Das Alexandrinische Schisma in Briefen und Ideenwelt des Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury [1 ed.] 9783412522094, 9783412522070


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Das Alexandrinische Schisma in Briefen und Ideenwelt des Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury [1 ed.]
 9783412522094, 9783412522070

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DAS ALEXANDRINISCHE SCHISMA in Briefen und Ideenwelt des Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury

Isabel Blumenroth

Papsttum im mittelalterlichen Europa B A N D 10

Herausgegeben von Jochen Johrendt und Harald Müller

Isabel Blumenroth

DAS ALEXANDRINISCHE SCHISMA in Briefen und Ideenwelt des Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN

D 82 (Diss. RWTH Aachen University, 2019)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Cie. KG, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Die im 16. Jahrhundert angefertigte Nachzeichnung eines Details aus einem von Papst Calixtus II. für den Lateranpalast in Rom in Auftrag gegebenen Freskenzyklus zeigt Papst Paschalis II. (frontal thronend) im Kreis geistlicher Würdenträger, der sich eines nicht näher bezeichneten Gegenpapstes als Fußschemel bedient. Die Darstellung versinnbildlicht den Triumph des rechtmäßigen Bischofs von Rom über den unterlegenen schismatischen Papstprätendenten. © Biblioteca Apostolica Vaticana, Barb. lat. 2738, fol. 105v. Reproduction by permission of Bibliotheca Apostolica Vaticana, with all rights reserved. Korrektorat: Dore Wilken, Freiburg Satz: büro mn, Bielefeld Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52209-4

Inhalt Vorwort  . . .........................................................................................................................  11 Einleitung  . . .....................................................................................................................  15 I. Die Protagonisten und ihre Ideenwelten  .. ........................................................  39 1. Arnulf von Lisieux (gest. 1182)  ..........................................................................  41 1.1 Arnulf von Lisieux und die Schismen seiner Zeit  ......................................  41 1.1.1 Engagement: die Schismen von 1130 und 1159 und Arnulfs Beziehung zu Heinrich Plantagenêt  . . ..........................  42 1.1.2 Parteinahmen: Becketkonflikt, Gnadenverlust und Karriereende  ..................................................................................  52 1.2 Die schismabezogenen Schriften des Arnulf von Lisieux  .........................  64 1.2.1 Die Invectiva in Girardum Engolismensem Episcopum (1133)  ........  65 1.2.1.1 Entstehungsumstände, Charakter, Quellenwert  ...............  65 1.2.1.2 Invektivische Strategien  .........................................................  74 1.2.2 Die Eröffnungspredigt auf dem Konzil von Tours (1163)  ..............  100 1.2.2.1 Das Konzil von Tours: Ausrichtung und Zielsetzung  ...... 100 1.2.2.2 Die Konzilspredigt: Entstehung, Überlieferung, Gattungsmermale, Quellenwert  ........................................... 103 1.2.2.3 Grundappell: die Wiederherstellung  .................................. 111 1.2.2.4 Handlungsauftrag: Erwartungen an den Episkopat und die weltlichen Potentaten  .............................................. 117 1.3 Die Schismabriefe des Arnulf von Lisieux: Genese, Überlieferung, Quellenwert  .. ....................................................................................................  123 1.3.1 Charakter der Sammlung  . . ...................................................................  124 1.3.2 Überlieferung und Redaktionsstufen  ................................................  127 1.3.3 Quellenwert  ...........................................................................................  130 2. Johannes von Salisbury (1115/20 – 1180)  ........................................................  135 2.1 Johannes von Salisbury und die kirchlichen Krisen seiner Zeit  . . .............  135 2.1.1 Herkunft, Ausbildung und akademische Stationen  ........................  135 2.1.2 Weichenstellung: Johannes’ Dienst in Canterbury und das Zerwürfnis mit König Heinrich II.  .. ...................................  140

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Inhalt

2.1.3 Neue Aufgaben unter dem neuen Herrn: Johannes von Salisbury und der Becketdisput  .. ..........................................................................  149 2.1.4 Die Internationalisierung des Konflikts: Johannes’ Gang ins Exil und sein Verhältnis zu Thomas Becket  . . ..............................  159 2.1.5 Wendepunkte: die gescheiterte Versöhnung von Angers, der Becketmord und der Weg nach Chartres  ...................................  168 2.1.6 Werk und Überzeugungen: eine geistesgeschichtliche Einordnung  ............................................................................................  177 2.2 Die schismabezogenen Schriften des Johannes von Salisbury  .. ................  180 2.2.1 Werkschau: Entstehung und Ausrichtung der schismabezogenen Schriften  .. .......................................................  182 2.2.1.1 Ruhe vor dem Sturm: Entheticus maior, Policraticus und Metalogicon  ...................................................................... 183 2.2.1.2 Unter dem Eindruck der Kirchenspaltung: die Historia pontificalis  ........................................................... 189 2.2.2 Ideenschau: Vorstellungen und Begrifflichkeiten in den schismabezogenen Schriften  ...................................................  193 2.2.2.1 Kirche und Papsttum  ............................................................. 194 2.2.2.2 Das Verhältnis von regnum und sacerdotium  ..................... 204 2.2.2.3 Die organologische Staatsmetapher  .................................... 219 2.2.2.4 Die polikratische Tyrannenlehre  . . ........................................ 228 2.2.2.5 Die Schismentheorie: Begrifflichkeiten, Schismaverständnis, Handlungsempfehlungen  . . ............... 244 2.2.2.6 Geschichtsverständnis und historisches Exemplum bei Johannes von Salisbury  .................................................... 264 2.3 Die Schismabriefe des Johannes von Salisbury: Genese, Überlieferung, Quellenwert  ...........................................................  268 2.3.1 Die frühen Briefe (1153 – 1161)  .............................................................  270 2.3.1.1 Spezifika und Adressatenkreis  .............................................. 270 2.3.1.2 Quellenwert und handschriftliche Verbreitung  . . ............... 273 2.3.2 Die späteren Briefe (1163 – 1180)  .........................................................  275 2.3.2.1 Entstehung, inhaltliche Ausrichtung und Adressatenkreis  .. .............................................................. 276 2.3.2.2 Handschriftliche Überlieferung  ........................................... 279 2.3.2.3 Quellenwert und Tendenzen  ................................................ 287

Inhalt

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II. Orientierung und Obödienzwerbung: die Klärung der Papstfrage (1159 – 1160)  . . .........................................................................................................  291 1. Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten  . . .........  293 1.1 Von Rom nach London: frühe Reflexionen über päpstliche Doppelwahl und Kirchenspaltung  ...............................................................  294 1.1.1 Das Schisma als Gefahr: die Canterbury-Perspektive  .. ...................  294 1.1.2 Das Schisma als Übergangsphänomen: Arnulfs frühe Briefe an die alexandrinische Kurie  ...............................................................  301 1.1.3 Die calixtinischen Lateranfresken: Triumph päpstlichen Primats oder verbildlichter infelix exitus?  .........................................  308 1.1.4 Papst Innozenz II. als historisches Exemplum  .................................  324 1.1.5 Kuriale Reaktionen: Papst Alexanders III. Litteras a tua nobis  .. ...  333 1.2 Von London nach Beauvais: das Ringen um alexandrinische Obödienz im Königreich England  ...............................................................  340 1.2.1 Strategische Überzeugungsarbeit: Arnulfs London-Manifest Quanta tempestate und Johannes’ Pavia-Kommentar Angustiarum nostrarum  . . ................................................................................  342 1.2.2 Alte Ideen in neuem Gewand? Arnulfs Quam utilis apud principes  ...................................................................................................  362 2. Die Einordnung der staufischen Politik und das Bild Kaiser Friedrichs I. Barbarossa  ...........................................................................  385 2.1 Die kaiserliche Intervention im Schisma und der Hegemonialvorwurf  . . ...............................................................................  390 2.2 Der Kaiser zwischen furor und tyrannis  ......................................................  404 2.3 Die argumentative Dekonstruktion des ‚Schauspiels‘ von Pavia  . . ...........  423 3. Perspektiven auf die Schismapolitik König Heinrichs II. Plantagenêt  .....  453 3.1 Das Königreich England zwischen Informationsmangel und dem Ringen um königliche Positionierung  ........................................  456 3.2 Apologie und Argwohn: Reaktionen auf die dilatorische Schismapolitik Heinrichs II. Plantagenêt  ...................................................  474 3.3 Die offizielle Anerkennung Alexanders III. in Beauvais: machtpolitisches Druckmittel oder innenpolitische Notwendigkeit?  ....  483

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Inhalt

III. Appell und polemische Instrumentalisierung: das Schisma zur Zeit des Becketkonflikts (1164 – 1170)  .. .............................  499 1. Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten  ....................................................................  501 1.1 Vom schismatischen Anführer zum Häresiarchen: der Tod Viktors IV. und die Erhebung Paschalis’ III.  ...............................  502 1.2 Rainald von Dassel und die erzbischöfliche curia zu Köln: der kritische Blick des Johannes von Salisbury  .. .........................................  514 1.3 Pragmatische amicitia: die Korrespondenz mit Gerard Pucelle  ..............  531 1.4 Hoffen und Bangen: Reflexion und Instrumentalisierung der Entwicklungen in Oberitalien (1164 – 1170)  ........................................  557 1.5 Allgegenwärtig: das alexandrinische Schisma im Bewusstsein der englischen Bildungselite  ..........................................................................  583 2. Sichtweisen auf die Rollen Kaiser Friedrichs I. Barbarossa und höfischer Akteure  ..........................................................................................  600 2.1 Auctor scismatis: Handlungsautonomie und Urheberschaft in der Schismapolitik Friedrichs I.  .. ..............................................................  601 2.2 Teutonicus tyrannus: der Tyranneivorwurf im schismatischen Kontext  ............................................................................  611 2.3 Ex-Augustus: ein Kaiser ohne Kaiserwürde  .................................................  621 3. Sichtweisen auf die Rollen König Heinrichs II. Plantagenêt und höfischer Akteure  ..........................................................................................  640 3.1 Abhängigkeit und Abkehr: die Position Heinrichs II. von England im internationalen Beziehungsgeflecht und in der persönlichen Biographie des Johannes von Salisbury  .......................................................  642 3.2 Heinrich II. Plantagenêt als Tyrann: ethische und innenpolitische Wurzeln des Despotievorwurfs  .. ...................................................................  654 3.3 Heinrich II. Plantagenêt als Schismatiker: Aspekte und Entwicklung der Instrumentalisierung des alexandrinischen Schismas in der Königskritik  ..........................................................................................  661 3.3.1 Die Assoziation mit Friedrich I. Barbarossa  . . ...................................  661 3.3.2 Polemischer Dammbruch: Papst Alexanders Quanta mala und das königliche Geleitgesuch Diu desideravi  .............................  667

Inhalt

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3.3.3 Schismatisches Bündnis oder dynastischer Beistandspakt? Der Hoftag von Würzburg und die angevinisch-staufische Entente  . . ..................................................................................................  678 3.3.4 Heinrich II. Plantagenêt als gestaltender Faktor der Würzburger Eide?  ..........................................................................  707 3.3.5 Platz und Instrumentalisierung der angevinisch-staufischen Bündnispolitik und der Würzburger Vorwürfe im Kontext des Becketdisputs  ..................................................................................  712 3.4 Heinrich Plantagenêt als verleiteter König? Die Verantwortlichkeit von Herrscher, Episkopat und höfischen Handlungsträgern in der angevinischen Schismapolitik  .. ..........................................................  716 Resümee: Zwei Männer – eine Überzeugung – zwei Perspektiven  .. .................  747 Die wichtigsten Briefzeugnisse im chronologischen Überblick  .......................  773 Abkürzungen  .................................................................................................................  780 Quellen- und Literaturverzeichnis  . . .........................................................................  783 Register  ...........................................................................................................................  831 Verzeichnis der Personennamen  ...........................................................................  831 Verzeichnis der Ortsnamen  ...................................................................................  841 Verzeichnis wichtiger Briefe nach Incipit  ...........................................................  846

Vorwort Schon Johannes von Salisbury war sich bewusst, dass jede Errungenschaft immer auch das Ergebnis der Leistungen und Inspiration jener ist, die die Voraussetzungen dafür schafften.1 Dieser Weisheit schließe ich mich an, doch sind die ‚Riesen‘, die mich auf meinem Weg begleiteten – in den Augen des Johannes von Salisbury und Bernhard von Chartres die klassischen Autoritäten, auf deren Vorarbeit ihr eigenes intellektuelles Werk beruhte – vielgestaltig. An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater und Erstgutachter Harald Müller, der einer jungen, ihm noch unbekannten Studentin nicht nur das Tor zur wissenschaftlichen Arbeit, aber auch zu dem fast in Vergessenheit geratenen Bischof Arnulf von Lisieux und seiner Briefsammlung öffnete und somit den Grundstein zur Entfaltung meines Promotionsthemas legte. Seine fachliche Expertise und sein inspirierender Rat sorgten dafür, dass ich auch in schwierigen Zeiten niemals ohne Erkenntnisgewinn und Motivationsschub das Büro verließ. Mit mannigfaltiger Unterstützung als Betreuer sowie erfrischendem Pragmatismus und verständnisvoller Flexibilität als Vorgesetzter erleichterte er die Promotion mit Kindern erheblich. Ich freue mich sehr, meine Dissertation in der vorliegenden Reihe publizieren zu können, wofür ich ihm und Jochen Johrendt als Reihenherausgebern meine tiefe Dankbarkeit aussprechen möchte. Besonderer Dank gilt auch Florian Hartmann für seine Bereitschaft, trotz knapper Zeitressourcen das Zweitgutachten für eine Dissertation zu übernehmen, die es im Umfang durchaus mit dem Briefkorpus des Johannes von Salisbury aufnehmen konnte. Für alle konstruktiven Anmerkungen und Spezialhinweise zum Thema Epistolographie und darüber hinaus möchte ich mich ebenso bedanken wie für die vertrauensvolle Gelegenheit zur Präsentation meiner Arbeit auf internationaler Bühne, die er mir noch vor seiner Aachener Zeit ermöglichte. Vergessen werden soll auch nicht Max Kerner, der in seiner Lehre das ­Mittelalter in all seiner Farbenpracht zu malen wusste und mich auf die Spur eines gewissen gelehrten Angelsachsen lenkte, in dessen Geisteswelt ich mit Freude eingetaucht bin. Des Weiteren danke ich dem Team des Lehrstuhls für Mittlere Geschichte der RWTH Aachen. Darunter besonders meinen langjährigen KollegInnen Monika Gussone, die wann immer nötig kostbare Zeit, ein offenes Ohr, fachliche Hilfestellung 1 Ioannis Saresberiensis Metalogicon, ed. John Barrie Hall/Katharine Keats-Rohan, Turnhout 1991 (CC Cont. Med., 98), S. 116: Dicebat Bernardus Carnotensis nos esse quasi nanos gigantum umeris insidentes, ut possimus plura eis et remotiora videre, non utique proprii visus acumine, aut eminentia corporis, sed quia […] extollimur magnitudine gigantea.

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Vorwort

oder einen guten Tee für mich hatte, und Florian Esser, dessen Humor, Hilfsbereitschaft und Expertise stets eine Bereicherung darstellten. Besonderer Dank auch an Christian Schiffer für die freundliche Bereitstellung seiner Übersetzung der Invectiva und die ‚Arnulfschen‘ Fachgespräche im Arbeitsasyl seines Büros. Was für diese drei gilt, gilt nicht weniger für meine KollegInnen der alten wie neuen Generation, für Ingo Deloie, Kathrin Steinhauer-Tepütt, Anna Esser, Julia Exarchos, Julia Samp und Sunita Dzemaili. Ihr geteiltes Fachwissen, ihre konstruktive Kritik, Ideen und Anregungen haben ebenso wie ihre Kollegialität oder auch die ein oder andere organisatorische Schützenhilfe die vorliegende Studie bedeutend geformt und vorangebracht. Ich hatte das Glück, auf dem langen Weg, in Deutschland eine Studie zur K ­ irchenund Ideengeschichte des angevinischen Reiches zu verfassen, auf Weggefährten getroffen zu sein. Ich danke Lena Vosding und Isabelle Chwalka für den Austausch über das mittelalterliche Briefwesen und das England Heinrichs II. Plantagenêt sowie das ermutigende Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Vielen Dank auch an Alheydis Plassmann, Dominik Waßenhoven und Stefan Schustereder für die Initiierung und das Betreiben des ‚Forschungsportals Englisches Mittelalter und britische Inseln‘ als pragmatische Antwort auf meine Suche nach Vernetzungsmöglichkeiten in der Community mediävistisch orientierter Englandforscher in Deutschland. Mögen noch viele zukünftige Nachwuchswissenschaftler auf ihren Forschungstagen lernen und erkennen, dass sie nicht so allein sind, wie es scheinen mag. Bei Anne Duggan bedanke ich mich für die freundliche Bereitstellung des Textes eines ihrer im Juli 2015 auf dem International Medieval Congress in Leeds gehaltenen Vorträge. Das vorliegende, im Oktober 2020 abgeschlossene Werk stellt eine gestraffte, überarbeitete Fassung meiner 2018 von der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen angenommenen Dissertationsschrift dar. Nachträglich berücksichtigt wurde der nach Einreichen der Studie von Christophe Grellard und Frédérique Lachaud herausgegebene Tagungsband.2 Bedauerlicherweise nicht mehr berücksichtigt werden konnte Nicholas Vincents vielversprechende, Ende Dezember 2020 bei Oxford University Press erschienene, Neuedition der Briefe und Urkunden des Plantagenêt.3 Die Dissertationsschrift wurde maßgeblich unterstützt durch ein Promotionsstipendium der Bischöflichen Studienförderung des Cusanuswerks, das es neben der großzügigen ideellen und finanziellen Förderung meiner Arbeit und ­Kongressaufenthalte 2 Christophe Grellard/ Frédérique Lachaud (Hg.): Jean de Salisbury: nouvelles lectures, nouveau enjeux, Florenz 2018. 3 Nicolas Vincent (Hg.): The Letters & Charters of Henry II. King of England, 1154 – 1189, 6 Bde., Oxford 2020.

Vorwort

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verstand, besonders familienfreundliche Rahmenbedingungen für eine promovierende ­Mutter zu schaffen. Aufrichtigen Dank schulde ich ebenfalls Dorothee Rheker-­Wunsch und Julia Beenken vom Böhlau Verlag, die mich auch in Coronazeiten als kompetente Ansprechpartnerinnen durch den Publikationsprozess begleiteten. Diese Studie ist der vorläufige Höhepunkt meiner Reise auf den Schultern der ­Riesen, auf der mich nicht zuletzt das Interesse und die wertvolle Unterstützung meiner Eltern begleiteten. Ich kann nicht genug Dank dafür sagen, was sie im Lauf der Jahre beigetragen haben. Ebenso für den Rückhalt und Rückenwind meiner Freunde – mag einigen von ihnen das Wort „Obödienzwerbung“ auch auf ewig ein Rätsel bleiben. Widmen möchte ich diese Monographie meiner Familie, die mal bewusst, mal unbewusst immer im Hintergrund an deren Entstehung beteiligt war. Ich danke von ganzem Herzen meinem Mann, der ebenso geduldig wie tatkräftig den Kreis qua­ drierte, um diese Studie möglich zu machen, und unseren Kindern, die besser als alle anderen wissen, was es heißt, eine M ­ utter zu haben, die ein Buch schreibt, in dem es nicht einmal Bilder gibt. Ich freue mich auf den Tag, an dem sie es aufschlagen und verstehen werden. Aachen im März 2021, Isabel Blumenroth

Einleitung Als sich die Mehrheit der Briten am 23. Juni 2016 für einen Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union entschied, ließen sie Teile Kontinentaleuropas erschüttert zurück. Was nach Meinung vieler auf dem Festland zum Wohl der Staatengemeinschaft nicht hätte geschehen dürfen, war geschehen, und doch war der sogenannte Brexit nur sinnfälliger Ausdruck einer historischen Sonderposition Englands im europäischen Staatengefüge, die mitnichten ein isoliertes Phänomen der Gegenwartsgeschichte ist. Seit Jahrhunderten sind Geschichte, Wirtschaft und Gesellschaft des Inselkönigreichs auf so vielfältige Weise mit dem Kontinent verbunden, dass eine Separierung, so sehr sie auch dem ausgeprägten Wunsch Englands nach Autonomie und Selbstbestimmung entsprechen mochte, nicht nur im 21. Jahrhundert als bitter und schmerzlich erscheinen musste. Auch im 12. Jahrhundert ging die Angst vor einem englischen Sonderweg aus einem einheitsstiftenden Gefüge wie ein Gespenst auf beiden Seiten des mare britannicum um. Wie der europäische Gedanke lange als verbindendes Element ­zwischen Völkern wirkte, stiftete damals die Zugehörigkeit zur internationalen christlichen Glaubensgemeinschaft unter Führung des römischen Bischofs transnationale Verbundenheit. Wird heute vor dem Triumph des ‚unmöglichen Traums‘ der Ausstiegsbefürworter aus dem europäischen Staatenbund gebangt, fürchtete man acht Jahrhunderte zuvor den möglichen Alptraum eines Austritt des Königreichs England und der übrigen angevinischen Reichsteile aus der als ‚katholisch‘ betrachteten Anhängerschaft des vom Westen favorisierten Papstes Alexander III.4 Auslöser war die päpstliche Doppelwahl, die im September 1159 die Universalkirche in die Krise gerissen hatte und bei der sich der vormalige Kanzler der Kurie, Magister Rolandus, unter dem Papstnamen Alexander III. bei seinem Kampf um das höchste Bischofsamt in Viktor IV. einem Rivalen gegenübersah, der schon früh kaiserliche Unterstützung beanspruchte. Alexanders geistesgegenwärtige Bemühungen zur Gewinnung breiter Gefolgschaft konnten im Westen jedoch nicht fruchten, solange dessen politisches Schwergewicht, Heinrich II . Plantagenêt, König von England, seine Unentschlossenheit kultivierte. Die Parteinahme der englischen Landeskirche und ihres Herrschers war dabei keine individuelle landesinterne Entscheidung wie jede andere. Die Weite der unter angevinischer Herrschaft umspannten Territorien, die komplexe politische Beziehungslage ­zwischen deren Herrscher, dem Königreich 4 So Nigel Farage, damaliger Vorsitzender der europakritischen UK Independence Party: „The impossible dream is happening. Today we pass the point of no return.“ https://twitter.com/ Nigel_Farage/status/847017495286497280 (letzter Zugriff: 1. 3. 2021).

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Einleitung

Frankreich und dem Viktor IV . stützenden Heiligen Römischen Reich machten H ­ einrich II. und die von ihm in Fragen der Obödienzpolitik abhängige ecclesia Anglicana zu ausschlaggebenden Größen, zum Zünglein an der Waage. Bis zur öffentlichen angevinisch-kapetingischen Akzeptanz Alexanders III. auf der Synode von Beauvais im Sommer 1160 lag besonders vor dem englischen Königreich und seiner Landeskirche ein langer Weg der Unsicherheit. Nur fünf Jahre s­ päter, auf dem Würzburger Hoftag von 1165, musste man zudem mit ansehen, wie das Herrscherhaus der Plantagenêt eine außergewöhnliche dynastische Liaison mit K ­ aiser Friedrich I. und dem Welfenhaus einging, die den englischen Herrscher auf Dauer beunruhigend eng mit dem als schismatisch betrachteten staufischen Lager verband und damit die alexandrinische Obödienz erneut gefährdete. Gleichzeitig war die seit 1163 zutage tretende Trübung des Verhältnisses z­ wischen Heinrich von England und dem vormaligen Kronkanzler Thomas Becket, nun Primas der englischen K ­ irche, rasant vorangeschritten. Beckets überstürzte Flucht in den päpstlichen und kapetingischen Einflussbereich in Frankreich internationalisierte die Krise und verlieh der Obödienzfrage Heinrichs II., dem eine Verbindung mit dem Stauferreich und seinem päpstlichen Kandidaten gegen den kapetingischen Nachbarn nunmehr durchaus attraktiv erscheinen musste, eine völlig neue Dimension.

Forschungsstand, Quellenbasis, Desiderate Umso erstaunlicher ist das Versäumnis der bisherigen Forschung, das alexandrinische Schisma als eines der bedeutendsten der hochmittelalterlichen Papstschismen aus insularer Perspektive zu beleuchten. Stattdessen reduzierte sich die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen auf zwei Schwerpunktaspekte: 1. Die Untersuchung der ideologischen Ausgangspunkte der Antagonisten, Papst A ­ lexanders III. und K ­ aiser Friedrichs I. Barbarossa. Hier lag besonderes Augenmerk auf der Rezeption augustinischen und reformerisch-gregorianischen Gedankenguts durch das Papsttum 5 sowie auf der staufischen Reichs- und Herrschaftsideologie 6. 5 Vgl. Hans Karge (Hg.): Die Gesinnung und die Massnahmen Alexanders III. gegen Friedrich I. Barbarossa: Auf Grund der augustinisch-eschatologischen Anschauungen, Diss. phil. ErnstMoritz-Arndt-Universität, Greifswald 1914; Marcel Pacaut: Alexandre III. Geoffrey de Lèves, Bishop of Chartres, Paris 1956 (L’Église et l’État au moyen-âge, 11); John Thomas Gilchrist: Gregorian Reform Tradition and Pope Alexander III, in: ders. (Hg.): Canon Law in the Age of Reform, 11th – 12th centuries, Aldershot 1993 (Collected studies series, 406), S. 261 – 287. 6 Vgl. Gottfried Koch: Auf dem Wege zum Sacrum Imperium. Studien zur ideologischen Herrschaftsbegründung der deutschen Zentralgewalt im 11. und 12. Jahrhundert, Wien u. a. 1972

Forschungsstand, Quellenbasis, Desiderate

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2. Die politischen Konstellationen und Rahmenbedingungen des Konflikts. Dies beinhaltete ereignisgeschichtliche 7 und prosopographische 8 Grundlagenforschung sowie Einzelstudien zu außenpolitischen Beziehungen des Heiligen Römischen Reiches zu europäischen Mächten 9 oder den beiden Kontrahenten 10. Selbst ­Johannes Laudages breite Studie, die beide Forschungstraditionen um verfassungsrechtliche Perspektiven erweiterte, lieferte zwar wertvolle Revisionen bisheriger Forschungsergebnisse, berührte aber nicht die Frage nach der A ­ ußenwahrnehmung

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(Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, 20); Werner Grebe: Kaisertum und Papsttum in der Vorstellung und der Politik Friedrich Barbarossas und Rainalds von Dassel, in: JbKölnG 45 (1974), S. 1 – 14; Bernhard Töpfer: Reges provinciales. Ein Beitrag zur staufischen Reichsideologie unter K ­ aiser Friedrich I., in: ZfG 22 (1974), S. 1348 – 1358; Heinrich Appelt: Die Kaiseridee Friedrich Barbarossas, in: Gunther G. Wolf (Hg.): Friedrich Barbarossa, Darmstadt 1975 (Wege der Forschung, 390); Tilman Struve: Vorstellungen von ‚König‘ und ‚Reich‘ in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, in: Stefan Weinfurter (Hg.): Stauferreich im Wandel. Ordnungsvorstellungen und Politik in der Zeit Friedrich Barbarossas, Stuttgart 2002 (Mittelalter-Forschungen, 9). Vgl. Moritz Meyer (Hg.): Die Wahl Alexander III. und Victor IV. (1159). Ein Beitrag zur Geschichte der Kirchenspaltung unter ­Kaiser Friedrich I., Diss. phil. Georg-August-Universität, Göttingen 1871; Paolo Brezzi: Lo scisma inter regnum et sacerdotium al tempo di Federico Barbarossa, in: Archivio della Società Romana di storia patria 63 (1940), S. 1 – 98. Vgl. Willibald Madertoner: Die zwiespältige Papstwahl des Jahres 1159, Wien 1978 (Dissertationen der Universität Wien, 136). Vgl. Timothy Alan Reuter (Hg.): The Papal Schism, the Empire and the West, 1159 – 1169, Diss. phil. Merton College, Oxford 1975; Wolfgang Georgi: Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte. Studien zur Außenpolitik 1159 – 1180, Frankfurt, M. 1990 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, 442). Exemplarisch zu Papst Alexander III. siehe Hermann Reuter: Geschichte Alexanders des Dritten und der K ­ irche seiner Zeit. 1, Leipzig 21860; Marshall W. Baldwin: Alexander III and the Twelfth Century, Glen Rock, NJ 1969 (The Popes Through History, 3); Paolo Brezzi: Ritratto di Alessandro III., in: Popolo e stato in Italia nell’età di Federico Barbarossa. A ­ lessandria e la Lega Lombarda, Relazioni e comunicazioni al XXXIII Congresso Storico Subalpino per la celebrazione dell’ 8 Centenario della Fondazione di Alessandria; ottobre 1968, Turin 1970, S. 179 – 193. Zu Friedrich I. Barbarossa: Karl Jordan: Friedrich ­Barbarossa. K ­ aiser des christlichen Abendlandes, Göttingen 21967 (Persönlichkeit und Geschichte, 13); Peter Munz: ­Frederick Barbarossa a Study in Medieval Politics, Ithaca 1969; Heinrich Appelt: ­Friedrich Barbarossa (1152 – 1190), in: Helmut Beumann (Hg.): Kaisergestalten des Mittelalters, München 1984, S. 177 – 198; Alfred Haverkamp (Hg.): Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers, Erträge der beiden internationalen Arbeitstagungen vom Herbst 1989 und Frühjahr 1990, Sigmaringen 1992 (VuF, 40); Odilo Engels: Die Staufer, Stuttgart 71998 (Urban-Taschenbücher, 154); Ferdinand Opll: ­Friedrich Barbarossa, Darmstadt 42009; Johannes Laudage: Friedrich Barbarossa (1152 – 1190). Eine Biographie, hg. v. Lars Hageneier und Matthias Schrör, Regensburg 2009.

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Einleitung

des Schismas.11 Obgleich das alexandrinische Schisma als ein europäisches Phänomen reflektiert wurde, in dem beide Parteien zwangsläufig unter Einbezug der Westmächte Frankreich und England um die Durchsetzung politischer und ideologischer Ansprüche kämpften, wurde kein Versuch unternommen, die Wahrnehmungsgeschichte dieser kirchenrechtlichen Ausnahmesituation außerhalb der deutschen und oberitalischen Reichsterritorien zu beleuchten. Ohne eine s­ olche jedoch ist in Anbetracht der damaligen Schlüsselrolle des angevinischen Reiches kein ganzheitliches Bild ­dieses bedeutenden Ereignisses zu gewinnen.12 Dass die deutsche Forschung, die den Blick bevorzugt nach Frankreich oder Italien richtete, die englische und anglonormannische Landesgeschichte der englischsprachigen Forschungslandschaft überließ, ist dabei kein Problem gewachsener nationaler Interessensbeschränkungen. Für einzelne Randthemen wie die Erforschung des Becketkonflikts zutreffend, zeigte sich – ausgenommen Timothy Reuters herausragende Oxforder Dissertation, die bezeichnenderweise jedoch nie eine monographische Publikation erfuhr 13 – in der Schismaforschung auch außerhalb Deutschlands kein weiter geartetes Interesse an Fragen der anglonormannischen Thematik. Selbst die Standardbiographie Heinrichs II. widmete der Haltung des Plantagenêt in der Schismafrage nicht eine einzige Seite.14 Mögliche Erklärungen liegen in der überbordenden Dominanz des Becketdisputs, der aufgrund seiner historischen Bedeutung und der qualitativ und quantitativ außergewöhnlich guten Quellenlage nicht nur bei Warren seit Jahrzehnten die Beschäftigung mit der angevinischen Kirchenpolitik der 1160er Jahre beherrscht und zu dem Trugschluss verleitet, die englische Öffentlichkeit habe das Schisma im Gegensatz zum Becketstreit als für die eigenen Lebenswege irrelevante, imperiale Problemlage betrachtet und daher nicht in ihr kollektives Gedächtnis eingeschlossen.15 Nach einem ähnlichen Befund für die historiographischen Zeugnisse kommt Hanna Vollrath für die Briefquellen daher zu folgendem Schluss: 11 Vgl. Johannes Laudage: Alexander III. und Friedrich Barbarossa, Köln 1997 (Forschungen zur ­Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii, 16). 12 Die italienische Reaktion auf die Vorkommnisse untersucht Kai M. Sprenger: Zwischen den Stühlen. Studien zur Wahrnehmung des Alexandrinischen Schismas in Reichsitalien (1159 – 1177), Berlin 2012 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, 125). Ansätze einer Betrachtung der englischen Quellenlage für das spezifische Beispiel des Würzburger Hoftags liefert Hanna Vollrath: Lüge oder Fälschung? Die Überlieferung von Barbarossas Hoftag zu Würzburg im Jahr 1165 und der Becket-Streit, in: Weinfurter: Stauferreich. 13 Vgl. Reuter: Schism. 14 Vgl. Wilfred Lewis Warren: Henry II, New Haven/London 2000 (Yale English Monarchs). 15 Vgl. Vollrath: Lüge.

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„Einen Blick auf andere Zeitgenossen als die Geschichtsschreiber erlaubt die Briefsammlung des Gilbert Foliot. Sie zeigt […], daß der Routinebetrieb vor allem in Form von Appellationen an den Papst jenseits von Schisma und Becket-Streit weiterlief und daß Alexander III. auch in großer Selbstverständlichkeit kirchliche Sanktionen ankündigte bzw. verhängte. Person und Handlungen des Gilbert Foliot sind vielleicht das beste Beispiel dafür, daß England vom Becket-Streit erschüttert und daß das Schisma kaum wahrgenommen wurde. […] Man kann den Gesamttenor der englischen Quellen so zusammenfassen: die Papstfrage war 1160 ein für allemal entschieden worden. Alexander war der rechtmäßige Papst. Wenn Barbarossa und die Seinen einen anderen Papst hatten, dann war das ihr Problem.“ 16

Nach der Akzeptanz Alexanders III. als legitimem Papst im Sommer 1160 blendete die akademische Forschungstradition weitgehend die anglonormannische Obödienzfrage aus. Abgesehen von der Detaildiskussion zur potenziell kirchenpolitischen Natur der durch englische Gesandte in Würzburg abgelegten Eide, wurde nie hinterfragt, wie Heinrichs offensive Annäherung in Gestalt der Ehebündnisse von 1165 an das gegenpäpstliche Lager aufgenommen wurde. Die Berücksichtigung des Königreichs England in der Schismengeschichte endete schlichtweg bei der Identifizierung Heinrichs II. Plantagenêt als eines wichtigen politischen Akteurs mit starker Eigenmotivation. Die reiche Geistes- und Ideengeschichte der anglonormannischen Bildungselite, die direkt in die Auseinandersetzung einbezogen war und deren Verlauf auf Basis komplexer theoretischer Deutungsmuster interpretierte, blieb unbeachtet. Hier will die vorliegende Untersuchung Abhilfe schaffen. Für die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts ist die Quellenlage im englischen Königreich so gut, dass es verwundern muss, dass dieser Grundstock noch nicht für die Schismaforschung erschlossen wurde. Neben der reichhaltigen historiographischen Überlieferung aus dem höfischen wie monastischen Bereich stehen die Vielzahl der Becketviten sowie die Urkunden und Briefsammlungen wichtiger Protagonisten wie Gilbert Foliot oder Thomas Becket zur Verfügung. Trotz der enormen Qualität und Bandbreite potenzieller Quellen verlangt der ideengeschichtliche Zuschnitt dieser Untersuchung die Beschränkung auf eine spezifische Art von Zeitzeugnissen. Die Quellengattungen der Historiographie und Hagiographie wurden stärker als die zeitnahe Epistolographie einer literarischen Überarbeitung unterzogen. Dass sie mit einem beträchtlichen zeitlichen Abstand und einem spezifischen Grundwissen (i. e. die skandalöse Ermordung Thomas Beckets am 29. Dezember 1170) verfasst wurden, das sich zwangsläufig auf die Sicht der Zurückblickenden auswirken musste, beraubt sie hinsichtlich ihrer Aussagen zum Schisma 16 Ebd., S. 160.

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ihrer Neutralität und Unmittelbarkeit. Zur Erforschung der entsprechenden Vorgänge und Entwicklungen im England der endenden 1150er und der 1160er Jahre oder der Ansichten der Zeitgenossen darüber ist ein Blick in die meist Jahre oder Jahrzehnte ­später verfassten Annalen, Chroniken oder hagiographischen Becketviten daher trotz ihrer Qualität zwar erhellend, aber weder tagespolitisch noch perspektivisch individuell genug. Die Epistolographie hingegen bietet sich für eine ideengeschichtliche Fragestellung an, da Briefe bereits von Wesen und Abfassungsintention her ein deutlich kommunikativeres, direkteres Erkenntnismittel sind. Man sollte sich dabei nicht von einem modernen Begriff der Briefkommunikation dazu verleiten lassen, die mittelalter­ lichen epistolae als ein Dokument freien Gedankenflusses zu betrachten. Die Briefstillehre (ars dictaminis) war eine Disziplin, die erlernt werden musste und verstärkt seit dem 12. Jahrhundert auch im universitären Bereich gelehrt wurde. Sie bestand aus strengen Vorgaben, Versatzstücken und Musterformeln des eleganten Briefstils, die der geschickte Verfasser beachten, variieren und mit seiner Botschaft in Einklang zu bringen vermochte. Nicht selten erschließt die Einhaltung oder Variation dieser Regeln der Briefkunst, etwa zum adressatenbezogenen Stil oder mustergültigen Aufbau eines Briefes, ganze Deutungsdimensionen eines Stückes. Ebenso gilt es, den öffentlichen Charakter des Briefes in der mittelalterlichen Welt zu beachten. Vom Entwurf bis zu Diktat, Niederschrift oder Versendung durchlief ein solches Dokument mehrere Bearbeitungsstufen und damit nicht selten auch mehrere Hände. Dies konnte soweit führen, dass ein unter dem Namen eines Absenders versendeter Brief in Wirklichkeit das Produkt einer größeren Interessensgruppe war.17 Da der Zustellungsprozess durch bekannte, fremde oder auch professionelle Boten ein reines Vabanquespiel war, schlug sich die Angst des Absenders vor dem Verlust eines Briefes in die Hände unbefugter Dritter oft in vagen oder mehrdeutigen Formulierungen nieder.18 17 Vgl. Anne J. Duggan: Authorship and Authenticity in the Becket Correspondence, in: B ­ rigitte Merta u. a. (Hg.): Vom Nutzen des Edierens. Akten des Internationalen Kongresses zum 150-jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Wien, 3. – 5. Juni 2004, Wien 2005 (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband, 47), S. 25 – 44. Nachdruck in: Dies. (Hg.): Thomas Becket. Friends, Networks, Texts and Cult, Aldershot 2007b (Variorum Collected Studies Series, 877), S. 25 – 44. 18 Einführend zum mittelalterlichen Briefwesen und seiner Stillehre: Giles Constable: Letters and Letter-Collections, Turnhout 1976 (Typologie des sources du moyen âge occidental, 17) bzw. Martin Camargo: Ars dictaminis – ars dictandi, Turnhout 1991 (Typologie des sources du moyen âge occidental, 60). Kritisch zum Öffentlichkeitsbegriff: Rolf Köhn: Dimensionen und Funktionen des Öffentlichen und Privaten in der mittelalterlichen Korrespondenz, in:

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Obwohl oder gerade weil Briefsammlungen gern stilisiert und überarbeitet wurden, um ein bestimmtes Bild des Epistolographen und seines Engagements zu vermitteln, können sie, besonders wenn Verfasser und Redakteur dieselbe Person waren, einen besonderen Zugang zu dessen Persönlichkeit bieten.19 Solange der Schlüssel zu ihrem Charakter vorliegt, ist der Schatz ihrer Erkenntnisse, sei es in ereignis- oder ideengeschichtlicher Hinsicht, mit Gewinn zu heben. Voraussetzung ist eine tragfähige Quellengrundlage. Sie verlangt herausragend informierte, in die ersten Konfliktreihen involvierte Gewährsmänner, die beredtes Zeugnis vom Auf und Ab des entscheidenden Jahrzehnts von 1159 – 1170 geben können. Eine optimale Quellenbasis sollte die Perspektiven der insularen wie kontinentalen Teile des angevinischen Reiches geographisch abbilden. Ihre Verfasser sollten in Generationszugehörigkeit, Herkunft und Sozialisation differieren. Nur ein solcher kontrastiver Zuschnitt kann gewährleisten, dass durch den Einbezug verschiedener, sich ergänzender Sichtweisen ein umfassend differenziertes Bild erlangt wird. Es ist ein Glücksfall der Überlieferungsgeschichte, dass die Briefkorpora des Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury diese Idealanordnung für die Schismathematik der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts passgenau mit Leben füllen können. Beide Verfasser teilen das Bekenntnis zur Universalkirche unter dem Supre­mat des Papsttums und eine bedingungslose Anhängerschaft zu ­Alexander III . und sind Augenzeugen der Auswirkungen des Schismas auf das angevinische Reich und die ecclesia Anglicana. Ebenso waren beide in den von 1164 – 1170 England beherrschenden Becketkonflikt involviert, der in beziehungsweise in den die kirchliche Krise direkt hineinwirkte und somit ebenfalls Teil der englischen Reflexion sein muss. Obgleich sie derselben akademischen Sozialisierung in den Pariser Bildungsschmieden und demselben klerikalen Milieu entstammen, repräsentieren beide Männer mit ihren unterschiedlichen Biographien und Affinitäten zu den handelnden Akteuren gesellschaftliche und ideengeschichtliche Pole der damaligen Bildungselite. Gert Melville/Peter von Moos (Hg.): Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, Köln 1998 (Norm und Struktur, 10), S. 309 – 358. Zum Botenwesen: Horst Wenzel/Peter Göhler (Hg.): Gespräche – Boten – Briefe. Körpergedächtnis und Schriftgedächtnis im Mittelalter, Berlin 1997 (Philologische Studien und Quellen, 143). 19 Quellenkritische Betrachtungen bei Rolf Köhn: Autobiographie und Selbststilisierung in Briefsammlungen des lateinischen Mittelalters: Petrus von Blois und Francesco Petrarca, in: Johannes Adrianus Aertsen/Andreas Speer (Hg.): Individuum und Individualität im Mittelalter, Berlin 1996 (Miscellanea mediaevalia, 24), S. 683 – 703; Ders.: Zur Quellenkritik kopial überlieferter Korrespondenz im lateinischen Mittelalter, zumal in Briefsammlungen, in: MIÖG 101 (1993), S. 284 – 310.

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Arnulf von Lisieux, Spross aus altem normannischem Adel und ein früh für den hohen Kirchendienst bestimmter Diplomat, den Ehrgeiz und Stolz in einer steilen Karriere zu prominenter Position an den westlichen Königshöfen führten, repräsentiert eine Haltung, die aus der geographischen Verankerung auf dem normannischen Teil des Kontinents erwuchs und zugleich die Universalkirche im Blick hatte. Aufgrund seiner institutionellen Bindung an den Hof der Plantagenêts und seiner juristischen Vorbildung ließ er neben der kirchlich-moralischen Perspektive auch die diplomatischen und politischen Zwänge des Königs nicht außer Acht. Ihm gegenüber steht der aus einfacheren Verhältnissen stammende Angelsachse Johannes von Salisbury, ein brillanter Staatsdenker und hochvernetzter Kosmo­polit, der dank seiner hervorragenden Bildung in Canterbury bis in die engsten Zirkel zweier Erzbischöfe aufstieg.20 Durch ein wechselvolles Leben ­zwischen Kurie und englischem Primatialsitz unfreiwillig mitten ins Zentrum der großen kirchlichen Auseinandersetzung seines Jahrhunderts katapultiert, konzentrierte sich der gelehrte Freigeist auf eine pragmatisch-moralistisch ausgerichtete Deutung des Konfliktes, in der er die aktuellen Ereignisse zeitnah in größere ideologische Zusammenhänge bringt und daraus praktische Handlungsaufforderungen entwickelt. Dass beide beredte Zeugnisse hinterlassen haben, die Auskunft über die englische Sicht des alexandrinischen Schismas geben können, ist ein großer Schatz für die Geschichtswissenschaft, denn man begegnet der Kirchenspaltung darin von der Warte zweier Persönlichkeiten aus, die zwar gleichermaßen formativ zu wirken suchten und ihren Platz in den Geschehnissen beanspruchten, doch aus der Verschiedenheit ihres Charakters und ihrer Lebenserfahrung spezifische Ansichten entwickelten. Bezüglich des schismarelevanten Gedankenguts beider Männer klaffen manifeste Forschungslücken. Insbesondere Arnulf von Lisieux spielt sowohl in der deutschen und französischen als auch in der englischen Forschung kaum eine Rolle. Abgesehen von kleineren Spezialstudien zu bestimmten Etappen seiner Biographie 21 oder 20 Die Bedeutung des Einflusses des Johannes von Salisbury auf die politische T ­ heorie und Geistes­geschichte des hohen Mittelalters ist beachtlich. Carl Schaarschmidt: Johannes Saresberiensis nach Leben und Studien, Schriften und Philosophie, Leipzig 1862, S. 3 bezeichnet Johannes als „geistige[n] Ausdruck seines Zeitalters“. Cary J. Nederman: John of Salisbury, Tempe, AZ 2005 (Medieval and Renaissance Texts and Studies, 288), S. 1 resümierte: „John of Salisbury has earned a considerable and well-deserved reputation as an original thinker as well as an observant witness to the vast intellectual and cultural changes that engulfed twelfthcentury Europe.“ 21 Vgl. Gunnar Teske: Ein unerkanntes Zeugnis zum Sturz des Bischofs Arnulf von Lisieux? Ein Vorschlag zur Diskussion (mit Edition), in: Francia 16, 1 (1989), S. 185 – 206; Christophe

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S­ treiflichtern auf seine Funktion als mächtiger normannischer Bischof und einflussreiches Mitglied des englischen Königshofs 22 widmet sich seiner Person nur eine einzige Monographie 23. Auf Basis brieflicher und diplomatischer Zeugnisse beleuchtet sie das Leben des Normannenbischofs. Leitthema ist dabei die Frage nach der Genese des Arnulf eigenen Glaubens- und Wertegerüsts und dessen Scheitern am damaligen politischen Wandel. Die prägende Thematik des alexandrinischen Schismas jedoch erfährt durch Kürze und allgemeinen Charakter der Ausführungen nur unzureichende Behandlung. Die kirchenpolitischen Einstellungen des Arnulf von Lisieux zu den von ihm erlebten Kirchenspaltungen von 1130 und 1159, die sich in seinen Briefen, einem invektivischen Schismatraktat und der Eröffnungspredigt des Konzils von Tours manifestieren, sind ebenso wie deren Verknüpfung mit seinen Aussagen zu Gestalt und Verlauf des alexandrinischen Schismas kaum untersucht. Den reichen Fundus der Arnulfbriefe mit ihrer Schlüsselrolle in der Klärung der Obödienzfrage hat die historische Forschung über Barlows und Schribers Editionen hinaus noch nicht syste­ matisch nutzbar gemacht.24 Im Gegensatz zu seinem normannischen Zeitgenossen hat Johannes von Salisbury, zu dessen Leben und Briefsammlung hervorragende Studien und Editionen vorliegen, breite akademische Aufmerksamkeit erfahren.25 In der politischen Geistesgeschichte

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Maneuvrier: Un acte oublié de Henry II Plantagenêt pour l’évêché de Lisieux, confirmé par Richard Coeur de Lion, in: Bulletin de la Société Historique de Lisieux 40 (1997), S. 12 – 16; Timothy Alan Reuter: A List of Bishops Attending the Council of Tours 1163, in: AHC 8 (1976), S. 116 – 125. Vgl. John Lally: The Court and Household of King Henry II, 1154 – 1189, Liverpool 1969; Nicholas Vincent: Les Normands de l’entourage d’Henri II Plantagenêt, in: Pierre Bouet (Hg.): La Normandie et l’Angleterre au Moyen Âge. Colloque de Cerisy-la-Salle (4 – 7 octobre 2001), Caen 2003, S. 75 – 88; Jörg Peltzer: Henry II and the Norman Bishops, in: EHR 119, 484 (2004), S. 1202 – 1229 und Jörg Peltzer: Les évêques de l’empire Plantagenêt et les rois angevins: un tour d’horizon, in: Martin Aurell/Noël-Yves Tonnerre (Hg.): Plantagenêts et Capétiens. Confrontations et héritages, Turnhout 2006 (Histoires de famille, 4), S. 461 – 484. Carolyn Poling Schriber: The dilemma of Arnulf of Lisieux. New Ideas Versus old Ideals, Bloomington 1990. The Letters of Arnulf of Lisieux, ed. Frank Barlow, London 1939 (Camden Third Series, 61); The Letter Collections of Arnulf of Lisieux, ed. Carolyn Poling Schriber, Lewiston, NY 1997 (Texts and Studies in Religion, 72). Vgl. Heinrich Hohenleutner (Hg.): Studien zur Briefsammlung und zur Kirchenpolitik des Johannes von Salisbury, Diss. phil. Ludwig-Maximilians-Universität, München 1953; Heinrich Hohenleutner: Johannes von Salisbury in der Literatur der letzten zehn Jahre, in: HJb 77 (1958), S. 493 – 500; Klaus Guth: Johannes von Salisbury (1115/20 – 1180). Studien

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haben besonders seine Kirchentheorie 26 und die in seiner staatstheoretischen Schrift, dem Policraticus, entfalteten Ideen 27 eingehende Beachtung gefunden. Seine Fürstenund Tyrannenlehre 28 sowie seine Auffassung des Staatswesens als organologisches System 29 wurden intensiv erforscht. Jüngst sorgte ein wiedererwachtes Interesse an der lange brachliegenden Thematik saresberiensischen Gedankenguts für neue Impulse. Besonders hervorzuheben sind Christophe Grellard und Frédérique Lachaud, die mit der Publikation des ersten Handbuches zu Leben und Werk des Johannes von Salisbury 30 sowie ihrer Veröffentlichung zu einer interdisziplinären Metzer Vorlesungsreihe und einem zur ­Kirchen-, Kultur- u. Sozialgeschichte Westeuropas im 12. Jahrhundert, St. Ottilien 1978 (Münchener theologische Studien, 20); The Letters of John of Salisbury. The Later L ­ etters (1163 – 1180), ed. William J. Millor/Christopher Nugent Lawrence Brooke, Oxford 1979 (OMT); The Letters of John of Salisbury. The Early Letters (1153 – 1161), ed. William J. Millor u. a., Oxford 1986 (OMT). Für den Überblick siehe Nederman: John. 26 Besonders: Georg Miczka: Das Bild der K ­ irche bei Johannes von Salisbury, Bonn 1970 (Bonner historische Forschungen, 34). 27 Exemplarisch: Hans Liebeschütz: Chartres und Bologna. Naturbegriff und Staatsidee bei Johannes von Salisbury, in: AKG 50 (1968), S. 3 – 32; Max Kerner: Johannes von Salisbury und die logische Struktur seines Policraticus, Wiesbaden 1977; Cary J. Nederman/Catherine Campbell: Priests, Kings, and Tyrants: Spiritual and Political Power in John of Salisbury’s Policraticus, in: Speculum 66, 3 (1991), S. 572 – 590; Cary J. Nederman: The Physiological Significance of the Organic Metaphor in John of Salisbury’s Policraticus, in: History of Political Thought 8, 2 (1987), S. 211 – 223. 28 Vgl. Richard Hunter Rouse/Mary A. Rouse: John of Salisbury and the Doctrine of Tyrannicide, in: Speculum 42, 4 (1967), S. 693 – 709; Jan van Laarhoven: Thou Shalt NOT Slay a Tyrant! The So-Called Theory of John of Salisbury, in: Michael Wilks (Hg.): The World of John of Salisbury, Oxford 1984 (Studies in Church History Subsidia, 3), S. 319 – 341; Kate Langdon Forhan: Salisburian Stakes. The Uses of Tyranny in John of Salisbury’s Policraticus, in: History of Political Thought 11, 3 (1990), S. 397 – 407; Cary J. Nederman: The Changing Face of Tyranny: The Reign of King Stephen in John of Salisbury’s Political Thought, in: Nottingham Medieval Studies 33 (1989), S. 1 – 20; Nicolas de Araujo: Le prince comme ministre de Dieu sur terre. La définition du prince chez Jean de Salisbury (Policraticus, IV,1), in: Le Moyen Âge 112 (2006), S. 63 – 74. 29 Vgl. Allen M. Bass: The Metaphor of the Human Body in the Political Theory of John of Salisbury. Context and Innovation, in: Bernhard Debatin u. a. (Hg.): Metaphor and Rational Discourse, Tübingen 1997, S. 201 – 213; Tilman Struve: Vita civilis naturam imitetur. Der Gedanke der Nachahmung der Natur als Grundlage der organologischen Staatskonzeption Johannes’ von Salisbury, in: HJ 101 (1981), S. 341 – 361; Tilman Struve: The Importance of the Organism in the Political Theory of John of Salisbury, in: Wilks: World, S. 303 – 317. 30 Christophe Grellard; Frédérique Lachaud (Hg.): A Companion to John of Salisbury, Leiden 2014 (Brill’s Companions to the Christian Tradition, 57).

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­Kolloquium  31 der (religions)politischen Ideengeschichte des berühmten Angelsachsen nachspüren. Eine weitere unüberwindbare Größe in der aktuellen Erforschung des Johannes von Salisbury ist der amerikanische Politologe Cary Nederman, dessen Arbeiten zu polit-philosophischen Grundlagen und Teilaspekten wie der Tyrannenlehre seit Jahrzehnten mit erfrischend neuem Fokus dessen Gedankenwelt sezieren. Als einer der ersten Forscher überhaupt widmete er sich en détail der Lehre von den Priestertyrannen. Trotz ihrer im Vergleich zur deutschen Forschung großen Progressivität konzentrieren sich auch die französische und amerikanische Wissenschaft auf den Policraticus, ohne die Briefsammlungen als eigenständige Quelle zu würdigen. Das umfangreiche Briefkorpus diente bis dato lediglich als Steinbruch zur ereignis­ geschichtlichen Erforschung des Becketkonflikts oder höchstens der politischen Beziehungen ­zwischen dem englischen Königreich und dem Heiligen Römischen Reich in Zeiten des Schismas, ohne in seiner enormen ideengeschichtlichen Bedeutung als Ausdruck zeitgenössischer Reaktionen auf die kirchliche Tagespolitik wahrgenommen zu werden. Johannes von Salisbury gilt zwar als einer der historischen Gewährsmänner der Kirchenspaltung von 1159, doch wurde bisher nicht erkannt, dass er für deren Reflexion in seinen Briefen auf seine christlich fundierte Staatstheorie zurückgriff. Dass die bisherige Forschung nicht zuletzt aufgrund ihres breit angelegten, überblickfokussierten Zugangs diesen Sachverhalt verkannte, zeigt etwa Franz Böhms Analyse des insularen Barbarossabildes in Epistolographie und Geschichtsschreibung, die, obwohl er das Tyrannenmotiv durchaus erkennt, rein deklarativ und theoretisch unfundiert bleibt. Ähnlich führt Odilo Engels den Vorwurf der Weltherrschaftsambition an den römischen ­Kaiser nur mechanisch auf das Vorbild des Liber pontificalis zurück und degradiert damit einen großen Geist wie Johannes von Salisbury zum Kopisten, ohne die Verwurzelung seiner Deutungsmuster in seiner gewachsenen politischen ­Theorie zu verankern.32 Es bleibt zu konstatieren, dass

31 Beiträge der Tagung vom 1. – 3. Oktober 2015 ediert in Christophe Grellard /Frédérique Lachaud (Hg.): Jean de Salisbury: nouvelles lectures, nouveau enjeux, Florenz 2018. Internetpräsenz: Atelier Jean de Salisbury. Recherches interdisciplinaires sur l’oeuvre de Jean de Salisbury, http://Policraticus.hypotheses.org/ (letzter Zugriff: 1. 3. 2021). Dort auch eine empfehlenswerte, Johannes von Salisbury gewidmete Bibliographie zum Download. 32 Vgl. Franz Böhm: Das Bild Friedrich Barbarossas und seines Kaisertums in den ausländischen Quellen seiner Zeit, Berlin/Breslau 1936 (Historische Studien, 289) bzw. Odilo Engels: ­Friedrich Barbarossa im Urteil seiner Zeitgenossen, in: ders. u. a. (Hg.): Stauferstudien. Beiträge zur Geschichte der Staufer im 12. Jahrhundert, Sigmaringen 1988, S. 225 – 245.

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Einleitung „little effort has been made among recent scholars to explore in detail John’s multicompetent mind by examining the connections between his abstract philosophical speculations, on the one hand, and his more documentary activities as correspondent and chronicler, on the other. In particular, we seldom hear asked (let alone answered) the question of how (or whether) John’s theoretical insights are brought to bear in his analyses of contemporary political occurrences and personalities.“ 33

An genau d ­ iesem Schnittpunkt z­ wischen Akteuren, Ideen-, Wahrnehmungs- und Ereignisgeschichte setzt die vorliegende Arbeit an, indem sie zwei Quellenkorpora großer perspektivischer Grundvarianz zusammenbringt: „Arnoul en est un des auteurs les plus ‚normaux‘, on pourrait même dire banals: cette normalité est ce qui fait ici son intérêt, notamment par contraste avec les collections épistolaires de Thomas Becket et de Jean de Salisbury, qui à des titres différents, sont exceptionnelles et hors normes.“ 34

Entkleidet vom mitklingenden Werturteil ­zwischen dem reaktionären normannischen Karrieristen und dem gefeierten angelsächsischen Gelehrten, ist Barraus Aussage über die Verwendung der Bibel bei Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury mühelos auf die Briefkorpora beider Männer übertragbar. Durch die enge Verzahnung der Wahrnehmungshorizonte dieser Zeitzeugen können die Perzeptionsfilter und Deutungsrahmen herausgearbeitet werden, ­welche die beiden Männer den tagespolitischen Begebenheiten auflegten. Erkenntnisse können allerdings nicht auf den Briefquellen allein fußen. Beide Epistolographen bauten auf Schriften aus der eigenen Feder auf, die Auskunft über ihre individuellen kirchenpolitischen Positionen geben und somit ihre Ideen und Perspektive auf die laufende Kirchenspaltung beeinflussten. Ein Abgleich dieser ideologischen Grundlage mit dem Befund der Briefe deckt Weiterentwicklungen oder Verfestigungen von Parallelen in den Vorstellungen des spezifischen Autors auf. Grundlage eines solchen Abgleichs sind im Fall des Arnulf von Lisieux sein aus dem Schisma von 1130 stammendes Erstlingswerk, die gegen Anaklet II. und dessen Unterstützer Girald von Angoulême polemisierende, in den MGH edierte Invectiva in Girardum Engolismensem von 1133 und seine bedauerlicherweise immer noch 33 Cary J. Nederman: Aristotelian Ethics and John of Salisbury’s Letters, in: Viator 18 (1987), S. 161 – 173, hier: S. 161. Nachdruck in: ders. (Hg.): Medieval Aristotelianism and its Limits. Classical Traditions in Moral and Political Philosophy, 12th – 15th Centuries, Aldershot 1997 (Collected Studies Series, 565), S. 161 – 173. 34 Julie Barrau: Bible, lettres et politique. L’écriture au service des hommes à l’époque de ­Thomas Becket, Paris 2013 (Bibliothèque d’histoire médiévale, 8), S. 132.

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nicht fachgerecht edierte, 1163 auf dem alexandrinischen Konzil von Tours gehaltene Eröffnungspredigt.35 Die Ideenwelt des Johannes von Salisbury formten besonders Tyrannenlehre und Philosophenideal des Policraticus und die in seiner Historia pontificalis niedergelegte Vorstellung vom Papsttum. Entheticus maior und Metalogicon wurden ergänzend zur Erhellung einzelner Detailfragen herangezogen.36 Bilden diese Werke der 1130er bis 1160er Jahre die ideologischen Grundlagen der beiden Protagonisten ab, ergibt sich deren eigentliche Schismareflexion letztlich am unmittelbarsten aus den Briefzeugnissen, die, an Entscheidungsträger, Gleichgesinnte, Freunde und potenzielle Unterstützer gerichtet, in direkter Auseinandersetzung mit aktuellen Problemlagen entstanden und darauf abzielten, zu polemisieren, mobilisieren oder informieren. Seit dem Investiturstreit waren Briefe zum beliebten Propagandamittel avanciert.37 Beeinflussung und Konsultation standen im Herzen mittelalterlicher Herrschaft. In einer expandierenden Welt waren sie zentrale Werkzeuge zur taktischen Streuung von Gerüchten sowie zur Information, Anwerbung oder Anweisung von Mitstreitern auch über Distanzen hinweg.38 Gerade der mittelalterliche Brief, der nicht selten laut verlesen wurde, konnte sich mit seinem offenen Charakter an einen privaten Empfänger oder eine größere 35 Arnulfus Lexoviensis Invectiva in Girardum Engolismensem episcopum, ed. Julius Dieterich, in: Libelli de lite imperatorum et pontificum. Saeculis XI. et XII. conscripti, ed. Ernst Dümmler/ Ernst Sackur, 3 Bde., Hannover 1897 (MGH Ldl, 3). Arnulfus Lexoviensis Sermo habitus in concilio Turonensi, in: Arnulfi Lexoviensis episcopi opera omnia, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1855 (Migne PL, 201). 36 Alle Schriften liegen in modernen Editionen vor: Ioannis Saresberiensis episcopi Carnotensis Policratici, ed. Clement Charles Julian Webb, 2 Bde., New York 1979 (ND der Ausgabe 1909) (European Political Thought); The Historia Pontificalis of John of Salisbury, ed. Marjorie M. Chibnall, Oxford 1986 (ND der Ausgabe 1956) (OMT); Ioannis Saresberiensis Metalogicon, ed. John Barrie Hall/Katharine S. B. Keats-Rohan, Turnhout 1991 (CC Cont. Med., 98); John of Salisbury’s Entheticus Maior and Minor, ed. Jan van Laarhoven, 3 Bde., Leiden 1987 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters, 17). 37 Einführend Florian Hartmann (Hg.): Brief und Kommunikation im Wandel. Medien, Autoren und Kontexte in den Debatten des Investiturstreits, Köln 2016 (Papsttum im mittelalterlichen Europa, 5). 38 Vgl. Giles Constable: Dictators and Diplomats in the Eleventh and Twelfth Centuries: Medieval Epistolography and the Birth of Modern Bureaucracy, in: Anthony Cutler/Simon Franklin (Hg.): Homo Byzantinus: Papers in Honor of Alexander Kazhdan, Washington, DC 1992 (Dumbarton Oaks Papers, 46), S. 37 – 46, hier: S. 46: „Persuasion and consultation were central to effective rule in the Middle Ages, and as the world expanded letters were the principal means of influencing actions and opinions and of communicating with people in a distance.“ Dazu auch Barrau: Bible, S. 170 – 177.

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Öffentlichkeit wenden. Besonders in Krisensituationen zirkulierten Autographen, Transkripte und Reskripte bewusst in ausgesuchten Empfängerkreisen. Anders als bei seinem modernen Pendant ist die Zielsetzung mittelalterlicher Briefe dabei immer hoch absichtsvoll auf eine petitio ausgerichtet. Dass sie je nach ihrer spezifischen ­Rhetorik den Gegner attackieren und beim Adressaten zielgenaue Überzeugungsarbeit leisten konnten, machte sie zum Propagandamittel. Der mittelalterliche Propagandabegriff ist vielfach kontrovers diskutiert worden. Im Folgenden wird die von Karel Hruza für die Mediävistik adaptierte kommunikationswissenschaftliche Definition von Jowett und O’Donnell zugrunde gelegt, in der Propaganda als der absichtliche Versuch gilt, „Wahrnehmungen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und Verhalten zu lenken, um eine Reaktion zu erlangen, die die vom Propagandisten erwünschte Zielsetzung unterstützt“.39 Propaganda ist demnach ein Medium zur Bewältigung und Austragung von Konflikten, aber ebenso – da man damit den Kreis der am Konflikt Teilhabenden und Handelnden zu erweitern versuchte – ein Mitbestimmung förderndes und meinungsbildendes Element.40 Ihre Erforschung ist die „Untersuchung der Kommunikation in Konflikten, der darin eingesetzten Mittel sowie des Aufkommens neuer Diskurspraktiken.“ 41 Dass Propaganda (a) auf den politischen und religiösen Bereich abzielt und somit von ‚gesellschaftspolitischer‘ Relevanz ist und (b) ihre intendierte Wirkung offene oder unterschwellige Handlungsappelle an (c) eine Adressatengruppe oder einen Empfänger enthält, der die Möglichkeit besitzt, eine ­solche zu beeinflussen, macht den Gebrauch des Terminus auf den Schismadiskurs des 12. Jahrhunderts statthaft.42 All dies zeigt sich in den Briefen des Arnulf von Lisieux und des Johannes von Salisbury. Die Korrespondenz des Bischofs von Lisieux liegt in einer klassischen lateinischen Edition von Frank Barlow sowie in einer in Strecken diskutablen englischsprachigen Übersetzung durch Carolyn P. Schriber vor.43 Jüngst ist eine von Egbert Türk mit 39 Karel Hruza: Propaganda, Kommunikation und Öffentlichkeit im Mittelalter, in: Hruza: Propaganda, S. 25. Basierend auf Garth Jowett/Victoria O’Donnell: Propaganda and Persuasion, Newsbury Park, CA 21992, S. 4: „Propaganda is the deliberate and systematic attempt to shape perceptions, manipulate cognitions, and direct behavior to achieve a response that furthers the desired intent of the propagandist.“ Die Problematik für die Mediävistik beleuchtet Josef Benzinger: Zum Wesen und zu den Formen von Kommunikation und Publizistik im Mittelalter. Eine bibliographische und methodologische Studie, in: Publizistik 15 (1970), S. 295 – 318. 4 0 Hruza: Kommunikation, S. 19. 41 Ebd., S. 25. 42 Vgl. die identifizierten drei Grundbedingungen einer statthaften Begriffsverwendung: ebd. 43 Letters, ed. Barlow; Letter Collections, ed. Schriber.

Forschungsstand, Quellenbasis, Desiderate

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einer Einleitung versehene neue Edition der gesamten Arnulfbriefe in französischer Übersetzung erschienen, die den normannischen Bischof als Mitglied des Hofes in den Blick nimmt.44 Noch besser zeigt sich die Editionslage im Fall des Johannes von Salisbury, dessen umfangreiche Korrespondenz im Rahmen der Oxford Medieval Texts in der hervorragenden zweibändigen lateinisch-englischen Edition von Millor und Brooke vorliegt.45 Im Verlauf der Arbeiten wurde nach weiteren Briefen mit Themenbezug gesucht, die keinen Eingang in die Editionen gefunden hatten. Es fand jedoch keine systematische Recherche nach eventuellen unbekannten Textzeugen statt, da eine Suche für den Zeitraum und die Forschungsfrage wenig erfolgversprechend war. Besonders im Fall des Johannes von Salisbury verteilen sich die geprüften Einzelüberlieferungen auf sein Episkopat in Chartres – eine Zeit, in der er sich eher dem amtlichen Tagesgeschäft als der Schismenreflexion widmete. Aus Relevanzgründen wurde daher nur ein Streufund, ein bis dato in den Editionen unberücksichtigter Textzeuge eines zentralen Briefes des Arnulf von Lisieux an Papst Alexander III. und eine Reihe von knapp einem Dutzend Briefen der Becketkorrespondenz, hinter denen eine mögliche Verfasserschaft oder Mitverfasserschaft des Johannes von Salisbury vermutet wird, hinzugefügt.46 Insgesamt ergab sich damit als Grundlage der Analyse ein Bestand von fast 120, in ungleichmäßigen Teilen auf die beiden Epistolographen verteilten Briefen. Abgesehen von den dreißig Korrespondenzstücken, die ergänzend zur Klärung einzelner biographischer, ereignisgeschichtlicher und ideologischer Randfragen herangezogen wurden, entfielen auf Arnulf von Lisieux 13 Dokumente mit enger thematischer Relevanz, während aus dem Korpus des Johannes von Salisbury für die Frühphase des alexandrinischen Schismas (1159 – 1161) 17 und den Restverlauf (1163–ca. 1171) 76 Schriftstücke mit Schismabezug isoliert wurden. Hinzu traten die erwähnten elf potenziellen Urheberschaften des angelsächsischen Gelehrten aus den Handschriften der Becketkorrespondenz.

4 4 Arnoul de Lisieux (1105/1109 – 1184). Lettres d’un évèque de cour dans l’embarras, ed. Egbert Türk, Turnhout 2018 (Témoins de notre histoire, 17). 45 Early Letters, ed. Millor u. a.; Later Letters, ed. Millor/Brooke. 4 6 i. e. Benedictus deus et pater (1159) in Brit. Libr. Cotton Faustina B1. Zu den potenziell der Autorschaft des Johannes von Salisbury entsprungen Stücken siehe Duggan: Authorship.

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Einleitung

Aufbau, Methodik, Forschungsfrage Die chronologische Verteilung dieser Quellen deutet bereits zwei Phänomene an, die Untersuchungszeitraum und operative Darstellung der Erkenntnisse bestimmten. Zunächst ist dies der Rückgang aussagekräftiger Quellen noch vor der eigent­lichen Beendigung des Schismas anno 1177. Anders als in der Historiographie, die die Ereignisse von Venedig teils sehr interessiert verfolgt, wird der Frieden von Venedig in den epistolaren Quellen nicht mehr reflektiert und entfällt somit für die Analyse der Briefkorpora. Stattdessen ist in der Korrespondenz eine ebenso deutliche Abnahme aussagekräftiger Quellen ab 1171, dem Folgejahr des Becketmords, zu beobachten. Dementsprechend wurde der ursprünglich auf den Gesamtverlauf des Schismas veranschlagte zeitliche Fokus auf einen Kernzeitraum von 1159 – 1171 reduziert, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. Die größere Anzahl der Johannesbriefe sorgte nicht nur für eine quantitative Ungleichgewichtung ­zwischen den beiden Quellenkorpora, sondern paarte sich mit einer inhaltlichen Fehlbalance, die die ursprüngliche Planung, eine gleichberechtigte Parallelbiographie beider Männer anzulegen, aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit nicht praktikabel erscheinen ließ. Daher und eingedenk der sich im Laufe der Arbeit ergebenden inhaltlichen Schwerpunktkomplexe wurde die Konzeption von einer festumrissenen Würdigung beider zu einem bedeutend flexibleren, thematisch orientierten Ansatz hin korrigiert. Diese Arbeit wird sich zunächst auf biographischer, ideengeschichtlicher und quellenkundlicher Ebene dem Werk und der biographischen Involvierung der Briefverfasser annähern und die jeweilige Ideenwelt der Verfasser entfalten. Die Analyse der epistolaren Hauptquellen wird auf Basis folgender thematischer Fokusse erfolgen: – die Sicht auf die Doppelwahl und der daraus hervorgehenden Kontrahenten, des späteren Papstes Alexander III. sowie seiner Konkurrenten Viktor IV. und Paschalis III., – die Intervention ­Kaiser Friedrichs I. sowie das daraus resultierende Barbarossabild des Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury, – die Kirchenpolitik Heinrichs II. von England und das mit ihr verbundene Königsbild der Epistolographen. Einerseits wird damit dem oben geschilderten quantitativen Bruch im Quellenmaterial Rechnung getragen, andererseits bildet dies eine qualitative Zäsur des Schismabildes ­zwischen der Frühphase der Krise (von der Doppelwahl bis zur Anerkennung Alexanders III. durch England und Frankreich anno 1160) und dem sich zeitlich mit dem Ausbruch des Becketdisputs (1164 – 1170/1171) deckenden Restverlauf ab. Im

Aufbau, Methodik, Forschungsfrage

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Zentrum jedes Kapitels steht ein zentraler Wendepunkt des Schismenverlaufs als thematischer Anker, von dem aus eine Annäherung an damit verknüpfte Einzelthemen erfolgt. Im Einzelnen sind dies: – die eigentliche Doppelwahl in Rom (1159) mit Fragen nach Ängsten und Hoffnungen, aber auch nach der Reaktion und dem Urteil über den Skandal der römischen Doppelwahl und ihre Kontrahenten in der Normandie und der Landeskirche des Königreichs England. Wie und mit welchem Erfolg versuchten Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury lenkend auf die Krise einzuwirken und inwieweit brachte man dabei kuriales und Gedankengut aktiv oder reaktiv mit ein? – das Konzil von Pavia (1160), dessen Negativbeurteilung als unrechtmäßiges Kaiserkonzil eng mit dem kritischen Bild des Staufers und seiner Beziehung zu seinem Protegé Viktor IV. in der frühen Schismaphase verknüpft ist. Illustriert wird es insbesondere durch das London-Manifest des Arnulf von Lisieux und den PaviaKommentar des Johannes von Salisbury. – die Anerkennung Alexanders III. auf der Synode von Beauvais (Sommer 1160). Im Fokus stehen kirchenpolitische Haltungen und Strategien des Königs von England auch gegenüber dem Reich und die zeitgenössischen Reaktionen und Sorgen, die diese in der englischen Landeskirche und bei beiden Epistolographen hervorriefen. Die Frage nach der Dominanz apologetischer oder kritischer Tendenzen stellt sich genauso wie die einer Neubewertung des Weges zur Synode von London. Im zweiten analytischen Teil rücken in den Vordergrund: – der Übergang von Viktor IV. zu Paschalis III. (1164) und inwiefern sich das frühe Bild des Schismas und der darin involvierten Parteien auch im Hinblick auf die Eskalation des Becketkonflikts in dessen Nachhall wandelte oder weiterbestand. Teilbereiche der Fragestellung umfassen die individuellen Werturteile über die Gegenpäpste Viktor IV. und Paschalis III. sowie des erzbischöflichen Elekten von Köln, Rainald von Dassel. Eine zentrale Rolle der Bemühungen des Johannes von Salisbury in Schisma und Becketkonflikt spielt dessen Korrespondenz mit dem in Köln weilenden Magister Gerard Pucelle. Des Weiteren wird die sich verändernde Perspektive des angelsächsischen Gelehrten auf das Schisma in den Jahren 1164 – 1167 aufgezeigt sowie die Auswirkungen des Schismas in England und die dortige Instrumentalisierung des Schismas thematisiert. – der nächste Komplex widmet sich dem späten Barbarossabild des Johannes von Salisbury, insbesondere den auf veränderte politische Rahmenbedingungen – etwa die Einnahme Roms und die darauf folgende Seuche im kaiserlichen Heer (1167) – reagierenden, seinen Ideen entspringenden Parallelen oder Veränderungen darin. Teil der Untersuchung ist die Frage nach der kaiserlichen Handlungsautonomie und damit der Rolle seines Beraterkreises. Nicht zuletzt wird intensiv die Logik

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hinter dem berühmten Titel des ex-Augustus beleuchtet, mit dem Johannes von Salisbury den ­Kaiser belegt. der Hoftag zu Würzburg (1165) und die vorhergehenden staufisch-angevinischen Ehebündnisse. Damit ist nicht nur die Frage nach der Natur der angeblich schismatischen Eide der englischen Gesandten verbunden, sondern auch jene, ob Würzburg als zentrales Moment der Wertung der moralischen Disposition und der kirchenpolitischen Linie und Maßnahmen des englischen Königs diente, der in diesen Jahren immer noch eine Schlüsselfigur der Obödienzlandschaft war. Was genau warf man Heinrich II. Plantagenêt, seinen Repräsentanten und dem englischen Episkopat damals vor und ­welche Handlungspostulate entwickelte etwa Johannes von Salisbury daraus?

Folgende übergeordnete, analytische Kernkomplexe überspannen dabei die gesamte Studie: 1. Der inhaltliche Fokus der Schismadarstellung Dieser umschließt Fragen nach bevorzugten oder gar singulär in England oder der Normandie reflektierten thematischen Aspekten oder Ereignissen und ihren Auswirkungen auf das Inselkönigreich und beinhaltet auch die Frage, ob diese direkt mit englischen Gegebenheiten in Beziehung gesetzt wurden. So zeigt sich zum Beispiel ein überwältigendes insulares Interesse am Beginn der Krise, während andere, England auf den ersten Blick viel unmittelbarer betreffende Ereignisse wie die staufisch-angevinische Entente von 1165 wenig bis gar nicht reflektiert werden. Derlei Auffälligkeiten ermöglichen interessante Rückschlüsse auf Fehldeutungen in der bisherigen historischen Forschung. Zugleich sind die politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Hintergründe beziehungsweise Einflüsse auf die jeweiligen Darstellungen zu hinterfragen. Dies erfordert eine Investigation der den jeweiligen Einzelquellen zugrunde liegenden Entstehungssituationen sowie der causa scribendi ihrer Verfasser. Führten die persönlichen Abfassungsintentionen und -motivationen und die verfolgten Ziele sogar zu einer Instrumentalisierung des Schismas zugunsten persönlicher oder politischer Zwecke? 2. Genese, Rezeption und Bedeutung von Wahrnehmungs-, Deutungsund Darstellungsmustern Die unzureichende Beschäftigung mit dem ideengeschichtlichen Schismabild der beiden ausgewählten Briefsammlungen verhinderte die Beantwortung der eng damit verbundenen Frage nach dessen sprachlich-literarischer Ausgestaltung und dahinterliegenden polemischen oder propagandistischen Horizonten und Ausdrucks­ formen. Der zweite Komplex schließt daher die Begrifflichkeiten, Darstellungs- und

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­ eutungsmuster der zeitgenössischen Quellen ein und geht der Frage eventueller D schriftlicher sowie mündlicher Traditionen oder Quellen nach, aus denen sich diese Muster speisen. Sind sie genuiner Ausdruck individueller Vorstellungen oder werden altbewährte Register eines überreichen kirchlichen Schatzes des schismabezogenen, polemischen Darstellungsrepertoires gezogen? Von Bedeutung sind in ­diesem Zusammenhang vor allem innovative, prägnante, besonders häufig auftretende oder in einer polemischen Schismatradition stehende Bilder und sprachliche Formulierungen. Der bewusste Einsatz, die Innovation oder zielgerichtete Variation solcher sprachlichen Normen öffnet ein Fenster zur Vorstellungswelt der Epistolographen. Sowohl Arnulf von Lisieux als auch Johannes von Salisbury stehen mit den ihnen eigenen Konzepten und Blickweisen fest in der polemischen Propagandapraxis vergangener Kirchenkrisen oder der Tradition christlicher und historischer Deutungsmuster. Dennoch war die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihrer zielgerichteten Anwendung biblisch-christlicher Referenzen, historischer exempla und des publizistischen Propagandarepertoires im Schismendiskurs bisher höchstens im Hinblick auf frühere kirchliche Konfliktsituationen oder den Becketkonflikt, nicht aber in gebotener Weise auf das Schisma von 1159 konzentriert.47 Die kirchliche Propagandapraxis als ­solche hat die Forschungslandschaft schwerpunktmäßig für die Zeit des Investiturstreits und des Schismas von 1130 in den Blick genommen.48 Eine Ausnahme bildet Myriam Sorias Auseinandersetzung mit den 47 Der Forschungsfokus zur Verwendung historischer exempla lag beispielsweise auf den theoretischen Schriften des Johannes von Salisbury. So nutzt Peter von Moos die Briefe lediglich als einleitende Quellenbasis zur Definition seines Exemplumbegriffs: Peter von Moos: The Use of Exempla in the Policraticus of John of Salisbury, in: Wilks: World; Peter von Moos: Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von der Antike zur Neuzeit und die historiae im „Policraticus“ Johanns von Salisbury, Hildesheim/New York 1988 (Ordo, 2). In Bezug auf die Verwendung stilistischer und literarischer Darstellungs- und Deutungselemente konzentrierte man sich auf den Becketkonflikt. Siehe Yōko Hirata: Colliding with Histories. John of Salisbury’s Uses of the Past During the Becket Conflict, in: dies. (Hg.): Collected Papers on John of Salisbury and his Correspondents / Sōruzuberi no jon to sono shūhen, Tokyo 1996, S. 183 – 196; Julie Barrau: La conversio de Jean de Salisbury: La Bible au service de Thomas Becket?, in: CCM 50, 199 (2007), S. 229 – 244. 48 Vgl. Giles Constable: Papal, Imperial and Monastic Propaganda in the Eleventh and Twelfth Centuries, in: George Makdisi (Hg.): Prédication et propagande au Moyen Age. Islam, Byzance, Occident, Paris 1983 (Penn-Paris-Dumbarton Oaks Colloquia, 3), S. 179 – 199; Ian Stuart Robinson (Hg.): The Sources and Method of Papal and Anti-Papal Polemic: 1073 – 1112, Diss. phil. University of Oxford 1975; Ian Stuart Robinson: Authority and Resistance in the Investiture Contest: The Polemical Literature of the Late 11th Century, Manchester 1978; ­Oliver Münsch: Fortschritt durch Propaganda? Die Publizistik des Investiturstreits ­zwischen Tradition und Innovation, in: Jarnut/Wemhoff: Umbruch; Carl Mirbt: Die Publizistik

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Propagandastrategien und Kommunikationsnetzwerken Alexanders III . im französischen Königreich im Vergleich zu jenen des innozenzianischen Schismas.49 Sie erkennt Arnulf von Lisieux als großen Unterstützer Alexanders III ., der in seiner Korrespondenz und der Eröffnungspredigt des Konzils von Tours persuasiv auf den französischen und englischen Episkopat einwirken will. Obgleich Soria dabei die Weiterentwicklung von Arnulfs Einstellungen seit Abfassung seines Traktats berührt, stoppt ihre Analyse vor einem genaueren Vergleich. Zudem findet ihre Untersuchung keine Entsprechung in einer ähnlichen Durchleuchtung der Netzwerke und Propagandabemühungen im englischen Königreich. Diese Lücke soll geschlossen werden, indem auch die Wahrnehmungs- und Deutungsmuster auf unbewusst-perzeptiver oder bewusst-kognitiver Ebene eingebunden werden, die das geistige Umfeld des Zeitzeugen generiert und prägt und folglich dessen Darstellung der Ereignisse zugrunde liegen. Diese Arbeit folgt dabei der Terminologie von Hans-Werner Goetz 50 respektive Hartmut Bleumer und Steffen Patzold, die unter ‚Wahrnehmungsmustern‘ „diejenigen mentalen Ordnungsraster [verstehen], die im Prozess des Wahrnehmens unwillkürlich wirksam sind und dazu führen, dass die Welt dem Betrachter von vornherein in je zeitspezifischer Weise sinnhaft erscheint“.51 ‚Deutungsmuster‘ hingegen sind nach dieser Definition als „kulturell geprägte Sinnzuweisungen“ und „bewusste, reflektierte Strukturen, durch die der Mensch seiner Welt aktiv Sinn zuweist“ 52, Bestandteil des Aktes einer gezielten und durchdachten im Zeitalter Gregors VII., Leipzig 1965 (ND der Ausgabe 1894). Eine besondere Empfehlung gilt für die Forschungen von Myriam Soria. siehe Myriam Soria Audebert: La propagande pontificale et sa réception au temps des schismes (XIe – X IIe siècles): Innocent II, Anaclet II. La mémoire d’une guerre de libelles, lectures et débats, in: Rossana Castano (Hg.): Comunicazione e propaganda nei secoli XII e XIII. Atti del convegno internazionale (Messina, 24 – 26 maggio 2007), Rom 2007, S. 595 – 612; Myriam Soria: La trahison schismatique, un outil de propagande pontificale, in: Maïté Billoré u. a. (Hg.): La trahison au Moyen Âge. De la monstruosité au crime politique (Ve – XVe siècle), Rennes 2009, S. 103 – 123; Myriam Soria: Rumeur, discours de haine et ralliement. Autour du schisme d’Anaclet, in: Maïté Billoré (Hg.): La rumeur au Moyen Âge. Du mépris à la manipulation (Ve – XVe siècle), Rennes 2011, S. 231 – 246. 49 Myriam Soria Audebert: La propagande pontificale au temps des schismes. Alexandre III à la reconquête de l’unité de l’Église, in: Martin Aurell (Hg.): Convaincre et persuader. Communication et propaganda aux XIIe et XIIIe siècles, Poitiers 2007 (Civilisation médiévale, 18), S. 349 – 381. 50 Vgl. Hans-Werner Goetz: Wahrnehmungs- und Deutungsmuster als methodisches Problem der Geschichtswissenschaft, in: Das Mittelalter 8, 2 (2003), S. 23 – 33. 51 Hartmut Bleumer/Steffen Patzold: Wahrnehmungs- und Deutungsmuster in der Kultur des europäischen Mittelalters, in: ebd., S. 4 – 20, hier: S. 6. 52 Beide Zitate: ebd.

Aufbau, Methodik, Forschungsfrage

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Erfassung von Phänomenen. Der Übergang von unterschwelligem Wahrnehmungsmuster zum reflektierten Deutungsmuster ist dabei fließend und dem Quellenautor nicht immer bewusst.53 Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Erinnerung des Quellenautors und damit das historische Zeitzeugnis immer Produkt eines vielschichtigen, konstruktiven Prozesses aus verschmelzender sinnlicher, bewusst(gemach)ter Wahrnehmung und gedanklicher Erschließung ist, an dessen Ende schließlich die eigentliche durch rationale, quellengattungsspezifische Verformung des und Einwirkung auf den faktischen Stoff geprägte Darstellung steht, wird die Bedeutung von Wahrnehmungs- und Deutungsmustern zum Verständnis mittelalterlicher Quellen offenbar.54 Denn „[d]ie Wahrnehmung […] wird unmittelbar geprägt und determiniert von den – zunächst jeweils individuellen – Vorkenntnissen und Vorannahmen, mit denen das Wahrgenommene bewusst erfasst, begriffen, gedeutet und bewertet wird, nämlich von dem gesamten Reservoir an Wissen, Erfahrung, Vorstellungen und Einstellungen des wahrnehmenden Menschen.“ 55

Die Einbeziehung ­dieses Komplexes einer autorenspezifischen oder gesamtmittelalterlichen Vorstellungswelt ist essenziell, da sie die Reflexion des Wahrgenommenen teils vorherbestimmte. „Es gibt“, so konstatiert Goetz, „keine Wahrnehmung ohne (deutende) Vorstellungswelt und (gleichzeitige) Deutung.“ 56 Neben der Faktenebene müssen diese Muster für den Historiker Teil des Erkenntnisziels sein. Problematisch ist, dass deren Erkundung eben nur über die eigentliche Textüberlieferung selbst erfolgen kann.57 Ein probater Weg zu ihrer Erschließung ist die Beachtung von Parallelüberlieferungen oder anderen Schriften aus der Feder des jeweiligen Quellenautors, die Aufschluss über seine Auffassungen und Überzeugungen geben können. Auch darum ist ein Einbezug früherer Schriften der Quellenautoren, wie er hier erfolgt, zwingend notwendig. Da die Darstellung erst nach dem Wahrnehmungs- beziehungsweise dem sinnstiftenden Deutungsprozess angesiedelt ist, zeigt sich erst dort die Bedeutung der 53 Ebd., S. 6 f. 54 Aufschlussreiche, schematische Darstellung der Bestimmungsfaktoren und Zusammenhänge ­dieses Vorgangs bei Goetz: Wahrnehmungsmuster, S. 33. Hinzu treten die spezifisch kogni­ tions- und neurowissenschaftlichen Prozesse, die eine Erinnerungsleistung bedingen. Zu dieser Problematik siehe Johannes Fried: Der Schleier der Erinnerung: Grundzüge einer historischen Memorik, München 2004. 55 Ebd., S. 30. 56 Ebd. 57 Vgl. ebd., S. 32.

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q­ uellenkritischen ‚Tendenz‘, die über sprachlich-literarische Bilder und Strukturen auf der Wortebene der Quelle erschlossen werden kann. Auf eben dieser literarisch-rhetorischen Ebene wird den Argumentationsstrategien und stilistischen Mitteln Rechnung getragen, um Intentionen und vermittelte Botschaften in ihrer Genese, den ihr zugrunde liegenden Einflüssen, Überzeugungen und Bedeutungsschichten zu durchdringen. Da viele der verwendeten polemischen Stilmittel dem Propagandarepertoire der Kirchenkrisen des 11. und 12. Jahrhunderts entstammten und somit bereits als fast konventionell betrachtet werden können, ist keine detaillierte und umfassende Analyse aller Propagandastrategien der jeweiligen Quellenschriften zu erwarten. Es werden nur jene in den Blick genommen, die zur Illustration größerer Sachverhalte dienen. Im Verlauf der langjährigen Auseinandersetzung changierten und verhärteten sich neben den Werturteilen der Verfasser auch gewisse perzeptive und interpretatorische Vorstellungen, die, so steht zu vermuten, aufgrund der Prominenz und Singularität der Briefsammlung als Quelle schon bei den Zeitgenossen großen Einfluss auf die weitere Betrachtung des alexandrinischen Schismas im Königreich England hatten. Entgegen einer ursprünglichen Konzeption dieser Arbeit, ­welche die anglonormannische Historiographie bis zum Ende des 12. Jahrhunderts als Grundlage zur Kristallisierung eines spezifisch englischen Schismabildes im breiteren Sinne vorsah, wurde der Aspekt einer dortigen Rezeption des in den Briefquellen generierten Schismabildes ausgeklammert. Im Verlauf der analytischen Arbeit wurde das Ausmaß des Erkenntnispotenzials deutlich, das schon der reiche Befund der epistolaren Zeugnisse lieferte. Damit wurden zwar bedeutende, weltlich-höfische Zeugnisse ausgeschlossen, die der Untersuchung eine breitere Diversität gegeben hätten, doch gleichzeitig der Fokus auf den eigentlichen Nukleus des englischen Schismabildes zurückgelenkt, der, ursprünglich dem klerikalen Umfeld entspringend, erst ­später und verzögert in der höfischen Historiographie aufgenommen wurde. 3. Erhellung ereignisgeschichtlicher Abläufe Dieser Untersuchungsschwerpunkt verlässt bewusst die Ebene der Ideengeschichte und tritt mit unvoreingenommenem Blick an die Briefquellen als lebendiges Zeugnis für die Abläufe und Reaktionen der englischen Öffentlichkeit auf das alexandrinische Schisma heran. Beispiele, in denen eine Neubewertung der Ereignisse auf Basis der tagesaktuellen zeitgenössischen Epistolographie bestehende Forschungsmeinungen ergänzen oder diskutieren kann, sind etwa der Weg zu Alexanders Anerkennung auf der Synode von Beauvais oder die Frage nach der Bedeutung des am Kaiserhof durch königliche Gesandte abgelegten Würzburger Eides. Zusätzlich umschließt dies die Frage nach Netzwerken und Handlungsstrategien, mit denen englische Protagonisten versuchten, die Auswirkungen der allgemeinen Kirchenkrise auf England zu minimieren.

Terminologische Anmerkungen

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Terminologische Anmerkungen Die folgenden Ausführungen werden zwangsläufig mit Begrifflichkeiten operieren, die im Laufe der Geschichte unterschiedliche semantische Aufladungen erfuhren und somit um der Eindeutigkeit und theoretischen Fundierung willen einer Arbeitsdefinition bedürfen. Naturgemäß steht am Beginn einer solchen kritischen Reflexion eine Erläuterung des hier betrachteten Kernphänomens ‚Schisma‘. Als Definition dient die klassische Auslegung des Cyprian von Karthago in der Tradition des Decretum Gratiani: Denique quam sit inseparabile unitatis sacramentum, et quam sine spe sint et perditionem sibi maximam de indignatione Dei adquirant qui scisma faciunt et relicto episcopo alium sibi foris pseudoepiscopum constituunt.58 Allerdings stellt sich die Lage im alexandrinischen Schisma komplizierter dar, als der aus der Erfahrung der antiken Kirchenspaltungen erwachsene patristische Schismenbegriff sie umreißt. Da es sich um eine simultane Doppelwahl und keineswegs um die Aufstellung eines Gegenkandidaten in Konkurrenz zu einem amtierenden Papst handelte, wurde die Frage, welcher der beiden Kontrahenten zuerst oder mit größerer Berechtigung gewählt worden war, im 12. Jahrhundert schon allein darum heiß diskutiert, weil die cyprianische Definition der Maßstab war, an dem sich Legitimität oder Illegitimität der Elekten messen lassen mussten.59 Da deren Verwendung dem zeitgenössischen Verständnis entsprach, wird sie auch hier Anwendung finden. Ferner wird es nicht zu vermeiden sein, auf die entsprechenden historischen Persönlichkeiten oder Personengruppen als ‚Gegenpapst‘ oder ‚Schismatiker‘ zu rekurrieren; beides Begriffe, die ein rückwärtsgewandtes Werturteil über die damit Bezeichneten implizieren, das immer nur aus der Perspektive desjenigen erfolgen kann, der den Ausgang der jeweiligen Krise kannte und als Maßstab nehmen konnte. Der Terminus antipapa erlangte erst im Betrachtungszeitraum, Mitte des 12. Jahrhunderts, als relativ 58 C. 7 q. 1 Einleitung bzw. c. 9 in: Decretum Magistri Gratiani, ed. Emil Friedberg, Graz 1959 (ND der Ausgabe 1879) (Corpus iuris canonici, 1). 59 Die zeitgenössische Konzentration auf Fragen des Ablaufs und der Reihenfolge der Immantation belegen exemplarisch die Wahlanzeigen der alexandrinischen und viktorinischen Partei: Nr. 41. Eterna et incommutabilis, in: Günther Hödl/Peter Classen (Hg.): Die Admonter Briefsammlung nebst ergänzenden Briefen, München 1983 (MGH Die Briefe der deutschen Kaiserzeit, 6), S. 79 – 83 (zudem ediert in: Georg Waitz/Bernhard von Simson (Hg.): ­Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, Hannover 1997 (MGH SS rer. Germ., 46), S. 299 – 303) sowie Ex quo contra honorem, in: Georg Waitz/Bernhard von Simson (Hg.): Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, Hannover 1997 (MGH SS rer. Germ., 46), S. 303 – 307.

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junger polemischer Kampfbegriff Prominenz.60 Allgegenwärtig, etwa bei Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury, war er im Unterschied zur Bezeichnung scismatici, die einen häufig genutzten Quellenbegriff im zeitgenössischen Diskurs darstellt, damals noch nicht. Das Grundproblem ist indes dasselbe: Der Gegenpapst und seine Anhängerschaft werden von den Quellenzeugen a priori, in der modernen Forschung a posteriori, wertend der außerhalb der päpstlichen Legitimitätslinie stehenden überkommenen oder (zu überkommenden) Seite zugerechnet. Heuristisch tauglich kann der Gegenpapstbegriff nach Harald Müller gemacht werden, indem man ihn „so weit wie möglich von der wertenden Konnotation befreit […] [und] de[n] Sinngehalt der sprachlich zugrundeliegenden griechischen Präposition anti auf seine genuine konfrontative Bedeutung reduziert […]: auf das Gegenüberstehen, das buchstäblich Widerständige“ 61. Derart auf die nüchterne, situationsbezogene Perspektive beschränkt, wird ein Gegenpapst auch in der vorliegenden Arbeit in aller Neutralität als ein in der historischen Situation involvierter, faktischer Mitbewerber um das apostolische Amt, sozusagen als „Konkurrenzpapst“ 62 verstanden. In vollem Bewusstsein über die terminologische Problematik wurde betreffs der Bezeichnung ‚Schismatiker‘ entschieden, in dieser ideengeschichtlichen Untersuchung dem zeitgenössischen Sprachgebrauch zu folgen, da der Begriff fester Bestandteil der Ideenwelt der Quellenverfasser war. Seine Verwendung impliziert dabei kein Werturteil durch die Verfasserin. Damit sei der Forschungsfokus umrissen. Die vorliegende Arbeit versteht sich letztlich als Studie zur Wahrnehmungsgeschichte des alexandrinischen Schismas, ­welche die Korrespondenzen des Arnulf von Lisieux und des Johannes von Salisbury, ausgehend von auf ihren eigenen (kirchen)politischen Überzeugungen basierenden Deutung und Darstellung der Krise, eingehend auf eine charakteristisch anglonormannische Perspektive der Kirchenspaltung und anderer schismarelevanter Erkenntnisse (z. B. Verlauf, Rezeption und Auswirkungen in England) hin untersucht. Der Weg von Rom nach Venedig war auch für das Königreich England und seine Landeskirche lang und beschwerlich. Männer wie Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury gingen diesen Weg mit wachem Blick und offenen Augen. Ihnen soll eine Stimme gegeben werden. 60 Vgl. Olivier Guyotjeannin: Antipape, in: Philippe Levillain (Hg.): Dictionnaire historique de la papauté, Paris 1994, S. 118 – 121; Michael Edward Stoller: The Emergence of the Term antipapa in the Medieval Usage, in: AHP 23 (1985), S. 43 – 61 und ergänzend Harald Müller: Gegenpäpste. Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter, in: Müller/Hotz: Gegenpäpste, S. 26 f. 61 Ebd., S. 23. 62 Ebd.

I.  Die Protagonisten und ihre Ideenwelten

1.  Arnulf von Lisieux (gest. 1182) 1.1  Arnulf von Lisieux und die Schismen seiner Zeit Auf seinem Sterbebett in der Pariser Augustinerabtei Saint-Victor konnte Arnulf von Lisieux auf sieben bewegte Jahrzehnte voller Erfolge und Misserfolge ideeller und persönlicher Natur zurückblicken.63 Der Zwiespalt ­zwischen kirchlichen und weltlichen Verpflichtungen, der sein Leben so prägte, war in vielerlei Hinsicht exemplarisch für die Stellung eines normannischen Bischofs zu dieser Zeit. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Herkunft, ihres Wohlstands und ihrer Beziehungen zur Kathedralstadt von Sées brachte die vornehme normannische Familie, in die Arnulf im ersten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts hineingeboren wurde, herausragende geistliche und weltliche Würdenträger hervor.64 Darunter Arnulfs Onkel Johannes, der vor seiner Berufung auf die cathedra von Lisieux das dortige Archidiakonat bekleidet hatte und als Kaplan Heinrichs I. und Oberhaupt des normannischen Exchequer in Caen der wichtigste geistliche Administrator der Normandie gewesen war, oder Arnulfs älterer Bruder, der Archidiakon Johannes, der wichtige Aufgaben als weltlicher Richter am Hofe Heinrichs I. von England übernahm und 1124 zum Bischof von Sées erhoben wurde.65 Beide Männer übten formativen Einfluss auf den in jungen Jahren für den Kirchendienst bestimmten Arnulf aus: „For Arnulf the career of John of Lisieux and John of Sées represented an ideal balance between service to the church and secular responsibility. Arnulf began the construction of his personal paradigm by adopting the career goals exemplified by the older members of his family. Throughout his life, Arnulf would seek to be both a devout servant of the church and a loyal subject of the king.“ 66

63 Die noch grundlegende biographische Studie Frank Barlows in der Einleitung seiner Edition der Arnulfbriefe (Letters, ed. Barlow, S. xi–lxv) wurde bisher nur von einer einzigen monographischen Studie zur Persönlichkeit und Geisteshaltung des Bischofs von Lisieux ergänzt: Schriber: Dilemma. Ferner: Auguste Noyon: Arnoul de Lisieux, in: Alfred Baudrillart (Hg.): Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques, Paris 1930, Sp. 609 – 611 und Michel Prevost: Arnoul de Neuville, in: Jules Balteau (Hg.): Dictionnaire de biographie française, Paris 1939, Sp. 982 – 985. 6 4 Julius Dieterich verortet sie mit der bisherigen Forschung um Rouen (Invectiva, ed. Dieterich). Schriber: Dilemma, S. 1 rückt die Familie nachweislos näher an das südnormannische Sées. 65 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. xi–xiv. Einzelheiten zur geistlichen und weltlichen Stellung zu Arnulfs Onkel und Bruder liefert Schriber: Dilemma, S. 1 – 3. 66 Ebd., S. 2.

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Dieser Amts- und Wertecodex, ­dieses ‚Paradigma‘, wie Schriber es nennt, prägte ein Leben lang nicht nur Weltsicht und Handeln des Normannen, sondern auch sein Bild des alexandrinischen Schismas und seiner eigenen Rolle darin.

1.1.1  Engagement: die Schismen von 1130 und 1159 und Arnulfs Beziehung zu Heinrich Plantagenêt Im 12. Jahrhundert galt das Archidiakonat als günstige Voraussetzung zur Erlangung der Bischofswürde, stand jedoch wegen seiner teils nepotistischen Besetzungspraxis in der Kritik.67 Es war auch die erste Sprosse der Karriereleiter für den jungen Arnulf, der 1124, wahrscheinlich auf Wunsch seines Onkels, seinem älteren Bruder auf das Archidiakonat von Sées nachfolgte.68 Auch seine Ausbildung betreffend trat er in die Fußstapfen familiärer Vorbilder, indem er sich nach Grundstudien an der Kathedral­ schule von Sées in den 1120er Jahren dem Studium der artes an der renommierten Kathedralschule von Chartres widmete.69 Beziehungen zur Stadt an der Eure, aber auch zu Paris und dem dortigen Augustinerkonvent Saint-Victor, mit dem die Kathedrale von Sées enge Verbindungen unterhielt, spiegeln sich auch in Arnulfs persönlichem Netzwerk. Die Attraktivität des Studienorts Paris für einen normannischen Studenten mit fortgeschrittener akademischer Vita und Bezugnahmen auf die Metropole in seiner Korrespondenz lassen vermuten, dass es Arnulf zur Perfektionierung seiner Ausbildung zum Studium der Theologie an die Seine zog.70 67 Das administrativ geprägte Archidiakonat befähigte seinen Inhaber nicht nur in Verwaltungsund Rechtsangelegenheiten, sondern bot durch die damit verbundene Präbende auch die materielle Grundlage seines Auskommens und seiner Ausbildung. Siehe Letters, ed. Barlow, S. xiif und Schriber: Dilemma, S. 12. Zu Bedeutung und Besetzung des Archidiakonats im 11. Jahrhundert siehe David Spear: L’administration épiscopale normande. Archidiacres et dignitaires des chapitres, in: Pierre Bouet/François Neveux (Hg.): Les évêques normands du XIe siècle, Caen 1995, S. 81 – 102. 68 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. xi–xiv und Schriber: Dilemma, S. 3. 69 Vgl. zur Diskussion der Studienorte Arnulfs von Lisieux siehe die Rekonstruktion von Letters, ed. Barlow, S. xiii–xv, Schriber: Dilemma, S. 2 f. und Lindy Grant: Arnulf ’s Mentor: Geoffrey de Lèves, Bishop of Chartres, in: David Bates (Hg.): Writing Medieval Biography, 750 – 1250. Essays in Honour of Frank Barlow, Woodbridge 2006, S. 173 – 184, hier: S. 178, die die Pariser Jahre Arnulfs seiner Ausbildung in Sées und seinem Dienst bei Gaufried von Chartres in Chartres zwischengeschaltet sieht. 70 Einen Überblick über Arnulfs lebenslange Verbindungen zu Chartres gibt Letters, ed. Barlow, S. xiv. Zu Arnulfs Bindungen nach Paris, darunter auch einen Hinweis auf seine Bekanntschaft

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Um 1133 tritt Arnulf als Kleriker im bischöflichen Haushalt von Chartres in Erscheinung.71 Vielleicht war es Gaufried von Chartres, der ihm ein Studium des Rechts jenseits der Alpen empfahl.72 Einzelheiten über die genaue Ausbildungsstätte oder seinen Studienschwerpunkt, etwa die Frage, ob sich Arnulf dem römischen oder kirchlichen Recht widmete, bleiben im Dunkeln.73 Für Dieterichs These einer Ausbildung an der Universität von Bologna sprechen zumindest Arnulfs Versiertheit und Ruf als Kenner der ars dictaminis, der Briefstillehre, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts neben den Rechtsstudien Bolognas renommiertestes Lehrgebiet darstellte.74 In jedem Fall zeigt sich in ­diesem Ausbildungsweg eine Persönlichkeit, die sich zielgerichtet auf potenzielle Positionen im höheren Dienst in K ­ irche und Reich vorbereitete. Er war ein Pragmatiker mit handfesten Ambitionen, kein pragmatischer Philosoph wie Johannes von Salisbury. Im Jahr 1130 erlebte der junge Archidiakon von Sées, was sein Leben fortan maßgeblich bestimmen sollte. Mit der umstrittenen Papstwahl z­ wischen Innozenz II., dem vormaligen Kardinaldiakon von S. Angelo, Gregor Papareschi, und seinem Herausforderer Petrus Pierleoni, der den Namen Anaklet II. wählte, erschütterte mit dem innozenzianischen Schisma zum ersten, aber nicht zum letzten Mal eine große Krise die ­Kirche des 12. Jahrhunderts.75 In Arnulfs Reaktion auf die Ereignisse ­spiegelt sich mit Radulf de Diceto (siehe Arnulfus Lexoviensis: Ep. 26. Audiui te causa studiorum, in: ebd.) und sein Interesse für die Augustiner und die Pariser Viktoriner siehe ebd., S. xvii–xix und Grant: Mentor, S. 179 f. Die Rolle der theologischen Disziplin in seinem Ausbildungsweg und ihre Beziehung zu Johannes’ philosophischen Vorstellungen beleuchtet Christophe Grellard: John of Salisbury and Theology, in: Grellard/Lachaud: Companion. 71 Arnulf selbst bezeichnet sich in der salutatio der Widmung seiner Streitschrift an Gaufried als clericus eius humilis et devotus (Invectiva, ed. Dieterich, S. 85). Der Person und Karriere Gaufrieds von Chartres sowie seiner prägenden Kraft in Arnulfs politischem, religiösem und architekturphilosophischem Werk und Gedankengut hat Lindy Grant in zwei Publikationen nachgespürt: Lindy Grant: Geoffrey of Lèves, Bishop of Chartres. „Famous Wheeler and Dealer in Secular Business“, in: Rolf Grosse (Hg.): Suger en question, München 2004 (Pariser historische Studien, 68), S. 45 – 56 sowie Grant: Mentor. 72 Vgl. Grant: Mentor, S. 178 f. 73 Vgl. die Einleitung seiner Invectiva: Sed quia me in Italiam desiderata diu Romanorum legum studia deduxerunt […] (Invectiva, ed. Dieterich, S. 85). Zur Schwierigkeit der Deutung der Passage siehe Letters, ed. Barlow, S. xv, Anm. 4 und Schriber: Dilemma, S. 3. 74 Vgl. Invectiva, ed. Dieterich, S. 83. Dem anschließend: Schriber: Dilemma, S. 3. 75 Zur Einführung siehe Franz-Josef Schmale: Studien zum Schisma des Jahres 1130, Köln/Graz 1961 (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, 3); ­Engelbert Mühlbacher: Die streitige Papstwahl des Jahres 1130, Aalen 1966; Mary Stroll: The Jewish Pope. Ideology and Politics in the Papal Schism of 1130, Leiden u. a. 1987 (Brill’s S­ tudies in Intellectual History, 8).

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wohl der Einfluss seines Chartrenser Mentors. Als Verfechter Innozenz’ II. und des Reformpapsttums brachte Gaufried von Chartres schließlich die Anerkennung Innozenz’ II. in Frankreich maßgeblich voran. Ihm kam die Aufgabe zu, 1130 auf dem Konzil von Reims den Hetzbrief der Kartäuser gegen Anaklet zu verlesen.76 Arnulfs eigener Beitrag zum Schismadiskurs bestand in der Abfassung einer beißenden Schmähschrift über den anakletianischen Parteigänger Girald von Angoulême.77 Offenbar drängte es den jungen Absolventen, seiner Stimme in innozenzianischen Kreisen Gehör zu verschaffen und die Sache der Reformer zu unterstützen, deren Gedankengut er Zeit seines Lebens zugetan war.78 Nach Abschluss seiner Ausbildung Mitte der 1130er Jahre öffneten seine juristischen Kenntnisse und die Beziehung seiner Familie zum Haus Blois Arnulf von Lisieux die Tore, um seine Sporen auf dem Terrain der weltlichen Politik zu verdienen. 1139 vertrat er vor Innozenz II. die Thronansprüche Stephans von Blois auf dem Zweiten Laterankonzil.79 Der scharfe, sachlich aber unsaubere Angriff gegen die Kaiserin ­Mathilde und das Haus Anjou, mit dem der junge Aspirant sich und seine Karriere in eine vorteilhafte Ausgangssituation bringen wollte, entsprach zwar der von den normannischen Bischöfen vertretenen Linie, hatte aber nicht den gewünschten Effekt.80 Vielmehr erschwerte die Episode zwei Jahre s­ päter Arnulfs Erhebung ins Bischofsamt der Stadt Lisieux, das sein Bruder Johann ein Jahr zuvor in die Hände von Mathildes Gatten, Gottfried von Anjou, hatte ausliefern müssen, der nun gegen die einmütige Wahl des Kathedralkapitels vehement Widerstand leistete.81 Letztlich war die Bestätigung der Wahl durch Papst Innozenz II. der gewichtigen Fürsprache des Bernhard von Clairvaux und Petrus Venerabilis zu verdanken.82 76 Vgl. Grant: Mentor, S. 179. 77 Edition: Invectiva, ed. Dieterich. 78 Siehe Grant: Mentor, S. 179 f. Arnulfs spätere Bemühungen um Förderung der Etablierung von Regularkanonikern in seiner eigenen Diözese und sein Interesse an der neuen Spiritualität zeigen die Anziehungskraft des innovativen Schwungs der Reformgruppe auf den jungen Kleriker. Siehe Schriber: Dilemma, S. 54 – 66. 79 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. xix; Schriber: Dilemma, S. 16 f. 80 Zur Motivation der normannischen Bischöfe für ihre Haltung gegenüber Stephan von Blois und Arnulfs Rede wider die Thronansprüche Mathildes siehe ebd., S. 13 – 17. Sowohl aus der Feder des Gilbert Foliot als auch, weniger neutral, des Johannes von Salisbury sind Berichte überliefert: The Letters and Charters of Gilbert Foliot, Abbot of Gloucester, Bishop of ­Hereford and London, ed. Zachary Nugent Brooke u. a., Cambridge 1967; Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 83 – 85. 81 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. xix f. 82 Von beiden sind Empfehlungsschreiben erhalten: Martin Bouquet; Léopold Victor Delisle; Michel-Jean-Joseph Brial (Hg.): Recueil des historiens des Gaules et de la France. Contenant

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Zum ersten Mal prallten Arnulfs Amts- und Eigeninteressen auf die harten Fakten politischer Realität. Seine bischöflichen Aufgaben im von der angevinischen Belagerung gezeichneten Lisieux waren schwierig. Die Beziehung zum Grafen von Anjou, von dem er unter Zahlung einer beträchtlichen Summe die temporalia des Bistums zurückkaufen musste, blieb selbst nach Gottfrieds Anerkennung als Herzog der Normandie im Jahre 1144 weiterhin problematisch.83 Ein Intermezzo als verantwortlicher päpstlicher Legat für die normannischen Truppen im französischen Heer verschaffte Arnulf einen Platz als Gesandter zum ­Kaiser in Konstantinopel und in der Gefolgschaft Ludwigs VII. Als er nach der gescheiterten Belagerung von Damaskus das Kreuzfahrerheer verließ, ahnte er nicht, dass ihn bei seiner Rückkehr der erste jener Parteiwechsel bevorstehen sollte, die es Außenstehenden oft schwer machen sollten, seine Handlungen als Ausdruck ehrlicher Loyalität und nicht als opportunistische Reaktionen zu werten.84 Der entscheidende Einschnitt kam mit einer diplo­ matischen Mission an den angevinischen Hof, wo Arnulf auf Geheiß Abt Sugers von Saint-Denis einen drohenden Krieg ­zwischen Frankreich und dem Herzogtum Normandie verhindern sollte.85 Wir wissen nicht, ob Arnulf wirklich, wie Schriber vermutet, das ihm von den Umständen aufgezwungene Gewand des „apolitischen Bischofs“ 86 abstreifen wollte. Offensichtlich aber fand er am Hof der Kaiserin Mathilde und ihres Sohnes Heinrich Plantagenêt zum ersten Mal die Chance auf jene reelle politische Teilhabe, die er sich von Stephan von Blois und Ludwig VII. vergeblich erhofft hatte. Der junge Thronanwärter war dringend auf die Hilfe erfahrener Ratgeber und die Unterstützung der normannischen Bischöfe zur Durchsetzung seiner Ansprüche beim normannischen Adel angewiesen.87 Arnulf von Lisieux wurde damit Mitglied jener ersten Generation der Vertrauten des jungen Plantagenêt, die maßgeblich an der Sicherung seiner la suite des monuments des trois règnes de Philippe Ier, de Louis VI dit Le Gros, et de Louis VII surnommé Le Jeune, depuis l’an MLX jusqu’en MCLXXX, Paris 1968 (ND der Ausgabe Paris 1878) (RHGF, 15), S. 582 f.; Giles Constable (Hg.): The Letters of Peter the Venerable. Bd. 1, Cambridge 1967, S. 261 f. 83 Ein weiterer Konflikt ­zwischen beiden entzündete sich, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven, an der Nachfolge des Bischofs von Sées. Während Arnulf befürchtete, Gerhard, der Kandidat, könne Reformen im Kapitel der Kathedrale zurückwerfen, beanstandete der Herzog, dass er bei der Wahl übergangen worden war. Siehe Schriber: Dilemma, S. 19 f. 84 So berichtet De profectione Ludovici VII in Orientem / Odo of Deuil, ed. Virginia Gingerick Berry, New York 1948. Zur Rolle Arnulfs auf dem Zweiten Kreuzzug auch Schriber: Dilemma, S. 21 f. und Letters, ed. Barlow, S. xxv–xxvii. 85 Vgl. Schriber: Dilemma, S. 22 f. 86 Vgl. ebd., S. 23. 87 Vgl. ebd., S. 34 f.

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Autorität in der Normandie und dem Königreich England beteiligt waren.88 Bereits im Sommer 1149 trat er gegenüber seinem Amtsbruder Robert de Chesney, Bischof von Lincoln, für die schließlich 1150 erfolgte Anerkennung Heinrichs als Herzog der Normandie ein und begleitete Heinrich, ein Jahr s­ päter auch Graf von Anjou, auf seinen Reisen durch die kontinentalen Besitzungen.89 Lisieux, nunmehr Zentrum des angevinischen Rückhalts in der Normandie, wurde zum Schauplatz bedeutsamer Ereignisse und der Herr der Stadt für seine Bemühungen standesgemäß belohnt.90 Neben den einträglichen Markterträgen von Touques und Nonant sprach Heinrich II . ihm nach seiner Thronbesteigung die Kaplanei Bosham zu. Darüber hinaus ernannte er ihn zum obersten Justiziar der Normandie, ein Amt, das Arnulf bis 1157 bekleidete und maßgebliche Kompetenzen in der Rechtsprechung des Herzogtums umfasste. In Abwesenheit des Königs wurde er in ausgewählten Belangen wie der Überwachung des Exchequer zum administrativen Vertreter des Königs.91 Zu Beginn der 1150er Jahre befand sich Arnulf von Lisieux in einer vielversprechenden Stellung für eine politische Karriere.92 Der Justiziarstitel sowie seine Position als Inhaber eines der mächtigsten Bistümer der Normandie und damit einhergehend 88 Peltzer: Henry und Peltzer: Évêques, S. 463 – 465 zeigt wie Heinrich II. während seiner ganzen Herrschaft den normannischen Episkopat als Grundpfeiler seiner Autoritätspräsenz in der Normandie nutzte. Dabei setzte er in den ersten Jahren seiner Herrschaft verstärkt auf einflussreiche und erfahrene Charaktere wie Arnulf von Lisieux, bevor diese Generation von Familiaren im Folgejahrzehnt mit und von einem neuen Episkopat, der sich durch niederere Herkunft, administrative Kenntnisse und damit eine größere Abhängigkeit und Bindung an den König auszeichnete, ersetzt wurden. 89 Nachweisbar durch Arnulfs Zeugenschaft zahlreicher urkundlicher Vorgänge auf normannischem und angevinischem Boden. Details bei Schriber: Dilemma, S. 24. Sein Bittschreiben an Robert de Chesney in Letters, ed. Barlow, S. 7. 90 Die Einführung der Eleonore von Aquitanien als Königin zum Osterfest 1152; die Versammlung Heinrichs und der Barone zur Planung der Invasion Englands am 14. September 1151; Rückkehr des Königs und der Getreuen, um sich nach Stephans Tod am 25. Oktober 1154 zur Invasion zu sammeln. Siehe Chronica Roberti de Torineio, abbatis monasterii Sancti Michaelis in periculo maris, in: Richard Howlett (Hg.): Chronicles of the Reigns of Stephen, Henry II. and Richard I. The Chronicle of Robert of Torigni, Nendeln, Liecht. 1964 (RS, 82,4), S. 3 – 316, hier: S. 162 – 164, 182. 91 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. xxix. Zu den Aufgaben und Beschränkungen des Amtes bzw. Arnulfs Amtserfüllung siehe Francis James West: The Justiciarship in England, 1066 – 1232, Cambridge 2005 (ND der Ausgabe 1966) (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, 12) und Schriber: Dilemma, S. 35 – 37. 92 Arnulf von Lisieux ist einer der in diplomatischen Zeugnissen am häufigsten vertretenen Zeugen: Nicholas Vincent: The Court of Henry II, in: Harper-Bill: Henry, S. 289.

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Graf von Lisieux stärkten seine Stimme bei Hofe. Heinrich II. erkannte schnell das strategische Kapital, das Arnulfs persönliche Beziehungen und Erfahrungen mit der päpstlichen Kurie und dem französischen Hof darstellten und betraute den normannischen Prälaten mit fundamentalen diplomatischen Missionen.93 Als er Fähigkeiten, Macht und Kenntnisse in den Dienst Heinrichs II . stellte, war Arnulf von Lisieux bereits ein Mann reifen Alters. Es scheint ihm zusehends schwerer gefallen zu sein, auf den gesellschaftlichen, kirchlichen und politischen Wandel seiner Zeit einzugehen. Das Gesicht des angevinischen Hofes begann sich zu verändern. Heinrichs Vertraute der ersten Stunde wurden allmählich durch aufstrebende junge Kleriker vom Format eines Thomas Becket ersetzt, die den drängenden Problemen der Zeit effektiver begegnen konnten und zunehmend die Gunst des Königs genossen.94 Die Welt lag im Wandel und es war das Drama des Arnulf von Lisieux, dass er in dieser Zeit des Umbruchs, des Paradigmenwechsels in vorderster Reihe der Geschehnisse stand. Viele seiner früheren Vorbilder, Fürsprecher und episkopalen Amtsbrüder lebten nicht mehr. Die Kooperation von Staat und ­Kirche, in der Herrscher wie Ludwig VII. ihre engsten spirituellen und politischen Berater aus dem monastischen Umfeld rekrutierten, verschwand im Angesicht einer immer selbstbewussteren royalen Emanzipation. Zur gleichen Zeit trat die zunehmend bürokratisch und zentralistisch geprägte Reformkirche weltlichen Ein- und Übergriffen mit der Expansion päpstlicher und universalkirchlicher Gerichtsautorität entgegen. Ein Ausbruch der noch untergründig schwelenden Konflikte schien unvermeidlich. Er kam mit dem Tod und der umstrittenen Nachfolge Hadrians IV. im September 1159. Die kaiserliche Gunst für Viktor IV. ließ Alexander III. keine andere Wahl, als den Beistand der Könige von England und Frankreich zu suchen. Dies bedeutete aber, die Hilfe und Erfahrungen Dritter zu beanspruchen, die in seinem Sinne wirken konnten. In dieser Situation musste Arnulf von Lisieux eine offensichtliche Wahl darstellen.95 93 Zu Arnulfs Wirken, Aufgaben und Errungenschaften als säkularer Magnat siehe Schriber: Dilemma, S. 25 – 38, 49 – 52. Dort auch ein Aufriss über Lage, Einflussbereich, Bedeutung und Besitzungen des Bistums und der Grafschaft von Lisieux auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Genaue Zahlen und eine Einordnung von Lisieux in die normannische Bistumslandschaft bei Peltzer: Henry, S. 1204 – 1207. 94 Das Phänomen dieser ‚new men‘ erregte Kritik. Siehe Ralph V. Turner: Men Raised from the Dust. Administrative Service and Upward Mobility in Angevin England, Philadelphia 1988; ders.: Changing Perceptions of the New Administrative Class in Anglo-Norman and Angevin England. The Curiales and their Conservative Critics, in: Journal of British Studies 29 (1990), S. 93 – 117. 95 Vgl. Soria Audebert: Temps, S. 358 f.

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Der Normanne, der nicht nur im Dienst beider Monarchen ein weites Netzwerk unter den Mächtigen der kontinentalen und insularen Teile des angevinischen Reiches aufgebaut hatte, sondern auch den Zisterziensern und diversen Reformäbten nahestand, war nicht nur das perfekte Bindeglied ­zwischen der ‚alten‘ idealistischen Generation der Reformer und den höfischen Pragmatikers, die die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts prägten, sondern konnte aufgrund seiner Schismaerfahrung als Zeitzeuge und Vorkämpfer der Rechtmäßigkeit Innozenz’ II. unschätzbare Dienste leisten. In den kritischen ersten Monaten des Schismas, in denen die Positionierung der englischen ­Kirche und des englischen Herrschers noch nicht gefestigt waren, engagierte sich Arnulf von Lisieux mit und ohne päpstlichen Auftrag in vielerlei Weise für die alexandrinische Sache.96 Aus seiner Feder stammen Briefe an einflussreiche Adressaten, die die Rechtmäßigkeit der Wahl Alexanders III. unterstrichen und zu dessen Unterstützung aufriefen.97 Im Licht der Teilnahme englischer Vertreter am Konzil von Pavia im Februar 1160 galt es, den Überzeugungsversuchen Friedrichs I. zuvorzukommen, bevor Heinrich Plantagenêt eine Entscheidung gefällt hatte. In der ersten Jahreshälfte befand sich Arnulf von Lisieux daher verstärkt an der Seite seines Königs auf dem Festland, wo er, mittlerweile im päpstlichen Auftrag, durch persönliche Einwirkung auf den Herrscher oder das Unterbinden schädlicher Einflüsse in dessen Umfeld ein baldiges Ende des Schismas herbeizuführen oder zumindest die Entscheidung des Regenten positiv zu beeinflussen suchte.98 Als der englische Episkopat im Juni 1160 in London mit königlicher Erlaubnis über eine Empfehlung in der Schismafrage beriet, spornte der Normanne mit einem ausdrucksstarken, argumentativen Positionsbrief den versammelten Episkopat an, sich hinter Alexander III. zu stellen, und begünstigte letztlich damit die E ­ ntscheidung 96 Die Verunsicherung des englischen Hochklerus zur damaligen Zeit schilderte Erzbischof Theobald von Canterbury in Joannis Saresberiensis: Ep. 116. Illa est regnorum, in: Early Letters, ed. Millor u. a. Heinrich II. hatte neben kirchenpolitischen Erwägungen auch noch den kapetingisch-angevinischen Konflikt zu beachten, der zu d­ iesem Zeitpunkt in Anbetracht der Bedrohung aus dem Heiligen Reich eine Pattsituation herbeiführte. Eine eigenmächtige Entscheidung in der Schismafrage konnten zu ­diesem Zeitpunkt weder Ludwig VII . noch Heinrich II. treffen. 97 Arnulfus Lexoviensis: Ep. 23. Audita sancte Romane ecclesie (S. 29 f.), Ep. 24. Benedictus deus et pater (S. 30 – 33) und Ep. 28. Quanta tempestate laboret ecclesia (S. 38 – 43), in: Letters, ed. Barlow. 98 Seine Aufenthalte sind nachweisbar durch Beurkundungen und Zeugenschaften: Schriber: Dilemma, S. 43. Seine Bemühungen bei König Heinrich II . schildert AvL Ep. 24, S. 32 f. Zu Alexanders Auftrag an Arnulf von Lisieux siehe XVII. Litteras tuas nobis prudentia, in: Bouquet 15, S. 760: Volumus quidem te apud eumdem Regem et episcopos, atque adjacentes personas, quasi quemdam apostolum et nuncium veritatis in illis partibus experiri […].

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der Versammlung, sich bei Heinrich II. offiziell für eine Anerkennung Alexanders III. auszusprechen.99 Als Alexander III. s­ päter zur Flucht ins kapetingische Herrschaftsgebiet gezwungen war, konnte Arnulf eine weitere Facette seines Könnens gewinnbringend einsetzen. Die Bemühungen um Obödienzerweiterung wurden nach Myriam Soria Audeberts Untersuchung des alexandrinischen Kommunikationsnetzwerks im französischen Exil von verschiedenen Akteuren getragen und vorangebracht, die aufgrund ihrer Reputation und ihren eigenen verzweigten personalen Netzwerke als Multiplikatoren alexandrinischen Gedankenguts auf klerikaler oder laikaler Ebene dienen konnten.100 Neben dem Bischof von Beauvais, Henri de France, der nach und vor seiner Wahl zum Reimser Erzbischof im Januar 1162 maßgebliche Unterstützungsarbeit leistete und zum „principal artisan de reconnaissance de la légitimité d’Alexandre III dans le royaume“ 101 wurde, war Arnulf von Lisieux eine dieser Hauptstützen des alexandrinischen Kampfes. Auf dem Konzil von Tours, das mit Rückhalt der Könige von Frankreich und England in der Tradition vorhergegangener Exilkonzilien unter Urban II ., Paschalis II . und Calixt II . neben seiner gesetzgeberischen Funktion die apostolische Autorität zur öffentlichen Verurteilung der kirchenpolitischen Opponenten ­nutzen sollte, nahm der exilierte Papst erneut die rhetorischen Fähigkeiten des juristisch gebildeten Bischofs von Lisieux in Anspruch.102 Am 19. Mai 1163 kam Arnulf neben dem Papst höchst selbst, Wilhelm von Pavia, Kardinalpresbyter von S. Pietro in Vincoli, und Heinrich von Pisa, Kardinalpresbyter von SS . Nereo e Achilleo, sowie den Erzbischöfen von Rouen und York die Ehre zu, eine der Eröffnungspredigten zu 99 Siehe AvL Ep. 28. 100 Siehe Soria Audebert: Temps, S. 355: „Ce sont tout d’abord d’anciennes connaissances avec lesquelles il est certainement plus aisé de renouer et dont il est quasiment certain d’obtenir le soutien. Ce sont aussi des personnages d’envergure, au sens où ils sont eux-mêmes inscrits dans d’importants réseaux de fidélités et de solidarités; de ce fait, ils sont susceptibles de toucher rapidement un auditoire nombreux. Enfin, ils apparaissent tous comme des personnages influents auprès des princes, mais aussi auprès du clergé auquel ils appartiennent. L’ensemble de ces points communs va également jouer un rôle important dans les consignes que leur transmettra le pape et dans l’argumentation qu’il utilise pour les convaincre de participer à son combat.“ 101 Ebd., S. 356. Zu Henris Rolle als wichtigste Figur der Kampagne siehe ebd., S. 356 – 358, 370. 102 Zu den Umständen und Rahmenbedingungen des Konzils: Reuter: List, S. 116 – 119 und Robert Somerville: Pope Alexander III and the Council of Tours (1163), Berkeley, CA 1977 (Publications of the Center for Medieval and Renaissance Studies, 12). Arnulfs rhetorisches Geschick und seine vielseitige Sprachbegabung attestieren besonders auch sein lyrisches Werk. Siehe dazu die jüngste Edition der carmina: Ewald Könsgen: Die Gedichte Arnulfs von Lisieux († 1184), ed. ders., Heidelberg 2002.

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halten. Es war eine wichtige Aufgabe, sollte das Konzil doch im Schulterschluss der ­ irchen Englands und Frankreichs, deren Vertreter den Großteil der anwesenden K Teilnehmer ausmachten, die päpstliche Politik propagieren.103 Zudem bot es eine Möglichkeit, durch Überzeugungsarbeit in den kapetingischen wie angevinischen Herrschaftsgebieten potenzielle Parteigänger zu gewinnen, auf die der Exilierte dringend angewiesen war.104 Als Reaktion auf die Erfordernisse der Situation erweiterte der Normanne sein Beistandsspektrum durch die verblüffend gemäßigte Verbreitung alexandrinischer Propaganda von der Kanzel und erhobt dort die kirchliche Freiheit zum einzigen Weg zur erneuten Einheit der ­Kirche und damit zum Ende ihrer Spaltung.105 Abgesehen von der Exkommunikation Viktors IV . und einiger seiner prominenten Getreuen scheint das Schisma auf dem Konzil von Tours – trotz seiner Zielsetzung als Demonstration von Autorität und Einigkeit gegenüber den viktorinischen Kräften – keinen prominenten Platz eingenommen zu haben. Selbst gegenüber Friedrich Barbarossa, der nicht in den Kirchenbann eingeschlossen wurde, setzte man eher versöhnliche als kämpferische Akzente – ein definitiver Bruch war zu d­ iesem Zeitpunkt nicht Alexanders Wunsch.106 Der zurückhaltende Ton des Konzils, das auch als Ausdruck des päpstlichen Rückhalts in England und Frankreich ein Signal an die Magnaten beider Reiche senden wollte, zeigt, dass die Hoffnung auf ein zukünftiges Zusammenfinden von regnum und sacerdotium noch nicht verloren gegeben war.107 Die konziliante Haltung und politischen Prämissen, die Alexander III . angesichts seiner Abhängigkeit von den Westkönigen bezüglich der Verteidigung der libertas ecclesiae vertrat, scheint Arnulf nicht zur Gänze geteilt zu haben.108 In einem 103 Zur Identität und Anzahl der Teilnehmer siehe Somerville: Tours, S. 19 – 49, der dabei Reuters Erkenntnisse außer Acht lässt, dass die Teilnahme hinter den Erwartungen zurücklag und die Wirkkraft des Konzils durch das Übergewicht des englischen und französischen Klerus gemindert war. Siehe Reuter: List, S. 119 – 121. 104 Zur Notwendigkeit der Einflussnahme auf französische Entscheidungsträger auf weltlicher und kirchlicher Seite siehe Soria Audebert: Temps, S. 352 f. Alexanders Strategie, sich des französischen Episkopats als Financier, Fürsprecher und Bindeglied zum Adel des Königreichs zu bedienen, wird herausgestellt in Myriam Soria: Alexander III and France: Exile, ­Diplomacy and the New Order, in: Clarke/Duggan: Pope. 105 Vgl. ebd., S. 358 – 362. 106 Siehe dazu Reuter: List, S. 121 f. Somerville: Tours, S. 64 f. beleuchtet auch die Predigt Arnulfs von Lisieux im Hinblick auf hoffnungsvolle Aussagen, dass Friedrich Barbarossa noch eine Wende seiner Kirchenpolitik einläuten könne und solle. 107 Vgl. Soria Audebert: Temps, S. 371. 108 Vgl. ebd., S. 376 – 378.

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Brief an den Papst zur Besetzung der cathedra von Sées im Jahre 1161 klagt er über Alexanders Nachsicht gegenüber der weltlichen Einmischung Heinrichs II ., dessen Kandidat, Froger, von Alexander unterstützt worden war.109 Während Arnulf selbst noch die kämpferischen Prinzipien der Reformbewegung seiner frühen Karriere vertrat und die Säkularisierung des Kathedralkapitels durch Froger befürchtete, musste er den praktischen Anforderungen der Begebenheiten Raum einräumen.110 Im Allgemeinen aber zeigt sich in seinem Handeln eine Hinwendung von der säkularen Politik zu seinen Verpflichtungen gegenüber dem Papst und Aufgaben auf kirchlicher Ebene, die nahelegt, dass die Unterstützung Alexanders III . ihm genuin am Herzen lag.111 Die kirchenpolitische Positionierung in der Frühzeit des Schismas stellte für Arnulf von Lisieux keine Schwierigkeit dar. Für ihn stand außer Frage, dass der ehemalige Kanzler der Kurie, Magister Rolandus, der rechtmäßig gewählte pontifex maximus war. Arnulfs Glück in diesen Jahren war, dass sein weltlicher Herr, Heinrich II., öffentlich den alexandrinischen Kurs eingeschlagen hatte. Zur persönlichen Zerreißprobe kam es erst wenige Jahre ­später durch Heinrichs Bruch mit dem englischen Primas und langjährigen Vertrauten Thomas Becket. Mit der Ausweitung der zunächst aus reinen Fragen der Rechtsprechung motivierten Kontroverse zum handfesten ideologischen Zusammenprall der selbstbewussten Universalkirche mit den neuen herrscherlichen Autonomiebestrebungen verschoben sich die Fronten. Der Becketkonflikt wurde zur „pivotal crisis“ 112, an der Arnulfs große Lebensüberzeugung, dass ein Prälat erfolgreich zwei Herren dienen konnte, zu zerbrechen drohte. Arnulfs Briefe eröffnen einen Blick auf seine eigene politische Philosophie zum Verhältnis von regnum und sacerdotium. Diese war konservativer als die Positionen seiner Invectiva oder der Eröffnungspredigt von Tours. Trotz seiner juristischen Vorbildung und Funktion als Richter im kirchlichen und weltlichen Bereich interessiert 109 XXXI und XLII, in: Migne PL 201. 110 Soria Audebert: Temps, S. 378: „En 1133, Arnoul était devenu le porte-parole d’un abbé ardent défenseur d’un idéal théorique du gouvernement pontifical. En 1163, il donne un écho inattendu à l’attitude conciliante choisie par Alexandre III confronté à des difficultés pratiques importantes pour établir une monarchie pontificale stable. Comme d’autres personnages de son temps, Arnoul comprend bien la logique de ces nouvelles exigences, mais il conserve l’idéal combattant qui l’animait trente ans plus tôt.“ 111 Etwa als Richter in kirchlichen Belangen, Legat des Apostolischen Stuhls oder durch Erfüllung anderweitiger päpstlicher Aufträge. Siehe Schriber: Dilemma, S. 47 f. Seine teils reformerischen Bemühungen in seinem eigenen bischöflichen Wirkungsbereich thematisieren ebd., S. 52 – 66 und Letters, ed. Barlow, S. xxxv–xl. 112 Schriber: Dilemma, S. 98.

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sich Arnulf nicht speziell für die Frage der Zuständigkeitsbereiche der jeweiligen Gerichtsbarkeit, auch wenn er zuweilen gegenüber Alexander III. die Anhörung von Vergehen, die in seinen Augen kirchlicher Natur waren, vor einem weltlichen Gericht anprangerte.113 Arnulfs Ansicht, dass weltliche und geistliche Gewalt nur eng mitein­ ander verzahnt zum Wohle aller fungieren konnten, war in ihrer Konventionalität wenig wegweisend.114 In der Hochphase von dessen Disput mit dem König, im März 1165, belehrte er Thomas Becket: „[D]ie königliche Macht und das Priestertum […] [seien] durch eine s­ olche Notwendigkeit der Vernunft miteinander verbunden, dass sie die größte Kraft der einen mit der anderen vereine.“ 115

1.1.2  Parteinahmen: Becketkonflikt, Gnadenverlust und Karriereende Der Becketkonflikt stellte die vom überlebensnotwendigen Pragmatismus eines dem Hofdienst und der geistlichen Berufung zugleich verpflichteten Mannes geprägte Philosophie auf eine harte Probe. Es galt Partei zu ergreifen; eine diffizile Aufgabe für jemanden, der mit allen Beteiligten vertraut persönlich war. Vielleicht half Arnulf die wachsende Entfremdung von Thomas Becket, dessen Erhebung zum Kanzler 1155 er durch seine Fürsprache beim König maßgeblich unterstützt hatte. In seinem Gratulationsschreiben, das von einer fast väterlichen Beziehung des normannischen Bischofs zu seinem Landsmann zeugt, zeigte Arnulf sich erfreut darüber, dass weder Tagesgeschäft noch räumliche Distanz ihrer Freundschaft und gegenseitigen Gunst Abbruch getan habe.116 Noch teilte er gerne seine reiche Erfahrung über die Fährnisse des höfischen Lebens und warnte zum Wohle des Neueinsteigers vor dem lasterhaften Neid und der Missgunst unter den Mitgliedern der curia.117 113 Siehe Arnulfus Lexoviensis: Ep. 116. In episcopatu, in: Letters, ed. Barlow, S. 179. 114 Vgl. Richard Wayne Huling (Hg.): English Historical Writing Under the Early Angevin Kings, 1170 – 1210, Diss. phil. State University of New York, Binghamton 1980, S. 166 – 173. 115 Vollständiges Zitat bei Arnulfus Lexoviensis: Ep. 42. Magnam michi leticiam dignationis, in: Letters, ed. Barlow, S. 76. 116 Vgl. Arnulfus Lexoviensis: Ep. 10. Litteras uestre dignationis accepi, in: ebd., S. 13 – 14, hier: S. 13. 117 Ebd., S. 14: Torquetur igitur, mentisque tormentum contracta uultus hylaritate dissimulat, et obscuram fallatibus blanditiis induit simultatem. Porro si aduersus quempiam fauor principis fuerit inmutatus, eumque ceperit oculo seueriore perstringere, omni statim solatio destitutus egreditur is, quem sodalium gratia, quem applausus, quem denique sedula omnium obsequia frequentabant. Insultant quorum compassionem sperabat ad omnia, et ueteres occasionem nacti requirunt iniurias, ipsaque benefitia sinistra constanter interpretatione deprauant.

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Welche Erwartungen der Bischof von Lisieux in Becket auch gesetzt haben mochte, sie scheinen bald getrübt worden zu sein.118 Vielleicht war es der kometenhafte Aufstieg und sein Aufschwung zum Rivalen um die Gunst und das Vertrauen des Königs, vielleicht missfiel Arnulf Heinrichs Wahl eines Höflings niederer Herkunft für das wichtigste Amt der englischen Landeskirche. Fakt ist, dass das Gratulationsschreiben zu Beckets Erhebung zum Primas von England 1162 im Vergleich zu jenem von 1155 bemerkenswert einsilbig und unpersönlich ausfällt.119 Thomas Becket war nicht der einzige Agent im Drama der Kontroverse, mit dem Arnulf von Lisieux in näherem Kontakt stand. Auch seine Verbindung zu Alexander III . ist durch engen und sehr unumwundenen Briefkontakt z­ wischen beiden Männern belegt. Was nicht zu dem Schluss verleiten sollte, Arnulf habe sich klar auf die Seite der Vorkämpfer kirchlicher Privilegien geschlagen. Zeit seines Lebens hatte der Bischof von Lisieux einen Weg gesucht, persönliche Ambition und die Anforderungen seiner Berufungen miteinander zu verbinden, ein Weg, der unvermeidlich zu fragwürdigen Kompromissen und schwankenden politischen Allianzen führte. In der einen Lebenssituation, die dies unmöglich machte, wählte er tragischer Weise die Partei des Mannes, an dessen Seite er sich seit Jahren einen Vorrang erhofft hatte, den nun andere einnahmen. Zum Ausbruch des Disputs im Jahr 1163 geben die Becketviten vage Hinweise auf das Abkühlen königlicher Zuneigung gegenüber dem engen Berater seiner frühen Regierungsjahre. Es ist möglich, dass Heinrich Arnulfs Engagement zur Beilegung der Kirchenkrise von 1159 nicht uneingeschränkt begrüßte.120 Für einen klaren Bruch bereits zu dieser Zeit spricht allerdings nichts.121 Vielmehr scheint 118 Folgt man dem Zeugnis der Vita Sancti Thomae, Cantuariensis archiepiscopi et martyris, sub Rogerii Pontiniacensis Monachi nomine olim edita, in: James Craigie Robertson (Hg.): Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury. Anonymous Lives, Quadrilogues etc., Bd. 4, Nendeln, Liecht. 1965 (RS, 67,4), S. 1 – 79, hier: S. 12. Vage in der Identifizierung der Fürsprecher bleibt Vita Sancti Thomae, Cantuariensis archiepiscopi et martyris, auctore Willelmo Filio Stephani, in: MTB 3, S. 18. 119 Vgl. Arnulfus Lexoviensis: Ep. 36. Litteras beatitudinis uestre tanto, in: Letters, ed. Barlow, S. 63. Die Verwendung einer großen Dichte von verweisenden Bibelzitaten und die abschließende Entschuldigung über die Kürze der Worte, die Arnulf mit dem Wunsch einer schnellen Antwort auf die Neuigkeiten begründet, verraten eine gewisse Distanz z­ wischen Absender und Empfänger. 120 Vgl. Vita et Passio S. Thomae, auctore Willelmo, monacho Cantuariensi, in: James Craigie Robertson (Hg.): Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury. Bd. 1, Nendeln, Liecht. 1965 (RS, 67,1), S. 1 – 172, hier: S. 14; Vita S. Thomae, Cantuariensis archiepiscopi et martyris, auctore Edwardo Grim, in: MTB 2, S. 377 und Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 29. 121 Als Beleg führt Schriber: Dilemma, S. 99 die weitere Präsenz Arnulfs bei Hofe an.

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Arnulf die Chance, die ihm der Fall Beckets zur Rückgewinnung des königlichen Vertrauens bot, erkannt zu haben. Dass er sie ergriff, muss nicht bedeuten, dass seine Hauptmotivation Eigennutz war. Auch seine „angeborene Vorliebe zu Kompromiss und Zweckmäßigkeit“ 122 könnte ihn verleitet haben, seine Treue gegenüber seinem König und Lehnsherrn über die moralischen Maximen seines Glaubens zu stellen. Innerhalb Arnulfscher Handlungslogik ist seine Entscheidung stimmig. Die meisten Bischöfe des angevinischen Reiches positionierten sich auf Seiten des von der Universalkirche propagierten Vorrangs kanonischen Rechts und kirchlicher Jurisdiktion in der gesamten christlichen Gemeinschaft. Es verwundert daher kaum, dass der Sonderweg des Bischofs von Lisieux und sein Kampf auf Seiten des Plantagenêt bei den Zeitgenossen, besonders bei den Becketbiographen, auf wenig Gegenliebe stießen. Insbesondere seine Intervention auf dem Hoftag von Westminster 1163, auf dem der schwelende Konflikt Heinrichs II. mit seinem Erzbischof eskalierte, erschien Zeitgenossen und der modernen Geschichtsschreibung als durch eigene Interessen motivierter, heuchlerischer Betrug.123 Becket stellte sich Heinrichs Bemühungen entgegen, durch die Wiederherstellung des Gewohnheitsrechts der Regierung seines Großvaters Heinrichs I. die in der Zeit der Anarchie entfremdete Kontrolle über die ­Kirche zurückzuerlangen. Seine Suffraganbischöfe standen zunächst geschlossen hinter der Weigerung ihres Primas, die einmal gewonnenen Privilegien der freien ­Kirche durch weltliche Intervention geschmälert zu sehen. Erst als Arnulf von Lisieux seinem Herrn riet, die Unterstützungsphalanx der Bischöfe durch gezielte Annäherung an einzelne Glieder aufzubrechen, entfernten sich Roger de Pont L’Évêque, Erzbischof von York, und die Bischöfe von Chichester, Lincoln und London von ihrem Primas.124 122 Ebd., S. 101. 123 Vgl. Stefanie Jansen: Wo ist Thomas Becket? Der ermordete Heilige z­ wischen Erinnerung und Erzählung, Husum 2002 (Historische Studien, 465), S. 28 f. und Schriber: Dilemma. 124 Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 377: ‘Domine‘, inquit [i. e. Arnulf von Lisieux], ‚ut archiepiscopus a conceptu cordis sui facile reflectatur, prius episcoporum aliqui revocentur, qui vestras faveant partes et instituta confirment, et sic demum illius infirmata pertinacia, levare manum solus contra multitudinem non audebit; dum enim coepiscoporum constantia roboratur, et fulcitur assensu, invincibilis perseverat.‘ Siehe auch Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 29: ‚Controversia quae inter te et archiepiscopum vertitur difficilis est et vix finienda; impossibile namque est archiepiscopum tibi subjici, quamdiu unanimes et in eadem cum eo sententia suffraganei sui fuerint. Quapropter si omnes ab eo evellere non potueris, saltem aliquos de numero eorum tibi quoquo modo applicare satage; quo facto non facile pars reliqua subsistere poterit. Die Version stützen auch WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 14. Zum Meinungswechsel der genannten Bischöfe siehe Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 377 und Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 30. WvCanterbury Vita et Passio,

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Im Nachspiel des Großen Rats zu Northampton versuchte Arnulf auf königliches Geheiß auf sechs Missionen an die alexandrinische Kurie vergeblich, das päpstliche Plazet für die umstrittenen Rechtssätze sowie die Legatenschaft über England für Roger von York zu gewinnen.125 Seite an Seite mit Richard von Ilchester, dem Archidiakon von Poitiers und einem der Männer, die auf dem kaiserlichen Hoftag von Würzburg die so umstrittenen Eide ablegten, wurde Arnulf in den Jahren 1163 und 1164 zum wichtigsten diplomatischen Bindeglied z­ wischen dem angevinischen Hof und der Exilkurie in Sens. Umso bemerkenswerter ist, dass sich um das Weihnachtsfest des Jahres 1164 eine weitere Verschiebung seiner Loyalitäten ankündigte. In einem an Becket persönlich gerichteten Brief berichtet Nikolaus von Rouen von seinem Zusammentreffen mit dem Bischof von Lisieux auf dessen normannischem Gut in Nonant. Er schildert nicht nur ausführlich Arnulfs vertrauliche Gunstbekundungen gegenüber der erzbischöflichen Sache, sondern übermittelt auch den wertvollen wie unerwarteten Rat des Prälaten an Becket, mit seinen Mitteln hauszuhalten und zum Wohle der Verhandlungsposition seine Vermögensverhältnisse im Exil nicht transparent zu machen, da Heinrich beabsichtige, den Widersacher durch eine Sperre des Geldflusses aus dessen insularen Einnahmen zur Rückkehr zu zwingen.126 In einem persönlichen Schreiben Arnulfs, das Becket im Februar oder März 1165 erreichte, setzte ihn der pontifex von Lisieux über die Situation im englischen Königreich ins Bild. Er gab die Kritikpunkte wieder, die in der Öffentlichkeit über Becket kursierten, und lieferte hilfreiche Einschätzungen zu Charakter und Gemütsverfassung Heinrichs II. sowie Informationen über Sympathisanten und Gegner Beckets im Episkopat, die Haltung des Adels und niederen Klerus oder mögliche Quellen der Hilfe von dritten.127 Kernstück des umfassenden Lageberichts war allerdings ein erneuter Ratschlag an Becket, der wie ein Spiegel der persönlichen Einstellungen des normannischen Bischofs wirkt: ed. Robertson, S. 14 spricht gar von einem geschlossenen Abfall des englischen Episkopats. Die halbherzige Unterstützung der harten Linie Thomas Beckets durch Hilarius von Chichester schildert Vita Sancti Thomae, archiepiscopi et martyris, auctore Herberto de Boseham, in: MTB 3, S. 273 f. 125 Vgl. Radulfi de Diceto decani lundoniensis opera historica. The Historical Work of Master Ralph de Diceto, Dean of London, Ymagines Historiarium, ed. William Stubbs, Wiesbaden 1965 (ND der Ausgabe 1867) (RS, 68,1); Nr. 85. Alexander papa Thomae Cantuariensi archiepiscopo, in: MTB 5, S. 85. 126 Vgl. Nr. 76. Nicolaus de Monte Rothomagensi ad Thomam Cantuariensem Archiepiscopum, in: MTB 5, S. 147 f.; Ep. 41. Quante compasionis uisceribus aduersitatis, in: CTB I, S. 158 – 169. 127 Vgl. AvL Ep. 42, S. 69 f.

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Arnulf von Lisieux (gest. 1182) Interim si quid uobis serenitatis ceperit apparere, occasionem uestra sapientia non repellat, set oblatam promto colligatis amplexu. Super quo si quid tractandum inciderit, nolite singulos articulos nimia subtilitate discutere; quia subtilitas contentionem parit, contentio uero sopitos odiorum ignes quasi quibusdam flatibus excitat et accendit. Non erit uobis ad singularia decurrendum, set quasi generalibus studiosius inherere, quia salua res est, nisi pactiones specialiter expresse perimant libertatem. Si enim nos fidei profitemur, et reuerentie et obsequii debitores, si bona et personas nostras honori et utilitatibus eius offerimus impendendas, si regias dignitates et antiquas consuetudines, in quibus legi dei non obuiant, promittimus obseruare, non ledit, quia in his omnibus contra debitum nullatenus obligamur. Si ergo sub hac uel simili uerborum conceptione pacem uobis et uestris bonitas diuina parauerit, interpretationes uerborum futuris reseruate temporibus […].128

Es ist die Scheu vor ideologischen Exzessen, der Mittelweg, den Arnulf predigt.129 Die Konstitutionen von Clarendon (und damit die Würde und Autorität des englischen Herrschers) s­ eien durchaus mit den geistlichen Gelübden vereinbar, solange sie nicht expressis verbis gegen das göttliche Recht verstießen. Voraussetzung sei, man nehme sie an, ohne durch die Diskussion von spitzfindigen Detailfragen die harte eigene Position über den Willen zur Einigung zu stellen. Dies erlaube, sowohl das Gesicht des Königs wie die Integrität der ­Kirche zu wahren. Arnulfs Rat fiel nicht auf fruchtbaren Boden. Becket war kein Mann der pragmatischen Mitte. Im Frühjahr des Jahres 1165 allerdings erneuerte Arnulf von Lisieux, vielleicht weil er in seinem eigenen Konflikt mit Gottfried von Anjou Parallelen zu Beckets Zwangslage erkannte, noch hoffnungsvoll sein Hilfsangebot an den exilierten Erzbischof.130 Dessen Person und Anliegen habe er aufrichtig und voller Hochachtung in sein Herz geschlossen und sei aus Mitleid mit Beckets unglücklicher Lage bereit, seiner Sache treu und mit Tatkraft zu dienen.131 Trotz dieser ausdrucksstarken Versicherung erbat sich Arnulf dringende Geheimhaltung.132 Nicht nur zu seinem eigenen Schutz, sondern auch zum Wohle und Erfolg seines Einsatzes, gelte es, sein wahres Gesicht zu verdecken: 128 Vgl. ebd., S. 76 und Ep. 45, in: CTB I, S. 198 f. 129 Vgl. ebd., S. 196 f.: Ceterum, media uobis erat uia securior, ut nec propositum uestrum aduersitatis austeritas interuertat, nec conscientia ueritatis obduret […]. 130 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. xliv. 131 Vgl. AvL Ep. 42, S. 77. 132 Ebd., S. 78 oder CTB I 45, S. 200 f.: Verum, si hec alicui duxeritis ostendende, nomen supprimatur auctoris, quia, quantum mea intersit, hec ac regis notitiam non uenire uestra experientia non ignorat. Rescribite michi crebrius, sed secrete, ut quomodo procendum sit, uestra me prudentia doceat, et curiosa malignitas nostra inuicem studia non cognoscerat.

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Proinde sic agendum erat michi, ut me uobis prima facie profitear inimicum; quia amicum profitenti neque fides haberetur, nec aliquis prestaretur accessus. Poterit igitur conciliando fauori simulatio deseruire, ut utilitate uestre cautius uirtus operis et industria sermonis incubat.133

Zweideutig auslegbare Aussagen wie diese haben dem Bild Arnulfs als „Prälaten von zweifelhaftem Ruf “ 134 sowohl in den Augen der Zeitgenossen als auch in denen der Forschung Vorschub geleistet. Allerdings war es in Anbetracht der Auswirkungen, die eine Entdeckung seiner Annäherung an die erzbischöfliche Partei gehabt hätte, ein legitimes Anliegen, auf Geheimhaltung zu drängen. Eine Annäherung des englischen Herrschers an das kaiserliche Lager deutete sich an. Heinrichs Maßnahmen, insbesondere der Repressalien gegen Beckets Vertraute und Parteigänger auf der Insel, wurden immer radikaler. Es nicht unwahrscheinlich, dass Arnulf in dieser Situation, die sich aus der Sicht eines gemäßigten Kirchenmannes ungünstig zu entwickeln schien, seinerseits versuchte, eine tragfähige Basis für einen Friedensschluss zu schaffen. Tatsächlich war der Bischof von Lisieux darauf bedacht, sein Hilfsangebot nicht bedingungslos zu unterbreiten.135 Seine Betonungen einer Hilfsbereitschaft um des Friedens willen und seine Warnungen vor Übereifer und überzogener Inflexibilität lassen erkennen, dass es genau dies war, was er bei den beiden Kontrahenten zu verhindern suchte.136 Zudem sollte es als Bedingungsrahmen verstanden werden, innerhalb dessen er willens war zu handeln. Anstatt einer Besserung der Lage erlebte Arnulf die weitere Eskalation des Konfliktes. Die Vehemenz des Königs, Beckets Widerspenstigkeit und die scheinbare Hilflosigkeit Alexanders III. verhinderten eine schnelle Lösung. Spätestens als Beckets Drohung, die Vollstrecker königlicher Kirchenpolitik zu exkommunizieren, den Graben weiter vertiefte, besuchte Arnulf, der mittlerweile auch in seiner eigenen Diözese und seinem eigenen Kathedralkapitel die Auswirkungen des Becketkonflikts zu spüren begann, enttäuscht von der Halsstarrigkeit des Primas und in der Hoffnung, an der Seite des Königs effektiver wirken zu können, zusammen mit dem Erzbischof von Rouen und anderen normannischen ordinarii am 1. Juni 1166 Heinrichs Rat in Chinon. Dort empfahl er, den angedrohten Exkommunikationen durch eine

133 AvL Ep. 42, S. 77 oder CTB I 45, S. 198 f. 134 Vgl. David Knowles: The Episcopal Colleagues of Archbishop Thomas Becket, Cambridge 1951 (The Ford Lectures Delivered in the University of Oxford, 1949), S. 58 f. 135 Vgl. Schriber: Dilemma, S. 104. 136 Vgl. AvL Ep. 42, S. 77: Ego uero fidele paci uestre ministerium, ut deuotusm, ita promtus, impendam, quoniam aduersitati uestre, Deo teste, compatior, et personam uestram et causam sincere brachiis caritatis amplector.

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­ ppellation zuvorzukommen, eine Aufgabe, die man Rotrod von Rouen, Froger von A Sées und ihm zuteilte.137 Das Scheitern der entsprechenden Mission nach Pontigny, die zu spät eintraf, um Becket von der Verkündung der fatalen Exkommunikationen in Vézelay abzuhalten, aber vielleicht auch eine generelle Unzufriedenheit mit dem Misserfolg seiner Bemühungen ließen Arnulf um das königliche Plazet für seinen Rückzug aus dem tagespolitischen Geschäft in das monastische Leben der Zisterzienserabtei Mortemer bitten.138 Heinrich II. lehnte ab. Stattdessen wurde der alternde Bischof im September 1169 ungewollt Zeuge des seiner Meinung nach vermeidbaren Scheiterns der Friedens­ vermittlungen von Bur-le-Roi, als die alexandrinischen Gesandten Vivian und Gratian einen Passus zur Wahrung der königlichen Würde ablehnten.139 In seinem empörten Protestschreiben an Alexander III. erinnerte er ein letztes Mal an die Verzahnung beider Gewalten und die Notwendigkeit, sich nicht in hinderlichen terminologischen und ideologischen Spitzfindigkeiten zu verlieren.140 Erst als man Arnulfs Rat beherzigte und von kontroversen Phrasen und überzogenen Forderungen symbolischer Akte Abstand nahm, kam es am 22. Juli 1170 zum Frieden von Fréteval.141 Mit seiner unverzüglich nach seiner Rückkehr nach England durchgeführten Exkommunikation der Akteure der provokanten Krönung ­Heinrichs des Jüngeren verlor Thomas Becket jegliche Restsympathien seines zeitweiligen Unterstützers. Ein solches Maß an Engstirnigkeit war für den Bischof von Lisieux schlicht unfassbar.142 137 Einige Kanoniker von Lisieux, darunter die beiden Archidiakone Hugo von Nonant, G ­ ilbert de Glanville und sein eigener Neffen Sylvester, hatten sich Beckets Gefolgschaft im Exil angeschlossen, ein Umstand, der Arnulfs Gegnern im Kathedralkapitel in die Händen spielte. Siehe Schriber: Dilemma, S. 104. Zu Arnulfs Anwesenheit und Intervention in Chinon: Joannis Saresberiensis: Ep. 168. Licet ex more scribentum, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 110 f.; Robert William Eyton: Court, Household, and Itinerary of King Henry II , Hildesheim u.a 1974, S. 93 – 95 sowie Frank Barlow: Thomas Becket, Berkeley, CA 1990, S. 146. 138 Das Misslingen der Delegation schildert: HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S.  393 f. Zu Arnulfs Bemühungen um einen Rückzug, die ablehnenden Reaktionen ­Heinrichs II . und dementsprechenden Schmähungen der Becketanhänger siehe Nr. 253. Thomae Cantuariensis Archiespiscopo quidam amicus, in: MTB 6, S. 72 – 74 und Schriber: Dilemma, S. 104 f. 139 Vgl. ebd., S. 105 und Barlow: Becket, S. 188 – 190. 140 Vgl. Arnulfus Lexoviensis: Ep. 55. Nuntios et litteras uestras, in: Letters, ed. Barlow. 141 Siehe Barlow: Becket, S. 208 – 212. 142 Zur d­ iesem Verstoß gegen das Krönungsrecht des Primas von Canterbury siehe ebd., S. 202 – 204, 206 – 207.

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Es war aber nicht nur die persönliche Enttäuschung eines ungehörten Ratgebers, sondern eine genuine Angst um das Wohl des Landes, die Arnulf im Dezember 1170 Alexander III. seine Bitte um mäßigende Einwirkung auf Becket vortragen ließ: Supplicamus ergo dilectissime nobis paternitati uestre […] quatinus auctoritas uestra […] sacerdotis animositatem temperet et refrenet, ne subita pacis insperate leticia, quam de uestra benignitate percepimus, in eam crescat insolentiam, ut confidentia gratie uestre bella regibus inducat et regnis; quia noster et multorum metus est, ne scintillula hec ad incendium coalescat, nisi discreta seueritas celerius hominis illius feruorem temperet et compescat audatiam.143

Zu guter Letzt hatte der normannische pontifex seine Position gefunden. Sie lag nicht bei Thomas Becket, der „Feuer und Schwert tragend“ die „stillen Anfänge des Friedens durch seine Flüche zunichte“ 144 gemacht habe. Als Augenzeuge versichert Arnulf Alexander III., dass Ansehen und Güter des Erzbischofs von Canterbury und der Friede ­zwischen ­diesem und seinem Landesherrn unter bewundernswerter Selbstüberwindung des Königs und zum Wohle der Universalkirche und ihres Friedens wiederhergestellt worden ­seien 145: Vicit tamen regem inuictissimum uestre reverentia maiestatis, et contra spem multorum, contra opinionem uniuersorum, ex quo dominus imperauit uentis et mari, uniuersa procellarum perturbatio conquieuit. Vicit enim iram, uicit odium, uicit denique seipsum ad preces uestras rex potentissimus, et precedentes acerbitates ob deuotionem uestre paternitatis clementia commutauit […].146

In d­ iesem Schreiben tritt Arnulf nicht zum letzten Mal als Verteidiger der Haltung und Handlungen des englischen Königs auf. Wenige Tage ­später machte er sich, bei Eintreffen der Nachricht von Beckets gewaltsamem Tod an der Seite Heinrichs II. in Argentan die Verteidigung des Plantagenêt zur Aufgabe. Den psychischen Ausnahmezustand eines Monarchen z­ wischen Schock und Trauer zeichnend, bittet Arnulf um päpstliche Vergebung für das, was sich Heinrich II. ungewollt zu Schulden habe

143 Arnulfus Lexoviensis: Ep. 59. Quanta sollicitudine et diligentia, in: Letters, ed. Barlow, S. 106. 144 Vgl. ebd. Zu Arnulfs Verteidigung der Krönung Heinrichs des Jüngeren als kirchenrechtlich unanfechtbar: ebd., S. 105. Rhetorisch spiegelt sich die Enttäuschung des Bischofs bedeutungsvoll in der terminologischen Degradierung Beckets vom archiepiscopus zum sacerdos und homo. 145 Vgl. AvL Ep. 59, S. 105. 146 Ebd., S. 104.

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kommen lassen.147 Interessanterweise wurde die leidenschaftliche Rechtfertigung des englischen Herrschers ­später durch Arnulf von Lisieux aus der zweiten Sammlung seiner Korrespondenz entfernt. Ironie des Schicksals, dass die Verteidigungsschrift gerade durch die gegnerische Seite Verbreitung finden sollte.148 Als Heinrichs Apologet der ersten Stunde beteuerte Arnulf, dass der Mord weder in königlichem Wissen noch auf dessen Willen oder Initiative hin geschehen sei. Er verkündete Heinrichs Bereitschaft, sich dem Urteil der K ­ irche zu unterwerfen, verlangte aber, bedacht, von der Rolle des Plantagenêt abzulenken, die volle Härte apostolischer Autorität und Strafgewalt für die eigentlichen Täter, die Mörder der Kathedrale von Christ Church.149 Auch darüber hinaus blieb Arnulf von Lisieux Heinrichs engagierter Fürsprecher. Neben seinem schriftlichen Einsatz für die Rehabilitation der exkommunizierten Getreuen des Königs hinterließ er seine Spuren bei allen wichtigen Zusammenkünften im Verlauf des Annäherungsprozesses.150 Seinem diplomatischen Geschick ist es zu verdanken, dass die Verhandlungen Heinrichs II. mit den Kardinallegaten Albert von S. Lorenzo in Lucina und Theodin von S. Vitalis nicht scheiterten, sondern am 19. Mai 1172 in die Einigung von Avranches mündeten.151 147 Vgl. Arnulfus Lexoviensis: Ep. 72. Cum apud regem nostrum, in: Letters, ed. Barlow, S. 122 – 123, hier: S. 122 f. 148 Daher auch ediert in ders.: Nr. 738. Ob reverentiam Romanae ecclesiae, in: James Craigie Robertson (Hg.): Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury. Epistles, DXXXI. – D CCCVIII., Bd. 7, Nendeln, Liecht. 1965 (Nachdruck der Ausgabe London 1885 (RS, 67,7), S. 438 – 439. 149 Vgl. AvL Ep. 72, S. 123. 150 Erhalten sind zwei Empfehlungsschreiben an Alexander III. und zwei seiner Kardinäle zugunsten des exkommunizierten Roger von York, der Ende 1171 die Absolution erhielt: Arnulfus Lexoviensis: Ep. 75. Eboracensis archiespiscopi magnificentiam (S. 125 – 127) und Ep. 84. Qua fide quo studio (S. 138 f.), in: Letters, ed. Barlow. So kämpfte er als Mitglied einer stattlichen königlichen Delegation um die Unterlassung der Verhängung des Interdikts durch Wilhelm, den Erzbischof von Sens, im Januar 1171. Dazu und zu Arnulfs weiterem Einsatz für Bischöfe während der Kontroverse siehe: Letters, ed. Barlow, S. xlvii. 151 Vgl. Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury. Epistles, DXXXI . – D CCCVIII., Bd. 7, ed. James Craigie Robertson, Nendeln, Liecht. 1965 (Nachdruck der Ausgabe London 1885) (RS, 67,7) und Arnulfs wenig bescheidene Schilderung der Einigung gegenüber Alexander III.: Arnulfus Lexoviensis: Ep. 87. Felicem me et omni, in: Letters, ed. Barlow, S. 142. Zu Avranches und seinen Auswirkungen siehe Zachary Nugent Brooke: The Effect of Becket’s Murder on Papal Authority in England, in: Cambridge Historical Journal 2, 3 (1928), S. 213 – 228, Mary G. Cheney: The Compromise of Avranches of 1172 and the Spread of Canon Law in England, in: EHR 56, April (1941), S. 177 – 197 und Henry Mayr-Harting: Henry II and the Papacy, in: Journal of Ecclesiastical History, 16 (1965), S. 39 – 53.

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Trotz oder gerade durch seine während des turbulenten Krisenverlaufs nicht immer eindeutigen Loyalitäten ging Arnulf von Lisieux aus dem Becketkonflikt als Prälat hervor, der seinen Einfluss bei Hofe im Wohle des Friedens der K ­ irche und des Königreichs zu ­nutzen gesucht hatte. Entgegen der Aussagen seiner Feinde waren seine Handlungen, um es mit Frank Barlows Worten zu sagen, „nicht die […] eines Intriganten, der immer die Gunst des Königs vor die Interessen der ­Kirche stellte“ 152. Vielmehr blieb er seinen persönlichen Idealen von der libertas ecclesiae und der Machbarkeit eines Friedensschlusses durch Kompromissbereitschaft immer treu. In ihnen zeigten sich eine Mäßigung und Abneigung gegen Gewalt, die nahelegen, dass der ruhelose Bischof die Ernsthaftigkeit erlangt hatte, die ihm in seinen frühen Jahren fehlte.153 Es wird zu fragen sein, ob der jugendliche Heißsporn eines jungen Karrieristen wie ihn die Invectiva verkörpert oder die durch Lebenserfahrung erkaufte Besonnenheit eines gealterten Staatsmannes den Umgang mit dem alexandrinischen Schisma in der Korrespondenz des Bischofs von Lisieux charakterisiert. Wirkten sich die Lehren aus dem Becketkonflikt auch auf Arnulfs eigene Sicht der Kirchenspaltung aus? In den schweren Jahren der Kontroverse fand sein Einsatz keine Würdigung. Als Architekt des Kompromisses von Avranches, dem sich Heinrich II . nur zähneknirschend gebeugt hatte, fand sich Arnulf von Lisieux ein weiteres Mal ­zwischen den Stühlen wieder. Sowohl die Royalisten als auch die Becketpartei sahen ihn als denjenigen, der durch Verhandlungen mit den Gegnern die eigene Sache verraten hatte. Es liegt in der Natur des Kompromisses, dass er beide Seiten zu Zugeständnissen zwingt. Heinrich II . bediente sich nur noch selten Arnulfs Rat und der Gesellschaft bei Hofe, und auch Arnulfs Dienste als päpstlicher Legat wurden von Alexander III . bestenfalls sporadisch in Anspruch genommen.154 Der Triumph, den Frieden maßgeblich herbeigeführt zu haben, wurde zum Beginn eines bitteren Endes. Die „systematische Erosion seiner kirchlichen und säkularen Bedeutung“ 155 war nicht mehr aufzuhalten. Arnulfs Briefe aus dieser Zeit künden von Selbstmitleid und Verdrossenheit eines Mannes, der nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hatte, aber an seinen eigenen Wertevorstellungen und den Fährnissen des Lebens gescheitert war.156

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Vgl. Letters, ed. Barlow, S. xlvii. Vgl. ebd. Näheres bei Schriber: Dilemma, S. 109. Vgl. ebd., S. 111. Das persönliche Scheitern des Arnulf von Lisieux im Spiegel seiner Lebensphilosophie beleuchtet ebd., S. 111 f.

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Frank Barlow hat, auf Roger Howdens Hinweis auf Kontakte Arnulfs zu ­Heinrich dem Jüngeren fußend, vermutet, dass Arnulfs Ungnade bei dessen Vater im Zusammenhang mit der Rebellion der Königssöhne von 1173 stehen könnte. Diese These wurde von Gunnar Teske auf eine breitere Basis gestellt.157 Er konnte zeigen, dass der Herr von Lisieux ein gefährliches Spiel ­zwischen offener Unterstützung des Königs und heimlicher Annäherung an die Gegenpartei spielte. Dabei war es weniger Arnulfs Intention, dem König zu schaden, als vielmehr im Sinne der Universalkirche und deren Freiheit zu wirken. Schließlich griff er erst ein, als Aussicht darauf bestand, dass die libertas ecclesiae von einer Regentschaft Heinrichs des Jüngeren profitieren könnte.158 Dennoch war es nur eine Frage der Zeit, bis ihm ­dieses riskante Vorgehen das Genick brechen sollte. Bei einer denkwürdigen Begegnung mit dem König im Frühjahr des Jahres 1175 vollzog sich der endgültige Bruch z­ wischen den beiden Männern.159 Dabei rechtfertigte ihn Arnulf, dem der genaue Grund seiner Ungnade nicht bewusst gewesen zu sein scheint, ausweichend mit „Denunziation und […] Einflüsterungen falscher Ratgeber“ 160. Alle Versuche, den Plantagenêt umzustimmen, waren vergebens. Er hatte handfeste persönliche und politische Interessen an einer Neubesetzung des reichen Bistums Lisieux.161 Einmal der Gunst des Königs verlustig, ging Arnulfs Niedergang schnell und effizient vonstatten. Mit dem Entzug der ertragreichen Kaplanei Bosham 1177 lastete ein immenser Druck auf dem durch den Neubau seiner Kathedrale völlig ­verschuldeten 157 Die Gesta berichten im Zusammenhang mit der Resignation Arnulfs: Dominus autem rex eundem episcopum odio habuit nec eum in terra sua habere voluit permittere, eo quod ipse, tempore guerrae, quae fuerat inter ipsum et filios suos, fratres et cognatos, qui erant de familia filiorum eius, receptaverat. (Gesta regis Henrici secundi Benedicti Abbatis. The Chronicle of the Reigns of Henry II. and Richard I. a. d. 1169 – 1192; known commonly under the name of Benedict of Peterborough, Bd. 1, ed. William Stubbs, 2 Bde., Wiesbaden 1965 (ND der Ausgabe London 1867) (RS, 49,1)). Howdens Bemerkung in den Gesta Regis Henrici Secundi ist allein im Codex Vitellius E. XVVII des British Museum verbürgt. Bei der Umarbeitung der Gesta zur Chronik strich Howden diesen und alle Hinweise auf eine Mittäterschaft des Arnulf von Lisieux (siehe Letters, ed. Barlow, S. li, Anm.1). Dazu und zu Arnulfs Taktiken in der Rebellion der Söhne gegen Heinrich II., während der er heimlich durch seine Kontakte günstigen Boden für eine Delegation Heinrichs des Jüngeren bereitete, ­welche der alexandrinischen Kurie ein Angebot zur größeren Unabhängigkeit der ­Kirche unterbreiten wollte: Teske: Zeugnis, S. 197. 158 Vgl. ebd., S. 202. 159 Vgl. Arnulfus Lexoviensis: Ep. 105. Quod ita, scitu audistis, in: Letters, ed. Barlow. Siehe auch Letters, ed. Barlow, S. liii und Schriber: Dilemma, S. 113. 160 Vgl. Teske: Zeugnis, S. 199. Zu den Quellenbelegen siehe S. 136 – 138. 161 Vgl. Letters, ed. Barlow, Epp. 108 und 110 und Schriber: Dilemma, S. 113 – 116.

