Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung ist es, die Departemente und Betriebe des Kantons und die vom Kanton subventionierten Freizeit-, Bildungs- und Kulturinstitutionen für die Rechte behinderter Menschen zu sensibilisieren, über ihre besonderen Bedürfnisse zu informieren und die Planung und Durchführung von Maßnahmen zu initiieren, damit Dienstleistungen, die der Kanton und Private für nicht behinderte Menschen erbringen, kompetent und selbstverständlich auch für behinderte Menschen erbracht werden. Aufgabe der Museumsdienste Basel ist es, gemeinsame Vermittlungsangebote für Museen im Kanton Basel-Stadt und dessen Umgebung zu entwickeln und die zentralen Dienstleistungen für sie sowie für deren Besucherinnen und Besucher zu initiieren und koordinieren. Die Museumsdienste arbeiten in den Bereichen »Marketing und Öffentlichkeitsarbeit« sowie »Bildung und Vermittlung« (Museumspädagogik). Basel ist die bedeutendste Museumsstadt der Schweiz. Auf kleinstem Raum finden sich hier nahezu 40 Museen. Darunter gibt es viele, die weit über Basel und die Schweiz hinaus bekannt sind. »Ich schätze es sehr, dass die Museen immer wieder gute Ideen und Möglichkeiten finden, wenn eine blinde Person oder eine Gruppe von Sehbehinderten ihr Interesse ankündigt. So habe ich schon antike Statuen ertasten können, lebende Fledermäuse in den Händen gehalten, eine Führung über verschiedene Musikdosen erlebt. Die Museen mit ihren spannenden und schönen Objekten eignen sich sehr, sie verschiedenen Wahrnehmungen zugänglich zu machen.« (Pina Dolce, Malerin, blind)
Von 2001 bis 2005 führten die beiden kantonalen Stellen Arbeitstagungen mit und für die Museen im Raum Basel durch. Ziel dieser Treffen war es: • Projekte und Ideen aus der Schweiz und Deutschland den Museumsfachleuten vorzustellen und ihr Bewusstsein für die Thematik zu schärfen;
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• die Vernetzung zwischen Museen und den Behindertenorganisationen zu fördern; • den Austausch unter Museen zu Themen rund um Besucherorientierung und Besucherinnen und Besucher mit Behinderung zu fördern. »Die Arbeitstagungen gaben spannende Impulse und neue Kontakte mit anderen Museumskolleginnen und -kollegen und Behindertenorganisationen. […] [A]ls Anregung für die Arbeit mit Behinderten im Museum eine gute Diskussionsgruppe.« (Edi Stöckli, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums Basel)
Der Projektleiter der »museumssterne***« ist ein reger Museumsbesucher und selbst Polio-geschädigt. Er kennt somit nicht nur die Museen in Basel gut, sondern auch die Schwierigkeiten, die in den Museen für Mobilitätsbehinderte bestehen. Als Mediator und Supervisor kann er aber auch die Bedürfnisse von allen Beteiligten gut einbeziehen. Kriterien Die Projekte aus den Museen müssen folgende Kriterien erfüllen, damit sie grundsätzlich auszeichnungswürdig sind: • Die Bedürfnisse von behinderten und betagten Menschen sind vorbildlich berücksichtigt. • Die Angebote können von behinderten und betagten Menschen möglichst selbstständig, ohne fremde Hilfe, genutzt werden. • Das Projekt führt zu Begegnungen zwischen behinderten und nicht behinderten Besucherinnen und Besuchern. • Das Projekt ist neu, originell und weist in die Zukunft. Projektbeiträge 2006 Im Pilotjahr 2006 haben fünf Museen insgesamt sieben Projekte eingereicht. Die Projekte kommen aus den Bereichen Information (2), Zugänglichkeit (2) und Veranstaltungen (3). Für den Bereich Ausstellung wurde kein Projekt eingereicht. Projekt 1: Attraktive Veranstaltungen, Naturhistorisches Museum Basel Führungen, Workshops und spezielle Anlässe werden für verschiedene Behindertengruppen angeboten. Zudem sind zwei neue Museumskoffer für Kinder mit Behinderungen im Primarschulalter für die Ausstellungen »Ein-
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heimische Säugetiere« und »Dinosaurier« entstanden. Die Koffer enthalten didaktisches Material für den Unterricht. Projekt 2: Barrierefreie Webseite, Naturhistorisches Museum Basel Das Naturhistorische Museum Basel hat im Rahmen eines neuen Erscheinungsbildes seinen Internetauftritt erweitert. Die neue Webseite www.nmb. bs.ch wurde unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit gestaltet. Projekt 3: Das behindertenfreundliche Museum, Basler Papiermühle Die Basler Papiermühle ist ein Arbeitsmuseum zu den Themen Papier, Schrift und Druck, in dem nicht nur in musealer Kulisse historische Werkstätten gezeigt werden, sondern in dem auch Kundenaufträge in alter handwerklicher Manier produziert werden. Gleichzeitig bietet das Museum Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen an. Schon bei der Eröffnung im Jahr 1980 war das Museum behindertenfreundlich konzipiert. Eine Überprüfung der heutigen Situation wies allerdings einige Mängel auf, welche durch dieses Projekt behoben wurden. Projekt 4: Kino im Kopf, Kunsthaus Baselland Im Rahmen einer mehrtägigen »Cross-over«-Veranstaltungsreihe führte das Kunsthaus Baselland am 2. April 2006 das Projekt »Kino im Kopf« des Wiener Künstlers Oliver Hangl durch. Gespielt wurde die ›Hörfilmfassung‹ des Kultfilms »Rosemary’s Baby« (Roman Polanski, 1968), bei der das Bild selbst nicht gezeigt wurde. Anschließend diskutierten der Künstler, ein blinder Autor und Pädagoge, und die Direktorin des Kunsthauses Baselland über das Filmerlebnis zwischen Sehen und Nicht-Sehen. Projekt 5: Neue Informationsseite auf dem Web, Fondation Beyeler Die Fondation Beyeler hat eine spezielle Informationsseite für Menschen mit Behinderungen auf der Webseite www.beyeler.com eingerichtet, damit sich behinderte Menschen frühzeitig und problemlos von zu Hause aus informieren können.
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Projekt 6: Neue Rampe für einen besseren Zugang, Musikautomatenmuseum Seewen Während der Planung und Ausführung eines neuen Busparkplatzes beim Museum wurde auch der Bau einer behindertengerechten Rampe als Verbindung vom Busparkplatz direkt zum Museum realisiert. Projekt 7: Tag der Behinderten, Naturhistorisches Museum Basel Das Naturhistorische Museum Basel führte am 7. September 2006 zum vierten Mal einen »Tag der Behinderten« durch. Dank spezieller Programme wurde der Museumsbesuch für sehbehinderte und hörbehinderte Leute sowie für Menschen mit einer geistigen Behinderung zum spannenden Erlebnis. Jury Eine Jury entscheidet, welche Projekte prämiert werden. In der Jury sind folgende Fachleute respektive Betroffene vertreten: • • • • • • • •
Vertretung Museen Basel (Direktion); Vertretung Ausstellungsgestaltung; Vertretung Stadtmarketing Basel; Vertretung Bauberatung Pro Infirmis; sehbehinderte Person; hörbehinderte Person; mobilitätsbehinderte Person; geistig behinderte Person.
Die Jury konstituiert sich in einer ersten Sitzung. Dabei lernen sich die Jurymitglieder kennen und werden mit dem Gesamtprojekt, mit den formulierten Kriterien und dem weiteren Projektverlauf bekannt gemacht. Für die Beurteilung der eingereichten Projekte wird folgender Weg eingeschlagen: • Die eingereichten Projektbeschreibungen werden an alle Jurymitglieder verschickt. • Projekte, welche eine Begehung vor Ort erfordern, werden von einzelnen Jurymitgliedern (wenn möglich von Betroffenen) besucht. • An den Jurysitzungen werden die eingereichten Projekte durch eine Kurzpräsentation von den Jurymitgliedern vorgestellt, die sich vertieft
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mit dem betreffenden Projekt auseinandergesetzt haben. Falls nötig, werden auch Drittmeinungen von Fachpersonen eingeholt und präsentiert. Anschließend stellt das Jurymitglied der Jury einen Antrag auf »auszeichnungswürdig« oder »nicht auszeichnungswürdig«. In einer Schlussdiskussion werden die auszeichnungswürdigen Projekte noch einmal auf die Erfüllung der Kriterien geprüft. Ein bis maximal zwei Projekte erhalten einen Preis zugesprochen (Preissumme insgesamt CHF 25.000). An der Preisverleihung – einer Feier im Beisein von Sponsoren und Medien – werden alle Projekte kurz vorgestellt und der Hauptpreis übergeben. Jedes Museum, das ein Projekt eingegeben hat, erhält zudem einen »museumsstern***« (Form aktuell noch unklar) und ein schriftlich formuliertes Feedback.
Publikumsbewertung Die eingereichten Projekte können auch von der Öffentlichkeit bewertet werden. Museumsbesucher/-innen können vor Ort mit einer Bewertungskarte ihre Stimme abgeben oder auf www.museumssterne.ch online die Projekte bewerten. Die Bewertungskarte für das Publikum (siehe Abb. 1) fragt nach der Zufriedenheit in Bezug auf die Auszeichnungskriterien. Auch Kommunikation und Präsentation vor Ort können beurteilt werden. Zudem besteht die Möglichkeit für einen weiterführenden Austausch. Als Organisatorinnen und Organisatoren sind wir auf Anregungen und Feedbacks der Nutzerseite angewiesen. Bei vier von sieben Projekten wurden Beurteilungskarten für das Publikum eingesetzt. Bei den anderen Projekten war dies nicht sinnvoll. Insgesamt sind 20 ausgefüllte Karten eingegangen. Interessanterweise beinhalten die Karten oft zusätzliche Kommentare, die das Museum als Ganzes betreffen und mit dem eigentlichen Projekt wenig zu tun haben. Das lässt auf ein aktives Feedback- respektive Beschwerdebedürfnis der Besuchenden schließen. Auf der Webseite sind bisher noch keine Beurteilungen eingegangen. Webseite Die Webseite www.museumssterne.ch informiert über die Auszeichnung »museumssterne***« allgemein und über die eingereichten Projekte. Sie ist explizit barrierefrei gestaltet und somit vorbildlich und zukunftsweisend. Bei der Erstellung und Umsetzung der Webseite wurde eine möglichst umfas-
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sende Barrierefreiheit für alle Besucherinnen und Besucher angestrebt (siehe Infokasten). Um dies zu erreichen, wurden die Richtlinien der »Web Accessibility Initiative« (WAI-AA) eingehalten. Darunter sind Strategien, Empfehlungen und Ressourcen zusammengefasst, die Webangebote auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich machen. Der barrierefreie Zugang der Webseite www.museumssterne.ch zeigt sich durch folgende Hilfsmittel: 1. Die Schriftgröße kann verändert und angepasst werden. 2. Die Farbgestaltung kann von farbig auf schwarz-weiß umgestellt werden, um den Kontrast zu erhöhen. 3. Zur komfortablen Navigation wurden Links definiert, die als separate Navigationsleiste in spezialisierten Browsern (u.a. »Opera«, »Mozilla«, »Lynx«) angezeigt werden. Dieses wirkungsvolle Feature erlaubt ein schnelles Anwählen von Hauptseiten und rasches Navigieren zwischen den Seiten. 4. Auf der Webseite werden »Accesskeys« verwendet: Über vordefinierte Tastenkombinationen können Inhaltseiten ohne Maus mit einem tastaturemulierenden Gerät aufgerufen werden. Die vorgestellte Webseite verwendet die Standard-Zuweisung der Tasten »0« bis »9«. 5. Die Lesbarkeit der Inhalte ist auch dann gewährleistet, wenn Design/Formatierungsangaben (CSS) wegfallen. Behinderte Menschen sind oft auf die Verwendung von alternativen Bedienungshilfen wie Text-Browsern oder Braille-Zeilen-Lesegeräte angewiesen. 6. Die Inhalte sind nach semantischen und logischen Kriterien strukturiert, was die Orientierung fördert. 7. Alle anklickbaren Navigationselemente und speziell die Eingabefelder in Formularen folgen einer »Tab-Order«. Die Benutzer/-innen können somit Links und Eingabefelder mit der Tabulatortaste (ohne Verwendung der Maus) und damit nach einer sinnvollen Reihenfolge wählen.
Finanzierung Die Finanzierung des Projektes erwies sich schwieriger als ursprünglich angenommen. Viele potenzielle Geldgeber aus dem Kulturbereich waren vorerst von der Projektidee sehr angetan, haben sich schlussendlich aber wieder zurückgezogen: Sie unterstützen lieber konkrete Projekte und möchten nicht in einen Wettbewerb investieren. Während der Aufbauphase der Auszeichnung »museumssterne***«
2007-08-09 16-11-16 --- Projekt: T576.kum.foehl / Dokument: FAX ID 02cf154649785568|(S. 477-488) T01_05 kapitel 5-6.p 154649786528
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wurde vor allem in die Kommunikation investiert: Werbeflyer, Mappe, Bewertungskarte und Webseite (siehe Tab. 1). Diese Finanzierung konnte mit einmaligen Sponsoringbeträgen und Eigenleistungen finanziert werden. Das jährliche Budget besteht zu einem Hauptteil aus der Preissumme von CHF 25.000 und den Kosten für die Preisverleihung (siehe Tab. 2). Die restlichen 20 Prozent sind für Kommunikation und Organisation vorgesehen. Die Eigenleistungen der beiden kantonalen Abteilungen sind im Budget nicht mit einberechnet. Bis heute werden die »museumssterne***« vor allem durch Stiftungen der Behindertenhilfe und eigene Beiträge finanziert. Die Finanzierung für die Jahre 2007 bis 2010 ist noch nicht gesichert. Tabelle 1: Einmalige Aufwendungen in der Projektaufbauphase Einmalige Kosten Ausgaben Drucksachen (Projektflyer, Bewertungskarte, Mappe) Webseite
CHF 10.000,00 CHF 20.000,00
Einnahmen Sachsponsoring Webseite Sponsoring Drucksachen
CHF 10.000,00 CHF 5.000,00
Tabelle 2: Das jährliche Budget der »museumssterne***« Budget pro Jahr Ausgaben Webseite (Unterhalt) Honorar Projektleitung Honorar Jury (nur Selbstständige)* Event Preisverleihung Preissumme Total Ausgaben Einnahmen Sponsoring-Beiträge von Stiftungen Museumsdienste Basel Büro für Integration und Gleichstellung Total Einnahmen *Jurymitglieder, die als Selbstständige arbeiten, erhalten ein kleines Honorar.
CHF 1.000,00 CHF 5.000,00 CHF 2.000,00 CHF 5.000,00 CHF 25.000,00 CHF 38.000,00
CHF 24.000,00 CHF 7.000,00 CHF 7.000,00 CHF 38.000,00
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Corinne Eichenberger ➔ »museumssterne*** – museen basel offen für behinderte«
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Erstes Fazit Die Auszeichnung »museumssterne*** – museen basel offen für behinderte« wird grundsätzlich mit Interesse und Wohlwollen aufgenommen: von den Museen wie auch von den Behindertenorganisationen. Erfreulicherweise haben auch die Medien sowohl über die Lancierung des Projektes als auch über die barrierefreie Webseite www.museumssterne.ch berichtet. Einschränkend ist zu erwähnen, dass in den Museen bereits seit mindestens sieben Jahren intensive Sensibilisierungsarbeit für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen geleistet wird. Dennoch ist spürbar, dass sich vor allem die Fachpersonen für Kulturvermittlung damit auseinandersetzen. Es sind auch jene, die nun an der Auszeichnung »museumssterne***« Interesse zeigen. Auf der Ebene der Direktionen, Verwaltungen und Kuratorien scheinen diese Anliegen noch wenig verankert. Dies äußert sich auch darin, dass Mitarbeitende den Einbezug dieser Zielgruppe oft als zusätzliche Belastung in ihren bereits sehr dichten Arbeitspensen betrachten. Sicher spielt dabei auch eine Rolle, dass in kaum einem Museum jemand explizit für Fragen der Besucherorientierung verantwortlich ist. In diesem ersten Jahr reichten immerhin fünf Museen Projekte ein. Einige der Projekte wurden speziell auf die Ausschreibung hin entwickelt, andere waren schon länger geplant oder angedacht. Es sind solide Projekte, jedoch fehlen solche mit wünschenswerter größerer Ausstrahlung – wie beispielsweise eine Ausstellung zu einem behindertenrelevanten Thema. Dies ist sicher auch damit zu erklären, dass die Auszeichnung »museumssterne***« am Anfang steht und die Museen Möglichkeiten und Ideen erst ausloten wollen. Wichtig ist, dass die Organisatorinnen und Organisatoren der »museumssterne***« immer wieder mit den Verantwortlichen in den Museen über Möglichkeiten und Ideen sprechen. Die Intensität der Begleitung kann noch gesteigert werden. Die Bewertung der eingereichten Projekte ist nicht einfach. Denn keines erfüllt alle Kriterien. Keines ist besonders innovativ. Einzelne Projekte sind sehr umfassend und betreffen das ganze Museum, andere bestehen aus kleineren, isolierbaren Einzelteilen. Einige Museen agieren zwar vorbildlich und gehen ganz selbstverständlich auf Anliegen von Menschen mit Behinderungen ein, ihre eingereichten Projekte sind jedoch nicht spektakulär. Bei anderen Projekten entsteht der Eindruck, dass durchdachte Konzepte bisher fehlen, mögliche Ideen jedoch bereits entworfen sind. Der Jury und den Organisatoren ist es aber ein Anliegen, dass das Engagement und die Bemühungen der Museen gewürdigt werden, damit daraus wieder neue Ideen und Konzepte entstehen können. Es ist zu hoffen, dass die Auszeichnung »museumssterne***« anregende Diskussionen in den Museen auslöst und mithilft, dass sich mit der Zeit eine Selbstverständlich-
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keit im Umgang mit den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen einstellt. Wenn in den Museen bei allen Überlegungen und Plänen immer auch die Besucherinnen und Besucher mitgedacht werden, dann sind die Museen auf dem besten Weg, zu Kulturorten mit einer hohen sozialen und gesellschaftlichen Ausstrahlung zu werden. »Die Auszeichnung ›museumssterne***‹ ist eine absolut unterstützenswürdige Sache, denn durch die Ausschreibung war der Anreiz und Ansporn da, sich intern wieder einmal mit dem Thema der behinderten Museumsbesucherinnen und -besucher zu beschäftigen. Obwohl wir bereits über eine behindertengerechte Infrastruktur verfügen und auch ein gutes Programm für behinderte Menschen anbieten, gibt es immer noch Möglichkeiten etwas zu verbessern, und das haben wir mit einem kleinen Projekt versucht.« (Janine Schmutz, Abteilung Kunstvermittlung, Fondation Beyeler)
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Eeva Rantamo ➔ Das ACCU-Projekt – Zugang zum Kulturerbe
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Das ACCU-Projekt – Zugang zum Kulturerbe: Internationale Perspektiven und regionale Ansätze
Eeva Rantamo Vorbemerkungen Wessen Kultur erhalten und präsentieren wir? Für wen richten wir Denkmale her, für wen gestalten wir Ausstellungen? Wer darf an ›unserem‹ kulturellen Erbe teilhaben? Diesen Fragen widmet sich das dreijährige Projekt »ACCU: Access to Cultural Heritage/Zugang zum Kulturerbe – Wege der Präsentation und Nutzung«. Museen oder Denkmale sind soziale Orte und haben soziale Aufgaben. Bildung, der Genuss von Kunst sowie die Verständigung über Geschichte und Zustand der Gesellschaft sind einige der Aspekte, die die besondere Beziehung dieser Orte zu ihrem Publikum ausmachen. Dabei ist es undenkbar, dass ein Teil der Bevölkerung willentlich oder aufgrund mangelnden Know-hows dauerhaft von diesen Orten, diesen Quellen kulturellen Wissens ausgeschlossen wird. Ein Erbe kann nur Erbe sein, wenn es auch angetreten werden kann – und es kann nur wieder zur Kultur werden, wenn die gesamte Gesellschaft daran teilhat. Doch zu oft bleiben erhebliche Segmente der Gesellschaft ausgeschlossen. Kinder und Jugendliche langweilen sich – wie auch viele Erwachsene – zu Recht in Museen, die im Ursprung für eine bürgerliche Bildungselite konzipiert wurden, in denen nur mit Mühe verständliche Informationen zu den Objekten und Ausstellungsthemen zu finden sind. Statt vielseitiger und packender Präsentationen findet ›Museumspädagogik‹ als angeschlossener Hilfsdienst statt. Einwanderer stehen vor Manifestationen einer unbekannten Kultur – ohne jede Möglichkeit, auch nur kurze Hinweise in ihrer Sprache zu bekommen, geschweige denn eine für sie nachvollziehbare Erläuterung. Wann ist schon jemals in einem deutschen Museum eine Tafel in türkischer Sprache zu sehen? Blinde oder Sehbehinderte haben nichts von »Bitte nicht berühren« oder vermeintlich eleganten, winzigen Beschriftungen. Blassgraue Schrift auf Pastell, Exponate im Halbdunklen mögen ansprechend aussehen, aber ein Großteil der Besucher kann das nicht lesen, kann die Objekte nicht erkennen. Viele soziale Gruppen kommen im Museum gar nicht vor. Ihre Geschichte wird nirgends erzählt, ihre Kultur nirgends präsentiert. Auch wenn der Eintritt ermäßigt ist oder ganz entfällt: Gehen – zum Beispiel – Obdachlose
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in die Ausstellung? Die ACCU-Partner haben es sich auch zur Aufgabe ihrer lokalen Pilotprojekte gemacht, hieran etwas zu ändern. Das ACCU-Projekt Seine Grundlagen findet das ACCU-Projekt in den Grundregeln der Vereinten Nationen für eine offene Gesellschaft sowie in den Erklärungen und Grundsätzen der Europäischen Gemeinschaft. Bereits 1996 verabschiedete der Ministerrat in Helsinki eine Erklärung und weitere Resolutionen zur Bedeutung des Zugangs zum kulturellen Erbe für die Entwicklung eines gemeinsamen Europa. Weitere Beschlüsse folgten, wie zum Beispiel das »Kultur 2000«-Programm der EU, aus dessen Mitteln auch ACCU gefördert wird. Auch nationale Entwicklungen tragen zur Ausrichtung des Projektes bei: • In Skandinavien kooperierten Museen unter dem Titel »Nordiska museer för alla«. • In Großbritannien hatte der »Disability Discrimination Act«, ein Antidiskriminierungsgesetz für Behinderte, eine verstärkte Auseinandersetzung der Museen mit den Problemen physischer Zugänglichkeit zur Folge. Gerade in den letzten Jahren hat es in vielen Ländern Initiativen gegeben, die sich mit dem Problem des Zugangs zu Kultur und zum kulturellen Erbe auf vielfältige Art beschäftigen. Das EU-Projekt ACCU will diese Ansätze, Vorschläge und Erfahrungen sammeln und auf einer Plattform zum internationalen Austausch zur Verfügung stellen. Darüber hinaus entwickeln die Partner selbst neue Ansätze und setzen diese in Aktionen um. Fünf Museen und Denkmalpflegeeinrichtungen aus fünf verschiedenen europäischen Ländern haben sich 2004 zusammengefunden, um die Probleme zu diskutieren und die Lösungsmöglichkeiten zu finden, die mit dem Prinzip »Zugang für alle« verbunden sind. Im Mai 2005 trafen sich die Projektpartner zur Auftaktkonferenz im Schweriner Schloss. Die Konferenz sollte das Projekt zum ersten Mal in der Öffentlichkeit präsentieren, die geplanten Aktivitäten vorstellen und den Stand der internationalen Diskussion darstellen. Dazu konnten Experten zu verschiedenen Aspekten des Themas gewonnen werden. Einige zentrale Thesen, die dort vorgetragen wurden, sind als grundlegend für die weitere Arbeit im Projekt zu betrachten: Zwei Museumswissenschaftlerinnen aus England, Michèlle Taylor und Diane Walters, stellten einer leider immer noch verbreiteten ›medizinischen Definition‹ von Behinderung eine ›soziale Definition‹ gegenüber. Diese hat in Großbritannien nicht zuletzt zum erwähnten »Disability Discrimination