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Bischof.162 Heinrichs Kampf gegen seinen ehemaligen Vertrauten wurde immer erbitterter. Das Versprechen, dessen Schulden im Gegenzug zu Arnulfs Abdankung zu begleichen, löste er nie ein.163 Dem wirtschaftlichen Aus für Arnulf folgte das politische nur ein Jahr s­ päter, als er, auf Betreiben des königlichen Seneschalls Wilhelm FitzRalph beschuldigt, einen seiner Neffen der Gerichtsbarkeit entzogen zu haben, seine temporalia und administrative Amtsgewalt verlor.164 Unter Mitwirkung des Kathedralkapitels war er, vertrieben aus seiner eigenen Bischofsstadt, gezwungen, Papst Alexander um die Erlaubnis zur Amtsniederlegung zu ersuchen.165 Als sie ihm schließlich im Juli 1181 in Gisors gewährt wurde, hatte Arnulf der Kampfeswille verlassen.166 Gebrochen und gedemütigt, aber auch versöhnt, endlich die weltlichen Verpflichtungen abstreifen zu können, zog sich der altersgeschwächte Normanne in den Frieden der Abtei Saint-Victor in Paris zurück, wo er am 30. September 1182 für immer die Augen schloss.167 Die Beschäftigung mit Person und Werk des Bischofs von Lisieux bedeutet, sich einem Mann zu widmen, der auf seinem langen Weg durch das Leben hartnäckig Prinzipien verfolgte, die an der Realität seiner Welt zu scheitern drohten. Es bedeutet aber auch, sich einem Mann zu nähern, der in seiner Doppelrolle ­zwischen Königsdienst und kirchlicher Berufung ebenso wie in seinen Einstellungen zur neu gewonnenen libertas ecclesiae der Reformkirche ein Kind seiner Zeit war. Dabei war es nicht Originalität, sondern pragmatische Besonnenheit, die ihn auszeichnete; sein Hang zu Geltungssucht und überzogenen Ambitionen war es, der ihn angreifbar machte. 162 Zum Entzug der Kaplanei und Arnulfs Reaktion siehe Arnulfus Lexoviensis: Ep. 111. Quid ego fecerim vobis, in: Letters, ed. Barlow. Zudem Letters, ed. Barlow, S. liii f. und Schriber: Dilemma, S. 117 f. Der Bautätigkeit des Bischofs von Lisieux und ihren formativen Einflüssen widmen sich ebd., S. 67 – 97 und Grant: Mentor, S. 181 – 183. 163 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. 186 f., 189, 191, 193. Das Versprechen wurde unter Vermittlung des Petrus, Kardinalpresbyter von S. Chrysogonus, Ende 1177 in Rouen gegeben. Siehe Schriber: Dilemma, S. 118. 164 Zunächst wurde er durch den Vizekanzler Walter von Coutances unterstützt. Zum Eigeninte­ resse und Vorgehen der königlichen Beamten siehe ebd., S. 118 f. 165 Einzelheiten zur Rolle der Kanoniker von Lisieux bei Letters, ed. Barlow, S. lv – lviii und Schriber: Dilemma, S. 120. 166 Vgl. Letters, ed. Barlow, Ep. 137. Siehe auch Eyton: Court, S. 240 und Arnulfus Lexoviensis: Ep. 139. Dum adhuc in Normannia, in: Letters, ed. Barlow, S. 214 – 215. Zu den Bedingungen der Versöhnung mit Heinrich siehe Schriber: Dilemma, S. 121. 167 Arnulf schilderte Richard von Ilchester seinen neu gewonnenen Seelenfrieden in Arnulfus Lexoviensis: Ep. 141. A multo tempore sincere, in: Letters, ed. Barlow, S. 216 – 217, hier: 217. Siehe Ebd., S. lix f.

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Auch wenn Arnulf von Lisieux nicht immer politische Stilsicherheit zeigte, lenkte er in vielen schwierigen Situationen der großen Krisen der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Sinne seiner Überzeugungen persönlich oder durch gewandte Anwendung seiner rhetorischen Kenntnisse ein. Als einer der mächtigsten Prälaten des angevinischen Reiches war er Zeitzeuge, Augenzeuge und Beteiligter zugleich. Eine besondere Position, die eine spezielle Sicht auf das alexandrinische Schisma verheißt. Seine Korrespondenz war ein essenzieller Bestandteil seines Engagements im Becketkonflikt. Wirkte er durch sie auch im Sinne Alexanders III. nach der Doppelwahl von 1159? Und wenn ja, ­welche Überzeugungen lagen seiner Parteinahme im Schisma zugrunde? Zeigt er als überzeugter Alexandriner und königlicher Ratgeber während der turbulenten Jahre des Becketdisputs Verständnis oder Interesse an den Verquickungen der beiden Konflikte? Da die Kirchenspaltung von 1159 nicht die einzige kirchliche Krisensituation im Leben des Arnulf von Lisieux war, werden seine Beziehung zum innozenzianischen Schisma von 1130 wie auch seine kirchenpolitischen Einstellungen im Allgemeinen in die Untersuchung einbezogen werden. Im Folgenden wird diesen ideologischen Grundlagen seiner kirchenpolitischen Haltung zunächst in Arnulfs nicht epistolaren Schriften nachgegangen werden.

1.2  Die schismabezogenen Schriften des Arnulf von Lisieux Wir wissen nicht, wann und unter w ­ elchen Umständen Arnulf von Lisieux die Nachricht von der strittigen Doppelwahl in Rom erreichte, doch sie muss Erinnerungen geweckt haben. Erinnerungen an die schwierigen Jahre der anakletianischen Krise und einen jungen normannischen Archidiakon, der damals versuchte, mit seiner literarischen Stellungnahme die Aufmerksamkeit der Großen seiner Zeit auf sich zu ziehen, vielleicht aber auch an das kompromisslose Deutungsschema, das er den Aktivitäten von Anaklet II. und dessen päpstlichem Legat Girald von Angoulême auferlegte. Es liegt nahe zu vermuten, dass etwas, vielleicht auch nur Splitter des Gedankenguts, das der junge Archidiakon von Sées zu dieser Zeit in seiner Invectiva zu Pergament brachte, auch die Einstellung und den ideologischen Blick des gealterten Bischofs formten oder zumindest färbten. Hier wie dort musste es Arnulf als Parteigänger der innozenzianischen oder alexandrinischen Sache an der Diffamierung des Kontrahenten und der Glorifizierung des eigenen Favoriten gelegen sein. Dieses Kapitel will Grundlagen schaffen, um ähnliche Strategien in den Argumentations- und Darstellungsmustern in Arnulfs Schaffensphasen erfassbar zu machen. Es kann sich dabei ebenso um die polemischen Intentionen als auch um feine P ­ arallelen

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handeln, die den unterschiedlichen Ursprungslagen der zwei Schismen im Werk Arnulfs von Lisieux entspringen. Eines der Zeugnisse des Schismabildes der 1160er Jahre ist die Eröffnungspredigt des Konzils von Tours, die als direktes Zeitdokument der Auseinandersetzung ­zwischen Alexander III. und der kaiserlichen Partei eine Schlüsselrolle einnimmt. Dreißig Jahre nach Abfassung der Invectiva wurden andere Anforderungen an Arnulf, nun politischer Berater und Vertrauter des englischen Königs und Vorkämpfer der päpstlichen Sache an dessen Hof, gestellt. Das Schisma von 1159 hatte eine völlig andere Ausgangslage. Es handelte sich nicht mehr um eine rein kircheninterne Angelegenheit, sondern um einen Konflikt im Kardinalskollegium. Da dieser, anders als 1130, nach außen getragen und durch kaiserlichen Eingriff gefördert worden war, wird das Barbarossabild der Tours-Predigt untersucht werden, um einen eventuellen Widerhall, eine Nuancierung oder einen Bruch mit dem Kaiserbild der Arnulfschen Korrespondenz aufzuspüren. Anders als bei Niederschrift seiner Schmähschrift von 1133 machte Arnulf an der Loire nicht mehr eigenverantwortlich als ein Mann am Beginn seiner Karriere die Position eines reformzentrierten Zirkels öffentlich, sondern agierte als eloquenter Propagandaträger päpstlicher ­Kirchen- und Schismapolitik. Inwieweit beeinflusste die politische Linie Alexanders III. ihn und seine Ansprache? Sollte es sich bei seinen Ausführungen um einen genuinen Ausdruck eigener, persönlicher Überzeugungen handeln, müssten sich diesbezügliche Verbindungen zum Rest seines Schriftenkorpus finden. Im Extremfall aber könnte die Predigt von Tours eine Blaupause alexandrinischer Vorgaben darstellen. Darüber hinaus ist von Interesse, ­welche generellen kirchenpolitischen Einstellungen Arnulf von Lisieux in die Krisenzeit der 1160er hineinnahm. So stellt seine Positionierung in der Frage weltlicher Intervention in kirchliche Belange etwa einen der Grundpfeiler zur Deutung seiner Sicht sowohl des alexandrinischen Konflikts mit Friedrich I. Barbarossa und seinen Favoriten als auch des Becketkonflikts und Arnulfs Einstellung zu Heinrich II. dar. Der erste Schritt führt über das Erstlingswerk des umtriebigen Normannen.

1.2.1  Die Invectiva in Girardum Engolismensem Episcopum (1133) 1.2.1.1  Entstehungsumstände, Charakter, Quellenwert Im Februar 1130 erwartete der schwerkranke Papst Honorius II . im Kloster S. Gregorio al Celio seinen Tod. Mit ihm wartete sein ‚Macher‘, die führende Figur der päpstlichen Kurie, der Kanzler Haimerich, Kardinaldiakon von S. Maria Nova, mit

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einer kleinen Schar von Kardinälen, die sich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus der zunehmend beunruhigten Stadt Rom in den Einflussbereich der mächtigen Dynastie der Frangipani zurückgezogen hatten. Das Warten nahm bald ein Ende. Der verstorbene Pontifex wurde hastig beerdigt. Nur einen Tag s­ päter, am 14. ­Februar 1130, wurde unter Missachtung des üblichen, kanonisch festgelegten Prozedere unter Haimerichs Agitation Gregor Papareschi, Kardinaldiakon von S. Angelo, aus der mächtigen Familie der Papareschi als Innozenz II . von der anwesenden Minderheit des Wahlgremiums zum apostolischen Nachfolger erhoben.168 Durch die Vorkommnisse alarmiert, hatte sich indessen eine Mehrheit der übrigen Kardinäle gemeinsam mit prominenten Vertretern des stadtrömischen Klerus und Volkes in San Marco am Fuße des Kapitols versammelt. Als die verspätete Kunde vom Tod des Papstes und Haimerichs Coup zu ihnen drang, konterte man mit der feier­ lichen, mit einer Zahl von 21 Stimmen mehrheitlichen und damit kanonisch weniger anfechtbaren, Wahl des Kardinalpresbyters von S. Callisto, Petrus Pierleoni, der von nun an den Namen Anaklet II. trug. Stadtklerus und Volksvertreter stimmten der Wahl zu.169 Anaklets Konkurrent Innozenz hatte im Vergleich nur eine Minderheit, eine sanior pars, der Kardinäle für sich gewinnen können.170 Noch heute ist nicht ganz gesichert, wo die Wurzeln der Ereignisse lagen.171 Von Bedeutung für diese Untersuchung ist nur, dass Anaklet aufgrund der stärkeren 168 Man verzichtete auf die Verkündung des Verscheidens des Vorgängers, die Ladung des übrigen Kardinalskollegs und die üblichen dreitägigen Exequien. 169 Zusammenstellung der Hauptquellen: Pontificum Romanorum qui fuerunt inde ab exeunte saeculo IX usque ad finem saeculi XIII vitae ab aequalibus conscriptae. Bd. 2: Paschalis II . – Coelestinus III. (1099 – 1198), ed. Johannes Matthias Watterich, 2 Bde., Leipzig 1862. 170 Luigi Pellegrini: La duplice elezione papale del 1130. I precedenti immediati e i protagonisti, in: Pietro Zerbi (Hg.): Raccolta di studi in memoria di Giovanni Soranzo, Mailand 1968 (Pubbli­ cazioni della Università Cattolica del Sacro Cuore. Scienze storiche, 10), S. 265 – 302 teilt das Kardinalskollegium, Elektoren und Nicht-Wähler, am Ende seines Beitrags in beide Lager ein. 171 Einstieg in Thematik und Ablauf der strittigen Doppelwahl bieten: Richard Zöpffel: Die Papstwahlen und die mit ihnen im nächsten Zusammenhange stehenden Ceremonien in ihrer Entwicklung vom 11. bis zum 14. Jahrhundert, Göttingen 1871, S. 332 – 395; Mühlbacher: Papstwahl, S. 96 – 117; Pier Fausto Palumbo: Lo scisma del 1130. I precedenti, la vicenda romana e le ripercussioni europee della lotta tra Anacleto e Innocenzo II, Rom 1942 (Miscellanea della Società Romana di Storia patria, 13), S. 171 – 212; Schmale: Studien, S. 145 – 161. Siehe auch die auf zwei Hauptzeugnisse beider Parteien (i. e. den Brief Huberts von Lucca an Norbert von Xanten und das Pandulphus zugeschriebene Schreiben an Erzbischof Diego von Compostela) gestützte Rekonstruktion der Ereignisse von Stroll: Jewish, S. 88 – 90. Die Wurzeln des Konflikts wurden in den stadtrömischen Adelscliquen der Frangipani und Pierleoni, der Machtposition und Person des ‚Papstmachers‘ Haimerich und der Nähe der Parteien zur Reformbewegung gesucht. Die Forschungsdiskussion rekapituliert Werner

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­ achtposition seiner Familie aus dem unmittelbar auf diese Ereignisse erfolgenM den Ausbruch von Unruhen in der Ewigen Stadt als siegreich hervorging, während Innozenz und seine Anhänger zunächst ins Pisaner Exil und dann zur Flucht ins französische Kloster Cluny gezwungen wurden. Von dort wurde die Maschinerie des Obödienzaufbaus in Gang gesetzt, die ­später zu dem geflügelten Wort führen sollte, dass Petrus Rom gehöre, Gregor aber der ganze Erdkreis.172 Die Kampagne lebte vor allem vom Einsatz meinungsbildender innozenzianisch gesinnter Persönlichkeiten mit großen persönlichen Netzwerken. Im Speziellen verhalfen prominente Vertreter der Reformorden wie Bernhard von Clairvaux, Norbert von Xanten oder Petrus Venerabilis, aber auch einflussreiche Vertreter des Episkopats wie Suger von Saint-Denis und Gaufried von Chartres, Innozenz zum Erfolg. In Ergänzung ihrer Bemühungen entstand die Schmähschrift des jungen Arnulf von Sées.173 Maleczek: Das Kardinalskollegium unter Innocenz II . und Anaklet II ., in: AHP 19 (1981), S. 27 – 72, hier: S. 28. Im Hinblick auf Schmales These einer jüngeren, reformfreundlicheren Fraktion an der Kurie schließt Maleczek in seiner Analyse der Rolle des Kardinalskollegiums in der Durchsetzung Innozenz’ II ., dass „die Verquickung mit Adelsquerelen in der Stadt Rom und die vom Kanzler [i. e. Haimerich] unmittelbar nach dem eiligen Begräbnis Honorius’ II . organisierten Machenschaften zur Neuwahl des Papstes […] Kardinalsgruppen zusammen[führten], die mehr durch die augenblickliche Stellungnahme als durch eine seit langem bestehende kirchenpolitische Grundhaltung geeint waren.“ (ebd., S. 34) Hintergrund zu Selbstverständnis und Rolle des Kardinalskollegiums bietet Ulrich Schludi: Die Entstehung des Kardinalskollegiums. Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen, Ostfildern 2014 (Mittelalter-Forschungen, 45). Die Dekonstruktion der These des Schismas als eines unpolitischen, rein ideologischen Konflikts wurde auch durch Mary Strolls umfassende Monographie (Stroll: Jewish) zementiert. Ihre Betonung der Rolle Haimerichs wiederum hat sich jüngst Soria Audebert: Reception entgegengestellt, indem sie aufzeigte, dass Zeitgenossen wie Odericus Vitalis, Suger von Saint-Denis und Wilhelm von Malmesbury die Krise von 1130 als Konflikt der päpstlichen Politik wahrnahmen. 172 Vgl. Chronique de Robert de Torigni Abbé du Mont-Saint-Michel. Suivie de divers opuscules historiques de cet auteur et de plusieurs religieux de la même abbaye, Bd. 1, ed. Léopold Victor Delisle, 2 Bde., Rouen 1872: Romam Petrus habet, totum Gregorius orbem. Die diesbezügliche Aktivität Innozenz II. und seiner Kardinäle identifizierten Maleczek: Innocenz, S. 34 – 73 und Jochen Johrendt: Das Innozentianische Schisma aus kurialer Perspektive, in: Müller/Hotz: Gegenpäpste, S. 142 – 151 – ähnlich wie im Falle Alexanders III. zwei Jahrzehnte ­später – als eine der großen Erfolgsstrategie der jeweiligen Partei. Zur Anerkennung Innozenz II. auch Mühlbacher: Papstwahl, S. 117 – 14 sowie Schmale: Studien, S. 195 – 252. Für den deutschen Raum im Speziellen: Franz-Josef Schmale: Die Bemühungen Innozenz’ II. um seine Anerkennung in Deutschland, in: ZKG 65 (1953/1954), S. 240 – 269. 1 73 Die Invektive wurde zweimal im Rahmen der MGH Scriptores-Reihe ediert. Wegen der höheren editorischen Qualität vorzuziehen ist Invectiva, ed. Dieterich. Außerdem: Arnulfi

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Arnulfs Nähe zum bischöflichen Hof von Chartres erklärt den Umstand, dass der damalige Archidiakon sein unter dem Namen Invectica in Girardum Engolismensem Episcopum ediertes Erstlingswerk zu einem unbestimmten Zeitpunkt seinem Chartrenser Mentor Gaufried sandte. Diesem war kurz zuvor von Innozenz  II. die ständige Legation über die von Anaklet dominierten Kirchenprovinzen Aquitanien und Bretagne übertragen worden. Gaufrieds Auftrag bestand in der Sicherung der ecclesia Gallicana gegenüber der dort von den Bestrebungen des Bischofs Girald von Angoulême vorangetriebenen anakletianischen Bedrohung. Dessen seit 1107/1108 bestehendes Legationsmandat hatte Anaklet II. im Mai 1130 erneuert und verlängert.174 Girald, ein kanonistisch gebildeter Landsmann Arnulfs von tadelloser Reputation, war neben Herzog Wilhelm von Aquitanien die Hauptstütze der anakletianischen Partei innerhalb Frankreichs. Ein Angriff gegen ihn traf auch dessen Herren im fernen Rom. In Stellvertretung des damals im Ausland weilenden Arnulf sollte der Traktat dem päpstlichen Legaten Gaufried bei seinem Kampf zur Gewinnung des Gebietes wertvolle Dienste leisten: Ad expedienda legationis vestrae negotia non negarem fidele ministerium, si adessem, pro viribus exhibere. Invitaret enim me cum laborantis ecclesiae causa communis, tum beneficiis vestris obstricta devotio, tum Romani pontificis gratia, qua me fateor artius obligatum. Sed quia me in Italiam desiderata diu Romanorum legum studia deduxerunt, loci quidem distantia corporale subduxit obsequium, sed spiritualem non suppressit affectum. […] Unde nimirum sublata impendendi corporaliter officii facultate, stilum saltem continere non potui […].175 a­ rchidiaconi in Girardum Engolismensem invectiva, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.): Historiae aevi Salici, Hannover 1861 (MGH SS, 12), S. 707 – 720. 174 Zu Gaufrieds Person und Karriere siehe Grant: Geoffrey und Wilhelm Janssen: Die päpst­lichen Legaten in Frankreich: vom Schisma Anaklets II. bis zum Tode Coelestins III. (1130 – 1198), Köln/Graz 1961 (Kölner historische Abhandlungen, 6), S. 18 – 31. Der Bischof von Chartres wirkte 1133 gerade als Schlichter innerdiözesaner Angelegenheiten in der Kirchen­ provinz Sens und konnte erst ein Jahr ­später eine Lösung des Schismas in Aquitanien aktiv betreiben (siehe ebd., S. 20). Es ist also nicht auszuschließen, dass ihn die abgeschlossene Schrift erst nach 1133 als Handreichung erreichte. Zum Einsatz Giralds durch Anaklet II. siehe ebd., S. 2 – 14. Es ist wahrscheinlich, dass der päpstliche Legat Arnulf von Sées aus einer Schüler-Lehrer-Beziehung in Angoulême zumindest aber seit der Einweihung der Kathedrale von Sées persönlich bekannt war, was aufgrund eventueller persönlicher Ressentiments zur Schärfe der Invektive beigetragen haben könnte. Siehe Invectiva, ed. Dieterich, S. 82 f. und Brigitte Miriam Bedos-Rezak: Difformitas: Invective, Individuality, Identity, in: Dies. (Hg.): When Ego was Imago. Signs of Identity in the Middle Ages, Leiden/Boston 2011 (Visualising the Middle Ages, 3), S. 209 – 230, hier: S. 215. 175 Invectiva, ed. Dieterich, S. 85, Z. 19 – 25.

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Nach dieser Aussage entstand das Pamphlet also während seines nicht näher bestimmten juristischen Studienaufenthaltes in Italien. Wir wissen nicht, ob Arnulf es direkt nach der Vollendung absandte. Wenn es auch undatiert überliefert ist, lassen inhaltliche Bezüge auf eine Vollendung nach der Kaiserkrönung Lothars III. (4. Juni 1133) und vor der erneuten Vertreibung Innozenz’ II. (ca. August 1133) aus Rom schließen.176 Der moderne Name weist auf eine bestimmte Natur des Schriftstücks und damit auf eine Ausprägung der zu erwartenden Reflexion des Schismas von 1130, in der eine dezidierte Diskussion kirchenpolitischer Inhalte kaum zu erwarten ist.177 Kern und Intention des Werks war schließlich die Herabwürdigung der beiden wichtigsten anakletianischen Persönlichkeiten.178 Damit liegt Arnulf auf einer Linie mit der Position der Zirkulare der Konkurrenten um die Cathedra Petri, die sich auf die moralische Diffamation und Dekonstruktion der gegnerischen Person und Position statt auf sachliche, faktenbasierte Argumentationen konzentrierten.179 Die verschieden gelagerten Entstehungsumstände der Kirchenspaltungen von 1130 und 1159 wirkten sich zwangsläufig auf Art und Argumentarium des Obödienzkampfes in beiden Krisen aus. War zu Beginn der Auseinandersetzungen z­ wischen Alexander III . und Viktor IV . gerade die Unsicherheit bezüglich ihrer wahlrecht­ lichen Legitimation der zentrale, klärungsbedürftige Punkt, konnte 1130 aus kirchenrechtlicher Sicht die Position Anaklets II. gegenüber der überraschenden Erhebung Innozenz’  II. die höhere Gesetzmäßigkeit beanspruchen.180 Der innozenzianischen 176 Vgl. ebd., S. 103, Z. 41–S. 104, Z.2 bzw. 4 f.: Numquid enim ipse Laterani residens in illa beati Iohannis ecclesia principali christianissimum principem Lotharium consecravit in regem? und Numquid enim urbis habitatio et ingressus pro arbitrio patens est et egressus? 177 Beide Editoren folgen in ihrer Betitelung der von Arnulf in seinem an Gaufried von Chartres gerichteten Vorwort angeführten Absicht. Siehe ebd., S. 85: in Girardum Engolismensem […] invectus, originem nativitatis eius, conversationis qualitatem, prelationis causam […] perstrinxi. 178 Vgl. ebd., 85, Z. 19 – 30, besonders: 26 – 30. 179 Einen quellenkritischen Überblick über die Inhalte und Ausrichtung der Manifeste beider Konkurrenten und ihrer Wähler liefert Mühlbacher: Papstwahl, S. 1 – 9. Eine Vielzahl von privaten und öffentlichen Schreiben wie auch die im Allgemeinen wenig ergiebige historiographische Wiedergabe der Ereignisse verzichtet hingegen auf unsachliche Polemik. 180 Zwar war aufgrund divergierender Traditionen zum Papstwahldekret Nikolaus’ II. von 1059 die Rolle der Kardinalbischöfe (Bestätigungsrecht oder Wahlrecht) 1130 noch umstritten, doch hatte sich das Kardinalskollegium de facto als Wahlkörper durchgesetzt. Siehe Stroll: Jewish, S. 91. Weitere Unregelmäßigkeiten bei der Minderheitswahl im Gregorkloster gesteht auch der innozenzianisch gesinnte Bischof von Lucca ein: Celebratis exequiis pro necessitate loci et temporis, non tamen ex more, sicut oportebat, cum calamitatis tempus instaret ­(Hubertus Lucensis ad Norbertum Magdeburgensem, in: Pontificum Romanorum, ed. Watterich, S. 181). Ein entsprechendes Defizit konstatierte auch Hans-Walter Klewitz: Das Ende des Reformpapsttums, in: DA 3 (1939), S. 372 – 412, besonders: S. 374. Ansicht und Stellenwert

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Partei musste daher eine Betonung legaler Beweisführung wenig zielführend erscheinen. Rechtliche Aspekte der Wahl wurden minimiert. Stattdessen verlegte man sich auf die Diskreditierung des Gegners aufgrund moralischer Kriterien persönlicher Eignung und Amtswürdigkeit.181 In Zeiten des universalen apostolischen Autoritätsanspruchs, in denen es galt, die Folgebereitschaft der Gesamtkirche zu erlangen, war diese Strategie der Delegitimation gegenüber dem Konkurrenten unumgänglich.182 Die Geschichtsforschung hat die Invectiva lange wegen Unsachlichkeit als historische Quelle für das Schisma von 1130 verworfen. Barlow charakterisiert sie als „eine rabiate und unkritische Schmähschrift“ 183, die mehr positive Aufmerksamkeit auf sich zog, als sie verdiente. Hier zeigt sich die erste Seite des Problems: Harte historische Fakten wurden von einer auf Diffamierung des Gegners ausgelegten Schrift nur bedingt erwartet. Besonders leidenschaftlich verwarf Mühlbacher das Werk, bei dessen Autor sich „fast […] der Eindruck geltend [mache], dass es nicht etwa nur der heilige Eifer für die K ­ irche gewesen [sei], welcher Arnulfs Feder führte“ 184. Sein Argument, Arnulfs spätere Sicht auf Anaklet sei durchaus anders gewesen, bleibt ohne Beleg und kann auch nicht durch seine Korrespondenz gestützt werden.185 Darüber hinaus, so ­Mühlbacher,

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der Legitimität des eigenen und gegnerischen Kandidaten in der Propaganda der jeweiligen Lager analysiert Stroll: Jewish, S. 82 – 101. Anders für Anaklet II., wie u. a. aus einem Brief hervorgeht, den er nach seiner Weihe an den kaiserlichen Hof Lothars III . richtete. Ediert in Willelmi Malmesburiensis Monachi opera omnia accedunt Innocentii II, Coelestini II, Lucii II, Romanorum pontificum, Anacleti antipapae, Benedicti Ecclesiae S. Petri in urbe Roma canonici, Hugonis Farsiti, Frowini abbatis Montis Angelorum apud Helvetios, Arnulfi opuscula, diplomata, epistolae, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1855 (Migne PL, 179), S. 689 – 691, Sp. 691A. Grundlage der Argumentation – etwa die Akklamation durch das römische Volk betreffend – war das Papstwahldekret von 1059. Edition: Das Papstwahldekret von 1059. Echte Fassung, in: Detlef Jasper: Das Papstwahldekret von 1059. Überlieferung und Textgestalt, ed. ders., Sigmaringen 1986 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, 12), S. 98 – 119. Die Legitimationsstrategien beider Seiten analysiert Johrendt: Schisma, S. 130 – 142. Auch Stroll: Jewish, S. 82 – 101 widmet sich der in den beiden Lagern unterschiedlich ausgeprägten Nutzung der Legitimationsfrage als Überzeugungselement. Bei den Schismen des 10. Jahrhunderts war die Herrschaft über die Stadt Rom – und damit die Beanspruchung der Wirkkraft Petri und der Zugang zum Verleih von Pallien – noch ausschlaggebender Faktor gewesen, auf den auch Anaklet II. setzte. Zur Strategie Innozenz  II. durch Obödienzerweiterung und neue Ausdrucksmittel des Kirchenregiments, beispielsweise im Urkundenwesen, das eigene Pontifikat zu legitimieren, siehe Johrendt: Schisma. Letters, ed. Barlow, S. xvi. Mühlbacher: Papstwahl, S. 52. Vgl. Arnulfs Beschreibung der Kontrahenten des Schismas gegenüber Alexander III. in AvL Ep. 24.

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habe der Normanne auch im englischen Kirchenstreit eine sehr zweideutige Rolle gespielt und sich überhaupt nicht immer „mit Ehren geschmückt“ 186. Dies ist die zweite Facette der Problematik: Die tief sitzenden, teils von seinem schwierigen Verhältnis zur geistesgeschichtlichen Lichtgestalt Johannes von Salisbury erwachsenen Ressentiments der Forschung gegen die Person des Arnulf von Lisieux.187 Mit einer fast bizarr anmutenden Mischung aus Verwunderung, Abscheu und Anerkennung wurde der Schrift ein eklatanter Mangel an inhaltlicher Raffinesse vorgeworfen, aber gleichzeitig eine stilistische Eleganz attestiert, die in Kombination ein effektives Stück politischer Propaganda hervorbrachten.188 Als Arnulfs Einsetzung auf den Bischofsstuhl von Lisieux im Jahr 1141 von ­Gottfried von Anjou durch eine Appellation blockiert wurde, setzten sich die Äbte Bernhard von Clairvaux und Petrus Venerabilis persönlich und in Schriftform bei Innozenz II. erfolgreich für ihn ein.189 Obgleich dessen Schmähschrift mit keinem Satz explizit erwähnt wird, wurde ihr Lob für Arnulfs Einsatz zugunsten der ­Kirche in der Forschung gerne als Erweis großer Resonanz des „ungeheuerlichen Pamphlet[s]“ 190 gewertet. Bevor eine allzu breite Resonanz und Rezeption des Arnulfschen Traktats angenommen wird, sollte daher die Frage gestellt werden, warum die Invektive nur in einem einzigen Textzeugen, dem Codex Parisinus 14193, und vollkommen unabhängig von Arnulfs bevorzugt im Verbund tradierten, lyrischen, homiletischen und 186 Mühlbacher: Papstwahl, S. 53. 187 Eine erhellende wie amüsante Auslese der Bonmots und Etikettierungen der deutsch-, französisch- und englischsprachigen Forschung, aus welcher der janusköpfige Ruf des hochmittelalterlichen Bischofs, Staatsmannes und Literaten Arnulf von Lisieux hervortritt, findet sich in Gedichte, ed. Könsgen, S. IX–XIII. 188 Janssen: Legaten, S. 20: „Ein Pamphlet, in dem sich eine elegante, durchgebildete Form mit einem grobschlächtig massiven Inhalt wirkungsvoll verbindet.“ An anderer Stelle bezeichnete er die Invektive als eine „gehässig-verleumderische Streitschrift.“ Auch Mühlbacher: Papstwahl, S. 53 gesteht dem Werk den Charakter eines „mustergültigen Pamphlet[s]“ zu. 189 Wortlaut des Schreibens des Petrus Venerabilis siehe Ep. 101, in: Giles Constable (Hg.): The Letters of Peter the Venerable. Bd. 1, 2 Bde., Cambridge 1967, S. 261. Der Appell Bernhards von Clairvaux an Innozenz II. widmet sich offensiver der Kritik an Gottfried von Anjou und betitelt Arnulf in biblischer Diktion als „geliebte[n] Sohn“, „fromme[n] und gottesfürchtige[n] Mann“ (in Anlehnung an Apg 10,2) und uterinu[s] filiu[s] Romanae Ecclesiae. Alle Zitate nach Bernhard von Clairvaux: Ep. CCCXLVIII, in: Gerhard B. Winkler (Hg.): Bernhard von Clairvaux. Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, Bd. 3, Innsbruck 1990 – 1998, S. 608 – 613, hier: S. 611 – 613. 190 Johannes Haller: Das Papsttum. Idee und Wirklichkeit. Bd. 3: Die Vollendung, Darmstadt 1962 (ND der Ausgabe 1952) (Rowohlts deutsche Enzyklopädie), S. 487: „das ungeheuerliche Pamphlet Arnulfs von Lisieux […] verdient Beachtung nur als Zeugnis für den schmutzigen Charakter seines Verfassers.“

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epistolaren Schriften überliefert wurde.191 Eventuell hatte Arnulf bereits frühzeitig nach Publikwerden seiner Schmähschrift beschlossen, dass manche Texte nur im legitimierenden Schutz ihrer Zeit veröffentlicht werden sollten.192 Vielleicht handelte es sich auch um eine frühe Stilübung im Rahmen einer Ausbildung in der Kunst der ars dictaminis, in der auch die invektivische Textproduktion eine Rolle spielte. Ob dort die Frage nach der Qualität der Quellen des Traktats eine Rolle spielte, ist nicht mehr auszumachen. Mühlbacher jedenfalls kritisierte, dass Arnulf „schmutzigste Geschichten“, gemeine Unterstellungen, opportunistische Manipulationen, Beschuldigungen und Gerüchte verwende, die „von Parteileidenschaft mit gehässigem Eifer verbreitet und vergrößert“ 193 würden. Der Archidiakon selbst schreckte davor zurück, spezifische Quellen und Gewährsmänner zu offenbaren. In Anbetracht argumentativer Parallelen seines Werks mit anderen innozenzianischen Parteischriften ist es allerdings unwahrscheinlich, dass Arnulf sich tatsächlich, wie behauptet, nur auf Eigenerfahrung, Gewährsleute oder öffentliches Gerede stützte.194 Die Ähnlichkeiten sind offensichtlich genug, um davon ausgehen zu können, dass er mit den in Rundschreiben und Korrespondenz seiner Parteigenossen zirkulierenden Ideen vertraut war und das ein oder andere Schriftstück selbst gesehen hatte. So sind in der Invectiva etwa große Parallelen zum Gedankengut Bernhards von Clairvaux aufgezeigt worden, der eine ähnliche Diskreditierungsstrategie gegenüber dem Pierleonipapst entwarf, aber dafür weit weniger Kritik in der Forschung erntete.195 191 Der Inhalt des Codex entstammt dem 11. bis 16. Jahrhundert. Es gibt keine näheren Angaben zur Datierung der Invectiva. Zum Codex Parisinus 14193 siehe Jean Barthélemy Hauréau: Notices et extraits de quelques Manuscrits Latins de la Bibliothèque Nationale. Bd. 2, Paris 1890, S. 349 – 362, besonders: S. 361 und Léopold Victor Delisle: Inventaire des manuscrits de Saint-Germain-des-Prés conservés à la Bibliothèque Impériale, sous les numéros 11504 – 14231 du fonds latin, Paris 1868, S. 131. 192 Arnulf äußerte ähnliche Bedenken gegenüber der Veröffentlichung seiner Turoneser Predigt: Arnulfus Lexoviensis Praefatio ad Aegidium Rotomagensem Archidiaconum, in: Arnulfi epistolae, ed. Giles, S. 2. 193 Mühlbacher: Papstwahl, S. 53 bzw. 54. 194 Invectiva, ed. Dieterich, S. 103, Z. 25 – 27: Nihil enim scripsi, quod non vel ipse cognoverim vel auctore probabili non haberem, vel quod saltem fama publica non affirmet, ut proinde non minus aliis probabile videatur, cum ipsi tot testimonia suffragentur ad fidem. 195 So etwa in einem Brief Bernhards an Herzog Wilhelm X. von Aquitanien aus dem Frühjahr 1131, von dessen Umkehr man sich als vorrangigem Unterstützer Anaklets am meisten Erfolg versprach: Gerhard B. Winkler: Das Papsttum. Entwicklung der Amtsgewalt von der Antike bis zur Gegenwart, Innsbruck 2003, Bd. 2, Ep. CXXVII, S. 880 – 883. Das antijüdische Element erwähnt Bernhard gegenüber K ­ aiser Lothar III.: Ep. CXXXIX. An K ­ aiser Lothar, in: BvClairvaux Werke II, ed. Winkler, S. 910 f. Henri Pellerin: Saint Bernard et le pays lexovien. Ses rapports avec Arnoul, évêque de Lisieux, in: Revue de Le Pays D’Auge (1965),

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Die Frage der Abhängigkeiten von Arnulfs Frühwerk von Persönlichkeiten wie dem großen Zisterzienserabt oder der Geistesströmung der Reformorden im Allgemeinen, wie Schriber sie betont hat, wird, obgleich reizvoll, im Rahmen unserer Fragestellung ausgeklammert, da nicht die Genese des Gedankenguts im Mittelpunkt steht, sondern dessen Entsprechungen mit ähnlichen Argumentationsmustern in Arnulfs polemischer Strategie nach 1159.196 S. 3 – 19, hier: S. 13 machte zudem auf das ausführliche Verteidigungsschreiben des Abtes an den aquitanischen Episkopat (ca. 1131/1132) aufmerksam, in dem sich in innozenzianischen Schriften diverse Parallelen (etwa die rechtliche Argumentation) ­zwischen Bernhards und Arnulfs Gedankengut finden. Edition mit deutscher Übersetzung: Bernhard von Clairvaux: Ep. CXXVI. Virtus in pace, An die Bischöfe Aquitaniens. Gegen Gerhard von Angoulême, in: BvClairvaux Werke II, ed. Winkler. Pellerin schließen sich Bedos-Rezak: Difformitas, S. 216 und Stroll: Jewish, S. 97 f. an, die noch andere Beispiele potenziellen Einflusses nennt. Eben ­solche (Tiersymbolik, Komplottvorwurf, Lasterhaftigkeit) sind besonders auch zu erschließen aus Myriam Sorias Analyse der polemischen Strategie des Bernhard von Clairvaux in Soria: Trahison. Eine Beeinflussung Bernhards durch Arnulfs Schmähschrift wie sie Herbert Bloch: The Schism of Anacletus II and the Glanfeuil Forgeries of Peter the Deacon of Monte Cassino, in: Traditio 8 (1952), S. 159 – 264, hier: S. 166 f. propagiert, ist dahingehend unwahrscheinlich. Zur Rolle Bernhards von Clairvaux im Schisma von 1130 und der Lösung der aquitanischen Frage siehe Johrendt: Schisma, S. 148 f. und Stroll: Jewish. Letters, ed. Barlow, S. xvif schließt aufgrund eines Briefs des Petrus Venerabilis aus der Anwesenheit von Arnulfs Bruder Johannes von Sées auf dem Konzil von Pisa im Mai 1135, dass der zu dieser Zeit in Italien weilende Arnulf dort die Bekanntschaft Bernhards von Clairvaux gemacht haben könnte. Schriber: Dilemma, S. 9 f. plädiert für eine gemeinsame Teilnahme am Treffen Heinrichs I. von England mit Innozenz in Rouen im Mai 1131. Obgleich offizielle Dokumente fehlen, die Arnulfs Anwesenheit beweisen könnten, ist es höchst wahrscheinlich, dass er entweder in seiner Position als Archidiakon von Sées oder als Mitglied der familia Bischofs Gaufried von Chartres seinen Vorgesetzten oder Mentor begleitete. In d­ iesem Treffen sieht Schriber sogar die Geburtsstunde seiner Bewunderung für den Zisterzienseroberen und seiner Entscheidung zur Abfassung eines Unterstützungspamphlets für Innozenz  II . Abgesehen von einem möglichen Zusammentreffen beider Männer in Rouen zeigt jedoch der Blick auf die tagespolitische Situation der ­Kirche 1131 und 1133, dass nach der Aufnahme der ständigen Legation für Aquitanien durch Gaufried von Chartres der Zeitpunkt ungleich vielversprechender für den Plan zur Abfassung einer Invektive war. 196 Ebd., S. 9 entfernt die Invektive von ihrer tagesaktuellen Funktionalität als Attacke auf die anakletianische Partei und sieht sie, etwas einseitig, als Zeugnis des geistigen Neubeginns einer neuen intellektuellen Führungsschicht. Dabei werden die Erkenntnisse der Jahre vor ihrer eigenen Monographie veröffentlichten Studien von Maleczek und Stroll zu Gunsten einer glatten Einordnung der Invektive in das Arnulfsche ‚Paradigma‘ nicht berücksichtigt. Auch wenn Schribers These nicht völlig verworfen werden soll, kann Arnulfs auch in der Schmähschrift (Invectiva, ed. Dieterich, S. 107) zum Ausdruck kommende Bewunderung

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1.2.1.2  Invektivische Strategien In makellos zielgerichteter Form gliedert sich die Invektive in acht Kapitel. Jeweils zwei Blöcke antianakletianischer Propaganda auf Girald von Angoulême und A ­ naklet II. (Kap. 1 – 3, 6 – 8) umschließen als Kern des Manifestes einen sich über zwei Kapitel erstreckenden Lobpreis Innozenz’  II. als würdigeren und legitimen Papst. Der Aufbau der Schrift verbildlicht die funktionale Ausrichtung des Textes. Insbesondere für die ersten Kapitel der Invectiva, die expositorisch in Herkunft, Leben und Wirken beider Antagonisten einführen, wählte Arnulf deutliche inhaltliche Analogien, etwa in der Zuschreibung negativ konnotierter Wesensmerkmale und Laster, um sein Ziel empfindlich zu treffen.197 Letztendlich bezweckte die Diskreditierung des einen durch die Betonung der wenig rühmlichen similitudo beider Männer auch die empfindliche Schwächung des anderen. Im Folgenden sollen die von Arnulf verfolgten Strategien zur Legitimation seines Favoriten und zur Delegitimation des Pierleonipapstes identifiziert werden. Die gewonnenen Erkenntnisse werden es ermöglichen, parallele Argumentationsschritte und rhetorische Techniken in den Schismabriefen im Jahr der aggressiven Obödienzwerbung vor Anerkennung Alexanders auf der Synode von Beauvais auszumachen, oder alternativ Unterschiede aufzeigen, in denen sich die spezifische Sicht des Zeitgenossen Arnulf auf die Schismen von 1130 und 1159, ihre Ursprünge und Gewichtung niederschlagen kann. Denn so unterschiedlich der Fokus der innozenzianischen und alexandrinischen Argumentation insbesondere in Hinsicht auf die rechtliche Komponente sein konnte, so ähnlich war die Situation, in der sich beide um Unterstützung ringenden Päpste und ihre Anhänger in den ersten Jahren des französischen Exils befanden. In jedem Fall kann der Traktat ein erhellendes Licht auf die ideologischen Welten, die Arnulf, den Archidiakon von Sées, von Arnulf, dem Bischof von Lisieux, trennten oder auf die Überzeugungen werfen, die, jeweils als erfolgreiche Deutungsmuster erkannt, beide verbanden.

der neuen Orden nicht der einzige Impetus für die Abfassung des Traktats gewesen sein. In ihrem eingeengten Fokus ist Schribers Gewichtung der geistesgeschichtlichen Grundlagen des Traktats zu sehr der Deutung des innozenzianischen Schismas als rein ideologisch motivierter Spaltung des Kardinalskollegiums verpflichtet. Die Invektive sollte die anakletianische Partei zu einem Zeitpunkt treffen, an dem dies zum einen tagespolitisch angezeigt und zum anderen gut durchführbar war. 197 Die bewusste Betonung dieser Ähnlichkeit belegt ebd., S. 92, Z. 29 – 31: Placet hoc loco mihi utriusque describere qualitatem, ut de duobus similem similis elegisse proberis et cupidum cupidus adorasse.

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Im Zentrum der Untersuchung stehen mehrere wesentliche Aspekte: Zum einen Arnulfs Sicht auf Ursprünge und begünstigende Faktoren des innozenzianischen Schismas, sozusagen seine spezifische Deutung der Ereignisse der Doppelwahl bis zur Abfassung seiner Schmähschrift. Da die Schismen des 12. Jahrhunderts nicht zuletzt aus einer noch undifferenzierten wahlrechtlichen Norm entstanden, empfiehlt sich zudem, das kanonistische Element der Attacke gegen Girald von Angoulême und dessen Herrn zu behandeln. Zuletzt wird die aus der Natur des Konflikts folgende Gegenüberstellung des in den Augen des Verfassers würdigen Kandidaten mit dem in heutiger Terminologie als Gegenpapst bezeichneten Konkurrenten beleuchtet. Vielleicht hätte die verlorene Korrespondenz aus Arnulfs Zeit als Archidiakon wertvolle Hinweise auf die Anschauungen des jungen Klerikers zur Krise in den frühen 1130er Jahren geliefert. Es verbleibt aber allein der Blickwinkel der Invectiva. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Invectiva in Girardum Engolismensem Episcopum ein geradezu vorbildliches Exemplar der hochmittelalterlichen Schmähschriftenliteratur ist, das sich, fußend auf der antiken rhetorischen Kunst der vituperatio, durch einen spezifisch destruktiven Fokus auszeichnet 198: „Die ‚Reinform‘ der […] Invektive […] ist dadurch definiert, dass sie im Rahmen eines kohärenten und eigenständigen Textes das primäre Ziel verfolgt, einen noch lebenden, in der Regel namentlich genannten Zeitgenossen […] direkt zu attackieren und mit Hilfe einer rhetorisch fundierten Systematik zu verunglimpfen, ja mitunter sogar sozial zu vernichten.“ 199 Diese Ausrichtung auf politische, persönliche und soziale Isolierung der Einzelperson Girald von Angoulême und über den Umweg seiner Person auch Anaklets II., bedingt Form, Aufbau und Argumentation der Schrift. Das Bild des Schismas, das sich aus ihren Zeilen erschließen lässt, ist damit naturgemäß von der polemischen Ausrichtung des Werkes durchzogen. Dies könnte sich auch auf bestimmte Aspekte des Schismabildes auswirken, die im äußersten Fall eher der Erfüllung literarischer Gattungskonventionen als der persönlichen Einstellung des Verfassers geschuldet sein könnten. 198 Wie noch zu zeigen sein wird, folgt Arnulf von Lisieux auf Basis einer zeitgenössischen Dichtungslehre der klassischen Strategie, die die antike Rhetorik zur Verunglimpfung des Gegners empfiehlt. Dazu gehört ebenso das Herausstellen von dessen physischen und moralischen Defekten wie der Angriff auf die familiäre Herkunft, Volks- oder Rassenzugehörigkeit des Geschmähten. Eine kurze Aufstellung der diesbezüglichen Vorgaben antiker Rhetorik und Literatur gibt Thomas Haye: Die Invektive als poetische Gattung – Überlegungen zu einer wenig bekannten Tradition des lateinischen Mittelalters, in: Eranos 106 (2012), S. 25 – 41, hier: S. 32 f. 199 Ebd., S. 31.

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1.2.1.2.1  Sicht des innozenzianischen Schismas und kirchenrechtliche Argumentationsansätze Für Arnulf von Sées war die Krise der 1130er zunächst eine „gemeinschaftliche Angelegenheit der K ­ irche“ 200. Auch wenn er an anderer Stelle die diözesane Perspektive als „Unglück des römischen Bischofs“ 201 erkennt, ist er von der gesamtkirchlichen Dimension der Ereignisse überzeugt, die, wie auch zwanzig Jahre s­ päter, durch den Ausweitungskampf der Gefolgschaften beider Konkurrenten außerhalb der römischen Stadtmauern herbeigeführt wurde. Während Anaklets Machtposition innerhalb der urbs auf die korrupten Praktiken und vorteilhaften strategischen Bollwerke seiner Familie zurückgeführt wird, legt Arnulf die maßgeblichen, aber vergeblichen Bestrebungen zur Erweiterung der Obödienz des Pierleonipapstes in großen Königreichen der lateinischen Welt dessen aquitanischem Legaten zu Last, um diesen als Schismatiker zu brandmarken.202 Das letztendliche Gefälle z­ wischen dem Rückhalt der urbs und dem des orbis, das auch Giralds Bemühungen nicht vereiteln konnten, ließe, so der Tenor, den Vorzug des einen päpstlichen Kandidaten dem anderen gegenüber offensichtlich zutage treten.203 Petrus Pierleoni sei Urheber und Rädelsführer des Schismas, Girald von Angoulême sein Werkzeug. Diese Hierarchisierung ist Teil einer antithetischen Gegenüberstellung, in der Innozenz  II. und Gaufried von Chartres als Antagonisten der Kirchenspalter Anaklet II. und Girald von Angoulême stilisiert werden.204 200 Invectiva, ed. Dieterich, S. 85, Z. 25: ecclesiae causa communis. 201 Ebd., Z. 25: adversis presuli Romano. 202 Der Vorwurf an Girard, er habe absichtlich den König von Spanien, aber besonders Heinrich I. von England und die Fürsten seines Reiches, mit List und Tücke ins Lager der Anakletianer zu ziehen versucht, ist eingebettet in das sechste Kapitel der Invektive, das sich ausführlich der Beweisführung der schismatischen Aktivitäten des Bischofs von Angoulême widmet. Siehe ebd., S. 102, Z. 14 – S. 103, Z. 19. 203 Ebd., S. 101, Z. 5 – 8: Studia vero partium tanta dividebat imparitas, ut Petro nondum extra urbis moenia quisquam favor, alterum infra urbem quidem pars potior elegisset, et extra urbem usque ad fines terrae tota iam fere patrem profiteretur ecclesia. Die Strategie des Papareschipapstes, den Makel des Verlustes der Stadt Rom zu überwinden, hat Johrendt: Schisma umrissen. Er zeigt auf, wie Innozenz  II. durch eine auf unterschiedlichen Kanälen (Stärkung des Kardinalskollegiums, Ausweitung des Appellationsrechts und Multiplikatorenbasierte Anhängergewinnung) ersichtliche „Verdichtung der lateinischen K ­ irche“ (S. 162) die Abgrenzung vom Konkurrenten und eine Ausweitung der eigenen Autorität über die gesamte christianitas betrieb. 204 Invectiva, ed. Dieterich, S. 86, Z. 13 – 16: Quippe cum ad resistendum Petro Leonis in Italia presul Romanus indefessus assistat, ad resistendum Girardo vos reliquit in Gallia, ut sit capiti

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Damit setzt Arnulf bereits in der Widmungsschrift den Tenor für die schmähenden Tiraden über die Akteure der Gegenseite im Vergleich zur Lichtgestalt des Papareschipapstes. In seiner Darstellung muss Gaufried auf Augenhöhe den Kampf gegen den Verräter Girald aufnehmen, der heimtückisch aus dem innersten Kern der K ­ irche heraus gegen diese kämpfe: Totus execrandi corporis tui labor et otium, tota reprobatae mentis astutia, totum in hoc detestabilis vitae tempus impensum est, ut militare pro ecclesia videreris et contra ecclesiam dimicares. […] Patet te proditorem ecclesiae fuisse, cuius te simulaveras esse patronum.205

Die Betitelung Giralds als unermüdlicher Verfolger (indefessus persecutor 206) folgt dabei logisch aus Arnulfs Charakterisierung des Schismas: Ipsum [i. e. Innozenz  II.] enim hoc Divinitatis consilio talem constat esse plasmatum, ut, dum adversus ecclesiam vis huius persecutionis insurgeret, esset, qui se tempestati sui securus opponeret et inter fluctus periclitanti naviculae subveniret.207

Das Schiff im Sturm als traditionelles Referenzbild der krisengeschüttelten ­Kirche hatte durch die Eingliederung der für die antiken Theorien der platonischen Politeia oder Ciceros spätrepublikanischen De re publica essenziellen Metaphorik des Staatsschiffes Bedeutung im theologischen Gedankengut der Urkirche erlangt.208 Die biblische Grundlage des navis ecclesiae, die Fahrt Christi und seiner Jünger auf dem caput oppositum et dextera dexterae conferatur. Sicut enim Petrus scismatis huius princeps et auctor est, sic Girardus eius inter omnia principalius est instrumentum. 205 Ebd., 87, Z. 6 – 10. 206 Ebd., 86, Z. 39. 207 Ebd., 97, Z. 10 – 12 [Hervorhebungen: d. Verf.]. 208 Siehe Kurt Goldammer: Das Schiff der K ­ irche. Ein antiker Symbolbegriff aus der politischen Metaphorik in eschatologischer und ekklesiologischer Umdeutung, in: Theologische Zeitschrift 6 (1950), S. 232 – 237; Erik Peterson: Das Schiff als Symbol der ­Kirche. Die Tat des Messias im eschatologischen Meeressturm in der jüdischen und altchristlichen Überlieferung, in: Theologische Zeitschrift 6 (1950), S. 77 – 79. Zu Ursprüngen und Adaption der antiken Bildlichkeiten in der Schifffahrtsszene des Neuen Testaments siehe Günter Kettenbach: Einführung in die Schiffahrtsmetaphorik der Bibel, Frankfurt, M. 1994 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 23, Theologie, 512), S. 268 – 273. Die ekklesiologische Gleichsetzung von Schiff und ­Kirche ist seit dem ausgehenden zweiten nachchristlichen Jahrhundert zu erkennen, tritt aber verstärkt im 4. Jahrhundert auf. Siehe Ulrike Weber: Schiff (Das Schiff der ­Kirche), in: Engelbert Kirschbaum/Wolfgang Braunfels (Hg.): Lexikon der christlichen Ikonographie, Rom 1972, Sp. 61 – 67, hier: Sp. 6162.

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See Genezareth 209, bildet dabei ein Paradebeispiel für die Assimilation des gängigen antiken topos in die eigenen theologischen Vorstellungen.210 Auf der einen Seite verdichten sich im Bild des Schiffs im Sturm Gefühlszustände, mit denen sich die Leserschaft der Invektive identifizieren konnte: die Fährnisse einer akuten Notsituation, Glaubenszweifel, spirituelle wie körperliche Existenzängste. Andererseits appelliert die Episode deutlich daran, Gottvertrauen und Hoffnung auf die Errettung durch die Gnade und Allmacht Gottes auch in schwierigen Zeiten der Prüfung nicht aufzugeben. Wie Christus dem Sturm auf dem See Genezareth Einhalt gebot, so wird er seinen Kindern auch in der aktuellen Notlage beistehen. Doch man hüte sich vor der Kleingläubigkeit der Jünger, die, selbst unfähig, Wasser zu schöpfen oder mit eigener Kraft zur Überwindung der Krise beizutragen, nur ihren schlafenden Herrn um Rettung anriefen! Jesu Reaktion auf diese Verfehlung der teils erfahrenen Seeleute zum eigenverantwortlichen Handeln ist ein unverhohlener Vorwurf der Feigheit und Zweifel.211 Dieselbe Lethargie, so Arnulfs Aussage, musste auch in der Bekämpfung der aktuellen schismatischen Krise überwunden werden. Lag die Rettung am Ende auch in Gottes Hand, so war sie nicht selbstverständlich, sondern musste – wie die Jünger nach der wundersamen Besänftigung von Wind und See begriffen – verdient werden. Im K ­ irchen- und Lebensschiff wirkt Jesus Christus, der Kyrios, der Heilbringer als Retter. Arnulf ist sich der Implikationen bewusst, wenn er Innozenz  II. als den Retter des in Seenot geratenen Schiffs der K ­ irche stilisiert und damit als Erlöser an die Stelle Jesu Christi treten lässt. Er ist derjenige, dem sich die Jünger in ihrer Todesangst zuwenden und der die Geschicke des Schiffes zu Heil oder Verderben lenkt.212 Die deutliche Christologisierung des Papareschi ist ein direkter Verweis auf den ihm zugestandenen Platz an der Spitze der Ekklesia. 209 Mk 4,35 – 41; Mt 8,23 – 27; Lk 8,22 – 25. 210 Eine kritische Synopse und Deutung der Passage unternimmt Kettenbach: Schiffahrtsmetaphorik, S. 247 – 273. Seine Ausführungen bilden in Ergänzung der Ausführungen von Weber: Schiff die Grundlage der nachfolgenden Ausführungen. 211 Mk 4,38 – 40; Mt 8,25 – 26; Lk 7,24 – 25. 212 In Aufnahme des antiken topos wird in der Seefahrtsepisode der Synoptiker die Kunst der Schiffsführung auf die Staats-, respektive Kirchenführung übertragen. Jesus schläft, als König der neuen Weltordnung, die er von dort aus lehrt, am traditionellen, heiligen Platz des Staaten­ lenkers, des Königs oder Kaisers, dem erhöhten Heck des Schiffs. Besonders deutlich bei Mk 4,38. Matthäus und Lukas bemühen sich um eine Schwächung ­dieses Eindrucks. Siehe Kettenbach: Schiffahrtsmetaphorik, S. 248 f., 269 – 273. Diese Vorstellung fand auch in der christlichen Ikonographie deutlichen Ausdruck, in der seit dem 4. Jahrhundert auf Gemmen und Bronzelampen Schiffsdarstellungen Christus als den Steuermann abbilden: Weber: Schiff, Sp. 63.

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Diese schiffsmetaphorische Legitimationsstrategie, kurz und traditionell, fußte auf prominenter Quelle: Am 3. März 1130 hatte Innozenz II. eben ­dieses Bild des Petrusschiffs in seiner Wahlanzeige Placuit ei an die Geistlichkeit und Laien des Königreichs England gewählt. Diese könnte Arnulf durch Vermittlung Gaufrieds von C ­ hartres 213 zugänglich gemacht worden sein. Es ist gut zu erkennen, wie der junge Arnulf das Potenzial des Bezugs auf das Apostelschiff, das die Natur und den Ursprung der Bedrohung betreffend vielschichtige Deutungsebenen eröffnete, erkannte und propagandistisch ausgestaltete. Die externe Bedrohung des hilflos treibenden Schiffs, das Unwetter auf See deutet Arnulf als Verfolgung der ­Kirche durch eine außenstehende häretische Macht.214 Im hochmittelalterlichen Gebrauch des Begriffs persecutio ist die Wortbedeutung ‚Prüfung‘ enthalten, die in der Schiffsallegorie bereits mitschwingt.215 Das innozenzianische Schisma wird zur schicksalhaften Belastung, die in voller Glaubenskraft durchgestanden werden will und kann. Die Erkenntnis der Schwere der Situation geht also mit einem Gefühl der letztendlichen Überwindbarkeit der Krise einher. Es klingen allerdings auch bereits die ersten Töne weiterer innozenzianischer Deutungsmuster an, die s­ päter expliziter ausgestaltet werden sollten. Die Verfolgung der ­Kirche etwa galt Arnulf und seinen Zeitgenossen als Begleiterscheinung des Antichristen, jener endzeitlichen Entsprechung der urchristlichen Irrlehrer, der die Lügen des Teufels verbreite und, ähnlich den Juden, die Messianität des Christus leugne.216 In der Frage nach dem Verursacher des Unglücks lässt Arnulf dann auch keinen Zweifel aufkommen, indem er den ‚listige[n] Widersacher‘ in menschlicher Gestalt, Petrus Leonis, implizit und explizit in antichristliche Dimension rückt.217 Das Entflammen apokalyptisch orientierter Rhetorik, die den politischen Gegnern einen Platz an der Seite des Antichristen zuwies oder sie in Aktualisierung der Apokalypse sogar mit ­diesem identifizierte, war kein neues Phänomen, sondern bereits vor 213 Abdruck in Wilhelm von Giesebrecht: Staufen und Welfen, Braunschweig 1877 (Geschichte der deutschen Kaiserzeit, 4), S. 504: Navis siquidem beati Petri, in qua Christus sedet, inundatione fluctuum aliquando concutitur, verum, Christo eam gubernante, mergi non potest. Zusammenfassung bei Christoph Egger: Päpstliche Wahldekrete und Wahlanzeigen. Formen mittel­ alterlicher Propaganda, in: Hruza: Propaganda, S. 105. 214 Invectiva, ed. Dieterich, 97, Z. 10 – 12. Lk 8,24 verwendet als einziger den auch von Arnulf gewählten Terminus des Sturms: tempestatem aquae. Markus und Matthäus sprechen davon, dass Wind und Meer auf Jesu Wort hin schweigen. 215 Vgl. Jan Frederik Niermeyer/Co van de Kieft/Johannes W. J. Burgers: Mediae Latinitatis lexicon minus, Leiden 22002, S. 1029. 216 Joh 8,44. Dazu Otto Böcher: Antichrist. II. Neues Testament, in: TRE 3, S. 21 – 24, hier: S. 22. 217 Invectiva, ed. Dieterich, S. 97, Z. 7 – 8: Postremo, so non ille humani generis perfidus adversator in Petro Leonis ecclesiae Dei perstruxisset insidias […].

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dem Investiturstreit aufgetreten. Durch den polemischen Gebrauch in den Kampfschriften Gregors VII. jedoch verfestigte sich die Gleichstellung von Gegenpapst und Antichrist und das dazugehörende Vokabular zur „rhetorischen Waffe in der Ausein­ andersetzung mit den Häretikern“ 218. Nachdem schon Innozenz  II. gegenüber den Laien und dem Klerus Englands ausgiebig auf den Vorboten Satans verwies, sollte sich die zweite Blüte der eschatologisch angehauchten Polemik im alexandrinischen Konflikt mit den Papstprätendenten fortsetzen.219 Wie die Schiffsmetaphorik ist also auch die Identifizierung Anaklets mit dem nuntius Antichristi eine Motivik aus Innozenz’ englischer Wahlanzeige. Für seine Invektive gestaltete der Normanne zwei weitere Komponenten daraus aus. Die eine, die antisemitische Diffamierung Anaklets als jüdischer Spross, wird noch näher betrachtet werden. Zunächst wenden wir uns jedoch Arnulfs Version der innozenzianischen Feststellung zu, dass Anaklet der einzige Urheber des Schismas sei. Nach altem literarischem Gebrauch zielt Arnulf auf eine Verzerrung der historischen Ausgangslage, die es ihm exzellent ermöglicht, gegen den politischen Gegner zu argumentieren. Auf dem Weg dorthin bietet die Bildwelt und Sprache des Animalischen den Hintergrund, um das Bestialische in Anaklets Natur hervorzuheben und die gegenwärtige Bedrohung durch dessen Usurpation der Papstwürde zu beschreiben.220 Eine Schlüsselszene der Invectiva schildert ausführlich die standhafte Weigerung Innozenz’ II., das päpstliche Pluviale anzunehmen. Nicht nur der Elekt selbst, sondern auch die anwesende Wählerschaft kommt zu Wort. Eine Geschlossenheit und Einmütigkeit demonstrierend, die so nie existierte, legt Arnulf den Kardinälen folgende Worte in den Mund: Excusationum dispendia periculum imminens et articulus necessitatis excludit. Stat enim in insidiis leo paratus ad praedam, occasionem, sicut et ipse nosti, prestolatus a puero, cuius si non preveniatur assultus, si non impetus obtundatur, nulla iam libertatis spes, nulla prorsus honestatis disciplina relinquitur.221

218 Ingo Herklotz: Die Beratungsräume Calixtus’ II. im Lateranpalast und ihre Fresken. Kunst und Propaganda am Ende des Investiturstreits, in: ZfK, 52 (1989), S. 145 – 214, hier: S. 183. Dort auch ein Überblick über die Übertragung biblischer Begriffe eschatologischer Prägung auf Papstprätendenten und weltliche Herrscher wie Heinrich IV. 219 Vgl. Innozenz‘ Wahlanzeige Placuit ei an die Geistlichkeit und Laienschaft England vom März 1130: Giesebrecht: Kaiserzeit IV, S. 504. Siehe Alexanders Wahlanzeige Eterna et incommunitabilis, ed. Hödl/Classen, S. 83: Ipse [i. e. Oktavian von Monticelli] autem Antichristi tempora prefigurans […]. 220 Haye: Invektive, S. 33: „ferner wird der Angegriffene in der Regel mit einem abstoßenden Tier (Hund, Wolf, Schwein etc.) verglichen.“ 221 Invectiva, ed. Dieterich, S. 98, Z. 8 – 11.

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Der Vorwurf der Verschlagenheit und Hinterhältigkeit ist nirgends so einprägsam wie hier.222 Nicht nur das Zeugnis aus den Mündern von Augenzeugen der Wahl und das Spiel mit existentiellen Ängsten verleiht dem Bild seine Schlagkraft, sondern auch die Dichotomie z­ wischen Jäger und Gejagtem, dem moralisch verdorbenen Trieb des Tieres und der schutzlosen Unschuld und tugendhaften Integrität des Jungen, der als Chiffre für die unter innozenzianischer Leitung stehende K ­ irche als Ganzes dient. Gleichzeitig nimmt des Knaben geduldige Erwartung des letalen Prankenhiebs die ­später erfolgende Schilderung der Bereitschaft Innozenz’ zum Martyrium durch die Gewalt des Widersachers vorweg.223 Interessant an dieser auf den Stammnamen des Attackierten, Pierleoni, anspielenden, theologisch aufgeladenen Raubtiermetaphorik sind ihre Implikationen über die historische Ausgangslage. Führt man sich den Verlauf der Doppelwahl von 1130 vor Augen, tritt Arnulfs Intention deutlich hervor: Das Anaklet vorgeworfene aggressive Trachten nach der Cathedra Petri sei nicht nach der Überrumpelungswahl Innozenz’ II. unter Haimerichs Ägide erfolgt, sondern zuvor. Es soll der Eindruck entstehen, dass die Wählerschaft bereits im Augenblick der Entscheidung für Innozenz unter dem großen Druck der Notlage stand. Von den zwei aufeinanderfolgenden Separatwahlen wird keinerlei Notiz genommen – eine krude Verfälschung der historischen Tatsachen zur Rechtfertigung des eigenen Favoriten. Die Folgen eines Erfolgs Anaklets II. für die Würde und Autorität der Universalkirche und vor allem des Papsttums, das diese zusammenhält und lenkt wie ein Körper die Gliedmaßen, ­seien schwerwiegend: Antiqua ecclesiae Romanae dignitas occidit, ipsius gloria commutatur opprobrio, et formidata extremis hominum potestas vertitur in contemptum. […] Fuit, fuit hactenus hec Romana ecclesia caput orbis, penes quam constantissima fides, suprema potestas, honestas incomparabilis, inconcussa severitas, gerendorum summa discretio et nota toti mundo pietas viguisset, fuit, inquam, fuit hec olim terror improbis, bonis in tranquillitate presidium, in necessitate refugium singulare, a cuius integritate minores ecclesiae vires sumerent et velut ab illeso capite membra saucia suae sortirentur 222 Ein anderes Beispiel d­ ieses Vorwurfs ist Anaklets vermeintliche Tarnung seiner lasterhaften Machenschaften im Mönchsgewand der Cluniazenser: ebd., S. 94, Z. 1 – 16. 223 Innozenz‘ Entscheidung für das Martyrium siehe ebd., 99, Z. 29 – 33: Negaret semper? At illi [i. e. die Kardinäle] gladio spiritus imminebant, anathematis penam protinus intemptantes. Dum ergo sibi videtur inter gemine mortis conclusus angustias, alterique eorum lege necessitatis obnoxius, discrimen periculi corporalis excepit, quia, dum respuit anathematis experiri sententiam, insidiis, immo potentie sese Petri Leonis obiecit. Dies bedeute, so die Implikation, das Entgegentreten gegen die akute Todesbedrohung durch einen blutrünstigen Widersacher. Siehe ebd., S. 99, Z. 15 – 16.

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Arnulf von Lisieux (gest. 1182) initia sanitatis. Nunc autem instat et a fide discessio et antiquae desolatio potestatis, et omnium bonorum eius casus manifestus apparet […].224

Arnulf von Sées schildert den Niedergang apostolischer Macht und damit der in pastoraler, juristischer und organisatorischer Sicht darauf ausgerichteten K ­ irche der Gläubigen. Im Allgemeinen erlaubt das geniale Mittel der Rede der innozenzianischen Wähler dem Verfasser, seiner Partei eine wirksame Stimme zu geben. Mit den Worten, die der Apostel Paulus als Warnung vor dem Ende der Zeit an die Thessalonicher sandte, wird Anaklet mit dem Antichristen, jenem Wegbereiter Satans, identifiziert, „der sich über alles, was Gott oder Heiligtum heißt, so sehr erhebt, dass er sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich als Gott ausgibt“ 225. Eine geradezu makellose Parallele zu seinem Kontrahenten, der die Cathedra Petri mitsamt der Apostelstadt Rom in Besitz genommen hatte. Diese eschatologische Passage des Apostelbriefes lässt eine bekannte Saite in der Schmähungspartitur erklingen: den Vorwurf gottesfrevlerischer Usurpation der Papstwürde. Der Versuch der Kardinäle, den zögernden Gregor zur Immantation zu bewegen, wird zum Manifest der innozenzianischen Partei, das Arnulf nun nach der theologischeschatologischen Einordnung des Gegners mit altbewährten Vorwürfen garnieren kann. Innerhalb weniger Zeilen beschuldigt er Anaklet II. in der alt bewährten Polemik vergangener Schismen der intrusio unter Mithilfe einer Anhängerschaft, die er durch Seilschaften, Simonie und Nepotismus gegen die ­Kirche verschworen habe.226 Diesmal mit klarer biblischer Komponente wird ein traditionelles Bild bemüht, um die mehr als gefärbte ‚Wahrheit‘ des Archidiakons von Sées zu transportieren: Destitutas pastore lupus oves aggreditur et vacuam sedem primus properat usurpare, quod, subrogato pastore, presumere forsitan non auderet.227 2 24 Ebd., S. 98, Z. 11 – 13, 21 – 28. 225 2. Thess 2, 4. Paulus‘ Warnung vor dem Wegbereiter Satans hatte Orosius bereits im 5. Jahrhundert zur Argumentation gegen den als Häresie verurteilten Pelagianismus aufgegriffen und ihrer ursprünglich endzeitlichen Aufladung eine Konnotation zu den Irrlehren verliehen. Siehe Liber apologeticus contra Pelagianos, in: Karl Zangemeister (Hg.): Pauli Orosii historiarum adversum paganos libri VII. Accedit eiusdem Liber apologeticus, Wien 1882 (CSEL, 5), S. 603 – 644, Kap. 16, Par. 2, S. 625, Z. 18. Sie war ebenfalls ein beliebtes Motiv der Predigten Bernhards von Clairvaux. Siehe Bernardus Claraevallensis. Sermones super cantica canticorum I (1 – 35), ed. Jean Leclercq, Rom 1957 (SBO, 1) und Bernardus Claraevallensis. Sermones II, ed. Jean Leclercq, Rom 1968 (SBO, 5). Verwendung bei Arnulf von Lisieux: Invectiva, ed. Dieterich, S. 98, Z. 27 – 32 oder AvL Ep. 24, S. 31. 226 Ebd., Z. 33 – 35. 227 Ebd., Z. 35 – 36.

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Die Argumentation klingt vertraut. Der Eindringling Anaklet plane den vakanten Apostelstuhl widerrechtlich an sich zu reißen, bevor dieser von einem Würdigeren besetzt werden könne. Erneut, diesmal gekoppelt mit dem Vorwurf der usurpatio, wird die historische Reihenfolge der Ereignisse vertauscht und die hinterlistige Gier Anaklets nach dem Amt des pontifex maximus als Gefahr für die Besetzung des Stuhles Petri mit dem würdigeren Kandidaten gedeutet. Haimerichs Überraschungscoup wird in eine rechtmäßige, durch Not bedingte Wahl umgedeutet. Arnulfs Lesart der Ereignisse war zwar verzerrt, hatte aber den Vorteil, dass die nachträgliche Erhebung Anaklets II. ex post als Bestätigung der Weissagungen der innozenzianischen Kardinäle und der Legitimität Innozenz’ II. dienen konnte.228 Anaklet ist Eindringling und Usurpator: weit verbreitete Kampfbegriffe, die sowohl die kirchenrechtliche als auch moralische Verfehlung des Widersachers bezeichnen. Eine spirituelle Dimension gewinnt der Vorwurf durch den Vergleich Anaklets II. mit dem in Verleugnung und Verspottung des Herrn durch die Israeliten verehrten goldenen Kalb aus dem zweiten Buch Mose.229 Auch wenn, anders als zwei Jahrzehnte ­später, 1133 noch nicht explizit d­ ieses Wort fällt, wird Anaklet zum gotteslästerlichen ydolum seiner Anhänger.230 Auch in dieser Delegitimationsstrategie wird eine in Innozenz’ Placuit ei angestoßene Deutungsperspektive angelegt, die Johrendt als „Dreiklang ‚lange geplant – Anwendung von Gewalt – Einsatz von Geldmitteln‘“ 231 subsummiert. Bei Innozenz klang das 1130 wie folgt: Postmodum vero Petrus Leonis, quod a longis retro temporibus in se conceperat, per fratrum et parentum suorum potentiam et aliorum laicorum violentiam rubeam cappam sibi assumsit, et sic matrem Romanam ecclesiam per ecclesiasticarum rerum dilapidationem et effusionem sanguinis nititur occupare.232

228 Vgl. ebd., S. 99, Z. 34 – 36: In eo autem, quo ordine sequenti die Petri processisset intrusio, non diutius immorabor, quam ut dixerim, virum turpem, fedatum infamia, publica existimatione dampnatum, posterius a conspiratoribus et parentibus esse promotum. 229 Vgl. ebd., S. 98, Z. 36 – 37. 230 Andreas Matena: Der Papst als Idol. Skizzen zu einem Diskurs z­ wischen dem 11. und 15. Jahrhundert, in: Harald Müller (Hg.): Der Verlust der Eindeutigkeit. Zur Krise päpstlicher Autorität im Kampf um die Cathedra Petri, Berlin 2017 (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien, 95), S. 127 – 147. 231 Johrendt: Schisma, S. 135. 232 Giesebrecht: Kaiserzeit IV, S. 504. Siehe auch die Wahlanzeige an Lothar III. vom 11. Mai 1130: Nr. IV. Quod excellentia nobilitatis, in: Migne PL 179, Sp. 55.

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Soweit die Sicht auf die innerkirchlichen Vorgänge von Wahl und Anerkennungskampf. Wie aber steht es mit den einflussreichen weltlichen Herrschern? Spielen Ludwig VI . von Frankreich, Heinrich I. von England und Lothar III . eine ähnlich ausschlaggebende Rolle im Schisma von 1130 wie im Schisma von 1159? Dem Kapetinger, der angeblich aus Furcht vor der eigenen Voreingenommenheit und trotz seiner herrscherlichen Autorität der Geistlichkeit vertrauensvoll auf dem Generalkonzils von Étampes am 25. Mai 1130 die Urteilsfindung überlassen haben soll, spricht die Invektive die Mittlerrolle zu.233 Diese Darstellung, die wohl im gleichen Maße die Frömmigkeit des Herrschers unterstreichen wie die Bedeutung der ecclesia Gallicana heben sollte, ist wohl zu hinterfragen.234 Ludwig VI . ist zwar der primus regum, doch erschöpft sich sein Wirkungsbereich in der Bereitstellung eines institutionellen Rahmens für die kirchliche Anerkennung des reformfreundlichen Favoriten. Ludwigs Äquivalent auf der anderen Seite des Ärmelkanals, Heinrich I., wird zwar nicht der Ehrentitel eines ‚Ersten unter den Königen‘ zuteil, erfährt aber breiteres Lob. In Kirchentreue, Gerechtigkeit und Wohltätigkeit könne ihm niemand das Wasser reichen.235 Er sei von einer solchen Weisheit beseelt, dass sich diese „zu den umliegenden Mächten ergießen“ 236 werde. All dies mag alles nicht so recht mit der historisch erwiesenen Stillhaltetaktik des so um insulare Unabhängigkeit von der römischen ­Kirche bemühten Herrschers zusammenpassen.237 Heinrich I. wird 233 Invectiva, ed. Dieterich, S. 100, Z. 1 – 10. 234 Obgleich die Invectiva des Archidiakons von Sées durchaus nicht die einzige Quelle ist in deren Darstellung die kirchliche Autorität auf Kosten der königlichen gestärkt hervorgeht. Auch die moderne Forschung hat in der deutlichen, Ludwig bindenden innozenzianischen Tendenz der ecclesia Gallicana und der neuen Orden den eigentlichen Grund für eine Zurücknahme des französischen Monarchen bei der Entscheidungsfindung gesehen. Siehe Schmale: Studien, S. 220 und Timothy Alan Reuter: Zur Anerkennung Innozenz’ II. Eine neue Quelle, in: DA 39 (1983), S. 395 – 416, hier: S. 403, der Étampes als zur Rechtssicherung erforderliche, rückwirkende Bestätigung eines bereits gefällten königlichen Entschlusses durch die ­Kirche des Königreiches sieht. Ludwig VI. hatte zu Beginn des Schismas die Sache Anaklets favorisiert. Vgl. ebd. Vgl. Schmale: Studien, S. 220. 235 Invectiva, ed. Dieterich, 103, Z. 6 – 16. 236 Vgl. ebd., 103, Z. 16. Mein Dank an Christian Schiffer für die freundliche Bereitstellung seiner Arbeitsübersetzung der Invectiva, auf die sich die in dieser Arbeit zitierten, ins Deutsche übertragenen Passagen stützen werden: Christian Schiffer: Das Papstideal in der Invectiva Arnulfs von Lisieux, Masterarbeit Rheinisch Westfälische Technische Hochschule, Aachen 2013. 237 Vgl. Schmale: Studien, S. 233 – 236 und Zachary Nugent Brooke: The English Church and the Papacy. From the Conquest to the Reign of John, Cambridge 1989 (ND der Ausgabe 1931).

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eine Multiplikatorenrolle in der Anerkennung Innozenz’  II. zugesprochen, die dieser faktisch niemals besaß. Beiden Monarchen war Arnulf 1133 als Archidiakon von Sées und Mitglied der familia des Gaufried von Chartres verpflichtet. Beide werden als aktive Hände in der Maschinerie des Schismaverlaufs dargestellt. Der eine durch Ehrenvorrang und rühmliche Initiative, der andere durch das angebliche Gewicht seiner Stimme im politischen Ausland. Damit kommen sie bedeutend besser weg als der römische K ­ aiser, 238 Lothar III. Obgleich als christianissimus princeps  bezeichnet, kommt seiner Person keine andere Wertschätzung zu als jene, das Haupt gestellt zu haben, das Innozenz II. kraft seiner Autorität als Stellvertreter Petri in der Peterskirche mit der Kaiserkrone bekrönen konnte.239 Im Verständnis der Invectiva ist der ­Kaiser der Römer nur eine dekorative Randfigur im Schatten des rechtmäßigen römischen Pontifex. Im Gegenzug stellten die Schilderungen der Handlungen in Étampes und die Erweiterung seiner Obödienzen am englischen Königshof sowie am Kaiserhof Innozenz und seiner Partei ein weiteres Legitimitätsargument zur Verfügung: die Anerkennung seiner Autorität in den großen christlichen Reichen.240 Ein Zug, den die anglonormannische Historiographie noch im Schisma von 1159 ­nutzen sollte.241 Das Bild von der Entstehung des Schismas, das Arnulf von Sées dem kirchenpolitischen Diskurs zu injizieren suchte, sah also eine bereits vor der Wahl Innozenz’  II . im Hintergrund schwelende Bedrohung durch den hinterlistig auf seine Chance wartenden Petrus Pierleoni vor.242 Innozenz  II . dagegen erschien als Hoffnungsträger aller Kardinäle, die Korruption und Vetternwirtschaft nicht dazu hatten bringen können, das Wohl der K ­ irche und die Würde des Papsttums der Machtgier eines Einzelnen unterzuordnen. Unterstützt wird dieser in eher beschränkter Weise von der helfenden Hand des französischen Herrschers und dem Wohlwollen seines englischen Amtskollegen. Eine Involvierung des Reiches wird ausgeblendet. Das Schismabild der Invectiva ergibt keinerlei spezifische Verankerung in den tagespolitischen Fragen der Zeit. Die Auseinandersetzung erscheint als innerkirchlicher, moralisch-ideologischer Kampf zweier Lager ohne Interesse für oder Auswirkung auf die Außenwelt.

2 38 Invectiva, ed. Dieterich, 104, Z. 1. 239 Vgl. ebd., 103, Z. 41–S. 104, Z. 3. 240 Vgl. Johrendt: Schisma, S. 133. 241 Vgl. etwa die Gesamtdarstellung der treuen Gefolgschaft der Westkönige in RvTorigny Chronica I, ed. Delisle. 242 Die Absicht eine laufende Diskussion im eigenen Sinne zu beeinflussen ist nach Haye: Invektive, S. 32 ein Hauptmerkmal der literarischen Invektive.

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Bleibt zu fragen, inwieweit dieser Rückzug auf die innerkirchliche Natur der innozenzianischen Krise auch deren kirchenrechtliche Dimension umfasste. Schließlich sollten gerade bei einer päpstlichen Doppelwahl Fragen der wahlrechtlichen ­Rechtgültigkeit im Fokus der Fraktionen gestanden haben, wollten sie ihren Kandidaten zur Durchsetzung verhelfen. Es fällt auf, dass sich Arnulf nur ein einziges Mal auf das dünne Eis des Papstwahlrechts begibt und dies weniger aus freien Stücken als vielmehr aus Reaktion auf einen gezielten Vorstoß der Gegners.243 Dieser kam in Gestalt eines heute verlorenen Sendschreibens, in dem Girald von Angoulême die anakletianische Sicht der päpstlichen Wahl von 1130 schilderte.244 Nicht nur auf der universalen Ebene des Papstwahlrechts, sondern auch in den Entscheidungen, die Girald innerhalb seines Bistums traf, zeigt sich der deutliche Wert, den der kanonistisch gebildete Normanne dem korrekten Ablauf rechtlicher Vorgänge beimaß.245 Auch das argumentative Schriftstück, das nach Arnulf als Kompensation der Abwesenheit seines Verfassers der Synode von Étampes vorgelegt wurde und ihm selbst zumindest im Inhalt bekannt gewesen zu sein schien, war eine einzige Bekräftigung der Legitimität Anaklets II. auf Basis des geltenden Kirchenrechts.246 Die innozenzianische Partei hatte keine andere Wahl als sich gegenüber den implizierten Vorwürfen eines Rechtsbruchs durch ihren Kandidaten zur Wehr zu setzen.247 Arnulfs Defensivstrategie spiegelt die Grenzen seines argumentativen Spielraums wider: 243 Die anakletianische Propaganda fußte zumeist auf der Kongruenz seiner Erhebung mit dem geltenden Kirchenrecht. Siehe den Überblick bei Johrendt: Schisma, S. 133 – 135. 244 Von der Existenz des Traktates wissen wir durch eine Klage des Kanonikers Reimbald von Lüttich, dass die Cluniazenser aus taktischen Gründen den Traktat willentlich nicht in eine Totenrolle aufgenommen hatten, die eine weite Verbreitung des Textes garantiert hätte. Siehe Reimbaldi Leodiensis opera omnia, ed. Charles de Clercq, Turnhout 1966 (CC Cont. Med., 4). Näheres bei Stroll: Jewish, S. 176 f. 245 Vgl. Rowan Watson: Scribes and Writing Offices. The Charters of the Counts of Angoulême Before the Late 13th Century, in: Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter. Referate zum VI. Internationalen Kongreß für Diplomatik, Bd. 2, München 1984 (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung, 35), S. 659 – 679, hier: S. 664 f. und Soline Kumaoka: Les jugements du légat Gérard d’Angoulême en Poitou au début du XIIe siècle, in: BECh 155 (1997), S. 315 – 338. 246 Vgl. Invectiva, ed. Dieterich, S. 100, Z. 10 f.: Cui concilio quoniam interesse, Girarde, non poteras, cum litteris tue deformitatis imagine consignatis nuntium destinasti. 247 Im Vorwort an Gaufried von Chartres nennt Arnulf explizit die Verteidigung Innozenz’  II. gegen die in ­diesem Schreiben vorgebrachten Vorwürfe als eines der Ziele seiner Schrift: Ad confutationem quoque eius stilo circa Petrum Leonis liberius evagato, subiunxi de persona domini papae, de ordine electionis eius, de favore principum, de populorum consensu, quidve super hoc irrefragabilis omnium religiosorum probat auctoritas. (ebd., 85, Z. 30f.–S. 86, Z. 1 – 2).

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Utramque te novisse personam et electionis ordinem plenius exquisisse: procul dubio cum Innocentio papa stare iustitiam, eo quod plane vir esset honestatis egregie, et ipsius electio prima tempore et a precipuis Romanae ecclesiae fuerat celebrata personis. Porro Petrum per opulentam manum cathedram posterius usurpasse, virum adeo vita reprobatum et nomine […].248

Mit ihrem Hinweis auf die Wahlordnung nimmt die Passage scheinbar den Faden einer kanonistischen Argumentation auf. In Wirklichkeit aber dreht sie den Spieß um, indem sie suggeriert, dass Girald von Angoulême entgegen geltenden Kirchenrechts und besseren Wissens die Sache Anaklets forciere. Dessen Wahl auf ein bereits durch Innozenz’ vorhergehende Erhebung besetztes Amt negiere sich dadurch selbst und sei folgerichtig eine Usurpation der Cathedra Petri, eine kirchenrechtliche korrekte Herleitung, sofern gegen einen amtierenden Bischof ein zweiter erhoben wurde.249 Zudem sei Innozenz’ Wahl durch prominente und ehrwürdigere Vertreter des Elektorats erfolgt.250 Mit diesen Reminiszenzen an die Bestimmungen von 1059 ist Arnulfs wahlrechtliche Bewegungsfreiheit fast zur Gänze ausgeschöpft. Eher bemüht klingt da die Schilderung des Rückzugs der Synode auf spätantikes Papstrecht, auf ein Dekret Leos des Großen. Dieser hatte zur Lösung einer zwiespältigen Wahlsituation empfohlen, „jene[n Kandidaten] vorzuziehen, der von der Mehrheit an Bildung und Verdiensten unterstützt wurde“ 251. Diese Sentenz wird allerdings nur in einer einzigen kirchenrechtlichen Quelle, der ehemals Ivo von Chartres zugeschriebenen Panormia, nicht auf die Wahl eines Bischofs, sondern auf die des römischen pontifex 248 Ebd., S. 100, Z. 11 – 15. 249 So niedergelegt im Decretum Gratiani, C.7 q. 1, Einleitung und C. 9: Denique quam sit inseparabile unitatis sacramentum, et quam sine spe sint et perditionem sibi maximam de indignatione Die adquirant qui scisma faciunt et relicto episcopo alium sibi foris pseudoepiscoporum constituunt. (Decretum Gratiani, ed. Friedberg), Sp. 566, 569 f., hier: Sp. 569. Fraglich blieb, ob Innozenz als kanonisch gewählter Bischof zu betrachten war. 250 Und damit im Sinne des Papstwahldekrets von 1059 kirchenrechtlich fundiert. Siehe Jasper: Papstwahldekret, S. 101 f., Z. 40 – 57: statuimus, ut obeunte huius Romane universalis ecclesie pontifice inprimis cardinales episcopi diligentissima simul consideratione tractantes, mox sibi clericos cardinales adhibeant, sicque reliquus clerus et populus ad consensum nove electionis accedant […]. Offensichtlich eine Anspielung auf die vier Kardinalbischöfe, die Innozenz  II. im Kloster S. Gregorio erhoben. 251 Invectiva, ed. Dieterich, S. 101, Z. 8 – 10. Arnulf zitiert Leos gleichlautenden Brief an Anastasius von Thessaloniki (Zitat nach ebd., Anm. 2): Si forte, quod nec reprehensibile nec interreligiosum uidicamus, vota eligentium in duas se diviserunt partes, in metropolitani iudicio alteri preferatur, qui maioribus iuvatur studiis et meritis, tantum, ut nullus detur invitis et non petentibus […].

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maximus b­ ezogen.252 Arnulfs Wiedergabe der Schrift ist also hoch selektiv, denn bei einer strittigen Papstwahl empfiehlt die Panormia nicht nur das Mehrheitsvotum, sondern spricht sich in demselben Satz, aus dem Arnulf die Sentenz zitierte, gegen die Durchsetzung eines Kandidaten aus, der nicht vom Volk getragen wird – und den ­dieses somit nie als spirituelles Oberhaupt akzeptieren würde.253 Beide Bestimmungen sprachen eher für eine Akzeptanz Anaklets II . Dass Arnulf aus der dürftigen kanonistischen Deckung versuchte, Innozenz Rückhalt zu geben, zeigt eindrücklich, wie sehr er in die Defensive gedrängt war.

1.2.1.2.2  Idoneitätsargument und antithetische Gegenüberstellung der Konkurrenten Die Tatsache, dass es sich im Falle Innozenz’ II. um eine Minderheitswahl handelte, musste, wenn auch nur im Subtext, notgedrungen auch Arnulf von Sées eingestehen.254 Daher auch die Notwendigkeit einer Verschiebung der Beweisführung vom 252 In d ­ iesem Sinne exzerpieren ihn auch große kirchenrechtliche Sammlungen, darunter die Collectio canonum des Deusdedit, die Decreta des Ivo von Chartres und Gratian, die Kanonessammlung des Anselm von Lucca. Siehe Zöpffel: Papstwahlen, S. 56. In acht erhaltenen Manuskripten der möglicherweise in Chartres entstandenen Panormia wird der Wortlaut von Cum de summi sacerdotis electione tractabitur zu Cum de summi pontificis electione tractabitur verändert. Siehe Panormia, ed. Bruce Basington and Martin Brett, https://ivo-of-chartres. github.io/panormia.html (letzter Zugriff: 1. 3. 2021), lib. III, cap. 6. Eins dieser Manuskripte müsste die rechtliche Grundlage der Arnulfschen Argumentation bilden. Die Widerlegung der Verfasserschaft Ivos für die Panormia erbrachte Christof Rolker: Ivo of Chartres and the Panormia. The Question of Authorship Revisited, in: Péter Erdö/Szabolcs Anzelm Szuromi (Hg.): Proceedings of the Thirteenth International Congress of Medieval Canon Law. Esztergom, 3 – 8 August 2008, Città del Vaticano 2010 (Monumenta iuris canonici. Series C. Subsidia, 14), S. 187 – 206. 253 Vgl. Ivo von Chartres Panormia, ed. Basington/Brett, lib. III, cap. 2: Si tamen, ut fieri solet, studia coeperint esse diversa, eorum de quibus certamen emerserit, convincat sententia plurimorum, sic tamen ut sacerdotio careat qui captus promissione non recto judicio de electione decreverit. Auch libri III, cap. 6: Cum de summi sacerdotis electione tractabitur, ille omnibus preponatur quem cleri plebisque consensus concorditer postularint, ita ut si in alium fortasse partium se vota diviserint, metropolitani iudicio, is alteri preferatur qui maioribus et studiis iuvatur et meritis, tantum ut nullus invitis et non petentibus ordinetur, ne plebs invita episcopum non optatum aut contempnat aut oderit et fiat minus religiosa quam convenit, cui non licet habere quem voluit. Siehe auch Stroll: Jewish, S. 96. 254 Invectiva, ed. Dieterich, S. 100, Z. 15 – 17 [Hervorhebung d. Verf.]: ut si ipsum etiam qualibet electionis forma defenderet, promoveri tamen vitae qualitas et infamia minime sustineret.

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wahlrechtlichen Prozedere auf eine andere Ebene und die Rückkehr zu den alten Stammvorwürfen kirchlicher Polemik, zur widerrechtlichen usurpatio, dem Ämterkauf und der Frage nach der Idoneität und damit der Würdigkeit eines Kandidaten für das entsprechende Amt.255 So wird das in der innozenzianischen Propaganda zur Ausbalancierung fehlenden juristischen Rückhalts gebräuchliche Kriterium der persönlichen Eignung der Kandidaten zu einer der Hauptgrundlagen der kirchenrechtlichen Position in der Invectiva des Arnulf von Sées.256 Seine volle Wirkkraft entfaltet dieser Baustein zur Legitimierung Innozenz’ und der Diskreditierung seines politischen Gegners durch die antithetische Gegenüberstellung beider Kandidaten. Wie ihr antikes Äquivalent kennt die mittelalterliche Invektive als literarische Gattung nur schwarz und weiß. Als politisch motivierte Schrift bildet die Invectiva in Girardum Engolismensem Episcopum keine Ausnahme, wenn sie durch elogische Erhöhung des einen und vernichtende Schmähung des anderen Kandidaten die herausragende respektive mangelnde Eignung des Betreffenden zum apostolischen Amt zu dokumentieren sucht. Einzelne inhaltliche und sprachliche Ausprägungen der Verunglimpfung werden, auch wenn für die Denk- und Deutungsmuster der Mitstreiter Innozenz’ II. in den frühen 1130ern durchaus erhellend, im Folgenden nicht im Einzelnen vorgestellt werden.257 An dieser Stelle sind nur jene Aspekte von Bedeutung, die eine Beziehung zum Kern des Arnulfschen Schismabildes aufweisen. Die genutzten Diskrimierungsmittel entstammen im Allgemeinen den literarischrhetorischen Konventionen der Textgattung. Geradezu vorbildlich befolgt der junge Archidiakon, der während seiner italienischen Studien anhand antiker Modelle wie den katilinischen Reden Ciceros oder patristischer Streitschriften wie Contra Rufinum und Contra Iovinianum des Hieronymus mit diesen in Berührung gekommen sein könnte, die generischen Grundlinien der antiken Kunst der vituperatio. Da sich die Schmährede als rhetorische Gattung per se hauptsächlich in der Form von Reden 2 55 Vgl. ebd., Z. 14 – 15. 256 Vgl. Schiffer: Papstideal. Christian Schiffers Dissertation zur breiteren Bedeutung der ­Idoneitätsfrage wird in Kürze publiziert. 257 Verweise auf die entsprechende Literatur sollen genügen. Bisher fanden besonders zwei Tropen und Verleumdungsstrategien in der Forschung Beachtung: Neben dem Idoneitätsabspruch hat sich Bedos-Rezak: Difformitas in einer profunden Analyse dem denunziatorischen Potential des Vorwurfs der difformitas gewidmet. Der auch bei ihr anklingenden Instrumentalisierung klassischer antijüdischer Ressentiments hat sich Irven Michael Resnick: Marks of Distinction, Washington, DC 2012. Christian Perceptions of Jews in the High Middle Ages, S. 274 – 280 angenommen. Eine Einordnung der Bedeutung ­dieses Elementes in Ausbruch, Verlauf und Propaganda des innozenzianischen Schismas unternimmt Stroll: Jewish, S. 156 – 168.

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oder den ihnen verwandten Briefen manifestierte, könnten Arnulf auch damals aufkommende Dichtungs- und Briefstillehren wie die um 1120 entstandene Aurea gemma des Henricus Francigenus als Handbuch gedient haben.258 In deren Leitfaden zur Abfassung von elogischen und invektivischen Passagen heißt es: Si quem vero vituperare proponis, omnibus eum virtutibus vacuum et vitiis omnibus habundantem ostendes vel predicabis […] et ita personam eius omnibus modis contaminabis. Si litteratus est, desidem in studio fuisse et luxoriosum ostendes in otio, et inimicis placabilem et amicis inexorabilem se exhibuisse demonstrare contendes.259

Einer literarischen Stilübung gleich spielt Arnulf von der (angeblich unzulänglichen) familiären Herkunft seiner Gegner über deren physische Defekte, oft hervorgehoben durch den Vergleich mit einem abstoßenden Tier, bis zur Zuschreibung moralischer Defizite, etwa anormaler sexueller Vorlieben, mit disziplinierter Akribie die typischen Vorwürfe des invektivischen Angriffs durch.260 Dabei ähneln sich die gegen Girald von Angoulême und Anaklet II . gemachten Aussagen zwar in groben Zügen, zeigen allerdings in der Darstellung des Petrus Pierleoni eine distinkte Zuspitzung, die Arnulf geschickt für seine Sache zu ­nutzen weiß. Anaklets seelische difformitas äußert sich für Arnulf im Gegensatz zu Girald von Angoulême weniger im körperlichen Makel als vielmehr in einer ethisch-moralischen Verirrung, die in seiner teils jüdischen Abstammung begründet liege.261 So ist es auch kein Zufall, dass Arnulf 258 Zur generischen Manifestation der Invektive siehe Marc Laureys: Per una storia dell’invettiva umanìstica, in: Studia Umanistici Piceni, 23 (2003), S. 9 – 30. 259 Siehe [1.73] in Aurea Gemma, ed. Steven M. Wight, www.scrineum.it/scrineum/wight/index. htm (letzter Zugriff: 1. 3. 2021). 260 Zusammenstellung der klassischen Gliederung invektivischer Versatzstücke bei David Rutherford (Hg.): Early Renaissance Invective and the Controversies of Antonio da Rho, Tempe/Ariz 2005 (Renaissance Text Series, 19), S. 5 f. Neben diesen eher konventionellen moralischen Angriffen erläutert Bedos-Rezak wie Arnulf die Hässlichkeit seines Ziels, visualisiert in dessen Abbild auf dem bischöflichen Siegel, zur politischen Diskreditierung von Girards brieflichen Ausführungen auf der Synode von Étampes instrumentalisiert (S. 220 – 222). Unter Gebrauch des Vokabulars der theologischen Anthropologie bezichtigt Arnulf Anaklet und seinen Verbündeten der mutwilligen Rebellion gegen göttlichen Willen, indem diese Männer nicht als Abbild Gottes fungieren und damit den Schöpfungsakt pervertieren. Siehe Bedos-Rezak: Difformitas, S. 225 – 230. 261 In tiefgehender Analyse zeigt ebd., dass das durch den Vorwurf der physiognomischen difformitas des Girald von Angoulême evozierte, abschreckende Bild als greifbare Manifestation seiner verdorbenen Seele zu lesen ist. So wird zum Beispiel die unnatürliche Größe und Fehlstellung seiner Augen mit Doppelspiel und Falschheit assoziiert: Non potes negare, quin

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gerade das in der mittelalterlichen Ikonographie antisemitisch aufgeladene Bild der Eule wählt, um die Gottesferne des Girald von Angoulême zu ­illustrieren.262 Das Tier, das nach der frühchristlichen Lehre des Physiologus die Nacht mehr liebt als den Tag, gehörte zum Grundstock der mittelalterlichen vituperatio. Es wurde oft mit den Juden identifiziert, da sich diese sehenden Auges der Rettung durch den Heiland verschlössen.263 Anaklets christliche Geburt wird bedeutungslos hinter dem angeborenen Makel, dessen korrumpierende Macht noch immer in ihm schwele.264 Sein korrumpierender jüdischer Skeptizismus, so Arnulfs Aussage, habe sich in geradezu infektiöser Weise auf dessen engen Vertrauten, Girald von Angoulême, übertragen.265 falsi crimen et inconstantiae simul incurreris, levissime transfuga, modo harum, modo illarum partium malefidus assertor, cuius in singulis operibus duplices vias duplex signat intuitus, et affectus mentis ancipites ambiguus manifestat aspectus, Sicut enim corporales oculos tuos innaturalis quedam distorsit enormitas, ut ad idem contuendum mirabili nequeant discordia convenire, sic et mentis oculi dissident, ratio scilicet et affectus. (Invectiva, ed. Dieterich, 104, Z. 22 – 28). 262 Vgl. Physiologus. A Medieval Book of Nature Lore, transl. by Michael J. Curley, ed. Michael J. Curley, Chicago, ILL 2009. 263 Die auf Henricus Francigenus‘ Aurea gemma beruhende Ars dictandi namens Aurea gemma Oxoniensis liefert einen ganzen Katalog an Schmähvokabular, in dem man neben dem Eulenvergleich viele der Bilder für Arnulfs invektivische Passagen erkennen kann. Siehe Aurea Gemma Oxoniensis, in: Rolf de Kegel (Hg.): Die Jüngere Hildesheimer Briefsammlung, München 1995 (MGH Die Briefe der deutschen Kaiserzeit, 7), S. 26 – 39, c. 27 De vituperio personarum, S. 214: Vituperii signa sunt hec et huiuscemodi: […] homo amens, stultus, fatuus […], venenum hostis antiqui, upupe, ulule […]. Durch den Vergleich des homo animalis Girard mit einem fetten Tier (Invectiva, ed. Dieterich, S. 87, Z. 11 – 13) und einer Eule (ebd., S. 106, Z. 37) konstatiert er, der Bischof sei aufgrund seiner tierischen, rein sinnlich ausgelegten Natur von der Erkenntnis des Göttlichen und damit von jeglicher Form der Spiritualität ausgeschlossen. Zur Deutung des Eulenbildes siehe auch Resnick: Marks, S. 276. 264 Vgl. Invectiva, ed. Dieterich, S. 107, Z. 2 – 3: familia Petri Leonis […], nondum ermento Iudaicae corruptionis penitus expiata. 265 Petrus’ Großvater Baruch war vom Judentum zum Christentum konvertiert. In der Vorstellung des 12. Jahrhunderts konnte dies jedoch nicht verhindern, dass der Makel der Ungläubigkeit seiner Nachkommenschaft noch immer anhaftete (vgl. Jean-Claude Schmitt: La conversion d’Hermann le Juif. Autobiographie histoire et fiction, Paris 2003 (La librairie du e XXI siècle), S. 229 – 233). Die Kritik an Anaklets jüdischer Abstammung ist ein eher seltener Zug im innozenzianischen Schismadiskurs, der jedoch auch von Bernhard von Clairvaux gegenüber Lothar III . geäußert wurde: Ep. 139, in: BvClairvaux Werke II , ed. Winkler, S. 910 – 913, hier: 910 f.: Ut enim constat Iudaicam sobolem sedem Petri in Christi occupasse iniuriam. Näheres bei Stroll: Jewish, S. 166. Durch seine jüdische Abkunft habe Anaklet sich „nicht nur das Material seines Fleisches, sondern sogar gewisse erste Früchte angeborener Verblendung zugezogen“ (Invectiva, ed.

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Damit ist die Schablone für die Charakterisierung Anaklets II. gezeichnet. Habgier (avaritia), Ehrgeiz (ambitio) und Machthunger, klassische Vorwürfe im Diskurs schismatischer Krisen, gepaart mit einer Vorliebe für Simonie und erpresserische Machenschaften.266 Der Großvater sei mit dem uralten Feind des Menschengeschlechtes im Bunde gewesen, der Enkel, dessen Vorreiter und Antichrist, ergötze sich im bildlichen wie im reellen an der Zerstörung der ­Kirche:267 Ipse [i. e. Petrus Pierleoni] autem adeo huius nominis gloriabatur opprobrio, ut etiam ruina orbis non erubesceret appellari. Testis est Vizeliacensis ecclesia, apud quam, dum veteres ad innovandum, ipso audiente, diruerent officinas, ad contemplandas parietum ruinas sese duci propensius exigebat. Percuntatusque, cur id videre tam sedulus exoraret: ‚Quoniam magnarum me‘, inquit, ‚rerum ruina delectat, eo quod orbis ruina futurus esse predicar‘.268

Getrieben vom Wunsch nach Weltherrschaft, arbeite er sich durch Verstellung und Verschlagenheit gezielt an die Einnahme der Cathedra Petri heran.269 Dies bleibt nicht der einzige Vorwurf moralischer Verderbtheit. Wie Anaklets Machenschaften und Ausschweifungen willentlich die göttliche Ordnung der Welt verkehren und aus den Fugen zu bringen suchen, legt das dritte Kapitel der Invektive phantasievoll und ausführlich dar. Darin wird der Pierleoni der Blasphemie beschuldigt und gleichzeitig weiter in eine antichristliche Dimension gerückt.270 Dieterich, S. 92, Z. 34 – 93, Z. 1) – insbesondere da Baruch Pierleoni durch Wucher zu unermesslichem Wohlstand gekommen sei und die Taufe nicht aus religiöser Überzeugung, sondern aus Opportunismus empfangen habe, um durch geschickte politische Eheschließungen seiner Nachkommenschaft die reine Gesellschaft des stadtrömischen Adels zu infiltrieren und korrumpieren (ebd., S. 93, Z. 3 – 10). Aus einer dieser Mischverbindungen und einer Verschwörung Baruchs mit dem alten Feind des Menschengeschlechtes sei Petrus Pierleoni hervorgegangen (ebd, Z. 3 – 12). 266 Vgl. ebd., S. 93, Z. 14 – 23 und S. 95, Z. 10 – 15. 267 Ebd., 93, Z. 9: machinante iam humani generis hoste. 268 Ebd., 93, Z. 28 – 33. 269 Den Beitritt des Petrus Pierleoni zum Orden der Cluniazenser legt Arnulf als böswillige und opportunistische Einschleusung in den dem Reformpapsttum nahestehenden Kreis aus: ebd., S. 94, Z. 3 – 6. Siehe ebd., S. 93, Z. 23 – 28: Profecto cum in his operibus nec Deum dignatur revereri nec hominem, tantam sibi suscitavit infamiam, ut, ius ortu, ambitione vitaque precognitis, ipsum esse antichristum universitas gentium passim crederet et publice testaretur. Augebat fidem, quod ex Iudeis ortus, quod totius mundi dominium Romanae sedis auspicabatur obtentu, quod vitiis deditus infamiam nulla virtute redimeret et quod infinitam patris et avi pecuniam deinceps possessurus esset. 270 Ebd., besonders S. 94 – 95. Obgleich Arnulf seine Anklage auf die beiden Todsünden der Völlerei und der Wollust stützt, gibt er diesen ein dezidiert gottesfeindliches Gepränge. So

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Die Brandmarkung als lasterhafter Schismatiker und apokalyptischer Widersacher Innozenz’ II. ist damit perfekt. Arnulfs weiteres Schöpfen aus gängigem Repertoire der Verbalpolemik schismatischer Auseinandersetzungen konnte nur noch zur Verstärkung des Effektes dienen. So wie die gebräuchliche Missachtung von Titel und Amtsbezeichnung des Gegners zugunsten seines säkularen Vornamens, den die Invektive noch durch die offensive, gattungsspezifische Direktansprache des Gegners in der zweiten Person Singular verstärkte.271 Der Verzicht auf den schicklichen Plural minimierte die persönliche Würde des Gegenübers. Die unterlassene Verortung des Adressaten in der kirchlichen Ämterhierarchie durch einen Archidiakon stellte eine schwere Düpierung des Ranghöheren dar. Das einzige Mal, dass Arnulf das Petrus oder Petrus Leonis durch Anaklets Papstnamen ersetzte, wird dieser direkt als betrügerische Anmaßung des Titels, ja, sogar als Verschleierung der gesetzlosen Natur des Pierleoni entlarvt.272 Demgegenüber wird sein Konkurrent Innozenz fast ausschließlich schildert er den frevelhaften Gebrauch von Weihrauch zur Räucherung von Speisen in eigens dafür hergestellten Krügen von zweideutiger Form während angeblicher, von Völlerei gekennzeichneter Gelage des Pierleonipapstes. Abgesehen von der Zweckentfremdung des körnigen Harzes außerhalb der liturgischen Prozedur kritisiert er aber vor allem den Übertritt des Duftes von einer in die andere sinnliche Manifestation, nämlich den Niederschlag des Weihrauchs im Aroma von ihm bedampften Speisen. Diese Grenzüberschreitung ist widernatürlich und blasphemisch, richte sie sich doch gegen die eigentliche, göttliche Ordnung der Dinge: Quae profecto gulositas naturam prorsus humanitatis excessit. Humanorum quippe sensuum perceptiones naturalis ratio certa lege discrevit, singulis singulas rerum qualitates assignans, nihilque confuse alicui commune cum alio dereliquit. Hic vero, dum thuris odor transfertur in epulas, quod odoratus est, gustui vendicatur, fitque in rerum qualitatibus ignota confusio et in sensuum perceptionibus communicatio non naturae (ebd., S. 95, Z. 3 – 7). Ähnlich gelagert sind die Anaklet zugeschriebenen sexuellen Perversionen, namentlich eine inzestuöse Beziehung zu seiner Schwester Tropea, die ihn zum „Vater der Neffen und Onkel der Söhne“ (ebd., 95, Z. 18 – 19) machte und derart die Gesetze der Natur verwirrte. Besonders extravagant ist Arnulfs Interpretation des in der invektivischen Tradition gängigen Vorwurfs homoerotischer oder anormaler sexueller Neigung. Als Legat, so der Archidiakon von Sées, habe Petrus ein junges Mädchen in seiner Begleitung gehabt, durch Kleidung und Tonsur als Jüngling verkleidet. Eine sündhafte Konfusion der Geschlechter, quod dum virum facie, reliquis mulierem partibus exhibet, uterque sexus ipsi in eodem corpore videbatur exponi. (ebd., S. 95, Z. 26 – 27). Weitere explizite Identifikationen mit dem Antichristen siehe ebd., S. 93, Z. 25 und S. 98, Z. 31 und S. 103, Z. 34. 271 Für einen historischen Überblick dieser strategischen „Beschädigung durch bewusstes Unterlassen“ siehe Müller: Gegenpäpste, S. 33 f. 272 Vgl. Invectiva, ed. Dieterich, S. 103, Z. 32 – 35: Suscepta igitur Petri Leonis epistola, cepisti per fines Aquitaniae duscurrendo pristinae predicationi tuae predicare contraria: Petrum scilicet Leonis Anacleti nomine (sed verius antichristi!) papam esse, cuius quidem apostolatum sedes principalis exciperet et totius civitatis obedientia confirmaret.

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mit seinem Papstnamen identifiziert. Die zwei einzigen Ausnahmen tauchen nicht im Kontext einer moralischen Diskussion auf, sondern als Feststellung eines legitimatorischen fait accompli innerhalb der rechtlichen Diskussion der Doppelwahl.273 Während Arnulf hier in alte Strategien der politischen Polemik verfällt, bevorzugt er in der moralisch-ethischen Diskussion andere Wege. So verbleiben Schilderung und Werturteil über Innozenz und sein Wirken in der respektvollen Distanz der dritten Person. Arnulfs Favorit ist kein erdverbundenes Individuum. Er erscheint als moralisch entrückte Verkörperung mannigfaltiger Qualitäten und geradezu überirdisches Beispiel der ihm zugeschriebenen apostolischen Tugenden.274 Das ehrfürchtig-positive Urteil über den Papstkandidaten wird noch durch ein anderes literarisches Mittel unterstützt. Während dieser in einer Antwortrede auf den Druck der Kardinäle seinen Standpunkt darlegen, seine Demut und fromme Gesinnung demonstrieren kann, bleibt seinem Rivalen die Möglichkeit einer direkten, verbalen Rechtfertigung verschlossen.275 In eben dieser Rede entfaltet Arnulf von Sées auch sein eigentliches, legitimatorisches Hauptthema, das zu unterfüttern alle bisher vorgestellten Momente zum Ziel hatten. Interessanterweise wird es neben dem Hinweis auf die moralische Verderbtheit des Gegners als Mittel des gezielten, polemischen Angriffs auch vom Handbuch des Henricus Francigenus empfohlen. Ich zitiere Steven Wights Übersetzung der Aurea gemma: „If you propose to vituperate someone […] you will designate his use of externally located corporal goods [i. e. säkulare Güter wie Reichtümer, Adelsstand, Ämter oder Ruhm] […] as immoderate and intemperate and thus you will stain his person by all means. […] Whomever you wish to accuse, diligently consider which duty he should fulfill, so that when you wish to censure his person, you show that he strays from his duty. For he who deserts his duty should be removed from office, which is the companion of duty. For example: The duty of a magistrate is to understand how he can represent the person of the city and he should direct not only words but also deeds and counsel to its welfare. Thus if he deserts his duty, that is if he neglects the care and welfare of the city for which he should provide, he should also be divested of the magistracy itself which he neglected to execute. The same should be understood concerning other duties. […] For duty is the appropriate action of each person according to the morals and institutions of the country or city and this is a civil definition. […] One […] type of […] duty is absolute, the other […] type […] mediate. An absolute duty is an honorable deed, a m ­ ediate duty is that concerning which a rational cause can be rendered. […] If you wish to praise someone, 2 73 Siehe ebd., S. 100, Z. 11 – 14; S. 101, Z. 11. 274 Vgl. ebd., Kap. 4 und darauf Bezug nehmend Bedos-Rezak: Difformitas, S. 218. 275 Vgl. Invectiva, ed. Dieterich, S. 97, Z. 21–S. 98, Z. 6.

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you shall say that he observes both of these two duties. If it is agreeable to vituperate someone, insinuate that he has strayed away from both duties and has set upon the contrary.“ 276

Dem Gegenüber soll die Idoneität, die Amtstauglichkeit, abgesprochen werden. Sowohl in der für den Untersuchungsschwerpunkt ­dieses Kapitels relevanten Diffamierung des Petrus Pierleoni als auch in der Herabwürdigung seines Vorkämpfers in Aquitanien, Girald von Angoulême, macht der Archidiakon von Sées in extenso Gebrauch dieser gezielten „Rufmordstrategie“ 277. Dabei schwang nicht nur eine moralisch-ethische Komponente, wie sie die Aurea gemma anführen, mit, sondern auch eine kirchenrechtliche, nach dem sich jeder Inhaber eines kirchlichen Amts – insbesondere der Stellvertreter Petri – für d­ ieses würdig erwiesen haben musste.278 So moralisch verbrämt und aufgeladen Arnulfs Beschuldigungen auch scheinen mögen, richten sie sich direkt an die empfindlichste Stelle des Widersachers. Ihre Aussage: Petrus Pierleoni war kein rechtlich legitimierter pontifex maximus. Gleichzeitig umging diese Argumentation geschickt das Hauptproblem der prozedural gesehen statthafteren Doppelwahl des Konkurrenten, indem der eigentlichen Grundlage für das Erfolgen seiner Erhebung, nämlich Anaklets Tauglichkeit, der Boden entzogen wurde. Die Idoneitätsfrage bildet somit den argumentativen 276 Aurea gemma, ed. Wight: [1.73] Si quem vero vituperare proponis, […] et bonis corporis extrinsecus sitis, que communia sunt tam bonis quam malis, inmoderate et intemperanter usum designabis et ita personam eius omnibus modis contaminabis. [1.74] Quemcumque criminari volueris, considera diligenter, quicquid facere debet ex officio, ut cum eius personam carpere volueris, ab officio eum errare ostendas. Qui enim officium suum deserit, privari debet dignitate, que est comes officii. Verbi gratia: Magistratus est officium intelligere se gerere personam civitatis et ad eius salutem non solum dicta set etiam facta et consilia debere dirigere. Si ergo officium deserit, id est si curam civitatis negligit et salutem, cui debet providere, etiam magistratu ipso debet exui, cuius negligit officium exequi. Idem intelligendum est de ceteris officiis. [1.75] Est enim officium congruus actus uniuscuiusque persone secundum mores et instituta patrie vel civitatis et hec est civilis diffinitio. […] Officium aliud perfectum, aliud medium. Perfectum officium est honestum factum, medium officium est, de quo rationabilis causa reddi potest. [1.76] Si quem laudare volueris, dices eum hec duo officia observasse. Si quem vituperare collibuerit, ab utroque aberrasse et in contrarium incidisse insinuabis. 277 Bedos-Rezak: Difformitas, S. 216. 278 So sieht es auch noch das geltende Kirchenrecht. Siehe Winfried Aymans (Hg.): Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex iuris canonici, begründet von Eduard Eichmann, fortgeführt von Klaus Mörsdorf, neu bearbeitet von Winfried Aymans, Paderborn 1991, S. 460: „Darüber hinaus muß derjenige, dem ein Amt übertragen werden soll, ‚persona idonea et digna‘ sein, d. h. er muß die für das betreffende Amt vorgeschriebene Eignung und Würdigkeit besitzen.“ Zur Akzeptanz des Idoneitätskriteriums in Rechtstexten und weiteren Zeugnissen der Schismazeit siehe Schiffer: Papstideal, S. 42 – 52.

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Kern der innozenzianischen Offensive. Sie war es bereits 1130, als Innozenz ein gutes Viertel seiner Wahlanzeige Placuit ei eben dem Bescheidenheitstopos widmete, den auch Arnulf zur Hauptrechtfertigung für das ostentative Widerstreben des vermeintlich würdigeren Kandidaten gegen die Annahme des Palliums machte 279: Verum oportet nunc ex meritis, non ex gratia iudicare nec gratiosum tantum, sed et dignum constituere sacerdotem. Hic enim nullum capietur ex paritate solatium, ubi consortem muneris prerogativa singularis excludit. Excludatur ergo benevolentia, et persona comparetur officio, ad quod vocatur. Vita probabilem, scientia preditum, celebratum fama tantus honor exposcit, ut ipsi divinum favorem probabilis vita concilet, gerendorum facultatem scientia conferat, et nominis celebritate clara comparetur auctoritas. […] Quis, inquam, ergo sum, quam papam Roma salutet, qui non inter primos dumtaxat, sed etiam primorum primus assigner? Indignum qui preficit, afficit iniuria dignitatem.280

Das Kontrastpaar von freiwilligem Verzicht (refutatio) und berechnender Gier (avaritia/usurpatio) ist hier nur Schatten der einen grundlegenden Idee einer unabdingbaren Kongruenz ­zwischen den Anforderungen des Amtes und der charakterlichen Disposition des Anwärters: 279 Vgl. Giesebrecht: Kaiserzeit IV, S. 504: Placuit ei, qui ab aeterno cuncta disponit, me, licet indignum et inutilem servum, ad sanctae Romanae ecclesiae regimen per electionem fratrum nostrorum Wilhelmi Praenestrini, Matthei Albanensis, Ioannis Hostiensis, Chunradi Sabinensis episcoporum et catholicorum cardinalium evocare. Et quum me imparem et ad tam gloriosum opus minus sufficientem credebam, quantum potui, restitit. Sed iniuncta mihi ex parte Dei et ecclesiae et fratrum nostrorum obedientia, confisus de sustentatione divinae gratiae, obedivi. Ähnlich auch seine Wahlanzeige an Lothar III. vom 11. Mai 1130. Siehe Nr. IV, Migne PL 179, hier: Sp. 55. Der freiwillige Konsens ­zwischen Wählern und Gewählten war eine der Grundvoraussetzungen einer rechtsgültigen Papstwahl. Dies belegen die Ausführungen des einflussreichen Dekretisten Huguccio zu D. 63 c. 10, v. Subscripta relatio. Siehe Robert Louis Benson: The Bishop-Elect. A Study in Medieval Ecclesiastical Office, Princeton, NJ 1968, App. 3, S. 398 f., Z. 24 – 25. Ich zitiere die Übersetzung nach Bernhard Schimmelpfennig: Papst- und Bischofswahlen seit dem 12. Jahrhundert, in: Schneider/Zimmermann: Wahlen, S. 173: „Wahl heißt sowohl die aktive wie die passive Nomination, nämlich die Nomination der Wähler und die Nomination dessen, der gewählt wird. Aus dieser so einfach verstandenen Wahl erwirbt der Gewählte keinerlei Recht und dadurch wird er auch nicht ein Prälat. Ebenso wird die Wahl bezeichnet als Band, das aus dem gegenseitigen Konsens, nämlich der Wähler und des Gewählten, z­ wischen ihnen geknüpft wird; denn wenn sie gegenseitig miteinander übereinstimmen, wird ­zwischen ihnen eine geistliche Ehe geschlossen. […] Wie nämlich in der fleischlichen Ehe die Eheschließung in dem Versprechen per verba de presenti vorausgeht und danach die leibliche Vereinigung folgt, so geht auch hier im gegenseitigen Konsens die geistliche Eheschließung voraus und dem folgt gleichsam die fleischliche Vereinigung, wenn er über die K ­ irche verfügt und gebietet.“ 280 Invectiva, ed. Dieterich, S. 97, Z. 35–S. 98, Z. 6.

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Qui igitur successurus est Christo, oportet eum sicut ille ambulavit, et ipsum ambulare. Si quis autem post ipsum iturus est, abneget semetipsum et tollat crucem suam et sequatur ipsum. Crucem vero non tollit, nisi qui, castigans corpus suum et in servitutem redigens, in comessationibus et ebriatibus, in cubilibus et impudicitiis legem Dei nequaquam dissolutus excedit. Ipsum non sequitur, nisi qui, divinis intentus operibus, ascensiones in corde suo disponit, donec de virtute in virtutem videatur Deus.281

Demut und fromme Selbstzweifel lassen den Elekten Gregor Papareschi, wenn auch erfolglos, die Wahl des Kardinalskollegs zurückweisen. Damit war er mitnichten der Erste, der angeblich große Demut im Angesicht seiner Erhebung zeigte. Jochen Johrendt konnte am Liber pontificalis herausarbeiten, dass dieser Demutstopos fester Bestandteil des Papstideals im ausgehenden 11. Jahrhundert war.282 Auch hier ist Arnulf noch Kind der Traditionen der Reformkirche. Der Demutstopos, eine direkte Kontrastfolie zur berechnenden Gier des ämtermissbrauchenden Pierleoni, belegt Innozenz’ Eignung für das höchste pastorale Amt der ­Kirche. Entsprechend der Wahlanzeigen, die Innozenz nach seiner Erhebung an Lothar III. und ins englische Königreich sandte, entsprach es dem von ihm gern vermittelten Bild, wenn er beteuerte, gegen seinen Willen und Widerstand, aber unanimiter zum Stellvertreter Petri erhoben worden zu sei.283 Es war ein starkes Bild der Demut und ein nicht zu vernachlässigendes Argument, war doch die Bereitschaft, sein Leben und Tun nach Christi Vorbild auszurichten, oberstes Gebot für einen vicarius Christi. Der Inhaber der Papstwürde, Abbild ­Gottes wie jeder andere Mensch, musste in seinen ständigen Bestrebungen um das entscheidende, handlungsleitende Ideal der Christusförmigkeit herausragen.284 Dieses Streben nach Konformität und Identifikation mit Christi Tugenden und Lehre in Sein und Handeln war jedoch ein ebenso aktiver wie willentlicher Akt, wodurch die eigentliche Verfehlung Anaklets deutlich wird: 281 Ebd., 95, Z. 35 – 41. 282 Vgl. Jochen Johrendt: Der gute Papst. Eignung und notwendige Fähigkeiten im Spiegel der hochmittelalterlichen Papstviten, in: Müller: Verlust, S. 99 f. Als Beispiel werden P ­ aschalis II. und Calixt II. angeführt. 283 Vgl. Giesebrecht: Kaiserzeit IV , S. 504 und Migne PL 179, Sp. 55 f., hier: Sp. 55B: quod ego dignus non fui, episcopi et Catholici cardinales me licet invitum, et renitentem in Romanum pontificem unanimiter elegerunt. 284 So herausgestellt von Bedos-Rezak: Difformitas, S. 225 f., hier: S. 226: „For, in the sphere of anthropology, man was an imprint, and as such carried an inner presence of its divine model to which he might strive to conform, thereby attempting to re-form himself in the image of his creator. Reformation, however, occurred only through human effort to resemble the model’s imprinted image.“

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Arnulf von Lisieux (gest. 1182) Tu vero, Petre, cum de vitiis casu continuo devolvaris in vitia et signatum super te lumen divini vultus obtenebres, deformata iam divinitatis imagine et ipsius similitudine flagitiis obfuscata, qua temeritate Christi successor esse presumis, cuius prius similitudinem non assumis?285

Eben diese in seinem lasterhaften Lebensstil manifestierte, bewusste und offensive Weigerung des Pierleoni, sich göttlichem Recht und göttlicher Ordnung zu fügen, bemängelt Arnulf. So beschließt er seinen Tadel Anaklets II. demonstrativ mit der programmatischen Feststellung: Nulla enim conventio Christi ad Belial, nulla lucis ad tenebras communicatio.286 Gegenüber der strahlenden conformitas seines Gegners erschien Anaklet II. als der durch die intentionale Entstellung des göttlichen Abbilds und seine sündhafte Abstammung aus jenem Volk, das die Augen vor der Heilslehre des Messias verschlossen hatte, difformierte Antichrist. Damit war er für das Amt des Petrusnachfolgers diskreditiert.287 Das gesamte vierte Kapitel widmet sich der Idealisierung Innozenz’ II. gemäß ­diesem definierten Postulat. In direktem Gegensatz zu seinen Widersachern, deren Lasterhaftigkeit und Grenzverstöße Zeugen ihres Abfalls von der imitatio Christi sind, äußert sich Innozenz’ Christusgleichheit in seiner Gestalt, die nur dem Ideal der Mitte entspricht. Im ehrerbietigen Ton zeichnet Arnulf das Bild eines charismatischen und wortgewandten Gottesmannes, der „jeden Tag seines Lebens im Haus Gottes wohnte und den Willen des Herrn erblickte“ 288. Voller keuscher Frömmigkeit, Großzügigkeit und Ehrlichkeit, Sanftheit, Anmut, Güte und Würde und frei von jedwedem Laster wie Hochmut, Sünde oder Gier, formen seine charakterlichen Qualitäten sein engelsgleiches physisches Erscheinungsbild im gleichen Maße wie die moralische Hässlichkeit seine Kontrahenten entstellte: [V]ir staturae mediocris, quae nec abiectum brevitas nec immanem reddat immensae quantitatis excessus. Apparet in oculis eius et vultu robusta simplicitas, et qua castitatem animi probet, verecundia facici. Quae profecto facies tanta dignitate resplendet, ut et ipsi quandam reverentiam ingerat intuenti. Ei quoque hanc inter cetera munificentiae suae dona specialem gratiam vis divina largita est, ut omnes se videntes mansueta sibi benignitate conciliet et dilectionem solo nanciscatur aspectu. Ipsius etenim oculis divinum quiddam superna bonitas inspiravit, quod plenum gratiae, quod reverentia dignum, quod honori congruum generaliter arbitratur.289

2 85 Invectiva, ed. Dieterich, S. 96, Z. 1 – 4. 286 Ebd., S. 96, Z. 4 – 5. 287 Vgl. Bedos-Rezak: Difformitas, S. 227. 288 Vgl. Invectiva, ed. Dieterich, S. 96, Z. 11 – 12. [Übersetzung: Christian Schiffer]. 289 Ebd., Z. 13 – 21 ff.

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Die Schilderung seines Lebenswandels liest sich wie eine wortwörtliche Umkehrung der Vorwürfe an die anakletianischen Widersacher, bis der Bericht seiner Wahl durch seine Kardinalskollegen als logische Konsequenz erscheinen muss.290 Die Zuspitzung der Episode von Angebot und Zurückweisung des Papstmantels beschließt pointiert die Idealisierung Innozenz’ II. zum kirchlichen Heros. Dessen Entschluss, sich lieber dem durch anakletianische Hand drohenden Martyrium des Todes als dem spirituellen Tod durch die Hand seiner Mitbrüder zu stellen, wird zum letzten bedeutsamen Schritt auf dem langen Weg seiner persönlichen imitatio Christi.291 Da die Brandmarkung des Petrus Pierleoni als Antichrist, gemäß der Vorstellung der mittelalterlichen Antichristologie der dämonische Gegenspieler Jesu Christi, zwingend eine Christusfigur verlangte, war die Betonung der innozenzianischen Christusförmigkeit in Arnulfs Strategie unabdingbar.292 Damit wird Innozenz II. nicht nur in Christi Nähe gerückt, sondern nimmt fast dessen Stellung ein. Es ist zu konstatieren, dass Arnulf in seiner Strategie zur Legitimation Innozenz’ II. und Delegitimation Anaklets zum einen literarische Traditionen der Schmähschrift, zum anderen Elemente aus dem laufenden programmatisch-propagandistischen Diskurs, etwa die judenfeindliche Komponente, aufgriff. Auch wenn seine Taktik dabei dem spezifischen Konkurrentenpaar von 1130 geschuldet war, ist die Gegenüberstellung z­ wischen einer Christusfigur in Form des Favoriten und dem Konkurrenten im Gewand des Antichristen auch für das alexandrinische Schisma ein denkbares argumentatives Szenario. Die Interpretation der historischen Entwicklung der Doppelwahl als einer defensiven Notwendigkeit gegenüber einer schwelenden anakletianischen Bedrohung bleibt eine rein politisch motivierte Manipulation, die nicht zuletzt den mehr als dürftigen juristischen Boden einer Legitimierung Innozenz’ II. ausgleichen sollte. Hier wäre 1159 ein anders gearteter Diskurs zu erwarten. Es wird sich zeigen, ob die in der ­Invectiva im Sinne einer moralischen Rechtfertigung des Arnulfschen Favoriten so akribisch vermiedene Verankerung des Schismas in der Tagespolitik und den Belangen der involvierten Königreiche zwei Jahrzehnte ­später eine andere Gewichtung erhielt. In seiner Invektive hatte sich der junge Archidiakon von Sées zum einen ein literarisches Denkmal in Form eines Pamphlets gesetzt, das den Innozentianern zumindest theoretisch als argumentatives Kapital an die Hand gegeben werden konnte und als solches auch den spezifischen Anforderungen des Jahres 1133, der Gewinnung 2 90 Vgl. ebd., S. 96, Z. 27–S. 97, Z. 4. 291 Vgl. ebd., S. 99, Z. 26 – 33. 292 Verdeutlicht am Beispiel des ersten Tiers der Apokalypse, das in der Antitrinität die Stelle des Antichristen, also des Gegen-Christus einnimmt. Siehe Böcher: Antichrist, S. 23.

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­ quitaniens für die innozenzianische Sache, genügte. Auch wenn nicht nachgewieA sen werden kann, ob die Invectiva in ihrer Zeit direkter Einfluss oder rein rhetorische Fingerübung war, ist sie eine wichtige Quelle der Arnulfschen Geisteshaltung. Hier entwickelte der junge Graduent Ideen, die seine Perspektive lange tragen sollten, und zeigte sich nicht zuletzt zum ersten Mal als fähiges Sprachrohr und wortgewandter Mitkämpfer eines päpstlichen Elekten – eine Position, die er drei Jahrzehnte ­später, als Bischof von Lisieux, auf Geheiß Alexanders III. wieder einnehmen sollte.

1.2.2  Die Eröffnungspredigt auf dem Konzil von Tours (1163) 1.2.2.1  Das Konzil von Tours: Ausrichtung und Zielsetzung Am 19. Mai 1163, ein Jahr nachdem der geflüchtete Alexander III. zum ersten Mal einen Fuß auf den Boden seines französischen Exils gesetzt hatte, trat in der Mauritiuskirche zu Tours unter seinem Vorsitz eine Synode zusammen. Das Konzil von Montpellier vom April des Vorjahres hatte noch nicht die repräsentative Kraft eines Generalkonzils getragen. Ein Manko, das nun auf aus angevinisch-kapetingischer Sicht neutralem Boden ausgeglichen werden sollte.293 Dabei war es insbesondere die knapp überwundene Annäherung des bedrängten Ludwigs VII. an Friedrich Barbarossa im Sommer 1162, die eine breite Akzeptanz alexandrinischer Autorität und Politik unabdingbar machte – besonders, aber nicht ausschließlich im Lager des französischen Klerus, der als Gegengewicht zum Wankelmut des Kapetingers fungierte.294 Kaum waren die Gespräche an der Saône gescheitert, hatte Alexander, gestärkt durch seine erneute Anerkennung durch die Westkönige im September in Chouzé-sur-Loire und Déols, mit den Planungen und Vorbereitungen für eine „beeindruckende Versammlung“ 295 2 93 Vgl. Reuter: List, S. 117 und Somerville: Tours, S. 7 f. 294 Ebd., S. 2 f. ordnet die prekäre militärisch, politische und kirchenpolitische Position ­Ludwigs VII. ­zwischen den beiden starken angevinischen und staufischen Nachbarreichen ein. Zu A ­ lexanders Einsatz des ihm gewogenen französischen Episkopats als Bindungsglied zu den weltlichen Autoritäten und finanzielle Stütze im Exil Soria Audebert: Temps und Soria: France. 295 Vgl. Reuter: Schism, S. 104. Hauptzeuge ist: RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 342. Zu den diplomatischen Interaktionen z­ wischen dem Heiligen Römischen Reich und Frankreich siehe den Forschungsdiskurs z­ wischen Walter Heinemeyer: Die Verhandlungen an der Saône im Jahre 1162, in: DA 20 (1964), S. 155 – 189 und Franz-Josef Schmale: Friedrich I. und Ludwig VII . im Sommer des Jahres 1162, in: ZBLG 31 (1968), S. 315 – 368. Zur Bestätigung Alexanders durch Heinrich II . und Ludwig VII . an Loire und Indre: Somerville: Tours, S. 3 f.

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in der Tradition der romfernen, reformpäpstlichen Vorgängerkonzilien Urbans II., Paschalis’ II. und Calixts II. begonnen.296 Zeitpunkt und Umstände verlangten nach einer öffentlichkeitswirksamen Konsolidierung apostolischer Autorität nördlich der Alpen. Zwar hatten die gescheiterten Verhandlungen mit Frankreich dem ­Kaiser einen erheblichen Prestigeverlust eingebracht, doch war der aggressive viktorinische Kurs noch in den ersten Septembertagen auf einer burgundischen Reichssynode und dem Hoftag nahe Saint-Jean-de-Losne im Beisein König Waldemars von Dänemark und des Reichsklerus mit der Verurteilung Alexanders und seiner Mitstreiter weiterverfolgt worden. Nachdem die viktorinische Gegenpartei sich somit mehr als einmal zur Proklamierung und Konsolidierung ihrer politischen Position eines Konzils bedient hatte, überrascht kaum, dass auch A ­ lexander III. ­dieses Mittel nach dem Vorbild des innozenzianischen Laterankonzils von 1139 in seinem Sinne zu ­nutzen suchte.297 Um dem Forum maximale Geltung zu verschaffen, hatte man sich bemüht, die Universalkirche in der Teilnehmerschaft abzubilden. Konvokationen ergingen an den französischen und iberischen wie an den Klerus der britischen Inseln, deren Vertreter tatsächlich die meisten Sitze besetzen sollten.298 Nicht belegbar, aber äußerst wahrscheinlich, wollte Alexander III. doch so viele Teilnehmer wie möglich in Tours vereinen, ist die Ladung des Hochklerus aus dem Reich und den Königreichen im Norden und Osten. Schlecht bis gar nicht vertreten war der irische, portugiesische und schottische Klerus. Abgesehen von Albert I. von Harthausen, dem Bischof von Freising, einigen burgundischen Vertretern und exilierten italienischen Bischöfen erschienen keine Repräsentanten aus dem Reichsgebiet.299 Nichtsdestotrotz kam die Versammlung auf eine beeindruckende Zahl von siebzehn Kardinälen, mehr als hundert Bischöfen und über vierhundert Äbten.300 296 Zu Vorgängern, Vorbereitung und Einberufung des Konzils siehe Reuter: List, S. 116, 118 f. sowie Somerville: Tours, S. 5, 8 – 11. 297 Ebd., S. 5 f. zeigt die enge Verbindung päpstlicher Synodalaktivität mit den schismatischen Entwicklungen der 1130er und 1160er sowie Alexanders zunehmendem Amtsverständnis als oberste rechtliche Schiedsinstanz auf. 298 Vgl. Ludwig Falkenstein: Ein vergessener Brief Alexanders III. an einen ‚rex Hibernorum‘, in: AHP 10 (1972), S. 107 – 160, hier: S. 117 f., 122 – 126. 299 Reuter: List, S. 120 f. vermutet, dass pragmatische Gründe wie fehlende Mittel und die Länge des Anreisewegs die Bischöfe an einer Teilnahme hinderten. 300 Bosos Zahlen (Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 408) werden durch die bei Reuter: List, S. 122 – 125 edierte, zuerst von Walther Holtzmann mit Tours verbundene Auflistung bischöflicher Teilnehmer aus den Annalen von Chichester weitestgehend bestätigt. Siehe Walther Holtzmann (Hg.): Papsturkunden in England. Bd. 1: Bibliotheken und Archive in London. Berichte und Handschriftenbeschreibungen, Nendeln, Liecht. 1970 (Abhandlungen

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Die Zielsetzung der Konferenz lag hauptsächlich in der Demonstration und Festigung der Person Alexanders III. als Inhaber päpstlicher Amtsgewalt und des Widerstandes gegen die viktorinische Opposition – eine Perspektive, die auch der Teil der anglonormannischen Geschichtsschreibung teilte, dessen Fokus nicht vom Becketkonflikt dominiert wurde.301 Darüber hinaus verfolgte das Turoneser Konzil das Ziel, in direkter Antwort auf die apostolische Notlage auch die öffentliche Ächtung der Gegner auf politischer und kirchlicher Ebene voranzutreiben. Die Forschung hat dem Konzil zwar durchaus legislatorische Relevanz zugewiesen, ihm allerdings abgesehen von der erneuten Bannung bedeutender viktorinischer Parteigänger und der Ungültigkeitserklärung ihrer Weihen in Bezug auf die Kirchenspaltung wenig Wirksamkeit zugesprochen.302 Die Lösung der Schismafrage sollte weniger durch eine aktive Ermutigung alexandrinischer Reichsbischöfe als durch die Entmutigung Oktavians und seiner Anhängerschaft geschehen.303 Reuters Behauptung, das Schisma sei in Tours „heruntergespielt“ 304 worden, möchte man lieber den Ausdruck eines gemäßigten Umgangs mit dem Thema, insbesondere in Bezug auf die kaiserliche Partei, entgegensetzen. Eine selbstbewusste Auseinandersetzung mit der Frage der Legitimität der konkurrierenden Kandidaten fand nicht statt. Sie war im alexandrinischen Selbstverständnis hinreichend diskutiert und in Beauvais, spätestens aber in Chouzé-sur-Loire und Déols, von allen Potentaten, die effektive Unterstützung leisten konnten, geklärt worden. Da es nunmehr darum ging, eine praktikable Lösung für das Problem der Kirchenspaltung zu finden, wurde auf die Erneuerung der Exkommunikation Friedrichs I. verzichtet. Im Frühjahr 1163 wollte die ­päpstliche der Akademie der Wissenschaften in Wien. Phil-hist. Klasse, 25,1), S. 92. Eine Rekonstruktion aller Synodalen auf Basis der Quellen unternimmt Somerville: Tours, S. 19 – 32. 301 Besonders ausgeprägt in den Chroniken des Robert von Torigny, Roger Howden und Wilhelm von Newburgh: RvTorigny Chronica I, ed. Delisle; Chronica Magistri Rogeri de Houedene, ed. William Stubbs, Wiesbaden 1964 (ND der Ausgabe London 1868) (RS, 51,1) und Chronicles of the Reigns of Stephen, Henry II. and Richard I., ed. Richard Howlett, Nendeln, Liecht. 1964 (ND der Ausgabe London 1884) (RS, 82,1). 302 Vgl. exemplarisch Reuter: List, S. 121 und Somerville: Tours, S. 65: „If Frederick had betrayed Victor, the gathering at Tours would be remembered as a great diplomatic success. Since that did not occur, the council can be forgotten among the subsequent political maneuvers and military campaigns […].“ Zum entsprechenden Konzilsbeschluss der Exkommunikation siehe ebd., S. 50. Die Namen der Gebannten nennt Sigeberti Gemblacensis chronica cum continuationibus. Continuatio Aquicinctina a. 1149 – 1237, ed. Ludwig Conrad Bethmann, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.): Chronica et annales aevi Salici, Hannover 1980 (MGH SS, 6), S. 406 – 438, hier: S. 409. Siehe auch die Aufstellung von Somerville: Tours, S. 64. 303 Vgl. Soria: France, S. 185. 304 Reuter: List, S. 121.

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Politik den Weg einer Einigung zwar nicht durch überzogenen Kampfesmut verbauen, doch bedeutete dies nicht, dass die Schismathematik ausgespart wurde. Wie Stephan von Rouen in seinem Draco Normannicus nahelegt, mag Alexander III. lediglich gehofft haben, durch diszipliniertes Durchgreifen im gegnerischen Lager und erstes Entgegenkommen die Krise so schnell und elegant wie möglich zu beenden.305 Tatsächlich kam es wenig s­ päter zu weiteren diplomatischen, wenn auch erfolglosen Annäherungsversuchen des Exilierten an seinen kaiserlichen Opponenten.306

1.2.2.2  Die Konzilspredigt: Entstehung, Überlieferung, Gattungsmermale, Quellenwert Im Einklang mit dieser Rekonziliationspolitik Alexanders III . standen auch die Ausführungen seines Propagandisten Arnulf von Lisieux, der am ersten Tag des Konzils als letzter von sechs Predigern vor die Versammlung trat.307 Er reihte sich, angeblich auf päpstlichen Wunsch hin, in eine Reihe von Persönlichkeiten, die wie die Kardinalpresbyter Wilhelm von S. Pietro in Vincoli und Heinrich von SS . Nereo e ­Achilleo oder Arnulfs eigener Metropolitanbischof in Rouen teils einen maßgeblichen Beitrag zur Anerkennung Alexanders in England und Frankreich geleistet hatten.308 305 Der Mönch aus Le Bec überliefert folgenden Ausspruch Alexanders III.: Concilium praesens anathematis Otovianum / Judicio damnat, schismaticosque suos. / Imperii princeps a nobis excipiatur, / Quem super his nobis conciliare volo. (The Draco Normannicus of Etienne de Rouen, in: Richard Howlett (Hg.): Chronicles of the Reigns of Stephen, Henry II. and Richard I., Nendeln, Liecht. 1964 (RS, 82,2), S. 585 – 781, hier: S. 751, v. 1221 – 1222). 306 Vgl. Werner Ohnsorge: Die Legaten Alexanders III. im ersten Jahrzehnt seines Pontifikats (1159 – 1169), Berlin 1928 (Historische Studien, 175), S. 58 – 65. 307 Arnulfs Auftrag und Rolle als Vorkämpfer alexandrinischer Positionen beleuchtet Soria Audebert: Temps, besonders S. 358 – 363, 367 – 371 und 374 – 377. Resümierend zum Zusammenhang z­ wischen alexandrinischer Politik und Arnulfs Vortrag in Tours bemerkt sie: „L’évêque de Lisieux ne fait donc que donner un écho à l’attitude choisie par Alexandre III confronté à des problèmes pratiques importants pour rentrer dans ses droits et rétablir une monarchie pontificale.“ (ebd., S. 376). Die Identität und Reihenfolge der Redner überliefert der Draco Normannicus, eine gegenüber Alexander III . voreingenommene, aber mitnichten schlecht informierte Versgeschichte des Hauses Anjou. Abgesehen vom Draco normannicus berichtet auch ein Text ungeklärter Autorschaft in Sacrorum consiliorum nova et amplissima collectio. Bd. 21, ed. Ioannes Dominicus Mansi, Graz 1961 (ND der Ausgabe Paris 1903) von den Eröffnungshomilien (siehe Reuter: Geschichte I, S. 287, Anm. 1). Näheres zu dessen Überlieferungsgeschichte bei Somerville: Tours, S. 14, Anm. 21. 308 Die Kardinalpresbyter traten in Beauvais als Sprachrohr der Alexandriner auf, während die Anwesenheit des normannischen Metropoliten Hugo, Erzbischof von Rouen, dort nicht

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Die Bemerkung des Stephan von Rouen, der Bischof von Lisieux habe weniger aus Wunsch als aus Nachsicht Alexanders III . die Gelegenheit bekommen, das Konzil mit seinen „Worten zu erleuchten“, erscheint im Angesicht seiner Charakterisierung des Vortrags als eines durch nichts aufzuhaltenden „brausenden Flusses, der sich aus tiefster Quelle ergoss“ 309 hinreichend ironisch und passt in das kritische Bild, das der normannische Mönch von Alexander III . und seinen Getreuen kultiviert.310 Ungeachtet der Tatsache, dass Länge und rhetorische Dichte der Arnulfschen Homilie seiner Zuhörerschaft einiges abverlangt haben werden, missachtet die spitze Bemerkung des normannischen Mönches Arnulfs Rolle am englischen Königshof in den wegweisenden ersten Monaten des Schismas. Diese mag ­Alexander III ., zusammen mit Arnulfs Ruf und seiner Erfahrung aus dem vergangenen Schisma, durchaus dazu bewogen haben, den Normannen mit einer der tonangebenden Eröffnungsreden zu betrauen. Schließlich sollte die Synode weniger „ein Ort der Debatte“ 311 als eine Tribüne zur Präsentation des päpstlichen Programmes durch ausgewählte Sprecher sein. Die komplexe textliche Überlieferung des sermo legt eine Unterbrechung der Ansprache aus Zeitgründen oder anderen Erwägungen nahe.312 Hinweis darauf ist e­ indeutig belegbar ist. Siehe Mary G. Cheney: The Recognition of Pope Alexander III. Some Neglected Evidence, in: EHR, 84 (1969), S. 474 – 497, hier: S. 482 – 486, 495 f. Nach ­Somervilles Einschätzung könnte ihn aber seine aktive Rolle in der Implementierung der ehepolitischen Verbindung ­zwischen den angevinisch-kapetingischen Königskindern nach erfolgtem päpstlichem Dispens oder sein Status als dienstältester Bischof als Redner empfohlen haben. Siehe Somerville: Tours, S. 14. 309 Beide Zitate siehe StvRouen Draco Normannicus, ed. Howlett, S. 744, v. 999 – 1002. 310 Tatsächlich war die Absprache der Predigtkompetenz auch ein beliebtes polemisches Mittel, doch wird die Bemerkung Stephans von Rouen eines gewissen Bodens nicht entbehren, mokierte sich doch auch Johannes von Salisbury, über Arnulfs rhetorische Selbstverliebtheit: Joannis Saresberiensis: Ep. 118. Lator praesentium, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 195. 311 Vgl. Soria Audebert: Temps, S. 375. 312 Zusammenfassend: Somerville: Tours, S. 15 f. Die Predigt liegt in zwei Überlieferungssträngen vor. Beide gehen aus MS . Paris, Bibl. nat. lat. 14763 hervor, das Mansi zur Grundlage seiner Edition gewählt hat: Sermo ab Arnulpho Lexoviensis in concilio turonense habitus, in: Mansi 21. Zwei der Filiationen dieser Handschrift stehen zueinander in kognatischem Verhältnis. Dabei dienten die Handschriften Oxford, Bodl., Auct. F. I.8 (Sermo, ed. Migne) und Oxford, St. John’s College, 126 (Arnulfi Lexoviensis episcopi epistolae ad Henricum II . regem Angliae sanctum Thomam archiepiscopi Cantuariensis et alios, ed. John Allen Giles, Oxford 1844 (Patres ecclesiae Anglicanae)) als Ausgangszeugen der Editionen. Im Pariser Codex stellt die Tours-Predigt eine textliche Einheit dar – eventuell sogar die ursprünglich zur Verlesung intendierte Form der Predigt. Der zweite Tradierungsstrang gibt den sermo in

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der einleitende Satz Hesterno sermone, domini et patres misericordi, vobiscum de unitate ecclesiae Dei et libertate tractatum habuimus 313, der in der Oxforder Überlieferung einen Abbruch der Predigt am 19. Mai und ihre Fortführung am Folgetag nahelegt.314 Nach Michel Zink lassen sich überlieferte Textzeugen von Predigten in Relation zum Stadium ihrer Abfassung oder ihrem öffentlichen Vortrag unterscheiden. Eine Predigt „en amont“ (auch sermo praevius) bezeichnet dabei das Entwurfsstadium des Textes vor Halten der Predigt, während „en aval“ (sermo exceptus) sich auf eine schriftlich niedergelegte Version einer vorgetragenen Rede bezieht.315 Um auch die Textzeugen zu erfassen, die eine nachträgliche Überarbeitung und Endredaktion einer bereits vorgetragenen Predigt darstellen, ergänzt Beverly M. Kienzle Zinks System durch eine weitere Kategorie, die sie als „en état de perfection“ oder sermo literarius bezeichnet.316 Damit wird auch eine literarische Redaktion des Urtextes mit einbezogen. Was die Eröffnungspredigt des Arnulf von Lisieux auf dem Konzil zu Tours angeht, erwog Hermann Reuter den Fall, dass in der zweiteiligen Tradition zwei unterschiedliche Entwürfe der Predigt vor erfolgtem Vortrag, also im Stadium sermo praevius, vorlägen.317 Diese Annahme ist wenig wahrscheinlich. Zwar teilen sich beide Blöcke das Grundthema der Unabdingbarkeit von Einheit und Freiheit der ­Kirche, doch tun sie dies, wie Reuter selbst bemerkt, auf Basis unterschiedlicher Argumente: „Der wesentliche Gedankeninhalt ist in der That derselbe; nur dass in dem sogenannten zwei Teilen wieder. Ersterer liegt in deutscher Übersetzung nach Migne vor: Oratio. Mittel­ alterliche Redekunst in lateinischer Sprache, ed. Thomas Haye, Leiden/Boston 1999 (Mittel­ lateinische Studien und Texte, 27). Orientierung über die Überlieferungslage bieten Barlows Stemma codicum der Textzeugen der Briefsammlung, denen die Predigt oft beigefügt war (Letters, ed. Barlow) und Audry Bettant (Hg.): Les sermons d’Arnoul de Lisieux, Diss. phil. Sorbonne, Paris 2005. 313 Oxford, Bodl., Auct. F. I.8, fol. 123v. 314 Siehe auch die Argumentation bei Somerville: Tours, S. 14 – 16 und Schriber: Dilemma, 46, besonders Anm. 29 – 30. Zur Kategorisierung überlieferter Predigttexte nach ihrer Relation zu Abfassung, Überarbeitung oder Vortrag siehe Beverly Mayne Kienzle/René Noël: The Sermon, Turnhout 2000 (Typologie des sources du moyen âge occidental, 81 – 83), S. 173. 315 Vgl. Michel Zink: La prédication en langue romane avant 1300, Paris 1976 (Nouvelle bibliothèque du Moyen Âge, 4), S. 204 – 210. Diese zweigliedrige Kategorisierung greift zu kurz und sollte durch eine weniger starre Unterteilung modifiziert werden, um den fluiden Grenzen der Gattung gerecht zu werden (siehe Kienzle u. a.: Sermon, S. 173). 316 Vgl. ebd. 317 Vgl. Reuter: Geschichte I, S. 546 f.

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zweiten Sermo allerdings die Aeußerungen über Friedrich I., die Aufforderungen zur Darbringung von Opfern, noch hinzukommen.“ 318 Es ist wahrscheinlicher, dass der längere, zusammenhängende Text der Pariser Tradition den für den Vortrag intendierten Endentwurf des Verfassers darstellt, während die eigentliche, in Tours auf zwei Tage aufgeteilte Predigt in einer vom Autor selbst bearbeiteten Niederschrift in den Oxforder Handschriften vorliegt. Es war nicht unüblich, dass man an einen mündlichen Vortrag andere Maßstäbe anlegte als an seine schriftliche Fassung.319 Untersuchungen des Göttinger Philologen Thomas Haye legen nahe, dass diese vermutlich keine literarisch redigierte Fassung (sermo literarius) war, da Syntax und Sprache des mündlichen Vortrags beibehalten blieben.320 Abgesehen von der Umarbeitung des Urtextes an der Bruchstelle der beiden Predigtsegmente wurden keine gravierenden inhaltlichen oder stilistischen Eingriffe vorgenommen. Da die vorhandenen Bearbeitungen eher von verstärkendem als ergänzendem Charakter sind, deuten sie nicht auf eine dezidierte Literarisierung der Predigt. Zudem handelt es sich bei dem Mansis Edition zugrunde liegenden Textzeugen mit großer Wahrscheinlichkeit um den Ausgang der zweiten Redaktion der Briefsammlungen Arnulfs von Lisieux.321 Da diese nachweislich, vermutlich auch unter Arnulfs persönlicher Aufsicht, redigiert wurde, ist eine gleichzeitige Bearbeitung der Predigt denkbar.322 Die weiteren Ausführungen können sich daher gefahrlos auf Mansis Edition stützen.323 Da es in den meisten Fällen schwierig ist, das Stadium der überlieferten Version einer hochmittelalterlichen Predigt zu identifizieren – etwa z­ wischen redigierter und stilistisch wie literarisch perfektionierter sermo literarius oder einer Rohfassung des späteren mündlichen Vortrags zu unterscheiden – muss eine Analyse die 3 18 Ebd., S. 547. 319 Dieselbe Praxis war auch bei Briefen verbreitetet. Siehe Florian Hartmanns Vortrag „Ars dictaminis und die Reglementierung verbaler Kommunikation in der Kultur der italienischen Stadtkommunen“ (RWTH Aachen, 2. Juli 2014). 320 Nach Haye: Oratio, S. 164 f. ist „die Syntax des Textes […] einfach zu durchschauen, da komplizierte Perioden vermieden und kurze Sätze bevorzugt werden“. Hier entsprach Arnulf offensichtlich seiner eigenen Vorstellung von einem angemessenen oratorischen Stil: Et quia tractatus ejusmodi ad movendos plerumque destinatur affectus, oportet quasi caesuris frequentibus, et brevioribus articulis incitare sermonem, ne longioribus periodis torpescat oratio, sed animus velut interpellatione commotus assurgat. (Praefatio, ed. Giles, S. 1). 321 Paris Bibl. nat. lat. 14763. 322 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. lxxix–lxxxi. 323 Nicht zuletzt, da nach Barlows Rekonstruktion (ebd., lxvi) die von Migne und Giles bearbeiteten Oxforder Handschriften nur Filiationen von Mansis Pariser Editionsgrundlage (MS. Bibl. nat. lat. 14763) sind.

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Spannung ­zwischen mündlicher und schriftlicher Kultur beachten.324 Gerade die Kommunikationsform der Predigt ist eine hochgradig intertextuelle Mischgattung, die sich heterogenster Stilmittel verschiedener literarischer Genres, von der mündlichen Syntax politischer Rede über die illustrative Erzählform biblischer Gleichnisse und exempla bis hin zu Reim und musikalischer Qualität der Lyrik bedienen kann. Der performative Aspekt sollte dabei nicht unterschätzt werden, handelt es sich doch um den schriftlich niedergelegten Ausdruck eines ursprünglich vis-à-vis stattgefundenen Diskurses, in der der Prediger geplant wie spontan der spezifischen Kommunikationssituation, sei es der Aufnahmekompetenz oder Reaktion der Zuhörerschaft, Rechnung tragen musste. Versteht man Diskurs als „jede Äußerung, die einen Sprecher und einen Zuhörer sowie auf Seiten des Sprechers eine Absicht der irgendwie gearteten Beeinflussung des anderen voraussetzt“ 325, ist die Einflussnahme das integrale Ziel der Predigt. Besonders gegenüber einem weniger gebildeten Laienpublikum konnte diese neben sprachlichen Mitteln durch Einbezug dramatischer Elemente gefördert werden.326 Die Predigt, wie sie gehalten wurde, wird also in den seltensten Fällen ohne Veränderung mit dem überlieferten Text übereinstimmen oder alle Facetten des Vortragsaktes widerspiegeln. Dieser konzeptionellen und medialen Diskrepanz z­ wischen gesprochenem und geschriebenem Wort in Vortrag und Lesevorgang war sich Arnulf von Lisieux vollkommen bewusst. Während eine Predigt eine kommunikative Momentaufnahme einer flüchtigen Interaktion ­zwischen Prediger und Öffentlichkeit darstellt und nicht zuletzt auch Affekte, etwa die Begeisterungsfähigkeit, des Zuhörers ansprechen sollte, musste das schriftliche Wort in Stil und Inhalt auch eingehender intellektueller Prüfung standhalten 327: Siquidem in his quae proponuntur oculis frequens celebratur inspectio, et modo fructus sententiae, modo cultus orationis exquiritur, ut spatiose possint merita studiorum adhibita rationis aestimatione pensari. In aliis vero discussionis moram celeritas pronunciationis excludit, ubi currentis linguae lubricum vix celeri etiam consequimur intellectu, et saepe quod incitatius dicitur, desides vehementius excitat, et informat affectus.328

324 Vgl. Kienzle u. a.: Sermon, S. 169 f. 325 Emile Benveniste: Problems in General Linguistics, übers. v. M. E. Meek, Coral Gables, FL 1997 (Miami Linguistics Series, 8), S. 209. 326 Zur Intertextualität der Predigt als literarisch-ästhetischer Gattung: Kienzle u. a.: Sermon, S. 147 – 149. 327 Siehe seine Ausführungen gegenüber Aegidius von Rouen: Praefatio, ed. Giles, S. 1. 328 Ebd., S. 2.

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Deshalb und weil die Predigt als Momentaufnahme ein Dokument sei, das mit der vergangenen Aufführungssituation an Bedeutung verlor, stand der Bischof von Lisieux einer Veröffentlichung ­dieses Zeitdokuments skeptisch gegenüber.329 Zur Destillation des Schismabildes in Arnulfs Tours-Predigt kann der Weg zur erfolgreichen Vermittlung der Inhalte hinter den kirchenpolitischen Aussagen zurücktreten. Ein hundertprozentiger Fokus auf die Relation von Wort und Sprechakt ist nicht von primärer Bedeutung. Allerdings muss man sich vor Augen führen, mit welchem Anspruch und mit welcher Motivation der Bischof von Lisieux im Mai 1163 vor die Synode trat, da diese sich auf dessen Kommunikationsstrategien und die vermittelten Inhalte auswirken konnten. Der Normanne selbst sah das primäre Ziel der Rede wenig überraschend in der Tradierung seiner Inhalte: In his enim quae in commune dicenda sunt, communi convenit intelligentiae deservire, ut omnia quae dicuntur omnium statim capiat intellectus, ideoque verbis prope communibus decurrit oratio, ne subtilius artificium lucem rerum et verborum, quasi nube quadam difficultatis obducat.330

Eben diese Inhalte, deren Vermittlung das sprachliche Medium unterstützen sollte, waren Kern und Legitimierung eines jeden homiletischen Aktes im Mittelalter.331 Im Verständnis Arnulfs und seiner Zeitgenossen fungierte der Prediger gegenüber seinen Adressaten als os Domini, also von höchster Instanz legitimierter Interpretator und Vermittler des göttlichen Wortes.332 Dabei lag besonderes Augenmerk auf der Verpflichtung des Predigers zur verständlichen und möglichst wirksamen öffentlichen Belehrung in Verhaltens- und Glaubensfragen, wie die berühmte Predigtdefinition aus 329 Ebd.: Super quo non videbantur mihi in scripturam redigenda quae dicta sunt, sed sicut tanquam ex tempore dicta sunt, ita statim cum tempore praeterirent, quoniam eis cum dicerentur gratiam potius ministravit occasio, quam cujuslibet peritia facultatis. 330 Ebd., S. 1. 331 Tatsächlich schöpfte Arnulf von Lisieux sein rhetorisches Instrumentarium nicht voll aus. Die von Haye: Oratio, S. 160 identifizierten Stilmittel wie gängige Tropen (Personifikation, rhetorische Frage, Metapher) sowie gedächtnis- und verständnisunterstützende beziehungsweise aufmerksamkeitssteigernde sprachliche Mittel der Wortstellung wie Parallelismen und Chiasmen setzte Arnulf sparsam ein. Einer aufnahmehemmenden Überfrachtung des Vortrags wurde somit zugunsten eines „sehr eingängig[en] und leicht verständlich[en Textes]“ (ebd., S. 161) bewusst entgegengewirkt. 332 Eingebettet in die demütigen Phrasen der captatio benevolentiae: Nulla mihi in memetipso fiducia est, sed ad sanctitatem praecipientis et merita vestra convertor; quibus intercedentibus aliquid mihi fortassis largietur gratia illius qui dixit: ‚Aperi os tuum, et ego adimplebo illud.‘ Os meum obedientiae necessitas aperit (Sermo, ed. Mansi, Sp. 1169). Dieses Eigenbild des Predigers war weit verbreitet: Vgl. Kienzle u. a.: Sermon, S. 153 – 155.

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den zeitgenössischen Summa de arte praedicatoria des Alanus ab Insulis unterstreicht: Praedicatio est, manifesta et publica instructio morum et fidei, informationi hominum deserviens, ex rationum semita, et auctoritatum fonte proveniens.333 Der Predigt wohnte im mittelalterlichen Verständnis immer eine moralische wie seelsorgerische Absicht inne, die besonders im 12. Jahrhundert eschatologische und soteriologische Züge tragen konnte. Sie sollte der Belehrung und Ermahnung dienen und im besten Fall zum Heil des Adressaten eine Änderung in dessen Überzeugung und Verhalten herbeiführen. Dabei konnten auch Worte der Ermutigung und des Anspornes das Mittel der Wahl sein, den Appell zu kommunizieren. Auch Arnulf von Lisieux wird beabsichtigt haben, nach göttlichem Willen und päpstlicher Autorisierung auf die Masse jener einzuwirken, die in Tours zusammengekommen waren, um den weiteren Kurs der ­Kirche zu bestimmen und mitzugestalten.334 Die schwere Aufgabe, eine wohlwollende Basis für einen gemeinsamen Kampf des Apostolischen Stuhls und der Vertreter der westlichen Landeskirchen zu erreichen, wurde nicht von ungefähr einem altgedienten Mitstreiter zuteil. Doch entgegen dem kämpferischen Geist, der ihn zwei Jahrzehnte zuvor ausgezeichnet hatte, entschied sich der Normanne bei seinen Ausführungen nicht für eine aufstachelnde Analyse der tagespolitischen Situation, sondern für den Weg des beherrschten Appells. Vielleicht waren es die Jahre des weltlichen und pastoralen Dienstes, die die Ausführungen des Bischofs Arnulf milderten, sicher aber das sensibilisierte Fingerspitzengefühl für politische Zweckmäßigkeit, das dem jungen Archidiakon Arnulf gefehlt hatte. Mehr als einmal ist Arnulf von Lisieux dafür kritisiert worden, die Ernsthaftigkeit der historischen Krise in seinem sermo zu wenig berücksichtigt zu haben.335 Auch Konzeption und Text der Predigt ließen nach Hayes Meinung darauf schließen, dass 333 Alani de Insulis doctoris universalis opera omnia, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1855 (Migne PL, 210), Sp. 111. 334 Seinen Auftrag beschreibt Arnulf mit den Worten: Hodiernum sermonem, domini et patres mei, mihi domini nostri qui praesidet, Romani videlicet pontificis, injungit authoritas. Et ego quidem munus injunctum magis de necessitate obedientiae, quam de animi voluntate suscipio. Mallem ut in alium declinasset ista dignatio, cujus et vita commendabilior esset, et major tam scientiae quam eloquentiae plenitudo. Quis enim ego sum, qui in auribus tot, tam prudentium, tam venerabilium personarum quemlibet mihi debeam usurpare sermonem? Sed et quis ego sum, qui mandato Romani pontificis audeam obviare? Angustiae mihi sunt undique inter verecundiam et necessitatem constitutus. Altera me monet ut sileam; altera quasi quadam violencia pertrahit ad loquendum. (Sermo, ed. Mansi, Sp. 1167 – 1168). 335 Vgl. Reuter: List, S. 121: „the schism was played down at the council. The two sermons preached at it by Arnulf of Lisieux and Geoffrey of Auxerre, though they refer to the schism, do not give it particular prominence.“

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er „nach Kräften darum bemüht [gewesen sei], die Bedeutung des Schismas herunterzuspielen“ 336, als er sich gegen eine flammende Anklage der Viktoriner entschied. Doch Arnulf von Lisieux war Politiker genug, um seine Rede der Aufführungssituation und den an ihn gestellten Anforderungen anzupassen.337 Eine Brandrede wurde nicht von ihm erwartet: Möchte man Stephan von Rouen Glauben schenken, hatte Alexander III. sich eine ­solche als Höhepunkt seines Vorsitzes selbst vorbehalten.338 Arnulf sollte das ebenso kontroverse wie komplexe politische Thema einläuten und den Ton der Versammlung bestimmen, nicht deren Ergebnisse diktieren.339 Die Vorwürfe, das Schisma sei in Tours zum Nebenschauplatz geraten, sind unberechtigt. Denn bei einem Blick auf die spezifische Botschaft, die der Normanne vermitteln wollte, zeigt sich, dass deren inhaltliche Ausrichtung, auch wenn die kirchenrecht­liche Frage nach der Legitimität Alexanders III. außen vor gelassen wurde, für Arnulf direkt aus der bedrohlichen Notlage des Schismas erwuchs.340 Sie scheint durchaus den Nerv der Zeitgenossen getroffen zu haben.341 336 Haye: Oratio, S. 158. 337 Das attestiert auch Hayes knappe inhaltliche Analyse: ebd., S. 159. 338 Im Draco Normannicus überliefert Stephan eine den Exkommunikationen der Viktoriner vorausgehende Rede Alexanders III. Siehe StvRouen Draco Normannicus, ed. Howlett, S. 743. Obgleich der Wortlaut der wiedergegebenen Ansprache als Erfindung des Dichters zu betrachten ist, ist nicht unwahrscheinlich, dass es eine s­ olche Abschlussrede gab. Das Zeugnis des normannischen Mönches ist daher als Ausdruck historischer Überzeugungen zu lesen. Siehe Somerville: Tours S. 14, Anm. 20 und S. 18, Anm. 64. Als Ausblick auf die in Tours ausgesprochenen Anatheme könnte auch Arnulfs Hinweis auf die Strafgewalt der K ­ irche zu verstehen sein: Ecclesia tamen Dei nihilo minus quae disponenda sunt, libera potestate disponit: immo etiam ipsos quasi servos nequam spirituali potestate retrudit in carcerem; ubi eos nimirum quasi compedibus quibusdam, vinculo anathematis, et opprobrio perpetuae maledictionis astringit. (Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170). 339 Diese prägten nicht selten die Ausrichtung einer Versammlung oder empfahlen bestimmte legislatorische Aktivitäten des Konzils. Zu Bedeutung dieser Vorträge in der konziliaren Tradition siehe Gabriel Le Bras: Institutions ecclésiastiques de la chrétienté médiévale, Paris 1959 – 1964 (Histoire de l’Église depuis les origines jusqu’ à nos jours, 12), S. 334, Anm. 6. 340 Obgleich es Arnulf bei allgemeinen Hinweisen auf die aktuelle Krise belässt (etwa Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170), ist deren Bedrohlichkeit evident. Im Begleitbrief der Niederschrift macht er den Zusammenhang z­ wischen historischer Situation und seinem Vortrag besonders deutlich: quoniam eis [i. e. die Predigt] cum dicerentur gratiam potius ministravit occasio, quam cujuslibet peritia facultatis. Tempore siquidem schismatis agebatur quod in diebus istis, maxime adversus libertatem Ecclesiae Dei, saecularis potentiae firmavit audaciam. 341 Will man die von Stephan von Rouen geschilderten tumultuarischen Zwischenrufe und Unterbrechungen der Predigt als Reaktion auf dessen inhaltliche Ausführungen verstehen. Beide Zitate siehe StvRouen Draco Normannicus, ed. Howlett, S. 744, v. 999 – 1002.