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Act« geführt. Bei der medizinisch geprägten Betrachtungsweise wird Behinderung als körperlicher Makel, als tragische Abweichung vom ›Normalen‹ verstanden. Das ›Problem‹ liegt also bei den Behinderten. Ihn oder sie trifft ein individuelles Schicksal, das durch Hilfsmittel individuell gelindert wird. Bei einer sozialen Betrachtung entsteht die Behinderung erst durch die vielfältigen Barrieren, die einem Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung und seiner Teilnahme an allen gesellschaftlichen Aktivitäten gegenüberstehen und entgegengesetzt werden. Der Slogan: »Man ist nicht behindert – man wird behindert!«, trifft dieses Verständnis sehr gut. Heute erkennen wir, dass es keinen ›Standardmenschen‹ gibt, dass sich kein Wert für einen Menschen berechnen lässt. Körperliche Unterschiede sagen nichts über den Wert eines Menschen aus – und nur von anderen wird darüber entschieden, ob sie zu einer ›Behinderung‹ werden. Der britische Architekt Adrian Cave, ein Pionier auf dem Gebiet der barrierefreien Gestaltung von historischen Gebäuden und Museen, belegte in einem eindrucksvollen Bildervortrag, dass eine barrierefreie Gestaltung in keiner Weise einen Verzicht auf Eleganz und Schönheit bedeutet. Ganz im Gegenteil führt eine gut durchdachte Entwurfsarbeit zu einer ästhetischen und funktionellen Bereicherung für alle Besucher. Hierfür steht der Begriff des »Inclusive Designs«. Im konkreten wie im übertragenen Sinne bedeutet er, keine exklusiven Sonderlösungen für Behinderte zu schaffen, sondern eine elegante Gestaltung zu finden, die allen nützt. Faszinierende Lösungen zu dieser Frage präsentierte auch die Leiterin des Zugänglichkeits-Dienstes des Pariser Wissenschaftsmuseums Cité de la Sciènce, Frau Hoëlle Corvest. Sie, die – selbst blind – auch als Dozentin tätig ist, wies jedoch mit Nachdruck auf die Notwendigkeit hin, dass sich die Museumsfachleute und die Repräsentanten der Behinderten in ihrer Zusammenarbeit gegenseitig weiter ausbilden. Weder können Museumsleute ›einfach so‹ etwas für Behinderte planen, noch werden Behinderte durch ihre Behinderung zu Ausstellungsexperten. Nur in einer sich ständig weiterentwickelnden, fachlich fundierten Zusammenarbeit sind wirkliche Erfolge möglich. Ein englischsprachiger Bericht zu dieser Konferenz erscheint auf der ACCU-Homepage. Dort wird auch ausführlich über die nachfolgend beschriebenen Pilotaktionen berichtet werden. Die Pilotaktionen der ACCU-Projektpartner Die ACCU-Projektpartner verwirklichen die Verbesserung der Zugänglichkeit zum kulturellen Erbe in ihren Pilotaktionen auf vielfältige Art und Weise:
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Das Byzantinische und Christliche Museum Athen Das Byzantinische und Christliche Museum Athen, das auf eine 90-jährige Sammlungs- und Ausstellungsgeschichte zurückblickt, will mit neuen Wegen der Öffentlichkeitsarbeit und der Ausstellungsgestaltung neue Besuchergruppen interessieren. Dies geschieht sowohl durch die Umgestaltung der Ausstellung im Hinblick auf eine verbesserte physische Zugänglichkeit als auch durch die Erstellung begleitender Materialien und Hilfsmittel sowie durch die Kooperation mit lokalen Bildungseinrichtungen und Vertretern verschiedener sozialer Gruppen. Die Umgestaltungen und Neuentwicklungen werden durch Diskussionen mit den angesprochenen Gruppen begleitet und ausgewertet. Das finnische Zentralamt für Museen und Denkmalpflege Das finnische Zentralamt für Museen und Denkmalpflege richtet das denkmalgeschützte Gutshaus »Louhisaari« aus dem 17. Jahrhundert so ein, dass auch die oberen Stockwerke, die nicht genug Platz für Aufzüge und Rampen bieten, für gehbehinderte Besucher zumindest virtuell zugänglich sind. Dies geschieht durch die Produktion einer DVD, die, alle Möglichkeiten des Mediums nutzend, den Betrachter nicht nur auf einen optischen Rundgang mitnimmt, sondern durch Geräusche, Musik und andere Elemente die historischen Epochen der schwedischen und russischen Herrschaft illustriert. Der Ton der DVD ist an die Bedürfnisse hörbehinderter Besucher angepasst, auf leicht verständliche Texte wurde ebenfalls besonderer Wert gelegt. Angeregt durch die deutschen Aktivitäten rund um den Schweriner Dom (siehe unten), sind Führungen in historischen Kostümen und dramapädagogische Aktionen geplant. Das Flößereimuseum Fetsund Lenser In Norwegen erprobt das Flößereimuseum Fetsund Lenser einfach umzusetzende Zugänglichkeitslösungen für die industriehistorische Ausstellung und das angeschlossene Naturparkzentrum. Hier liegt die besondere Herausforderung darin, einerseits ein großes Freigelände für behinderte Besucher zu erschließen, andererseits Lösungen zu finden, die auch von kleineren Museen übernommen werden können. Der Museumsdienst der englischen Grafschaft Surrey Der Museumsdienst der englischen Grafschaft Surrey entwickelt eine Zusammenarbeit der von ihm betreuten Einrichtungen mit nicht sesshaft le-
2007-08-09 16-11-16 --- Projekt: T576.kum.foehl / Dokument: FAX ID 02cf154649785568|(S. 489-496) T01_05 kapitel 5-7.p 154649786536
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benden Gruppen wie englischen und irischen Roma, Reisehändlern und Zirkusleuten. Ob »Gipsy Hill« (Oxford), »Tinkers Lane« (Windsor) oder »Romany Road« (Worthing) – fast jede mittelalterliche Stadt im Südwesten Englands hat Straßen oder Plätze, die namentlich auf nicht sesshafte Gruppen Bezug nehmen. Dennoch suchte man bisher deren Geschichte in den örtlichen Museen vergebens. Das Ziel besteht darin, gerade diesen Gruppen einen Zugang zur gemeinsamen Geschichte zu bieten. Das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Schwerin Das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Schwerin hat sich die Erschließung von sakralen Denkmälern für blinde und sehbehinderte Besucher zur Aufgabe gemacht. Dabei konzentriert sich das deutsche Pilotprojekt darauf, den Schweriner Dom für blinde und sehbehinderte Besucher zugänglich zu machen. Ein weiterer Aspekt ist die Einbeziehung von Jugendlichen, die für gewöhnlich Denkmälern und Museen eher distanziert gegenüberstehen. Für die Konzeption eines Aktionswochenendes mit Schülern des Schweriner Goethe-Gymnasiums und der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte in Neukloster zur gemeinschaftlichen Erkundung dieses Baudenkmales und seiner mittelalterlichen Geschichte galten daher folgende Kriterien: • die Schüler sollten motiviert werden, eigenständig Informationen und Eindrücke zu sammeln; • alle Schüler sollten in gleicher Weise zu einem gemeinsamen Arbeitsergebnis beitragen können; • historisches Hintergrundwissen zum Dom sollte ohne lange Vorträge oder umfängliche Lektüre vermittelt werden. Zunächst wurden daher Punkte im und am Dom ausgewählt, die sowohl betrachtet wie auch von Nichtsehenden ertastet werden konnten. Hierzu zählen zum Beispiel die Reliefbilder der steinernen Grabplatten oder des romanischen Taufbeckens – aber auch signifikante Stellen im Mauerwerk, wo deutliche Fugen oder Gerüstlöcher Hinweise auf die Baugeschichte geben. Ergänzt wurden diese Sinneswahrnehmungen durch Klang – Gesang, Predigtstimme und Orgelspiel – sowie Geruch, nämlich dem Verbrennen von Weihrauch, was der protestantischen Kirche heute fremd ist, aber im mittelalterlichen Dom selbstverständlich war. Für die Vermittlung des Hintergrundwissens wurden an verschiedenen Stellen des Domes sogenannte »Zeitzeugen« postiert: Sechs Laiendarsteller schlüpften in die Rolle einer mittelalterlichen Figur und stellten auf Anfrage ihre besondere Beziehung zum Dom dar. Hier fanden sich ein Domherr, ein
2007-08-09 16-11-17 --- Projekt: T576.kum.foehl / Dokument: FAX ID 02cf154649785568|(S. 489-496) T01_05 kapitel 5-7.p 154649786536
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Baumeister, eine aus Westfalen stammende bäuerliche Neubürgerin, eine slawische Fischerin, ein Pilger und der Graf von Schwerin als Vertreter des Adels. Jede Figur war durch einige Kostümteile und Requisiten kenntlich gemacht, ihre Darsteller waren durch eine kurze Charakterisierung der Rolle und einen schriftlichen Fundus an möglichen Aussagen auf Fragen vorbereitet worden. In gemischten Teams erkundeten die Schüler einen Nachmittag lang den Dom, befragten die Zeitzeugen und ließen sich von ihnen zu den ausgewählten Punkten führen. Unverhoffterweise fand dies nicht nur bei den Schülern großen Anklang, auch die gleichzeitig im Dom befindlichen Touristen reagierten begeistert auf dieses neuartige Informationsangebot und umlagerten ihrerseits die Zeitzeugen. Ihre Kenntnisse über den mittelalterlichen Kirchenbau konnten die Schüler dann am nächsten Tag in der Dorfkirche von Groß Raden vertiefen. Eine Führung machte nicht nur auf die Unterschiede zu der repräsentativen Bischofskirche aufmerksam, sondern bot auch Gelegenheit, Formsteine oder hölzerne Baugerüste sehend und tastend zu entdecken und so noch einmal in die Epoche der Backsteingotik einzutauchen. Am Nachmittag galt es dann, sich mit der Religion der Slawen zu beschäftigen: Im archäologischen Freilichtmuseum Groß Raden bot der rekonstruierte slawische Tempel die Kulisse für eine mit Mitteln des Theaters nachempfundene Zeremonie, in deren Gestaltung das zuvor gesammelte Wissen der Schüler über Götter und Riten der slawischen Stämme einfloss. Diese Zeremonie wurde filmisch dokumentiert. Auf den Erfahrungen dieser Schulaktion fußend, hat mittlerweile ein Fachseminar begonnen, in dem Domführer/-innen für den Umgang mit blinden oder sehbehinderten Besuchern geschult werden. Neben einem Mobilitätstrainer und einer erfahrenen Blinden-Gästeführerin nimmt eine professionelle Filmbeschreiberin, selbst blind, als Expertin an dem Seminar teil. Über die Schulung hinaus wird das Seminar eine beispielhafte Führung durch den Dom für diese Besucher erarbeiten, die durch neu entworfene Materialien und Objekte unterstützt wird. Dabei steht jedoch nicht die ›Spezialführung‹ im Vordergrund, sondern es soll langfristig erreicht werden, dass blinde und sehbehinderte Besucher jederzeit das Bauwerk genießen können. Dazu wird im Rahmen des Projektes ein Führer als Tastbuch erstellt. Spätere Ergänzungen, wie etwa tastbare Modelle, wären sicher für alle Besucher eine Bereicherung. Wie mit den Zeitzeugen der Schulaktion, so hoffen wir auch damit der Leitlinie des »inklusiven Designs« weiter folgen zu können.
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Eeva Rantamo ➔ Das ACCU-Projekt – Zugang zum Kulturerbe
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Resümee und Ausblick Bei der Entwicklung und Umsetzung der Pilotaktionen wurde deutlich, wie unterschiedlich die Ausgangspositionen der Partnerländer sind. Während in Skandinavien und Großbritannien bereits in den vergangenen Jahren viele Anstrengungen im Sinne des ACCU-Projektes unternommen wurden und viele Erfahrungen gesammelt werden konnten, stehen Deutschland und Griechenland offensichtlich noch am Anfang dieser Entwicklungen. Gleichzeitig sind die Partnerinstitutionen von sehr unterschiedlichem Format: Einzelne Museen (Griechenland, Norwegen) stehen regionalen Facheinrichtungen oder Fachbehörden (Großbritannien, Deutschland) und einer nationalen Behörde (Finnland) gegenüber. Trotz allem profitieren alle Beteiligten auch schon während des Projektes von Ideen und Anregungen der Partner und stehen sich auf diese Weise gleich stark gegenüber. Bei allen Aktivitäten ist eines völlig klar: Nichts kann für die jeweiligen Betroffenen erreicht werden, alles kann nur mit ihnen erarbeitet werden. Alle Pilotprojekte mit ihren Erfahrungen und Ergebnissen werden dokumentiert sowie gemeinsam in verschiedenen medialen Formen präsentiert. Die Internetseite des Projektes will auch nach dessen Abschluss ein Forum für alle Fragen der Zugänglichkeit des Kulturerbes sein. Doch wie dauerhaft können die Ergebnisse von ACCU sein? Selbstverständlich ist die Einrichtung der Internet-Plattform für einen Austausch über die Laufzeit des Projektes hinaus vorgesehen. Eine Wanderausstellung zum Projekt in allen Partnerländern wird dies unterstützen. Die von den Partnern erstellten Dokumentationen werden daneben auch national verfügbar bleiben. Dennoch werden nicht alle Aktivitäten mit gleicher Intensität fortgeführt werden können, nicht alle geschaffenen Produkte auf Dauer erhalten bleiben. Dies liegt in der Natur eines befristeten Projektes und verweist gleichzeitig auf ein bekanntes Übel: Kein Projekt, gleich welchen finanziellen Zuschnitts, kann eine ausreichende ständige Finanzierung von Kulturarbeit ersetzen. Behindertengerechte Installationen wollen gepflegt und in Stand gesetzt sein, Materialien sind regelmäßig zu ersetzen und zu aktualisieren, neu geschulte Mitarbeiter wollen auch künftig bezahlt werden. Gleichzeitig sind in Zeiten, in denen das Geld für barrierefreie Projekte noch rar ist, immer neue Kampagnen und Aktionen notwendig, um diesen Zustand zu kompensieren. Die Erfahrungen im Austausch mit den ›Betroffenen‹ des Projektes, etwa mit Vertretern von Behindertenverbänden, zeigen jedoch, dass mit der Vielfalt der Ideen und Angebote auch das Interesse wächst, diese wahrnehmen zu können. Erfolgreiche Konzepte anderer Länder machen Mut, auch von den eigenen Verantwortlichen mehr zu fordern. Auch hier kann das ACCU-Projekt nachhaltige Wirkung zeigen.
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum
Durch und um das ACCU-Projekt ist schon jetzt ein internationales Netzwerk zum Thema »Zugänglichkeit« entstanden. Diese Kontakte werden praktisch täglich für die Arbeit im Projekt und zu verwandten Themen genutzt. Gleichzeitig wächst dieses Netzwerk immer weiter, da im Zuge der nationalen Pilotprojekte ständig neue Kontakte entstehen. Dieses internationale Netzwerk, das Fachleute, Projekte und Erfahrungen in ganz Europa einschließt, ist durch das ACCU-Projekt wesentlich gefördert worden und macht umgekehrt das Projekt erst möglich. Alle Interessierten sind eingeladen, sich mit ihren Erfahrungen und Angeboten, aber auch mit ihren Problemen und Fragen an diesem Netzwerk zu beteiligen. Oft genug ist die Antwort auf eine Frage schon da, gibt es schon Ideen, wie man ein Problem lösen könnte. Vielleicht hat ein Museum in den Niederlanden oder Großbritannien schon Erfahrungen damit – oder Ausstellungsgestalter in Österreich oder Finnland arbeiten daran. All das ist nur eine E-Mail entfernt. Die Aufgabe, Kultur barrierefrei zu präsentieren, also das Recht jedes Menschen, Kultur zu genießen und daraus zu lernen, auch wirklich durchzusetzen, kann niemand allein bewältigen. Doch noch nie war es so einfach, zusammenzuarbeiten.
2007-08-09 16-11-17 --- Projekt: T576.kum.foehl / Dokument: FAX ID 02cf154649785568|(S. 489-496) T01_05 kapitel 5-7.p 154649786536
André Fertier ➔ Kulturzugängigkeit für europäische Bürger mit Behinderung
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Kulturzugängigkeit für europäische Bürger mit Behinderung. Barrieren, Ressourcen, Dynamiken und Perspektiven
André Fertier Die Organisation Eucrea International vertritt die kulturpolitischen Interessen von Menschen mit Behinderung. 1987 unter dem Namen EUCREA Europa (»Europe créativité«) gegründet, befasste sie sich ursprünglich im Rahmen der europäischen Aktionsprogramme »Helios I« und »II« zugunsten der Gleichbehandlung und gesellschaftlichen Eingliederung behinderter Menschen mit der Kofinanzierung kultureller Vorhaben. Zur Durchführung der Programme auf der lokalen Ebene wurden »nationale Eucrea-Ausschüsse« gegründet. So konnte EUCREA mit der Unterstützung von Sponsoren und der Europäischen Kommission sowie in Zusammenarbeit mit nationalen Behindertenverbänden bis 1996 (Ablauf des Helios-Programms II) jedes Jahr rund 20 internationale Projekte fördern. In diesem Rahmen fanden in einzelnen EU-Staaten zahlreiche Festivals, Workshops und andere Kultur- oder Kunstevents statt. 1999 wurde Eucrea Europe in Eucrea International umbenannt und veränderte seine Organisationsstruktur, um auch ›EUCREA-fremden‹ Gremien den Beitritt zu ermöglichen. Eucrea International setzt sich dafür ein, dass die Thematik »Kunst, Kultur, Medien und Behinderung« in der politischen Agenda verschiedener internationaler Entscheidungsträger und Organisationen (EU, Europarat, UNO etc.) zum Tragen kommt. Mit dem Ziel, allen beteiligten Akteuren den Handlungsbedarf zu vermitteln und die Gesamtheit der verfügbaren Energien und Ressourcen zu sammeln, erarbeitete Eucrea International die »Europäische Erklärung für Kunst, Kultur, Medien und Handicap«, die den konzeptuellen und methodologischen Rahmen für die barrierefreie Gestaltung der Kommunikationskultur vorgibt. Dieses Dokument wurde von der Generalversammlung des Europäischen Behindertenforums am 24. Mai 2003 einstimmig angenommen und seither von zahlreichen europäischen Verbänden, Gruppen und Einzelpersonen unterzeichnet. Des Weiteren wurde auf Initiative der Eucrea in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Behindertenforum (FEPH) am 6. Mai 2003 die Resolution des EU-Ministerrates für Erziehung, Jugend und Kultur über die Zugänglichkeit kultureller Einrichtungen und Aktivitäten für Menschen mit Behinderung erarbeitet und verabschiedet. Im Juni 2006 organisierte Eucrea International dann in Paris die ersten europäischen Begegnungen für Kunst, Kultur und Handicap. Im Dezember 2000 hat der Europäische Rat in Nizza den dringenden Handlungsbedarf zugunsten von Menschen mit Behinderung anerkannt. Aus dem in Abstimmung mit der Europäischen Kommission erarbeiteten
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Abschlussbericht vom Juni 2002 (»Behinderung und soziale Ausgrenzung in der Europäischen Union«) geht hervor, dass die Teilhabe am sozialen Leben für die über 50 Millionen europäischen Bürger mit Behinderung durch physische, juristische, finanzielle und zwischenmenschliche Barrieren starke Beeinträchtigungen erfährt. Behinderte Menschen stoßen oft auf enorme Schwierigkeiten, wenn sie versuchen, sich in die Gesellschaft zu integrieren oder auch nur in den vollen Genuss ihrer Bürgerrechte zu kommen. Abgesehen von den Grundrechten auf Wohnung, Ausbildung und Arbeit ist die freie Zugänglichkeit zu den Freizeit- und Kulturaktivitäten von besonderer Relevanz, weil dadurch die Weichen für eine weitergehende Integration gestellt werden. Ist es nicht gerade diese künstlerisch-kulturelle Dimension, die das menschliche Sein von dem der Tiere, der Pflanzen oder der Gegenstände unterscheidet? Ist es überhaupt akzeptabel, ist es mit den Werten der sogenannten zivilisierten Gesellschaften zu vereinbaren, dass einem Teil der Bevölkerung der freie Zugang zum kulturellen Leben, zu den künstlerischen Werken und Gestaltungsmitteln verwehrt wird? Der Kulturzugang für Menschen mit Behinderung ist ein von zahlreichen internationalen Organisationen anerkanntes Grundrecht und Bestandteil der ethischen Grundwerte, die das Fundament der Identität Europas bilden. Die Zugänglichkeit des kulturellen und künstlerischen Lebens ist ein international anerkanntes und vielfach dokumentiertes Grundrecht: Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 besagt: 1. Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben. 2. Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen. In der Resolution 48/96 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1993 heißt es insbesondere: »Die Staaten werden sicherstellen, dass Behinderte gleichberechtigt in kulturelle Aktivitäten einbezogen werden und daran teilnehmen können.«
Inspiriert von diesen Ideen hat die Europäische Union ihre ethischen Grundwerte in mehreren Dokumenten festgeschrieben, u.a. im Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, der gemäß Artikel 13 bestimmt, dass »der Rat geeignete Vorkehrungen treffen kann, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltan-
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schauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen«.