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1.2.2.3  Grundappell: die Wiederherstellung der libertas und unitas ecclesiae Man rang im Mai 1163 nicht um eine ideologische oder wahlrechtliche Orientierung, sondern um eine gemeinsame Linie mit der Basis, deren Unterstützung Alexander III. bitter benötigte, um das Schisma zu beenden. Nicht zuletzt ging es dabei auch um die Bewältigung der Belastungen, die für jeden einzelnen aus dem kirchlichen Ausnahme­ zustand erwuchsen. Arnulfs Predigt wollte einen Weg aus der Krise aufzeigen und einen aktiven Beitrag zur moralischen Stärkung der Alexandriner leisten.342 In einem Bereich sah der Bischof von Lisieux dabei offensichtlich besonderen Handlungs- und Belehrungsbedarf. So verrät er am Beginn seiner Predigt, welches Grundanliegen ihn aufgrund der zwingenden Umstände vor allem beschäftigte: Et ideo cum multa de scriptis sanctis possent utiliter ac probabiliter in commune proferri: ad ea potissimum sermo convertendus est, ad quae nos et urgens necessitas impellit, et evidens invitat utilitas: ad tentandum vobiscum de unitate et libertate ecclesiae Dei.343

Die weltlichen Mächte hatten in Arnulfs Augen die apostolische Doppelwahl zu ­nutzen gewusst, um der Freiheit der ­Kirche entgegenzuwirken. Diese jedoch dürfe, ebenso wie die Einheit der ­Kirche Gottes, auf keinen Fall verloren gehen. Den Text durchzieht als zentrales Thema die Unabdingbarkeit der Rückkehr zur unitas und die Verfechtung der libertas ecclesiae, die als Prinzip durch die Streitschriftenliteratur nachgregorianischer Zeit zum zentralen Schlagwort kirchlicher Auseinandersetzungen mit dem Herrschertum avanciert war. Im Verständnis der Mitte des 12. ­Jahrhunderts 342 So erläutert im Begleitschreiben der Niederschrift seiner Predigt, die er nach deren Vortrag auf dessen Wunsch hin Archidiakon Aegidius von Rouen zukommen ließ: Tempore siquidem schismatis agebatur quod in diebus istis, maxime adversus libertatem Ecclesiae Dei, saecularis potentiae firmavit audaciam: Ideoque nos diligentius de unitate et libertate tractavimus, ut animos eorum qui aderant ad insistendum consolatio firmiores redderet, et ad resistendum exhortatio fortiores. (Praefatio, ed. Giles, S. 2). Handfeste Hilfestellung sollte auch der Spendenaufruf zugunsten der Exulanten leisten. Mit einem realistischen Blick auf die Disposition seines Adressatenkreises verurteilt Arnulf unter Verweis auf die Nachfolge Christi in Armut den puren Dienst am Mammon. Die gottgegebenen Reichtümer dürften nicht entfremdet werden, sondern müssten in voller Dankbarkeit über den göttlichen Gnadenerweis und zum Schutz der ­Kirche an jene aufgewendet werden, die ohne Ansprüche zu erheben den Kampf führten. Siehe Sermo, ed. Mansi, Sp. 1174 – 1175. 343 Ebd., Sp. 1169 und seine spätere Aussage in Praefatio, ed. Giles, S. 2. Ein Prinzip, das auch Alexander III. bereits in seiner Wahlanzeige stark gemacht hatte: Eterna et incommutabilis, ed. Hödl/Classen.

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­bezeichnete die libertas ecclesiae unter anderem einen nach Mt 16,18 – 19 und Joh 21,16 – 18 von Christus verliehenen und durch konkrete Privilegien greifbaren Rechtsstatus der Gesamtkirche, in dem die Unterordnung unter den Erlöser und das Petrus­ amt eine bedingungslose Voraussetzung zur Erhaltung des rechten Glaubens und damit des Heils der gesamten Christenheit darstellte.344 Eben diese universalkirchliche Ausrichtung auf den römischen pontifex als oberste Integrationsfigur der christianitas bildet in Verbindung mit dem Gedanken der Unabhängigkeit von weltlicher Einflussnahme und einer heilsbezogenen, mystisch-transzendenten Funktion der kirchlichen Freiheit die Hauptkomponente der Arnulfschen libertas-Idee.345 Der Bischof von Lisieux wollte Einheit und Freiheit der ­Kirche als Grundfesten verstanden wissen, auf denen die ­Kirche stehe, aus denen heraus diese existieren und sich überhaupt erst als handlungsfähige, autarke Gemeinschaft behaupten könne: Sine his enim duobus non potest ecclesia salus consistere, sed nec consistere quidem. Quia nisi ecclesia habuerit unitatem, non erit una: si una non fuerit, non erit. Omne enim quod est, ideo est, quia unum est: quod autem unum non est, amittit pariter cum unitate substantiam. Item nisi habuerit libertatem, misera erit. Pro eodem autem ei est, miseram esse, et non esse. Immo deterius est miseram esse, quam non esse.346

Um die Stellung der ­Kirche unversehrt zu halten und vor dem Elend zu bewahren, sei es von drängender Notwendigkeit und offensichtlichem Nutzen für das Gemeinwohl, deren Einheit und Freiheit zu sichern.347 Zudem sei es eine heilige Pflicht gegenüber 344 Zu diesen Privilegien gehörten neben gewissen Besitztiteln (z. B. über Territorien des Kirchenstaates) auch der römische Primatialstatus, die Freiheit von laikaler Intervention in innerkirchlichen Belangen wie der Bischofswahlen, Steuer- oder Gerichtbarkeitsprivilegien wie das im Becketkonflikt umkämpfte privilegium fori. Beginnend mit dem 12. Jahrhundert hatte der Freiheitsgedanke unter den Juristenpäpsten eine deutliche Schwerpunktsetzung erfahren. Dazu Brigitte SzabóBechstein: Libertas ecclesiae vom 12. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts: Verbreitung und Wandel des Begriffs seit seiner Prägung durch Gregor VII, in: Fried: Freiheit, S. 151 – 162. Grundlegend zur Bedeutung des kirchlichen Freiheitsgedankens: Gerd Tellenbach: Libertas. K ­ irche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites, Stuttgart 1936 (Forschungen zur ­Kirchen- und Geistesgeschichte, 7). Der Entwicklungsgeschichte der kirchlichen Freiheitsidee von Merowinger­ zeit bis in das 13. Jahrhundert widmen sich ergänzend Rudolf Schieffer: Freiheit der K ­ irche. vom 9. zum 11. Jahrhundert, in: Fried: Freiheit und Szabó-Bechstein: Libertas. 345 Einteilung der drei Bedeutungsebenen des Freiheitsgedankens nach ebd., S. 151 – 162. Seit dem Pontifikat Gregors VII. gingen das mystisch-spirituelle, juristische und allgemein-menschliche Verständnis der kirchlichen Freiheit Hand in Hand. 346 Sermo, ed. Mansi, Sp. 1169. 347 Vgl. ebd., Sp. 1169 – 1170.

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dem Willen des Herrn, der durch seinen Bund mit den Menschen die einige und freie ­Kirche geradezu als göttliche Institution besiegelt und gefestigt habe.348 Indem Arnulf von Lisieux an eine ­Kirche und ihr Recht erinnert, folgt er nicht nur der gängigen Argumentation seiner Zeit, sondern auch der Terminologie, mit der sich A ­ lexander III. gegenüber Friedrich I. behauptete.349 Auch wenn Gott die K ­ irche damit unter seinen Schutz gestellt habe, fährt er fort, habe er sie doch auch den Gläubigen zum Erbe überlassen, damit diese Sorge für sie trügen. Das göttliche Gebot müsse, getragen durch die Gemeinschaft der Rechtgläubigen, unerschrocken eingehalten werden.350 Denn gerade die katholische Einheit sieht Arnulf, wie die Freiheit der K ­ irche, in den gegenwärtigen Zeiten der Prüfung massiv bedroht: Utraque enim his diebus, hac tempestate, sicut nos miserabiliter experimur, multis urgetur incommodis, multis injuriis infestatur. Quis alteram scindere nititur schismaticorum ambitio: alteram quaerit auferre violentia tyrannorum.351

Arnulf identifiziert zwei Feindlager: Die oppositionelle Gewalt der häretischen Schismatiker, die sich aus persönlicher Ehrsucht gegen die korrekte kirchliche Ordnung auflehnen, und die opportunistischen Säkularmächte, die versuchten, die ­Kirche zu unterjochen. Beide wirkten dem gottgegebenen Idealzustand der Universal­kirche entgegen. Die Viktoriner, indem sie durch ihre Abspaltung von der kirchlichen Gemeinschaft (denn als ­solche betrachtet der normannische Bischof ihren Sonderweg) deren Einheit in Gefahr bringen; die irdischen Tyrannen, indem sie die Freiheit der ­Kirche beschneiden.352 348 Vgl. 1170. 349 Etwa in seiner Absage an die kaiserliche Einladung zum Schiedsgericht in Pavia im November 1159: Nam cum nec in minoribus ecclesiis advocati earum et seculares principes vocationes, desceptationes ac decisiones huiusmodi causarum sibi aut curiis suis usurpent, set suorum metropolitanorum seu apostolice sedis semper notitiam ac diffinitionem expectent, divina videretur animadversione dignissimum et ab omni ecclesia tanto durius arguendum quanto amplius ad universalis ecclesie periculum redundaret, si per ignorantiam nostram aut pusillanimitate spiritus a capite, quod avertat Deus, diebus nostris iste morbus inciperet, et nos ecclesiam pretioso sanguine Christi redemptam in servitutem redigi sineremus, pro cuius libertate tuenda patres nostri proprium sanguinem effuderunt, et nos ipsi ad eorum exemplum, exigente necessitatis articulo, extrema deberemus pericula sustinere. (No. 185, in: MGH Const. 1, S. 257) [Hervorhebung d. Verf.]. 350 Sermo, ed. Mansi, Sp. 1172. 351 Ebd., S. 1170. 352 Über eine traditionelle Verwendung des Tyrannenbegriffs als laikale Gegner der K ­ irche kommt Arnulf von Lisieux – anders als Johannes von Salisbury – nicht hinaus.

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Arnulf von Lisieux äußerte sich in Tours nicht zum ersten Mal zum Thema kirchlicher Freiheit von weltlichem Zugriff. Besonders in Bezug auf Bischofswahlen hatte er etwa, als nach dem Tod seines Bruders Bischof Johannes von Sées 1144 die Wahl des Kathedralkapitels auf einen gewissen Girardus fiel, der Säkulargewalt gewaltsame Eingriffe gegen die Unabhängigkeit der K ­ irche vorgeworfen. Der Kandidat traf bei Arnulf, der zur Beaufsichtigung der Prozedur bestellt, aber bei seiner Anreise vor vollendete Tatsachen gestellt worden war, wegen der kanonischen Unregelmäßigkeit des Wahlprozesses und der drohendenden Gefahr für die Reformbestrebungen seines verstorbenen Bruders auf großen Widerstand.353 Verkompliziert wurde die Situation durch die Intervention des Normannenherzogs Gottfried von Anjou, der sich übergangen fühlte, kurzerhand die Kirchengüter von Sées konfiszierte und den neuen Bischof verstümmeln ließ.354 Um nicht den Eindruck zu erwecken, Girardus unterstützen zu wollen, verschob Arnulf seine Kritik an dem herzoglichen Eingriff in die Angelegenheiten der ­Kirche von Sées bis nach dessen Einigung mit deren Bischof. Gegenüber Eugen III. beklagte er sich offen darüber, dass Gottfried trotz seiner Übergriffe ungeschoren davongekommen war.355 Im Allgemeinen vertrat Arnulf von Lisieux in seinem Verständnis des Verhältnisses von regnum und sacerdotium keine radikale hierokratische Linie. Die Kooperation war für ihn die einzige politische Realität, die ­zwischen den beiden Gewalten existieren konnte, da letztendlich beide zu ihrem diesseitigen wie jenseitigen Heil aufein­ ander angewiesen waren. Nachdem ein päpstlicher Vermittlungsversuch ­zwischen H ­ einrich II. und Thomas Becket in Bur-le-Roi im Herbst 1169 durch eine Weigerung der päpstlichen Legaten, Absolutionen auszusprechen, gescheitert war, erinnerte Arnulf Papst Alexander, zu größerer Nachsicht appellierend, an diese Verbundenheit der Gewalten. Die ­Kirche fördere die königliche Ehre eher, als nach ihrer zu trachten, und die königliche Ehre wiederum erhalte im Normalfall im Gegenzug die kirchliche Freiheit. Weder könnten „Könige […] ohne die ­Kirche das Heil erlangen […] noch die ­Kirche ohne königlichen Schutz Frieden finden“ 356. 3 53 Vgl. Schriber: Dilemma, S. 19 f. 354 Siehe Heinrich Boehmer: ­Kirche und Staat in England und in der Normandie im 11. und 12. Jahrhundert. Eine historische Studie, Leipzig 1968 (ND der Ausgabe 1899), S. 315 f. 355 Arnulfus Lexoviensis: Ep. 3. Pro Sagiensi ecclesia, in: Letters, ed. Barlow, S. 5: Ceterum de eo quod factum est innocentiam suam multis comes excusat, adeo ut auctores ipsos, licet ipsius se putauerint gratiam promereri, ecclesiastico permiserit arbitrio puniendos; neue aduersus libertatem ecclesie laborare credatur, uniuersam ecclesie dispositionem archiepiscopi nostroque scilicet episcoporum consilio relaxauit. 356 Vgl. AvL Ep. 55, S. 100 f.: Siquidem dignitas ecclesiastica regiam prouehit potius quam adimat dignitatem, et regalis dignitas ecclesiasticam conseruare potius consueuit quam tollere libertatem;

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Auch oder gerade weil Arnulf von Lisieux damit im Sinne der Kompromisse von Westminster und Worms sprach, war seine Haltung gegenüber jeglichem Versuch der Schmälerung geistlicher Autorität der K ­ irche eisern. Derartigen Übergriffen war mit aller Macht des geistlichen Standes entgegenzutreten: Et licet ii, quos diximus, tyranni terrarum circa temporalia bona, et ipse etiam corpora nostra desaeviant, ut edant carnes nostras, infirmantur et cadunt: et sic circa diripiendas inutiles sarcinas occupantur. Ecclesia tamen Dei nihilo minus quae disponenda sunt, libera potestate disponit: immo etiam ipsos quasi servos nequam spirituali potestate retrudit in carcerem; ubi eos nimirum quasi compedibus quibusdam, vinculo anathematis, et opprobrio perpetuae maledictionis astringit.357

Dieser Bezug auf die verblendete Eigenmächtigkeit und gewaltsamen Übergriffe weltlicher Potentaten auf kirchliche Personen und Besitztümer scheint vordergründig der ermutigenden Bestätigung kirchlicher Überlebensfähigkeit zu dienen. Betrachtet man jedoch die Diktion und Bilder, die die Passage evoziert, tritt eine kämpferische Haltung zutage. Von Konzilianz ist hier wenig zu spüren. Die ganze geistliche Allmacht der ­Kirche Gottes sollte – und würde – sich gegen die Schismatiker richten. Hier steht, geschickt kaschiert im Mantel der Ermutigungsrhetorik, nicht nur eine handfeste Drohung an das feindliche Lager, sondern auch ein Ausblick auf den Ausgang des Turoneser Konzils: die erneute Bannung prominenter Viktoriner. Im ersten Teil seiner Predigt malt Arnulf von Lisieux das Bild einer durch anmaßende weltliche Mächte bedrängten K ­ irche. Folgte man konsequent dieser Logik, müsste kein geringerer als der ­Kaiser des Heiligen Römischen Reiches als Paradebeispiel des Tyrannen hervorstechen. Ein solcher Vorwurf wird an dieser Stelle jedoch nicht weiterverfolgt, der thematische Strang erst im weiteren Verlauf der Predigt mit überraschender Wendung wieder aufgenommen. An der Stelle, an der sich eine moralisch-ethische Zurechtweisung Barbarossas harmonisch eingefügt hätte, wird sie stillschweigend übergangen. Vielmehr richtet Arnulf von Lisieux den Blick von den mächtigen Urhebern der Krise auf die Schismatiker in den eigenen Reihen. Selbst der erfolgte oder noch zu erwartende Abfall jener, die „unter [ihnen], aber nicht von [ihnen]“ 358 ­seien, so versichert Arnulf von Lisieux mit den Worten der alexandrinischen Propagandaschrift etenim quasi quibusdam sibi inuicem complexibus dignitas ecclesiastica et regalis occurrunt, cum nec reges salutem sine ecclesia, nec ecclesia pacem sine protectione regia consequatur. 357 Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170. 358 Vgl. ebd. Siehe auch Eterna et incommutabilis, ed. Hödl/Classen, S. 80.

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par excellence, der Wahlanzeige Eterna et incommutabilis, führe nicht zur Schwächung der Gemeinschaft, sondern zu deren Stärkung durch Läuterung.359 Auch an jene, die sich sehenden Auges in die „verabscheuungswürdige Knechtschaft“ 360 begaben und sich eigenmächtig von der kirchlichen Einheit entfernten, ergeht keine Kampfansage. Es gehe weder darum, Gleiches mit Gleichem zu vergelten noch sich voll ­Resignation den Widrigkeiten zu ergeben. Ziel sei es, die verlorenen Schafe von ihrem Irrweg und dessen verheerenden Folgen für die Freiheit der ­Kirche zu überzeugen und mit christlicher Nächstenliebe zum Wohl der Einheit in den Schoß der ­Mutter ­Kirche zurückzuführen.361 Auch wenn die Schismasituation selbst zum Kampf der Schlechtigkeit gegen die standfesten Mächte der K ­ irche Gottes wird, versucht Arnulf ein Bild der Zuversicht zu vermitteln. Die ­Kirche hielte den Angriffen der dunklen Mächte stand, sei als überweltliche Institution unverletzlich.362 Daher werde auch das Ringen um ihre Einheit und Freiheit letztendlich von Triumph gekrönt sein. Für diesen Kampf gegen 359 Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170: Licet enim paleae de area Domini quandoque ventilabro levitatis aut vanitatis avolent et abscedant: propter abscessum tamen earum non minuitur fructus areae, sed purgatur. Im Gegensatz zu Haye 1999, S. 158 sieht die Verfasserin das hier verwendete Bild von Spreu und Weizen weniger als intendierten Euphemismus zur Abmilderung der viktorinischen Bedrohung, sondern als weiteren, ermunternden Teil des optimistischen Ausblicks auf ein mögliches Ende des Schismas. 360 Ebd. 361 Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170: Et ideo ad revocationem eorum qui foris sunt summa caritate debemus intendere, ut ipsi unitati nostrae possint, Domino miserante, connecti: quatenus ii, qui quietem ecclesiasticae libertatis impugnant, meliore ducti consilio resipiscant, et tam de revocatione eorum, quam istorum poenitentia, crescat foecunditas unitatis, et inconcussa servetur desiderandae tranquillitas libertatis. 362 Ebd. mit Bezug auf Mt 18 – 19: Item licet principes tenebrarum adversus ecclesiam Dei vehementer insurgant: portae tamen inferi adversus eam praevalere non possunt. Ita, domini mei, salva nobis semper est unitas, salva semper est libertas ecclesiae: quia neque tunica inconsutilis scindi potest, neque Christi sanguis in irritum devocari. Et licet exierint a nobis aliqui, qui nobiscum erant, sed de nobis non erant: non est scissa tamen veritas propter eos, quos separavit a nobis propriae malitiae pravitatis. Siehe auch ebd., Sp. 1172: ex fide siquidem vita nobis et victoria est: Justus, inquit, meus ex fide vivit. Et haec est victoria, quae vincit mundum, fides nostra. Sed et sancti per fidem vicerunt regna: regnum Satanae, regnum mundi, regnum coelorum. Et de regno quidem mundi, et regno Satanae manifestius: sed et regnum coelorum vim patitur, et violenti rapiunt illud. Ita omnia regna unitas fidei, et fides unitatis expugnat. Im Allgemeinen ist die Betonung der endzeitlichen Zukunft und des Weltgerichts ein grundlegendes Charakteristikum homiletischer Praxis im 12. Jahrhundert. Siehe Kienzle u. a.: Sermon, S. 326. In den häufigsten Fällen dient sie dem Aufruf zur Reue im Sinne einer instructio fidei. Hier kommt den Verweisen auf den immerwährenden Kampf ­zwischen Gut und Böse eine ermutigende Komponente zu.

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die Übergriffe auf die spirituelle Autorität und für die Selbstbestimmung der K ­ irche Gottes sei die Zeit reif und die Gelegenheit günstig. Arnulfs Ausführungen sind an dieser Stelle keine Polemik gegen die gegnerische Partei. Vielmehr leistet er Alexanders Politik des Ausgleichs Vorschub. Zumindest, so mag man einwenden, was die viktorinischen Sympathisanten in den eigenen Reihen (nicht zuletzt in den Bänken der Mauritiuskirche zu Tours) betraf, denen hier eine Hand zur Umkehr dargeboten wurde.363

1.2.2.4  Handlungsauftrag: Erwartungen an den Episkopat und die weltlichen Potentaten Arnulf von Lisieux hat auch eine klare Vorstellung davon, wem die Schlüsselrolle in ­diesem Kampf nach kirchlicher Selbstbestimmung zukomme: Ad hoc scilicet omnem nos convenit diligentiam adhibere, omnem periculum experiri: hoc enim speciale debitum nostrae professionis.364 Die bischöflichen Synodalen unterlägen aufgrund ihrer pastoralen Aufgabe und der an sie ergangenen göttlichen Gnade einer moralischen Verpflichtung zum Handeln:365 Episcopi sumus, ad hoc sacramentis ecclesiasticis sanctificari volumus, ditari beneficiis, honoribus illustrari. Ex ea etiam causa hoc primas obtinebimus in concilio cathedras, primos in coenis recubitus, salutationes in foro. Ex eadem causa populorum nobis multitudines inclinantur, ut de manu nostra partem aliquam commissae nobis benedictiones accipiant. Querunt enim accipere de plenitudine nostra, quod nos accepimus de plenitudine Christi.366

363 Haye: Oratio, S. 158 f. spricht Arnulfs Rede einen rein konziliant-adhortativen Charakter zu. Wenn damit der Grundtenor sicherlich umrissen ist, urteilt Haye in Missachtung der kom­ plexen Überlieferungssituation jedoch allein auf Basis des ersten, von ihm berücksichtigten Teils der Rede in Mignes Edition. Die Thematisierung der Rolle weltlicher Mächte, insbesondere des römisch-deutschen Kaisers im zweiten Teil der Predigt findet daher bedauerlicherweise keinerlei Berücksichtigung. 364 Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170. Die Tradition verstärkt dies noch durch den verstärkenden Einschub (propter hoc sustinere vexationem, omne): siehe Sermo, ed. Migne, Sp. 155 bzw. Arnulfus Lexoviensis Sermo habitus in concilio Turonensi, in: Arnulfi epistolae, ed. Giles, S. 6. 365 Der Gedanke des Gnadenflusses von Gott auf den Prälaten wird weiter ausgeführt, indem das Kopf-Bart-Gewand-Bild aus Ps 132,2 bis auf die Ebene des einfachen Gläubigen erweitert wird. Danach argumentiert er mit der Teilhabe an der Vollkommenheit des Herrn. Beides siehe Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170 – 1171. 366 Ebd., Sp. 1170.

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Somit sei es ihre Mittlerposition und das apostolische Erbe, die gerade den Episkopat in die Pflicht nähmen, auf das Ende des Schismas einzuwirken: Nos autem in medio constituti inter Christum et populum, privilegium gratiae consecuti sumus, et praerogativam dignitatis adepti. Privilegium gratiae, quia prius et copiosius nobis infunditur, quod a nobis in alios transfu[n]ditur: praerogativam dignitatis, quoniam superiores et propinquiores sumus. Superiores, quoniam constituti sumus principes super omnem terram. ‚Constitues eos, inquit, principes super omnem terram.‘ De apostolis dictum est utique, et de nobis, qui loca apostolorum, minoribus revera meritis, sed majoribus consolationibus, obtinemus.367

In Anbetracht der großen Anzahl anwesender Äbte ist diese Fokussierung auf den Episkopat als Hoffnungsträger der alexandrinischen Sache auffällig.368 Somerville hat vermutet, dass Arnulf hier vorsätzlich einen Schwerpunkt darauf legte, durch einen Lobpreis der bischöflichen Amtswürde und sein eher traditionelles – und damit mehrheitsfähiges – ekklesiologisches Gedankengut besonders den bischöflichen Rückhalt für Alexander III . zu festigen.369 In den Reihen der Nichtreligiosen wurden wohl entweder die größten Unsicherheiten oder die größte Handlungsfähigkeit vermutet. Auf die zentrale Stellung d­ ieses moralischen Appells in Arnulfs Konzeption verweist auch der Umstand, dass der Normanne am Ende seiner ersten Ausführungen auf ihn und die Grundvoraussetzung seiner Umsetzung, nämlich die Unabdingbarkeit der gemeinschaftlichen Einheit unter den Rechtgläubigen, zurückkommt: Participes consolationum facti sumus? Justum est, ut socii simus etiam tribulationum. Ex adverso stare nos convenit, et opponere nosmetipsos murum pro domo Israel. Quod sane nobis non facile quidem, sed possibile tamen erit: si constanter in unitate catholica consenserimus permanere.370

Der Schlüssel zum Erfolg sei eine Einheit im Glauben, die zur Eintracht und Freiheit der K ­ irche führen werde. Nur in der Gemeinschaft der Söhne Gottes sei es möglich, den Sieg zu erringen.371 Auffällig an dieser Passage ist die Abkehr von der Ansprache 367 Ebd., Sp. 1171. 368 Zur Teilnahme der Äbte in Tours siehe Somerville: Tours, S. 20 – 21, 29 – 32. 369 Vgl. ebd., S. 18. Die ­Themen der privilegierten Stellung des Episkopats, vertieft durch eine große Dichte von biblischen Verweisen auf das Johannes- und Lukasevangelium, die Psalmen, und das sich daraus ergebende Gebot zum Dankeszoll gegenüber dem Herrn nehmen großen Raum ein. Siehe Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170 – 1171. 370 Ebd., Sp. 1172. 371 Ebd.: Unitas enim fidei concordiam parit: concordia mater est unitatis. Unitas vero fidei tribuit libertatem: ex fide siquidem vita nobis et victoria est sowie Porro fratres sumus ex eodem patre

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an seine bischöflichen Amtsbrüder zum Versuch einer erneuten Einschwörung der Gesamtgemeinschaft. Darüber hinaus soll ein Wechsel zu einem adhortativ-kämpferischen Ton motivieren und aufrütteln. Durch das Beispiel des Gottesknechtes aus Jes 50,8 will der Prediger dem Plenum die Zuversicht einflößen, die Situation in die Hand zu nehmen.372 Wie jener Zuversicht aus dem Wissen schöpfte, dass er nicht allein kämpfte, stünden auch den Alexandrinern starke Unterstützer bei: Christus allen voran.373 Auch die Apostel hätten kämpfen müssen, um letztendlich zu triumphieren. Nicht anders verhielte es sich nun für sie, die sie sich in der Nachfolge der Apostel der aktuellen Notlage der ­Kirche entgegenstellen müssten.374 Um das hohe Ziel zu erreichen, sei der Kampf damals wie heute zwar unvermeidlich, aber, wie das tröstende Beispiel der frühchristlichen Märtyrer zeige, nicht aussichtslos.375 Dieser indirekte Aufruf zur imitatio Christi und das Heraufbeschwören der Heiligen als Vorbilder und Fürsprecher waren fest in der akademisch geprägten homiletischen Tradition der Zeit verankert.376 Christus, die Apostel und die Helden der Christenverfolgungen sind jedoch nicht die einzigen, deren Unterstützung Arnulf von Lisieux die Versammlung versichert. Zuvor ist es eine ganz andere Gruppe, deren Beitrag lobend hervorgehoben wird. Man habe, so versichert er, „den Glauben und die Demut der katholischen Könige, die mit [ihnen] in Worten die katholische Einheit bek[annten] und öffentlich durch Taten ausführ[t]en“ 377. Auch wenn weder der englische noch der französische ­Herrscher Christo, et ex eadem matre ecclesia, per regenerationem aquae et Spiritus, de filiis translati in adoptionem gloriae filiorum Dei. Bonum itaque est, quia utile; jucundum, quia delectabile, nos hac spirituali fraternitate conjunctos in unitate consistere: ut sit scilicet nobis, sicut in primitiva ecclesia, multitudine credentium cor unum et anima una; sit in nobis unus spiritus, una fides. 372 Ebd. 373 Vgl. ebd., Sp. 1173 – 1174. 374 Ebd., Sp. 1174: Certavit apostolus, de certamine victoriam, de victoria consecutus est coronam. Cucurrit, et consummavit cursum, ideoque bravium affectus est: idem bravium quod corona. Tu autem quis es, qui quaeris coronam sine victoria, vel sine certatione victoriam? Impossibile est de facto sine concertatione vicisse, improbabile est de jure coronam sine victoria postulare: Neque enim coronabitur, nisi qui legitime certaverit, lex autem certaminis perseverantia est. ‚Qui enim perseveraverit usque in finem, hic salvus erit.‘ 375 Vgl. ebd. Hier bezieht er sich auf die Prediger der Wahrheit wie Stephanus, Petrus und Andreas. Als Verweis auf die nachfolgende Bitte um finanzielle Unterstützung der exilierten Alexan­ driner wählt er auch Laurentius, der das Martyrium erlitt, da er sich weigerte, K ­ aiser Valerian den für die Leidenden und Armen bestimmten Kirchenschatz des Märtyrerbischofs Sixtus II. auszuhändigen. 376 Vgl. Kienzle u. a.: Sermon, S. 329. 377 Sermo, ed. Mansi, Sp. 1173.

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anwesend waren, um die Botschaft mit eigenen Ohren zu vernehmen, liegt der Bezug zu den königlichen Schirmherren des Turoneser Konzils auf der Hand. Ihr strahlendes Beispiel ist Kontrast zu und mahnender Fingerzeig für jenen einen Mächtigen, der noch nicht dem richtigen Weg folgte. Mit den Worten des weise mahnenden, biblischen Predigers erinnert Arnulf von Lisieux den römischen ­Kaiser an seine politische Isolation 378: „Wehe aber dem, der allein ist, denn wenn er fällt, hat er niemanden, der ihn aufhebt.“ (Pred 4,10) Die Äußerungen, die sich an d­ ieses düstere Bild der Folgen kaiserlichen Irrtums anschließen, hat Schriber mit Verweis auf die Entradikalisierung des Gedankenguts gegenüber der Invectiva von 1133 und in alter Forschungstradition als „eher ­versöhnlich als aufrührerisch“ 379 bezeichnet. In der Hoffnung, mit Friedrich B ­ arbarossa die gesamte viktorinische Partei zu bekehren, übt sich Arnulf von Lisieux in optimistischer Schmeichelei der glänzenden Eigenschaften des Herrschers: Sed et ipse per misericordam Dei convertetur et vivet: quoniam ipse est inter principes terrae multa prudentia et virtute laudabilis […]380. Bis hierher könnte man dem Urteil der Forschung zum Charakter der Aussagen uneingeschränkt zustimmen, zumal man sie im Licht der vorherigen Aufforderung an die Synodalen sehen kann, alle Verirrten im Sinne der Nächstenliebe in den Schoß der ­Kirche zurückzuführen. Doch Arnulf von Lisieux belässt es nicht beim Lobpreis herrscherlicher Tugenden, sondern belegt vielmehr die Aussicht auf ­Friedrichs Bekehrung mit Vorbedingungen. Der von Timothy Reuter passend als „if-only praise“ 381 bezeichnete Passus knüpft die Rahmenbedingungen göttlicher Gnade klar an entsprechende Maximen: Utinam humilietur sub potenti manu Dei, principatui recognoscat: utinam intelligat, quia si Christum sponsum scilicet ecclesiae Dominum confitetur, necesse habet et ecclesiam, quae sponsa est, nihilo minus dominam confiteri. Praeterea specialem causam habet, qua sanctam Romanam ecclesiam dominam recognoscere debet: alioquin manifestissime poterit reus ingratitudinis apparere. Si enim ad veteres recurramus historias, certum erit, praedecessores ejus imperium non de alio jure, quam de sola sanctae Romanae ecclesiae gratia percepisse. Nihil igitur plus juris vendicare principes possunt, quam quod in eos contulit dignatio largientis.382 378 Vgl. ebd. 379 Schriber: Dilemma, S. 47, Somerville: Tours, S. 64 f. und Soria Audebert: Temps, S. 376: Arnoul conserve un ton conciliant. 380 Sermo, ed. Mansi, Sp. 1173. 381 Vgl. Reuter: Schism, S. 105 f. 382 Sermo, ed. Mansi, Sp. 1173. Von der zweiteiligen Überlieferungstradition der Predigt sogar noch durch den Einschub principatum Ecclesiae suo praeesse verstärkt: Siehe Sermo, ed. Migne,

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Im Allgemeinen erwartete Arnulf von Friedrich eine baldige Umkehr und Annäherung an Alexander III., war doch die Frage der Dauer einer schismatischen Anhängerschaft damals nicht unproblematisch. Je länger ein Herrscher dem Schisma anhing, umso größer war auch in der kirchenrechtlichen Th ­ eorie seine Verstrickung in die Häresie, desto gefährdeter sein Seelenstatus, desto berechtigter ein Ausspruch der Exkommunikation.383 Konkret suchte Arnulf Friedrichs Akzeptanz des biblischen Zweischwertergleichnisses (Lk 22,35 – 38) als allegorischen Ausdruck der Unterordnung der irdischen unter die sakrale Gewalt der ­Kirche, wie sie auf Seiten der Reformer vertreten wurde, argumentativ herbeizuführen.384 Das gladium spiritualis und das gladium materialis habe Christus der Welt hinterlassen, doch sei Letzteres dem ­Kaiser nur durch die Hand des Papstes verliehen worden. Die Worte des Normannen zeugen von der in weiten Teilen des französischen Reiches verbreiteten Vorstellung des Kaisertums, die statt des von Barbarossa propagierten Universalcharakters dem imperator Romanorum höchstens einen Ehrenvorrang zuerkannte – solange er diesen vorbildlich erfüllte.385 Sp. 158 bzw. Sermo, ed. Giles, S. 11. 383 Vgl. Véronique Beaulande-Barraud: Schisme, hérésie et excommunication chez les canonistes médiévaux, http://mefrim.revues.org/1850 (letzter Zugriff: 1. 3. 2021), S. 6. Diese Verbindung galt auch für konkurrierende Päpste: Stefan Schima: Das Papstschisma – eine Häresie? Kirchenrechtshistorische Erwägungen, in: Müller: Verlust, S.55 – 74. 384 So etwa durch Bernhard von Clairvaux: Siehe Bernard Jacqueline: Le pouvoir pontifical selon saint Bernard de Clairvaux. L’argument des deux glaives, in: Collectanea cisterciensia 17 (1955), S. 130 – 138; Elizabeth T. Kennan: Antithesis and Argument in the De consideratione, in: Bernard of Clairvaux. Studies Presented to Dom Jean Leclercq, Washington, DC 1973 (Cistercian Studies Series, 23), S. 91 – 111; Horst Fuhrmann: “Der wahre ­Kaiser ist der Papst.” Von der irdischen Gewalt im Mittelalter, in: Hans Bungert (Hg.): Das antike Rom in Europa. Die Kaiserzeit und ihre Nachwirkungen, Vortragsreihe der Universität Regensburg, Regensburg 1985 (Schriftenreihe der Universität Regensburg, 12), S. 99 – 121, hier: S. 106 f. Eine umfassende Entwicklungsgeschichte der mittelalterlichen Zweischwerterlehre bis zu Innozenz III. gibt Hartmut Hoffmann: Die beiden Schwerter im hohen Mittelalter, in: DA 20 (1964), S. 78 – 114. 385 Prägend war das seit dem frühen 12. Jahrhundert auftretende Verständnis Frankreichs als wichtigster Stütze des Papsttums. Siehe Rolf Grosse: K ­ aiser und Reich aus der Sicht Frankreichs in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, in: Weinfurter: Stauferreich, S. 176. So ebenfalls zu finden bei Walter von Châtillon, damals Hofkanoniker Heinrichs II., der in seiner satirischen Lyrik das Schisma beklagt und sich in den 1170er Jahren wie folgt zur Stellung von Papst und ­Kaiser äußert: Cesar habet gladium, set materialem / hunc eundem pontifex, set spiritualem; / cesar ergo suscipit usum temporalem / ab eo, qui possidet curam pastoralem. (Karl Strecker: Moralisch-satirische Gedichte Walter von Châtillon aus deutschen, englischen, französischen und italienischen Handschriften, Heidelberg 1929, S. 136, Strophe 15). Zur kirchlichen Einstellungen zur Kaiserwürde und der Machtsphäre ihres Inhabers: Hoffmann: Schwerter.

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Beide Positionen und Forderungen stellten keine Neuerung dar und mussten, gleich wie selbstbewusst sie auch vorgebracht wurden, auf Seiten der Imperialisten auf Ablehnung stoßen. Zwar hatte das Kaisertum mittlerweile die papstzentrierte Hierarchie der Gesamtkirche als eine aus ihrem Machtbereich ausgeklammerte Institution akzeptiert, doch sah es seinen Platz als advocatus ecclesiae an der Seite des Petrusnachfolgers und nicht als Untertan desselben.386 Es stand für das Kaisertum viel mehr auf dem Spiel als eine bloße ideologische Frage. Es ging um die Lösung drängender Probleme, die sich aus dem nur unzureichend definierten Verhältnis z­ wischen beiden Gewalten und den daraus folgenden Überschneidungen ihrer Autoritätssphären ergaben. Für Friedrich I. war es keine bloße Frage eines Obödienzwechsels, sondern eine Frage der imperialen Selbstbehauptung gegenüber den Forderungen des erstarkten Papsttums. Dem Umkehrappell der Alexandriner auf der Synode von Tours stand schon damals wenig Erfolg in Aussicht.387 Eine ideologische Annäherung an das Kaisertum stellte die Ansprache Arnulfs von Lisieux nicht dar. Vielmehr steckte sie noch einmal mit lauter Stimme die Fronten ab. In Summe ist festzustellen, dass Arnulf von Lisieux sich in seiner Predigt eher der Lösung drängender Probleme wie der lückenhaften Obödienz Alexanders III. im Einzugsbereich der Teilnehmer des Konzils von Tours widmete, als ideologische Debatten zu führen. Das Mittel der Wahl war dabei eine Mischung von Ausführungen, die zum einen die Gegenpartei, insbesondere den römischen K ­ aiser, verurteilten, zum anderen aber auch in einem konzilianteren Ton als bekehrbar darstellte und ihr die Hand zur Versöhnung reichte. Damit entsprach Arnulf der damaligen Ausrichtung alexandrinischer Politik, auch wenn diese im Nachgang des Konzils an Barbarossas Prinzipientreue scheitern sollte.388 Obwohl er als propagandistisches Sprachrohr 386 Vgl. Szabó-Bechstein: Libertas. Die kaiserliche Kanzlei deutete die Allegorie der Schwerter dergestalt um, dass Gott selbst und nicht durch die Vermittlung des apostolischen Stuhls die Gewalten ausgegeben habe. Siehe Fuhrmann: ­Kaiser, S. 107 f. 387 Siehe Somerville: Tours, S. 65. 388 Die Nähe ­zwischen alexandrinischen Kampfschriften und Arnulfs Predigt zeigt sich nicht zuletzt an wörtlichen Anlehnungen und gemeinsamen argumentativen Versatzstücken wie beispielhaft aus einem Vergleich der Predigt mit der propagandistischen Wahlanzeige und Manifest der alexandrinischen Partei Eterna et incommutabilis. Vergleiche dazu Ita, domini mei, salva nobis semper est unitas, salva semper est libertas ecclesiae: quia neque tunica inconsutilis scindi potest, neque Christi sanguis in irritum devocari. Et licet exierint a nobis aliqui, qui nobiscum erant, sed de nobis non erant: non est scissa tamen veritas propter eos, quos separavit a nobis propriae malitiae pravitatis. (Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170) und Unde et, quamvis hoc tempore tres falsi fratres, qui a nobis quidem exierunt, sed non fuerunt de nobis […] ­inconsutilem Christi tunicam […] scindere et laniare laborent […] (Eterna et incommutabilis, ed. Hödl/ Classen, S. 80). [Hervorhebungen d. Verf.]

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des Papstes auftrat, strebte er allerdings keine Verständigung um jeden Preis an. Im Sinne der gängigen Zweischwerterlehre und des apostolischen Verständnisses vom Verhältnis ­zwischen regnum und sacerdotium verweist er den mächtigen ­Kaiser in seine Schranken. Letztes Moment des politischen Programms, das der Normanne in der Mauritiuskirche vertrat, war der Appell an die alexandrinische Partei, insbesondere an die episkopalen Teilnehmer, sich eingedenk der mannigfaltigen himmlischen und irdischen Unterstützung nicht im Kampf gegen die Kirchenspaltung entmutigen zu lassen. Arnulfs Tours-Predigt ist zwar keine dezidierte Kampfansage an die viktorinische Partei, aber ein homiletischer Ansporn an die Synodalen, der Spaltung der K ­ irche im Inneren und Äußeren aktiv entgegenzuwirken und auch so, durch die Einwirkung jedes einzelnen und besonders der bischöflichen Teilnehmer, die gegnerische Partei mit dem Ziel der erneuten Einheit in den Schoß der K ­ irche zurückzuführen. Damit entfaltet der sermo nicht nur die kirchenpolitischen Vorstellungen seines Predigers, sondern liefert dessen Antwort auf die spezifische historische Situation im Frühjahr 1163. Inwiefern eine Veränderung der Umstände auch eine Veränderung der Überzeugungen des normannischen Bischofs mit sich brachte, wird zu untersuchen sein.

1.3  Die Schismabriefe des Arnulf von Lisieux: Genese, Überlieferung, Quellenwert Dass gerade Arnulf von Lisieux der Nachwelt über die Jahrhunderte hin eine quantitativ wie qualitativ beachtenswerte Briefsammlung überliefert hat, mag kaum verwundern. Schließlich fiel sein Episkopat in jenes als ‚golden‘389 bezeichnetes Zeitalter mittelalterlicher Epistolographie, in dem sich die Welt durch verbesserte Kommunikationswege und intensivierte Reisetätigkeit ganz anderen Beziehungsgeflechten öffnete und das neu erwachte Interesse an antiker Kultur und Literatur nicht nur das Maß an Latinität und Bildung positiv beeinflusste, sondern auch die klassische Kunst des Briefschreibens zunehmend attraktiv machte. In ­diesem Klima der geographischen und intellektuellen Grenzerweiterung durchdrang die wiederentdeckte Kommunikationsform des Briefs Mitte des 12. Jahrhunderts fast alle Bereiche des sozialen, religiösen und intellektuellen Lebens. Korrespondenz wurde mit verschiedenster Motivation geschrieben, versendet, gesammelt. Je nach 389 Vgl. Constable: Letters, S. 31 – 38, hier: S. 31. Nach Constable begann ­dieses mit der Briefsammlung des Gerbert von Aurillac und endete mit dem Niedergang der zunehmend formalisierten und damit an Attraktivität verlierenden Epistolographie im 13. Jahrhundert.

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Komposition konnten Briefsammlungen ein dokumentarisches Register bilden, eine autobiographische Vita des Verfassers vermitteln oder im Zuge der aufkommenden Briefstillehre zukünftigen Schreibern als eine Auslese besonders eleganter oder prägnanter Modellschriften an die Hand gegeben werden.390 Arnulf von Lisieux hatte einen Teil seiner Studienzeit wahrscheinlich im italienischen Bologna, der Hochburg dieser neuen Disziplin, verbracht, als Connaisseur des dictamen, dessen Schriften sowohl von hoher sprachlicher Qualität waren als auch den Regeln der Briefstillehre folgten.391

1.3.1  Charakter der Sammlung Briefe mit klarem Bezug zu einem historisch bedeutsamen Ereignis wurden, wie im Fall der Becketkorrespondenz oder der Briefsammlung des Johannes von Salisbury, als Zeugnisse und Referenz für die Nachwelt zusammengestellt und tradiert. Auch ein selbstbewusster Charakter wie Arnulf von Lisieux wusste um seinen Platz in der politischen und kirchlichen Welt seiner Zeit. In seinem Fall kann zudem mit Sicherheit gesagt werden, dass er die Zusammenstellung seiner Briefe persönlich vornahm. Weniger eindeutig ist seine Veranlassung dazu. In seiner immer noch maßgeblichen Edition für die Camden Series der Royal Historical Society bemühte sich Frank Barlow akribisch um eine chronologische Ordnung der zumeist undatierten Stücke, schreckte vor teils willkürlicher, inhaltlicher Bündelung des Materials nicht zurück.392 390 Die Disziplin des dictamen erlebte im 12. Jahrhundert von Italien aus einen rasanten Aufschwung. Zur Entwicklung und Inhalt der Briefstillehre siehe ebd., S. 17 – 23. Grundlegend Camargo: Ars. Die Verwendung von Briefstellern im universitären Lehrbetrieb schildert Franz-Josef Schmale: Die Bologneser Schule der Ars dictandi, in: DA 13 (195), S. 16 – 34, hier: S. 24. Jüngst und umfassend: Florian Hartmann/Benoît Grévin: Ars dictaminis. Handbuch der mittelalterlichen Briefstillehre, Stuttgart 2019 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 65). 391 Arnulfs Rhetorik, Stil und sprachliche Eigenheiten sowie seine Orientierung an den Regeln des dictamen (etwa die Komposition von Begrüßungsformeln oder seinen Gebrauch des cursus, eines speziellen Prosarhythmus betonter Kadenzen) umreißen Schriber: Dilemma, S. xiii – xx und Letter Collections, ed. Schriber, S. 16 f. 392 Letters, ed. Barlow, S. xc: „The arrangement of letters is an attempt at a chronological order, although occasional deviations have been made when it has been considered better to group the correspondence dealing with some particular subject.“ Er folgte dabei dem Ansatz der ersten modernen Edition von J. A. Giles (Arnulfi epistolae, ed. Giles), der Mignaults Druck einer Transkription von MS. Paris Bibl. nat. lat. 14763 um einige Einzelüberlieferungen aus Oxford, St. John’s College 126 erweiterte und chronologisch arrangierte. Migne druckte Giles’ Edition ohne Eingriff noch einmal in Arnulfi Lexoviensis episcopi opera omnia, ed. Jacques Paul

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Der mit diesen Eingriffen vermittelte künstliche Eindruck einer rechtfertigenden Briefbiographie des Bischofs von Lisieux ist auf Widerstand getroffen.393 Carolyn Poling Schriber, die auf Basis der ältesten erhaltenen Manuskripte der Sammlung die ursprüngliche Reihenfolge der Stücke rekonstruierte, kritisiert, die Vorgehensweise von Barlow und seinem Vorgänger J. A. Giles gäbe der ursprünglichen Sammlung ein falsches Gesicht, indem die anlagebedingte Einheit der Briefe den „rhetorischen Zweck der Sammlung“ 394 verschleierte: „A modern reader is left with the impression that this is a man telling his own story for his own glorification. […] But the chronological order is a modern manipulation forced upon the collection by nineteenth-century editors […]. Arnulf was responsible for the publication of probably no more than half the letters. He allowed his correspondence to be published for purposes that had little to do with any apparent desire for self-justification.“ 395

Die Kompilation, so Schribers These, sei vielmehr eine Zusammenstellung von Beispielschriftstücken hoher literarischer und epistolographischer Qualität. Solche summae dictaminis renommierter Briefschreiber erfreuten sich unter Studenten und Freunden der Kunst des dictamen großer Beliebtheit und wurden in Verbindung mit theoretischen Lehrbüchern, den artes dictandi, als praktische Handbücher des guten Briefstils zur Instruktion und Übung genutzt.396 Hinweise auf eine didaktische Intention Arnulfs, die ein gewisses Maß an Selbstdarstellung seiner eigenen Person als vorbildlicher Literat nicht ausschließen muss, sah Schriber in der durchdachten Anordnung der Briefe oder dem Umstand, dass die hochformalisierten Grußformeln in der Tradition bewusst ausgelassen wurden.397 Zumindest letztgenanntes Argument ist jedoch in Anbetracht des Stellenwerts, den die Lehre der salutatio in der

Migne, Paris 1855 (Migne PL , 201). Zu den Unzulänglichkeiten dieser frühen Editionen: Schriber: Dilemma, S. xvii. 393 Letter Collections, ed. Schriber. Auch Köhn: Autobiographie, S. 691 verurteilt diese erzwungene Chronologisierung in den modernen Briefeditionen als illegitime Manipulation eines Materialkorpus, die sich gegen das eigentliche Strukturprinzip des Urhebers wende. 394 Schriber: Dilemma, S. xvii. 395 Letter Collections, ed. Schriber, S. 4. 396 Vgl. Constable: Letters, S. 27 f. Zur terminologischen Unterscheidung z­ wischen ars dictaminis, ars dictandi, dictamen siehe Constable: Letters, S. 20 f.; Camargo: Ars, S. 17 – 28. 397 Letter Collections, ed. Schriber, S. 5: „Everything about the original collection – from the carefully worked-out arrangement of letters to the deliberate omission of formal salutations – argues that Arnulf meant to produce what modern readers would recognize as a handbook of examples for letter writers.“

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e­ pistolographischen Traktatliteratur wie in den sie begleitenden Mustersammlungen einnahm, anfechtbar.398 Trotz seiner Entscheidung für eine chronologische Neuordnung des Briefmaterials im Zuge seiner Edition sieht auch Barlow Arnulfs größte Motivation in der Absicht, sein Können als Literat einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen – wenn auch nicht explizit in Form eines Musterbuchs.399 Auslöser für die Veröffentlichung der Sammlung mag eine Anregung des Archidiakons Aegidius von Rouen gewesen sein.400 Arnulf von Lisieux war sich seiner rhetorischen und literarischen Fähigkeiten bewusst, auch wenn die Entschuldigungen über den kruden Stil seiner Werke und sein Bedauern über den Verlust der frühen, in seinen Augen stilistisch höherwertigen Korrespondenz, etwas anderes suggerieren mögen.401 Auch die Überarbeitungen, die er an seinem Briefmaterial vornahm, sprechen für Schribers Vermutung einer literarisch-didaktischen Edition.402 Ihre These ist zwar verlockend und widerspricht auch nicht zwangsläufig den bisherigen Erkenntnissen, doch kann die Frage nach der Ausrichtung des Werkes meines Ermessens nicht abschließend 398 Vgl. Franz-Josef Worstbrock/Monika Klaes/Jutta Lütten: Repertorium der Artes dictandi des Mittelalters. Von den Anfängen bis um 1200, München 1992 (Münstersche MittelalterSchriften, 66), XI. Im Rahmen der von ständischer Rangordnung geprägten mittelalterlichen Gesellschaft war das personentypisch differenzierte Salutationswesen mehr als nur stilistisches Element. Es war Mittel zur akkuraten Abbildung korrekter hierarchischer Verhältnisse. 399 Vgl Letters, ed. Barlow, S. lxi f. 4 00 Vgl. Arnulfus Lexoviensis: Ep. 1. Epistolas que in aliquando, in: Letters, ed. Barlow, S. 1. 4 01 Vgl. ebd. Siehe auch Letters, ed. Barlow, S. lxii, aber vor allem Wahlgren-Smiths Ausführungen konventioneller Topoi in den Prologen antiker und mittelalterlicher Briefsammlungen: Lena Wahlgren-Smith: On the Composition of Herbert Losinga’s Letter Collection, in: Classica et mediaevalia 55 (2004), S. 220 – 246, hier: S. 234. Aussagen wie die Betonung des Widerstrebens gegen eine Veröffentlichung der als minderwertig anzusehenden Briefe und den Topos von der zaghaften Beugung unter den Wunsch desjenigen, der diese erbat, wird Bescheidenheit suggeriert und dem Petenten eine Mitverantwortung bei der Publikation der Werke zugewiesen. 4 02 Einige in MS . Vat. Lat. 6024 in unedierter Form vorliegende Briefe zeigen, dass unter Beibehaltung der höflichen Grußformeln, eines wichtigen Aspekts der Briefstillehre, nur kleinere, inhaltlich wenig bedeutsame Eingriffe wie Kürzungen einzelner Geschäftsdetails vorgenommen wurden, die für einen literarisch interessierten Adressatenkreis nicht von Belang waren. Siehe Letters, ed. Barlow, S. lxii. Zudem ist in der Überlieferung der Briefe oft eine Kopplung des homiletischen und lyrischen Werkes zu beobachten. Als didaktisches Werk wurde Arnulfs Kompilation noch 1585 in Form der ersten Druckversion des Claude Mignault Jacob Gillote, einem Mitglied des Pariser Königsrates, zur Unterweisung seines Stabes im Verfassen diplomatischen Schriftverkehrs empfohlen. Siehe Lisieux, Bibliothèque Municipale, Norm. 5G5.

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geklärt werden. Das Bewusstsein des Autors von der Qualität der eigenen Werke setzte nicht zwingend die Form eines Musterbuches bei seiner Kompilation voraus, wie das Beispiel der Sammlung des Herbert Losinga aus dem ausgehenden 11. Jahrhundert zeigt.403 Zumindest aber könnte diese Qualität die Beliebtheit des Arnulfschen Korpus unter den Zeitgenossen erklären. Schließlich endete dessen rege Überlieferungstradition von fast zwanzig erhaltenen Manuskripten bezeichnenderweise im 13. Jahrhundert, in dem die ars dictaminis in immer ausdifferenziertere, formulatorische Bahnen geleitet wurde.404

1.3.2  Überlieferung und Redaktionsstufen Aus der Zwischenzeit jedoch überliefern nicht weniger als 19 Manuskripte aus dem 12. und 13. Jahrhundert die Briefe Arnulfs von Lisieux.405 Meist wird die Korrespondenz gleichsam als Gesamtausgabe seines literarischen Oeuvres in Kombination mit seinem homiletischen Werk, oft auch mit seiner Lyrik, tradiert. Eine Sonderüberlieferung konnte nur für den ersten Schismabrief Benedictus deus et pater aufgespürt werden.406 Die hohe Zahl von Textzeugen reflektiert den Wert, den Zeitgenossen Arnulfs Arbeiten beigemessen haben müssen und ermöglicht es, die Entwicklung der Sammlung nachzuvollziehen. So lässt die Überlieferung der insgesamt 144 Stücke umfassenden Korrespondenz des Bischofs von Lisieux darauf schließen, dass es mehrere Fassungen 4 03 Vgl. Wahlgren-Smith: Composition, S. 244. Allerdings ist auch die varietas in der Zusammenstellung der Einzelstücke zu bemerken, die in der Briefstillehre als Merkmal eines guten Handbuches galt. 4 04 Vgl. Constable: Letters, S. 36 – 38. Begründet in der wachsenden Komplexität der Regeln und der daraus folgenden Einschränkung epistolographischer Ausdrucksmöglichkeit sowie der Professionalisierung des Briefwesens. Einen chronologischen Überblick der Geschichte der ars dictaminis umreißen Hartmann/Grévin: Ars. 4 05 Der Großteil der Textzeugen entfällt dabei auf die Bibliothèque Nationale in Paris: i. e. Paris Bibl. nat. lat. 491, 2595, 2596, 13219, 14168, 14763, 17468, 15166. Die Vatikanische Bibliothek beherbergt vier Kodizes: Vat. Lat. 6024, Vat. Ottob. Lat. 3079 sowie Vat. Reg. Lat. 189 und 244. Die englische oder Oxforder Tradition bilden: Bodl., Digby 209, Bodl. Auct. F. I. 8 und St. John’s College 126. Die übrigen Manuskripte sind auf Cambridge (Corpus Christi College 273), Cambrai (Bibliothèque municipale 211), Bern (Burgerbibliothek 568) und Turin (Bibl. naz., D, iv, 32) verteilte Einzelkodizes. 4 06 London, Brit. Libr. Cotton Faustina B1. Es handelt sich um einen Textzeugen aus dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts. Provenienz: Byland Abbey. Gesamtdossier: fol. 2ra – 11va. Benedictus deus: fol. 5r – 5v.

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der Sammlung gab, von denen zwei durch die Hand des Verfassers persönlich oder zumindest unter seiner Aufsicht kompiliert und redigiert wurden.407 Mit der Arbeit an der ersten Fassung der Briefsammlung begann Arnulf vor 1166, möglicherweise bereits in den 1140er Jahren.408 Vielleicht stehen diese auch in Zusammenhang mit der Veröffentlichung seiner Tours-Predigt auf Wunsch des Archidiakons von Rouen, denn es ist eben dieser Aegidius, auf dessen Bitte hin Arnulf zur selben Zeit ein kleines Briefbuch (libellus) zusammenstellte und ihm zukommen ließ.409 Vielleicht war es sein homiletisches Werk, das Arnulfs literarisches Können einem größeren Publikum empfohlen hatte und die Idee aufkommen ließ, auch die Korrespondenz zugänglich zu machen. Der Verfasser selbst betonte, dass er bei der Kompilation darauf angewiesen war, viele der Briefe von den Empfängern zurückzuerbitten, es ihm aber zu seinem großen Bedauern nicht möglich gewesen war, der frühen Stücke aus der Zeit seines Archidiakonats habhaft zu werden.410 Zwischen 1171 und 1173 bat Petrus Iterius, damals Bischof von Meaux, seinen normannischen Amtskollegen um eine Kopie seiner ersten epistolographischen ­Redaktion.411 Arnulfs Begleitschreiben zu dieser Sendung ist erhalten.412 Einzelne Emendationen am Material der Erstfassung, aber auch die Belassung der Grußformeln, die auf Vorlage der Originalbriefe hinweisen, lassen auf eine provisorische Zusammenstellung schließen, die einer sauberer redigierten Zweitfassung des Briefkorpus voranging.413 Nach Barlow könnte Arnulfs Aussage, er habe es vorgezogen, die ­vorliegenden Briefe 4 07 Argumentativ nachzuvollziehen in Letters, ed. Barlow, S. lxvi – lxxxvi und Letter Collections, ed. Schriber, S. 5 – 15. 4 08 So verortet von Letters, ed. Barlow, S. lxiii. 4 09 Vgl. AvL Ep. 1. 410 Vgl. ebd., S. 2. Letters, ed. Barlow, S. lxi–lxxi sieht diese Aussagen als wenig wahrheitsgetreue „pleasant exaggeration“ (S. lxi), als rhetorischen Ausdruck einer obligatorischen Demutshaltung. 411 Zur Person des Petrus Iterius, Kardinalpresbyter von S. Chrysogonus und späterer Bischof von Meaux, und seiner Beziehung zu Arnulf von Lisieux siehe Teske: Zeugnis, S. 198 f. 412 Zu Vat. Lat. 6024 siehe Letters, ed. Barlow, S. lxxiii, lxxxii–lxxxiii; Letter Collections, ed. Schriber, S. 8 – 10. 413 Der Codex enthält die Briefe der Erstfassung mit substanziellen additamenta, die zum Teil den Weg in die zweite Ausgabe der Sammlung fanden. Die Zusammenstellung des Gesamtkorpus, die Anordnung der Einzelstücke sowie Veränderungen in der Hand des Schreibers legen nahe, dass Petrus Iterius oder eine dritte Person den durch Arnulfs zugesandten Kern durch Material erweitert haben könnte, dessen er mit und mit habhaft wurde. Höchstwahrscheinlich wurde Vat. Lat. 6024 als Behelfskopie der sich im Stadium der Bearbeitung befindlichen Zweitfassung hergestellt, um dem Wunsch des Bischofs von Meaux zu entsprechen. Siehe Letters, ed. Barlow, S. lxxxii f. Weiter untermauert von Letter Collections, ed. Schriber, S. 8 – 10.

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zu ­überarbeiten beziehungsweise unter seiner Aufsicht korrigieren zu lassen, darauf hindeuten, dass Petrus von Arnulfs Arbeit an einer neuen Kollektion gehört und um eine Kopie gebeten hatte.414 Ob der Plan einer solch verbesserten und neu geordneten Redaktion des mittlerweile erweiterten Briefkorpus vor oder nach Petrus’ Anfrage zu verorten ist, kann heute nicht mehr klar e­ ntschieden ­werden. Die vatikanische Handschrift, die als der Entwurf identifiziert werden kann, aus dem die handschriftliche Überlieferung der zweiten Fassung hervorging, entstand jedenfalls ab dem Jahr 1172.415 Eine dritte, nicht mehr vom Autor selbst bearbeitete Neusammlung der Briefe ist in einer einzigen Oxforder Handschrift überliefert.416 Die nach ihrem Herkunftsort in Hampshire benannte Southwick-Sammlung entstammt einer englischen Kognatengruppe der Arnulfschen Zweitfassung und wurde nach dessen Tod im Jahr 1184 angefertigt.417 Höchstwahrscheinlich hatte Guy, Prior der dortigen Augustinerpriorei, ein literarisch interessierter Mann mit Verbindungen zu Arnulfs Pariser Refugium Saint-Victor, diese Aufgabe übernommen. Zu d ­ iesem Zweck könnte dessen Diözesanbischof Richard von Ilchester, Arnulfs langjähriger Freund, Guy seine eigene Korrespondenz zur Verfügung gestellt haben. Es ist verlockend, diese mit dem Sondergut gleichzusetzen, das dem Briefkanon der zweiten Ausgabe beigefügt wurde. Es handelt sich um 40 singuläre Stücke privater Korrespondenz aus Arnulfs letzter Lebensphase, die von der Ungnade bei Heinrich II . und dem langen Kampf um sein Amt geprägt ist, einer Zeit, in der Arnulfs Beziehung zu Richard sehr eng war.418 Vielleicht wurden die Stücke tatsächlich „mit allen guten Absichten eines engen Freundes öffentlich gemacht […], der von Arnulfs Misere bewegt war und das Gefühl hatte, dass seine Seite der Geschichte bekannt gemacht werden sollte“ 419. Mit seinen 118 überlieferten Briefen ist das Florilegium von Southwick die umfangreichste erhaltene Kompilation der insgesamt über 140 Schriftstücke umfassenden Arnulfkorrespondenz. 414 Siehe Arnulfus Lexoviensis: Ep. 82. Puerum vestrum aliquandiu non, in: Letters, ed. Barlow, S. 136. Siehe Letters, ed. Barlow, S. lxxxiii. Die Beaufsichtigung der Kopier- oder Korrekturarbeiten durch den Autor war keine Seltenheit. Für den Fall der Briefsammlung des Bischofs von Norwich siehe Wahlgren-Smith: Composition, S. 233. 415 Erster Textzeuge der redigierten Zweitfassung wäre damit der Codex Paris Bibl. nat. lat. 14763, den Barlow seiner kritischen Edition im Kern zugrunde legte. Siehe Letters, ed. Barlow, S. lxxiv – lxxxii. 416 Oxford, St. John’s College, 126. 417 Darauf deutet das Entstehungsalter des Codex hin. Siehe Letter Collections, ed. Schriber, S. 13. 418 Zu Oxford, St. John’s College, 126 siehe Letters, ed. Barlow, S. lxxxvf; Letter Collections, ed. Schriber, S. 13 f. 419 Vgl. ebd., S. 14.

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Diese erhaltenen epistolaren Schriftstücke sind Privatbriefe, aber nicht – wie im modernen Verständnis des Terminus impliziert – Beispiele besonders intimer oder persönlicher Kommunikation z­ wischen Sender und Empfänger, vor allem Teile des geschäftlichen Briefverkehrs, der aus Arnulfs Stellung als Gesandter des Königs, delegierter Richter des Apostolischen Stuhls und Bischof eines bedeutenden normannischen Bistums erwuchs. Neben Schreiben privaterer Natur stehen die Haupttypen (Berichte an die Kurie, Zeugnisse aus dem Alltag der Diözesanverwaltung und diplomatische Korrespondenz), auch wenn sich bezüglich beider Kompilationsstufen gewisse Konjunkturen erkennen lassen.420

1.3.3  Quellenwert Betrachtet man die Verteilung dieser inhaltlich so vielgestaltigen Zeugnisse, zeigt sich, dass an gewissen Zeitpunkten im Leben des Arnulf von Lisieux die Überlieferungsdichte steigt. Perioden solch intensiver Überlieferung sind die Jahre 1159 – 1160, deren Zeugnisse Arnulfs Einsatz für Alexander III. bewahren, und 1163 – 1166. Da damit wichtige Phasen der Schismageschichte abgebildet sind, ist anzunehmen, dass der Bischof von Lisieux zu dieser oder für diese Zeit auch einen erhöhten Bedarf sah, sein epistolares Werk aufzubewahren oder zumindest zurückzufordern.421 Es ist kein Zufall, dass gerade die der römischen Doppelwahl folgende, formative Zeit des Ringens nach Obödienzerweiterung und die Mitte der 1160er Jahre so gut repräsentiert sind. Schließlich umspannen sie weichenstellende Ereignisse wie das Konzil von Pavia, die Anerkennung Alexanders durch die Westkönige, die Eskalation des Becketkonflikts samt der Hochphase seiner gefährlichen Verquickung mit dem Schisma, Alexanders Behauptungskampf auf dem Konzil von Tours oder die Würzburger Beschlüsse. Zwar geht Arnulf 420 Nach Letters, ed. Barlow, S. lxiii überliefert die erste Fassung diplomatischen Schriftverkehr, während die Zweitredaktion zusätzlich viele Schreiben aus dem Bereich der Rechtsprechung und der Verwaltung aufnahm. Für eine kurze Vorstellung der Hauptkategorien der Arnulfbriefe, ihren historischen Erkenntniswert und eine Annäherung an besonders lohnende ­Stücke der Sammlung siehe ebd., S. lxiii–lxv. Beispiele der thematischen Bandbreite des Korpus liefert auch Schriber: Dilemma, S. xv–xvii. 421 Die von Letters, ed. Barlow, S. lxiii ausgewiesene, erhöhte Sammelmentalität und der Anstieg des Materials ­zwischen 1170 – 1173 könnte hingegen durch den Beschluss bedingt sein, in naher Zukunft eine Überarbeitung des ersten Korpus vorzunehmen. Der enorme Anstieg des Materials z­ wischen 1175 – 1181 erklärt sich, gemäß der Entstehungstheorie der Southwick Sammlung, die diese Briefe bewahrte, aus der Natur der Kompilation und ihrem Ursprung in der Diözese Winchester.

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nicht im ­Einzelnen auf jedes dieser Ereignisse ein, doch trifft der Entstehungszeitraum der Briefe mit Jahren der Unsicherheit zusammen, die eine erhöhte propagandistische Tätigkeit über Distanzen hinweg erwarten lassen, wie sie seit dem Investiturstreit und besonders im alexandrinischen Schisma über den Weg der Epistolographie erfolgte.422 Trotz ihres Charakters als schriftliche Gattung von enormer thematischer Bandbreite, die fast jeden Aspekt des mittelalterlichen Lebens beleuchten kann, ist der Erkenntniswert mittelalterlicher Briefe in der Vergangenheit unterschiedlich beurteilt worden.423 Während Charles V. Langlois epistolare Zeugnisse als wertvollste Informationsquelle des Mediävisten einschätzte, verwarf sie William Stubbs als reine Einführungsschreiben des eigentlichen Nachrichtenträgers, des überbringenden Boten, die in ihrem sentimentalen Stil von wenig faktischem Wert für den Historiker sein konnten.424 In den 1920er Jahren hob Bernhard Schmeidler die Verwertbarkeit von Briefsammlungen positiv hervor, indem er diese aufgrund ihrer biographischen Dimension und stilistischen Homogenität mit einem „vollständigen Lebensbild des Verfassers und Sammlers der Briefe“ 425 gleichsetzte, während Karl Pivec die Briefe des Gerbert von Aurillac sogar als „Autobiographie in Dokumenten“ und „Vorläufer der Memoiren-Literatur“ 426 rühmte. Mittlerweile hütet man sich vor derartigen Generalisierungen. Spätestens seit Carl Erdmanns Studien zur deutschen Epistolographie muss zu Recht vor der Überschätzung eines autobiographischen Werts mittelalterlicher Briefkorpora gewarnt werden.427 Briefsammlung ist nicht gleich Briefsammlung und einige Zusammenstellungen lassen wenig oder gar keine tragfähigen Aussagen über die Persönlichkeit und das Leben ihres Autors zu.428 422 Vgl. etwa Carl Erdmann: Die Anfänge der staatlichen Propaganda im Investiturstreit, in: HZ 154, 3 (1936), S. 491 – 512. Weiterführend: Münsch: Fortschritt; Constable: Propaganda; Soria Audebert: Temps; Soria Audebert: Reception. 423 Vgl. Bernhard Schmeidler: Über Briefsammlungen des früheren Mittelalters in Deutschland und ihre kritische Verwertung, in: Vetenskaps-Societeten i Lund. Årsbok (1926), S. 5 – 27. 424 Vgl. Charles V. Langlois: Formulaires de lettres du XII e, du XIII e et du XIV e siècle, in: Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque Nationale 34 (1891), S. 1 – 18, hier: S. 1 und William Stubbs: Seventeen Lectures on the Study of Medieval and Modern History and Kindred Subjects, Oxford 1886, S. 146 f. 425 Schmeidler: Briefsammlungen, S. 10 – 11, 113 – 114. 426 Karl Pivec: Die Briefsammlung des Gerbert von Aurillac, in: MIÖG 49 (1935), S. 15 – 74, hier: S. 68. 427 Die Kritik äußert Carl Erdmann: Studien zur Briefliteratur Deutschlands im 11. Jahrhundert, Leipzig 1938 (Reichsinstitut für Ältere Deutsche Geschichtskunde Berlin: Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde, 1), S. 9, Anm. 2. 428 Zu d ­ iesem Schluss kommt Giles Constable (Hg.): The Letters of Peter the Venerable. Bd. 2, 2 Bde., Cambridge 1967, S. 6. Dass es jedoch auch den gegenteiligen Fall gibt, indem die

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Tatsächlich variiert die Nutzbarkeit von Einzelschreiben oder ganzen Briefsammlungen von Kompilation zu Kompilation. So liefern manche ein lebendiges Bild der Ideen- und Geistesgeschichte ihrer Zeit, während andere wertvolle literarische Zeugnisse oder wichtige Quellen faktischer Informationen darstellen. Um diesen reichen Erkenntnisfundus zu erschließen, muss den Eigenheiten des mittelalterlichen Briefwesens Rechnung getragen werden. Die Frage, ob der Urheber eine Briefsammlung ursprünglich als selbstbewusste, autorbezogene Darstellung eines zu kommunizierenden Wunschbildes seiner selbst oder seiner individuellen Position – oder frei von derartigen Intentionen – anlegte, ist unumgänglich. In jedem Fall müssen die Umstände ihrer Entstehung, im Besonderen ihrer Produktion, Komposition, Übermittlung oder Präservation in der Analyse eine Rolle spielen. Dazu gehört das Verhältnis z­ wischen Urheber, Schreiber und Kompilator (Niederschrift durch Autorenhand oder Diktat an einen Schreiber; intentionsgeleitete Redaktion durch Dritte), die Funktion des Briefes (Informationsvehikel oder Authentifizierungsmittel des Boten gegenüber dem Empfänger) und die Überlieferungsgeschichte. Darüber hinaus können auch text- und autorenimmanente Faktoren den Quellenwert erhaltener Schreiben erheblich beeinflussen. Wo schlichen sich im Prozess von Nieder-, Abschrift oder Überarbeitung Fehler im Text ein? Liegen die Materialien in unredigiertem Urzustand vor oder waren sie einer Redaktion unterworfen? Welche Informationen wurden im Medium der Schrift perpetuiert, ­welche Details aus welcher Raison ausgelassen, verzerrt oder beschönigt? Diesen Fragen muss sich der Historiker auch beim Briefkorpus des Bischofs von Lisieux stellen. Auch wenn die vom Verfasser selbst geschaffene und redigierte Kompilation, die Überlieferung einzelner Briefe in unbearbeiteter Form und die sonst seltene Beifügung eines Vorworts mehrere glückliche Umstände darstellen, wirkt sich bereits die Frage, ob das Korpus als Musterbuch zusammengestellt wurde oder nicht, auf den Erkenntniswert der Schriftstücke aus, da das Material einer Auswahl und Kürzung unterzogen wurde.429 Wie Rolf Köhn am Beispiel der Korrespondenz des Petrus von Blois aus dem endenden 12. Jahrhundert aufzeigen konnte, ist eine originäre und nachträgliche Bearbeitung kein Einzelfall in der hochmittelalterlichen Epistolographie und konnte vielgestaltige Formen annehmen. Zu den Petrus von Blois zugewiesenen Eingriffen gehört die gezielte Neuzusammensetzung von ­Einzelstücken Briefsammlung in ihrer Ausformung und Entstehungsgeschichte zu einem gewissen Grad den Charakter einer Selbstdarstellung annehmen, zeigt Köhn: Autobiographie für ausgewählte Beispiele des hohen und späten Mittelalters. 429 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. lxii f. Zur Seltenheit der durch Autorenhand und mit einem Vorwort versehenen epistolaren Florilegien im Hochmittelalter siehe Köhn: Autobiographie, S. 688 f.

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für die unterschiedlichen Fassungen seiner Sammlung und die Überarbeitung beibehaltener Stücke, darunter auch Eingriffe in den Originaltext. Er weist Zensierungen und Schwerpunktverschiebungen nach, die zum Ziel hatten, Standpunkte zu einem Thema besonderer Aktualität im vorteilhaftesten Licht zu präsentieren oder nicht mehr zeitgemäße, inopportune Positionen zu revidieren. Kompromittierende Inhalte politischer Couleur wie beispielsweise der Schlusspassus eines Arnulfbriefes an den Abt von La Cour-Dieu, der eine Beteiligung oder zumindest Kenntnis des Bischofs von gewissen königsfeindlichen Vorgängen im Lager der Rebellen suggerierte, konnten getilgt oder erst gar nicht in die Sammlung aufgenommen werden.430 Tendenzen zu Verzerrung und Manipulation können folglich bei einem Mann in der politischen und innerkirchlichen Position Arnulfs von Lisieux nicht ausgeschlossen werden. In der Tat gibt es, wie noch näher zu zeigen sein wird, zumindest eine Passage des normannischen Bischofs, die als taktische Lüge entlarvt werden kann.431 Für Arnulf galt mehr der äußere Schein als präzise Akkuratesse. So habe der Bischof von Lisieux, der „oft Schwierigkeiten gehabt [habe], ­zwischen der Welt, wie sie war, und der Welt, wie sie sein sollte, zu unterscheiden“ 432, auch vor einer vorsätzlichen Täuschung der Zeitgenossen nicht zurückgeschreckt.433 Ein anderer Unsicherheitsfaktor, der die Forschung den Quellenwert der Arnulfbriefe mit Skepsis betrachten ließ, ist der Ruf ihres Verfassers. Zu dessen Lebzeiten, auf dem Höhepunkt des Becketdisputs der 1160er, wurde Arnulf von Lisieux aufgrund seiner Nähe zum englischen König von den Mitgliedern der Becketpartei der 430 Ebd., S. 683 – 698. Als Beispiel einer tagespolitischen Orientierung des Archidiakons von Bath bei der Überarbeitung seiner Sammlung identifiziert Köhn seinen Umgang mit der eigenen Rolle in der Predigt zum Dritten Kreuzzug, die je nach Konjunktur des kirchlichen Kreuzzugeifers betonte. Eine Kürzung stellt das Verschweigen seiner maßgeblichen Beteiligung an Eskalation der Konflikte der Erzbischöfe Richard und Balduin von Canterbury mit dem Kathedralklerus von Christ Church und den Mönchen der Abtei St. Augustine’s dar. Zu Arnulfs Brief an den Abt siehe Teske: Zeugnis, hier: S. 198 – 199. Zugrunde liegen Nr. 20, in: André Duchesne (Hg.): Historiae Francorum Scriptores. Bd. 4: A Carlo Martello Pipino R. patre usque ad Hugonis et Roberti regum tempora, 1641, S. 567 bzw. Nr. 67, in: RHGF 16. 431 Es handelt sich um seine Behauptung in AvL Ep. 28, die Schismafrage sei noch vor der Synode von London in der ecclesia Gallicana zugunsten Alexanders III. entschieden worden. Zur tatsächlichen Chronologie der Parteinahme des französischen Klerus siehe Cheney: Recognition. Dort auch zu Arnulfs Irreführung: ebd., S. 486 f., Anm. 1. 432 Vgl. Schriber: Dilemma, die unter anderem auf Arnulfs Gebrauch gegenstandsloser Gerüchte in seiner Kampfschrift gegen die Partei Anaklets II. anspielt. 433 Auf ein weiteres Beispiel einer Arnulfschen Lüge hat Anne Duggan aufmerksam gemacht: Anne J. Duggan: Becket’s Flight from Northampton. The Rôle of the Gilbertines (Vortrag vom 9. Juli 2015), Leeds 2015.

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Unzuverlässlichkeit und des Doppelspiels bezichtigt. Insbesondere die einflussreiche Stimme des Johannes von Salisbury, mit dem ihn persönliche Ressentiments verbanden, brachte den Normannen in Diskredit.434 Johannes’ Einfluss war dabei nicht auf seine Zeitgenossen beschränkt. Das Beispiel Marjorie Chibnalls vor Augen, konstatiert Schriber in der Einleitung in ihrem monographischen Versuch einer Rehabilitation des Bischofs von Lisieux: „Thus modern assessments of Arnulf echo – and sometimes directly quote – the enmity of Arnulf ’s most vicious critic [i. e. Johannes von Salisbury].“ 435 Letzten Endes haben auch die kasuistischen Manöver des Bischofs von Lisieux und sein flexibler Umgang mit der Wahrheit kaum dazu beigetragen, das Bild, das Zeitgenossen und moderne Historiker von ihm teilten, zurechtzurücken. Der radikale Kurswechsel vom schärfsten Denunzianten der Kaiserin Mathilde während des Thronstreits mit Stephan von Blois 1139 zum Dichter von Lobesversen auf die ­Mutter seines neuen Herren Heinrich Plantagenêt drei Jahrzehnte ­später, die Annäherung an Heinrichs Gegner während des Becketdisputs der 1160er oder während der Rebellion der englischen Prinzen ein Jahrzehnt s­ päter werden ihren Beitrag zu Arnulfs Ruf geleistet haben.436 Müssen derartige Überlegungen zweifelsohne bei der Arbeit mit dem außergewöhnlichen Werkkorpus des Arnulf von Lisieux beachtet werden, so diskreditieren sie diesen aber nicht völlig als Quelle der K ­ irchen- und Geistesgeschichte des 12. Jahrhunderts. Vielmehr verweisen bereits diese kleinen Unzulänglichkeiten auf die Singularität einer Sammlung, die in der Frage nach dem Schismabild dieser Episode des englischen Hochmittelalters niemals systematisch zu Rate gezogen wurde. 434 Johannes machte Arnulf von Lisieux für seine Ungnade bei Heinrich Plantagenêt verantwortlich: Joannis Saresberiensis: Ep. 18. Possem temeritatis et arrogantiae, in: Early Letters, ed. Millor u. a. Giles Constable: The Alleged Disgrace of John of Salisbury in 1159, in: EHR 69, 270 (1954), S. 67 – 76 hat die Gründe in Johannes’ selbstbewusster Verteidigung päpstlicher Suprematie gegenüber dem englischen Herrscher gesehen. Seither und verstärkt nach Ausbruch der Becketkrise ist jede Erwähnung des Bischofs von Lisieux in Johannes’ Werken negativ besetzt. Beispiele seiner unverblümten Kritik aus der Korrespondenz und der Historia pontificalis stellt Schriber: Dilemma, S. xviii zusammen. 435 Ebd. bezugnehmend auf Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. xxxvii, Anm. 2. 436 Arnulfs zwei Epitaphe für die 1167 verstorbene Mathilde gehören zu den ersten seiner datierbaren lyrischen Werke. Siehe Dietrich Lohrmann: Der Tod Heinrichs I. von England in der mittellateinischen Literatur Englands und der Normandie, in: MlatJb 8 (1973), S. 90 – 107, hier S. 100 und Gedichte, ed. Könsgen, S. 63 – 65. Siehe AvL Ep. 42 zu seinem Hilfsangebot an Becket. Anhand eines von ihm edierten anonymen Briefes, in dessen Urheber er Arnulf von Lisieux erkennt, thematisiert Teske: Zeugnis dessen Rolle in der Rebellion der englischen Prinzen.

2.  Johannes von Salisbury (1115/20 – 1180) 2.1  Johannes von Salisbury und die kirchlichen Krisen seiner Zeit Die Lebensgeschichte des Johannes von Salisbury teilt sich in zwei große Abschnitte. Der erste umfasst außer seiner Jugend in England und der Studienjahre in Frankreich auch seine Rückkehr auf die Insel und, bis zum Tod des Erzbischofs im Jahr 1161, den Dienst in der familia des Theobald von Canterbury. Diese Zeitspanne lässt sich in groben Zügen in der frühen Korrespondenz des Saresberiensis nachvollziehen.437 Bestimmend für Johannes’ zweiten Lebensabschnitt sind die Exilsjahre im französischen Reims, die kurze Rückkehr nach England und seine Erhebung auf den Bischof­stuhl von Chartres, den er bis zu seinem Tod 1180 innehatte. Da beide biographischen Etappen sich eindrucksvoll auf die geistige Entwicklung, die Überzeugungen und Kenntnisse des angelsächsischen Gelehrten auswirkten, lohnt eine Rekapitulation.

2.1.1  Herkunft, Ausbildung und akademische Stationen Johannes’ frühe Kindheit liegt weitestgehend im Dunkeln. Sein Geburtsort, die ursprüngliche militärische Hügelsiedlung Old Sarum im Norden des heutigen Salisbury, ist bekannt und doch kann sein Geburtsdatum – üblicherweise um das Jahr 1115 oder 1120 vermutet – ebenso wie sein familiärer Hintergrund nur aus den wenigen biographischen Fixdaten vage rekonstruiert werden. Kontinuierlichen Klagen über seine finanzielle Miseren während der Studienzeit und im Exil legen nahe, dass Johannes’ Familie nicht über herausragende Mittel zu seiner Unterstützung verfügte.438 Seine schulische Grundausbildung erhielt er vielleicht in seinem Heimatort, dessen Kathe­drale zur damaligen Zeit bereits seit einigen Jahrzehnten

437 Hauptquelle für Johannes’ Studium ist der wertvolle autobiographische Bericht in Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan i,24 und ii, 10. Die Canterbury-Jahre begleitet Early Letters, ed. Millor u. a. 438 Den besten Versuch einer Rekonstruktion des familiären Hintergrunds unternahm Frank Barlow: John of Salisbury and his Brothers, in: The Journal of Ecclesiastical History 46, 1 (1995), S. 95 – 109. Zur finanziellen Lage des Johannes von Salisbury siehe Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan ii, 10, S. 72. Zu seiner Armut im Exil nach 1164: JvS II, Ep.136.

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als Ausbildungsstätte diente.439 Da Johannes’ Netzwerk und Familie auffällig feste Bande mit dem Bildungsstandort Exeter aufweisen, ist es wahrscheinlich, dass er an der dortigen Kathedralschule seine höhere Schulausbildung, durchaus auch in den Grundzügen der Theologie und des Kirchenrechts, genoss. So finden sich unter Johannes’ Korrespondenzpartnern nicht nur spätere Kirchendignitäre aus Exeter wie der ihm eng vertraute Bischof Bartholomäus oder sein Archidiakon Balduin von Totnes, sondern auch seine Brüder Richard und Robert, die dort Kanoniker waren, bevor sie zu anderen Ehren in Merton oder Totnes aufstiegen.440 Als renommierter Bildungsschauplatz kann die Kathedralschule von Exeter einen wissbegierigen Jungen aus dem beschaulicheren Old Sarum angezogen haben, doch sollte die Ausbildung im südenglischen Cornwall den intellektuellen Hunger des Johannes von Salisbury nicht stillen.441 1136, so berichtet er in seinem Metalogicon, reiste er mit dem Ziel, ein Studium der freien Künste zu verfolgen, über den Ärmelkanal nach Paris, dem damaligen Zentrum mittelalterlicher Gelehrsamkeit.442 Da Johannes seine ersten akademischen Schritte an das linke Ufer der Seine, zum nahe der Stadt Paris gelegenen Genovevaberg und dessen Schule führten, ist möglich, dass die Strahlkraft einer Unterweisung durch Petrus Abaelardus Johannes an die Seine gelockt hatte. Der charismatische Philosoph, Theologe und Dialektiker, dessen Lehren die geistigen Eliten seiner Zeit spalteten, hatte die Schule auf dem Genovevaberg gegründet und stand damals auf dem Höhepunkt seiner Reputation. Seine Person, wenn auch weniger seine Lehren, muss einen bleibenden Eindruck auf den jungen Mann aus Old Sarum gemacht haben.443 In den nächsten Jahren traten andere L ­ ehrer 439 Vgl. Nicholas Orme: Education in the West of England 1066 – 1548. Cornwall Devon Dorset Gloucestershire Somerset Wiltshire, Exeter 1976, S. 65 f. 4 40 Zu den Korrespondenten unter den Kanonikern von Exeter siehe Christopher Nugent ­Lawrence Brooke: Introduction, in: William J. Millor/Christopher Nugent Lawrence Brooke (Hg.): The Letters of John of Salisbury. The Later Letters (1163 – 1180), Oxford 1979, S. xix – lxiii, hier: S. xxvf und Hohenleutner: Studien, S. 59 – 64. Die familiären Bande dorthin beleuchtet Barlow: Brothers. 4 41 Vgl. Orme: Education, S. 42 – 43, 45 – 53. 4 42 Vgl. Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan, ii, 10, S. 70. 4 43 Johannes teilte nicht die nominalistische Position seines Lehrers im Universalienstreit: ebd. ii, 17, S. 81. Allerdings fehlt bis heute eine Untersuchung eventueller philosophischer Bezüge seiner eigenen Vorstellungen zu Abaelards Gedankengut. Luscombes Studie über den Einfluss der Hauptlehren bei seinen Zeitgenossen ignoriert eventuelle Anlehnungen bei Johannes von Salisbury, der allein als Gewährsmann für die Biographie des Dialektikers herangezogen wird. Siehe David Edward Luscombe: The School of Peter Abelard. The Influence of Abelard’s Thought in the Early Scholastic Period, London 1969 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, New Series, 14). Trotz intellektueller Differenzen

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wie Abaelards großer Kritiker Alberich von Reims und Johannes’ Landsmann, der Logiker Robert von Melun, an Abaelards Stelle, denen allen Johannes vorwarf, zu viel auf ihre eigenen Lehren zu halten und die alten Autoritäten nicht genug zu würdigen.444 Bereits gegen Ende 1138 entschied er sich, sich zum Studium der Grammatik zu Wilhelm von Conches zu begeben, in dessen Lehre er drei Jahre verbrachte. Gleichzeitig wandte er sich der Rhetorik unter Thierry von Chartres und den Aufbaustudien des Quadrivium unter Richard Episcopus zu.445 Die Chronologie der Studien ist ausführlich erforscht.446 Es war lange umstritten, ob Johannes von Salisbury seine Grundstudien zeitweise andernorts verfolgt haben könnte. Ausgangspunkt der Diskussion war Johannes’ unspezifische Erklärung ­reuersus itaque in fine triennii 447, die zu den unterschiedlichsten Interpretationen führte, wohin und woher er zurückkehrte. Als Studienort viel diskutiert war Chartres, dem er vier Jahrzehnte s­ päter als Bischof vorstehen sollte. Es hatte sich zum Zentrum einer humanistischen Bewegung entwickelt, die in ihrer Vorliebe für den Platonismus und die Wertschätzung antiker Literatur im Allgemeinen Charakteristika der frühneuzeitlichen Renaissance vorwegnahm. Schon Schaarschmidt argumentierte, dass Johannes sein Studium in Chartres beendet habe und als Absolvent an die Pariser Schule auf dem Genovevaberg zurückgekehrt sei.448 Unterstützt durch die damalige Textgrundlage der Metalogicon-Edition durch Clement C. J. Webb hatte die These zeigte Johannes jedoch große Sympathien für Abaelard und seine Anhänger. Siehe auch seine frühen und späteren Schriften: John of Salisbury’s Entheticus maior and minor. Bd. 1: Introduction, Texts, Translations, ed. Jan van Laarhoven, Leiden 1987 (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters, 17) und Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 16. Seine Sympathieäußerungen sind zusammengestellt in Katharine S. B. Keats-Rohan: John of Salisbury and Education in Twelfth Century Paris from the Account of his Metalogicon, in: History of Universities 6 (1986), S. 1 – 45. 4 44 Vgl. Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan, ii, 10, S. 71. 4 45 Vgl. ebd., S. 71 – 72. 4 46 Vgl. Olga Weijers: The Chronology of John of Salisbury’s Studies in France, in: Wilks: World; Katharine S. B. Keats-Rohan: The Chronology of John of Salisbury’s Studies in France. A Reading of Metalogicon II.10, in: StM 28, 1 (1987), S. 193 – 203. 4 47 Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan, ii, 10, S. 72. 4 48 Vgl. Schaarschmidt: Johannes, S. 14 – 22 auf Basis von Metalogicon, ed. Hall/KeatsRohan i, 24 und Reginald Lane Poole: Illustrations of the History of Medieval Thought and Learning, London 21920, S. 95 – 112 (zur Schule von Chartres) und S. 176 – 190 (zu Johannes von Salisbury). Poole begründete die Chartresforschung und führte sie mit einer Untersuchung der Nachweisbarkeit der einzelnen vermeintlichen Lehrtätigen dort weiter: ders.: The Masters of the Schools at Paris and Chartres in John of Salisbury’s Time, in: ders. (Hg.): Studies in Chronology and History, Oxford 1969 (ND der Ausgabe 1934), S. 223 – 247.

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bis zur ­Widerlegung durch Southerns umsichtige Revision der Quellenbasis und die Neuedition des Metalogicon Bestand.449 Seither rückte man davon ab, in der Schule von Chartres eine institutionelle Einrichtung zu sehen, sondern verstand diese vielmehr als eine an bestimmte Personen wie Thierry von Chartres oder Wilhelm von Conches gebundene akademische Geistesströmung. Dies erklärt auch, weshalb ein Einfluss der ‚Chartrenser Tradition‘ der Antikenrezeption und des Platonismus auf die Werke des Johannes von Salisbury nicht von der Hand gewiesen werden kann, ohne dass sein Studienaufenthalt dort konsequent schlüssig belegt werden könnte.450 Auch der neueste Beitrag zur 4 49 Ioannis Saresberiensis Episcopi Carnotensis Metalogicon, ed. Clement Charles Julian Webb, Oxford 1929. Über deren Mängel: John Barrie Hall: Towards a Text of John of Salisbury’s Metalogicon, in: StM 24 (1983), S. 791 – 816 und Katharine S. B. Keats-Rohan: The Textual Tradition of John of Salisbury’s Metalogicon, in: Revue d’histoire des textes 16 (1986), S. 229 – 282. Heute als maßgebliche Edition ersetzt durch: Metalogicon, ed. Hall/KeatsRohan. Zu einem Überblick über die Forschungsdiskussion sei verwiesen auf KeatsRohan: Education, S. 8 f. Richard William Southern: Humanism and the School of Chartres, in: Southern: Humanism stellte die Bedeutung Chartres als Grammatikschule, in der allein Bernhard von Chartres eindeutig nachweisbar ist, als humanistisches Bildungszentrum kritisch in Frage und sprach Johannes’ Lehrern Thierry von Chartres und Gilbert Porreta die Lehrtätigkeit dort ab. Folglich zieht Southern den Schluss, dass Johannes niemals dort, sondern in einer weiteren Pariser Schule, vielleicht innerhalb der Stadt, studierte, wo er mit Wilhelm von Conches zusammentraf, und somit quasi auf den Genovevaberg zurückgekehrt sei. Weitere Verteidigung in ders.: Scholastic Humanism and the Unification of Europe. Bd. 2: Heroic Age – The Reshaping of Knowledge and Government, Oxford u. a. 2001, S. 58 – 101. 450 Vgl. Jean Chatillon: Les écoles de Chartres et de Saint-Victor, in: La scuola nell’Occidente latino dell’alto medioevo. 15 – 21 aprile 1971. Bd. 2, Spoleto 1972 (Settimane di studio del Centro italiano di studi sull’alto medioevo, 19), S. 795 – 839, hier: ab S. 798 sowie Peter Dronke: New Approaches to the School of Chartres, in: Anuario de estudios medievales 6 (1969), S. 117 – 140. Zusammenfassende Darstellung bei Max Kerner: Die Institutio Traiani – spätantike Lehrschrift oder hochmittelalterliche Fiktion?, in: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongress der Monumenta Germaniae Historica München, 16. – 19. September 1986, Hannover 1988 (Schriften der Monumenta Germaniae Historica, 33,1), S. 715 – 738, hier: S. 100, Anm. 17. Inhaltliche und methodische Schwerpunkte der Schule von Chartres umfassten nach Dronke: Approaches und Richard William Southern: Scholastic Humanism and the Unification of Europe. Bd. 1: Foundations, Oxford u. a. 1995 die intensive Lektüre antiker Klassiker, insbesondere der Logik des Aristoteles sowie der Kosmologie Platons, und die Beschäftigung mit der Schöpfungslehre, Trinitätsdiskussion und Ethik des Cicero. Bei Johannes von Salisbury im Speziellen zeigen sich, wahrscheinlich vermittelt durch ­Wilhelm von Conches, Anklänge der typischen vitalistischen Naturphilosophie des ­Bernhard von Chartres. Ebenso ist eine Wirkung der aus der Glossierung der spätantiken und

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Beziehung des Johannes von Salisbury zu den Schulen will sich hier nicht festlegen, gibt jedoch zu bedenken, dass der Grund über sein Stillschweigen bezüglich seines Studienortes in dieser Zeit in einer politischen Inopportunität nach dem Thronaufstieg Heinrichs II . zu suchen sein könnte.451 Möglich ist aber auch, dass Johannes’ Bemerkung sich eher auf einen Schulwechsel innerhalb der Pariser Umgebung, etwa ­zwischen dem Genovevaberg und einer anderen Schule, als auf einen direkten Ortswechsel bezog. Die krönende Phase seines Studiums begann für den umtriebigen Studenten jedoch im Jahre 1141 mit der Aufnahme seiner Lehrzeit bei Gilbert Porreta, einem Theologen, dessen Ansichten, Lehren und Biographie Johannes noch lange beschäftigen sollten und dem dieser den Titel des „gelehrtesten Mann[es]“ 452 seiner Zeit zuerkannte. Der Einfluss des hochrenommierten Franzosen, eines der bedeutendsten Vertreter des Chartrenser Humanismus, auf seinen angelsächsischen Schüler ist nicht zu leugnen. Mit hohem emotionalem Engagement verfolgte Johannes den späteren Häresieprozess gegen seinen Lehrmeister auf dem Konzil von Reims 1148 und widmete sogar ein Großteil seiner Historia pontificalis Gilberts Verfolgung durch Bernhard von Clairvaux, ohne eine eigene Stellungnahme zu scheuen.453 Bereits ein Jahr ­später tauschte ­ ittelalterlichen Timaioskommentare oder Boethius’ De consolatione phiolosophiae erwachm senen kosmologische Version des Organismusvergleichs, insbesondere jener des Wilhelm von Conches, der „auf der Grundlage der an der Schule von Chartres entwickelten naturphilosophischen Theorien Staat und Gesellschaft in Beziehung zu den sich im menschlichen Körper spiegelnden makrokosmischen Strukturen setzte“ (Tilman Struve: Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung im Mittelalter, Stuttgart 1978 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 16), S. 346), zu entdecken. Als weiterführende Literatur zu den chartresspezifischen Affinitäten in Johannes’ Werkkorpus: Kerner: Struktur. Zur Beeinflussung durch die Hauptvertreter der Schule Bernhard und Thierry von Chartres sowie Wilhelm von Conches: S. 14 – 23. Zum Chartrenser Platonismus: S. 43 – 48. Einwirkungen der Schule von Chartres und ihrer Verbindung von Grammatik und Ethik, der platonischen Naturphilosophie und der lebendigen Rezeptionspraxis aristotelischer Ethik auf das Denken des Johannes von Salisbury: S. 53 f. Des Weiteren: Max Kerner: Natur und Gesellschaft bei Johannes von Salisbury, in: Albert Zimmermann (Hg.): Soziale Ordnungen im Selbstverständnis des Mittel­alters. 1. Halbband, Berlin/New York 1979 (Miscellanea mediaevalia, 12, 1 – 2), S. 179 – 202; Liebeschütz: Chartres; Hans Liebeschütz: Das zwölfte Jahrhundert und die Antike, in: AKG 35 (1953), S. 247 – 271; Struve: Entwicklung; Struve: Vita. 451 Vgl. Cédric Giraud/Constant J. Mews: John of Salisbury and the Schools of the 12th Century, in: Grellard/Lachaud: Companion. 452 Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 15. 453 Neben der Verteidigung des Gilbert Porreta (ebd., S. 17 f., 28 f.) aus eigener Erfahrung und Überzeugung ist dies auch der Angriff gegenüber Bernhard von Clairvaux und seinen Bewunderern (ebd., S. 16).

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Gilbert das Lehrpult gegen den Bischofssitz. Niemand in der Reihe der Lehrer, die Johannes weiter durchlief, rief ähnliche Faszination hervor.454

2.1.2  Weichenstellung: Johannes’ Dienst in Canterbury und das Zerwürfnis mit König Heinrich II. Irgendwann um diese Zeit, eventuell bereits 1138, hatte Johannes aus Geldnot begonnen, die Sprösslinge wohlhabender Familien zu unterweisen.455 Darunter mag auch Petrus von Celle gewesen sein, ein etwa gleichaltriger Benediktinermönch mit monastischen Wurzeln im Pariser Benediktinerkloster Saint-Martin-des-Champs.456 Johannes’ aufrichtiger Dankbarkeit nach zu urteilen, war es Petrus, der inzwischen zum Abt aufgestiegen war, der ihm ein Auskommen als Kleriker in seiner Abtei Montier-la-Celle bei Troyes anbot, als dieser dem Pariser Lehrbetrieb im Jahr 1147 den Rücken kehrte.457 Auch wenn Johannes die folgenden Jahre in kirchlichem Dienst im Prolog seines Policraticus als eine mit höfischen Nichtigkeiten vergeudete Zeit sah, begann mit ihr tatsächlich die produktivste und fruchtbarste Episode seiner gesamten literarischen 454 Darunter der spätere englische Kardinal Robert Pullen, Simon von Poissy und den Rhetoriker Petrus Helias. Siehe Beryl Smalley: The Becket Conflict and the Schools. A Study of Intellectuals in Politics, Oxford 1973, S. 88 f. bzw. Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan, ii, 10, S. 72. 455 Vgl. Ebd. 456 Zeugnis der innigen Freundschaftsbeziehung der beiden Männer geben die Briefe in Later Letters, ed. Millor/Brooke. Siehe auch Ronald E. Pepin: Amicitia jocosa: Peter of Celle and John of Salisbury, in: Florilegium 5 (1983), S. 140 – 156; John McLoughlin: Amicitia in Practice: John of Salisbury (c. 1120 – 1180) and his Circle, in: Daniel Williams (Hg.): England in the Twelfth Century. Proceedings of the 1988 Harlaxton Symposium, Woodbridge/Suffolk u. a. 1990, S. 165 – 180. Eine Lehrer-Schüler-Beziehung legt überzeugend die unveröffentlichte Masterarbeit von Lynn K. Barber: Ecclesiology and the Twelfth-Century Church in the Letters of Peter of Celle, University of North Carolina, Chapel Hill 1978, S. 7 – 11 nahe. 457 Einen Überblick über die Forschungsdiskussion zum Ablauf des Umbruchs in Johannes’ Karriere von der akademischen Welt zu kirchlichen Verwaltungsämtern siehe Avrom Saltman: Theobald Archbishop of Canterbury, London 1956 (University of London Historical Studies, 2), S. 169 – 175. Hinweise auf eine Anstellung in Celles sind u. a. Johannes’ Bemerkung zu früheren Hilfeleistungen in Ep. 33. Non est nouum, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 55 oder seine Bezeichnung als clericus noster, quondam clericus noster oder noster alumnus in Petrus’ Briefen. Siehe The Letters of Peter of Celle, ed. Julian P. Haseldine, Oxford 2001 (OMT), Epp. 65, 70 oder 170. Gründe, die Johannes bewogen haben mögen, den Pariser Lehrbetrieb zu verlassen, fasst Nederman: John, S. 11 f. zusammen.

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und persönlichen Karriere.458 Sein breitgefächertes Studium bei einigen der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit hatte nicht nur den Grundstein für den Aufstieg zur zentralen Figur englischer Gelehrsamkeit gelegt, sondern ihn auch als Absolventen einer Hochschule mit Qualitäten und Referenzen ausgestattet, die ihn für geistliche und weltliche Arbeitgeber attraktiv machten. Als eine Art letzte Reminiszenz an das vergangene Gelehrtenleben mag ihm sein Besuch des Konzils von Reims im Jahre 1148 vorgekommen sein, das er wahrscheinlich in Vertretung seines Freundes Petrus besuchte.459 Auf einem Konzil d­ ieses Ranges konzentrierte sich die crème de la crème kirchlicher Würdenträger. Ein Sammelbecken potenzieller Arbeitgeber und eine perfekte Netzwerkgelegenheit für jeden jungen Akademiker, der sich Einzug in die Welt der kirchlichen Selbstverwaltung erhoffte. Johannes von Salisbury verließ gerüstet und erfolgreich das Konzil mit einem Empfehlungsschreiben aus der Feder des Bernhard von Clairvaux an den Erzbischof Theobald von Canterbury. Dass niemand anderer als der berühmte Zisterzienserabt als Türöffner fungierte, deutet darauf hin, dass Petrus von Celle – damals bereits eine Persönlichkeit von gewissem Einfluss in der Kirchenpolitik der Zeit – den Kontakt für seinen mittellosen Freund herstellte.460 458 Vgl. Ioannis Saresberiensis Policraticus I – I V. I – I V, ed. Katharine Keats-Rohan, Turnhout 1993 (CC Cont. Med., 118) (=Ioannis Saresberiensis episcopi Carnotensis Policratici, ed. ­Clement Charles Julian Webb, 2 Bde, New York 1979 (ND der Ausgabe 1909) (European Political Thought, 1)). 459 Historia pontificalis, ed. Chibnall. Siehe auch Clare Monagle: Bookish Heresy. The Trial of Gilbert of Poitiers and its Narrations, Melbourne 1999, S. 78 – 85. 4 60 Vgl. Brief 361 in BvClairvaux Werke III, ed. Winkler, S. 640 – 643. Sowohl Petrus als auch Johannes spielen unabhängig voneinander auf Petrus’ Hilfe an: Magnum quidem erat sic exuli prouidere, ut apud exteras nationes ciuium commoditatibus fruerer, sed multo maius est quod michi diligentia uestra prospexit, ne a natalis soli dulcedine, quo totius humani generis uniuersitas capitur, perpetuo exularem. Vestrum namque munus est quod reuersus sum in terram natiuitatis meae; uestrum munus est quod principum uirorum assecutus sum notitiam, familiaritatem gratiamque multorum […] ( JvS I, Ep.33, S. 55). Petrus von Celle selbst erinnerte Erzbischof Richard von Canterbury ­später, dass sein Vorgänger Theobald Johannes „mittellos und arm“ (siehe PvCelle Letters, ed. Haseldine, S. 420 f.) empfangen habe. Bernhards Empfehlungsschreiben hingegen zeugt in keiner Weise von einer tieferen persönlichen Bekanntheit mit dem Empfohlenen. Er beschreibt Johannes auf Basis der Verbürgungen seiner eigenen Vertrauten als Freund seiner Freunde: Unde factum est, ut preaesentium latorem Joannem, amicum meum et amicum meorum, mittam ad sublimitatem vestram, ad familiaritatem vestram quam in vobis et de vobis habere praesumo. Testimonium enim bonum habet et bonis, quod non minus vita quam literatura promeruit. Nec hoc didici ab illis, qui verba sicut verba jactare noverunt sed a filiis meis qui mecum sunt quorum verbis credo sicut crederem occulis meis (BvClairvaux Werke III, ed. Winkler, S. 640 f.).

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Johannes von Salisbury enttäuschte die hohen an ihn gestellten Erwartungen nicht. Als er nach über zwölf Jahren Abwesenheit nach England zurückkehrte, stellte er sich mit aller Expertise und Energie in den Dienst des englischen Primas. Der Primatialsitz von Canterbury hatte in den vorhergehenden Jahren wiederholt Rückschläge und Beschneidungen seiner autoritativen Kompetenzen hinnehmen müssen. Seit Theobalds Weihe zum Erzbischof 1139 hatte die Tatsache, dass ­Heinrich von Blois, Bischof von Winchester und Bruder König Stephans, das päpstliche Legatenamt für England innegehabt hatte, die Regierungs- und Verwaltungsaufgaben der Erzdiözese Canterbury und des englischen Primas erheblich erschwert. Erst mit dem Tod Innozenz’ II . 1143 war es Theobald gelungen, das Amt des päpstlichen Legaten für England wieder für Canterbury zurückzugewinnen. Von da an schaltete er sich mit neuerwachsenem Engagement in den Bürgerkrieg ­zwischen Stephan von Blois und der Gräfin Mathilde von Anjou ein, bemühte sich um eine Vereinigung des in der Thronfolge gespaltenen Episkopats und widersetzte sich zu Gunsten der Freiheiten der gesamten englischen ­Kirche den wiederholten Versuchen, die Metropolitanverfassung des Königreichs zu zergliedern. Dazu, dass er sich und seiner Diözese letztlich aus widrigen Umständen kraftvoll den Anschluss an die Tradition Canterburys als politisches und intellektuelles Zentrum erkämpfte, trug sicher auch seine aktive Rolle in der Erhebung von Mathildes Sohn, des jungen normannischen Herzogs Heinrich von Anjou, auf den englischen Thron im Jahr 1154 bei.461 Eine Position am dortigen Hof war keine Selbstverständlichkeit. Der erzbischöflichen familia eilte der Ruf als vorrangiges Zentrum englischer Gelehrsamkeit und Talentschmiede für die vielversprechendsten Kleriker des Inselreiches voraus.462 ­Theobald schien ein Gespür für außergewöhnlich fähige Männer gehabt zu haben, denn nicht wenige seiner Protegés, die ihr Können in der erzbischöflichen Kanzlei und Jurisdiktion, in der Verwaltung der erzbischöflichen Güter oder als diploma­tische Gesandte einsetzten und dem Erzbischof in alltäglichen politischen und theologischen Fragen beratend zur Seite standen, sollten ins Bischofsamt aufsteigen.463 Die 4 61 Standardwerk zu Theobalds Leben und Leistungen ist immer noch Saltman: Theobald. 4 62 Vgl. Guth: Studien, S. 111 – 166. 4 63 Neben Johannes selbst nicht zuletzt Thomas Becket, Gilbert Foliot, Bischof von Hereford respektive London, Bartholomäus von Exeter, Roger de Pont L’Évêque, seit 1154 Erzbischof von York, sowie Johannes Belmeis der spätere Bischof von Poitiers und Erzbischof von Lyon. Hierzu: Knowles: Colleagues, S. 12 – 14, 16 f., 27 f., 37 – 53. Zu Zusammensetzung, Renommee, Einfluss und Beziehungen des Haushaltes in Canterbury Ruth Brantl, The Household of Archbishop Theobald of Canterbury: A Study in the Twelfth Century English Episcopal Household, New York 1972.

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Becketviten malen das Bild einer illustren Riege von Diplomaten, ­Verwaltungsbeamten, Juristen, Gelehrten und Kirchenpolitikern. Dass seine eigene Ausbildung nicht allein auf theologische und philosophische Sachverhalte beschränkt bleiben sollte, verdankte Johannes dem Umstand, dass ­Theobald einige brillante Köpfe der internationalen Szene an seinen Hof berufen hatte. Über die Kirchenrechtssammlung Concordia discordantium canonum des Bologneser Mönches Gratian war das wiederentdeckte römische Recht wirkungsvoll in die englische Rechtspraxis eingegangen. Theobald von Canterbury wird heute noch der Verdienst zugeschrieben, die Disziplin der kirchlichen Rechtswissenschaft aktiv in England eingeführt und den römischen Primat in England besonders planvoll gefördert zu haben.464 In seinem Haushalt fanden sich Rechtslehrer wie der italienische Magister Vacarius, durch den auch Johannes von Salisbury einen Großteil seines juristischen Wissens erlangt haben könnte.465 Seine frühen Briefe geben vage Einblicke in das Handwerkszeug des kanonischen und römischen Rechts, einer für die Berufspraxis des erzbischöflichen Sekretärs unerlässlichen Qualifikation, und auch Policraticus und Metalogicon sind von Extrakten des Corpus Iuris Civilis und kanonischer Rechtstexte durchwirkt.466 4 64 Vgl. Saltman: Theobald, ab S. 132. 4 65 Vgl. Guth: Studien, S. 114 – 117 und Hohenleutner: Studien, S. 101 f. Magister ­Vacarius ist der einzige Glossator, den Johannes von Salisbury namentlich erwähnt: siehe Ioannis Saresberiensis episcopi Carnotensis Policratici, ed. Clement Charles Julian Webb, 2 Bde., New York 1979 (ND der Ausgabe 1909) (European Political Thought, 2). Die in der Forschung aufgekommenen Thesen zur Provenienz der Rechtskenntnisse des Saresberiensis diskutiert Max Kerner: Römisches und kirchliches Recht im Policraticus des Johannes von Salisbury, in: Wilks: World, S. 376 – 379. Jüngste Behandlung: Yves Sassier: John of Salisbury and Law, in: Grellard/Lachaud: Companion. Zu Erwerbsmöglichkeiten der Rechtskenntnisse durch Johannes von Salisbury: Early Letters, ed. Millor u. a., S. xix–xxii. Zu deren Charakterisierung Ausprägung: Miczka: Bild, S. 53 – 55. 4 66 Appellationen sowie Verwaltungs- und Disziplinarakte waren als Mittel zur Durchsetzung starker papaler Autorität in England von großer Bedeutung. Ein Großteil der ­zwischen 1148 und 1161 entstandenen Korrespondenz besteht aus solchen offiziellen Appellationen, Schreiben über andere kuriale Angelegenheiten und kirchenrechtlichen Streitfragen. Sie sind wertvolle Zeugnisse zur Anwendung des Decretum Gratiani im hochmittelalterlichen England und der straff organisierten Verwaltungspraxis unter Theobald von Canterbury. In den späteren Exilbriefen lässt sich, weniger durch Zitate als durch Wahl und Umgang mit rechtskundigen Adressaten, Johannes’ Beziehung zur Welt der Rechtswissenschaft erkennen. Beispiele sind Magister Lombardus von Piacenza, ehemaliger Tutor Beckets im kanonischen Recht und späterer Erzbischof von Benevent, Gerard Pucelle, Johannes Belmeis, Bartholomäus von Exeter oder Roger von Gloucester, der Bischof von Worcester. Näheres bei Max Kerner: Johannes von Salisbury und das gelehrte Recht, in: Peter Landau/Jörg Müller (Hg.): Proceedings of

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Das fruchtbare intellektuelle Umfeld an Theobalds Hof war für Johannes der perfekte Ort, theoretisch erworbenes Wissen praktisch umzusetzen. Innerhalb der Gelehrtengemeinschaft machte er sich jene mittelalterlich geprägte humanistische Gesinnung zu eigen, die ihn fortan auszeichnete.467 Durch seine wissenschaftliche Bildung, Intelligenz und Exzellenz auf verschiedensten Gebieten der Kirchenpolitik und -administration erwarb sich der Angelsachse schnell eine herausragende Stellung als Berater und Sekretär. Historische Belege seiner Tätigkeiten zeigen, dass Johannes’ ungewöhnliche Auffassungsgabe für juristische, politische und verwaltungstechnische Probleme und seine Fähigkeit, individuelle Positionen mit bewundernswerter Präzision zu kommunizieren, ihn zum Hauptbeauftragten in delikaten Angelegenheiten der Kirchenprovinz und ihrer Beziehungen zum Apostolischen Stuhl machten. So ging er 1149 auf eine Mission, die wahrscheinlich gegenüber Papst Eugen III. ­Theobalds Ansprüche auf die päpstliche Legatenwürde für England vertreten sollte. Ein Jahr ­später wurde diese dem Erzbischof übertragen – ein gewaltiger Autoritätsgewinn für Canterbury.468 Es folgen diverse Aufenthalte an den jeweiligen Residenzorten der Kurie in Italien. Während dieser erlebte Johannes hautnah Ereignisse wie die in seiner Historia pontificalis beschriebenen Metropolitanbemühungen Heinrichs von Blois (zwischen November 1149 und Februar 1150), die Verkündung der Wahl ­Kaiser Friedrichs I. Barbarossa durch eine imperiale Gesandtschaft in Segni im Frühjahr 1152 und die Beneventer Verhandlungen um die Eroberung Irlands durch Heinrich II . (zwischen November 1155 und Juli 1156).469 Die auf diesen Reisen geknüpften persönlichen Freundschaften sollten Johannes die intimen Kenntnisse der Kurialverwaltung und das breite Netz sozialer Bindungen bescheren, die ihn Zeit seines Lebens durch persönliche und politische Krisen tragen sollten. Eine dieser kurialen Bekanntschaften muss Kardinalkanzler Rolandus, der spätere Papst Alexander III., gewesen sein.470 Auch wenn Johannes nicht so eng the Ninth International Congress of Medieval Canon Law Munich, Città del Vaticano 1997 (Monumenta iuris canonici. Series C. Subsidia, 10), S. 503 – 521, hier: S. 516 – 519. 4 67 Vgl. Klaus Guth: Hochmittelalterlicher Humanismus als Lebensform: Ein Beitrag zum Standesethos des westeuropäischen Weltklerus nach Johannes von Salisbury, in: Wilks: World. 4 68 Vgl. Saltman: Theobald, S. 30 – 32. 4 69 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 78 – 80; 91 – 94. Eine resümierende Aufstellung der einzelnen Aufenthalte und Richtigstellung der rekonstruierten Chronologie in Reginald Lane Poole: John of Salisbury at the Papal Court, in: EHR 38 (1923), S. 1 – 30, hier: S. 21 und ders.: Studies in Chronology and History, Oxford 1969 (ND der Ausgabe 1934) gibt Early Letters, ed. Millor u. a., S. 253 – 256. 470 Vgl. zur Erlangung rechtswissenschaftlicher Erfahrungen an der Kurie Hohenleutner: Studien, S. 100 f. und Ders.: Literatur, S. 500 sowie Early Letters, ed. Millor u. a., S. xix – xxiii.

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mit dem Sieneser verbunden war wie mit dessen Vorgänger Hadrian IV ., so doch freundschaftlich genug, um in Exilzeiten mit erstaunlich freimütiger Kritik an A ­ lexander heranzutreten.471 Johannes’ zweites großes Wirkungsfeld, die erzbischöfliche Kanzlei, in der ihm ab 1156 die Abfassung der erzbischöflichen Korrespondenz in Kirchenangelegenheiten oblag, verlangte fortan seine dauerhafte Anwesenheit in Canterbury. Möglicherweise waren ihm die Verwaltungsaufgaben des Archidiakons Thomas Becket übertragen worden, der auf Theobalds Betreiben zum Kanzler der Krone aufgestiegen war und die erzbischöfliche curia kurz zuvor verlassen hatte, ohne sein Amt offiziell niederzulegen.472 Neben seinen dienstlichen Verpflichtungen scheint Johannes von Salisbury ­zwischen Ende 1154 und Mitte 1156 die Zeit gefunden zu haben, den Entheticus de Dogmate Philosophorum (Entheticus maior), ein philosophisch-satirisches Versgedicht, das er bereits in Studienjahren, eventuell zur Übung im Studium der Grammatik, begonnen hatte, fortzusetzen – bis ein erschütterndes Ereignis im Herbst des Jahres 1156 Johannes’ literarisches Wirken scheinbar abrupt beendete: der Gunstverlust bei Heinrich II.473 In seiner Position als erzbischöflicher Vertreter an der Kurie war Johannes immer wieder auch gegenüber der königlichen Staatsgewalt für die Interessen des englischen Klerus, des Primatialsitzes und damit auch für die Freiheit der K ­ irche von weltlicher Einflussnahme eingetreten. Ein Einsatz, der über kurz oder lang zum Bruch mit dem englischen König führen musste. Ausgangspunkt war Johannes’ Kurialmission in Benevent anno 1155, während der Arnulf von Lisieux und die übrigen Gesandten um die Sicherung vorteilhafter Konditionen bei der potenziellen Einnahme Irlands durch den englischen König und damit letztlich um die päpstlich sanktionierte I­ nkorporation 471 Johannes’ Verhältnis zu Hadrian IV. durchleuchtet Christopher Nugent Lawrence Brooke: Adrian IV and John of Salisbury, in: Brenda Bolton (Hg.): Adrian IV, the English Pope (1154 – 1159). Studies and Texts, Aldershot 2003, S. 3 – 13. 472 Vgl. Nederman: John, S. 15. 473 Zur universitären Übungspraxis siehe Stephen C. Ferruolo: The Origins of the University. The Schools of Paris and Their Critics 1100 – 1215, Stanford, CA 1985, S. 93 – 130. Zur These einer stückweisen Abfassung des Entheticus maior siehe Entheticus I, ed. van Laarhoven, S. 51 und Rodney Malcolm Thomson: What is the Entheticus?, in: Wilks: World, S. 294 f. Auf eine Fortsetzung der Arbeiten deuten Formulierungen wie die Titulierung des noch jungen Plantagenêthofs als nova curia rege sub puero (Entheticus I, ed. van Laarhoven, S. 201, vv. 1463 – 1464) und inhaltliche Schwerpunkte (z. B. Quellen philosophischer Weisheit und Tugend, Verhältnis von menschlichem Verstand und göttlicher Wahrheit, die kritische Betrachtung der Idealordnung von Schule und Hof oder des gescheiterten Königs Stephan) hin. Zur Herleitung der Datierung der Vollendung des Enthethicus ­zwischen den späten Monaten des Jahres 1154 und Mitte 1156 siehe zusammenfassend Nederman: John, S. 17 – 19.

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der Insel als vererbbares Eigengut der englischen Krone stritten.474 Vom Ausgang der Audienz berichtet Johannes: Ad preces meas illustri regi Anglorum, Henrico secundo, (Adrianus) concessit et dedit Hiberniam iure hereditario possidendam, sicut littere ipsius testantur in hodiernum diem. Nam omnes insule de iure antiquo ex donatione Constantini, qui eam fundauit et dotauit, dicuntur ad Romanam Ecclesiam pertinere. Anulum quoque per me transmisit aureum, smaragdo optimo decoratum, quo fieret inuestiture iuris in gerenda Hibernia.475

Dies scheint der Stein des Anstoßes gewesen zu sein. Johannes selbst schrieb sich einen zentralen Einfluss auf Hadrians letztliches, auf der Konstantinischen Schenkung fußenden Plazets zum Irlandfeldzug zu, verfocht doch auch er den päpstlichen Standpunkt, dass dem Apostolischen Stuhl in der Konstantinischen Schenkung die Herrschaft über alle Inseln des orbis, und somit auch über Irland, zugesprochen worden waren. Folglich konnte die grüne Insel allein in Form eines päpstlichen Lehens an die englische Krone fallen. Damit aber nicht genug. Pikanterweise war nicht allein Irland, sondern auch Heinrichs Königreich ein Inselreich – und zwar eines, dessen Eroberung durch Heinrichs Urgroßvater, Wilhelm den Eroberer, durch Alexander II. päpstlich autorisiert worden war. Der junge König hatte auf den päpstlichen Segen für sein m ­ ilitärisches 474 Vgl. Constable: Disgrace. Belegt durch einen Hinweis in Buch VI, Kapitel 24 des Policraticus: Memini me causa uisitandi dominum Adrianum pontificem quartum, qui me in ulteriorem familiaritatem admiserat, profectum in Apuliam, mansique cum eo Beneuenti ferme tres menses. Ein mehrmonatiger Aufenthalt Hadrians in Benevent ist nach Phillipe Jaffé (Hg.): Regesta pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum natum 1198. Bd. 2: ab a. MCXLIII ad a. MCXCVIII, ed. Samuel Löwenfeld, Ferdinand Kaltenbrunner und Paul Ewald, Leipzig 1888, S. 113 – 120 nur für den Zeitraum z­ wischen November 1155 und Juli 1156 nachzuweisen. Zu inhaltlichen Fragen siehe Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan, iv, 42, S. 183. Wahrscheinlich erhoffte sich Erzbischof Theobald dadurch eine Wiedererstarkung der jurisdiktionellen Hegemonie gegenüber den alten nordischen Bezirken Irlands. Aus d­ iesem Grund wurde er als treibende Kraft hinter der Anfrage einer päpstlichen Genehmigung vermutet. Darauf deutet auch der Charakter der päpstlichen Bulle Laudabiliter hin, die den vagen Plan einer späteren Invasion zu ermutigen schien. Dazu Saltman: Theobald, S. 95 und Warren: Henry, S. 194 – 196. Zur Diskussion um die quellenkritischen Einwände gegen die Echtheit der Bulle siehe Kate Norgate: The Bull Laudabiliter, in: EHR 7 (1893), S. 18 – 52; Maurice P. Sheehy: The Bull Laudabiliter: A Problem in Medieval Diplomatique and History, in: Journal of the Galway Archaeological and Historical Society 29 (1961), S. 45 – 70. Zur Zusammensetzung der Krondelegation siehe Eyton: Court, S. 12 f. und Raymonde Foreville: L’église et la royauté en Angleterre sous Henri II Plantagenet (1154 – 1189), Paris 1943, S. 82 f. 475 Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan, iv, 42, S. 183.

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Unternehmen gehofft, nicht auf die Gefährdung seiner eigenen Autorität durch Geltendmachung der postgregorianischen Position päpstlicher Vorherrschaft.476 Obwohl Johannes von Salisbury selbstbewusst die Politik seines Herrn vertrat, in der die Stärkung von Papsttum und kirchlicher Freiheit eine große Rolle spielte, war er kein radikaler Verfechter päpstlicher Suprematiepolitik. Seine grundsätzlich königsfreundliche Gesinnung gab er erst auf, sobald sie zu Lasten der libertas ecclesiae ging.477 Dennoch traf ihn die königliche Empörung mit voller Wucht. Johannes’ Vertrautheit mit dem Papst hatte das Ergebnis der Verhandlungen wohl als Manipulation königlicher Politik und egoistische Interessensverfolgung der ­Kirchen von Rom und Canterbury erscheinen lassen. Johannes selbst betrachtete seine Rolle in der Gewinnung der päpstlichen Billigung des Feldzugs offenbar als Dienst an der königlichen Autorität.478 Eine kirchenpolitische Deutung der Vorgänge findet sich erst im April 1157, als Johannes Petrus von Celle gegenüber äußert, sein ‚Bekenntnis zur Freiheit und seine Verteidigung der Wahrheit‘479 ­seien seine wahren Verbrechen gewesen. Als Urheber der königlichen Verstimmung, als malleus iniquitatis 480, identifizierte Johannes unverwandt einen der engsten Vertrauten des Königs: Bischof Arnulf von Lisieux habe ihn beschuldigt und in Verruf gebracht.481 Er allein im ganzen Königreich, so klagt Johannes, werde verantwortlich gemacht, den Namen Roms hochzuhalten, um vorsätzlich die Autorität des Königs zu untergraben.482 Längst war es nicht mehr die Irlandfrage, die die Gemüter erzürnte: 476 Details bei Constable: Disgrace, S. 75 und Richard William Southern: Medieval Humanism and Other Studies, Oxford 1970. 477 Vgl. Kerner: Struktur, S. 67, 70. 478 Gegenüber seinem Freund Petrus von Celle klagte Johannes im Herbst des Jahres: Postquam ab ecclesia Rom(ana) reuersus sum, tot acerbitatis suae molestias in me fortuna congressit, ut fere nichil aduersitatis existimem me antea pertulisse. […] Serenissimi domini, potentissimi regis, […] tota in me incanduit indignatio. Si causam quaeritis, ei forte plus iusto faui, promotio suae ultra quam oportuerit institi, ad hoc toto desiderio cordis suspirans ut quem fortunae inuidia credebam exulantem, miseratione diuina in populis et nationibus. ( Joannis Saresberiensis: Ep. 19. Occasionem scribendi, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 31). 479 Vgl. ders.: Ep. 31. Litteras beatitudinis uestrae, in: ebd., S. 49 – 51, hier: S. 50: Serenissimi domini nostri regis Anglorum, ab anno praeterito, gratis sed grauis in me studio aemulorum excitata est indignatio. Si causam quaeritis, professio libertatis, ueritatis defensio crimina mea sunt. 480 ders.: Ep. 30. In omnibus quae recte, in: ebd., S. 48. 481 In zwei Briefen an Hadrian IV . erhebt Johannes bittere Vorwürfe gegen den Bischof von Lisieux: ebd., S. 48 und JvS I, Ep. 18, S. 30. Episcopo Lexouiensi, gratiam rependitis pro eo quod in me seruum uestrum serenissimi domini regis tantam conflauit indignationem, ut morari in Anglia michi tutum non sit, et exire aut impossibile sit aut difficilimum. 482 Vgl. JvS I, Ep. 19, S. 32.

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Quod in electionibus celebrandis, in causis ecclesiasticis examinandis uel umbram libertatis audet sibi Anglorum ecclesia uendicare, michi inputatur, ac si dominum Cantuariensem et alios episcopos quid facere oporteat solus instruam.483

Seine gesamte prokirchliche Haltung schien nunmehr in der hart diskutierten Frage nach der Zulässigkeit königlichen Einflusses auf die englische ­Kirche Unmut zu erregen. Johannes, zur persona non grata geworden, fürchtete seine Verbannung, lehnte den Gang ins Exil allerdings im April 1157 auf Rat Hadrians IV. und anderer ihm ­Wohlgesinnter ab. Sich einer Konfrontation zu entziehen, hätte als Schuldeingeständnis gedeutet werden und den Vorwurf des Hochverrats bestärken können.484 Ein Brief des Johannes von Salisbury an Theobald aus dem folgenden Sommer kündet zwar von einer gewissen Entspannung der Lage, doch schien der Schatten des Makels weiter auf dem gelehrten Angelsachsen zu liegen.485 Auch in beruflicher Hinsicht band seine persönliche Situation dem erzbischöflichen Sekretär zunächst die Hände. Die Erfüllung seiner Pflichten war undenkbar, hätte sie doch unweigerlich den Kontakt mit den offiziellen Vertretern des Königshofs mit sich gebracht. In dieser monatelangen Zwangspause wandte sich Johannes seiner eigenen Art der Krisenverarbeitung zu. Die Gefährdung seiner Person, seiner Karriere und seines Rufes durch die karrieristisch-hedonistischen Mechanismen der höfischen Zirkel motivierte ihn zur Abfassung eines Traktats, der gleichzeitig Trostschrift, Dankbarkeitsbekundung und Vertiefung jener ethisch-philosophischen Th ­ emen sein sollte, die schon der Entheticus maior angestoßen hatte. Parallel dazu, aber kompositorisch unabhängig, entstand das Metalogicon, in dem der gelehrte Angelsachse seinen eigenen Entwurf eines angemessenen Curriculums an den Kathedralschulen lieferte.486 Trotz der Tatsache, dass Theobalds schwere Krankheit Johannes schließlich trotz allem zu seinem wichtigsten Assistenten in den Angelegenheiten der Kirchenprovinz Canterbury machte, konnte Johannes im Spätsommer oder Frühherbst des Jahres 1159 eine 483 Ebd. 484 Vgl. JvS I, Ep. 31, S. 50. 485 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 32. In aduentu nuntii uestri, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 52 – 54. 486 Edition und Übersetzung: Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan. Johannes von Salisbury tritt für eine interdisziplinär befruchtete, fach- und vernunftgemäße Lehrmethodik als Gegenmaßnahme sinnentleerter wissenschaftlicher Geschäftigkeit ein. Siehe ebd., II, 10. Zu seinen Argumentationen und Positionen (etwa in Bezug auf den Universalienstreit oder den zeitgenössischen Lehrbetrieb und seine Vertreter) im Metalogicon siehe die umfassende Darstellung in Clement Charles Julian Webb: John of Salisbury, New York 1971 (ND der Ausgabe 1932), S. 47 – 99. Zur Datierung siehe Nederman: John, S. 24 – 27. Zum Werk selbst ebd., S. 62 – 75.

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erste Fassung seines großen Traktats, des Policraticus, zur Kommentierung nach Reims senden.487 Das Ausmaß und die Bedeutung der Aufgaben, die Theobald seinem Protegé übertrug und die auch die Beziehungen Canterburys zum Papsttum und dem Königshof in der schweren und unruhigen Zeit der Ungewissheit nach der römischen Doppelwahl vom Herbst 1159 beinhalteten, verdeutlichen, wie viel Vertrauen der englische Primas in Johannes setzte.488 Es sollte der Höhepunkt seiner administrativen Tätigkeiten an der erzbischöflichen curia von Canterbury sein. Während der Sedisvakanz nach Theobalds Tod am 18. April 1161 verliert sich Johannes’ Spur. Der einzige Anhaltspunkt ist die Zusammenstellung seiner privaten und amtlichen Korrespondenz aus der Zeit seines Dienstes unter Theobald auf Basis von Grobentwürfen aus den Archiven von Canterbury.489 Den Ausschlag für diese Aktivität mag neben einer gewissen Aufgabenlosigkeit während der Verwaisung des Stuhls des Hl. Augustinus von Canterbury auch ein entsprechender Wunsch des Canterbury-Zirkels gegeben haben. Möglich, dass auch Johannes, dem Zeitgeist entsprechend, die handwerklich und literarisch hochwertigen Dokumente in einer Formel- und Referenzsammlung einem didaktischen Nutzen zuführen wollte.

2.1.3  Neue Aufgaben unter dem neuen Herrn: Johannes von Salisbury und der Becketdisput Die einjährige Sedisvakanz endete mit der Bestätigung der Wahl Thomas Beckets zum Erzbischof des wichtigsten englischen Primatialsitzes durch ein Generalkonzil aller geistlichen und weltlichen Fürsten und hoher Staatsdiener in Westminster Abbey am 23. Mai 1162 – zugleich Überraschung und ein zu erwartender politischer Schachzug. In Beckets Person verbanden sich gleichermaßen die Hoffnungen des Königtums wie der englischen ­Kirche. Theobald, der sich zu Lebzeiten bereits Gedanken über seine Nachfolge gemacht hatte, schien noch immer große Hoffnungen in Beckets Einsatz für die Angelegenheiten der englischen ­Kirche und ihres Primatialsitzes gesetzt zu 487 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 111. Virtus amicorum, in: Early Letters, ed. Millor u. a. 488 Gegenüber dem auf dem Kontinent weilenden Thomas Becket berichtet Johannes, dass Theobald ihm die gesamte Provinz und die Überwachungen aller kirchlichen Angelegenheiten anvertraut habe. Siehe Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan, iv, 42, S. 184. Zu seinen Aufgaben gehörten nicht zuletzt das Aufsetzen zweier hochsensibler Dokumente: Theobalds Testament ( Joannis Saresberiensis: Ep. 134. Supremis deficientium, in: Early Letters, ed. Millor u. a.) und sein letzter Brief an König Heinrich II . (ders.: Ep. 135. Qua deuotione uobis, in: ebd., S. 249 – 251). 489 Vgl. Brooke: Introduction, S. ix f.

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haben.490 Der Einfluss des Kanzlers auf den jungen König und seine Entscheidungen waren beträchtlich. Wollte die englische ­Kirche die hart in den anarchistischen Umständen des Bürgerkriegs erkämpften Privilegien fest in der Hand behalten, brauchte sie einen Primas, dem der Plantagenêt sein Ohr lieh.491 Doch auch der König hatte Pläne für die Zukunft Canterburys geschmiedet. Heinrich II. hatte in Becket einen auf dem Schlachtfeld wie im Gerichtssaal bewährten Begleiter gefunden. Ihm reichte ein Blick auf den Kontinent, um Chancen und Möglichkeiten eines Doppelamtes z­ wischen Bischofsstab und königlichem Siegel aufzuzeigen.492 Ein solcher Fürsprecher und direkter Vertreter königlicher Inte­ ressen vor dem englischen Episkopat war unabdingbar für seine ehrgeizigen Pläne zur Wiedergewinnung all jener königlichen Rechte, die unter der Herrschaft seines Großvaters Heinrich I. die Macht der Krone gegenüber der K ­ irche gestärkt hatten. Seit diese dem Königtum unter Stephan von Blois abgerungen worden waren, sah sich der Plantagenêt einem immer autarker agierenden Klerus gegenüber, dessen im Anschluss an eine stetig engere Bindung an die reformierte päpstliche Zentralmacht entwickeltes Selbstbewusstsein zum Einbruch des Pflichtbewusstseins gegenüber der jurisdiktionellen staatlichen Macht führte.493 Ein streitbarer Mann wie Becket könnte einer weiteren Verschärfung der Kluft z­ wischen den Interessen von K ­ irche und Krone, der Erschütterung alter Feudalbande und der wachsenden Untergrabung der königlichen Autorität durch zunehmende Unterordnung unter den Heiligen Stuhl Einhalt gebieten. 490 Vgl. Entheticus I, ed. van Laarhoven, S. 189. 491 Zu Beckets außergewöhnlich engem Verhältnis zum König und seinem Wirken in dessen Sinne während der Jahre als Kanzler der Krone siehe Barlow: Becket, S. 41 – 64. 492 Seit der Eroberung Englands im Jahre 1066 waren die Erzbischöfe von Canterbury ausschließlich Mönche und Kanoniker von ausgewählter Spiritualität und Intellektualität gewesen. Die Kandidatur eines hohen staatlichen Würdenträgers ohne ausreichende theologische Bildung, dessen Aufopferung für königliche Interessen ein offenes Geheimnis war, schockierte, da das kanonische Recht Bischöfen das Bekleiden eines weltlichen Amtes untersagte. Da Hugo von Champfleury 1159 die päpstliche Erlaubnis Alexanders III. erhalten hatte, sein Amt als Kanzler Ludwigs VII. trotz seiner Wahl zum Bischof von Soissons weiterhin auszuüben, war eine kuriale Gegenwehr gegen Heinrichs Plan kaum zu erwarten. Auch Friedrich I. Barbarossa konnte sich auf Rainald von Dassel, damals Elekt von Köln, stützen, den er zum Erzkanzler von Italien gemacht hatte. RvDiceto Ymagines Historiarum I, ed. Stubbs, S. 308 berichtet, Heinrich habe am Vorbild der beiden Monarchen Gefallen gefunden. 493 Zur Entwicklung des englischen Episkopats bis zur Regierung Heinrich II. siehe Smalley: Schools, S. 119 f. und Charles Duggan: The Becket Dispute and the Criminous Clerks, in: ders. (Hg.): Canon Law in Medieval England, London 1982 (Variorum Collected Studies Series, 151), S. 1 – 28, hier: S. 1 f.

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Unter diesen Vorzeichen wurde, entgegen geltendem Kirchenrecht, das eine freie Wahl vorsah, die Wahl des königlichen Protegés Becket erzwungen.494 In den Augen der Mönche von Christ Church, jener der Kathedralkirche von Canterbury angegliederten Klostergemeinschaft, deren Prior der Erzbischof von Canterbury seit jeher war, und vieler Vertreter des englischen Episkopats stellte die Kandidatur des höfischen Klerikers einen Skandal dar. Ihr Favorit wäre ein Mann mit unfehlbarem moralischen Ruf und monastischem Hintergrund gewesen, ein Mann wie Gilbert Foliot, Bischof von Hereford, ehemaliger Cluniazensermönch von edler Geburt, Asket und brillanter Theologe.495 Auch Becket selbst soll, vielleicht aus Angst z­ wischen Hammer und Amboss zerrieben zu werden, Einwände erhoben haben, musste aber letztendlich ebenso wie die Wahlmänner des Kapitels von Christ Church erkennen, dass ihm keine Alternative blieb.496 Für Johannes von Salisbury mag dies ein schlechtes Omen gewesen sein. Zwar verblieb er im erzbischöflichen Haushalt, doch veränderte der Wechsel seines Herrn seine Position dort nicht zum Besseren. Dank seiner Gelehrsamkeit und seines Intellekts konnte er auch unter Becket dem illustren Gelehrtenkreis angehören, schien jedoch 494 Die Aussage des englischen Chronisten Radulf de Diceto, die Wahl sei durch beide Wahlgremien und formal sowie kanonisch korrekt sine aliqua contradictione (RvDiceto Ymagines Historiarum I, ed. Stubbs, S. 306 f.) durchgeführt worden, ist irreführend. Ebenso wie in Christ Church wurde die Ernennung Beckets auch in Westminster von Murren begleitet. Siehe Anne J. Duggan (Hg.): Thomas Becket. Friends, Networks, Texts and Cult, Aldershot 2007b (Variorum Collected Studies Series, 877), S. 24. In Canterbury hatte es entschiedene Einsprüche von Seiten des Klerus gegeben: HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 367; FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 36. 495 Die monastische Organisationsstruktur einer Kathedralkirche, deren Metropolit zugleich Oberhaupt der gehorsamspflichtigen Bruderschaft war, war ein verbreitetes Folgephänomen der monastischen Reform des 10. Jahrhunderts. Zu ­diesem besonderen Charakteristikum der insularen Kirchenstruktur siehe Huling: Historical Writing, S. 189 f. 496 Zu Heinrichs Entscheidung, Becket zum Erzbischof zu machen und dessen Zurückhaltung das Angebot zu akzeptieren exemplarisch HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 180 f. Übersetzung in Michael Staunton: The Lives of Thomas Becket, Manchester/New York 2001 (Manchester Medieval Sources Series), S. 59 f. Der Becketbiograph Edward Grim überliefert die mahnenden Worte des Justiziars, der die Vertreter der Klostergemeinschaft dazu aufforderte, in freier Wahl einen Kandidaten zu erheben, welcher der Last des Amtes gewachsen, aber auch „dem König genehm“ sei. In d ­ iesem Falle sollten dem Kloster große Vorteile erwachsen. Siehe Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 36 f. Gilbert Foliot erhob als einziger Bischof offen und kritisch seine Stimme, musste sich jedoch im Hinblick auf die erforderliche Einstimmigkeit der Entscheidung geschlagen geben. Diese Opposition sollte ihm die Becketpartei s­ päter zum Vorwurf machen: Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 17; Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 365 f.

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ohne die persönliche Nähe zum Primas in administrativen Verpflichtungen hinter anderen zurückgestanden zu haben.497 Die ihm anvertrauten Aufgaben, soweit noch zu fassen, waren zwar ehrenvoll, aber eher literarischer und diplomatischer Natur. Im Juli 1162 war er Mitglied einer Gesandtschaft nach Montpellier, deren vertrauensvoller Auftrag darin bestand, für Thomas Becket das Pallium, Symbol erzbischöflicher Würde und Gerichtsbarkeit und der Unterordnung unter den apostolischen Stuhl, bei Papst Alexander III. zu erbitten und nach Canterbury zu holen. Weiter unterstützte er im Vorfeld des Konzils von Tours Beckets letztendlich fruchtlose Bemühungen um die Kanonisation seines berühmten Amtsvorgängers Anselm von Canterbury durch die Niederschrift einer Vita Anselmi.498 Im Gegensatz zum engen Vertrauensverhältnis z­ wischen Theobald und Johannes scheint dessen Beziehung mit seinem ehemaligen Kollegen Becket von weniger Nähe und Intimität gewesen zu sein. Ein Eindruck, der sich mit dem Bild deckt, das die historischen Quellen auch für die frühen und weiteren Jahre ihres gemeinsamen Weges vermitteln. Für Becket schien Johannes’ Hauptnutzen in dem gelegen zu haben, was Nederman zwar etwas anachronistisch, aber passend als „‚public relations‘ value in diplomatic matters“ 499 bezeichnet. Deshalb mag es auch nicht verwundern, dass Johannes’ erster erhaltener Brief nach zweijährigem Schweigen ein an Thomas Becket gesendeter Lagebericht aus Frankreich ist.500 Es war viel geschehen. Der berühmte Konflikt König Heinrichs II. mit dem Primas der englischen ­Kirche, der über Jahre hinweg nicht nur das kirchenpolitische Leben in England, sondern auch die Politik des Heiligen Stuhls gleichzeitig formen und lähmen sollte, hatte begonnen.501 497 Herbert von Bosham, Vertrauter und Biograph Beckets zählt Johannes explizit zu den eruditi des erzbischöflichen Hofes. Siehe Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury. William Fitzstephen, Herbert of Bosham, Bd. 3, ed. James Craigie Robertson, Nendeln, Liecht. 1965 (Nachdruck der Ausgabe London 1877) (RS, 67,3). 498 Ediert und ins Englische übersetzt in Ronald E. Pepin (Hg.): Anselm & Becket. Two Canterbury Saints’ Lives by John of Salisbury, Toronto 2009 (Mediaeval Sources in Translation, 46). 499 Nederman: John, S. 29. 500 JvS II, Ep. 136. 501 Die Hauptquellen (Becketviten, Briefe etc.) sind editiert in den Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury, ed. James Craigie Robertson, 7 Bde., N ­ endeln, Liecht. 1965 (ND der Ausgabe London 1876 – 1885) (RS , 67). Michael Staunton: Thomas Becket and his Biographers, Woodbridge 2006 (Studies in the History of Medieval Religion, 28) widmet sich verstärkt der Beschäftigung mit den Becketbiographen und ihren Lebensbeschreibungen des Erzbischofs. Dazu gehörte eine Übersetzung der wichtigsten Passagen ins Englische: Staunton: Lives. In der Becketkorrespondenz, die in zwei Bänden in einer hervorragenden lateinisch-englischen Edition von Anne Duggan vorliegt, sind nicht nur die Briefe des Erzbischofs enthalten, sondern auch ein Großteil seines Eingangs, darunter

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Die Geschichtswissenschaft – darunter naturgemäß die englischsprachige – hat sich ausführlich mit der Erforschung des komplexen Phänomens Becketkonflikt befasst. Für eine Rekapitulation aller Gesichtspunkte und Ereignisse sei auf die herausragenden Grundlagenmonographien von Anne Duggan und Frank Barlow verwiesen.502 Da Ursprung, Fragen und Verlauf des Becketkonflikts jedoch die Evolution der Ideenwelt des Johannes von Salisbury begleiteten, werden an dieser Stelle einige Grundzüge des Konflikts und dessen Beziehung zu dem angelsächsischen Gelehrten thematisiert. Dass der Policraticus Thomas Becket gewidmet wurde, ist bekannt. Unklar ist, ob Johannes nach dessen Weihe am 3. Juni 1162 einen Einfluss auf den Erzbischof und dessen postgregorianische Sicht eines weltlich-geistlichen Doppelamtes hatte. Bereits im Policraticus hatte Johannes von Salisbury die Notwendigkeit einer strikten Aufgabentrennung ­zwischen weltlichen und geistlichen Beamten bei Hofe verfochten. Gegenüber einem unbekannten Petenten, der einen Geistlichen mit einem weltlichen Amt bekleiden wollte, äußerte Johannes mit absoluter Entschiedenheit Bedenken und warnte vor einem Dilemma ­zwischen der Autorität des Königs und jener des göttlichen Gesetzes.503 Becket jedenfalls sandte nach seiner Weihe das königliche Siegel zu Heinrich II . in die Normandie zurück. Damit legte er offiziell das Kanzleramt nieder, entsagte jeder Einflussnahme durch den König und proklamierte eine selbstbestimmte und unabhängige Machtbasis.504 Es war der einzig gangbare Weg aus einem Dilemma, an dessen Ende Becket zum Spielball des Plantagenêt geworden wäre. Die enge feudalrechtliche Bindung an Heinrich II . hingegen konnte durch diese Entscheidung nicht gebrochen werden: Wie jeder Kirchenfürst war auch der Primas von England mittels Eides und der ihm verliehenen Ländereien und allen damit verbundenen Privilegien und Pflichten eng an die Krone gebunden. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass dem Lehnseid eine formaljuristische Formel beigefügt wurde, die Gewissenskonflikten des geistlichen Kronvasallen vorbeugen und ihn vor der Verpflichtung zu Diensten bewahren sollte, die seinem klerikalen Status widersprochen hätten.505 auch jene des Johannes von Salisbury: The Correspondence of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury 1162 – 1170, ed. Anne J. Duggan, 2 Bde., Oxford 2000 (OMT ). 502 Barlow: Becket und mit einem ergänzenden kulturhistorischen Teil Anne J. Duggan: Thomas Becket, London/New York 2004 (Reputations). 503 Joannis Saresberiensis: Ep. 94. Gratiae uestrae congratulor, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 144: Bene ergo agenti et tuenti ecclestiasticam libertatem apud uos obstat regis, sed male agenti reclamat ubique auctoritas legis Dei. 504 Vgl. Barlow: Becket, S. 71 f. 505 Zur Feudalbeziehung z­ wischen dem englischen König und seinen geistlichen Vasallen siehe Duggan: Becket, S. 28 – 30. Es handelte sich um die im Kirchenrecht verankerte

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Als Resident in Canterbury und Mitglied jenes hochgebildeten, zum Großteil gregorianisch eingestellten Beratergremiums, das Becket um sich scharte, wurde Johannes von Salisbury Zeuge jener unerwarteten Entschlossenheit, mit der Becket für die Revindikation des unter Theobalds Pontifikat entfremdeten Kirchenvermögens der Erzdiözese kämpfte. Insbesondere Beckets Bemühungen um die erneute Stärkung der erzbischöf­ lichen Gerichtsbarkeit zu Lasten der königlichen führten zu erheblichen Spannungen ­zwischen der energisch ausgreifenden Königsmacht und der selbstbewussten postgregorianischen Reformkirche.506 Sie entzündeten sich am Sonderstatus des Klerikerstandes. Dessen Selbstverständnis hatte sich in der postgregorianischen Welt zur Konzeption einer geschlossenen, internationalen Gemeinschaft gewandelt, deren geweihte Vertreter sich, etwa durch die Beanspruchung einer Immunität von jeglicher laikaler Gerichtsbarkeit (privilegium fori), immer stärker von der Laiengemeinschaft abzugrenzen suchten.507 Streitfälle um straffällig gewordene Kleriker wurden zum Stein des Anstoßes, da sowohl weltliche als auch geistliche Instanzen deren Verurteilung für sich beanspruchten. Während Becket für eine Verurteilung der Geistlichen nach dem allein für sie geltenden kanonischen Recht kämpfte, sahen die Kronrichter die Zuständigkeit bei der weltlichen Jurisdiktion.508 Was zunächst als jurisdiktionelle ­Einschränkungsklausel salvo ordine meo, bei der die Aussage nur im Grundsatz anerkannt wurde. Siehe Hanna Vollrath: Thomas Becket. Höfling und Heiliger, Göttingen 2004 (Persönlichkeit und Geschichte, 164), S. 85. 506 Die Maßnahmen richteten sich etwa offen gegen die königliche Heiratspolitik und die Steuerpflicht geistlicher Vasallen. Siehe RvDiceto Ymagines Historiarum I, ed. Stubbs, S. 311. Auch Barlow: Becket, S. 83 f.; Duggan: Becket, S. 34 – 37. Heinrich befürchtete, dass mehr Geld in die Truhen seiner Steuereintreiber floss als in seine eigenen. Zur offenen Opposition gegen die Königsgewalt kam es im Juli 1163 auf einem Hoftag in Woodstock, als Becket sich Heinrichs Vorschlag widersetzte, die Grafschaftshilfe der Staatskasse zukommen zu lassen. Diese freiwillige Zahlung der Barone an den Sheriff sollte diesen damit besänftigen und diente letztlich deren finanziellen Selbstschutz. Die Problematik erläutert Barlow: Becket, S. 88 f. 507 In der Rechtspraxis des frühen Mittelalters hatte sich die Standesimmunität vor weltlichen Strafverfolgungsbehörden, ein juristisches Relikt der bischöflichen Vorzugsstellung in der konstantinischen ­Kirche, auf die gesamte Gemeinschaft der Kleriker generalisiert und war unter dänischer Herrschaft in der angelsächsischen ­Kirche kodifiziert worden. Zur historischen Entwicklung des privilegium fori siehe Guth: Studien, S. 179 f. 508 Besonders großes Echo fand der auf dem Hoftag von Westminster (1. Oktober 1163) z­ wischen Becket und Heinrich II. diskutierte Fall des Kanonikers Philipp von Brois, der sich nach einem Freispruch vom Totschlag eines Ritter geweigert hatte, ein zweites Mal vor – diesmal ein weltliches – Gericht gestellt zu werden. Eine genaue Aufstellung aller involvierten Streitfälle gibt

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­Spitzfindigkeit erscheinen mag, hatte große Auswirkungen auf die Regierungspraxis, da der Ausdruck clericus im 12. Jahrhundert auch die große Zahl jener Männer niederer Weihegrade umfasste, die nach dem Studium der freien Künste oder Rechtswissenschaft ihr Wissen in den administrativen Dienst weltlicher oder kirchlicher Herren stellten und nicht selten einen durchaus weltlichen Lebenswandel pflegten.509 Die vergleichsweise milden Strafkataloge des Kirchenrechts waren aus Sicht der weltlichen Gewalten kaum zur Abschreckung potenzieller Straftäter geeignet.510 Gemäß dem herrscherlichen Selbstverständnis, das sich zunehmend über die Sicherung des Allgemeinwohls, die Gesetzgebung und Wahrung des Rechts definierte, hatte Heinrich II . eine erfolgreiche königliche Strafjurisdiktion errichtet. Einen Kontrollverlust über ein Zehntel der Untertanen konnte sich der englische Souverän ebenso wenig leisten wie eine strafrechtliche Zwei-Klassen-Gesellschaft von Laien und Klerikern.511 Ein am 1. Oktober 1163 von königlicher Seite auf dem Hoftag von Westminster unterbreiteter Kompromissvorschlag zur Verurteilung von Weltklerikern, die eines Gewaltdelikts angeklagt waren, wurde vom gesamten Körper des englischen ­Episkopats als Schmälerung klerikaler Immunität abgelehnt.512 Heinrich bemühte sich daraufhin, mit Hilfe einzelner Würdenträger, die Becket misstrauisch g­ egenüberstanden, Duggan: Becket, S. 38 f. Quellen: FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 45; Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 374 – 376; WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 12 f.; Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 24 f.; HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 265 f.; RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 313. 509 Vgl. Frank Barlow: Thomas Becket and his Clerks, Oxford 1987, S. 7. Männer wie der Jurist Wilhelm FitzStephen konnten, oft im Rang eines Subdiakons, nahtlos vom fürstlichen in den episkopalen Dienst übergehen, ohne jedwede religiöse Aufgabe zu übernehmen. Vollrath: Höfling, S. 75 spricht von über 10 % der Untertanen Heinrichs II., die die Tonsur trugen. Zur weiteren Einteilung dieser Bevölkerungsgruppe in clerici und religiosi siehe Guth: Studien, S. 178. 510 Strafen umfassten Degradierung oder Entzug der Einkünfte, Kloster- und Kirchenhaft, Verbannung und Exkommunikation. Ausgeschlossen waren Körperstrafen wie Tod, Verstümmelung, Blenden und Brandmarkung. Zudem konnten sich Kleriker mit einer bestimmten Zahl von Eidhelfern von der Anklage lossagen. Viele Kleriker, die keine Anstellung fanden, nutzten ihre Immunität zum Schutz vor Strafverfolgung aus. Siehe Vollrath: Höfling, S. 75 f. und Barlow: Becket, S. 90 f. 511 Vgl. Liebeschütz: Chartres, S. 3 – 32. Zu Heinrichs Rechtsreformen: Paul A. Brand: ‚­Multis Vigiliis Excogitatam et Inventam‘. Henry II and the Creation of the English Common Law, in: The Haskins Society Journal. Studies in Medieval History 2 (1990), S. 197 – 222. 512 Vorgeschlagen wurde ein zweifacher Prozess, in welchem ein kirchliches Gericht den Verurteilten degradieren und, nunmehr als Laie, einem weltlichen Gericht zur Straffindung und -vollstreckung übergeben sollte. Siehe Duggan: Becket, S. 40 und Staunton: Lives, S. 79 – 83.

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die oppositionelle Phalanx aufzubrechen.513 Das erklärte Ziel des jungen Königs war die Rückkehr zum rechtlichen Status quo vor der Usurpation der Herrschaft durch ­Stephan von Blois und damit die Wiederherstellung der consuetudines avitae, der königlichen Jurisdiktionspraktiken zur Zeit seines Großvaters Heinrich I. Dieses politische Programm kam auch in seiner Einstellung im jüngst ausgebrochenen Schisma zum Tragen, in dem er sich, wie einst sein Großvater, die Entscheidung über die Anerkennung der Kandidaten als Kronrecht vorbehielt. Dementsprechend mühsam war die Erringung der Unterstützung der französischen und englischen Herrscher für den sich mittlerweile im Exil in Sens befindlichen Alexander III. Der Sieneser war immer noch verwundbar. Da seine prekäre Lage ihm wenig Spielraum erlaubte, riet Alexander Becket vordergründig zur Unterwerfung, als Heinrich mit der Bitte um Anerkennung seiner Pläne zu den consuetudines avitae an ihn herantrat.514 Die fehlende Rückendeckung des schwachen Papsttums, der Druck und die Versicherungen Heinrichs II., er trachte lediglich nach öffentlicher Wiederherstellung seiner Respektstellung, sowie Opportunismus und Angst einiger Vertreter des Episkopats vor einer Entfremdung des Königs, brachten Becket schließlich dazu, im Januar 1164 auf dem Hoftag von Clarendon in Anwesenheit sämtlicher Barone einen Eid auf die alten Rechtsgebräuche zu leisten und kraft seiner Autorität als Primas der englischen ­Kirche seine Suffragane zum Eid zu verpflichten.515 Zur eigentlichen Eskalation kam es am 29. Januar 1164, als der Plantagenêt einen Chirograph der von ihm angestrebten sechzehn Rechtsklauseln, die sogenannten Konstitutionen von Clarendon, dem englischen Episkopat zur Besiegelung 513 Dies waren Erzbischof Roger von York und die Bischöfe Robert de Chesney, Bischof von Lincoln, Hilarius von Chichester und Gilbert Foliot. Siehe Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 377 f.; WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 14; Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 29 – 31; HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 267 – 277 und The Correspondence of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury 1162 – 1170. Bd. 1: Letters 1 – 175, ed. Anne J. Duggan, 2 Bde., Oxford 2000 (OMT). 514 JL 10952 bzw. ebd., S. 48 – 51. Der entsprechende Brief vom 26. Oktober 1163 wurde oft als ungeduldiger Aufruf zur Kapitulation angesehen. Die Lesart lässt nach Duggan: Becket, S. 43 außer Acht, dass die von Alexander III. gezogene Parallele zur Apostelgeschichte 5,26 – 42 eine „verschlüsselte Billigung“ der erzbischöflichen Handlungen in Westminster enthalten haben könnte. 515 Obgleich die hagiographisch geformten Darstellungen Beckets Eid nicht bezeugen (siehe Barlow: Becket, S. 297, Anm. 25) bestätigt Johannes von Salisbury in ( Joannis Saresberiensis: Ep. 225. Raritas intermeantium, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 390 – 392) dessen Leistung durch Becket. Das Verhalten der einzelnen Bischöfe in Clarendon beleuchtet Knowles: Colleagues, S. 53 – 91. Eine Rolle mag auch die Einwirkung ihrer royalistisch gesinnten Amtsbrüder gespielt haben.

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­vorlegte.516 Traditionell war der Erzbischof von Canterbury nicht nur das Oberhaupt der englischen ­Kirche, sondern auch die direkte Verbindung ­zwischen dem Volk und der Krone. In seinem Aufgabenbereich lag es, als Mahner des Königs zu fungieren, wenn dieser seine Kompetenzen überschritt, aber auch, das Interesse der postgregorianischen Universalkirche zu wahren.517 Da ein Großteil der Artikel den kirchlichen Reformbestrebungen widersprach, war deren unbedingte Anerkennung aus kirchenrechtlicher Sicht undenkbar. Becket weigerte sich daher standhaft, die Forderungen des Königs durch ein Siegel unwiderruflich als ius scriptum anzuerkennen.518 Dies war der Moment, der den Episkopat in zwei Lager spaltete und einige der Gefährten des Erzbischofs dazu veranlasste, dem Primas den Rücken zu kehren.519 Die Gemeinschaft der Bischöfe hatte bei der Anerkennung der alten Gebräuche im Vertrauen auf ihren Primas und gegen ihr Gewissen gehandelt. Nun, da es hart auf hart kam, musste es ihnen scheinen, als habe er sie im Stich gelassen. 516 Den Text überliefert Gervasius Cantuariensis: The Historical Works of Gervase of Canterbury. The Chronicle of the Reigns of Stephen, Henry II ., and Richard I. by Gervase, the monk of Canterbury, ed. William Stubbs, Nendeln, Liecht. 1965 (ND der Ausgabe London 1879) (RS , 73,1). Ediert in: Select Charters and other Illustrations of English Constitutional History from the Earliest Times to the Reign of Edward the First, ed. William Stubbs, Oxford 1913. Annotierte Übersetzungen in English Historical Documents. Bd. 2: 1042 – 1189, ed. David C. Douglas/George W. Greenaway, London 1968 und Sources of English Constitutional History. A Selection of Documents from a. d. 600 to the Present, ed. Carl Stephenson/Frederik George Marcham, New York 1937. Der Terminus ‚Konstitutionen‘ bezeichnet einen schriftlichen Artikel, der eine bis dato etablierte Rechtsgewohnheit zusammenfasst. 517 Vgl. Vollrath: Höfling, S. 52. 518 Vgl. WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 14 f.; Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 378 f.; Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 30 – 33; HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 276 f. Die Bedeutung der schriftlichen Niederlegung der Konstitutionen fasst Raymonde Foreville: Mort et survie de saint Thomas Becket, in: CCM 14 (1971), S. 21 – 38, hier: S. 23 in Worte: „Les constitutions de Clarendon forment le premier document, partiel mais infiniment cohérent et logique sous une présentation d’apparence assez hétéroclite,de la coutume royale, unificatrice par son essence même, qui s’était déja imposée avec Henri Ier, mais qui avait subi un recul très marqué sous Étienne de Blois, son successeur immédiat. C’est des constitutions de Clarendon qu’il faut dater la première déclaration officielle du common law sur des points contestés“. Zu Clarendon: WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 16 f.; Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 281 f.; Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 34 f.; HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 279; FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 46 – 48. Siehe Barlow: Becket, S. 98 – 102 für Einzelheiten. 519 FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 46; HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 524, 526.

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Die Konstitutionen von Clarendon waren der Kristallisationspunkt eines größeren Abgrenzungsproblems der neuen, auf Zentralisierung bestrebten Reformkirche vom Benefiziensystem angelsächsischer Prägung, in dem die K ­ irche noch immer durch das Lehnsverhältnis z­ wischen Krone und Episkopat gebunden war.520 Dementsprechend bezog sich ein Teil der Artikel auf die schriftliche Akzeptanz der feudalen Autorität des Königs durch die Anerkennung einzelner Vorrechte und Pflichten beider Seiten. Diese Artikel wurden durch Alexander III. toleriert.521 Alle anderen jedoch wurden durch päpstlichen Richterspruch verurteilt und die Bischöfe von päpstlicher Seite aufgefordert, von ihrem Eid zurückzutreten.522 Ihre offene Ablehnung durch Alexander III. kann kaum verwundern, denn die consuetudines stellten eine unduldbare Rückkehr zur vorreformatorischen Ordnung dar. Sie bezeugten das Streben des Königs nach stärkerer Einflussnahme auf wichtige Aspekte und Prozesse der kirchlichen Jurisdiktionsgewalt, darunter der traditio curae (§ 1, 3, 9, 15), der Wahl von Bischöfen und Äbten sowie der Vergabe von Kirchenbesitz (§ 12). Sie bedeuteten eine Schmälerung bischöflicher Autorität in auch weltliche Belange betreffenden, spirituellen Fragen wie der Exkommunikation königlicher Beamter (§ 5, 7, 10). Bitter war auch die im Verbot für geistliche Benefizienhalter, ohne Erlaubnis des Königs die Insel zu verlassen (§ 4, 8), zum Ausdruck kommende Beschneidung der Beziehungen des englischen Klerus zum Papst. Indem in § 8 dem König als Spitze einer Kette von kirchlichen Appellationsinstanzen vorbehalten blieb, über eine Weiterleitung von Appellationen an den Heiligen Stuhl zu entscheiden, wurde die Jurisdiktionsgewalt des Papstes auf den englischen Klerus empfindlich eingeschränkt.523 Gestützt durch das Decretum Gratiani war die Appellation eine Nebenentwicklung der professionellen Kodifizierung des Kirchenrechts seit der gregorianischen Reform. Seit der Amtszeit Erzbischof Theobalds von Canterbury und verstärkt im Pontifikat Alexanders III. waren auch in England Appellationen an den Heiligen Stuhl als oberstes kirchliches Tribunal zu einer Selbstverständlichkeit geworden.524 Der Klerus 520 Zu den sich aus der Verquickung von Elementen des Feudalsystems mit der neuen Zentralisierung bischöflicher Macht ergebenden organisatorischen Problemen siehe Stephan Kuttner: Some Considerations on the Role of Secular Law and Institutions in the History of Canon Law, in: ders. (Hg.): Studies in the History of Medieval Canon Law, Aldershot 1990 (Variorum Collected Studies Series, 325), S. 351 – 362, hier: S. 360 f. 521 Artikel 2, 6, 11, 13, 14, 16. Zusammenfassung der entsprechenden Inhalte bei Duggan: Becket, S. 46. 522 JL 11005 bzw. CTB I, S. 78 f. Ausgestellt in Sens am 27. Februar 1164. 523 Für eine Diskussion der einzelnen Inhalte der Konstitutionssätze siehe Smalley: Schools, S. 122 – 133; Duggan: Becket, S. 46 – 62 und Barlow: Becket, S. 100 f. 524 Dies dokumentiert die frühe Korrespondenz aus der erzbischöflichen Kanzlei. Die Schriftstücke aus der Feder des Johannes von Salisbury stellen eine Hauptquelle zur Appellationspraxis dieser Zeit dar. Als Beispiele für den Appellationsweg siehe besonders: Joannis Saresberiensis:

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nutzte sie hauptsächlich als Mittel zur Bestätigung seiner Privilegien, doch nahmen auch Appellationen zu Urteilen an bischöflichen Gerichten an Häufigkeit zu.525 Um eine unparteiische Entscheidungsfindung zu gewährleisten, hatte jede Streitpartei das Recht, einen Prozess vor einem Archidiakon oder Diözesanbischof zugunsten einer Appellation auszusetzen. Es war sogar möglich, einem Urteil mit einer Berufung vorzugreifen. Durch Missbräuche wie das Hinauszögern einer Gerichtsentscheidung durch strategischen Einsatz von Appellationen wurde jedoch die effektive Abwicklung gemischtrechtlicher Streitfälle z­ wischen Laien und Klerikern und die Flexibilität der Krone in der Gerichtspraxis beeinträchtigt und die Position des Papsttums gegenüber den betroffenen Landesherrschern gestärkt. Die kompromisslose Präsentation einer Niederschrift der Konstitutionen war Heinrichs großer Fehler. Die weit ausgreifende Ausdehnung königlicher Prärogative und bitonaler Rechte, ­welche die 16 Artikel darstellten, musste für den Klerus zwangsläufig provokativ und inakzeptabel sein. Das Verhältnis z­ wischen dem englischen König und der ecclesia Anglicana, schlimmer noch, auch jenes der Episkopatsmitglieder untereinander und die ohnehin durch die Situation des Schismas verkomplizierte Beziehung ­zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Herrscher war empfindlich gestört. Eine weitere Eskalation erschien unvermeidlich.

2.1.4  Die Internationalisierung des Konflikts: Johannes’ Gang ins Exil und sein Verhältnis zu Thomas Becket Irgendwann zu dieser Zeit der ersten ernsten Verstimmungen ­zwischen Westminster und dem Eklat von Clarendon schiffte sich Johannes von Salisbury an der englischen Küste ein. Sein Ziel: Frankreich. Johannes’ unmittelbare Motivation, sein Heimatland zu verlassen, liegt weitgehend im Dunkeln. Der erste Brief seiner zweiten Korrespondenzsammlung, ein an Becket gerichteter Bericht über seine Ankunft und die ersten schweren und entbehrungsreichen Tage auf dem Festland, legt nahe, dass er dort mit Hilfe seines herausragenden Verbindungsnetzwerks den Weg für ein eventuelles Exil seines in Bedrängnis geratenen Herrn ebnen sollte.526 Seine Kontakte mit Ep. 2. Laici quatuor, in: Early Letters, ed. Millor u. a.; ders.: Ep. 132. Causam, quae inter Rog(erium), in: ebd., S. 238. Zum formalen Ablauf: Guth: Studien, S. 119 f. Zur englischen Appellationspraxis aus historischer Perspektive siehe Martin Brett: The English Church Under Henry I, Oxford 1976. 525 Hauptstreitpunkte waren Rechte über Pfarrkirchen, kirchliche Disziplin und die Verwaltung von Eiden in laikalen Prozessen. Siehe Early Letters, ed. Millor u. a., S. xxxii. 526 Vgl. JvS II, Ep. 136.

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den Grafen von Guînes und Amiens, der Abtei Saint-Bertin, dem Dekan von Noyon und anderen wichtigen Entscheidungsträgern und Gruppierungen wurden offenbar durch Beckets Geheiß und Johannes’ Gespür für vorteilhafte Verbindungen diktiert. Bis hinauf zum kapetingischen Königshof bemühte der Angelsachse sich als Vorreiter auf dem Kontinent darum, im Sinne des Erzstuhls von Canterbury einen akkuraten Bericht der Lage in England zu liefern.527 Dass er in offizieller Position unterwegs war, ist sicher.528 Nach Ausführung seiner Missionen sollte er wahrscheinlich weitere Instruk­tionen abwarten. Bis dahin scheint Johannes Beckets verlockende Anweisungen, sich unauffällig als Gelehrter in Paris niederlassen, in die Tat umgesetzt zu haben.529 All dies klingt nicht nach einer temporären Mission zur Vorbereitung eines Exils, sondern nach dem Plan einer längerfristigen Regelung und dem Bewusstsein, dass ein Amt am erzbischöflichen Hof von Canterbury zumindest eine überschaubare Zeit lang ruhen müsste. Wir lernen auch von Johannes’ großer Prämisse bei d­ iesem und vielen anderen seiner Schritte und Überlegungen: Ad ecclesiam Romanam nondum ascendi, declinans, quantum possum, ne suspicio probabilis contra me concipi debeat […].530 Vielleicht zielten die Bemühungen, kein Aufsehen zu erregen, darauf ab, einen eventuellen Exilsplan des Erzbischofs nicht öffentlich werden zu lassen. Sie könnten auch ­Zeichen der gesteigerten Vorsicht und des Selbstschutzes eines Mannes gewesen sein, der gelernt hatte, w ­ elche Auswirkungen Anschuldigungen jeder Art auf sein Leben haben konnten. So gesteht Johannes explizit, dass er die Kurie Alexanders III. noch nicht aufgesucht habe, da er nichts über die Position der königlichen Gesandtschaft, besetzt mit niemand anderem als Abt Clarembald von St. Augustine’s, Canterbury, und Johannes’ altem Erzfeind Arnulf von Lisieux, in Erfahrung gebracht habe. Einen weiteren Vorfall wie 1156 wollte er wohl vermeiden.531 Er stehe erneut unschuldig in der Ungnade des Königs. Dessen Gesandtschaft entgegenzutreten, könne seine persönliche Situation nur verschlimmern.532 Diese zweite, persönlichere Motivation, die Insel zu verlassen, wird auch durch andere Quellen gedeckt. Wilhelm FitzStephen beschuldigt in seiner Becketvita 527 Vgl. ebd., S. 2 – 13. 528 Er beschreibt sich selbst als homine ecclesiasticum habente officium notitiamque multorum (ebd., S. 12 f.). 529 Ebd. berichtet Johannes davon, wie er sich in Paris häuslich niederließ, und bittet Becket, ihn nach Möglichkeit mit weiteren Aufträgen zu verschonen. 530 Ebd., S. 8 f. Dort auch: Nostis enim […] quoniam, quando recessi a uobis, hoc michi dedistis consilium, ut Parisius morarer omnino scolasticus, nec ad ecclesiam Romanam diuerterem, ut uel sic declinarem suspiciones […]. 531 Ebd., S. 10 f. 532 Vgl. ebd., S. 12 f.