Artikel 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union besagt: »Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft.«
Und am 6. Mai 2003 hat der EU-Ministerrat für Erziehung, Jugend und Kultur eine Resolution über die Zugänglichkeit kultureller Einrichtungen und Aktivitäten für Menschen mit Behinderung verabschiedet. Der Verweis auf diese Texte mag insofern sinnvoll sein, als ein Teil davon über den reinen Empfehlungsstatus von Artikel 13 des Vertrags von Amsterdam hinausgeht und rechtsverbindlichen Charakter hat. Noch immer müssen behinderte Menschen in Europa eine inakzeptable kulturelle Ausgrenzung erleiden Was ist mit den Menschen, die in Langzeit-Pflegeeinrichtungen leben, beispielsweise in den Bereichen der Geriatrie und der Psychiatrie, die in funktionellen Rehabilitationszentren, spezialisierten Tagesunterkünften oder Wohn- und Altersheimen untergebracht sind? Kommen sie in den Genuss dieses Grundrechts, das ihnen die Nichtdiskriminierung bei der Teilhabe am kulturellen Leben zusichert? Was ist mit der Vielzahl behinderter Menschen, die, egal welcher Altersgruppe, oft extrem isoliert allein zu Hause leben? Haben sie Zugang zu den Leistungsangeboten der Bibliotheken, soziokulturellen Zentren und Freizeitstätten, Museen, Theatern, Musik-, Tanz- und Kunstschulen? Ganz gleich, wie sie leben, ob im Heim oder zu Hause, ganz gleich, welcher Art ihre Einschränkungen sind – motorisch, auditiv, visuell, intellektuell, psychisch oder auch altersbedingt: Haben sie die Möglichkeit, sich an den vielfältigen Interventionen der innerhalb dieser öffentlichen oder privaten Einrichtungen agierenden Kultur- und Freizeitexperten zu erfreuen? In Europa werden Menschen mit Handicap nur selten von Maßnahmen der kulturellen Etats profitieren. Die Mehrheit wird vielmehr von ehrenamtlichen Helfern und den Angehörigen der Sozialberufe betreut, die keine spezielle Ausbildung für diese Art von Kulturarbeit haben, obwohl sie doch auch mit der Nichtzugängigkeit ihrer Umgebung und den besonderen Schwierigkeiten von Menschen, die manchmal mehrfach behindert sind, konfrontiert sein können! Obwohl nach dem Ermessen der menschlichen Vernunft, der ethischen
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Werte und der Gerechtigkeit großer Handlungsbedarf im Bereich der Professionalisierung und der Beschaffung technischer und finanzieller Mittel zugunsten adäquater Kulturmaßnahmen besteht, um im Rahmen einer strukturierten Politik das abgestimmte Handeln aller Beteiligten (auf den Sektoren Kultur, Soziales und Gesundheit) zu erreichen, verlässt man sich auch heute immer noch auf das Engagement karitativer Organisationen, auf das Pflegeprinzip und beschämend geringe Haushaltsetats – anstatt Finanzierungsstrategien zu erarbeiten, den Freizeit- und Kultursektor zu professionalisieren und den Kulturzugang barrierefrei zu gestalten. Dennoch würde man es sich zu leicht machen, die kulturelle Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung zu verallgemeinern. Gibt es doch durchaus auch Kultureinrichtungen, darunter zahlreiche Museen, einige Wohnheime und sogar mobile Pflegedienstleister, die sich ihrer besonderen Rolle als Vermittler einer barrierefreien Kulturzugängigkeit sehr wohl bewusst sind. So wurde im Verlauf zahlreicher Pilotprojekte eine wichtige Wissensbasis geschaffen, aus der nach und nach eine echte kulturelle Chancengleichheit erwachsen könnte. Nichtsdestotrotz sind Personen mit Behinderung, die am kulturellen Leben teilhaben wollen, noch allzu oft auf den Beistand professioneller Betreuer angewiesen. In einem Brief, den Vincent van Gogh aus der Klinik in Saint-Rémy an seinen Bruder Théo schrieb, steht ein Satz, der bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat: »Ich fühle mich wie ein Trottel, dass ich immer erst den Arzt fragen muss, ob ich malen darf.« Zahlreiche Argumente für die Gestaltung einer wahrhaftigen Chancengleichheit auf dem Gebiet der kulturellen Zugänglichkeit Nicht die jeweilige Behinderung verursacht die Hauptschwierigkeiten Häufig zeigt man mit dem Finger auf behinderte Menschen, auf ihre Einschränkungen – als wären diese die alleinige Ursache ihrer Schwierigkeiten. Aber dem ist nicht so. Unsere Gesellschaften haben diese Bürger im Verlauf ihrer Entwicklung außen vor gelassen und Barrieren errichtet. Heute gilt es, diese Barrieren gemeinsam und endgültig niederzureißen. Seit Jahrzehnten haben behinderte Menschen unser künstlerisches und kulturelles Leben mit ihren bemerkenswerten Fähigkeiten bereichert. Viele von ihnen haben uns vorgeführt, welcher Leistungen Menschen mit jedweder Art von Behinderung fähig sind, und einige, wie zum Beispiel Stephen Hawking, Borges, van Gogh oder Beethoven, haben die Geschichte der Kunst, der Kultur und der Wissenschaft mitgeprägt. Seit Helen Keller, die taub, blind und stumm ihre
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phänomenalen kulturellen Anpassungsfähigkeiten bewies, wird die Liste der berühmten Namen immer länger. Jean-Dominique Bauby und Philippe Vigan, die sich wegen ihres Locked-in-Syndroms nur über Augenbewegungen mitteilen konnten, haben bemerkenswerte Bücher verfasst. David Toole hat ohne Beine eine internationale Karriere als Tänzer gemacht. Der weltberühmte Jazzpianist und Komponist Michel Petruccciani litt unter der Glasknochenkrankheit. Der Gitarrist Django Reinhardt, einer der größten Jazzlegenden, hatte linksseitig zwei gelähmte Finger. Und Frida Kahlo malte ihre Werke größtenteils auf ihrem Krankenlager. Es existieren Lösungen für den barrierefreien Zugang des kulturellen Erbes Zur Kompensation der Einschränkungen aufgrund einer Behinderung kommen insbesondere technische Geräte, die Unterstützung durch Menschen oder Tiere und finanzielle Leistungen in Frage. Durch die neuen Technologien wird die Bandbreite innovativer Hilfsmittel ständig größer: Hörbücher in MP3-Format, Comics in Großformat oder Relief, Theater und Kinosäle mit Audiodeskription, Untertitelung, Induktionsschleifen, GPS-Führung, Video-Guides, Fernübertragung per Internet in Gebärdensprache, multi-sensorielle Materialien, virtuelle Führungen mittels DVD oder Internet sowie neue Systeme zur Überwindung von Hindernissen für Rollstuhlfahrer. Im Zuge der Professionalisierung sind sogar neue Berufe entstanden, wie zum Beispiel der Conférencier für Sonderführungen in Gebärdensprache oder der Kulturberater für Menschen mit Behinderung. Auch die museumspädagogischen Ansätze werden angepasst. Hier und da sind finanzielle Förderungen für individuelle oder kollektive Ausgleichslösungen vorgesehen. In einigen Ländern gibt es Arbeitsgruppen, die spezielle Thematiken untersuchen. Für den Empfang von behinderten Besuchern wurden museumsinterne Aktionspläne als methodologisches Werkzeug entwickelt. So auch die »Charta des Centre national de ressource pour l’accessibilité culturelle« (CEMAFORRE, Frankreich), die im Rahmen eines von mir koordinierten Forschungsprojekts der Stadt Paris erarbeitet wurde. Aktionscharta »Acceuil pour tous« der Pariser Museen Mit dem Ziel des gleichberechtigten Zugangs zu öffentlichen Dienstleistungen für alle und der barrierefreien Zugänglichkeit der künstlerischen Werke des nationalen Erbes für Menschen mit Behinderung verpflichten sich die großen Pariser Museen im Rahmen ihres Dreijahresplans, folgende Maßnahmen zugunsten der Zugänglichkeit der Museen und ihrer Kulturangebote durchzuführen:
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Zugänglichkeit der Gestaltungen und Ausstattungen 1. Spezifische Berücksichtigung von Menschen mit Behinderung bei allen Umgestaltungen, egal ob sie schon begonnen haben oder noch durchzuführen sind, sowie Anschaffung aller notwendigen Anlagen für den Empfang dieser Besuchergruppe, einschließlich Beschriftungen, Hinweisschilder etc. Zugänglichkeit der wechselnden und permanenten kulturellen Angebote 2. Aufgrund von Umfrageergebnissen Lösungen erarbeiten, um die konservierungstechnischen Erfordernisse auf die Möglichkeiten der taktilen, olfaktorischen und visuellen Kontaktaufnahme mit den Exponaten abzustimmen. 3. Konzepte und Vorschläge für spezifisch angepasste Maßnahmen und Aktivitäten erarbeiten. 4. Realisierung und permanente Bereitstellung adäquater Medien und Hilfsmittel für die Besichtigungen. Einbindung der Mitarbeiter durch Schulungsmaßnahmen, Recherchen und Absprachen. 5. Trainings- und Sensibilisierungsmaßnahmen für die Museumsmitarbeiter (Verwaltung, Empfang, Technik, Aushilfen) und die (abhängigen und unabhängigen) Dienstleister der Stadt Paris. 6. In jedem Museum werden eine oder auch mehrere ausgewählte Mitarbeiter am Empfang als Ansprechpartner bereitstehen – nach dem Motto »Accueil pour tous«. 7. Durchführung eines gemeinsamen ständigen Arbeitskreises der städtischen Pariser Museen in Absprache mit auswärtigen Fachleuten und bereits bestehenden Arbeitsgruppen, die einen Erfahrungsaustausch pflegen. Information, Kommunikation und Ausbau der Beziehungen zu Stellen im Gesundheits- und Sozialwesen 8. Organisation und Vermittlung von Informationen über die Zugänglichkeit und das kulturelle Angebot der Museen, Aufnahme von Kontakten und ständigen Beziehungen zu Verbänden und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens. Ausbau struktureller Hilfsleistungen 9. Einrichtung einer Dienststelle »spezifische Besucher« innerhalb des Bureau des Musées.
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10. Jedes Museum soll jährlich ein oder auch mehrere Projekte für die barrierefreie Gestaltung einplanen, unter Berücksichtigung der gesamten Kosten (Personal, Ausstattung, Arbeitsaufwand usw.) im Etat. An dieser Stelle sei noch zu erwähnen, dass die von der Stadt Paris lancierten Projekte und Maßnahmen seit 2002, dem Erscheinungsjahr dieser Charta, den aufgeführten Forderungen weitgehend entsprechen. Wege zu einer territorialen inklusiven Kulturpolitik in einzelnen europäischen Staaten In den letzten Jahren vollzieht sich in vielen Staaten Europas offensichtlich eine langsame Abkehr von der im 19. Jahrhundert verhafteten Denkweise, nach der die kulturelle Teilhabe für Menschen mit Behinderung im Grunde ein wohltätiger Akt sei, und folglich sollte sich die Gesamtheit der Akteure, insbesondere auf der kulturellen und sozialen Ebene, zusammenschließen und sich ihrer Verantwortung stellen. Nationale Gesetze in Anwendung der europäischen Grundsätze bestätigen die Rechte der behinderten Menschen auf den Zugang zur Kultur und präzisieren die Umsetzungsmodalitäten. In einigen Staaten wurden unter der Ägide der jeweiligen Ministerien und durch Einbindung von Behindertenvertretungen nationale Kultur- und Behindertenausschüsse gegründet (vor allem in Frankreich und in Finnland). Regionale und lokale Körperschaften nehmen sich der Thematik an, um in künftigen Aktionsprogrammen und Planungen kultur- oder sozialpolitischer Art die Belange behinderter Menschen angemessen zu berücksichtigen. Textpublikationen als Praxishilfen für gestalterische Maßnahmen zum Zweck einer besseren Zugänglichkeit der kulturellen Orte und Aktivitäten werden von verschiedenen Regierungen unterstützt. Des Weiteren werden zahlreiche Fortbildungskonzepte erarbeitet, um die Mitarbeiter der Museen, Bibliotheken, Nationaldenkmäler und Kunstschulen auf den Kontakt mit behinderten Menschen vorzubereiten. In den EU-Staaten kommt es immer öfter zu Meinungsumfragen auf institutioneller, städtischer, aber auch auf nationaler und internationaler Ebene, deren Ergebnisse in die Planung barrierefreier kultureller Orte und Aktivitäten einfließen. Darüber hinaus bilden sich europaweit zunehmend Fachzentren heraus, Kompetenzpole, die sich nicht nur als Anbieter behindertengerechter Freizeitaktivitäten profilieren, sondern auch als Träger spezialisierter Fortbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen in Erscheinung treten. Dies ist insofern relevant, als die politischen Entscheidungsträger in den Bereichen Kultur und Sozialpfle-
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ge allein keine effizienten Lösungen entwickeln können und deshalb die Betroffenen selbst in die Planung einbinden müssen.1 Dynamische Entwicklungen auf europäischer oder internationaler Ebene zugunsten der gleichberechtigten kulturellen Teilhabe behinderter Menschen Eine sehr aktive und strukturierte europäische Behindertenbewegung Es gibt viele europäische Nichtregierungsorganisationen, die für die Interessen von Menschen mit Behinderung eintreten. 1996 begann die Formierung einer europaweiten Behindertenbewegung. Nationale und europäische Verbände gründeten das Europäische Behindertenforum (FEPH) als Dachverband der nationalen Ausschüsse, die sich in den Einzelstaaten der EU für die Belange von Menschen mit Behinderung aller Art einsetzen. Hinzu kommen zahlreiche europäische Nichtregierungsorganisationen für bestimmte Arten von Behinderungen sowie internationale Nichtregierungsorganisationen, die sich bestimmten Themenschwerpunkten widmen. Das Europäische Behindertenforum vertritt die Interessen behinderter Menschen in allen Staaten der Europäischen Union. Es repräsentiert europäische Bürger in einer Vielzahl europäischer Gremien unter Berücksichtigung sowohl ihrer vielfältigen Bedürfnisse und Besonderheiten als auch der nationalen und kulturellen Differenzen. Das Europäische Behindertenforum fungiert zudem als Hauptansprechpartner der Europäischen Kommission und des Europaparlaments. In den letzten Jahren wurden im Zuge der Aktionen des Europäischen Behindertenforums Fortschritte auf dem Gebiet der öffentlichen Transporte, auf dem Arbeitsmarkt, im Hinblick auf die barrierefreie Gestaltung von Websites usw. erreicht. Das Europäische Behindertenforum führte des Weiteren Sensibilisierungs- und Mobilisierungsmaßnahmen durch, so auch anlässlich des Europäischen Behindertenjahres 2003. 2007 feiert es sein zehnjähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wurde eine Unterschriftensammlung zugunsten einer spezifischen europäischen Richtlinie für die Gleichberechtigung behinderter Menschen in allen Lebensbereichen organisiert. 1 Um nur einige Beispiele zu nennen: MLA, Shape und NDAF für England; Cemaforre, Eucrea France für Frankreich; Vsart für Griechenland; InterArt für Spanien; Eucrea Deutschland und ABM für Deutschland; Creahm, Horizon 2000 und Passe Murailles für Belgien. Jeder dieser Wissenspole hat seine spezifische Identität und seine Besonderheiten, und doch tragen sie alle zur gemeinsamen Entwicklung inklusiver kulturpolitischer Strategien bei.