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H ­ einrich II., Johannes ins Exil getrieben zu haben, um ihn von der Seite des starrköpfigen Erzbischofs zu entfernen.533 Ein wahrscheinlicher Erklärungsansatz, schließlich hatte sich Johannes bereits Jahre zuvor als unerbittlicher Verteidiger der Rechte und Freiheiten des englischen Primatialsitzes gezeigt. Das philosophische Gedankengut des kurz zuvor fertiggestellten Policraticus, etwa die Verteidigung klerikaler Immunität und Angriffe auf die königliche Kirchenpolitik oder die Tyrannenlehre, war nicht weniger explosiv als sein kirchenpolitisches. Vielleicht machte Heinrich ihn für Beckets Kehrtwende verantwortlich. Paris sollte für den mittellosen Angelsachsen nur eine Zwischenstation bleiben. In Folge seiner Abreise aus England war der Konflikt z­ wischen Heinrich II . und Thomas Becket auf dem Großen Rat von Northampton (6. – 13. Oktober 1164) eskaliert. Im Wissen, dass er ihm nur auf fremdem Terrain beikommen konnte, hatte der Plantagenêt den englischen Primas unter einem Vorwand vorgeladen und im Beisein aller Kirchenfürsten und Barone als Laie, nicht als Erzbischof, der Missachtung des königlichen Gerichts und verschiedener feudalrechtlicher Vergehen angeklagt und verurteilt.534 Die Verurteilung eines Erzbischofs als Laie für feudalrechtliche beziehungsweise finanzrechtliche Vergehen war ein Novum. Die Strafsumme ließ Becket fast mittellos zurück und konnte keinen Zweifel mehr daran lassen, dass der Plantagenêt dessen Widerstand durch Erniedrigung zu brechen suchte. Wie weit er darin gehen würde, war kaum abzusehen.535 Der englische Episkopat sah sich indes z­ wischen Hammer und Amboss. Als beratendes Organ ihres Metropoliten, in der Furcht um ihre eigenen Beziehungen zur Krone und eingedenk des Wankelmuts, den Becket in Clarendon gezeigt hatte, rieten die Bischöfe ihrem Primas zum Wohle der Gemeinschaft zum Rücktritt, um 533 Vgl. FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, hier: S. 46. Auch Hohenleutner: Studien, S. 117 beobachtete Heinrichs parallele Umgangsweise mit dem Becket nahestehenden Thesaurarius von York, Johannes Belmeis, dessen allzu engem Kontakt mit Becket er durch Johannes’ Einsetzung auf den Bischofsstuhl von Poitiers einen Riegel vorschob. Siehe auch Brooke: Introduction, S. xxii. 534 Im Speziellen waren dies Vorwürfe der Veruntreuung von Einkünften, die zu seiner Besitzmasse als Kanzler gehört hatten, das Versäumnis, königliche Anleihen aus der Zeit der Belagerung von Toulouse zurückzuzahlen, sowie die Missachtung des in Westminster auf die avitae consuetudines geleisteten Eides. Details bei Barlow: Becket, S. 71 – 72, 108 – 110 und Duggan: Becket, S. 61, 66 f. Die Quellen: FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 120; WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 106. 535 Das königliche Gericht besaß zwar nicht die Vollmacht zur Absetzung eines Erzbischofs, konnte jedoch durch Verbannung seiner Person, Beschlagnahmung der erzbischöflichen Ländereien oder Körperstrafen dafür sorgen, dass er sein Amt nicht mehr ausüben konnte. Siehe Duggan: Becket, S. 80.

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schlimmere Auswirkungen auf die englische ­Kirche zu vermeiden.536 Erzürnt über den scheinbaren Opportunismus der ihm unterstehenden Bischöfe wies Becket sie an, sich in einem weltlichen Verfahren in die Richterrolle drängen zu lassen, das sich auf eine Zeit vor seiner Weihe zum Erzbischof bezog. Damit war das Dilemma perfekt: Als Kronvasallen waren sowohl Kirchenfürsten als auch weltliche Magnaten nach § 11 der Konstitutionen von Clarendon zur Teilhabe an der Urteilsfindung am könig­ lichen Gerichtshof verpflichtet.537 Sie hatten also die Wahl, gegen die Konstitutionen zu verstoßen, die sie auf Druck Beckets beeidet hatten, oder sich des Ungehorsams gegenüber ihrem Primas schuldig zu machen. Der englische Episkopat beschritt den einzigen gangbaren Weg und erkaufte sich mit einer Appellation für die Absetzung ihres eigenen Primas von der Teilnahme an der Verurteilung frei.538 Als die Barone unter Führung des königlichen Justitiars, des Grafen von Leicester, das Urteil verkünden wollten, floh Becket, nicht willens, weltliche Autoritäten über sich richten zu lassen, in großem Aufruhr den Saal. Ihm war bewusst, wie isoliert und gefährdet er in England war und dass ihm zur Mobilisierung von Unterstützung allein jenes Mittel verblieb, das sich bereits unter seinen Vorgängern auf dem Erzstuhl von Canterbury bewährt hatte: die Flucht über den Ärmelkanal, wo man auf die Rückendeckung Gleichgesinnter hoffen konnte.539 Den Großteil des Episkopats 536 Während einige, darunter Heinrich von Winchester und Roger von Gloucester, die Niederlegung des Amtes auf Druck von Seiten der Krone als gefährlichen Präzedenzfall ablehnten, wandten sich andere, an ihrer Spitze Gilbert Foliot und Hilarius von Chichester, gänzlich von ihrem Primas ab. Ihre Entscheidung darf jedoch weder als Austragung rein persönlicher Konflikte noch als eine Absage an die von Becket vertretene, kirchenrechtliche Position angesehen werden. Vielmehr zwangen die Umstände zu einer Entscheidung z­ wischen zwei gleichsam unangenehmen Möglichkeiten: entweder den Primas oder den englischen Episkopats für Beckets Fehltritte in seinem früheren Amt als Kanzler der Krone zu opfern. Besonders Gilbert Foliot stellte klar, dass er sich nicht gegen Beckets Weg richtete, sondern gegen die aggressive Art und Weise, auf die er ihn beschritt. Zur Einstellung einzelner Bischöfe siehe Vita Sancti Thomae, Cantuarensis archiepiscopi et martyris, auctoribus Joanne Saresberiensi et Alano abbate Tewkesberiensi, in: MTB 2, hier: S. 326 – 328. Eine Rechtfertigung der bischöf­lichen Argumentation findet sich in einem Brief an den Heiligen Stuhl, aufgesetzt von Beckets Gegnern: Nr. 73, in: MTB 5. 537 Vgl. FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 63 f.; HvBosham Vita Sancti T ­ homae, ed. Robertson, S. 301 – 304; Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 394 f. Für den Wortlaut von § 11: Sources, ed. Stephenson/Marcham oder EHD II , ed. Douglas/ Greenaway, S. 721. 538 Vgl. FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 65 f. 539 Es war zur Tradition englischer Erzbischöfe geworden, in Auseinandersetzungen um die Rechte der K ­ irche Schutz auf dem Kontinent zu suchen. Beispiele waren neben Anselms Flucht auch die des Thurstin von York (1116) und Theobald von Canterbury (1152). Neu war

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ließ der englische Primas voller Enttäuschung und Verbitterung über die als feige empfundene Desertion ihres Obersten auf der Insel zurück.540 Damit war der Grundstein für Selbstverständnis und Positionen beider Parteien im kommenden Streit gelegt: Aus Sicht der ­Kirche war der erste Bischof im Königreich aufgrund fragwürdiger Restaurationsbestrebungen der Krone, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die mühsam errungenen Freiheiten der Reformkirche zu zerstören, beispiellosen Demütigungen und der Opposition seines eigenen Episkopats zum Opfer gefallen. Er stand als alleiniger Kämpfer für die libertas ecclesiae.541 In den Augen des Königs war Becket, selbst wenn seine überstürzte Flucht eine Verkündung des Urteils verhindert hatte, der Unterschlagung und des Verrats schuldig gesprochen worden und damit ein flüchtiger Verbrecher.542 Beide Perspektiven sollten sich sieben Jahre lang kompromisslos gegenüberstehen. Beckets Flucht auf den Kontinent hatte durch die Involvierung des französischen Königs und des Papstes schlagartig den Konflikt ­zwischen der englischen Krone und der englischen Landeskirche zu einer internationalen Affäre ausgeweitet. Jeder, der in den Konflikt hineingezogen wurde, hatte Stellung zu beziehen. Der Becketkonflikt, so zentral er für England sein mochte, war zu einem der „minor side-issues in [the] two major contests“ 543, des päpstlichen Schismas und der Rivalität ­zwischen Heinrich II. Plantagenêt und seinem Feudalherrn Ludwig VII. geworden. Als solcher zwang er besonders den bedrängten Alexander III. im Exil zur Positionierung. Obgleich dessen Ablehnung der Konstitutionen von Clarendon unerschütterlich war, bewegte er sich politisch gesehen auf dünnem Eis.544 Das Schisma band ihm die Hände. Ein Überlaufen die ­Ernsthaftigkeit der Lage und die Gefahr der Körperstrafe, die Becket ins Exil trieb. Siehe Barlow: Becket, S. 117. 540 Vgl. stellvertretend die Darstellung der Flucht in Gilbert Foliots Multiplicem nobis, dem Hauptzeugnis der Anti-Becket-Propaganda: Nr. 225, in: MTB 5. 541 Die Bischöfe und Prälaten Englands standen keineswegs geschlossen hinter den Restitutionsplänen der englischen Krone. Der Großteil des Episkopats, besonders Bischof Bartholomäus von Exeter und Roger von Gloucester, Bischof von Worcester, standen hinter der Verteidigung der kirch­ lichen Privilegien. Was ihre Missbilligung fand, war das unversöhnliche und arrogante Vorgehen ihres Primas. Die Positionen der einzelnen Bischöfe im Streit umreißt Knowles: Colleagues. 542 So legt er es auch in einem vorauseilenden Brief gegenüber König Ludwig VII. dar: Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury. Epistles, I–CCXXVI., Bd. 5, ed. James Craigie Robertson, Nendeln, Liecht. 1965 (Nachdruck der Ausgabe London 1881) (RS, 67,5). 543 Barlow: Becket, S. 134. 544 Als einer der großen Verfechter der libertas ecclesiae, die in seinen Augen in der Freiheit der römischen ­Kirche aufging. Eine formelle Anerkennung der Konstitutionen kam daher nie zustande. Siehe auch: Smalley: Schools, S. 137 – 139, 149 f.

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Heinrichs II. zu Alexanders Gegnern hätte ihn seines wichtigsten Verteidigers beraubt. Das Bündnis der beiden Könige mit dem von ihnen anerkannten Kandidaten der apostolischen Doppelwahl hatte von Beginn an einen opportunistischen Beigeschmack, der im Verlauf der nächsten Jahre immer öfter zutage treten sollte. Ein Seitenwechsel hätte Heinrich eine im Konflikt mit Ludwig VII. äußerst förderliche Allianz mit dem erstarkten Kaisertum eingebracht. Kategorisch abgelehnt wurde er deshalb immer noch nicht. Während der sechs Jahre, die Becket und seine Getreuen im französischen Exil verbringen sollten, verzögerte der unverbindliche diplomatische Spagat Alexanders III. ­zwischen Stärkung der Streitsache Beckets und Beschwichtigung der englischen Krone einen Friedensschluss. Obgleich sich sowohl Alexander als auch Ludwig VII. loyal zum Kampfe Beckets zeigten, war weder der eine noch der andere gewillt, zu große Eingeständnisse zu machen. Becket war für beide von Nutzen – das aber eher im Exil als auf der cathedra von Canterbury. So verfiel Alexander besonders in den ersten Monaten des Exils in eine Politik der minimalen Ermutigung. Er ermahnte Heinrich II. und den englischen Episkopat 545 und versicherte Becket wiederholt seiner Rückendeckung – auch wenn er dessen Ungestüm mehr als einmal zügeln musste. Je nach politischen Rahmenbedingungen kam es dabei zu einer mehr oder weniger intensiven Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Konfliktgeschehen. Ein einschneidendes Ereignis, das den Heiligen Stuhl von der Notwendigkeit der Stärkung des englischen Primas überzeugte, war ­Heinrichs Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Rainald von Dassel, dem Kanzler des Stauferkaisers, dem er durch die Entsendung der königlichen Gesandten Richard von Ilchester und Johannes von Oxford zum Hoftag von Würzburg (23. Mai 1165) eine Akzeptanz des kaiserlichen Kandidaten Paschalis III. in Aussicht stellte.546 Auch an der Basis hatte man Entscheidungen zu treffen. Angst vor politischer Isolation, Vertreibung und Exil spalteten den Kreis der erzbischöflichen eruditi in zwei Lager: Auf der einen Seite standen die fanatischen Befürworter des erzbischöflichen Kampfes unter Herbert von Bosham, auf der anderen gemäßigte Charaktere wie Wilhelm FitzStephen, die nicht entschieden genug hinter ihrem Herrn standen, um klar Position zu beziehen.547 545 Siehe die päpstlichen Instruktionsschreiben an Gilbert Foliot (MTB 5, Epp. 80, 81, 93, 94). Zu den Reaktionen des Monarchen und des Bischofs von London Barlow: Becket, S. 127 f. 546 Zu Würzburg und dem Eid der königlichen Gesandten auf Paschalis III. siehe MTB 5, Epp. 213, S. 82 – 4, 91 sowie Johannes von Salisbury in Joannis Saresberiensis: Ep. 177. Patri misericordiarum, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 182 – 184 und RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 318. 547 Zu den Beratungen Beckets mit seinen eruditi siehe die Ausführungen beider Männer: ­FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 58 und HvBosham Vita Sancti ­Thomae,

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Becket fand trotz der Denunziationen Heinrichs II. am kapetingischen Königshof durch Vermittlung König Ludwigs VII. von Frankreich Aufnahme in der bedeutenden Zisterzienserabtei von Pontigny.548 Johannes von Salisbury aber war im Zuge der königlichen Repressalien gegen die Kombattanten des Erzbischofs seiner Einkünfte beraubt worden, so dass auch er sich ein weiteres Mal dorthin wenden musste, wo man ihm wohlgesonnen war.549 Fast zweihundert Kilometer von Becket entfernt fand der mittellose Angelsache so ein Refugium im Reimser Kloster Saint-Remi, dem mittlerweile Petrus von Celle vorstand. Abgesehen von einigen kleineren Reisen im Dienste Beckets sollte er von 1164 bis zu seiner Rückkehr nach England kurz vor den tragischen Ereignissen in der Kathedrale von Canterbury hier einen Rückzugsort finden. Obwohl Johannes und Thomas Becket, der seine Freistatt in Pontigny ­später durch die Abtei Sainte-Colombe in Sens tauschte, Zuflucht in demselben Königreich gesucht hatten, kreuzten sich ihre Wege während der folgenden Konfliktjahre kaum. Diese geographische Distanz scheint paradigmatischer Ausdruck ihres Verhältnisses gewesen zu sein. Gewisse Aspekte in Johannes’ Biographie wurden und werden gerne als Hinweise auf eine gewisse Nähe, wenn nicht sogar Freundschaft, z­ wischen beiden Männern gedeutet. So ist etwa eine frühere Bekanntschaft aus dem Milieu der Universitäten in den 1140er Jahren möglich, aber nicht belegt.550 Mit dem Metalogicon und dem Policraticus wurden Thomas Becket zwei wichtige Werke durch Johannes von Salisbury gewidmet. Auch dessen Rolle in der Informationsverbreitung über die Ereignisse in der Kathedrale von Canterbury, dessen Engagement für Beckets Heiligsprechung oder die spätere Förderung des Becketkultes mögen in diese Richtung deuten. Schließlich war es Johannes von Salisbury, der durch seine wirkmächtige Darstellung des Mordes und der Person Beckets als Märtyrer für die Freiheit der ­Kirche im berühmtesten seiner Briefe, Ex insperato, an den Bischof von Poitiers, die Kanonisation des Erzbischofs ins Rollen brachte.551 Später erweiterte er den Bericht in seiner ed. Robertson, S. 308. 548 Vgl. ebd., S. 332 – 334. Zu den Motivationen Ludwigs VII. zur Unterstützung des verbannten Erzbischofs: Duggan: Becket, S. 87 – 89. 549 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 152. Ex relatione latoris, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke; ders.: Ep. 159. Diu quidem a scriptitationibus, in: ebd., S. 72 – 75; ders.: Ep. 160. Scio, pater, quod fideles, in: ebd., S. 74 – 77. 550 Es gibt einen einzigen Hinweis in der hagiographischen Tradition um Becket, doch keinen Widerhall eines hohen Bekanntheitsgrads seiner Person im akademischen Milieu nach dessen Ermordung. Zusammenfassend: Barlow: Becket, S. 20. 551 Joannis Saresberiensis: Ep. 305. Ex insperato, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke. Obgleich ein Becketsympathisant, hatte sich Johannes Belmeis im Laufe des Disputs als einflussreiche Stimme in beiden Lagern erwiesen und letztlich den Mittelweg der Rekonziliation verfochten. In seiner Position als Bischof des bedeutendsten aquitanischen Bistums

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weitverbreiteten Vita et Passio Sancti Thomae Martyris und beteiligte sich ebenfalls an der Sammlung der Becketkorrespondenz, dem großen Denkmal, das Alan, Prior von Canterbury und späterer Abt von Tewkesbury, in den 1170ern vollenden sollte.552 Doch dieser Eindruck enger Verbundenheit beruht zum größten Teil nur auf Indizien der zweiten Lebenshälfte beider Männer. Reist man zurück zur Frühzeit ihrer Bekanntschaft, jenen Tagen, an denen sich ihre Wege in Canterbury kreuzten, ist nicht zu leugnen, dass Thomas Becket und Johannes von Salisbury in Lebensanschauung und Charakter äußerst unterschiedlich waren. Den einen, der damals mit dem Archidiakonat bereits eine wichtige Stellung in der erzbischöflichen curia erworben hatte, weist seine gesamte Biographie als einen karrierebewussten, strebsamen und findigen Pragmatiker aus, der sich auf weltlichem wie kirchlichem Parkett gleichermaßen zu bewegen wusste.553 Der andere war ein freier Geist von geradezu einschüchternder Intellektualität und Kultiviertheit.554 Aufgrund der ausgedehnten Missionen, die Johannes bis 1155 an der Kurie beschäftigt hielten, und Beckets Verpflichtungen als Kanzler des Königs in den Kontinentalkampagnen Heinrichs II . werden ihre gemeinsamen Tage in Canterbury begrenzt gewesen sein.555 Bemühungen, durch regen Briefverkehr ein freundschaftliches Verhältnis über die Distanz zu erhalten, sind nicht erkennbar: Johannes’ wenigen persönlichen Briefen an Becket aus der Zeit vor dem Becketkonflikt liegt stets ein geschäftlicher Anlass zugrunde.556 Der abgeklärte Tenor der frühen Korrespondenz, aber auch, dass Johannes trotz s­ einer kamen ihm genug Autorität und Glaubwürdigkeit zu, die Inhalte des Briefes bekannt zu machen. Zu ­Johannes’ Rolle in der Verbreitung des Kults siehe Karen Bollermann/Cary J. Nederman: The “Sunset Years”: John of Salisbury as Bishop of Chartres and the Emergent Cult of St. ­Thomas Becket in France, in: Viator 45 (2014), S. 55 – 76. Die persuasiven rhetorischen Techniken in Ex insperato seziert Richard C. Lounsbury: The Case of the Erudite Eyewitness: Cicero, Lucan, and John of Salisbury, in: Allegorica. A Journal of Medieval and Renaissance Literature, 12 (1990), S. 15 – 35. 552 Johannes von Salisbury Vita Sancti Thomae, ed. Robertson. 553 Zum kometenhaften Aufstieg des Londoner Kaufmannssohns Becket siehe Barlow: Becket, S. 24 – 40. 554 Vergleiche Barlows Charakterisierung: „John, a small and delicate man, warm, lively and playful, a joker with an eye to the ridiculous, the confident member of a learned elite, so sure of his scholarship that he could quote, to amuse his circle, classical authors and other embroideries of his own invention, was everything that Thomas was not. Thomas probably found some of these men culturally, if not intellectually, intimidating.“ (ebd., S. 32). 555 Vgl. Entheticus I, ed. van Laarhoven, S. 49. 556 Etwa eine Bitte um Fürsprache oder die Rückkehr des Archidiakons ans Krankenbett seines sterbenden Herrn. Siehe Joannis Saresberiensis: Ep. 128. Iuxta mandatum dilectionis uestrae, in: Early Letters, ed. Millor u. a. Johannes’ Bitte um Beckets Intervention bei ­Heinrich II. (ders.: Ep. 28. Inter multiplices et graues, in: ebd., S. 45 – 46) wurde dem Kanzler nicht einmal

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treuen Dienste für den Primatialsitz unter Theobald ins Abseits geriet, während Becket anderen große Vertrauenspositionen übertrug, zeigt, dass eine tiefe Verbundenheit der beiden Männer ins Reich der Spekulation gehört. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass der angelsächsische Gelehrte nicht mit Becket ins Exil ging. Er selbst beteuerte einmal, er habe zwar die Gesellschaft des Erzbischofs verlassen, aber nicht den Glauben an ihn oder seine Zuneigung zu ihm verloren.557 Wie Johannes persönlich zu Becket stand, ist nicht leicht zu beantworten. Oft scheint seine Loyalität mehr dem Amtsinhaber als dem Privatmann Becket gegolten zu haben. Jeder Schluss allerdings muss sich auf die Exilkorrespondenz des Saresberiensis stützen. Das epistemologische Problem dieser Quellenlage hat Anne Duggan umrissen: „Self-conscious expressions of difference of opinion and criticism alternate with professions of loyalty and duty; counsels of restraint in certain circumstances are followed by pleas for stronger action in others. It would not be difficult to use selected evidence from John’s own letters to show him primarily concerned with his own interests, or conscientiously disturbed by B ­ ecket’s conduct of the dispute with the king, or as one of Becket’s most forthright supporters.“ 558

Allerdings legt sie auch den Finger auf einen formativen Faktor, der die unterschiedlichen Facetten der Beziehung beider Männer erklären mag: Johannes’ Verhaftetsein in seiner eigenen individuellen Lebenssituation, insbesondere seiner Hoffnungen auf Versöhnung mit König Heinrich. „What the early letters of the exile reveal most strikingly is the dilemma of a man of principle trying to save his career and his conscience in a period of acute crisis, attempting to find not so much a middle way between opposing parties, as a means of reconciling his ecclesiastical convictions and loyalties with the recovery of royal grace.“ 559

In der ersten Phase seines Exils lagen Johannes’ Schwerpunkte darauf, Chancen auf die Wiedererlangung königlicher Gunst nicht durch eine zu enge Bindung an Becket zu gefährden, was nicht nur die Wahl des Standortes Reims, sondern auch Johannes’ persönlich zugesandt. Dessen Sekretär Ernulf verlieh der Bitte persönlichen Nachdruck. Siehe AvL Ep. 27. 557 Joannis Saresberiensis: Ep. 139. A sapiente quaerendum, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 22 f. 558 Anne J. Duggan: John of Salisbury and Thomas Becket, in: Wilks: World, S. 429. Nachdruck in: Dies. (Hg.): Thomas Becket. Friends, Networks, Texts and Cult, Aldershot 2007b (Variorum Collected Studies Series, 877), S. 427 – 438. 559 Duggan: John, S. 429.

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ausgeprägt skeptische Haltung gegenüber dem von Becket geführten Kampf erklärt.560 Seine Korrespondenz mit dem Primas ist darauf bedacht, Beckets Eifer zu mäßigen und seine Hoffnungen auf ein realistisches Maß zu reduzieren. Eine Versöhnung mit dem König war 1165 nach Johannes’ Einschätzung der einzig vielversprechende Weg hinaus aus der Pattsituation.561 Ein Jahr s­ päter sollte sich diese Hoffnung auf eine Beilegung seines persönlichen Konflikts mit Heinrich II. ohne Schmälerung der Ehre Canterburys als illusorisch herausstellen.

2.1.5  Wendepunkte: die gescheiterte Versöhnung von Angers, der Becketmord und der Weg nach Chartres Die Intervention einflussreicher Freunde hatte im Frühjahr 1166 einen vielversprechenden Korridor geöffnet und Johannes blickte mit neuer Hoffnung auf ein Vier-AugenGespräch mit dem König.562 Er sollte bitter enttäuscht werden. Als G ­ arantiebeweis für 560 Detaillierte Analyse der Auswirkungen seiner persönlichen Umstände auf Johannes’ kritische Haltung gegenüber Becket und seinen Aktivitäten: ebd., S. 430 f. 561 Siehe Johannes’ pessimistische Einschätzung der Unterstützungsbereitschaft Ludwigs VII. und potenzieller Helfer auf dem Kontinent ( JvS II, Ep. 136) oder sein berühmter Rat an Becket, sich verstärkt der Meditation und den Moralschriften Gregors des Großen zu widmen, anstatt sich im Argumentarium des Kirchenrechts zu wappnen ( Joannis Saresberiensis: Ep. 144. Cum dominum papam, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 30 – 35). Einen erhellenden Beitrag zur Frage nach Johannes’ Vermittlerrolle am kapetingischen Hof und der Glaubwürdigkeit seiner Darstellungen liefert Julie Barrau: Jean de Salisbury, intermédiaire entre Thomas Becket et la cour capétienne?, in: Aurell/Tonnere: Plantagenêts, S. 505 – 516. Demnach wirkte Johannes weniger als persönliches Bindeglied ­zwischen dem kapetingischen Hof und dem Becketzirkel als durch die Nutzbarmachung seines Netzwerkes und seines Insiderwissens über den Königshof. Barrau beobachtet auch einen merkwürdigen Kontrast z­ wischen pessimistischen Einschätzungen der Unterstützung Beckets durch L ­ udwig VII. und euphorischen Versicherungen seiner Hilfe in Schreiben an insulare Empfänger jenseits des Ärmelkanals. Seine Beteuerungen der Nähe und Vertrautheit mit dem französischen Herrscher entlarvt sie als Inszenierung seiner selbst als unersetzbarem Mediator. 562 Wahrscheinlich ist eine weitere Einwirkung des Petrus von Celle und anderer Freunde, etwa Heinrich von Beaumont, des Bischofelekten von Bayeux oder Bartholomäus von Exeter, deren Unterstützung Johannes erbeten hatte. Siehe JvS II, Ep.144, S. 30 f.; Joannis Saresberiensis: Ep. 137. Gaudeam magis an doleam, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 14 – 17 und ders.: Ep. 150. Post recessum domini papae, S. 48 – 49. Das Treffen wird ausführlich dargestellt in FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 98 – 99. Die in die Zusammenkunft gesetzten Hoffnungen und ihre Zerschlagung durch den Ausgang der Ereignisse erläutert Johannes gegenüber Raimund, dem Kanzler der K ­ athedrale

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seine Königstreue verlangte Heinrich den Eid auf die Konstitutionen von Clarendon und die Abschwur von Becket. In seiner Prinzipientreue hatte Johannes immer versucht, im Disput ­zwischen dem König und dem englischen Primas unparteiisch zu sein und dennoch zu seinen Überzeugungen zu stehen.563 Indem er die Akzeptanz der Konstitutionen zum Prüfstein machte, überspannte Heinrich II. den Bogen.564 Er hatte das eine verlangt, was Johannes als Verfechter der Primatialwürde Canterburys weder für eine Versöhnung mit der Krone noch für die daran geknüpfte ersehnte Heimkehr nach England zu leisten bereit war: die Aufkündigung seiner fundamentalsten Loyalitäten. Die von ihm verlangte Wahl z­ wischen seiner Treue zur K ­ irche und seiner Verpflichtung dem König gegenüber war unmöglich. Seinem Bruder Richard gegenüber klagte der Angelsachse über die untragbaren spirituellen und persönlichen Folgen eines solchen Schrittes: Potueram namque recipere quae michi, ut opinor, per iniuriam auferuntur, si aeterna uellem usquequaque postponere et libertatem spiritus pernicioso et certe periculosissimo artare iuramento […] ego, prout exigebatur, sine dispendio salutis et famae petitam non possem praestare cautionem.565

Die Kompromisslosigkeit des Königs muss Johannes aufgezeigt haben, dass sich der aus dem Konflikt zweier starker Persönlichkeiten geborene Streit zu einem gefährlichen Prinzipienkampf mit großen Implikationen für das kirchliche Leben in England ausgeweitet hatte, zu einem Kontrollprogramm des Königs, das die gesamte englische ­Kirche und deren Beziehungen zur säkularen Gewalt einzunehmen drohte. In Folge veränderte sich Johannes’ Engagement – quantitativ und qualitativ. Johannes von Salisbury wurde zu Beckets tatkräftigem Verteidiger und Berater und zum freimütigen Kritiker all jener, die sich gegen diesen stellten. Zwischen Frühjahr 1164 und Ostern 1166 zeugen über einhundertfünfzig Briefe von seiner Förderung der erzbischöflichen Bemühungen für die Freiheit der ­Kirche. Reims wurde zur Basisstation für Johannes’ ausgedehnten Einsatz zur Werbung neuer Sympathisanten für von Poitiers, in Joannis Saresberiensis: Ep. 167. Puer meus a uobis rediens, in: Later ­Letters, ed. Millor/Brooke, S. 98 f. 563 Zu Johannes’ eigener Einschätzung seiner Politik des Mittelwegs siehe seine Ausführungen gegenüber JvS II, Ep. 139, S. 22 f. Er habe des Königs Ehre niemals absichtsvoll geschmälert und sich immer bemüht seinen Erzbischof zu unterstützen, solange dieser nicht die Grenzen der Gerechtigkeit und des gesunden Menschenverstands übertrat. 564 Über die politische Ungeschicktheit der unflexiblen, königlichen Strategie des Treueeides siehe Duggan: John, S. 436 – 438. 565 Joannis Saresberiensis: Ep. 164. Si affectum aut preces, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 86.

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die Exilierten. Wie ein Prisma sammelte und filterte er alle Neuigkeiten aus England, Frankreich sowie den deutschen und italienischen Reichsgebieten, über den K ­ aiser, seine Gegenpäpste und die Machenschaften des Königs und leitete sie strategisch weiter. Bei ihm liefen die Fäden zusammen. Dank seiner hervorragenden rhetorischen Fähigkeiten und seines weiten Netzwerks von einflussreichen Bekanntschaften über die großen Königreiche hinweg wurde Johannes zum Multiplikator und Motor der Becketschen Propaganda. Eine unschätzbar wertvolle Rolle, die sich im Inhalt seiner zweiten Briefsammlung niederschlug.566 Dementsprechend stellte für Johannes die Abfassung bedeutender Briefzeugnisse eine der großen Aufgaben dieser Jahre dar. Dabei entsprangen seine Aktivitäten einem ureigenen Bedürfnis, einen Beitrag für den Primatialsitz von Canterbury und die hart errungenen Prinzipien kirchlicher Freiheit zu leisten. In dieser Zeit entstand die Historia pontificalis, ein weniger streng historiographisches als vielmehr reflexives Werk über „den Papst in der Gesellschaft, nicht das Papsttum, nicht den Papst als Mensch“ 567.568 Durchaus passend, dass gerade die Angelegenheiten der Kurie in den späten 1140er und frühen 1150er Jahren, in denen die Einheit der K ­ irche noch nicht von Schismen erschüttert worden war, Johannes als Kristallisationspunkt seiner Darlegungen zur Rolle der institutionellen ­Kirche dienten.569 Sein erzbischöflicher Herr wies ihm zumeist untergeordnete Aufgaben zu. Eine Ausnahme bilden die diplomatischen Missionen von 1167 und 1169, auf denen Johannes Reims verließ, um die Lösung des Konflikts durch Gespräche mit den päpstlichen Legaten zu beschleunigen.570 Eventuell reiste er auch zu einer geplanten, aber niemals stattgefundenen Zusammenkunft ­zwischen König Heinrich und Becket in Pontoise.571 566 Eine Zusammenfassung seines Engagements liefern Duggan: John, S. 432 und Nederman: John, S. 32 f. 567 John O. Ward: Some Principles of Rhetorical Historiography in the Twelfth Century, in: Ernst Breisach: Classical Rhetoric and Medieval Historiography, Kalamazoo, MI 1985 (Studies in Medieval Culture, 19), S. 109. 568 Ediert und übersetzt in Historia pontificalis, ed. Chibnall. 569 Vgl. Nederman: John, S. 34. 570 Siehe seinen ernüchternden Bericht über das gescheiterte Treffen im normannischen Planches, ­zwischen Gisors und Trie, im November 1167 ( Joannis Saresberiensis: Ep. 230. Quia te super statu, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 406 – 415 und ders.: Ep. 231. Haec est actio, in: ebd., S. 416 – 423) sowie die Begegnung mit den Kardinallegaten Vivian, Archidiakon von Orvieto und Subdiakon Gratian 1169 (ders.: Ep. 290. Actiones gratiarum debitas, in: ebd., S. 658 – 663). 571 Auch wenn seine eigene Präsenz in seinem Bericht von der Konferenz an Archidiakon B ­ alduin von ­Totnes in Exeter nicht explizit erwähnt wird, zeigt sich Johannes gut informiert. Siehe

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Es waren jene verfahrenen Zeiten, in denen trotz des kontinuierlich steigenden Drucks von außen weder Becket noch der Plantagenêt bereit waren, durch kleinste Zugeständnisse den Frieden zu erkaufen.572 Aufbrandende Konflikte mit Ludwig VII. um die Bretagne, die Auvergne und die Grafschaft Toulouse hatten zur strategischen Belebung der französischen Unterstützung der Exilanten geführt. Im Februar 1170 drohte Thomas Becket kraft seines Amtes als päpstlicher Legat für England mit der Verhängung des Interdiktes über ganz England und der Exkommunikation des Plantagenêt. Auch Heinrichs eigener Kreuzzugsplan oder sein Wunsch nach Festigung seiner Nachfolge durch eine Krönung seines Sohnes, deren Ausführung eines der meistgehüteten Privilegien des englischen Primas war, verlangten zeitweilig nach Einigung. Die englische ­Kirche ächzte unter den Negativfolgen des Konflikts, unter Vakanzen und den vom König eingesetzten Treuhändern. Weltlichen wie kirchlichen Magnaten verlangte es gleichermaßen nach einer Einigung des zermürbenden Streites. So war die endgültige Einigung am 22. Juli 1170 in Fréteval nicht nur ein Wende­ punkt in der Kirchengeschichte des ausgehenden 12. Jahrhunderts, sondern auch in der Biographie des Johannes von Salisbury. Denn mit dem Friedensschluss an der Loire wurden auch Ländereien und Ämter der Exilierten wieder freigegeben. Ihnen stand die Rückkehr nach England endlich offen. Im Zuge dessen wurde Johannes in Stellvertretung des Erzbischofs die Leitung einer Schar von Rückkehrern auferlegt, die jenseits des Kanals in den Gütern der Kirchendiözese Canterbury nach dem Rechten sehen und alles für die Heimkehr des Herrn von Canterbury vorbereiten sollten. Die Aufgabe war ehrenwert, aber unlösbar. Die königlich eingesetzten Offiziellen weigerten sich, offenbar mit königlicher Rückendeckung, standhaft, die Rechte und Güter, die laut Friedensvertrag von Rechts wegen dem Erzstuhl von Canterbury gehörten, in die Obhut ihrer wahren Besitzer zu übergeben. Nichts deutete darauf hin, dass Heinrich II. ernsthaft bereit war, die Schikanen gegen den unliebsamen Primas aufzugeben.573 Einem letzten Vertrauensbeweis von Beckets Seite hatte es Johannes zu verdanken, dass er einer jener Männer war, die mit dem Erzbischof konferierten, als vier Barone Joannis Saresberiensis: Ep. 298. Mitto tibi litteras, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 690 – 697. 572 Siehe Duggan: Becket, S. 162 – 178; Barlow: Becket, S. 198 – 224. Zu letzterem siehe Anne Heslin: The Coronation of the Young King in 1170, in: Studies in Church History 2 (1965), S. 165 – 178 bzw. Anne J. Duggan: The Coronation of the Young King in 1170, in: Duggan: Friends, IV:165 – 178. 573 Die Widerstände, denen Johannes von Salisbury begegnete, schilderte er wenige Tage vor Beckets Tod frustriert seinem Freund Petrus von Celle in Joannis Saresberiensis: Ep. 304. Mora mea rectissime poterat, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 714 – 725.

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des königlichen Haushalts, Reginald FitzUrse, Wilhelm de Tracy, Hugh de Morville und Richard Brito, aufgepeitscht von der Empörung ihres Herrn über die Renitenz des heimgekehrten Erzbischofs, die Kathedrale von Canterbury stürmten.574 Nach Benedikt von Peterborough soll Johannes in diesen Minuten noch einmal versucht haben, Becket von seiner verhängnisvollen Rigidität abzubringen. Wie so oft ließ sich der Erzbischof nicht umstimmen und begab sich stattdessen in symbolischer Demonstration seiner Primatialwürde zur Feier der Vesper in die Kathedrale, wo es im nördlichen Querschiff zur erneuten Konfrontation mit den Baronen kam.575 Als Becket begann, sich aktiv einer Festnahme durch die Männer des Königs zu erwehren, brach ein Kampf aus. Johannes von Salisbury floh in Panik.576 Er sollte die Schwerthiebe, die Thomas Becket niederschlugen, nicht sehen, sondern – wie ­später von Petrus von Celle formuliert – nur sinnbildlich „mit dem Blut des gesegneten Märtyrers benetzt“ 577 werden. Bestärkte ihn ­später dieser schwarze Moment am schicksalsträchtigen 29. Dezember 1170, in dem er aus Furcht um das eigene Leben Zuflucht in den Schatten der Kathe­ drale gesucht hatte und ein einziges Mal nicht für die Primatialwürde von Canterbury eingestanden war, sich fortan umso intensiver der Förderung des Becketkultes zu widmen?578 Jedenfalls hinterließ er als erstes Mitglied der familia des Ermordeten zeitnah eine Beschreibung des schockierenden Geschehens, in der sich in b­ ewegender Weise 574 Siehe Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 429; WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 121 – 123; FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 127 – 129; HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 487. Vincent legt schlüssig dar, dass alle Männer aus dem direkten Umfeld des Königs kamen. So erscheint Hugh de Morville als Zeuge in Clarendon. Ihre Motivation für den Mord lag wahrscheinlich in der Sicherung ihrer Position bei Hofe, da alle substanzielle Besitztümer zu sichern hatten. Zum neuesten Stand der Forschung über die wahre Herkunft der Mörder und ihre Beziehungen zu Heinrich II. oder Becket siehe die wertvollen Ausführungen von Nicholas Vincent: The Murderers of ­Thomas Becket, in: Natalie Fryde/Dirk Reitz (Hg.): Bischofsmord im Mittelalter. Murder of Bishops, Göttingen 2003 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 191), S. 211 – 272. 575 Passio Sancti Thomae Cantuariensis, auctore Benedicto Petriburgensis abbate, in: MTB 2, hier: S. 9. 576 Vgl. FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 139. 577 Vgl. Ep. 102 in PvCelle Letters, ed. Haseldine, S. 419. 578 Der Mord an Thomas Becket gehört zu den am besten dokumentierten Ereignissen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Neben Johannes von Salisbury waren die Beckethagiographen Wilhelm FitzStephen, Benedikt von Peterborough, Wilhelm von Canterbury und Edward Grim Augenzeugen der damaligen Geschehnisse. Ihre Viten zeichnen sich, obgleich in einigen Details voneinander abweichend, durch große Übereinstimmung und Genauigkeit aus. Barlow: Becket, S. 240 – 250 fasst die Geschehnisse zusammen. Zu Johannes’ Bemühungen

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Trauer und Triumph über das vermeintliche Martyrium des Getöteten mischten.579 Obwohl sich Johannes’ Darstellung nicht durch die Detailtreue eines Augenzeugen auszeichnete, begründete sie dank ihrem kongenialen theologischen Unterbau und der rhetorischen Verbrämung den Mythos von Beckets Leiden und Status als Streiter für eine von weltlicher Einflussnahme unabhängigen ­Kirche, aber auch von seiner Wunderkraft, die direkt nach seinem Tod eingesetzt haben soll und die Menschen dazu führte, sein noch warmes Blut in Phiolen aufzufangen.580 Vielleicht war ­dieses Engagement für den Becketkult eine andere, pragmatischere Ausprägung von Johannes’ Eifer, die Würde des Primatialsitzes von Canterbury, seine Vorherrschaft in der ecclesia Anglicana und natürlich auch die Freiheit der K ­ irche vom 581 langen Arm weltlicher Kontrollambitionen zu fördern. Es konnte nicht verhindern, dass in den späten Jahren seines Lebens erneut einer der großen Umbrüche eintrat, die seinen Platz im Leben in Frage stellten. Der Mord an Becket und der anschließende Kraftakt der Versöhnung Heinrichs II. mit Papst Alexander hatten auch das Gesicht der englischen K ­ irche verändert. Beckets eruditi hatten sich in alle Winde zerstreut. Neue Zusammenschlüsse z­ wischen Mitgliedern des Episkopats und einflussreichen Laienadeligen verunsicherten und bedrängten die Kirchenprovinz Canterbury und auch Johannes von Salisbury musste neue Aufgaben finden. Gegenüber Petrus von Celle beklagt er 1173, dass in England nur noch der unbehelligt leben könne, „den der blinde Zorn antreibt oder den der Hl. Geist zum Verächter aller weltlichen Güter macht“ 582. Wie viel verlockender musste ihm die Welt des Kontinents erscheinen, mit deren anregender Geisteswelt, den freundschaftlichen Banden und der Wertschätzung ihn immer noch so viel mehr verband als mit dem nunmehr glanzlosen Hof von Canterbury. Dennoch, auch wenn er im veränderten Gesicht der englischen K ­ irche geahnt haben mag, dass sein Platz nicht mehr auf der Insel lag, oszillierte sein Schaffen während der schwierigen Neubesetzung der cathedra von Canterbury, an der Johannes durch Förderung des ehemaligen Mönches von Christ Church Richard von Dover aktiv beteiligt war, z­ wischen Kent und Dover, wo er alte Freundschaften bewahrt hatte.583 In der frühen Zeit weist kein ihm zugewiesener Titel auf eine bestimmte um die Förderung und Verbreitung des Becketkultes siehe Bollermann/Nederman: Sunset. 5 79 JvS II, Ep. 305. 580 Vgl. BvPeterborough Passio, ed. Robertson, S. 14 – 16. 581 Vgl. Nederman: John, S. 35. 582 Joannis Saresberiensis: Ep. 310. Diuturni causas silentii, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 756 f. Übersetzung nach Guth: Studien, S. 302. 583 Zeugnis für seinen Einsatz für den ehemaligen Mönch aus Canterbury, Prior Richard von Dover, legt ein Dossier von Briefen ab, die zwar an verschiedene Absender – wie das ­Kathedralkapitel

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berufliche Position hin. Ab 1172/1173 trägt er den Titel des Schatzwalters von Exeter. Johannes’ Verbindung zu Bartholomäus ist in dieser Zeit sehr eng. Er bezeugte die Urteile und Rechtshandlungen des Bischofs von Exeter oder anderer Richter wie Richard von Ilchester.584 Offenbar hatte sich Johannes seinen Ruf als Autorität bewahrt, denn ­zwischen 1171 und 1176 taucht er als Zeuge, gelegentlich sogar selbst als Richter, in wichtigen Appellationsangelegenheiten auf.585 Mit den Möglichkeiten und dem Material, die ihm in Exeter und Canterbury zur Verfügung standen, kompilierte er eine zweite Briefsammlung, als deren kohärentes Ordnungsprinzip der Becketdisput diente. Ein briefliches Manifest des Konflikts, das er während des folgenden ­kurzen Dienstes unter dem neuen Erzbischof von Canterbury fortsetzte, aber nicht mehr über das Grobarrangement heraus vollenden konnte, bevor ihn am Magdalenentag, dem 22. Juli 1176, ein Bote des Kathedralkapitels von Chartres eine überraschende Nachricht überbrachte.586 Johannes von Salisbury, der aufgrund seiner langen und schwierigen Beziehung zu Heinrich Plantagenêt im gesamten angevinischen Reich auf keinen kirchlichen Aufstieg mehr hoffen konnte, war zu Ehren des Heiligen Thomas von Canterbury zum Bischofelekten von Chartres erwählt worden.587 Eine Woche nach seiner Weihe in Paris wurde er an Mariä Himmelfahrt, dem 15. August 1176, in der ihm ­anvertrauten Kathedrale inthronisiert. Tatsächlich trugen ein letztes Mal seine persönlichen Bindungen zu den spirituellen und weltlichen Autoritäten seiner Exilheimat Frankreich Frucht. In Kooperation mit seinem Schwager König Ludwig VII. hatte einer der mächtigsten Männer Frankreichs, Wilhelm Weißhand, Urgroßenkel des Eroberers, Neffe Stephans von Blois und ein Sympathisant Canterburys im Becketkonflikt, Johannes’ Wahl durch das Kapitel von Chartres erwirkt. Wilhelm, der in seiner Person die Bischofswürde von Chartres von Christ Church oder Bartholomäus von Exeter – versendet wurden, aber aller Wahrscheinlichkeit alle auf den Entwurf des Johannes von Salisbury zurückgehen. Siehe die Epp. 312 – 321 in Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 766 – 786. Dazu dort auch Brooke: Introduction, S. xlvi. 584 Details und Quellenangaben seiner diesbezüglichen Aktivitäten siehe ebd., Anm. 2. 585 Ein Relikt dieser Tätigkeit könnte der als Joannis Saresberiensis: Ep. 322. Apostolatus uestri, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke edierte Entwurf sein. 586 Näheres zur Entstehung der zweiten Briefsammlung bei Anne J. Duggan: Thomas Becket. A Textual History of his Letters, Oxford 1980, S. 85 – 90, 94 – 98; CTB I, S. xxi–lxviii. Zusammenfassend Nederman: John, S. 36 f. 587 RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 410 – 412 überliefert den Brief des Chartrenser Klerus. Zum Gewicht seiner Beziehung zu Becket in der Erhebung siehe Johannes’ Selbsttitulatur in der salutatio von Joannis Saresberiensis: Ep. 325. Sicut plurimi in diuersis, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke.

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und das Erzbischofsamt von Sens vereinigt hatte, hatte, als sich die Gelegenheit eines Aufstiegs zum Erzbischof von Reims eröffnete, die Gunst der Stunde genutzt, ohne Autoritätsverlust dem Vorwurf des Pluralismus entgegenzutreten und beide Ämter niederzulegen. Chartres aber war ein Bistum der Krone, dessen Besetzung Prärogativ des Königs, der die meisten dieser Diözesen bevorzugt mit Mitgliedern der königlichen Familie besetzte.588 Vor ­diesem Hintergrund musste sich der gealterte Johannes von Salisbury durch wohltuende Unverbindlichkeit empfohlen haben, denn sein fortgeschrittenes Alter bannte die Gefahr allzu selbstbewusster, radikaler Neuorientierungen im Chartrenser Wirkungsbereich. Der Gelehrte aus dem Umfeld des neuen Märtyrers Becket muss als ebenso glänzender wie harmloser Kandidat den Vorstellungen der Familie Blois entgegengekommen sein. Die Zeugnisse – Briefe, Urkunden und Acta – seines Episkopats sind größtenteils nicht ediert.589 Es ist also kein Mangel an Material, der die relative Dunkelheit um seine letzten Jahre bedingt. Nach dem erhaltenen Quellenbefund verlangten nur noch zwei Großereignisse Johannes’ Teilnahme: die Bezeugung des ­zwischen England und Frankreich geschlossenen Vertrags von Ivry im September 1177, in dem sich die Könige unter Vermittlung eines päpst­lichen Legaten auf die Einhaltung ihrer jeweiligen Rechte verpflichteten und einen Kreuzzug vereinbarten, sowie das Dritte Laterankonzil vom 5. März 1179, auf dem ihm im Auftrag Papst Alexanders als Berufungsrichter die Beilegung eines Falls aus dem Königreich England oblag.590 Einen interessanten Blick auf seine differenzierte, vielleicht auch 588 Nederman: John, S. 37 f. hat auf die politische Taktik hinter dieser Entscheidung hingewiesen. Des Weiteren Marcel Pacaut: Louis VII et les élections épiscopales dans le royaume de France, Paris 1957 (Bibliothèque de la Société d’histoire ecclésiastique de la France), S. 105; Elizabeth M. Hallam/Judith Everard: Capetian France 987 – 1328, Harlow 22001, S. 195 f. 589 Die wenigen erhaltenen Briefe aus dieser Zeit wurden zum Großteil nicht in die kritische Edition aufgenommen, da sie nicht Teil der durch Johannes kompilierten Sammlung waren. Eine Auswahl der bei Giles (Joannis Saresberiensis postea episcopi Carnotensis opera omnia, ed. John Allen Giles, 5 Bde., Oxford 1848 (Patres ecclesiae Anglicanae, 27 – 31)) und in früheren Editionen abgedruckten Schreiben werden eingeordnet in Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 809 f. 590 Zu Ivry siehe Recueil des actes de Henri II, roi d’Angleterre et duc de Normandie, concernant les provinces françaises et les affaires de France. Bd. 2, ed. Léopold Victor Delisle/ Élie Berger, Paris 1920. Historiographischer Widerhall: ‘BvPeterborough’ Gesta Regis I, ed. Stubbs, S. 191 – 194; Chronica Magistri Rogeri de Houedene, ed. William Stubbs, Wiesbaden 1964 (ND der Ausgabe London 1869) (RS, 51,2); GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 272 f.; RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 421 f. Erläuternd Warren: Henry, S. 145 f. Zu Johannes’ Teilnahme am Dritten Laterankonzil siehe Jan van Laarhoven: Non iam decreta, sed Evangelium! Jean de Salisbury au Latran III, in: Mario Fois u. a. (Hg.): Dalla

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gewandelte Sicht auf die Welt und die Angelegenheiten der K ­ irche in dieser Zeit eröffnet seine zunehmende Bemühung, vor den Gefahren einer Verrechtlichung des Laienlebens durch die inflationäre Zunahme von Reformgesetzen zu warnen. Der Mann, der für die Rechte der ­Kirche ins Exil gegangen war, sah sich nun berufen, vor dem Forum des Dritten Laterankonzils die Reglementierung des christlichen Lebens zu verurteilen.591 Ob es Johannes gelang, den hehren Zielen seiner eigenen moralethischen Vorstellung auch in seiner neuen Position gerecht zu werden, stellte Petrus von Blois in Frage, indem er den Bischof des Nepotismus bezichtigte.592 Ob Johannes’ Episkopat letztlich als rühmlicher Abschluss seines Lebens gewertet werden kann, wird angesichts ­dieses Zeugnisses und bis zur Edition seiner bischöflichen Urkunden Gegenstand der Diskussion bleiben. Auch wenn eine abschließende Bewertung seiner Amtszeit als Bischof von Chartres noch nicht möglich ist, hat Julie Barrau einen ersten Schritt in diese Richtung unternommen.593 Das Schicksal sollte Johannes vier Jahre als Bischof von Chartres gönnen, bevor er am 25. Oktober 1180 im Alter von über sechzig Jahren die Augen für immer schloss. Das offizielle Nekrologium pries ihn gleichsam als Gelehrten und Pastor. Das Epitaph, das heute noch auf seiner letzten Ruhestätte in der Marienkapelle der Abtei Notre-Dame de Josaphat in Lèves unweit von Chartres zu lesen ist, würdigt seine Persönlichkeit und facettenreiche Ideenwelt: Hunc unum fecit natura scientia proles, Quadruplici studio, quatuor unus erat Paulus, Aristotiles, Plato, Tullius unicus unus.594

Chiesa antica alla Chiesa moderna. Miscellanea per il cinquantesimo della Facoltà di Storia Ecclesiastica della Pontificia Università Gregoriana, Rom 1983 (Miscellanea historiae pontificiae, 50), S. 107 – 119. 591 Vgl. Raymonde Foreville: Latran I, II, III et Latran IV, Paris 1965 (Histoire des conciles oecuméniques, 6), S. 168 – 199 und Hohenleutner: Studien, S. 165. 592 Zu ­diesem und weiteren Quellenbelegen für eine Inkonsequenz z­ wischen frühen Moralvorstellungen und dem Episkopat des Johannes’ von Salisbury siehe Egbert Türk: Nugae curialium. Le règne d’Henri II Plantagenêt (1145 – 1189) et l’éthique politique, Genf 1977 (Hautes Études médiévales et modernes, 28), S. 93 f. 593 Siehe Julie Barrau: John of Salisbury as Ecclesiastical Administrator, in: Grellard/ Lachaud: Companion, S. 129 – 143. 594 Zitiert nach Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 3.

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2.1.6  Werk und Überzeugungen: eine geistesgeschichtliche Einordnung Tatsächlich werden die Pluralität und das Wesen des Johannes von Salisbury über die biographischen Fakten hinaus nur in seinem bemerkenswerten Werk fassbar, das noch heute seine innere Geisteswelt, seine Haltungen und Positionen in den wichtigen Fragen seiner Zeit transportiert. Der Mann des Wortes, der Kirchenpolitiker, Staatsdenker und Ethiker kristallisiert sich am besten in seinem Werkkorpus, das von der mittellateinischen Dichtung des Entheticus über die kritische Auseinandersetzung mit Bildungswelt und Wissenschaftsbetrieb seiner Zeit im Metalogicon oder der moralisierend-philosophischen Staats- und Gesellschaftslehre des Policraticus bis zum quasihistoriographischen Werk der Historia pontificalis und den hagiographischen Vitae reicht.595 Trotz der außerordentlichen Vielfältigkeit des durch den Saresberiensis hinterlassenen Oeuvres lassen sich einige Parallelen und Gemeinsamkeiten in dessen Ausrichtung feststellen, die Goetz treffend als „eine ethische Grundtendenz, ein bis zur Gegenwartskritik schreitendes Engagement in den politischen, kirchlichen und intellektuellen Fragen seiner Zeit, [und] ein besonderes Verhältnis zur antiken Bildung“ 596 umrissen hat. Johannes von Salisbury war ein Kind seiner Zeit und des damaligen Bildungsmilieus in Frankreich, von dem die Geistesströmung ausging, die Haskins in seiner grundlegenden Studie als ‚die Renaissance des 12. Jahrhunderts‘ betitelte.597 Doch das Inselkönigreich England selbst war mehr als nur eine sklavisch rezipierende „Kolonie des intellektuellen französischen Reiches“ 598, sondern Schauplatz 595 Für eine erste Orientierung zu den einzelnen Schriften empfiehlt sich die ausgedehnte Werkschau in Webb: John oder die entsprechenden Überblickskapitel in Nederman: John. 596 Hans-Werner Goetz: Johannes von Salisbury. Werke, in: Lex.MA 5, Sp. 599 – 601. 597 Siehe Charles Homer Haskins: The Renaissance of the Twelfth Century, Cambridge, MA 1990, S. 6 f. Mit einem strukturelleren Ansatz: Peter Dinzelbacher: Structures and Origins of the Twelfth-Century „Renaissance“, Stuttgart 2017 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Band 63). Zur anhaltenden Debatte um die Anwendbarkeit des von Haskins geprägten Oberbegriffs für die große Bandbreite an potenziellen, historischen Repräsentanten siehe Leidulf Melve: ‚The Revolt of the Medievalists‘. Directions in Recent Research on the Twelfth-Century Renaissance, in: Journal of Medieval History 32 (2006), S. 231 – 252. Eine einleitende Quellenkompilation in englischer Übersetzung: Alex James Novikoff: The Twelfth-Century Renaissance. A Reader, Toronto 2017 (Readings in Medieval Civilizations and Cultures, 19). Ferner: Takahasi Jinno: The Spirit of the Twelfth-Century Renaissance – For the Profound Reconsideration of the Twelfth-Century Renaissance, in: Medieval European Studies 1 (2009), S. 19 – 29. 598 Richard William Southern: The Place of England in the Twelfth Century Renaissance, in: Southern: Humanism, S. 158.

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einer ­landesspezifischen Weiterentwicklung jener von Nordfrankreich ausgehenden Anstöße.599 Der angelsächsische Gelehrte aus Old Sarum wurde zu einer der Galionsfiguren dieser Bildungsströmung.600 Während die ältere Forschung sich auf die innovativen Elemente der Philosophie des Johannes von Salisbury und sein Menschen- und Weltbild fokussierte, besinnt man sich aktuell wieder auf die traditionelleren Wurzeln seines Gedankenguts.601 Trotz des terminologischen Anachronismus wurde sein vielschichtiges Gedankengut gern mit dem Etikett eines literarischen Humanismus versehen, der sich an Johannes’ Umgang mit seiner klassischen Bildung und seiner Rezeption der antiken Autoritäten festmachen lassen sollte.602 Mittlerweile ist bekannt, dass Johannes’ Verwendung antiker Klassiker zu einem großen Teil auch auf der Nutzung von Epitomen, Exzerptsammlungen und Florilegien beruhte und sein Augenmerk nicht auf die Durchdringung der Quellen in ihrer Geschlossenheit, Zielrichtung und Aussageabsicht richtete, sondern auf die Selektion im christlichen Empfinden essenzieller Aussagen über die 599 Siehe auch Rodney M. Thomson: England and the 12th-Century Renaissance, Aldershot 1998 (Collected Studies Series, 620). 600 Eine konzise Diskussion der Frage, inwiefern der Terminus Humanismus im Fall des Johannes von Salisbury Verwendung finden kann, führen Early Letters, ed. Millor u. a., S. xxxviii – lii und Nederman: John, S. 41 – 43. 601 Exemplarisch für die perspektivische Wende: Glenn W. Olsen: Twelfth-Century Humanism Reconsidered: The Case of St. Bernard, in: StM 31 (1990), S. 27; ders.: John of Salisbury’s Humanism, in: Claudio Leonardi (Hg.): Gli umanesimi medievali. Atti del II congresso dell’internationales Mittellateinerkomitee, Firenze, Certosa del Galluzzo, 11 – 15 settembre 1993, Florenz 1998 (Atti di convegni, 1), S. 447 – 468; Charles Stephen Jaeger: John of Salisbury, a Philosopher of the Long Eleventh Century, in: Thomas F. X. Noble (Hg.): European Transformations. The Long Twelfth Century, Notre Dame, IN 2012, S. 499 – 520. 6 02 So etwa bei Guth: Studien, S. 280 – 284, der Johannes als einen „ethischen Humanisten“ bezeichnet, einen Terminus, der ebenfalls von Southern (Southern: Chartres; Ders.: Humanism, Ders.: Scholastic I und Ders.: Scholastic II. Den Terminus ‚Humanist‘ beleuchten Olsen: Reconsidered, S. 28 und Olsen: Humanism kritisch. Die Idee des literarischen Humanismus, für den die Vertrautheit mit den Klassikern ein Gradmesser intellektueller Kultiviertheit darstellte, wurde vorrangig vertreten durch Hans Liebeschütz: Mediaeval Humanism in the Life and Writings of John of Salisbury, Nendeln, Liecht. 1980 (ND der Ausgabe London 1950) (Studies of the Warburg Institute, 17), S. 63 – 90. Sie zeigt sich aber auch in Haskins: Renaissance. Siehe ebenfalls die Definition in David Knowles: The Humanism of the Twelfth Century, in: ders. (Hg.): The Historian and Character and Other Essays by Dom David Knowles, Collected and Presented to him by his Friends, Pupils and Colleagues on the Occasion of his Retirement as Regius Professor of Modern History in the University of Cambridge, Cambridge 1963, S. 16 – 30, hier: S. 19: „a wide literary culture, […] a great and personal devotion to certain figures of the ancient world and finally a high value set upon the individual, personal emotions and upon the sharing of experiences and opinions within a small circle of friends“.

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natürliche und übernatürliche Welt.603 Heidnische Philosophen und Historiker wie Platon und Cicero waren für Johannes nur soweit zitierwürdig, wie ihre Lehre mit der christlichen in Einklang gebracht werden konnte. Sein Interesse an der antiken Literatur und Philosophie war daher eher enzyklopädisch als analytisch geprägt.604 Sie war Steinbruch einer nachahmenswerten stilistischen Spracheleganz und Fundgrube für Anekdoten und exempla, aus denen auch im christlichen Sinne Lehren gezogen werden konnten.605 Auch Southerns Idee des scholastisch orientierten Humanismus, der nicht nur die Würde von Mensch und Natur anerkennt, sondern auch danach strebt, durch die Mittel der menschlichen Vernunft Kosmos und Schöpfung zu begreifen, greift im Fall des Johannes von Salisbury zu kurz.606 Sowohl eine gewisse Skepsis gegenüber den Möglichkeiten der menschlichen Verstandeskraft als auch die pragmatischaktive Ausrichtung seiner Studien und literarischen Arbeiten, die sich nie der reinen Kontemplation hingaben, widersprechen d ­ iesem Bild.607 Die Inhalte seiner Werke waren stets in den praktischen Problemen seiner Zeit verankert. Zeit seines Lebens schrieb Johannes mit dem Ziel vor Augen, durch seine literarische Einwirkung in seiner Lebenswelt beobachteten politischen, sozialen und ethischen Missständen zu begegnen. Sein großes Anliegen war der zeitkritische Entwurf alternativer Modelle einer praktischen Ethik für diverse strata der Gesellschaft. Der Kern der von Johannes von Salisbury vertretenen, humanistischen Geisteshaltung lässt sich besser in der Begriffsbestimmung des Terminus fassen, die Gerald Walsh vor Jahrzehnten in Anlehnung an eine auf die Renaissance bezogene Definition auf den hochmittelalterlichen Humanismus anwendete. Walsh versteht diesen als „the idea that a human being is meant to achieve, during life, a fair measure of human happiness“ 608. Dieses Streben nach Glück müsse auf ethisch vertretbare Weise erfolgen. Tatsächlich umspannt diese Definition viele Charakteristika der ­Geisteswelt 603 Vgl. Janet Marion Martin: John of Salisbury as Classical Scholar, in: Wilks: World, S. 179 – 201, die zeigen konnte, dass Johannes sich auf Bände aus den Bibliotheken der Abteien St. Augustine’s und Christ Church in Canterbury stützte. 604 Vgl. Early Letters, ed. Millor u. a., S. xliii. 605 Zu Verwendung von Exempla durch Johannes von Salisbury siehe Moos: Use und Ders.: Geschichte. 606 Vgl. Southern: Humanism, S. 29 – 60; Ders.: Scholastic I, S. 17 – 45 und Charles S­ tephen Jaeger: The Envy of Angels. Cathedral Schools and Social Ideals in Medieval Europe 950 – 1200, Philadelphia 1994, S. 278 – 291. 607 Vgl. Nederman: John, S. 42. 608 Gerald Groveland Walsh: Medieval Humanism, New York 1942 (The Christendom Series), S. 1. Der Definition folgt Nederman: John, dem die weiteren Ausführungen verpflichtet sind.

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des Johannes von Salisbury, der nicht zweifelte, dass es einen vorgeschriebenen Pfad zum irdischen Glück gebe, den jeder, der es aufrichtig wolle, verfolgen könne. Sein christliches Verständnis d­ ieses Königswegs zu verkünden, sah er als seine Aufgabe. Sein Mittel war der Policraticus. Er zeigt auf, ­welche Gefahren am Wegesrand lauerten, warnt davor, wie die Arglosen durch vermeintliche, irdische Quellen des Glücks (nugae curialium), die schillernden Fallstricke des höfischen Lebens, in die Irre geführt werden konnten. Doch er schildert eben auch den Schlüssel zum Erfolg: Wer standhaft den Spuren der Philosophen (vestigiis philosophorum) folge, tugendhaft lebe und seine Weisheit durch das Studium der Autoritäten, ob christlich oder heidnisch, mehre, könne das Glück erlangen. Im Kern dieser Lehre standen zutiefst christliche Ethik- und Moralvorstellungen, die sich selbstverständlich mit den Ansichten verbanden, die Johannes von Salisbury über die K ­ irche und die höfische Gesellschaft, aber auch der drängendsten Frage seiner Zeit hegte – dem wechselseitigen Verhältnis z­ wischen regnum und sacerdotium. In diesen Bezugsrahmen müssen auch seine Aussagen zum alexandrinischen Schisma eingeordnet werden, will man ihnen interpretatorisch gerecht werden. Im Folgenden widmen wir uns daher dem Ausschnitt seines Oeuvre, der ein Fenster zu jenem Teil der Geisteswelt des gelehrten Angelsachsen eröffnet, der seinen Blick auf die große universalkirchliche Krise seiner Zeit, das alexandrinische Schisma, formte.

2.2  Die schismabezogenen Schriften des Johannes von Salisbury Das Augenmerk des Arnulf von Lisieux lag darauf, im Kampf um die Deutungshoheit die alexandrinische Perspektive in England zu verbreiten. Er kümmerte sich wenig um die ureigenen Belange, Bedürfnisse und Bedrängnisse der ecclesia Anglicana. Näher standen ihm die Gefährdungen, denen sich der englische König ausgesetzt sah. Die Quellen, die ein Fenster zur Gedankenwelt des Normannen eröffnen, sind funktionaler Art. Sie sind kühl-rationale Apologie, Invektive, Propaganda oder Eigendarstellung auf hohem rhetorischem Niveau, keine schriftliche Niederlegung persönlicher, vielleicht sogar emotional gefärbter Wahrnehmungen, wie man sie sich zur Gewinnung eines differenzierten zeitgenössischen Schismabilds wünschen mag. Auch fehlt ihnen die Einordnung in einen breiteren Bezugsrahmen. Arnulfs Schisma wirkt wie durch ein Fernrohr betrachtet. Artikulierte und reflektierte Positionierungen zu Ursprung und Auswirkungen der Kirchenspaltung auf die englische ­Kirche oder zur ethischen Wertung einzelner Akteure und Parteien sucht man vergebens. All dies bietet uns Johannes von Salisbury.

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Kirchenspaltung und Becketkonflikt waren spürbare Ausläufer einer immer noch nebulösen Gemengelage ­zwischen herrscherlicher und klerikaler Autorität und ihre Erschütterungen auf die Individuen, die ­Kirche und das Gemeinleben Englands übten einen wichtigen Einfluss auf die Werke des Johannes von Salisbury aus. Die literarische Produktivität des Angelsachsen und die gute Überlieferungslage seiner Werke erleichtern dabei den Zugang zu seinen ethischen und kirchenpolitischen Überzeugungen. Generationen von Historikern, Kirchenhistorikern und Politikwissenschaftlern haben sich in monographischem Umfang mit den in seinem breit gefächerten Oeuvre niedergelegten Vorstellungen befasst.609 Trotz des immer noch klassischen Sammelbandes von Michael Wilks, der Person und Werk des Saresberiensis umfassend beleuchtete, ist das Interesse an dem großen Kopf der englischen Geistesgeschichte, seinem politischen und ethischen Erbe oder seiner Rolle im Becketkonflikt groß genug für die Publikation eines Handbuches, das auf neuestem Stand der Forschung Johannes’ Platz in den politischen Debatten und der Kirchengeschichte seiner Ära neu ausloten will.610 Die zeitliche Streuung der saresberiensischen Zeugnisse ist glücklich. Jene Werke, die prägnant den geistigen Hintergrund seiner Schismawahrnehmung aufzeigen könnten (i. e. Policraticus und Metalogicon), entstanden im Kern in Etappen z­ wischen 1156 und 1159, also noch vor Ausbruch des Schismas. Der Entheticus maior wurde sogar noch vor dieser Zeit in den ersten achtzehn Monaten der Herrschaft des jungen Heinrich Plantagenêt verfasst, während Johannes die Historia pontificalis in der Frühzeit des Reimser Exils um die Mitte der 1160er Jahre schrieb. Es kann also nicht nur problemlos die Entwicklung des saresberiensischen Gedankenguts über einen Zeitraum von mindestens einem Jahrzehnt hinweg verfolgt werden, sondern auch über jene Jahre, in denen die beiden großen Krisen des Schismas und des B ­ ecketdisputs die englische ­Kirche erschütterten. Im Kontext unserer Fragestellung rücken vor allem Johannes’ Ansichten über die ­Kirche als lokal und überlokal agierender Institution, die Grenzen und Privilegien des Papsttums als deren personeller Spitze sowie seine Idealvorstellung einer selbstbestimmten Priesterschaft samt der bildlichen Darstellung dieser Zusammenhänge in den Fokus. Was versteht Johannes von Salisbury unter libertas ecclesiae? Sieht er diese in Gefahr, bestimmt sie seinen Schismabegriff ? Trennt er den Schismatiker vom Häretiker? 609 Exemplarisch: Schaarschmidt: Johannes; Hohenleutner: Studien; Miczka: Bild; Guth: Studien; Liebeschütz: Humanism. Einen Überblick über die teils noch grundlegende ältere Forschung geben Hohenleutner: Literatur und David Edward Luscombe: John of Salisbury in Recent Scholarship, in: Wilks: World, S. 21 – 37. 610 Wilks: World und Grellard/Lachaud: Companion.

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Ein differenziertes Bild verlangt auch eine Betrachtung der gegnerischen Partei. Bedeutendster Gesichtspunkt ist dabei die im Policraticus niederlegte Fürsten- und Tyrannenlehre. Als Entwurf eines Idealbildes des guten Fürsten und eines Schreckbilds des rex iniustus bildet sie für Johannes die Grundlage für die Wertung der Autorität und Position herrscherlicher Akteure wie des englischen Königs oder römischen Kaisers. Auch das Gewaltenverhältnis und die bestmögliche Koexistenz von regnum und sacerdotium werden reflektiert. Ein weiterer Komplex thematisiert zwar nicht unmittelbar die großen Autoritäten der Zeit, ­Kirche und Königtum, ist aber dennoch essenziell für unser Verständnis des saresberiensischen Blicks auf seine Gegenwart. Ähnlich wie Arnulf von Lisieux die Ereignisse der Gegenwart entweder vor dem Hintergrund der Vergangenheit deutet oder diesen Bedeutungen beimisst, bilden historische Exempla (biblische eingeschlossen) bei Johannes von Salisbury ein wirkungsvolles persuasives Mittel. Seine Bewältigungsstrategie ist daher eng mit seinem Geschichtsbild verbunden. Auf d­ iesem Weg kann das breite Panorama jener philosophischen, ethischen und politischen Ideen gezeichnet werden, das zum Verständnis der Korrespondenz des Johannes von Salisbury unabdingbar ist. Schriften wie der staats- und gesellschaftsphilosophische Traktat Policraticus und die Historia pontificalis, eine memoirenhafte Beschreibung der Beziehungen ­zwischen England und dem Papsttum um die Mitte der 1140er Jahre, geben noch heute Auskunft über die Überzeugungen und Wertvorstellungen des Johannes von Salisbury. Entheticus maior und Metalogicon liefern zusätzliche Hinweise auf Johannes’ Tyrannen- und Schismabild.

2.2.1  Werkschau: Entstehung und Ausrichtung der schismabezogenen Schriften Bevor in einem zweiten Schritt der Fokus auf die ideengeschichtlichen Inhalte rücken wird, werden Abfassung und Zuschnitt der für diese Untersuchung relevanten Werke in den Blick genommen. Um die Genese der Interessen und ideengeschichtlichen Überzeugungen des Johannes von Salisbury dabei besser nachzuvollziehen, empfiehlt sich ein chronologischer Ansatz.

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2.2.1.1  Ruhe vor dem Sturm: Entheticus maior, Policraticus und Metalogicon Bereits in der Mitte der 1150er, wahrscheinlich ­zwischen 1154 und der Mitte des darauffolgenden Jahres, hatte Johannes von Salisbury in einem heute unter dem Namen Entheticus maior geführten satirischen Versgedicht die systemische Kultur des Königshofes und ihre Auswirkungen auf die moralischen, sozialen und charakterlichen Dispositionen jener thematisiert, die eng genug mit dieser verbunden waren, um deren Einflüssen zu unterliegen.611 Ein passender Zuschnitt, begleitete das Werk doch eventuell an Johannes’ statt den jungen Thomas Becket auf dem Weg zu seiner Anstellung bei Hofe.612 Johannes’ persönliche Erfahrung mit den Schattenseiten höfischer Intrigennetze hatte seine bisherige, leichtherzig humorvolle Kritik an Korruption, Materialismus und moralischer Verkommenheit des Hofes jäh zur Banalität verkommen lassen. Dem Wunsch nach komplexerer und ernsthafterer Durchdringung der Materie kam er daher ab dem späten Jahr 1156 mit der Arbeit an den ersten Teilen eines kleinen Traktats über Philosophie und Fortuna, einer Art tröstender Meditation in der persönlichen Krise nach.613 Aus den Lehren der Neuen Akademie und der klassischen antiken Philo­sophenschulen ergründete die Schrift Richtungsweisungen für den 611 Ediert in: Entheticus, ed. van Laarhoven. In der Datierung folge ich Nederman: John, S. 17 – 19. Er argumentiert, dass die optimistisch inhaltliche Ausrichtung des Entheticus mit Beckets zunehmender Missachtung kirchlicher Interessen als Kanzler Heinrichs II. nicht in Einklang zu bringen sei. Seit seiner Amtseinführung 1155 hatte der junge Kanzler durch seine Politik zunehmend die Hoffnungen seines Förderers Theobald von Canterbury, er möge als starke Stimme für die kirchliche Freiheit bei Hofe wirken, enttäuscht. Der Bruch ­zwischen ihnen ist seit Mitte 1156 in der erzbischöflichen Korrespondenz greifbar. Siehe Early Letters, ed. Millor u. a., S. 35 f. Zudem zeigt der Entheticus noch eine deutliche Fixierung auf die Herrschaft Stephans von Blois, was nahelegt, dass Heinrich II. erst am formativen Anfang seiner Regierung stand. 612 Zum moralischen Begleitcharakter und dem Zuschnitt des Werks auf Becket, sein neues Amt und seine Position siehe ausführlich Karen Bollermann/Cary J. Nederman: John of Salisbury and Thomas Becket, in: Grellard/Lachaud: Companion, S. 66 – 69, die den Entheticus als „travel guidebook to the alien world of secular political affairs and as reminder to Becket that he was not ultimately a member of the temporal realm“ (S. 67 f.) bezeichnen. 613 Johannes identifiziert die Schrift als Selbsttrost: Policraticus II, ed. Webb VII, Prolog, S. 91 – 92. Diese erste Beschäftigung mit dem späteren Policraticus umfasste die Teile 7 (Prolog, Kap. 1 – 16, 25) und 8 (Prolog, Kap. 1 – 14, 24, teilweise 25). Die Identifizierung dieser Passagen ist ein Verdienst von Kerner: Struktur, S. 114 – 116. Die Tatsache, dass sich ähnliches Gedankengut in den Briefen aus der Zeit seines Misskredits bei Hofe findet, weist auf die Entstehungszeit dieser Kapitel hin.

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Weg zu einem politisch und gesellschaftlich weisen, tugendhaften und gottgefälligen Lebensglück. Gleichsam entlarvt Johannes darin die hedonistischen Irrwege der Höflinge, die sich dem Epikureismus verschrieben und somit in seinen Augen „in allen Dingen zu Sklaven ihres eigenen Willens“ 614 gemacht hatten. Während diese sich durch ihre Exzesse die menschliche Erfüllung versagten, findet Johannes Trost in dem Gedanken, dass ein Lebensweg auf dem Pfad von Tugend und Weisheit allen Widrigkeiten trotze. Ähnliches Gedankengut findet sich in seiner Korrespondenz während der Zeit seines Misskredits bei Hofe. Wahrscheinlich entstanden die entsprechenden Kapitel zeitgleich zu diesen Briefen. Neben seinen professionellen Verwaltungsaufgaben setzte Johannes die Arbeit an der fragmentarischen Schrift fort und erweiterte sie unter dem Titel Policraticus, sive nugae curialium et vestigiis philosophorum zu seinem Hauptwerk, einem breiteren, für die Praxis des Verwaltungsklerikers verfassten Ratgebers über die Herausforderungen und Fährnisse höfischen Lebens.615 Der Policraticus war Abrechnung mit den epikureischen Tendenzen des Königshofes, Leitfaden zum tugendhaften Leben und Verteidigung intellektueller und moralischer Freiheit zugleich.616 Buch I bis VI beleuchten kritisch das öffentliche Verhalten des Herrschers, seiner Höflinge und des Verwaltungsapparates. Hierin entwickelt Johannes die Unterscheidung z­ wischen einem guten Fürsten und einem Tyrannen und seinen b­ erühmten 614 Policraticus II, ed. Webb VIII, Prolog, S. 227. 615 Maßgebliche Edition ist immer noch Policraticus, ed. Webb. Für die ersten vier Bücher abgelöst durch Policraticus, ed. Keats-Rohan, die dem Text eine breite Manuskriptbasis zugrunde legt und somit Erst- und Zweitversion des Werkes abbildet. Eine vollständige englische Übersetzung des Werks ist nur durch Zusammenschau folgender Werke möglich: The Statesman’s Book of John of Salisbury. Being the 4th, 5th, 6th Books and Selections from the 7th, 8th Books of the Policraticus, translated by John Dickinson, New York 1927 sowie Frivolities of Courtiers and Footprints of Philosophers. Being a Translation of the First, Second, and Third Books and Selections from the Seventh and Eight Books of the Policraticus of John of Salisbury, ed. Joseph B. Pike, Minneapolis, Minn. 1938. Weitere (Teil-)Übersetzungen: Le Policraticus de Jean de Salisbury, traduit par Denis Foulechat (1372) livre IV (manuscrit no 24287 de la B. N.), ed. Charles Brucker, Nancy 1991 (Travaux du C. R. A. L., 3); Le policratique de Jean de Salisbury (1372), Livre I – I II, ed. Denis Foulechat/Charles Brucker, Genf 1994 (Publications romanes et françaises, 209); Le policratique de Jean de Salisbury (1372), Livre V, ed. Denis Foulechat/Charles Brucker, Genf 2006 (Publications romanes et françaises, 242); Joannis Saresberiensis: Policraticus. Of the Frivolities of Courtiers and the Footprints of Philosophers, ed. Cary J. Nederman, Cambridge u. a 2007 (Cambridge Texts in the History of Political Thought); Policraticus. Eine Textauswahl. Lateinisch-Deutsch, ed. Stefan Seit, Freiburg i. Br. 2008 (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters, 14). 616 Unter Epikureern verstand er Menschen, die sich sklavisch dem Postulat ihres eigenen Willens unterwarfen: Policraticus II, ed. Webb, S. 227.

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organologischen Entwurf des Gemeinwesens. Buch VII und VIII umspannen den Kern des Werkes, sozusagen das politische Programm des Policraticus. In ihnen identifiziert Johannes von Salisbury den trügerischen epikureischen Lebenswandel seiner Zeit als Ursprung der Entfremdung der menschlichen Seele vom spirituellen und gesellschaftlichen Wohl einer tugendhaften vita beata.617 Heilmittel zeitgenössischer Hindernisse auf dem Weg zur Erfüllung s­ eien Bildung und Philosophie. Unter Rückgriff auf seine Tyrannenlehre wendet sich Johannes am Schluss der Definition weltlicher und geistlicher Tyrannen sowie einer analytischen Betrachtung der Natur und der Entstehung von Papstschismen zu. Diese Passagen sind für diese Arbeit von zentraler Bedeutung. Vor Verbreitung der Nachricht vom Tod Hadrians IV., aber spätestens bis Anfang Oktober 1159 muss die Redaktion am Policraticus abgeschlossen worden sein, so dass erste Entwürfe des Textes mit Bitte um Kommentierung an den auf dem Feldzug gen Toulouse weilenden Becket und an Petrus von Celle gesendet werden konnten.618 Allerdings hat Johannes von Salisbury vor seinem Gang ins Exil Teile dieser ersten Edition überarbeitet.619 Die geringfügigen Korrigenda erschöpfen sich zumeist in der Ergänzung einzelner Sätze oder der Ersetzung einzelner Wörter.620 Da sie bisher nur für die ersten vier Bücher des Policraticus nachgewiesen sind, ist die Frage der Edition vernachlässigbar. Die Widmung der abgeschlossenen Endversion des Policraticus an Thomas Becket wurde in der Forschung viel diskutiert.621 Viele Zeitgenossen suchten literarisches 617 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan, I, 1, S. 27 – 28 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 18 f.). 618 Vgl. JvS I, Ep. 111, S. 182, in dem auch von der Versendung eines Zweitexemplars an den Kanzler die Rede ist. Die gesamte Hinweislage der abschließenden Arbeiten diskutiert eingehend Kerner: Struktur, S. 111 – 113. 619 Die Beobachtung fußt auf dem Manuskript London, British Library, Royal 13 D IV, das auch der Webb-Edition zugrunde lag. In ­diesem Textzeugen wird der Erstversion des Policraticus durch eine zweite Hand die Änderungen der Zweitedition in Form von Randkorrigenda hinzugefügt. Siehe die Neuedition von Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. xix – xxv, besonders: S. xxii – xxiii. 620 Vgl. ebd., S. xxxix. 621 Die Widmung an Becket ergibt sich aus Johannes’ Aufforderung an den Kanzler als ‚Schutzherr‘ und literarischer Patron des Policraticus zu fungieren. Siehe ebd., S. 9 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 2). Diskussion der dieser Widmung zugrunde liegenden Motive bei Kerner: Struktur, S. 96 – 101. Die Intention des Johannes von Salisbury, mittels des Policraticus durch den Kanzler auf die Amtsführung Heinrichs II. einzuwirken hat auch schlüssig unterstrichen: Julie Barrau: Ceci n’est pas un miroir, ou le Policraticus de Jean de Salisbury, in: Frédérique Lachaud (Hg.): Le prince au miroir de la littérature politique de l’Antiquité aux Lumières, Mont-Saint-Aignan 2007, S. 87 – 111. Nach ihr war der Policraticus nicht als ein Handbuch für

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­Patronat für ihre Werke und da man irrtümlicherweise lange davon ausging, dass Johannes noch 1159 eine persona non grata bei Hofe gewesen sei, unterstellte man auch ihm die eigennützige Hoffnung auf Fürsprache Beckets als zweitmächtigstem Mann im Königreich.622 Oder liegt eine genuine Sorge um das christliche Seelenheil des für seinen aufwändigen Lebensstil berüchtigten Kanzlers der Widmung zugrunde?623 Stellte Becket in Johannes’ Augen ein Beispiel des selbstzentrierten, vor der göttlichen Botschaft verschlossenen epikureischen Höflings aus dem Zentrum des Traktats dar?624 Cary Nederman und Karen Bollermann argumentieren, dass es sich beim Policraticus nicht wie bislang angenommen um ein allgemeines, aus Freundschaft gegenüber dem frisch aufgestiegenen Kanzler anvertrautes Handbuch für den Weltkleriker im Dienst weltlicher und kirchlicher Institutionen handelt, sondern um eine direkt auf Beckets Person abzielende Warnung, die diesen von seinen royalistischen Tendenzen der späten 1150er Jahre wieder auf den rechten Weg führen sollte.625

den Herrscher konzipiert. Die Marginalia des Manuskriptes wiesen deutlich Thomas Becket als primären Adressaten aus. Diese Ansicht, aber hergeleitet durch andere Momente, vertreten jüngst auch Cary J. Nederman/Karen Bollermann: ‘The Extravagance of the Senses’: Epicureanism, Priestly Tyranny, and the Becket Problem in John of Salisbury’s Policraticus, in: Studies in Medieval and Renaissance History 8 (2011), S. 1 – 25. 622 Siehe seine Bitte um Patronat im ersten Prolog: Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 9 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 1 f.). Außerdem: Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 31 – 33 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 23 f.); Policraticus II, ed. Webb VI, 30, S. 88 – 89 und VIII, 25, S. 424. Vertreter der Patronatstheorie: Schaarschmidt: Johannes und Liebeschütz: Humanism, S. 15 – 18. 623 Die Prachtsucht Beckets musste durch die späteren Vitenschreiber in der Darstellung seiner conversio gerechtfertigt beziehungsweise positiv konnotiert werden. Siehe Michael Staunton: Thomas Becket’s Conversion, in: Anglo-Norman Studies 21 (1999), S. 192 – 212. Besonders prominent sind die Schilderungen des Wilhelm FitzStephen aus dem Becketzirkel: ­FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson Kap. 14, 19 – 21, S. 24 f., 29 – 33. 624 Dessen Definition in: Policraticus II , ed. Webb, VIII , 25, S. 423– 424. Zum literarischen Patronat: Eleonor Rathbone (Hg.): The Influence of Bishops and Members of Cathedral Bodies in the Intellectual Life of England 1066 – 1216, Diss. phil. University of London, London 1936, S. 474. 625 Vgl. Nederman/Bollermann: Extravagance. Sie verweisen nicht nur auf die stufenweise Entstehungsgeschichte des Traktats, sondern den auf Becket weisenden unkonventionellen Zuschnitt der saresberiensischen Kritik am Epikureismus unter dem (nicht nur höfischen) Weltklerus der Zeit und sein Idee des kirchlichen Tyrannen als eines Priesters, der implizit von epikureischen Leitzielen (Heuchelei, Exzess, Selbstzentriertheit, sinnliche Begierde, Stolz, Neid, Ehrgeiz, Schmeichelei) bestimmt wird. Dessen Personifizierung habe Johannes damals in dem luxusverwöhnten Aufsteiger Becket erblickt. Weitere Argumente, etwa durch eine Neubewertung der Thomasvita aus Johannes’ Feder, werden als zukünftige Forschungen in Aussicht gestellt.

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Epikureischen Tendenzen musste insbesondere bei einem Mann in solch prominenter Position in ­Kirche und bei Hofe nicht ausschließlich zu seinem eigenen Seelen­ heil entgegengetreten werden. Man versprach sich von Becket nicht weniger als die Interessensvertretung des Primatialsitzes von Canterbury und der ecclesia Anglicana am Königshof. Tatsächlich aber häuften sich seit seinem Aufstieg die umstrittenen Maßnahmen des Kronkanzlers.626 Ab 1155 kühlten sich die Beziehungen des erzbischöflichen Haushalts in Canterbury zu Thomas Becket erkennbar ab. Max Kerner merkte an, dass die kritischen kirchenpolitischen Passagen des Policraticus mit der panegyrischen Erhöhung Beckets unvereinbar s­ eien. Während er diese zum üblichen Lobpreis des potenziellen Schutzherrn der Schrift, eine Art captatio benevolentiae, erhöhte, erklärte er die kritischen Passagen zu späteren redaktionellen Ergänzungen, die dem Werk im Kontext des Toulouse-Feldzugs und der Entwicklungen des Jahres 1159 eine direktere und praktischere normative Ausrichtung auf den englischen Kanzler – und damit auch für das Gemeinwohl der englischen ­Kirche und des englischen Volkes – geben sollten.627 Diesen scheinbaren Widerspruch lösen Bollermann und Nederman elegant auf, indem sie die panegyrischen Passagen als geschickte Ironie entlarven.628 Niedergeschrieben wurde der Policraticus folglich als ein Becket gewidmeter, moral- und staatsphilosophischer Traktat über eine gottgefällige Lebensweise und ein menschenwürdiges Gemeinwesen, der – anders als ein klassischer Fürstenspiegel – nicht nur die Rolle des Königs beleuchtete, sondern das gesamte System der sozialen Stände mit einbezog.629 Mit dem Aufstieg und der Entfremdung Beckets gegenüber den Interessen kirchlicher Freiheiten und dem Toulouse-Feldzug im Sommer und Herbst 1159 erhielten die Ausführungen der Schrift eine ganz eigene Brisanz, die nicht zuletzt auch auf den Kanzler persönlich einwirken sollte.630 Diese Ausrichtung des Policraticus als zukunftsgerichtete ethische Staatsphilosophie sollte als zentrales 626 Insbesondere belastete er die englischen Landeskirche zusätzlich durch die seine kostspieligen militärischen Exkurse finanzierende Besteuerung (scutagium) und seine Nachlässigkeit in der Wiederbesetzung vakanter Bistümer. Zusammenfassend: ebd., S. 5. Für den Fall der Vakanz in Exeter siehe JvS I, Ep.128, S. 223. 627 Vgl. Kerner: Struktur, S. 100. 628 Vgl. Nederman/Bollermann: Extravagance, S. 21 f. 629 Zur Gattungsdiskussion siehe ausführlich Barrau: Miroir. Die Dominanz des gesamtsozialen Aspektes der Gesellschaftslehre, der gegen einen dezidierten Fokus auf die Herrscherfigur spricht, betonen auch Bass: Metaphor und Nederman: Significance. 630 Zur Genese der politischen Aussage, die sich aus der Integration der philosophischen Gedankenspiele aus den aufgezeichneten Büchern VII und VIII mit allgemeinen gesellschaftlichen Teilen des Policraticus wie etwa der organologischen Staatslehre ergab, siehe Nederman/ Bollermann: Extravagance, S. 1 – 5.

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­ lement auch der kirchenpolitischen Aussagen im Blick behalten werden. Sie macht E ihn zum Zeugnis vom Vorabend einer Umwälzung, die mit dem Ausbruch des Schismas im September 1159 bereits unmerklich Gestalt angenommen hatte. Die Dichte gelehrter Referenzen auf biblische, philosophische und theologische Autoritäten, mit denen Johannes seinem Argumentarium Gewicht verlieh, verweist auf Canterbury als Entstehungsort. Ohne den Florilegienbestand der vorbildlichen Bibliotheken von Christ Church und der Abtei St. Augustine’s wäre der Policraticus undenkbar.631 Dabei stützte Johannes von Salisbury sich auf mehrere Quellenarten: Das Werk ist zum einen von einer Vielzahl zum Teil äußerst feinsinniger, biblischer Referenzen aus beiden Testamenten durchwoben. Vorrangstellung haben die alttestamentarischen Bücher der Propheten, das Buch Deuteronomium, das in der Lehre des Idealherrschers eine große Rolle spielt, sowie das Buch der Weisheit. Zudem ist Johannes in den Schriften der Kirchenväter, besonders in jenen des Augustinus und Hieronymus, versiert, zeigt aber auch Kenntnisse anderer antiker und frühchristlicher Autoritäten wie der Historiographen Orosius und Sueton.632 Letztlich fußte die Lehre des Policraticus aber auch auf den klassischen Lehren der heidnischen Philosophie. Obgleich die zentralen politischen Traktate und Ideen des Cicero, De legibus und De re publica, im mittelalterlichen Westen nicht verbreitet und Johannes nur durch die Vermittlung durch Laktanz und Augustinus bekannt waren, hegte er eine Vorliebe für den großen Rhetoriker, die in der Analogie ihrer Lebenssituationen z­ wischen der Liebe zur Philosophie und der politisch-administrativen Welt gegründet haben könnte.633 Andere Zeugen lateinischer Schriftlichkeit, die Johannes von Salisbury sich für seine eigenen Doktrinen zu eigen machte, waren die Poeten Lucan, Ovid, Virgil und Horaz. Im Bereich der griechischen Philosophie werden Ideen des Sokrates, Pythagoras oder Herodot und versprengtes Wissen über Platon rezipiert. So lagen Johannes ein Kommentar des Timäus sowie eine lateinische Übersetzung vor. Dieses eher rudimentäre Wissen war kein Vergleich zu Johannes’ ausgiebiger Kenntnis 631 Hierzu die Forschungen von Janet Martin: Janet Marion Martin (Hg.): John of Salisbury and the Classics, Diss. phil. Harvard University, Cambridge, MA 1968; dies.: Uses of Tradition: Gellius, Petronius, and John of Salisbury, in: Viator 10 (1979), S. 57 – 76 und dies.: Scholar. 632 Vgl. ebd. 633 Birger Munk-Olsen: L’humanisme de Jean de Salisbury. Un ciceronien au 12e siècle, in: ­Maurice de Gandillac/Édouard Jeauneau (Hg.): Entretiens sur la Renaissance du 12e siècle. 21. au 30. juillet 1965, Paris 1968, S. 53 – 83, hier: S. 53 – 69. Zu Johannes’ Lektüre des Laktanz im Spiegel seiner Annotationen siehe Christophe Grellard: Une lecture médiévale de Lactance: Le Lactantius de Jean de Salisbury, in: Rivista di storia e letteratura religiosa 53, 3 (2017), S. 581 – 599.

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des aristotelischen Organon. Die moralischen und politischen Ideen des Aristoteles konnten nur durch die Erschließung der sechs Traktate aristotelischer Logik in die Moral- und Gesellschaftsphilosophie des Saresberiensis eingehen.634 Etwa zur selben Zeit wie der Policraticus, das heißt mit Unterbrechungen z­ wischen Mitte 1157 und Ende 1159, entstand das Metalogicon, eine in Prosa abgefasste, aus der eigenen Erfahrung entsprungene Kritik der Bildungsinhalte und pädagogischen Methoden des zeitgenössischen Wissenschaftsbetriebs, die jedoch bis auf einen k­ urzen Kommentar über die aktuelle Lage der K ­ irche nach dem Tod Hadrians IV. und den Ausbruch des Schismas nur untergeordnete Bedeutung für diese Studie hat.635

2.2.1.2  Unter dem Eindruck der Kirchenspaltung: die Historia pontificalis Den Anstoß zur Abfassung seines einzigen historiographischen Werks, der Historia pontificalis, gab Johannes’ intimus Petrus von Celle.636 Die Historia ist eine für die mittelalterliche Geschichtsschreibung einzigartige Mischung aus Memoiren, philosophischem Traktat und geschichtlichem Bericht über die Angelegenheiten der Kurie. Ihre Niederschrift war nicht nur eine Art Wiedergutmachung für die großzügige Aufnahme in Saint-Remi, sondern konnte Johannes’ dunkle Stunden im französischen Exil mit dem Trost einer intellektuellen Aufgabe füllen. Inhaltliche Grundlage sind die Geschehnisse am päpstlichen Hof vom Reimser Konzil anno 1148 bis in die frühen 1150er Jahre. Die Historia vermittelt den Eindruck einer Weltchronik, stellt aber im Eigentlichen Johannes’ Erinnerungen an den päpstlichen Hof während seiner frühen Beschäftigungen an der Kurie dar. Gelehrte Anspielungen und Exkurse beeinträchtigen stellenweise die Lesbarkeit, werden aber durch 634 Siehe die gesammelten Studien der Forschung von Nederman in Cary J. Nederman (Hg.): Medieval Aristotelianism and its Limits. Classical Traditions in Moral and Political philosophy, 12th – 15th Centuries, Aldershot 1997 (Collected Studies Series, 565). 635 Ediert in: Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan. 636 Edition und Übersetzung: Historia pontificalis, ed. Chibnall. Der Titel ist eine moderne Zuschreibung. Der Prolog der Historia pontificalis legt nahe, dass Petrus um eine Fortsetzung der Chronik des Sigebert von Gembloux gebeten hatte. Dass Petrus den Anstoß für die literarische Aktivität seines Freundes gegeben hatte, belegen neben expliziten Feststellungen in der Historia pontificalis auch der inhaltliche Fokus des Werks, der sich mit den bezeugten Interessen des Abtes, etwa den theologischen Ideen des Gilbert Porreta, deckte. Peters Verbindung zur Historia skizziert Marjorie M. Chibnall: John of Salisbury as Historian, in: Wilks: World, S. 169 – 177, hier: S. 171 f.

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die einzigartige Detailtreue und Lebendigkeit der Erzählung sowie die Glaubhaftigkeit des Autors aufgewogen.637 Obwohl die kurze Berichtspanne keine umfassende Darstellung des päpstlichen Hofes oder des Papsttums erlaubt, umspannt sie zentrale Schlüsselereignisse des Verkehrs ­zwischen Kurie, Königreich England und englischer Landeskirche (darunter die Ereignisse um Arnold von Brescia, die Spannungen z­ wischen Ludwig VII. und Eleonore von Aquitanien und den Zweiten Kreuzzug). Auch genuin insulare Angelegenheiten werden behandelt: etwa die Verhandlungen des exilierten Erzbischofs Theobald mit Eugen III. im Juli 1148, in deren Verlauf Johannes eventuell in offizieller Position involviert war, Mathildes Appellation gegen die Thronansprüche Stephans von Blois, bei denen der junge Arnulf von Lisieux im Jahr 1139 als Verteidiger des Königs auftrat, oder Stephans Zusammenstöße mit dem Papsttum.638 Anders als Annalen oder Chroniken hält die Historia pontificalis keine minutiöse oder serielle Abfolge einzelner biographischer oder ereignisgeschichtlicher Begebenheiten für die Nachwelt fest, sondern fokussiert die gesellschaftliche Relevanz und Strahlkraft der institutionellen Kirchenspitze als abstrakter Institution.639 Wie vielen Geschichtsschreibern vor ihm ging es Johannes von Salisbury dabei nicht um die Demonstration abstrakter Gelehrsamkeit, sondern um die Hoffnung, an der richtigen Stelle die Überzeugungen und damit das Verhalten anderer zu beeinflussen und so in den öffentlichen Raum zu wirken. Der Schrift geht es daher, wie Clare Monagle konstatiert, „nicht um die Wahrheit im modernistischen historischem Sinne, sondern um eine pädagogische Plausibilität“ 640. Dass die Historia pontificalis ein Fragment geblieben ist, macht die Datierungsfrage hoch komplex.641 Nederman hat als Terminus ante quem Johannes’ Angers-Audienz 637 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. xix. Die Beschreibung des Häresieprozesses gegen Gilbert auf dem Konzil von Reims und die Verteidigung von dessen Doktrinen (vgl. ebd. Kapitel VIII – X III, S. 15 – 41) nimmt gut ein Viertel der gesamten Schrift ein. 638 Eine Rekonstruktion möglicher Aufgaben und Bewegungen des Johannes von Salisbury im Folgejahr des Konzils von Reims liefert ebd., S. xxi–xxiii. 639 Der Zuschnitt der Historia wird auf den Punkt gebracht von Ward: Principles, S. 109: „the result is a document that stands out from contemporary historical writings in that it is not a history of the Church ( John is antipathetic to the institutional Roman Church), not a papal biography, not a universal chronicle, not a specialized history. […] The theme of John’s work is the pope in society, not the papacy, not the pope as a man.“ Dort auch ein Überblick über die thematische Gliederung des Werks. 6 40 Vgl. Clare Monagle: John of Salisbury and the Writing of History, in: Grellard/Lachaud: Companion, S. 231. 6 41 Die einzige Überlieferung, eine Abschrift des späten 13. Jahrhunderts aus dem Kloster Fleury (Burgerbibliothek Bern MS 367), weist ein abruptes Ende auf, das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von einem Abbruch der Arbeit des Kopisten, sondern von einer unvollendeten

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bei Heinrich II. vermutet. Ein plötzlicher ideologischer Sinneswandel, der auch in den Briefquellen identifiziert werden kann, könnte darauf hindeuten, dass Johannes infolge von weiterer Arbeit an der Historia abrückte.642 Der Prolog der Historia pontificalis sowie die Passagen über die Trinitätstheologie des Gilbert Porreta legen die Nutzung einer gut ausgestatteten Bibliothek nahe, was den Schluss zulässt, dass zumindest diese Teile im Reimser Exil verfasst wurden.643 Chibnall datiert aufgrund innertextueller Referenzen auf nachfolgende Ereignisse die Abfassung des Großteils der Historia auf das Jahr 1164, auf jeden Fall aber auf die Frühzeit des Exils ­zwischen 1164 und 1167. Dies falle auch mit den anderweitig belegten Entwicklungsstadien der philosophischen Vorstellungen des Johannes von Salisbury zusammen.644 Wegen mannigfaltiger innertextueller Anhaltspunkte sowie in der Exilkorrespondenz zu beobachtenden Anspielungen auf eine damalige literarische Betätigung des Johannes und dessen Bemühungen, Literatur zu beschaffen, hat Werner Tschacher Chibnalls Argumentation infrage gestellt und Konzeption des Werks, Datierungszeitraum der Niederschrift und Einarbeitungen neuerer historischer Bezüge ­zwischen Mai 1167 und Juni 1168 verortet.645 Die Quellen der Historia betreffend wurde der gebräuchliche Topos, nichts niedergeschrieben zu haben, das nicht durch eigenes Erleben oder zuverlässige Autoritäten in Zeugnis oder Schrift verbürgt sei, durch die Verwendung von patristischem und zisterziensischem Schriftgut ergänzt.646 Während seines ab 1149 geleisteten Kurialdienstes hatte Johannes nach eigenen Angaben Zugang zu den päpstlichen Registern, so dass die Briefe Eugens III. eine wichtige Quellengrundlage der Historia pontificalis darstellen.647 Darüber hinaus scheinen ihm eigene Notizen aus der Zeit zur Verfügung gestanden haben.648 Vorlage herrührt. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. xlvii–l geht davon aus, dass neben einem Exemplar in Reims und Canterbury (in einem Katalog des 14. Jahrhunderts verzeichnet als Libellus I. de Sar‘ de statu curie Romane) vielleicht ein oder zwei weitere Exemplare existieren. Beschreibung des Textzeugen bei Joannis Saresberiensis Historia Pontificalis quae supersunt, ed. Reginald L. Poole, Oxford 1927. 6 42 Vgl. Nederman: John, S. 33. 6 43 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. xxv f. Hier auch eine Aufstellung der Quellen, die nachweisbar von Johannes vor Ort in der Abfassung der Historia pontificalis genutzt wurden. 6 44 Vgl. ebd., S. xxiv–xxx und Chibnall: Historian, S. 169. 645 Vgl. Werner Tschacher: Die Entstehungszeit der Historia Pontificalis des Johannes von Salisbury. Bestandsaufnahme und Neudatierung, in: DA 50, 2 (1994), S. 509 – 530. 646 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 4. Unter anderem die Briefe und Schriften des ­Hieronymus, die Traktate De Trinitate und De Synodis des Hilarius von Poitiers und ­Ambrosius’ De Fide sowie den Libellus des Gottfried von Auxerre. Siehe ebd., S. xxv f. 6 47 Vgl. ebd., S. 25, 70. 6 48 Vgl. ebd., S. xxv f.

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Abgesehen von gelegentlichen chronologischen lapsi oder parteilichen Färbungen wie im Fall der Charakterisierung des Arnulf von Lisieux gilt die Historia pontificalis als thematisch eingeschränkte, aber größtenteils akkurate Darstellung. Anders als die in der chronologischen Tradition monastischer Historiographie stehende Chronik des Sigebert von Gembloux, an dessen Ende Johannes’ Historia ansetzen will, ist diese eine aspektorientierte, diskursive Schrift.649 Innere Selektionskriterien wie Eigeninteressen (z. B. die ausgedehnte Behandlung der Lehren des Gilbert Porreta oder Sympathien bzw. Antipathien gegen die Deutschen oder bestimmte Persönlichkeiten) und äußere Restriktionen wie ein eingeschränkter Zugang zu Informationsquellen im Exil gaben der Schrift nicht nur ihre charakteristische Form, sondern auch einen Großteil ihrer Lebendigkeit und Faszination, so dass sie in vielerlei, auch erzählerischer, Hinsicht aus der historiographischen Masse ihrer Zeit heraustritt.650 Johannes von Salisbury reflektierte auf vielfache Weise die Gegebenheiten der Gesellschaft um sich herum. Er hatte ein waches Auge für die empfindlichen Reibungspunkte ­zwischen den gestaltenden Mächten des 12. Jahrhunderts und deren Ursprüngen und empfahl sogar hier und dort praktische Lösungsansätze für Entwicklungen, die er mit großer Besorgnis registrierte. Auch wenn er als Kleriker immer fest im kirchlichen Milieu verankert blieb, erlaubten ihm seine Kenntnisse frühchristlicher, heidnischer Autoren eine kritische Grundhaltung, die dem ein oder anderen Zeitgenossen verwehrt blieb. Die Historia pontificalis war auch ein Appell. Nicht an eine breite Öffentlichkeit, sondern der stille Fingerzeig eines Heimatvertriebenen, der eine Meinung über die politischen Irrwege seiner eigenen Tage zu artikulieren wünschte.651 Indirekt waren es auch die virulenten kirchlichen Krisen, die Johannes’ eigener Beitrag zur Geschichte 6 49 Vgl. ebd., S. 3. Die Kirchengeschichte war für Johannes in einer Abfolge autoritativer historiographischer Werke niedergelegt, die, ausgehend von den Chronikbüchern und den Evangelien über die Kirchenväter und die Kirchenhistoriker Isidor, Beda Venerabilis und die jüngeren Werke des Hugo von Saint-Victor und Sigebert von Gembloux, eine geschlossene historische Dokumentation darstellten. Hier gliederte er seinen eigenen Beitrag an. Siehe ebd., S. 1 f. 650 Beispiele dieser verzerrenden Faktoren siehe ebd., S. xxxviii f. Zum spezifischen Wesen der Historia pontificalis als Werk der Geschichtsschreibung sowie ihren originellen Erzählstrategien siehe Chibnall: Historian; Ward: Principles, S. 107 – 111 sowie Roger Ray: Rhetorical Skepticism and Verisimilar Narrative in John of Salisbury’s Historia Pontificalis, in: Breisach: Rhetoric. 651 Portraits wie die König Ludwigs VII. und des Reimser Metropoliten wären zu pikant für eine breite Veröffentlichung gewesen und wohl eher für die private Erheiterung des Auftraggebers bestimmt. Siehe Christopher Nugent Lawrence Brooke: Aspects of John of Salisbury’s Historia pontificalis, in: Lesley Smith/Benedicta Ward (Hg.): Intellectual Life in the Middle Ages. Essays presented to Margaret Gibson, London 1992, S. 185 – 195, hier: S. 189.

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des „Kampf[es] der ­Kirche und der ihr zugrundeliegende Einheit“ 652 ansprach. Dabei ist es nicht zweitrangig, dass großen Teilen des Werkes der Gedanke der Unabdingbarkeit der Einheit unterliegt. Die einzige makellos positiv gezeichnete Persönlichkeit der sonst bemerkenswert ausgewogenen Historia ist nicht, wie zu erwarten wäre, Papst Eugen III., sondern der Primas der englischen Landeskirche. Man möchte sich Marjorie Chibnalls Einschätzung anschließen, dass „vielleicht kein einziges Werk eleganter die Anstrengungen Theobalds, die Einheit der ­Kirche durch die schwere Periode der zivilen Zwietracht in England zu erhalten, bezeugt“ 653. Cary Nederman hat die Beziehung ­zwischen der Entstehungszeit und dem thematischen Fokus der Historia pontificalis treffend beschrieben: „Obviously, with the schism between Alexander III and the imperially-sponsored anti-popes very much on John’s mind, one should hardly be surprised that he would take up this theme, refracted through the prism of an earlier time when the unity of the church had been more effectively maintained.“ 654

Der Episkopat Eugens III. als vorbildliche Chiffre für ein Idealverhältnis ­zwischen weltlicher und apostolischer Gewalt. Ein indirekter Appell zur Einheit an die Entscheidungsträger eines krisengeschüttelten Landes und einer krisengeschüttelten ­Kirche, der niemals passender hätte verfasst werden können als aus der Unsicherheit des Exils um die Mitte der 1160er Jahre heraus.

2.2.2  Ideenschau: Vorstellungen und Begrifflichkeiten in den schismabezogenen Schriften Wer die Korrespondenz des Gelehrten aus Salisbury und ihre Begrifflichkeiten verstehen will, für den ist es unabdingbar, sich in die Gedankenwelt der Historia pontificalis und des Policraticus zu vertiefen. Sie bilden das ideengeschichtliche 652 Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. xxxix: „No doubt he had some notes or a diary beside him to supplement his memory; but it seems unlikely that he went so far as to turn these notes into a history until the crises of the Church – the schism of 1159 and the exile of Becket – made him wish to add his contribution to the long chronicle of the Church’s struggle and underlying unity.“ 653 Ebd., S. xliii: „perhaps no single work gives more eloquent testimony to the efforts of ­Theobald to maintain the unity of the Church throughout the difficult period of civil dissension in England.“ 654 Nederman: John, S. 34.

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Hauptgerüst zur Analyse des saresberiensischen Schismabildes. Beginnen wir mit Johannes’ Vorstellungen von der Position des Papsttums und der ­Kirche als alles durchdringender Institution.655

2.2.2.1  Kirche und Papsttum 2.2.2.1.1  Die K ­ irche: Begrifflichkeiten, Leibbild und Einheitsgedanke Johannes von Salisbury unterscheidet eindeutig z­ wischen Gesamtkirche (ecclesia universalis 656 oder ecclesia tota 657) und Landeskirchen (ecclesia particularis 658).659 Die ecclesia Anglicana oder ecclesia Anglorum 660 genannte englische Landeskirche bezeichnet für ihn keine abstrakte Institution, sondern die Gesamtheit all jener, die in den englischen Gemeinden vereint sind – den Episkopat und andere kirchliche Oberhäupter mit eingeschlossen.661 Analog dazu versteht er auch die Universalkirche als 6 55 Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die in Miczka: Bild geleistete Pionierarbeit. 656 Vgl. in der Korrespondenz: Joannis Saresberiensis: Ep. 67. Totius ecclesiae periclitatur salus, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 109 und Ep. 124. Angustiarum nostrarum, in: ebd., S. 204 – 215, hier: S. 205 und in Later Letters, ed. Millor/Brooke: Ep. 234. Veritatem libenter audit amicus (S. 426 – 433, hier: S. 430), Ep. 242. Reflorescit auctore Domino (S. 472 – 479, hier: S. 472) und JvS II, Ep. 298, S. 690. In Policraticus II, ed. Webb VI, 24 und VII, 18 (S. 70 und 168). Ferner Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 11. 657 Vgl. JvS I, Ep. 67; JvS I, Ep. 124, S. 214 und Epp. 246, 265, 291, 311 – 312 in Later Letters, ed. Millor/Brooke. 658 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 206. Hier als Kampfbegriff gegen die deutsche Reichskirche als alleinige Trägerin des Konzils von Pavia. 659 Vgl. etwa Joannis Saresberiensis: Ep. 122. Etsi propriis et priuatis, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 201 – 202 sowie Ep. 130. Expetiit ut audistis hostis antiquus, in: ebd., S. 226; JvS II, Ep. 164 (S. 86), Ep. 168 (S. 102). Des Weiteren: Joannis Saresberiensis: Ep. 184. Quod dilectioni uestrae (S. 210 – 223, hier: S. 220) sowie Ep. 219. Anima nostra pater (S. 370 – 379, hier: S. 374), in: Later Letters, ed. Millor/Brooke und Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 20, 65 – 66. 660 Vgl. beispielsweise Early Letters, ed. Millor u. a., Epp. 15, 19, 32 und Later Letters, ed. Millor/ Brooke, Epp. 136, 140, 158, 168, 176, 181, 187, 197, 219, 225, 234, 236, 242, 247, 250 – 251, 260 – 262, 272, 282, 289, 303, 307 – 308, 311 – 313, 318 und Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 20, 47, 84. 661 Dies zeigt sich besonders in Passagen, die Einzelpersonen wie etwa die exilierten Anhänger Thomas Beckets mit der englischen ­Kirche gleichsetzen. Beispiele: Et fortasse plura scriberem nostrum (Ecclesiam Anglorum dico) contingentia statum […] ( Joannis Saresberiensis: Ep. 158. Licet michi dilectio, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 68) und Et in Ecclesia Anglicana quis est ei adiutor? (ders.: Ep. 250. Zelus quem habes, in: ebd., S. 502 – 507, hier: S. 506). Dass der Episkopat eines Landes als Gesamtheit in Johannes’ Augen auch die

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einen die Gemeinschaft von Klerus und laikalen Gläubigen umspannenden Personenverband, für den er gleichzeitig vor allem Rechte, Führungsgewalt und Würde des klerikalen Standes als ausführendes Organ der Seelsorge und damit der utilitas publica hervorhebt.662 Diese saubere semantische Unterscheidung der Begriffe Landes- und Universalkirche in der Korrespondenz wird gelegentlich intentional durch die Verwendung des einfachen ecclesia aufgelöst. An diesen Stellen verschmilzt Johannes nach Miczka „um der Wirksamkeit seiner Argumente willen“ 663 terminologisch die insulare Landeskirche mit der Gesamtkirche – manchmal, indem er von der universellen K ­ irche in ihrer englischen Ausprägung, sozusagen auf englischem Grund, spricht.664 Der Ausdruck ecclesia kann folglich die abstrakte Gesamtkirche oder die englische Landeskirche bezeichnen. Für die allgemeine K ­ irche findet sich auch der Alternativbegriff ecclesia Dei, der jedoch durch nähere Einschränkung auch als Bezeichnung für das große Ganze betrachtet wird.665 Vom Begriff der ecclesia catholica macht Johannes von Salisbury nur Gebrauch, wenn er speziell die der reinen Lehre folgende Allgemeinkirche bezeichnen will.666 Als figurative Vorstellung der ecclesia bevorzugt Johannes von Salisbury das Bild der K ­ irche als Leib. Aufbauend auf der aus dem Römerbrief und der patristischen Theologie stammenden Idee der Kirchengemeinschaft als Leib Christi entwickelt er eine symbolisch-bildhafte Ausdeutung, die nicht nur die einzelnen Bausteine ­ esamtkirche abbilden kann, zeigt sich in seiner Charakterisierung der beim Prozess des G Gilbert Porreta anwesenden Vertreter als Gallicanam et Anglicanam ecclesiam (vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 17, 20). 662 Vgl. Miczka: Bild, S. 111 – 114. 663 Ebd., S. 109. 664 Siehe JvS II , Ep. 225, S. 392: Confugit ergo ad Romanum pontificem quem appellauerat, ut eius praesidio ualidius opitularetur ecclesiae naufraganti, quam in Anglia, ut dicitur, principes sacerdotum maxime submergebant. Siehe auch die Beschuldigung, Gilbert Foliot sei für die Auseinandersetzungen, unter der die englische K ­ irche leide, verantwortlich: Joannis Saresberiensis: Ep. 175. Litteras, quas ad consolationem, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 152 – 165, hier: S. 156. Einfache Gleichsetzungen der allgemeinen und insularen Landeskirche: JvS II, Ep.234, S. 428 f.: Haec in potestate regis Anglorum colliditur et tanta premitur seruitute, ut etiam mentionem fecisse libertatis laesae maiestatis uideatur esse reatus. Siehe auch Joannis Saresberiensis: Ep. 198. Species est conscientiae diffidentis, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 284 – 287, hier: S. 284. 665 In der offiziellen erzbischöflichen wie der privaten Korrespondenz des Johannes von Salisbury. Siehe JvS I, Ep. 122, S. 201; JvS II, Ep. 234, S. 428; Joannis Saresberiensis: Ep. 218. Acceptis litteris, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 366 – 371, hier: S. 368. 666 Vgl. Beispiele nach Miczka: Bild, S. 111, Anm. 269 etwa JvS II, Ep. 230, S. 406 f.; Policraticus II, ed. Webb VII, 23, S. 207 und Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 30.

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der Kirchengemeinschaft und deren Gliederung, sondern auch deren Beziehungen zueinander abbildet. Die paulinische Vorstellung der Glieder als integrale Teile der gottgewollten kirchlichen Einheit (Röm 12,4 – 8) wird übernommen.667 Dabei ist die anatomische Metapher bei Johannes von Salisbury im Vergleich zu vielen seiner Zeitgenossen keine umfassend ausgebaute, geschlossene polittheologische Analogietheorie im Sinne des Corpus Christi Mysticum und erfährt auch keine gängige eucharistische Deutung.668 Anders als die reflektierte organologische Gesellschaftstheorie des Policraticus verharrt der Vergleich in einer „unbestimmten Bildhaftigkeit“ 669, bezieht sich dabei aber sehr konkret auf die K ­ irche als sichtbarer irdischer Organisation, nicht als mystischer Gnadengemeinschaft.670 Theologische Verknüpfungen werden dennoch nicht gänzlich ignoriert oder die Beziehung der ­Kirche mit Christus nicht negiert. Wie Arnulf von Lisieux bedient sich auch Johannes einer allegorischen Auslegung von Psalm 132,2, um diese gnadenhafte Verbindung zu beschreiben und damit das Einheitsgefühl zu stärken.671 Denn auch in seiner Schismadiskussion ist der Einheitsgedanke ein bedeutender Aspekt. Er proklamierte nicht nur vor der Entscheidung von London triumphierend die Einigkeit des englischen Arms der Universalkirche in der Präferenz Alexanders III., sondern legte den Mönchen von Boxley dar, dass das Abweichen vom Gottesgehorsam und die Abspaltung von der katholischen Einheit das größte Verbrechen gegen den Frieden und die kirchliche Gemeinschaft darstelle:672 Omnem animam potestatibus superioribus subicit Spiritus Sancti per apostolum suum emissa praeceptio, cui quisque resistit, divinae dispositioni conuincitur contraire. Virtus siquidem obedientiae est, qua diuinis humana, terrena caelestibus sociantur; cuius contemptores, quantum in se est, scindunt ecclesiae unitatem et dirumpunt compagem spiritus, quae consistit in uinculo pacis.673 667 Vgl. ebd., S. 81 – 88. 668 Auch wenn Johannes’ Verwendung des Leibbildes die Entwicklung dieser theologische Analogietheorie begünstigte. Siehe ebd., S. 82 – 84. 669 Ebd., S. 83. 670 Die Staatstheorie wird ausgeführt in: Policraticus I, ed. Webb, V, 2, S. 282 – 283 und Policraticus II, ed. Webb V, 6–VI, 20. Einführend: Liebeschütz: Chartres; Struve: Vita; Ders.: Importance; Nederman: Significance. Zum Diesseitsbezug des saresberiensischen ­Leibbildes: Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 20; JvS II, Ep. 158, S. 70 f.; JvS II, Ep. 234. 671 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 191. Audeo, pater, et gaudeo, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 260 – 263, hier: S. 260 f. und Sermo, ed. Mansi, Sp. 1171. Ferner: JvS II, Ep. 242, S. 474 f.; JvS II, Ep. 225, S. 392 f. 672 Vgl. JvS I, Ep. 122, S. 201. 673 Joannis Saresberiensis: Ep. 82. Omnem animam potestatibus, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 128 – 129, hier: S. 128 f. Siehe auch JvS I, Ep. 130, S. 226. Eine Vorstellung, die nicht nur

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Frieden könne erst bestehen, wenn die Verfolger der ­Kirche, ­seien es die Feinde Beckets oder die Schismatiker, wieder zur catholica unitas zurückfinden. Die Beschwörung und Festigung kirchlicher Einheit war als alternativloses Mittel gegen die schismatischen Spaltungstendenzen ein prominenter Punkt für Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury zugleich.674 Durch Analogieschlüsse z­ wischen den natürlichen Eigenschaften des Bildes und der ­Kirche als institutioneller und sozialer Gemeinschaft verdeutlicht Johannes Hierarchien und Interrelationen ­zwischen den einzelnen Teilgliedern. Dabei ist das Leibbild der K ­ irche zwar deutlich an den Grundstrukturen des im Policraticus entwickelten Organismusvergleichs angelehnt, aber nicht mit d­ iesem zu verwechseln.675 Innerhalb des gesellschaftstheoretischen Körperbildes, das im Gegensatz zu dem kirchlichen eine geschlossene Gesellschaftstheorie darstellt, werden die einzelnen Personengruppen der Glaubensgemeinschaft ­Kirche entsprechend ihrer systemischen Funktionen für Gesundheit und Tauglichkeit des gesellschaftlichen Gesamtkörpers einzelnen Ständen zugeteilt. Die Priesterschaft, die in der organischen Staatsauffassung zum Beispiel eine eigene Zuweisung als „Seele“ des Organismus erhält, wird in Analogie zur unsterblichen Seele gesehen. Der geistliche Stand ist keines der anatomischen membra, der Ämter im Staatskörper, sondern eine mit dem Körper verknüpfte, aber nicht mit ihm deckungsgleiche Kontroll- und Stabilisierungsinstanz über die weltliche Macht.676 Durch Ausschluss dieser spirituellen Komponente tritt der säkulare der Überzeugung des Erzbischofs von Canterbury entsprang, sondern auch von Johannes als Privatmann geteilt wurde: JvS I, Ep. 124, S. 214 und JvS II, Ep. 175, S. 156 f. 674 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 226. Instantia portitoris et temporis, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 394 – 397, hier: S. 396 f.; ders.: Ep. 272. Ex quo prospere, in: ebd., S. 552 – 571, hier: S. 552 f. bzw. Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170 – 1173. 675 Parallelen bestehen etwa im Verständnis des Körpers als eines aus verschiedenen Teilen zusammengefügten Ganzen, der Wechselwirkung aller und Überordnung einzelner Teile oder der Möglichkeit einer Abstoßung eines der Glieder. Johannes bezeichnet den Leib als totum rei publicae corpus (vgl. Buch I, 4 in Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 42 und Policraticus I, ed. Webb, S. 34). Außerdem: III, 14 (Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 230 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 233) und V,2 (=ebd., S. 282). Zur hierarchischen Position des Hauptes siehe IV,1 und 3 (Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 231 f. (= Policraticus I, ed. Webb, 235,241) sowie VI, 25 (=Policraticus II, ed. Webb, S. 73). Zu seiner Interrelation mit anderen Körpergliedern: ebd., VIII, 23, S. 411. Zur Möglichkeit einer Trennung von einem Glied und anderen Vergleichen aus dem medizinischen Bereich siehe IV, 8 (Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 258 (= Policraticus I, ed. Webb, S. 262)) und V, 7 (ebd., S. 308); Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 20 und Joannis Saresberiensis: Ep. 221. De munere uestro caro, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 380. 676 Zur Rolle von Glauben, Religion und ihren institutionellen Repräsentaten als „Zement“ der Gesellschaft: Christophe Grellard: La religion comme technique de gouvernement chez

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Charakter des funktionellen Organismus im Policraticus deutlich hervor.677 Das Leibbild der ­Kirche hingegen nimmt die sichtbare existierende Amtskirche zum Vorbild und richtet damit den Fokus nur auf einen kleinen Teilaspekt der umfassenderen, organologischen Staatsauffassung. Ausführungen gegenüber Subprior Wilhelm Brito von Christ Church zeigen, wie das saresberiensische Leibbild nicht nur die Gesamt-, sondern auch die englische Landeskirche mit einschließt. Unter Erweiterung des Salbölbildes aus Psalm 132,2 und damit auch des Leibvergleichs drückt er darin die Hoffnung aus, dass die Wiederherstellung der gesamtkirchlichen Einheit, die durch Friedrich Barbarossas Rückschläge in Oberitalien gefördert worden sei, auch die Konflikte im Königreich England besänftigen möge.678 Hier wird also die ecclesia Anglicana, im Sinne der Gesamtheit der einzelnen Bistümer, als Teil des Organismus nicht nur dem aposto­ lischen ‚Oberhaupt‘ des Leibes, dem Papst, unterstellt, sondern auch noch einmal dem ‚Unterhaupt‘ (caput Ecclesiae Anglicanae) des Primatialsitzes von Canterbury, dem eine besondere Stellung als direkt dem Apostolischen Stuhl angegliederte ­Instanz eingeräumt wird.679 Für unsere Betrachtungen interessiert vor allem die auf die Einheit der Glieder bezogene Führungsrolle des Hauptes (caput) über die Glieder (membra), d. h. über alle Gläubigen, Laien und Kleriker sowie ­zwischen dem Haupt und dem Gesamtkör­ irche per (corpus).680 Bedauerlicherweise wird die Deutung der Aussagen über die K als Leib von einer Inkonsequenz in der semantischen Verwendung von Begriffen erschwert, wie sie sich schon am Beispiel des Terminus ecclesia zeigte. Die Entsprechung des Haupts mit entweder Christus als Urheber der K ­ irche oder dem Papst ist unreflektiert. Abgesehen von der Verwendung des Titels vicarius Christi für den Papst stehen beide Varianten ohne jeden Versuch, sie exegetisch oder theologisch zu verbinden nebeneinander.681

Jean de Salisbury, in: CCM 53 (2010), S. 237 – 254, hier: S. 253. 677 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VI und Nederman: Significance, S. 212. 678 Vgl. JvS II, Ep. 242, S. 474 – 477: Quia ergo ab oriente iam radius serenitatis illuxit per Christum et incolumitas ecclesiae in capite reparatur, superest spes fidei certissima quod unguentum a capite in apostolicam barbam exuberans descendet in caput et oram Anglicanae ecclesiae, et qui prophetam exterminare nititur de Israel, nisi forte resipiscat, diuinam sententiam excipiet […]. Bezugnehmend auf PS. 132,2: Sicut unguentum in capite, quod descendit barbam, barbam Aaron, quod descendit in oram vestimenti eius. 679 Vgl. Miczka: Bild, S. 115 f., 160 f. 680 Vgl. ebd., S. 84. 681 Zur Bezeichnung des Papstes bei Johannes von Salisbury siehe ebd., S. 117 – 121.

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2.2.2.1.2  Das Papsttum: zu Amtsautorität und Privilegien, Einfluss und Aufgaben Der Papst füllt bei Johannes von Salisbury die hervorgehobene Position allerdings häufiger aus.682 Eine konsequente Konzentration auf die personelle Spitze der universellen Institution K ­ irche für einen Denker, der mit Vorliebe die existierende Amtskirche als ecclesia bezeichnet.683 Für Johannes’ Bild des apostolischen Amtes steht die Verbindung mit Petrus und den Aposteln als Ursprung der K ­ irche im Vordergrund.684 Terminologisch äußert sich diese Beziehung durch die Verwendung des Titels apostolatus uester 685 oder apostolicus 686, der im 12. Jahrhundert bereits auf den aus der Erhabenheit des Apostelfürsten abgeleiteten päpstlichen Primatialanspruch Bezug nahm.687 Bezeichnungen wie vicarius Christi 688 oder vicarius Petri 689, aus denen geistliche Ansprüche wie die Vergebung der Sünden abgeleitet werden, verknüpfen den Primatialanspruch mit dem Stellvertretergedanken.690 Allerdings findet sich in 682 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 20; JvS II, Ep. 242, S. 474 f.; JvS II, Ep. 225, S. 584 f.; Joannis Saresberiensis: Ep. 276. Vestri similes diuinarum, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 582 – 589. Eine Vorstellung, die sich auch bei Zeitgenossen wie Bernhard von Clairvaux zeigt. Ausführlich: Miczka: Bild, S. 85 f. 683 Vgl. etwa Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 20; die Epistolae 57 und 59 (Early Letters, ed. Millor u. a., S. 97 – 98, 100 f.) sowie JvS II, Ep. 242, S. 474 f.; JvS II, Ep. 225, S. 392 f. und JvS II, Ep. 276, S. 584 f. 684 Vgl. Miczka: Bild, S. 123. 685 Vgl. Early Letters, ed. Millor u. a., Epp. 15 (S. 24) und 50 (S. 87). Auch Later Letters, ed. Millor/Brooke, Ep. 311 (S. 760 f.), 312 (S. 766 f.), 322 (S. 786 f., 792 f.). 686 Auffällig bevorzugt in der Historia pontificalis. Siehe Historia Pontificalis, ed. Chibnall, S. 7, 12, 14, 20, 45, 65, 68, 79, 83. Außerdem in offiziellen wie privaten Briefzeugnissen: Joannis Saresberiensis: Ep. 121. Qui non spernit, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 200; Ders.: Ep. 280. Quia tibi praesentium, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, 612 f. (2x); Ders.: Ep. 289. Excussus proriis aliena negotia, in: ebd., S. 658 f. Die Belege beziehen sich nur auf die substantivische Form. Zur älteren, adjektivischen Verwendung des Wortes apostolicus bei Johannes von Salisbury siehe Miczka: Bild, S. 119, Anm. 34. 687 Vgl. ebd. 688 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 82; Joannis Saresberiensis: Ep. 186. Plenam deuotione et eruditione, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 228 f. Zur Begriffsgeschichte siehe Michele Maccarrone: Vicarius Christi. Storia del titolo papale, Rom 1952 (Lateranum) und Miczka: Bild, S. 119. 689 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 354; JvS I, Ep. 67, S. 109; JvS II, Ep. 242, S. 472 f. Begriffsgeschichte: Michele Maccarrone: La dottrina del primato papale dal IV all’VIII secolo nelle relazioni con le chiese occidentali, Spoleto 1960, S. 678. 690 Siehe Eugens Ansprache gegenüber Graf Hugo von Apulien: Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 82: ecce ego, Petri successor, Christi uicarius, cui […] claues regni celorum tradite sunt, facio […]

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Johannes’ Werk kein Hinweis auf einen theologischen oder gar juristisch-rechtlichen, weltherrschaftlichen Hegemonialanspruch hinter diesen Bezeichnungen. Der Angelsachse bezieht sich zwar auf den geistesgeschichtlich wirkmächtigen Vers Jer 1,10, wenn er Petrus als den Völkern und Königreichen überstellt darstellt, nutzt jedoch noch nicht das Potenzial der zweiten Vershälfte zur Charakterisierung der päpstlichen Amtsund Vollgewalt.691 Für ihn zählt in erster Linie der adhortative Zweck der Verweise auf das Stellvertretertum, mit denen er den Amtsinhabern die erhöhte Würde ihrer Position ins Bewusstsein rufen möchte.692 An entscheidender Stelle wird geschildert, wie Alexander III. kraft der auctoritas Dei in die weltliche Machtsphäre eingriff: Abstulit ei etiam regiam dignitatem ipsumque anathemate condempnauit […]; in quo secutus est exemplum Gregorii septimi […] qui nostra aetate Henricum imperatorem ecclesiae priuilegia conuellentem deponens in concilio Romano simili sententia condempnauit. Et quidem illa sententia effectum sortita est; et hanc de priuilegio Petri latam uidetur ipse Dominus confirmasse.693

Außer durch den Hinweis auf das privilegium Petri rechtfertigt Johannes nicht das grundsätzliche Ausgreifen päpstlicher Gewalt in säkulare Obliegenheiten. Im vorliegenden Fall sei Alexanders Vorstoß nicht durch die Rechtskraft der göttlichen Autorität, sondern wie die Absetzung Heinrichs IV. durch die nachträglichen Entwicklungen gerechtfertigt worden.694 Ein weiterer Splitter in Johannes’ Papstbild ist die Vorstellung, dass dem Papst als successor Petri 695 durch diese Nachfolge der Heilige Geist und damit auch die apostolische Verpflichtung zur Sorge für alle K ­ irchen und den aufrichtigen Dienst 696 an ihnen vermittelt. Miczka sieht im Postulat der Dienerschaft sogar Johannes’ ut hec filia mea, uxor tua, inestimabilem tibi afferat et conferat dotem, immunitatem uidelicet peccatorum, ut quicquid hactenus peccasti a me in die iudicii exigatur dum illi de cetero serues fidem. 691 Vgl. JvS II, Ep. 242, S. 472 f. Siehe Miczka: Bild, S. 122, 124. Die Entwicklung der Anwendung auf das Papsttum zeichnet Yves Congar: Ecce constitui te super gentes et regna ( Jer 1,10) „in Geschichte und Gegenwart“, in: ders. (Hg.): Etudes d’ecclésiologie médiévale. Teilband III, London 1983 (Variorum Collected Studies Series, 168), S. 671 – 696 nach. 692 Vgl. Miczka: Bild, S. 122. 693 JvS II, Ep. 242, S. 474 f. 694 Vgl. Miczka: Bild, S. 122 f. 695 Vgl. Early Letters, ed. Millor u. a., Epp. 48 (S. 85) und 76 (S. 120); Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 82; Joannis Saresberiensis: Ep. 213. Si de exilio clamamus, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 346 f. 696 Vgl. die besonders deutliche Verbindung des Dreiklangs von sollicitudo – successio – servus servorum in Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 409 f. Ferner auch Early Letters, ed. Millor u. a., Ep. 86, S. 134.

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wesentliche Aussage über das Papsttum.697 Wer dem Ideal des servus servorum, des Dieners der Diener Gottes, nicht nachkommt, hat den päpstlichen Titel verwirkt.698 Dies gilt auch für nicht kanonisch gewählte, gewaltsame Usurpatoren der Cathedra Petri. Diese kämen dem Postulat der Petrusnachfolge nicht nach, da sie das Amt nicht um das seelsorgerische Wohl der Gemeinschaft willen, sondern aus reiner Eigenmächtigkeit ausfüllten. Wer sich nicht als servus servorum erweise, sei nur noch ein expontifex, ein exromanus.699 Die weltliche Parallele wäre dann der Herrschertitel des ex-Augustus 700, der ausschließlich in der Schismakorrespondenz des Johannes von Salisbury Verwendung fand. Bei der Analyse der Schismabriefe wird daher auch der Frage nachgegangen werden müssen, ob dem Schandtitel analog zur servus-servorum-Idee auch im welt­lichen Bereich die Idee einer Pflichtverletzung zugrunde liegt. Als Kennzeichen eines illegitimen Aufstiegs zur Papstwürde jedenfalls nennt Johannes von Salisbury die fehlende kanonische Wahl, Gewaltanwendung und Ehrsucht.701 Auch die richterliche und gesetzgeberische Autorität des Papstes über die gläubigen Laien und den Klerus folgt aus seiner Nachfolge Petri.702 Durch die Einsetzung des römischen Bischofs durch Gotteshand empfängt dieser die Binde- und Lösegewalt, in letzter Instanz manifestiert durch das Mittel der Exkommunikation, die Johannes als gladium Petri dem gladius Dei, der göttlichen Strafgewalt, als irdisches Vollzugsmittel zur Seite stellt.703 Solange sie die in der Heiligen Schrift fixierten ­Bestimmungen 697 Vgl. Miczka: Bild, S. 121. 698 Die Anforderungen werden sehr deutlich gemacht: Praetera qui Romanus Pontifex est, eundem, pro conditione Ecclesiae quae nunc est, esse seruum seruorum necesse est; non enim nuncupatiue ad gloriam, ut quidam opinantur, sed substantiue, utpote qui seruis Dei seruiet uel inuitus (Policraticus II, ed. Webb, VIII, 23, S. 409 f.). 699 Ebd. VIII, 23, S. 410. 700 Exemplarisch: Joannis Saresberiensis: Ep. 236. Inscriptionis mutatae causas reddere, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 446 f. 701 Vgl. Policraticus II , ed. Webb VIII , 23, S. 411: Quid ergo erit ei quem nulla uocat electio sed repugnante in membris Christo ambitio ceca et cruenta non sine sanguine fraterno intrudit? 702 Die richterliche Autorität des höchsten Priesters wird zusätzlich auf die göttliche Weisung an Mose (5. Mose 17, 8 – 12) zurückgeführt. Siehe Joannis Saresberiensis: Ep. 187. Expectatione longa suspensi, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 242 f. 703 Als Konsequenz fordert Johannes die Ausübung der päpstlichen Strafgewalt auch als Reaktion auf das Sichtbarwerden des göttlichen Zorns. So geschehen im Kontext der geschwächten Position Friedrich Barbarossas: Sed benedictus Deus, qui misertus ecclesiae contriuit auctorem scismatis, ullum detestandum saeculis Fredericum, coram facie zestra, docens annum placabilem Domino et tempus miserationis iam aduenisse, ut et uos, qui gladium Dei uidetis eductum in capita tirannorum, in eos Petri gladium exeratis, sitisque quod constituti estis coadiutores Dei in exterminio eorum qui, ut stabiliant iniquas hominum traditiones, uerbum Dei moliuntur

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bewahre und respektiere, gesteht Johannes dem Papst auch jene allgemeine gesetzgebende Funktion zu, die der ­Kirche in der postgregorianischen Vorstellung durch göttliche Weisung übertragen wurde.704 Dies bedeutet aber keineswegs, dass er den Bischof von Rom als allmächtigen Richter und Gesetzgeber ansieht. Mit üblich pragmatischem Blick erkennt er, dass der päpstlichen Gewalt dort Grenzen gesetzt sind, wo die Empfänger seiner Strafgewalt sich gegen diese sperren, der Papst selbst aufgrund persönlicher Vorbelastung unvorsichtig entscheidet oder ungünstige politische Rahmenbedingungen herrschen.705 Für den Angelsachsen war der Papst nicht nur Nachfolger Petri und spirituelles und institutionelles Oberhaupt der ­Kirche, sondern auch ein vielfältigen Belastungen ausgesetztes politisches Wesen.706 Bei aller Fehlbarkeit und Grenzen päpstlicher Gewalt steht ein Grundsatz festgefügt: Die Nichtjudizierbarkeit des obersten Bischofs durch weltliche Instanzen.707 Mitte des 12. Jahrhunderts hatte ­dieses schon vom Dictatus Papae promulgierte Prinzip Eingang in die kirchenrechtlichen Sammlungen gefunden.708 Für Johannes von Salisbury war es nicht verhandelbar, wurde eines der großen ­Themen seiner Polemik gegen die Beschlüsse des Konzils von Pavia.709 extinguere. ( JvS II, Ep. 219, S. 376 f.) Exemplarisch für die Verwendung und Einforderung des Anathems als Strafmittel: JvS II, Ep. 242. 704 Siehe Satz VII des Dictatus Papae (Reg. II,55a in Das Register Gregors VII., ed. Erich Caspar, 2 Bde., Berlin 1920 (MGH Epp. sel., 2,1)) und Johannes’ Ausführungen gegenüber A ­ lexander III. in JvS II, Ep. 213, S. 348 f. Weiteres bei Miczka: Bild, S. 125. 705 So Johannes’ Appell an Kardinallegat Wilhelm von S. Pietro in Vincoli ( Joannis Saresberiensis: Ep. 229. Fama diuulgante, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 404 f.) oder seine Erklärungsversuche über eine erfolglose Verfügung Eugens III. in Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 13, 21. Ein widriger Umstand, der Alexander III. zu kritikwürdigen Entscheidungen verleiten sollte, war die Angst vor dem Verlust Heinrichs II. als mächtigen Verbündeten. Gegenüber Thomas Becket offen geäußert in JvS II, Ep. 144, S. 30 – 33. Beispiele für umstrittene Aktionen und Reaktionen Alexanders bei Miczka: Bild, S. 126, Anm. 80 – 86. 706 Auch das schwierige, wechselseitige Verhältnis zu den Römern wird thematisiert: ebd., S. 127 und Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 408 f. 707 Siehe ebd. VIII, 23, S. 405. 708 Dictatus Papae 19 in Reg. II, 55a in Gregor VII. Register, ed. Caspar, S. 206: Quod a nemine ipse iudicari debeat. Zur Entwicklung des spätantiken Grundsatzes vom Leitsatz des umstrittenen Papstes Symmachus (498 – 514) bis zu seiner Inkorporierung ins Kirchenrecht siehe Albert Michael Koeniger: Prima sedes a nemine iudicatur, in: ders. (Hg.): Beiträge zur Geschichte des christlichen Altertums. Festschrift für Albert Ehrhard, Bonn Leipzig 1922, S. 273 – 300. Breitere Behandlung erfährt der Jurisdiktionsprimat in: Salvatore Vacca: Prima sedes a nemine iudicatur. Genesi e sviluppo steroico dell’assioma fino al decreto di Graziano, Rom 1993 (Miscellanea historiae pontificiae, 61). 709 Siehe JvS I, Ep. 124.

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Während das Oberhaupt der ­Kirche selbst nicht von einer höherstehenden, menschlichen Instanz gerichtet werden kann, ist sein Einfluss auch im politischen Sektor ein formativer Faktor in der Gesellschaft aller christlichen Reiche, die die Gesamtkirche unter seiner Leitung umspannt. Kronzeuge der Überzeugung des Johannes von Salisbury, dass die römische K ­ irche und das Papsttum effektiv in die Landeskirchen hineinwirke, ist die Historia pontificalis, die durch die Widergabe unterschiedlichster Episoden die Einwirkung des römischen Pontifex wiedergibt und so den Anspruch und Beweis der päpstlichen Führungsgewalt möglichst breit anlegt.710 Das Königreich England bildet in dieser Beziehung keine Ausnahme. Mit Stolz schildert Johannes von Salisbury die Abhängigkeit Stephans von Blois vom Gutdünken der römischen K ­ irche, mit deren Vermittlung allein es ihm gelungen sei, den englischen Thron zu besteigen. Auch in der essenziellen Frage der Thronfolge seines Sohnes Eustach habe sich der englische Herrscher der Autorität der sedes apostolica unterworfen.711 Aus exakt diesen Überzeugungen erwachsen große Ressentiments gegen jegliche Begrenzung der Beziehungen der Landeskirche zu Rom. Einschränkungen wie die Bewegungsfreiheit des Episkopats oder des Appellationswesens, wie sie bereits damals von Stephan von Blois verhängt worden waren, machen die leitende Intervention der Kurie und des Papsttums unmöglich.712 Folglich sei im System des kirchlichen Gemeinwesens ein Angriff auf die ecclesia Anglicana gleichbedeutend mit einem Angriff auf die römische ­Kirche und ihre Zentrale, denen die Leitung der Universalkirche obliege.713 710 Die Episoden sind thematisch und geographisch divers. Sie erstrecken sich unter anderem über Fragen des orthodoxen Glaubens wie am Beispiel des Prozesses des Gilbert Porreta oder landeskirchlicher Metropolitanstrukturen wie der Palliumsverleihung an den Erzbischof von Palermo, die Metropolitanbemühungen Heinrichs von Winchester oder das päpstliche Eingreifen in personelle Fragen des Episkopats in Palästina. Siehe Kapitel 9 (S. 33, 37 und 48) in Historia pontificalis, ed. Chibnall. Im Prolog der Historia pontificalis beklagt Johannes von Salisbury den beschränkten geographischen Rahmen in der Chronik des Sigebert von Gembloux. Siehe ebd., S. 2 f. Dieses Manko sollte seine Vision päpstlicher Führungsgewalt offenbar ausgleichen. 711 Vgl. ebd., S. 44, 49, 83, 85 – 86. 712 Seine vehemente Bedenken äußert Johannes von Salisbury in ebd., S. 7, 42, 49 sowie Epistola 291 in Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 662 – 665. 713 So schätzt er einen Misserfolg der Becketschen Sache als Gefahr für die Gesamtkirche: JvS II, Ep. 136, S. 8 f. und Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 20. Zu Johannes’ Sicht auf Appellationen, delegierte Gerichtsbarkeit, Privilegien, Interdikt und Exkommunikation als Mitteln der Einflussausübung siehe Miczka: Bild, S. 147 – 151.

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2.2.2.2  Das Verhältnis von regnum und sacerdotium 2.2.2.2.1  Freiheitsbegriff und Rechtskategorien: von libertas ecclesiae, lex divina und aequitas Die Frage, was genau Johannes von Salisbury als Angriff auf Oberhaupt und Autonomie der K ­ irche empfand, führt unweigerlich zu seinem Freiheitsbegriff. Für Johannes bedeutete die libertas ecclesiae im Wesentlichen ein in der distinkten Ausprägung des im 11. Jahrhundert auf Basis von Mt 16,18 – 19 und Joh 21,16 – 18 als durch Christus verliehenes, gesamtkirchliches Rechtsprivileg. Dadurch erhobene Ansprüche wie die Führungsgewalt des Papstes innerhalb der K ­ irche sowie die bedingungslose Unterordnung und der Gehorsam der christlichen Laien unter dieselbe, beinhalteten zugleich die innerkirchliche Autonomie von weltlicher Fremdbestimmung – den Herrscher eingeschlossen.714 Historisch gesehen hatte die verstärkte Etablierung kirchlichen wie säkularen Rechts die juristische Konkretisierung des Freiheitsbegriffs vorangetrieben, bis der Begriff im kirchlichen Verständnis sämtliche Besitz- und Rechtstitel der Einzelkirchen umspannte, die sich aus dem göttlichen wie menschlichen Recht ergaben. Dazu gehörten auch klerikale Standesvorrechte wie das berühmte privilegium fori, an dem sich der Becketstreit entzündete.715 Dieses Verständnis kristallisierte sich in der Definition, die Innozenz IV. 1251 in seinem Kommentar zum Liber extra niederlegte: Ecclesiasticus libertas consistit in priuilegiis, super spiritualibus, et priuilegiis super temporalibus. Item consistit in priuilegiis generaliter ecclesiae concessis, et etiam in priuilegiis singularibus cuiusque ecclesiae […].716

714 Verständige Zusammenfassung des hochmittelalterlichen libertas-Begriffs bei SzabóBechstein: Libertas, hier: S. 150. Zur Entwicklung im Rahmen des Investiturstreits noch immer Tellenbach: Libertas. Dort auch die Definition des Freiheitsbegriffs im Investiturstreit als das, „was von Rechts wegen der ­Kirche zukomme“, insbesondere das „Freisein von staatlichen Beeinflussungen und zugleich Freiheit in der Ausübung der von Gott gesetzten Mission“ (ebd., S. 231). 715 Mit Beispielen aus der Praxis Alexanders III., dem als Juristenpapst eine besondere Rolle in der Verrechtlichung des Terminus zukam: Szabó-Bechstein: Libertas, S. 151 – 154 und Pacaut: Alexandre, S. 130. 716 Lucio Paolo Rosello (Hg.): Commentaria Innocentii Quarti Pont. Maximi super Libros quinque Decretalium. Apparatus super quinque libris Decretalium, Frankfurt, M. 1570, Bl. 558v zu 5.39.49. Näheres zur Wirkungsgeschichte bei Szabó-Bechstein: Libertas, S. 151 f., Anm. 20 und 21.

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Dort wurde auch festgelegt, dass Verstöße contra libertatem uel priuilegium Dei, uel imperii, uel Imperatoris super temporalibus, uel Papae super spiritualibus 717 die Exkommunikation nach sich ziehen mussten. Insgesamt waren wirtschaftliche Vorrechte wie Steuerprivilegien und herrscherliche Gerichtsbarkeit über Kleriker die Hauptbestandteile dieser neuerlichen Etablierung des kirchlichen Freiheitsbegriffs zur Mitte des 12. Jahrhunderts. Verstöße gegen diese Postulate oder auch Abweichungen gegen päpstliche Dogmen, also die Häresie, wurden als Angriff auf die Gesamtkirche betrachtet. Logische Konsequenz: Wer sich eines nachlässigen Umgangs mit häretischen Strömungen strafbar machte, verstieß gegen die libertas ecclesiae. Was den traditionellen Streitpunkt freier Bischofswahlen anging, waren auch nach den grundsätzlichen Klärungen auf den Konkordaten von Worms und Westminster genug Reibungspunkte im täglichen Miteinander herrscherlicher Regierung und kirchlicher Praxis vorhanden, um immer wieder aufs Neue Unmut aufkommen zu lassen. Die Auseinandersetzung um § 12 der Konstitutionen von Clarendon, der die Abhaltung der Bischofswahlen am Königshof und ein Mitspracherecht des Herrschers forderte, war eines der prominentesten Beispiele.718 Bereits Jahre zuvor hatte Johannes von Salisbury im Policraticus gegen weltlichen Einfluss protestiert und tat es auch in der Historia pontificalis, in der er die praenominatio mehrerer zu wählender Kandidaten durch den sizilischen König als eigenmächtige Verfügung des Fürsten heftig ablehnte.719 Noch härter traf seine Kritik ­Stephan von Blois, der nach Johannes’ Vorwurf freie Wahlen nur gegen Geldzahlungen zuließ und sich somit auch noch der pravitas symoniaca 720 schuldig gemacht hatte.721 Im Policraticus erklärte der gelehrte Angelsachse die Rechtskonformität des Wahlvorgangs zur unbedingten Vorbedingung für jegliche kirchliche Amtsautorität, einschließlich der des römischen Papstes.722 Eben diese kirchlichen Rechtssätze würden im Falle von Höflingen oder den Reichen und Mächtigen immer wieder wissentlich und unter falschem Vorwand übergangen.723 7 17 Innozenz IV. Commentaria, ed. Rosello, Bl. 558v zu 5,39,49. 718 Vgl. Select Charters, ed. Stubbs, S. 140. Der Aspekt des königlichen Ausgreifens auf die libertas ecclesiae war ein Hauptelement des kirchlichen Diskurses im Becketkonflikt. Ausführlich: Szabó-Bechstein: Libertas, S. 158 f. 719 Vgl. Policraticus II, ed. Webb, VII, 18, S. 168 und Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 65. 720 Vgl. ebd., S. 88 f. 721 Siehe dazu Miczka: Bild, S. 166. 722 Vgl. Policraticus II , ed. Webb, VIII , 23, S. 406 und ebd., VI , 19, S. 181: Qua uia ad honores ecclesiasticos ascendendum sit, quae uia sit fugienda, canones docent. 723 Vgl. ebd., VII, 18, S. 169: Quae uero de canonibus sibi opposuit, habita ratione loci temporis et personae simili uia tendentium ad honores socia multitudo dispensat. Näheres zu den rechtlichen

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Er kennt auch Beispiele von kirchenrechtskonformen Wahlen. Deren konstitutionelle Bestandteile waren die Wahl am Ort des vakanten Bischofssitzes und eine unverzichtbare Approbation von klerikaler Seite, etwa durch eine bischöfliche Versammlung.724 Der Konsens des Königs an sich wurde nicht als nachteilig gesehen.725 Ebenso wenig wurde ein durch Treueeid bestimmtes Verhältnis des Bischofs zum König problematisiert, auch wenn sich Johannes in dieser Beziehung der Gefahr von Dilemmata ­zwischen weltlichen und geistlichen Bindungen bewusst war.726 Dem kirchlichen Freiheitsbegriff des Johannes von Salisbury lagen jedoch nicht ausschließlich konkrete Rechtskategorien zugrunde. Besonders im frühen Schismadiskurs, etwa in seiner Reaktion auf die Einladung Friedrichs I. zum Schiedsgericht von Pavia, argumentierte Alexander III. mit dem mystisch-transzendenten Charakter der libertas. Die Einberufung des Paveser Konzils betrachtete er als Verstoß gegen das rechtmäßige, von Christus den Heiligen und Vätern überlieferte Privileg der päpstlichen Nichtjudizierbarkeit.727 Eine Teilnahme am Konzil in der Lombardei sei unmöglich, da er, Alexander, nicht dulden könne, dass die vom Blut Christi erlöste ­Kirche in die Knechtschaft getrieben werde. Er bevorzuge um jeden Preis den Kampf für die Freiheit der ­Kirche.728 Barbarossa wiederum warf Alexander 1161 vor, er gehe durch die Unterstützung des Gegenpapstes vehement gegen deren Einheit und Freiheit vor.729 Grundlagen dieser Aussage bei Miczka: Bild, S. 69, Anm. 264. 724 Policraticus II, ed. Webb, VII, 18, S. 168: quorum electio non est a clero in ecclesia et sine praenominatione cuiusque mundanae potestatis canonice celebrata. Siehe auch Decretum Gratiani, ed. Friedberg, D 62, S. 234 (Wahl durch den Klerus) und c. 3 – 7, D 63, S. 235 – 237 (zur Intervention von fürstlicher Seite). 725 Insbesondere waren dies die Wahlen des Bischofs von Winchester und Thomas Beckets zum Erzbischof von Canterbury. Siehe Joannis Saresberiensis: Ep. 313. A finibus terrae (S. 768 f.) und Ep. 314. Nisi membra capiti (S. 770 f.) sowie Ep. 316. Diuina praeeunte (S. 776 f.), in: Later Letters, ed. Millor/Brooke. Zum korrekten Ablauf siehe JvS I, Ep.128, S. 222. Die Zustimmung des Herrschers oder Fürsten zur Wahl eines Bischofs thematisierte auch das Decretum Gratiani, D 63, c. 25. Siehe Decretum Gratiani, ed. Friedberg, S. 242 f. 726 Vgl. Miczka: Bild, S. 167. 727 Vgl. MGH Const. No 185. Zugespitzt durch Boso in der Vita Alexandri: Le Liber pontificalis. Texte, introduction et commentaire, ed. Louis Duchesne, 3 Bde., Paris 1955 (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome, 2). 728 Vgl. MGH Const. No 185, S. 257. 729 So gegenüber dem Erzbischof von Salzburg. Siehe XXX , in: Jacques Paul Migne (Hg.): ­Alexandri III Romani pontificis opera omnia id est epistolae et privilegia ordine chronologico digesta, Paris 1968 (Migne PL, 200), S. 101 – 103. Päpstlichem Vorbild folgend, rief auch Arnulf von Lisieux die in Tours versammelten Konziliaren zur Wiederherstellung ­dieses durch das vergossene Blut des Herrn geheiligten Rechts auf. Siehe Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170.

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Johannes von Salisbury selbst sah nicht zuletzt auch den Wert der libertas ecclesiae als Instrument gegen die Unterdrückung der Gläubigen und führt das Beispiel der alttestamentarischen Heiligen als hohen Maßstab für den Umgang und die Wertschätzung der libertas ecclesiae an. Der Kampf für die kirchliche Freiheit sei schon zur Zeit des Alten Bundes geführt worden: Dicit enim quia non est pro libertate ecclesiae decertandum. Sed fallax et falsa hypocrisis, quo progrederis? Quid haereses moliris et scismata? Nonne ab inicio nascentis legis ad libertatem Dei vocatur est populus? Et Aegyptus intolerabilibus afflicta plagis, quae ecclesiam de antiqua et avita consuetudine et fere per trecentos annos optenta vendicabat in seruitutem? Nonne Machabei martires pro libertate fratrum suorum laudabiliter et religiose sanctissimas animas posuerunt? 730

Aus diesen Tagen leitet Johannes auch sein Bild des Priestertums ab, das er auf das für das Volk Israel zum Tempeldienst ausersehene levitische Priestertum zurückführt 731: Sed profecto in figuram sacerdocii Deus tribum Leuiticam a publicis functionibus, sicut in Numeris legitur, immunem esse decreuit et summi tantum pontificis dispositionibus subiacere. […] Quod si clerus in priuilegia tribus Leuiticae non succedit, et apostolus uanus est et fallaces omnes interpretes scripturarum.732

Dieses Verständnis der Geistlichkeit formt direkt die priesterliche Beziehung zu weltlichen Agenten, von deren Einflussnahme und Dienst der Klerus nach göttlichem Willen ausgenommen wird. Die einzige Instanz, der die Priesterschaft Rechenschaft schulde, sei der römische Bischof. Ein Grundsatz, der nicht zuletzt auch für die Durchführung von Wahlen im klerikalen Bereich galt, die als innerkirchliche Angelegenheit nur durch verständige Richter und im kanonischen Rechtsrahmen durchgeführt werden dürften.733 Auch für Johannes von Salisbury bildete das Konzept freier Wahlen einen wesentlichen Bestandteil kirchlicher Autonomie. Damit folgte er ­althergebrachten, 730 JvS II, Ep.187, ab S. 232. Die Passage ist eine Verteidigung des Becketschen Kampfes, der aufgrund seiner Kompromisslosigkeit zunehmend in Kritik geriet. 731 Vgl. 4. Mose 3 – 4 und besonders 5. Mose 18, 1 – 8. 732 Ebd., S. 234 – 237. 733 Vgl. IV, 6 in Policraticus, ed. Keats-Rohan bzw. Policraticus I, ed. Webb und vor allem JvS I, Ep. 124, S. 208: Porro ecclesiastica debent esse liberrima, et de sacrorum canonum sanctione; sicut electio pastoris est in ecclesia a clero libere et sine mundanae potestatis praenominatione celebranda, sic eadem in ecclesia a iudicibus ecclesiasticis, amotis saecularibus terribilibusque personis, libere et secundum regulas ecclesiasticas examinanda est. Quicquid uero contra praesumitur, in irritum deuocatur. Zu Johannes’ Vorstellung kanonisch korrekter Wahlvorgänge siehe auch Miczka: Bild, S. 68 f.

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gregorianischen Mustern.734 Die eigentliche Innovation ist die philosophische Durchdringung des Terminus und ihre enge Kopplung mit dem rechtlichen Begriffen der aequitas und der iustitia, die noch eingehender erläutert werden sollen. Johannes von Salisbury durchschaute den Kern der großen Auseinandersetzungen ­zwischen weltlicher und kirchlicher Sphäre in seiner Zeit. Im Disput um die Konstitutionen von Clarendon und das alexandrinische Schisma erkannte er im Innersten Kämpfe um politische, aber auch rechtliche Grundsatzfragen.735 So verstand er den Kampf für die Freiheit der K ­ irche nicht nur als gerecht und als unabdingbare Notwendigkeit zur innerkirchlichen Autonomie der ­Kirche.736 Er ist für ihn nicht weniger als die Verteidigung des übergeordneten, göttlichen Gesetzes, des ius divinum, unter dem Johannes wiederum das in der Heiligen Schrift offenbarte Gesetz versteht, dessen alleinige Hüterin die K ­ irche ist.737 Es überragt alle Gesetze menschlichen Ursprungs, das gesamte ius humanum, d. h. sowohl das römische als auch das Königs- und Gewohnheitsrecht, und wird nur dann, wenn es Lücken aufweist, durch das Recht der Amtskirche im engeren Sinne ergänzt.738 Mit letzteren leges ­ecclesiasticae oder ecclesiastica disciplina 739 sind die in 734 Das Buch Numeri (3. Mose 3) und den kirchlichen Freiheitsgedanken hatte Humbert von Silva Candida bereits ein Jahrhundert zuvor verknüpft: Humberti Cardinalis Adversus Simoniacos Liber III, ed. Friedrich Thaner, in: Ernst Dümmler u. a. (Hg.): Libelli de lite imperatorum et pontificum. Saeculis XI. et XII. conscripti, Hannover 1891 (MGH Ldl, 1), S. 95 – 253, hier: S. 213. 735 So charakterisiert gegenüber seinem Bruder Richard in Joannis Saresberiensis: Ep. 172. In te omnium moriturorum, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 128 f: conflictu potestatis et iuris. 736 JvS II, Ep.187, S. 236 f.: Ex quo liquidum esse debet omnibus iustissimam esse causam eorum qui pro libertate ecclesiae dimicant, et preciosiorem habent legem Dei quam fortunas, immo quam animas suas. Ausführlicher bei Miczka: Bild, S. 58. 737 Vgl. Hohenleutner: Studien, S. 91 – 94. Zur Gleichsetzung des ius divinum mit der Heiligen Schrift siehe JvS II, Ep.187, S. 248: uultu uerbi Dei, id est legis Divinae. Zur Rolle der K ­ irche in der Bewahrung der lex divina siehe JvS II, Ep.219, S. 372: nisi ad Romanam ecclesiam, ubi uiget diuinae legis custodia, et totius sacerdotii principatus. Erläuternd: Miczka: Bild, S. 56 f. Er erkennt besonders, aber keinesfalls ausschließlich, die Bücher des Pentateuch als Grundlage des saresberiensischen Rechtsverständnisses. 738 Als menschlich Gesetztes stehen das Kirchenrecht und die Verfügungen der Fürsten unter dem göttlichen Gesetz. Beide sind an das öffentliche Wohl geknüpft, doch kommt dem Kirchen­ recht ein Ehrenvorrang zu. Siehe Miczka: Bild, S. 79. Johannes spricht von der utilitas publica: Policraticus, ed. Keats-Rohan I, 3 und IV, 1, S. 28, 234 (=Policraticus I, ed. Webb, 20, S. 238) sowie Policraticus II, ed. Webb VI, 20, S. 59. Zum öffentlichen Wohl siehe Wilhelm Berges: Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, Stuttgart 1952 (Schriften der Monumenta Germaniae Historica, 2), S. 138 f., 141. 739 Joannis Saresberiensis: Ep. 174. Multa quidem scribenda essent, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 148 bzw. Policraticus I, ed. Webb, VI , 6, S. 251. Zur Unterscheidung von göttlichem und irdischem Recht siehe Christophe Grellard: «Le prince est sujet

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Rechtssammlungen zusammengeführten päpstlichen und konziliaren Dekretalen und Erlasse, aber auch die Anordnungen der Väter, das Gewohnheitsrecht der K ­ irche und letztlich auch Ordnungen und Privilegien wie die Konstantinische Schenkung gemeint, die die weltliche Gewalt zugunsten der K ­ irche erlassen habe.740 Diesen Rechtssätzen wiederum werden verschiedene Wertigkeiten zugeordnet. Für hartnäckige Zweifelsfälle empfiehlt der Angelsachse einen sukzessiven Handlungskatalog: […] in omni ardua dubietate censeo faciendum, scilicet, ut primo omnium quaeramus et sequamur quid super hoc lex diuina praescripserit; quae si nichil certum exprimit, recurratur ad canones et exempla sanctorum ubi, si nichil certum occurrit, tandem explorentur ingenia et consilia sapientum in timore Domini illique, seu pauciores seu plures sint, ceteris praeferantur qui honorem Dei commodis omnibus anteponunt. Nullus enim salubriter incedit, lege Dei, quae omnibus est certissima forma uiuendi, neglecta; et qui patrum uestigia detrectat imitari, ad consortium regni quo illi gaudent intrare non potest.741

Aber keines der nebeneinander existierenden Gesetze, nicht das Kirchenrecht und nicht das englische Gewohnheitsrecht, darf mit der überragenden lex Divina in Konflikt geraten. Eine klare Absetzung beider Rechtsbereiche nimmt bereits der Entheticus maior vor: Lex divina bonis vivendi sola magistra Non veterum ritus, qui ratione carent. […] Lex humana, Dei si sit contraria legi, Auctorem damnat, quo pereunte perit.742

Hier liegt der Kern seiner Ablehnung der Konstitutionen von Clarendon und jedes Verstoßes gegen das göttliche und kirchliche Recht.743

de la loi de justice»: Loi de Dieu, lois des hommes chez Jean de Salisbury, in: Jean-Patrice Boudet u. a. (Hg.): Le roi, fontaine de justice, Paris 2011 (Circare. Jus & litterae, 3), S. 85 – 102. 740 Zur Kategorisierung der Rechtsbereiche umfassend mit Belegen: Miczka: Bild, S. 70 – 75. 741 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 217. Inhumanus est et extremae, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 364 – 367. 742 Entheticus I, ed. van Laarhoven, S. 203, vv. 1517 – 1522. 743 Details zu Johannes’ Auffassung vom römischen Recht und seiner Ablehnung der tradierten englischen Rechtssätze bei Hohenleutner: Studien, S. 95. Ebenfalls zu Abhängigkeit und

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Nach Miczka stellt Johannes’ Oeuvre mehrere Postulate auf: Die lex divina sei in der Bibel niedergeschrieben und vom römischen Recht christlicher ­Kaiser wie Konstantin, Theodosius, Justinian fortgeführt worden.744 Ihre Vorschriften ­seien „nicht dem Buchstaben, sondern dem Sinn nach zu befolgen, den der intellectus mysticus vermittel[e]“ 745. So verknüpft Johannes das alttestamentliche Königsgesetz mit der Bibel, der römischen Rechtstradition und dem göttlichen Naturrecht. Logische Folge der von Johannes eingeforderten Treue gegenüber dem Gesetz ist die Ausübung von Gerechtigkeit, einer politischen Größe, ohne die jegliches funktionierendes menschliches Gemeinwesen, wie es auch der Policraticus entwirft, undenkbar sei.746 Neben der iustitia steht ein anderes Prinzip, das Johannes von Salisbury mit dem Begriff der aequitas umkleidet und das ebenfalls eng mit seiner Rechtsauffassung verwoben ist.747 Den Zusammenhang ­zwischen den verschiedenen Größen des Gesetzes umreißt Johannes in seinem Idealbild des Fürsten, den er als Helfer des Gemeinwohls und Diener der aequitas bezeichnet:748 Porro aequitas, ut iuris periti asserunt, rerum conuenientia est, quae cuncta coaequiparat ratione et imparibus rebus paria iura desiderat, in omnes aequabilis, tribuens unicuique quod suum est. Lex uero eius interpres est, utpote cui aequitatis et iustitiae uoluntas innotuit.749

Ursprünglich bezeichnete die aequitas das Ideal der Angemessenheit, Billigkeit und Rechtsgleichheit. Johannes von Salisbury sah sie als die treibende kosmische Kraft eines funktionierenden Staatswesens, als formendes Rechtsprinzip göttlicher und (im Idealfall) königlicher Urteile und damit als mit der Ausübung der Gerechtigkeit im Gesetz fixierten, übergeordneten Handlungsmaßstab.750 Konflikt von menschlichem und göttlichem Recht und den Folgerungen für die Streitfragen im Becketdisput: Miczka: Bild, S. 61 – 65. 744 Vgl. ebd., S. 57 – 59. 745 Ebd., S. 58 f. 746 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan I, 3, S. 28 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 20). 747 Einführend zum Rechtsbegriff der aequitas siehe Peter Landau: ‚Aequitas‘ in the ‚Corpus Iuris Canonici‘, in: ders. (Hg.): Europäische Rechtsgeschichte und kanonisches Recht im Mittelalter: Ausgewählte Aufsätze aus den Jahren 1967 bis 2006, Badenweiler 2013, S. 285 – 294. 748 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 2, S. 235 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 238). 749 Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 2, S. 234 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 237). 750 Vgl. ebd. V, 2, S. 282: Est autem res publica, sicut Plutarco placet, corpus quoddam quod diuini muneris beneficio animatur et summae aequitatis agitur nutu et regitur quodam moderamine rationis. Mit Bezug auf die Ps 10,9 und 14,13: Siquidem honor regis iudicium diligit et oculi eius uident (quia diligunt) aequitatem; nam ubi amor, ibi oculus. ( Joannis Saresberiensis: Ep. 145. Praeter eam quam affectio, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, 38 f.) und Absit

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Für Johannes von Salisbury entsprach die aequitas der „von Gott vorgedachte[n] Ordnung der Welt, [der] Einheitlichkeit der Naturgesetze, de[m] Kausalitätsplan der Natur“ 751. Sein Verständnis geht aber über einen solchen kosmischen Kausalitätsplan noch hinaus, indem er sie mit dem aristotelischen Prinzip des richtigen Maßes verbindet, das er auch menschlichen Akteuren als Handlungsmaxime nahelegt.752 Die Verschmelzung antikphilosophischen Gedankenguts und christlicher Kosmologie ist nur eine Seite des aequitas-Begriffs. Im Policraticus konnte Hohenleutner auch Zusammenhänge mit kanonistischen und rechtsphilosophischen Quellen, insbesondere mit Cicero, dem Decretum Gratiani und dem Corpus Iuris Civilis aufdecken.753 In ­diesem Sinne bedeute sie dann „Billigkeit, sowohl als Teil des Rechtes selbst, wie auch als rechtliches Verfahren“ 754. Damit kann die aequitas auch als Richtlinie für die Durchführung kirchenrechtlich korrekter Prozesse, etwa die Absolution Exkommunizierter oder die Wahl des römischen Bischofs, herangezogen werden. Die libertas ecclesiae war mitnichten das einzige Glied in der komplexen Freiheitstheorie des Saresberiensis. Eng mit ihr verbunden ist ein anderes, nicht minder wichtiges Freiheitskonzept: die durch göttliche Gnade ermöglichte, aber unter mensch­liche Verantwortung gestellte Freiheit des menschlichen Willens. Diese libertas arbitrii weise letztlich den Weg zu menschlicher Tugend und werde in Zeiten der Tyrannei gewaltsam von außen unterdrückt.755 Durch diese Verschränkung von ­göttlicher hoc ab eo qui orbem iudicat in aequitate, qui ipsis angelis non pepercit, qui potentes potenter punit, qui aufert spiritum principum, qui contemptores suos reddit ignobiles. (ders.: Ep. 285. Miratur fortasse, in: ebd., S. 624 – 629, hier: S. 626 f.) Weitere Belege bei Hohenleutner: Studien, S. 97, 228, Anm. 48. So ist dem guten Fürsten alles zu tun untersagt, was nicht im Einklang mit iustitia oder aequitas sei. Siehe Policraticus I, ed. Webb, V, 1 und 2, S. 237 – 238. Zur Unterscheidung von aequitas, lex divina und iustitia siehe auch Barrau: Bible, S. 381 – 389. 751 Berges: Fürstenspiegel, S. 47. 752 So gegenüber Thomas Becket, den er bei der Belagerung von Toulouse um Verkündung der aequitas bittet (vgl. Policraticus II, ed. Webb, VIII, 25, S. 424) oder in seiner Opposition gegen die Absolution des Johannes von Oxford (dazu: Hohenleutner: Studien, 104 f.). Siehe ebd., S. 97 für andere Parallelen zu weiterem zeitgenössischem kulturellen und religiösem Ideengut. Zur Auswirkung aristotelischer Ethik auf die saresberiensische Freiheitsidee und seine Briefe siehe Cary J. Nederman: The Aristotelian Doctrine of the Mean and John of Salisbury’s Concept of Liberty, in: Ders.: Aristotelianism und Ders.: Ethics. Allgemeiner Ders.: The Meaning of ‘Aristotelianism’ in Medieval Moral and Political Thought, in: Journal of the History of Political Ideas, 57 (1996), S. 563 – 585. 753 Vgl. Hohenleutner: Studien, S. 98 f. 754 Ebd., S. 98. 755 So dargestellt in der Anarchie um Stephan von Blois, die Johannes im Entheticus aufgreift. Vergleiche den Kommentar John of Salisbury’s Entheticus maior and minor. Bd. 2: Commentaries and notes, ed. Jan van Laarhoven, Leiden 1987 (Studien und Texte zur G ­ eistesgeschichte

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Gnade, menschlicher Verantwortlichkeit und philosophischer Tugend ist das Freiheitsverständnis ein wichtiger Teil der saresberiensischen Staatstheorie.756 An ihr, am Rechtsverständnis und der kirchlichen Idee der Freiheit richten sich Johannes’ Urteile über die Ereignisse während des alexandrinischen Schismas aus.

2.2.2.2.2  Das Gewaltenverhältnis: die Zweischwerterlehre und das konstellationsbedingte Kooperationsmodell Johannes von Salisbury erkannte die Autorität und Hierarchie der ­Kirche kompromisslos an. Weil sie in seinen Augen die göttlich autorisierte Hüterin der causae sacerdotales und des göttlichen Rechtes war, konnte er sich in Becketstreit und Schisma klar positionieren. Es ginge jedoch fehl, ihn als einen extrem gregorianisch gesinnten Papalisten zu sehen.757 Zwar scheint besonders in den Briefen eine antiimperiale Haltung durch, doch wird gezeigt werden, inwieweit diese Einstellungen mit seiner eigenen Erfahrung mit dem Verhalten weltlicher Autoritäten innerhalb der großen Konflikte in England und auf dem Kontinent zusammenhingen. Johannes’ allgemeine Auffassung von Ideal und bestimmenden Faktoren des Verhältnisses der weltlichen Macht zur ­Mutter ­Kirche und ihren Repräsentanten gibt Aufschluss darüber, unter ­welchen Vorzeichen er die Konflikte z­ wischen K ­ aiser und Papst, König und Primas interpretierte. Dem Thema widmet er sich im Policraticus: Hunc ergo gladium de manu Ecclesiae accipit princeps, cum ipsa tamen gladium sanguinis omnino non habeat. Habet tamen et istum, sed eo utitur per principis manum, cui cohercendorum corporum contulit potestatem, spiritualium sibi in pontificibus auctoritate seruata. Est ergo princeps sacerdotii quidem minister et qui sacrorum officiorum illam partem exercet quae sacerdotii manibus des Mittelalters, 17). Hier auch die Entfaltung der Freiheitstheorie: Entheticus I, ed. van Laarhoven, S. 120 – 127, vv. 223 – 324, S. 265 – 278 bzw. S. 821 f., vv. 451 – 526 und S. 1215 – 1246 (antike aristotelische, stoische und ciceronische Freiheitsidee). 756 Zur stufenförmigen Entwicklung der Freiheitstheorie und der Ausprägung der libertas ecclesiae und libertas arbitrii im gesamten Lebensverlauf und Werkkorpus des Johannes von Salisbury siehe Max Kerner: Freiheit im Verständnis des Johannes von Salisbury, in: Fried: Freiheit. Zur Krise der Willensfreiheit im Kontext der Gewaltherrschaft auch Liebeschütz: Humanism, S. 55 f. 757 Vgl. die Argumentation von Johannes Spörl: Grundformen hochmittelalterlicher Geschichtsanschauung. Studien zur Weltbild der Geschichtsschreiber des 12. Jahrhunderts, Darmstadt 2 1968 (Libelli, 203), S. 73 – 113, der in Johannes von Salisbury den humanistischen Vorreiter eines Weltbildes sieht, das dem Individuum und dem Staat in Maßen eine erhöhte Autonomie zugestand.

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uidetur indigna. Sacrarum namque legum omne officium religiosum et pium est, illud tamen inferius, quod in penis criminum exercetur et quandam camificii repraesentare uidetur imaginem.758

Die Art wie Johannes der auf der allegorischen Deutung von Lk 22,38 basierenden Vorstellung begegnet, dass Christus die Macht auf Erden unter zwei autonomen Autoritäten (der weltlichen in Form laikaler Herrscher und Fürsten sowie der kirchlichen, verkörpert und ausgeführt durch die Priesterschaft), aufgeteilt habe, ist konventionell. Der Dualismus der Sphären wurde mit Ausgreifen der reformierten Vorstellung päpstlicher Vollgewalt und der Ausdifferenzierung ihrer institutionellen Autorität im Bereich des Rechts- und Gerichtswesens zunehmend zum Widerspruch. Im 12. Jahrhundert und darüber hinaus diskutierten Philosophen, Juristen und Theologen sowie andere gelehrte klerikale oder laikale Kreise innerhalb der Rechtsschulen und Universitäten gleichermaßen die Streitfrage nach der Qualität der beiden Autoritäten.759 Mit besonderer Heftigkeit war die Thematik seit dem 11. Jahrhundert während der großen Konflikte ­zwischen regnum und sacerdotium an die Oberfläche gedrungen. Dabei waren es vor allem die drängenden Fragen der Tagespolitik gewesen, die eine Ausdifferenzierung der Zweigewaltenlehre nahelegten. War es dem Papst erlaubt, ethische oder politische Urteile über das Verhalten des weltlichen Herrschers zu fällen oder ihn gar abzusetzen? Wann wurde im Kern die unbestrittene spirituelle Superiorität der K ­ irche zum illegitimen Eingriff in die Sphäre herrscherlicher Autonomie? Wie sollte das Axiom päpstlicher Vorherrschaft mit dem seit den Tagen der Kirchenväter tradierten Dualismus der Gewalten und dem Idealbild eines autonomen, doch gemeinsamen Kampfes gegen das Böse zusammengebracht werden?760 Jahrzehntelang rang man mit der dualistischen Deutung der weltlichen Seite und deren Widerspruch zur hierokratischen ­Theorie kirchlicher Vorrangstellung.761 Zur Zeit des Johannes von Salisbury war man auf kirchlicher Seite überzeugt, mit der exegetischen Allegorie der zwei Schwerter, basierend auf Jesu Worten am letzten Abendmahlstisch in der Runde seiner Jünger, eine Antwort auf das t­ heoretische 758 Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 3, S. 236 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 239). 759 Siehe James Henderson Burns (Hg.): The Cambridge History of Medieval Political Thought, Cambridge 1991, S. 374 – 382; Fuhrmann: ­Kaiser, S. 100 und Hoffmann: Schwerter. 760 Zum Kooperationsgedanken (etwa bei Petrus Damiani) siehe Wilhelm Levison: Die mittelalterliche Lehre von den beiden Schwertern, in: DA 9 (1952), S. 14 – 42, hier: S. 29. 761 Zur Entwicklung der Zweigewaltentheorie im Mittalter siehe Robert Warrand Carlyle/ Alexander J. Carlyle: The Theories of the Relation of the Empire and the Papacy from the Tenth Century to the Twelfth, Edinburgh 51970 (A History of Medieval Political Theory in the West, 4) sowie Fuhrmann: K ­ aiser (bis ins 12. Jahrhundert) und Burns: History, S. 367 – 421, hier: S. 368 (einschließlich spätmittelalterlicher Vorstellungen).

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Dilemma gefunden zu haben.762 Die als gladius spiritualis und gladius materialis identifizierten Schwerter wurden mit irdischer und geistlicher Gewalt gleichgesetzt.763 Ersteres war dabei, sozusagen als Schwert des Wortes, nicht nur Sinnbild pastoraler Funktion und Predigttätigkeit, sondern wurde auch zum Sinnbild der apostolischen Gerichtsexekutive, zum „Schwert der Exkommunikation, des Anathems, der kanonischen Strafe“ 764. Letzteres wurde zum symbolischen Ausdruck der Verpflichtung und Funktion der weltlichen Autorität zum Dienst als verlängerter Arm Gottes in der Ausübung des göttlichen Zorns.765 Gott habe die beiden Gewalten eingesetzt, damit sie mit beiden Schwertern zum Allgemeinwohl der Gläubigen kooperierten – ein Gebot, das man in Canterbury gegenüber Heinrich II. gerne hochhielt, als sich die englische K ­ irche in der Frühzeit des Schismas von der Obödienzentscheidung ausgeschlossen fand.766 Damit war jedoch noch keine Aussage über die verhältnismäßige Stellung beider Sphären getroffen. Rekurs und Beleg radikalerer kirchentreuer Interpretationen wurden die – wenn auch aus ihrem historischen Zusammenhang gerissenen – Erläuterungen der Gewaltenteilung durch Papst Gelasius I. (492 – 496) gegenüber dem oströmischen ­Kaiser Anastasius I. oder die Aussagen Bernhards von Clairvaux, beide Schwerter ­seien Eigentum der ­Kirche und der weltliche Schwertträger habe auf päpstliches Geheiß im Sinne der ­Kirche zu walten.767 762 Luk 22,37 – 38: Dico enim vobis, quoniam adhuc hoc quod scriptum est, oportet impleri in me: Et cum iniquis deputatus est. Etenim ea quæ sunt de me finem habent. At illi dixerunt: Domine, ecce duo gladii hic. At ille dixit eis: Satis est. 763 Vgl. Levison: Lehre; Hoffmann: Schwerter; Arno Borst: Der mittelalterliche Streit um ­ irche das weltliche und das geistliche Schwert, in: Walther Peter Fuchs (Hg.): Staat und K im Wandel der Jahrhunderte, Stuttgart 1966, S. 34 – 52. 764 Burns: History, S. 371. 765 Röm 13,4: Dei enim minister est tibi in bonum. Si autem malum feceris, time: non enim sine causa gladium portat. Dei enim minister est: vindex in iram ei qui malum agit. 766 Vgl. JvS I, Ep. 116, S. 190. 767 Vgl. Nr. 632, in: Phillipe Jaffé (Hg.): Regesta pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum natum 1198. Bd. 1: a S. Petro ad a. MCXLIII, ed. Samuel Löwenfeld, Ferdinand Kaltenbrunner & Paul Ewald, Leipzig 1885, S. 85 (=J3 1277, in: Philippe Jaffé (Hg.): Regesta pontificum Romanorum ab condita Ecclesia ad annum post Christum natum 1198. Editionis tertiae emendatae et auctae iubente academia Gottingensi, sub auspiciis Nicolai H ­ erbers. Bd. 1: a S. Petro ad a. DCIV, ed. Markus Schütz, Göttingen 32016 (Regesta Pontificum Romano­ rum, 1). Ediert in Eduard Schwartz (Hg.): Publizistische Sammlungen zum acacianischen Schisma, München 1934 (Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Abteilung, 10), S. 19 ff. sowie Bernardus Claraevallensis. Epistolae I: Corpus Epistolarum 181 – 310 II. Epistolae extra corpus 311 – 547, ed. Jean Leclercq, Rom 1977 (SBO, 8), Ep. CCLVI, S. 163 und De Consideratione IV, III, 7, in: Sancti Bernardi opera:

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Hier zeigen sich die Wurzeln der im Policraticus IV ,3 niedergelegten Überzeugung, der König sei sacerdotii minister, dem Klerus untergeordnete Zivilmacht. Der König habe durch Gott und durch Vermittlung der Universalmacht K ­ irche das weltliche Schwert erhalten und sei dieser in exekutiven Aufgaben, sozusagen dem Führen des gladius materialis in Dingen, die dem standesethischen Kodex der Priesterschaft widersprachen, weisungsunterworfen.768 Schließlich könne alle Gewalt, die nach dem Sündenfall übertragen wurde, nur noch eine gottvermittelte Gewalt sein.769 Die Zweischwerterlehre diente also auch Johannes von Salisbury zur Ausleuchtung des Widerspruchs eines weltlich-geistlichen Dualismus im Sinne einer starken, selbstbewussten Priesterschaft.770 Er vertrat damit eine individuelle, dem Gedankengut Bernhards von Clairvaux und dem Papsttum nahestehende Sicht des Gewaltengefüges mit sehr gemäßigten hierokratischen Ansätzen, für die auch die an den Kathedralschulen unterrichteten Lehren grundlegend waren.771 Hoffmann verweist auf Johannes’ Lehrer Robert Pullen, der 1140 in seinen Sententiae ebenfalls die Notwendigkeit der beiden Schwerter im Kampf für den Frieden hervorhob, gleichsam aber deutlich machte, dass die Fürsten Hilfsorgane der Geistlichkeit s­ eien, die sich bei Nichtbefolgung ihrer Aufgabe oder Widerstand gegen die priesterlichen Gebote dem Vorwurf der Tyrannei stellen mussten.772 Eben diese Frage der Unterscheidung von Tyrann und gutem Fürsten ist es, die Johannes’ Aussagen im Gegensatz zu denen des Bernhard von Clairvaux – dem niemals daran gelegen war, eine ­Theorie des Gewaltenverhältnisses aufzustellen – in der politischen Ideengeschichte des Mittelalters so bedeutend machte. Indem er dem Konzept eine juristische Dimension verlieh, postulierte Johannes von Salisbury eine umfassendere Vorstellung vom Herrscheramt als Einrichtung unter kirchlicher Kontrolle als seine Vorgänger. Eingebettet in seine Betrachtungen zum Unterschied ­zwischen Tractatus et opuscula, ed. Jean Leclercq, 9 Bde., Rom 1963 (SBO, 3). Siehe dazu Carlyle/ Carlyle: Theories, S. 333 – 335; Jacqueline: Pouvoir; Kennan: Antithesis, S. 100 sowie zusammenfassend Levison: Lehre, S. 32 ff.; Hoffmann: Schwerter, S. 96 f.; Fuhrmann: ­Kaiser, S. 100 f., 106 f. und Burns: History, S. 372 – 374. 768 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan, IV, 3, S. 236 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 239). 769 Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 1, S. 233 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 236). 770 Zu Johannes’ Ausprägung der T ­ heorie des Gewaltenverhältnisses siehe Carlyle/Carlyle: Theories, S. 330 – 337; Wilhelm L. Grünewald: Das fränkisch-deutsche Kaisertum des Mittel­alters in der Auffassung englischer Geschichtsschreiber (800 – 1273), Friedberg 1961, S. 80 f.; Hohenleutner: Studien, S. 88. In kritischer Auseinandersetzung mit der älteren Forschung: Nederman/Campbell: Priests. 771 Zu Johannes’ Verständnis kirchlich-weltlicher Beziehungen siehe die Auseinandersetzung mit der von Carl Schaarschmidt vertretenen Hierokratiethese in ebd. 772 Vgl. Hoffmann: Schwerter, S. 93.

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Despot und gutem Fürsten schließt er mit der nach Carlyle und Carlyle „ersten definitiven Äußerung […] zum Konzept, dass jegliche Autorität, weltlich wie kirchlich, der spirituellen Gewalt [gehöre]“, mit einer „theoretische[n] Weiterentwicklung der eigentlichen Position, die Gregor VII. in seinem Konflikt mit Heinrich IV. aufgenommen [habe]“ 773.774 Die Passage spielt auf den Inhaber des apostolischen Stuhls als Koronator des Herrschers an: Profecto, ut Doctoris gentium testimonio utar, maior est qui benedicit quam qui benedicitur, et penes quem est conferendae dignitatis auctoritas eum, cui dignitas ipsa confertur, honoris privilegio antecedit. Porro de ratione iuris, eius est nolle cuius est velle, et eius est auferre qui de iure conferre potest. Nonne Samuel in Saulem ex causa inobedientiae depositionis sententiam tulit, et ei in regni apicem humilem filium Ysai subrogavit.775

Keine rechtmäßige Schwertgewalt sei von der ­Kirche loszulösen: […] inuenies armatam militiam non minus quam spiritualem ex necessitate officii ad religionem et Dei cultum artari, cum fideliter et secundum Deum principi debeatur obsequium et rei publicae peruigil famulatus. Vnde, quod praedixi, qui nec electi sunt nec iurati, etsi militum nomine censeantur, non magis in ueritate milites sunt quam sacerdotes et clerici quos ad ordines Ecclesia non uocauit. […] Duos gladios sufficere imperio Christiano Euangelii sacra testatur historia omnes alii eorum sunt qui cum gladiis et fustibus accedunt ut captiuum capiant Christum, nomen eius delere cupientes.776

Der Herrscher war in Johannes’ Augen in allen Dingen, die nicht in seinem ureigenen, weltlichen Autoritätsbereich lagen, dem göttlichen Gesetz und der Weisung der ­Kirche als Eigentümerin und Verleiherin des gladius materialis unterworfen.777 Dies untersagte ihm nicht nur jeglichen Eingriff in innerkirchliche Angelegenheiten, sondern auch alle Ansprüche, das Königsrecht und römisches Recht als höhere Instanz zu betrachten. Einwänden begegnete Johannes von Salisbury geschickt mit Verweisen auf Rechtssätze des römischen Rechts, in denen der Schutz der ­Kirche und klerikale Privilegien gleichermaßen verankert waren.778 7 73 Beide Zitate: Carlyle/Carlyle: Theories, S. 336. 774 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 345. 775 Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 3, S. 237 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 240 f.). 776 Policraticus II, ed. Webb VI, 8, S. 21 f. 777 Zur Ausnahme der höchsten Gewalt in menschlichen Dingen siehe Policraticus I, ed. Webb V, Prolog, S. 280. 778 Näheres bei Carlyle/Carlyle: Theories, S. 331 f.

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Lange Zeit wurden diese in der Tradition Schaarschmidts als hierokratische Tendenz interpretiert. Man sah Johannes von Salisbury als Verfechter einer Doktrin, die der ­Kirche nicht nur eine Leitungsfunktion über den weltlichen Herrscher, sondern auch Ansprüche auf genuin irdische Herrschaftsfragen zugestand.779 Grundlage dieser Deutung waren der Zuschnitt des Staatskörpers, in dem die Priesterschaft die Rolle der Seele als Leitinstanz des Kopfes, d. h. des Fürsten, annahm, sowie die oben zitierte Anwendung der Zweischwerterlehre aus Policraticus IV, 3, die angeblich dergleichen suggerierte.780 Faktisch jedoch kann keine durchgängige hierokratische Linie durch das Werk des Angelsachsen verfolgt werden. Johannes verzichtete darauf, aus seinen Aussagen über den Vorrang der Geistlichkeit die bei einem radikalen Hiero­ kraten zu erwartenden praktischen Schlüsse für die alltägliche Herrschafts- und Verwaltungspraxis des Reiches und die Rolle des Klerus darin abzuleiten. Darüber hinaus richtete er seine kritische Stimme auch gegen die Vertreter der ­Kirche selbst, die doch als ethische, politische und spirituelle Oberinstanz, sozusagen als „Hüterin des Geistigen“ 781 postuliert wurde. Statt diese Widersprüche und Mehrdeutigkeiten zu hinterfragen, wurden sie in der Forschung unreflektiert als Inkonsequenz in Johannes’ Denken etikettiert.782 Es ist Cary Nederman und Catherine Campbell zu verdanken, dass die losen Fäden zusammengeführt werden konnten.783 Sie zeigten, dass die Antwort, wie fast zwingend für einen Mann der Mäßigung, in der Mitte lag. Die Politikwissenschaftler haben erkannt, dass Johannes’ Verständnis des Gewaltenverhältnisses und der logische Zusammenhang mit den übrigen Lehren auf anderer Ebene als der hierokratischen besteht. Die Passage muss in ihrem direkten Kontext, der Differenzierung z­ wischen Tyrannen und Friedensfürst, gelesen werden: „Instead of proposing a single normative theory of this relationship, John specified a fourfold scheme of interrelationships between the two realms. Simply stated, he presumed that the church and temporal government are independently ordained institutions, each one with its own special purpose and tools. Their aims and methods are connected, however, in such a fashion that the condition of one sphere affects the circumstances of the other. The character 779 Vgl. Schaarschmidt: Johannes, S. 130, 192, 346 – 348. Ihm folgten Paul Gennrich: Die Staats- und Kirchenlehre Johanns von Salisbury, Gotha 1894, S. 157; Webb: John, S. 171 – 174; Carlyle/Carlyle: Theories, S. 330 – 336. 780 Vgl. Policraticus I, ed. Webb, V, 2, S. 282. 781 Spörl: Grundformen, S. 90. 782 Kurze Zusammenschau der älteren Forschungsstimmen bei Nederman/Campbell: Priests, S. 573 – 575. 783 Vgl. ebd.

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of the ordering between the two depends most especially on the moral condition of those who occupy the religious and secular offices. When rulers and priests are both good, then rulers will follow the guidance of the clergy inasmuch as they freely recognize the superiority of spiritual power in comparison with temporal concerns.“ 784

Die Botschaft: Das Verhältnis ­zwischen irdischer und geistlicher Sphäre ist nicht statisch. Es wird von den Umständen und der Eignung der einzelnen Akteure bestimmt. Wenn ein guter Fürst sich einem kirchlichen Tyrannen gegenübersieht, gelten andere Regeln als im umgekehrten Fall. Hier der Kernsatz, der hilft, den vermeintlichen Widerspruch in Johannes’ ­Theorie aufzulösen: „In other words, kings do not submit to priests because they have to but because they want to. […] Should the clergy (or some member of it) be evil or tyrannical, the king must withdraw his allegiance from the church if he is to do his duty to God, for the king is obliged to obey the priesthood only when it is a legitimate servant of the divine will and its decrees.“ 785

Legt man diese Matrix an das saresberiensische Gedankengerüst, zeigt sich die Folgerichtigkeit und Komplexität, aber auch die Einzigartigkeit seines Arguments. Es braucht keine minutiöse Rekapitulation der Schlussfolgerungen von Nederman und Campbell, um zu erkennen, dass der König nicht bedingungslos unter die Zwangsgewalt kirchlicher Anleitung gestellt wird. Die Rede ist vielmehr von einem für das Allgemeinwohl der christianitas idealen, keineswegs utopischen Gewaltengefüge, in dem der gute Herrscher sich aus Einsicht, Weisheit, vor allem aber aus freiem Willen der kirchlichen Weisung unterstellt. Es kann also geschlossen werden, dass Johannes von Salisbury die kirchlichen und weltlichen Reiche als gleichgestellte Mächte sah, die „ihre Autorität und Rechtmäßigkeit direkt von der göttlichen Weihe ableiteten“ und frei waren von „jeder unmittelbaren rechtlichen oder politischen Kontrolle durch den anderen“ 786. Damit ließ der angelsächsische Gelehrte einen gewissen Dualismus innerhalb des Systems, aber auch die Möglichkeit der freien Wahl zu. Dies steht nicht nur im Einklang mit der Rolle, die Johannes dem freien Willen in seinem Freiheitskonzept zuweist, sondern auch mit seiner Überzeugung über den Weg zu Heil und Erlösung des Menschen durch Tugend und Mäßigung.

784 Ebd., S. 576. 785 Ebd. 786 Beide Zitate: ebd., S. 587 f.

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2.2.2.3  Die organologische Staatsmetapher 2.2.2.3.1  Das Gemeinwesen als Körper Das Verhältnis z­ wischen dem Herrscher und seiner Anleitung durch das göttliche Recht spielte ebenfalls eine bedeutende Rolle in der berühmten, auf antiken wie zeitgenössischen Vorstellungen aufbauenden, in ihrer Ausformung aber innovativen Gesellschaftstheorie des Policraticus. Hier seine berühmte Kerndefinition der res publica als eines belebten Organismus in Buch V und VI:787 Est autem res publica, sicut Plutarco placet, corpus quoddam quod diuini muneris beneficio animatur et summae aequitatis agitur nutu et regitur quodem moderamine rationis. Ea uero quae cultum religionis in nobis instituunt et informant et Dei (ne secundum Plutarcum deorum dicam) cerimonias tradunt, uicem animae in corpore rei publicae obtinent. Illos uero, qui religionis cultui praesunt, quasi animam corporis suspicere et uenerari oportet. Quis enim sanctitatis ministros Dei ipsius uicarios esse ambigit? Porro, sicut anima totius habet corporis principatum, ita et hii, quos ille religionis praefectos uocat, toti corpori praesunt.788

Da naturgemäß auch Fürsten und Klerus zu den Gliedern des Gesellschaftskörpers gehören, bildet ­dieses gesamtgesellschaftliche Leibgleichnis die Beziehung z­ wischen regnum und sacerdotium sinnbildhaft ab. Der Verweis auf Plutarch bezieht sich auf die von Johannes als Institutio Trajani bezeichnete Lehrschrift, in welcher der im Mittelalter hochgeschätzte Philosoph den jungen römischen ­Kaiser Trajan über die Natur des Staatswesens instruiert haben sollte. Eventuell ging diese auf eine spätantike Offizienlehre zurück, die ebenfalls den Vergleich der Körperglieder mit Staatsämtern vornahm.789 In jedem Fall geht 787 Zur entsprechenden politischen T ­ heorie siehe Berges: Fürstenspiegel, S. 40 – 52, 131 – 143 und Struve: Entwicklung, S. 123 – 148; Ders.: Bedeutung und Funktion des Organismusvergleichs in den mittelalterlichen Theorien von Staat und Gesellschaft, in: Albert Zimmermann (Hg.): Soziale Ordnungen im Selbstverständnis des Mittelalters. 1. Halbband, Berlin/New York 1979 (Miscellanea mediaevalia, 12, 1 – 2), S. 144 – 161; Ders.: Vita. Zusammenfassend Ders.: Importance. Zur Rolle der Organologie im Gesamtgefüge des Traktats: Kerner: Struktur und Ders.: Natur, S. 187, der die organologische Auffassung als ein noch nicht vollständig systematisierten „Werkstück“ charakterisiert. 788 Policraticus I, ed. Webb V, 2, S. 282. 789 Die Echtheitsfrage ist in der Forschung rege diskutiert worden. Hans Liebeschütz betrachtete die Institutio als mutwillige Fälschung, die durch ihre antike Autorität helfen sollte Johannes’

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Kerner davon aus, dass Johannes erst in Canterbury auf die Institutio stieß, mit der er fortan die mittlerweile hinterfragte chartrensische Naturphilosophie zu korrigieren suchte.790 Weitere geistige Vorformen des und Einflüsse auf das Staatskörperbild bei Johannes von Salisbury waren die ekklesiologischen Vorstellungen Augustins, kosmologische Versionen des Organismusvergleichs aus spätantiken und mittelalterlichen Timaioskommentaren, römische Rechtsquellen sowie die Lehren des Robert Pullen und Wilhelm von Conches.791 Denn der Versuch, die strukturellen Zusammenhänge des staatlichen Gemeinwesens in ein umfassendes, verständliches Modell zu fassen, blickte im 12. Jahrhundert bereits auf eine lange Tradition zurück. Aufgrund ihrer über die reine Abbildung hinaus weisenden kosmologischen Komponente bot sich die Vorstellung der Staatsverfassung als eines natürlichen Organismus besonders an, um die Stellung des Individuums in der Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu anderen Instanzen aufzuzeigen.792 Schließlich war man seit alters her überzeugt, dass die Welt und damit auch der Mensch und seine gesellschaftliche und politische Ordnung denselben Lehre zu legitimieren: Liebeschütz: Pseudo-Plutarch, S. 39; Liebeschütz: Antike und Liebeschütz: Humanism, S. 24 f. Darauf erwidernd: Max Kerner: Zur Entstehungs­geschichte der Institutio Traiani, in: DA 32 (1976), S. 558 – 571, hier: S. 562 f. sowie Ders.: Institutio und Ders.: Natur, S. 179 – 202. Kerner fasst die Institutio Traiani als reale, spätantike Quelle auf. Zusammenfassend und bestätigend: Struve: Importance, S. 305 f. Dagegen spricht sich Kate Langdon Forhan: A Twelfth-Century ’Bureaucrat’ and the Life of the Mind: The Political Thought of John of Salisbury, in: Proceedings of the PMR Conference: Annual Publication of the International Patristic, Mediaeval and Renaissance Conference 10 (1985), S. 65 – 74, hier: S. 70 aus. Sie verweise auf die Studien von Janet Martin (etwa Martin: Classics), ­welche eine Reihe von Aspekten aufzeigen, in denen Johannes von Salisbury nicht immer quellengetreu arbeitete, um die Wirkung seiner Aussagen zu unterstreichen. Beispiele mutwillig erfundener Quellen konnten bis dato nicht belegt werden. Die jüngste Stellungnahme durch Christophe Grellard (Le pseudo-Plutarque et ses usages (Vortrag vom 28. 01. 2010), Centre d’Études Supérieures de la Renaissance, Tours 2010) widerspricht nach Rekapitulation der verschiedenen Theorien der Fälschungsthese unter anderem auf Basis neuer unabhängiger Verweise auf die Institutio Traiani. 790 Eine Rolle in der Entwicklung der saresberiensischen Organologie spielten die platonische Einteilung der Gesellschaft gemäß der Funktion ihrer Glieder, die chartrensische Ansicht einer kosmologischen Entsprechung des Körpers mit dem Makrokosmus sowie die Erweiterung des Modells um die Bauern, Händler und Soldaten bei Wilhelm von Conches. Zusammenfassend: Struve: Importance, S. 307 f. Das juristisch interessierte Umfeld Canterburys als Ort, an dem Johannes von Salisbury mit der Institutio in Berührung kam, vermutete zuerst Saltman: Theobald, S. 175 f. Siehe auch Kerner: Natur, S. 196 ff. 791 Vgl. Struve: Vita, S. 56 – 61; Bass: Metaphor und ausführlich Kerner: Natur, S. 189 – 198. 792 Zur Genese des Modells, das den Weg zu einer überpersonalen Deutung des Gemeinwesens wies, sei vor allem auf die Studien von Tilman Struve verwiesen, denen die folgenden Ausführungen geschuldet sind. Struve: Entwicklung; Ders.: Organismusvergleich; Ders.:

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­ etaphysischen Gliederungsprinzipien wie der Makrokosmos folgte und ­diesem als m eine Art irdisches Miniaturabbild entsprach.793 Typisch mittelalterlich war die Sicht des Organismus als kompositorischer Einheit, in der jedes Glied klar und auf sinntragende Weise funktional verortet wurde. Definiert wurden nicht nur die Aufgaben und das wechselseitige Verhältnis der einzelnen Organe und Glieder untereinander, sondern auch deren Relation zum übergeordneten Ganzen. Letzteres identifiziert Johannes von Salisbury mit dem übergeordneten Prinzips der utilitas, des Allgemeinwohls.794 Cary Nederman konnte zeigen, dass Johannes nicht auf ein statisches, auf die Anatomie der Teile konzentriertes, sondern ein dynamisch physiologisches Modell abzielte, in dem sich die Elemente des Staatskörpers aufgrund freier Willensentscheidung im Sinne der gemeinsamen Zielsetzung zu einer zusammenhängenden Kooperationseinheit zusammenfanden. Hierin folgte der angelsächsische Gelehrte Ciceros von ­Augustin vermittelten Vorstellung, dass eine gemeinsame Zustimmung zu Gesetz und Recht sowie der Wunsch nach Teilhabe an gemeinsamen Vorteilen den Staat ausmachten.795 Trotz des soliden ideengeschichtlichen Fundamentes ist es Johannes von Salisbury gelungen, unter Einschluss christlicher Elemente eine in ihrer Totalität und ihrem sozialen Interesse einzigartige und höchst einflussreiche Modellvariante zu schaffen.796 Er lehrt, dass das Gemeinwesen, von Gottes Gnade geschaffen, einem lebendigen Körper ­gleiche und dem Gesetz der aequitas unterstehe.797 Sein Idealzustand sei die makellose Harmonie der Glieder, in der jedes seine Aufgabe ungehindert und verantwortungsvoll ausfüllte. Quelle und Maßstab der Harmonie sei die vom Gesetz (lex) vermittelte, perfekte göttliche Ordnung, wie sie sich in der Natur und damit auch im idealen Staatskörper widerspiegelt.798 Importance. Nachgedruckt in Ders.: Staat und Gesellschaft im Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze, Berlin 2004 (Historische Forschungen, 80). 793 Vgl. Struve: Organismusvergleich, S. 145. 794 Vgl. Policraticus II, ed. Webb, VI, 22, S. 63 und VI, 29, S. 86. Struve: Organismusvergleich, S. 148 f. 795 Vgl. Nederman: Significance. 796 Zum Innovationspotenzial des fünften und sechsten Buches des Policraticus siehe: Bass: Metaphor; Sigbjørn Olsen Sønnesyn: Obedient Creativity and Idiosyncratic Copying: Tradition and Individuality in the Works of William of Malmesbury and John of Salisbury, in: Slavica Rankovic (Hg.): Modes of Authorship in the Middle Ages, Toronto 2012, S. 113 – 132. Zu den christlichen Elementen der organologischen Lehre: Olsen: Humanism. Zur Wirkungsgeschichte im Verlauf des Mittelalters siehe Struve: Entwicklung, S. 22 – 28. 797 Zur Interpretation siehe Berges: Fürstenspiegel. 798 Vgl. Struve: Organismusvergleich, S. 150. Hier zeigen sich Parallelen zur Naturphilosophie der Schule von Chartres. Zum Konzept der Naturimitation weiter: Ders.: Vita (Nachdruck

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2.2.2.3.2  Klerus, Fürst und Berater: funktionale Verortung und interrelationales Verhältnis der membra Der Körper des Staatswesens sei, so Johannes von Salisbury, folglich allein dann belebt und bewegt, wenn er einem lebensstiftenden Zentralorgan untergeordnet wird, das mit allen anderen Gliedern und Organen des Organismus verbunden ist. Wie oben zitiert, ist ­dieses Lebensprinzip bei Johannes von Salisbury die Seele, die selbst durch göttliche Gerechtigkeit belebt werde.799 Die Dichotomie z­ wischen Haupt und Seele entstammte der augustinischen Anthro­pologie. Im Vergleich zu älteren, antiken Theorien befindet sich diese allerdings nicht innerhalb des Körpers, also in dessen Haupt oder Herz, sondern wird als externe Kontrollinstanz des Staatskörpers lokalisiert und erlangte eine privilegiertere Stellung unter den membra, indem sie in ihrer Wahrnehmung der Leitungsfunktion über den Körper die Funktionsfähigkeit desselben erhielt.800 Dabei haben alle wichtigen Körperorgane eine Entsprechung in Johannes’ Bild: Der Kronrat (antikisierend als ‚Senat‘ bezeichnet) entsprach dem Herzen, die Friedensrichter und Sheriffs den Augen, Ohren und der Zunge des Staatsgebildes. Finanzverwalter werden mit Eingeweiden und Magen gleichgesetzt. Die stabilisierende Flanke bilden die Höflinge, die Beamten die unbewaffnete eine Hand, die Soldaten die bewaffnete andere.801 Vorstand der gesamten Gemeinschaft jedoch war eine einzelne Instanz: Princeps uero capitis in re publica optinet locum uni subiectus Deo et his qui uices illius agunt in terris, quoniam et in corpore humano ab anima uegetatur caput et regitur.802

in: Ders.: Staat, S. 53 – 71), Wolfgang Stürner: Natur und Gesellschaft im Denken des Hoch- und Spätmittelalters. Naturwissenschaftliche Kraftvorstellungen und die Motivierung politischen Handelns in Texten des 12. bis 14. Jahrhunderts, Stuttgart 1975 (Stuttgarter Beiträge zur Geschichte und Politik, 7), S. 119 – 131 und Kerner: Natur. Begünstigender Faktor der Entwicklung dieser neuen naturphilosophischen und organologischen Ideen waren sicher auch das neu erwachte Interesse am Physischen und die neuen medizinischen Erkenntnisse, die sich in dieser Zeit durch die Übersetzungen der griechisch-arabischen Lehrwerke dem lateinischen Westen erschlossen. 799 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 1, S. 173 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 171): corpori uiuere est uegetari, moueri ab anima. 800 Vgl. Erich Dinkler: Die Anthropologie Augustins, Stuttgart 1934 (Forschungen zur ­Kirchenund Geistesgeschichte, 4), S. 87 f. 801 Vgl. Policraticus I, ed. Webb V, S. 282 – 283. 802 Ebd., S. 283. Schon Hugo von Fleury verglich den König mit dem Haupt des Körpers: Hugonis monachi Floriacensis tractatus de regia potestate et sacerdotali dignitate, ed. E. Sackur, in: MGH Ldl, 2, S. 465 – 494.

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Der König, dessen Platz als Kopf den anderen membra als Führungs- und Koordinationsinstanz des Gesamtkörpers zugeordnet war, konnte aus demselben System heraus seine Autorität von seiner Überordnung über die anderen Offizien ableiten. So funktionierte die organologische Argumentation, je nachdem, auf ­welche Aspekte man das Augenmerk richtete, in beide Richtungen.803 Die Sprengkraft dieser Idee klerikaler Vorherrschaft in der Diskussion um die Machtsphären von König und Papst liegt auf der Hand. Innovativ war vor allem der interrelationale Charakter der Analogie, die nicht nur streng hierarchisch argumentierte, sondern die Vernetzung und Abhängigkeit aller Organe untereinander und damit die integrale Bedeutung auch des niedrigsten membrum aufzeigte.804 Eben deshalb war es auch unerlässlich, dass der Fürst in dieser Struktur die Unversehrtheit und reibungslose Kooperation der Glieder gewährleistete.805 Diese Funktion als koordinierendes Leitorgan war nach Johannes von Salisbury vorrangige Aufgabe an der Spitze des Staatskörpers: Cum enim potestas publica sit, ut praediximus, omnium uire exhaurit, et, ne in se deficiat, incolumitatem omnium debet procurare membrorum. Quot autem in administratione principatus exstant officia, tot sunt principalis corporis quasi membra. Dum autem singulorum officia integritate uirtutis et suauitate opinionis conseruat, quandem quasi membris sanitatem generat et decorem. Cum uero ex negligentia aut dissimulatione potestatis circa officia sit uirtutis aut famae dispendium, quasi in membra eius morbi et maculae incurrunt. Nec diu subsistit incolumitas capitis, ubi languor membrorum inualescit.806

Zugleich, und hier wird die Eleganz des Vergleichs deutlich, kann – wie im Körper die Krankheit eines Organs die Funktionstüchtigkeit der anderen beeinträchtigt und schwächt – das reziproke Netzwerk nur funktionieren, wenn kein Agent sich ein Versagen zu Schulden kommen lässt. Wenn der Kopf als arx rei publicae 807, Gipfel­ punkt der staatskörperlichen Ordnung, lädiert sei, so sei es auch die Gesamtheit und umgekehrt.808 Das medizinische Vokabular von laesio und uulnus fügt sich f­ olgerichtig 8 03 Vgl. Struve: Organismusvergleich, S. 21. 804 Vgl. Struve: Importance, S. 309. 805 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 8, S. 260 – 261 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 264). 806 Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 12, S. 274 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 278 f.). 807 Ebd. V, 6, S. 298. Ein Anklang an die neuplatonische Philosophie der Chartrenser Schule, die dem Kopf den Sitz der Seele zuordnete und ihn damit zur arx des Körpers erhob. Siehe Struve: Importance, S. 310 f. 808 Policraticus II , ed. Webb VI , 24, S. 73: hoc adiecto quod praemisimus, quod lesio capitis, ut praediximus, ad omnia membra refertur et cuiusque membri uulnus iniuste irrogatum ad capitis

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in Johannes’ aus der Antike übernommener Sicht des Fürsten oder Herrschers als medicus rei publicae, als der Instanz ein, die bei Störungen innerhalb des Systems, folgerichtig mit Krankheiten des Staatsorganismus gleichgesetzt, regulierend und heilend tätig wurde.809 Die schwierige Diagnose, w ­ elche Läsionen oder Schwächen die Unversehrtheit des Staatsgebildes nachhaltig korrumpierten, oblag also dem weltlichen Oberhaupt. Seine Richtschnur war das göttliche Gesetz der aequitas, das die Norm politischen Lebens bildete und durch die lex, das irdische Gesetz, vermittelt wurde.810 Bedrohungen hatte er unparteiisch auszumerzen, Delikte in angemessenem Maße zu strafen. Alles, was einen Angriff auf den Glauben oder die öffentliche Sicherheit darstellte, musste als finaler Ratschluss zum Schutz des Systems mit dem Ausschluss – sozusagen der Amputation aus dem Staatskörper – des Missetäters beantwortet werden.811 Seine Werkzeuge waren Gesetz und Blutgerichtsbarkeit.812 Ob und in welchem Zusammenhang Johannes von Salisbury aus dieser theoretischen Forderung auch eine moralische Verpflichtung der weltlichen Herrscher in Schismazeiten ableitete, werden im Verlauf der Untersuchung die Briefquellen enthüllen.

spectat iniuriam. Siehe auch VI, 22, S. 63, Z. 22 f. 809 Der Herrscher wirkt medicinaliter (Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 8, S. 258 bzw. Policraticus I, ed. Webb, S. 262). Die mittelalterliche Fortführung der Arztvorstellung beleuchtet Helmut Beumann: Zur Entwicklung transpersonaler Staatsvorstellungen, in: Ekkehard Kaufmann (Hg.): Das Königtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen, Lindau/ Konstanz 1956 (VuF, 3), S. 185 – 224, hier: 193 f. Quae, si immensa auiditate congesserint et congesta tenacius reseruauerint innumerabiles et incurabiles generant morbos, ut uitio eorum totius corporis ruina immineat. (Policraticus I, ed. Webb V, 2, S. 283) und Si enim reficiantur auidius et minus digerant, generant morbos aut incurabiles aut difficiles. (V, 9, S. 322). 810 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 2, S. 235 – 236 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 239): Nam, sicut lex culpas persequitur sine odio personarum, ita et princeps delinquentes rectissime punit, non aliquo iracundiae motu sed mansuetae legis arbitrio. An dieser Stelle behandelt Johannes den öffentlichen Charakter des Königsamtes mit seinen Verpflichtungen. Siehe zudem: Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 2, S. 234 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 237). Zur Vermittlungsfunktion des irdischen Rechts siehe Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 2, S. 233 – 234 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 237) und Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 345. Araujo: Prince leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Königs als Diener Gottes und seiner Unterordnung unter das göttliche Gesetz, in dem er auf die bisherige Fehlübersetzungen einer integralen Stelle (Policraticus IV, 1) hinweist. 811 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 8, S. 258 – 259 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 262) und Policraticus II, ed. Webb VI, 26, S. 79. Zur Definition tolerierbarer und inakzeptabler Vergehen siehe ebd. VI, 26, S. 77 – 82. 812 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 2, S. 234 – 236 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 238 f.).

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Struve bemerkte richtig, dass die „Regierungstüchtigkeit des Herrschers geradezu mit der Wahrung des Rechts gleich[gesetzt]“ 813 wurde. Als Verteidiger der gött­ lichen Gerechtigkeit wurde der Herrscher in den Augen des Johannes von Salisbury zum seruus aequitatis 814, zum verlängerten Arm des göttlichen Gesetzes und seines Ursprungs, des Herrn selbst.815 Voraussetzung dafür war seine freiwillig durch Gewissensprüfung erfolgte Unterordnung unter das Recht. Wurde dieser Voraussetzung entsprochen, war jeglicher Widerstand gegenüber dem Königtum als Rebellion gegen Gott und seine Repräsentanten zu betrachten.816 Des Fürsten Wille war dann Gesetz. Dass der princeps zwar in eine überirdische Mittelsphäre z­ wischen Gott und seinen Untertanen gehoben wurde, aber immer Teil eines organologischen Verbunds blieb, der in letzter Instanz von Gott mit Leben und Bewegung erfüllt wurde, verhinderte einen selbstherrlichen Austritt des Herrschers aus den Grenzen seines Amtes.817 Ein weiteres Mal wird deutlich, dass es Johannes von Salisbury nicht um die Legitimierung einer gregorianisch beeinflussten hierokratischen Position ging, sondern darum, das gesamte irdische Verfassungsmodell an seinen Ursprung und seine Bindung an Gott zurückzuführen. Auf spiritueller Seite war es die Priesterschaft, die im Zustand der Harmonie kultisch-sakramentale und seelsorgerische Funktionen übernahm und den Herrscher durch Belehrung in biblischen und christlich-römischen Gesetzestexten seiner Funktion befähigte und ermahnte.818 Aus dem vom Königsideal von Deuteronomium 17, 14 – 20 abgeleiteten Moralkodex zieht Johannes die Ermahnung, nicht stolz, habgierig oder zu streng in der Regierungspraxis zu sein und sich nicht über die anderen Mitglieder des Staates zu stellen.819

813 Struve: Vita, S. 65. 814 Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 2, S. 235 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 238). 815 Policraticus II, ed. Webb VI, 7, S. 20. 816 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan IV , 1 bzw. 2, S. 232 – 235 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 236 – 238). 817 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 1, S. 173 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 171): Sicut ergo corpori uiuere est uegetari, moueri ab anima, et dispositione sui motibus animae adquiescere, et ei quadam obediendi necessitate concordare; sic et anima ex eo uiuit, quod suo modo uegetatur, et uere mouetur a Deo, et ei subiecta deuotione obtemperat et in omnibus adquiescit. 818 Vorbild waren die Priester des Stammes Levi, aus deren Hand der König eine Abschrift des Gesetzesbuches erhielt und die ihn durch ihre Predigt leiteten. Siehe Policraticus, ed. KeatsRohan IV, 6, S. 247, 251 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 251, 255). Zu den Aufgaben und Privilegien des Klerus siehe Miczka: Bild, S. 177 – 179. 819 Siehe Johannes’ ausführlichen Entwurf in Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 4 – 12, S. 241 – 274 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 244 – 279).

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Erinnern wir uns an Nedermans Deutung des polikratischen Staatskörpers als eines auf ein gemeinsames Ziel ausgerichteten und freiwilligen Kooperationszusammenschlusses aller Glieder. In einem solchen System konnte selbstverständlich die gesetzliche Norm, hier die Gerechtigkeit (aequitas), nicht nur als politischer Kodex des Königs gelten, sondern musste ebenso Standard für jene Organe des Systems sein, die letztlich die Wirkungskraft des Herrschers verstärkten. Wer aus dieser gesetz­ lichen Norm austrat und selbstzentrierten Motiven folgte, war als Delinquent aus der Gemeinschaft auszuschließen.820 Vermieden werden sollten derartige Entwicklungen, indem man allen Gliedern eine Bildung im göttlichen Recht zuteilwerden ließ. Dies galt gleichermaßen für diejenigen, die dem Fürsten auf weltlicher Seite Hilfe­ stellung in der Regierung und Verwaltung des Staates boten, d. h. für seinen engen Beraterstab, den Johannes von Salisbury mit den Flanken des Organismus gleichsetzte.821 Hier offenbart sich die Schnittstelle ­zwischen der saresberiensischen Hofkritik und seiner organologischen Staatsverfassung 822: Da die curiales, soweit königsnah in beratender Funktion tätig, einen stabilisierenden Teil des Körpers einnehmen, muss die Wahrung des Gesetzes und der Gerechtigkeit auch für sie Vorrang besitzen.823 Im Policraticus V,9 widmet sich Johannes von Salisbury ausführlich der Rolle der fürstlichen Ratgeber im Gemeinwesen. Als goldene Zeit in dieser Hinsicht galt ihm das alte Athen, dessen Senat so hohes Ansehen genossen habe, dass kein Machthaber wagte, ohne seinen Ratschluss zu handeln. Johannes von Salisbury kennt drei unerlässliche Anforderungen an den guten Ratgeber: Weisheit, Philosophie und Gottesfurcht.824 Die Weisheit, die „Wissenschaft von dem, was man tun und lassen muss“, sei edelster Ausdruck der von Johannes als Wurzel der Weisheit betrachteten Gottesfurcht und habe damit „die Führung in allen göttlichen und menschlichen Dingen“ 825 inne.826 8 20 Vgl. Nederman: Significance, S. 221. 821 Vgl. Policraticus I, ed. Webb V, 2, S. 283: Qui semper adsistunt principi, lateribus assimilantur. 822 Zur Hofkritik des Johannes von Salisbury siehe mit Rekurs auf ältere Literatur: Kerner: Struktur, S. 158 – 170. Außerdem Türk: Nugae und jüngst Ayegl Keskin Çolak: Nugae Curialium Reconsidered. John of Salisbury’s Court Criticism in the Context of his Political Theory, Birmingham 2012, die den Beitrag der Hofkritik zur von Johannes von Salisbury propagierten idealen Staatsverfassung verdeutlicht. 823 Vgl. Nederman: Significance. 824 Zu Johannes’ Verständnis von Weisheit und seiner Anwendung dieser Vorstellungen als moralethischem Maßstab vergleiche Barrau: Bible, S. 299 – 329. 825 Beide Zitate: Policraticus I, ed. Webb V, 9, S. 319. Übersetzung nach Policraticus, ed. Seit, S. 229. 826 Johannes bezieht sich hier auf die Moralia in Hiob Papst Gregors des Großen (Sancti Gregorii magni Romani pontificis Moralium Libri sive Expositio in Librum B. Job, in: Gregor I Opera omnia, ed. Migne, hier: I,1, c. III,3, Sp. 530). Siehe Policraticus I, ed. Webb V, 9, S. 321: Est

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Sie zu erlangen, sei das oberste Ziel der Philosophie. Dabei versteht der Angelsachse die Weisheit als eine Art Sittenweisheit, die tugendhaftes Handeln anempfiehlt und den Weg dorthin weist. Wobei tugendhaftes Handeln auch den Verzicht auf bequeme Untätigkeit einschließt, wo Handeln verlangt würde.827 Qui uero diligenter omnia inuestigat et cognitis rebus quae sunt agenda exequitur, stellt Johannes fest, proculdubio sapiens est et aptissimus consiliis principum.828 Nach Lk 2,14 ist der ein guter Berater, der sich als tugendhafter Mensch ‚guten Willens‘ hervortut. Disqualifiziert sind bereits alle, die von Ungerechtigkeit, Habgier und Hochmut geleitet sind. Ihnen Zugang zu einer Beraterfunktion zu gewähren, sei schädlicher als alles andere.829 Zusammengefasst bedeutet dies, dass der ideale königliche Ratgeber in Johannes’ Augen frei ist von sündhafter Habgier oder Hochmut. Er folgt der Gerechtigkeit, strebt ehrlich der Lebens- und Sittenweisheit zu oder hat sie bereits gefunden. Menschen auf der Suche nach Weisheit und sittlicher Vollkommenheit bezeichnet Johannes folgerichtig als philosophi.830 Dieser Überblick über Johannes’ Verständnis der Tugenden des vorbildlichen fürstlichen Beraters entfaltet seine Bedeutung in den Schismabriefen des Johannes von Salisbury, richtete sich doch in diesen Jahren einige Entrüstung des Angelsachsen gegen Mitglieder d­ ieses illustren Personenkreises im Heiligen Römischen Reich sowie am angevinischen Hof. Dieser Aspekt der Hofkritik wird somit zu einem der zentralen Th ­ emen dieser Untersuchung. Ein weiteres solches Kernthema ist die zweite große Lehre des Johannes von Salisbury: seine direkt aus dem Fürstenideal der organologischen Staatsvorstellung abgeleitete Despotismustheorie. Die akademische Konzentration auf die politischen Bücher des Policraticus hat dazu geführt, dass ein Aspekt der Tyrannentheorie nur marginale Aufmerksamkeit erhalten hat: die Idee des Priestertyrannen, einer Spezialform des despotischen Machthabers. Während eine Auswirkung der Fürstenlehre, unter anderem der Idee des tyrannus publicus, auf Johannes’ Sicht der agierenden weltlichen Machthaber im alexandrinischen Schisma auf der Hand liegt, wird im Laufe der späteren Untersuchung hinterfragt werden, ob sich nicht auch Spuren der Lehre vom kirchlichen Tyrannen in seiner Einschätzung der am Konflikt beteiligten Kleriker finden lassen. autem timor Dei, sicut beatissimus papa Gregorius asserit, nichil eorum quae agenda sunt praetermittere. 827 Vgl. Policraticus I, ed. Webb V, 9, S. 319 – 320. 828 Ebd. V, 9, S. 321. 829 Vgl. ebd., S. 322: Iniqui ergo arcendi sunt, superbi et auari, et omnis huiusmodi pestis hominum. Nichil enim perniciosius est iniquo diuitis consiliario. […] Auaro namque teste Sapientia nichil scelestius est et nichil iniquius quam amare pecuniam; hac enim animam suam uenalem habet et in uita sua proiecit intima sua. 830 Zum Gegensatz ­zwischen Höflingen und Philosophen siehe Kerner: Struktur, S. 159 – 161.

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2.2.2.4  Die polikratische Tyrannenlehre 2.2.2.4.1  Fürstenideal, Tyrannenbild, Widerstandsrecht und infelix-exitus-Theorie Die Tyrannologie bildete seit jeher den quantitativen wie qualitativen Schwerpunkt der geistesgeschichtlichen und politikwissenschaftlichen Johannesforschung. Um eine Basis für die Analyse der Schismabriefe zu schaffen, sollen hier nur die für deren Verständnis relevanten, theoretischen Grundlagen der Tyrannologie des Johannes von Salisbury skizziert werden.831 Allen voran die akribische Definition des Fürstenbilds im vierten Buch des Policraticus 832: [Princeps] legi obtemperat et eius arbitrio populum regit cuius se credit ministrum, et in rei publicae muneribus exercendis et oneribus subeundis legis beneficio sibi primum uendicat locum, in eoque praefertur ceteris, quod, cum singuli teneantur ad singula, principi onera imminent uniuersa. Vnde merito in eum omnium subditorum potestas confertur, ut in utilitate singulorum et omnium exquirenda et facienda sibi ipse sufficiat, et humanae rei publicae status optime disponantur […].833

Auf Grundlage der Ausführungen in Policraticus IV zu Charakteristika und Aufgaben des guten Staatshauptes lassen sich folgende Schwerpunkte zusammenfassen: – Freiwillige Unterordnung unter Gerechtigkeit und Gesetz (lex und aequitas) als Richtschnur des korrekten ethischen und richterlichen Handelns 831 Exemplarisch: Liebeschütz: Humanism; Johannes Spörl: Gedanken um Widerstandsrecht und Tyrannenmord im Mittelalter, in: Bernhard Pfister (Hg.): Widerstandsrecht und Grenzen der Staatsgewalt. Bericht über die Tagung der Hochschule für Politische Wissenschaften München und der Evangelischen Akademie Tutzing 18.  –  20. Juni 1955 in der Akademie Tutzing, Berlin 1956, S. 11 – 32; Rouse/Rouse: Doctrine; van Laarhoven: Tyrant; Nederman: Face; Nederman/Campbell: Priests. Erste Annäherung in Cary J. Nederman: John of Salisbury’s Political Theory, in: Grellard/Lachaud: Companion. 832 Zur Einführung sei verwiesen auf Spörl: Gedanken. Immer noch grundlegend: Rouse/ Rouse: Doctrine. Vorwürfe der Inkohärenz und Widersprüchlichkeit der darin enthaltenen Tyrannenmorddoktrin widerlegten van Laarhoven: Tyrant; Cary J. Nederman: A Duty to Kill: John of Salisbury’s Theory of Tyrannicide, in: The Review of Politics 50, 3 (1988), S. 365 – 389 und Nederman: Changing (beide neu abgedruckt in: Nederman: Aristotelianism) sowie Nederman/Campbell: Priests und, abschließend, Forhan: Stakes. Siehe auch Hee-man Lee: A Study on the Theory of the Tyrant of John of Salisbury, in: Soongsilsahak 11 (1998), S. 221 – 257. 833 Policraticus, ed. Keats-Rohan IV , 1, S. 231 – 232 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 235). Zum Unterordnungspostulat des Königs auch Araujo: Prince.

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– Dienst im Sinne der Allgemeinheit (z. B. Aufrechterhaltung der staatskörperli–

chen Harmonie und Unversehrtheit) Ausstattung mit Privilegien und Handlungsmacht zur Förderung des Gemeinwohls durch die göttliche Hand

Dadurch wird der Fürst zur öffentlichen Macht und zum irdischen Abbild Gottes: Omnis etenim potestas a Domino Deo est, et cum illo fuit semper, et est ante euum. Quod igitur princeps potest, ita a Deo est, ut potestas a Domino non recedat, sed ea utitur per subpositam manum, in omnibus doctrinam faciens clementiae aut iustitiae suae. Qui ergo resistit potestati, Dei ordinationi resistit, penes quem est auctoritas conferendi eam et, cum uult, auferendi uel minuendi eam.834

Damit ist der Herrscher Repräsentant und ausführende Hand des Herrn auf Erden. Wer sich gegen ihn stellt, stellt sich gegen den Urheber seiner Macht, gegen Gott selbst. Jeder Herrscher aber, der sich über Gottes Autorität und Gesetz hinwegsetzt, ist ein Tyrann. Nachdem Johannes den Leser in Policraticus IV–VI mit den Grundlagen seiner Staatslehre, dem Platz und den Verpflichtungen des Fürsten vertraut gemacht hatte, folgte konsequenterweise im achten und letzten Buch eine über mehrere Kapitel gespannte detaillierte Auseinandersetzung mit den Charakteristika des Tyrannen und dem Umgang, den man mit ­diesem pflegen solle. In der abendländischen Geistesgeschichte hatten Vorstellungen von Despotismus eine lange Tradition und doch gelten die Lehren des Johannes von Salisbury in Teilen auch auf ­diesem Gebiet als Scheidepunkt.835 Alttestamentarische und klassisch-antike 834 Policraticus, ed. Keats-Rohan IV , 1, S. 232 – 233 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 235 – 236): potestas publica et in terris quaedam diuinae maiestatis imago. 835 Johannes von Salisbury selbst stützte sich auf Ciceros De officiis, mit dem er die Überzeugung teilt, dass Tyrannei „ the sway of terror, civil war and proscription, the end of law as a fundamental principle of life“ (Liebeschütz: Humanism, S. 54) bedeute. Dort auch ein detaillierter Vergleich der Hauptcharakteristika beider Lehren (S. 53 – 55). Einer der Einflüsse auf die mittelalterliche Tyrannenidee war Augustinus und Gregor der Große. Siehe dazu Ernst Bernheim: Politische Begriffe des Mittelalters im Lichte der Anschauungen Augustins, in: Max Kerner (Hg.): Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt 1982, S. 59 – 79, der die Schlagworte pax, iustitia, obedientia, rex iustus, tyrannus, rex iniquus beleuchtet. Eine genaue Rückführung des mittelalterlichen Fürsten- und Tyrannenbildes aus antiker und germanischer Staatstheorie, römischer Moralphilosophie und frühchristlichem Gedankengut sowie ihrer Weiterentwicklung ab dem 11. Jahrhundert vollzieht Spörl: Gedanken. Den Bogen zu den anglonormannischen Vordenker der Diskussion um ­Königsmacht und

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Anschauungen flossen ebenso darin ein wie Sätze der daraus entwickelten christlich geprägten Staatstheorie des Mittelalters. Indem er sie mit seinen eigenen lebensweltlichen Beobachtungen in Geschichte und zeitgenössischer Gesellschaft ergänzte, konnte Johannes von Salisbury d­ iesem Gerüst einen wertvollen Gegenwartsbezug verleihen.836 Vorwürfe, seine Tyrannenlehre, insbesondere die angebliche Doktrin von der Rechtmäßigkeit des Tyrannenmordes, sei widersprüchlich und inkohärent, sind widerlegt worden. Es konnte vielmehr gezeigt werden, dass die Tyrannologie stimmig und didaktisch durchdacht ist und sogar einen integralen Bestandteil der politischen Ethik des englischen Gelehrten bildet.837 Johannes’ Definition des Tyrannen ist kurz und bündig: Est ergo tirannus, ut eum philosophi depinxerunt, qui uiolenta dominatione populum premit, sicut qui legibus regit princeps est.838 Definitorisches Hauptmerkmal ist der Umgang des Herrschers mit dem gottgegebenen Gesetz, dessen Bedeutung als heilbringendes normatives Prinzip Johannes an dieser Stelle noch einmal betont.839 Aus dessen Missachtung ergibt sich das schwerste Vergehen des Gewaltherrschers: Gesellschaftsordnung schlägt Judith A. Green: Discourses of Power in Early Twelfth-Century England: How New Were the Ideas of John of Salisbury? in: Grellard/Lachaud: Nouvelles lectures, S. 165 – 184. 836 Vgl. ebd., S. 11 – 22. 837 Vorwürfe erhoben vor allem John Compton Dickinson: The Mediaeval Conception of Kingship and Some of its Limitations as Developed in the Policraticus of John of Salisbury, in: Speculum 1, 3 (1926), S. 308 – 337. Erste Zweifel meldete Liebeschütz: Humanism an. Zudem wurde die sogenannte Tyrannenmordlehre, die in ihrer Rezeptionsgeschichte als Postulat und Rechtfertigung des Regizids herangezogen wurde, diesbezüglich missverstanden. Die Rehabilitation und Richtigstellung der Zielsetzung des Johannes von Salisbury übernahmen hauptsächlich van Laarhoven: Tyrant sowie Nederman/Campbell: Priests. In kritischer Auseinandersetzung mit diesen zuletzt Forhan: Stakes, die zum ersten Mal die didaktische Spiralstruktur der Argumentation in den Mittelpunkt stellt. 838 Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 345. Diese Definition war in sich selbst nicht neu. Zur Zeit des Investiturstreits finden wir bei Lampert von Hersfeld die ähnliche Aussage, dass ein Tyrann Gehorsam durch Gewalt erlange und ein König den Gesetzen und dem Gewohnheitsrecht seiner Vorgänger unterliege. Dahinter steckt das Zitat aus den Etymologiae des Isidor von Sevilla, dass der König sich durch richtiges Handeln auszeichne. Siehe dazu Robinson: Authority, S. 133. 839 Er spricht auch hier nicht vom kanonischen oder römischen Recht, dem Decretum oder dem Corpus Iuris Civilis, sondern vom Recht in der oben ausgeführten Ausprägung als Geschenk Gottes. Siehe Policraticus II , ed. Webb VIII , 17, S. 345: Porro lex donum Dei est, aequitatis forma, norma iustitiae, diuinae uoluntatis imago, salutis custodia, unio et consolidatio populorum, regula officiorum, exclusio et exterminatio uitiorum, uiolentiae et totius iniuriae pena.

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Haec autem aut uiolentia aut dolo impugnatur, et quasi aut leonis immanitate uastatur aut draconis supplantatur insidiis. Quocumque autem modo id fiat, planum est gratiam oppugnari et Deum quodammodo prouocari ad praelium.840

Zum irdischen Verbrechen des Machtmissbrauchs und der Unterdrückung von Schutzbefohlenen tritt die Rebellion gegen den legitimativen Ursprung seiner Macht: Gott selbst. Sie macht den Tyrannen zum Majestätsverbrecher und illegitimen Usurpator der potestas, die er unrechtmäßig und voller Willkür ausführt.841 Es ergibt sich ein klares Gegensatzpaar ­zwischen dem gottesfürchtigen, gerechten Fürsten und dem gottes­ lästerlichen Machthaber. Letzterer strebe nach Gottesebenbildlichkeit und suche zu erlangen, was ihm nicht zustehe. So maße sich der Tyrann aus Eigeninteresse und zur Unterjochung anderer göttliche Weisheit und Allmacht an.842 Princeps pugnat pro legibus et populi libertate; tirannus nil actum putat nisi leges euacuet et populum deuocet in seruitutem. Imago quaedam diuinitatis est princeps et tirannus est aduersariae fortitudinis et Luciferianae prauitatis imago, siquidem illum imitatur qui affectauit sedem ponere ad aquilonem et similis esse Altissimo, bonitate tamen deducta.843

Bevor Johannes zur eigentlichen Erläuterung der Natur der Tyrannei und ihrer verschiedenen Ausprägungen übergeht, formuliert er einen Kernsatz zum gebührenden Umgang mit dem gerechten wie dem despotischen Machthaber, der in den folgenden Jahrhunderten fatale Wirkung entfalten sollte.844 840 Ebd. VIII, 17, S. 345. 841 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 14 und 15, S. 229 – 230 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 232 f.) und Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, 18 und 21 (S. 347, 359 f., 384). 842 Vgl. ebd. VIII, 17, S. 345: Si enim bonitati studeret esse conformis, nequaquam potentiae aut sapientiae gloriam praeripere moliretur. Remunderandi tamen auctoritate aspirauit fortasse coaequari. Siehe auch ebd. VIII, 17, S. 347. 843 Ebd. VIII, 17, S. 345. Ähnlich: ebd. VIII, 22, S. 379. 844 Zur Rezeption der Widerstandsidee gegen weltliche Machthaber ab dem 13. Jahrhundert siehe Amnon Linder: The Knowledge of John of Salisbury in the Late Middle Ages, in: StM 18 (1977), S. 315 – 366 und Albrecht Classen: The People Rise up Against the Tyrants in the Courtly World. John of Salisbury’s Policraticus, the Fables by Marie de France, and the Anonymous Mai und Beaflor, in: Neohelicon 35, 1 (2008), S. 17 – 29. Ferner die kurze Notiz von Nederman: Duty, S. 364. Zu Ursprung und Genese der mittelalterlichen T ­ heorie des Widerstands gegen die Obrigkeit siehe auch Spörl: Gedanken; Jürgen Miethke: Gehorsam und Widerstand, Herrschaft und Freiheit in mittelalterlicher Politiktheorie, in: Tobias Frese (Hg.): Habitus: Norm und Transgression in Bild und Text. Festgabe für Lieselotte E. Saurma-Jeltsch, Berlin 2011, S. 131 – 150.

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Imago deitatis, princeps amandus uenerandus et colendus; tirannus, prauitatis imago, plerumque etiam occidendus.845 Dieser Satz zum Widerstandsrecht Unterdrückter gegen einen Despoten war moralethische Richtlinie, keine normative Aufforderung, wurde in den kommenden Jahrhunderten als Aufruf zum Regizid missdeutet.846 Da sich die Verfechter der radikalen Lesart im Verlauf der Geschichte nur auf aus dem Kontext gerissene Bruchstücke der ausgedehnten Tyrannenlehre beriefen, kam es zu einer folgenschweren Fehlinterpretation, die sich bis in die Forschung des 20. Jahrhunderts durchzog.847 Erst Kate L. Ferhans Hinweis, dass durch den eingeengten Fokus auf den politischen Despoten und die Vernachlässigung der weiteren im Policraticus vorgestellten Tyrannenarten die eigentliche Botschaft verfälscht worden sei, setzte einen Schlussstrich unter die lange Diskussion über die Tyrannenmordtheorie. Die gesamte Bandbreite der saresberiensischen Tyrannologie aufnehmend, durchleuchtet Forhan deren logischen Aufbau und kommt zu folgendem Schluss: „John’s extraordinary insight is that princely tyranny is one form among other equally reprehensible abuses of authority. Misuse of power is culpable, and punishable, whether found in the head of state or in an ordinary household. Any person who violates justice is a tyrant.“ 848

Kurz: Wer die Tyrannologie des Johannes von Salisbury auf die Idee des öffentlichen Despoten beschränkt, nimmt ihr ihre außerordentliche Flexibilität und Dichte, die auch für seine Einstellung zum Umgang mit allen Ausformungen der Despotie gilt. Dieser künstliche Fokus führte dazu, dass die Bedeutung der Lehre vom häuslichen oder kirchlichen Tyrannen unter dem übermächtigen politischen Schlaglicht auf den weltlichen Gewaltherrscher erstickt wurde. Eine gefährliche Entwicklung, kommt doch gerade eine Betrachtung des saresberiensischen Schismabegriffs an der Vorstellung des Priestertyrannen nicht vorbei. Auch wenn ein Appell zur Gewaltanwendung gegen die Staatsgewalt in den Briefen des Saresberiensis keinen direkten Widerhall findet, 845 Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 345. 846 Siehe Johannes’ Ausführungen zum Widerstand gegen den Tyrannen in ebd. VIII, 20. 847 Grundlegend: Rouse/Rouse: Doctrine und van Laarhoven: Tyrant, der die Existenz einer Tyrannenmordtheorie ablehnt. Seine These, Johannes’ Beobachtungen ­seien Teil der größeren Despotismuslehre und dafür geschaffen, von Tyrannei abzuschrecken, nicht, dieser aktiv zu begegnen, wurde durch Nederman mit dem Hinweis relativiert, dass ein Handlungspostulat der anderen Glieder des Staatskörpers aus der organologischen Staatsauffassung des Policraticus zwingend hervorginge. Siehe Nederman: Significance; Ders.: Duty. Die Diskussion fasst Barrau: Miroir zusammen. 848 Forhan: Stakes, S. 406.

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sind seine Überzeugungen zur Rechtmäßigkeit und möglichen Ausformungen des Widerstands allgegenwärtig. Da die Position und Ausführungen des Johannes von Salisbury zum Widerstand gegen den Tyrannen seinerzeit singulär waren, wurden verschiedentlich Versuche unternommen, diese auf dessen persönliche Lebenserfahrungen zurückzuführen.849 Die Rolle des Despoten wurde dabei Stephan von Blois, außer Kontrolle geratenen Baronen wie dessen Sohn Eustach oder anderen, namentlich aufgezählten Vertretern jener „gewissen Episode aus der Geschichte [seiner] Nation“ 850 zugewiesen. Als zeitgenössische Manifestationen des politischen Despoten wurden höherrangige Kandidaten wie Roger II. von Sizilien 851, die englischen Könige Stephan von Blois und Heinrich II.852, aber auch ­Kaiser Friedrich I. genannt.853 Zumindest für Stephan von Blois kann diese Zuordnung nicht aufrechterhalten werden, denn die Tyrannenlehre des Johannes von Salisbury lässt einen langsamen Reifeprozess erkennen: König Stephan war in den Augen des Angelsachsen zunächst nur ein schwacher Fürst, der seinen disziplinarischen Aufgaben nur unzureichend nachkam. Erst sein Nachfolger Heinrich Plantagenêt schien den Anforderungen voll zu entsprechen. Für ihn tritt auch die Bezeichnung als tyrannus erstmals auf.854 Ab 849 Zum Innovationscharakter des Tyrannenmordidee siehe Green: Discourses, S. 178 – 183. 850 Policraticus II, ed. Webb VIII, 21, S. 393 – 395. Dazu Peter von Sivers: John of Salisbury: Königtum und ­Kirche in England, in: ders. (Hg.): Respublica Christiana: Politisches Denken des orthodoxen Christentums im Mittelalter. Sacerdotium ac imperium. John of Salisbury. Thomas von Aquin. Wilhelm von Ockham. Konzilstheoretiker, München 1969 (List Hochschulreihe. Geschichte des politischen Denkens, 1506), S. 47 – 72, hier: S. 70 f. Im Speziellen die Barone Geoffrey de Mandeville, Milo von Hereford, Ranulf von Chester, Alan von Richmond, Simon de Senlis, Graf von Northampton sowie Gilbert de Clare, Graf von Pembroke, und Wilhelm von Salisbury. Dabei zog Johannes von Salisbury einen Zusammenhang ­zwischen der schwachen Herrschaft Stephans von Blois und der Zügellosigkeit seiner Barone. Siehe Nederman: Face. Liebeschütz sieht diese Erfahrungen aus der Zeit der Anarchie, in der das Volk unter der Willkür adeliger Despoten zu leiden hatte, als Johannes’ eigentliche Motivation, die T ­ heorie aufzunehmen. Siehe Liebeschütz: Humanism, 52 f. 851 Ausgangspunkt war hier, dass er durch einen Gegenpapst zur Königswürde gelangt war. Siehe Helene Wieruszowski: Roger II of Sicily, Rex-Tyrannus, in Twelfth-Century Political Thought, in: Speculum 38 (1963), S. 46 – 78. 852 Vgl. Rouse/Rouse: Doctrine, S. 704 – 709 und Nederman: Face, S. 19 f. Zu Stephen siehe Entheticus I, ed. van Laarhoven, S. 190 – 193. 853 Vgl. Spörl: Gedanken, S. 21 f. 854 Die Entwicklungslinie von den frühen Schriften, besonders dem Entheticus, bis zur ausgebauten Herrschaftsethik des Policraticus hat Nederman: Face herausgearbeitet. Er nennt Stephan von Blois einen „Pseudofürsten“, der durch seine Schwäche der privaten Tyrannei der Barone Tür und Tor geöffnet habe.

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wann genau dieser Terminus in Johannes’ Sprachgebrauch und Urteil über Heinrich II. übergeht, ist eine spannende Frage. Ein Herrscher jedenfalls trug den unrühmlichen Titel lange zuvor: Friedrich I. Barbarossa. In keinem seiner Werke aber rief Johannes von Salisbury zu gewaltsamem Vorgehen gegen irgendeinen dieser Machthaber auf.855 Vielmehr kommt in der ­Theorie wieder die berühmte Politik der Mäßigung zum Tragen, die Johannes’ Ethik und Handeln so grundlegend bestimmt. Alle breiteren Ausführungen zum Thema des Widerstands zeugen von seiner Abneigung gegen das Extreme.856 Auch die Option des Tyrannenmords belegt er mit vielerlei schweren Einschränkungen. Obgleich vom Gesichtspunkt des weltlichen und kirchlichen Rechts im Allgemeinen statthaft, sei er nur dann legitim, wenn es sich um einen öffentlichen, also einen fürstlichen Despoten handle. Zusätzlich müsste er ultima ratio sein, nachdem alle anderen Mittel versagt hätten und alle Optionen ausgeschöpft ­seien.857 Die Regierung eines Gewaltherrschers muss also bis zu einem hohen Grad toleriert werden. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, dann ist es „nicht nur erlaubt, sondern auch billig und gerecht“ 858, dem Problem mit Gewalt zu begegnen. Das Vokabular, das Johannes hier nutzt, bringt die Tat selbst in Einklang mit der aequitas als Grundvoraussetzung des rechten und guten Handelns. Die legitimierte Tötung des Tyrannen fasst er daher als Akt der Barmherzigkeit auf, für den er auch biblische Beispiele (z. B. Judith und Holofernes oder Sisara und Jael) aufführt.859 Doch selbst wenn alle Mittel versagt hätten, dürfte der Mord weder durch Gift noch von jemandem ausgeführt werden, der mit dem Opfer in einem Eidverhältnis stünde. Überhaupt dürfe die Tat der Religion und Ehre nicht entgegenstehen. Das beste Mittel – und dies ist wohl der härteste Schlag gegen die Idee des uneingeschränkten Mordpostulats – s­ eien daher nach dem Vorbild Davids, Geduld zu üben und zu beten, bis Gott selbst den Delinquenten bestrafe.860

855 Siehe etwa seinen Verweis auf die ferne und nähere Geschichte Britanniens am Ende von Policraticus II, ed. Webb VIII, 21 sowie Johannes’ Hinweis auf die Anarchie als Hochzeit der Tyrannen in ebd. VIII, 22, S. 399. 856 Details und weitere Beispiele aus dem Oeuvre des Johannes von Salisbury bei Rouse/Rouse: Doctrine, S. 679 f. Der Nähe der Philosophie zum Aristotelianismus widmet sich Nederman: Aristotelianism. 857 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 357 und VIII, 18, S. 364. 858 Ebd. 859 Vgl. ebd. VIII, 20. 860 Vgl. ebd. VIII , 18, S. 364. Die Einschränkungen seiner Lehre und die Empfehlung spricht Johannes von Salisbury in ebd. VIII, 20 (besonders S. 377 f.) aus.

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Der bedeutendste Grund, warum Johannes von Salisbury nicht zum zivilen Aufstand gegen den Despoten aufruft, ist die Vorstellung, dass Tyrannen ohnehin die Strafe Gottes erwarte. Diesem Gedanken widmet Johannes einen beträchtlichen Teil seiner Ausführungen. Kapitel VIII, 19 bis 21 demonstrieren mit unzähligen Exempla aus der biblischen, christlich-römischen und der näheren Zeitgeschichte des Königsreichs England, dass alle Tyrannen, von Pharao über Nebukadnezar und K ­ aiser Julian Apostata bis hin zum berüchtigten Sohn Eustach von Blois, einen infelix exitus erleiden. Sie alle vermitteln dieselbe Botschaft: Am Ende finden alle Tyrannen ein von Gott herbeigeführtes, schlimmes Ende. Der Tod durch die Hand eines menschlichen Agenten ist dabei nur eine von vielen Möglichkeiten, und selbst Gewaltherrschern, die keine Ahndung zu Lebzeiten erführen, geschähe dies aus göttlichem Willen.861 Diese göttliche Intervention ist kein Fatalismus, sondern logische Folgerung aus dem eigentlichen Charakter des Tyrannen und der Herleitung seiner Macht von Gott als Ursprung jeder Autorität.862 Wenn der Tyrann seine Legitimation aus Gottes Hand empfängt, ist es folgerichtig, was der Einleitungssatz des umfassenden Tyranneitraktats aus Policraticus VIII, 18 feststellt: Ministros Dei tamen tirannos esse non anego, qui in utroque primatu scilicet animarum et corporum, iusto suo iudicio esse uoluit per quos punirentur mali et corrigerentur et exercerentur boni.863 Der Despot sei das Instrument Gottes, jene zu strafen und auf den rechten Weg zu bringen, die mit ihrer Sündhaftigkeit (und hier wird die Priesterschaft ausdrücklich mit eingeschlossen) den Heuchlern den Weg zur Regierung geebnet hätten.864 Denn die Tyrannei werde, davon ist Johannes durch das Zeugnis zahlreicher Beispiele aus der israelitischen und judäischen Unterdrückungsgeschichte aus den Chroniken und dem Buch der Könige überzeugt, „durch Sünde durchgesetzt, verleitet und erhoben […] [aber] durch Buße ferngehalten und vernichtet“ 865. Eine bemerkenswerte Feststellung: Wo immer also ein Despot auftritt, muss auch nach dem Verhalten der anderen 861 Vgl. ebd. VIII , 21, S. 379, 380 – 382. Ähnliche Position – wenn auch unter Ablehnung des menschlichen Widerstandsrechts – nimmt Hugo von Fleury: HvFleury De regia potestate, ed. Sackur. 862 Ebd. VIII, 18, S. 359. 863 Ebd., S. 358. 864 Vgl. ebd.: Nam et peccata populi faciunt regnare ypocritam et, sicut Regum testatur historia, defectus sacerdotum in populo Dei tirannos induxit. Insgesamt betrachtet Johannes den Ursprung der Institution Königtum als eine Geschichte der Korruption, deren erstes Beispiel Saulus gewesen sei. Näheres zu ­diesem biblischen und anderen topologischen Exempeln des Tyrannen bei Avrom Saltman: John of Salisbury and the World of the Old Testament, in: Wilks: World, S. 344 – 352. Auch in der römischen Geschichte findet Johannes zahlreiche Beispiele: Policraticus II, ed. Webb VIII, 18, S. 358. 865 Vgl. ebd. VIII, 20, S. 374.

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membra des politischen oder gesellschaftlichen Systems gefragt werden. Die Tyrannei wird zu einer moralischen Kategorie, die moralische Konsequenzen und göttliche Strafe nach sich zieht und nach Rektifizierung der Umstände durch alle Beteiligten verlangt.866 Jeder, der nicht gegen den Gewaltherrscher vorginge, „versündige sich an sich selbst und dem ganzen Körper der weltlichen Republik“ 867.

2.2.2.4.2  Tyrannentypologie: der Priestertyrann und die Systematik des legitimen Widerstands Allerdings soll das Widersetzen gegen einen Despoten nicht in jedem Fall durch gewaltsame Mittel geschehen. Das Instrumentarium des Widerstands ist vielmehr der Natur der Tyrannei angepasst. Schließlich kennt Johannes von Salisbury nicht nur den öffentlichen Tyrannen. Im Gegenteil, eine bedeutende Innovation seiner ­Theorie ist die Erkenntnis, dass Despotismus und Gewaltherrschaft nicht auf das Königsamt beschränkt sind.868 Diese Kategorie kann neben adeliger Willkür auch häusliche Unterdrückung mit einbeziehen. Jeder, der mit Gewalt und Grausamkeit handle, sich von den Unglücklichen abwende und die Reichen hofiere, weder Recht noch Gerechtigkeit respektiere und sein Eigeninteresse über das der anderen und der Gemeinschaft stelle, sei ein Tyrann.869 Im Zusammenhang der Fragestellung dieser Untersuchung ist ein Typ des Unterdrückers am bedeutsamsten: in sacerdotio inuenientur quam plures, id tota agentes ambitione et omnibus artibus eius, ut sub praetextu officii suam possint tirannidem exercere 870. Dem Priestertyrann ist Policraticus VIII, 17 gewidmet. Er ist ein Abbild des schlechten Hirten aus Hesekiel 34, 1 – 10, den Johannes von Salisbury als bildhafte Beschreibung für jene heranzieht, die ihre Herde vernachlässigen, nach eigenem Gewinn streben und die Lehren Jesu Christi verleugnen.871 Der Angelsachse unterscheidet dabei Mietlinge und Diebe. Obwohl das Handlungsprinzip des Ersteren Ehrgeiz, Habsucht und materieller Gewinn sei, versuche er, solange alles für 866 Vgl. van Laarhoven: Tyrant, S. 323. 867 Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 15, S. 230 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 233). Dieses erkennt auch Nederman: Duty. 868 Policraticus II, ed. Webb, VIII, 17, S. 346: Et quidem non soli reges tirannidem exercent; priuatorum plurimi tiranni sunt, dum id uirium quod habent in uetitum efferunt. 869 Vgl. ebd. VIII, 15, S. 337 f. 870 Ebd. VIII, 17, S. 348. 871 Siehe ebd. VII, 17, S. 349 f. Zur Idee des kirchlichen Tyrannen hat sich Miczka: Bild, S. 181 – 185 umfassend geäußert.

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ihn vorteilhaft verlaufe, zumindest den Anschein guter Fürsorge aufrechtzuerhalten. Den Mietlingen gegenüber solle man Geduld walten lassen. Nicht aber gegenüber den Dieben mit ihrem zerstörerischen Egoismus, in deren Welt außer Gewinnmaximierung kein Platz für die Bedürfnisse anderer sei. Sie erklömmen die Karriereleiter durch Stolz, Ehrgeiz und Laster oder folgten nur dem Ruf der K ­ irche, um zum Verfolger im Gewand des Hirten zu werden, der raube, töte und zerstöre. Diebe müssten bedingungslos der Bestrafung durch die ­Kirche zugeführt werden.872 Auch im Schoß der M ­ utter ­Kirche gebe es Individuen, die alle Dinge, die Christus zuständen, vernachlässigten und mit falscher Bescheidenheit ihren eigenen Stolz verbargen. Menschen, die, andere für ihre Habgier scheltend, selbst von ihr zerfressen ­seien und sich mit allen möglichen Schurken zusammentäten, um Verbrechen, Bestechung und Sünde nachzugehen.873 So wie die Inhaber weltlicher Ämter im Klerus, die ihre seelsorgerischen Aufgaben vernachlässigten und ihre Position zur Anhäufung von Gewinn nutzten.874 Selbst vor den höchsten kirchlichen Ämtern mache diese Epidemie der Selbstliebe, Faulheit und Raffgier nicht halt. Diebe und Mietlinge, die sich durch kirchliche Mittel aushalten ließen, aber – ob sie das Evangelium heuchlerisch predigten oder nicht – dessen Weisungen selbst missachteten. Männer, die sich nicht dem Urteil Gottes gegenüber verantwortlich fühlten, sondern das Amt als einen bequemen Verwaltungsdienst ohne Verpflichtungen ansähen, gäbe es selbst in den Reihen des Episkopats.875 872 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 351 f., 356 f. Siehe auch Miczka: Bild, S. 182 f. 873 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 350, 354 f. 874 Ebd., S. 357: Tu uide in quo gradu ponendi uideantur quibus non sufficit diuini iuris licentia tondere et deuorare pecus nisi secularium legum implorent auxilia et officiales principum facti ea committere non uerentur quae facile alius quilibet publicanus erubescat. Interim uoluptati seruient aut auaritiae, et qui eos elegerunt uel admiserunt in custodiam sui depopulantur et premunt, mortemque eorum desiderant quos foueri oportebat in carne et spiritu. Zu den daraus erwachsenden Gefahren siehe ebd. VII, 20, S. 186 f. 875 Vgl. ebd., S. 352 f.: Si quis, Apostolus inquit, episcopatum desiderat, bonum opus desiderat. Sed nescio quo pacto res in contrarium uersa est ut, cum omnes fere desiderent episcopari, cum quod appetunt adepti fuerint, otio marcent; aut, quod turpius est, in uanitatis operibus occupantur. […] profecto quam inutiliter multi uersentur in gradu optato referre difficilius potero. Vnum tamen scio, quia non ea auiditate currunt ut pro aliis animas ponant qui fortunae munuscula uel, quod rectius dixerim, gratiae Dei temporalia dona, in hunc tamen concessa usum ut promereantur eterna, recusant in necessitate fratribus erogare. Hanc tamen esse pastoralis officii formam praemonstrauit tam exemplo quam uerbo pastorum princeps. Ergo tanto currentes ambitu mercennarii properant aut fures fieri. Auch ebd. VII, 19, S. 170: Hi sunt qui, licet primo aditu ac ianuis habeantur indigni, continuo tamen tendunt ad sacerdotium, festinant ad tribunal et, repulsis ceteris, sic sacris altaribus incubant ut iam non ad formam et exemplum praebendum plebi ordo ille uideatur institutus sed esse occasio quaedam in abundantia et securitate uiuendi. Nec putatur

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Besonders verwerflich sei der Typus von Aufsteigern, die das Amt nicht aus der eigenen Kraft untadeligen Lebenswandels, sondern durch bedingungslose Verfolgung potenzieller Chancen, Simonie, Bestechung und externe Hilfe erlangten: Hi sunt qui crebris muneribus uisitant potestates, laterales et familiares eorum sollicitant, ecclesiarum primis se commendant, applaudant omnibus et etiam magnarum domuum non modo officiales sed ciniflones rogant ut, cum locum uiderint, meminerint sui. Hi sunt amici omnium et qui non se sed amicos in se desiderant promoueri. Hi sunt qui uitam scrutantur alienam, negligunt suam, infulatorum annos dinumerant, canis letantur, phisicos et genelliacos de fatis praesidentium consulunt, librant humores et quasi in statera appendunt elementa uiuacium; et quos diutius superesse conspexerint, etatem Nestoris dicunt excedere et cerui aut comicis iam implere mensuram. Debiles etate uel morbo concutiunt, etiam sinceros criminibus incrustant simulatis, et quasi heredipetae uacillantium cathedris insidiantur turpique interueniente commercio occupatarum sedium saepe illicitas impetrant cessiones.876

Ist dies das theoretische Gerüst, auf dem Johannes von Salisbury die Begünstigung der kaiserlichen Konkurrenzpäpste interpretierte? Die Hauptcharakteristika der falschen Hirten, der Mietlinge und Diebe sind Neid, Stolz, Machtlust und Raffgier. Am Schlimmsten unter ihnen aber ist die ambitio, deren Ursprung, Ausprägungen und Folgen der gelehrte Angelsachse einen Großteil von Buch VII widmet. Darin schildert er verschiedene Wege, mit denen Ämterjäger an die begehrte Position gelangen wollen, darunter Gewalt, List, Heuchlerei, Nötigung, Simonie, Bestechung, der Weg über weltliche Ämter sowie unrechtmäßige Absprachen oder Verträge.877 Finden sich diese Laster und Verbrechen auch in den Charakterisierungen der Kaiserpäpste, gegen die Alexander III. sich durchsetzen musste? Zumindest hatte der angelsächsische Gelehrte klare Vorstellungen davon, wie eine korrekte Auswahl geeigneter Kandidaten auszusehen hätte. Zitiert werden die justinianischen Novellen, also weltliches Recht 878: officium districto iudicio Dei obnoxium sed secura quaedam et nusquam discutienda administratio. Wobei Johannes bewusst ist, dass die Bischofswürde neben dem Archidiakonat oder einer Präfektur nur eines der Ziele derjenigen ist, die sich ein Amt erschleichen wollten. Siehe ebd. VII, 19, S. 179. 876 Ebd., S. 172 f. 877 Vgl. ebd. VII, 17 – 21, S. 25. Eine genauere Zusammenfassung der Möglichkeiten und Mängel potenziell ungeeigneter Bewerber gibt Miczka: Bild, S. 171 – 177, der Parallelen zur Zeitkritik des Bernhard von Clairvaux zieht. 878 Zum Verhältnis des Johannes von Salisbury zu justinianischen Recht siehe Sassier: Law, S. 250 – 253.

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[…] nullus per suffragium alicuius muneris episcopus ordinetur. Si quid autem tale comitatur, ipsi dantes et accipientes et eorum mediatores dampnationi subiciantur. Et propterea qui dat et qui accipit et mediator sacerdotii aut cleri honore remoueatur. Quod autem pro hac causa datum est, ecclesiae illi uendicetur cuius uoluit sacerdotium comparare. Si forte laicus mediator pro hac causa aliquid accipiat, in duplum id ecclesiae restituat.879

Die hohen Anforderungen an den richtigen Kandidaten aber überstiegen die reine Freiheit von simonistischen Tendenzen. Beamte und Höflinge s­ eien etwa durch ihre Nähe zur säkularen Macht von der Ordination ausgeschlossen. Auch hier entwickelt Johannes seine Vorstellung aus christlich-römischem Kaisergesetz: Sancimus, cum opus fuerit episcopum ordinare, clericos mox in tribus decreta facere personis propositis sacrosanctis Euangeliis dicentes in ipsis decretis quia neque propter aliquam donationem aut promissionem aut amicitiam hos elegerunt, sed et scientes eos rectae fidei et honestae uitae esse et litteras nosse et quia neque uxorem neque concubinam neque filios habent neque hos curiales aut officiales esse.880

Ein guter Kandidat für das Bischofsamt bildet also das genaue Gegenteil zum ehrgeizzerfressenen Ämterjäger. Er darf kein Beamter oder Höfling sein, sollte eine untadelige Bildung, Lebenswandel und Sexualmoral aufweisen und eben nicht der Habsucht unterliegen.881 Wie der gute Fürst zeichnet sich im Allgemeinen ein guter Prälat durch seine Treue zur aequitas aus. Er befolge seine eigenen Lehren und teile jede Bürde, die er anderen auferlege.882 Für Heuchlerei und Selbstsucht ist hier kein Platz. In Anlehnung an das klassische Bild des rechten Hirten aus Hesekiel 34 betont Johannes einmal mehr die pastorale Aufgabe aller Prälaten – auch jener mit Verbindungen außerhalb der ­Kirche.883 879 Policraticus II, ed. Webb VII, 20, S. 184 f. mit Bezug auf Novelle cxxiii, c. 2 und 16. Siehe Corpus Iuris Civilis. Bd. 3: Novellae, ed. Rudolf Schöll/Wilhelm Kroll, Berlin 1928. 880 Policraticus II, ed. Webb VII, 20, S. 185. 881 Vgl. ebd. VII, 20, S. 186. Zu Johannes’ rhetorischer Taktik durch ironische Anführung Heiliger und biblische Beispiele die ambitiösen Machenschaften der Ämterjäger zu entlarven siehe Jean-Yves Tilliette: L’autorité a un nez de cire. L’election d’un eveque selon Jean de Salisbury (Policraticus VII, 19), in: Edoardo D’Angelo/Jan M. Ziolkowski (Hg.): Auctor et auctoritas in Latinis Medii Aevi litteris = Author and Authorship in Medieval Latin Literature. Proceedings of the VIth Congress of the International Medieval Latin Committee: (Benevento – Naples, November 9 – 13, 2010), Florenz 2014, S. 1121 – 1134. 882 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 350, 354 f. 883 Vgl. ebd., S. 349 f.

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Widerstand gegen die Günstlinge weltlicher Despoten sei gefährlich. Deren tyrannische Intervention in Bischofswahlen und andere kirchliche Belange hätte viele Gesichter.884 Im Licht der bevorstehenden Ereignisse liest sich die Aufzählung möglicher Vergehen gegen K ­ irche und Volk, sowohl der päpstlichen Doppelwahl als auch der Beurteilung der Kirchenpolitik Heinrichs II. durch die Becketpartei, fast prophetisch: Narrant quis tirannus domesticum suum aut familiarem in quam ecclesiam sine electione intruserit, quis clerum ut ignotum et indignum eligeret terroribus et damnis impulerit, quis Ecclesiam Dei uendiderit palam, quis metropolitanum compulerit reprobabilem consecrare, quis episcopos religiosos in exilium egerit aut actos ab aliis coegerit exulare, quis Ecclesiam et res sacras onerauerit muneribus sordidis, quis indignis suppliciis torserit religiosos, quis uilipenderit et pessumdederit clerum, quis in prouincias induxerit ferale iustitium, quis leges et canones exterminauerit a finibus suis, quis indixerit silentium episcopis ut quaeuis flagitia impune et sine ulla reprehensione committeret, quis aduersus Ecclesiam Romanam diutius et perniciosius intumuerit, quis omnia non tam sua quam peruersa lege tractauerit, quis tandem consueuerit libito licitum coaequare.885

Jeder Art der Willkürherrschaft werden ein eigenes Strafprinzip und eine eigene Strafinstanz zugeordnet. Die privaten Tyrannen unterliegen demnach der lex, dem Gesetz, und damit der weltlichen Strafverfolgung, während die politischen Despoten mit der Strafe Gottes, sei es durch Menschenhand oder anhand von Katastrophen oder Krankheiten, und durch die Maßregelung des Geistlichkeit rechnen müssten. Doch was ist, wenn die Vertreter der Kontrollinstanz selbst, wenn Priester der tyrannis verfallen? Nach kirchlichem Verständnis klerikaler Privilegien endete die Strafgewalt des Königtums an dieser Stelle. Da der Klerus als anima des Staatskörpers bekanntlich nicht der säkularen Gerichtsbarkeit unterstehen kann, ist es nur folgerichtig, wenn Johannes von Salisbury für seine Vergehen gegen die aequitas eine andere Antwort findet: Der Priestertyrann unterliege wie alle Kleriker dem kanonischen Recht und dem kirchlichen Justizsystem.886 Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser Maßstab für alle kirchlichen Tyrannen, ob Weltkleriker, Abt, Dorfpriester oder gar 884 Vgl. ebd. VII, 20, S. 186. 885 Ebd. VII, 20, S. 187 f. 886 Vgl. ebd. VIII, 18, S. 364: Ex quibus facile liquebit quia semper tiranno licuit adulari, licuit eum decipere et honestum fuit occidere, si tamen aliter coherceri non poterat. Non enim de priuatis tirannis agitur sed de his qui rem publicam premunt. Nam priuati legibus publicis, quae constrin­ gunt omnium uitas, facile cohercentur; in sacerdotem tamen, etsi tirannum induat, propter reuerentiam sacramenti gladium materialem exercere non licet, nisi forte, cum exauctoratus fuerit, in Ecclesiam Dei cruentam manum extendat; eo quidem perpetuo optinente ut ob eandem causam non consurgat in eum duplex tribulatio.

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den Bischof von Rom, Geltung beansprucht. Johannes’ Aufforderung im Falle einer Kirchenspaltung wie jener, die wenige Monate nach Fertigstellung des Policraticus ausbrach, wäre demnach ein lauter Ruf nach Geltung des kanonischen Rechts und die Ablehnung jedweden Eingriffs der Säkulargewalt. Der spezifische Typus des Tyrannen bestimmte also, welches Verhalten ihm gegenüber angemessen war. Zusätzlich unterschied Johannes von Salisbury, abhängig von der moralischen Verfassung der jeweiligen Amtsinhaber, ­zwischen verschiedenen Wechselbeziehungen innerhalb der weltlichen und kirchlichen Sphäre.887 Jeder potenzielle Fall wurde klassifiziert und auf angemessene Reaktion hin untersucht. Das ermöglicht, Schlüsse daraus zu ziehen, ­welche Widerstandsnormen der Angelsachse in bestimmten Situationen ansetzte. Der klassische Fall des öffentlichen Tyrannen gefährde vor allem die Freiheit der ­Kirche, die aufgrund des Verbots von Gewaltanwendung und fehlender politischer Autorität in weltlichen Belangen solange der Gewalt, Willkür und Gesetzlosigkeit des Fürsten macht- und schutzlos ausgeliefert sei, bis die Hand Gottes zur Strafung des Tyrannen eingreife.888 Eine direkte Pflicht zur Intervention und Gehorsamsverweigerung besteht für sie dann, wenn durch den Despoten göttliches Recht gebrochen wird.889 Wie steht es im Fall einer Konfrontation eines guten Fürsten mit Heuchelei, Selbstliebe, Habgier und Ehrgeiz auf Seiten eines geistlichen Despoten? Sein negativer Einfluss auf Heilsweg und Seelenleben der Menschen macht den Priestertyrann besonders gefährlich, ist dieser doch in allen Schichten der kirchlichen Hierarchie bis hoch zum päpstlichen Amt zu finden.890 Da er Gläubige vom Pfad der Tugend fort in die Verdammnis führt, sind diese ihm keinen spirituellen Gehorsam schuldig. Dies gilt besonders für den König, der nach Johannes’ Verständnis andernfalls nicht nur sein eigenes Seelenheil aufs Spiel setzt, sondern auch die Balance des Staatskörpers, dem er vorsteht. Diese Konstellation ist somit einer der wenigen Ausnahmefälle, in denen moralisches Gewissen und freier Wille dem Fürsten diktieren, sich dem Klerus und seinen Weisungen zu widersetzen, will er seinem Anspruch als imago Dei gerecht werden. Es lag in der Natur seiner Aufgabe und Pflichten, nur dann mit der ­Kirche zu kooperieren, wenn sich deren Vertreter als rechtmäßige Kenner des göttlichen 887 Die folgenden Ausführungen stützen sich auf Nederman/Campbell: Priests. 888 Vgl. ebd., 582 f. Für Beispiele weltlicher Übergriffigkeit siehe Policraticus II, ed. Webb VII, 20, S. 187 f. 889 Vgl. ebd. VI, 25, S. 73. 890 Vgl. ebd. VIII, 23, S. 401: nichil homini perniciosius homine, et in eis tirannus secularis aut ecclesiasticus perniciosior est. Sed profecto in utroque genere secularem ecclesiasticus antecedit. Siehe auch ebd. VI, 24, S. 67 – 71.

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Plans und Diener des göttlichen Willens zeigten. Andernfalls musste das Bündnis ­zwischen Königtum und Klerus aufgekündigt werden. Dieser Abfall vom Klerus darf allerdings, zumindest nicht solange der entsprechende Kleriker noch nicht aus dem Priesteramt verstoßen wurde, nicht den Charakter direkter strafrechtlicher Verfolgung annehmen. Denn das würde doch einer Verletzung der kirchlichen Autorität gleichkommen: […] in sacerdotem tamen, etsi tirannum induat, propter reuerentiam sacramenti gladium materialem exercere non licet, nisi forte, cum exauctoratus fuerit, in Ecclesiam Dei cruentam manum extendat; eo quidem perpetuo optinente ut ob eandem causam non consurgat in eum duplex tribulatio.891

Eine Haltung, die besonders für einen Fall gilt: „Denn wer“, fragt Johannes, „wird sich erdreisten, über den Papst zu urteilen, dessen Fall der Prüfung Gottes allein vorbehalten ist?“ 892 Schließlich steht der Inhaber der Cathedra Petri an der Spitze eben jener kirchlichen Rechtsprechung, die für die Aburteilung des Klerus zuständig ist. Dies sind bei Johannes von Salisbury die Handlungsoptionen für die Grundsituationen, in denen Tyrannei auftreten kann. Wendet man die Lehre des Policraticus auf die spezifische Situation des alexandrinischen Schismas an, hat man es aus der Sicht des Angelsachsen mit dem Extremfall einer unheiligen Kombination zweier Tyrannen zu tun: Oktavian von Monticelli und seine gegenpäpstlichen Nachfolger auf der einen Seite, der als Schismatiker betrachtete Friedrich Barbarossa und Heinrich II. auf den Thronen der weltlichen Macht auf der anderen.

2.2.2.4.3  Worst-Case-Szenario: die res publica impiorum Johannes von Salisbury weiß um die Risiken, die der Widerstand in sich birgt, und doch gibt es für ihn keine alternativen Handlungsoptionen. Wie die moralische Gesundheit aller Glieder unter Leitung des Friedensfürsten und seiner aufrechten Ratgeber aus dem Klerus die Balance und Funktionstüchtigkeit des Gemeinwesens sichere, so verkehre ein Tyrann sie ins Gegenteil. Seine korrumpierende Wirkung setze sich gleich einer Kettenreaktion fort, bis alle Glieder von der Epidemie der Ruchlosigkeit befallen ­seien. Das Ergebnis sei zwangsläufig ein sündhaftes Zerrbild aller 891 Vgl. ebd. VIII, 18, S. 364. 892 Einer der bekanntesten Sätze des Johannes von Salisbury: Quis enim praesumet summum iudicare pontificem, cuius causa Dei solius reseruatur examini? (ebd. VIII, 23, S. 405).

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staatlichen Institutionen: Habit enim et res publica impiorum caput et membra suae, et quasi civilibus institutis legittimae rei publicae nititur esse conformis.893 Möglichkeiten, der dadurch entstandenen res publica impiorum und ihrer gottlosen Fixierung auf die eigenen Bedürfnisse entgegenzutreten und den Weg für eine auf Frieden und Erlösung ausgerichtete Gesellschaft zu gehen, waren die Absetzung oder Reue des weltlichen Tyrannen beziehungsweise die Amtsenthebung des geistlichen Gegenübers.894 Seien auch die letzten Kleriker korrumpiert und unterwürfe sich der König der Weisungsgewalt des verderbten Klerus, so sei die Gemeinschaft der Gottlosen vollendet. Johannes von Salisbury muss in den Tagen des Schismas und besonders nach dem Konzil von Pavia mit großer Besorgnis auf die Kooperation ­zwischen dem römischen ­Kaiser und seinem Gegenpapst geschaut haben, galt es doch vor allem, eine res publica impiorum zu verhindern. Das Gebilde, das der angelsächsische Gelehrte in Umkehranalogie das ‚Gemeinwesen der Gottlosen‘ nennt, kennt eine verderbte Entsprechung für jedes einzelne Staatsglied.895 Bedeutungsvoll für die Frage nach der Sicht des Johannes von Salisbury auf Kirchenspaltungen wie das alexandrinische oder das während der Abfassung des Policraticus noch lebhaft erinnerte innozenzianische Schisma ist seine Identifizierung der zwei höchsten Kontrollorgane: Caput ergo eius tirannus est imago diaboli; anima heretici scismatici sacrilegi sacerdotes et […] praefecti religionis, impugnantes legem Domini […].896 Dem Herrscher selbst wird eine diabolische Dimension verliehen. Die Höchststufe der Verderbtheit im Klerus sind nach Johannes von Salisbury aber die Häretiker und Schismatiker, die er auch an anderer Stelle als einzelne Gruppe der kirchlichen Tyrannen absetzt.897 Ist dies eine theoretische Folie, auf der das Verständnis schismatischer Vorgänge in den Johannesbriefen beurteilt wird? Ist das Bild des korrumpierten Staatskörpers auf eine Kirchenspaltung wie die von 1159 übertragbar? Wurde es sogar übertragen? Schließlich musste nach der Logik polikratischer Lehre auch die Regierung eines Schismatikers an der Spitze der ­Kirche zwangsläufig die Schlechtigkeit und Lasterhaftigkeit aller anderen Glieder zur Folge haben. Wurde etwa die 8 93 Ebd. VIII, 17, S. 348. 894 Nederman/Campbell: Priests, S. 587. 895 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 348 f.: cor consiliarii impii, quasi senatus iniquitatis; oculi, aures, lingua, manus inermis, iudices et leges, officiales iniusti; manus armata, milites uiolenti, quos Cicero latrones appellat; pedes qui in ipsis humilioribus negotiis praeceptis Domini et legittimis institutis aduersantur. 896 Ebd. VIII, 17, S. 348 f. 897 Siehe seinen Hinweis darauf, dass auch s­ olche Kleriker Tyrannen sein könnten, die „nicht Häresie lehrten oder die ­Kirche durch Streit spalteten“ (ebd. VIII, 17, S. 354).

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Kirchenpolitik Heinrichs II ., und sei es auch mittelbar durch die Einwirkung des römischen Kaisers, als Auswirkung mangelhafter oder fehlgeleiteter Kontrolltätigkeiten des Klerus interpretiert?

2.2.2.5  Die Schismentheorie: Begrifflichkeiten, Schismaverständnis, Handlungsempfehlungen Um diesen Fragen nachzugehen, gilt es, sich der Schismadefinition des Saresberiensis zuzuwenden und zu klären, ob die Krise als eine Manifestation der res publica impiorum verstanden wurde und welches Gefahrenpotenzial in Johannes’ Vorstellung von einer innerkirchlichen Spaltung ausstrahlte. Ergänzend werden Schmähterminologien, die der Angelsachse zur Bezeichnung der Akteure der Kirchenspaltung pflegte, in Bezug zum damaligen Sprachgebrauch zu hinterfragen sein. Hierbei wird das von Johannes von Salisbury vertretene Bild von Schisma und Gegenpapsttum eine grundlegende Rolle spielen.

2.2.2.5.1  Schismaticus, Häretiker, Häresiarch, antipapa: polemische Begrifflichkeiten und die Charakterisierung des Oktavian von Monticelli Die Bezeichnungen ‚Häretiker‘ und ‚Schismatiker‘ fallen fast ein Dutzend Mal im Policraticus.898 Sie treten oft in Kopplung auf, doch ist zu beachten, dass die ihnen zugrunde gelegten Vergehen, wenn auch oft in Kombination auftretend, verschiedener Natur sind. In einem in Policraticus VI, 24 widergegebenen mit Hadrian IV. gehaltenen Gespräch über die Verderbtheit des päpstlichen Hofes liefert Johannes selbst eine Definition: Nam qui a doctrina uestra dissentit aut hereticus aut scismaticus est.899 Wer sich der dogmatischen Lehrmeinung des Papsttums widersetze und der römischen ­Kirche gegenüber ungehorsam zeige, sei ein Ketzer oder Schismatiker. Gegen ihn könne sich bei eindeutiger Sachlage legitimer Widerstand formieren.900 Im Fall eines abweichlerischen Königs legitimierte dies sogar den Verlust seiner Amtswürde 898 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan II, 15, S. 97 und III, 7, S. 188 (=Policraticus I, ed. Webb, 92, S. 188). Besonders aber in den politischen Büchern Policraticus II, ed. Webb VI, 24 (S. 70) und VIII, 17 bzw. 23 (S. 348 bzw. S. 403 – 405, 407). 899 Ebd. VI, 24, S. 70. 900 Vgl. Policraticus II , ed. Webb VIII , 23, S. 405: Nam si hereticus scismaticusque catholicum impugnat, assistere ueritati pium est et Romano pontifici deuotissime famulari. Hoc quidem cum

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und die Exkommunikation. Eine konventionelle Meinung, wie sie seit den Tagen des Gregor VII. und des Dictatus Papae in kirchlichen Kreisen allgemein verbreitet war.901 Äußern könne sich diese Häresie aber nicht nur durch dogmatischen Dissens, sondern auch auf Verhaltensebene. Die häufigsten Vorwürfe waren hier Simonie, Invasion und offener Widerstand gegen die K ­ irche und ihre päpstliche Führungsspitze.902 Die Gegenüberstellung des aut … aut zeigt dabei sehr genau die inhaltliche Absetzung beider Schmähbegriffe. In Worte gefasst: Der Häretiker richtet sich gegen die Lehren der ­Kirche, greift diese in ihrer Integrität jedoch nicht an. So können auch Betrüger wie Traumdeuter und Schmeichler mit der Häresie in Verbindung gebracht werden.903 Der Schismatiker jedoch, ob nun vom Irrglauben oder von andersgearteten, niederen Motive getrieben, spaltet willentlich und wissentlich die Einheit der ­Kirche – ohne seinen Dissens zu den päpstlichen Dogmen auszuschließen.904 Beispiele solcher schismatischer Persönlichkeiten aus der Vergangenheit – darunter der Unruhestifter und auctor scismatis Arnold von Brescia, der sich offen Papst Innozenz widersetzte – liefert die Historia pontificalis.905 Die unitas, hier sind sich Johannes von Salisbury innotuerit; nam scismaticus se catholicum esse saepe mentitur. Der Gehorsam gegenüber Rom wurde von Johannes von Salisbury als Tugend verstanden: Miczka: Bild, S. 153. 901 Vgl. Gregor VII. Register, ed. Caspar, Nr. II, 55a, S. 207, Z. 12 f. Dazu: Horst Fuhrmann: Quod catholicus non habeatur, qui non concordat Romanae ecclesiae. Randnotizen zum Dictatus Papae, in: Kurt-Ulrich Jäschke/Reinhard Wenskus (Hg.): Festschrift für Helmut Beumann zum 65. Geburtstag, Sigmaringen 1977, S. 263 – 287. Einführend zum Verständnis von Schisma und Häresie als Vergehen gegen die K ­ irche und ihr Oberhaupt ab dem 11. Jahrhundert siehe Müller: Gegenpäpste, S. 36 f. 9 02 Die Verknüpfung von Häresie und Ungehorsam gegen die römische K ­ irche und deren Ursprung untersucht eingehend Othmar Hageneder: Die Häresie des Ungehorsams und das Entstehen des hierokratischen Papsttums, in: Römische Historische Mitteilungen 20 (1978), S. 29 – 47, hier: S. 29. 903 Sicut enim catholicae religionis uiri Deo eiusque quae munere eius sacra sunt piam uenerationem, impendunt, ita hereticae et superstitiosae religionis homines fictis numinibus, immo potius ueris demonibus et execrabilius sacris eorum non debitam reuerentiam, quae nulla est, sed turpissimum exhibent famulatum. (Policraticus, ed. Keats-Rohan II, 15, S. 97 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 92)) und Haec, etsi ad sectam hereticorum censeantur praecipue referenda, ab adulationis fraude non aliena sunt. (Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 7, S. 188 (Policraticus I, ed. Webb, S. 188)). 904 Diese definitorische Unterscheidung kennt auch der um 1165/66 im bayrischen Raum entstandene, alexandrinisch gesinnte Tractatus de scismaticis: Haereticus est, qui non sequitur catho­ licam fidem. Scismaticus est qui non amplectitur catholicam pacem. (Tractatus de scismaticis, ed. Julius Dieterich und Heinrich Böhmer, in: MGH Ldl 3, S. 119) 905 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 63. Ebenfalls Bischof Philipp von Tours, ein Anakletianer, der, von „Ehrgeiz in das Vergehen des Schismas getrieben“ (ebd., S. 43) eine Horde Bewaffneter in die Peterskirche geführt habe.

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und Arnulf von Lisieux einig, ist als höchstes Gut, als Fundament des Friedens und der Religionsausübung gewaltlos zu verteidigen und zu bewahren.906 Wie die Einheit die ­Kirche in den Grundfesten zusammenhielt, so bildeten „Pestilenz der Ketzerei“ und „Wildheit der Schismatiker“ 907 den Kern der verkehrten staatlichen Ordnung, der res publica impiorum, die es mit allen Mitteln zu verhindern galt.908 Aufgrund ihrer engen Verwandtschaft wurden Schisma und Häresie in der Praxis auf die ­gleiche Weise mit der Exkommunikation geahndet, waren aber in der ­Theorie keine identischen Vergehen. Dies zeigt sich, parallel zu den Vorstellungen des Johannes von Salisbury auch in der Dekretalistik. Der Häretiker kehrte von Glaubenssätzen, der Schismatiker kehrte von der Gemeinschaft ab. Diese Weigerung, den römischen Primat anzuerkennen, führte daher in beiden Fällen zur Exkommunikation. Obgleich im Fall schismatischer Umtriebe die Abgrenzung vom Körper Christi zum Kernverstoß wird, kann das Schisma im Verständnis zeitgenössischer Kanonisten auch durch eine Perpetuierung, eine willentliche Fortführung des Vergehens und die damit einhergehende Sperrung gegenüber einer Absolution und einer Rückführung in den Schoß der ­Mutter K ­ irche, häretische Züge annehmen.909 Die enge Verquickung von Häresie und Schisma im Bereich der institutionellen Kirchenspaltungen, auf die man im Gedankengut des Policraticus stößt, ist damit keine Eigenheit des Johannes von Salisbury. Auch wenn das Beziehungsgeflecht in der Th ­ eorie komplex war, gehörte der Häresievorwurf bereits vor dem 12. Jahrhundert zum Stammarsenal des polemischen Diskurses, in dem die Vorwürfe häretischer und schismatischer Umtriebe oft verschmolzen. Dem Nebenbuhler ketzerische Tendenzen nachzuweisen, hatte nicht nur erwünschte propagandistische, sondern auch ganz handfeste rechtliche Konsequenzen für die Frage nach seiner Legitimität, da die Herbeiführung und Perpetuierung einer Kirchenspaltung nach kanonischem Recht als Zersetzung kirchlicher Einheit und Abweichung vom rechten Glauben gewertet wurde.910 Allein im Fall solcher dogmatischer Abtrünnigkeit erlaubte das Kirchenrecht die Absetzung des Papstes. 906 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 404 f. 907 Beide Zitate: ebd. VIII, 23, S. 403. 908 Vgl. ebd. VIII, 17, S. 348. 909 Dazu ausführlich: Beaulande-Barraud: Schisme, hier: S. 3 – 7. Ergänzend dazu Schima: Papstschisma. 910 Vgl. Decretum Gratiani, ed. Friedberg D 79, c. 2, Sp. 276 f. und D 40, c. 6, Sp. 146: Si papa […] inutilis et remissus in operibus suis […] huius culpas istic redarguere presumit mortalium nullus, quia cunctos ipse iudicaturus a nemine est iudicandus, nisi deprehendatur a fide deuius; pro cuius perpetuo statu universitas fidelium tanto instantius orat, quanto suam salutem post Deum ex illius incolumitate animaduertunt propensius pendere. Die Bedeutung des Häresievorwurfs im Rahmen der Legitimitätsfrage fasst Müller: Gegenpäpste, S. 34 – 38 zusammen.

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Angesichts einer fehlenden Präzision des Papstwahlrechts war der Ketzereivorwurf damit juristisch gesehen noch über das Mittelalter hinaus der einzige Weg, einem unliebsamen pontifex maximus beizukommen. Es ist daher nur schlüssig, wenn Johannes von Salisbury den Titel des Häresiarchen als gängige Bezeichnung für die Konkurrenten Alexanders III. wählte. Als erster Repräsentant der gegnerischen Partei wurde der Gegenpapst zum Haupt des Widerstands gegen den als rechtmäßig betrachteten eigenen Favoriten. Interessanterweise taucht der Begriff, der sowohl für Paschalis III. als auch rückwirkend für Viktor IV. verwendet wird, ausschließlich in der späteren Korrespondenz auf – dort allerdings gehäuft.911 Ein Phänomen, das es zu ergründen gilt. Alles in allem bedient sich Johannes von Salisbury des konventionellen Arsenals der gegen kaiserliche Päpste gerichteten Schmähterminologie, scheint dabei aber nach Stimmungslage und polemischer Wirkung Abstufungen zu kennen.912 Dies umfasst nicht nur das Ignorieren des Papstnamens und des in ihm zum Ausdruck kommenden Legitimitätsanspruch, sondern auch die Verunglimpfung des Gegenübers als ydolum des Kaisers. Der seit dem Investiturstreit in Konflikten mit von der Säkulargewalt gestützten Papstanwärtern beliebte Terminus, der in einer Art Doppelpolemik auch dem Herrscher den Vorwurf des Götzendienstes machte und damit häretische Tendenzen unterstellte, kommt im untersuchten Quellenkorpus zwar verhältnismäßig selten, aber häufig in Hochphasen polemischer Auseinandersetzung zum Einsatz.913 911 Vgl. Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 181 (S. 200 f.), 186 (S. 228 f.), 233 (S. 424 f.), 272 (S. 560 f.), 275 (S. 580 f.), 280 (S. 610 f.), 289 (S. 658 f.). 912 Einen konzisen Überblick über das gängige Illegitimitätsvokabular und die Bedeutungsspezifika der speziellen Begriffe gibt Müller: Gegenpäpste. 913 Vgl. Early Letters, ed. Millor u. a., Epp. 122 (S. 201), 124 (S. 215), 130 (S. 226). Diffamierungsstrategie vereinzelt fortgesetzt in Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 233, S. 424 f. und 275, S. 580. Siehe Müller: Gegenpäpste, S. 33 f. zur taktischen Rolle dieser „Beschädigung durch bewusstes Unterlassen“ und ihrer funktionalen Nähe zum Begriff pseudo-papa. Ähnlich äußerte sich Calixt II. über seinen Konkurrenten, das Teutonicus regis idolum, Gregor VIII.: Siehe Nr. 228, in: Ulysse Robert (Hg.): Bullaire du pape Calixte II 1119 – 1124. Essai de restitution, Paris 1891, S. 337, hier: S. 337. Übernommen wurde die Terminologie in der Wahlanzeige Alexanders III.: Eterna et incommutabilis, ed. Hödl/Classen, hier: S. 82 f.: eundem Octavianum, quem sibi in statuam erexerunt, obstinata perfidia venerantur et eum, relicta unitate aecclesiae, presumunt usque adhuc tanquam ydolum aut simulachrum adorare. Diese und weitere Beispiele aus gregorianischer Zeit bei Müller: Gegenpäpste, S. 29, Anm. 40. Ergänzend zu über den offensichtlichen Verweis auf das biblische Götzenbild hinausgehende Deutungsdimensionen des ydolum-Begriffs: Matena: Idol. Zum selektiven Einsatz des ydolum-Urteils siehe Johannes’ flammendes Manifest nach Pavia ( JvS I, Ep. 124, S. 211, 213) und seine Reaktion auf den Hoftag von Würzburg aus dem Jahr 1166 ( JvS II, Ep. 168, S. 102 f.).

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Einige geläufige Begriffe, besonders jene, die die rechtliche Dimension des Schismas betonen würden, tauchen hingegen überhaupt nicht auf. Anders als für Arnulf von Lisieux ist der Gegenpapst für Johannes kein usurpator (obgleich er das Wort für unrechtmäßige Erlangung kirchlicher Amtswürde, wie etwa im Falle der Bischofssitze von Köln und Mainz durch Rainald von Dassel und Christian von Buch oder des Dekanats von Salisbury durch Johannes von Oxford, durchaus verwendet), kein invasor oder intrusus.914 Die Kirchenspaltung, und das ist auch der Eindruck, den die frühe Forschung von Johannes’ berühmter Pavia-Polemik gewonnen hat, war für den Angelsachsen mehr moralisch-dogmatisches als rechtliches Problem. Man warf ihm vor, nicht die rechtliche Tragweite und die juristischen Ursprünge der Kirchenspaltung zu thematisieren. Tatsächlich führt Johannes weder Schismen im Allgemeinen noch das innozenzianische oder das frühe alexandrinische Schisma im Speziellen auf ein defizitäres Wahlrecht zurück. Für ihn haben Schismen nur insofern eine rechtliche Komponente, als dass dessen kirchenrechtlich untadelige Wahl den rechtmäßigen Papst bestimmt. Die Sezierung des Konflikts als rechtliches Problem war kaum sein Ziel. Er wollte, ebenso wie Arnulf von Lisieux, nicht rechtliche Problemlagen identifizieren, sondern polemisieren, die Parteibildung vorantreiben und wankelmütige Gemüter überzeugen. Nur ein einziges Mal, bei der Besetzung der Cathedra Petri durch den kaiserlichen Gegenpapst im Sommer 1167, spricht er von einer invasio.915 Hier, beim Vorstoß ins Herz des Allerheiligsten, war für Johannes der Terminus sicherlich militärisch, rechtlich und religiös gerechtfertigt, machte sich doch der zum Usurpator, der „die Cathedra Petri zu Lebzeiten eines amtierenden Papstes gewaltsam an sich gerissen hatte“ 916. Auch einen antipapa kennt Johannes nicht. Der Begriff, der den Konkurrenten in die assoziative Nähe zum antichristus stellte, ein Relikt aus der polemischen Praxis des innozenzianischen Schismas, scheint seinerzeit noch nicht als Terminus für die Konfrontation zweier Anwärter und ihrer Gefolgschaften in Konkurrenz um das Papstamt ausreichend begrifflich ausspezifiziert gewesen zu sein, um in den allgemeinen Sprachgebrauch überzugehen.917 Auch andere Anspielungen, die den Kontrahenten 914 Exemplarisch: Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 168 (S. 112 f.), 186 (S. 226 f.), 225 (S. 392 f.). Zum traditionellen Gebrauch der Begriffe im schismapolemischen Kontext siehe Müller: Gegenpäpste, S. 26 – 28, 30. 915 Siehe JvS II, Ep. 186, S. 228 f.: Eo enim (ut aiunt) proposito in Italiam profecti sunt ut Cremensem haeresiarcham intrudant in sedem Petri, et uicarium Christi aut comprehendant aut eiciant aut occidant. 916 Müller: Gegenpäpste, S. 28. 917 Vgl. Guyotjeannin: Antipape und Stoller: Emergence, der den Terminus in Bosos Papstviten nachweist. Weiterführend: Müller: Gegenpäpste, S. 31 – 33.

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in apokalyptische oder antichristliche Dimensionen gerückt hätten und neben der rechtlichen Intrusus-Diffamierung und dem Häresievorwurf die dritte große Säule schismapolemischer Kommunikation bildeten, finden sich in Johannes’ Traktaten oder der Historia pontificalis noch nicht. In den späteren Briefen behält Johannes diese bezeichnenderweise für eine bestimmte Gruppe vor. Johannes von Salisbury betrachtete Alexanders Konkurrenten Viktor IV . und Paschalis III. weniger als rechtliche Eindringlinge auf dem Papstthron denn als moralisch und dogmatisch korrumpierte Feinde der K ­ irche und der katholischen Glaubenslehre. Dieser Fokus auf der ethischen Verfehlung der Prätendenten könnte vermuten lassen, dass sich auch Johannes’ Th ­ eorie der Priestertyrannen hier niederschlug. Zudem war Oktavian von Monticelli ihm aus seiner Zeit an der Kurie persönlich bekannt. Hatte dies Einfluss auf die Art und Weise, wie er den mittlerweile zum päpstlichen Elekten aufgestiegenen Römer beurteilte? Die Historia pontificalis berichtet über die Legation der Kardinalpresbyter Oktavian von S. Cecilia und des Kartäusers Jordanus von S. Susanna an den Kaiserhof Konrads III. Zwar wird der adelige Oktavian als wohltätiger bezeichnet, doch habe er immer, wenn auch vergeblich, dem hochfahrenden Wesen der Römer nachgeeifert.918 Beide Männer gelten Johannes als „auf ihre Art gierig und räuberisch“ 919. In Ausübung ihrer Mission scheiterten diese „Wölfe im Schafspelz“ 920 trotz wiederholter päpstlicher Bemühungen, sie zur Ordnung zu rufen, an ihrem Stolz und ihrer renitenten Streitsüchtigkeit.921 Unbeirrt und ohne Rücksicht auf das Gesetz hätten sie ihre persönlichen Grabenkämpfe auch in der Ausübung ihrer Pflicht fortgeführt und sich damit noch bereichert: Sed illi prescripte legis nec iotam nec apicem seruauerunt: discordantes in omnibus ecclesiam Romanam fecerunt esse ludibrio.Nam litigatorum alius hunc, alius adibat illum, et quem unus legatorum absoluebat, alius ab opposito condempnabat. Concuciebant innocentiam, loculos executiebant, tortores hominum, peccunie extortores.922

918 Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 75: Octauianus autem, et genere nobilior et affatu benignior et beneficentia liberalior, fastuosus Romanorum (quem nunquam habuit) plurimus appetitor. Fastus gilt Johannes neben der avaritia als typisch römischer Wesenszug, der aber durchaus auch bei Nichtrömern anzutreffen ist. Beispiele siehe Miczka: Bild, S. 154 f. 919 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 75. Zur Praxis der Gegenüberstellung positiver und negativer Charaktereigenschaften in den Charakterisierungen und anderen, der Rhetorik entlehnten Erzähltechniken siehe Ray: Skepticism. 920 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 75. 921 Vgl. ebd., 75 f. 922 Ebd., S. 76.

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Unabhängig von seiner Rolle in der Kirchenspaltung war Oktavian von Monticelli für die englische Primatialkirche im Allgemeinen und Johannes von Salisbury im Speziellen seit langem eine persona non grata. Seine Anfeindungen nach Theobalds Missachtung des königlichen Verbots zur Teilnahme am Reimser Konzil hatten ihn nicht als Freund Canterburys empfohlen.923 Doch steckt mehr als persönliche Antipathie hinter der zitierten Charakterisierung: Willkür, Stolz und Streitsucht, betrügerische Habgier, aktiver Ungehorsam gegenüber der obrigkeitlichen Weisung. Nach Johannes von Salisbury waren Oktavian und sein Amtsbruder eine Schande für die ­Mutter ­Kirche, die sie entsendet hatte. Einige Vorwürfe mögen bekannt erscheinen. Korruption, Hochmut und Gier als verbreitete Laster der römischen Kurie; Stolz, Habsucht und gesetzeslose Willkür als moralisch-ethische Verfehlungen des kirchlichen Tyrannen. Ungehorsam gegen die römische Spitze und Streitsüchtigkeit als erste Pflastersteine auf dem Weg zum Ketzer und Schismatiker. Damit nicht genug, versäumt Johannes nicht, einen weiteren Aspekt einfließen zu lassen, der im Gegensatz zu ihrem Berichtszeitraum zum Zeitpunkt der Niederschrift der Historia noch an Bedeutung gewonnen hatte. Cum ergo necessitate reuerti cogerentur, Octauianus regni magnates allexit, inita cum eis de prestando auxilio et consilio in posterum mutua obligatione, recepitque commendaticias eorum ad dominum papam. Ab illo uero tempore semper in curia patronus extitit Teutonicorum.924

Der Hinweis auf die Nähe zur Machtspitze des Heiligen Römischen Reiches muss damals nahegelegen haben, doch war die kaiserliche Gesinnung des Monticelli in Kirchenkreisen ein offenes Geheimnis.925 Marjorie Chibnall hat Parallelen ­zwischen Johannes’ Beschreibung der korrupten Kardinallegaten und seiner Satire päpstlicher Gesandter im Policraticus erkannt, die sich sogar in wörtlichen Entsprechungen zeigten.926 Dass Johannes hier Oktavian fälschlicherweise als Imperialisten brandmarkte, 9 23 Vgl. Saltman: Theobald, S. 26 und Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 45. 924 Ebd., 76 f. 925 Die Gesta Alberonis archiepiscopi bezeichnen den Monticelli schon 1147/48 als specialis amator Teutonicorum. Siehe Gesta Alberonis archiepiscopi, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.): Chronica et annales aevi Salici, Hannover 1848 (MGH SS, 8), S. 234 – 260, hier: 255. Zur Beziehung der Adelsfamilie der Monticelli mit dem deutschen Kaisertum, die sich auch in entfernter Versippung äußerte, siehe Madertoner: Papstwahl, S. 93 – 108. Hier auch Näheres zur Legation Oktavians am Kaiserhof Konrads III., eine der vielen Aufgaben, die dem Monticelli aufgrund seines guten Stands mit dem Kaiserreich übertragen wurde. 926 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 76, Anm. 3. Ihr Beispiel: Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 355.

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ist nicht zu erwarten. Andererseits ist eine willentliche karikierende Überspitzung der Charakterisierungen des Mannes, der in Johannes’ Augen seit Jahren als Widersacher des legitimen Papstes agierte, durchaus möglich.927 Die Ergänzung zusätzlicher plau­ sibler Details, die vielleicht nicht der Wahrheit entsprachen, doch die Botschaft betonten, war Teil der rhetorischen Ausbildung, die Johannes von Salisbury genossen hatte.928 Eine bisher übersehene Passage im Schlusskapitel des Metalogicon ordnet den Gegenpapst deutlich polemischer in die Reihe der kirchlichen Tyrannen ein. Für Johannes ist Oktavian ein „weiterer Verräter Judas“ 929, mit dessen Beihilfe der Satan Bitterkeit und Ärgernis säe. Mit Mt 18,7 und 26,24 über Judas’ Verrat und sein gewaltsames Ende verweist Johannes auf das Schicksal, das, wie allen Tyrannen, auch dem schismatischen Verführer Oktavian drohe: Nunc iudicium est mundi, et timendum ne partem stellarum secum inuoluat ambitiosi ruina proditoris. Vae autem illi per quem hoc scandalum uenit, et plane melius erat si natus non fuisset.930 Diese Reflexion der gegenwärtigen Lage der K ­ irche ist kurz, aber in ihrer unmittelbaren Stellungnahme zu den aktuellen Krisen ihrer Zeit höchst aufschlussreich. Das Schisma ist neben dem Tod Hadrians IV ., dem angevinisch-kapetingischen Konflikt und dem Verscheiden Theobalds von Canterbury für Johannes der größte dolor publicus 931, das größte Unglück öffentlichen Interesses. Doch was genau war für Johannes von Salisbury ein Schisma? Wo lagen dessen Ursprünge und wie war zu handeln, wenn der Krisenfall eintrat?

2.2.2.5.2  Das polikratische Schismabild (VIII, 23): Ursprünge, Grundzüge, Handlungsempfehlungen Antworten bietet Policraticus VIII , 23. Johannes verdammt darin das Phänomen Schisma, zeigt Handlungsalternativen auf und weist darauf hin, w ­ elche unerfreulichen Konsequenzen die Jagd nach dem Papstthron für die Gesamtkirche, aber auch für den Jäger hat. In der Forschung, die sich zu oft auf die definitorischen Spezifika der Tyrannenlehre besann, wurde diese wahre Fundgrube der Ideengeschichte sträflichst vernachlässigt. Es zeigt sich einmal mehr, dass der Policraticus und seine Lehren nur 927 Spuren solch augenzwinkernden Humors fand Ray: Skepticism, S. 88, der darin humorvolle Botschaften zur Erheiterung des Adressaten der Historia pontificalis, Petrus von Celle, sieht. 928 Die Erzählstrategie der Plausibilität und ihren Ursprung in der juristischen Rhetorik beleuchtet ebd. 929 Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan IV, 42, S. 183. 930 Ebd. IV, 42, S. 183 – 184 f. 931 Ebd.

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im Zusammenhang, in ihrer Gänze, zu verstehen sind. Policraticus VIII, 23 fördert eine überraschende Reflexion menschlicher Machtkonflikte zutage, die auch heute noch nicht an Relevanz eingebüßt hat. Auch in den 1150er Jahren, also fast zwei Jahrzehnte nach Ende des Konflikts z­ wischen Anaklet II. und Innozenz II., sahen Zeitgenossen die Gefahr nicht als gebannt an. Das innozenzianische Schisma hatte seine Spuren hinterlassen und der Tatsache nach zu urteilen, dass Johannes von Salisbury dessen Ergründung das längste und leidenschaftlichste Kapitel seines Traktats widmet, schien die Drohung einer erneuten Kirchenspaltung wie ein Damoklesschwert in der Luft zu hängen. Für jemanden, dem die Ereignisse von Besançon und die bestehenden Fraktionskonstellationen innerhalb des Kardinalskollegiums nicht entgangen sein werden, wäre es denkbar. Da man, in der Zeit der Abfassung des Policraticus ausschließlich die Krise von 1130 als interpretatorische Ausgangsfolie seiner Theorien heranziehen konnte, wenden wir uns dem zu, was er aus der Erfahrung des vergangenen Schismas herleitete. Dass beide Krisen strukturell unterschiedlich gelagert und damit nur bedingt vergleichbar waren, war so früh noch nicht abzusehen. Johannes von Salisbury hat Policraticus VIII, 23 als Höhepunkt an die Spitze der Darlegung seiner Lehre von der tyrannis gestellt. Es folgt seinen Ausführungen zur Ubiquität des Despotismus und dessen Ursprung im menschlichen Laster, seiner Natur und Funktion als göttlicher Strafe und den ihm entgegenzusetzenden Verhaltensweisen. Dies ist essenziell, um das Kapitel im rechten Licht zu deuten, denn Johannes bewegt sich immer noch auf dem Parkett der religiösen und politischen Herrschaftsethik.932 Es geht ihm nicht um eine Definition des Schismas, sondern um eine Schilderung der schrecklichen sozialen und individuellen Auswirkungen höchster kirchlicher Tyrannei auf Staat und ­Kirche. Grundlage unserer Betrachtungen zu den Parametern, in denen Johannes von Salisbury das Phänomen Schisma verortet, ist neben Policraticus VIII, 23 auch Metalogicon IV, 42. Während der Angelsachse in seinem großen Traktat allein Schlüsse aus der Erinnerung an Vorgängerschismen wie den Konkurrenzkampf z­ wischen Anaklet II. und Innozenz  II. ziehen konnte, reflektierte er wenige bedeutsame Monate s­ päter im Metalogicon bereits die Anfänge der neuen, damals noch eindeutig kirchlich interpretierten Krise. Aus seiner Ethik und Philosophie ergeben sich verschiedene Deutungsmuster, die für das Schisma angelegt werden können: – Die Wahrnehmung als Manifestation der res publica impiorum, 932 Sie lautet: Consilio Bruti utendum esse aduersus eos qui pro summo pontificatu non modo certant sed scismatice dimicant; et quod tirannis nichil quietum (Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 399).

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– die retrospektive Deutung des Schismas als einer seriellen Erscheinung innerhalb –

der Kirchengeschichte, das Schisma als innerkirchlicher Bruder- und Bürgerkrieg.

An keiner Stelle des Policraticus wird die Idee der res publica impiorum aus VIII, 17 offen in direkten Zusammenhang mit einer Kirchenspaltung gestellt. Mit dem schismatischen und häretischen Klerus, der in d­ iesem Zerrbild des friedvollen Gemeinwesens die integrale Position der Seele als Kontrollinstanz des Körpers besetzt, könnte Johannes Mitglieder der Geistlichkeit meinen, die aus wie auch immer gearteten Motiven eine Spaltung innerhalb der ­Kirche herbeiführen. Dabei kann, aber muss der Klerus nicht zwangsläufig im Konkurrenzstreit zweier Prätendenten um die Cathedra Petri beteiligt sein. Nach dem interrelationalen Bild des Staatskörpers ist davon auszugehen, dass ein päpstliches Schisma an der Spitze der ecclesia unabwendbar die Geistlichkeit vergifte und durch deren beratenden Einfluss auf den weltlichen Herrscher und die ihm verbundenen anderen membra auch eine Korrumpierung der säkularen Welt mit sich zöge. Insofern kann man sicher davon ausgehen, dass ein weit entwickeltes, lang andauerndes Schisma wie das innozenzianische und s­ päter auch das alexandrinische durchaus im Licht der res publica impiorum-Konzeption als „schlimmste Form tyrannischer Herrschaft“ 933 gedeutet werden konnte. Je länger eine derart gelagerte Krise andauerte, so die logische Schlussfolgerung, umso wahrscheinlicher ihr verderblicher Effekt auf das gesamte Staatswesen. Am Ende des Prozesses stünde ein diabolisch geleitetes Herrschaftssystem, das nur durch Gottes Intervention oder die Umkehr seiner membra wieder auf den rechten Weg gebracht werden könnte. Beim Staatswesen der Gottlosen, so die essenzielle Einsicht, handelte es sich damit um den Endpunkt einer Entwicklung, die im Idealfall gar nicht erreicht werden sollte. Johannes von Salisbury und seine Generation hatten in jungen Jahren die Wirren des innozenzianischen Schismas erlebt. Zwanzig Jahre s­ päter und noch in Unkenntnis der herbstlichen Doppelwahl in Rom scheint es nur natürlich, wenn der Blick der Zeitgenossen in der Schismathematik nicht in die Zukunft, sondern auf die Vergangenheit gerichtet war. Man versuchte, Parallelen zu entdecken, und zog abschreckende Schlüsse aus dem Verlauf der vergangenen Krise. Johannes von Salisbury war keine Ausnahme. Das innozenzianische Schisma bildete für ihn einen Katastro­phenfall mit verheerenden Folgen für die K ­ irche und abschreckender Wirkung für die Zukunft:

933 Kerner: Freiheit, S. 131.

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Quot et quantos tumultus et strages dedit illa collisio quando filius Petri Leonis aduersus Innocentium bonae memoriae […] conatus est […] ascendere? […] Profecto, dum ruinae illius extabat etate nostra memoria, incredibile est quempiam adeo misere ambitiosum esse ut Ecclesiam scindere non formidet. Neminem ita stupidum esse credo qui non malit se deleri quam ut pro eo tanta fiat turbatio. Si, delictis nostris exigentibus, carnificum istorum quisquam ascenderit sedem Petri et ad gubernaculum nauis eius Domino indignante accesserit, plane naufragium non immerito faciet […].934

Für Johannes von Salisbury galt das Schisma von 1130 also auch zwei Jahrzehnte nach dessen Beilegung als Schreckgespenst, als Fingerzeig für die kommenden Generationen, Streitsucht, Missgunst und Ehrgeiz nicht bis zum Äußersten ausarten zu lassen. Möglicherweise kam diese moralisch-ethische Verbindung zur damaligen Zeit auch Zeitgenossen wie Arnulf von Lisieux in den Sinn. Als Vergleichsphänomen musste das Schisma von 1130 notwendigerweise beiden dienen. Allerdings ist das historische Exempel nur ein Teil der Botschaft, die Johannes von Salisbury im Policraticus verbreiten will. Um zukünftige Kirchenspaltungen zu vermeiden, will er die gesellschaftlichen Folgen und letztendlich auch die Sinnlosigkeit schismatischen Strebens nach der Kirchenleitung aufzeigen. Das Laster des Machtstrebens sei nicht auf die jüngere Geschichte beschränkt: Sed esto ut his liceat qui carnales sunt contendere de primatu, uiris ecclesiasticis hoc usquequaque arbitror esse illicitum. Carnalium tamen exemplo sub imagine religionis obrepit impietas, et iam non modo contenditur pro sacerdotio sed pugnatur. […] Antiqui quondam trahebantur inuiti et proni ad martirium, primas cathedras carcere peius et cruce fugiebant. Contra iam palam loquuntur sacerdotes et prouerbium nullum dicunt. Nolumus, inquiunt, martires esse, sed sedium nostrarum gloriam non damus alteri. Misera quidem et miserabilis uox in ore sacerdotis qui Christum sic agnoscit ut se nolle eum sequi palam confiteatur. […] Est tamen in quo uidentur imitari constantiam martirum, si pro cathedra scilicet fuerit decertandum.935

Die Anschuldigungen sind altbekannt: Numquid Christiani sanguinis procurant effusionem ut eis prae ceteris liceat pro grege, quod pastoris est, animas ponere? Numquid ecclesiam diruunt, prophanant sancta, ut sit quod edificari et sanctificari oporteat? Concutiunt populos, regna sollicitant, ecclesiarum diripiunt facultates, forte ut sibi faciant materiam promerendi, ut componant omnia, ut pauperibus miserendi et prouidendi aliis concurrentibus necessitatem praeripiant. Si enim ut plura sibi impune liceant, 9 34 Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 406 f. 935 Ebd. VIII, 23, S. 399 f.

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si ut pecuniam congregent, si ut carnem et sanguinem foueant dilatent et corrumpant, si ut familiam nobilitent, si denique ut gloriam suam quaerant in clero dominantes non forma facti gregis ex animo, licet labiis et simulatione officii pastorem induant, tyrannis quam principibus facilius accedunt.936

Die schrecklichen Folgen priesterlicher Vermessenheit und Habgier zementieren den Rang des Priestertyrannen an der Spitze aller Despoten.937 Karriererismus nach weltlichem Vorbild habe Christus niemals gebilligt. Eine Autoritätsperson, und stehe sie an der Spitze der M ­ utter ­Kirche, habe ihre besondere Eignung für den geistlichen Stand durch Demut „mit legalen Mitteln und friedlich […], entfernt von jedem Wettbewerb und aller Gewaltanwendung“ 938 zu beweisen. Soweit hat Johannes von Salisbury die Tyrannologie folgerichtig bis an ihren Höhepunkt, die Konkurrenz lasterhafter Priester um das höchste Pontifikat durchdekliniert. An sich hätte seine Darstellung mit der Identifikation dieser schismatischen Situa­ tion als traurigem Endpunkt abbrechen können. In Anbetracht der Motivlage, die der Niederschrift seines Traktats zugrunde lag, hätte dies allerdings zu kurz gegriffen. Der Policraticus sollte für den jungen Kronkanzler Thomas Becket ein Leit­faden durch den Dschungel des höfischen Lebens sein, den Pfad der Tugend und der gesunden Staatsräson weisen. Mit der Schismathematik sprach Johannes die letzte und vielleicht größte Krisensituation an, die einem Staatsmann z­ wischen K ­ irche und weltlicher Herrschaft widerfahren konnte. Hadrian IV. wurde nicht jünger und seit dem Vertrag von Benevent konnten die Spaltungen im Kardinalskollegium nicht verborgen bleiben. Johannes von Salisbury war ein vorausschauender Mann. Wollte er Becket eine Handreichung auf den Weg geben, mit der er im Fall der Fälle auch auf den englischen König Einfluss nehmen konnte? Tatsächlich wendet sich der Gelehrte aus Old Sarum nach der Identifizierung der schismatischen Konkurrenten als schlimmste Vertreter der kirchlichen Tyrannei einer Handlungsempfehlung für eine ­solche Krisensituation zu. Hier, im spannendsten Teil des Kapitels, stößt man auf eine der typischen saresberiensischen Weiterentwicklungen antiken philosophischen Gedankenguts. Nährboden für Johannes’ Schismabild ist Lucans Epos über den Bürgerkrieg ­zwischen Caesar und Pompeius, dessen ­Niederlage

9 36 Ebd., S. 400 f. Die Invektive wird in ebd., S. 401 f. fortgesetzt. 937 Vgl. ebd., S. 401: Dicunt philosophi et ueram arbitror nichil in rebus humanis utilius homine, et in ipsis hominibus principe ecclesiastico uel mundano nemo utilior; e diuerso nichil homini perniciosius homine, et in eis tirannus secularis aut ecclesiasticus perniciosior est. Sed profecto in utroque genere secularem ecclesiasticus antecedit. 938 Ebd., S. 402.

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den Untergang der römischen Republik besiegelte.939 Lucans traditionell mit Bezug auf die Entscheidungsschlacht von Pharaos unter dem Titel Pharsalia bekanntes, unvollendetes Werk gehörte zum Grundstock der mittelalterlichen Ausbildung in den Künsten der Rhetorik und Grammatik. Im 11. und 12. Jahrhundert, dem das Werk als Ganzes zugänglich war, bekam Lucans Bedeutung als Autorität für den fortgeschrittenen akademischen Unterricht noch einmal neuen Anschub. Die scheinbare Unvereinbarkeit des „Dichter[s] des ‚Untergangs‘ und des geistigen ‚Widerstands‘“ 940 mit der christlichen Heilslehre begegnete man mit der Rezeption des Lucanschen Weltverachtungsgedanken, für den die Pharsalia eine Fundgrube erbaulicher Sentenzen und Exempla bot. In den Umbruchzeiten des 11. Jahrhunderts war die tragische Grundidee des Werks dann in den Vordergrund gerückt.941 Peter von Moos rekapituliert die wichtigsten Merkmale jenes Werkes, das ­Johannes von Salisbury mit bemerkenswertem qualitativem und quantitativem Eifer heranzog und durchdrang: „Das Epos findet seine Einheit […] im tragischen Schicksal Roms an seiner historischen Wende von der Republik zum Prinzipat. Lucan begreift diesen Untergang nicht bloß als das Ende seines politischen Freiheitsideals, sondern – da Rom die Welt ist – als einen eigentlichen Weltuntergang. Der Krieg, der diese Wende tatsächlich besiegelt hat […], ist […], gleich wer sich an ihm beteiligt, schlechthin widersinnig, darum ‚mehr als ein Bürgerkrieg‘ (I 1). Für beide Parteien ein gleiches Verbrechen, steht er von Anfang an unter dem verhängnisvollen Gesetz einer bösen Fortuna. In ihm bringen selbst die größten Heldentaten ‚keine Triumphe‘ (I 12) […]; denn der Sieg gleich welches Protagonisten ist selbst das größte Verbrechen. Sobald er als das ius datum sceleri (I 2) eintritt, und nur weil er eintritt, entstehen moralische Unterschiede: Auf der Seite des tyrannischen Siegers Caesar steht ein dämonisches Schicksal, das Gewalt Recht werden 939 Die Handschriften überliefern es unter dem Namen De Bello Civili. Edition: M. Annaei Lucani Belli Civilis. Libri Decem, ed. Alfred Edward Housman, Oxford 1958. Grundlage der folgenden Ausführungen ist die Rezeptionsanalyse Lucans in Policraticus VIII , 23 bei Peter von Moos: Lucans tragedia im Hochmittelalter, Pessimismus, contemptus mundi und Gegenwartserfahrung (Otto von Freising, Vita Heinrici IV, Johann von Salisbury), in: MlatJb (1979), S. 127 – 186, der der Tiefenwirkung der pessimistischen Grundidee Lucans in mittelalterlichen Quellen nachspürt. Dass dessen Wirkung auf Johannes von Salisbury, in der bisherigen Forschung unterschätzt, manche Überraschung bereit hält attestiert Lounsbury am Beispiel von Johannes’ berühmter Beschreibung des Becketmartyriums in Ex insperato: Lounsbury: Eyewitness. 940 Moos: Tragedia, S. 128. 941 Zur allgemeinen Rezeption Lucans im frühen und hohen Mittelalter: ebd., S. 127, 133 – 135, 164 f., der exemplarisch die Lucanrezeption bei Konrad von Hirsau, Otto von Freising und Johannes von Salisbury untersucht.

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lässt; auf der anderen Seite des unterliegenden Pompeius steht Cato (I 128), der für die verlorene Sache mit der patria gemeinsam untergehen will – ein stoisches Vorbild der geistigen Freiheit im Kampf der virtus gegen die Übermacht Fortunas.“ 942

Dieser Umriss der durch und durch pessimistischen, republikanischen Ausrichtung der Pharsalia zeigt deutlich die Überzeugungen, die Johannes prägten. Lucans Bild des römischen Bürgerkriegs und das Schismabild des gelehrten Angelsachsen weisen eklatante Schnittstellen auf. In beiden ist die Auseinandersetzung – ein Untergangsszenario, indem sie nicht nur die politische (i. e. republikanische oder organologische) Staatsform, sondern gleichsam den Triumph des Verbrechens über die Freiheit (libertas) und das Recht (ius, lex) darstellt. Bei Johannes bedeutet dies gleichsam die Hinwegsetzung über das göttliche Recht und die Freiheit des individuellen Gewissens durch die tyrannis. – in ihrer Natur mehr als nur ein nationaler, von zwei Gruppen ausgetragener Konflikt. Geleitet von einer willkürlichen Macht wird in ihrer verbrecherischen Absurdität darin jede Handlung, unabhängig von ihrem Agens, zwangsläufig zum Verbrechen. Die Fortuna als wirkende Kraft kennt Johannes nicht. An ihre Stelle treten die Machenschaften des alten Feindes.943 – wird durch die beiden historischen (i. e. Caesar und Pompeius) oder schismatischen Gegenspieler, die zerfressen von Herrschsucht das Volk mit sich in den Ruin reißen, zu einem Exemplum persönlicher Hab- und Streitsucht.944 Vom exitus illustrium virorum schlägt Johannes die moralische Analogie zum exitus tyrannorum.945 Trotz aller inhaltlichen Nähe beider Weltsichten sieht Johannes von Salisbury einen wichtigen Unterschied ­zwischen dem Bürgerkrieg um Rom und dem Kampf um die Cathedra Petri: Quid perniciosius aut odibilius bello ciuili? Nichil plane, praeter rabiem scismaticorum aut here­ ticam pestem. Quorum utrum perniciosius sit non facile dixerim, si tamen in his numerus est ut alterum segregetur ab altero.946

942 Ebd., S. 131 f. 943 So führt er etwa das Streben Anaklets II. auf sein Bündnis mit dem Satan zurück: Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 406. 944 Vgl. Moos: Tragedia, S. 135. 945 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 408 – 411. 946 Ebd. VIII, 23, S. 403 f. Zur Zuspitzung des Lucanschen Grundgedankens bei Johannes von Salisbury Moos: Tragedia, S. 167 – 169.

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Trotz der qualitativen Differenz kann die Zwietracht in beiden Fällen auf demselben Weg erstickt werden, sobald es „der Anmaßung der Verwegenheit an einem Helfer mangele“ 947. Den leichten Weg, sich auf eine demagogische Überredung durch einen der Kontrahenten zu berufen, lässt Johannes nicht gelten. Wie der Staatskörper nur korrumpiert werden könne, wenn seine membra von der Krankheit befallen sind, so zeuge der Aufstieg eines solchen Demagogen von der fragwürdigen Moral der Massen: Nec est qui conciues possit urgere ad furorem, nisi eos aliquatenus ipsa delectet insania. Vtique necessitas confurendi aut nulla omnino aut ut multum imaginaria est.948 Niemand kann den Krieg rechtfertigen. Es ist vielmehr jedermanns christliche Pflicht, ihn zu bekämpfen und zu verhindern. Aus den Pharsalia zieht Johannes von Salisbury eine direkte Handlungsanweisung für diesen Kampf: die überparteiliche Gleichgültigkeit. Denn der einzige Weg aus der sinnlosen, auf beiden Seiten unausweichlich verbrecherischen Konfrontation sei die Verweigerung jedweder Beteiligung. Ungewöhnlicher Weise ist sein prominentes Beispiel Brutus, der damals sonst wenig gelittene, in Johannes’ Logik aber in d­ iesem Zusammenhang als Tyrannenmörder geschätzte Attentäter Caesars. Vtinam secuti essent qui ea uiderunt tempora consilium Bruti, a quo eum imminente bello ciuili Catonis auertit auctoritas. Decreuerat enim manus suas ab armis continere ciuilibus, quibus quanto quisque libentius et fortius immiscetur, tanto iniquior et immanior est. Ait ergo: ‚Nunc neque Pompeii Brutum nec Cesaris hostem post bellum uictoris habes‘. Si ergo sapiant hi pro quorum dominio scismatici litigant, eos solos concurrere patiantur, alterutri metuant opem ferre, incerti quis uictor futurus sit, certique quanta quam grauis ruina uictis immineat.949

Der Zeitgenosse schützt nicht nur sich selbst vor den negativen Konsequenzen einer potenziell falschen Parteinahme. Auch die Folgen für K ­ irche und Gesellschaft würden minimiert, wenn sich niemand in die Auseinandersetzung verwickeln lasse. Mit jeder Teil- oder Parteinahme am Konflikt lade man sich eine moralische Schande auf. Ein äußerst wichtiger Punkt. Es geht Johannes von Salisbury nicht um Legitimitätsansprüche oder Konfrontation der beiden Kontrahenten, sondern um die gesellschaftliche Komponente, um Beteiligung und Mitläufertum, ergo das, was aus einem Schisma einen innerkirchlichen und im schlimmsten Fall auch außerkirchlichen Bruderkrieg innerhalb des Christentums macht. Nur so ist der denkwürdige 947 Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 404: Cessabunt plane bella ciuilia, si praesumptioni desit temeritatis adiutor. 948 Ebd. 949 Ebd., S. 402 f. Siehe dazu Moos: Tragedia, S. 169.

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Vorschlag zu verstehen, die Konkurrenten auf einem unwirtlichen Eiland in völliger Isolation einem Zweikampf zu überlassen: Gaudeat plane mundus, cum alter solus uicerit, sed propensiori letetur gaudio, si uicerit uterque uel neuter. Conueniant ergo, si placet, in Licaonia insula aut alio, si quis tamen locus bellis siue duillis est aptior; nam antiqui, teste Quintiliano, bellos dicebant quos modo duillos appellamus et sine orbis et urbis periculo uincat alteruter duillorum quem Deus scilicet approbauerit aut uictorem esse permiserit. Victus quoque, si id uictori placeat, demergatur in Tyberim aut, si cum eo mitius agendum uidetur, retrudatur in Cauam, cui cum abbas loci claustrum, immo carcerem, aperuerit, protestetur se non illud ei qui dampnatur praeparasse, sed uicto; siquidem nulla fides umquam miseros elegit amicos. Qui uero uicerit, id est qui uiolentior fuerit, in Liparem aliamue insulam exul perpetuus deportetur ad marmora secanda aut ad metalla dampnetur. Facinus enim schismatis quos inquinat aequat; nisi quia plerumque qui fortior immo ferocior, idem et iniquior est.950

Es geht Johannes von Salisbury in dieser ironischen Passage nicht um ein Gottesurteil, aus dem der Sieger als Begünstigter des Herrn hervorgeht. Welcher Kandidat sich letztendlich durchsetzt, ist irrelevant. Schon die Tatsache, dass sie aus den falschen Motiven um die Papstwürde gerungen haben, reicht aus, um beide für das Amt zu diskreditieren. Für die Analyse der Schismabriefe ergäbe dies den Rückschluss, dass sich nach den Ausführungen in Policraticus VIII, 23 Johannes’ Fokus und Polemik in den Schismabriefen auf dem jeweiligen Gegenpapst als verdorbenem Priestertyrannen liegen müsste. Viel heftiger aber noch müsste er sich gegen jene richten, die aus freiem Willen und Eigeninteresse dessen Partei ergriffen. Tatsächlich wirft er ihnen die Zerstörung der kirchlichen Einheit vor, deren Bewahrung, wie dieser glühende Appell deutlich macht, doch die höchste Priorität für die ­Kirche und ihre Vertreter selbst zu sein habe: 950 Policraticus II , ed. Webb VIII, 23, S. 403. Johannes spricht von der um 1020 gegründeten kampanischen Benediktinerabtei SS. Trinità di Cava, genannt La Cava, nahe der Stadt Cava dei Tirreni. Sie wurde in Zeiten des Investiturstreits zur Grablege einiger Gegenpäpste, nahm aber eventuell auch den vierten Gegenpapst des Alexandrinischen Schismas, Innozenz (III.), auf. Siehe Michael Borgolte: Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese und Traditionsbildung, Göttingen 1989 (Veröffentlichungen des MaxPlanck-­Instituts für Geschichte, 95), S. 343 – 360. Zu einzelnen Gegenpäpsten siehe ebd., S. 147, Anm. 143 und S. 151, Anm. 5 und S. 175. Lipari, Hauptinsel der nach ihr benannten, liparischen Inselgruppe nördlich von Sizilien, diente bereits im 5. Jahrhundert als Exil für den weströmischen Usurpator Priscus Attalus. Siehe John Robert Martindale: Priscus Attalus, in: Arnold H. M. Jones u. a. (Hg.): The Prosopography of the Later Roman Empire. Bd. 2: A. D. 395 – 527, Cambridge 1980, S. 180 – 181.

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Sic, sic, si Ecclesia Dei […] ministerium sceleris subire detrectet, aut omnino scismata sopientur aut, manente compage unitatis, soli inter se scismatici dimicabunt. Interim contineat Ecclesia manus suas, quoniam gladius Petri, qui sanguinem carnali sitiebat affectu, mandato Domini ad praesens tegitur in uagina, et discipuli eradicare zizania properantes praecipiuntur messores angelos expectare. Oret unitatis integritas ut in se colligat dissidentes lapis incisus, in quo fundatur Ecclesia, quem scismatici reprobant, qui fecit utraque unum, et uestem suam in sortem fidelium integram cedere maluit quam secari. Oret, inquam, ne deficiat fides et expetens in cribro Sathanas non disperdat, conculcet et triticum. Oret pacem, quaerat pacem, et persequatur etiam fugientem. Meminerit eius qui, cum posset producere plus quam duodecim legiones angelorum, exaltatus in cruce omnia adquisiuit; ipsa enim exinanitio adeo meruit exaltari ut ad gloriam eius flectatur omne genu. Scismaticos nocentes accipiunt sed consentientes iustos nocentes faciunt bella sacerdotalia. Quiescant ergo stantes a longe cum Petro ut uideant finem.951

Soweit das Vorgehen im Fall zweier aus Ehr-, Herrschsucht und Habgier um das höchste apostolische Amt streitender Tyrannen. Die Deutungsschablone wäre für das Schisma von 1159 kaum anzulegen, denn sonst hätte eine Parteinahme des Angelsachsen niemals zustande kommen dürfen. Die Schismabriefe beweisen, dass Johannes spannenderweise das Terrain der traditionellen kirchenrechtlichen, Cyprian von Karthago folgenden Schismadefinition des Decretum Gratiani verlässt und seinen Schismabegriff, den gegenwärtigen Verhältnissen angepasst, breiter fasst. Er beschränkt sich nicht auf die Idee, ein Schisma bestünde in der Erhebung eines Konkurrenten gegen einen bereits amtierenden Bischof, sondern weiß sehr wohl z­ wischen dem Kampf zweier unwürdiger Prätendenten um einen vakanten und der Usurpation eines bereits rechtmäßig besetzten Papstthrons zu unterscheiden.952 Auch wenn er zugibt, dass die Entscheidung, w ­ elche Seite im Recht ist, nicht immer einfach ist: Nam si hereticus scismaticusque catholicum impugnat, assistere ueritati pium est et Romano pontifici deuotissime famulari. Hoc quidem cum innotuerit; nam scismaticus se catholicum esse saepe mentitur. Quis enim praesumet summum iudicare pontificem, cuius causa Dei solius reseruatur examini? Vtique quisquis hoc attemptauerit, laborare quidem sed proficere nequaquam potest. Nec ad unguem nomen pontificis arto habeatur hic pontifex cuiuscumque canonica praecessit electio. […] Salomon ab eo maternum conuicit affectum quod integrum meretricis calumniae filium cedere 9 51 Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 404 f. 952 Zum cyprianischen Begriff siehe Decretum Gratiani, C. 7 q. 1. Einleitung bzw. c. 9, in: Decretum Gratiani, ed. Friedberg, S.566 bzw. 569 f., hier: 569. Einführend: Winrich Alfried Löhr: Schisma, in: TRE, S. 129 – 135.

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maluit quam partiri. At isti periclitari malunt Ecclesiam et scindi quam honorem non usurpare et innocenti matri Ecclesiae non inferre calumniam.953

In d ­ iesem einen Fall des Angriffs auf einen kanonisch erhobenen Papst, wie er aus Johannes’ Sicht auch in der Konfrontation Alexanders III. mit seinen Gegenspielern vorlag, ist also ein Eingriff legitim. Welche persönlichen Folgen die Aufarbeitung des Schismas für die ­Kirche an sich, aber auch für jene hatte, die sich auf der Seite der Verlierer befanden, zeigte das Beispiel Anaklets II.: Nonne et stellarum partem secum traxit ruina eius? Quis nescit Egidium Tusculanum? Quis Petrum Pisanum, cui nullus aut uix similis alter erat in curia? Quis recenseat episcopos qui in tota fere Italia corruerunt?954

Die Ächtung der beiderseitig respektierten Anakletianer Ägidius, Kardinalbischof von Tuskulum, und Petrus von Pisa, Kardinalpresbyter von S. Susanna, stehen nicht nur exemplarisch für persönliche Schicksale, sondern für den Umsturz vieler, teils sehr fähiger Bischöfe und Kardinäle nach dem Triumph Innozenz’ II.: ein persönlicher Absturz für die einzelnen, aber auch ein lähmender Verlust für die gesamtkirchliche Metropolitanstruktur. Denn immer würden auch die Guten mit in Konflikte hineingezogen. Wer den Rat des Brutus missachte und sich einem der unwürdigen Kandidaten anbiete, wer also „elend hinaufsteigt [werde] […] elendiglichst hinabgeworfen werden“ 955. Beachtenswert ist die Premiere apokalyptischer Bildsprache, wenn Johannes behauptet, Schismatiker und Unschuldige würden hinabgeworfen werden wie die Sterne vom Schwanz der apokalyptischen Bestie. So allgemein und getragen die Ausführungen aus Policraticus VIII, 23 auch sind, scheint auch Johannes von Salisbury von der expressiven, antianakletianischen Polemik nicht ganz unberührt geblieben zu sein. Es ist ihm eben auch daran gelegen, die diabolische Einflussnahme auf die schismatischen Tyrannen zu verdeutlichen. Den Verweis auf Offenbarung 12,4 nimmt er jedenfalls auch in seiner Reflexion des neu ausgebrochenen Schismas im Metalogicon wieder auf.956 Ein Vergleich der Passagen zeigt deutlich, wie der Angelsachse die vergangenen Turbulenzen der 1130er noch furchtsam auf die neue Krise überträgt. Die 9 53 Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 405 f. 954 Ebd., S. 406 f. 955 Ebd., S. 407 (Übersetzung nach Moos: Tragedia, S. 172). Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 405. 956 Vgl. Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan IV , 42, S. 183 f.: Nunc iudicium est mundi, et timendum ne partem stellarum secum inuoluat ambitiosi ruina proditoris. Vae autem illi per quem hoc scandalum uenit, et plane melius erat si natus non fuisset.

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Situation wird nun sogar zum Weltengericht, zur Stunde der Entscheidung, die nach Joh 23,31 ­zwischen dem guten und dem schlechten Herrscher richten wird. Vielleicht spielte die in der rhetorischen und grammatischen Schulpraxis Lucan gern zugewiesene Rolle als Dichter des contemptus mundi eine Rolle, wenn Johannes von Salisbury den letzten Abschnitt seiner Ausführungen in Policraticus VIII dazu nutzt, potenzielle Kontrahenten von der Gier nach der beschwerlichen und unglücklichen Stellung des Papstamts abzuschrecken.957 Was sei beschwerlicher als, mit der Sorge um alle ­Kirchen betraut, der Diener aller zu sein?958 Sogar Papst Hadrian IV. lässt er voller Pessimismus von seiner misslichen Lage berichten: Spinosam dicit cathedram Romani pontificis, mantum acutissimis usquequaque consertum aculeis tantaeque molis ut robustissimos premat terat et comminuat humeros, coronam et frigium clara merito uideri quoniam ignea sunt.959

Statt Weltflucht zu empfehlen, betont Johannes, dass nicht nur diejenigen einem grausamen Ende entgegenblickten, die in ihrer Verblendung nach dem Papstamt griffen, sondern dass auch jene ihr Ziel nicht erreichten, die darin triumphierten. Sie brächten sich in eine Position, die ausnahmslos jeden breche, der sie ohne Eignung und aus den falschen Motiven anstrebe. Seine Ausführungen zum apostolischen Amt sind damit sozusagen eine weitere Spielart des zuvor beschworenen prospektiven infelix exitus des Despoten. Verdiene nicht jener am meisten das Elend, der um d­ ieses Elend kämpfe?960 Die letzte Bemerkung führt alle Fäden zusammen: Quid ergo erit ei quem nulla uocat electio sed repugnante in membris Christo ambitio ceca et cruenta non sine sanguine fraterno intrudit? Hoc quidem est Romulo succedere in parricidiis, non Petro in commissi dispensatione ouilis.961

Der illegitime, vom niederen Motiv der Habgier geleitete tyrannische Usurpator, der mit Gewalt sein Recht erkämpfe, richte sich gegen Christus selbst und eröffne 957 Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 408 f.: Sed, licet omnes summi pontificatus apicem deferant, quantum salua religione licet fugiendum quam suspiciendum arbitror sapienti. Vt enim ex conscientia uerum loquar, illius laboriosissima et, quantum ad statum praesentis seculi pertinet, miserrima uidetur esse conditio. Si enim auaritiae seruit, mors ei est; sin autem, non effugiet manus et linguas Romanorum. Die Verbindung zum Weltverachtungsgedanken legt Moos: Tragedia, S. 173 nahe. 958 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 409 f. 959 Ebd., S. 410. 960 Vgl. ebd., S. 407 – 411, hier: 411: Nonne ergo miseria dignissimus est qui pro tanta pugnat miseria? 961 Ebd., S. 411.

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einen blutigen, sinnlosen Bruderkrieg. Johannes beruft sich nun nicht mehr auf das von Lucan beschworene politische Vorbild des römischen Bürgerkriegs, sondern auf die legendäre Gründungsgeschichte der Heiligen Stadt. Der Konkurrent um das Papstamt wird zum ruchlosen Romulus, der im sinnlosen Wettstreit um Rom seinen eigenen Bruder erschlug. Dabei handelt es sich hier weniger um eine Schwerpunktverschiebung als vielmehr um eine bekräftigende Verstärkung des Gedankens durch ein weiteres historisch-legendarisches Exemplum. Der Bürgerkrieg spaltet ein Volk, der Brudermord zerreißt den innersten sozialen Kreis, das Allerheiligste der Familie. Der Feind, der aggressiv die Spaltung der unitas vorantreibt, kommt von innen. Mehr noch: Bedenkt man, dass die Mitglieder des Kardinalkollegiums ehrerbietig als fratres bezeichnet wurden, ist es verlockend, in dem Bruderkriegvergleich einen Verweis auf eventuell schwelende Spannungen im Kardinalskollegium zu erkennen. Da Johannes’ Schriften niemals explizit diesen Bogen schlagen, muss dies letztlich Vermutung bleiben. Noch deutlicher als im Policraticus macht Johannes die Idee des klerikalen Bruder­ kriegs als Spitze aller Katastrophen unter dem Eindruck der zwiespältigen Doppelwahl im Herbst 1159: Omnium uero mentes magis exculcerat scissura ecclesiae, quae exigentibus culpis nostris contigit […]. Expetiuit eam Sathanas ut cribraret sicut triticum, et undique alterius Iudae proditoris ministerio amaritudines et scandala spargit. Oriuntur bella plusquam ciuilia, sacerdotalia enim sunt et fraterna.962

Anstatt sich polemisch gegen den vermeintlichen Gegenpapst als Motor des Schismas zu wenden, rückt er, ganz Moralist, auch im Metalogicon die Verantwortung aller in den Vordergrund. Zum einen habe die Sünde aller dem Aufsteiger den Weg geebnet, zum anderen mache eben nicht nur einen Unterschied, auf welcher Seite des Konflikts man sich verorte, sondern auch, ob man es überhaupt tue. Statt sich auf die polemische Bekämpfung des Gegenpapstes zu beschränken, lenkt er auch hier den Blick auf den Mitläufer als bedeutenden Agens. Alle Gedanken und Warnungen, die der angelsächsische Gelehrte kurz zuvor im Policraticus geäußert hatte, mussten sich für ihn durch die Ereignisse im Herbst 1159 bestätigt haben. Metalogicon IV, 42 rekapituliert somit im Kleinen noch einmal seine Hauptvorstellungen von der Natur der Kirchenspaltungen und ihrem Ursprung in der Verderbtheit der Menschheit. Doch noch ist das zugrunde liegende Deutungsmuster das seiner Tyrannenlehre. Noch ist es der schismatische Priester, der die ­Kirche mit 962 Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan IV, 42, S. 183 f.

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seinem Ehrgeiz, seiner Habgier und seiner Abkehr von Christus zugrunde richtet. Erst in späteren Jahren verkamen die vermeintlichen ‚Brudermörder‘ Oktavian von Monticelli und Guido von Crema zu Marionetten eines anderen, in Johannes’ Augen schrecklicheren Gewaltherrschers, auf dessen Kopf die Reichskrone ruhte. Zu Zeiten des Policraticus und Metalogicon aber zog Johannes von Salisbury seine Lehre aus der Geschichte des innozenzianischen Schismas und seinen eigenen Theorien. Für diese Arbeit sind daher sein Geschichtsbild und seine Berichtstrategien bedeutsam. Sie können illustrieren, ob und inwiefern Johannes’ Vorstellung der Beziehung ­zwischen Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und der Funktion der Geschichtsschreibung es erlaubt, Bezüge z­ wischen vergangenen Zeiten und der aktuellen Gegenwart herzustellen.

2.2.2.6  Geschichtsverständnis und historisches Exemplum bei Johannes von Salisbury Obwohl seinen Werken zweifellos ein historisches Weltbild zugrunde lag, entwickelte Johannes von Salisbury niemals eine detaillierte Geschichtstheorie, sondern verband die Geschichte im Kern mit den rhetorischen Lehren des Aristoteles und Cicero.963 Der riesige Schatz seines historischen Wissens, aber auch die Erfahrungen der Gegenwart waren der Stoff, aus dem er sein Weltbild entwickelte. Sie halfen ihm bei der Einordnung aktueller Ereignisse in der Korrespondenz und als argumentatives Material in den philosophischen Schriften. Antiquarische Kompilation historischer Exempla oder Idealisierung der Vergangenheit gaben ihm nichts. Die Geschichte musste als praktisch-lehrhafter Fingerzeig fruchtbar gemacht werden 964: Vnde uoluntati tue […] libentius acquiescens, omissis aliis, ea que ad pontificalem hystoriam pertinent, prout precipis, Dei gratia preeunte perstringere curabo, idem habens propositum, coetaneis et posteris proficiendi, quod cronici scriptores alii ante me noscuntur habuisse. Horum uero omnium uniformis intentio est, scitu digna referre, ut per ea que facta sunt conspiciantur inuisibilia Dei, et quasi propositis exemplis premii uel pene, reddant homines in timore Domini et cultu iustitie

963 Erhellende Erläuterung des Verständnisses von Geschichte und Geschichtsschreiber auch im Zusammenhang mit den Lehren der antiken Logik und Rhetorik in Coleman, Janet: John of Salisbury: Literal Historia, the ‘Presentness’ of the Past, and the Logical Method of the Historian Reconstructing Timeless Probable Truths, in: Grellard/Lachaud: Nouvelles lectures, S. 93 – 108. 964 Vgl. ebd., S. 97 – 104.