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Entwicklungen im Bereich »Kunst, Kultur und Handicap« auf europäischer und internationaler Ebene Organisationen internationaler Bedeutung, die sich auf die Thematik Kunst, Kultur und Behinderung spezialisiert haben VSArt oder Very Special Art, 1974 gegründet, ist in rund 60 Staaten vertreten. Das Réseau International d’Art Différencié mit Künstlerateliers in 214 Ländern setzt sich für die Förderung und Verbreitung der Werke behinderter Künstler ein, so auch der Vereinigung der Mund- und Fußmaler. EUCREA International vertritt die Belange von Menschen mit Behinderung vor kulturpolitischen Entscheidungsträgern. Die Organisation ist bestrebt, die Thematik »Kunst, Kultur, Medien und Behinderung« in die politische Agenda verschiedener internationaler Entscheidungsträger und Gremien einzubringen (EU, Europarat, UNO usw.). Um die Akteure in die Pflicht zu nehmen und alle verfügbaren Energien und Ressourcen zu sammeln, gab Eucrea International die »Europäische Erklärung für Kunst, Kultur, Medien und Handicap« zugunsten einer barrierefreien Kommunikationskultur heraus. Außerdem kam es auf Initiative von Eucrea und in enger Kooperation mit dem Europäischen Behindertenforum am 6. Mai 2003 zur Erarbeitung und Verabschiedung der Resolution des EU-Ministerrats für Erziehung, Jugend und Kultur über den barrierefreien Zugang behinderter Menschen zu den kulturellen Einrichtungen und Aktivitäten.2 Veranstaltungen, Begegnungen Nachdem über Jahre hinweg die Organisation europäischer und internationaler Festivals und Wanderausstellungen florierte, finden jetzt themenbezogene Veranstaltungen unter Einbindung der öffentlichen Stellen, der zuständigen Ministerien statt, mit dem Ziel, sich der Problematik aus einer kultur- und sozialpolitischen Sichtweise anzunähern. Dies stellt eine bedeutende Wende dar. So kam es zu den Treffen in Thessaloniki, Griechenland, in Brüssel und Paris 2006; die jeweiligen Publikationen sind ganz oder teilweise auch in englischer Sprache erhältlich.
2 Europäische Erklärung zu Kunst, Kultur, Medien und Handicap: Resolution des EU-Ministerrats vom 6. Mai 2003 über die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung zu den Einrichtungen und Aktivitäten der Kultur.
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Grosse Projekte, die bereits im Gange oder noch geplant sind Um in dieser Richtung weiter voranzuschreiten und die Zugänglichkeit der kulturellen Aktivitäten für alle europäischen Bürger mit Behinderung zu ermöglichen, müssen sich die betroffenen Akteure in die großen, teilweise bereits in Gang gesetzten Projekte einbringen: Durchführung der ersten Maßnahmen- und Aktionsbilanz vor dem Hintergrund der Europäischen Resolution vom 6. Mai 2003 Im Rahmen der in der Resolution des EU-Ministerrats vorgesehenen Erstellung einer Maßnahmen- und Aktionsbilanz über den Zugang von Menschen mit Behinderung zu kulturellen Aktivitäten und Einrichtungen wird europaweit eine Bestandserhebung durchgeführt. Eucrea International begleitet diese Maßnahme durch die Erarbeitung eines entsprechenden Instruments zur Realisierung dieser Bestandsaufnahme und wird dabei durch die Europäische Kommission und das Europäische Behindertenforum unterstützt. Aufgrund der Ergebnisse dieser umfassenden Studie wird ein Abschlussbericht erstellt, der einerseits die unverzichtbare Basis für die Entwicklung inklusiver europäischer und einzelstaatlicher Kulturstrategien darstellen und andererseits eine starke Sensibilisierung der Verantwortungsträger auf verschiedenen Stufen bewirken soll. Die Ziele sind: • Entwicklung und Angleichung der Aktionsprogramme, Abschlussdiplome und Berufsbilder auf diesen Sektoren; • Ausweitung der Kompetenzpole für Fortbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen im Bereich Kunst, Kultur und Handicap mit Organisation eines permanenten Austauschs; • Einleitung redaktioneller Maßnahmen zur Herstellung von Begleitund Informationsmaterialien zwecks Sensibilisierung der beteiligten Akteure; • Mobilisierung der Interessengruppen. Erarbeitung europäischer Normen für die kulturelle Zugänglichkeit Nach einer 2006 in Kraft getretenen Neuerung müssen Projekte, die nach dem europäischen Strukturfonds gefördert werden, das Prinzip der Barrierefreiheit berücksichtigen, was einen entscheidenden Fortschritt für die Gleichstellung behinderter Menschen bedeutet – jetzt geht es um die Festlegung der Kriterien für künftige Kontrollen. Als Orientierung können die existierenden Entwicklungen in der Touristik für behinderte Menschen he-
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rangezogen werden, ebenso europäische Konzepte, die schon von zahlreichen Akteuren geteilt werden – wie »Design for all« oder »Accès universel« – und die verschiedenen Chartas oder Textsammlungen, die von einzelnen Staaten oder internationalen Gremien erarbeitet wurden. Dennoch sollte man angesichts der europäischen Meinungsverschiedenheiten über das Etikett der »Zugänglichkeit« vor zu erwartenden Schwierigkeiten nicht die Augen verschließen. Während manche Staaten dafür plädieren, die barrierefreie Zugänglichkeit eines Ortes besonders hervorzuheben, vertreten andere die Auffassung, man könne sich eine spezifische Kennzeichnung sparen und stattdessen auf die fehlende Barrierefreiheit eines Ortes aufmerksam machen. Solche Schwierigkeiten sind Ausdruck der unterschiedlichen nationalen Konventionen, dem Grad der Zugänglichkeit, den Ressourcen, der wirtschaftlichen Entwicklung, der sozialen und kulturellen Werte usw. Eine neue Perspektive In öffentlichen Kampagnen zur Verbesserung der Lebenssituation behinderter Menschen hört man häufig den Satz: Die Gesellschaft muss sie anders wahrnehmen … Wie wäre es, wenn sich jeder Mensch stattdessen einmal fragt, wie er sich selbst wahrnimmt? In seiner Eigenverantwortlichkeit als Staatsbürger, der gesellschaftliche und berufliche Entscheidungen trifft? Müsste ein Busfahrer nach 30 Berufsjahren nicht einmal seine persönliche Verantwortung hinterfragen, wenn sein Fahrzeug für einen Teil der Bevölkerung – mag er nun schwarz, weiß oder behindert sein – nicht zugängig ist? Egal für welche Einrichtung man verantwortlich ist – ob man eine Musikschule, eine Bibliothek, ein Museum oder ein Theater leitet: Ist es möglich, dass jemand diesen Prozess der Ausgrenzung, wenn nicht gar der Apartheid, den er durch seine schweigende Duldung noch fortschreibt, niemals hinterfragt? Jeder Akteur einer Gesellschaft hat auch die Rolle des Bewahrers einer Ethik, so wie sich ein Berufsstand seinem Berufsethos verpflichtet fühlt. Die Integration aller Bürger in das kulturelle Leben erfolgt nicht ausschließlich durch Gesetze – alle Betroffenen müssen sich gemeinsam dafür engagieren. In diesem Kontext sind auch diese Ausführungen zu verstehen. Eine Vielzahl von Akteuren in verschiedenen EU-Staaten hat sich für die gleichberechtigte Teilhabe aller Bürger am kulturellen Leben engagiert, den Handlungsbedarf erkannt, die Kompetenzen vernetzt, damit sich ein neues Fachwissen, wenn nicht Fachgebiet entwickeln kann, das sowohl behinderten Menschen als auch allen anderen Bürgern zugute kommt.
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Literaturhinweise Allen, Anne/Allen, George (1988): Everyone Can Win. Opportunities and Programs in the Arts for the Disabled, McLean, VA: EPM Publications. Fertier, André (o.J.): Encyclopédie culture et handicap, Edition Cemaforre, in: URL: www.cemaforre.asso.fr. Hellenic Ministry of Culture (2003): Access to Culture and Sports for People with Disabilities, Conference Proceedings, Thessaloniki, 30.10.-1.11.2003, www.culture.gr. Kennedy Smith, Jean/Plimpton, George (1993) Chronicles of Courage. Very Special Artists, New York: Random House. Les Rencontres européennes culture et handicap de Paris 2006 – European Meetings Art and Disability, www.rech2006.com. Internetadressen www.ec.europa.eu – European Commission, DG Employment, social affairs and equal opportunities. Integration of people with disabilities www.edf-feph.org – Forum Européen des Personnes Handicapées/European Disability Forum www.EUCREA-international.org – EUCREA International
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Herausgeber- und Autorenverzeichnis Die Herausgeber Patrick S. Föhl ist Diplom-Kulturarbeiter und freier Kulturberater mit den Arbeits-, Publikations- und Forschungsschwerpunkten »Kooperationen und Fusionen«, »Kulturmarketing«, »Ausstellungsmanagement« sowie »Kulturfinanzierung«. Seit 1996 hat er in verschiedenen Kultureinrichtungen gearbeitet oder beraten (Auswahl: Kunstsammlungen zu Weimar, Stiftung Jüdisches Museum Berlin, Stiftung Schloss Neuhardenberg GmbH, Klassik Stiftung Weimar, Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin, Bauhaus Archiv Berlin sowie Zentral- und Landesbibliothek Berlin; in den drei letztgenannten Einrichtungen Beratungen zum Thema »Finanzierung von barrierefreien Projekten«). Zudem ist er Doktorand und Lehrbeauftragter am Institut für Kulturmanagement der PH Ludwigsburg ebenso wie am Studiengang Kulturarbeit der FH Potsdam. Dort ist er zugleich wissenschaftlicher Mitarbeiter und Gründungsmitglied der Forschungsgruppe »Regional Governance im Kulturbereich«. Er ist regelmäßiger Gastdozent am Studienzentrum für Kulturmanagement der Universität Basel und Teilnehmer der Forschungsarena »Public Cooperations and Mergers« an der Zeppelin University Friedrichshafen. 2005 gründete er das Netzwerk für Kulturberatung (www.netzwerkkulturberatung.de). Stefanie Erdrich ist Diplom-Politologin und Journalistin mit Erfahrung in der Projektakquise und im Projektmanagement von EU-Projekten im 5. und 6. Rahmenprogramm sowie bei Regionalförderprogrammen. Seit 1999 hat sie in zwei Forschungsinstituten als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektassistentin gearbeitet und war zudem als Redakteurin und freie Journalistin tätig. Zurzeit arbeitet sie als Autorin und Beraterin in Berlin. Etwa für das Deutsche Technikmuseum Berlin und das Bauhaus Archiv Berlin zum Thema »Barrierefreiheit« im Rahmen des Netzwerks für Kulturberatung (www.netzwerk-kulturberatung.de). Hartmut John, Dr. phil., studierte Geschichtswissenschaft, Politik und Wirtschaftsgeografie. Er ist Leiter der Abteilung »Museumsberatung« und des Fortbildungszentrums Abtei Brauweiler im Rheinischen Archiv- und Museumsamt des Landschaftsverbandes Rheinland. Karin Maaß, M.A., Kunsthistorikerin und Literaturwissenschaftlerin. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten der Kunst des 19., 20. und 21. Jahrhunderts, der Geschlechterforschung in der Kunstgeschichte und der Museumspädagogik. Seit 1996 ist sie freiberuflich in der
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Museumspädagogik tätig und etablierte an der Modernen Galerie der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz museumspädagogische Angebote für Menschen mit Behinderungen. Seit 2004 ist sie Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Museumspädagogik e.V. und seit 2005 Sprecherin von dessen Arbeitsgemeinschaft »Barrierefreie Museen«. Die Autoren Sigrid Arnade, Dr. med. vet., leitet mit H.-Günter Heiden das »JoB. (Journalismus ohne Barrieren) – Medienbüro« in Berlin. Die gelernte Tierärztin ist seit 1986 zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen und arbeitet seither als Journalistin mit den Schwerpunkten »behinderte Frauen«, »rechtliche Gleichstellung« und »barrierefreies Naturerleben«. Katrin Auer, Volljuristin, führte von 1998 bis 2000 verschiedene Projekte für das Sozialministerium Nordrhein-Westfalen durch, insbesondere die Betreuung der Projektgruppe »Gleichstellungsgesetze für Menschen mit Behinderungen«. 2000 bis 2003 war sie Referentin im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und nahm an der Projektgruppe »Gleichstellungsgesetze für behinderte Menschen« teil. Seit 2003 ist sie Referentin im Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und ist u.a. zuständig für Grundsatzfragen des BGG. Sie engagiert sich ehrenamtlich in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe und in »Living-History«-Projekten. Christine Beckmann studierte Kulturwissenschaft und Kunstwissenschaft sowie Französisch in Bremen und Tübingen. Von 1995 bis 2000 war sie Kulturbeauftragte der Gemeinde Worpswede. Sie hat diverse frei- und nebenberufliche Engagements getätigt, u.a. Kulturberatung Dr. Voesgen, Oldenburg; Regionales Kulturbüro im Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen; EuropaChorAkademie, Bremen; European Forum for the Arts and Heritage (EFAH), Brüssel; Kulturpolitische Gesellschaft e.V. Seit 2004 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. und Referentin im Cultural Contact Point Germany. Martina Bergmann, von Geburt an gehörlos, ist gelernte Bauzeichnerin und autodidaktische Museumspädagogin. Sie ist als Mitarbeiterin beim Museumsdienst Hamburg seit 2002 fest angestellt und zuständig für die Betreuung des Programms und die Öffentlichkeitsarbeit für Hörgeschädigte in allen Museen. Diese Arbeit begann 1995 als freie Mitarbeiterin mit monatlichen Führungen in Deutscher Gebärdensprache in der Hamburger Kunsthalle. Im Juni 1999 wurde diese Arbeit auf einer ABM-Stelle nach und nach
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ausgebaut. Über ihre Arbeit beim Museumsdienst Hamburg liegen verschiedene Berichte der Sendung »Sehen statt Hören« vor. Karin Edtmüller studierte Germanistik und Klassische Philologie. Seit 1984 ist sie Lehrerin für die Fächer Latein, Deutsch und Ethik an der Carl-StrehlSchule der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. Marburg. Seit 2006 hat sie die Leitung der Eingangsstufe 5/6 inne. Corinne Eichenberger, Studium in Biologie, Master in Museums Studies, ist Kuratorin für Kommunikation im Museums- und Ausstellungswesen. Sie arbeitet in der Kulturvermittlung im Naturhistorischen Museum Basel und als freie Kulturvermittlerin für diverse Bildungsprojekte. Zudem ist sie Leitungsassistentin und Moderatorin beim Nachdiplomstudium Museologie an der Universität Basel sowie Beauftragte für Bildung und Vermittlung bei den Museumsdiensten Basel (interimistische Leitung). Jean-Pierre Ferragu studierte Ergonomie und Geistigbehindertenpädagogik und ist Zugänglichkeitsbeauftragter für die körperliche und geistige Behinderung in der »Cité des sciences et de l’industrie« in Paris. Er begann sein Berufsleben als Elektromechaniker, wechselte jedoch schnell zur Sonderpädagogik und arbeitete mit hör-, seh- und geistig behinderten Kindern sowie anderen sozialen Gruppen. Er lernte die Gebärdensprache und wandte sie von Beginn seiner pädagogischen Tätigkeit als wissenschaftlicher und technischer Gruppenbegleiter in der »Cité des Sciences« an. Seit 1992 ist er für die Freizeitprodukte der »Cité des Enfants« verantwortlich. 1998 wurde er mit dem Aufgabenbereich der Zugänglichkeit für körperlich und geistig behinderte Menschen betraut. Er evaluiert die Besuchshäufigkeit dieser Zielgruppe und betreut die Zugänglichkeit von Ausstellungsprojekten sowie Umbauten des Gebäudes. Zudem ist er an Projekten der Pädagogik und Mediation für Menschen mit kognitivem Förderbedarf beteiligt. Christine Ferreau, M.A., studierte Geschichte und Germanistik in Bonn und Bochum, ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Industriegeschichte des Ruhrgebiets und speziell der Eisen- und Stahlindustrie. Seit 1993 ist sie beim Rheinischen Industriemuseum des Landschaftsverbandes Rheinland tätig. Sie arbeitete u.a. an der Dauerausstellung »Schwer.Industrie« mit und leitete das Ausstellungsprojekt »Stahl.Werk«. Von 1998 bis 2007 war sie wissenschaftliche Referentin in der Stabsabteilung Kommunikation und Marketing der Zentrale des Rheinischen Industriemuseums. Seit Januar 2007 ist sie wissenschaftliche Referentin im Dezernat für Kultur und Umwelt des Landschaftsverbandes Rheinland.
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum
André Fertier ist Komponist, Autor, Forscher und Experte für kulturelle Barrierefreiheit und inklusive Kulturpolitik. Er ist Autor von rund 20 Plattenproduktionen (Weltmusik, Jazz, Klassik, Klangräume, darunter eine Produktion mit dem Philharmonieorchester »Pro Unesco«) und rund 20 Büchern (darunter die Enzyklopädie »Culture et Handicap«). Er war Mitherausgeber von Nachschlagewerken (»Compensation du handicap: le temps de la solidarité«, 2001/2002; »Handicap, le temps des engagements«, 2006). Er ist Gründungspräsident von »Cemaforre – Centre national de ressources pour l’accessibilité des loisirs et de la culture«, des nationalen Verbandes Eucrea Frankreich und der Nichtregierungsorganisation »Eucrea international«, zudem Mitglied des Europäischen Forums der Menschen mit Behinderung. Er engagiert sich auf den Gebieten der Schaffung und der Erforschung von Barrierefreiheit sowie für den barrierefreien Zugang aller Menschen zu kulturellen und künstlerischen Tätigkeiten. Anne Funke, Dr. phil., ist Kunsthistorikerin. Nach mehrjähriger Erfahrung in der Museumspädagogik arbeitet sie für den Landesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen im saarländischen Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales. Ihr Arbeitsgebiet ist der grenzüberschreitende barrierefreie Tourismus in der Großregion Saar-Maas-Rhein und die Koordinierung des Projektes »EureCard/EureWelcome«. Svenja Gaube, M.A., studierte Geschichte, Englisch und Politikwissenschaften in Mainz, Glasgow und Freiburg. Seit 1999 ist sie am Deutschen Technikmuseum Berlin in den Bereichen Ausstellungen und Projektmanagement. Seit 2004 arbeitet sie dort als Museumspädagogin mit den Arbeitsschwerpunkten: Barrierefreiheit (»Museum für alle«), Audioführungen (z.B. für Blinde zur Sonderausstellung »Fühlen, Hören, Sehen«) und Besucherorientierung. H.-Günter Heiden, M.A., studierte Sonderpädagogik und Publizistik. Er leitet mit Dr. Sigrid Arnade das »JoB. (Journalismus ohne Barrieren) – Medienbüro« in Berlin. Er war Sonderschullehrer und seit 1986 Journalist mit den Schwerpunkten: »rechtliche Gleichstellung«, »europäische und internationale Behindertenpolitik« sowie »barrierefreies Naturerleben«. Jan Eric Hellbusch ist Dipl.-Kfm. und Autor zweier Titel zum Thema »Barrierefreies Webdesign« sowie weiterer Fachveröffentlichungen zum Thema. Mit »2bweb. de« bietet er Beratung und Schulungen für barrierefreies Webdesign. Er war an zahlreichen großen und kleinen Projekten bei der Umsetzung der Barrierefreiheit beteiligt, etwa www.landtag.nrw.de, www.tagesschau.de oder www.pro-retina.de. Im Fachausschuss für Informations- und
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Telekommunikationssysteme sowie der Arbeitsgemeinschaft der Sehbehinderten setzt er sich seit vielen Jahren ehrenamtlich für die Belange Blinder und Sehbehinderter ein. Marianne Hilke studierte Biologie und Kunst als Lehramt Sekundarstufe I. Nach zwei Jahren auf einer ABM-Stelle zur Museumspädagogik am Grafschafter Museum im Moerser Schloss ist sie seit 1989 im Archäologischen Park/Regionalmuseum Xanten beschäftigt. Seit 2004 ist sie Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Museumspädagogik Rheinland und Westfalen e.V. Susanne Kudorfer, M.A., studierte Kunstgeschichte, Pädagogik und Sozialpsychologie und absolvierte eine Ausbildung zur Kommunikationswirtin. Von 1991 bis 1997 betreute sie museums- und kulturpädagogische Projekte im Kinder- und Jugendmuseum München. Seit 1998 arbeitet sie bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen/Pinakotheken, zunächst im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, ab 2001 als Leiterin des Besucherdienstes. Wilfried Laufenberg, Dipl.-Psychologe, studierte von 1971 bis 1978 Psychologie, Soziologie und Philosophie an der Philipps-Universität Marburg. Von 1979 bis 1980 war er an einem Forschungsprojekt an der Philipps-Universität über taktile Stadtpläne für Blinde beteiligt. Seit 1981 ist er Mitarbeiter der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. Marburg, zunächst im Bereich Taktile Medien. Seit 1983 leitet er das Medienzentrum der Carl-Strehl-Schule. Rüdiger Leidner, Dr. rer. pol., studierte Volkswirtschaftslehre in Marburg und Köln. Von 1980 bis 1992 arbeitete er im Bundeswirtschaftsministerium in Bonn (Schwerpunkt: Bilaterale Beziehungen zu den EU-Mitgliedstaaten), von 1992 bis 2002 im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin (Schwerpunkt: Internationale Wirtschaftspolitik, Reformprozesse in Osteuropa). Seit Mai 2003 ist er Nationaler Experte bei der EU-Kommission GD Unternehmen, Referat für Tourismuspolitik. Sabina Leßmann, Dr. phil., studierte Kunstgeschichte in Bonn und absolvierte ein Begleitstudium der Freien Kunst in Düsseldorf und Rom. Sie promovierte über »Susanna Maria von Sandrart (1656-1716). Arbeitsbedingungen einer Nürnberger Graphikerin im 17. Jh.«. Nach Lehraufträgen im Fachbereich Kunstgeschichte zur Fotografie an der Universität Trier und der Kunstakademie Düsseldorf ist sie seit 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Kunstmuseums Bonn und Leiterin der Abteilung »Bildung und Kreativität«. Seit 2005 absolviert sie Fortbildungen im Bereich Museumspädagogik
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum
(Museo Castello di Rivoli/Turin; Alanus Hochschule, Alfter; San Leo/Kunstakademie Urbino). Petra Lutz, M.A., ist Historikerin und Ausstellungskuratorin. Seit 1999 ist sie wissenschaftliche Referentin im Deutschen Hygiene-Museum Dresden. Sie arbeitete als freie Mitarbeiterin im wissenschaftlichen, publizistischen und Ausstellungsbereich, unter anderem für das Robert Havemann-Archiv, die Aktion Mensch, das LWV Hessen, die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und die Arno Schmidt Stiftung. Sie veröffentlicht zu Themen der Museumspädagogik und der Anstaltspsychiatrie. Ute Marxreiter, M.A., ist Theaterwissenschaftlerin und Kunsthistorikerin. Sie arbeitet in der freien Theater- und Performancearbeit und als Trainerin in der Erwachsenenbildung, u.a. für die BMW AG. Seit 2002 entwickelte und leitet sie das Projekt PINK für die Pinakothek der Moderne in München. Sie hat Lehraufträge zu Museumspädagogik an der Fachhochschule München und der katholischen Stiftungsfachhochschule inne. Rebecca McGinnis ist »Access Coordinator« und Museumspädagogin im Metropolitan Museum of Art in New York. Gemeinsam mit ihren Kollegen hat sie für ihre innovativen Programme für Besucher mit Behinderungen internationale Anerkennung erhalten. 2003 gewann das Metropolitan Museum of Art für die Bemühungen der verbesserten Zugänglichkeit den »American Association of Museums’ Accessibility Award«. Heiner Mockenhaupt, Dipl. Ing. (FH), ist Bauingenieur und Sachverständiger für barrierefreies Bauen. Von 1974 bis 1980 war er im Bauaufsichtsamt Mainz-Bingen tätig. Von 1980 bis 1998 war er selbstständiger Wohnungsbauunternehmer, er plante und baute Ein- und Mehrfamilienhäuser. Von 1998 bis 2000 war er als Fachberater für den Bereich Barrierefreiheit mit dem Umbau und der Renovierung von Wohnungen im Bestand Leipzig betraut. Von 2001 bis 2003 war er Projektleiter für das »Barrierefreie Kulturland Rheinland-Pfalz« im Ministerium für Kultur. Seit 2003 ist er Sachverständiger für barrierefreies Bauen und Berater für barrierefreies Bauen der Stadt Mainz, Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung RLP, Landesgartenschau Trier und Bingen. Wilma Otte, Dipl.-Museologin (FH), ist seit 1983 mit Unterbrechung durch das Studium in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg tätig. Seit 1994 beschäftigt sie sich mit dem Thema »Barrierefreiheit im Museum«.