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cautiores. Hiis enim incognitis […] quasi cecus in futurorum prorumpit euentus. […] nichilque post gratiam et legem Dei uiuentes rectius et ualidius instruit quam si gesta cognouerint decessorum.965

Die Geschichte war für Johannes von Salisbury pädagogisches Rüstzeug im omnipräsenten Streben nach dem tugendhaften Leben.966 Wie in der Antike praktiziert, sollten historische Vorbilder von Belohnung und Bestrafung durch Abschreckung oder Ansporn zu größerem Eifer in Gottesfurcht und Gerechtigkeit ermutigen. Auch sein Appell für die Bildung des Menschen setzt hier an: Nur das entsprechende Vorwissen befähige, den Verlauf der Geschichte mit dem richtigen Augenmaß zu betrachten, daraus Lehren zu ziehen und jenen geschichtlichen Sinn zu entwickeln, der als moralischer Navigator zu einem von Glauben und guter Tat durchdrungenen Leben führe.967 Gleichzeitig bereite die Geschichtsbetrachtung demjenigen, der offen dafür sei, eine Quelle des Vergnügens und des Trostes in schweren Zeiten. Aus christlicher Sicht sei sie die Manifestation göttlichen Wirkens auf Erden und damit ein Weg, die invisibilia Dei in der Geschichte zu ergründen.968 Gott ist für Johannes von Salisbury unbestritten der verschleierte Urheber jener Geschichte, die, auch wenn vordergründig menschengemacht, eben ein Fenster zum unergründlichen wie auch unveränderlichen Willen und Plan Gottes darstellt.969 965 Aus dem Prolog der Historia pontificalis. Siehe Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 3 f. Seine pragmatische Geschichtsidee vertritt er auch in Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan IV, 10, S. 149: Et quia ut in politia ait Plato, facile est assequi naturalia arcana ex his quae frequenter accidunt, imaginem eorum quae futura sunt concipit ex qualitate eorum quae praesentialiter sentit, uel aliquando sensit. 966 Auch das philosophische Exemplum diente als Wegweiser auf der Suche nach der via beata. Weiterführend: Peter von Moos: L’anecdote philosophique chez Jean de Salisbury, in: Delphine Carron Faivre u. a. (Hg.): Exempla docent. Les exemples des philosophes de l’antiquité à la renaissance, Paris 2006 (Études de philosophie médiévale, 92), S. 135 – 150. 967 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan, Prolog, S. 21 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 12): historicus sensus. 968 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan, Prolog, S. 21 – 22 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 13). 969 Vgl. Coleman: Historia, S. 104, aber auch Policraticus, ed. Keats-Rohan II , 24, S. 139 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 134 f.): Dispositioni ergo aptare tempora et rerum momenta uariare temporibus solus ille qui disposuit, potest; et cum multorum notitiam, secundum beneplaciti sui mensuram concesserit creaturae, hoc sibi Trinitas singulariter reseruauit. Quando itaque et qum diu quid futurum sit nouit, et etates temporum ille dispensat, per quem ipsa tempora facta sunt. Ipsa quoque tempora motu et uariatione rerum quasi quibusdam coloribus pongit, et uolubilem temporis rotam iugali quodam nexu rerum quo teneatur illaqueat, et ut rem incomprehensibilem ingerat intellectui, eandem mirabiliter rerum proprietatibus quasi suis informat. Zu diesen zählt er auch signa göttlicher Intervention wie Träume und astronomische Phänomene. Siehe Kapitel II in Gänze (Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 71 – 171 bzw. Policraticus I, ed. Webb,

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Der Mensch in seiner Psychologie ist aber trotzdem ein geschichtemachender Faktor. Seine Laster sind die Grundlage menschlichen Handelns und begründen sich auf menschlicher Maßlosigkeit. Da Johannes diese Kritik durch historische Beispiele argumentativ stützt, sieht Spörl in ihm „eine[n] Moralisten, der aus der Geschichte beweist, daß es den Guten gut und den Bösen schlecht gehe“ und dem „die Geschichte […] ein Lehrbuch menschlicher Tugend und Torheit“ 970 sei. Johannes von Salisbury denkt anthropozentrisch. Der Mensch sei in seinen Lastern und Tugenden die historische Konstante, die in jedem Zeitalter neuen geistigen, politischen und religiösen Herausforderungen begegnen muss.971 Indem ihr Wert- und Idealvorstellungen zugrunde liegen, aus denen zur Zeit ihrer Rezeption wiederum Handlungsempfehlungen erwachsen, hat Geschichte in seinen Augen eine ethische Komponente. Seine Vergangenheitsbeschreibungen verfolgen einen klaren Wahrheitsanspruch. Schmeichelei lehnt der Autor des Policraticus ab. Preis einer glaubwürdigen Geschichte ­seien eben auch unangenehme Wahrheiten über Ereignisse und Personen.972 Diese Offenheit ist für Johannes’ Verständnis der Nutzbarmachung der Historie für die Gegenwart unverzichtbar. Ohne diesen historiographischen Mut wäre das hervorstechendste Merkmal seines Werks, die Zeitkritik, undenkbar. Ohne in fatalistischen Pessimismus zu verfallen, wendet er den Blick immer aus der Gegenwart in die darin ausstrahlende Vergangenheit.973 Gleichermaßen bemüht er sich in seiner Historiographie, besonders in der Historia pontificalis, um Ausgewogenheit und Maß der Charakterzeichnung, versagt sich aber im Sinne der Wahrheitsfindung auch eine tendenziöse Verzerrung seiner Autoritäten.974 Eine der bemerkenswertesten Fähigkeiten des angelsächsischen Gelehrten, so Spörl, ist sein Instinkt, „ähnliche geistige Situationen“ 975 nebeneinanderzustellen, um den unklaren Ausgang einer zeitgenössischen Handlung oder eines Ereignisses durch Analogieschluss mit einem ähnlichen Vorfall in der Vergangenheit ­berechenbarer zu S. 65 – 169). Zu Johannes’ metaphysischem Verständnis vom Verhältnis göttlicher Vorbestimmung zur Geschichte und Willensfreiheit des Menschen: Spörl: Grundformen, S. 94. 970 Ebd., S. 97. 971 Vgl. ebd. 972 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 4: Quas si retulero, mihi non debet aliquis indignari, quia nullius hystorie fides est incorrupta, si scriptor adulationi pocius seruiat quam ueritati, et dum paucis placere nititur, in sui ipsius perniciem decipit uniuersos. 973 Vgl. Spörl: Grundformen, S. 82 f. 974 Siehe zu dieser Tendenz auch Historia pontificalis, ed. Chibnall und Spörl: Grundformen, S. 83. 975 Ebd., S. 84.

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machen.976 Das Exemplum ist in Form von Anekdoten, Apophthegmata und Verweisen eine der argumentativen Lieblingswaffen in der saresberiensischen Morallehre. Entweder ein Ereignis oder den Bericht desselben bezeichnend, konnte er mit seiner Hilfe der Gegenwart moralische Vor- oder Schreckensbilder vorhalten, Gedanken Autorität verleihen und Warnungen aussprechen. Ohne uns in die Feinheiten seines kunstvollen Einsatzes ­dieses rhetorischen Mittels zu vertiefen, sollte die Stellung ­dieses Kunstgriffs realistisch bewertet werden.977 Tatsächlich wurde Johannes von Salisbury oft vorgeworfen, er schätze die Vergangenheit nicht in ihrer Essenz, sondern missbrauche sie oberflächlich als „eine Art Bilderbuch zur Illustration der Grundformen des Lebens im 12. Jahrhundert“ 978. Johannes von Salisbury aber kennt den Unterschied z­ wischen dem realen geschichtlichen Kern eines vergangenen Ereignisses und seiner Natur als didaktisches, durch Text überliefertes Zeugnis, das es zu deuten gilt 979: Quae uero ad rem pertinentia a diuersis auctoribus se animo ingerebant, dum conferrent aut iuuarent, curaui inserere […]. In quibus si quid a fide ueri longius abest, michi ueniam deberi confido, qui non omnia, quae hic scribuntur, uera esse promitto, sed siue uera seu falsa sint, legentium usibus inseruire. Neque enim adeo excors sum, ut pro uero astruam, quia pennatis auibus quondam testudo locuta est […] et similia; sed quin haec figmenta nostrae famulentur instructioni, non ambigo. Haec quoque ipsa, quibus plerumque utor, aliena sunt, nisi quia quicquid ubique bene dictum est, facio meum, et illud nunc meis ad compendium, nunc ad fidem et auctoritatem alienis exprimo uerbis. Et quia semel coepi reuelare mentis archana, arrogantiam meam plenius denudabo. […] Neque enim Alexandrum vidi vel Cesarem: nec Socratem Zenonemve, Platonem aut Aristotilem disputantes audivi; de his tamen et aliis aeque ignotis ad utilitatem legentium retuli plurima.980

In seiner reichen Fülle an Exempla weist der Policraticus auch eine außerordent­liche Bandbreite an rhetorisch-methodologisch und moralisierend-erbaulichen Beispielen auf, die, wie so oft in der mittelalterlichen Literatur, der genauen Definition 976 Aus der Absetzung Heinrichs IV. durch Papst Gregor VII. zieht Johannes die Hoffnung auf eine für die K ­ irche ähnlich vorteilhafte Wirkung der Exkommunikation K ­ aiser Friedrichs I.: Moos: Use, S. 207. 977 Dies sei den gelehrten Arbeiten des Peter von Moos überlassen: Moos: Geschichte sowie für den Policraticus in größtmöglicher Tiefe und Ders.: Use. 978 Vgl. Liebeschütz: Humanism, S. 94. Diese Oberflächlichkeit bescheinigt ihm auch Martin: Classics, S. 196. 979 Vgl. Moos: Use, 216 f.; Lambert Marie de Rijk: Facts and Events. The Historian’s Task, in: Vivarium 17 (1979), S. 1 – 41. 980 Policraticus, ed. Keats-Rohan, Prolog, S. 24 – 25 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 15 f.).

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­trotzen.981 Durch diese exemplarischen Erzählungen, die historiae, will Johannes eben jene invisibilia Dei, jene Fußspuren des Göttlichen, für die Nachwelt festhalten, die ansonsten der Vergessenheit anheimfielen.982 Er nutzt die Exempla nicht als rein illustrative Maßnahme, sondern bietet verständigen Adressaten eine Grundlage zur eigenen Meinungsfindung in bestimmten Fragen.983 In d­ iesem Sinne sind, das sollte nicht vergessen werden, auch Johannes’ Vergleiche z­ wischen historischen Krisensitua­ tionen aus Antike, Zeitgeschichte und dem alexandrinischen Schisma zu betrachten.

2.3  Die Schismabriefe des Johannes von Salisbury: Genese, Überlieferung, Quellenwert Die Briefsammlungen des Johannes von Salisbury gelten als einer der bedeutendsten Korpora mittelalterlicher Epistolographie schlechthin. Giles pries sie in seiner Edition des saresberiensischen Gesamtwerks sogar als Johannes’ bedeutendstes Werk.984 Seine epistolaren Zeugnisse sind historischer Zeitkommentar und literarisches Werk. Sie sind wie ein Fenster zur damaligen Verwaltungspraxis z­ wischen weltlichen und kirchlichen Belangen, epistolographische Kleinode in der Nachfolge antiker Vorbilder wie Seneca oder Cicero und Medium zur Entfaltung und praktischen Anwendung jener philosophischen und ethischen Vorstellungen, deren Grundstock mit frühen Schriften wie dem Policraticus gelegt wurde. Insofern sind sie nicht einfach historische Artefakte oder Musterbriefe an Gelehrtheit, Weisheit und literarischer Eleganz. Sie können auch – wie mit den Schismabriefen geschehen – in der bisherigen Forschung als Steinbrüche geschichtlicher Information genutzt werden. Sie sind, möchte man Giles korrigieren, integraler Bestandteil des saresberiensischen Oeuvres und mitnichten in einem hierarchischen Verhältnis mit oder losgelöst von Johannes’ Restwerk zu betrachten. Dessen Gedankengut lebt darin nicht nur weiter, wie Hans Liebeschütz feststellte, sondern erreichte durch die Anwendung auf das tägliche Geschehen in gewissem Maße auch einen vertieften Bedeutungswandel von einer normativen zu einer pragmatischen ethischen Leitlinie.985 981 Die interdisziplinären Differenzen in der jeweiligen Begriffsdefinition in Homiletik und Philo­logie, auf die schon Moos: Use, S. 211 f. hinwies, bestehen an. 982 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan, Prolog, S. 21 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 12) und Moos: Use, S. 242 f. 983 Vgl. ebd., 219 f. Hier auch ein Überblick über literarische und persuasive Praktiken, die mit seinem Gebrauch von Exempla zusammenhängen. 984 Vgl. JvSalisbury Opera omnia, ed. Giles. 985 Vgl. Liebeschütz: Humanism, S. 96.

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Im Gegensatz zur Korrespondenz des Arnulf von Lisieux, die zwar in unterschiedlichen Redaktionen, aber doch in einer Hauptsammlung zusammengeführt ist, steht man bei den Briefen des Johannes von Salisbury vor einer denkbar komplexeren Überlieferungssituation. Dies liegt vor allem daran, dass das Gesamtkorpus in zwei chronologisch separaten Hauptsammlungen überliefert ist, die sich in thematischem Fokus, Tradierung, Abfassungsmotivation und -umständen klar unterscheiden. Für manuskriptbasierte Editionen der späten Johanneskorrespondenz sei auf Millor und Brooke verwiesen.986 Hier kann die Editionsgeschichte nur in ihren Grundzügen umrissen werden. Die frühe und späte Korrespondenz des Johannes von Salisbury wurde zuerst von Papire Masson auf Basis eines einzelnen Manuskriptes bearbeitet und von seinem Bruder Jean Masson 1611 herausgegeben.987 Eine Auswahl dieser erfolgreichen Edition, nämlich die späten Johannesbriefe der Becketkorrespondenz, erfuhren ­später durch Dom M. Brial eine Teilpublikation im Rahmen der Reihe ‚Recueil des Historiens des Gaules et de la France‘.988 Wenige Jahre ­später erschien eine vollständige Herausgabe durch J. A. Giles, der sich neben Masson auf weitere handschriftliche Überlieferungen und Briefe aus Brials Selektion stützte und das Material in eine erste chronologische Ordnung zu bringen versuchte. Sie ging ­später in Band 199 der Patrologia Latina ein.989 Es folgte die Herausgabe ausgewählter Stücke mit Relevanz zum Becketdisput auf Basis des Manuskripts Brit. Libr. Cotton Claudius B. ii in den ‚Materials for the History of Thomas Becket‘ der Rolls Series durch J. C. Robertson.990 Seit 1955 bzw. 1979 sind beide Sammlungen von William J. Millor, Harold E. Butler und Christopher N. L. Brooke zu einer zweibändigen kritischen Edition aufgearbeitet worden, die dem Text eine exzellente englische 986 Brooke: Introduction, S. lvi–lviii. 987 Vgl. Pierre Ronzy: Un humaniste italianisant Papire Masson (1544 – 1611), Paris 1924 (Bibliothèque de l’Institut français de Naples, 1). 988 Recueil des historiens des Gaules et de la France. Contenant et terminant la suite des monuments des trois règnes de Philippe Ier, de Louis VI dit Le Gros, et de Louis VII surnommé Le Jeune, depuis l’an MLX jusqu’en MCLXXX, ed. Léopold Victor Delisle/Michel-JeanJoseph Brial, Paris 1878 (RHGF, 16). 989 Joannis Saresberiensis: Joannis cognomine Saresberiensis Carnotensis episcopi opera omnia juxta editionem Oxoniensem quam nuper ad fidem codicum mss. exegit Dr. J. A. Giles, ed. Jacques Paul Migne, Paris/Turnhout 1855 (ND 1996) (Migne PL, 199). Weitere chronologische Studien zu den frühen Briefen verfasste Reginald Lane Poole: The Early Correspondence of John of Salisbury, in: Proceedings of the British Academy 11 (1924/25), S. 27 – 53. Nachdruck: ders.: The Early Correspondence of John of Salisbury, in: ders. (Hg.): Studies in Chronology and History, Oxford 1969 (ND der Ausgabe 1934, S. 259 – 286. 990 MTB, Band V – V II. Das Manuskript ist Brit. Libr. Cotton Claudius B. II.

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Übersetzung gegenüberstellt und mittlerweile im Rahmen der Oxford Medieval Texts neu erschienen ist.991 Will man der Entstehungsgeschichte dieser Kompilationen auf den Grund gehen, muss man z­ wischen der frühen und der späteren Korrespondenz des Gelehrten aus Salisbury unterscheiden. Im Kern umspannen die beiden Briefsammlungen die Zeit seines Dienstes unter seinen erzbischöflichen Herren, Theobald und ­Thomas Becket, die die Briefe aus dem französischen Exil, aber auch jene über seine Rückkehr nach England hinaus umfassen. Beide Korpora waren in ihrer Natur, Konzeption und Zielsetzung grundverschieden und wurden auch auf separaten Wegen tradiert und erhalten. Immer jedoch spielte ihr Verfasser, Johannes von Salisbury, eine tragende Rolle in der Sammlung und Initiierung der Dossiers. Ob dies mit Bedacht und dem Ziel einer späteren Herausgabe des Materials geschah, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, es ist jedoch ebenso wenig auszuschließen. Johannes von Salisbury wollte sowohl politisch als auch gesellschaftsethisch etwas in seiner Welt bewegen. Eine Zusammenstellung seiner Korrespondenz zum Eigengebrauch wird dabei kaum das finale Ziel seiner lebenslangen Bemühungen gewesen sein.

2.3.1  Die frühen Briefe (1153 – 1161) 2.3.1.1  Spezifika und Adressatenkreis Das Material der ersten Briefsammlung, 135 Schriftstücke aus der Zeit z­ wischen 1153 und Theobalds Tod im April 1161, ist in erster Linie eine Dokumentation der Geschäftsgänge am erzbischöflichen Hof von Canterbury zu dieser Zeit. Es ist in großen Teilen eine Sammlung von im Namen des englischen Primas konzipierten und angefertigten Geschäftsschreiben und damit untrennbar mit der Expertenposition verbunden, die Johannes von Salisbury dort einnahm. Der mit diplomatischem Feingefühl und schneller Auffassungsgabe in Verwaltungs- und Regierungsfragen begabte Angelsachse tritt aus ihnen als Theobalds Vertrauensmann, Ratgeber und rechte Hand in all jenen Dingen hervor, die die Beziehung der englischen K ­ irche und ihres Primatialsitzes zur römischen Kurie berührten.992 991 Early Letters, ed. Millor u. a.; Later Letters, ed. Millor/Brooke. 992 Etwa das Appellationswesen, aber auch die Handhabung päpstlicher Mandate. Beispiele der Appellationskorrespondenz bespricht ausführlich Roger Aubrey Baskerville Mynors: Introduction, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. xxx–xxxv.

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Reflektiert werden diese Aufgabenschwerpunkte in großer Bandbreite durch Fallberichte, Ratgeber- oder Ermahnungsbriefe bis hin zu bedeutenden vertraulichen Rechtsdokumenten, die ihm der krankheitsgeschüttelte Theobald anvertraute.993 Das macht die erste Sammlung zu einer Art „Archiv der frühen Karriere des Johannes als Sekretär des Erzbischofs“ 994. Sie bekundet ebenso Johannes’ Ehrerbietung gegenüber dem päpstlichen Primat wie seine Ergebenheit gegenüber dem Primatialsitz von Canterbury. Der Umkreis der Empfänger umspannte, wie vom Sekretär eines hochkarätigen Prälaten zu erwarten, den englischen König, seinen Kronkanzler Becket und andere Mitglieder des Hofes, des Weiteren Mitglieder der päpstlichen Kurie, Führungspersönlichkeiten der Landeskirche und des Rechtsapparates sowie Würdenträger diverser monastischer Orden, Gelehrte und Rechtsgelehrte, Männer des hohen und niederen Klerus, aber auch Laien in unterschiedlichsten Positionen.995 Die fast hundert im Auftrag des Erzbischofs verfassten Amtsbriefe glänzen mit geschäftsmäßiger rhetorischer Brillanz und lassen auf die administratorische wie juristische Bildung des fähigen Sekretärs schließen.996 In den persönlichen Schreiben des Saresberiensis, die ungefähr ein Viertel der Sammlung ausmachen, stechen besonders der freundschaftliche Austausch mit ihm nahestehenden Personen wie Petrus von Celle oder Papst Hadrian IV. hervor, auch wenn die Korrespondenz mit letzterem bedingt durch dessen Amtswürde weniger Huldigung des monastischen Ideals der amicitia als Intervention für andere am päpstlichen Hof war.997 Mehr als andere verkörpern Johannes’ Briefe „ein lateinisches Bildungsideal, das Männer unterschiedlichster Nationalitäten, Stellungen und Verantwortlichkeiten in einer Gemeinschaft christlicher Intellektueller vereinen konnte, die sich dem Teilen von Bildung und ihrer Anwendung im Alltagsgeschäft widmeten“ 998. Mit ihren breiten Reminiszenzen an antike Gelehrsamkeit, Bibelzitaten und ­g eistreichen 993 Vgl. ebd., S. xxix f. So etwa Theobalds Testament: JvS I, Ep.134. 994 Brooke: Introduction, S. xix. 995 Vgl. Mynors: Introduction, S. li. 996 Roland Zingg: Die Briefsammlungen der Erzbischöfe von Canterbury, 1070 – 1170. Kommunikation und Argumentation im Zeitalter der Investiturkonflikte, Köln 2012 fasst den Charakter der Briefe als „Arbeitsproben […] für die Bewerbungsunterlagen eines Sekretärs“ (S. 139) zusammen. 997 Vgl. Brooke: Adrian, S. 6 f. Zur Unterscheidung ­zwischen persönlichen Schreiben und den Auftragsarbeiten des Erzbischofs siehe die kritische Studie von Poole: Correspondents. Analyse der jeweiligen Anteile z­ wischen freundschaftsbasierten und geschäftsmäßigen Empfängern bei McLoughlin: Amicitia. 998 Nederman: John, S. 82.

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­ ortspielen atmen die Dokumente den Geist des Gelehrten, zeigen aber auch in W ihren schonungslos kritischen Charakterisierungen die Einstellungen des Privatmanns. Am menschlichsten sind die frühen Briefe in Zeiten persönlicher Krise. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass ein seelenloser Verwaltungs- und Kommunikationsprofi aus der ersten Briefsammlung hervorscheint. Im Gegenteil, besonders in den späten Perlen der ersten Briefsammlung, einschließlich der Schismakorrespondenz, blitzt der brillante Intellektuelle hervor, als der Johannes auch in seinen anderen Schriften hervortritt. Im Zuge dieser Untersuchung sind besonders die Zeugnisse der unsicheren Zeit vor der Anerkennung Alexanders III. im englischen Königreich von Interesse. Es sind keine Dienstanweisungen, wie Theobald sie von Amts wegen an Weltgeistliche oder kirchliche Gemeinschaften richtete, sondern intensive Korrespondenz auf Augenhöhe, die gegenüber König oder Papst die Sicht des alternden Erzbischofs und seines Hofes auf die drängenden Fragen der Kirchenspaltung kommunizierten. Dokumente, die sich um Informationen bemühten und die Entscheidungen der Mächtigen sanft, aber oft ungehört zum Wohl der englischen ­Kirche zu lenken suchten. Diese Briefe gehören zu den emotionalsten und lebhaftesten Zeugnissen der Sammlung. Umso erstaunlicher ist es, dass die Forschung bis dato noch nicht ihren Wert für die Schismengeschichte entdeckt hat. Bedauerlicherweise erlaubt uns das Korpus nur, das Bild einseitig aus dem Briefausgang zu erschließen. Die zu erwartenden Antwortschreiben, etwa auf Theobalds beharrliche Bitten an den englischen König und seinen Kanzler um Richtungsweisung im Schisma, sind nicht erhalten. Gewünscht hätte man sich auch die Überlieferung einer eventuellen Rückmeldung auf Johannes’ berühmte Pavia-Polemik Angustiarum nostrarum, die die Unterstützung des Erzbischofs von Reims für ­Alexander III . sichern sollte.999 Nach derzeitigem Stand kann ihre Wirkung hingegen nur vage erahnt werden. Die Briefsammlung endet mit Theobalds letztem Willen und seinem Abschiedsbrief an König Heinrich II., weshalb ihre Entstehung mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher zeitlicher Folge zum Tod des Erzbischofs, also nach April 1161, erfolgt sein wird. Den Terminus ante quem liefert Petrus’ Ausscheiden als Abt von Montier-laCelle im Jahr 1162.1000 Zu dieser Zeit befand sich Johannes noch in Canterbury. Er scheint entweder den Leerlauf der Vakanz oder die Zäsur in seinem beruflichen Werdegang als Chance zur Zusammenstellung der Briefe genutzt zu haben. Im Hinblick auf seine Beschäftigung mit der Historia pontificalis im Exil oder der Arbeit am 999 JvS I, Ep. 124. 1000 Vgl. Mynors: Introduction, S. ix, Anm. 1.

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Policraticus während seiner durch die Ungnade bei Heinrich II. bedingten Zwangspause von den Tagesgeschäften wäre dies ein durchaus gängiges Muster. Damit liegt eine Sammlung vom Autor autorisierter und überprüfter Schriftstücke vor, die wahrscheinlich auf Grundlage einer losen Sammlung von Pergamentblättern mit Rohentwürfen beruhen.1001

2.3.1.2  Quellenwert und handschriftliche Verbreitung Im Gegensatz zur Korrespondenz des Arnulf von Lisieux erregen die Johannesbriefe durch ihre Anlage nicht den Verdacht, als Musterbuch zusammengetragen worden zu sein. Die Stücke sind fast alle undatiert, können aber in den meisten Fällen in ihrer Entstehung zeitlich eingeschränkt werden. Eine thematische Reihenfolge, die einen didaktischen Nutzen nahelegen würde, ist in den erhaltenen Manuskripten nicht erkennbar.1002 Ob das frühe Dossier zur Veröffentlichung bestimmt war, ist schwer festzustellen, doch ist es möglich, dass Johannes von Salisbury zumindest billigend in Kauf nahm, dass es in Umlauf geriet.1003 Der erste Adressat der fertigen Sammlung war erneut Johannes’ Vertrauter Petrus, Abt von Montier-la-Celle. Sein Dankesbrief ist tradiert.1004 Die Zuordnung des Briefbuchs zu Petrus von Celle hat einige elegante Nebeneffekte. Zum einen belegt sie, dass alle Briefe des Briefbuchs der authentischen Verfasserschaft des Johannes von Salisbury entstammen, was den Quellenwert der Zeugnisse enorm erhöht. Insgesamt gewinnen Johannes’ Briefe als Quelle durch die, wenn auch manchmal in Bezug auf zeitliche Abläufe etwas geschmälerte, Akkuratesse seines Gedächtnisses sowie seine erzählerische Ehrlichkeit, die abgesehen von gelegentlicher intentionaler Färbung nicht zur willentlichen Verfälschung von Tatsachen neigte.1005 1001 Dies erklärt die von Mynors beobachteten Mangel an Struktur in den Manuskripten. Siehe ebd., S. lii–lxii. 1002 Vgl. ebd., S. lii–liv. 1003 Vgl. ebd., S. xlvif und Hohenleutner: Studien, S. 31 f. Eine gezielte Sammlung der Stücke in einem geordneten Register, die auf eine spätere Veröffentlichungsabsicht hingedeutet hätte, fehlt in ­diesem frühen Stadium. Siehe Poole: Correspondents, S. 260. 1004 Ediert in PvCelle Letters, ed. Haseldine, S. 322 – 327. Zur Identifizierung des gesendeten Werkes mit der ersten Briefsammlung: Mynors: Introduction, S. ix–xi. Auch den Policraticus und eventuell den Entheticus hatte Johannes dem befreundeten Mönch gewidmet oder zur Durchsicht anvertraut. Siehe JvS I, Ep. 111. Seine Historia pontificalis widmete er Petrus gar persönlich. Siehe Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 3. 1005 Vgl. Mynors: Introduction, lvi.

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Außerdem erklärt die Tatsache, dass die erste Sammlung zu Händen einer einzelnen privaten Bekanntschaft ging, dass kein Manuskript auf uns gekommen ist, das beide Teilsammlungen vereint – trotz Hinweisen auf die mögliche Existenz eines solchen.1006 Piper identifizierte auch acht verlorene Epistolae des Saresberiensis. Diese scheinen jedoch zu den sehr späten Schriftstücken aus seiner Zeit als Bischof von Chartres zu zählen. Aus den wenigen inhaltlichen Informationen ist kein Schismabezug herauszulesen. Selbst wenn eine gemeinsame Handschrift der beiden Korpora vorgelegen haben sollte, folgten die Sammlungshälften, wie gezeigt werden wird, separaten Überlieferungssträngen. Ein paar Ausführungen zum ersten Korpus: Die frühen Briefe des Johannes von Salisbury haben im Mittelalter erstaunlich geringe Verbreitung gefunden. Sie sind in nur drei Manuskripten erhalten. Der Haupttextzeuge ist eine Pariser Handschrift (P).1007 Aufgrund der Exzellenz des Manuskripts und seiner Textgestalt diente es als Kollationsmanuskript für die Edition der frühen Johannesbriefe. Der Textzeuge stammt aus dem späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert und vereint das gesamte Korpus von 135 Briefen – wenn auch nicht in der ursprünglichen Reihenfolge.1008 Zur Rekonstruktion der originalen Brieffolge trägt das ansonsten wenig ergiebige, nachlässig ausgeführte und fehleranfällige zweite Manuskript aus der Universitätsbibliothek Cambridge bei.1009 Die aus ungeklärter Provenienz stammende Handschrift des 14. Jahrhunderts vereint einen Teil der geschäftlichen Korrespondenz des 1006 Siehe Alan Piper: New Evidence for the Becket Correspondence: John of Salisbury’s ­Letters, in: Wilks: World. Piper entdeckte in einer Handschrift der Kathedralbibliothek von Durham (Lib IV 8, fol. 53 – 59) eine tabula des 14. Jahrhunderts, die circa vierhundert Zitate aus Briefen der kompletten Johannes- und Becketkorrespondenz enthielt, sich jedoch aufgrund der spezifischen Reihenfolge der Stücke keiner der bekannten Sammlungen zuordnen ließ. Zudem wiesen die durchnummerierten Einträge auf acht Briefe hin, die nicht in die gedruckten Editionen Eingang gefunden hatten und somit bisher unbekanntes Sondergut darstellten. Die Vorlage, aus der die Zitate gezogen wurden, so Piper, sei nicht eng mit Johannes von Salisbury selbst zusammenzubringen und unabhängig von den Manuskripten von dessen früher Korrespondenz. Allerdings vermutet er einen Zusammenhang des verlorenen Vorgängermanuskripts, auf das sich die Tabelle bezieht, oder seines Prototyps mit jener Handschrift, die zur Korrektur der Briefe des Johannes von Salisbury in der ersten Redaktion der Sammlung des Alan von Tewkesbury genutzt wurde (siehe Duggan: Textual History, S. 119 – 121). 1007 Paris, Bibl. nat., latin 8625. Die Briefe des Johannes von Salisbury umfassen fol. 1 – 32, wobei die Episteln 125 – 127 zu einem einzelnen kontrahiert wurden. Siehe Mynors: Introduction, S. lvii. 1008 Vgl. ebd., S. lvii f. 1009 MS li 2,31.

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J­ ohannes von Salisbury mit seinen Frühwerken Metalogicon, Entheticus und Policraticus und einem Kommentar zum Hohelied.1010 Schon ein Jahrhundert s­ päter ging eine unbekannte Zahl an Briefen verloren, so dass das Fragment heutzutage nur noch 75 vollständige Schriftstücke und einen fragmentarischen Brief enthält. All diese sind auch in P tradiert und umfassen persönliche wie geschäftliche Schreiben. Mynors vermutete das ursprüngliche Ordnungsprinzip in der Anordnung eines Großteils der Dokumente nach Empfängerrang.1011 Das dritte Manuskript befindet sich im Besitz der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek und ist eine Abschrift von P aus dem 13. Jahrhundert, die bedauerlicherweise als s­ olche zur Textgestalt der Sammlung nichts beiträgt.1012 Das Manuskript begegnete bereits in anderem Kontext: Es handelt sich um Vat. Lat. 6024, das auch jene provisorische Übergangsfassung der Zweitredaktion der Arnulfbriefe enthält, die Bischof Petrus von Meaux auf dessen Wunsch hin gesendet und eventuell von ­diesem erweitert wurde.1013 Damit ist Vat. Lat. 6024 die einzige gemeinsame Überlieferung der Korrespondenzkorpora der hier betrachteten beiden Epistolographen. Einzelne Briefe, etwa Theobalds letzter Wille oder sein Abschiedsschreiben an Heinrich Plantagenêt wurden in externen Einzelüberlieferungen ausfindig gemacht. Da diese jedoch für die Schismageschichte irrelevant sind, verweise ich für weiterführende Informationen auf Mynors’ Ausführungen.1014

2.3.2  Die späteren Briefe (1163 – 1180) Während die frühe Korrespondenz die Amtsgeschäfte des Erzbischofs Theobald von Canterbury abbildet, ergab sich nach dessen Tod für die späteren Briefe des Johannes von Salisbury ein anderer Fokus. Doch ist es nicht nur eine Weiterführung ­dieses epistolaren Archivs im Dienst des neuen Herrn, Erzbischof Thomas Becket, sondern ein 189 Briefe starkes Zeugnis eines Konfliktes, der von England den Kontinent und die Gesamtkirche erfasste. In gewissem Sinne ist das zweite Briefkorpus, gemeinsam mit dem Briefverkehr des Protagonisten Becket selbst, ein Monument

1010 Aus der Feder des Alexander Nequam. Die Johanneskorrespondenz ist auf fol. 119 – 131 zu finden. 1011 Einen Überblick und eine Diskussion zur Anordnung bei Mynors: Introduction, S. lviii. 1012 Ebd., S. lix f. 1013 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. lxxxiif und ergänzend Letter Collections, ed. Schriber, S. 8 – 10. 1014 Es handelt sich um die Briefe 99, 134 und 135. Siehe Mynors: Introduction, S. lxi.

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des großen Konflikts ­zwischen Primas und englischem Herrscher.1015 Sie zeugen nicht nur von der ständigen Fluktuation der politischen Verhältnisse zur damaligen Zeit, sondern auch von Johannes’ eigenem Engagement zur Stärkung des Rückhalts für Becket oder der Schaffung vorteilhafter Rahmenbedingungen zur Versöhnung der Parteien. Seine ernüchternde Erkenntnis, dass eine moderate Vermittlerrolle kein praktikabler Weg sein konnte, machte Johannes ab 1166 zum vorbehaltlosen Apologeten des exilierten Primas und markiert eine qualitative Zäsur in den verschiedenen Stadien seiner Involvierung, die sich auch auf seine Deutung und Sicht des Schismas auswirkte.1016 Johannes’ Briefe sind zeitgenössische Kronzeugen für wichtige Ereignisse des Disputs und sollen als ­solche respektiert werden, ohne die enge Verzahnung mit der zweiten kirchlichen Krise jener Zeit, dem alexandrinischen Schisma, zu vergessen. So bemerkte schon C. N. L. Brooke, dass ohne Johannes’ Briefe unser Wissen über den Becketkonflikt zwar immer noch umfangreich wäre, doch etwa „unser Wissen über Barbarossas Abenteuer im Winter 1167 – 1168 sehr viel begrenzter, unsere Information über die Geschäfte Heinrichs II. mit den italischen Städten geradezu gegen Null ginge“ 1017. In ihnen wartet wertvolles Quellenmaterial zur Geschichte des Schismas und Heinrichs Verwicklung darin darauf, bearbeitet und durchleuchtet zu werden. Darüber hinaus sprechen die Schriftstücke ein Kaleidoskop an Th ­ emen persönlicher, philosophischer, theologischer und politischer Art an – auch wenn Jahrhunderte ­später nicht jeder Bezug und jedes Wortspiel treffsicher ausgedeutet werden kann.

2.3.2.1  Entstehung, inhaltliche Ausrichtung und Adressatenkreis Die Entstehungsumstände der Briefe liegen weit von Canterbury, dem sicheren Hafen, in dem Johannes die erste Sammlung zusammentrug, und der englischen ­Kirche entfernt.1018 Sie dokumentieren eine turbulentere Zeit. Die meisten entstanden in Johannes’ Zuflucht im Haushalt seines Freundes Petrus in der Abtei SaintRemi in Reims (1164 – 1170). Ein Glücksfall, da Johannes durch die Lage der Stadt als kommunikativer Knotenpunkt ­zwischen dem europäischen Süden und Westen immer mit vergleichsweise aktueller Information vom französischen Königshof (der Reimser Metropolit war ein Bruder Ludwigs VII .), aus dem Poitou, England, Italien 1015 Vgl. Later Letters, ed. Millor/Brooke; CTB. 1016 Vgl. Nederman: John, S. 83. 1017 Brooke: Introduction, S. xx. 1018 Vgl. JvS II, Ep. 136.

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oder dem Heiligen Römischen Reich versorgt wurde. Viele Informationen wären nicht mehr erhalten, hätte Johannes von Salisbury sich damals dafür entschieden, dem Zirkel der eruditi um Thomas Becket auch örtlich nahe zu sein. Sein Reimser Quartier verließ er nur einige Male wie zur Unterstützung Beckets während der Verhandlungen mit den päpstlichen Legaten in den späten 1160ern. Pilgerreisen nach Saint-Gilles (1167 – 1168) oder Vézelay (1169) boten eine willkommene Gelegenheit des Austausches, aber auch Wege, um an neue Informationen – beispielsweise über die Vorstöße oder Niederlagen Friedrich Barbarossas in Oberitalien – zu gelangen.1019 Das Themenspektrum der späten Briefe spiegelt naturgemäß das Auf und Ab des Konfliktverlaufs um Becket und Johannes’ eigenen Kampf für dessen Sache, aber auch die anfänglichen Bemühungen um Beilegung der Spannungen mit Heinrich II. wider. Der angelsächsische Gelehrte berichtet, streitet, kommentiert, initiiert, netzwerkt, mahnt und ermutigt, bis sein großes Ziel, die Beilegung des Disputs z­ wischen Erzbischof und König erreicht scheint. Nach Beckets gewaltsamem Tod konzentrieren sich die Zeugnisse auf sein Engagement für dessen Kanonisation, Berichte über die mit dem Märtyrer verbundenen Wunder und die Neubesetzung des durch die tragischen Ereignisse vakanten Erzbischofsstuhls von Canterbury. Gegen Ende der Sammlung gibt es auch einige ergänzende, im Namen des Bischofs von Exeter verfasste Briefe, in dessen Dienste Johannes zwei Jahre nach den tragischen Ereignissen in Canterbury stand. Mit ihren Reflexionen der saresberiensischen Mäßigungs- und Tugendlehre sowie ihrer Auswirkung auf Johannes’ Urteil über beide Konfliktparteien sind die späten Briefe philosophischeren Zuschnitts als die Vorgängersammlung. Ihr ideologisches Gerüst steht hinter seiner Bezeichnung Heinrichs II. als Tyrann oder seiner Kritik an Beckets Starrköpfigkeit. Die Briefe sind Medium einer philosophischen Begeisterung, die handfeste Handlungsweisen durch abstrakte ethische Prinzipien zu lenken und Ereignisse und Agenten seiner Zeit durch eben diese Überzeugungen zu durchdringen und beeinflussen suchte. Für Johannes von Salisbury blieb die Philosophie auch in den Briefen Richtschnur für die in Krisensituationen besonders bitter benötigte, oft so essenzielle Entscheidung ­zwischen Gut und Böse, falsch und richtig.1020 Der Empfängerkreis der Briefe umspannt eine standesmäßig, geographisch und in Bezug auf ihr Verhältnis zu Johannes von Salisbury heterogene Vielzahl an Empfängern. Geholfen haben ihm seine vielfältigen Beziehungen im französischen wie englischen Klerus sowie zum Hochadel und kurialen Persönlichkeiten, zu deren Kreisen ihn die eigene Biographie oder die Vermittlung guter Freunde wie Petrus von Celle Zugang 1019 Vgl. Brooke: Introduction, S. xix. 1020 Details siehe bei Nederman: John, S. 85 und Liebeschütz: Humanism, S. 108.

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verschaffte.1021 Die folgenden Ausführungen sind Heinrich Hohenleutner geschuldet, der den Adressatenkreis eingehend vorgestellt hat.1022 Das Netzwerk des Johannes von Salisbury umfasste zumeist persönliche Freunde sowie gegenwärtige oder potenzielle Unterstützer Thomas Beckets wie den in Köln weilenden Rechtsgelehrten Gerard Pucelle, aber selbstverständlich auch den Primas, dessen weiteren Kreis oder ehemalige Mitglieder und Freunde aus ihrer gemeinsamen Zeit im Dienste Erzbischof Theobalds. In Frankreich war das etwa Johannes Belmeis, Bischof von Poitiers, der als enger Freund Beckets aus seinen Tagen in Canterbury eine wichtige Vermittlerrolle ­zwischen Königshof und Becketkreis ausfüllte. Dazu kam Johannes’ Freundeskreis auf der Insel, an den er immer wieder in der Hoffnung, zur Unterstützung Beckets zu ermuntern, Beistandsgesuche und adhortative Schreiben richtete. Etliche darunter an den durch die Flucht Beckets seines Abtes verlustig gegangenen Konvent von Christ Church, Canterbury, und einzelne Mönche wie Subprior Wilhelm Brito. In Dover, einem Priorat von Christ Church, korrespondierte Johannes mit dem Prior und späteren Becketnachfolger Richard. Bischofssitze, mit denen Johannes in Verbindung stand, waren Norwich, Winchester und Worcester. Im Süden Englands sticht ein Ort als Säule der Korrespondenz besonders hervor: Exeter, mit dem Johannes auch Verwandtschaftsbeziehungen verbanden.1023 Hierhin versendete Johannes vorrangig politische Lageberichte propagandistischer Prägung an den rechtsgelehrten Bischof Bartholomäus und seinen Archidiakon Balduin von Totnes, einen fähigen Theologen. Mitglieder des königlichen Haushaltes kontaktierte Johannes bevorzugt mit Lageberichten aus der Perspektive der Exilierten, aber auch mit Bitten um Vermittlung bei der becketfreundlichen Kaiserin Mathilde. Es waren Männer wie Nikolaus, Prior des Regularkanonikerstifts Mont-Saint-Jacques bei Rouen, oder Heinrich von Beaumont, Bischof von Bayeux, Engländer und ehemaliger Dekan von Salisbury, oder dessen Erzkaplan, ein einstiger Kommilitone des Johannes. Ein großer Name, der eine Rolle spielen wird, ist der Archidiakon von Poitiers, Richard von Ilchester, der am Hofe Heinrichs II. die einflussreiche Position des scriptor curiae bekleidete 1021 Vgl. ebd., S. 96. 1022 Eine eingehende Vorstellung der wichtigsten Adressaten übernahm ursprünglich Hohenleutner: Studien, S. 40 – 103. Mittlerweile sind auch einzelne Korrespondentengruppen in den Fokus gerückt. Siehe die Forschungen von Yoko Hirata: Yōko Hirata (Hg.): John of Salisbury and his Correspondents. A Study of the Epistolary Relationships between John of Salisbury and his Correspondents, Diss. phil. University of Sheffield, Sheffield 1991; dies.: John of Salisbury and the Clergy of Exeter, in: dies.: Papers, S. 157 – 181; dies.: John of Salisbury, Gerard Pucelle and amicitia, in: Julian P. Haseldine (Hg.): Friendship in Medieval Europe, Stroud 1999, S. 153 – 165 und Barlow: Brothers. 1023 Siehe ebd. und Hirata: Clergy.

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und sich durch seine Teilnahme am Hoftag zu Würzburg 1165 den Zorn der Becketsympathisanten zuzog. Vereinzelte Adressaten in monastischen Häusern wie die Benediktiner von BurySaint-Edmunds, Cluniazenser oder das Augustinerpriorat von Merton sind ebenso zu finden wie Beziehungen nach Lisieux, wo Johannes der dortige thesaurarius und Archidiakon sowie ein Magister Radulfus bekannt gewesen zu sein scheint, der auf jeden Fall als einer der Testamentsvollstrecker Erzbischof Theobalds fungierte. Dabei könnte es sich um den Domdekan Radulf von Sarre handeln, einen englischen Kleriker und Vertrauten der erzbischöflichen curia, der als Verbannter Aufnahme in Reims gefunden hatte.1024 In Zeiten der Trennung aber blieb der wichtigste Briefpartner Petrus von Celle. Komplettiert wurde Johannes’ Netzwerk durch die alten Verbindungen an die alexandrinische Kurie, wo Johannes sowohl Beziehungen zu persönlichen Bekannten aus alten Zeiten aufrecht erhielt als auch mit den päpstliche Legaten kommunizierte, die zur Vermittlung im Becketstreit entsandt worden waren. Alexander III. selbst war ihm noch von seiner Zeit als Kanzler der Kurie so bekannt, dass Johannes es wagte, besonders drängende Anliegen persönlich an diesen zu richten.

2.3.2.2  Handschriftliche Überlieferung Die Überlieferungslage für die späte Korrespondenz des Johannes von Salisbury ist gut. Es ist zwar kein Original oder Autograph einzelner Briefe oder der vollständigen Sammlung überliefert, doch werden durch die zweisträngige Überlieferung (Einzelsammlungen und Becketdossiers) vergleichsweise zeitgenössische Textzeugen tradiert, die eine verlässliche Rekonstruktion der Texte begünstigen. Ausgangspunkt der einen Manuskripttradition ist eine Sammlung des Korpus, die ausschließlich Johannes’ eigene Briefe enthält und wahrscheinlich auf ihn selbst zurückgeht. Seiner aktiven Rolle im Becketkonflikt ist es zu verdanken, dass weitere Stücke in einem Dossier der erzbischöflichen Korrespondenz erhalten geblieben sind, das von Alan, Prior von Christ Church, Canterbury, ­zwischen 1179 und seiner Berufung zum Abt von Tewskesbury 1186 fertiggestellt wurde. Von der johannesnahen Einzelsammlung können vier Abschriften rekonstruiert werden. Die drei überlieferten Manuskripte enthalten im ursprünglichen Zustand dieselbe Briefauswahl in identischer Reihenfolge. 1024 Die Identifikation der beiden Männer übernimmt Poole: Correspondents (Nachdruck), S. 278.

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Der in Akkuratesse und Authentizität herausragendste Textzeuge unter ihnen ist Paris, Bibl. nat. lat. 8562 (Q), auf dem die Edition durch Millor und Brooke fußt. Er überliefert fast lückenlos den zweiten Teil des Briefkorpus. Paläographische Hinweise verorten das Manuskript im ausgehenden 12. oder beginnenden 13. Jahrhundert. Eine Herkunft aus der normannischen Zisterzienserabtei Le Breuil-Benoît ist wahrscheinlich. Die Handschrift enthält mit 170 Briefen aus der Feder des ­Johannes von Salisbury fast das gesamte Korpus der späten Schriften.1025 Der Verlust einer Lage während einer Neubindung führte aber bedauerlicherweise zur unvollständigen Überlieferung der Briefe. London, Brit. Libr., Addit. 11506 (A) führt zwei Handschriften mit hundert Briefen (fol. 12r–65v) und der Becketvita (1 – 11v) des Johannes von Salisbury zusammen.1026 Das Manuskript entstammt ebenfalls dem 13. Jahrhundert und geht wahrscheinlich auf dasselbe oder ein sehr ähnliches Manuskript zurück wie Q. Die Editoren gehen davon aus, dass es sich bei dieser Vorlage um eine heute verlorene Handschrift aus Canterbury handeln könnte, die in den 1170ern und 1180ern zirkulierte und eventuell zu Beginn oder Mitte des 13. Jahrhunderts noch einmal gekürzt kopiert wurde. Eine Lage ­dieses Manuskripts mit 26 Briefen liegt heute noch als Fragment in Brit. Libr., Cotton Vitellius E. xvii, fol. 8 – 17v (C), vor, einer s­ päter zusammengeführten, allerdings von Brandschäden schwer in Mitleidenschaft gezogenen Miszellensammlung. Viele der Johannesbriefe finden sich ausschließlich in der ersten Überlieferung. Die Sammlung des Alan von Tewkesbury fügt diesen 16 weitere hinzu. Die Manuskripte des Becketdossiers (b) (g) und (n) setzen sich vom Briefbuch des Johannes von Salisbury vor allem durch kleinere Fehler und die Anonymisierung von Namen ab. Im Allgemeinen wurden, auch in Q, die Protokolle und Adressierungen selten oder fehlerhaft überliefert. Wo überhaupt vorhanden, waren die Protokolle oft missverständlich abgekürzt. Solange die Dokumente im Dunstkreis der Beteiligten kursierten, stellte dies kein Problem dar. Wenn sie jedoch nach außen traten, erschwerte der Umstand bereits den Zeitgenossen deutlich die Zuordnung von Schriften an ihre jeweiligen Adressaten.1027 So geschehen im Fall einer von Johannes von Salisbury nach Exeter entsendeten Briefserie, von der eine nicht unbeträchtliche Menge nicht ­Balduin von Totnes, sondern Bischof Bartholomäus zugestellt wurde.1028 Dieses V ­ ersehen

1025 Zu Details Brooke: Introduction, S. xlvii f. 1026 Siehe Hohenleutner: Studien, S. 20. Briefe: fol. 12r – 65v. 1027 Siehe Duggan: Authorship, S. 25 – 27. Nachdruck in Duggan: Friends, S. 29 – 44. 1028 Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 187, 241, 272, 281, 289, 298. Die fehlerhaften Rubri­ken korrigierte Alan von Tewkesbury in seiner späteren Kompilation. Dazu: Duggan: Authorship, S. 27.

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könnte auf eine gebündelte Versendung nach Exeter und/oder eine missverständliche Markierung der Zielperson als B. Exon. zurückgeführt werden.1029 Die Überlieferungslage des Becketdossiers ist bedeutend komplexer. Nicht weniger als vier Entwicklungsstufen und Textfamilien konnten in den entsprechenden Handschriften von Anne Duggan klassifiziert werden. Die folgende Zusammenfassung beruht auf ihren Ausführungen und der quellenkundlichen Einleitung ihrer Edition.1030 Den Anfang macht eine von Duggan als ‚Bodleian-Gruppe‘ bezeichnete Sammlung. Die Kompilation zeichnet sich durch einen klaren Schwerpunkt auf den persönlichen Briefen des Erzbischofs aus und wurde vor oder sehr zeitnah nach dessen Tod zusammengetragen. Es besteht die Möglichkeit einer engen Verbindung zu Beckets eigenen Archiven.1031 Manuskripte dieser Familie sind • Oxford, Bodleian Library –  Bodl. 509 (2672) –  Bodl. Laud Misc. 666 –  Bodl. Rawlinson Q. f.8 (27836: Ely, spätes 12. Jahrhundert) • London, British Library –  Brit. Libr. Addit. 1777 Die zweite Familie der ‚Vatikan-Gruppe‘ ist eine Ergänzung des Bodleian-Archetyps durch eine umfassendere Sammlung von Briefmaterial aus dem erzbischöflichen Haushalt. Hauptelement bleibt weiterhin die Becketkorrespondenz. Neu ist die Kombination mit einem päpstlichen Dossier aus den Briefen Alexanders III. Da Becket 1170 den päpstlichen Subdiakon Gratian um Aufnahme der päpstlichen Briefe in das Register gebeten hatte, vermuten Millor und Brooke die persönliche Initiative des Erzbischofs hinter der Sammlung. Manuskripte: • London, British Library –  Brit. Libr. Royal 13. A. xiii –  Brit. Libr. Harl. 215 • Rom, Vat. lat. 6024 • Laon, Bibliothèque municipale 337 • Oxford, St. John’s College 15 1029 Es handelt sich um Epp. 187, 241, 272, 281, 289, 298 in Later Letters, ed. Millor/Brooke. Der Editor vermutet eine Verwechslung aufgrund der gemeinsamen Versendung des Materials (Brooke: Introduction, S. liv). Duggan: Authorship, S. 27 verweist auf die Möglichkeit einer ungeschickten Abkürzung der Adresse. 1030 Vgl. Duggan: Textual History und Brooke: Introduction, S. xlvii–lxiii. 1031 Vgl. ebd., S. xlix, lviii und Duggan: Textual History.

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Die Entwicklung zur nächsten Sammlungsstufe, der ‚Lambeth-Gruppe‘, stellt insofern einen großen qualitativen Unterschied dar, als dass das darin erhaltene Textmaterial alle Akteure des Konflikts einschließt. Der Kompilator war offensichtlich darum bemüht, den Blick auf den Disput zu weiten und einen größtmöglichen Referenzrahmen herzustellen. Auffällig ist jedoch, dass die Johannesbriefe absolut unterrepräsentiert sind. Da alle Sammlungen wahrscheinlich in Canterbury entstanden, kann dieser Mangel kaum durch fehlenden Zugang zu den Dokumenten erklärt werden. Eine mögliche Erklärung für das Fehlen der Briefe wäre, dass Kompilator und Autor ein und dieselbe Person waren, d. h., dass Johannes von Salisbury selbst die Zusammenstellung vorgenommen hatte. Wenn seine eigene Korrespondenz ihm, etwa in Form eines Briefbuches, vorgelegen hätte, wäre in ­diesem Fall eine Duplizierung unnötig gewesen.1032 Manuskriptüberlieferung: • London, Lambeth Palace 136 (spätes 12. Jahrhundert) • Oxford, Bodl. 937 (3088), ii–iii (frühes 13. Jahrhundert) Da die Lambeth-Stufe mit großer Wahrscheinlichkeit in Canterbury zu verorten ist, könnte sie eine Vorstufe zur Sammlung der letzten Redaktionsstufen darstellen. Eben diese, die Kompilation des Alan von Tewkesbury, überliefert als umfassendste der drei Sammlungen die Becketkorrespondenz und die in den ersten drei Entwicklungsstufen enthaltenen Korrespondenzen inklusive der Johannesbriefe. Zusätzlich enthält sie Johannes’ kurze Becketvita sowie eine Explanatio zu dieser aus der Feder des Kompilators persönlich.1033 Alan von Tewkesburys Kompilation war als Dossier angelegt, das, strukturiert in fünf thematisch und chronologisch an Phasen des Konflikts orientierten Büchern, die historischen Geschehnisse für die Nachwelt aufzeichnen und greifbar machen wollte.1034 Diesem glücklichen Umstand ist es zu verdanken, dass viele sonst unübliche Informationen zu Datum, Verfasserschaft und historischem Umfeld erhalten blieben. Die Schismabriefe, die auf ­diesem Weg aus der späten Sammlung erhalten sind, sind durch und durch von Johannes’ Engagement im Becketkonflikt durchdrungen, dessen internationale Dominanz und Brisanz ihn untrennbar mit dem Papstschisma 1032 Die ­Theorie vertritt Brooke: Introduction, S. lix. 1033 Zu dieser Endstufe der Genese der Becketdossiers siehe Duggan: Textual History, S. 85 – 145 und zusammenfassend mit einem schematischem Überblick über die Gesamtüberlieferung der Becketbriefe auch Duggan: Authorship, ab S. 28. 1034 Vgl. Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury. Benedict of Peterborough, John of Salisbury, Alan of Tewkesbury, Edward Grim, Bd. 2, ed. James Craigie Robertson, Nendeln, Liecht. 1965 (Nachdruck der Ausgabe London 1876) (RS, 67,2): Quid, quando, ubi, uel per quos actum fuerit clarius innotescet.

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verknüpfte. Wie wenige andere Zeugnisse richten diese den Blick gen Süden, auf den oberitalischen Kampf der Kommunen gegen Friedrich I. Barbarossa und dessen Rolle in der Installation des kaiserlichen Papstes im Lateranpalast. Sie reflektieren, kommentieren und polemisieren aber auch die Rolle des englischen Königs, der teils mit dem staufischen Tyrannen auf eine Stufe gestellt wird, und verraten somit eine Menge über die Einstellung und Wahrnehmung der Geschehnisse durch Mitglieder der englischen Bildungselite. Ohne Johannes’ kirchenpolitische und ethische Vorstellungen, durch die sie nicht nur Dichte und Tiefe gewinnen, sondern auch wertvolle Erkenntnisse über die damaligen Verhältnisse liefern, sind die Schismabriefe undenkbar. Für Alans Version lassen sich drei Redaktionsstufen identifizieren, deren frühe und qualitativ erstklassige Textzeugen in Kombination mit Q die Basis der Edition durch Millor und Brooke bilden. • London, Brit. Libr. Cotton Claudius B. ii (b) (Christ Church, Canterbury, oder Cirencester, Mitte der 1180er Jahre)1035 Reich illuminierte, textlich hervorragende Folioabschrift des Archetyps. Eventuell auch der Archetyp selbst. Wahrscheinlich unter Alans Aufsicht z­ wischen 1176 und 1186 zusammengestellt. Die Briefe folgen darin Johannes’ Vita Sancti Thomae und einer Erläuterung des Alan von Tewkesbury. Es fehlt allerdings dessen Prolog zur Sammlung, der sich in allen anderen Handschriften ­dieses Typs findet. Brit. libr. Cotton Claudius B ii diente vielen darauffolgenden Abschriften als Muster. Es wurde bereits früh kollationiert und mit Marginalia versehen. Im Falle der Johannesbriefe war die Quelle der eingetragenen Textvarianten ein enger Verwandter von Q.1036 Darauf zurückgehende Manuskripte sind: • Rom, Vat. Lat. 1220 (w) (14. Jahrhundert)1037 Ein s­ päter und, was die Textgestalt betrifft, minderwertiger Textzeuge für die Brieffolge der zweiten Redaktionsstufe. Ausgang für Vat. Lat. 6027, das der ersten Druckedition zu Grunde lag. Auch in kürzerer Form in Cambridge, Trinity Hall 24 (Anfang bis Mitte 13. Jahrhundert, nur Buch i) und Oxford, Bodl. Bodley 937 (3088), i (g). Dieser Band aus dem frühen 13. Jahrhundert verbindet eine Version der Lambeth-Sammlung von über 300 Briefen, darunter die Epistolae 157 und 305 des Johannes von Salisbury mit 1035 Vgl. Duggan: Textual History, S. 100 – 123. Ihre Lokalisierung des Manuskriptes in Canterbury wurde durch die paläographischen und kodikologischen Erkenntnisse von Michael Gullick: A Twelfth-Century Manuscript of the Letters of Thomas Becket, in: English Manuscript Studies, (1100 – 1700) 2 (1990), S. 1 – 31 widerlegt. Diese ergaben, dass die Handschrift unter Anleitung des Augustiners Walter von Cirencester in der dortigen Abtei entstand. Siehe auch Duggan: Authorship, S. 31 – 35. Datierung nach ebd., S. 41. 1036 Beschreibung unter Brooke: Introduction, S. li f. 1037 Vgl. Duggan: Textual History, S. 124 – 134.

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weiterem Material wie Epistola 304. Bald nach Entstehung wollte man das Korpus zum Umfang der Sammlung des Alan von Tewkesbury aufstocken, was unter anderem die Aufnahme weiterer 100 Johannesbriefe voraussetzte, die daraufhin der Sammlung vorangestellt wurden.1038 Cambridge, Corpus Christi College 295 (n) (frühes 13. Jahrhundert)1039 Nach Duggans Studien vereinte dieser Zeuge der dritten Rezension der Tewkesbury-Sammlung fast 600 Briefe. Er kollationiert die zweite Fassung mit den Briefsammlungen des Johannes von Salisbury, der zweiten Redaktion des Arnulf von Lisieux und weiterem Archivmaterial. Die drei ersten Bücher befinden sich ebenfalls in Brit. Libr. Arundel 219 (spätes 13. Jahrhundert bis frühes 14. Jahrhundert), ein noch kürzeres Derivat in Paris Bibl. Nat. Lat. 5320. Auch der Quadrilogus des Roger von Crowland, der teilweise in Bodl. E Musaeo 133 (3512, frühes 14. Jahrhundert) und vollständig in Paris, Bibl. Nat. Lat. 5372 (anno 1411) überliefert ist, enthält Material dieser Redaktionsstufe.1040

Des Weiteren fanden die Epistolae 219 und 308 einschließlich ihrer Abschlusssätze als Einzelüberlieferung Einzug in die Sammlungen der Briefe des Gilbert Foliot: • Oxford, Bodleian Library –  Bodl. E Musaeo 249 (27835) (ca. 1180) –  Bodl. Douce 287 (21861) (spätes 12. oder frühes 13. Jahrhundert) • Rom, Bibl. Univ. Alessandrina 120 Dazu kommen einige Einzelüberlieferungen von Briefen, die für die Thematik dieser Arbeit keine Relevanz besitzen.1041 Ebenfalls aus Alans Sammlung abgeleitet wurde das florilegium der Johannesbriefe des Priors Guy von Southwick (ca. 1200) in Oxford, St. John’s College 126 (fol. 79 – 91v), das regestenartig Briefe zusammenträgt.1042 Im Vorwort spielt Guy auf eine von Johannes von Salisbury zusammengetragene Sammlung an, die er im folgenden Werk extrahiert habe und bei deren Kompilation er, damals Kleriker von Merton, Johannes zur Hand gegangen sei.1043 Auf d ­ ieses Werk bezieht sich auch 1038 Beschreibung unter Brooke: Introduction, S. lii. 1039 Vgl. Duggan: Textual History, S. 134 – 144 und Duggan: Authorship, S. 35, die auf nach 1185 datiert. 1040 Eine Aufstellung der von Roger kopierten Briefe bei Brooke: Introduction, S. li, Anm. 1. 1041 Für Details sei daher auf ebd., S. livf verwiesen. 1042 Siehe Duggan: Textual History, S. 95 f. 1043 Oxford, St. John’s College 126, fol. 76r: Incipit compendiosa defloratio ex libro epistolraum Magistri Johannis Saresberiensis qui postmodum fuit episcopus Carnotensis, super causa beati

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Alan von Tewkesbury, der bis zu seiner Wahl zum Abt der gleichnamigen Benediktinerabtei ab 1176 Prior des Kathedralklosters von Christ Church gewesen war, im Prolog seiner Sammlung: Verum quia id operis rem ipsam pertingens rei formam non explicat per omnem modum, placuit et oportuit illi scripto epistolas succedere, in quibus continetur series et ordo universorum, ut qui desiderat et ad id sufficit, totum habeat, si quis vitam viri, modum exsilii, causae processum, vel ipsius rei requirit exitum. Epistolae vero vario et disperso per schedulas collectae corpus reiguntur in unum, sicut pro modo suo fieri potuit, singulae locum suum retinentes et ordinem. Si tamen generales, quae minus ipsum exprimunt negotium, quaedam videantur aliter positae, quoad rei seriem non mutum attinet. Sane si quis exquisitas et discussas plenius ipsas epistolae diligentiori manu poterit reformare in melius, non erit qui invideat. Distinctae sunt vero per partes secundum progressum negotii.1044

Nach Hohenleutner legt diese Passage auch nahe, dass Alans Leistung in der Kompilation seiner umfassenden Sammlung weniger darin bestand, Einzelstücke zu sammeln, sondern Briefbündel zusammenzufügen sowie verstreute Stücke und ­solche allgemeineren Charakters in die Sammlung einzuordnen. Der Briefbestand, der den Kern dieser Kompilation bildete, sei Teil des in Canterbury bewahrten Becketnachlasses gewesen.1045 Dies könnte auch erklären, weshalb die Überlieferung dieser Sammlung so große Ähnlichkeiten mit der Tradition der Johannesbriefe in Q aufweist.1046

Thomae Martyris, a Guidone Priore Suwicense diligenter excerpta. Quae studiose dictare volentibus tum pro modo scribendi, tum pro sententiarum elegantia, tum pro cause praescripti Martyris declaranda, non erit inutilis. Praedictus autem epistolarum a praescripto Magistro Johannes post praefati Martyris passionem in unum corpus diligenter et breviter est collectus et in quatuor volumina luculenter ac studiose divisus. Porro in eiusdem libri collectione et divisione ac emendatione jam dictus Prior, tunc Canonicus Meritonensis memorato Magistro Johanni comes individuus ac familiaris adhaesit. Hohenleutner: Studien, 33 f. konnte die Einteilung des Materialkorpus in vier Bücher eindeutig auf einen Irrtum des Schreibers zurückführen. Die Auszüge erfolgten zweifellos aus der Fünfteilung des Becketkorpus. 1044 MTB 2, S. 300. 1045 Vgl. Hohenleutner: Studien, S. 36. Basierend auf den Beobachtungen von Anna Maria Münz: Studien zur Briefsammlung Thomas Beckets, Berlin 1943, S. 33. Bestätigt durch Brooke: Introduction, S. lxi–lxiii und Duggan: Authorship, S. 28. 1046 So ergeben durch eine Gegenüberstellung der wichtigsten Handschriften beider Traditionen (Brit. Libr. Cotton Claudius B ii und Oxford, St. John’s College 126) bei Hohenleutner: Studien, S. 25 – 29. Siehe auch Brooke: Introduction, S. lxi.

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Beide Hinweise zusammengelesen legen somit nahe, dass die von Alan übernommene, geordnete und mit einem Prolog der Becketvita des Johannes von Salisbury und seiner eigenen versehene Textüberlieferung eben jenes Briefkorpus gewesen sein könnte, das der gelehrte Angelsachse mit Hilfe des Kanonikers Guy zusammenge­ tragen hatte. Im Zuge dieser Arbeiten griff Johannes von Salisbury mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein Briefbuch zurück, in das er den laufenden Ausgang seiner Exilkorrespondenz eingetragen hatte. Als Kronzeuge der Überlieferung d ­ ieses libellus, das nach Hohenleutner in Reims und nach Millor und Brooke in den frühen 1160er Jahren in Canterbury entstand, kann wahrscheinlich Paris, Bibl. Nat. Latin 8562 (Q) angesehen werden, da d­ ieses Manuskript einem exzellenten, authentischen Text am nächsten käme.1047 In Johannes’ Zeit als thesaurarius in Exeter 1173 – 1174 verorten die Editoren die Kompilation einer zweiten Redaktionsstufe, da sich in dieser Briefe und Writs H ­ einrichs II. anschließen, die wahrscheinlich den bischöflichen Archiven von Exeter entstammen.1048 Es ist nicht auszuschließen, dass ­dieses Briefbuch bereits damals als Vorarbeit zu einer späteren Herausgabe aller epistolaren Dokumente über die Ausein­ andersetzung zu betrachten ist, die Johannes nach Beckets Tod in Angriff nehmen wollte, aber durch seine plötzliche Berufung auf den Bischofsstuhl von Chartres nicht vollenden konnte. Darauf deutet die Kürze und kompilatorische Natur der Johannesvita hin, die für einen Intimus des Ermordeten ungewöhnlich und eher als Vorwort zu einer Briefsammlung denn als eigenständiges hagiographisches Werk zu betrachten ist.1049 Ob die Korrespondenzsammlung als Tribut zu Beckets Andenken, literarisches Projekt oder Dokumentation des Konfliktes dienen sollte, ist schwer zu klären. Sicher ist, dass es Alan von Tewkesbury war, der der Rohfassung um das Jahr 1176 oder 1177 durch Endredaktion, eigene Erläuterungen, die die Unzulänglichkeit der bisherigen aufwiegen sollten, und Ergänzungen aus einem Q nahestehenden Manuskript der Johannesbriefe den letzten Schliff verlieh.1050 Durch diese fand dann eine weitere Verbreitung der Johannesbriefe statt. Anne Duggan hat zudem, abgesehen von jenen, die durch die Rubriken oder Überlieferung eindeutig zugeordnet werden konnten, durch stilistischen Vergleich innerhalb des Becketkorpus einen stattlichen Pool von fast fünfzig Briefen identifiziert, die Johannes von Salisbury ebenfalls im Namen Beckets oder anderer 1047 Vgl. Hohenleutner: Studien, S. 38 und Brooke: Introduction, S. lxiii. 1048 Vgl. ebd. 1049 Vgl. ebd., S. lxf, die Johannes lediglich zehn Tage z­ wischen Benachrichtigung und Abreise nach Frankreich zugestehen. 1050 Vgl. Hohenleutner: Studien, S. 37 – 39.

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­ xilierter entworfen haben könnte. Sofern diese Aussagekraft zu den Fragen dieE ser Arbeit haben, wurden sie im weiteren Verlauf zusätzlich einbezogen.1051 Dabei muss jedoch stets bedacht werden, dass der Entstehungsprozess eines Briefes aus dem Becketdossier eine komplexe Gemengelage z­ wischen der inhaltlichen Diskussion im Becketzirkel, dem Entwurf und seiner Überprüfung, der Niederschrift und des Versands war. Nach Durchlaufen ­dieses Prozesses hatte das Schriftstück höchstwahrscheinlich die Billigung Thomas Beckets erfahren, doch kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass hier unverfälschtes Gedankengut des Johannes von Salisbury vorliegt, auch wenn er besonders ab 1166 als dictator eines Großteils der Becketbriefe diente. Allein mit dieser Einschränkung vor Augen sollte die Deutung der Stücke erfolgen.

2.3.2.3  Quellenwert und Tendenzen Nur wenige der in beiden Überlieferungssträngen tradierten Briefe können nicht eindeutig Johannes von Salisbury zugeschrieben werden.1052 Bei den von Q überlieferten Briefen handelt es sich größtenteils um jene, die Alan von Tewkesbury in Canterbury vorgelegen haben müssen. Allerdings stützt sich dessen Sammlung nicht allein auf diese eine Überlieferung.1053 Wie gezeigt, gibt es allerdings auch Überlieferungen, deren Kopfzeilen und Rubriken nicht oder nur fehlerhaft erhalten blieben oder die unter dem Namen eines anderen entworfen, verfasst und versendet wurden. Bekannteste Beispiele solcher anstatt-Versendungen wurden im Namen der Erzbischöfe Theobald oder Thomas Becket verschickt.1054 Im Fall der frühen Korrespondenz versteht es sich wohl von selbst, dass die Amtskorrespondenz des Primatialsitzes nicht eigenmächtig durch den Sekretär Johannes versendet wurde, sondern einen Entstehungsprozess 1051 Vgl. Duggan: Authorship und Anne J. Duggan: Classical Quotations and Allusions in the Correspondence of Thomas Becket: An Investigation of their Sources, in: Viator 32 (2001), S. 1 – 22, hier: S. 38. Folgende noch nicht in der maßgeblichen Edition berücksichtigte Briefe aus CTB könnten auf Johannes von Salisbury zurückzugehen: Nr. 29, 115 – 116, 157 – 159, 169, 171 – 174, 177 – 178, 233 – 234, 236, 240, 243 – 251, 277, 281, 298, 300, 301 – 305. Eine Auflistung der neuesten Verdachtsfälle unter Duggan: Authorship, S. 44. 1052 Eine Aufstellung der im Schismakontext allerdings irrelevanten Ausnahmen bei Brooke: Introduction, S. liii. 1053 Vgl. ebd. Mögliche weitere sind die genannten Erstüberlieferungen von Material aus den Becketarchiven, deren handschriftlichen Derivaten in Form von Teilsammlungen oder Dokumente aus dem Archiv des Gilbert Foliot. Siehe Duggan: Authorship, S. 41. 1054 Vgl. Mynors: Introduction und Duggan: Authorship.

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vom diskutierten Konzept zur Reinschrift durchlief, in dem letztendlich Theobald selbst die Schreiben autorisierte. Im besten Fall hieße dies, dass eine erste, von Johannes entworfene Fassung eines Briefes unverändert abgesegnet und versendet wurde. In den meisten Fällen jedoch wird es im Verlauf zu Korrekturen an Inhalt und Form gekommen sein. Somit ist zumindest hinter den offiziellen Amtsdokumenten auch immer die Stimme Erzbischofs Theobald zu erkennen. Aus der Rolle als dictator oder co-dictator wichtiger Dokumente ergeben sich auch quellenkritische Rahmenbedingungen für die Briefe der Becketzeit, die bedacht werden wollen. Viel mehr als die Theobald-Sammlung waren diese Dokumente politische Manifeste, die als Gemeinschaftsproduktion des Exilzirkels entstanden. Sie mussten nicht nur die Billigung Thomas Beckets, sondern auch jene des Kreises der Becketschen eruditi erlangen. Ein mittelalterlicher Brief war eben vor und auch nach der Versendung ein öffentliches Dokument. Es wurde an anderer Stelle bereits auf die unterschiedlichen Zielsetzungen mittel­ alterlicher Briefsammlungen hingewiesen. Ob stilistisch epistolographisches Musterbuch, reines Register von Ein- und Ausgang der Briefkorrespondenz einer Person oder Institution oder – wie im Fall der Becketbriefe – historisches Kompendium zum Zweck zukünftiger Referenz oder die im späteren Verlauf des Mittelalters beliebte, von Autor oder Kompilator geschaffene „rückwärtsgewandte […]‚ ideale […] Autobiographie“ 1055: Jede dieser Ausprägungen und Hintergrundmotive wirkte sich darauf aus, wie mit dem Inhalt der Korpora umgegangen wurde und heute noch umgegangen werden muss. Wie bedingt im Fall des Johannes von Salisbury die Sammlungsart unseren Umgang mit seiner Korrespondenz? In der geschäftsmäßigen Sammlung von Amtskorrespondenzen der ersten Sammlung mit ihren begrenzten privaten Anklängen sind Verfälschungen nur in geringem Maße zu erwarten. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch dort, besonders in den Schismabriefen, polemische oder politische Untertöne zu finden sind, die auf den ersten Blick nicht preisgegeben werden. In jedem Fall aber drücken sie präzise die politische Haltung des Primatialsitzes von Canterbury zur Lage der englischen ­Kirche im Schisma aus. In der zweiten Sammlung verstärkt sich mit zunehmender Brisanz von Becketkonflikt und Kirchenspaltung, besonders um die Höhepunkte der Jahre 1165 und 1166, die persuasive, in Strecken auch propagandistische Tendenz des Materials, so wie sich auch Johannes’ eigene politische Heimat änderte. Sorgfalt ist geboten. Unter Zuhilfenahme seines Netzwerks bemühte sich Johannes um die bestmögliche ­Informationslage. In 1055 Köhn: Autobiographie, S. 702, der das Beispiel der Epistolae familiares Francesco Petrarcas anführt.

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einigen Bereichen konnte er sogar als singulärer Gewährsmann gelten. Allerdings musste, wie Timothy Reuter gezeigt hat, nicht jede Information, die ihn erreichte, auch richtig verstanden oder eingeordnet werden.1056 Dennoch war Johannes von Salisbury kein hitziger Schreiber, und glatte Lügen ohne Einbettung in wahrheitsgetreue Details finden sich, anders als bei Arnulf von Lisieux bei ihm nicht. Er war ein Mann mit Prinzipien und gefestigten Vorstellungen, die er auch ehrlich und explizit artikulierte. Sein Zeugnis über Geschehnisse und Zeitgenossen ist in den meisten Fällen unabhängig und ausgeglichen. Verzerrungen standen oft weniger im Dienst der vorsätzlichen Täuschung, sondern waren Folge der rhetorischen Nutzbarmachung von Geschehnissen als belehrendes Exemplum. Wenn er auch nicht frei von rhetorischem Schliff und propagandistischer Tendenz war, kann man Johannes’ Korrespondenz mit weniger grundsätzlicher Skepsis entgegengetreten als jener des Arnulf von Lisieux.1057 Die Sammlungen des Johannes von Salisbury sind Zeugnisse, die, von einigen Anflügen von Gerüchten abgesehen, bis spätestens ins Jahr 1179 auf relativ gutem Informationsstand ein Bild der Jahrzehnte des Aufruhrs zeichnen. Dabei schauen sie zugleich von außen als auch von innen auf die Ereignisse. Besonders im Fall des Becketkonflikts erweist sich Johannes von Salisbury trotz der Loyalität zum Erzbischof, dessen extremen Positionen er auch mit Kritik begegnete, als wertvoller Kommentator.1058 Beachtet werden müssen allerdings Johannes’ eigene Loyalitäten. Am auffälligsten ist seine ausgesprochen positive Meinung von Frankreich und seinem akademischen Raum und Akteuren. König Ludwig sah er als Papst Alexanders zuverlässigsten Anhänger und damit als ein strahlendes Gegenbild des taktierenden englischen Herrschers.1059 Zwischen seinem Heimatland England und Frankreich erkannte er etwas wie „eine kulturelle Allianz […], die das Reich nicht mit einschloss“ 1060. Daher mögen zum Teil seine an Feindseligkeit grenzenden Ressentiments gegen den K ­ aiser und dessen Reichsvertreter rühren, die er, obgleich eine immer bedeutendere Größe im politischen Machtgefüge, als rückständig in Bildung und Kultur betrachtete. Eine Einstellung, die er aus seiner französischen Sozialisation übernahm und die ­Barbarossas politische Tendenzen in Johannes’ Augen noch unterstreichen mussten.1061 1056 Timothy Alan Reuter: John of Salisbury and the Germans, in: Wilks: World, der eng an Textbeispielen die Glaubwürdigkeit der Berichte untersucht, in denen Johannes sich über das Verhältnis des Kaisers zum Papsttum und politische Ereignisse im Reich äußert. 1057 Vgl. Ray: Skepticism. 1058 Vgl. Duggan: John. 1059 Vgl. Liebeschütz: Humanism, S. 99 f. 1060 Ebd., S. 98. 1061 Vgl. ebd., S. 98 f.

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Sein antideutscher Antagonismus paarte sich somit mit einem zeitgeschichtlichen Antiimperialismus, wurde jedoch durch das Schisma ebenfalls geformt und befeuert. Nicht nur mit Frankreich als Kultur- und Bildungsraum, sondern auch mit seiner Reimser Wahlzuflucht, ähnlich wie mit dem englischen Primatialsitz in Canterbury, identifizierte sich Johannes von Salisbury sehr stark.1062 Zeitlebens zeigte sich J­ ohannes solidarisch mit seinem Heimatland, seinen Landsleuten und den dort verbliebenen Freunden, die er unter Heinrichs Politik leiden sah. Seine größte Verbundenheit jedoch gehörte dem Primatialsitz von Canterbury. Die Verteidigung von dessen Position innerhalb der englischen ­Kirche stellte er im Zweifelsfall noch über die dem König geschuldete Treue und Loyalität.1063 Auch eine starke Skepsis gegenüber Rom prägte Johannes von Salisbury und seine Briefe.1064 Sein Verhältnis zur römischen ­Kirche war nicht weltfremd. Er verstand, dass diese als Machtapparat innerhalb enger Bahnen von eigenen und dem Allgemeinwohl geschuldeten Interessen zu manövrieren gezwungen war, doch sein Blick auf die kirchliche Verwaltungsmaschinerie und ihre Anfälligkeit für Bestechung und Korruption war dessen ungeachtet kritisch.1065 Als Kind der alten gregorianischen Konzeption eines autoritären päpstlichen Primats war die größte Einschränkung seines Blicks auf die Welt seine Bestimmtheit von den großen Fragen des kirchlichen Unabhängigkeitskampfes und der Reaktion der weltlichen Mächte auf diese Ideen.1066 Diese eine Einschränkung mag man dem ansonsten hervorragenden Quellenkorpus der saresberiensischen Briefe zugestehen. Abgesehen davon bietet es spannende Einblicke in das Schismabild des Johannes von Salisbury.

1062 Mit Beispielen: ebd., S. 99. 1063 Wichtigstes Beispiel ist seine Ablehnung eines Reinigungseides, den Heinrich II. zur Bedingung der ersehnten Rückkehr nach England gemacht hatte. Obgleich er keine offizielle Position am erzbischöflichen Hof einnahm, weigerte Johannes sich mit Verweis auf seine Verpflichtung gegenüber dem Erzbischof von Canterbury. Siehe Later Letters, ed. Millor/ Brooke, Epp. 139, 151, 167 und Liebeschütz: Humanism, S. 100 – 107. Zur Loyalitätsthematik siehe Michael Staunton: John of Salisbury and the Church of Canterbury, in: Grellard/Lachaud: Nouvelles lectures, S. 185 – 210. 1064 Vgl. Brooke: Introduction, S. xx. 1065 Vgl. Cary J. Nederman: The Virtues of Necessity: Labor, Money, and Corruption in John of Salisbury’s Thought, in: Viator 33 (2002), S. 54 – 68; John T. Noonan: Bribery in John of Salisbury, in: Peter A. Linehan (Hg.): Proceedings of the Seventh International C ­ ongress of Medieval Canon Law, Città del Vaticano 1988 (Monumenta iuris canonici. Series C. Subsidia, 8), S. 199 – 203. 1066 Vgl. Liebeschütz: Humanism, S. 98.

II.  Orientierung und Obödienzwerbung: die Klärung der Papstfrage (1159 – 1160)

1.  Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten Nachdem der ereignisgeschichtliche und biographische Hintergrund sowie der individuelle ideengeschichtliche Nährboden der Schismabilder des Arnulf von Lisieux und Johannes’ von Salisbury umrissen wurden, rücken im folgenden Kapitel die Anschauungen der beiden Epistolographen, aber auch die Nachwirkungen der Kirchenspaltung auf das anglonormannische Territorium in den Vordergrund. Zentral ist dabei die Frage nach der Reaktion der Zeitgenossen auf die schwerwiegenden Ereignisse in Lateran und Peterskirche im Herbst 1159. Wo identifizierte man ihre Ursprünge, wie schätzte man ihre Tragweite ein und mit ­welchen Gefühlen, Handlungen und Zielen reagierte die damalige Öffentlichkeit? Eine entscheidende Rolle in der anglonormannischen Schismawahrnehmung spielt die erste Phase der Kirchenspaltung bis zur Obödienzerklärung der Königreiche von England und Frankreich im Sommer 1160. Sie stellt den Angelpunkt der Ereignisse mit großen polemischen Kontroversen des zurückliegenden Jahrhunderts, dem sogenannten Investiturstreit oder dem innozenzianischen Schisma dar, die damals noch frisch genug in Erinnerung waren, um sich auf die Wahrnehmung der aktuellen Herausforderung auszuwirken. Andererseits wurde der Blick nach vorne gerichtet und der Grundstein für eine neue Art des Umgangs mit der neuen Krisensituation gelegt. Die anglonormannische Sicht vereint dabei die Perspektive des ­zwischen königlich verordneter Autonomie und kontinentaler Anbindung oszillierenden Inselreiches und die des normannischen Festlands mit seinen starken Beziehungen zum französischen Nachbarn und der dort weilenden alexandrinischen Kurie, deren Vorstellungen wiederum das anglonormannische Schismabild durchdringen und bereichern konnten. Es wird zu fragen sein, ob das Schisma für das isolierte Königreich England Übergangserscheinung oder ernstzunehmende Bedrohung war und ­welche Strategien und Handlungsmaximen sich aus dieser Bewertung ergaben. Inwieweit hielt man es für notwendig, vor Ort auf Entscheidungsträger einzuwirken? Letztlich komplettiert die Frage nach Nähe oder Distanz des englischen Königs und der ihm unterstehenden Domänen zum Schisma den Untersuchungskatalog. Sucht man das frühe Schismabild in der Historiographie des angevinischen Reichs, ist man auf die Einzelperspektive des Robert von Torigny angewiesen, der seine Einschätzungen der Vorgänge im herbstlichen Rom auf dem Mont-Saint-

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Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten

Michel zu Pergament brachte.1067 Mit ihrem Schwerpunkt auf der alexandrinischen Gesinnung des Königs bekundet seine Darstellung eher moralisches als kirchenrechtliches Interesse. Oktavian brandmarkte der normannische Abt als gewaltsamen intrusor, warf ihm Simonie und Nepotismus vor und führte dessen gewaltsames Eindringen und Triumph auf die Machenschaften seiner stadtadeligen Verwandtschaft zurück.1068 Der Benediktinerabt stellte die moralische wie die kanonische Legitimität der päpstlichen Rivalen einander gegenüber, interpretierte das Schisma von 1159 dabei jedoch, wie auffällige Parallelen zum Ausbruch des innozenzianischen Schismas in seiner Schilderung der Doppelwahl verraten, noch auffällig im Licht von 1130.1069 Hinzu traten ein stark apologetisch-glorifizierender Zug gegenüber seinen Lehnsherren König Heinrich II . von England und Ludwig VII . von Frankreich. Wie aber stand es mit Johannes von Salisbury und Arnulf von Lisieux? Dachten sie ähnlich oder verrät das Briefmaterial gar Widersprüche? Besonders bei der Betrachtung der Korrespondenz des Arnulf von Lisieux, jenes anderen Zeugnisses normannischer Schismawahrnehmung, sollten die Grundzüge des einzigen zeitgenössischen historiographischen Berichts vom Mont-Saint-Michel nie ganz vergessen werden. Richten wir den Blick vom berühmten normannischen Klosterberg hinüber ins Königreich England.

1.1  Von Rom nach London: frühe Reflexionen über päpstliche Doppelwahl und Kirchenspaltung 1.1.1  Das Schisma als Gefahr: die Canterbury-Perspektive Bei Ausbruch des Schismas stand Johannes von Salisbury noch als Sekretär und Vertrauter im Dienst des Erzbischofs von Canterbury. Seine Fähigkeiten als Briefschreiber und Diplomat wurden zu dieser Zeit vielleicht mehr denn je benötigt, denn Theobald, mit schwerer Krankheit ringend, sah sein Ende nahen. Die wichtige Kommunikation ­zwischen Primas und König von England lag damit in der Hand eines

1067 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle sowie Chronique de Robert de Torigni Abbé du Mont-Saint-Michel. Suivie de divers opuscules historiques de cet auteur et de plusieurs religieux de la même abbaye, Bd. 2, ed. Léopold Victor Delisle, Rouen 1873. 1068 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 324: Kalendis Septembris, mortuo Adriano papa, electi sunt duo et consecrati, Rollandus […] et Octavianus […]; hic per potentatum et parentes suos nobiles papatum invasit. 1069 Vgl. ebd., S. 324 mit ebd., S. 183.

Frühe Reflexionen über päpstliche Doppelwahl und Kirchenspaltung 295

jungen ­intelligenten Mannes, den der Erzbischof so sehr schätzte, dass er ihn für die Zeit nach seinem Ableben mit besorgter Wärme dem König zum Dienste empfahl.1070 Die Einschätzung der schismatischen Krise im wichtigsten kirchlichen Zentrum des Inselkönigreichs erschließt sich daher nur über die von Johannes von Salisbury verfasste Amtskorrespondenz des Metropoliten in Canterbury. Eine glückliche Fügung, denn in der erzbischöflichen familia und insbesondere der eng mit Theobald verbundenen Kanzlei mussten die spärlichen Informationen, die ihren Weg aufs Inselreich fanden, zusammenlaufen. Der Blick des Privatmannes Johannes von Salisbury mochte nicht immer mit dem seines Herrn übereinstimmen, aber als Sekretär hatte er die Sorgen zu vermitteln, die den erzbischöflichen Hof – in seinem Selbstverständnis der Garant des kirchlichen Allgemeinwohls in England – bedrückten. In Canterbury empfand man die Ereignisse jenseits des Kanals oder südlich der Alpen nicht als lokal isolierte Erscheinung. Die dräuenden Gewitterwolken der Auseinandersetzung zeigten sich bereits in kleineren Turbulenzen in England und drohten sogar, sich zu einem Sturm auszuwachsen. Kurz nach Schismaausbruch beklagte Erzbischof Theobald von Canterbury gegenüber seinem König die damit verbundene große Verunsicherung der englischen ­Kirche: Scissura enim ecclesiae Rom(anae) nouitatis excitata amatores, et praesumptionibus multam dedit audaciam. […] Nobis autem incertum est quis eorum causam habeat potiorem nec possumus eos, qui ad alterutrum inconsulta leuitate euolant, auctoritate nostra reprimere uel tenere. Sed nec aliquem recipere, nisi consilio uestro, dum res in pendulo est, in regno uestro licitum esse credimus; nec expedit aliquo modo ut ecclesia Anglorum Romanae ecclesiae scindatur exemplo, et regno et sacerdotio praestet materiam contendendi. […] Erit […] nobis periculosum si apud eum, qui uicturus est, quem nondum nouimus, alii qui minus honoris ab ecclesiae Romana acceperunt, deuotionem nostram praeuenerint.1071

1070 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 126. Amor fiduciam parit, in: Early Letters, ed. Millor u.a, S. 218. 1071 JvS I, Ep. 116, S. 190 f. an Heinrich II. Für das Schreiben liegen divergierende Datierungen vor, die aber für die inhaltliche Verortung des Dokuments als Ausdruck der tiefen Ängste und Gefahren, die die englische ­Kirche umtrieben, zweitrangig sind. So zog Cheney: Recognition, S. 478 die von Early Letters, ed. Millor u. a., S. 190 vorgenommene Datierung (i. e. Anfang 1160) auf die Zeit z­ wischen den ersten Nachrichten über das Schisma in England und Mitte Dezember 1159 vor. Sie sieht das Schreiben als Impuls zur Ausstellung des Falaise-Mandats, dessen Datierung sich aus der Tatsache ergibt, dass Heinrich in d­ iesem Jahr dort den Weihnachtshof hielt. Siehe RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 326 f. Ähnliche Sorgen Theobalds um Negativauswirkungen des Schismas auf die englische Landeskirche treten auch an anderer Stelle der Korrespondenz hervor: JvS I, Epp. 121, 130,

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Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten

Im Frühjahr 1160 hatte man in der Obödienzfrage noch nicht zu einer geschlossenen Stimme gefunden. Darüber hinaus wirkten sich die vom König auferlegte Kontinentalsperre und die durch das Schisma erschwerten Bedingungen der Kommunikation ­zwischen dem Apostolischen Stuhl und der englischen ­Kirche negativ auf das Inselkönigreich aus. In einem Bericht über einen Rechtsstreit eines Priesters aus Ingatestone mit der Äbtissin von Barking, den Theobald Alexander III. kurz nach dessen Anerkennung sendete, klagt er, die Ungläubigen hätten eine Barriere z­ wischen der Kurie und der englischen K ­ irche errichtet und damit den Verkehr von Boten z­ wischen Italien und der Insel sehr erschwert.1072 Ob damit die Kontinentalsperre des Königs gemeint war, ist fraglich. Vielleicht zielte die Bezeichnung infideles auf die vermeintlichen Schismatiker ab. Es wird aber deutlich, wie sehr der unterbrochene Kontakt ­zwischen Kurie und Landeskirche im englischen Fall die geregelte Verwaltung, insbesondere die judikativen Prozesse, erschwerte.1073 Darüber hinaus hing das Wohl der ecclesia Anglicana unumstößlich mit dem Wohl ihres obersten Bistums zusammen. Eben ­dieses jedoch sah man in Canterbury gefährdet: Dicitur autem quod maiestas uestra quibusdam dedit illuc eundi licentiam et nominatim hiis qui laetantur de morte Adriani, qui sicut mater unicum amat filium ita uos diligebat. Et sunt nonnulli eorum, sicut celebre est, in insidiis personae aut ecclesiae nostrae. Supplicamus itaque dulcedini uestrae ut in hac parte prouideatis aetati et infirmitati nostrae et, quod magis optamus et oramus, gloriae uestrae.1074

132 sowie Joannis Saresberiensis: Ep. 123. Virtus principum nullo clarius und Ep. 125. In eo maxime, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 203 f. bzw. S. 215 – 217. 1072 Barlow, der noch von der Anerkennung Alexanders III . durch die Westkönige auf einer Synode in Toulouse ausging, datiert auf das späte Jahr 1160. Da das Bild des Wirbelwindes, der zum Zusammenstoß ganzer Königreiche führe, besonders oft in den miteinander verwandten Briefen Theobalds aus der Zeit unmittelbar vor der Synode von London vorkommt, ist eine Verortung des Schreibens auf den Sommer 1160 statthaft. 1073 Im vorliegenden Fall hatte der Priester Roger von Ingatestone, der der Äbtissin von Barking einen unrechtmäßigen Einzug des Zehnten vorwarf, nach Rom appelliert, als die Papstfrage noch nicht geklärt worden war. Der Fall lag brach. Als Heinrich II. die Zuständigkeiten dem Erzbischof von Canterbury übertrug, zog Roger die Appellation zurück. Inzwischen jedoch war Alexander anerkannt worden, so dass die Äbtissin ihrerseits die Chance zur Appellation genutzt hatte. Die königliche Praxis, die Beilegung von Konflikten dem Erzbistum Canterbury zu übertragen, damit ein Verkehr ­zwischen Rom und England nicht stattfinden musste, scheint verbreitet gewesen zu sein. Siehe Saltman: Theobald, S. 49. 1074 JvS I, Ep. 116, S. 191.

Frühe Reflexionen über päpstliche Doppelwahl und Kirchenspaltung 297

Es scheinen Kräfte in der englischen K ­ irche gewirkt zu haben, die den Machtwechsel in Rom zum erneuten Angriff auf die Autorität oder gar Primatialgewalt Canterburys ­nutzen wollten. Ein genauer Bezug ­zwischen Theobalds Andeutung und bestimmten Persönlichkeiten ist bedauerlicherweise nicht mit Sicherheit herzustellen. Vielleicht ist dies aber bereits der erste Hinweis auf viktorfreundliche Bemühungen des H ­ einrich von Winchester, mit dem Theobald eine wechselvolle Rivalitätsgeschichte verband. Eine Geschichte, in der auch Viktors hochrangiger Wähler, Kardinalbischof Imar von Tuskulum, seine Rolle gespielt hatte. Zum Jahr 1136 berichtet Ordericus Vitalis von Heinrichs Wahl auf den vakanten Metropolitansitz von Canterbury.1075 Offenbar hatte der mächtige Blois auch um die erforderliche päpstliche Translation von seinem damaligen Bischofssitz Winchester nach Canterbury angehalten. Es schien Schwierigkeiten gegeben zu haben, so dass letztlich am 11. Dezember 1138 ein päpstliches Legatenkonzil über den neuen Primas entschied. Aus Gründen, die nur vermutet werden können, fiel die Wahl auf Theobald von Bec.1076 Dieser erste Triumph erfuhr ein halbes Jahr ­später einen Dämpfer, als Innozenz II. den Rivalen aus Winchester mit dem Legatentitel für ganz England ausstattete und damit faktisch über den Primas der englischen ­Kirche stellte, so dass Theobald vorerst nur noch die administrative Autorität über sein eigenes Erzbistum verblieb. Kaum war Heinrichs Mandat als Legat mit dem Tod Innozenz II. 1143 erloschen, machten sich sowohl Theobald als auch Heinrich in einem gnadenlosen Konkurrenzrennen auf den Weg nach Rom, um den Titel von dessen Nachfolger Coelestin II. zu erbitten. Nach dessen Tod im darauffolgenden März zeigte sich Papst Lucius II. dem Bischof von Winchester und seinen Plänen, in Winchester ein Erzbistum zu errichten, gewogen. Der 1144/45 ausgesandte Kardinallegat war niemand anders als Imar von Tuskulum, der ranghöchste Wähler Viktors IV.1077 Der innerkirchliche Metropolitankampf in England wurde zwar faktisch beendet, als Eugen III. Theobald mit der Legatengewalt auszeichnete, die dieser für seine letzten Jahre tragen sollte, änderte an der Rivalität ­zwischen ihm und Heinrich von Winchester jedoch nichts.1078 1075 Vgl. Orderici Vitalis Historia Ecclesiastica. The Ecclesiastical History of Orderic Vitalis. Bd. 1, ed. Marjorie M. Chibnall, 6 Bde., Oxford 1980 (OMT), XIII, 28. 1076 Annales prioratus de Wigornia (A. D. 1 – 1377), in: Henry Richards Luard (Hg.): Annales Monastici, Nendeln, Liecht. 1965 (RS, 36,4), S. 355 – 562 ad a. 1138. Denkbar wären die Vorerfahrungen mit und Affinitäten des Wahlgremiums, d. h. der Mönche von Christ Church, zu den vorhergehenden Mönchsbischöfen Lanfranc und Anselm, die beide aus der renommierten normannischen Reformabtei von Le Bec stammten. 1077 Vgl. Michael Horn: Der Kardinalbischof Imar von Tusculum als Legat in England 1144/1145, in: HJb 110 (1990), S. 492 – 505. 1078 Vgl. Saltman: Theobald, S. 30 – 36.

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Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten

Eine gewisse Animosität verband Theobald auch mit Heinrichs Bruder, König Stephan von Blois, mit dem der englische Primas mehrfach in Konflikt geraten war. Das erste Mal, als er sich dem königlichen Verbot zur Teilnahme am Konzil von Reims (21. März 1148) widersetzte, hatte dies die königliche Konfiszierung der Güter von Canterbury und die Anfeindungen der Kardinäle Oktavian von Monticelli und Guido von Crema zur Folge, die sich als Stephans Anverwandte betrachteten.1079 Zum nächsten Zusammenstoß mit dem König kam es, als dieser plante, entgegen der Ansprüche des jungen Heinrich von Anjou, seinen Sohn Eustach zum Mitkönig krönen zu lassen. Die zweifelhafte Legitimität des Königssohnes aber machte eine Konsekration durch den Erzbischof von Canterbury unabdingbar. Dieser jedoch weigerte sich, gestärkt durch Eugens’  III . Ablehnung eines vorhergehenden königlichen Gesuchs und die Rückendeckung des Episkopats, standhaft, die Krönung vorzunehmen. Die Gewaltbereitschaft der Parteigänger Stephans von Blois ließ Theobald nur noch die Flucht ins Exil.1080 Besonders interessant ist in ­diesem Zusammenhang die Notiz des sogenannten Compendium Vitae Theobald, dass mit Stephan auch Heinrich von Winchester und die Noblen des Reiches die Krönung des Eustach anstrebten. Weiter wird berichtet, dass am 6. April 1152 in ihrer Wut über die Ablehnung (von einem päpstlichen Mandat weiß das Compendium nichts) ein Dutzend bewaffneter Ritter den fliehenden Erzbischof in der Absicht, diesen zu töten oder zu verstümmeln, ungehindert durch den König die Themse hinunter verfolgten.1081 Obgleich Heinrich von Winchester, der zu dieser Zeit an der Kurie weilte, nicht in direkte Beziehung zu diesen Vorkommnissen gesetzt werden kann, beschuldigte Eugen III. ihn offenbar, seine Finger im Spiel gehabt zu haben.1082 Eine Darstellung, die insgesamt mit den Quellenzeugnissen des Gervasius von Canterbury oder Johannes 1079 Vgl. ebd., S. 26. Siehe Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 45. Zur Zweifelhaftigkeit der genealogischen Behauptungen siehe ebd., Appendix IV. 1080 Dazu GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 150 f. Siehe auch Saltman: Theobald, S. 36 – 38. 1081 Vgl. Vitae venerabilis Theobaldi quinti abbatis Becci, postea Cantuariensis archiepiscopi, compendium, in: Jacques Paul Migne (Hg.): B. Lanfranci Cantuariensis Archiepiscopi opera omnia, Paris 1880 (Migne PL, 150), S. 733 – 734 bzw. Compendium vitae venerabilis Theobaldi, quinti abbatis Beccensis, postea Cantuariensis archiepiscopi, in: Martin Bouquet u. a. (Hg.): Recueil des historiens des Gaules et de la France. Contenant la suite des monuments des trois règnes de Philippe Ier, de Louis VI dit Le Gros, et de Louis VII surnommé Le Jeune, depuis l’an MLX jusqu’en MCLXXX, Paris 1877 (RHGF, 14), S. 411. Derselbe Bericht findet sich auch in der Chronik von Bec: MS. Bibl. Nat. 12884, fol. 208a. 1082 Zur Datierung und Motivation des Besuchs an der Kurie siehe Historia pontificalis, ed. Chibnall, Appendix I.

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von Salisbury konform geht, denn auch die Historia pontificalis schildert die ehrgeizige, canterbury­feindliche Wiederbelebung der Metropolitanansprüche durch den Bischof von Winchester, der sich für sein Versäumnis, auf dem Konzil von Reims zu erscheinen, an der Kurie verantworten musste.1083 Als dort die Nachricht über den Bruch Theobalds mit dem König und dessen Flucht eintrifft, kommentiert Heinrich sarkastisch, er sei froh, nicht in England zu sein, da man ihm die Geschehnisse so nicht anhängen könne. Bezeichnenderweise suggeriert Eugen III. daraufhin selbst durch eine Fabel, dass persönliche Anwesenheit keine unbedingte Vorbedingung zur Anstiftung von Ärger sei.1084 Es ist also nicht unberechtigt, in Theobalds ängstlichem Hinweis auf jene vom König begünstigten Personen, die an der Kurie gegen ihn sprechen könnten, den ambitiösen Bischof von Winchester oder Männer aus seinem Dunstkreis zu vermuten. Schließlich waren es offensichtlich nicht nur sein Amt oder seine Erzdiözese, sondern auch seine eigene Person, um die Theobald fürchtete. Auf jeden Fall jedoch empfand der Primas der ecclesia Anglicana den Alleingang des Königtums als eine große Gefahr für den Frieden des Reiches. Nur ein Verhältnis von gegenseitigem Respekt, Loyalität und Liebe z­ wischen weltlicher und geistlicher Macht könne jene Eintracht aufrechterhalten, in der beide Mächte optimal wirken könnten. Ein Zusammenstoß der beiden bedeute hingegen die Einschränkung beider Autoritäten: Illa est regnorum uera pax et semper optanda tranquillitas, cum in fide et dilectione sibi cohareent membra ecclesiae, et sacerdotibus debitam reuerentiam principes et principibus plenae fidelitatis obsequium exhibent sacerdotes. Si uero suis in se facultatibus collidantur, tam saecularis quam ecclesiasticae potestatis eneruabitur uigor, quia iuxta uocem Altissimi, ‚in se diuisum regnum quodlibet desolatur‘.1085

1083 Vgl. GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 150 und Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 78: Episcopos et abbates Anglorum a suspensione relaxauerat dominus Theobaldus Cantuariensis archiepiscopus, preter Henricus Wintoniensem, qui Romam profectus in persona propria satisfecit. In facie uero hominum receptus in graciam, per Guidonem de Summa, episcopum Ostiensem, Gregorium de sancto Angelo, et alios amicos, sicut illi postea confessi sunt, elaborare cepit, ut ei pallium daretur et fieret archiepiscopus occidentalis Anglie, uel ut ei legatio regni concederetur, uel saltem ut ecclesia sua eximeretur a iurisdictione Cantuariensis. Et licet ex contingentibus nichil omiserit, improbe repulsus est. Tandem supplicavit ut ipse personaliter eximeretur. Sed ad omnia uota eius obsurduit dominus papa, tum quia male suspicabatur de eo et in eum pestem tocius Anglie refundebat, tum quia Cantuariensis ecclesie iusticiam nouerat. Siehe Saltman: Theobald, S. 37. 1084 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 79. 1085 JvS I, Ep. 116, S. 190.

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Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten

Ob der Kern diese Aussage dem Diktat des jungen Johannes von Salisbury oder der Korrektur seines Herrn entsprach, unbestreitbar ist, dass gerade in der Betonung der gegenseitigen Verpflichtungen ­zwischen Fürst und Klerus Überzeugungen zum Gewaltenverhältnis aufscheinen, die Johannes im organologischen Staatsentwurf des Policraticus äußerte. Der Klerus als Lehrer, Mahner und moralische Instanz des Fürsten, als Seele des Staatskörpers, dem der gute Fürst zum Wohle aller Respekt entgegenbringen sollte. Ein Zusammenstoß beider Mächte konnte nach dieser reziproken Beziehung zum Ungleichgewicht der Staatsglieder und damit zur Störung des Systems führen. ­Theorie in Praxis überführend, erinnert Theobald Heinrich auch daran, dass eben diese Kooperation die bisherige Stärke ihrer gemeinsamen Regierungen gewesen sei. Diese Hochschätzung eines Hand-in-Hand-Gehens beider Gewalten war eine verbreitete Überzeugung im zwölften Jahrhundert, doch ist nicht zu vergessen, dass sie letztlich auch die Basis von der königlichen Machtposition war, hatte Heinrich doch den Aufstieg zum Thron nicht unwesentlich der Unterstützung im englischen Episkopat zu verdanken.1086 Monate s­ päter, in denen der auf dem Feldzug in Frankreich weilende König nicht auf die Bitten einer gemeinsamen Konsultation in der Papstfrage eingegangen war, sah man in England alle Befürchtungen bestätigt: „Schwerer für meine Seele als jede Krankheit“, schreibt Theobald an seinen königlichen Herrn, „ist der Sturm der Zwietracht, der […] die K ­ irche entzwei gerissen, Königreiche und Fürstentümer zum Zusammenstoß gebracht hat, so dass das Volk Gottes seiner Sicherheit und seines Friedens beraubt wurde.“ 1087 Im isolierten Inselkönigreich trübte das Schisma den Blick auf die Zukunft. Das scheinbar indifferente Verhalten des Königs hatte noch im Mai und Juni des Jahres 1160 alle Hoffnungen zunichte gemacht. Gegenüber seinem Freund Radulf von Sarre schüttete Johannes von Salisbury das Herz über die Ängste aus, die die englische K ­ irche bedrückten: […] timemus supra modum ne Teutonicus imperator circumueniat fraudulentiis suis et subuertat serenitatem principis nostri.1088 Heinrich galt als leicht manipulierbar. Was Johannes von Salisbury befürchtete, war nicht die Perpetuierung eines innerkirchlichen Konflikts. Wenn der Fürst Irrtum und Fehleinschätzung unterlag, war nach seiner organologischen Vorstellung der Kopf des Staatskörpers, von dem dessen Heil oder Unheil in besonderer Weise ausging, von 1086 Den Mythos vom Jahrhundert der auf reine Über- und Unterordnungsfragen abzielenden Papst-Kaiser-Konflikte dekonstruiert Jochen Johrendt: Das Ideal der Zusammenarbeit von K ­ aiser und Papst, in: Karl-Heinz Ruess (Hg.): Päpste in staufischer Zeit, Göppingen 2020 (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst, 38), S. 10 – 29. 1087 JvS I, Ep. 122, S. 201. 1088 JvS I, Ep. 124, S. 205.

Frühe Reflexionen über päpstliche Doppelwahl und Kirchenspaltung 301

der Krankheit schismatischer Überzeugungen befallen. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis diese alle anderen Glieder der Staatskörpers zersetzt hätte. Was dann drohte, war keine Krise privater Natur, sondern die res publica impiorum. Was Johannes von Salisbury umtrieb, war die Furcht vor der öffentlichen Katastrophe: […] hanc sollicitudinem [i. e. seine angespannte finanzielle Lage] denigrat maior et, quicquid priuatum est, inpetus fortioris et publici metus absorbet.1089 Denn nichts anderes konnte in seinen Augen leichter in einen priesterlichen Bruderkrieg und falsche Parteinahme darin münden als die Zerstörung kirchlicher Einheit oder bürgerkriegsähnliche Zustände im Staat.1090 In d­ iesem Licht müssen auch die Verweise auf Lucans Bellum Civile gesehen werden, mit denen Johannes von Salisbury seinen Vergleich schismatischer Krisen mit dem damaligen Bürgerkrieg spickt. In Angustiarum nostrarum, seinem Kommentar zum Konzil von Pavia, werden Alexanders standfeste Anhänger so mit den Worten des Caesargegners zu den aufrechten Senatoren der pompeianischen Kriegspartei.1091 Nur ein Beispiel dafür, dass das auf den Pharsalia fußende Bild des Schismas als bürgerkriegsähnlicher Katastrophensituation, das Johannes von Salisbury in seinem Policraticus so leidenschaftlich zeichnete, ihm nach deren Ausbruch auch als Deutungsgrundlage der neuen Kirchenkrise diente. Sowohl in der öffentlichen Korrespondenz des Metropoliten von Canterbury als auch in Johannes’ vertrauensvollen privaten Offenbarungen an den fernen Freund schwang die ständige Furcht vor einem öffentlichen Desaster mit. Das Schisma hatte England endgültig erreicht.

1.1.2  Das Schisma als Übergangsphänomen: Arnulfs frühe Briefe an die alexandrinische Kurie Auf der anderen Seite des Ärmelkanals schlug man optimistischere Töne an. Den Anfang der Untersuchung machen zwei Hilfsangebote in Briefform, die Arnulf von Lisieux im Herbst oder Winter 1159 unter dem frischen Eindruck der Doppelwahl zu Pergament brachte und als direkte Reaktion auf die Ereignisse an Alexander III. persönlich (Benedictus deus) und einige seiner Kardinäle (Audita sancte) richtete.1092

1089 Ebd. 1090 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 23. 1091 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 211 mit Bezug auf Lucan Pharsalia, ed. Housman V, Z. 34. 1092 Vgl. Audita sancte Romane ecclesie (AvL Ep. 23) und Benedictus deus et pater (AvL Ep. 24).

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Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten

Ihr identischer Bestimmungsort sowie ihre inhaltliche und formale Nähe macht eine gemeinsame, gleichzeitige Versendung wahrscheinlich.1093 Während Barlow die Schriftstücke auf einen Zeitpunkt z­ wischen Oktober und Dezember 1159 datierte, plädierte Franz-Josef Schmale für eine Verortung der Schreiben im März 1160. Leider stützte Schmale seinen Schluss lediglich auf nicht näher spezifizierte „inhaltliche Gründe“ 1094 und die Behauptung, Alexander III. habe am 1. April 1160 eine unverzügliche Antwort an Arnulf versandt.1095 Ein genauerer Blick auf den Wortlaut des Schreibens entlarvt beide Datierungen als Trugschluss oder zumindest weiter präzisierbar. Denn in Benedictus deus bittet Arnulf um Verzeihung, dass militärische Aktionen seines Königs ihn daran hinderten, persönlich nach Italien zu reisen.1096 Da der angevinisch-kapetingische Waffenstillstand vom November 1159 die Kampfhandlungen beider Seiten vorerst beendete, muss der Brief zur Zeit der englischen Invasionen und Militärschläge im Grenzgebiet zur kapetingischen Krondomäne versendet worden sein.1097 Will man dem Bischof von Lisieux keine Notlüge unterstellen, ergibt dies den frühen November ­dieses Jahres als terminus ante quem. Am 28. Oktober erging zudem Friedrichs Einladung nach Pavia an den englischen König.1098 Mit seinen Beziehungen zum Königshof wäre Arnulf eine s­ olche Nachricht sicher nicht entgangen, so dass sich seine nebulöse Anspielungen auf eine kaiserliche Annäherung an Heinrich II. auf d­ ieses Einladungsschreiben beziehen könnten. Zu klären ist, warum er sich gegenüber der alexandrinischen Kurie, die als erste eine Einladung erhalten haben würde, derart vage hätte halten müssen.1099 Möglich wäre, dass sich Arnulfs Andeutungen auf eine deutsche Gesandtschaft bezogen, die bereits im September 1159 am englischen Königshof eingetroffen war.1100 In beiden Fällen ist die Abfassung von Benedictus deus um Oktober oder den frühen November 1159 zu vermuten. 1093 Vermutet von Letters, ed. Barlow, S. 29, Anm. c. Das an Alexander III. gerichtete Schreiben ist eine elaborierte, umfassendere Version der Mitteilung an die Kardinäle. 1094 Schmale: Sommer, S. 325. 1095 Gemeint ist Bouquet 15, Nr. 17. 1096 Vgl. AvL Ep. 24, S. 30. 1097 Insbesondere die Einnahme von Beauvais und die Zerstörung der Burg von Guerberoi. Siehe Eyton: Court, S. 48. 1098 Nr. 183, in: MGH Const. 1, S. 254 f. 1099 An Alexander und seine Kardinäle war ebenfalls eine Einladung ergangen: Nr. 184, in: MGH Const. 1, S. 255 f. 1100 Belegt durch einen Brief Barbarossas an Erzbischof Eberhard von Salzburg vom 16. September des Jahres 1159: Praeterea dilectionem tuam volumus non latere, quod iuxta peticionem regis Francorum venerabilem legatum nostrum Papiensem episcopum […] a curia nostra transmisimus, qui duo tanto nominis regna, Anglorum videlicet ac Francorum, ipsosque reges ad firmam pacem et stabilem amicitiam vice nostra commoneat, auctoritate reformet et supra

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Zweifellos bildeten die Briefe eine Art Minikampagne, mit der sich Arnulf von Lisieux als einflussreicher alexandrinischer Parteigänger in Erinnerung rufen wollte. Seine persönliche Betroffenheit über die missliche Lage der ­Kirche äußernd, bot er dem Papst und seinen Kardinälen an, seine prominente Position am englischen Hof zur Anleitung Heinrichs II. zu n ­ utzen. Gleichzeitig sind die Schreiben sein Beitrag zur moralischen Unterstützung des in Bedrängnis geratenen Kandidaten und ein erster Versuch, dessen Unglück in einen historisch-ekklesiologischen Heilsplan einzuordnen. In jedem Fall verraten sie, wie Arnulf die entstandene Notlage der römischen ­Kirche einschätzte und ­welche Lösungsstrategie er für erfolgversprechend hielt. Im Fall von Audita sancte an die alexandrinischen Kardinäle hat besonders die genaue Identität der Briefempfänger für Verwirrung gesorgt.1101 Das von Barlow als Leithandschrift gewählte Turiner Manuskript aus dem 12. Jahrhundert gibt Wilhelm von Pavia, Kardinalpresbyter von S. Pietro in Vincoli, und Johannes von Neapel, Kardinalpresbyter von S. Anastasia, als Adressaten an. Diesen beiden Namen fügt das als Entwurf der zweiten Redaktion geltende, ein Jahrhundert ­später entstandene Manuskript aus Saint-Victor noch Hyazinthus Orsini, Kardinaldiakon von S. Maria in Cosmedin, und Heinrich von SS. Nereo e Achilleo zu, der Ende 1159 in päpstlicher Mission als Legat nach Frankreich aufbrach.1102 Die englische Tradition der älteren Oxforder Handschrift aus dem frühen 13. Jahrhundert wiederum streicht Wilhelm aus der salutatio.1103 Was auch immer diese unterschiedlichen Zuschreibungen bedingt haben mag, es ist wohl davon auszugehen, dass Arnulf von Lisieux sich mit seinem Hilfsangebot an die Gesamtheit der Kardinäle richten wollte. Die Ausführungen nehmen viele der Grundgedanken, die in der Epistel an ­Alexander III . thematisiert werden, kurz und bündig auf. Nach einer Bekundung seiner Betroffenheit ob der verworrenen Lage der ­Kirche empfiehlt Arnulf sich den kurialen Würdenträgern in einer klassischen captatio benevolentiae als „besonderer Sohn“ 1104 der K ­ irche, die ihn „bislang immer mit […] Liebe geschätzt, mit […] Vertrautheit geehrt und mit […] vielen Wohltaten und Ehren geschmückt“ 1105 habe. Der firmissimum dilectionis et amicitie nostre fundamentum cum omnie plenitudine et integritate stabiliat. (No. 181, in: MGH Const. 1, S. 252). 1101 Vgl. AvL Ep. 23, S. 29, Anm. c. 1102 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. 29, Anm. 3. Die Manuskripte Turin, Bibl. naz., D, iv, 32 und Paris, Bibl. nat., lat. 14763 stuft Barlow als exemplarisch für die unterschiedlichen Bearbeitungsstufen ein. Siehe ebd., lxxxvi. 1103 Vgl. ebd., S. 29, Anm. 3, der sich auf Oxford, Bodl. Auct. F. I. 8 bezieht, das von Oxford, Bodl. Digby 209 fast exakt kopiert wird. 1104 AvL Ep. 23, S. 30. 1105 Ebd.

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Hinweis auf seine respektable Stellung ebnet den Weg für die Bitte an die Kardinäle, man möge aufgrund seiner Unabkömmlichkeit an der Seite des englischen Königs Alexander III. stellvertretend seine Unterstützung zusichern.1106 Die neuerliche kirchliche Krise bewertet Arnulf von Lisieux, seiner Erfahrung aus den Jahren 1130 bis 1138 entsprechend, als überwindbare Übergangserscheinung: Postmodum autem audito in cuius personam omnium fere uota conuenerant, merorem gaudio […] commutaui. Gauisus siquidem sum paucos a generali concordia desciuisse, quorum numerus nichil aut parum unitati catholice poterit derogare. Gauisus, inquam, quia ei rerum summa commissa est, per quem facile restauranda libertas ecclesie creditur et honestas.1107

Zwei Momente führen ihn zu dieser Gewissheit. Zunächst ist es die juristische Überzeugung, dass das Minoritätsvotum Oktavians von Monticelli kein Hindernis gegen die überwältigende Mehrheit von Alexandrinern darstellen könne.1108 Ein erstaun­ licher Optimismus aus der Feder eines Bischofs, der in jungen Jahren den Triumph des von einer Minderheit gewählten Innozenz II. nicht nur persönlich erlebt, sondern auch aktiv zu fördern gesucht hatte. Allerdings wusste Arnulf in d­ iesem Punkt auch kirchenrechtliche Statuten hinter sich.1109 Kurz nach Ausbruch des neuen Schismas sah er offenbar noch keinen Anlass, eine erneute, dauerhafte Kirchenspaltung zu befürchten. Ein Appell zur Wiederherstellung der kirchlichen Einheit wie er ihn ­später in Tours proklamierte, schien noch unbegründet. 1106 Vgl. ebd.: Profecto uenissem iam ad pedes apostolice beatitudinis amplectendos, et miscendum desiderabile cum uestra caritate colloquium, nisi, belligerante in partibus nostris principe, multis me importunatibus necessitas improba detineret. Uestre itaque benignitatis erit et gratie absentiam meam interim apud eum uestra supplere presentia, obsequiumque meum, si aliqua parete uidebitur oportunum, offerre; quoniam ad omne, quod paucis michi fuerit apicibus indicatum, paratus sum ei et uobis tota deuotione totam impendere facultatem. 1107 Ebd. 1108 Interessanterweise spielt das Arnulf offensichtlich bekannte Argument der kirchenrechtlichen Statthaftigkeit der Wahl Alexanders III. in seinem zeitgleichen persönlichen Briefverkehr mit dem Papst keine Rolle. Vergleiche das Treuebekenntnis in AvL Ep. 24, S. 32. 1109 Die Opposition einer kleineren Gruppe konnte gemäß dem Decretum Gratiani oder dem Papstwahldekret von 499 nicht die Wahl eines Papstes verhindern. Siehe Decretum Gratiani, ed. Friedberg D. 65, c. 1, Sp. 249 f. bzw. D. 79, c. 10, Sp. 279 und S. Symmachi papae Epistolae et Decreta. Epistola 1 seu Decretum synodale S. Symmachi papae, in: Andreas Thiel (Hg.): Epistolae Romanorum pontificum genuinae, Hildesheim/New York 1974, S. 641 – 654, hier: IV , S. 646. Ferner: Werner Maleczek: Abstimmungsarten. Wie kommt man zu einem vernünftigen Wahlergebnis?, in: Schneider/Zimmermann: Wahlen, S. 101 – 127 mit einer Aufstellung des älteren Forschungsstandes.

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Arnulfs Zuversicht in eine baldige Wiederherstellung dieser unitas liegt jedoch nicht nur in der zahlenmäßigen Unterlegenheit der Mitstreiter Viktors IV., sondern auch in seiner zweiten Überzeugung, der vertrauensvollen Einschätzung begründet, dass Alexander III. selbst der Garant für einen günstigen Ausgang der Krise ist. Er, so Arnulf in seinem schlichten, fast pragmatischen Lob, sei nicht nur mehrheitlich gewählter Inhaber des Apostolischen Stuhls und der Krise gewachsen. Alexander werde nach allgemeiner Überzeugung mühelos Freiheit und Ansehen der ­Kirche wiederherstellen.1110 Dieses deutliche Parteibekenntnis habe Arnulf selbst unverzüglich in Taten umgesetzt und sei zur Lösung der Problematik tätig geworden, indem er versucht habe, seinen eigenen Herrn, Heinrich II. von England, für Alexander zu gewinnen. Die Information, warum diese Fürsprache keinen Aufschub duldete, behielt Arnulf den versiegelten Worten an Alexander persönlich vor. Im Vergleich zum geschäftsmäßigen Charakter von Audita sancte füllt Arnulfs vertrauliche Botschaft Benedictus deus das vom Kardinalsschreiben vorgelegte inhaltliche Gerüst erheblich mit Substanz. Der Stil ist gediegener und von Referenzen an die Heilige Schrift durchzogen. In Anbetracht der relativen Seltenheit dieser Zitatart in Arnulfs epistolarem Werk und den Vorgaben der ars dictaminis, die für gehobene Inhalte eine gehobene Schriftsprache voraussetzte, muss ihre Dichte in Benedictus deus Bedeutung beigemessen werden.1111 Entsprechend zitatschwanger und poetisch fällt seine optimistische Einschätzung der Krise als vorübergehend gegenüber Alexander aus: Die Situation sei ein Nebel, der bald „von den Strahlen der wahren Sonne“ 1112 aufgelöst werde. Die von auffällig ermutigendem Tenor getragene Erläuterung dieser Überzeugung erhält ungleich mehr Raum: Die gesamte Passage füllt fast zwei Drittel des Briefes.

1110 Vgl. ebd. 1111 Die ungleichmäßige Verwendung von Bibelzitaten wie sie bereits von den Herausgebern festgestellt wurde (vgl. Letters, ed. Barlow), ist gerade in Anbetracht von Arnulfs Karriereweg und Bildungsstand sehr auffällig. Barrau: Bible, S. 132 – 135 sieht Arnulfs Sparsamkeit auch dort, wo Rekurse auf die Heilige Schrift zu erwarten wären, in Arnulfs eigenem Entschluss begründet. Die Verfasserin möchte zustimmend ergänzen, dass er sich eindeutig in Briefen persuasiver Tendenz dieser Schriftverweise bedient. Sie sind Mittel seiner Rhetorik und spiegeln gleichzeitig Arnulfs Empfängerorientierung wider. Das an das Oberhaupt der ­Kirche gerichtete Benedictus deus ist ein beredtes Beispiel d­ ieses getragenen, auf den gesellschaftlichen Stand des Gegenübers gerichteten Stils, der auch den zeitgenössischen Lehren der ars dictaminis entsprach. 1112 Vgl. AvL Ep. 24, S. 32.

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Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten

Durch die positive Umdeutung als Prüfstein, an dem die ­Kirche wachse, wird der Krisenlage eine tiefere Bedeutung beigemessen. Mit dem Beistand Gottes, der alles zum Guten wenden (Röm 8,28) und seine Gemeinde auch durch diese Versuchung leiten werde (1. Kor 10,13), werde die Gemeinschaft der Gerechten nicht zerbrechen, sondern, „wie Gold im Schmelzofen erprobt“ 1113 zu neuer Stärke kommen – vorausgesetzt natürlich, dass „die Gewalt des Unheils sie stärker […] und die Feindseligkeit der Bosheit vorsichtiger“ 1114 mache. Sorgfältig eingeflochten, verleihen die ermutigenden Worte der paulinischen Briefe an die Römer und Korinther der Passage nicht nur Textur, sondern eröffnen einen konnotativen Bezug, der sich in die Vergangenheit wie die Zukunft richtet. Zum einen wendet Arnulf den Blick auf die Tage der Bedrängnis der verfolgten Urkirche, deren Vorgeschichte, die Geschichte Israels, zur Warnung der korinthischen Gemeinde herangezogen wurde. Die Bücher Mose sind für Arnulf von Lisieux eine große Inspiration zur Ausdeutung des Schismas. Die Flucht der Israeliten, des auserwählten Volkes, aus Ägypten bildete einen facettenreichen Vergleichspunkt für die Verfolgung der K ­ irche in Arnulfs eigenen Tagen, sei es in ihrer Konnotation zur Verfolgung durch die weltliche Gewalt des Pharao oder die Auserwähltheit der Rechtgläubigen durch Gott. Auf der anderen Seite eröffnet das Zitat aus dem Römerbrief-Passus zur Hoffnung auf Erlösung der Welt einen zuversichtserfüllten Blick in die Zukunft. Das im ersten Korintherbrief zum Ausdruck kommende Vertrauen auf den Beistand Gottes bewahrte sich Arnulf von Lisieux bis in die Tage des Konzils von Tours, als er in der Eröffnungspredigt mit ­diesem Zitat die Konziliaren ermutigte, sich eingedenk des göttlichen Beistandes gegen die Bedrohung zu erwehren.1115 Damit sah der Normanne das Schisma bis ins Jahr 1163 hinein als eine durch Glaubenskraft überwindbare Krise. Außerdem verbindet Benedictus deus und Arnulfs Konzilspredigt die bestärkende Beteuerung, die ­Kirche werde nicht in den Einflussbereich böser Mächte gelangen. Beide Male geschieht dies unter Rückgriff auf Mt 16,18 als der Schlüsselstelle apostolischer Gewalt: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine ­Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“ Die Entwicklung des Verweises ist bemerkenswert. Folgt das Zitat in Benedictus deus noch getreu dem biblischen Wortlaut, nutzt Arnulf es vier Jahre s­ päter in Tours mit spezifischerem polemischem Zuschnitt, indem er die Feinde der kirchlichen Zwillingssakramente von Einheit und Freiheit näher identifiziert. Diese principes tenebrarum, 1113 Vgl. Weish 3,6. 1114 Ebd., S. 31. 1115 Vgl. Sermo, ed. Mansi, Sp. 1173.

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quasi die Urheber der Bedrängnis, identifiziert er 1163 als jene, die mit Ambition oder Gewalt danach strebten, die Einheit oder die Freiheit der K ­ irche zu vernichten. Durch den Opfertod Christi, so Arnulf, sei es selbst für die Fürsten der Dunkelheit unmöglich, die ­Kirche Gottes ihrer Freiheit zu berauben.1116 Dem Normannen geht es um eine dualistische Bedrohung. Anders als Johannes von Salisbury, der die Problematik in einem Handlungsvakuum des Herrschers sieht und innerkirchliche Immoralität zum ursprünglichen Kernproblem erhebt, spricht Arnulf sozusagen in legistischerem Duktus von der zersetzenden Kraft der Separatisten im Inneren, von der Bedrohung durch jene, die sich eigenmächtig „von der Einheit der ­Kirche separieren“ 1117. Ihm geht es um Abweichler, die willentlich aus der ­Kirche ausscheiden, nicht um die, die deren Werte und die Gebote des göttlichen Rechts verletzen. Auf der anderen Seite warnt Arnulf vor externer Bedrohung kirchlicher Freiheiten durch weltliche Potentaten, die „ringsum Güter und Besitz der Lande und sogar auch unsere Körper verwüsten“ 1118. Sie s­ eien Tyrannen gegen die mit spiri­ tuellen Mitteln wie Kirchenbann und Verfluchung gekämpft würde. Im Vergleich zur saresberiensischen Tyrannologie folgt er einem undifferenzierten und plakativen Tyrannenbegriff. Die Rückführung der anderen (d. h. der abtrünnigen Schismatiker in den eigenen Reihen) in den Schoß der K ­ irche sei, so Arnulf, Aufgabe der in Tours anwesenden Mitglieder der Gemeinschaft der Gläubigen. Ecclesia tamen Dei nihilo minus quae disponenda sunt, libera potestate disponit: immo etiam ipsos quasi servos nequam spirituali potestate retrudit in carcerem; ubi eos nimirum quasi compedibus quibusdam, vinculo anathematis, et opprobrio perpetuae maledictionis astringit. […] Nos tamen, carissimi fratres et domini, non debemus malum pro malo reddere, neque vinci a malo, sed vincere in bono malum. Et ideo ad revocationem eorum qui foris sunt summa caritate debemus intendere, ut ipsi unitati nostrae possint, Domino miserante, connecti: quatenus, qui quietem ecclesiasticae libertatis impugnant, meliore ducti consilio resipiscant, et tam de revocatione eorum, quam istorum poenitentia, crescat foecunditas unitatis, et inconcussa servetur desiderandae tranquillitas libertatis. Ad hoc scilicet omnem nos convenit diligentiam adhibere, omnem periculum experiri: hoc enim speciale debitum nostrae professionis.1119

Zwischen 1159 und 1163 hatte sich Arnulfs Einstellung also deutlich radikalisiert. Das ermutigende Bild des Schismas als läuternder Prüfung und der Verweis auf die 1116 1117 1118 1119

Vgl. ebd., Sp. 1170. Vgl. ebd.: ipsi se solos ab unitate catholica separant, et detestandae subjiciunt servituti. Vgl. ebd. Vgl. ebd.

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­apostolische Gewalt und Stärke der ­Kirche aus Benedictus deus wird in Tours zur kämpferischen Klärung der Fronten z­ wischen den Lagern der Gerechten und Ungerechten.

1.1.3  Die calixtinischen Lateranfresken: Triumph päpstlichen Primats oder verbildlichter infelix exitus? Die Zuversicht, dass man aus dem Schisma mit gestärkter Autorität hervorgehen werde, zieht sich 1159 durch die Korrespondenz an die alexandrinische Kurie. Dabei verortet Arnulf die aktuellen Ereignisse in die lange Reihe jener vergangenen päpstlichen Schismen und Autoritätskrisen, die bildliche Darstellung im Lateranpalast fanden: Porro scismata hec in ecclesia Romana frequentius accidisse etiam Lateranensis palatii picture demonstrant, ubi catholicorum patrum pedibus pro scabello scismatici presumptores ascripti sunt, ubi superborum et sullimium colla sapientia propria u[i]rtute conterit et conculcat. Quod sane et ratione factum est, ut sanctis patribus cedat ad gloriam uictorie testis ascriptio, in qua presumptores illi uel compressionis penam sustinent, uel presumptionis ueniam deprecantur. Unde et sancti apostolatus uestri cathedra sine scabello esse non debuit, sed nobiliore scabello debuit illustrari.1120

Gemeint ist der berühmte Freskenzyklus, mit dem Calixt II . ­zwischen September 1122 und seinem Tod im Dezember 1124 die Wände der camera pro secretis consiliis, einer seiner Beratungs- und Gerichtskammern, ausschmücken ließ.1121 Mit passenden Inskriptionen versehen, feierten die Wandmalereien seinen eigenen Triumph und den seiner Vorgänger (der Reformpäpste Alexander II., Paschalis II. und ­Gregor VII.) über kaiserlich unterstützte Gegenpäpste.1122 In der Darstellung (Abb. 1 und 2) thronte der jeweilige katholische Papst als zentrale Gestalt, den Fuß im Nacken der unterworfen am Boden kauernden Aufrührer, im Kreis einer Schar von Bischöfen und anderen geistlichen Würdenträgern.

1120 AvL Ep. 24, S. 32. 1121 Lage und Funktion des Konsistoriums erschließt Herklotz: Beratungsräume, S. 154 aus archivalischen und archäologischen Quellen. 1122 Die Fresken sind nicht mehr im Original erhalten. Ihre Überlieferung beruht auf Nachzeichnungen des 16. Jahrhunderts. Reproduktion, Beschreibung und Einordnung bei Gerhart Burian Ladner: Die Papstbildnisse des Altertums und des Mittelalters. Bd. 1, Rom 1941 (Monumenti di antichità cristiana Serie 2, 4), S. 195 – 201 und Herklotz: Beratungsräume, S. 151 – 154.

Frühe Reflexionen über päpstliche Doppelwahl und Kirchenspaltung 309

Abb. 1: Skizze (16. Jh.) der Wandmalereien Calixts II. aus dem ehemaligen Lateranpalast, Rom (Detail nach Barb. lat. 2738, fol. 104r, © 2020 Biblioteca Apostolica Vaticana).

Abb. 2: Skizze (16. Jh.) der Wandmalereien Calixts II. aus dem ehemaligen Lateranpalast, Rom (Detail nach Barb. lat. 2738, fol. 105v, © 2020 Biblioteca Apostolica Vaticana).

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Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten

Aufgrund der Öffentlichkeit der Lokalität, einem Konsistorium, das als päpstlicher Gerichtssaal mehrmals wöchentlich auch von adeligen und interessierten Laien frequentiert wurde, hatte der Wandschmuck innerhalb und außerhalb Roms hohen Bekanntheitsgrad erlangt.1123 Sowohl Arnulf von Lisieux als auch Johannes von Salisbury werden die Fresken von einem ihrer Aufenthalte an der Kurie bekannt gewesen sein. Beide beziehen sie in ihre Kommentare zur Doppelwahl und deren Folgen ein. Dass diese Beispiele visueller Propaganda eher Ausdruck als Ursprung primatialen päpstlichen Selbstverständnisses waren, zeigt Rahewins Bericht von einer verlorenen Bilddarstellung im Lateranpalast, die schon vor der Eskalation von Besançon zum Zankapfel z­ wischen Papst und Friedrich Barbarossa geworden war.1124 Darauf sei K ­ aiser Lothar III. kniend vor dem Papst zu sehen gewesen. Eine Inschrift habe den Herrscher als päpstlichen Vasallen ausgezeichnet. Aus heutiger Sicht ist nicht klar, ob darauf tatsächlich, wie in der Inschrift angedeutet, eine Kommendation oder auch nur eine Krönungsszene gezeigt wurde. Rahewin jedenfalls charakterisiert das Bild als Ausdruck und Überlieferung in Rom kursierender Anschauungen.1125 Tatsächlich schien die Darstellung des Triumphs über einen rivalisierenden Konkurrenzpapst schnell hoffähig geworden zu sein, denn auch Anaklet II. hatte – wenn auch etwas voreilig – bei der Ausgestaltung der Apsis der Nikolauskapelle im Lateranpalast bildlich seinen Sieg über Innozenz II. beschworen.1126 1123 Neben den Kommentaren bei Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury wird innerhalb von 60 Jahren noch mindestens dreimal in schriftlichen Quellen auf die Fresken Bezug genommen. Übersicht über die Quellenzeugnisse: ebd. Zum öffentlichen Charakter der Lokalität: ebd., S. 162. 1124 Vgl. Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, ed. Georg Waitz/Bernhard von Simson, Hannover 1997 (ND der Ausgabe 1912) (MGH SS rer. Germ., 46), III 10. RI IV, 2,1 n. 491. 1125 In den Gesta Friderici (ebd., III, 10, S. 177) berichtet Rahewin, dass man Rainald von Dassels umstrittener, lehnsrechtlicher Übersetzung des Wortes beneficium auf dem Hoftag von Besançon bereitwillig Glauben schenkte, da „von einigen Römern unbesonnen behauptet wurde, unsere Könige hätten bisher die Herrschaft über die Stadt und das italische Königtum durch Schenkung der Päpste besessen, und daß sie dies nicht nur durch Worte, sondern auch durch Schriften und bildlichen Darstellungen zum Ausdruck brachten und der Nachwelt überlieferten. So liest man von ­Kaiser Lothar im Lateranpalast über einem entsprechenden Gemälde die Worte: Der König kommt vor die Tore, beschwört zunächst die Rechte der Stadt, wird dann des Papstes Mann, von ihm erhält er die Krone.“ Übersetzung nach Ottonis episcopi Frisingensis et Rahewini Gesta Frederici seu rectius cronica. Bischof Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, übersetzt von Adolf Schmidt, ed. Franz-Josef Schmale, Darmstadt 2000 (FStG, 17). 1126 Von Johrendt: Schisma, S. 136 – 142 als hoffnungsvolle Einordnung Anaklets II. in die Reihe jener apostolischen Vorgänger interpretiert, die Gegenpäpste niedergerungen hatten.

Frühe Reflexionen über päpstliche Doppelwahl und Kirchenspaltung 311

Arnulf von Lisieux sah in den calixtinischen Fresken mehr als nur ein reines, in konservativen Ideen vergangener Krisen verhaftetes Sinnbild für die Errungenschaften des Reformpapsttums.1127 Für den Normannen stand nicht der gefeierte Triumph, sozusagen das Endergebnis des gefochtenen Kampfes, im Mittelpunkt, sondern die universellere Botschaft, dass Schismen Übergangserscheinungen sind. Die berühmten Präzedenzfälle zeigten, dass man siegreich aus diesen hervortreten konnte. Sie waren ein bildgewordener Ansporn, auch in Zukunft den päpstlichen Erfolg zu verfolgen. Ingo Herklotz hat herausgearbeitet, wie die calixtinischen Lateranfresken auf innovative Weise traditionelle Elemente christlicher Ikonographie aufgriffen und durch gezielte Neukombination und Einbettung in die Siegesthematik über die Widersacher des Reformpapsttums mit neuer Bedeutung aufluden. Dabei wohnte den Malereien eine dezidiert antiimperiale, papalistische Qualität inne, die sich unter Rückgriff auf biblisches Schrifttum und historische Exempla gezielt gegen den Eingriff weltlicher Mächte in die apostolische Autoritätssphäre richtete und im kurialen Umfeld sicher nicht verborgen geblieben war.1128 Warum nutzte Arnulf von Lisieux im direkten Nachhall der Doppelwahl nicht die programmatische Dichte, das propagandistische Potenzial der Bilder? Es ist denkbar, dass Benedictus deus auf eine andere, weniger auf Frontenbildung ­zwischen den Parteien bedachte Wirkung abzielte oder Arnulf über die Geschehnisse in Italien noch nicht umfassend genug informiert war. Vielleicht aber beruhte seine Einschätzung der Krise auf Wahrnehmungsmustern, in denen eine Involvierung weltlicher Gewalten in der Entstehung des Schismas keine Rolle spielte. Ein erneuter Blick auf Arnulfs Anlehnungen an die Heilige Schrift in der oben zitierten Passage kann über von ihm beabsichtigte Konnotationen Aufschluss geben. Schlüsselbegriff ist der aus dem davidischen Psalm 109,1 hergeleitete Vergleich der unterworfenen Gegenpäpste mit einem Fußschemel (scabellum).1129 Mit seinem Verweis auf den zukünftigen Sieg Christi und des gerechten Gottes über die Feinde ist der Psalm eine elementare biblische Grundlage für das Triumphmotiv in der visuellen Propaganda Calixts II. Diesem Triumphmotiv tritt ergänzend die conculcatio,

1127 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 207: Si ad gloriam patrum, teste Lateranensi palatio, ubi hoc in uisibilibus picturis et laici legunt, ad gloriam patrum scismatici quos secularis potestas intrusit dantur pontificibus pro scabello, et eorum memoriam recolunt posteri pro triumpho. 1128 Vgl. Herklotz: Beratungsräume und Ingo Herklotz: Bildpropaganda und monumentale Selbstdarstellung des Papsttums, in: Ernst-Dieter Hehl u. a. (Hg.): Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, Stuttgart 2002 (Mittelalter-Forschungen, 6), S. 273 – 292. 1129 Ps 109,1: Dixit Dominus Domino meo: Sede a dextris meis, donec ponam inimicos tuos scabellum pedum tuorum.

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das demonstrative Niedertreten des Gegners, zur Seite.1130 Die zugrunde liegenden Schriftpassagen, die erneut dem von Arnulf bevorzugten alttestamentlichen Kontext des Auszugs aus Ägypten und der Eroberung Kanaans durch das israelitische Volk entstammen, betonen die Überwindung aktueller oder zukünftiger Feinde durch den Beistand Gottes.1131 Sie sollten bei der Frage nach der Ausrichtung des Arnulfschen Briefes nicht in Vergessenheit geraten. Besonders wegweisend für die conculcatio in der christlichen Bezwingerikonographie war Psalm 90,13, in dessen Anlehnung sich im vierten nachchristlichen Jahrhundert die ikonographische Formel der Majestas Christi, des thronenden Gottessohns, entwickelt hatte.1132 Seit karolingischer Zeit triumphierte dieser nicht mehr nur über Feinde in Tierform, sondern auch in anthropomorpher Gestalt.1133 Der Utrecht Psalter (um 830), dessen Miniatur zum 109. Psalm eines der frühen Beispiele für diese Ikonographie darstellt, wurde im 11. und 12. Jahrhundert im angelsächsischen Raum breit rezipiert. Beispielsweise zeigt das z­ wischen 1023 und 1035 entstandene Gebetbuch des Aelfwine von Winchester den gefesselten Satan als scabellum zu Füßen Gottvaters, des Sohnes und einer Madonna. Unter ihm, im klaffenden Höllenschlund, leiden Judas und der Erzhäretiker Arius Qualen.1134 Diese unmissverständliche, apokalyptische Verbindung des scabellum-Motivs mit der Bestrafung der Verräter und Ungläubigen am Ende aller Zeiten schien im anglonormannischen Raum verbreitet gewesen zu sein. In jedem Fall fügt sich der Verweis der conculcatio-Ikonographie auf den Sieg über die Häretiker, zu denen man auch die Schismatiker zählte, offenkundig in Arnulfs Botschaft ein.1135 Das ekklesiologische Verständnis der Psalmen 90 und 109 war kein Novum. Bereits bei Augustinus findet sich die Ausdeutung der Ecclesia als unbesiegbarer Bezwingerin des Teufels, der durch die Untiere aus Psalm 90 symbolisiert wurde.1136 Für eine eschatologisch zugespitzte Deutung der calixtinischen Wandmalereien wie sie in 1130 Erkennbar an der Wendung colla sapientia propria u[i]rtute conterit et conculcat in AvL Ep. 24, S. 32. 1131 Jos 10,24 und Dtn 33,29. 1132 Ps 90,13: Super aspidem et basiliscum ambulabis, et conculcabis leonem et draconem. 1133 Zur Genese des christianisierten Triumphmotivs aus antiken Vorbildern siehe Herklotz: Beratungsräume, S. 174 – 177. 1134 British Museum, Cotton Titus D. XXVII, f. 75v. 1135 Vgl. Ernst Hartwig Kantorowicz: The Quinity of Winchester, in: The Art Bulletin 29 (1947), S. 73 – 85 und Herklotz: Beratungsräume, S. 178. 1136 Vgl. Enarratio in psalmum XC, 9, in: Eligius Dekkers/Johannes Fraipont (Hg.): ­Aurelius Augustinus Enarrationes in Psalmos. 50 – 100, Turnhout 1956 (CC, 39), S. 1275 – 1276, hier: S. 1275 f.

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kunstgeschichtlichen oder exegetischen Zeugnissen bei Augustinus oder Arnulfs Zeitgenossen Honorius Augustodonensis zu finden ist, gibt es in Benedictus deus jedoch keinen Anhaltspunkt.1137 Was nicht bedeutet, dass diese Lesart der Motivik Arnulf unbekannt war. Augustins Verweis auf den polymorphen „Angriff, wie er der Gemeinschaft der Gläubigen durch Verfolgung und Häresie drohe“ 1138 und die Hoffnung auf den Triumph der ­Kirche blieben grundlegendes Thema in der Ausdeutung des Psalmverses und damit integraler Bestandteil der theologischen Vorbildung eines hohen Prälaten. Arnulf selbst aber legte sein Hauptaugenmerk in der direkten Folgezeit der Doppelwahl lieber auf die ekklesiologische Ausdeutung des Motivs. Der imperiale Bezug, jene dritte Bedeutungsebene neben apokalyptischer und kirchlicher Deutung tritt nicht in Erscheinung. Benedictus deus sieht keine explizite Verknüpfung ­zwischen dem Gang der Doppelwahl und einer Einwirkung Friedrich Barbarossas oder politischer Vertreter wie Graf Otto von Wittelsbach.1139 Es dominiert die innerkirchlich fixierte Perspektive ohne jeglichen Bezug auf eine wie auch immer geartete reichspolitische Dimension des Geschehens. Da beide Editionen der Arnulfkorrespondenz den englischen Textzeugen Benedictus deus (Brit. Libr. Cotton Faustina B11140), obgleich bekannt, nicht berücksichtigen, ist in der Forschung bisher unbemerkt geblieben, dass das conculcatio-Motiv der Lateranfresken bei Arnulf von Lisieux auch an anderer Stelle des Briefes auftaucht. Bei dem entsprechenden Fragment (fol. 2ra–11va) handelt es sich um ein Dossier von sechs Briefzeugnissen zum Schisma von 1159 und neun Schreiben zum ­Becketkonflikt. 1137 Zur apokalyptischen Ausdeutung des Psalms bei Honorius Augustodunensis siehe Herklotz: Beratungsräume, S. 182. Zu seinem Bild des Antichristen Horst Dieter Rauh: Das Bild des Antichrist im Mittelalter. Von Tyconius zum deutschen Symbolismus, Münster 2 1978 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, 9), S. 239 – 267. Honorius‘ Verbindungen zum Kreis des Anselm von Canterbury legen nahe, dass seine Auslegungen Arnulf von Lisieux nicht ganz unbekannt gewesen sein dürften. Dazu: Valerie I. J. Flint: The Career of Honorius Augustodunensis, in: Rev. Ben. 82 (1972), S. 63 – 86 und Richard William Southern: Saint Anselm and his Biographer. A Study of Monastic Life and Thought 1059 – c.1130, Cambridge 1963, S. 209 – 217. 1138 Herklotz: Beratungsräume, S. 182. 1139 Wie es in den Quellen der kurialen Seite, besonders den Briefen der alexandrinischen Kardinäle, durchaus geschieht. Siehe Moerore simul, in: Pontificum Romanorum, ed. Watterich, S. 493 – 499 und erläuternd Madertoner: Papstwahl, S. 140. 1140 Quellenkundliche Informationen: Neil Ripley Ker (Hg.): Medieval Libraries of Great Britain. A List of Surviving Books, London 21964 (Royal Historical Society Guides and Handbooks, 3), S. 23 und Joseph Planta: A Catalogue of the Manuscripts in the Cottonian Library, Deposited in the British Museum, London 1802. Siehe auch die Einschätzungen von Reuter: Schism, S. 229 – 230, 233 und CTB I, S. cvi.

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Nach Anne Duggans Vermutung wurde es zeitnah zu den Ereignissen zusammengetragen und am Ende mit der Kanonisationsbulle Redolet Anglia aus dem Jahr 1173 als passendem Abschluss gekrönt.1141 Duggan erkennt in den Becketbriefen ein Mittel zur Akquise postumer Unterstützung für Thomas Becket.1142 Timothy Reuter hält die kleine Sammlung von teils bedeutenden Schismadokumenten – darunter die einzige Überlieferung der dritten Fassung von Eterna et incommutabilis an den englischen Klerus, das Paveser Rundschreiben Quia sedis und vereinzelte Zeugnisse zur Involvierung König Heinrichs II.– für „Spuren jenes Dokumentendossiers, das dem Konzil von London“ 1143 vorlag. Der Textzeuge dieser Version selbst (fol. 5r–5v) ist weitestgehend mit den von Barlow genutzten Leithandschriften von Benedictus deus identisch. Allerdings sind sowohl die in der Restüberlieferung der Kürzung anheimgefallene Salutatio als auch die Abschiedsformel in Cotton Faustina B1 darin erhalten. Während erstere auf Arnulfs bereits innerhalb des Brieftextes explizit geäußerte Gehorsamsbereitschaft gegenüber dem Papst rekurriert, ist die conclusio von größerem Interesse.1144 Denn ohne den Schlusssegen und das abschließende Amen wiese das Schreiben keinen vernünftigen Abschluss auf. Bei der Zusammenstellung eines Dossiers wie ­diesem, das ein thematisch und grob chronologisch angeordnetes Briefregister darzustellen scheint, wird die Neigung zu Zusätzen gering ausgefallen sein. Es ergeben sich auch keinerlei paläographische, formale oder inhaltliche Hinweise auf einen solchen Zusatz. Der Segenswunsch, mit dem Arnulf von Lisieux sein Schreiben an Alexander III . enden lässt, ist nicht nur authentisch, sondern auch ein weiteres Zitat aus den abschließenden Worten des Paulus an die Römer: Dominus conterat Satanam sub pedibus vestris velociter. Amen.1145 Der Ausspruch erfreute sich im 12. Jahrhundert insbesondere in der epistolaren, homiletischen und exegetischen Literatur monastischer Kreise 1141 Vgl. ebd., S. cvi. Es ist dabei jedoch zu beachten, dass dies zumindest für den schismabezogenen Teil des Dossiers nicht die verwunderliche Zusammensetzung der Briefe erklärt, die große öffentlichkeitswirksame Dokumente wie die Rundschreiben Alexanders III. (Eterna et incommutabilis) und Friedrich Barbarossas (Quia sedis) mit eher unbedeutenden Briefen wie Benedictus deus oder einem Bericht Philipps von l’Aumône über seine alexandrinischen Überzeugungsbemühungen bei Ludwig VII. und Heinrich II. zusammenführt. 1142 Vgl. CTB I, S. cvi f. 1143 Reuter: Schism, S. 229 – 231. Weitere Überreste, so Reuter, könnten sich in den British Library Manuskripten MS. Royal 9 B xii und MS. Cotton Otho C xiv finden. 1144 Benedictus deus et pater. British Library, Brit. Libr. Cotton Faustina B 1, fol. 5r – 5v, hier: fol. 5r: cum omni debit[a] obedienti[a] et deuotio. 1145 Vgl. ebd. Beruhend auf Röm 16,20.

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großer Beliebtheit.1146 Dass besonders Zisterzienseräbte Bernhard von Clairvaux und Aelred von Rievaulx in ­diesem Zusammenhang eine Rolle spielten, ist interessant, entstammt doch der Textzeuge ursprünglich einer Sammlung der Bernhardbriefe (heute Brit. Libr. MS Royal 8 F xv) aus der großen nordenglischen Zisterzienserabtei Byland in Yorkshire. Dieser Überlieferungskontext sowie die Tatsache, dass die Cotton-Faustina-Version von Benedictus deus einer kleinen Sammlung schismarelevanter Briefe entstammt, brachte Reuter zu der Vermutung, das Dossier könne aus dem Umfeld des Zisterzienserabtes Aelred von Rievaulx stammen, der nicht nur mit Abt Roger I. von Byland eng verbunden war, sondern sich nach Pavia in einem heute verlorenen Brief für Alexander III . einsetzte und in seinen Predigten Stellung für diesen bezog.1147 Die Überlieferung des sonst wenig verbreiteten Benedictus deus in einem chronologisch angelegten Schismadossier weist auf ein bestimmtes Sammlungsinteresse hin. Kann ­dieses auch nicht zweifelsfrei aus dem Material erschlossen werden, ist das Fragment auf jeden Fall ein starker Fingerzeig auf das gesteigerte Interesse der nordenglischen Zisterzienser an der Schismathematik, das sich auch in der Historiographie 1146 Die Datenbankrecherche (Library of Latin Texts – Series A, ergab für das 12. Jahrhundert eine auffällige Zunahme des Interesses an Röm 16,20 (http://www.brepols.net/Pages/ BrowseBySeries.aspx?Treeseries=LLT -O (letzter Zugriff: 1. 3. 2021)). Aus dem zisterziensischen Bereich sind die Predigten des Aelred von Rievaulx, Briefe Bernhards von Clairvaux und ein exegetischer Kommentar zum Paulusbrief aus der Feder von dessen Biographen Wilhelm von Saint-Thierry zu nennen. Des Weiteren die Korrespondenz des Johannes von Salisbury (i. e. JvS II , Ep. 230, S. 414) und der Ruthkommentar des Petrus von Celle. Andere Spuren führen nach Paris zum Regularkanoniker Andreas von Saint-Victor oder der Psalmen- und Paulusbrief-Exegese des Magister Petrus Lombardus. Fast alle Exegeten und Theologen waren entweder dem Zisterzienserorden, Bernhard von Clairvaux oder dem universitären Umfeld von Paris oder aber Saint-Victor verbunden und konnten d­ arüber Berührungspunkte mit Arnulf von Lisieux haben. 1147 Zu Aelred von Rievaulx siehe Leopold Grill: Das Wirken des Abts Aelred von Rievaulx für Papst Alexander III. bei König Heinrich II. von England, in: Cîteaux 18 (1967), S. 370 – 384 und The Life of Ailred of Rievaulx, transl. from the Latin with Introduction and Notes by Maurice Powicke, ed. Walter Daniel, London 1950 (Medieval Classics). Zu Roger von Byland besonders S. 59 f. und 63 f. Der heute verlorene Brief wird erwähnt in John Bale; Reginald Lane Poole; M. Bateson (Hg.): Index Britanniae Scriptorum, Oxford 1902, S. 13. Die Predigt siehe: Beati Aelredi Abbatis Rievallensis Opera Omnia: accedit Wolberonis abbatis S. Pantaleonis Coloniensis commentarium in cantica, intermiscentur Eckberti abbatis Schongauiensis et Sanctae Elisabeth sororis ejus Germanae, Henrici archidiaconi Huntingdonensis, Odonis de Deogilo abbatis S. Dionysii, Bertrandi de Blancesfort Templariorum magistri scripta quae supersunt omnia, ed. Jacques Paul Migne, Turnhout 1976 (ND der Ausgabe Paris 1855) (Migne PL, 195), Sp. 675.

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niederschlug: erinnert sei an Wilhelm von Newburgh, der seine die ­Schismathematik ausführlich aufgreifende Historia rerum Anglicarum als Auftragsarbeit der beiden Zisterzienseräbte Ernald von Rievaulx und Roger von Byland verfasste, oder an die Schlüsselrolle des in die Obödienzwerbung involvierten Philipp von l’Aumône als Gesandtem Alexanders III. an den westlichen Höfen.1148 Sollte Reuters Vermutung zutreffen, dass Cotton Faustina B1 Teil des Dossiers bildete, das den Synodalen in London vorlag, wäre es äußerst bemerkenswert, dass gerade Arnulfs relativ unbedeutendes Benedictus deus und nicht das zweifelsohne in London verlesene Manifest Quanta tempestate in die Sammlung einging.1149 Dies würde nahelegen, dass Benedictus deus weiter zirkulierte als gemeinhin vermutet und seine Bedeutung in der Frühphase des Schismas von 1159 nachdrücklich unterstreichen. Hatte der Normanne durch Versendung einer Kopie das zisterziensische Netz bewusst genutzt oder war sein Brief ohne sein Wissen als Zeitdokument zirkuliert worden? Arnulfs Bekanntschaft mit Zisterzienseräbten wie Arnaud von Bonneval oder Philipp von l’Aumône ist verbürgt.1150 Bezüglich des Schlusswortes des Briefes stellt sich die Frage, ob es sich dabei um eine reine Formelübernahme aus Röm 16,20 handelte oder bewusst auf einen tieferen Sinngehalt verwiesen werden sollte, der dem Empfänger präsenter war als dem modernen Leser. Die Anwendung psalmen- und römerbriefbasierter Siegesmetaphorik der conculcatio gegenüber weltlichen wie geistlichen Empfängern hatte nämlich vor dem Investiturstreit eine gewisse Tradition in der päpstlichen Kommunikation.1151 Zur Entstehungszeit der calixtinischen Lateranfresken war die eigentliche Innovation, 1148 Die Werke des Wilhelm von Newburgh, ein biblischer Kommentar im Auftrag des Zisterzienserabtes Roger von Byland und einige Predigten sind ediert in: The Church Historians of England. The History of William of Newburgh. The Chronicles of Robert de Monte, ed. Joseph Stevenson, London 1853 (Pre-Reformation Series, 4,2); William of Newburgh’s Explanatio Sacri Epithalamii in Matrem Sponsi. A Commentary on the Canticle of Canticles (12th C.), ed. John C. Gorman, Fribourg 1960 (Spicilegium Friburgense, 6) und The Sermons of William of Newburgh Edited from Oxford, Bodleian Library, MS Rawlinson C.31, London, Lambeth Palace Library, MS 73, and London, British Library, MS Stowe 62, ed. Andrew Brock Kraebel, Toronto 2010 (Toronto Medieval Latin Texts, 31). Übersetzung der Historia: William of Newburgh. The History of English Affairs: Book 1, ed. ­Patrick Gerard Walsh, Warminster 1987 und William of Newburgh. The History of English Affairs: Book 2, ed. Patrick Gerard Walsh/Michael J. Kennedy, Warminster 2007. 1149 Vgl. Reuter: Schism, S. 231. 1150 Vgl. Türk: Nugae, S. 55. 1151 So etwa in Briefen Urbans II. Paschalis II. oder Innozenz  II. Überblick und Beispiele bei Herklotz: Beratungsräume, S. 181 oder, wie bereits eine Kurzrecherche in der LLT -A zeigt, in der Korrespondenz des Bernhard von Clairvaux.

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dass das ehemals Christus vorbehaltene conculcatio-Bild auf den Bischof von Rom übertragen und mit dem scabellum-Motiv kombiniert wurde.1152 Eine der frühesten textuellen Anwendungen des Triumphmotivs auf den Papst findet sich in einem Brief aus Zeiten des damaligen Schismas, in dem König Lothar Innozenz II. voll Zuversicht versicherte, der Allmächtige werde Anaklet „durch [ihn] [i. e. Innozenz] kraftvoll unter seinen Füßen zertreten“ 1153. Auch für Röm 16,20 findet sich ein Beispiel in der Herrscher-Papst-Korrespondenz der Mitte des 12. Jahrhunderts. In einem Dankesschreiben versichert König Heinrich (VI.) im Frühjahr 1148 dem Zisterzienserpapst Eugen III. im Gegenzug für dessen Unterstützung gegenüber den Reichsfürsten seiner Ergebenheit und bietet sich als Schutzherr der K ­ irche an. Die Passage schließt mit demselben conculcatio-Zitat, auf dem auch der Brief Arnulfs von Lisieux endet.1154 Der Gedanke, dass Christus durch die Person des römischen Bischofs die Unterwerfung eines Schismatikers bewirke, entsprach also in der Mitte des 12. Jahrhunderts den aktuellen päpstlichen Vorstellungen. In dieser Tradition des römischen Bischofs als von Christus geleitetem Triumphator steht Arnulfs Aufnahme dieser Bildsprache. Möglich, dass ihm mit seiner Nähe zu den Neuen Orden das Schreiben Heinrichs (VI.) bekannt war, schließlich war das Bibelwort im zisterziensischen Umfeld sehr beliebt und das Demutsschreiben des Monarchen an den ersten Zisterzienserpapst gerichtet. In der Frühphase des Konflikts ist die Kommunikation Arnulfs von Lisieux mit Papst Alexander auf ermutigend ermahnende Ansprache ausgerichtet. Dies zeigt zum Beispiel die Selektivität seines Verweises auf die calixtinischen Fresken und die darin implizite Papstideologie sowie der erstaunliche Verzicht, daraus ableitbares primatialkaiserkritisches Gedankengut zu übernehmen. Nicht zufällig ist schon der volle Titel Benedictus deus et pater eine Übernahme aus dem 2. Kor 1,3. Thematischer Kontext: Von Leiden und Trost des Apostels. Bereits Gregor VII. hatte Leid und Verfolgung als unabdingbare Begleiterscheinung der apostolischen Würde verstanden und auch 1152 Vgl. Herklotz: Beratungsräume, S. 181. 1153 Vgl. Lotharius Innocentio. Omnipotenti Deo immensas gratias, in: Pontificum Romanorum, ed. Watterich, S. 219: idolum Moloch, in templo Dei erectum, sub pedibus per vos potenter conculcabit […]. 1154 Nr. 71. Sanctitatis vestre plurimas gratiarum, in: Martina Hartmann (Hg.): Das Briefbuch Abt Wibalds von Stablo und Corvey nach Vorarbeiten von Heinz Zatschek und Timothy Reuter, Hannover 2012 (MGH Die Briefe der deutschen Kaiserzeit, 9), S. 34 – 35: Ob quam rem vestre persone et sacrosancte matri nostre Romane ecclesie intima caritate devoti et ad defensionem catholice ecclesie pro viribus parati excellentiam vestram filiali sinceritate salutamus obtantes, ut vobis tam in anima quam in corpore omnia prospera succedant et ut dominus conterat sathanam sub pedibus vestris. RI IV,1,2 n. 549.

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bei Arnulf von Lisieux spielt der Verfolgungsgedanke – besonders im alttestamentlichen Sinn – eine große Rolle.1155 Er sieht Leid und Verfolgung als Weg zur Erkämpfung siegreichen Ruhms und rückt damit den ermutigenden Gedanken der Unbesiegbarkeit der ­Kirche und des vicarius Christi auf dem römischen Bischofsstuhl in den Vordergrund. Nicht umsonst endet sein Verweis auf die Schismentradition mit der erwartungsvollen Versicherung, Alexanders nobler Sieg über seinen päpstlichen Gegenspieler sei sicher und nah. Die Arnulfsche Deutung der calixtinischen Fresken wurde von dieser exhortativen Zielsetzung seines ersten großen Schismabriefs inspiriert. Dachte Johannes von Salisbury ähnlich? Aufgrund ihres Bekanntheitsgrads überrascht es nicht, dass sich auch in den Briefen, in denen sich Johannes von Salisbury privat oder in seinem Amt als erzbischöf­ licher Sekretär mit dem Schisma auseinandersetzte, der Rückbezug auf die römischen Wandmalereien findet. Die wichtigsten Dokumente in d­ iesem Zusammenhang entstanden etwa zeitgleich vor der Entscheidung der englischen Synode. Ersteres, das für Theobald aufgesetzte Etsi propriis et priuatis an Heinrich II., datiert aus dem Mai oder Juni 1160. Das Zweite, der berühmte Pavia-Kommentar Angustiarum nostrarum, wurde auf der Reise nach London verfasst.1156 Johannes hatte scharfsichtig erkannt, dass die unter kapetingischer Herrschaft stehenden Teile der bedeutenden Erzdiözese Reims einen essenziellen Beitrag zu ­Alexanders Anerkennung im Westen leisten konnten. Da die Entscheidung des Reimser Metropoliten, dessen Diözese zu großen Teilen auf Reichsgebiet lag, besonders verzwickt war, versuchte der Angelsachse eilig seine Beziehungen zugunsten A ­ lexander III. spielen zu lassen und durch Angustiarum nostrarum im alexandrinischen Sinn auf den wichtigen Metropolitansitz einzuwirken.1157 Sein Fürsprecher vor Ort war Radulf von Sarre. Gebürtig aus Kent, war dieser Johannes vom erzbischöflichen Hof Theobalds vertraut. Radulf hatte eine Ausbildung im Kirchenrecht genossen und besaß ausgedehnte prozessrechtliche Kenntnisse. Ab 1163 ist er unter den Diakonen des Reimser 1155 Gregor äußerte diese Idee 1076 gegenüber seinen Mailänder Getreuen: Manifesta apostoli sententia est, quod omnes, qui pie volunt vivere in Christo Iesu, persecutionem patiuntur. Quae sententia cum apostolica sede ad nos quasi hereditario iure pervenit. (IV, 7. Manifesta apostoli sententia est, in: Register Gregor VII., ed. Caspar) 1156 JvS I, Ep. 122 bzw. JvS I, Ep. 124. 1157 Zur komplexen herrschaftsrechtlichen und geopolitischen Lage der Erzdiözese Reims siehe Ludwig Falkenstein: Zu Auswirkungen des alexandrinischen Schismas in Diözese und Kirchenprovinz Reims, in: Bernard Barbiche/Rolf Grosse (Hg.): Schismes, dissidences, oppositions. La France et le Saint-Siège avant Boniface VIII, Paris 2012 (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia, 7), S. 139 – 192, hier: S. 140 f.

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Metropolitankapitels und s­ päter als Lehrer an der dortigen Kathedralschule bezeugt, muss aber – bedenkt man Johannes’ causa scribendi – schon 1160 eine Vertrauensposition in der Nähe des Reimser Erzbischofs bekleidet haben.1158 In beiden Schriftstücken, Etsi propriis et priuatis und Angustiarum nostrarum, beruft sich Johannes auf das Exemplum der gescheiterten Kaiserpäpste, dem er einen expliziten antiimperialen Zug verleiht. Hier das an Heinrich II. gerichtete Beispiel aus dem Mai oder Juni 1160, das zumindest im Fall des schwerlich kaiserlich gelenkten innozenzianischen Schismas den Boden historischer Akkuratesse verlässt: Eos uero in simili casu praeualuisse crebra lectione recolimus quos Gallicana recepit et fouit ecclesia, et infelicem exitum eorum quos Teutonicus inpetus introduxit. Sic obtinuerunt temporibus nostris Innocentius aduersus Petrum, Calixtus aduersus Burdinum, Vrbanus aduersus Wibertum, Paschalis aduersus tres, Albertum, Maginulfum, Theodericum, et multi similiter in diebus patrum.1159

Der Ausdruck des diesen vergangenen Usurpationen den Weg ebnenden ‚teutonischen Ungestüms‘ in Etsi propriis et priuatis ist neben einigen kleineren sprachlichen, oft auf gemeinsamen Bibelzitaten beruhenden Hinweisen als Anlehnung an Arnulfs London-Manifest Quanta tempestate gesehen worden – nicht zuletzt, da er dort mit der sonst nirgendwo belegten Erwähnung einer frühzeitigen Positionierung der französischen K ­ irche für Alexander III. zusammenfällt.1160 Dies führt zu weit. Johannes von Salisbury nutzt den Terminus furor Teutonicus erst in Angustiarum nostrarum, bevorzugt zuvor den Ausdruck Teutonicus inpetus.1161 Da der Begriff der teutonischen Raserei erstmals bei Lucan zu finden ist, wäre ein abweichender Sprachgebrauch für einen Lucankenner wie Johannes von Salisbury doch äußerst ungewöhnlich.1162 Dass er den Terminus wechselte, hat meiner Meinung nach etwas mit seiner Kenntnis von 1158 Zu Radulfs Person und seinem vertrauensvollen Verhältnis zu Johannes von Salisbury siehe ders.: Zu Entstehungsort und Redaktor der Collectio Brugensis, in: Stanley Chodorow (Hg.): Proceedings of the Eighth International Congress of Medieval Canon Law, San Diego, University of California at La Jolla, 21 – 27 August 1988, Città del Vaticano 1992 (Monumenta Iuris Canonici. Series C. Subsidia, 9), S. 117 – 162, hier: S. 140. Ferner: Hohenleutner: Studien, S. 75 f. 1159 JvS I, Ep.122, S. 202. 1160 Siehe die Anmerkungen zu den Epp. 122, 124 und 125 in Early Letters, ed. Millor u. a. Einer der weiteren Hinweise darauf, dass Arnulfs Quanta tempestate Johannes vorgelegen haben soll, ist die Verwendung von Bibelstellen wie 2. Korinther 1,3. Dass diese allerdings häufig vorkamen, gestehen selbst die Verfasser ein. 1161 Vgl. JvS I, Ep.124, S. 206 mit JvS I, Ep.122, S. 201. 1162 Vgl. Lucan Pharsalia, ed. Housman, S. 11 I, v. 256: nos primi Senonum motus Cimbrumque ruentem / uidimus et Martem Libyes cursumque furoris / Teutonici: quotiens Romam fortuna

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Quanta tempestate zu tun, aus dem er viele Ideen für seinen eigenen Pavia-Kommentar an Radulf von Sarre zog. Außerdem war das Vorurteil der ungestümen Deutschen zu weit verbreitet, um eine zwingende Parallele ­zwischen beiden Briefen zu ziehen.1163 Für ­dieses Dokument überspannt es daher den Bogen, aus der Ähnlichkeit des Terminus furor oder inpetus Teutonicorum einen gemeinsamen textuellen Zusammenhang zu schließen. Über Quanta tempestate kann der Bezug auf die Vorgängerschismen zu einem Zeitpunkt vor Einberufung der Londoner Synode also nicht erfolgt sein. Es ist unwahrscheinlich, dass Arnulfs Epistel zur Zeit des erzbischöflichen Briefes an den König bereits in England vorlag. Ähnliche inhaltliche Nähe mit Arnulfs Quanta tempestate wie sie etwa das spätere Angustiarum nostrarum erkennen lässt, zeigt Theobalds Schreiben an Heinrich II. nicht. Warum auch hätte Johannes von Salisbury so dringlich versuchen sollen, durch sein persönliches Netzwerk den Reimser Erzbischof von Alexanders Sache zu überzeugen? Wahrscheinlicher ist, dass die Deutungsideen des normannischen Bischofs über andere Kanäle, etwa durch die Zisterzienser oder personale Bindungen ­zwischen dem normannischen Königshof und der familia von Canterbury verbreitet wurden.1164 Auch als Teil des potenziellen in Brit. Libr. Cotton Faustina B1 überlieferten Londoner Dossiers wäre Arnulfs Benedictus deus dem Sekretär des Primas zu Augen gekommen. Die Deutungsmuster gehen daher mit großer Wahrscheinlichkeit auf Benedictus deus zurück, das auch Millor, Butler und Brooke als eine Vorlage für Johannes’ Pavia-Polemik ausmachen.1165 Da dessen Überlieferungssituation auf eine Zirkulation in zisterziensischen Kreisen verweist, könnte Arnulfs früher Brief der Kanzlei von Canterbury noch vor dem Londoner Manifest vorgelegen haben. So zeigt sich der dort bei Arnulf aufscheinende Gedanke, vergangene Schismen ­seien richtungsweisend für die eigene Zeit, bei Johannes von Salisbury schon vor s­ einem lacessit, / hac iter est bellis. Dazu: Ernst Dümmler: Über den furor Teutonicus, in: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1897), S. 112 – 126. 1163 Siehe die Ausführungen zur Verbreitung in Italien, Frankreich, England, Ungarn in ebd. Neben Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury identifiziert Florin Curta: Furor Teutonicus. A Note on Ethnic Stereotypes in Suger’s Deeds of Louis the Fat, in: The Haskins Society Journal. Studies in Medieval History, 16 (2005), S. 62 – 76 auch Ekkehard von Aura und Suger von Saint-Denis als prominente Quellenautoren, die den Terminus mit diffamatorischer Absicht ­nutzen. 1 164 Als Verbindungsmann käme etwa der Arnulf aus Studientagen bekannte Wilhelm de Vere in Frage, der damals zeitgleich im Dienst des Königs und des Erzbischofs von Canterbury gestanden zu haben scheint. Siehe AvL Ep. 26. 1165 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 208, Anm. 11 – 12.

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Pavia-Kommentar. Schon in Etsi propriis et priuatis nutzte er gegenüber H ­ einrich II. die historischen Analogien als Argument zur Begünstigung A ­ lexanders III . Nach einem Hinweis auf die historischen Erfolge der von der französischen ­Kirche unterstützten Kandidaten will Johannes mit seiner – wenn auch etwas sperrigen und chronologisch verwirrten – namentlichen Auflistung der gegenpäpstlichen Kontrahenten von Mauritius Burdinus bis Anaklet II. daran erinnern, dass auch die eigene Zeit das unglückliche Ende jener Päpste gezeigt habe, die von Kaiserhand der ­Kirche eingeführt worden s­ eien.1166 Die Analogie wirkt allerdings noch rudimentär und ungelenk. Wortwahl und Ton sind, passend in einem Brief eines Erzbischofs an seinen Monarchen, gemäßigt und weniger polemisch als in Johannes’ späteren Worten an Radulf. Bis auf die fehlende Unterfütterung durch eine gezielt antideutsche Polemik ist die Idee jedoch dieselbe wie im Pavia-Kommentar. In dem Verweis auf die Usurpatoren, die in früheren Schismen durch kaiserliche Intervention die Cathedra Petri errungen hatten, findet sich also eine inhaltliche Gemeinsamkeit z­ wischen Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury. Allerdings betont Johannes mit Vorliebe ihr Scheitern und knüpft damit geschickt an die Warnung vor kaiserlicher Einflussnahme aus dem vorhergehenden Absatz an. Der Akzent auf die Niederlage, sozusagen den infelix exitus der Kaiserpäpste, und vor allem die additive Auflistung der Exempla reflektieren den Hauptgedanken der saresberiensischen Tyrannenlehre. Die vermittelte Botschaft sollte anregen, aus histo­ rischer Perspektive über die Konsequenzen einer falschen Obödienzentscheidung nachzusinnen. Sie erinnert noch einmal sowohl an die Verpflichtung des guten Fürsten zur Sorge um die K ­ irche als auch an die göttliche Unterstützung jener Partei, die im Einklang mit Gerechtigkeit und Wahrheit stehe: Nobis ergo prouideat dignatio uestra, uestrumque in partem illam Deus inclinet assensum quae iustitiae et ueritati innititur et, Christo propitio, triumphabit.1167 Dass der Schlusssatz von Theobalds Schreiben an Heinrich noch einmal den organologischen Kooperationsgedanken unterstreicht, legt nahe, dass Johannes von Salisbury mit der Einfügung dieser subtilen Reminiszenz an den Policraticus hoffte, dass dessen Lehren dem König vermittelt worden und präsent waren und somit das gewünschte königliche Handeln anstoßen könnten.1168 Weder in Ausrichtung noch in Ausgestaltung dieser ersten Lateranpassage zeigen sich bei Johannes von Salisbury und Arnulf von Lisieux größere Unterschiede. 1 166 Vgl. JvS I, Ep. 122, S. 202. 1167 Ebd. 1168 Vgl. ebd.: Et, si uobis placet, in tanto periculo totius ecclesiae Dei utendum est uobis consilio regni uestri, nichilque in praeiudicium eius statuendum est sine consilio cleri uestri.

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­ ennoch ist es eher unwahrscheinlich, dass sich Johannes’ Blick auf historische D Präzedenzfälle, ohnehin ein beliebtes Erklärungsmuster, hier auf Arnulfs Vorbild in Benedictus deus stützte. Eine ­solche Perspektive entsprach damals, wie noch erläutert werden wird, nicht mehr kurialen Vorgaben und wäre somit wohl nicht von Arnulf jenseits des Ärmelkanals verbreitet worden. Anders sieht es im Falle von Johannes’ Angustiarum nostrarum aus, das bereits Ingo Herklotz auf seiner Spurensuche des schriftlichen Widerhalls der calixtinischen Fresken im Lateran als „von Arnulf abhängig“ 1169 ausgewiesen hat. Herklotz beruft sich dabei auf beider Rückgriff auf das historische Exemplum im Allgemeinen und auf eine analoge Wortwahl im Speziellen, gesteht jedoch Johannes’ Beschreibung auch eine „eigene Note“ 1170 zu. Meines Ermessens nach erschöpfen sich die Analogien der Passage im Hinweis auf die Lateranfresken und die darauf abgebildeten Gegner als scabellum als Verbildlichung des Gedankens des immanenten Triumphes und der Läuterung der K ­ irche. Abgesehen davon liegen beiden Verweisen unterschiedliche Aussageintentionen zugrunde. Im Gegensatz zu Arnulfs erbaulichem Hinweis auf die Superiorität des rechtgläubigen Papsttums und seiner diesbezüglichen Betonung der conculcatio-Idee besteht die eigene Note des Johannes von Salisbury klar in der Betonung der Urheberschaft der Schismen. Was bei Arnulf nur dem Kenner der histo­rischen Materie klar vor Augen stehen würde, nämlich die Tatsache, dass sich das calixtinische Bildprogramm auf die Kaiserpäpste beschränkte, erhebt Johannes von Salisbury zum Kernpunkt seiner Aussage: Et forte ad purgationem et probationem ecclesiae Romanae Teutonicorum inpetus tamquam Cananaeus alter relictus est in aeternum, ut semper ad eruditionem ipsam inquietet uictusque corruat, ipsaque fortior, gratior et gloriosior Sponsi reddatur amplexibus post triumphum. Sic ad gloriam patrum, teste Lateranensi palatio, ubi hoc in uisibilibus picturis et laici legunt, ad gloriam patrum scismatici quos secularis potestas intrusit dantur pontificibus pro scabello, et eorum memoriam recolunt posteri pro triumpho.1171

Johannes von Salisbury geht es um den didaktischen, belehrenden Charakter der Fresken, w ­ elche die historischen Präzedenzfälle als zukunftsweisendes Exemplum 1169 Herklotz: Beratungsräume, S. 152. In Anbetracht des möglichen Umlaufs von Benedictus deus in zisterziensischen und anderen kirchlichen Kreisen vor der Synode von London entbehrt die Rückführung der Lateranpassage in Angustiarum nostrarum auf Arnulfs Verweis auf die calixtinischen Fresken nicht einer gewissen Wahrscheinlichkeit. 1170 Ebd. 1171 JvS I, Ep. 124, S. 207 f.

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einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machten.1172 Wenig verwunderlich, dass der Angelsachse diesen auch für seine eigenen Zwecke, nämlich Radulf von Sarre und dessen erzbischöflichen Herrn von Alexanders Legitimität zu überzeugen, heranzieht. Im ausgehenden Jahr 1159 war Arnulf von Lisieux aus Informationsmangel oder perspektivischer Differenz die Rolle des römischen Kaisertums nicht als formativer Faktor der Ereignisse erschienen. Johannes von Salisbury aber schrieb ein halbes Jahr ­später, im Frühjahr 1160, aus einer ganz anderen Situation heraus. Die Entschlüsse des Konzils von Pavia hatten alles überlagert. Die offizielle Synodalenzyklika schien eben erst ihren Weg an den englischen Primatialsitz gefunden zu haben und Johannes’ Angustiarum nostrarum war die erste, wenn auch inoffizielle, Reaktion aus Canterbury. Dementsprechend zeigte sie die geballte Entrüstung über das Gebaren Friedrichs I. Barbarossa als vermeintlichem Urheber des Schismas. So wird der Hinweis auf die Lateranfresken zu einer Facette des polemischen Angriffs auf den Staufer und das römisch-deutsche Kaisertum im Allgemeinen. Wie an den glücklosen Gegenpäpsten des Investiturstreites, jenen der K ­ irche von der weltlichen Gewalt unrechtmäßig aufgedrängten Schismatikern und ihren kaiserlichen Unterstützern abzulesen sei, ­seien es stets die Deutschen und ihre ­Kaiser gewesen, die den Kirchenfrieden mutwillig gestört hätten.1173 Wie seine Vorgänger Heinrich IV . und V. sei Friedrich Barbarossa nur einer dieser „plumpen und ungestümen“ 1174 Deutschen, der aus Machtgier die ­Kirche korrumpiere. Die Geschichte wiederhole sich. Damals wie heute ­seien der Frevel des Gegenpapsttums und die Anmaßung der kaiserlichen Gewalt untrennbar verknüpft. Für Johannes war Pavia das Ergebnis eines schismatischen Kaiserkonzils, auf dem die Deutschen einmal mehr versuchten, die ­Kirche zu unterjochen. Betrachtet man seine Lateranpassage in ihrem textuellen Kontext, ist sie nichts anderes als eine Einleitung in eine detaillierte Dekonstruktion der Rechtmäßigkeit der Paveser Versammlung und ihrer Beschlüsse. Johannes von Salisbury interessierten in seinem Verweis auf die calixtinischen Fresken eben nicht die daraus ableitbaren Implikationen über den Hegemonialstatus des päpstlichen Primats, sondern die Abbildung einer Menge von Prätendenten, die am Ende alle unterlegen waren: eine klare Ausrichtung auf das unausweichliche, schändliche Ende fürstlicher und kirchlicher Despoten. Der Lateranzyklus wird zum bildlichen Beweis des Triumphs über das Böse, nicht, wie bei Arnulf von Lisieux der Fall, zur Glorifizierung der siegreichen Partei. 1172 Zur Zugänglichkeit der calixtinischen Lateranfresken für einen größeren Personenkreis siehe Herklotz: Beratungsräume, S. 166. 1173 Vgl. JvS I, Ep.124, S. 207 f. 1174 Vgl. ebd., S. 206.

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Eine ähnlich breite politische Deutung wie die Anwendung der polikratischen Lehre vom schlechten Ende der Tyrannen bei Johannes von Salisbury ist bei Arnulf von Lisieux nicht zu finden. In Benedictus deus wie in Audita sancte zieht er sich lieber in generalisierende Rhetorik zurück, statt die gegnerische Partei explizit zu nennen.1175

1.1.4  Papst Innozenz II. als historisches Exemplum Da Benedictus deus Alexander Mut zusprechen sollte, den vorübergehenden tempora tribulationis mit Gottvertrauen entgegenzutreten, stellte es eine Botschaft bewusst in den Mittelpunkt: In Zeiten der Bedrängnis, so Arnulf, habe der gnädige und barmherzige Gott „Männer der Tugend und der Klugheit [hervorgebracht], die stark genug ­seien, die Verwegenheit des Zufalls zurückzuschlagen und verst[ünden], sich von der Verschlagenheit der Bosheit abzuwenden“ 1176. Dem Lobpreis eines solchen vir virtutis et consilii sind die weiteren Ausführungen gewidmet. Der neue pontifex maximus solle sich Papst Innozenz  II. zum leuchtenden Vorbild nehmen. Der Triumphator von 1138 wird zum nachahmungswürdigen Exempel. Um Arnulfs Strategie ganz zu erfassen, bedarf es einer ­kurzen Einordnung von Stellung und Funktion des historischen Exemplum in der gelehrten Kommunikation des Hochmittelalters. Darin wird kein weiterer Beitrag zum diffizilen Ringen um eine fächergreifende Definition, sondern nur die Hauptcharakteristika des historischen Beispiels vorgestellt, die seiner Verwendung durch Arnulf von Lisieux zugrunde lagen.1177 Als eines der wichtigsten Argumentationsmittel der antiken Rhetorik war das historische exemplum Arnulf wahrscheinlich in der antiken Definition der im 12. Jahrhundert noch Cicero zugeschriebenen und sehr einflussreichen Rhetorica 1175 Vgl. AvL Ep. 24, S. 31 bzw. 33: adversitas, malignitatis infestio oder malignitatis astutia. 1176 Vgl. ebd., S. 31. 1177 Einführend: Claude Brémond/Jacques Le Goff/Jean-Claude Schmitt: L’exemplum, Turnhout 1982 (Typologie des sources du moyen âge occidental, 40). Spezifizierende Begriffsgeschichte und Definition für die hochmittelalterliche Ausprägung des Exemplums im Verständnis des Historikers: Moos: Geschichte. Die Disparität interdisziplinärer Vorstellungen hat ebd., S. 40 umrissen: „Während Philologen und Rhetorikforscher von der rhetorischen Praxis der Antike her unter Exemplum vornehmlich einen Helden, eine historische Beispielfigur aus der Galerie großer maiores (wie Cato, Regulus, Facricius), ergänzt um die nachahmenswerten Gestalten der Bibel und die christlichen Heiligen, verstehen, können Volkskundler und Erzählforscher darin nur die homiletische Kurzerzählung, das sog. Predigtmärlein sehen, ein nicht notwendig historisches, jedenfalls unterhaltsam erbauliches Geschichtchen, verwandt mit Fabel, Schwank, Märchen oder Novelle.“

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ad Herennium (Buch IV, Kap. 49, 62) bekannt 1178: Exemplum est alicuius facti aut dicti praeteriti cum certi auctoris nomine propositio. Zwei konstitutive Merkmale des mittel­alterlichen Gebrauchs waren also der Rückgriff auf vergangene Äußerungen und Taten und Bezug auf eine Autoritätsperson, die seine Relevanz und seinen Wahrheitsgehalt verbürgte. Die interdisziplinäre Definition von Brémond, Le Goff und Schmitt inkorporiert weitere Charakteristika und soll als Grundlage dieser Betrachtung dienen. Sie definiert das Exemplum als „[r]écit bref donné comme véridique et destiné à être inséré dans un discours (en général un sermon) pour convaincre un auditoire par une leçon salutaire“ 1179. Benedictus deus folgt dem Postulat der Kürze (ein Absatz für die entsprechende Passage) und bezieht zudem seine Authentizität auf klassischem Wege auch aus der persönlichen Autorität des Verfassers – in ­diesem Fall gleichzusetzen mit seiner eigenen, individuellen Erfahrung.1180 Elegant, aber wenig bescheiden lässt Arnulf diesen Punkt in seine Ausführungen einfließen, bezieht noch geradezu mühelos seinen päpstlichen Adressaten mit ein.1181 Dieser Adressatenbezug ist nicht nur Kennzeichen des Exemplum, sondern auch integraler Bestandteil seiner Zielsetzung. Ob heidnisch oder christlich, gemäß der antiken Rhetorik wollte es Überzeugungsarbeit leisten, was auch seine ausgeprägte Beliebtheit in der homiletischen Praxis, insbesondere bei den neuen Orden, erklärt.1182 Die eigentliche persuasive Schlagkraft entsprang dabei der immanenten Würde der Geschichte, d. h. der Vergangenheit, in der die Anekdote angesiedelt war, und der Würde des Anekdotenhelden. Hierin liegt auch einer der Hauptunterschiede ­zwischen dem antiken Exemplum und seiner christlichen Adaption:1183 1178 Zum exemplum als antikem Rhetorikbegriff etwa bei Aristoteles, Quintilian, dem Auctor ad Herennium oder Isidor von Sevilla und der weiteren Genese als christliches Instrument siehe ebd., S. 48 – 80. 1179 Brémond u. a.: Exemplum, S. 37. 1180 Wobei sich zumindest für den Gebrauch im Bereich der antiken Rhetorik der Umfang des Exempels, nach Faktoren wie dem Bildungshorizont des Adressaten oder den Möglichkeiten der Rezeption richten konnte. Siehe Moos: Geschichte, S. 62. 1181 Vgl. AvL Ep. 24, S. 31: Memini ego, nec id a uestra reor excidisse memoria, […]. 1182 Siehe die ciceronische Definition aus De Inventione, I, 49: Exemplum est, quod rem auctoritate aut casu alicuius hominis aut negotii confirmat aut infirmat. Die Vorzüge des exemplum als Überzeugungs- oder Bekehrungswerkzeug wurden nicht nur von Ambrosius erkannt (Ambrosius Mediolanensis De Virginibus libri tres, in: Jacques Paul Migne (Hg.): Sancti Ambrosii Mediolanensis episcopi opera omnia. Bd. 2,1, Paris 1845 (Migne PL, 16), Sp. 187 – 232, hier: Sp. 207), sondern waren auch Lexika und Predigttraktaten des 13. Jahrhunderts noch bewusst. Dazu Brémond u. a.: Exemplum, S. 30 f. 1183 Vgl. ebd., S. 44.

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„Ce rapport au passé n’est pas le même pour les hommes de l’Antiquité et pour ceux du Moyen Age. Pour le Grecs et les Romains, il s’agit de prendre à témoin un passé glorieux que le présent entraîné dans un processus de décadence, un passé qui fonde le présent […]. Pour les chrétiens du Moyen Age, le recours à l’histoire est moins un appel à un temps fondateur qu’une preuve d’authenticité, de réalité, de vérité historique, « par que cela a bien existé », l’anecdote est « vraie » au sens événementiel.“ 1184

Das Geschichtsbewusstsein des Gebildeten im christlichen Mittelalter war ein „gegenwartsorientiertes Vergangenheitsbewußtsein“, mit dem der Zeitgenosse „mit ganz bestimmten, zeitbedingten Interessen in die Vergangenheit zurück[schaute]“ 1185. Dazu gehörte auch die gezielte Suche nach Vorbildern, die moralische Vorstellungen und Leitlinien zum richtigen Handeln vermittelten.1186 Fündig wurde man zum Beispiel in den historiographischen Tatenberichten historischer Persönlichkeiten, die als Autoritäten geschätzt wurden.1187 So erfuhr das Vergangene eine Aktualisierung, indem man es zur Verdeutlichung mahnend (Deportation) oder zur Nachahmung empfehlend (exhortatio) einer gegenwärtigen Krise gegenüberstellte. Die Vergangenheit wurde zur Bereinigung gegenwärtiger Probleme „als ein idealisiertes Korrektiv empfunden und der eigenen Zeit spiegelhaft entgegengehalten […]“ 1188. Da der mittelalterliche Mensch zur Verortung seiner eigenen Position in der Heilsgeschichte stets in zwei Richtungen schaute, erhielt die Geschichte nicht nur aufgrund ihres Ereignis-, sondern auch aufgrund ihres Sinngehalts eine aktuelle Bedeutung.1189 Zwischen dem Blick in die Zukunft als Endpunkt der teleologischen Menschheitsreise und der Überzeugung, dass die Vergangenheit das Fundament dieser Zukunft, und damit des göttlichen Erlösungswerkes bildete, wurde die Heilsgeschichte als

1184 Ebd. 1185 Beide Zitate: Hans-Werner Goetz: Die Gegenwart der Vergangenheit im früh- und hochmittelalterlichen Geschichtsbewusstsein, in: HZ 255, 1 (1992), S. 61 – 98, hier: S. 72. Die Publi­ kation beschäftigt sich intensiv mit dem mittelalterlichen Vergangenheitsbegriff. Obgleich sich die Argumentation auf die mittelalterliche Historiographie stützt, sind die Ergebnisse universeller Natur und damit auch auf andere Schriftgattungen übertragbar. 1186 Vgl. ebd., S. 74 f. 1187 Vgl. Hans-Werner Goetz: Geschichte als Argument. Historische Beweisführung und Geschichtsbewusstsein in den Streitschriften des Investiturstreits, in: HZ 245 (1987), S. 31 – 69, hier: S. 72: „Die Geschichte war ein wichtiges Erkenntnismittel. Historiographie wurde nicht nur um des historischen Wissens (und des Geschichtsplans Gottes) willen verfaßt, sondern regelrecht nach gegenwartsrelevanten Ereignissen durchsucht, benutzt, angewandt.“ 1188 Goetz: Gegenwart, S. 95. 1189 Vgl. Benzinger: Wesen, S. 306.

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„eine Art höherer Wirklichkeit“ 1190 wahrgenommen.1191 Vor allem das Aufscheinen des providentiellen göttlichen Plans in Form von signa im Verlauf der Weltgeschichte diente als Orientierungshilfe dafür, was aktuell als bedeutsam empfunden wurde und verlieh dem Exempel seinen historisch-prognostischen Charakter.1192 Folgerichtig hatte dieser Glaube in die Beweiskraft der Vergangenheit Auswirkungen darauf, ­welche argumentativen Gegenstände als besonders effektiv empfunden wurden: „D’où la propension plus ou moins grande des auteurs ­d’exempla médiévaux à mettre en avant l’exemplum récent et même contemporain, celui dont on peut trouver des témoins vivants, celui que conserve la mémoire courte.“ 1193 Dass Arnulf von Lisieux die Situation Innozenz’ II ., also einen seit Generationen noch präsenten Erinnerungsgegenstand, heranzog, ist demnach wenig verwunderlich. Allerdings empfahl sich diese am Ende des Jahres 1159 nicht nur durch Arnulfs Zeitzeugenschaft als Vergleichspunkt. Der fast analoge, repetitiv erscheinende Charakter beider Schismen, etwa die Spaltung des Kardinalskollegiums in zwei Lager oder die Rolle des römischen Adels als Machtpfeiler eines Kandidaten, blieben unter Zeitgenossen nicht unbemerkt. Auch drei Jahrzehnte nach dem Papstschisma von 1130 war das Geschehen präsent genug, um auf dem Konzil von Pavia als Präzedenzfall für die Anerkennung eines früher immantierten Kandidaten diskutiert zu werden.1194 Analogieschlüsse ­zwischen Gegenwart und Vergangenheit verliehen dem Exempel letztlich seine Effizienz als Mittel der Wirklichkeitsbewältigung: „Eine Handlung, deren Ausgang man noch nicht kennt, wird über einen Analogieschluss mit einer ähnlichen Handlung der Vergangenheit, deren Ausgang man kennt, verglichen und dadurch als tunlich oder untunlich erwiesen.“ 1195 Peter von Moos’ Beschreibung 1 190 Ebd. 1191 Vgl. Goetz: Gegenwart, S. 66. 1192 Vgl. Richard William Southern: Aspects of the European Tradition of Historical Writing. III: History as Prophecy, in: Transactions of the Royal Historical Society, Fifth Series 22 (1972), S. 159 – 180, hier: ab S. 168. 1193 Brémond u. a.: Exemplum, S. 44. 1194 Der Konzilsbericht Eberhards von Bamberg berichtet, dass man unter anderem Viktor den Vorzug gegeben habe, quia domini Victoris admantatio prior, illa [i. e. Alexander III .] posterior, quo solo Innocentius Anacleto prevaluit, cum Anacletus plures et maxime scientie et auctoritatis electores haberet (Nr. 50. Convenientibus in unum Papie, in: Admonter Briefsammlung, ed. Hödl/Classen, S. 99). Auch in der offiziellen Synodalenzyklika Quia sedis: Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, iv, 81, S. 696 und No. 190. Encyclica concilii, in: MGH Const. 1, S. 268, Z. 10 – 21. Zum Vergleich siehe Virtus in pace, ed. Winkler, S. 870 f. 1195 Moos: Geschichte, S. 5 f.

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des Wirkprozesses liest sich wie eine Anleitung zu dessen Umsetzung in Benedictus deus. Dabei spielt nicht die eigentliche Situation als Prozess (d. h. die Doppelwahl von 1130 oder ihre direkten Folgen) bei Arnulf die entscheidende Rolle, sondern die Reduktion der komplexen Sachverhalte auf eine berühmte Person. In der antiken Rhetorik war dies gängige Praxis. Auf Quintilian gestützt, beschreibt von Moos den einleuchtenden Grund: „Eine Darstellung, die ausführlicher wird, als für das Verständnis der res certi unbedingt notwendig, läuft Gefahr, von der zentralen res dubia abzulenken oder gar das von vorneherein evidente Beispiel, das lediglich evoziert werden soll, durch Umständlichkeit zu verwässern.“ 1196

Zudem weist besonders die christliche Version eine Tendenz auf, den Unterschied ­zwischen dem im Exemplum repräsentierten und dem tatsächlich Geschehenen zu negieren, um „die ferne, tote, abwesende Modellgestalt wie eine lebende, nachahmenswerte oder Nachfolge heischende Person unmittelbar vor Augen zu stellen“ 1197. Die Gegenüberstellung Alexanders mit seinem Vorgänger in Arnulfs Benedictus deus war also im funktionalen Sinne eine didaktische Reduktion, die den A ­ dressaten auf das Wesentliche fokussieren sollte. Der Verweis auf den historischen Analogiefall wird mit Hilfe des autoritativen Vorbilds einer hochgeschätzten Persönlichkeit bewusst zur Entscheidung einer bestimmten Frage herangezogen.1198 Als solcher dient er sozusagen als moralischer und handlungspraktischer Leitfaden für die gegenwärtige Situation. Auf diese Weise kann Arnulf aus der Analogie ganz pragmatische Empfehlungen zur Sicherung von Alexanders Autorität als Oberhirt der ­Kirche ableiten: Vestrum quoque est, quotiens refulget occasio, prouintias omnes frequentibus uisitare mandatis, ut ab omne parte nomini uestro et obedientie pariter assuescant, quia non erit qui uel litteras non recipere uel mandatis audeat obuiare.1199

Ein Rat, der zweifellos nicht zuletzt auf Arnulfs Wissen über den entscheidenden Erfolgsfaktor Innozenz’ II. beruhte, dessen aktive Strategie des Obödienzaufbaus im christlichen orbis zur Überwindung seines Rivalen mit seiner in der römischen urbs 1196 Ebd., S. 61 f. 1197 Ebd., S. 89. 1198 Vgl. Jürgen Ziese: Historische Beweisführung in den Streitschriften des Investiturstreites, München 1972, S. 12. 1199 AvL Ep. 24, S. 33.

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wurzelnden Machtbasis geführt hatte.1200 Als logische Schlussfolgerung aus dem Kontinuitätsdenken der Geschichte wird der gesamte Bezug auf Innozenz  II. nicht nur zum pragmatischen, sondern auch zum moralischen Vorbild für dessen bedrängten Nachfolger. Schließlich hatte Innozenz’ Verhalten letztlich zu seiner Anerkennung als Oberhaupt der ­Kirche geführt.1201 Arnulf schreibt ihm außergewöhnliche Amtseignung durch einen ganzen Katalog tugendhafter Eigenschaften zu. Da ist von einem Pontifikat die Rede, in dem K ­ irche und Spiritualität aufblühte, indem dem Bischof von Rom der Gehorsam der Fürsten gehörte, und von einem Mann voller Tugend, der im Ebenmaß Disziplin und Strenge aufbrachte und niemals dem Ruf weltlicher Verlockungen nachgab.1202 Alles in allem ist dies das Bild eines ebenso aktiv-autoritativem wie moralisch-spirituellem vorbildlichen Idealpapstes, eines von Gott gesandten Exemplums. Dabei entspricht Arnulfs Darstellung Innozenz’ II . als eines spirituellen Charismatikers, der die Einöde mit Eremiten füllte, die ­Kirche in neuer Reinheit erstrahlen ließ und dessen Vorbild die ihm Anvertrauten durch ethische Exemplarität und Autorität gleichsam zum Heil führen wollte, nicht nur populären Vorstellungen des 12. Jahrhunderts, sondern auch dem Papstverständnis seiner eigenen Invectiva von 1133.1203 Ein weiteres Mal rücken Idoneität und Amtseignung des politischen Favoriten, resultierend aus der Kongruenz ­zwischen charakterlicher Vorbildhaftigkeit und den Aufgaben des Amtes, in den Vordergrund. Wie sich Arnulfs Schismabild aus seiner Erinnerung an jenes von 1130 speist, so speist sich seine Vorstellung des päpstlichen Protagonisten in Benedictus deus in stark verkürzter Form aus seinem monastisch-asketischen Verständnis eines Idealpapstes, in dem sich Enthaltsamkeit und Opferbereitschaft für die Gemeinschaft zu einer amtswürdigen Christus-Imitatio verbanden: Dominus autem sublimauit cornu Christi sui, ut in eo unitas ecclesie reformari posset, et regnum ipsius omnibus dominari. Memini ego […] quanta ad mandata eius principes reuerentia mouerentur, quam sullimis extiterit, quantaque maiestate refulsit ecclesia, quantum in diebus eius religio munda et immaculata profecerit, adeo ut plures hodie religiosorum deserta contineant, quam ferarum olim habuerint bestiarum.1204

1200 Diese und andere Argumentations- und Lösungsstrategien durchleuchtet Johrendt: Schisma, S. 132 – 133, 142 – 161. 1201 AvL Ep. 24, S. 31. 1202 Vgl. ebd., S. 31 f. 1203 Siehe ebd., S. 31. 1204 Ebd.

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Auch wenn der Märtyrergedanke hier nicht so expliziert wird wie in der literarischen Gestaltung der Invektive, in der Innozenz trotz Gewaltandrohungen die Annahme der Papstwürde verweigert, wird doch das Thema der Selbstaufgabe angesprochen, wenn Arnulf den Elekten zur Annahme der schweren Verpflichtung mahnt 1205: Neque enim incerta uobis est aut longinqua uictoria, sed humilitas uerecundie uestre punitur ad tempus, que congregatis in spiritu sancto patribus distulit obedire. Pari etenim culpe tenetur obnoxius, qui uocationem domini preuenit uel recusat oblatam.1206

Auffällig ist auch, w ­ elchen Stellenwert gerade der Bescheidenheits- und Demutstopos in der innozenzianischen Obödienzwerbung einnimmt. Von der Zurückhaltung Alexanders III., der die Verweise auf seine fehlende Eignung für das höchste Kirchenamt auf ein Minimum beschränkt und die Beteuerung seiner Demut lieber seinen Kardinälen überlässt, spürt man bei Innozenz II. nichts.1207 In seinem zweiten Schreiben an König Lothar III . vom 11. Mai 1130 widmet er eine gesamte Passage seiner gehorsamen Unterwerfung unter die Entscheidung seiner Wähler. Im spezifischen Kontext der damaligen Doppelwahl diente diese allerdings nicht zuletzt auch dem Freispruch Innozenz’ II. von den Vorwürfen der Habgier und Anmaßung, die seiner überfallartigen Erhebung entgegengesetzt wurden: Quo nimirum humanae conditionis exempto, quod ego dignus non fui, episcopi et Catholici cardinales me licet invitum, et renitentem in Romanum pontificem unanimiter elegerunt. Quibus, ut ante Deum loquar, nullo ambitionis honore, nulla omnino praesumptione assensum praebens, sed sola tot tantorumque religiosorum virorum, non absque gravi periculo contemnenda, compulsus obedientia, confisus insuper de omnipotentis Dei misericordia injunctum mihi officium ad honorem Dei et Ecclesiae Romanae suscepi.1208

1205 Vgl. Invectiva, ed. Dieterich, S. 97 f. 1206 AvL Ep. 24, S. 32. 1207 Nur zweimal wird Alexanders Unzulänglichkeit erwähnt: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41, S. 80 f.: tribus diebus de ipsa electione tranctantes tandem in personam nostram insufficientem huic oneri et tantę dignitatis fastigio minime congruentem omnes fratres sowie Unde et ipse Octavianus in tantam audatiam vesaniamque prorupit, quod mantum, quo nos reluctantes et renitentes, quia nostram insufficientiam videbamus, iuxta morem ecclesie Oddo prior diaconorum induerat, tanquam arreptitius a collo nostro propriis manibus violenter ­excussit […]. 1208 Migne PL 179, Nr.  IV , Sp. 55. Siehe auch Innozenz‘ Worte an die Geistlichen und Laien Englands. Gedruckt in: Giesebrecht: Kaiserzeit IV, S. 504. In dem zwei Monate zuvor versendeten Schreiben bezeichnet sich der Elekt als indignu[s] et inutil[is] servu[s]. An

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Auch wenn die Thematik für Alexander III . zwei Jahrzehnte s­ päter nicht mehr so dringlich sein mochte wie für Innozenz, sehen wir, dass Arnulf von Lisieux den in der Invektive meisterhaft ausgestalteten Demutstopos zu Beginn des neuen Schismas als ebenso bedeutsam und zielführend empfand wie im hitzigen Klima der innozenzianischen Propaganda der 1130er Jahre. Das Vokabular, mit dem der Bischof von Lisieux die vorbildliche Führung und Läuterung der ­Kirche während des Papareschipontifikats beschreibt, erinnert an jene reformatorischen Zeiten, in denen der junge Arnulf von Sées sozialisiert worden war. Doch liegt es dem mittlerweile gealterten Pragmatiker auch ­dieses Mal fern, sich in rein moralischen Sphären zu verlieren. Ähnlich wie Johannes von Salisbury, aber auf eine ausgeprägt retrospektivere Art als dieser, will er durch seine Ausführungen eine Handlungsmaxime formulieren, eine Gebrauchsanweisung zum Umgang mit dem Schisma liefern.1209 In Anbetracht der versöhnlichen Tendenz der späteren Politik Alexanders III., die noch Jahre nach Ausbruch des Schismas Vorwürfen des Wankelmuts begegnen musste, klingen die ermahnenden Worte des Bischofs von Lisieux fast prophetisch: Arbitrabatur ille ad regendos homines utendum potius sobriae seueritatis disciplina quam remissae misericordiae lenitate, deo potius quam hominibus placere desiderans, ne ob gratiam hominum coram deo posset contemptibilis apparere. Unde et uirtus eius semper inter aduersa maior enituit; nec tanta postmodum prosperitatis eius insignia claruerunt, quanta precedentis aduersitatis adhuc magnalia celebrantur.1210

Der Eindruck entsteht, dass Arnulf durch die Hervorhebung der Durchsetzungskraft Innozenz’ II. einer wesensmäßigen Neigung Alexanders III. zu Milde und Nachsicht eine Alternative entgegensetzen will. Zwar zeigen sich noch leichte Anklänge an die monastischen Vorstellungen des Idealpapstes, die sich im christusförmigen Innozenz der Invektive finden (z. B. der Hinweis auf den Aufstieg des Eremitentums während seiner Amtszeit), doch treten diese gegenüber anderen, machtpolitischer orientierten Tugenden zurück. Gebot der Stunde waren nun Tatkraft und Willensstärke. Vielleicht nicht die größten Tugenden Alexanders III ., denn bald sah sich Arnulf aus aktuellem Anlass dazu genötigt, die konziliante Haltung des Sienesers gegenüber ­ lexanders entsprechende Aussage erinnert auch Innozenz‘ Bekräftigung ad tam gloriosum A opus [i. e. das Papstamt] minus sufficientem credebam […]. 1209 Vgl. Soria Audebert: Temps, S. 359: „Arnoul donne au pape une sorte de mode d’emploi du schisme […].“ 1210 AvL Ep. 24, S. 31.

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den Königen von Frankreich und England und deren Protegés zu kritisieren.1211 Die daraus erwachsende Nachsicht gegenüber Weltklerikern, die als königliche Günstlinge in hohe kirchliche Ämter eingesetzt worden waren, begünstige deren Fehlverhalten und werde zur Bedrohung für erreichte Reformen und die Freiheit der K ­ irche von laikalem Einfluss. Wachsamkeit und Stärke auf päpstlicher Seite müssten helfen, Schlimmeres zu vermeiden.1212 Arnulf von Lisieux betont aber auch Innozenz’ Unabhängigkeit von weltlichen Autoritäten, ein essenzieller Punkt, der bereits in seinem Verweis auf die dem Papst von Seiten der Fürsten gezollten Ehrfurcht anklang.1213 Sein Hinweis auf die wirkenden weltlichen Mächte bleibt jedoch vage. Er könnte auf die an der alexandrinischen Kurie sicherlich bekannte prokaiserliche Tendenz Oktavians von Monticelli und seiner Anhänger anspielen, muss sich jedoch nicht zwangsläufig auf eine kaiserliche Beteiligung am strittigen Resultat der Papstwahl beziehen. Eine polemische Zuspitzung ist also auch hier noch nicht zu erkennen. Generell ist Arnulfs Einordnung des alexandrinischen Schismas in Benedictus deus eben noch auffällig den persönlichen Erfahrungen vergangener Zeiten verhaftet. Der noch unsichere Zugang zur neuerlichen Kirchenkrise führte zu ausgeprägten interpretativen Parallelen zum Schisma von 1130, die – das zeigt die Behandlung des Themas bei Robert von Torigny – im normannischen Bereich kein Einzelfall waren.1214 Für Arnulf allerdings ist der Rekurs weniger Hilfskonstrukt zur Kommentierung eines jungen, noch nicht in allen Einzelheiten durchdrungenen Phänomens als Richtschnur zur Positionierung Alexanders III. Er ist ein Modell zur Entwicklung 1211 Ein weiteres Beispiel für diese zeittypische Vorstellung des Idealpapstes auch außerhalb der Papstviten. Einen aus diesen generierten, diachronen Überblick gibt Johrendt: Papst. 1212 Im speziellen Fall beklagte Arnulf von Lisieux den Aufstieg eines Neffen des Bischofs Froger von Sées, eines solchen königlichen Günstlings, auf ein Archidiakonat in der Diözese, die durch dessen bischöflichen Onkel und entgegen den Willen des von Arnulfs Bruder ­Johannes eingeführten Regularkapitels vonstattengegangen war. Siehe Arnulfus Lexoviensis: Ep. 35. Si ad uestrum littere, in: Letters, ed. Barlow., S. 58 – 63 Ein anderes Beispiel ist Henri de France, Königsbruder und Bischof von Beauvais, dessen verwandtschaftliche Vorrangstellung ihm Übertritte erlaubte, die sonst nicht toleriert worden wären. Siehe Ludwig Falkenstein: Alexandre III et Henri de France. Conformités et conflits, in: Rolf Grosse (Hg.): L’église de France et la papauté (Xe – X III e siècle). Actes du Colloque Historique Franco-Allemand = Die französische ­Kirche und das Papsttum, Bonn 1993 (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia, 1), S. 103 – 176. 1213 Vgl. AvL Ep. 24, S. 31: Neque enim confidebat in homine, neque carnem ponebat brachium suum; sed potius confidebat in domino, et erat dominus fidutia eius. 1214 Vgl. Roberts Berichte zum Ausbruch beider Schismen: RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 324 mit ebd., S. 183.

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einer eigenen politischen Linie, an deren Ende der Triumph des Papsttums und das Wohl der ­Kirche stehen sollten. Um den rechten Weg aus der Krise zu weisen, zieht Arnulf in ­diesem Sinne die Ermunterung zur Nachahmung des innozenzianischen Beispiels einer polemischen Haltung und Selbstvergewisserung Alexanders III. vor. Hierin wird der große Unterschied ­zwischen Arnulfs Appell an die Kardinäle und jenem an Alexander III. deutlich: Benedictus deus lotet nicht die prozeduralen und rechtlichen Aspekte der Situation aus, sondern ist eine von einem erfahrenen Bischof an seinen apostolischen Vater gerichtete Empfehlung. Daher kann Arnulf auf eine Erörterung der Frage nach der kanonischen Korrektheit der Wahl verzichten, um stattdessen die Person und das Potenzial seines Briefpartners in den Vordergrund zu stellen. Sein feierliches Treuegelöbnis nutzt er ebenso zur Verortung seiner eigenen Person in Alexanders Obödienz wie auch als beredten Ausdruck seines tiefen Vertrauens in dessen Potenzial als Wiederhersteller des kirchlichen Friedens: […] ego […] gloriam uestre promotionis amplector, et uos, apostolum Christi, Petri uicarium, pastorem et episcopum omnium qui Christiano nomine censentur, agnosco, et uobiscum catholicam profiteor unitatem. Gaudeo itaque quoniam dies desideratus, dies scilicet exultationis illuxit, quo reuera restitutam credimus uirtutibus gratiam, uirgam uiciis, terrorem principibus, ecclesie libertatem. Gaudeo, inquam, quia ex hoc nunc sermo dei non erit alligatus, sed uerbum eius, quod in ore uestro uerum est, quod impossibile credebatur, facili consummabit effectu.1215

1.1.5  Kuriale Reaktionen: Papst Alexanders III. Litteras a tua nobis Erstaunlich ist, dass Benedictus deus keine direkte Verwandtschaft mit der offiziellen Linie der alexandrinischen Kurie zeigt. Kein Hinweis, keine inhaltliche Anlehnung an die weit verbreitete Wahlanzeige Eterna et incommutabilis, die Alexander III. in direktem Anschluss an die Doppelwahl an bedeutende politische, kirchliche und rechtsgelehrte Akteure in Frankreich, Norditalien und auf den Britischen Inseln versandte. Das Zirkular, das als deutliche Stellungnahme zu Alexanders Selbstverständnis als kanonisch erhobener Elekt einen essenziellen Stellenwert in dessen Strategie der Obödienzgewinnung einnahm, sollte wichtige Entscheidungsträger und Multiplikatoren für die alexandrinische Seite gewinnen. Dabei passte man die Informationen akribisch den neuesten Entwicklungen, etwa der Weihe oder Exkommunikation Viktors IV., an, so dass das Schreiben in drei Redaktionen zirkulierte. Einige ­Empfängergruppen, 1215 AvL Ep. 24, S. 32.

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darunter der englische Klerus, erhielten – zunächst zu Händen ihres Primas und wenig s­ päter an alle englischen Prälaten gerichtet – im Abstand weniger Wochen zwei dieser Fassungen.1216 Die legitimatorischen und kirchenrechtlichen Ideen, die auf ­diesem Weg ­zwischen September und Dezember 1159 als offizielle päpstliche Vorgaben verbreitet wurden, hatten enormen Einfluss auf die Deutung der Krise in der westlichen Welt. Eine Wirkung der Enzyklika auf die von anglonormannischen Autoren propagierten Vorstellungen ist also zu erwarten. Sollte sie tatsächlich keinen Nachhall in der Korrespondenz unseres normannischen Bischofs gefunden haben? Auf der Suche nach dem verfassungs- und kirchenrechtlichen Selbstverständnis Alexanders III. hat Johannes Laudage Eterna et incommunitabilis auf wörtliche und gedankliche Verweise auf die Grundlagen päpstlicher Legitimation beleuchtet. Dabei ging er von der Prämisse aus, dass die Leitintention des Schreibens war, die Erhebung Alexanders III. als iuxta morem ecclesie 1217, nämlich den kanonischen Bestimmungen und der Wahlvereinbarung von Anagni entsprechend, kirchenrechtlich zu rechtfertigen. Im Gegenzug versuchte man den Gegner als widerrechtlichen Usurpator des Apostolischen Stuhls zu deklarieren, der in voller Absicht die Grenzen des kanonischen Rechts übertreten habe.1218 1216 Zur Verbreitung und Überlieferung von Eterna et incommutabilis zusammenfassend Egger: Wahldekrete, S. 121 f. oder Laudage: Alexander, S. 107, Anm. 14. Weitere Details bei Reuter: Schism, S. 232 – 235 und Robert Somerville: The Beginning of Alexander III’s Pontificate. Aeterna et incommutabilis, and Scotland, in: Filippo Liotta (Hg.): Miscellanea Rolando Bandinelli papa Alessandro III., Siena 1986, S. 355 – 368, hier: S. 358. Als authentische Versionen der Rundschreiben gelten Cafari annales a. 1099 – 1294, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.): Annales aevi Suevici, Hannover 1863 (MGH SS, 18), S. 1 – 39, hier: S. xviii bzw. 28 – 29 (JL 10584), das als erste Reaktion auf die umstrittene Papstwahl bereits am 26. September 1159 die Kanzlei verließ. Außerdem die nach der Weihe Oktavians von Monticelli ergänzte Serie JL 10586 – 10590 aus dem Oktober 1159, die auch Theobald von Canterbury erhielt. Die bekannteste Fassung ist jene an Bischof, Domkapitel und Rechtsgelehrten der Stadt Bologna vom 5. Oktober (JL 10587). Sie fand auch Eingang in Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, lib. IV, c. 61, S. 624 – 634. Maßgebliche Edition: Eterna et incommutabilis, ed. Hödl/Classen. Eine dritte Redaktion, deren Textzeugen Jaffé-Löwenfeld zum Teil nicht erfassen, wurde im Verlauf des späten Oktober und Dezember an den Klerus der Königreiche Schottland (Bibl. nat. ms. Nouv. acq. Lat. 692, fol. 60v – 62v sowie Nr. 42, in: Robert Somerville (Hg.): Scotia pontificia. Papal Letters to Scotland before the Pontificate of Innocent III, Oxford 1982, S. 49), Frankreich (Papsturkunden in den Niederlanden, ed. Johannes Ramackers, Berlin 1933 (Abhandlungen der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Phil.-Hist. Klasse, 3,8), Nr. 19, S. 217 – 222), die englischen Prälaten (British Library, Brit. Libr. Cotton Faustina B 1, fol. 2r – 2v) und Norditalien (JL 10601) expediert. 1217 MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41, S. 81, Z. 9. 1218 Vgl. Laudage: Alexander, S. 109.

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Den Beweis der Rechtskonformität von Alexanders Erhebung stützte die alexandrinische Argumentation auf drei Säulen: den Abgleich mit dem Papstwahldekret Nikolaus’  II. aus dem Jahre 1059 als bestehendem Papstwahlrecht, den im 12. Jahrhundert gängigen, etwa im Decretum Gratiani niedergelegten Rechtssätzen der Kanonisten und den traditionellen Rechtshandlungen des päpstlichen Wahlzeremoniells. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Beweisführung umfassten nicht nur handfeste Anlehnungen an die relevanten juristischen Beschlusstexte, sondern auch die Deutung des Wahlherganges im Licht dieser Rechtsmaximen. Folgende Aspekte spielten dabei eine fundamentale Rolle: – die Zusammensetzung der jeweiligen Wählerschaft und deren Auswirkung auf die kirchenrechtliche Legitimation der Kandidaten – die gewaltsame, von gedungenen Bewaffneten durchgeführte intrusio des Oktavian von Monticelli – die von einer einmütigen (unanimitas) Mehrheit ausgeführte Erhebung A ­ lexanders III. – dessen Annahme und Vollzug der Wahl durch den korrekt durchgeführten Ritus der Immantation sowie – dessen widerrechtliche und jähe Unterbrechung durch den Konkurrenten 1219 Da weder die im Oktober 1159 an den erzbischöflichen Hof in Canterbury gesandte Ausfertigung der Wahlanzeige noch die überarbeitete Fassung, die spätestens im Dezember 1159 die Kanzlei verließ, im Frühjahr des Folgejahres seine insularen Empfänger erreicht zu haben scheint, könnte Eterna auch in den Kontinentalbesitzungen Heinrichs II . noch nicht bekannt gewesen sein.1220 Ob die päpstliche Sendung an Erzbischof Theobald durch den englischen König abgefangen und dann strategisch zurückgehalten worden sein könnte, wie Reuter aufgrund der erheblich verzögerten Auslieferung vermutete, muss Spekulation bleiben.1221 Philipp von l’Aumône, ein ehemaliger Protegé Bernhards von Clairvaux, nun Abt der Zisterzienserabtei bei Blois und ein vertrauenswürdiger und fähiger Vorkämpfer der alexandrinischen Sache, der damals mit Briefen am Hof für Alexander vorstellig wurde, bezeugt, Alexander III. habe dem englischen König schriftliche Darlegungen seiner Position gesandt. Dabei muss es sich jedoch nicht zwingend um die an Theobald adressierte Fassung von 1219 Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die detaillierte Analyse in ebd., S. 109 – 116. 1220 Wie Theobald von Canterbury mit Bedauern König Heinrich mitteilt: JvS I, Ep. 122, S. 202. Es handelt sich um JL 10590 und JL 10602. Nähere Angaben zur Überlieferung bei Reuter: Schism, S. 232 f. 1221 Vgl. ebd., S. 233.

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Eterna gehandelt haben, die wahrscheinlich im Vorfeld der Synode von London von Heinrich nach England weitergeleitet wurde.1222 Möglicherweise hatte Arnulf von Lisieux ­dieses Dokument gesehen oder war über dessen Inhalt informiert worden, hatte aber keinen expliziten Bezug darauf nehmen können, ohne seinen königlichen Herrn in Misskredit zu bringen. Es ist ebenfalls denkbar, dass der normannische Bischof seine Kenntnisse über die Vorgänge in der Peterskirche, z. B. das Wissen über Alexanders Erhebung in einer Majoritätswahl, über andere Kanäle, durch persönliche Beziehungen ins französische Reich wie Philipp von l’Aumône erhalten hatte.1223 In jedem Fall weisen weder Audita sancte noch Benedictus deus direkte Bezüge zur frühen oder späten Version des Zirkulars auf. Wenn Eterna et incommutabilis in irgendeiner Weise den Kurs der Arnulfschen Schismaidee bestimmte, dann höchstens als Hintergrundinformation über die Vorgänge in Rom. Es bedurfte erst eines anderen Schriftstücks, um den Bischof von Lisieux nachweislich zu beeinflussen. Denn erst Monate nach Erhalt von Benedictus deus beantwortete der in Anagni weilende Papst am 1. April 1160 Arnulfs Brief mit einer Litteras a tua nobis überschriebenen Respons, in der er zunächst die Zuversicht seines normannischen Getreuen teilte.1224 Auch Arnulfs Einbettung in die Linie historischer päpstlicher Triumphe hatte Alexanders Ohr erreicht: Caeterum, ad quam finem res ipsa, Dei miserante, pervenerit, devoti et fideles ecclesiae filii per gloriam meritorum, mali vero per suppliciorum gravamina cognoverunt. Quid etiam de aliis similia praesumentibus antea saepenumero contigisset, tu tam fecunde quam eleganter in illis eisdem literis expressisti.1225 1222 Vgl. Arnulfs Verweis aus dem Frühsommer 1160 in AvL Ep. 27, S. 36 und Susceptis vestrae dignationis, in: Migne PL 200 bzw. XVIII. Philippi abbatis de Eleemosyna ad Alexandrum, in: Bouquet 15, S. 762: Literas autem generales quas praelatis Angliae universaliter destinatis, per fidelem virum cum verenabilibus episcopis Gilleberto Herefordensi et Hilario Cicestrensi studui delegare […]. Eine aktive Rolle spielte der fähige Diplomat Philipp auch in der Gewinnung der Diözese von Cambrai für die alexandrinische Obödienz. Zu seinem Engagement siehe Reuter: Schism, S. 32, 103, 184. 1223 Eine freundschaftliche Beziehung zu Abt Philipp legt Arnulfus Lexoviensis: Ep. 11. Venerabilis frater et amicus noster, in: Letters, ed. Barlow, S. 15 nahe. 1224 Da beide Editionen des Briefes unterschiedliche Anfangsvarianten aufweisen wird im Folgenden das in JL 10627 favorisierte Incipit Anwendung finden. Verweis auf Bouquet 15, Nr. 17, S. 760: Credimus siquidem […] quod in proximo, sedatis fluctibus procellarum, et ventorum turbine propulsato, dies nobis serenus et fulgidus arridebit, et, calcatis inimicis ecclesiae, tranquilla in portu Petris navicula residebit. Weitere Edition: XIX. Litteras tuas, in: Migne PL 200, S. 88 – 90. 1225 Bouquet 15, Nr. 17, S. 760.

Frühe Reflexionen über päpstliche Doppelwahl und Kirchenspaltung 337

Darunter auch das angeführte Beispiel Innozenz’ II.: Novimus autem et immemores non existimus, qualiter, sicut et ipsa tua scripta plenarie continebant, divae ac reverendae memoriae Innocentio Papae antecessori nostro schismaticus ille, qui et generositate naturae, rerum copia terrenarum, prudentia saeculari et gratia labiorum, mira aesti­matione reddebatur insignis, nefaria temeritate succrevit, et innocentem noxius, fortis debilem, armatus inermem, schismaticus catholicum impugnabat.1226

An Arnulfs Einordnung des Schismas als Nachfolger von 1130, die er auch zweifellos als argumentative Grundlage für seine Einwirkung im Umfeld Heinrichs II. nutzte, war offenbar von kurialer Seite über längere Zeit kein Anstoß genommen worden. Im April 1160 allerdings hatten sich die Zeiten geändert und Litteras a tua nobis wurde mit frischen Erinnerungen an das im Februar 1160 von Friedrich I. veranstaltete Konzil von Pavia und dessen proviktorinische Beschlüsse verfasst. Eine Woche zuvor, am 24. März 1160, hatte Alexander III. in Anagni seinen Widersacher Oktavian, ­Kaiser Friedrich und deren Anhänger, unter ihnen auch Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, exkommuniziert und die kaiserlichen Untertanen von ihrem Treueeid entbunden.1227 Wenn Alexander Arnulf nun, nur eine Woche nach dem Geschehen, über die neueste Entwicklung unterrichtete, ging es nicht um die Anerkennung der historischprognostischen Anschauungen und Empfehlungen, die der Normanne aus dem Analogieschluss ­zwischen dem alten und dem neuen Schisma gezogen hatte.1228 Alexanders Antwort wollte den Geschehnissen eine gänzlich neue Perspektive geben. Schließlich speiste sich Arnulfs Argumentarium in Benedictus deus aus seinen Idealvorstellungen der mustergültigen charakterlichen Disposition eines apostolischen Vaters und dem vollendeten Stil seiner Amtsführung. Beides keine Aspekte politischer Couleur. Doch eben dies war die Kirchenspaltung geworden: ein Politikum, das spätestens mit der Intervention in Pavia über die urbs hinaus auch den orbis erfasste und daher auch über die ideologische oder historische Perspektive hinaus mit staatsmännischem Blick durchdrungen werden musste. Nicht zuletzt galt es, dem englischen Herrscher deutlich zu machen, w ­ elche Kräfte ihn auf ihre Seite ziehen wollten. Schließlich hatte auch der ­Kaiser in seiner Synodalenzyklika Quia sedis nicht nur die Teilnahme 1226 Ebd. 1227 RI IV,2,2 n. 858, ferner: n. 846 und 856. Quellen: Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 403; Nr. 53. Pro illis tribulationibus, in: Admonter Briefsammlung, ed. Hödl/Classen, S. 103 und Bouquet 15, Nr. 17, S. 761. Bewertung und Nachwirkung des Anathems bei G ­ ianluca Raccagni: The Lombard League, 1167 – 1225, Oxford 2010 (A British Academy Postdoctoral Fellowship Monograph), S. 142 – 144. 1228 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 761.

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englischer Vertreter am Konzil von Pavia, sondern die Anerkennung der Beschlüsse von Seiten des englischen Königs, beteuert.1229 Für diese Aufgabe brauchte die alexan­ drinische Kurie eine starke Kraft an Heinrichs Seite: […] autem gratias omnium Conditori […] quod magnificum illum et serenissimum orbis Principem Henricum Regem Anglorum, audivimus firmum et stabilem in catholicae unitate ecclesiae permanere […]. Rogamus sane ut ita vigil semper circa eum et sollicitus perseveres, ne per frequentes vexationes Imperatoris et nunciorum suorum a devotione ecclesiae et nostra (quod absit!) velit modo quolibet declinare.1230

Die grundlegende Veränderung der Ausgangslage erforderte auch eine Aktualisierung des alexandrinischen Argumentariums. Als Reaktion auf die von kurialer Seite als anmaßende Einmischung in eine zuvor rein innerkirchliche Frage empfundene Einberufung eines Konzils weltlicher und kirchlicher Vertreter durch den römischen ­Kaiser schlug man dem gegenüber schärfere Töne an. Die kaiserkritischen Ideen des Papstbriefes übernahm Alexander fast wortgleich in einer auf den 4. April datierten Sendung an Erzbischof Eberhard von Salzburg, den führenden alexandrinischen Partei­ gänger im Reich.1231 Noch offener zur Schuldigkeit des Kaisers und seiner Gefolgsleute am Geschehen äußerte sich Moerore simul, ein zeitnah entstandenes Briefzeugnis, in dem die alexandrinischen Kardinäle gegenüber allen Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten und Angehörigen der K ­ irche die Bannung Barbarossas begründeten und die Paveser Beschlüsse angriffen.1232 Litteras a tua nobis war also Teil einer breiter angelegten Propagandakampagne, eine von höchster Stelle vorgebrachte Korrektur und Ergänzung des in Eterna et incommutabilis verbreiteten argumentativen Arsenals, das Alexander durch Arnulf von Lisieux unter den Adeligen und Mächtigen des angevinischen Reiches verbreitet wissen wollte.1233 Die Gewichtung der detaillierten und umfassenden Anklage gegen Friedrich Barbarossa füllt die Hälfte des Schreibens und zeigt den Stellenwert, 1229 Vgl. MGH Const. 1, No. 190, S. 270, Z.7 – 8. Die Behauptung steht im Widerspruch zu einer Aussage in einem Bericht Bischof Eberhards von Bamberg an den Erzbischof von Salzburg über das Paveser Konzil: Nuntius regis Anglorum idem velle et idem nolle promisit tam in his quam in aliis. (MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 50, S. 99). 1230 Bouquet 15, Nr. 17, S. 760. 1231 Siehe MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 53. 1232 Moerore simul, ed. Watterich. Einordnung bei Meyer: Wahl, S. 15 – 18. Zur Kritik an der Person des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach siehe Madertoner: Papstwahl, S. 140. 1233 So auch erkannt von Soria Audebert: Temps, S. 361: „Alexandre III se donne également la peine de fournir quelques arguments à Arnoul pour mener à bien la tâche qu’il vient de

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den die Kaiserkritik im Frühjahr 1160 in der alexandrinischen Propaganda einzunehmen begann.1234 Das nachfolgende Kapitel wird sich den Einzelheiten des in Litteras a tua nobis vermittelten Kaiserbildes und seine Auswirkungen widmen. Für die Frage nach der frühen anglonormannischen Wahrnehmung der Doppelwahl von 1159 und ihrer Folgen für die ­Kirche ist bedeutsamer, dass Arnulf von Lisieux nach Erhalt der päpstlichen Respons seine in Audita sanctae vertretene innerkirchliche Perspektive des Ereignisses als ein durch eine Handvoll irregeleiteter Kardinäle verursachtes, wahlrechtliches Problem durch eine aktive, schuldhafte Intervention des römisch-deutschen Kaisers erweiterte. Dieser propagandistische Kurswechsel half auch dabei, das unliebsame Problem zu umgehen, das die von der viktorinischen Partei ins Feld geführte, zeitlich vorhergehende Immantation Oktavians von Monticelli aufwarf. Schließlich hatte seinerzeit Innozenz II. durch eben d­ ieses Argument der vorhergehenden Bekleidung mit dem Papstmantel seine Legitimität untermauern können.1235 Die verstärkte Kommunikation der Vorstellungen an der alexandrinischen Kurie spiegelt deren Absicht, der anglonormannischen Bewertung des Schismas einen neuen Fokus zu geben. Sie sollte von der historisch-diachronen Perspektive auf das Vorgängerschisma weg zum Alleinstellungsmerkmal der aktuellen Krise führen: dem aktiven Eingriff des römisch-deutschen Kaisers in eine Kirchenspaltung, ähnlich jenen auf den calixtinischen Lateranfresken. Litteras a tua nobis muss den Bischof von Lisieux am Hof Heinrichs II., vielleicht während der Friedensverhandlungen mit Ludwig VII. von Frankreich im Mai des Jahres, erreicht haben.1236 Alexanders Denkanstöße zeigten Wirkung. Zwei Monate lui confier […].“ Audebert betont auch Arnulfs Platz als Multiplikator päpstlicher Ideen im kommunikativen Netzwerk Alexanders III. in Frankreich: ebd., S. 354 – 363. 1234 Eine Tendenz zur verstärkten Kaiserkritik zeigt sich bereits seit dem Oktober 1159 als Folge der Weihe Oktavians in der Reichsabtei Farfa. Als Reaktion auf diese Entwicklung ergänzte die alexandrinische Seite den Grundtext der Enzyklika Eterna et incommutabilis durch entsprechende Kritik an der Rolle des Kaisers und der Imars von Tuskulum an eben dieser Weihe, die Oktavian von Monticelli in den Augen seiner Gegner endgültig zum Schismatiker machte. Die vier erhaltenen Textzeugen dieser dritten Redaktion ergingen an die Allgemeinheit des Landesklerus von Schottland, Frankreich, England (JL 10602) und Norditalien (JL 10601). Zur Überlieferung der teils unedierten Enzykliken siehe Reuter: Schism, S. 232 f. 1235 Als Zeugnis der innozenzianischen Argumentation: Virtus in pace, ed. Winkler, S. 870 f. 1236 Im Frühjahr und bis in den Juni 1160 hinein finden wir Arnulf immer wieder als Unterzeichner königlicher Urkunden, so etwa im normannischen Argentan. Siehe Eyton: Court, S. 49 und Recueil des actes de Henri II, roi d’Angleterre et duc de Normandie, concernant les provinces françaises et les affaires de France. Bd. 1, ed. Léopold Victor Delisle/Élie Berger, Paris 1916, Nr. 98 und 148.

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Die Einordnung der Kirchenkrise und das Bild der Kontrahenten

­später durchtränkten kuriale Ideen bereits Arnulfs wirkmächtiges Quanta tempestate. An seinem Wirken im Umfeld des Königs wird sich nach dem Erhalt des päpstlichen Auftrags nichts geändert haben. Arnulfs Engagement war wichtig wie eh und je, war doch der englische Episkopat damals von einer offiziellen Konsensentscheidung in der Obödienzfrage noch weit entfernt.

1.2  Von London nach Beauvais: das Ringen um alexandrinische Obödienz im Königreich England Im Juni oder Juli 1160 erging unter dem Incipit In quo uerbo reges ein Schreiben an Heinrich von SS . Nereo e Achilleo, den alexandrinischen Kardinallegaten für die Normandie und den englischen Hof, der bedeutungsvolle Hinweise auf die Klärung der Obödienzfrage im angevinischen Reich bietet.1237 Seine Weisheit, der Kardinal, beginnt Arnulf darin, wisse „mit welcher Äußerung sich unsere Könige bezüglich der Anerkennung des Herrn Papstes geeinigt haben werden“ 1238. Heinrich von SS. Nereo e Achilleo war offenbar über den Austausch des englischen und französischen Herrschers und dessen Ergebnis unterrichtet. Dies wiederum setzt voraus, dass die von der Forschung für wahrscheinlich betrachtete Unterredung zur Papstfrage tatsächlich, und zwar im Lauf der Verhandlungen um den Friedensschluss vom Mai 1160, stattgefunden hatte. Noch wichtiger ist, dass In quo uerbo reges zudem den frühesten Hinweis auf Heinrichs Reaktion zur Vermeidung weiterer Irritationen im Inselkönigreich enthält. Gemeint ist die Erlaubnis zur Klärung der Obödienzfrage auf einer Synode in London, von deren Einberufung durch den König Arnulf berichtet.1239 Dass H ­ einrich Plantagenêt der Versammlung nicht persönlich beiwohnte, könnte auch Arnulfs 1237 AvL Ep. 27. Barlows Edition datiert noch auf eine Abfassung z­ wischen Mai und Juli. Diese Zeitspanne kann jedoch zum einen durch Cheneys spätere Feindatierung der Synoden von London, Beauvais und Neufmarché (Cheney: Recognition) und den Umstand, dass von der Versammlung der Könige in der Vergangenheitsform berichtet wird, präzisiert werden. Nach Schribers Auffassung war die literarische Stilkritik, die den Kern des Schreibens ausmacht, Arnulfs eigentliche Motivation das Stück aus Gründen der diversitas in seine Sammlung aufzunehmen. Allerdings ist es auch Zeugnis der Beziehung zu Alexanders Legaten Heinrich, mit dem seit der päpstlichen Doppelwahl und bis zum Konzil von London ein reger Austausch durch drei Briefe belegt ist (siehe AvL Ep. 23 und 27 sowie Arnulfus Lexoviensis: Ep. 30. Post discessum vestrum, in: Letters, ed. Barlow). 1238 AvL Ep. 27, S. 36. 1239 Vgl. ebd., S. 36 f.

Das Ringen um alexandrinische Obödienz im Königreich England

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­Abwesenheit erklären.1240 Da diese ihn in peinliche Erklärungsnot brachte, war es Arnulf mindestens so wichtig, dass ihm nicht die Vernachlässigung seiner eigenen Pflichten nachgesagt werden konnte, wie seinen König als Wegbereiter der Wahrheitsfindung in der Schismafrage darzustellen: Cui sane colloquio, quia corporaliter adesse non potui, per epistolam saltem interesse curaui, ut persone uicem pagina suppleat, et uiue uocis instantiam epistola fidelis instauret. Cuius etiam epistole transcriptum sanctitati uestre censui destinandum, ut deuotionem meam, quamuis parum utilem, officiosam tamen uestra dilectio recognoscat.1241

Die Beifügung einer Kopie des an die Synode von London gesandten flammenden Plädoyers für Alexander III. an das wichtigste personelle Bindeglied ­zwischen der normannischen und französischen ­Kirche, dem Königshof und der alexandrinischen Kurie war sicherlich mehr als eine unschuldige Weitergabe von Informationen. Mag auch sein Charakter als Literaturkritik im Nachhinein ausschlaggebend für die Aufnahme des Stücks in die Briefsammlung gewesen sein, erscheint der Ennodius alles in allem eher als legitimatorische Begleitgabe des Briefes und nicht umgekehrt. Als päpstlicher Beauftragter auf angevinischem Territorium nahm Arnulf von Lisieux seine Mission ernst. Was auch immer ihn zurückhielt, in persona in London zu erscheinen, der Brief, den er zur öffentlichen Verlesung an die Synode entsandte, konnte seinen Verfasser nach mittelalterlicher Vorstellung würdig vertreten.1242 Der Plan ging auf. Ende des Jahres unterstrich Gilbert Foliot gegenüber Alexander III. den aufklärenden und überzeugenden Effekt von Arnulfs Bemühungen: 1240 Sofern den Normannen nicht persönlichere Gründe abhielten. Ein ungewöhnliches Schreiben Arnulfs an Heinrich von SS. Nereo e Achilleo (AvL Ep. 30) aus dem Jahr 1160 oder 1161 erwähnt eine langwierige Krankheit. Die Tatsache, dass er Heinrich von seiner Unpässlichkeit berichtete, deutet bereits darauf hin, dass diese eine wie auch immer geartete politische Auswirkung hatte. Da Arnulf keinen expliziten Grund für seine Abwesenheit in London nennt (ein Verweis auf seine Rolle als Berater Heinrichs II. hätte seinen Punkt noch gestärkt) ist möglich, dass der Normanne sich aufgrund dieser Erkrankung temporär vom politischen Tagesgeschäft des Königshofs zurückziehen musste. Auch am Königshof in Argentan ist nach Juni 1160 keine Anwesenheit oder Aktivitäten mehr belegbar. Nach Unterrichtung des Kardinallegaten wäre ein weiterer Hinweis auf den Grund seiner Abwesenheit in London an dieser Stelle nicht vonnöten gewesen. 1241 AvL Ep. 27, S. 37. 1242 Die enge Beziehung von Schriftstück und Verfasser im mittelalterlichen Verständnis erhellt Micól Long: La lettre ‚substitut de la personne‘ au XIe siècle: Pierre Damien, Baudri de Bourgueil et les autres, in: Thomas Deswarte u. a. (Hg.): Écriture et genre épistolaires e e IV  – X I siècle, Madrid 2018 (Collection de la casa de Velázquez, 165 / Epistola 1), S. 181 – 193.

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Si quid uero tantorum luminum preclaris potuit superaddi fulgoribus, id fidelis uestri domni Lixouiensis episcopi, plena suauitatis gratia et prudentie, ad plenum cumulauit epistola. In qua dum ipsius fidei puritas et obedientie uirtus omnibus in commune residentibus patenter emicuit, micantes in rebus dubiis multorum animos ne de cetero uelut arundo uento agitata mouerentur, quasi coram posito uirtutis speculo, et tanquam Domini spiritu per eum plenius exortante perfectissime solidauit.1243

Das so gerühmte Schriftstück war Arnulfs Manifest Quanta tempestate. Dessen Natur als Antwort auf die drängenden Fragen und omnipräsenten Positionen der beiden Streitparteien ist bis dato weder erkannt noch gewürdigt worden.1244

1.2.1  Strategische Überzeugungsarbeit: Arnulfs London-Manifest Quanta tempestate und Johannes’ Pavia-Kommentar Angustiarum nostrarum Quanta tempestate ist nur zu verstehen, wenn man ihm seinen Platz im geistigen und politischen Gefüge der bedeutenden Kommunikationsinstrumente alexandrinischer Provenienz zuweist: nämlich den einer Dekonstruktion der viktorinisch-kaiserlichen Position und des Beschlussgremiums von Pavia auf Basis eben jenes Argumentariums, um dessen Verbreitung sich Alexander III . und seine Kardinäle seit Ausbruch des Schismas bemüht hatten. Nicht weniger als vier Schriftstücke sind als seine Inspirationsquellen ins Spiel gebracht worden. Die Editoren der Johannesbriefe sehen Virtus in pace, den berühmten Werbebrief Bernhards von Clairvaux für Innozenz  II . an die aquitanischen Bischöfe von 1131/1132 als Modell für den Vergleich der päpstlichen Rivalen.1245 Timothy Reuter verwies auf Reminiszenzen an Eterna et incommutabilis und die kurialen Reaktionen auf die in der kaiserlichen Enzyklika Quia sedis niedergelegten Beschlüsse des Konzils von Pavia: Litteras a tua nobis und Moerore simul.1246 Während die beiden ersten Schriften an alle Angehörigen der ­Kirche ergangene, 1243 Ep. 133. Qui nube tristitie, in: Foliot Letters and Charters, ed. Brooke u. a., S. 176. 1244 AvL Ep. 28. 1245 Vgl. Early Letters, ed. Millor u. a., S. 214, Anm. 38. Ediert in: Ep. 126. Bernardus abbas Clarevallensis Aquitaniae episcopis, in: Pontificum Romanorum, ed. Watterich. Lateinischdeutsche Ausgabe: Virtus in pace, ed. Winkler. 1246 Editionen: MGH Const. 1, No. 190 und Moerore simul, ed. Watterich. Ausführliche Erläuterung zum Kardinalsschreiben bei Meyer: Wahl, S. 15 – 18. Reuter: Schism, S. 16 bzw. 33 datiert Litteras a tua nobis fälschlicherweise vom 1. April auf den 4. April.

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auf ­Breitenwirkung abzielende Botschaften waren, inspirierten Moerore simul und Alexanders Anweisungen in Litteras a tua nobis tonangebend die Kaiserkritik in Arnulfs Londoner Vermächtnis.1247 Arnulf, der sich nicht ganz von den Überzeugungen und Strategien seiner Invektive lösen konnte und in der Einordnung der noch jungen Krise auffallende Parallelen zu päpstlichen Vorgaben zeigte, fügte dem Brief aber auch eigenes hinzu. Interessanterweise schlägt Arnulf sowohl in Quanta tempestate als auch in der Eröffnungspredigt des Konzils von Tours, also in Dokumenten, die zur Unterstützung Alexanders III . vor größeren Versammlungen präsentiert wurden, versöhn­ liche Töne an, was besonders im Vergleich mit der intensiven Polemik der Invectiva überrascht. Schließlich stand in London oder Tours nicht weniger auf dem Spiel als damals. Es wurde vielfach festgestellt, dass dem Brief an die Synode von London die ätzende Schärfe der Invektive gegen Girald von Angoulême fehlte. Dies ist jedoch kaum der Tatsache geschuldet, dass nicht mehr der jugendliche Heißsporn Arnulf von Sées die Feder führte, denn die Kunst der beißenden Polemik hatte der Normanne keineswegs verlernt.1248 Arnulf war und blieb „une épistolier toujours aussi polémique“ 1249. Vielmehr scheint der Bischof von Lisieux zwischenzeitlich das feine Gespür eines Diplomaten und Predigers für den Ton erlangt zu haben, der in gegebener Situation zum gewünschten Ergebnis führen würde. Sowohl sein Zeugnis für die Synode von London als auch die Tours-Predigt waren keine Aufrufe zu Kampf und Widerstand. Beide erkennen die Gefahr des Schismas für die Einheit und Freiheit der K ­ irche, erheben die unitas sogar zum höchsten Anliegen, aber sie wollen nicht die Eskalation, sondern mahnen zu Geduld und Zuversicht. Andere Quellen belegen für das Jahr 1163 eine ähnlich versöhnlichere Gangart auch für die Politik Alexanders III . Zu einem gewissen Teil mag Arnulfs Zurückhaltung daher wohl auf seine Position als päpstliches Sprachrohr zurückzuführen sein. Bereits das Exordium von Quanta tempestate setzt, traditionelle Bilder bemühend, den richtigen Akzent:

1247 So auch erkannt durch Soria Audebert: Temps, S. 367: „Pour convaincre les évêques de se ranger derrière Alexandre III, Arnoul semble s’inspirer directement des informations que le pape lui a personnellement transmises sur le déroulement de l’élection pour démontrer le caractère anti-canonique de la désignation d’Octavien.“ 1248 Ebd., S. 368 führt Beispiele aus Arnulfs Geschäftskorrespondenz an, in denen dieser bei Alexander III. gegen Bischof Froger von Sées interveniert. Exemplarisch: AvL Ep. 35. Aus dem Schismakontext ergänzt werden sollte der satirische Angriff auf Imar von Tuskulum in AvL Ep. 29, S. 44 f. 1249 Soria Audebert: Temps, S. 368.

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Nobis autem securitatem prestat diuina promissio, qua portas inferi aduersus eam preualere non sinit, sed uexationis iniurias uictorie certitudo compensat. Neque enim desperationi locus est, ubi causam rectitudo commendat, et uirtutem patientie interim firmat conscientia ueritatis.1250

Das Schiff der K ­ irche, gleichzusetzen mit der K ­ irche unter Führung des einzig wahren apostolischen Nachfolgers, Alexander III., werde zwar von widrigen Sturmwinden bedrängt, doch könnten die Bemühungen der Widersacher, es ins Verderben zu stürzen, die Zuversicht auf einen finalen Triumph nicht auslöschen.1251 Erinnern wir uns an die Ausgangssituation, das nationale Klima im Frühjahr und Sommer 1160, aus der heraus Quanta tempestate entstand. An die andauernde Unsicherheit im englischen Königreich, durch die das Schisma als akute Gefährdung wahrgenommen wurde, und die Schwierigkeit des englischen Primas, den Zusammenhalt seiner Landeskirche trotz aller Autoritätsposition zu gewährleisten.1252 Die pressierende Dringlichkeit der Problematik eines gestörten Verkehrs ­zwischen Rom und England, im Appellationswesen wie der unabdingbaren Kommunikation ­zwischen Papst und dem Erzbischof von Canterbury, der als Oberhirte auf englischem Boden auch die Mittlerrolle z­ wischen ecclesia Anglicana und dem Heiligen Stuhl einnahm, brachte Johannes von Salisbury für Theobald zu Pergament: Cum ergo episcoporum quidam abbatum Romam eant aut mittant, quid faciemus nos, qui prae ceteris pendemus a consilio uestro, et sumus prae ceteris Rom(anae) ecclesiae obligati? Quicquid enim alii faciant, nos eam ex professione nostra statutis temporibus cogimur uisitare. Erit autem

1250 AvL Ep. 28, S. 39. 1251 Ebd., S. 38 f.: Quanta tempestate laboret ecclesia, atque in quanto uideatur periculo constituta, uestra, quos hic dolor tangit, prudentia non ignorat. Et filii quidem Babilonis prospiciunt et exultant, qui, quasi certum auspicantes de procellarum quantitate naufragium, ad diripiendas sarcinas et ipsa nauigii tabulata concurrunt. 1252 Vgl. JvS I, Ep. 116, S. 190: Siquidem alii apud nos Alexandrum, alii disponunt uel audire uel uisitare Victorem. Nobis autem incertum est quis eorum causam habeat potiorem nec possumus eos, qui ad alterutrum inconsulta leuitate euolant, auctoritate nostra reprimere uel tenere. Sed nec aliquem recipere, nisi consilio uestro, dum res in pendulo est, in regno uestro licitum esse credimus […]. Schon unter Hadrian IV. hatte das Ausgreifen reformpäpstlicher Autorität auf der Insel für den Primas in Canterbury die Durchsetzung seiner Autorität, etwa sein ­Mitspracheund Überwachungsrecht bei Bischofswahlen, gegenüber der Politik König Heinrichs zur Wiederherstellung alter Kronrechte und der Wiedererstarkung des Königtums zunehmend erschwert. Theobalds schwere Krankheit tat ein Übriges. Siehe dazu Foreville: Église, S. 100 f. und vor allem Saltman: Theobald, Kap.  III und IV. Ein Beispiel dafür war die Exetervakanz (1159 – 1161). Siehe Early Letters, ed. Millor u. a., S. 263 – 267.

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nobis periculosum si apud eum, qui uicturus est, quem nondum nouimus, alii qui minus honoris ab ecclesia Romana acceperunt, deuotionem nostram praeuenerint.1253

Die Furcht vor einem Zusammenprall von Königtum und K ­ irche mit allen zu erwartenden, teils bereits in Italien erkennbaren Negativfolgen war das überwältigende Schreckgespenst der englischen ­Kirche in diesen Wochen des jungen Schismas. Diese kollektive Angst im Blick, ermahnt auch Arnulf die Versammlung, gemeinsam jenen proviktorinischen Kräften in ihrer Mitte entgegenzustehen, die fleischliche Bande, will sagen eigene Interessen und Verwandtschaftsbeziehungen, über göttliche Liebe stellten. Namen mussten nicht ausgesprochen werden. Jeder Teilnehmer wusste, dass Heinrich von Winchester und sein Neffe, Hugo de Puiset, Bischof von Durham, aus dem Hause Blois, mit dem auch Viktor IV. und Guido von Crema familiäre Bande beanspruchten, verwandtschaftlich verbunden waren.1254 Beide scheinen mit genug Erfolg in England ihre Neigung zum kaiserlichen Kandidaten vertreten zu haben, um als Sympathisant Oktavians zu gelten.1255 Deren Täuschungen, so Arnulf, zielten auf den Umsturz des gerechten und freien Glaubens. Man müsse sich ihnen wie ein Mann entgegenstellen.1256 Quanta tempestate sollte eine Hilfestellung sein, Licht in das verwirrende Dunkel von Wahrheit und Gerechtigkeit, Falschheit und Irrtum, Freund und Feind zu bringen, das die englische ­Kirche in diesen Tagen quälte. Es sollte die Gegenseite attackieren und die eigenen Protagonisten verteidigen, Anhänger bestärken und Zweifler überzeugen. Der offene Brief war eine mit ergänzendem päpstlichem (Litteras a tua nobis) und historischem Ideengut (Virtus in pace) angereicherte Antwort auf die viktorinisch-kaiserliche Propaganda. Dies machte Quanta tempestate allerdings nicht zwangsläufig zu einer Punkt-für-Punkt-Gegendarstellung zum kaiserlichen Quia sedis, das ohnehin mit hoher Wahrscheinlichkeit erst im Vorfeld der Synode von London und auf Theobalds Bitten an die englische K ­ irche weitergeleitet wurde. Arnulf wusste genau, an ­welchen Stellen er anzusetzen hatte. Inhaltlich konzentrierte sich der Normanne auf drei Komplexe: a) die Erläuterung und Wertung der Doppelwahl und ihrer Folgen, b) die Rolle des römisch-deutschen Kaisers im bisherigen Schismaverlauf und c) die Reaktion und kirchenpolitische Gesinnung der Könige von England und Frankreich. Während Arnulfs Verständnis der Rolle 1253 JvS I, Ep. 116, S. 191. 1254 Vgl. Historia pontificalis, ed. Poole, S. 45 und Appendix IV. 1255 Vgl. AvL Ep. 28, S. 43. Siehe auch JvS I, Ep. 124, S. 215. 1256 Vgl. AvL Ep. 27, S. 43: Tempestiuius igitur zelus iustitie per os uestrum de libertate conscientie et confidentia ueritatis erumpat, ut quasi quodam spirituali tonitruo terreatur iniquitas, et preparata ad subuersionem fidei fallatia suffocetur.

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weltlicher Mächte späteren Kapiteln vorbehalten bleibt, erfolgt an dieser Stelle ein genauerer Blick auf seine Schwerpunktsetzung in der Darstellung der Ereignisse in Lateran und Peterskirche. Eigentlich, so beginnt Arnulf von Lisieux seine Ausführungen, stelle sich die Frage nach der Identität des wahren und legitimen Kandidaten für das apostolische Amt gar nicht: Causa siquidem nostre nec ignota ueritas est, nec incerta iusticia.1257 Veritas. Iusticia. Diese immer wiederkehrenden Schlagworte zeugen bereits von einer zweigleisigen Argumentation basierend auf Moral und Kirchenrecht. Auf beiden Ebenen, so Arnulf, könne letztendlich allein Papst Alexander III. guten Gewissens unterstützt werden. Schließlich sei dieser dem Oktavian, der allein seine noble Abstammung und die daraus folgende Machtbasis für sich beanspruchen könne, in persönlicher Integrität weit überlegen: Si enim persona persone comparetur, nostram perfectio scientie et omnium uirtutum format integri­ tas, quod non magis nostre quam aduersarie quoque partis testimonio confirmatur. Alteri uero, si nobilitas generis et quesita ob hoc ipsum potentium gratia subtrahatur, non erit unde ad maiestatis apostolice fastigium audeat aspirare.1258

Zu ähnlichem Ergebnis kam man etwa zur selben Zeit auch in Canterbury. Heimkehrer aus Italien hätten versichert, Alexanders Anspruch sei der gerechtere. Seine Partei, so schreibt Theobald an den König, sei zu bevorzugen, denn ihr Kandidat sei ehrlicher, klüger, gebildeter und eloquenter als sein Rivale.1259 Damit erfüllte Alexander wichtige Voraussetzungen eines guten Papstes. Später, wahrscheinlich inspiriert durch Arnulfs London-Manifest, fügte Johannes von Salisbury dem Tugendkatalog noch die typischen, aus Arnulfs päpstlicher Idoneitätstheorie bekannten Idealtugenden der Gerechtigkeitsliebe und Bescheidenheit hinzu: Si personam personae conferas, alter litteratus est, modestus, humilis, iustitiae zelator: alter solam semper amplexus est uanitatem. Si causam causae, alter ingessit se et tamquam fur et latro, manu uiolenta et exquisitis dolis, sponso indignante, in sponsae amplexus irruit: alter castro pudore substitit dum introduceretur a sponso.1260

1257 AvL Ep. 28, S. 39. 1258 Ebd. 1259 Vgl. JvS I, Ep. 125, S. 201 f. 1260 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 214. Man beachte die auffällige strukturelle Ähnlichkeit zum oben zitierten Vergleich in AvL Ep. 28, S. 39.

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Die eigentliche rechtliche Problematik konkurrierender Wahlordnungen, die das Schisma erst ermöglicht hatten, interessiert Johannes nicht.1261 Für seine Zwecke war ein ausgedehnter Fokus auf dem Vergleich der Kandidaten wirkungsvoller, denn um Radulf von Sarre und seinen bischöflichen Herrn von einem Kampf für Alexander III. zu überzeugen, war es essenziell und unerlässlich, die Legitimität des Sienesers als römischer Bischof nachvollziehbar darzulegen. Schließlich war, wie der Policraticus zeigte, in Johannes’ Weltbild zu Zeiten eines Schismas allein der Kampf eines rechtlich legitimierten Papstes gegen einen usurpatorischen Kontrahenten statthaft.1262 Selbst für den Skeptizismus eines Philosophen, so der Angelsachse, gebe es in der vorliegenden Lage nicht den geringsten Raum für Zweifel. Eindringlich warnt er davor, dass die im Fall eines reinen Konkurrenzkampfes zweier ungeeigneter Kleriker um das Papstamt proklamierte Neutralität als Idealreaktion hier fehl am Platz sei.1263 In der Idoneitätsfrage argumentiert Johannes’ Angustiarum nostrarum auf rechtlicher und moralischer Ebene: Dass Alexander die gesamte ­Kirche auf seiner Seite habe, beantworte bereits die Legitimitätsfrage. Oktavian sei von seinen weltlichen Anhängern im Stich gelassen worden. Abgesehen von den Kanonikern der Petersbasilika und den Rektoren des stadtrömischen Klerus hätten die Laien bei aller peinlichen Befragung in Pavia nicht einmal einen Eid auf ihre Aussage ablegen müssen.1264 Tatsächlich heißt es im Konzilsrundschreiben, „Petrus, der Präfekt der erlauchten Stadt, […] und andere römische Fürsten und Edle […] [hätten] in Gegenwart des Konzils über die gesamten Vorgänge größtenteils in ähnlicher Weise Zeugnis abgelegt und es beschwören wollen“, doch sei dies nicht von ihnen verlangt worden, „weil [man] das Zeugnis so vieler frommer Priester für genügend und völlig ausreichend hielt[e]“ 1265. In Pavia also s­ eien die stadtrömischen Edelleute und Volksrepräsentaten, die für Oktavian eintreten sollten, in vollem Bewusstsein nicht auf die von den Kanonikern der Petersbasilika vorgetragene Version der Ereignisse vereidigt worden. Die Bürger der Stadt hätten diese, so ist Johannes überzeugt, aus Angst um ihren guten Ruf ohnehin nicht beschworen.1266 1261 Zu ­diesem Schluss kommt schon Miczka: Bild, S. 157: „Auch die Doppelwahl des Jahres 1159 hat ihm nicht die Augen geöffnet: in der berühmten ep. 124 (bei Migne Nr. 59) argumentiert er nur von seinem Standpunkt aus, nämlich für Alexander III., ohne zu erkennen, daß auch eine mangelhafte Wahlordnung der Verwirrung Vorschub geleistet hat.“ 1262 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 23. 1263 Vgl. JvS I, Ep.124, S. 214 f. 1264 Vgl. ebd., S. 209 f. 1265 MGH Const. 1, No. 190, S. 332. Übersetzung nach Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, S. 689. 1266 Vgl. JvS I, Ep.124, S. 210.

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Nicht einmal der Erzkanzler von Italien, Friedrichs zweite Hand Rainald von Dassel, setze sein Pferd auf Viktor IV., sondern verschöbe mit auffälliger Konsequenz seine eigene Konsekration durch dessen Hand – und das, obwohl sie seine gegen den Willen Hadrians IV. durchgeführte Wahl zum Kölner Oberhirten legitimiert hätte.1267 Selbst die letzte Partei, die den kaiserlichen Rivalen unterstützte, die Mitglieder jener berühmten sanior pars im Wahlgremium, hätten kaum für ihn eingestanden. Waren die anderen auch von Oktavians ‚Blutgeld‘ korrumpiert worden wie nach alexan­ drinischer Überzeugung die Senatoren, die sich für Oktavian ausgesprochen hätten und deren Bestechungsgelder nach Absetzung der korrupten Volksvertreter einem gemeinnützigen Zweck zugeführt worden ­seien?1268 Wenn Sie sich der Gerechtigkeit und Weisheit ihrer Sache sicher gewesen wären, warum waren sie nicht dafür eingestanden? Schließlich hätten am Ende nur noch drei Kardinäle es gewagt, Oktavian bei seiner Weihe oder in Pavia treu beizustehen. Alle anderen ­seien wie der toskanische Bischof nicht einmal einer Einladung gefolgt. Nein, die Rechtmäßigkeit der erkauften Wahl Oktavians sei nicht durch seine Anhänger verbürgt, sondern von außen getragen gewesen, unterstützt von korrupten Senatoren sowie der fraternitas Romana und den Kanoniker der Petersbasilika, die die Angelegenheit ‚durchgeführt‘ hätten. Auch wenn dies Johannes’ einziger polemischer Seitenhieb gegen den römischen Klerus bleibt und er gegen die Kanoniker der Peterskirche nicht explizit den Vorwurf erhebt, vom Begehren auf größeren Einfluss als Papstwähler getrieben worden zu sein, steht für ihn doch fest, dass die Vorsteher der fraternitas Romana in den frühen Ereignissen eine wie auch immer geartete, aktive Rolle innehatten.1269 In jedem Fall hätten sie durch Meineid und Falschaussage vor dem Konzil von Pavia ein falsches Spiel gespielt.1270 Die eigentliche Wahl Oktavians versteht der Angelsachse also als innerkirchlich induzierten Konflikt, als Produkt stadtrömischer, klerikaler Kräfte und ihrer laikalen Verbündeten auf Ebene der Stadtverwaltung. Eine kaiserliche 1267 Vgl. ebd., S. 212. 1268 Vgl. ebd., S. 210. Sein Wissen darüber geht mit größter Sicherheit auf das zweite Kardinalsschreiben (Moerore simul, ed. Watterich, S. 498) zurück. In ­diesem Fall wären die Rückzahlungen als Geldstrafen der verurteilten Senatoren zu verstehen. Die Verwendung solcher Gelder für die Instandhaltung von Stadtmauern war in Rom gängige Praxis. Siehe Etienne Hubert: Espace urbain et habitat à Rome. Du Xe siècle à la fin du XIIIe siècle, Rom 1990 (Collection de l’École Française de Rome, 135). 1269 Vgl. JvS I, Ep.122, S. 209: clericorum dumtaxat recepta sunt iuramenta, quoniam haec omnia tractauerunt manibus suis. und Sed esto quod interfuerint [i. e. die Rektoren] in initio iurgiorum. 1270 Zur Rolle der fraternitas Romana, der römischen Senatoren und des Kapitels von St. Peter siehe ausführlich John Doran: ‘At Last we Reached the Port of Salvation’: The Roman Context of the Schism of 1159, in: Clarke/Duggan: Pope, S. 51 – 98.

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­Intervention wird in Bezug auf die Ereignisse im Lateran nicht thematisiert. B ­ arbarossas Frevel begann erst mit seinen Schiedsgerichtsplänen in Pavia. Auch im moralischen Sinne fällt das Urteil über Oktavian negativer aus als das Bild des mit Bescheidenheit und Gerechtigkeit assoziierten Alexander. Oktavian habe sich der vanitas schuldig gemacht, mit Gewalt und List die Braut der ­Kirche aus der Umarmung Christi gerissen. Er sei ein Dieb und Räuber, ein latro, ein Vertreter der verwerflicheren Form kirchlicher tyrannis.1271 Er habe „weder die Gerechtigkeit noch den Herrn auf seiner Seite“ und sich „durch Gunst und Einfluss des Kaisers“ 1272, mit Gewalt und List, ohne gültige Wahl oder Gottes Gunst die Position ergaunert, die Alexander zustand. Die Instrumentalisierung weltlicher Kräfte zur Forcierung des eigenen Aufstiegs innerhalb der ­Kirche war ja einer der großen Kritikpunkte des Johannes von Salisbury gegenüber ambitiösen, kirchlichen Aufsteigern.1273 Der Vorwurf kaiserlicher Intervention lässt aufhorchen. Auf welchem Weg war er über den Kanal gelangt? Da er hier noch vergleichsweise verhalten anklingt, ist möglich, dass Berichte „all derer, die aus Italien nach Canterbury“ 1274 kamen und die Nachricht von der alexanderfreundlichen Positionierung Frankreichs als Erste diese antiimperiale Interpretation der Ereignisse nach England trugen. Deutlicher wird die Deutung dann mit der Verbreitung der integralen Dokumente wie der Paveser Synodalenzyklika Quia sedis, Eterna et incommutabilis und dem in Frankreich zirkulierenden Kardinalsschreiben Moerore simul, dessen Ideen erstmals im Juni 1160 im Pavia-Kommentar des Johannes von Salisbury auftauchen.1275 Denn zeitgleich mit der Schuldzuweisung an den K ­ aiser fällt im Pavia-Kommentar des Johannes von Salisbury zum ersten Mal in der anglonormannischen Rezeption die Bezeichnung Oktavians als ydolum – ein Verweis auf den herrschererhobenen Götzen aus dem Buch Daniel.1276 Die der kurialen Propaganda (im Speziellen Alexanders Wahlenzyklika und Moerore simul) entstammende und auch in zisterziensischen Kreisen beliebte Diffamation des in seinen Augen mit Recht Exkommunizierten hatte der gelehrte Angelsachse dankbar aufgegriffen.1277 1 271 Vgl. Policraticus II, ed. Webb, VIII, 17. 1272 Beide Zitate: JvS I, Ep. 122, S. 202. 1273 Vgl. Policraticus II, ed. Webb, VIII, 17. 1274 Vgl. JvS I, Ep. 122, S. 202. 1275 Siehe Anmerkungsapparat zu JvS I, Ep. 124. 1276 Dan 3,1 – 6. Der Terminus findet bei Johannes von Salisbury gleich zweimal Verwendung: JvS I, Ep. 124, S. 211, 213. 1277 Zur Abhängigkeit von MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41, S. 83 und Moerore simul, ed. Watterich, S. 498 siehe JvS I, Ep. 124, Anm. 22. In die englische Geschichtsschreibung hält der Begriff bei Roger Howden Einzug, der ihn nachweislich aus der zisterziensischen

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Johannes geht allerdings über die kuriale Vorlage hinaus. Neben der implizierten Parallele ­zwischen dem römisch-deutschen K ­ aiser und seinem päpstlichen Favoriten mit dem babylonischen Tyrannen Nebukadnezar und dessen monumentalen Standbild auf der Ebene von Dura weiß er noch ein weiteres alttestamentarisches Schreckbild zu evozieren. Wie Balak, König von Moab den heidnischen Seher Bileam (Num 22 – 25) anstiftete, die vor Moab lagernden feindlichen Israeliten zu verfluchen, habe der ­Kaiser in Oktavian einen Balahamitam pontificem 1278 für sich erwählt, durch den er das Volk Gottes, hier bezeichnenderweise die Anhänger Alexanders, verfluchen könne.1279 Der Seher Bileam galt im Judentum als einer der ersten Irrlehrer, der sich Balaks Anstiftung zunächst mit Verweis auf Jahwe widersetzte, dann aber doch den in Aussicht gestellten, verlockenden Ehren und Belohnungen nachgab. Opfergaben an Baal und Versuche, Flüche auszusprechen, scheitern an der Intervention des Herrn. Letztlich flüstert Bileam Balak ein, dass die Israeliten sich selbst ins Verderben reißen und der göttlicher Unterstützung berauben würden, wenn man sie dazu brächte, der Unzucht, dem Verzehr von unkoscherem Essen und Götzenopfern, zu frönen. Der Plan ging auf und die Verführten wurden auf der Schwelle des Gelobten Landes mit einer göttlichen Plage gegeißelt. Noch im 16. Jahrhundert bezeichnete das Adjektiv ‚Balaamite‘ im englischen Einflussbereich Menschen, die Religion aus Gründen reinen Profits verfolgten.1280 Diese Konnotation von Simonie und Korruption fügt sich nahtlos in Johannes’ Annalistik, d. h. den Annales Melrosenses, übernahm (vgl. Ex Annalibus Melrosensibus, in: Felix Liebermann/Reinhold Pauli (Hg.): Ex rerum Anglicarum scriptoribus saec. XII. et XIII., Hannover 1885 (MGH SS, 27), S. 432 – 442, hier: S. 435 bzw. Howden Chronica I, ed. Stubbs, S. 216. Die Abtei von Melrose war die erste Zisterzienserabtei auf schottischem Boden und eines der Töchterklöster von Rievaulx, dessen Abt auch die Historia rerum Anglicarum des Wilhelm von Newburgh mit ihrer dezidiert kaiserfeindlichen Schismadarstellung in Auftrag gegeben hatte – ein weiteres Indiz für ein ausgeprägtes zisterziensisches Interesse an der Schismathematik. 1278 JvS I, Ep. 124, S. 207. Einer der favorisierten Ausdrücke des Johannes von Salisbury. In Policraticus I, ed. Webb V, 11, S. 332 erläutert er sein Verständnis der Figur Bileams und seines Vergehens: Neque enim Balaam ex eo culpatur, quod populi Dei causam dampnauerat aliudue dixerit quam quod Dominus inspirabat, sed quia auaritia excecatus, infidelium causam instruens, quomodo ad prouocandam iram Dei delinqueret Israel dictante malitia procurauit. Quaerebat ergo quomodo iuste iustificaret causam impii et quasi illuso Deo gratiam eius subtraheret electis. Aut si aduersa iustificari non posset causa, hoc saltem agebat ut et ab ista recederet Deus. 1279 Siehe auch Decretum Gratiani, ed. Friedberg, C. 3, q.7, c.42. 1280 Siehe . Letzter Zugriff: 1. 3. 2021 (Oxford English Dictionary, s. v. ‚Balaamite‘).

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­ leichsetzung Oktavians mit einem Dieb und dem Vorwurf, er habe seine AnhänG gerschaft unter den römischen Senatoren erkauft, ein. Die viktorinischen Kardinäle begegneten dem Vorwurf mit der Behauptung, die korrupten Volksvertreter aus dem Senat entfernt zu haben, worauf Johannes’ Betitelung derer als ex-senatores anspielt.1281 Wie der Angelsachse berichtet, sei das schmutzige Geld auf Wunsch des Volkes und nach römischem Rechtsgebrauch in die Reparatur der Stadtmauern geflossen. Er selbst zieht die Parallele zum Blutgeld des Verräters Judas (Mt 27,6), doch war die Aussage vielschichtiger, denn Strafgelder verurteilter Verbrecher wurden in Rom traditionsgemäß derselben Bestimmung zugeführt.1282 Die Senatoren und ihr Verführer wurden nicht nur zu Verrätern an der ­Mutter ­Kirche, sondern auch zu Verbrechern im rechtlichen Sinne. Hier also wird nahegelegt, Oktavian habe die päpstliche Würde durch die Bestechung korrupter Senatoren zu erlangen gesucht. In allen Argumentationen des angelsächsischen Gelehrten begegnet Oktavian von Monticelli als offensichtliche Reminiszenz und Prototyp der polikratischen ­Theorie des despotischen Klerikers. Im Allgemeinen sei es wohl nicht weit her mit der Obödienz eines Mannes, der sich seine Partisanen erkaufen und seine Weihe bis auf jene drei Geißeln der K ­ irche Imar von Tuskulum, Guido von Crema und Johannes von Mercone von allen verlassen vollziehen musste.1283 Interessant ist, dass auch diese drei Männer, nicht nur der K ­ aiser, als treibende Kräfte im Spiel des Schismas gesehen werden – und sei es auch nur als Agenten göttlicher Prüfung.1284 Das vielschichtige Bild von Oktavian und seinem Gönner komplettiert sich in der beißenden Polemik seiner Herkunft. Der filius maledictionis 1285 sei der krönende Abschluss einer verderbten Linie. Der Beiname Maledictus, den sein Vater Johannes von Monticelli getragen und über Generationen weitergereicht habe, habe nun in ihm, einem willigen Handlanger des Kaisers, den würdigsten Vertreter gefunden.1286

1281 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 210. 1282 Vgl. ebd. und Migne PL 200. Zur Verwendung von Geldern für die Erhaltung von Maueranlagen: Hubert: Espace. 1283 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 211. 1284 Siehe Johannes’ Vergleich der kaiserlichen Partei als Prüfung der ­Kirche in ebd., S. 207. 1285 Ebd. 1286 Vgl. ebd.: filium itaque maledictionis, et in cuius designationem et expectationem, per multas successiones a primis familiae patribus ad ipsum, cui reseruabatur, maledicti deriuatum est et cognomen et nomen. Oktavians Vater, Johannes ‚Maledictus‘ von Monticelli entstammte einer alten römischen Adelsfamilie und war ein ehemaliger Kardinaldiakon (1138 oder früher) und Kardinalpresbyter von S. Cecilia (um 1151) gewesen.

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Die polemische Vehemenz des Pavia-Kommentars zeigt sehr deutlich, dass man in England damals nichts als drängender empfand als eine positive Antwort auf ­Alexanders Ansprüche.1287 Angustiarum nostrarum war ein Werbeschreiben, das durch klare Worte und eine pointierte Charakterisierung der Rivalen die Reimser Entscheidung erleichtern sollte. Die Editoren der Johannesbriefe haben dabei auf die Ähnlichkeit von Johannes’ Darstellungen mit Arnulfs Quanta tempestate hingewiesen und diese wiederum auf das berühmte Überzeugungsschreiben des Bernhard von Clairvaux zurückgeführt.1288 Damit wäre der Zisterzienserabt die Grundlage für jene Passage bei Arnulf gewesen, auf die sich wiederum Johannes bezog.1289 Tatsächlich finden sich in den Schismabriefen des Arnulf von Lisieux immer wieder einzelne Strukturen oder Verweise auf die Heilige Schrift, Versatzstücke und Bausteine des schismapolemischen Diskurses, die in ähnlicher Form auch im epistolaren oder homiletischen Werk des großen Zisterzienserabtes auftauchen.1290 Gerade im Vergleich der beiden Rivalen zeigt sich in Quanta tempestate eine gewisse Nähe zu Virtus in pace.1291 Die Ähnlichkeit erstreckt sich sowohl auf die Struktur des Argumentariums als auch auf gemeinsame inhaltliche Komplexe. Eine Gegenüberstellung mag dies verdeutlichen. Zunächst die Originalpassage aus Bernhards Epistel: Duo itaque sunt de quibus contenditur, quisnam eorum rectius videatur esse Papa. Quorum primo quidem, si personas compares, ut neutri sane vel derogare videar, vel adulari, dicam quod dici passim reperies, et neminem arbitror diffiteri: quia videlicet Innocentii nostri vita vel fama nec aemulum timet, cum alterius nec ab amico tuta sit. Dehinc si electiones discutias, nostri itidem mox occurit et promotione purior, et ratione probabilior, et prior tempore. Porro de tempore constat; relique duo merita probant, et dignitas eligentium. Hanc enim […] partem 1287 Vgl. ebd., S. 214. 1288 Vgl. Early Letters, ed. Millor u. a., S. 214, Anm. 38. Gemeint ist Virtus in pace, ed. Winkler. 1289 Während Millor, Butler und Brooke in dieser eine Kette von der Form Bernhard von Clairvaux – Arnulf von Lisieux – Johannes von Salisbury sehen ( JvS I, Ep. 124, S. 214, Anm. 38) versucht Peter Munz, die Gemeinsamkeiten so zu erklären, dass Johannes von Salisbury hier auf eine allgemeine Schismarhetorik zurückgriff (Boso’s Life of Alexander III, ed. Peter Munz/Gerard Majella Ellis, Oxford 1973, Anm. 20). Zumindest ist historisch belegt, dass Johannes von Salisbury ein reges Interesse für die Korrespondenz des Bernhard von Clairvaux hegte. So erbat er schon 1157 von Petrus von Celle erfolgreich eine Abschrift von Bernhards Briefen und Werken (vgl. JvS I, Ep. 31, S. 51; JvS I, Ep. 32, S. 54). 1290 Vgl. Soria Audebert: Temps, S. 368: „Le choix des arguments, la volonté de justifier toutes les affirmations par des faits précis rappellent même les lettres rédigées par Bernard de Clairvaux dans schisme précédent, vantant les avoir et les vertus d’Innocent II, faute de pouvoir défendre la régularité de son élection.“ 1291 Zur Deutung der polemischen Strategie des Bernhard von Clairvaux siehe Soria: Trahison.

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saniorem invenies, tam episcopos, quam cardinales diacones sive presbyteros, et quorum maxime interest de electione summi Pontificis, et quanti in eligendo iuxta Patrum scita sufficiant. Quid et in consecratione? Nonne Ostiensem, ad quem specialiter utique spectat, habemus? Cum igitur et electus dignior, et electio sanior, et actio ordinabilior teneatur, quo isti ratione, immo que contentione, contra ius et fas vota omnium bonorum, invitae et renitenti Dei Ecclesiae praeficere alium, et illum, tentant?1292

Man sieht, wie Bernhard seine Argumentation von der charakterlichen Überlegenheit des eigenen Favoriten über eine Reihe wahlrechtlicher Argumente bis zum Höhepunkt, der kirchenrechtlich ordnungsgemäßen Weihe durch den Bischof von Ostia, führt. Diesen Kulminationspunkt übernimmt auch Arnulf, allerdings erst am Ende seiner im Vergleich zu Virtus in pace ausgeweiteten Schilderung der delegitimierenden Momente in Person und Handeln des Oktavian von Monticelli.1293 Neben der Betonung der Weihe durch Hubald von Ostia, die selbstverständlich auch in der kurialen Propaganda eine wichtige Rolle spielte, finden die Zusammensetzung und Stärke der jeweiligen Wählerschaften, insbesondere die Sanioritätswahl (einmal im positiven Sinne auf den eigenen Kandidaten, einmal den Umständen angepasst als Negativkriterium der gegnerischen Wählerschaft) sowie die Frage, w ­ elche Erhebung zeitlich früher stattgefunden hatte, bei Bernhard und Arnulf besondere Berücksichtigung. Auch der Hinweis darauf, dass man mitnichten eine individuelle, sondern eine allgemeine Meinung vertrete, ist beiden Schriftstücken gemein. Si enim persona persone comparetur. Nostram perfectio scientie et omnium uirtutum format inte­ gritas, quod non magis nostre quam aduersarie quoque partis testimonio confirmatur. Alteri uero, si nobilitas generis et quesita ob hoc ipsum potentium gratia subtrahatur, non erit unde ad maiestatis apostolice fastigium audeat aspirare. Sed, etsi facta electionum inuicem conferantur, electionem nostram omni ordine, omni solempnitate, omni denique ratione subnixam, alteram plenam impudentia constat, et omni rationis amminiculo destitutam.1294

Arnulf übernimmt Bernhards Struktur und Argumentationspunkte, variiert diese aber, indem er Oktavians Blutsadel dem Charakteradel Alexanders gegenüberstellt. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, kann er doch, als Kontrapunkt gegen die simonistische, alles übersteigende Habgier des Monticelli Alexanders einmütige Wahl und sein ostentatives Sträuben gegen die Annahme des Amtes feiernd, dem Prätendenten 1292 Virtus in pace, ed. Winkler, S. 876/878. 1293 Vgl. MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41, S. 82. 1294 AvL Ep. 28, S. 39.

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die Eignung und Berechtigung für das apostolische Amt absprechen.1295 Dass Viktors Inthronisation durch Androhung und Anwendung von Gewalt erschlichen wurde, sind nur noch kirchenrechtlich relevante Spielarten desselben Arguments. Während Arnulf aufgrund der spezifischen Erhebungssituation Innozenz’ II. eine kirchenrechtliche Beweisführung in seiner Invektive noch akribisch gemieden hatte, gab es wohl 1160 keine Bedenken mehr, seine Argumentation nach Bernhards Vorbild auf Basis des Kirchenrechts zu führen.1296 Allerdings scheint diese Legitimation der Erhebung Alexanders III. aus kanonistischer Sicht nicht Arnulfs Hauptintention gewesen zu sein. Kernargumente der alexandrinischen Partei wie etwa der Vorwurf von Viktors gewaltsamem Eingriff in die vollzogene immantatio des Sienesers oder die Betonung der Zusammensetzung der einzelnen Wählerschaften fehlen gänzlich. Unabhängig davon, ob Arnulf Eterna et incommutabilis in der an Theobald von Canterbury oder in der an französische Empfänger gesendeten Fassung en detail bekannt war, war es offenbar unnötig, dessen in London zur Verlesung gekommene kirchenrechtliche Argumente noch einmal zu wiederholen. Sein Quanta tempestate ist daher höchstens eine lose Erwiderung auf die Paveser Anführungen zur Statthaftigkeit der Wahl Oktavians wie der Behauptung, i­ ntegrale Bestandteile des Wahlzeremoniells ­seien korrekt durchgeführt worden.1297 Eine direkte Widerlegung vorgebrachter Vorwürfe wie der verspäteten, weil zwölf Tage nach ­Viktors Erhebung erfolgten Immantation Alexanders in Cisterna oder der Behauptung, ­Alexander habe bereits kurz nach der Wahl Vertreter des römischen Klerus und seiner Anhängerschaft im Kardinalskollegium angewiesen, nicht ihm, sondern Oktavian, der – im Gegensatz zu ihm selbst – „wie sie sähen, immantiert [sei]“ 1298 Obödienz zu leisten, findet nicht statt.1299 Arnulf von Lisieux hatte andere Absichten. Angelehnt an die gängigen Hauptvorwürfe alexandrinischer Anhänger verlegte er sich auf das, was schon immer seine 1295 Vgl. ebd., S. 39 f. 1296 Vgl. AvL Ep. 28, S. 39: Sed, etsi facta electionum inuicem conferantur, electionem nostram omni ordine, omni solempnitate, omni denique ratione subnixam, alteram plenam impudentia constat, et omni rationis amminiculo destitutam. 1297 Vgl. MGH Const. 1, No. 190, S. 266. Gemeint sind etwa die Vorwahl a saniori parte cardinalium (ebd., S. 265 f.), die Akklamation durch Klerus und Volk, die angeblich ohne Protest Alexanders und seiner Anhänger durchgeführte Immantation und Inthronisation auf der Cathedra Petri, das Singen des Te Deum Laudamus und der feierliche Zug zum Lateranpalast. 1298 Ebd.: Probatum est, quod in secundo die post promotionem domni Victoris Rollandus, interrogatus a rectoribus cleri Romani ac clericis de sua cardinalia, si domno Victori esset obediendum, expresse confessus est se numquam fuisse immantatum et expresse dixit: ‚Ite et obedite ei, quem immantatus esse videtis. 1299 Vgl. ebd.

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Stärke gewesen war: die wortgewaltige Absprache der moralischen und rechtlichen Legitimität des Widersachers. Auch wenn Ton und Botschaft in Quanta tempestate deutlich subtiler sind als seine Invektive, verfolgen sie mit der Delegitimierung des Gegners das ­gleiche Ziel. In seiner Schilderung der Ereignisse von 1159 kommentiert Arnulf das traditionelle Darstellungsrepertoire der beiderseitigen Propagandaschriften in homiletisch anmutender Rhetorik zu einem, und hier liegt der Mehrwert dieser Passage, einprägsamen Gesamtbild der Verderbtheit des Oktavian von Monticelli. Quanta tempestate kommentiert und ordnet jenes Argumentarium ein, das Verwirrung im englischen Episkopat stiftete. In ­diesem Sinne wird Arnulf seinem Vorsatz gerecht, die verworrene Angelegenheit zu erhellen.1300 Der Brief beginnt mit einem Angriff auf das in Quia sedis vorgebrachte Argument, Viktor IV. sei in einer Sanioritätswahl gewählt worden. Doch statt, wie es Alexander in seiner Enzyklika tat, direkt den höheren Rang der alexandrinischen Wählerschaft aufzuzeigen, entscheidet sich Arnulf dafür, die kirchenrechtliche Irrelevanz der Viktoriner nur kurz zu thematisieren.1301 Schließlich sahen sowohl das Decretum Gratiani als auch das ältere Papstwahldekret von 499 einen Widerspruch von zwei bis drei Wählern nicht als rechtlichen Hinderungsgrund zum Zustandekommen einer Entscheidung. Beide Rechtstexte kannten das Prinzip der sententia plurimorum als legitimes Verfahren bei einer Papstwahl.1302 Im Gegensatz zu Eterna, das nur Guido von Crema, Kardinalpresbyter von S. Maria in Trastevere, und Johannes von Mercone, Kardinalpresbyter von SS . Silvestro e Martino, als viktorinische Wähler kennt, nennt Arnulf von Lisieux zum ersten Mal auch den Namen des Dritten im Bunde: Imar, Kardinalbischof von Tuskulum, war der Londoner Kongregation kein Unbekannter.1303 1145 war er schließlich im Auftrag Papst Lucius’  II . als päpstlicher Legat und Vermittler in England in den Klöstern Cerne und Gloucester, den Bistümern Winchester, Canterbury, Hereford 1300 Vgl. AvL Ep. 28, S. 39. 1301 Vgl. ebd. Vergleiche mit MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41, S. 80 – 82. Zu den Referenzen der Wahlanzeige an das Papstwahldekret von 1059, das den Vorrang von Kardinalbischöfen bei der Papstwahl festlegte und dem alexandrinischen Argument, dass Magister Rolandus mehr bischöfliche Wähler auf sich vereinigen konnte, siehe Laudage: ­Alexander, S. 110. 1302 Vgl. Decretum Gratiani, ed. Friedberg D. 65, c. 1, Sp. 249 f. bzw. D. 79, c. 10, Sp. 279 und Epistolae Romanorum pontificum, ed. Thiel, c. 4. S. 646: Si autem, ut fieri solet, studia coeperint esse diversa eorum, de quibus certamen emerserit, vincat sententia plurimorum. Auch Maleczek: Abstimmungsarten, S. 101 – 127 mit einer Aufstellung des älteren Forschungsstandes. Hinweise auf weiterführende Literatur und die Bedeutung der Frage während des alexandrinischen Schismas gibt Laudage: Alexander, S. 113, Anm. 52. 1303 Vgl. AvL Ep. 28, S. 39.

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und Chester und bei der Übergabe des Palliums an den Yorker Erzbischof Wilhelm FitzHerbert mit diversen kirchlichen Entscheidungsträgern der ecclesia Anglicana in Kontakt gekommen. In der Frage der Gründung eines Erzbistums in Winchester – und damit der Frage nach Unterstellung der Diözese unter die Metropolitangewalt von Canterbury – konnte Imar durch den Abbruch seiner Legation nach Lucius’ Tod zu keinem endgültigen Ergebnis kommen. Dass er Sympathisant der Metropolitanpläne jenes Heinrich von Winchester gewesen zu sein scheint, den Arnulf nun als Oktavianer aus dem Haus Blois bezeichnet, gibt der Nennung eine ganz eigene Note.1304 Imars Rolle in der Doppelwahl von 1159 ist nicht klar zu rekonstruieren. Während Boso in seiner Vita Alexandri III. Imars Votum für Alexander III. beanspruchte, betont Quia sedis, dass Oktavian die gewichtigste Stimme jenes Bischofs errungen habe, der omnium cardinalium priorem et antiquiorem 1305, also ranghöchstes und ältestes Mitglied des Kollegiums war.1306 Am 4. Oktober 1159 hatte Imar von Tuskulum gemeinsam mit den Bischöfen von Terentino und Melfi Oktavian von Monticelli in Farfa konsekriert.1307 Durch seinen Einsatz für Viktor auf dem Konzil von Pavia und sein viktorinisches Engagement gegenüber dem Kloster Cluny spielte er auch eine nicht unwesentliche Rolle in der Obödienzerweiterung des Römers.1308 Imar von Tuskulum war also kein unbeschriebenes Blatt im Kreis des englischen Episkopats, so dass Arnulfs Verweis auf dessen Bekanntheit zweifellos darauf abzielte, bestimmte Erinnerungen bei den Anwesenden wachzurufen. Eigentlicher Punkt ist jedoch der, dass die Entscheidung von nur drei Wählern, dazu nur eines einzigen Kardinalbischofs und zweier Kardinalpresbyter, nicht die Entscheidung der Gesamtkirche vorwegnehmen könne.1309 Arnulf verzichtet an dieser Stelle auf den in der alexandrinischen Kommunikation fast obligatorischen Hinweis auf ­Alexanders M ­ ehrheitswahl. 1304 Zur Legation Imars von Tuskulum siehe Horn: Imar. Die geplante Erhebung Heinrichs von Winchester zum Erzbischof betreffend: S. 497 – 499. 1305 MGH Const. 1, No. 190, S. 267. 1306 Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 399 f. spricht von I[marus] episcopus Tusculanus, qui prius consenserat in Alexandrum et postmodum retrorsum abiit […]. 1307 Vgl. Annales Ceccanenses, in: MGH SS 19, S. 284 und Nr. 90. Eterna et incommutabilis, ed. Ramackers, S. 221. 1308 Zu Imars Biographie siehe Horn: Imar und Helene Tillmann (Hg.): Die paepstlichen Legaten in England bis zur Beendigung der Legation Gualas (1218), Diss. phil. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn 1925. Über Imars Rolle im alexandrinischen Schisma äußert sich Madertoner: Papstwahl, S. 109 f. 1309 AvL Ep. 28, S. 39: Nunquid enim unius episcopi, ipsiusque quem nostis, et duorum Kardinalium toti ecclesie preiudicabit auctoritas, et, reprobata uniuersitate catholica, intra quaternitatis huius angustias coartata credetur?

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Die Versicherung, Alexander sei consensu omnium (auf den von päpstlicher Seite betonten, rechtlichen Begriff der unanimitas wird verzichtet 1310) gewählt worden, wird erst an anderer Stelle aufgegriffen, um einen anderen Punkt zu belegen.1311 Es ist nicht so sehr das kirchenrechtliche Faktum der Minoritätswahl oder der erschlichenen Immantation, auf das Arnulf hinauswill, auch wenn beide Aspekte in seinen drängenden Fragen mitschwingen: Nunquid consecrationi, rite ac solempniter per eam, cuius interest, multitudinem celebrate, ea, que postmodum per paucas ipsasque emendicatas manus contracta est, poterit preualere? Nunquid impudentiam coniecti sibi propriis manibus indumenti minax redemptorum satellitum uiolentia consecrabit?1312

Dass die erfolgte Nominierung Oktavians im ersten Schritt der Papstwahl, dem scrutinium, keine Erwähnung findet, deckt sich mit der üblichen Darstellung der alexandrinischen Partei.1313 Arnulfs eher predigthaft anmutende Fragen leiten geschickt zum eigentlichen Vorwurf über: der gewaltsamen, durch gedungene Parteigänger durchgeführten Usurpation des Papstamtes. Schließlich wurde eine durch Einwirkung von Laien oder gar Waffengewalt erzwungene Erhebung in der kirchenrechtlichen Tradition als widerrechtlich verurteilt.1314 Der Vorwurf der Simonie, genauer des Ämterkaufs durch Bestechung bewaffneter Laien, wurde in der bisherigen alexandrinischen Vorstellung nicht nur als moralischer Angriff auf den Rivalen, sondern als Übertretung der Maximen des Papstwahldekrets von 1059 verstanden, die ausdrücklich die Unsitte der Bestechlichkeit bekämpften und eine freie Wahl der Elekten garantieren 1310 Vgl. MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41, S. 81, Z. 1 – 5, wo es heißt concorditer atque unanimiter. Das Einmütigkeitsargument war weniger Bezug auf eine numerische Mehrzahl als auf die Einmütigkeit der vom Heiligen Geist Erfüllten (Apg. 4,31). Näheres bei Laudage: Alexander, S. 111. 1311 Vgl. AvL Ep. 28, S. 39 f. 1312 Ebd., S. 39. 1313 Siehe die Rekonstruktion der zwiespältigen Papstwahl in Meyer: Wahl, S. 115. 1314 Vgl. Decretum Gratiani, ed. Friedberg, D. 63, c, 9, Sp. 278: Si quis pecunia uel gratia humana, aut populari tumultu seu militari, sine canonica et concordi electione cardinalium, et sequentium religiosorum clericorum fuerit apostolicae sedi inthronizatus, non Apostolicus, sed apostaticus habeatur […]. Andere Beispiele bei Laudage: Alexander, 113 f. Dem Volk war allein die zustimmende Akklamation des vom Klerus Erwählten vorbehalten: siehe Decretum Gratiani, ed. Friedberg, D. 63, c. 25 f., Sp. 242 f. und D. 62, c. 2, Sp. 234. Siehe auch Benson: Bishop-Elect, S. 35 f. oder Georg von Below: Die Entstehung des ausschließ­ lichen Wahlrechtes der Domkapitel mit besonderer Rücksicht auf Deutschland, Leipzig 1883 (Historische Studien, 11), ab S. 7.

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sollten.1315 Interessant ist einmal mehr die Reihenfolge, die Arnulf von Lisieux den Geschehnissen zuordnet: Certum siquidem est Octauianum ecclesiam beati Petri, cum ibi celebranda foret electio, armatorum copia compleuisse, ut quod de meritis suis et sanctorum patrum gratia non sperabat, strictis in ceruices resistentium gladiis, usurparet.1316

Zur Verdeutlichung die Gegenüberstellung mit der Schilderung aus der Wahlanzeige Alexanders III., wie sie auch im angevinischen Reich zirkulierte: Ipse vero ad quendam capellanum suum […] ilico flammeos oculos fremebundus inflexit, clamans et innuens, ut mantum, quem fraudulenter secum portaverat, festinanter afferret. Quo utique sine mora delato, idem Octavianus abstracto pilleo et capite inclinato, cunctis fratribus aut loco inde aut voluntate remotis, mantum per manus eiusdem, capellani et cuiusdam clerici sui ambitiosus assumpsit, et ipse idem, quia non erat alius, in hoc opere capellano et clerico extitit coadiutor. […] Quo facto, portae ecclesiae, quae firmatae fuerant, reservantur, et armatorum cunei, quos, sicut ex re apparuit, pecuniae largitione conduxerat, evaginatis gladiis cum immenso strepitu cucurrunt, et pestis illa mortifera, quia cardinales episcopos non habebat, armatorum caterva militum vallabatur.1317

Das den Ereignissen zeitnähere Dokument, Eterna et incommutabilis, verortet also das Eindringen der Bewaffneten zeitlich nach der Selbstimmantation Oktavians. Arnulf von Lisieux hingegen kehrt die Reihenfolge der Ereignisse um und erweckt somit den Eindruck, dass sämtliche Geschehnisse in der Peterskirche unter dem Einfluss physischer Gewaltandrohung standen. Eine geschickte Strategie, die er auf ähnliche Weise schon in seiner Invektive eingesetzt hatte.1318 Doch auch hier geht es dem normannischen Bischof nicht primär um die formale Frage, ob oder inwiefern Oktavians eigenständige Bekleidung mit dem Pluviale eine widerrechtliche usurpatio darstellte. Hätte er dies belegen wollen, wäre ein erneuter Hinweis auf die im Einklang mit kanonischen Bestimmungen erfolgte Immantation des Magister Rolandus unablässig gewesen, um deutlich zu machen, dass Oktavian einem Elekten den Mantel von den Schultern gerissen hatte, dem bereits die volle 1315 Vgl. Das Papstwahldekret von 1059. Echte Fassung, in: Jasper: Papstwahldekret, S. 102, Z. 58 und S. 105, Z. 94. 1316 AvL Ep. 28, S. 39. 1317 Eterna et incommutabilis, ed. Hödl/Classen, S. 81 f. 1318 Vgl. Invectiva, ed. Dieterich, in der er den Ablauf der historischen Ereignisse verdreht und so suggeriert, dass Anaklet ein Usurpator gewesen sei, der nur durch die schnelle Erhebung Innozenz’ II. hätte aufgehalten werden können.

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Amtsautorität innewohnte.1319 Statt ihn auf rechtlicher Ebene zu diskreditieren, strebt Arnulf von Lisieux an, Oktavian als moralisch verdorben zu charakterisieren.1320 Den elegantesten Weg dahin hatte ihn die Invectiva gelehrt: die Gegenüberstellung von Antagonist und Protagonist, Idealpapst und Usurpator. Denique, consensu omnium in personam sanctissimi patris Alexandri firmato, dum ipse laudabili uerecundia renuit et excusat, impositumque sibi manibus fere omnium pluuiale repellit, dissimulare ulterius ambitio non potuit uel differre; sed effusa temeritate, nullo adhuc, sicut dicitur, cardinalium prosequente, cucurrit ad cathedram, ea nimirum fidutia quod, inuitis armatis, non posset ab inermibus amoueri.1321

Wie die menschgewordene Tugend der Bescheidenheit und das fleischgewordene Laster des Ehrgeizes treten sich der von allen gewählte Papst und der von allen verlassene Prätendent gegenüber: Alexander, der als legitimer Elekt einer Majoritätswahl den Papstmantel dennoch ablehnt (man sei an die geniale refutatio-Szene der Invektive erinnert), und der von Ehrgeiz zerfressene Oktavian, der sich, auf den Schutz durch Laienhand bauend, das Amt an sich reißt und gegen Gott versündigt. Das traditionelle Kontrastpaar von selbstloser, demutszentrierter Zurückweisung des Amtes durch Alexander III . und auf machthungrigem Ehrgeiz beruhenden Rechtsübertretung des Rivalen gewinnt im Verlauf von Arnulfs Schismakorrespondenz zunehmend an Bedeutung.1322 Somit gelingt es dem Normannen äußerst geschickt, moralische wie 1319 Schließlich bezeichnete die Bekleidung mit dem purpurnen Mantel die symbolische Annahme der Wahl durch den Elekten. Siehe Laudage: Alexander, S. 115. Unter anderem zu belegen durch Liber pontificalis II, ed. Duchesne, S. 296, 397; Gerhohi praepositi Reichersbergensis libelli selecti. De investigatione Antichristi liber I, ed. E. Sackur, in: MGH Ldl 3, c. 53, S. 360, Z. 30 – 33. Zur funktionalen Bedeutung der Immantation bei der hochmittelalterlichen Papstwahl siehe Zöpffel: Papstwahlen, S. 168 – 175; Eduard Eichmann: Weihe und Krönung des Papstes im Mittelalter, aus dem Nachlass hg. von Klaus Mörsdorf, München 1951 (Münchener Theologische Studien, III. Kanonistische Abt, 1), S. 33 – 35; Nikolaus Gussone: Thron und Inthronisation des Papstes von den Anfängen bis zum 12. Jahrhundert. Zur Beziehung ­zwischen Herrschaftszeichen und bildhaften Begriffen, Recht und Liturgie im christlichen Verständnis von Wort und Wirklichkeit, Siegburg 1978 (Bonner historische Forschungen, 41), S. 240 – 277. 1320 Damit bricht Arnulf an dieser Stelle mit dem für die offiziöse Papsthistoriographie des Liber pontificalis identifizierten Trend, vorrangig zu einer Idoneitätsfrage die rechtliche Legitimitätsfrage zu argumentieren, da jeder rechtmäßig erhobene Papst „alle notwendigen Eignungen und Fähigkeiten durch das Amt erhält“ ( Johrendt: Papst, S. 107). 1321 AvL Ep. 28, S. 40. 1322 Eine kurze Aufstellung weiterer Vorkommen des Vokabulars in entsprechenden Kontexten mag zur Illustration genügen: ebd., S. 31, 32; AvL Ep. 28, S. 40 (2mal); AvL Ep. 29, S. 44, 45, 49.

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kirchenrechtliche Argumentation zusammenzubringen. Schließlich widersprachen sowohl der Mangel an Amtseignung wie auch die moralisch verwerfliche Motivlage zum Anstreben des Amts, etwa Ruhm- oder Machtsucht, geltendem Kirchenrecht und ethischen Vorstellungen. Avaritia und ambitio mit all ihren Ausformungen, ­darunter auch Simonie und Erpressung, gehörten zum klassischen Grundrepertoire des Schismapolemikers und hielten schon Einzug in das kontrastive Tableau von Benedictus deus.1323 Moral und Recht. Beide Prinzipien hebelte Oktavian nach Arnulfs Darstellung aus, indem er an sich riss, „was er nicht durch seine eigenen Verdienste oder die Gnade des Heiligen Vaters verdiente“, um den Aufstieg, den er „nicht durch das Recht machen konnte, wenigstens durch Hast zu erringen“ 1324. Die Schilderung von Oktavians hastig-fiebrigem Alleingang und seinem Sturm auf Cathedra Petri und Lateranpalast relativiert wirkungsvoll die viktorinischen Behauptungen, das Wahlzeremoniell sei von der Immantation über die processio zum päpstlichen Palast korrekt eingehalten worden.1325 Plastisch ausgeschmückt wird sie zum neuen Element in den Zeugnissen öffentlicher alexandrinischer Kommunikation. Vielleicht fügte Arnulf damit Informationen ein, die, wie der Einschub sicut dicitur 1326 nahelegt, mündlich zirkulierten, vielleicht aber wird man Zeuge der lebendigen Rhetorik eines Prälaten, der als Sprachführer der alexandrinischen Partei seine Botschaft nachhaltig vermitteln wollte. Auch an anderer Stelle schreckt Arnulf bei der Denunziation des politischen Kontrahenten vor einprägsamen Ausführungen nicht zurück. So etwa die ausgeschmückte Behauptung, man habe den um Leib und Leben fürchtenden Alexander und seine Wähler neun Tage durch Parteigänger des Gegners festgesetzt und elendig hungern lassen, die in ihrer Vehemenz und im Kern auf das Kardinalsschreiben Moerore simul

1323 Schon im Investiturstreit wurde der Simonie „auf ethischer Seite das Laster der avaritia gegenübergestellt“ (Tilman Struve: Endzeiterwartungen als Symptom politisch-sozialer Krisen im Mittelalter, in: Johannes Adrianus Aertsen (Hg.): Ende und Vollendung. Eschatologische Perspektiven im Mittelalter, Berlin 2002, S. 207 – 226, hier: S. 222). Siehe AvL Ep. 24, S. 31. Quod in sancte et gloriose recordationis Innocentio papa satis euidenter apparuit, qui extollentem se aduersus omne quod dicitur aut quod colitur deus deiecit hereticum, quem nobilitas generis, quem diuitiarum cumulus, quem pecatrix eloquentia, quem prudentia secularis, quem denique secularium hominum fauor publicus attollebat. Preualuit in athleta dei ueritas falsitati, et humilitati robuste superba cessit ambitio, et de iniquitate iusticia triumphauit. 1324 Vgl. ebd., S. 39 f. 1325 Vgl. MGH Const. 1, No. 190, S. 265 f. 1326 AvL Ep. 28, S. 40.

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zurückgeführt werden kann.1327 Ein Blick auf die Zeugnisse früherer Schismen enthüllt allerdings Arnulfs Tendenz zur Übertreibung. Ein ähnlicher, noch drastischerer Vorwurf des Missbrauchs Unschuldiger war schon in der Wahlanzeige Innozenz’ II. an König Lothar zur Delegitimation Anaklets II. ins Feld geführt worden: Postmodo Petrus Leonis, qui papatum a longis retro temporibus affectaverat, parentum violentia, sanguinis effusione, decrostatione sanctarum imaginum B. Petri cathedram occupavit, et peregrinos ac religiosos quosque, ad apostolorum limina devotionis causa venientes, captos et tetris carcerum squaloribus ac ferreis vinculis mancipatos, fame, siti diversisque tormentorum generibus cruciare non desinit.1328

Zudem wird Oktavian von Arnulf der Lüge bezichtigt: Unde etiam sibi mentiendi causam componit iniquitas, asserens Octauianum, priusquam alter eligeretur, per nouem dies apostolatus cathedram solitarium insedisse, quasi ille ab initio, licet renuerit, non fuisset electus, uniusque uiolentia possessio sanctificare iniusticiam et ambitionis audatiam ualeat expiare.1329

Zur Verfestigung des Gegensatzes ­zwischen dem rechtmäßigen, demütigen Elekten Rolandus und dem lügnerischen Usurpator Oktavian wird hier eine ganz andere Ebene der Polemik betreten als in den noch sehr rechtlich orientierten Manifesten der Phase vor Pavia. Der Druck war offenbar genug gestiegen, um auch vor Lügen oder Halbwahrheiten nicht zurückzuschrecken. Pate stand ein weiteres Mal die innozenzianische Propaganda der 1130er. Am Ende führen bei Arnulf göttliches Erbarmen und die Intervention des römischen Senats die Geschichte zu einem glücklichen Abschluss: Porro illi, de carcere beneficio senatus educti, ad locum, quo apostolica insignia seruabantur, domino miserante, perducti sunt, ut electio manciparetur effectui, et electus gratiam consecrationis per manum 1327 Ebd. Sowohl vor und nach Pavia berichten unmittelbare Zeugnisse nur von der Besetzung, nicht aber von unmenschlichen Haftbedingungen, die Alexander sicherlich weitere Sympathien gewonnen hätten. Man vergleiche exemplarisch für die Gesamtüberlieferung die zweite und dritte Fassung von Eterna et incommutabilis (in: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41, S. 301 bzw. Eterna et incommutablis, ed. Ramackers, S. 220) den Bericht Gerhochs von Reichersberg (GvReichersberg De Investigatione Antichristi, ed. Sackur, S. 361) sowie das Schreiben der Kardinäle vom April 1160 (Moerore simul, ed. Watterich, S. 495). 1328 Abgedruckt in: Migne PL 179, Sp. 55 f., Nr. 4, hier: Sp. 55C. Siehe auch RI IV 1, Nr. 230. 1329 AvL Ep. 28, S. 40.

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Hostiensis episcopi, ad quem hoc iure speciali pertenebat, acciperet. Denique cardinales et episcopi, qui per diuersas prouintias legationis fungebantur officio, ad eum pari deuotione conuersi sunt […].1330

Der Vollzug der Weihe durch den althergebrachten Konsekrator, den Bischof von Ostia, ist ein Beweis, dass neben Gott und dem Senat, also den Vertretern des römischen Volkes, deren Akklamation die Viktoriner für ihren Favoriten beanspruchten, auch das Recht auf Alexanders Seite war. Am Ende kann Arnulf auf die aus Benedictus deus bekannte, fast obligatorische Empfehlung an Alexander, seine Bemühungen verstärkt auf den Aufbau einer Obödienzbasis zu richten, nicht verzichten. Vielleicht ist dies die persönlichste Spur seiner eigenen Überzeugungen. Für Arnulf endet die turbulente Papstwahl in klaren Verhältnissen: Alexander III. ist der legitim gewählte, favorisierte und konsekrierte Papst. So wäre es auch geblieben, hätte sich Oktavian nicht den Beistand des ewigen Unruhestifters auf dem Kaiserthron gesichert.1331 Nach seinem einschlagenden Erfolg in London sollte man annehmen, dass Quanta tempestate die letzte briefliche Darstellung der strittigen Papstwahl von 1159 aus der Feder des Arnulf von Lisieux gewesen sei. Dem ist jedoch nicht so. Am Ende des denkwürdigen Jahres 1160 sollte er ein weiteres schismabezogenes Zeugnis auf den Weg bringen. Dieses Quam utilis apud principes inzipierte Schreiben gibt in vielerlei Hinsicht Rätsel auf, die es im Folgenden zu lösen gilt.

1.2.2  Alte Ideen in neuem Gewand? Arnulfs Quam utilis apud principes Erste Unklarheiten beginnen bereits mit der Datierung des Stückes. Aus der Position des Briefes in den verschiedenen Überlieferungszeugen der Sammlung, aber auch auf bedauerlicherweise nicht näher spezifizierten, inhaltlichen Erwägungen verortet ­Barlow Quam utilis apud principes in den November oder Dezember 1160. Problematisch ist, dass Barlow 1939 ohne Cheneys Forschungsbefunde zu Existenz und Datierung der Synoden von London, Beauvais und Neufmarché noch der Illusion eines Konzils von Toulouse erlag. Dadurch ergab sich für Arnulfs Brief spätestens eine Abfassung im Oktober 1160.1332 Cheneys und Classens Erkenntnisse jedoch ermöglichen eine Erweiterung des Datierungszeitraums auf das nach dem 22. Juli desselben Jahres 1330 Ebd. 1331 Ebd: totique iam ecclesie dei indubitate tranquillitatis serenitas arrideret, nisi homo ille ad preparatum imperatoris auxilium transfugisset. 1332 Vgl. Letters, ed. Barlow, S. 48, Anm. a. Widerlegend: Cheney: Recognition und Peter Classen: Das Konzil von Toulouse 1160: eine Fiktion, in: DA 29 (1973), S. 220 – 223.

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s­ tattgefundene Konzil von Beauvais als terminus post quem. Dort erwirkte Heinrich II. als politischen Schachzug bei den Legaten Alexanders III. einen Ehedispens für die einander versprochene Kronprinzessin Margarete und seinen Sohn Heinrich den Jüngeren, durch deren Vermählung ihm gemäß der angevinisch-kapetingischen Entente vom Mai desselben Jahres strategisch wichtige Burgen im Vexin als Mitgift zufielen.1333 Es war vor ­diesem politischen Hintergrund, dass der Bischof von Lisieux mit Quam utilis seine Verteidigung der Kardinallegaten an die alexandrinischen Kardinäle richtete. Da der Entrüstungssturm Ludwigs VII. und damit die politischen Wellen, die die Angelegenheit schlug, mit der Vermählung der Königskinder in Verbindung stehen, ist eine Datierung der Arnulfschen Verteidigungsschrift in den Herbst wahrscheinlich. Allerdings ist es nahezu unmöglich, aus Arnulfs meisterlich ambiguer Rhetorik zu schließen, worauf genau, ob auf die Vereinbarung des Dispenses oder die eigentliche Verheiratung der Kinder, sich die entsprechende Passage bezieht: Sed et unde quis orituram super eo presumpsisset offensam, quod ab initio pro bono pacis, scripto etiam interueniente, regum sanctitas, religio presulum, principum fides, populi congratulatio deuota firmauit […].1334 Neben der Datierung des Schriftstücks ist auch die Empfängerlage problematisch. Die erste Redaktion der Korrespondenz nennt als Adressaten die englischen Bischöfe Gilbert Foliot, Hilarius von Chichester und Wilhelm von Norwich. Dieser Einschätzung folgt auch Schriber mit der Begründung, dass „die detaillierte Beschreibung der Geschehnisse während der strittigen Wahl Alexanders III. angemessener an jene gerichtet zu sein scheint, die nicht an den Ereignissen teilgenommen hatten“ 1335. In der Tat scheint die ausführliche Beschreibung der Vorgänge in Rom für Augenzeugen der Wahl – wie etwa die Mitglieder des Kardinalskollegiums – voller Redundanzen zu stecken. Doch berücksichtigt Schriber nur eine Hälfte des Gesamtdokuments. Die Beschreibung der Doppelwahl verfolgt auch in ihrer leicht überzogenen Breite eine Funktion innerhalb des Schriftstücks, die über reine Informationsvermittlung hinausgeht, denn sie ist eng verzahnt mit der Verteidigung der Kardinallegaten und ihrer Erteilung des Ehedispenses für die minderjährigen Königskinder. Aus der zweiten Redaktionsstufe der Arnulfschen Briefsammlungen, der auch Giles’ Edition folgte, übernahm Barlow hingegen eine Adressierung an die alexandrinischen Kardinäle.1336 Nach Analyse der Überlieferungslage kommt er zu dem 1333 Zu Beauvais: RI IV,2,2 n. 892. Vertragstext des Friedensschlusses z­ wischen den Königsreichen: No. 141. Traité conclu avec Louis VII, roi de France, in: Actes de Henri II I, ed. Delisle/ Berger. Einordnung in Warren: Henry, S. 88 – 91. 1334 AvL Ep. 29, S. 49. 1335 Vgl. Letter Collections, ed. Schriber, S. 61. 1336 Vgl. AvL Ep. 29, S. 43 und Arnulfi epistolae, ed. Giles, Nr. 24, S. 122 – 129.

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Schluss, dass der Brief in zwei Versionen zirkulierte. Darauf deute die Anpassung der Personalpronomen in den verschiedenen Textzeugen hin. Die eine Fassung sei das an die Kurie in Anagni versendete Original, die andere eine Kopie an Vertreter des englischen Episkopats, durch die der englische Hochklerus über die Ereignisse unterrichtet werden sollte. Er schließt, dass die zum Zeitpunkt der Kompilation leichter zugängliche englische Version von Quam utilis zur Niederschrift der ersten Sammlung genutzt wurde, während spätere Redaktionen sich auf die ursprüngliche Textgestalt beziehen konnten.1337 Barlows Überlegungen sind zunächst glaubhaft. Auch der älteste Textzeuge der Erstedition (Turin, B. N., D, iv, 32), der auch Barlow als Kollationsmanuskript dient, überschreibt den Brief mit Ad Gisl’ Lond’ et Hyl’ Citest’ et Wll’ Norwic’ episcopos Anglie 1338. Die Translation des damaligen Bischofs von Here­ ford auf den bischöflichen Stuhl von London fand erst drei Jahre s­ päter, am 19. März 1163, statt.1339 Entweder ist die Datierung des Briefes zu früh angesetzt (wogegen sein Inhalt spricht) oder der Hinweis auf die englischen Adressaten ist ein späterer Zusatz, der erst nach 1163 Eingang in den Turiner Textzeugen fand.1340 Es wäre nicht der erste Fall, in dem Arnulf zu Zwecken der Informationsstreuung einen Brief in doppelter Ausführung an die Kurie und verschiedene Parteien in England sandte.1341 Offensichtlich war ihm daran gelegen, insulare wie kuriale Würdenträger auf neuestem Stand zu halten. Positiver Nebeneffekt: Seine eigenen, im Brief zum Ausdruck gebrachten Bemühungen für Alexander erreichten die Ohren einer breiteren Öffentlichkeit. Es ist zunächst schwierig, ein logisches Prinzip in der Auswahl der englischen Adressaten zu erkennen. Alle drei Prälaten standen in unterschiedlichen Beziehungen zu König Heinrich. Im Jahr 1160 genoss Gilbert Foliot noch nicht die Vorzugsstellung als königlicher Beichtvater und sowohl der eigentlich königsnahe, kanonistisch gebildete Hilarius als auch der hochgeschätzte Benediktinerbischof Wilhelm hatten gelegentlich dem Plantagenêt die Stirn geboten.1342 Die monastischen Vertreter, Gilbert Foliot als ehemaliger Prior von Cluny und Wilhelm von Norwich, einziger 1337 1338 1339 1340

Vgl. Letters, ed. Barlow, S. lxxviii, Anm. 1. Zitiert nach ebd., S. 43, Anm. 5. JL 10837 und 10838. Einen endgültigen Beweis könnte eine Betrachtung der gesamten Überlieferung der ersten Redaktion liefern. 1341 Vergleiche seinen Hinweis auf die Kopie von Quanta tempestate, die er Heinrich von SS. Nereo e Achilleo zukommen ließ: AvL Ep. 27, S. 37. 1342 Hilarius hatte in der Frage des Rechtsstatus der Abtei Battle als königliches Eigenkloster zur Stärkung seiner eigenen bischöflichen Autorität vehement die päpstliche Suprematie gegenüber Heinrich II. vertreten, während Wilhelm von Norwich sich 1156 unter anderen

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Mönchsbischof des englischen Episkopats, propagierten keine radikalen papalistischen Ideen. Es gibt keine starken biographischen, geographischen, politischen oder anders gearteten Verbindungen der drei Männer zu Arnulf von Lisieux. Ein Einfluss auf die Schismapolitik des Königs ist nicht belegbar. Der einzige Weg zur Erhellung der Adressatenfrage führt daher über einen näheren Blick auf Inhalt und Aufbau des Schriftstücks. Da sich, wie in Audita sancte und Benedictus deus gesehen, der Bischof von Lisieux mit außergewöhnlicher, fast chamäleonartiger rhetorischer und literarischer Gewandtheit den Notwendigkeiten seiner Botschaft und seiner Empfänger anpasst, fallen besonders im Vergleich z­ wischen den vor und nach der Synode von London versandten Zeugnissen aus Arnulfs Feder bei identischem Berichtsgegenstand unterschiedliche Gewichtungen ins Auge. Auf den ersten Blick teilen Quam utilis und Quanta tempestate den moralisierenden Berichtsschwerpunkt und ihren Fokus auf dem Vergleich der beiden involvierten Parteien. Quam utilis erreicht aber nie die polemische Qualität der Kaiserkritik des London-Manifests. Überhaupt ist es – anders als Quanta tempestate – gar kein Bericht im engeren Sinne. Vielmehr destilliert Arnulf darin deutlich die sich aus dem Ablauf ergebenen kirchenrechtlichen und moralischen Argumente zu einer Lagerschau der involvierten Parteien. Das hervortretende Schismabild ist daher untrennbar mit der Kontrastierung der alexandrinischen und viktorinischen Parteigänger verbunden. Zu Beginn seiner zweiten großen Schilderung der Doppelwahl begrüßt Arnulf freudig die erreichten oder erhofften Erfolge in der Obödienzgewinnung.1343 Ihm und allen auf normannischem und englischem Boden habe die Anerkennung A ­ lexanders III. 1344 Grund zum Jubel beschert. Die Schismatiker, mit Blindheit geschlagen, exkommuniziert und aus der Einheit der ­Kirche verstoßen, hätten ihre gerechte Strafe empfangen. Der Triumph der Wahrheit sei nicht mehr zu leugnen.1345 Zur Absendung federführend gegen die Einführung der von Heinrich geplanten Kriegssteuer gewandt hatte. Siehe Knowles: Colleagues, S. 25, 33. 1343 Vgl. AvL Ep. 29, S. 43 f. 1344 Ebd., S. 44: Neque enim necessaria michi est in hac parte iactantia, ut rei uobis ueritas innotescat, quoniam, me etiam dissimulante, latere non poterit quod Normannia tota mirata est, et ipsa de longinquo nichilominus Anglia recognouit. 1345 Vgl. ebd., S. 43. Man beachte die Nähe der Bildsprache von Blindheit und Licht der Wahrheit zu Arnulfs Beschreibung des Girald von von Angoulême als Uhu in der Invektive (Invectiva, ed. Dieterich, S. 106, Z. 37). Das nachtaktive Tier stand in der mittelalterlichen Vorstellung sinnbildlich für jene, die sich sehenden Auges der wahren Religion verschlossen. Hinter Arnulfs überzeugtem Optimismus liegt das geltende päpstliches Selbstverständnis, in dem sich seit Mitte des Vorgängerjahrhunderts die Idee verfestigt hatte, der Petrusnachfolger werde durch Übertragung der Binde- und Lösegewalt (Mt 16, 18 – 19) durch Christus

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von Quam utilis am Ende des Jahres 1160, das mit den Beschlüssen des Konzils von Pavia begonnen hatte, lag nach den Entscheidungen der englischen und normannischen Synoden offenbar ein neuer Optimismus in der Luft. Veränderte d­ ieses Klima des Aufatmens auch den Blick auf die Ursprünge, Abläufe und beteiligten Gruppen der Papstwahl von 1159? Um Quam utilis in seiner Einzigartigkeit zu verstehen, bedarf es eines ­kurzen Blickes zurück. Weder in Audita sancte noch in Benedictus deus findet ein expliziter, polemischer Angriff auf Alexanders Gegenspieler Oktavian von Monticelli statt. Es findet sich noch keine Spur der polemischen Ausrichtung des damals kursierenden offiziellen alexandrinischen Wahlberichts. Die Einschätzung der Krise ist noch hoffnungsgeladen und höchstens auf eine Kritik an der Vermessenheit und Verblendung der Gegenpartei konzentriert.1346 Mit Verwendung des Begriffs praesumptio für diese Partei und ihr Oberhaupt spannt Arnulf den Bogen zu jenen, auf den calixtinischen Fresken dargestellten schismatici praesumptores 1347, den Vorläufern Oktavians. Die Parallele bleibt jedoch eher implizit. Den Normannen schienen noch keine weitgehenden Informationen zu Hergang und beteiligten Gruppen der Doppelwahl erreicht zu haben. Das einzige Instrument, das dem Herrn von Lisieux zur Einschätzung und Kommentierung der ausgebrochenen Krise blieb, war daher der Blick in die Vergangenheit. Auch spricht Arnulf noch nicht von einem Schisma, sondern nur von Zeiten der Bedrängnis (tempora tribulationis).1348 Aus kirchenrechtlicher Sicht ist dies korrekt: Erst Oktavians Weihe im Oktober 1159 begründete eine Kirchenspaltung. Diese veränderte Qualität der Situation spiegelt sich dann auch in der Entrüstung zum irdischen Sachverwalter des Gottessohnes. Siehe zur Entwicklung des neuen Amtstitels eines vicarius Christi grundlegend: Maccarrone: Vicarius. Diese Schlüssel- und Strafgewalt verlieh päpstlichen Entschlüssen Verbindlichkeit im Diesseits wie Jenseits und damit eine eschatologische Komponente. Die Mittel ihrer Ausführung, Exkommunikation und Anathem, konnten die Verdammung des Betroffenen durch den Weltenrichter vorwegnehmen. Damit lag „in der Exkommunikation der Schismatiker, wie die rechtmäßigen Päpste und ihre Konzilien sie wiederholt vorgenommen hatten, […] bereits deren endgültige Aburteilung durch Christus beschlossen.“ (Herklotz: Bildpropaganda, S. 281. Dort auch Ausführungen zum ikonographischen Niederschlag dieser Ideen in den calixtinischen Lateranfresken.) Wenn Arnulf von Lisieux also über die Exkommunikation des Gegenpapstes und seiner Parteigänger frohlockt, so im Glauben, dass diese nicht nur eine irdische Disziplinarmaßnahme, sondern auch eine besiegelte Aburteilung im Jenseits darstellte. 1346 Vgl. AvL Ep. 24, S. 32 f.: Ex quo etenim promotionis uestre auribus nostris ueritas et opposite presumptionis error innotuit, festinaui ad nostri notitiam principis [i. e. Heinrich II.] id perferre […]. 1347 Ebd., S. 32. 1348 Vgl. ebd., S. 31: tempora tribulationis.

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und verstärkten kommunikativen Aktivität der alexandrinischen Kurie, die der Weihe und späteren Anerkennung Viktors IV. durch das Heilige Römische Reich folgten. Die circa ein halbes Jahr s­ päter entstandene Beschreibung der Wahlszene in Quanta tempestate führt im Vergleich deutlich über Benedictus deus hinaus. Das Repertoire, mit dem Arnulf arbeitet, ist in nicht unerheblichen Teilen der polemischen Kommunikation der 1130er Jahre – den Briefen des Bernhard von Clairvaux, den Enzykliken Papst Innozenz’ II. oder seiner eigenen, eventuell auf dieselben Vorbilder gestützten Schmähschrift gegen Girald von Angoulême – entnommen. Nach Alexanders richtungsweisendem Fingerzeig vom April 1160 und im Vorfeld der Synode von London werden zusätzlich alexandrinische Argumentationsmuster in die Diskussion aufgenommen. Während Benedictus deus in keinem Punkt mit der kurialen Kampagne in Verbindung steht und noch von dessen Suche nach einem gültigen Deutungsmuster für das Schisma zeugt, nutzt der Bischof von Lisieux im Nachhall der päpstlichen Mahnung zur kirchenrechtlichen Interpretation der Doppelwahl die mittlerweile greifbare Wahlanzeige und Litteras a tua nobis als Steinbruch zur Ausschmückung der eigenen Position. Seinen Glauben an Effektivität und Richtigkeit der klassischen Idoneitätsdiskussion jedoch legt er nicht ab. Auch in Quam utilis begegnen uns altbekannte Strukturen im neuen Gewand. Der inhaltliche Aufbau des Stücks und der ihm zugrunde liegende Zweck sind nicht leicht zu erkennen. Insbesondere Arnulfs extensive Rekapitulation der Handlungen und Gesinnungen der beiden Konfliktparteien stellt die Geduld des Lesers auf eine harte Probe. Das Exordium des Briefes ist getragen von der ermutigenden Nachricht vom Vollzug der Weihe Alexanders III. in Ninfa, deren bloße Erwähnung ein Hinweis darauf sein könnte, dass die päpstliche Wahlenzyklika, zumindest aber das Wissen um die erfolgte Konsekration endlich den Weg in die Normandie und an den englischen Hof gefunden hatte. Arnulfs einleitende Ausführungen drehen sich um zwei Th ­ emen: seinen eigenen Einsatz für Alexanders Sache, die tiefe Überzeugung von deren Richtigkeit sowie die gelungene Isolation der und die Erwehrung gegen die exkommunizierten scismatici.1349 Dass die Grenze z­ wischen falsch und recht endlich scharf gezogen wurde, sei nicht nur ein ­Zeichen göttlicher Weisheit, sondern auch Grund zur Zuversicht: Iudicati sunt debitamque commissi reatur excepere sententiam, quos ecclesia, tanquam degeneres Sathane, tradidit in interitum carnis et a catholica depulit unitate. […] Porro benignus ecclesie sue sapientia diuina prouidit, manifestam faciens omnibus ueritatem, ut nec simplicitas ignorantiam, nec malignitatas probabile quidlibet ualeat allegare.1350 1349 Vgl. AvL Ep. 29, S. 61 f. 1350 Ebd., S. 44.

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Unter den vielen Erfolgen ­seien nicht nur die Bestrafung der Gegner oder die erweiterten Obödienzbereiche des eigenen Favoriten, sondern vor allem auch der Triumph der Gesamtkirche: Ad hec spiritus quoque testimonium peribet spiritui nostro, quia nobiscum scismaticum illum publica omnium conscientia respuit et condempnat, et electum nobis antistitem sincere caritatis et reuerentie brachiis amplexatur. Opera siquidem illius manifesta sunt, opera scilicet maledictionis et scandali; opus autem istius in benedictione est, et fauor eius in gentes cotidie conualescit. Corda enim omnium uobiscum sunt, eorum etiam, quorum lingue nobis qualibet seculari necessitate reclamant, adeo ut, si nondum de corporibus, de cordibus tamen omnium uerum sit ecclesiam triumphasse.1351

Dazu zählt auch die laufende und prospektive Wiederherstellung ihrer Einheit als Ziel des Kampfes. Diese bereits in Benedictus deus adressierte unitas ecclesie wird in Quam utilis – sozusagen auf halbem Weg zur Tours-Predigt – verstärkt zur Leitidee und zum Maßstab, an denen Häresie und Rechtgläubigkeit gemessen werden.1352 Oktavian von Monticelli und seine Mitstreiter, allen voran der römische ­Kaiser, die der schnöde Ehrgeiz aus der katholischen Einheit getrieben habe, erwarte die Strafe Gottes. Auf der anderen, der richtigen Seite stünden die Kardinallegaten, die um die Freiheit der K ­ irche kämpften und mit denen man in kirchlicher Ein1353 heit vereint sei. Umklammert von diesen zuversichtlichen Erwähnungen des Erreichten findet sich Arnulfs dritte und letzte große Darstellung der Doppelwahl und ihrer Akteure. Die Passage überrascht. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch nimmt die Beschreibung gegenüber den anderen Arnulfschen Darstellungen einen neuen Zuschnitt ein. Der Abschnitt beginnt mit einer Schmähung der drei oktavianischen Hauptwähler Imar von Tuskulum, Johannes von Mercone und Guido von Crema, die in ihrer Vehemenz in der Korrespondenz des Normannen einzigartig ist. Den Anfang macht eine vernichtende Charakterisierung des Trios: 1351 Ebd., S. 47. 1352 Beispiele aus den beiden ersten Briefen an die Kurie: Gauisus siquidem sum paucos a generali concordia desciuisse, quorum numerus nichil aut parum unitati catholice poterit derogare. (AvL Ep. 23, S. 30); Redibit tamen in proximo, deo uolente, serenitas, et modica hec ad radios ueri solis nebula dissoluetur, et, redintegrata unitate catholica, ab omni parte pedibus uestris uniuersitas fidelis occurret. bzw. uos, apostolum Christi, Petri uicarium, pastorem et episcopum omnium qui Christiano nomine censentur, agnosco, et uobiscum catholicam profiteor unitatem. (AvL Ep. 24, S. 32). 1353 Vgl. ebd., S. 44, 47.

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Sed tres tantum de tota uniuersitate seducti sunt, et hii sane quos magis supportare uidebatur ecclesia, quam in aliquo de eorum industria gloriari; quia scilicet eos nec uirtutis elegantia, nec litteratum peritia commendabat.1354

Ein deutliches Bild. Alle drei ­seien schwache Persönlichkeiten, die sich hätten verführen lassen. Dank ihres virulenten Mangels an Tugendhaftigkeit und Talent s­ eien sie seit jeher eine Last für die M ­ utter ­Kirche gewesen. Für Guido von Crema, Kardinalpresbyter von S. Maria in Trastevere, und Johannes von Mercone, Kardinalpresbyter von SS. Silvestro e Martino, die beide als bedingungslose Anhänger Viktors IV. und seiner Sizilien feindlichen Politik in Beauvais aufgetreten und gescheitert waren, macht Arnulf niedere Beweggründe geltend:1355 Alius [i. e. Johannes von Mercone] affe[c]tate cancellarie confusus obprobrio, et aliene prelationis honore deiectus, conceptum de inuidia personale odium in ecclesiam conuertere temeraria malignitate presumpsit.1356

Wird dem einen persönliche Missgunst und Rachsucht gegenüber dem ihm angeblich bei der Vergabe der Kanzlerehre vorgezogenen Magister Rolandus vorgeworfen, hat der andere gleich zwei Gründe, sich gegen Rolands Wahl zu stellen: Tertius [i. e. Guido von Crema] uero solius inter alios periture priuilegio carnis exultans, arbitratus est nichil negandum sanguini, nichil sacris canonibus deferendum. Neque enim potest debitam eis exhibere reuerentiam quos ignorat; ideoque similem sibi brutum brutus elegit, ut in sibi inuicem de pari litterarum imperitia responderet.1357

Der sprachlich gewandte, weil doppeldeutige Begriff sanguinis kann als ‚Blutvergießen‘ auf die bei der Wahl angewendete Gewalt oder die ‚Blutverwandtschaft‘, das verwandtschaftliche Verhältnis ­zwischen Guido und Oktavian von Monticelli, bezogen werden. Oktavians späterem Nachfolger wird also nichts Geringeres als die Billigung von Gewalt, Weltlichkeit und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Dazu 1354 Ebd., S. 44. 1355 Vgl. Madertoner: Papstwahl, S. 111 – 115 und Nr. 70. Gaudeo plane, in: Admonter Briefsammlung, ed. Hödl/Classen, S. 126. Wilhelm von Newburgh (WvNewburgh Historia, ed. Howlett, S. 121) berichtet wie Viktors Legaten voller Schande cum confusione et dedecore das Konzil von Beauvais verließen. Vorgeschichte und Verlauf der Synode schildert Ohnsorge: Legaten, besonders: S. 32 – 35. 1356 AvL Ep. 29, S. 45. 1357 Ebd.

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kommt Arnulfs spitze Bemerkung über Guidos vermeintlich mangelnde Expertise im Bereich kirchlicher Kanones – ein sachter Hinweis auf die rechtliche Dimension der Papstfrage. Die kirchenrechtlichen Satzungen, auf die Guido sich berufen habe, habe der Kardinalpresbyter nicht einmal verstanden. Sie ­seien, so wird impliziert, daher nicht auf die Ereignisse in der Peterskirche anwendbar. Im geistigen Klima des endenden Jahres 1160, in dem Guido und Johannes durch Alexanders Anerkennung und die Bannung ihres Papstes sowie seiner Verbündeten in Beauvais schmählich erniedrigt worden waren, konnten s­ olche Schmähungen wohl bedenkenlos ausgesprochen werden.1358 Die volle Schärfe der Arnulfschen Polemik trifft Imar von Tuskulum. Da der Kardinalbischof erst nach der Weihe Viktors IV. in Farfa in den Fokus rückte, kann die persönliche Verunglimpfung des rang- und dienstältesten Kardinals zweifellos auf seine Rolle als Konsekrator des alexandrinischen Gegenkandidaten zurückgeführt werden. Interessanterweise ist es aber in Arnulfs Brief eben nicht diese als unstatthaft abgelehnte Weihehandlung selbst, die Imar in Verruf bringt. Das Gerücht, er habe während seiner Legatentätigkeit für Papst Lucius II. die Interessen Heinrichs von Winchester, der Hauptfigur viktorinischer Opposition im englischen Episkopat, verfolgt, mag wie in London der Polemik im englischen Bischofsstand zusätzliche Würze gegeben haben. Beides zusammengenommen ist der polemische Angriff auf den einzigen viktorinischen Kardinalbischof des Kollegiums verständlicher, wenn er weniger an kuriale als an episkopale Adressatenkreise in England gerichtet war. Vielleicht verlegt sich Arnulf gerade deshalb in der Beschreibung Imars auf die Karikatur: Nunquid enim is, qui inter eos etate precedebat et ordine, Tusculanum loquor, horam quietis et prandii solitus obseruare, Epicurus alter reputabatur ab omnibus, omnium neglegens, nisi alicuius forte quod oblata sperati prouentus auspicatio preueniret? Quod adeo uerum est, ut, ceteris laborantibus, solus premature, sicut dicitur, ab electione discesserit, quoniam hora prandii uidebatur instare, ne auidus desiderio suo fraudaretur exactor, et inania aduersus negligentes manus inciperent uiscera murmurare.1359

Es ist unmöglich auszumachen, wie viel Wahrheit in der Charakterisierung Imars als genusssüchtigen Völlers steckt, der sich für eine Mahlzeit und ein Nickerchen aus der Wahl des apostolischen Stellvertreters zurückzieht und die ­Kirche damit sehenden 1358 Vom Scheitern der Kardinäle berichten voll Genugtuung MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 70 und WvNewburgh Historia, ed. Howlett, S. 121. 1359 AvL Ep. 29, S. 44 f.

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Auges ihrem Schicksal überlässt. Der deutliche Bezug zum Laster der Völlerei reiht sich in den Neid und die Missgunst des Johannes von Mercone und die ignorante Trägheit Guidos von Crema ein. Arnulf von Lisieux konnte vielleicht auf bekannte Charakterschwächen der Beschriebenen aufbauen, doch ist die Streuung ihrer Verfehlungen wohl nicht ganz zufällig. Gemeinsam erscheinen die drei Männer als genaues Gegenteil der Kardinaltugenden Mäßigung, Gerechtigkeit und Weisheit. Bemerkenswert ist hier nicht der Inhalt der Verunglimpfung an den viktorinischen Sympathisanten, sondern deren Subjektivierung: Sed et apostolice seueritatis eos disciplina terrebat, ne eorum frenaret excursus. Hic numerus, hec tanta peritita, hoc tam uenerabile sanctumque collegium, ecclesiam dei, immaculatam scilicet sponsam dilceti filili sui, renitentibus uniuersis, affectuauit ad propriam pertrahere uoluptatem, et a dextris regis ad detestabiles Sathane transferre complexus.1360

Es geht Arnulf offensichtlich nicht – wie vor der Synode von London – um die objektive Kritik an einer viktorinischen Minderheit, sondern um einen direkten, persönlichen Angriff auf die Viktoriner als Individuen. Auch wenn ihnen mit der Schmähung als Geschöpfe der Dummheit, des Ehrgeizes und Weltlichkeit ihre Rolle als verständigerer Teil des Wahlgremiums (sanior pars) abgesprochen und behauptet wird, die gewichtige Stimme des primus inter pares, des ranghöchsten Kardinals, sei gar nicht für Viktor gefallen, wird der Ausgang der strittigen Papstwahl und damit die rechtliche Verantwortlichkeit nicht hauptsächlich den drei Kardinälen zur Last gelegt. Vielmehr setzt Arnulfs dezidierte Unsachlichkeit den stilistischen Ton für die folgende Narratio, in der die Beschreibung des wahren schismatischen Urhebers erfolgt: Visa tamen totius fere uniuersitatis concordia desperati, ad unitatem statim redituri fuerant uel inuiti. Sed stupentibus ipsis, ideoque cessantibus, scismatici maioris diutius effrenata non tulit ambitio; preparatoque furtim, sicut dicitur, pluuiali, de manibus offerentis arrepto, in humeros suos tanta festinatione coniecit, ut herentibus collo finbriis pauimentum lamberet pars superior indumenti.1361

Auch im Winter 1160 führt der Bischof von Lisieux folglich noch den Ursprung der Kirchenspaltung ohne Berücksichtigung externer Einflussfaktoren im Kern auf Person und Habgier des päpstlichen Widersachers zurück.

1360 Ebd., S. 45. 1361 Ebd.

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Es folgt eine rhetorisch und narrativ meisterhafte Umformulierung der alexandrinischen Wahlschilderung in der durch Eterna et incommutabilis in den großen Königreichen verbreiteten Version. Die Darstellung ist lebendig und geradezu sinnlich zu erfassen. Mit allen Farben malt Arnulf das Bild des schismatischen Ambitionisten aus berüchtigter Familie, der sich eigenmächtig, vermessen und unter Zuhilfenahme finanzieller und familiärer Ressourcen den Weg zur Cathedra Petri ergaunert.1362 Dabei gibt er unumwunden zu, nicht persönlich dabei gewesen zu sein, als die „durch das Blut Christi erkaufte Freiheit öffentlich preisgegeben“ und die K ­ irche, „die immer durch ihr eigenes Recht unter allen Fürsten geherrscht habe, durch die Willfährigkeit ihres eigenen Vertreters verkauft“ 1363 wurde. Der öffentliche Charakter der Ereignisse ziehe eine große Zeugenschaft nach sich. Seine eigenen Kenntnisse entstammten daher allgemeiner Überzeugung und den glaubhaften Berichten ehrenhafter Gewährsmänner von hohem Rang.1364 Auf wen könnte er anspielen? Eine mögliche Erklärung eröffnet Moritz Meyer, der in Quam utilis eine Antwort auf das zweite Rundschreiben der Kardinäle, Moerore simul, erkennen will.1365 Damit wollen aber zwei Dinge nicht recht zusammenpassen. Zum einen stellte das Kardinalsschreiben sehr wohl eine Begründung der Bannung Friedrichs I. Barbarossa aufgrund der Paveser Beschlüsse dar, was jedoch keinen Widerhall in Arnulfs Brief findet. Zum anderen erschließt sich nicht der Sinn, weshalb einer schlichten Gesinnungsbekundung auf zweieinhalb Folioseiten Exordium und Narratio vorhergehen sollten, die sich zudem, wie Meyer selbst in einer textlichen Konkordanz aufzeigt, noch wörtlich an eine vorhergehende Beschreibung aus der Feder der kurialen Adressaten anlehnen sollte.1366 Vielmehr demonstriert ein Vergleich von Quam utilis mit den bekannten kurialen Quellen des Arnulfschen Gedankenguts des ausgehenden Jahres 1160, dass alle Texte sich in ihrer Darstellung auf das Rundschreiben Alexanders stützen, dabei jedoch unterschiedliche Gewichtungen und zum Teil auch kleinere Ergänzungen 1362 Vgl. ebd., 45 f. 1363 Ebd., S. 46. 1364 Ebd.: Et nos quidem non potuimus hec oculis presentibus intueri, sed ueritas ad nos, per eos qui uiderunt, fideli relatione peruenit. Quod autem publice gestum est multorum nobis testimonio potuit confirmari, presertim cum testes precepte dignitatis honore prefulgeant, et simplex absolutam reddat concordia ueritatem. 1365 Edition: Moerore simul, ed. Watterich. Darüber Meyer: Wahl, S. 20: „Es ist an die Cardinäle A[lexander].s gerichtet, wahrscheinlich als Antwort auf deren Rundschreiben, dessen Hauptzüge wiedergegeben werden, hauptsächlich um die Bemerkungen daran anzuknüpfen, ­welche Arnulfs Gesinnung zeigen sollten.“ 1366 Vgl. ebd., S. 21.

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machen.1367 Dies ist aus der ereignisgeschichtlichen Entwicklung nach der Weihe beider Kandidaten und dem Abfall von Alexander III . auf dem Konzil von Pavia verständlich, musste diese sich doch zwangsläufig auf das Schismabild der einzelnen Parteien sowie die Verfassungsabsicht der Briefe auswirken. Moerore simul, das einer Anklage Friedrich Barbarossas und Legitimation seiner Exkommunikation gleichkommt, gibt so der Rolle des Kaisers und Alexanders demütigem Sträuben gegen die ihm auferlegte Würde mehr Raum. Die alexandrinischen Kardinäle behaupten als erste, Oktavian habe die Immantation ­Alexanders ex parte imperatoris 1368 unterbrochen und verhindert. Ihm wird vorgeworfen, mit Unterstützung kaiserlicher Boten ihren Papst über mehrere Tage hinweg festgesetzt und mit Hilfe kaiserlicher Kommunikationswege die Bischöfe aller Provinzen zu Oktavians Weihe herbeigerufen zu haben.1369 Ein weiterer im Kardinalsschreiben auffällig betonter Punkt ist die aktive Teilhabe Guidos von Crema an den Geschehnissen.1370 Auch wenn beide Beschreibungen in großen Teilen auf die Urdarstellung aus der frühen Propaganda Alexanders III. zurückgehen, besteht kein Zweifel, dass Arnulf von Lisieux Moerore simul kannte. Davon zeugt etwa die übernommene, wenn auch ausgeschmückte Identifizierung des hereinstürmenden Pöbels als Blutsverwandte und Freunde des Usurpators.1371 Darin ersetzt er sogar das alexandrinische portae (Tür, Tor) durch die auch im Kardinalsschreiben genutzte Vokabel fores (Flügeltür).1372 Arnulfs Bezeichnung des Mobs ist weniger zurückhaltend: 1367 Dies sind die programmatischen Wahlanzeige Alexanders III. vom Oktober 1159 (MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41) sowie das im darauffolgenden April versendete päpstliche Litteras a tua nobis (Bouquet 15, Nr. 17) und das zweite Kardinalsschreiben (Moerore simul, ed. Watterich). 1368 Ebd., S. 494. 1369 Vgl. ebd., S. 495: Octavianus autem, assistentibus ei continuo imperialibus nunciis […], diebus pluribus nos obsedit et interim per literas, quas paratas habebat, per legatos imperatoris, per Guidonem Cremensem, per fratres et amicos suos ad consecrationem suam cunctos nostrae provinciae episcopos accersivit. 1370 Guido wird fälschlicherweise die Immantation Oktavians zugeschrieben. Zudem soll er bei der Einladung der Bischöfe zur Weihe desselben mitgewirkt haben: ebd. 1371 Ebd. 1372 Man vergleiche: Quo facto, porte ecclesie, que firmate fuerant, reserantur, et armatorum cunei […] evaginatis gladiis cum immenso strepito cucurrerunt […] (MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41, S. 81, Z. 29) / apertae sunt fores ecclesiae et cuncti consanguinei et amici eius extractis gladiis non secus in ecclesiam irruerunt (Moerore simul, ed. Watterich, S. 495) / Interea, reseratis ecclesie foribus, infame illud maledictorum genus irrupit […]. (AvL Ep. 29, S. 45).