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Beat Ramseyer lebt und arbeitet in Basel. 1948 erkrankte er im Säuglingsalter an Polio und seit über 20 Jahren leidet er zusätzlich am Postpoliosyndrom (PPS). Er ist stark mobilitätsbehindert. Nach fast drei Jahrzehnten Lehrtätigkeit in den Fächern Musik und Bildnerisches Gestalten für junge Erwachsene ist er heute freiberuflich als Mediator und Supervisor tätig. Er leitet das Basler Projekt »museumssterne*** – museen basel offen für behinderte«, eine Zusammenarbeit mit den Abteilungen »Museumsdienste« und »Erwachsene Behinderte« des Erziehungsdepartementes Basel-Stadt. Eeva Rantamo, M.A., studierte Volkskunde, Ur- und Frühgeschichte und Kulturgeschichte an der Universität Turku in Finnland und an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sie ist Projektkoordinatorin des europäischen »Access to Cultural Heritage (ACCU)-Projektes« im Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern. Sie arbeitet als freiberufliche Kulturwissenschaftlerin mit Tätigkeitsschwerpunkt interkultureller Austausch sowie Vermittlung und Durchführung europäischer Bildungsprojekte, wissenschaftliche Präsentationen, Ausstellungskonzepte und -gestaltungen. Sari Salovaara, Bach. Bildende Kunst mit dem Schwerpunkt Kunstpädagogik, hat eine Ausbildung in Gestalt-Kunsttherapie und einen Abschluss in Kulturmanagement. Sie arbeitet seit 1999 in der Finnischen Nationalgalerie in Helsinki. Dort ist sie verantwortlich für den »Kultur für Alle«- Service, der der Entwicklungsabteilung angehört. Sie engagiert sich in der finnischen Kulturpolitik und hatte von 2003 bis 2005 den Vorsitz des Komitees für »Behinderte Menschen und Kultur« im finnischen Ministerium für Ausbildung und Kultur. Sie hat nationale und internationale Stipendien und Auszeichnungen erhalten, die ihre Ziele anerkennen, behinderten Menschen gleiche Zugangsmöglichkeiten zu kulturellen Aktivitäten zu ermöglichen. Monika Scheele Knight studierte Literaturwissenschaft in Mainz, Montpellier, New York und Berlin. Sie arbeitet in Berlin als freiberufliche Journalistin und Übersetzerin aus dem Englischen. Von 1997 bis 2002 lebte und arbeitete sie in Chicago, wo im Jahr 2000 ihr Sohn geboren wurde, der im Alter von knapp drei Jahren als Autist diagnostiziert wurde. Sie schreibt gemeinsam mit anderen Eltern im Internet das erste deutsche Autismus-Weblog (http: //autismus.twoday.net). Eva Studinger, Dr. phil., ist Kunsthistorikerin, Museumspädagogin und Grund- und Hauptschullehrerin mit Schwerpunkt auf integrativen Projekten in Museum und Schule. Sie publiziert u.a. zu museumspädagogischen Themen.
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P.S. Föhl/S. Erdrich/H. John/K. Maass Das barrierefreie Museum
Susanne Vogel ist Diplom-Ingenieurin der Landespflege und seit 1980 beim Landschaftsverband Rheinland in Köln im Umwelt- und Kulturbereich tätig. Als wissenschaftliche Referentin befasst sie sich seit 2005 schwerpunktmäßig mit dem Thema »Barrierefreiheit« in den verbandseigenen Kultureinrichtungen sowie in Natur und Landschaft. Marcus Weisen studierte französische und deutsche Literatur sowie Philosophie in Genf. Er arbeitet seit 1985 zum Thema »Zugang zur Kultur für behinderte Menschen«. Damals entwickelte er »Blind People on The Move – Experiencing Oxford«, ein kulturelles Tourismusschema für alle Sinne. Er ist Gründungsmitglied von EUCREA, dem Europäischen Komitee für Kreativität von und für behinderte Menschen, welches 1988 gegründet wurde. Von 1987 bis 2002 war er Arts Officer beim Royal National Institute of Blind People in London. Er war aktiv an den frühen Entwicklungen von Audiodeskription im Fernsehen beteiligt und warb für Künstler mit Sehbehinderungen sowie ihren Zugang zu kulturellen Veranstaltungen. Von 2002 bis 2007 war er für den britischen »Museums, Libraries and Archives Council« tätig. Ab Juni 2007 wird Marcus Weisen als freiberuflicher Berater in diesem Themenfeld arbeiten. Er hat etwa 40 internationale Konferenzen organisiert und mehr als 60 Artikel in Großbritannien, den USA, Japan und weiteren europäischen Ländern veröffentlicht. Barbara Wichelhaus, Prof. Dr., Lehrstuhl für Heilpädagogische Kunsterziehung/Kunsttherapie an der Universität zu Köln, studierte Kunst, Pädagogik und Psychologie in Essen, Münster, München und Köln. Nach Schuldienst (ab 1964) und der Fachleitung Kunst (ab 1968) promovierte (1978) und habilitierte sie (1987). Sie forscht u.a. zur Funktion von Kunst in Kunsttherapie und Heilpädagogik, führt Beratungen zur Gestaltung medizinischer Einrichtungen durch und kuratiert Ausstellungen. Sie hatte Gastprofessuren und Arbeitsprojekte im In- und Ausland inne und ist Mitglied des Ausschusses zur Etablierung des Ausbildungs- und Berufsbildprofils »Kunsttherapie«. Zahlreiche Veröffentlichungen und Mitherausgeberschaften.
2007-08-09 16-11-19 --- Projekt: T576.kum.foehl / Dokument: FAX ID 02cf154649785568|(S. 509-516) T01_06 autoren.p 154649786552
Kultur- und Museumsmanagement Laura J. Gerlach Der Schirnerfolg Die »Schirn Kunsthalle« als Modell innovativen Kunstmarketings. Konzepte – Strategien – Wirkungen Oktober 2007, ca. 250 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-769-1
Hartmut John, Anja Dauschek (Hg.) Museen anders denken Neue Wege der Zielgruppenarbeit und Kulturvermittlung Oktober 2007, ca. 200 Seiten, kart., ca. 23,80 €, ISBN: 978-3-89942-802-5
Hartmut John, Bernd Günter (Hg.) Das Museum als Marke Branding als strategisches Managementinstrument für Museen Oktober 2007, ca. 200 Seiten, gebunden, durchgängig farbig mit zahlr. Abb., ca. 35,00 €, ISBN: 978-3-89942-568-0
Thomas Knubben, Petra Schneidewind (Hg.) Zukunft für Musikschulen Herausforderungen und Perspektiven der Zukunftssicherung öffentlicher Musikschulen September 2007, ca. 250 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-619-9
Landesverband der Kunstschulen Niedersachsen, Carmen Mörsch, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Hg.) Schnittstelle Kunst – Vermittlung August 2007, 390 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-732-5
Patrick S. Föhl, Stefanie Erdrich, Hartmut John, Karin Maaß (Hg.) Das barrierefreie Museum Theorie und Praxis einer besseren Zugänglichkeit. Ein Handbuch August 2007, 518 Seiten, kart., 46,80 €, ISBN: 978-3-89942-576-5
Reinhold Knopp, Karin Nell (Hg.) Keywork Neue Wege in der Kultur- und Bildungsarbeit mit Älteren Juni 2007, 262 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-678-6
Marc Grellert Immaterielle Zeugnisse Synagogen in Deutschland. Potentiale digitaler Technologien für das Erinnern zerstörter Architektur Juni 2007, 606 Seiten, kart., zahlr. Abb., 37,80 €, ISBN: 978-3-89942-729-5
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de
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2) ANZ.KUM.DS08A.p 154649786560
Kultur- und Museumsmanagement Birgit Mandel Die neuen Kulturunternehmer Ihre Motive, Visionen und Erfolgsstrategien März 2007, 146 Seiten, kart., 16,80 €, ISBN: 978-3-89942-653-3
Heike Kirchhoff, Martin Schmidt (Hg.) Das magische Dreieck Die Museumsausstellung als Zusammenspiel von Kuratoren, Museumspädagogen und Gestaltern
Werner Heinrichs Der Kulturbetrieb Bildende Kunst – Musik – Literatur – Theater – Film 2006, 294 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-532-1
Tobias Wall Das unmögliche Museum Zum Verhältnis von Kunst und Kunstmuseen der Gegenwart 2006, 312 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-522-2
März 2007, 172 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN: 978-3-89942-609-0
Sonja Vandenrath Private Förderung zeitgenössischer Literatur Eine Bestandsaufnahme
Roswitha Muttenthaler, Regina Wonisch Gesten des Zeigens Zur Repräsentation von Gender und Race in Ausstellungen
2006, 254 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-417-1
Januar 2007, 268 Seiten, kart., zahlr. Abb., 26,80 €, ISBN: 978-3-89942-580-2
Petra Schneidewind Betriebswirtschaft für das Kulturmanagement Ein Handbuch
Stiftung Niedersachsen (Hg.) »älter – bunter – weniger« Die demografische Herausforderung an die Kultur 2006, 232 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-505-5
2006, 204 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-546-8
Viktor Kittlausz, Winfried Pauleit (Hg.) Kunst – Museum – Kontexte Perspektiven der Kunst- und Kulturvermittlung 2006, 308 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-582-6
Leseproben und weitere Informationen finden Sie unter: www.transcript-verlag.de
2007-08-09 16-11-20 --- Projekt: T576.kum.foehl / Dokument: FAX ID 02cf154649785568|(S.
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2) ANZ.KUM.DS08A.p 154649786560