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Interea, reseratis ecclesie foribus, infame illud maledictorum genus irrupit, hoc enim cognationis illius uetus agnomen est, de qua ad effundendam benedictionem in omnes gentes pontifex dicebatur assumi. Qualiter autem de stirpe maledictionis possit benedictio propagari facile non apparet, presertim per iustum, in quo uetuste maledictionis obprobium merita contracte nouiter execrationis attolunt.1373

Verstärkend behauptet Arnulf von Lisieux als einziger, dass diese auch den Sitz des umgekehrten Mantels korrigiert und Oktavian zum Lateranpalast geleitet, also direkt das korrekte weitere Zeremoniell unterstützt hätten.1374 Alles in allem deuten beide Zeugnisse die bewaffnete Schar im Licht stadtrömischer Adelsverflechtungen, ohne eine direkte Einwirkung Friedrich Barbarossas zu suggerieren. Hielte sich Arnulf von Lisieux so eng an Moerore simul wie Meyer meint, müsste erklärt werden, warum dessen Kaiserkritik in Anbetracht der zentralen Stellung, der Schuldzuweisungen an Friedrich Barbarossa und Guido von Crema bei Alexander III. und seinen Kardinälen so verhalten ist. „So wird denn auch in dem sachlichen, auf die Wahlhandlung bezüglichen Theile das Schreiben der Cardinäle im Wesentlichen wiedergegeben, nur ganz unwichtige, vielleicht aus eigener Kunde oder auch blosser Reflexion herstammende Notizen hineingeflochten, wobei sich Arnulf nicht scheut, hie und da etwa stärker aufzutragen, ja gehässige Züge hinzuzuthun. […] So sind es dieselben Facta, mit wörtlichen Anklängen, in gleicher Reihenfolge, und zwar nur die, w ­ elche von den Alexandrinern mitgetheilt werden, freilich so, dass Arnulfs blühender Styl sich weniger an dem Wortlaut seiner Quelle hält, wie dies die Cardinäle selbst thun. Wir haben es auch hier mit einer neuen Variation des Rundschreibens A[lexander].s [i. e. die Wahlanzeige Eterna et incommunitabilis] zu thun.“ 1375

Meyers Charakterisierung des ersten Teils von Quam utilis mag man vorbehaltlos zustimmen, doch gibt dessen Verbindung zu Moerore simul und die Tatsache, dass es so gut wie keinen Bezug auf das im Vorfeld der Londoner Synode so einflussreiche, kaiserkritische Litteras a tua nobis gibt, Rätsel auf. Aus welchem Grund sollte die polemische Taktik auf einmal wieder zurückgefahren und andere Schwerpunkte gesetzt werden? Kritik und Vorwürfe an Oktavian von Monticelli hatte es immer schon gegeben, doch seit dem Februar 1160 war man bereit, dem ­Kaiser eine Mitschuld an den Angelegenheiten einzuräumen. Meiner Meinung nach hat Meyer auf der Suche nach neuen Informationen zur Rekonstruktion der Doppelwahl den 1373 Ebd., S. 45 f. 1374 Vgl. ebd., S. 46. 1375 Meyer: Wahl, S. 21.

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­ esamtzusammenhang des Briefes verkannt. Seine Analyse kam nicht über die DarG stellung des Wahlereignisses in Exordium und Narratio hinaus. Das Dokument ist aber eben nur verständlich, wenn das gesamte Schreiben mit einbezogen wird. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich Quam utilis als Vermittlung einer alexandrinischen Sicht der Geschehnisse unter Ausklammerung der in den kurialen Schreiben der Zeit nach Pavia so prominenten direkten antikaiserlichen Propaganda. Eben diese Anomalie wirft ein neues Licht auf die strittige Empfängerfrage. Es ist nämlich wenig einleuchtend, wie von Meyer vorgeschlagen, die Beschreibung der Wahlvorgänge an die alexandrinischen Kardinäle, also an genau diejenigen, die mit Moerore simul dessen Vorlage lieferten, zu entsenden. Sinnvoll wäre dies nur, wenn sich der Verfasser akribisch genau an deren Bericht hielte, um deutlich zu machen, wie gewissenhaft er die kurialen Vorgaben vertrete. Eine reine Gesinnungsbekundung beim materiellen und logistischen Aufwand, den die Versendung eines Briefes damals bedeutete, war weder in dieser Situation noch in dieser Form wahrscheinlich. Dem Brief nach Anagni musste noch eine andere Abfassungs­ intention zugrunde liegen. Barlows editorische Beobachtungen lassen sich besser mit dem Inhalt des analysierten Briefstücks zusammenbringen. Geht man davon aus, dass Arnulf von Lisieux das Schreiben oder Teile dessen ursprünglich (und vor seiner Verteidigung der Kardinallegaten) an die in der Überlieferung genannten englischen Bischöfe von London (damals eigentlich Hereford), Chichester und Norwich gesendet hatte, könnte es sich um eine Art gezielt versandter, polemischer Vorinformation des englischen Episkopats handeln. Denn genau dies, das heißt die Einflussnahme auf den König und die Fürsten, den Weltklerus und die Bischöfe Englands und der Normandie, war ihm von Alexander III . persönlich aufgetragen worden.1376 Eine Versendung nach der Synode von London wäre wenig sinnvoll gewesen, waren doch die wichtigsten Informationen bereits in neutralerem Stil in London verlesen worden. Im Vorfeld des Londoner Konzils allerdings hätte der Bericht eine empfindliche Informationslücke geschlossen. Schließlich war das alexandrinische Hauptdokument Eterna et incommutabilis, wenn überhaupt nur stark verzögert auf der Insel rezipiert worden. Arnulf von Lisieux könnte ­dieses Vakuum genutzt haben, durch eine breite Kommentierung der Geschehnisse die Synodalen im alexandrinischen Sinne zu beeinflussen. Generell spricht der ausgeprägte polemische Charakter des Zeugnisses, der eher an die Invectiva von 1133 erinnert als an die zeitgenössischen, eher exhortativ orientierten Schriften, für eine persuasive Zielsetzung. Die plastische Umschreibung des 1376 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17.

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gewaltsamen Eindringens der bewaffneten Meute genügt zur beispielhaften Verdeutlichung des Überarbeitungsstils: Discurrentibus igitur armatis, cepit per ecclesiam quasi quedam theatralis scena disponi, dum parietes fulgor illustraret armorum, et lasciua quasi triumphantium acclamatio resultaret. Horum manibus denique pluuiali composito, ad palatium usque perductus est, comitantibus his paucisque sacerdotibus, quorum infamis questus est simplicitatem peregrinorum eludere, et assiduis altare beati Petri sacrilegiis infestare.1377

Der Lärm, das Licht, die moralische Wertung. Diese Beschreibung arbeitet nicht auf dem Niveau intellektueller Persuasion, sie hat eine Farbigkeit, die alle menschlichen Sinne anspricht. Die Schilderung d ­ ieses ‚Schauspiels‘, dieser ‚Posse‘ – ein wundervoller Terminus – will Herz und Verstand überzeugen. Nicht nur der propagandistische Charakter von Quam utilis, sondern auch der Verzicht auf eine offene Klage gegen Friedrich Barbarossa und seine Rolle im Geschehen könnte auf englische Empfänger verweisen, waren doch zum damaligen Zeitpunkt die politischen Allianzen im fatalen Dreieck ­zwischen Staufern, Plantagenêt und Kapetingern noch nicht endgültig geschmiedet. Darüber hinaus liefert der kurze Verweis auf das Unglück des Kaisers vor Mailand nicht nur einen dezenten Denkanstoß für die Briefempfänger, sondern auch einen terminus post quem für die Sendung zumindest diesen einen insertierten Bestandteils des Briefes: Nonne enim in eos, qui ab hac fidei unitate dissentiunt, ultio diuina manifeste procedit, et uoluntas eius, euidentibus indiciis declarata, patescit? Nonne princeps ille, cui similem a multo tempore Roma non habuit, cuius dominus apprehendisse dexteram dicebatur, cuius fere usque ad remota orientis terror excesserat, a die susceptionis Octauiani diuino cepit iudicio reprobari, adeo ut hii, quos ante securos menia non reddebant, congredi cominus ausi sint, et ei de prosperitate successuum insultare? Reuera digitus dei est hic, dextere excelsi repentina mutatio parcentis adhuc et in ira corripere diferentis! Vtinam saperet et intelligeret et nouissima prouideret, quia tot detrimenta presentium quedam sunt indicia futurorum!1378

Der Vorfall, auf den Arnulf anspielt, hatte sich im Juni 1160 ereignet. Im Vormonat hatte das kaiserliche Heer die Gebiete rund um die Stadt Mailand verwüstet. Am 2. Juni 1160 rückten die Mailänder aus der Stadt aus, um sich dem plündernden A ­ ggressoren 1377 AvL Ep. 29, S. 46. 1378 Ebd., S. 47.

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mit Kavallerie, Infanterie, Schlachtwagen und Bogenschützen entgegenzustellen. Der ­Kaiser, der sich gegen eine militärische Konfrontation entschied, zog sich nach Bareggio zurück.1379 Die Bedeutung der Mailänder Notiz erschließt sich erst, wenn man sich vor Augen führt, ­welche Resonanz und Schlagkraft der Fall Mailands für das damalige Ansehen des Kaisertums gehabt hatte: „Mögen […] [die] Schilderungen […] auch um der sinnfälligen Wirkung willen rhetorisch übersteigert sein, Friedrichs Macht und Ansehen müssen vor und auch während des Schismas groß gewesen sein. Besonderen Eindruck hat unzweifelhaft der Fall Mailands gemacht, und wäre er nicht in der Periode des Schismas eingetroffen, so hätten ihn die Quellen mit ganz anderen Worten erwähnt. So aber begnügte man sich mit einer kommentarlosen Wiedergabe der Tatsachen. Allein wenn man schon aus der bloßen Erwähnung auf die Beachtung, die eine Tat gefunden hat, schließen darf, so muß die Einnahme Mailands im ganzen Abendlande ungeheures Aufsehen erregt haben. Es gibt fast keine Chronik, die ihrer nicht gedächte.“ 1380

Durch den in Quam utilis beschriebenen Widerstand der Mailänder wird d­ ieses hohe Ansehen des Kriegsherrn Friedrich ins direkte Gegenteil verkehrt. Der Normanne feiert die Dekonstruktion des Bildes vom allmächtigen militärischen Potentaten, wie es auch in der anglonormannischen Historiographie Niederschlag gefunden hatte.1381 Die Schriftverweise, mit denen er arbeitet, entstammen den Büchern Mose, insbesondere Ex 8,19 und Dtn 32,29. Sie sind subtil, aber ihre Implikationen eindeutig: Die rechtgläubigen Anhänger Alexanders III. werden zum Volke Israel, der K ­ aiser, ein neuer Pharao, zu dessen Feind und Verfolger. Es ist das alte Thema der Verfolgung der Ausersehenen durch die weltliche Gewalt. Beabsichtigte Arnulf von Lisieux, durch gezielte Ansprache einzelner hoch angesehener Mitglieder des Episkopats auf das Ergebnis der Londoner Beratungen einzuwirken? Der Zeitpunkt passt und bewährte Strategien behält man gerne bei. So berichtet der Becketbiograph Edward Grim, dass der Bischof von Lisieux seinem König wenige Jahre ­später im Umgang mit der Opposition des Episkopats gegen die Konstitutionen 1379 So berichten die Großen Mailänder Annalen: Gesta Federici I. imperatoris in Lombardia auctore cive Mediolanensi (Annales Mediolanenses maiores), ed. Oswald Holderegger, Hannover 1980 (ND der Ausgabe 1892) (MGH SS rer. Germ., 27). Siehe auch RI IV 2,2 n. 882. 1380 Böhm: Bild, S. 98. 1381 Besonders stark tritt die Bewunderung für den K ­ aiser und seine Erfolge bei RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 318, 337 hervor. Ferner übernahmen für diese Jahre auch GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 171 und WvNewburgh Historia, ed. Howlett, S. 115 das Bild des mächtigen Siegers.

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von Clarendon dieselbe Taktik der Umstimmung einzelner empfahl.1382 Sowohl 1160 als auch 1164 auf der Kandidatenliste: Gilbert Foliot und Hilarius von Chichester.1383 Dass die spezifische Kombination der in Quam utilis überlieferten, auf den ersten Blick so heterogen erscheinenden Trias bischöflischer Empfänger in d ­ iesem Licht wenig zufällig erscheint, stützt zusätzlich die These von ihrer ursprünglichen Empfängerschaft. Es gibt sogar weitere Gesichtspunkte, die die Adressierung als authentisch erscheinen lassen. Foliots Position als Bischof von Hereford mochte ihn zunächst kaum als Empfänger qualifizieren, wohl aber sein außerordentlich hohes Ansehen und seine Verbindungen zum cluniazensischen Orden. Ähnliches gilt für den Benediktiner Wilhelm von Norwich, der von all dessen Mitgliedern als weiser und väterlicher Bruder geschätzt wurde.1384 Keiner dieser beiden stand dem Herrscherhof nahe genug, um in den Verruf zu kommen, königlich initiierte Propaganda zu verbreiten. Ihre Neutralität und ihr Ansehen machten sie zu perfekten Multiplikatoren der päpstlichen Linie. Abgesehen davon wirkten Gilbert Foliot und der Bischof von Chichester wohl in den ersten Kontakten ­zwischen alexandrinischen Gesandten und dem Königshof im begrenzten Bereich der englischen Kirchenlandschaft als alexandrinische Botschafter.1385 Ein wenig anders liegt die Angelegenheit bei Hilarius von Chichester. Im Jahr 1160 war der fähige Kanonist zeitgleich königlicher Sheriff von Sussex (der einzige Bischof in einer solchen Position) und delegierter Richter der alexandrinischen Kurie. Alles in allem und besonders im späteren Becketkonflikt galt Hilarius als Royalist, der sich allein dann gegen königlichen Willen stellte, wenn seine eigenen Kompetenzen auf dem Spiel standen.1386 Dies bedeutete aber auch, dass Hilarius das Ohr 1382 Der Sachverhalt ist vielfach in den Becketviten belegt: Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 377; Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 29 – 31; Janet Shirley (Hg.): Garnier’s Becket, translated from the 12th-century Vie saint Thomas le Martyr de Cantorbire of Garnier of Pont-Sainte-Maxence, London 1975, vv. 851 – 880; HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 276 f. 1383 Vgl. Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 377. 1384 Gilbert Foliot drückte seine Bewunderung für Wilhelm von Norwich in einem Schreiben gegenüber Alexander III. aus: Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury. Epistles, CCXXVII.–DXXX., Bd. 6, ed. James Craigie Robertson, Nendeln, Liecht. 1965 (Nachdruck der Ausgabe London 1882) (RS, 67,6). Siehe auch Knowles: Colleagues, S. 32. 1385 Überblick über Leben und Persönlichkeit der Bischöfe von Hereford gewährt Knowles: Colleagues. Zu seiner Aufgabe zu Beginn des Schismas siehe Philipp von l’Aumône gegenüber Alexander III.: Bouquet 15, Nr. 18 bzw. Migne PL 200, Sp. 1359 – 1361. 1386 Zur Biographie des Hilarius von Chichester und seinen royalistischen Neigungen siehe Henry Mayr-Harting: Hilary, Bishop of Chichester (1147 – 1169) and Henry II, in: EHR

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des Königs hatte, der nicht zuletzt vor den Synoden von Beauvais und Neufmarché auch von ­Alexanders Vorrang zu überzeugen war. Der Bischof hatte seine Karriere in der familia des viktorinisch gesinnten Heinrich von Winchester begonnen, mit dem ihm also wenigstens die gemeinsame Vergangenheit, wenn nicht ein größeres Vertrauensverhältnis verband. Im Schisma nun stand er, darf man Philipp von l’Aumône Glauben schenken, fest auf Seiten Alexanders: Literas autem […] per fidelum virum cum verenabilis episcopis Gilleberto Herefordensi et Hilario Cicestrensi studui delegare, qui personam vestram et opus vestrum, quod asseritur, sive quantum intellegimus, fovent et diligunt, et studebunt negotium vestrum fideliter promovere.1387

Arnulf hoffte augenscheinlich, durch Ansprache der alexandrinischen Bischöfe von Chichester, Hereford und Norwich die Obödienzwerbung in England voranzutreiben. Liest man den entsprechenden ersten Teil von Quam utilis, fällt auf, dass er sich so auffällig intensiv als Autorität empfiehlt, als müsse er sich noch den Empfängern gegenüber als glaubwürdige Instanz legitimieren.1388 Die Nähe der Arnulfschen Polemik zu den Techniken seiner Invektive spricht Bände. Die Diskreditierung Oktavians und Imars von Tuskulum, auf dessen einschlägige Bekanntschaft in England er verweist, die Darstellung seiner Person und der anderen Hauptwähler als personifizierter Laster, der Vergleich mit den rechtschaffenen Lichtgestalten der alexandrinischen Wählerschaft und nicht zuletzt der Raum, den die detailverliebte Beschreibung der Vorgänge und Streitigkeiten in der Peterskirche einnimmt, erwecken den Eindruck, als handele es sich um ein polemisch-kommentatives Begleitschreiben zur entsprechenden Passage in Eterna et incommunitabilis. Hier schreibt nicht der Prediger des Konzils von Tours, hier schreibt ein Mann, der, sich auf alte Qualitäten zurückbesinnend, wichtigen Köpfen der Londoner Verhandlungen – darunter zwei hohe Geistliche, die von Philipp von l’Aumône als Multiplikatoren der alexandrinischen Wahlanzeige eingesetzt worden waren – einen invektivisch-polemischen Unterbau für ihre Argumentation liefern wollte. Möglicherweise hatten der Zisterzienserabt und Arnulf im Zuge ihrer Versuche, den Plantagenêt zu gewinnen, bei einer Begegnung bei 78, 307 (1963), S. 209 – 224. 1387 Vgl. Migne PL 200, S. 1359 – 1361 bzw. Bouquet 15, Nr. 18. 1388 Vgl. AvL Ep. 29, S. 43 f.: Quam utilis apud principes nostros ad agnitionem sancti apostolatus, reuerentissimi domini et patris nostri Alexandri pape, diligentia nostre deuotionis extiterit, ad noticiam uestram fidelium relatione perueniet aut peruenit. Neque enim necessaria michi est in hac parte iactantia, ut rei uobis ueritas innotescat, quoniam, me etiam est, et ipsa de longinquo nichilominus Anglia recognouit.

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Hofe Meinungen und, eventuell über Dokumente wie Eterna et incommunitabilis, Informationen ausgetauscht. Bei allen Hinweisen auf die drei englischen Bischöfe als ursprüngliche Empfänger des Schreibens sollte eine nachträgliche Adressierung von Quam utilis an das alexandrinische Kardinalskollegium in Anagni nicht ausgeschlossen werden. Entgegen der Meyerschen These sollte das Schriftstück allerdings eben nicht als eine gunstbezeugende Antwort auf das Rundschreiben der Kardinäle, sondern als eine mit aktuellen Inhalten wie der Verteidigung der Kardinallegaten ergänzten Weiterleitung des älteren Schreibens an die Vertreter des englischen Episkopats verstanden werden. Ein weiteres Mal hätte der Bischof von Lisieux sich bemüht gezeigt, die Mitglieder des päpstlichen Hofes über seinen Einsatz informiert zu halten.1389 Arnulfs Beschreibung der Doppelwahl endet mit einem Lobpreis auf die alexandrinische Fraktion des Kardinalskollegiums.1390 Inhaltlich bringen die kontrastiv zur Schilderung der drei viktorinischen Wähler und ihres Favoriten als egoistische, dem Fleischlichen und Weltlichen zugetane Apostaten, angelegten Ausführungen wenig Neues. Arnulf betont die Mehrheit, die Alexanders Parteigänger einnahmen und ihre Hartnäckigkeit in der Verfolgung ihrer Ziele, die letztendlich zum Erfolg geführt habe. Ihr vorbildliches Engagement für Gerechtigkeit und Wahrheit, das christliche Allgemeinwohl und die Einheit der ­Kirche wird lobend hervorgehoben.1391 Wäre der Passus ursprünglich wirklich an kuriale Dignitäre gerichtet, verkäme er zur reinen Schmeichelei, betrachtet man ihn allerdings als einen Absatz, der an eine andere Stelle gerichtet war, entsteht eine bedeutungsvolle Aussage. Dazu muss man sich erneut die zwei Traditionsstränge dieser Passage vor Augen führen. Während in der frühen Überlieferung, also in den Textzeugen der ersten Fassung der Arnulfschen Sammlung, die Bischöfe von England als Adressaten ausgewiesen werden und in der dritten Person Plural auf die Kardinäle eingegangen wird, gehen die Manuskripte der zweiten Fassung dazu über, die Kardinäle direkt in der zweiten Pluralform anzusprechen.1392 1389 Erinnert sei an die Weiterleitung der Stellungnahme für die Londoner Synode an Kardinal Heinrich von Pisa (AvL Ep. 27, S. 37). 1390 Vgl. AvL Ep. 29, S. 46 f. 1391 Ebd., S. 47. 1392 Der Befund des Herausgebers: „The 1rst Edition MSS . address it to the bishops Gilbert of London, Hilary of Chichester and William of Norwich, and, when cardinals are mentioned, they are referred to in the 3rd person. The unique Vatican codex (C3) has the same title but refers to the cardinals in the 2nd person. D1 had the 3rd person readings, but they are altered to the 2nd person in D2 [i. e. Paris, Bibl. Nat., lat. 14763, Anm. d. Verf.], and the letter is addressed to the Roman cardinals. This is characteristic of the 2nd Edition.“ (Letters, ed. Barlow, xl, Anm.1)

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Eine interessante Mischform stellt die Handschrift Vat. lat. 6024 aus der Mitte des 12. Jahrhunderts dar, die in ungeklärtem, aber engem Bezug zum Archetyp der Sammlung stehen muss. Sie vereint die direkte Ansprache der Kardinäle mit der Identifikation der Empfänger als Bischöfe von London, Norwich und Chichester. Es handelt sich um die einzige Überlieferung, für die es Hinweise auf eine Zuordnung zur päpstlichen Kanzlei gibt. Die Fassungen der ersten Redaktion haben ihre Provenienz, soweit rekonstruierbar, in französischen Abteien.1393 Damit tradieren französische Überlieferungen der ersten Fassung des Korrespondenzkorpus die ursprüngliche Version der Passage (i. e. mit dem Verweis auf die Kardinäle). Das ­gleiche gilt für die beiden einzigen italienischen Überlieferungen, den Kodex Vat. Lat. 6024 und die Handschrift Turin, B. N., D, iv, 32 aus dem Kloster Sant’Andrea in Vercelli, die von der englischen Empfängerschaft wissen und den Text im ursprünglichen Zustand belassen – auch wenn die päpstliche Kanzlei die zweite Person Plural Pronomina bezeugt. Eine mögliche Erklärung für ­dieses Phänomen ist, dass man an der alexandrinischen Kurie vom Mischcharakter des Schreibens wusste. Hätte dort das Original der weitergeleiteten Sendung vorgelegen, hätte man d ­ iesem den Doppelcharakter und die Adressierung entnehmen können – ebenso wie die an die kurialen Adressaten angepasste Lobpassage. Liest man also die Passage mit den ursprünglichen Pronomina (d. h. in der sieForm), wird sie auf einmal zu einem exhortativen Aufruf zum Anschluss an die alexandrinischen Vorkämpfer der ersten Stunde. Wie die Anhänger Alexanders III . das auserwählte Volk Israels s­ eien, ­seien die Kardinäle „unsere Führer, wahrhaftig jene von den Helden Israels […], denen es gegeben war, Salomos Sänfte zu umringen“ 1394. Das in die Kaiserkritik verwobene Bild der Alexandriner als des Volkes Israel greift der Bischof von Lisieux auf und baut es aus, indem er Alexander III ., Mittelpunkt der Kardinalskurie, zum Herrscher Salomo macht, dessen Weisheit in alle Länder ausstrahle: Ad uos, uelut ad lucernam super candelabrum positam, orientalis pariter et occidentalis concurrit ecclesia, sed et ad insulas, quo procul sunt, sonus ueritatis exiuit, a quibus, tanquam a finibus terre, plerique iam per discrimina multa uenerunt audire sapientiam Salomonis.1395

1393 Im Speziellen sind dies Saint-Victor, Saint-Germain-de-Près, Clairvaux, Blois und das ­Kloster Ourscamp. 1394 Vgl. AvL Ep. 29, S. 48 mit Bezug auf Hohelied 3,7. 1395 Ebd.

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Wie könnte man sich gegen das Licht der Wahrheit stemmen, wenn die Stimme Salomos bereits die entferntesten Winkel der Erde und die östlichen und westlichen ­Kirchen (darunter, mag man eingedenk des entsprechenden Verweises vor der Synode von London hinzufügen, die ecclesia Gallicana) erreicht habe? Die geographische Distanz, und das ist der spannende Teil ­dieses Absatzes, könnte und dürfte keine Entschuldigung sein, denn schließlich haben alle entfernten Inseln des Erdkreises sich bereits Alexander zugewandt – darunter weite Teile Europas, die sich laut Arnulf als Folge der Anerkennung des Sienesers durch den englischen König Alexander III. angeschlossen hätten.1396 Einige Vertreter der englischen ­Kirche hätten sich in kirchenpolitischen Fragen lieber die von Johannes von Salisbury so kritisierte Neutralität auf die Fahne geschrieben – eine wohl verlockende Alternative in einem Inselkönigreich, das per königlichen Erlass seit Beginn 1160 von beiden konkurrierenden Kurien isoliert worden war.1397 Vielleicht versicherte Arnulf von Lisieux gerade deshalb dem Kardinalskollegium, dass man nicht nur im Sinne der eigenen Heilserwartung niemals die enge Bindung ­zwischen der englischen Landeskirche und der alexandrinischen Kurie vergessen werde: Licet enim nos plurima laicorum spacia disiungant, caritas semper indiuisa coniungit, quos unus spiritus, una fides, una confessio dirigit ad salutem. In hac decreuimus […] [cum eis] constantia permanere, in hac […] [cum eis] uiuendum est, in hac, cum uoluntas diuina decreuerit, moriendum, quia neque mors, neque uita, neque aliquid unquam ab huius nos sententie professione seiunget.1398

Mit Paulus’ Versicherung aus Röm 8,38, nichts könne die Glaubenden von der Liebe Christi entzweien, einer ermutigenden Erinnerung daran, was derjenige, der sich vom (rechten) Glauben lossagte, verloren gab, findet Arnulfs Beschreibung der Doppelwahl ein passendes Ende. Irgendwann in der zweiten Jahreshälfte 1160 erging im Inselkönigreich ein Rundschreiben des päpstlichen Legaten für England, Erzbischof Theobald von Canterbury, an alle Bischöfe und Gläubigen des Landes.1399 Voll Triumph und neuem 1396 Im Speziellen finden Frankreich, England, Spanien und Norwegen Erwähnung. Siehe ebd., S. 49. 1397 Der königliche Writ (ediert in: Saltman: Theobald, S. 543) untersagte jegliche Appellationen oder Verkehr z­ wischen Rom und England ohne ausdrückliche Erlaubnis des Königs. Zu dementsprechenden Empfehlungen der englischen Führungselite äußert sich Arnulf in AvL Ep. 29, S. 49. 1398 Ebd., S. 48. Pronomen nach dem Turiner Manuskript aus Sant’Andrea, Vercelli. 1399 Vgl. JvS I, Ep.130, S. 226.

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­Selbstbewusstsein verkündete der Primas darin, dass die ­Kirchen Englands und Frankreichs mit der Zustimmung ihrer Herrscher Alexander III . in patrem et pastorem anerkannt haben. Die Einheit der K ­ irche, die der Teufel selbst zu zerschmettern gedroht habe, sei wiedergefunden. Der Sturm der Krise sei, wenn auch noch nicht vorüber, so doch besänftigt. Unter Rückgriff auf das Leibbild der K ­ irche (und wie unter Bezug auf die Staatslehre seines Sekretärs Johannes von Salisbury, der das Schreiben entworfen haben mag) erklärte er, die viktorinische Opposition, die faulenden Glieder der ­Kirche, ­seien abgetrennt worden. Die Ansteckungsgefahr, so wird suggeriert, sei gebannt.1400 Damit habe Gott als Haupt der ­Kirche einen Mann auf der Cathedra Petri eingesetzt, der ab omnibus qui recte sapiunt 1401 kanonisch gewählt, geweiht und anerkannt sei. Der Kampf war jedoch noch nicht vorüber. Nicht nur für England bedeutete die bestehende und in dieser Formulierung anklingende Unklarheit der Machtverhältnisse auf dem Apostolischen Stuhl eine schwere Belastung. Anno 1161 richtete Arnulf von Lisieux drei Beschwerdebriefe an Alexander III ., in denen er sich über die Amtsführung des Bischofs Froger von Sées beklagte. Arnulfs hochverehrter Bruder Johannes, einst Bischof von Sées, hatte dort viele Reformen durchgeführt, die sein Nachfolger Froger, der als Intimus König Heinrichs II . 1159 dem von Arnulf vorgeschlagenen Kandidaten vorgezogen worden war, seit seinem Pontifikatsbeginn stetig unterhöhlte.1402 In einer Appellation, die sich gegen die Einsetzung von Frogers Neffen Johannes richtete, dokumentiert Arnulf die Bosheit des Gegners beispielhaft an dessen Vertrauen auf den Sieg Viktors IV.: […] sanctitati uestre postmodum euidentibus liquebit indiciis, cum ad aures uestras ueridica relatione peruenerit, quanta malignitate et audatia predictus episcopus infirmitatem status uestri publice predicauerit, et hostium ecclesie uictoriam rediens dixerit imminere.1403

1400 Zur Verbreitung medizinischen Vokabulars in der sprachlichen Auseinandersetzung mit der Häresie siehe Robert I. Moore: Heresy as Disease, in: Willem Lourdaux/Daniel Verhelst (Hg.): The Concept of Heresy in the Middle Ages (11th – 13th c.). Proceedings of the International Conference Louvain May 13 – 16, 1973, Leuven 1976, S. 1 – 12. 1401 Vgl. JvS I, Ep.130, S. 226. 1402 Arnulfs Ressentiments gegen Froger und seine Familie bezeugen mehrere solcher Appellationen an den Papst persönlich. Sie kritisieren insbesondere die Entfernung der durch J­ ohannes angesiedelten Regularkanoniker und Frogers Nepotismus. Siehe Letters, ed. Barlow, Epp. 33 – 35. 1403 AvL Ep. 35, S. 61.

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Möglicherweise war die Überzeugung vom alexandrinischen Triumph gut anderthalb Jahre nach Ausbruch des Schismas im angevinischen Reich noch nicht so weit verbreitet wie oft proklamiert. Sollte Arnulf hier allein verleumderische Absichten verfolgt haben, so war Johannes’ Assoziation mit Viktor IV . offenbar immer noch ein zündendes Argument gegen ihn. Auch nach den offiziellen Entscheidungen in London, Beauvais und Neufmarché war der Ausgang für einige noch offen. Diese Kleingläubigkeit erschien Arnulf als ein Frevel, der gefährliche Auswirkungen auf den Gehorsam geistlicher Würdenträger gegenüber Alexander III . und seiner Kurie haben konnte. Auf lokaler Ebene barg das Schisma ebenfalls Risiken. Quam utilis ist nichts anderes als der Versuch, diesen Gefahren gezielt entgegenzuwirken. Im Falle Englands offenbar mit einigem Erfolg. Die Beschlüsse von London sind der beste Beweis.

2.  Die Einordnung der staufischen Politik und das Bild Kaiser Friedrichs I. Barbarossa Praeterea, qualiter Friedericus Romanorum Imperator, avorum suorum sceleratissima vestigia subsecutus, circa sacrosanctam ecclesiam Romanam in praesenti se habeat et olim habuerit, et qualem circa eam animum gerat, qui utique specialis ejus patronus deberet et defensor existere, multis rerum indiciis a longis retro temporibus ad notitiam tuam non ambigimus pervenisse. A tempore siquidem antecessoris nostri piae recordationis Adriani Papae, et ab exordio dignitatis suae, coepit sanctam Romanam ecclesiam tamquam tyrannus opprimere, et non mediocriter infestare.1404

Mit diesen Worten umriss Papst Alexander III . im April 1160 gegenüber seinem normannischen Getreuen Arnulf von Lisieux das Gebaren des römischen Kaisers im bisherigen Verlauf des Schismas. Die Vehemenz und Offenheit, mit der er die Idee vertrat, der Staufer habe seit seiner Thronbesteigung eine kirchenfeindliche Politik verfolgt, waren ein Novum im damaligen Diskurs. Die frühe Wahlanzeige Eterna et incommutabilis hatte keinerlei kaiserkritische Ideen vertreten, sondern die herbstliche Doppelwahl noch einzig dem Häretiker Oktavian von Monticelli zu Lasten gelegt.1405 Zwischen Mitte Februar und Ende März 1160 erreichte die kaiserliche Enzy­ klika Quia sedis die benachbarten Königreiche. Im gleichen Maße, in dem sie Verbreitung fand, stieg auf Seiten der ­Kirche die Empörung über die Einberufung des Schiedsgerichts und seine Beschlüsse. Während Friedrich Barbarossa sich auf seine Position als Patron und defensor ecclesiae berief, empfand man seine Initiative an Alexanders Kurie in Anagni als Anmaßung. Um der kaiserlich-viktorinischen Darstellung der Geschehnisse einen Riegel vorzuschieben und die Meinungshoheit in der christianitas zurückzugewinnen, wurde eine regelrechte Informationskampagne gestartet. Innerhalb kurzer Zeit verließen mehrere, an einzelne bedeutende Parteigänger im Reich oder – in Arnulfs Fall – der Normandie, aber auch an die Vertreter diverser Landeskirchen gewandte Richtigstellungen die päpstliche Kanzlei.1406 Eine davon war die an die französische ­Kirche gerichtete Epistel Apud sapientiae filios der 1404 Bouquet 15, Nr. 17, S. 760. 1405 Vgl. MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41. 1406 Alexander III. an Eberhard von Salzburg: Ebd., Nr. 53. An Arnulf von Lisieux: Bouquet 15, Nr. 17. Die alexandrinischen Kardinäle an die ecclesia Gallicana und die Gesamtheit der ­Kirche: Moerore simul, ed. Watterich sowie Nr. 11. Apud sapientiae filios, in: Bouquet 15, S. 753 – 756.

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alexandrinischen Kardinallegaten Heinrich von SS . Nereo e Achilleo und Oddo von S. Nicola in Carcere Tulliano, die ausführlich darlegt, warum Alexanders Wahl als einzige kirchenrechtlich unbestreitbar sei.1407 Andere alexandrinische Kardinäle beschrieben zur selben Zeit in Moerore simul noch einmal die tumultuarischen Vorkommnisse in der Peterskirche, würzten diese jedoch mit dezidierter Kritik an der Unterstützung Viktors IV . durch Barbarossa und seine Gesandten, etwa Pfalzgraf Otto von Wittelsbach. Mit der Behauptung, Oktavian habe lautstark im Namen des Kaisers Alexanders Immantation verhindert, zog man damit erstmalig eine direkte Verbindung ­zwischen den Rivalen und dem K ­ aiser.1408 Viktors Parteigänger hätten „ständig assistiert durch die kaiserlichen Legaten“ 1409 Alexander III. und seine Anhänger festgesetzt und die entsprechenden Bischöfe zu seiner Weihe geladen. Von ihr und der Anerkennung Oktavians heißt es weiter: Sane in his omnibus Otto palatinus comes et alii imperatoris nuncii ei non deerant, sed quoscunque poterant proceres, milites et rusticos ad servitium eius minis precibusque trahebant et quia non multo post imperatoris literas, ut modis omnibus ei assisterent, receperunt, tanto amplius de die in diem manum suam in Romanam coeperunt ecclesiam aggravare, quanto magis id placere dominus suo certius cognoverunt.1410

Der Ton hatte sich im Frühjahr 1160 unzweifelhaft verschärft. Zu dieser Zeit taucht in alexandrinischen Zeugnissen auch das Bild des verbrecherisch-gewaltsamen Schismatikers auf, der die Heilige Römische ­Kirche tyrannisch unterdrücke.1411 Alexanders Kritik an Barbarossa ist deutlich: Quia vero, illo [i. e. Papst Hadrian IV.] vivente, omnipotens Deus non permisit eum conceptam vesaniam exercere, post mortem ejus opportunitate concepta, praedictum Octavianum schismaticum, simoniacum et manifestissimum invasorem, qui cum tribus tantum malitiae suae complicibus, sicut totus pene mundus agnovit, post canonicam et unanimem electionem nostram mantum 1407 Vgl. ebd. 1408 Vgl. Moerore simul, ed. Watterich, S. 494: praefatus Octavianus ex parte imperatoris inhibuit […]. 1409 Vgl. ebd., S. 495. 1410 Ebd., S. 496. 1411 Ebd., S. 498: iniquitatem ipsius imperatoris, qui tam tyrannice sacrosanctam Romanam ecclesiam conculcare molitus [est]; Haec de domini nostri electione, de intentione praedicti schismatici, de violentia et fraude imperatoris sub quadam brevitate tractatus transcurrimus, et […] supersedimus enarrare, quoniam quae velut in foro rerum venalium gesta sunt, nobis etiam reticentibus non potuerunt vos latere. Ebenso bei Alexander III.: Bouquet 15, Nr. 17, S. 760.

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­arripuit, et ita se damnabili praesumptione intrusit, in tanta iniquitate modis omnibus manutenuit; et quidquid ille fecit, solo favore, potentia et auctoritate ipsius, et nunciorum suorum qui in Urbe praesentes exstiterant, eum fecisse absque ambiguitate tenemus.1412

Der Vorwurf, Friedrich Barbarossa habe aus eigenem machtpolitischen Interesse Oktavians Wahl forciert oder wenigstens gebilligt, mindestens aber im Nachhinein unterstützt, zieht sich erst im Frühjahr 1160 durch die gesamte alexandrinische Propaganda. Die durch Alexanders Handreichungen an die Knotenstellen seines Kommunikationsnetzwerks verbreitete Beschuldigung, Friedrich habe seit jeher gegen das Papsttum opportuniert, war eine Neuerung im Gegensatz zur frühen Kommunikation der Alexandriner und stellte den Staufer dezidiert in die Nachfolge jener seiner Vorgänger auf dem Kaiserthron, w ­ elche die Kaiserpäpste des letzten Jahrhunderts gestützt 1413 hatten. Besonders frisch aber war die Düpierung der päpstlichen Gesandten auf dem Hoftag von Besançon im Herbst 1157 im Gedächtnis geblieben: Archiepiscopos […] et episcopos a sede apostolica redeuntes, in ignominiam et detrimentum ecclesiae, plerumque capi turpiter et inhoneste praecepit, eosque fecit carceris custodiae mancipari. Nos quoque in minori officio constitutos qui cum venerabili fratre nostro B.[ernardo] nunc Portuensi episcopo ad eum fuimus delegati, qualiter apud Bisuntium ipse tractaverit, et quam indigne receperit, non opus est nos in praesentia referre, quia credimus te idipsum plenarie cognovisse.1414

Die Vorstellung, dass die Umwälzungen des 11. Jahrhunderts und die Ereignisse von Besançon sich auf die Gegenwart auswirkten, schienen den Zeitgenossen gegenwärtig und plausibel gewesen zu sein, denn auch Johannes von Salisbury griff sie mit eigenen Akzenten in seiner Polemik auf.1415 Handfester aber als eine moralische Schuldzuweisung waren Friedrichs machtpolitisch-militärische Übergriffe auf das Patrimonium Petri 1416: 1412 Ebd., S. 761. 1413 Vgl. ebd., S. 760 f. 1414 Ebd. Zu den Ereignissen siehe Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, cap. 8 – 12. Außerdem RI IV,2,1 n. 491 und Walter Heinemeyer: ‚Beneficium non feudum sed bonum factum‘. Der Streit auf dem Reichstag zu Besançon 1157, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 15 (1969), S. 155 – 236. 1415 Vgl. JvS I, Ep.124, S. 206. 1416 Kaiserlicherseits entfremdete Kirchenbesitzungen waren die Städte Massa, Figheruolo, Tivoli, die Mathildischen Güter und Gebiete z­ wischen Rom und Acquapendente sowie die Inseln Korsika und Sardinien. Eine Zusammenfassung und Einschätzung der Ereignisse und Forschungen bietet Laudage: Alexander, S. 93 – 102. Er kommt zu dem Schluss, „daß

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Vivente etiam praedicto antecessore nostro, patrimonium B. Petri violenter invasit, et eamdem Romanam ecclesiam nisus est modis omnibus conculcare; ita quod a pluribus dicebatur, et quasi fama communis habebat, quoniam eo superstite Octavianum, qui semper fuit domesticus ecclesiae inimicus, ordinare apostolicum, immo apostaticum, si opportunitatem acciperet, intendebat.1417

Die Passage ist auch ein indirekter Hinweis auf die mutmaßliche Mittäterschaft Ottos von Wittelsbach, dem seit seinem knapp verhinderten Gewaltakt gegen den damaligen päpstlichen Legaten Magister Rolandus in Besançon eine persönliche Animosität gegenüber Alexander nachgesagt wurde und der sich als Heerführer und Diplomat um die Durchsetzung der ronkalischen Beschlüsse in Italien bemüht hatte.1418 Diese angebliche persönliche Feindschaft war nach Alexanders Ansicht aber nur Auswuchs eines größeren Übels, Friedrich selbst habe schon damals den Entschluss gefasst, jenen inneren Feind der ­Kirche, Oktavian von Monticelli, zu apostolischer Würde zu erheben. Diese Schuldzuweisung markiert einen nicht zu unterschätzenden Wendepunkt in der alexandrinischen Linie: Spiritus rector der Verschwörung ist nicht mehr der Widersacher auf dem Papstthron, sondern der ­Kaiser, der hinter den Kulissen die Fäden zieht. Vor ­diesem Hintergrund verkam das Konzil von Pavia in den Augen der Alexandriner zu einem Schauspiel, das den Anschein erwecken sollte, alles geschähe im kirchlichen Auftrag.1419 Mit dem Ziel, „die K ­ irche Gottes seiner Befehlsgewalt zu unterwerfen und sie in höchste Knechtschaft zu treiben“ 1420, s­ eien andersdenkende Teilnehmer zur Zustimmung gezwungen worden. Dies war das polemische Rüstzeug, das Arnulf von Lisieux für seine Mission im angevinischen Reich mit auf den Weg gegeben wurde. Es kann nicht mit Gewissheit gesagt werden, ob ihm Original oder Kopie des zweiten Kardinalsschreibens Moerore simul oder des Briefs der nach Frankreich entsandten Kardinallegaten Apud sapientiae filios vorlagen oder ob seine Kenntnis alexandrinischer Vorstellungen auf Hören­ sagen beruhte. In jedem Fall aber können inhaltliche wie sprachliche Reminiszenzen beider Dokumente zweifelsfrei im Briefkorpus des Normannen aufgespürt werden. Bereits wenige Tage nach der päpstlichen Doppelwahl hatte sich Friedrich ­Barbarossa, dem als advocatus ecclesiae die Wahrung des kirchlichen Friedens oblag, darum bemüht, die Weichen für das zu erwartende Schisma zu stellen. In einem auf

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Barbarossa auch die Petrusregalien zum unveräußerlichen Eigentum des Reiches zählte“ (S. 101) und Friedrich damit einen Rechtsanspruch auf diese vertrat. Bouquet 15, Nr. 17, S. 761. Zur Rolle Ottos von Wittelsbach in der Politik Barbarossas und dem Schisma siehe Madertoner: Papstwahl, S. 129 – 141. Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 761: ut omnem videretur in ecclesia Dei auctoritatem habere […]. Vgl. ebd.

Das Ringen um alexandrinische Obödienz im Königreich England

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den 16. September 1159 datierten Brief hatte er Erzbischof Eberhard von Salzburg über die Doppelwahl informiert und ihn um vorläufige Neutralität in der Papstfrage gebeten, bis eine Entscheidung gefällt war. In ­diesem Kontext berichtete der ­Kaiser auch von der Entsendung des Bischofs von Pavia, Pietro Toscani, an den englischen und französischen Königshof, wo die Grundlage für einen dauerhaften Frieden ­zwischen den Königreichen – und damit für eine gemeinsame Einigung im Schisma – geschaffen werden sollte.1421 Den ersten Anhaltspunkt für einen regen Austausch ­zwischen dem angevinischen und dem Stauferreich in der Papstfrage bietet Arnulf in Benedictus deus: In quo, cum proxime de differenda uestra susceptione imperatoris litteras accepisset, cui, discurren­ tibus inuicem litteris et legatis, plurima uidetur caritate coniunctus, ne preces eius spreuisse, et in preiudicium eius festinasse uideretur, generale quidem supressit edictum […].1422

Bar jeder Polemik, ist die Passage eine neutrale Darstellung des diplomatischen Austausches ­zwischen zwei Herrschern in einer Situation politischer Instabilität. Das Augenmerk liegt auf der apologetischen Rechtfertigung der Handlungen seines eigenen königlichen Herrn, nicht auf der Verleumdung des römischen Kaisers als Kirchenfeind. Statt kirchenpolitischer Divergenzen z­ wischen einem Unterstützer Viktors IV . und einem Anhänger Alexanders III . ­seien die Herrscher „in großer Hochschätzung verbunden“ 1423. Im Jahr 1159 war Friedrich Barbarossa für Arnulf von Lisieux und den – politisch noch unentschlossenen – englischen Hof kein Schismatiker und ein Bündnis mit ihm offenbar noch eine Option. Eine Polemik vom Format späterer Briefe wäre deplatziert gewesen. Die Kirchenspaltung selbst ist für Arnulf eben nicht Folge einer externen Bedrohung, sondern innerkirchlich motiviert. In dieser Parallelisierung des innozenzianischen Schismas mit der aktuellen Situation stand er damals ähnlichen Deutungsmustern bei Robert von Torigny und Johannes von Salisbury noch sehr nah.1424 1421 Vgl. MGH Const. 1, No. 181, S. 252: Preterea dilectionem tuam volumus non latere, quod iuxta petitionem regis Francorum venerabilem legatum nostrum Papiensem episcopum […], prudentem ac discretum magneque sanctitatis virum, a curia nostra transmisimus, qui duo tanti nominis regna, Anglorum videlicet ac Francorum, ipsosque reges ad firmam pacem et stabilem amicitiam vice nostra commoneat, auctoritate reformet et supra firmissimum dilectionis et amicitie nostre fundamentum cum omni plenitudine et integritate stabiliat. 1422 AvL Ep. 24, S. 33. 1423 Vgl. ebd. 1424 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 183, 324 und Metalogicon, ed. Hall/KeatsRohan, S. 183 f.

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Die Einordnung der staufischen Politik

Der Öffentlichkeit im Gedächtnis bleiben sollte aber nicht diese frühe Einschätzung, sondern seine glänzende schriftliche Erklärung vor der Synode von London im Juni 1160, das eigentliche Bravourstück des päpstlichen Hofpropagandisten aus Lisieux: Quanta tempestate. Obgleich auf Alexanders Wahlanzeige und dessen Weisungsbrief Litteras a tua nobis gestützt, ergänzte Arnulf darin besonders zum Bild des Kaisers als Akteur im Schisma „a good deal of its own“ 1425.

2.1  Die kaiserliche Intervention im Schisma und der Hegemonialvorwurf Wie Arnulfs Korrespondenz im Allgemeinen wurde auch seinem Barbarossabild in der Forschung wenig Beachtung geschenkt. Wie bei Reuter diente es oft nur als Streiflicht zur Verhärtung bestimmter Argumentationen, während Urteil und Darstellung des Staufers in Bosos Alexandervita ungleich mehr Interesse erregten.1426 Nur zwei breitere Untersuchungen widmen Arnulfs Londoner Überzeugungsschrift überhaupt Raum: Myriam Soria Audeberts Aufsatz zu den Propagandastrategien Alexanders III. und Franz Böhms ältere Monographie zur Beurteilung Friedrichs I. in den außerdeutschen Quellen der Zeit.1427 Darüber hinaus hat Odilo Engels in einem wichtigen Beitrag zum Bild des Staufers in Quellen aus dem Reichsgebiet, West- und Nordeuropa Böhms Erkenntnisse aufgenommen und vertieft.1428 Was Ansatz und Quellen der Ausführungen bei Arnulf von Lisieux angeht, besteht Einigkeit. Als Wortführer und Fürsprecher seines Papstes war er Verbreiter der von der alexandrinischen Kurie ausgehenden politischen Ideen.1429 Worin besteht also der Neuwert von Quanta tempestate? War der wirkmächtige Brief, der maßgeblich beigetragen hatte, den Weg zur Anerkennung Alexanders III. zu ebnen, Ursprung oder formativer Faktor der kirchenpolitischen Überzeugungen im angevinischen Reich? 1425 Reuter: Schism, S. 33. 1426 Vgl. Munz: Frederick und Peter Munz: Papst Alexander III. Geschichte und Mythos bei Boso, in: Saeculum 41 (1990), S. 115 – 129 sowie seine Einleitung zur Übersetzung der Vita Alexandri III in Boso Vita Alexandri, ed. Munz/Ellis. In allen Studien, die Arnulf von Lisieux inkorporieren, findet sich ein längerer Passus zu Johannes’ Vorstellungen. Siehe Böhm: Bild, S. 94 – 97 und Grosse: ­Kaiser. 1427 Soria Audebert: Temps; Böhm: Bild. 1428 Engels: Friedrich. 1429 Soria Audebert: Temps, S. 369: „S’il semble retrouver les accents de ses jeunes années lorsqu’il accuse l’empereur, Arnoul n’en reste pas moins le porte-parole d’Alexandre III .“ Böhm: Bild bemerkt, Arnulf gebe „die Gedankengänge seines Papstes“ (S. 92) wieder.

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Arnulf argumentiert in Quanta tempestate auf zwei Ebenen: Einerseits bringt er machtpolitische und ideologisch-ethische Vorwürfe vor. So etwa die Anschuldigung eines tyrannischen Komplotts zur Zerstörung der freiheitlichen ­Kirche, in dem F ­ riedrich sich in seiner angeblichen Gier nach der Weltherrschaft weltliche und geistliche Gewalt anmaße. Andererseits argumentiert Arnulf auf rechtlicher Ebene, indem er dem kaiserlich initiierten Schiedsgericht in Pavia und den dort gefassten Beschlüssen Validität und Autorität abspricht. Das alexandrinische Schisma, das immerhin einen großen Zeitraum der Herrschaftszeit Friedrichs I. einnahm, war ab der Mitte des 12. Jahrhunderts ein entscheidender Faktor des Kaiserbilds und sollte erst mit dem öffentlichen Versöhnungsakt von Venedig und dem nachfolgenden Kreuzzug wieder eine positive Wendung erfahren.1430 Zwischen 1159 und 1177 wirkten sich die kirchenpolitischen Entscheidungen des Staufers besonders in den westlichen Königreichen England und Frankreich in hohem Maße negativ auf das Urteil über seine Person und Handlungen aus.1431 Franz Böhm sieht hier einen von alexandrinischer Seite motivierten Kampf des Wortes gegen den Herrscher: „Alles wurde aufgeboten, um Friedrich in den Augen der Zeitgenossen herabzusetzen, jeder kleinste Misserfolg zu einem glänzenden Siege seiner Feinde aufgebauscht, um damit schwankenden Gemütern Gottes Beistand für die Sache Alexanders sinnfällig zu machen.“ 1432

Sollte Böhm die Strategie richtig erkannt haben, müsste sich die negative Qualität des Kaiserbildes in Zeiten offener Opposition, etwa nach dem Konzil von Pavia im Februar 1160 oder um Pfingsten 1165 nachhaltig verstärken. Gleiches sollte für die Hochphasen des Becketkonflikts auch für das Bild Heinrichs II. von England zu erwarten sein. Was das Jahr 1160 angeht, wird Böhm zunächst bestätigt. Die Bezeichnung ­Friedrich Barbarossas als Despot findet sich in der Polemik des alexandrinischen Schismas 1430 Vgl. ebd., ab S. 105; Engels: Friedrich und Grosse: ­Kaiser, S. 186. 1431 Zum zeitgenössischen ­Kaiser- und Barbarossabild in seinen nationalen und internationalen Ausprägungen siehe Engels: Friedrich; Grosse: K ­ aiser; Böhm: Bild. Des Weiteren Heinz Krieg: Herrscherdarstellung in der Stauferzeit. Friedrich Barbarossa im Spiegel seiner Urkunden und der staufischen Geschichtsschreibung, Sigmaringen 2003 (Vorträge und Forschungen des Konstanzer Arbeitskreises für Mittelalterliche Geschichte Sonderband, 50) und ders.: Die Staufer in historiographischen Quellen, in: Bernd Schneidmüller u. a. (Hg.): Verwandlungen des Stauferreichs: drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa, Darmstadt 2010. Erstere Publikationen beleuchten das alexandrinische Schisma in größerer Breite. 1432 Böhm: Bild, S. 89.

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bezeichnenderweise in direktem Anschluss an das Konzil von Pavia und, ebenso bezeichnend, in den Schreiben des dort abgesetzten Kandidaten. Alexanders Vorwurf an den ­Kaiser, von Beginn seiner Amtszeit an mit tyrannischer Gewalttätigkeit die ­Kirche unterdrückt zu haben, blieb in seiner Beschränkung auf Schilderungen des kaiserlichen Fehlverhaltens gegenüber der römischen K ­ irche, etwa in Besançon oder bei der aktiven Unterstützung Viktors IV., noch verhalten. Es waren Ansichten und Meinungsäußerungen, auf denen ein grundsätzlicher Standpunkt dargelegt wurde. Auf ihnen konnte aufgebaut werden, aber sie hatten noch keine polemische Tiefenwirkung. Dies zu ändern war Aufgabe von Männern mit einem ausgeprägten Talent zur öffentlichen Kommunikation. Männern wie Arnulf von Lisieux. Die apostolische Doppelwahl, so eröffnet der Bischof von Lisieux in seinem offenen Brief an die Dignitäre der englischen K ­ irche, wäre im Sande verlaufen und niemals zu einem gesamtkirchlichen Schisma herangewachsen, hätte nicht der Häretiker Oktavian die willige Hilfe des Kaisers gesucht.1433 Mit d­ iesem Akt habe der Prätendent die schuldhafte Verantwortung an den Stauferherrscher abgegeben. Damit schlägt Arnulf geschickt eine Brücke von seiner vorherigen Einschätzung Oktavians als Erzschismatiker und dem neuen päpstlichen Standpunkt. Alle folgenden Handlungen des Konkurrenzpapstes wurden nur noch zu Schachzügen eines kaiserlichen Marionettenpapstes. Jede weitere Polemik musste sich ab ­diesem Moment dem eigentlichen Drahtzieher, Friedrich I., widmen: Uerum ille [i. e. Friedrich I.], glorie sue et non dei sedulus emulator, desiderii complendi quod de proauorum exemplo conceperat, occasionem letabundus accepit. Nostis enim predecessores eius ad subiugandam ditioni sue Romanam ecclesiam a longis retro temporibus aspirasse, ipsosque aduersus eam semper uel suscitasse uel fouisse scismaticos, quo magis in iura eius, cui ipsi ministerium deveant, affectatum possent imperium exercere, eamque ad suam conuerso ordine non disponere, sed euertere uoluntatem.1434

Grundtenor und Inhalt basierten auf Litteras a tua nobis. Dort hatte Alexander III. nicht nur behauptet, Friedrich habe auf eine günstige Gelegenheit gelauert, sondern auch das alte schismapolemische Schema des von langer Hand geplanten Komplotts angewendet.1435 Üblicherweise, etwa in der antianakletianischen Propaganda – und 1433 AvL Ep. 28, S. 40. 1434 Ebd. 1435 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 761: eo superstite Octavianum […] ordinare apostolicum […] si opportunitatem acciperet, intendebat. […] post mortem eius [sic. Hadrian IV.] opportunitate concepta, praedictum Octavianum […] in tanta iniquitate modis omnibus manutenuit.

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über diese vermittelt auch in der Invektive Arnulfs von Lisieux – hatte sich der Vorwurf gegen den kirchlichen Gegner gerichtet.1436 Auch wenn die anderen Bestandteile des polemischen Dreiklangs, beispielsweise der Einsatz von Bestechungsgeldern, weiter nur Oktavian angelastet werden, beginnen Alexander III. und Arnulf von Lisieux nun schismapolemisches Vokabular auf den K ­ aiser zu übertragen und diesen damit explizit in die Nähe der Schismatiker zu rücken.1437 Bedeutendster Schritt ist jedoch die Veränderung des Verständnismusters von einer innerkirchlichen Angelegenheit zu einer maßgeblich von weltlichem Eingriff geprägten Krisensituation universalkirchlichen Ausmaßes. Der römische ­Kaiser, Friedrich Barbarossa, wird endgültig zum Aggressor. Dabei sei jede Handlung des Staufers, so versichert Arnulf von Lisieux mehrfach den Konzilsteilnehmern in London, aus purem Eigeninteresse erfolgt.1438 Immerhin habe die Bemühung, die ­Kirche der kaiserlichen Säkularmacht zu unterstellen, lange Tradition im römischen Kaisertum. Über die genauen Umstände der vorherigen Verfehlungen der kaiserlichen Vorgänger gegenüber der ­Kirche hatte Alexander geschwiegen. Friedrich selbst hatte er nur Besançon, die Invasion des Patrimonium Petri und die Verbindung mit Oktavian angekreidet. Arnulf jedoch entwickelt den Gedanken der „frevelhaftesten Spuren seiner Vorfahren“ 1439 weiter, indem er offen auf jene vergangenen Schismen Bezug nimmt, die durch kaiserliche Interventionen gezeichnet waren. Während der Normanne in Benedictus deus im Verweis auf die calixtinischen Fresken und die diesen zugrunde liegende ideologische Tradition das Augenmerk auf das Ende der Gegenpäpste und den Triumph des wahren Papsttums gelegt hatte, greift Quanta tempestate ohne direkten Bezug auf die Wandmalereien jene darin verbildlichten antiimperialen Überzeugungen auf, die Monate zuvor noch nicht zum Tragen gekommen waren. Ganz mochte er offensichtlich nicht auf das Potenzial des historischen Exemplums verzichten. Arnulf verweist auf ausgewählte Vorgänger Barbarossas wie die Salierkaiser H ­ einrich IV. und Heinrich V., die versucht hatten, einen imperial geneigten Papst 1436 So etwa bei Migne PL 179, Nr. IV: Postmodo Petrus Leonis, qui papatum a longis retro temporibus affectaverat, parentum violentia, sanguinis effusione, decrostatione sanctarum imaginum B. Petri cathedram occupavit, et peregrinos ac religiosos quosque, ad apostolorum limina devotionis causa venientes, captos et tetris carcerum squaloribus ac ferreis vinculis mancipatos, fame, siti diversisque tormentorum generibus cruciare non desinit. 1437 Bouquet 15, Nr. 17, S. 761 und AvL Ep. 28, S. 40 – 42. 1438 Ebd., S. 41: Ceterum hic blanda scismatici desperantis humiliatione seductus est, dum ille personam suam arbitrio eius exponit et causam; necque se quicquam fore, nisi de sola ipsius uoluntate, presumit. bzw. Predictus itaque princeps, negotium suum tanquam sub umbra pietatis exercens […]. 1439 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 760: avorum suorum sceleratissima vestigia subsecutus.

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zu etablieren oder die ihm mittel- oder unmittelbare Unterstützung gewährt hatten.1440 So entsteht der Eindruck einer ungebrochenen Tradition von Herrschern im Kampf gegen die ­Kirche und Friedrich Barbarossa rückt ins Licht eines geradezu ‚erblich‘ vorbelasteten Schismasympathisanten, der nach traditionellem Vorbild das Ziel verfolge, die römische ­Kirche durch jenen zu beeinflussen und zu unterjochen, der kraft seiner Amtswürde Konsekrator und Vermittler kaiserlicher Machtfülle war. Jenen in London, denen die Lateranfresken oder zumindest die ihnen zugrunde liegenden primatialtheologischen Vorstellungen bekannt waren, mag auch ohne explizite Referenz die ikonographische Darstellung Heinrichs V. in den Sinn gekommen sein, der in Stifterattitüde dem hierarchisch übergeordneten Calixt II. bildhaft die imperialen Zugeständnisse des Wormser Konkordats darbot. Gemäß den damaligen kirchlichen Überzeugungen erschien der Papst darin als derjenige, der vor dem göttlichen Richterstuhl für die Handlungen der Könige und K ­ aiser Verantwortung trug und der von den Herrschern nicht nur Gehorsam verlangen konnte, sondern deren Ermahnung ihm auch oblag.1441 Die Unterwanderung dieser päpstlichen Autorität mittels eines manipulierten Papstprätendenten allein war aus kirchlicher Sicht schon ein unerhörter Verstoß gegen die gottgewollte Ordnung. Arnulfs Betonung, ­Friedrich Barbarossa habe aktiv Schismatiker unterstützt, verleiht seiner Kritik gegen den ­Kaiser einen unmittelbareren Schismabezug, den andere alexandrinische Quellen in dieser Eindringlichkeit nicht zeigen. Es gehe, so Arnulfs Nachricht an den englischen Klerus, um den Schutz der ­Kirche vor der Knechtschaft durch Laiengewalt, den Erhalt der Wahlfreiheit, mehr noch, der unabdingbaren libertas ecclesiae. Alexanders Kampf sei ein Kampf gegen den Verlust dieser in früheren Generationen bitter errungenen Privilegien. Noch drei Jahre ­später stand diese Idee in Tours im Zentrum seiner Konzilspredigt.1442

1440 Gemeint und in den Fresken veranschaulicht sind das Cadalus-Schisma (1061 – 1064), das wibertinische Schisma (1090 – 1100), die Wibert von Ravenna nachfolgenden Herausforderer Paschalis II., Theoderich von Albano, Albert von Silva Candida und Maginulf von S. Angelo (zwischen 1100 und 1111) sowie Calixts eigene Auseinandersetzung mit Mauritius Burdinus (1118 – 1121) als Höhepunkt. 1441 Vgl. Reg. VII, 25 in Gregor VII. Register, ed. Caspar, S. 506 und die Belege bei August Nitschke: Die Wirksamkeit Gottes in der Welt Gregors VII. Eine Untersuchung über die religiösen Äußerungen und politischen Handlungen des Papstes, in: Studi Greg. 5 (1056), S. 115 – 219, hier: S. 139, 186, 189, 192. Siehe auch Herklotz: Bildpropaganda, S. 283. Zum Selbstverständnis des Papsttums, seinem Verhältnis zum Kaisertum und deren ikonographischen Verbildlichung in den calixtinischen Lateranfresken: Herklotz: Beratungsräume, S. 185 – 212 und Ders.: Bildpropaganda, S. 276 – 284. 1442 Vgl. Sermo, ed. Mansi, Sp. 1169 f.

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Es gehe aber eben auch um die Wiederherstellung der göttlichen Weltordnung. Der staufische Tyrann könne durch seinen Marionettenpapst hemmungslos wirken, griffe sogar in die Beziehungen ­zwischen laikaler und geistlicher Gewalt ein. Durch die ordnungswidrige Erhebung (confusa elatio) des Monticelli und seine Anerkennung auf dem Konzil von Pavia würden die heilsgeschichtliche Ordnung und die Würde der gesamten K ­ irche empfindlich gestört. Deutlichster Ausdruck dieser Anschuldigungen ist das von Alexander erstmals vorgebrachte Gerücht, Oktavian habe die päpstlichen Insignien dem K ­ aiser zu Füßen gelegt und ­später im Rahmen einer Laieninvestitur aus dessen Hand zurückerlangt.1443 Arnulf nimmt den angeblichen Vorfall auf und liefert auch gleich die Erklärung des Frevels: Vnde et ad pedes eius ipsa dicitur apostolatus insignia resignasse, posteaque de manu ipsius inuestituram accepisse per anulum, ut, ueteri scilicet questione composita, regnum plane de sacerdotio, de spiritualibus temporalia, de ecclesiasticis uiderentur secularia triumphasse.1444

Akt der Investitur und Treueschwur auf Viktor IV. versinnbildlichten für den Bischof von Lisieux Friedrichs Streben, die am Anfang des Jahrhunderts in den Konkordaten von Westminster und Worms geklärte ‚alte Frage‘ des Gewaltenverhältnisses zugunsten des Kaisertums umzustürzen. Nicht nur die Umkehrung einer göttlichen Ordination in eine Laieninvestitur, durchgeführt mit dem geistlichen Symbol des Ringes, das seit der z­ wischen Papst Calixt II. und Heinrich V. in Worms erzielten Einigung seit Jahrzehnten aus dem weltlichen Einsetzungsritual der Bischöfe verbannt worden war, war ein unerhörter Frevel.1445 Vor allem die Vermessenheit des Kaisers, den 1443 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 761: Ille autem, sicut homo qui nec in Deo nec in justitia confidebat, in ipsius Imperatoris praesentia per aliquot dies, velut pro certo accepimus, insignia pontificatus abjecit, sicut etiam in nostro et fratrum nostrorum conspectus, dum Romae olim nos teneret inclusos, suam malitiam recognoscens facere voluit; ea quidem conditione servata, ut nos ei postmodum reddere deberemus. Cumque nos eam recipere sub hac conditione nollemus, ipse in sua pertinacia et damnabili praesumptione permansit. Caeterum, ut praedictus Imperator ecclesiam Dei suae videretur subjugare et supponere ditioni, et eam in supremam redigere servitutem, memorato apostatico, sicut dictum est, pontificalia insignia reddidit, et eum de papatu (quod est a saeculis inauditum) per annulum, prout dicitur, investivi. 1444 AvL Ep. 28, S. 41. 1445 Wormser Konkordat: No. 107. Pax Wormatiensis cum Calixto II . Privilegium imperatoris, in: MGH Const. 1, S. 159 und No. 108. Pax Wormatiensis cum Calitxto II. Privilegium pontificis, in: MGH Const. 1. Verbesserte Edition bei Adolf Hofmeister: Das Wormser Konkordat. Zum Streit um seine Bedeutung, in: ders. (Hg.): Forschungen und Versuche zur Geschichte des SpätMittelalters und der Neuzeit. Festschrift für Dietrich Schäfer zum

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römischen Bischof zu investieren, sei ein selbstherrlicher Aufschwung des regnum über das sacerdotium und zerstöre „die durch Christi Blut erkaufte Freiheit“ 1446. Die Botschaft, mit der Arnulf den englischen Episkopat in London zur Anerkennung Alexanders bewegen wollte, hat Myriam Soria Audebert präzise zugespitzt: „Victor est le choix d’un pape prisonnier, donc d’une Église prisonnière; le choix d’Alexandre est celui du champion de la liberté.“ 1447 In den Tagen Innozenz’ II. hatte man vor allem regional begrenzte, landeskirchliche Gefahren des Schismas wie Auswirkungen auf die Besetzung des lokalen Episkopats befürchtet. Arnulf von Lisieux, der bis hierher übernommenes päpstliches Gedankengut durch kleinere Additamenta, Nuancierungen und Vertiefung geeigneter Aspekte propagandistisch aufgewertet hatte, erweiterte nun geschickt die Perspektive. In meisterhafter Optimierung des alexandrinischen Anklagepunkts, Friedrich versuche mit der vereinigten Gewalt des weltlichen und spirituellen Schwertes einen Hegemonialanspruch durchzusetzen, führte Arnulf von Lisieux dem insularen Episkopat ein ungleich universelleres Schreckensszenario vor Augen.1448 In Erwartung eines größeren propagandistischen Effekts ergänzte Arnulf die Behauptung, Friedrich intendiere, die ehemalige Größe des Reiches durch die vereinte Kraft beider Schwerter wiederherzustellen und mit ihr alle Reiche seiner Herrschaft zu unterwerfen.1449 Das Schlagwort der Erneuerung des alten römischen Reiches, der reformatio imperii, ergänzt hier wirksam die von Alexander vorgelegte, auf der klassischen kurialen Zweischwertertheorie fußende Argumentation. Mit dieser Renovatio-Idee wird dem römischen K ­ aiser ein regelrechter Weltherrschaftswillen angelastet, denn die implizite Gleichsetzung der ­Kirche Roms mit der Universalkirche ließ nicht die Unabhängigkeit der englischen oder römischen Partikularkirchen, sondern die der Gesamtkirche und aller darin umspannter Nationen als gefährdet erscheinen.

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70. Geburtstag, Jena 1962, S. 64 – 184. Übersetzt in: Nr. 49. Das Wormser Konkordat, in: Lorenz Weinrich (Hg.): Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250, Darmstadt 1977 (FStG, 32), S. 183 – 185, hier: S. 183. Zur Praxis der Investitur mit dem Ring: Phillippe Depreux: ‚Investitura per anulum et baculum‘: Ring und Stab als ­Zeichen der Investitur bis zum Investiturstreit, in: Jarnut/Wemhoff: Umbruch. Vgl. AvL Ep. 28, S. 41. Soria Audebert: Temps, S. 369. Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 761: Sic […] Reges et Principes diversarum partium sibi intendit tum spirituali, tum materiali gladio subjugare, si in hac parte (quod absit!) nefandissimum ejus propositum praevaleret. Ähnliches Gedankengut erging auch in analogen Briefen an Erzbischof Hugo von Rouen: Ad haec, juxta prudentiae tuae consilium, Rotomagensi archiepiscopo ejusque suffraganeis, et aliis per Nortmanniam constitutis, exhortationis literas destinamus (ebd.). Vgl. AvL Ep. 28, S. 41.

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Die schiere Existenz des Vorwurfs setzte voraus, dass man damit rechnete, dass er auf fruchtbaren Boden fallen und die erwünschte Wirkung erzielen würde. Tatsächlich gab es eine lebendige Furcht vonseiten der Zeitgenossen, dass der deutsche ­Kaiser es auf eine übergeordnete Machtstellung über andere regna abgesehen hatte. Bezeugt wird sie von niemand anderem als Johannes von Salisbury, der zu wissen behauptet, was der Deutsche im Schilde führe: Eram enim Romae praesente beato Eug(enio) quando, prima legatione missa in regni sui initio, tanti ausi impudentiam tumor intolerabilis et lingua incauta detexit. Promittebat enim se totius orbis reformaturum inperium et urbi subiciendum orbem, euentuque facili amnia subacturum, si ei ad hoc solius Romani pontificis fauor adesset. Id enim agebat, ut in quemcumque denuntiatis inimicitiis materialem gladium inperator, in eundem Romanus pontifex spritualem gladium exerceret. Non inuenit adhuc qui tantae consentiret iniquitati […].1450

Engels vermutet einen Bezug auf Friedrichs in seiner Wahlanzeige an Eugen III. geäußerte Absicht zur Wiederherstellung der alten Grenzen des Reiches und der alten Würden des römischen Kaisertums.1451 Wie auch Timothy Reuter einwandte, ist diese Deutung aber nur schwierig direkt in den Passus zu lesen. Allerdings hält auch er es für möglich, dass Johannes als Augenzeuge durch die näheren mündlichen Ausführungen der kaiserlichen Gesandten, Hillin von Trier und Eberhard von Bamberg, der maßgeblichen Einfluss auf den Inhalt des Schreibens hatte, über Einzelheiten informiert worden sein könnte.1452 Zweifelsohne bildet hier die Idee, Reichsfeinden gemeinsam mit Strafmitteln beider Gewalten zu begegnen, den Ursprung. Im Konstanzer Vertrag von 1153 hatten sich beide Seiten darauf geeinigt, dass der Papst renitente Reichsfeinde verwarnen und exkommunizieren sollte. Diesen Vertrag hatte noch Hadrian IV. im Jahr 1155 erneuert.1453

1450 JvS I, Ep.124, S. 207 f. 1451 Der entsprechende, kurz nach seiner Wahl und Krönung (4. / 9. März 1152) versendete Passus lautet: Cum enim duo sint, quibus principaliter hic mundus regitur, videlicet auctoritas sacra pontificum et regalis potestas, omnium Christi sacerdotum obedientie devoti colla submittere parati sumus, ut propitia divinitate temporibus nostri principatus verbum dei expedite currere non prohibeatur et paternas regulas ac decreta sanctissimis diffinita conciliis nullus audeat ­absque pene gravioris vindicta violare, quatinus per studii nostri instantiam catholica ecclesiae sue dignitatis privilegiis decoretur et Romani imperii celsitudo in pristinum sue excellentie robur deo adiuvante reformetur. (MGH D F I 5, S. 11). Zur Quelle: Heinrich Appelt, Die Kaiseridee Friedrich Barbarossas. Vorgelegt in den Sitzungen am 23. November 1966 und 5. Mai 1967 (Philosophisch-Historische Klasse, 252,4), Wien 1967, S. 7 – 11. 1452 Vgl. Reuter: Germans, S. 420. 1453 Vgl. MGH D F I 51. Siehe Engels: Friedrich, S. 237 und Reuter: Germans, S. 420.

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Johannes von Salisbury verzerrt also wissentlich die Tatsachen, wenn er die Pläne des Staufers als gescheitert darstellt.1454 Diese tendenziöse Darstellung ist jedoch für Johannes unabdingbar, um einen Gegenwartsbezug herzustellen: Friedrichs bisheriges Scheitern an der Umsetzung seiner Kaiseridee versuche er nun durch das willige Werkzeug eines „bileamitischen“ 1455 Bischofs wettzumachen. Abgesehen von dem Korruptionsvorwurf, den der Terminus in sich trug und der auf den durch ihn bezeichneten Papstprätendenten übertragen werden sollte, tritt im hier diskutierten Zusammenhang eine andere Facette der biblischen Sehergestalt Bileam aus Num 22 in den Vordergrund: Oktavian wird zum Irrlehrer, ein Verführer zum Götzendienst und damit ein Hindernis des Volkes Israel auf seinem heilsgeschichtlichen Weg. Das Wichtigste jedoch: Er tut es nicht aus eigener Initative (man erinnere sich an Bileams Weigerung, dem Befehl des Herrn zu widersagen, wenn er Bilaks Weisung befolge), sondern auf Anstiftung eines Herrschers.1456 Bileam wird zum Werkzeug der furchterfüllten weltlichen Autorität. Die assoziativen Parallelen zur Konstellation von Pavia, die Johannes zu ziehen gedachte, sind offensichtlich. Johannes’ Bericht ist tendenziös, aber macht ihn das völlig haltlos? Oder strebte man am Kaiserhof tatsächlich nach weltherrschaftlicher Hegemonialstellung?1457 Für längere Zeit ging die deutsche Mediävistik davon aus, dass so etwas wie eine universale Kaiseridee im staufischen Umfeld des 12. Jahrhunderts kursierte. Diese wurde nicht als eine staatsrechtlich gesicherte, sondern als eine auf sozialem Ansehen basierende auctoritas gedeutet, die auch durch die Könige anderer regna, die sich wiederum dem Kaisertum freiwillig unterstellten, akzeptiert wurde.1458 1454 1455 1456 1457

Vgl. ebd., 419 f. Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 206 f., Zitat: S. 207. Vgl. 4 Mose 22,1 – 18. Einführend zur Kaiserideologie: Heinrich Appelt: Die Kaiseridee Friedrich Barbarossas. Vorgelegt in den Sitzungen am 23. November 1966 und 5. Mai 1967, Wien 1967 (SB Wien, 252,4), durch einen Nachtrag ergänzt in Appelt: Kaiseridee. Quellenzitate liefert Hans ­Joachim Kirfel: Weltherrschaftsidee und Bündnispolitik. Untersuchungen zur auswärtigen Politik der Staufer, Bonn 1959 (Bonner historische Forschungen, 12). Des Weiteren Töpfer: Reges; Dieter Berg: Imperium und Regna. Beiträge zur Entwicklung der deutsch-englischen Beziehungen im Rahmen der auswärtigen Politik der römischen ­Kaiser und deutschen Könige im 12. und 13. Jahrhundert, in: ZHF 15, 5 (1988), S. 13 – 37 und Opll: Friedrich. 1458 Exemplarisch: Robert Holtzmann: Der Weltherrschaftsgedanke des mittelalterlichen Kaisertums und die Souveränität der europäischen Staaten, in: HZ 159 (1939), S. 251 – 264; ders.: Dominium mundi und imperium merum, in: ZKG 61 (1942), S. 192 – 200; Walther Holtzmann: Das mittelalterliche Imperium und die werdenden Nationen, Köln 1953 (Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-­Westfalen, 7);

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Stellvertretend für alle abendländischen Herrschaftsbereiche hat man als Beleg der Akzeptanz eines imperialen Vorrangs einen aus dem Jahre 1157 stammenden, bei Rahewin tradierten Brief Heinrichs II. von England an den ­Kaiser herangezogen.1459 In ­diesem dankt der Plantagenêt für ein vorhergegangenes Hilfsangebot des Staufers, vielleicht zur Beilegung politischer Schwierigkeiten in den Kontinentalbesitzungen des angevinischen Herrschers. Mit großer Freude ergebe er sich vor Barbarossas Hoheit und sei aufrichtig bereit „nach […] Kräften alles auszuführen, was […] [des Kaisers] Ehre dienlich“ 1460 sei. Weiter heißt es: Unser Reich und alles, was immer unserer Herrschaft untersteht, stellen wir euch zur Verfügung und vertrauen es eurer Macht an, damit alles nach eurem Winke geordnet werden und in allem der Wille eurer Herrschaft geschehe. Es möge z­ wischen uns und unseren Völkern eine unlösbare Gemeinschaft der Liebe und Freundschaft bestehen, sicherer Handelsverkehr, so jedoch, daß euch, dem an Würde Höherstehenden, die Befehlsgewalt zufällt; uns wird es nicht an dem Willen zu gehorchen fehlen.1461

Rätselhafte Worte von einem Herrscher, der im damaligen politischen Geschehen eine dominantere Stellung einnahm als jeder andere.1462 Entsprechend sah sich eine Großzahl von Historikern dazu veranlasst, in dieser Passage eine rhetorische

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Kirfel: Weltherrschaftsidee; Karl Ferdinand Werner: Das hochmittelalterliche Imperium im politischen Bewußtsein Frankreichs (10. – 12. Jahrhundert), in: HZ 200 (1965), S. 1 – 60; Walther Kienast: Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900 – 1270). Weltkaiser und Einzelkönige, 3 Bde., Stuttgart 1975 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 9) und Othmar Hageneder: Weltherrschaft im Mittelalter, in: MIÖG 93 (1985), S. 257 – 278, hier: S. 258 ff. Excellentiae vestrae quantas, in: Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson. Übersetzt in Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, S. 406 – 409. Einen kritischen Forschungsüberblick zu Heinrichs Brief an Friedrich I. bietet: Fritz Trautz: Die Könige von England und das Reich 1272 – 1377. Mit einem Rückblick auf ihr Verhältnis zu den Staufern, Heidelberg 1961. Eine umfassende Zusammenfassung unter Beachtung der wichtigsten Vertreter der Kaiseridee bei Engels: Friedrich, S. 231 – 236. Excellentiae vestrae quantas, ed. Waitz/Simson, S. 172: Exultavimus, inquam, et tota mente magnificentiae vestrae assurreximus, id vobis in sincero cordis affectu respondentes, quod, quidquid ad honorem vestrum spectare noverimus, pro posse nostro effectui mancipare parati sumus. Übersetzung zitiert nach Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, S. 407. Excellentiae vestrae quantas, ed. Waitz/Simson, S. 172. Übersetzung zitiert nach Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, S. 407. Man beachte das angevinische Bündnisgeflecht mit dem Reich, Sizilien, seine Schiedsrichterfunktion in Konflikten auf der iberischen Halbinsel, seine Oberlehnsherrschaft über Schottland und Irland und seine diplomatische Nähe zum Byzantinischen Reich. Siehe

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­ erbrämung der eigentlichen Kernaussage des Dokuments zu sehen: der WeigeV rung Heinrichs, eine Handreliquie des Heiligen Jakobus in kaiserliche Hände zurückzugeben, die durch die Kaiserin Mathilde an den englischen Hof gekommen war.1463 Die These ist plausibel. Der Brief scheint keinerlei realpolitische Folgen gehabt zu haben. Sein gesamter Tenor gleicht eher einem Begleitschreiben für die reichen Herrschaftsgeschenke an den Staufer als einer Nachricht mit eigenständiger staatspolitischer Aussagekraft. Es ist kaum abzuleiten, dass das angevinische Reich abgesehen von einem Vorrang als Schutzvogt der Christenheit irgendeine Form imperialer Vorherrschaft akzeptierte. Die Aussagen der historiographischen Überlieferung und Dieter Bergs Untersuchungen zu den politischen Rahmenbedingungen staufischer Politik und den Reaktionen auswärtiger Mächte kommen zu demselben Ergebnis.1464 Mit einem Verweis auf die Einseitigkeit der der älteren Forschung zugrunde liegenden Quellenbasis und ihrer begrenzten Provenienz aus dem Bereich der kaiserlichen Kanzlei oder dem mitteleuropäischen Raum griff Berg die Frage nach dem Vorhandensein und der Billigung einer Weltherrschaftsidee des römischen Kaisers am Beispiel der Könige von England erneut auf. Er stellte fest, dass sich Friedrich I. in seiner Außenpolitik, etwa in der Italienpolitik, vordergründig von dem Wunsch nach einem Ausgleich der strukturellen, ökonomischen und politischen Schwächen seiner Herrschaft leiten ließ.1465 Auch seine Auseinandersetzung mit dem Papsttum, dessen Interessen als Territorialmacht zwangsläufig mit der Rekuperationspolitik des Staufers kollidieren mussten, war ein größerer motivationaler Faktor imperialer Politik als die Umsetzung eines wie auch immer gearteten Suprematiegedankens.1466 Die Beanspruchung kirchenherrschaftlicher Entscheidungsrechte über die Universalkirche erschien den äußeren Mächten während des alexandrinischen Berg: Imperium, S. 24 unter Berufung auf frühere Forschungen wie Warren: Henry, ab S. 222. 1463 Vgl. Karl J. Leyser: Frederick Barbarossa, Henry II and the Hand of St. James, in: EHR 90, 356 (1975), S. 481 – 506, hier: S. 481. Zu demselben Ergebnis kommt Hans Eberhart Mayer: Staufische Weltherrschaft? Zum Brief Heinrichs II. von England an Friedrich Barbarossa von 1157, in: Wolf: Friedrich, S. 265 – 278. Skeptisch gegenüber der Aussagekraft der Quelle sind auch Holtzmann: Imperium, S. 18 f., Anm. 20; Kirfel: Weltherrschaftsidee, S. 113 und Trautz: Könige, S. 64 – 68. 1464 Vgl. Grünewald: Kaisertum und Berg: Imperium. 1465 Vgl. ebd. 1466 Aufgeführt werden die begrenzten territorialen Grundlagen, der mit dem Welfengeschlecht geführte Kampf um den Herrschaftsvorrang sowie das Fehlen einer eigenen Hausmacht oder effektiven Zentralverwaltung im Reich, etwa nach englischem Vorbild. Siehe ebd., S. 19 f.

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­Schismas als „Versuch, das universale Papsttum dem kaiserlichen Willen zu unterwerfen, und […] zugleich in die kirchlichen Angelegenheiten des jeweiligen regnum einzugreifen“ 1467. Die Reaktion waren bündnispolitische Aktionen zum eigenen Schutz. Sie trieben den K ­ aiser in eine außenpolitische Isolation, die, nach Berg, nur dann durchbrochen wurde, wenn es dem Gegenüber politisch opportun erschien. So geschehen bei der durch Heinrich II . von England initiierten deutsch-englischen Annäherung, die im Verlöbnis der englischen Königstochter mit Heinrich dem Löwen gipfelte. Im komplexen Machtgefüge der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war der ­Kaiser für den Plantagenêt ein willkommener Bündnispartner gegen Ludwig VII . Allerdings nur einer unter vielen, denn im doppelbödigen diplomatischen Spiel des Plantagenêt förderte der König auch Barbarossas politische Feinde in Italien oder Wilhelm II . von Sizilien durch Ehebündnisse oder finanzielle Unterstützung. Heinrichs Ziel: die Förderung seiner Expansionspläne auf französischem Gebiet.1468 Eine faktische Vormachtstellung des Deutschen Reichs war also weder auf machtpolitischer noch auf anderer Ebene festzustellen. Der K ­ aiser hatte durch seine auctoritas keinerlei Einfluss auf das politische Handeln anderer Herrscher, sondern bewegte sich selbst in sehr engen, oft mehr reaktiven als aktiven, politischen Bahnen. Der einzige Vorrang, den man ihm einräumte, so Bergs Fazit, sei seine Schutzfunktion in der Verteidigung des christlichen Glaubens gewesen.1469 Nichtsdestotrotz ist damals am Kaiserhof eine Vorliebe für Theorien nachweisbar, die einen supranationalen Hegemonialanspruch des Staufers zu proklamieren und begründen suchten. In den geschichtssymbolischen und reichstheoretischen Vorstellungen eines Otto von Freising, Rahewin oder Gerhoch von Reichersberg wurde der ­Kaiser als Rechtsnachfolger der antiken Imperatoren und als eine der beiden weltregierenden Autoritäten gefeiert und aus heilgeschichtlicher Perspektive mit dem Vorläufer des Endkaisers oder gar dem Endkaiser persönlich identifiziert.1470 Ideen wie jene des aus dem Kreis des Reichskanzlers Rainald von Dassel entstammenden Archipoeta, der Barbarossa als von Gott gesalbten, über alle Könige erhobenen dominus mundi und als den Mann feierte, der dem Römischen Reich zu altem Glanz 1467 Ebd., S. 22. 1468 Im Vexin, der Bretagne, auf angevinischem Territorium oder in der Grafschaft Toulouse. Siehe ebd., 22 f. Zur Kontinentalpolitik Heinrichs II. siehe die dreibändige Quellenkompilation Recueil des actes de Henri II, roi d’Angleterre et duc de Normandie, concernant les provinces françaises et les affaires de France, ed. Léopold Victor Delisle/Élie Berger, 3 Bde., Paris 1916 – 1927. 1469 Vgl. Berg: Imperium, S. 37. 1470 Vgl. Engels: Friedrich, S. 225 – 230.

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verhelfen werde, waren allerdings weniger Folge eines aktiv aufgestellten herrschaftstheoretischen Konzepts als geteilter Anschauungsschemata.1471 Im abschließenden Kapitel seines Berichts über die Taten Friedrich Barbarossas, den Gesta Friderici, will Rahewin zum Thema staufische Weltherrschaft zu berichten wissen, dass die Könige von Spanien, England, Frankreich, Dänemark, Böhmen und Ungarn sich trotz eines gewissen Misstrauens durch Freundschaft und Bundesgenossenschaft an Friedrich gebunden hätten, dass sie sich seinem Willen unterstellt hätten und „sooft sie Briefe oder Gesandte an ihn schickten, versicherten, ihm komme die Befehlsgewalt zu, ihnen fehle es nicht am Willen zu gehorchen“ 1472. Derartige Versicherungen erfuhren jedoch in westlichen Monarchien, wo jedem Erstarken der Kaisermacht „mit wachsendem Mißtrauen“ 1473 begegnet wurde, wenig Resonanz.1474 Der von Arnulf von Lisieux vorgebrachte Weltherrschaftsvorwurf zeigt, wie sensibel man im angevinischen Reich auf diese Thematik reagierte. 1471 Vgl. Walter Stach: Salve, mundi domine! Kommentierende Betrachtungen zum Kaiserhymnus des Archipoeta, Leipzig 1939 (Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse, 91,3); Karl Langosch: Politische Dichtung um K ­ aiser Friedrich Barbarossa, Berlin 1943, S. 122 – 139, 268 – 274. Eine eingehende Zusammenschau bei Engels: Friedrich, der für die Zeit ab 1165 ein Ende hegemonialer Vorstellungen identifiziert (S. 240). Nach neuerem Erkenntnisstand ging dieser Verständnishorizont von Rahewins Gesta Frederici aus auf die Bildungselite des Hofes über. Siehe die Einleitung von Franz-Josef Schmale und Irene Schmale-Ott im anonym überlieferten Carmen de gestis Frederici I. imperatoris in Lombardia, ed. Irene SchmaleOtt, Hannover 1965 (MGH SS rer. Germ., 62). 1472 Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, IV, 86, S. 345. Übersetzung nach Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, S. 713. 1473 So der Befund aus der englischen Historiographie. Siehe Grünewald: Kaisertum, S. 291. 1474 Dass es im Vorfeld eine ­solche Unterordnung weder auf Reichsebene noch auf französischem Territorium gegeben hatte, zeigen Werner: Imperium und Heinz Löwe: Kaisertum und Abendland in ottonischer und frühsalischer Zeit, in: HZ 196 (1963), S. 531. Auch Rolf Große hat am Beispiel Frankreichs zeigen können, wo das Kaisertum von seinem stadtrömischen Bezug aus definiert wurde. Beinhaltete dies zunächst auch ein kaiserliches Mitspracherecht bei der Papstwahl, so wurde es unter Paschalis II. mit der Hinwendung des Papstes vom römischen ­Kaiser als Schutzmacht zur Dynastie der Kapetinger und der Etablierung des französischen Königs als rex christianissimus in steigendem Maße abgesprochen. Im 12. Jahrhundert zeigt sich, etwa bei Suger von Saint-Denis, die Tendenz, den ­Kaiser nach seiner Treue zum Papsttum zu messen. Siehe Grosse: K ­ aiser. Zu gleichem Ergebnis kommen Willi Radczun: Das englische Urteil über die Deutschen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, Nendeln, Liecht. 1967 (ND der Ausgabe Lübeck 1933) (Germanische Studien, 136), S. 47 – 56 und Grünewalds Untersuchung der englischen Historiographie. Bis auf einige Ausnahmen habe „kein englischer Chronist des Hochmittelalters das abendländische Kaisertum ausdrücklich für berechtigt erachtet […], im Orbis Latinus oder gar

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Es scheint Friedrich und seiner Kanzlei bewusst gewesen zu sein, dass ein universaler Anspruch des römischen Kaisertums im Westen Anstoß erregen könnte. So verzichtete der Staufer im Ladungsschreiben an König Heinrich II. von England – anders als in den Mandaten an Hartmann von Brixen und seine Amtsbrüder – auf den Hinweis auf das traditionelle, aus der Zweischwerterlehre erwachsende Verständnis des Kaisers als Träger des materiellen Schwertes oder die kaiserliche Gewalt über die gesamte christianitas. Stattdessen beließ er es in dieser ansonsten größtenteils identischen Variante bei einem pastoralen Hinweis auf seine Heilsverpflichtung gegenüber der Christenheit, einem Verweis auf die in Mt 16,18 festgelegte Unumstößlichkeit eines einzigen Papstes und der Akzentuierung der Bedeutung der englischen Stellungnahme im Schisma.1475 Der Zuschnitt auf den Verständnishorizont des jeweiligen Empfängers zeigt, dass mit einem Gefühl der Suprematie nicht gewuchert wurde. Es wäre kaum politisch opportun gewesen, im Namen des dominus mundi einen der beiden mächtigsten Regenten Westeuropas um seine Präsenz in Pavia zu bitten. Nichtsdestotrotz könnten gleichlautende Theorien vom Kaiserhof ihren Weg in die Normandie oder über den Ärmelkanal gefunden haben. Auch wenn ein direkter politischer oder ideologischer Einfluss auf diese Gebiete, auf deren Herrscher oder ihre Politik nicht erkennbar ist, war das westliche Ausland scheinbar in der Frage staufischer Hegemonialvorstellungen „aus purer Höflichkeit […] bereit, dem ­Kaiser einen Vorrang einzuräumen, ja sogar eine potestas über den eigenen König zuzugestehen, wenn sie nur nicht Wirklichkeit wurde“ 1476. Dieser Ehrenvorrang stieß aber besonders in staufischer Zeit auf heftigste Abwehr, sobald er auf nationale Interessen ausgriff oder die freiwillige Unterordnung anderer Völker unter deutsche und kaiserliche Autorität propagierte.1477 Männer wie Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury griffen tief in das antike Repertoire der Kritik an den barbarischen Deutschen und ihrem K ­ aiser, um sich unrechtmäßiger Ansprüche auf Überlegenheit gegenüber dem eigenen Volk zu erwehren. Dass man sich vom ideologischen Säbelrasseln der Hofliteratur nicht beeindrucken ließ, bedeutete aber mitnichten, dass deren Ideen nicht im angevinischen Reich oder auf der Synode von London als latente Bedrohung empfunden wurden. auf dem Erdball eine Oberherrschaft über die anderen Staaten auszuüben. […] Auch der Gedanke einer dauernden politischen Führerschaft (Hegemonie) des Kaisertums innerhalb der Christenheit war verpönt.“ (Grünewald: Kaisertum, S. 291). 1475 Vgl. MGH D F I 284, S. 96 und MGH Const. I 183. Dazu Engels: Friedrich, S. 235 f. 1476 Ebd., S. 235. 1477 Für den französischen Bereich: Grosse: ­Kaiser, S. 178. Für England: Radczun: Urteil, S. 55 f.

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Sollte sich der Verweis auf das am Kaiserhof kursierende Gedankengut beziehen, das in Friedrich den direkten Rechtsnachfolger der antiken Imperatoren sah, lässt Arnulf diesen Bezug in London ohne nähere Substantialisierung wirken.1478 Für Johannes von Salisbury werden die supranationalen Ansprüche des Kaisers zum Beweis der schamlosen Ambitionen eines Mannes, der in der verbrecherischen Tradition seiner Vorfahren die ­Kirche für seine eigenen Interessen einspannte und ihre Privilegien beschnitt. Nicht nur in der ersten Entrüstung über Pavia, sondern noch Jahre ­später sollte er Friedrich vorwerfen, gewaltsam und voll Herrschsucht danach getrachtet zu haben, sich mit der Absicht einer Wiederherstellung des altrömischen Reiches über die regna zu erheben.1479 Eine aus antikem, kaiserlichem Erbe gezogene Legitimation dieser Ansprüche lehnte Johannes von Salisbury ab, auch wenn an keiner Stelle seiner Schriften oder Briefe gegen die Institution des Kaisertums selbst polemisiert wird. Auch im Policraticus äußert er sich nie abfällig über das Kaisertum oder dessen Repräsentanten. Sie lieferten damals noch kein Potential als moralisches oder historisches exemplum und Johannes legte vor Beginn des Schismas eine „abwartende Haltung wohlwollender Neutralität“ 1480 gegenüber dem Kaisertum an den Tag. Erst Pavia bezeichnet die Wende: Vor seinem Abfall vom wahren Glauben und dem Übertritt ins schismatische Lager habe Barbarossa unter den Herrschern seinesgleichen gesucht.1481

2.2  Der Kaiser zwischen furor und tyrannis Erst während des Schismas gab es Grund zur Klage. Der Staufer, so Johannes von Salisbury, trachte das christliche Romanum imperium, das der Angelsachse als Fortsetzung des antiken Reiches verstand, von Glauben und Einheit zu entfremden.1482 Er greift also nicht das deutsche Kaisertum im Kern, sondern Person und Handlungen von dessen gegenwärtigem Träger an. Konsequenterweise ist F ­ riedrich Barbarossa für ihn nicht 1478 Zur Vorstellung des Kaisertums als Fortsetzung des römischen Imperiums bei den sogenannten Geschichtssymbolisten Otto von Freising, Rahewin, Gottfried von Viterbo siehe Engels: Friedrich, S. 225 – 230. 1479 JvS II, Ep.145, S. 102 f.: Nonne Teutonicus tirannus nominis sui fama nuper orbem perculerat et fere subegerat regna uicina et etiam imperium Graecorum terrore concusserat, ut magis deditionem quam confoederationem legationibus missis uideretur offerre? 1480 Grünewald: Kaisertum, S. 84. 1481 JvS II, Ep. 184, S. 216 f. 1482 Vgl. JvS II, Ep. 145. Dazu Grünewald: Kaisertum, S. 86.

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der imperator Romanorum, sondern schlichtweg der imperator.1483 Der Rombezug des Kaisertums, der Johannes offensichtlich bewusst ist, spielt in Bezug auf das deutsche Königtum keine Rolle.1484 Seinen Sprachgebrauch übernahm der angelsächsische Gelehrte wahrscheinlich aus Frankreich, dem bewunderten Land seiner akademischen und beruflichen Sozialisierung.1485 Später macht Barbarossas Haltung in der Papstfrage ihn zum Teutonicus imperator oder sogar Teutonicus tyrannus.1486 Die adjektivische Betonung seiner Herkunft ist dabei zum einen Verweis auf das von Johannes grundsätzlich als unkultiviert und barbarisch betrachtete Volk der Teutonen, zum anderen aber auch eine Zurückweisung des imperialen Einflussbereichs auf das Territorium des Deutschen Reichs. Es ist bedauerlich, dass anhand der Exilbriefe nicht nachgeprüft werden kann, ob Johannes seinen Sprachgebrauch nach Friedrichs Rückkehr in die Obödienz ­Alexanders III. im Frieden von Venedig im Sinne des kaiserlichen Rombezugs anpasste. Ein Phänomen, das uns etwa in der anglonormannischen Historiographie begegnet.1487 Am Vorabend der Synode von London jedenfalls ist das Kaisertum, in Analogie zum imperium Graecorum mit seinem Kaisersitz in Konstantinopel, für Johannes wesensmäßig kein universales, sondern ein deutsches Kaisertum, das direkt mit der deutschen Königsherrschaft verbunden wird, aber seine römisch-imperiale Würde verloren hat.1488 1483 JvS I, Ep. 122, S. 202 und Ep. 123, S. 204. Da er ihn generell auf die höchste Instanz fürst­ licher Hierarchien anwendet, ist aus dem Begriff kein einzigartiger Suprematietitel abzuleiten. Details bei Miczka: Bild, S. 213. 1484 Ebd., S. 212: „Johannes ist die Verbindung des Kaisertums mit der Stadt Rom bewusst; er äußert sich jedoch an keiner Stelle darüber, ob er diese Verbindung für notwendig oder angemessen, für natürlich, zufällig oder bemerkenswert hält; ferner findet sich auch kein Hinweis darauf, ­welche Stellung und ­welche Aufgaben dem Kaisertum zukommen.“ 1485 Der Terminus taucht infolge des Bedeutungsverlustes des Kaisertums als päpstliche Schutzmacht auf. So leugnet etwa der anonyme Verfasser der Historia Ludovici auch den Rombezug der Kaiserwürde des Allemanie imperator. Siehe Grosse: ­Kaiser, S. 176. 1486 JvS I, Ep.124, S. 205. Zum Tyrann wird er erst nach Pavia. Tyrannus: JvS II, Ep. 152 (S. 52), Ep. 168 (S. 102), Ep. 177 (S. 182), Ep. 225 (S. 392), Ep. 242 (S. 472), Ep. 289 (S. 656) sowie Joannis Saresberiensis: Ep. 181. Excusationem qua diuturnitatem (S. 198 – 205, hier: S. 200), Ep. 278. Romanos amicis uerba dare (S. 598 – 603, hier: S. 632) und Ep. 288. Alternat fortuna rerum uices (S. 363 – 649, hier: S. 648), in: Later Letters, ed. Millor/Brooke. Einmal findet sich auch die Bezeichnung als Imperator Teutonicis et Alemannis: JvS II, Ep. 276, S. 588. Zum englischen Gebrauch der ethnischen Bezeichnung Alemannus siehe Alamannus, in: Roland E. Latham/David Robert Howlett (Hg.): Dictionary of Medieval Latin from British Sources. Bd. 1, London 1997. 1487 Vgl. den terminologischen Wandel vom imperator Alemannorum (RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 318, 341, 364, 355) zum imperator Romanus nach dem Frieden von Venedig (RvTorigny Chronica II, ed. Delisle, S. 67). 1488 Vgl. zur Abgrenzung zum oströmischen Kaisertum: Miczka: Bild, S. 214.

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Johannes von Salisbury nennt Friedrich I. jedoch zu d­ iesem Zeitpunkt der Krise noch nicht Schismatiker. Diesen Rang nimmt immer noch Oktavian von Monticelli ein.1489 Dem ­Kaiser selbst werden nur Treubruch, Kompetenzenübertritt und illegitime Anmaßungen gegenüber der K ­ irche vorgeworfen, aber nicht ihre aktive Spaltung. Denn immerhin wurde Friedrich Barbarossa seine Macht nach Johannes’ Verständnis von der ­Kirche zur Ausübung verliehen.1490 Ein Angriff auf dieselbe bedeutete für ihn nicht nur eine Gefahr für die Nationalkirchen, die der Staufer über das Papsttum indirekt auch seiner Weisung zu unterwerfen suchte, sondern auch einen aus Stolz und persönlicher Herrschsucht geborenen Vorstoß gegen diese gottgegebene Ordnung. Eben darum wussten die alexandrinischen Propagandisten das Motiv der Tyrannei ebenso effektvoll einzusetzen wie das der imperialen Hegemonie. Im Verständnis des 12. Jahrhunderts oblag dem guten gottgefälligen Herrscher die Pflicht, die iustitia, die man im augustinischen Sinne als eine gehorsame, der Gemeinschaft heilbringende Unterordnung unter Willen und Gebot Gottes verstand, zu pflegen und verteidigen.1491 Davon leitete sich im Umkehrschluss Augustinus’ auf Cicero fußendes Verständnis des Tyrannen als iniustus […] rex 1492, als Gegenstück des gerechten Königs, ab, das, durch Gregor den Großen rezipiert und weiter vermittelt, prägenden Einfluss auf die mittelalterliche Geisteswelt erhielt.1493 Für Papst Gregor I. 1489 Vgl. JvS I, Ep. 125, S. 216; JvS I, Ep. 130, S. 226. 1490 Vgl. IV, 3 in Policraticus, ed. Keats-Rohan bzw. Policraticus I, ed. Webb. 1491 Vgl. Sancti Aurelii Augustini De Civitate Dei. Libri I – X, ed. B. Dombart und A. Kalb, Turnhout 1955 (CC , 47) II , 19, 21, 27 und IV ,3. Besonders selbstbewusst vertreten von ­Gregor VII., der den Papst als Vorkämpfer der göttlichen causa iustitiae sah und unter dem amor et defensio iustitiae zum Kampfbegriff in der Verfechtung kirchlicher Interessen w ­ urden. Siehe Bernheim: Begriffe, S. 63 f. 1492 Augustinus De Civitate I, ed. Dombart/Kalb II, 21, S. 54. 1493 Vgl. S. Gregori Magni Moralia in Iob. Libri XI – X XII, ed. M. Adriaen, Turnhout 1979 (CC, 143), 31,4. Isidor von Sevilla definierte den Despoten als einen pessim[u]s atque inprob[u]s [rex] (Isidori Hispalensis episcopi Etymologiarum sive originum. Bd. 1: Libros I – X, ed. Wallace Martin Lindsay, Oxford 1962 (ND der Ausgabe 1911) IX, 3, § 19). Zu Isidors Darstellungen von rex und tyrannus allgemein siehe I, 31; II, 29,7 und IX, 3, 19 – 20. De duodecim abusionibus saeculi, eine fälschlicherweise Cyprian zugeschriebene, wahrscheinlich irische Schrift des 7. Jahrhunderts, die auch Johannes von Salisbury bekannt gewesen sein könnte, mahnt den rex iniquus vor dem Missbrauch seiner Macht als Instrument ungerechter Unterdrückung. Siehe De Duodecim Abusionibus Saeculi, in: Jacques Paul Migne (Hg.): S. Thascii Caecilii Cypriani Epicopi Cathaginensis et Martyris. Opera omnia praemittuntur Patrum Minorum qui saeculo tertio a Tertulliano ad Cyprianum in Ecclesia Latina Floruere Scripta quae supersunt, Paris 1891 (Migne PL, 4), Sp. 947 – 960. Etwa ebd., Sp. 956: Nonus abusionis gradus est rex iniquus. Etenim regem non iniquum sed correctorem iniquorum esse oportet […] Justitia vero regis est neminem iniuste per potentiam opprimere […]. Zitiert nach Bernheim: Begriffe,

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war die Gesetzlosigkeit eines der Hauptmerkmale des Despoten.1494 Im beginnenden 11. Jahrhundert wurde dann der Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes zunehmend mit dem Gehorsam gegenüber der Amtskirche und ihrer apostolischen Spitze gleichgesetzt. Sobald sich diese einer Unterordnung unter das Papsttum widersetzten, richtete Papst Gregor VII., der über den Papstnamen hinaus sehr von den Lehren seines Namensvetters Gregor des Großen beeinflusst war, den Tyrannenvorwurf mehrfach gegen den deutschen oder den französischen König. Schwerste Sünde und der verwerfliche Gipfel aller Laster des schlechten Herrschers waren in den Augen der Kirchenväter das genaue Gegenteil der Liebe zur iustitia, nämlich Hochmut und Stolz, die von Gott abgewandte und auf die eigene Person fixierte superbia.1495 Wurden diese Vergehen bei einem weltlichen Machthaber festgestellt, oblag es dem obersten Hirten der K ­ irche, den König oder K ­ aiser auf die Verfehlungen aufmerksam zu machen, ihn zu ermahnen und auf den rechten Weg zurückzuführen. Um über die Gottgefälligkeit des Herrschers zu wachen und diese notfalls durch Ermahnung in Wort und Tat zu fördern und zu restituieren, kannte die papalistische ­Theorie des 12. Jahrhunderts nur eine Instanz: den römischen Bischof selbst.1496 Wer sich selbst an erste Stelle setzte und dem göttlichen Willen verschloss, musste in Konflikt mit dieser Macht kommen, die sich in ihrem Selbstverständnis unmittelbar als dessen Deutungsinstanz verstand. Als irdischem Stellvertreter Christi, so die logische Folgerung, gebührte dem Papsttum Gehorsam. Wer anders handelte, musste sich der Anklage der Tyrannei stellen. In der Auffassung Alexanders III . und seiner Zeitgenossen zeichneten den ­Tyrannen im Gegensatz zum gerechten gottgefälligen Herrscher also sein eigener Ungehorsam gegenüber der Amtskirche als direkter Vermittlungsinstanz göttlichen Willens, die tatenlose Billigung solchen Ungehorsams bei seinen Untertanen sowie das Widersetzen gegen das göttliche Gebot als Ursprung von Unheil für die gesamte Gemeinschaft der Gläubigen im Reich aus. Ein Tyrann war und handelte moralisch ­unsittlich, führte ein schlechtes, gesetzloses Regiment und verweigerte sich seiner höchsten Aufgabe: der Wahrung von Frieden und Gottesfürchtigkeit unter seinen Untertanen. Auch wenn sich die Unterscheidung von falschem und wahrem S. 69. Reminiszenzen der Ideen frühmittelalterlicher Fürstenspiegel wie jener des Jonas von Orléans im Gedankengut des Johannes von Salisbury zeigt Barrau: Miroir, S. 91. 1494 Gregor I Moralia, ed. Adriaen, 12.38, S. 654: Proprie tyrannus dicitur qui in communi re publica non iure principatur. 1 495 Die Gefahr der superbia bestehe für jeden, der anderen vorsteht: ebd. XIX, 21 und Regulae pastoralis liber, ad Joannem episcopum civitatis Ravennae, in: Gregor I Opera omnia, ed. Migne II, 6. 1496 So vertreten von Gregor VII. Siehe Bernheim: Begriffe, S. 71.

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­ rieden in der Praxis schwierig gestalten mochte, war die Bekämpfung des UnfrieF dens oberstes herrscherliches Gebot des gerechten, des Friedensfürsten. Nur zu ihrem Zweck war es ihm gestattet, seine Untertanen durch Strafen auf den rechten Weg zurückzubringen. Ebenso die Kriegsführung, die als Mittel diente, den in Unruhe geratenen Frieden für seine Untergebenen wiederherzustellen.1497 Ansonsten stellten Zwangsmacht und Kriegskunst den Missbrauch der Macht zur Unterdrückung der ihm Anvertrauten dar. Denn Zwietracht galt als Z ­ eichen des Teufelsreiches. Wo der Tyrann herrschte, war nach zeitgenössischer Anschauung der uralte Feind der Menschheit als Anstifter nie weit. Auf dieser ideengeschichtlichen Basis und als Reaktion auf die Konzilsbeschlüsse von Pavia wurde die Gleichsetzung Friedrichs mit einem Gewaltherrscher zum festen Bestandteil des alexandrinischen Schismadiskurses.1498 Der Begriff des Tyrannen ging von der alexandrinischen Kurie aus. Hier zeigt sich dasselbe Muster. Die Doppelwahl selbst wurde erst unter dem Eindruck eines geplanten kaiserlichen Konzils mit imperialem Einfluss in Verbindung gebracht. So richteten sich Alexanders Kardinäle im Anschluss an die Vorverhandlungen von Anagni im Dezember 1159 mit Beschwerden über den Eingriff des kaiserlichen Gesandten, Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, in die Wahl und das apostolische Territorium des Patrimonium Petri, an den ­Kaiser.1499 In dem als Epistola cardinalium bekannten Schreiben unter dem Incipit Sacra scriptura docente gibt es die ersten, wenn auch gebührend respektvollen Andeutungen auf ungebührende viktorinische Tendenzen des Staufers, dem das Verhalten Ottos von Wittelsbach durch die Betonung seiner Position als nuntius vester 1500 indirekt angelastet wird. Der Ton hatte sich noch nicht verschärft, doch der Eindruck, den A ­ lexander III. und seine Kardinäle von Friedrich gewannen, begann sich zu verschieben. Die geäußerten Argumente zur Rechtmäßigkeit der Konkurrenten und die Bitten an den K ­ aiser, von seinem Kurs abzurücken, liefen ins Leere. Die in den Augen der alexandrinischen Kurie skandalöse Einberufung des Paveser Konzils durch den ­Kaiser und die dort gefassten Beschlüsse gaben für Alexander III. letztendlich den Ausschlag, am Gründonnerstag desselben Jahres noch die Exkommunikation über den ­Kaiser zu verhängen. Von nun an zählte er zu den Hauptanhängern des Gegenpapstes, wurde öffentlich als Verfolger der K ­ irche und Regent betrachtet,

1497 Vgl. ebd., S. 66. 1498 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 760. 1499 Das Kardinalsschreiben ist ediert in: Walther Holtzmann: Quellen und Forschungen zur Geschichte Friedrich Barbarossas (Englische Analekten I.), in: NA 48 (1930), S. 384 – 414, hier: S. 398. Einordnung in die alexandrinische Propaganda bei Laudage: Alexander, S. 121. 1500 Holtzmann: Quellen, S. 399 f.

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der in Besançon, auf dem entfremdeten Boden des Patrimonium Petri und in Pavia wiederholt seine Amtspflichten gegenüber der ­Kirche verletzt hatte.1501 Genau zur selben Zeit taucht die Nomenklatur tyrannus zum ersten Mal in den drei erhaltenen Schriftstücken jener Briefkampagne auf, mit der die alexandrinische Kurie im April 1160 die neue päpstliche Position im Reich und dem europäischen Westen verbreitete.1502 Auch Boso übernahm die Idee in seiner Vita Alexandri III, dem Kronzeugen alexandrinischer Propaganda, und stellte Barbarossa in seinem geradezu mythologisch anmutenden Kampf z­ wischen Gut und Böse als Widersacher dem zur Jesusfigur stilisierten Alexander entgegen.1503 Doch wie wurden Alexanders Vorgaben ausgeführt? Welche Aspekte des geläufigen Tyrannenbildes wurden hervorgehoben? Die Vorwürfe an Friedrich I. ­Barbarossa waren mannigfaltig. Ausgangspunkt war die organisatorische und politische Rückendeckung Oktavians von Monticelli bei dessen Erhebung und Weihe. Die Weihe sollte nach Aussage der alexandrinischen Kardinäle unter Anwesenheit des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach und anderer kaiserlicher Gesandter stattgefunden haben.1504 In Ausübung seiner spirituellen Korrekturgewalt gegenüber dem fehlgeleiteten ­Kaiser rechtfertigte Alexander Barbarossas Exkommunikation mit dessen hartnäckiger „Billigung des Schismatikers Oktavian“ 1505. Seine Kardinäle griffen die Thematik dankbar auf. Über weite Passagen legitimieren sie Friedrichs Ausstoß aus der K ­ irche als logische Folge seiner vergangenen und gegenwärtigen Intrigen gegen die ­Mutter K ­ irche wie der verbrecherischen Unterstützung und hauptverantwortlichen Erhebung des Oktavian.1506 1 501 Exemplarisch Bouquet 15, Nr. 17 und MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 53, S. 104. 1502 Alle drei Briefe kennen den Passus tamquam tirannus o. ä.: Bouquet 15, Nr. 17, S. 760, daran anschließend MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 53, S. 104 und das offene Kardinalsschreiben Moerore simul, ed. Watterich, S. 498. 1503 Ausführlich dekliniert Munz: Papst Bosos Methodik und die darauffolgenden quellenkritischen Bedenken eingängig durch. So lässt Boso gezielt die Schuldzuweisung Alexanders III. auf Rainald von Dassel fallen, um den K ­ aiser zu belasten. Diese radikale Vereinfachung politischer Parteien sieht auch Odilo Engels: Kardinal Boso als Geschichtsschreiber, in: Georg Schwaiger (Hg.): Konzil und Papst. Historische Beiträge zur Frage der höchsten Gewalt in der ­Kirche, Festgabe für Hermann Tüchle, München/Paderborn u. a. 1975, S. 147 – 168. Ferner zu Bosos Barbarossabild die breiteren Ausführungen zur Kaiserdarstellung der Vita Alexandri III in Munz‘ Einleitung zu Boso Vita Alexandri, ed. Munz/Ellis. 1504 Vgl. Moerore simul, ed. Watterich, S. 494 – 496. 1505 Bouquet 15, Nr. 17, S. 761. 1506 Vgl. Moerore simul, ed. Watterich, S. 498: Dominus itaque noster iniquitatem ipsius imperatoris, qui tam tyrannice sacrosanctam Romanam ecclesiam conculcare molitus [est], non videns diutius esse ferendam, de communi consilio nostro et aliorum plurimum eum cum

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Nach alexandrinischem Verständnis hatte Barbarossa damit einen Frevel gegen den wahrhaft legitimen Inhaber der Cathedra Petri, Papst Alexander selbst, begangen, in dessen kanonisch korrekter Erhebung göttlicher Wille zum Ausdruck gekommen war. Von dort war es nicht weit zu Arnulfs wütendem Vorwurf, der ­Kaiser entfache eine Krise, die sich andernfalls niemals in eine Kirchenspaltung ausgewachsen hätte: […] cardinales et episcopi, qui per diuersas prouintias legationis fungebantur officio, ad eum pari deuotione conuersi sunt, totique iam ecclesie dei indubitate tranquillitatis serenitas arrideret, nisi homo ille ad preparatum imperatoris auxilium transfugisset.1507

Dessen ungeachtet kann man sich noch nicht davon lösen, dem Monticelli den aktiven Part zuzuschreiben. Denn ihn und nicht seinen kaiserlichen Gönner bezeichnen die verwandten Briefe Alexanders, der Kardinäle und das London-Manifest des Arnulf von Lisieux offen als Schismatiker. Den ­Kaiser betrachtet der Normanne zwar als bereitwilligen, aber doch eher reagierenden als agierenden Bündnispartner. Dass er sich über das geltende Papstwahlrecht und die Vereinbarungen von Worms und Westminster hinwegsetzt, macht den Staufer nicht zum Schismatiker, aber zu einem gott- und gesetzlosen Herrscher. Hochmütig und in aller Selbstherrlichkeit ließe er, dem seine eigene Ehre mehr wöge als die Ehre Gottes, sich die Insignien päpstlicher Macht zu Füßen legen, investiere zu allem Überfluss noch gegen geltende Bestimmungen seinen usurpatorischen Favoriten.1508 In der Vorstellung dieser wohl fiktiven Investiturszene liegt das Bild des Götzen von Kaisers Gnaden, mit dem man Viktor IV . s­ päter identifizierte, schon verborgen. In Pavia, so die alexandrinischen Kardinäle, habe Barbarossa wie ein zweiter N ­ ebukadnezar jene babylonische Tyrannengestalt der Heiligen Schrift, die von allen Völkern ein goldenes Standbild verehren ließ (Dan 3,1 – 7), die Anwesenden dazu gezwungen, den neuen kaiserlichen Papst zu verehren. Um die Bischöfe, die sich aus Skepsis gegenüber dem Lauf der Dinge der Abstimmung entziehen wollten, am Fortgang zu hindern, habe der Staufer die Türen des Sitzungsraums schließen abominationis idolo, quod erexit, in Coena domini excommunicationis vinculo innodavit et a corpore Christi, quod est ecclesia, multis suis meritis exigentibus reddidit alienum. 1507 AvL Ep. 28, S. 40. 1 508 Ein Punkt, den alle drei Zeugnisse stark machen – Bouquet 15, Nr. 17, S. 761; Moerore simul, ed. Watterich, S. 497 und AvL Ep. 28, S. 41: Vnde et ad pedes eius ipsa dicitur apostolatus insignia resignasse, posteaque de manu ipsius inuestituram accepisse per anulum, ut, ueteri scilicet questione composita, regnum plane de sacerdotio, de spiritualibus temporalia, de ecclesiasticis uiderentur secularia triumphasse.

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lassen.1509 Der Bericht der Kardinäle ist eine bibelbasierte Ausschmückung des entsprechenden Passus in Alexanders Litteras a tua nobis, in dem allerdings noch von einer gelungenen, heimlichen Flucht der Alexandriner und Unentschlossenen aus der Situation die Rede war.1510 Die Anbetung des Götzenbildes aus dem Buch Daniel war Vorbild für die spätere Gleichsetzung Oktavians mit einem kaiserlichen ydolum, die auch in der Historiographie zum stehenden Topos wurde, doch weder Arnulf von Lisieux noch Alexander III. bedienten ­dieses Motiv im Jahre 1160. Auch den alexandrinischen Kardinälen ging es eher um die Gleichsetzung Friedrichs mit dem babylonischen Schreckensherrscher und dessen blasphemischem Befehl als um die Idee der Götzenverehrung. Zu dieser Zeit war Oktavian Schismatiker und kaiserlich eingesetzter Apostat, aber noch kein Marionettenpapst – auch wenn Litteras a tua nobis bereits andeutete, dass der ­Kaiser durch ihn herrschaftsrechtlich in die ­Kirche hineinwirken wolle.1511 Während die Türschlusslegende wohl als propagandistische Übertreibung einzuschätzen ist, belegen auch andere Zeugnisse beider Lager, dass der ­Kaiser entweder persönlich oder durch Gewährsmänner auf einzelne Synodalteilnehmer eingewirkt habe.1512 Auch Arnulf von Lisieux nahm die plastische Schilderung der Kardinäle vom Zwangscharakter des Paveser Konzils in stark gekürzter Form auf, verzichtete aber auf die biblische Einbettung des Passus: Predictus […] princeps ecclesiasticum congregavit seculari potestate conuentum, ut presumptionem scismatici illius proprio roboraret assensu, et quos posset ad obedientiam illius tirannice potestatis terroribus inclinaret […].1513 1509 Vgl. Moerore simul, ed. Watterich, S. 498: Quocirca congregatis in sanctuarium Dei aliquantis, ad exemplum Nabuchodonosor regis de statuae deauratae coepit erectione tractare. Ubi cum episcopi de ore ipsorum schismaticorum electionis ordinem audivissent, electionem domini nostri submissa voce canonicam iudicantes et maledicta in illos plurime congregantes, unus post unum inventis occasionibus de ecclesia exire coeperunt. Quod imperator, aspiciens, claudi iussit portas ecclesiae atque paucos, qui remanserant (nec plures, ut dicitur, Italicos quam sex aut septem) extrema discrimina eis et ecclesiarum suarum destructiones intentans, ad inclinandum statuae quam erexerat coartavit. 1510 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 761. 1511 Vgl. Ebd. und Moerore simul, ed. Watterich. 1512 Direkte Druckausübung auf isolierte Teilnehmer bezeugt Fastrad von Clairvaux: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 70, S. 127. Die Reichersberger Annalen und Propst Heinrich von Berchtesgaden sprechen allgemein von der Initiative und dem Drängen des Kaisers und/ oder seiner Getreuen. Siehe Annales aevi Suevici, ed. Georg Heinrich Pertz, Stuttgart 1990 (MGH SS, 17) bzw. Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, IV, 338. 1513 AvL Ep. 28, S. 41.

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Eine gedankliche Verknüpfung Friedrich Barbarossas mit dem Antichristen findet – im Gegensatz zu der Viktors IV. – nicht statt. Dahingegen wird die für den Tyrannen typische Unterdrückung seines Volkes und der M ­ utter ­Kirche zu einem der Hauptaspekte des frühen Barbarossabildes in der nachpavesischen Kommunikation der Alexandriner.1514 Die Schlagworte, die immer wieder in d­ iesem Kontext fallen, sind Unterdrückung (tyrannica oppressio), weltliche Gewalt (violentia laicalis)1515, sündhafter Frevel (iniquitas) und Betrug (fraus)1516. Aus der Paveser Entscheidung über die Stichhaltigkeit der Papstwahl erhebt sich in den Augen des Johannes von Salisbury Friedrich I. als Prototyp des tyrannischen Fürsten: Libera debent esse iudicia, et quisquis ea uiribus nititur perturbare, capitalem ab antiquis constitutionibus meretur potentiam. Porro ecclesiastica debent esse liberrima, et de sacrorum canonum sanctione; sicut electio pastoris est in ecclesia a clero libere et sine mundanae potestatis praenominatione celebranda, sic eadem in ecclesia a iudicibus ecclesiasticis, amotis saecularibus terribilibusque personis, libere et secundum regulas ecclesiasticas examinanda est. Quicquid uero contra praesumitur, in irritum deuocatur.1517

Der Eingriff in die freie Wahl- und Untersuchungspraxis der ­Kirche, die damit verbundene Missachtung des Gesetzes sowie der Verweis auf das verdiente bittere Ende des Frevlers sind starke Reminiszenzen an Johannes’ Tyrannenlehre und an seine Vorstellung von der libertas ecclesia. Hinzu kommt die Aufkündigung der reziproken Fürsorge ­zwischen Herrscher und Volk durch Anwendung von Gewalt und Terror gegen die eigenen Untertanen: At haec, uelut in castris et sub gladio, minis et terroribus species examinationis a simplicibus, a meticulosis fraudulenter et uiolenter extorta, a dolosis, uiolentis et malitiosis, contra ius et fas praecipitata est.1518

Die Nötigung des Gremiums durch den K ­ aiser macht das Konzil zur Scheinuntersuchung der Papstfrage. Der Vorwurf entsprach nicht allein dem Wunsch nach pro 1514 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17: coepit sanctam Romanam ecclesiam tamquam tyrannus opprimere (S. 760) und episcopos, aliis discretioribus et honestioribus occulte de illo conciliabulo fugientibus, reverentiam exhibere laicali violentia et tyrannica oppressione coegit. (S. 761). 1515 Ebd. 1516 Moerore simul, ed. Watterich, S. 498. 1517 JvS I, Ep. 124, S. 208 f. 1518 Ebd.

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pagandistischer Diffamierung. Tatsächlich, so Heinz Wolter, „dürfte Friedrich Barbarossa entweder auf indirektem Wege durch seine Vertrauensleute oder in unmittelbaren Gesprächen mit den Synodalteilnehmern auf die Anerkennung Viktors IV. gedrungen haben“ 1519. Sichtlich bemüht, einem derartigen Vorwurf zuvorzukommen, beschwört die Synodalenzyklika auffällig und fast gebetsmühlenartig die Zurückhaltung des Kaisers. Die Entscheidung sei erst nach erfolgter Beratung mit der Synode gefallen.1520 Ebenso sollte die Hervorhebung des ausschließlich geistlichen Charakters der Versammlung dem Anschein eines kaiserlichen Willkürgerichts entgegenwirken.1521 Es hätte verwundert, wenn Johannes von Salisbury den Stammvorwürfen der alexan­drinischen Propaganda nicht noch eine eigene Nuance hinzugefügt hätte. In ­diesem Fall ist es seine auf den ersten Blick fast konstruiert anmutende, aber durchaus gekonnte subtile Parallelisierung der aktuellen politischen Lage mit dem römischen Bürgerkrieg unter Pompeius und Caesar, also dem Gegenstand der Lucanschen Pharsalia. Schon in Angustiarum nostrarum hatte Johannes von Salisbury die alexandrinischen Parteigänger mit den rechtschaffenen Anhängern des Pompeius im Senat gleichgesetzt.1522 Es braucht nicht viel Phantasie, um die Idee fortzuspinnen. Nach einem 1519 Heinz Wolter: Friedrich Barbarossa und die Synode zu Pavia im Jahre 1160, in: Hanna Vollrath/Stefan Weinfurter (Hg.): Köln – Stadt und Bistum in ­Kirche und Reich des Mittelalters. Festschrift für Odilo Engels zum 65. Geburtstag, Köln 1993 (Kölner histo­ rische Abhandlungen, 39), S. 415 – 454, hier: S. 447 f. Dort eine Zusammenfassung aller zeitgenössischen Anmerkungen zur Rolle des Kaisers in der Urteilsfindung. 1520 Vgl. MGH Const. 1, No. 190, S. 268: Electione itaque omni Victoris, remoto omni seculari iudicio, sancti Spiritus gratia invocata, confirmata et recepta, christianissimus imperator [noster] post omnes episcopos et post omnem clerum ultimus [ex] consilio et petitione concilii electionem domni Victoris recepit et approbavit […]. Siehe auch ebd., S. 365, 367. 1521 Man beachte Signalwendungen wie das mehrfach auftretende omni remoto seculari iudicio oder den Hinweis auf das Untersagen laikaler Zeugenaussagen. Siehe Nr. 189. Encyclica imperatoris de decretis concilii, in: MGH Const. 1 bzw. MGH Const. 1, No. 190. Der Verzicht auf die für die von Friedrich in den Ladungsschreiben zur Synode und seiner Eröffnungsrede als Vorbild vorgebrachten antiken Kaiserkonzilien charakteristische, aktive Rolle in und Teilnahme an den Verhandlungen war nach Wolter ein Zugeständnis Barbarossas, das auf Vorberatungen mit einer größeren Zahl von Hochklerus und Großen in Crema (Mitte Oktober 1159) getroffen worden war. Dadurch wurde die kirchlicherseits als überkommen empfundene, aktive Rolle des Kaisers insbesondere bei jenen Konzilien, die eine weitreichende Entscheidung von universalkirchlicher Bedeutung zu erfüllen hatten, grundlegend eingeschränkt. Terminologisch äußerte sich diese Übereinkunft in der Vermeidung der Bezeichnung ‚Konzil‘ in den Ladungsschreiben. Schließlich war im Verständnis des 12. Jahrhunderts allein der Papst zur Einberufung eines Konzils berechtigt. Siehe Wolter: Pavia, S. 420 – 421, 450. 1522 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 211 mit Bezug auf Lucan Pharsalia, ed. Housman V, Z. 34.

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Hoch auf das Gottvertrauen der Alexandriner, einem Ausweis ihrer Tugendhaftigkeit, berichtet Johannes von der Exkommunikation des Kaisers durch A ­ lexander III. Der Zusammenhang z­ wischen Lucanzitat und dieser Passage empfiehlt wohl kaum zufällig die Gleichsetzung der Lucanschen Tyrannengestalt und Antagonisten Caesar mit seinem gebannten mittelalterlichen Äquivalent Friedrich I.1523 Damit ergänzte Johannes seine Ausführungen um eine historisch-ethische Perspektive, die er bereits in Policraticus VIII , 23 ausgeführt hatte, indem er die schismatische Krise mit dem Schrecken eines für beide Seiten nur Elend bringenden Bürger- und damit Bruderkriegs parallelisierte.1524 In d ­ iesem Kontext hat das in Angustiarum nostrarum inserierte Lucanzitat einige Bedeutung. Denn beim Kompositcharakter des Zitats, das mit einem Vers aus Buch V der Pharsalia endet, handelt es sich nicht um einen Gedächtnisfehler oder eine unbewusste Kontraktion durch Johannes von Salisbury.1525 Vertieft man sich in die entsprechende Passage, verleiht die Verschmelzung der Zitate der indirekten Charakterisierung des Kaisers nämlich noch eine weitere Nuance. Lucan beklagt an dieser Stelle nämlich wortreich die realitätsvergessene Blutrünstigkeit des Imperators, dessen Heer und Volks sich nach Frieden sehnen.1526 „Schämst du dich nicht Caesar, allein auf Krieg erpicht zu sein, wenn deine Mannen ihn schon verworfen haben? Sollen sie vor dir […] das Regiment des Schwerts als Last empfinden, während du selber überall dahinstürmst und nicht fragst, was gut, was böse ist? Komm zur Ruhe und lerne die Kunst, ein Leben ohne Waffen zu ertragen, laß deinen Verbrechen ein Ende setzen! […] Was drängst du Menschen, die nicht mehr wollen? Der Bürgerkrieg, er flieht vor dir.“ 1527 1523 Vgl. ebd. V, Z. 34 bzw. JvS I, Ep. 124, S. 211, hier: 205: Eos Papiensis concilii sententia nequaquam terret, sed in ipsum imperatorem et idolum suum cum omnibus cultoribus suis, sperantes in Domino et in potentia uirtutis eius, confortati in Spiritu Sancto sententiam anathematis intorserunt. 1524 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 23. 1525 Vgl. Lucan Pharsalia, ed. Housman V, Z. 306 f. 1526 Vgl. ebd. V, Z. 310 – 317. Die Passage zeugt von einer bei Johannes von Salisbury beliebten Technik, die Barrau bezüglich seines Umgangs mit biblischen Verweisen als ‚halo‘ scripturaire bezeichnete und in der durch die Verschmelzung mehrere Zitate ein dichtere Bedeutungsebene erreicht wird. Siehe Barrau: Bible, S. 112 f. 1527 Übersetzung nach Lucanus. Bellum civile / Der Bürgerkrieg, ed. Wilhelm Ehlers, Berlin 1978 (Sammlung Tusculum). Originalzitat in Lucan Pharsalia, ed. Housman, S. 131 f. V, v. 310 – 316: non pudet, […] Caesar, soli tibi bella placere / iam manibus damnata tuis? hos ante […] ferri graue ius erit, ipse per omne / fasque nefasque rues? lassare et disce sine armis / posse pati; liceat scelerum tibi ponere finem. / […] quid iam nolentibus / instas? bellum te ciuile fugit.

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Ein geschickter Hinweis auf einen von der K ­ irche ersehnten Frieden, der nur durch den Aktionismus des Kaisers wieder in Gefahr geraten war? Auch Arnulf von Lisieux hatte die Sachlage ähnlich interpretiert. Eingereiht in seine prozesskritische Klage, spiegeln die Vorwürfe die Anfänge einer Stigmatisierung des römischen Kaisers, die sich im Verlauf des Schismas und der englischen Kirchenkrise verschärfen sollte. Arnulf von Lisieux dagegen fehlte das theoretische Gerüst einer ausgebildeten Tyrannenlehre. Er folgte dem theologisch-traditionellen, durch die Patristik vermittelten Bild des rex iniquus, das auch Alexanders Überzeugungen zugrunde lag. Dafür ergänzte er ­dieses im Kontext seines Vergleichs z­ wischen der Kirchenpolitik des staufischen Despoten und jener der französischen ­Kirche mit einer nicht ganz unkonventionellen, aber doch wirksamen Ergänzung der päpstlichen Vorgaben, die mit alten Ängsten spielte: Sicut enim omnes, quos ad oppressionem Romane ecclesie rabida Teutonici furoris prouexit inuidia, uirtus altissimi manifesta deiecit; sic omnibus, quos deuotio Gallicana suscepit, uictoriam semper contulit et triumphum.1528

Zorn (ira) und Wut (furor) rücken mittlerweile verstärkt in das Interesse der historischen Emotionsforschung. Für den Menschen des hohen Mittelalters konnten beide Phänomene unterschiedlich konnotiert sein.1529 Der Zorn konnte als nachvollziehbare Reaktion auf eine vorhergehende, als ungerecht empfundene Kränkung oder Verletzung des Zürnenden verstanden werden, die dem Betroffenen jedoch Mut, Kraft und Ausdauer verlieh und ihn dadurch befähigte, das durch diesen Affront entstandene Hindernis zu überwinden. Er wurde zur zornmütigen Kraft, der vis oder dem appetitus irascibilis.1530 Dabei wird jedoch diese in ihrer Beseitigung der Ehr- und 1 528 AvL Ep. 28, S. 42. 1529 Diskussion und Überblick über die Forschung liefert Rüdiger Schnell: Historische Emotionsforschung. Eine mediävistische Standortbestimmung, in: FmSt 38 (2004), S. 173 – 276. Beispielhaft für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte der Gefühle ist Gerd Althoff: Gefühle in der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters, in: ­Claudia Benthien (Hg.): Emotionalität. Zur Geschichte der Gefühle, Köln 2000 (Literatur, Kultur, Geschlecht: Kleine Reihe, 16), S. 82 – 99. Zu den Einzelphänomen Zorn und Wut siehe besonders den Sammelband Barbara H. Rosenwein (Hg.): Anger’s Past, Ithaca, NY 1998 oder das Themenheft der Zeitschrift des Mediävistenverbands: Bele Freudenberg (Hg.): Furor, zorn, irance. Interdisziplinäre Sichtweisen auf mittelalterliche Emotionen, Berlin 2009 (Das Mittelalter, 14,1). 1530 Siehe Brungs‘ Untersuchung des Zorns in den philosophischen Vorstellungen der Zeit: ­Alexander Brungs: Charakteristische Aspekte des Zorns in seiner Darstellung durch Philo­sophen des Mittelalters, in: Das Mittelalter 14, 1 (2009), S. 28 – 40, hier: S. 32 f., 38 f.

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­Gerechtigkeitsverletzung als konstruktiv empfundene Macht gleichzeitig an Vernunft, Verantwortung und Gerechtigkeitssinn geknüpft und damit dem freien menschlichen Willen zugesprochen.1531 Insbesondere in der Darstellung vorbildlicher Herrschafts­ träger wurde der Zorn, analog zum Zorn Gottes, zum Instrument der Heilsgeschichte.1532 Entgegen der Sicht der älteren Forschung, die den Königszorn als irrationales und brutales Element brandmarkte, muss dieser also nicht zwangsläufig delegitimierend und disqualifizierend wirken.1533 So lässt sich an der Darstellung Ottos I. in der Antapodosis des Liudprand von Cremona (zwischen 958 – 962) beispielhaft aufzeigen, wie der Königszorn nicht nur zur schmückenden Verhaltensweise, sondern als Reaktion auf unstatthaften Widerstand gegen eine legitime Herrschaftsgewalt auch zum herrschaftssichernden Instrument werden konnte.1534 Zorn und Wut traten ebenfalls als ­Zeichen herrscherlicher Aktivität und Stärke, etwa in der Schlacht, hervor. Sie konnten zur Etablierung, Perpetuierung und dem Wandel von Wertesystemen beitragen und dabei zu einem wertvollen Mittel gesellschaftlicher Kommunikation werden.1535 All diesen Vorstellungen des legitimen Zorns steht als Gegenstück die blinde, sinnlose und willkürliche Wut gegenüber.1536 Da unkontrollierte Wutausbrüche nicht nur das Individuum, sondern auch sein Umfeld in den Konflikt mit einbezogen, wurden sie auch von anglonormannischen Autoren wie dem Rhetoriker Gottfried von ­Vinsauf, Johannes von Salisbury oder dem späteren Theologen und Naturphilosophen Roger 1531 Idee vertreten von dem Franziskaner Petrus Johannis Olivi in seinen Quaestiones in secundum librum Sententiarum, q. 57. Siehe Petrus Johannis Olivi Quaestio an in homine sit liberum arbitrium. Lateinisch-deutsch, übersetzt und eingeleitet von Peter Nickl, ed. Peter Nickl, Freiburg i. Br. 2006 (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters, 8). 1532 Die Darstellung königlichen Zorns in historiographischen und literarischen Zeugnissen ist jener des göttlichen Zorns auch stilistisch und terminologisch eng verwandt. Siehe Bele Freudenberg: Darstellungsmuster und Typen von Zorn in der Historiographie. Die ‘Antapodosis’ Liudprands von Cremona, in: Das Mittelalter 14, 1 (2009), S. 80 – 97, hier: S. 85; Paul R. Hyams: What did Henry II of England Think in Bed and in French About Kingship and Anger?, in: Rosenwein: Anger, S. 100; Stephen D. White: The Politics of Anger, in: Rosenwein: Anger, S. 137. Zorn als positiv besetztes herrscher­ liches Attribut konnte Evamaria Heisler: Christusähnlicher Karl. Die Darstellung von Zorn und Trauer des Herrschers in der ‚Chanson de Roland‘ und im ‚Rolandslied‘, in: Das Mittelalter 14, 1 (2009), S. 67 – 79, hier: S. 73 am Beispiel der Darstellung Karls des Großen nachweisen. 1533 Vgl. Schnell: Emotionsforschung. 1534 Vgl. Freudenberg: Darstellungsmuster, S. 87 f. 1535 Vgl. ebd., S. 82. 1536 Zu Ideal und T ­ heorie des Königszorns eingehend: Gerd Althoff: Ira regis. Prolegomena to a History of Royal Anger, in: Rosenwein: Anger, S. 59 – 74.

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Bacon nicht nur als Gefährdung des Betroffenen, sondern als geradezu gesellschaftsgefährdend eingestuft.1537 Unter der Voraussetzung, dass er in konstruktive Bahnen gelenkt und gezügelt werden konnte, war Zorn ein Charakteristikum des idealen Herrschers, während der hinterhältige, nur versteckt im Inneren ausgelebte Zorn einen Tyrannen auszeichnete.1538 Dass ira und furor zu den principalia vitia gezählt wurden und im mittelalterlichen Verständnis eine große Nähe zur inuidia, dem boshaften, auf Missgunst basierenden Hass, besaßen, verlieh ihnen eine sündentheologische Dimension, auf die auch Arnulf von Lisieux hinweist, wenn er von der „rasenden Missgunst der teutonischen Wut“ 1539 spricht.1540 Am Ende vereinigen der römische K ­ aiser und sein Marionettenpapst in Arnulfs Darstellung die Laster der Habgier, des Zorns (ira), der Eitelkeit (vana gloria) und des nach der Lasterlehre Gregors des Großen als Grund allen Übels geltenden Hochmuts (superbia). Man fühlt sich unweigerlich an Arnulfs invektivische Strategie erinnert, in der er Imar von Tuskulum und die viktorinischen Wähler als sündhafte Repräsentanten von Völlerei, Stumpfheit und Hass den Lasterkatalog komplettieren ließ.1541 Für eine moralische Diskreditierung Friedrichs I. im Kreis der Sünder hätte eine Kopplung seiner unkontrollierten, rasenden Wut mit dem Vorwurf der Missgunst und des Hasses genügt. Dies reichte Arnulf von Lisieux allerdings noch nicht. Zur 1537 So das Ergebnis von Albrecht Classen: Anger and Anger-Management in the Middle Ages. Mental-Historical Perspectives, in: Mediaevistik, 19 (2006), S. 21 – 50. 1538 Ein Beispiel bietet die Figur des Hugo von Arles, der in Liudprand von Cremonas Antapodosis zum Gegenbild des Idealherrschers Otto I. wird. Siehe Freudenberg: Darstellungsmuster, S. 89 f. 1539 AvL Ep. 28, S. 42. 1540 Herausgearbeitet von Ingo Klitzsch: Persönliche Erfahrung und theologische Reflexion. ‚Zorn‘, ‚Wut‘, ‚Empörung‘ in der sogenannten ‚Historia Calamitatum‘ des Petrus Abaelardus (1079 – 1142), in: Das Mittelalter 14, 1 (2009), S. 98 – 119. 1541 Zu den sieben Laster- und Tugendkatalogen bei Augustinus und Gregor dem Großen siehe Reinhart Staats: Hauptsünden, in: Reallexikon für Antike und Christentum 13, Sp. 734 – 770, bes.: Sp. 767 f. Als hochmittelalterlicher Zeitgenosse beschäftigte sich Petrus Abaelardus in mehreren Werken eingehend mit der Unterscheidung verschiedener Sünden und Tugenden, die er in lässliche und verdammenswerte Laster unterteilte. Ausführend: Tobias Georges: Quam nos divinitatem nominare consuevimus. Die theologische Ethik des Peter Abaelard, Leipzig 2005 (Arbeiten zur K ­ irchen- und Theologiegeschichte, 16), S. 247, 255. In seinen Sentenzen setzte Abaelard sich mit der irascibilitas und der invidia beispielhaft auseinander. Siehe Sentenz XXXIII: De vitiis que virtutibus contraria sunt in Sententie magistri Petri Abelardi. Sententie Hermanni, ed. Sandro Buzzetti, Florenz 1983 (Università degli Studi Milano / Facoltà di Lettere e Filosofia: Pubblicazioni della Facoltà di Lettere e Filosofia / Sezione a cura dell’Istituto di Storia della Filosofia, 31).

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Verschärfung seiner impliziten Schmähung bedient er sich des alten nationalen Stereotyps der teutonischen Raserei. Spürt man dem Ursprung ­dieses Stereotyps nach, wird deutlich, ­welche Bilder in den Köpfen der in London beratenden Bischöfe entstanden sein müssen. In seiner Studie des englischen Bilds von den Deutschen äußerte Will Radczun die Vermutung, die Vorstellung der gewohnheitsmäßigen Raserei sei einer Unkenntnis der Inselbewohner des 12. Jahrhunderts über die kulturellen und intellektuellen Errungenschaften des deutschen Geisteslebens im Mittelalter entsprungen. Da ihnen „kein Material“ vorgelegen habe, „aus dem sie sich ein eigenes Urteil über die Deutschen bilden konnten“ 1542, sei es zu dem Rückgriff auf das negative Germanenbild antiker Prägung gekommen. Aus heutiger Sicht auf das 12. Jahrhundert kann diese ­Theorie nicht mehr als alleiniges Erklärungsmodell dienen. Denn gerade in Zeiten der erhöhten Mobilität, wie sie unter der Geisteselite des 12. Jahrhunderts vorkam, zog man sich auf die Abgrenzung der eigenen Nationalität gegenüber dem Fremden zurück.1543 Kulturelle und sprachliche Barrieren mussten nicht immer zu erhöhtem Verständnis führen. Enger Kontakt bestätigte zum Teil die gängigen Stereotypen.1544 Der Umstand, dass das menschliche Gehirn gezwungen ist, mit Generalisierungen zu arbeiten, um die Komplexität seiner Umwelt zu erfassen, bewirkte die Herausbildung ethnozentrischer Ingroups. Ressentiments gegenüber Außenstehenden fanden so auch im Kreis der geistigen Elite Verbreitung.1545 Die angelsächsische Abneigung gegen die Deutschen war da nur ein Beispiel von vielen.1546 1 542 Radczun: Urteil, S. 20 f. 1543 Die verschiedenen Szenarien beleuchtet Ludwig Schmugge: Über nationale Vorurteile im Mittelalter, in: DA 38 (1982), S. 439 – 459. Ergänzend zu monastischen Gemeinschaften: Paul Meyvaert: ‚Rainaldus est malus scriptor Francigenus‘. Voicing National Antipathy in the Middle Ages, in: Speculum 66, 4 (1991), S. 73 – 763. 1544 Sprachliche Dichotomie war ein wichtiger Faktor der Abgrenzung, etwa ­zwischen dem latinisierten Kulturraum und außenstehenden, barbarischen Gebieten. Meyvaert identifiziert den Verlust der gemeinsamen Sprache als einen Faktor in der Entfremdung der Angelsachsen von ihrem germanischen Stammesverwandten auf dem Festland: ebd., ab. S. 752. 1545 Mindestens seit dem 11. Jahrhundert, mit großer Wahrscheinlichkeit früher, waren ganze Listen guter und schlechter nationaler Charakteristika im Umlauf, die neuen Vorstellungen angepasst werden konnten. Im Allgemeinen aber zeigen sie, dass es sich bei der Zuschreibung dieser Stereotypen um seit der Antike verfestigte literarische Traditionen handelte. Beispiele nennt ebd., S. 747 – 749. 1546 Vgl. Schmugge: Vorurteile, S. 456 f. Für ihn ist diese auswärts gerichtete Stereotypisierung Grundvoraussetzung der Entwicklung eines ‚pränationalen‘, kollektiven Bewusstseins (S. 444) jenseits der gemeinsamen sozialen, verfassungsrechtlichen und politischen Struktur der Feudalgesellschaft oder der religiösen Gemeinsamkeiten in einer internationalen Universalkirche.

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Dass diese erstaunlich hartnäckigen Völkercharakteristiken als feste Topoi ihren Ausgang in patristischen, aber auch in antiken Vorbildern wie Caesar oder Sallust fanden, ist unbestritten. Allerdings ist im 11. und 12. Jahrhundert zu beobachten, dass die Stereotypen durch subjektive Einzelbeobachtungen aus dem täglichen Aufeinandertreffen verschiedener Nationalitäten differenziert wurden. Neu sind auch die Kontexte, in denen diese Vorurteile entstanden. Sie waren weit vom pragmatisch-polemischen Hintergrund kriegerischer Auseinandersetzungen entfernt, die in anderen Zeiten die Verhältnisse zweier Gruppen geprägt hatten. Klassische Beispiele waren etwa die gemischtnationalen Umfelder von Klöstern oder die interkulturellen Begegnungen während der Kreuzzüge. Auch das quirlige Setting der Hohen Schulen konnte als Brutstätte und Umschlagplatz nationaler Ressentiments hervortreten. So vermerkt noch Kardinal Jakob von Vitry, einst selbst Student und Universitätslehrer, eindrucksvoll in seiner Historia occidentalis das akademische Klima der Pariser Universität: „Nicht nur aufgrund der verschiedenen Schulrichtungen oder aus Anlaß von Disputationen gerieten die Pariser Scholaren aneinander und stritten sich, sondern je nach der Eigentümlichkeit der Landschaften uneins, neidisch und schmähsüchtig, brachten sie frech viele Beleidigungen und Schimpfworte vor. Die Engländer nannten sie Trunkenbold und Schwanzträger (caudati), die Franzosen hochmütig, weich und weibisch, die Deutschen bezeichneten sie als wütend und bei ihren Zechgelagen unanständig. […] Und wegen solcher Beschimpfungen gingen sie oft zu Prügeleien über.“ 1547

Der eigentliche Topos der ungezügelten deutschen Wildheit war jedoch viel älter als Jakobs „Nationallasterkatalog“ 1548. Er hatte seinen Ursprung in der spezifischen Kontaktsituation des kriegerischen Antagonismus ­zwischen Römern und den als unkultiviertes, heidnisches Naturvolk betrachteten Germanen. Einzelne Züge des deutlich gefärbten Barbarenbildes wirkten bis ins hohe Mittelalter hinein. So auch der Terminus furor Teutonicus, der auf Lucans in der universitären Welt des Hochmittelalters viel rezipierte Bürgerkriegsdichtung Bellum civile zurückgeführt werden konnte.1549 1547 The Historia occidentalis of Jacques de Vitry. A Critical Edition, ed. John Frederick Hinnebusch, Freiburg i. Br. 1972 (Spicilegium Friburgense, 17). Übersetzung nach Paul Kirn: Aus der Frühzeit des Nationalgefühls, Leipzig 1943 (Das Reich und Europa), S. 29 f. Weiteres Material zu den Lastern einzelner gentes hat Hans Walther: Scherz und Ernst in der Völker- und Stämmecharakteristik mittellateinischer Verse, in: AKG 41 (1959), S. 263 – 301 kompiliert. 1548 Schmugge: Vorurteile, S. 456. 1549 Der Begriff geht nachweislich auf ein Gedicht über den Bürgerkrieg in Lucans Pharsalia zurück, das die teutonische Wut in der Schlacht beschwört (Lucan Pharsalia, ed. Housman,

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Maßgeblichen Einfluss auf die Vorstellungswelt englischer Autoren hatte Isidor von Sevillas De Etymologiarum Libri XX, über dessen Kurzcharakteristik der Germanen die Historiographie des Inselreiches kaum hinausging.1550 Im 11. und 12. Jahrhundert wurde das Schmähwort auf die Deutschen angewendet. Besonders im romanischen Bereich, d. h. in französischen oder italienischen Gebieten, Verbreitung findend, drangen diese Ideen durch den normannischen Transfer aber auch auf angelsächsischen Boden vor.1551 Von der normannischen Oberschicht übernahmen die Engländer nicht nur ein gewisses Überlegenheitsgefühl gegenüber dem als geographisch und kulturell randständig betrachteten Reich und seinen Bewohnern, sondern auch das alte französische Rivalitätsgefühl gegenüber dem östlichen Nachbarn.1552 Als Zentrum der Wissenschaft, der Künste und der Kultur sowie – wie an Arnulfs strahlendem Lob der angeblichen Haltung der ecclesia Gallicana erkennbar – als Hort der Frömmigkeit war und blieb Frankreich Maßstab aller Dinge.1553 Der Terminus des furor Teutonicus wurde besonders in den Herrscher-Papst-Konflikten des 11. wie im 12. Jahrhundert, S. 11 I, v. 256: nos primi Senonum motus Cimbrumque ruentem / uidimus et Martem Libyes cursumque furoris / Teutonici: quotiens Romam fortuna lacessit, / hac iter est bellis.). Siehe die Herleitung des Begriffs bei Dümmler: Furor, S. 116. An der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert erlebte der Ausdruck nach Dümmler als Schmähung der Deutschen in Italien, Frankreich, England, Polen, Ungarn und Skandinavien eine Renaissance. Deutsche Quellen münzten ihn in eine Ehrentitulatur um. Belege bei ebd., S. 118 ff. Siehe auch Radczun: Urteil, S. 24. 1550 Während Tacitus im mittelalterlichen England unbekannt blieb. Siehe Radczun: Urteil, S. 39, Anm. 122. Siehe IvSevilla Etymologia I, ed. Lindsay IX, 2, § 97: Germaniae gentes dictae, quod sint inmania corpora inmanesque nationes saevissimis duratae frigoribus, qui mores et ipso caeli rigore traxerunt, ferocis animi et semper indomiti, raptu venatuue viventes. 1551 Vgl. Radczun: Urteil, S. 22 – 25. Die Stammesverwandtschaft der Angelsachsen mit den Germanenvölkern auf deutschem Gebiet hatte vor der normannischen Eroberung noch positive Auswirkungen auf die insularen Vorstellungen gehabt. Man schätzte die kontinentalen Germanen als kriegerisches, aber heldenhaftes Volk. Unter normannischem Einfluss und aus dem Stolz einer christlichen Nation hochgebildeter Missionare und christlicher Vorkämpfer auf dem Festland entwickelte sich ein Überlegenheitsgefühl gegenüber den dort ansässigen Völkern, das zum Nährboden für die ab dem 12. Jahrhundert von den Chronisten verstärkt rezipierten, im antiken Schriftgut vermittelten Stereotypen wurde. Siehe ebd., S. 26 – 29. 1552 Vgl. ebd., S. 39, 43. Meyvaert: Rainaldus, S. 751 führt das wunderschöne Beispiel eines Zwiegesprächs an, in dem der Verfasser, ein Augustinerchorherr aus Yorkshire, den Lehrinhalt seinem Schüler noch einmal darlegt, da dieser sich begriffsstutzig und denkfaul wie ein Teutonicus zeige. Siehe Robert of Bridlington: The Bridlington Dialogue. An Exposition of the Rule of St. Augustine for the Life of the Clergy, Given Through a Dialogue Between Master and Disciple, Translated and Edited by a Religious of C. S. M. V., London 1960. 1553 Vgl. AvL Ep. 28, S. 42.

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gern mit häretischen Konnotationen und unter Rückgriff auf Lucan, geradezu zum stehenden Gegenbegriff der devotio Gallicana gegenüber dem Papsttum.1554 Den Römern der Antike wie den Engländern und Normannen des 12. Jahrhunderts galten die Deutschen als kriegstüchtiges, sittenloses Volk, das zwar eine bewundernswerte Tapferkeit in der Schlacht an den Tag legte, sich jedoch keiner ratio unterordnete.1555 Besonderen Anstoß nahm man dabei an der ungezügelten Kampfesfreude und disziplinlosen, wilden Leidenschaft des Gegenübers. Eng mit ­diesem furor-Konzept verwandt war eine angeblich bei den Deutschen verbreitete geistige Trägheit, die nach gängigen Vorstellungen nur gelegentlich durch verschlagene und heimtückische Ränke in Krieg und Politik durchbrochen wurde.1556 Johannes von Salisbury identifizierte den furor teutonicus mehrfach als charakteristischste Eigenschaft der Deutschen, als eine „Geißel Gottes“ 1557 und einen Motor, durch den das Schisma mutwillig perpetuiert wurde.1558 Der fast erbmäßige furor der 1554 Vgl. Curta: Furor, S. 69 – 74. Zu Lucans Gewicht in der Geistesgeschichte des 11. und 12. Jahrhunderts siehe Margaret Jennings: Lucan’s Medieval Popularity: The Exemplum Tradition, in: Rivista di cultura classica e medioevale 16, 2 – 3 (1974), S. 215 – 233. En detail zur politischen Dimension des Lucanschen furor-Begriffs: Roland Glaesser: Verbrechen und Verblendung. Untersuchung zum Furor-Begriff bei Lucan mit Berücksichtigung der Tragödien Senecas, Frankfurt, M. 1984 (Studien zur klassischen Philologie, 17). 1555 Radczun: Urteil, S. 30 – 36 stellt Belegstellen bei Johannes von Salisbury oder den Historiographen des 11. und 12. Jahrhunderts, darunter Wilhelm von Malmesbury, Radulf de Diceto, Wilhelm von Newburgh, Gervasius von Tilbury, Giraldus Cambrensis, Roger Howden u. a. zusammen. 1556 Vgl. Ebd., S. 24 mit Bezug auf Salvians De gubernatione Dei. 1557 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 271 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 274 f.). 1558 Die Kritik, mit der Johannes von Salisbury den Deutschen begegnet, ist im Gegensatz zu seiner Kritik am Kaisertum grundsätzlicher Natur. Liebeschütz: Humanism, S. 98 f. sieht sie im rückschrittlichen Gegensatz des Reichs zur intellektuellen Progressivität des französischen Königreichs begründet. Dass er französische Ressentiments gegen den Erbfeind im Osten übernahm, ist wahrscheinlich, doch ist man sich in der Forschung einig, dass das alexandrinische Schisma und die Politik des römischen Kaisers seine grundsätzliche Antipathie noch erheblich verschärfte (vgl. Grünewald: Kaisertum, S. 80 f.; Liebeschütz: Humanism, S. 98). Sein Urteil zementiert er durch Verweise darauf, dass auch andere Völker den Deutschen mit Argwohn und Antipathie begegneten. Siehe Joannis Saresberiensis: Ep. 277. Doleo, magister karissime, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 592 oder Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 76: Omnes advene aliquod inveniebant solatium in terra eius [i. e. des Königs Roger II. von Sizilien] nisi quod de regno Teutonicorum non facile aliquos ad obsequium admittebat. Gens enim suspecta erat, et barbariem eorum ferre non poterat. Ergänzend seine Wiedergabe eines Italieners, der ebenfalls die Deutschen als Geißel und Werkzeug Gottes verstand, in Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 11, S. 271 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 274 f.). Zur Ausformung siehe Spörl: Grundformen, S. 99 (mit weiteren

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Deutschen verführe sie immer wieder zum Antagonismus gegen die ­Kirche und ihre personelle Spitze: Quis hanc brutis et inpetuosis hominibus auctoritatem contulit, ut pro arbitrio principem statuant super capita filiorum hominum? Et quidem hoc furor eorum saepissime attemptauit sed, auctore Deo, totiens prostratus et confusus super iniquitate sua erubuit.1559

Die Vorstellung, dass ein Konflikt, in dem eine deutsche Partei involviert war, von dieser aus reiner Zorneskraft und Lust an der Auseinandersetzung weitergeführt wurde, hatte im anglonormannischen Bereich eine gewisse Tradition.1560 Die Verbindung teutonischen Wütens mit der Person und Politik Friedrichs I. war allerdings keineswegs auf den nordalpinen Bereich beschränkt. Besonders in Bezug auf die staufischen Italienzüge geht Barbarossa aus der italienischen Chronistik als ein treuloser, parteiischer Herrscher hervor, der in seiner unbeherrschten Leidenschaftlichkeit Angst und Schrecken verbreitet.1561 Der Begriff des furor Teutonicus fällt nicht nur in dem anonymen mailändischen Bericht zur Unterdrückung der Lombardei, sondern auch in den für den Kaiserhof bestimmten, aber gegenüber der Stadt Mailand auffallend positiv eingestellten Carmen des gestis Frederici I. imperatoris in Lombardia, die den Staufer zum Anführer (ductor) teutonischer Wut erheben.1562 Dass ungezügelte Raserei kaum das Treffen objektiver Entscheidungen förderte, wusste der angelsächsische Hofgelehrte Alkuin schon im 8. Jahrhundert: Ira una est de octo vitiis principalibus, quae si ratione non regitur, in furorem vertitur: ita ut homo sui animi impotens [erit], faciens quae non convenit. Haec enim si cordi [insidit], omnem eximit ab eo providentiam facti, nec judicium rectae [directionis] inquirere.1563

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­ eispielen). Eine räsonierende Bibliographie über das Urteil über die Deuten im Mittelalter B bietet Horst Fuhrmann: Quis Teutonicos constituit iuduces nationum? The Trouble with Henry, in: Speculum 69, 2 (1994), S. 344 – 358, hier: S. 636. JvS I, Ep. 124, S. 206 f. Eine ähnliche Meinung hatte zu Beginn des Jahrhunderts bereits Wilhelm von Malmesbury vertreten, der das anhaltende Wiederaufflammen des Investiturstreits im Reich der animositas Teutonica anlastete: vgl. William of Malmesbury, De Gestis Regum Anglorum. Libri quinque; Historiae Novellae. Libri tres, ed. William Stubbs, London 1889 (RS, 90,2). Zum italienischen Barbarossabild, das dem englischen in vielen Punkten, etwa dem Tyrannenvorwurf und den mit ihm verknüpften negativen Eigenschaften des furor oder der superbia ähnelt, siehe besonders Krieg: Herrscherdarstellung, S. 69 – 76, 210 f. Vgl. Anon. Carmen de gestis, ed. Schmale-Ott, S. 69, V. 2086 f. B. Flacci Albini seu Alcuini abbatis et caroli magni imperatoris magistri opera omnia, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1863 (Migne PL, 101), Kap. 31, Sp. 613.

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Eben mit dieser tyrannischen Unbeherrschtheit, die sündenbehaftetes Charakteristikum eines kriegerischen Volkes sei, habe sich der ­Kaiser gegen die heilige ­Mutter ­Kirche gerichtet. Sie habe zudem, so insinuiert Arnulf, zum Fehlurteil von Pavia geführt.1564 Johannes von Salisbury verfeinerte seine Polemik damit, dass er den angeblich zügellosen Teutonen, gleich den feindlichen Kanaanitern, die der Herr zur Prüfung von dessen Glaubensfestigkeit unter das Volk Israel mischte (Ri 2,20 – 3,3), eine heilsgeschichtliche Funktion zuwies: Et forte ad purgationem et probationem ecclesiae Romanae Teutonicorum inpetus tanquam Cananaeus alter relictus est in aeternum, ut semper ad eruditionem ipsam inquietet uictusque corruat, ipsaque fortior, gratior et gloriosior Sponsi reddatur amplexibus post triumphum.1565

Man täte aber dem Angelsachsen und seinem normannischen Mitstreiter aus Lisieux Unrecht, ließe man diese subjektive Sicht als einziges Argument gegen die Anerkennung des Gegenpapstes in Pavia gelten. Die Polemik der alexandrinischen Seite war auch im angevinischen Reich vielschichtiger und substantieller als die bloße Bemühung nationaler Vorurteile. Letztere verliehen den zuvor vorgebrachten Argumenten nur eine wirkungsvollere Würze.

2.3  Die argumentative Dekonstruktion des ‚Schauspiels‘ von Pavia Schon in der Anwendung des Despotismusvorwurfs wird deutlich, wie sehr sich die englische und normannische Perspektive aus den Vorgaben der kurialen Briefkampagne speiste, wie sie das Skelett der wichtigsten Schlagworte und Argumente übernahm und, sozusagen mit Fleisch füllend, für den Adressatenkreis aufbereitete. Die anglonormannischen Quellen folgen der Auffassung Alexanders und seiner Kurie, die Zusammenkunft in Pavia sei nichts anderes gewesen als eine zur Sanktionierung imperialer Eigeninteressen veranstaltete Versammlung einer wenig repräsentativen Minderheit kirchlicher Würdenträger.1566 Ein unter dem Deckmantel der 1 564 Vgl. AvL Ep. 28, S. 58. 1565 JvS I, Ep. 124, S. 207. 1566 Vgl. Unde ad confirmationem ipsius, immo ut omnem videretur in ecclesiae Dei auctoritatem habere, archiepiscopos, episcopos et alios ecclesiarum praelatos, apud Papiam, contra sacrorum instituta canonum, prout ei placuit, convocavit. (Bouquet 15, Nr. 17, S. 761) bzw. Unde intuens imperator, quod incassum laborem suum exspenderet sub obumbratione iudicii suum cepit animum occultare et ut more aucupis dulci sibilo ad consensum suum aliquos posset attrahere,

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Frömmigkeit einberufenes Legitimationskonzil, in dem der Staufer gewählten Vertretern der K ­ irche die Anerkennung Viktors durch tyrannische Methoden abgepresst und instrumentalisiert habe, um seine eigene Gott- und Gesetzlosigkeit zu verbergen: Predictus itaque princeps, negotium suum tanquam sub umbra pietatis exercens, ecclesiasticum congregauit seculari potestate conuentum, ut presumptionem scismatici illius proprio roboraret assensu, et quos posset ad obedientiam illius tirannice potestatis terroribus inclinaret […]. Porro illo, quos schismatico conciliauerat necessitas aut uoluntas, falsitatis et blasphemie simbolum conscripserunt, ut quod de ueritate non possunt, saltem conquisite multitudinis suffragio preualere credantur.1567

Wenn Arnulf die englischen Bischöfe vor Gutgläubigkeit warnte und mahnte, alles, was die kaiserliche Seite vorbringe, sei mit Vorsicht zu genießen, zielte er selbstverständlich auf die Diskreditierung der Paveser Synodalbeschlüsse, die in der Enzyklika Quia sedis niedergelegt waren und in London verlesen wurden.1568 Ähnlich äußert sich Johannes von Salisbury in seinem berühmten Pavia-Kommentar an Radulf von Sarre. Wem, fragt er, erschienen diese Vorgänge nicht lächerlich? Sie ­seien eher abgekartetes Bühnenspiel als Ebenbild eines ehrwürdigen Konzils.1569 Ein harsches Urteil von einem Moralisten, der ein ganzes Kapitel des Policraticus der Kritik an jeglichem Schau- oder Possenspiel widmete.1570 Der treffende Terminus scena theatralis findet sich einige Monate s­ päter (dort allerdings auf das Prozedere am Wahltag angewendet) auch in Arnulfs Quam utilis.1571 Der Ausdruck ist so ungewöhnlich, dass es verführerisch erscheint, das gemeinsame Vokabular als Hinweis auf einen gemeinsamen Fundus an Wahrnehmungs- und Deutungsmustern über das frühe Schisma zurückzuführen. Wie im vorherigen Kapitel argumentiert, ist der entsprechende Teil des Arnulfbriefes wahrscheinlich ein Insert

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convocationem episcoporum de quinque regnis et exspectationem et executionem sententiae simulavit. (Moerore simul, ed. Watterich, S. 496 f.). AvL Ep. 28, S. 41. Auch hier gibt es terminologische Anklänge an Moerore simul, die Erwiderung der Kardinäle auf die Paveser Beschlüsse. Vgl. AvL Ep. 28, S. 41: Quod scriptum, si forte contegerit ad sapientie uestre uenire conspectum, multa plenum falsitate credatis. JvS I, Ep. 124, S. 212: Cui non haec ridicula uideantur? Scenae theatralis haec species est potius quam reuerendi imago concilii. Er verstand d­ ieses als verwerfliche hohle Zeitverschwendung, die Liederlichkeit, Trägheit und Eitelkeit fördere. Dazu I,8 in Policraticus, ed. Keats-Rohan bzw. Policraticus I, ed. Webb. Übersetzung: Policraticus, ed. Pike, S. 46 – 49. Vgl. AvL Ep. 29: Discurrentibus igitur armatis, cepit per ecclesiam quasi quedam theatralis scena disponi, dum parietes fulgor illustraret armorum, et lasciua quasi triumphantium acclamatio resultaret.

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eines älteren, aus der Zeit unmittelbar vor der Synode von London stammenden Schreibens an den englischen Klerus. Zufall? Oder ist die Übernahme der Idee bei Johannes von Salisbury ein weiterer Hinweis auf die Existenz eines frühen Schreibens des normannischen Bischofs an den englischen Episkopat im Vorfeld der Londoner Versammlung? Für die ebenso prägnante wie polemische Bezeichnung jedenfalls gibt es keine Entsprechung in der kurialen Propaganda. Was in seinen Augen die Versammlung in der Lombardei zu einer Posse machte, legte Johannes Radulf von Sarre in aller Breite dar. Viele seiner Vorwürfe waren auf dem Nährboden kurialer Darstellungen gewachsen und richteten sich, in der Hoffnung, die imperiale Synodalenzyklika argumentativ zu zerfasern, direkt gegen die darin vorgebrachten Argumente der Viktoriner. Ein Großteil der Polemik, die Johannes gegen die Paveser Beschlüsse führt, sind sogar direkte Erwiderungen auf Barbarossas Quia sedis, das ihm zweifelsfrei vorgelegen haben muss: Seine Zitate sind wörtlich der Epistola maior, der längeren der beiden überlieferten Textvarianten entnommen.1572 Da viele Textzeugen dieser Variante englischen Ursprungs sind, vermutete Timothy Reuter eine gemeinsame Quelle. So wird Quia sedis unter anderem im Byland Codex, Brit. libr. Cotton Faustina B1 (fol. 3r–4r) überliefert, jenem Manuskript, das von Reuter mit dem Dossier der Synode von London in Verbindung gebracht wurde.1573 Tatsächlich umfasst ­dieses mehrere Dokumente, auf die sich Johannes’ Polemik in Angustiarum nostrarum stützt: von Alexanders redigierter, nach England versandter Version von Eterna et incommutabilis über die Synodalenzyklika Quia sedis, Benedictus deus oder das erste Schreiben der alexandrinischen Kardinäle, Sacra scriptura docente. Es wäre kein Wunder, wenn die Urschrift, auf die die englische Überlieferung zurückgeht, Johannes in Canterbury vorgelegen hätte. Es handelt sich dabei um das offizielle Rundschreiben, denn die Langversion der Enzyklika kursierte nicht nur in England, sondern auffälliger Weise auch auf dem Kontinent, zum Beispiel in Frankreich oder auf Reichsgebiet, etwa in der Lombardei, was dazu führte, dass man diese irrigerweise für eine für diese Region spezifisch formulierte Zweitversion hielt.1574 1572 Dabei ist die kürzere Version bei Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, iv, S. 80. Reuter hält sie für einen Entwurf der eigentlichen offiziellen Enzyklika. Zu den Unterschieden beider Varianten und der Manuskriptüberlieferung der längeren Version siehe Reuter: Schism, S. 236 f. Eine Konflation beider Varianten in MGH Const. 1, No. 190. 1573 Vgl. Reuter: Schism, S. 229 – 231. 1574 Vgl. die Einleitung von Weiland in MGH Const. 1, No. 190, S. 265. Argumente und Gegenargumente fasst Madertoner: Papstwahl, S. 163 – 180 mit dem Schluss zusammen, dass die Epistola maior als vom Konzil gebilligte offizielle Fassung und Rahewins Epistola minor als Entwurf zu betrachten ist. Zu Verbreitung und Rezeption bei Otto Morena oder Fastrad von Clairvaux siehe Reuter: Schism, S. 236 f.

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Sicher ist, dass die Entgegnungen alexandrinischer Parteigänger wie Johannes von Salisbury auf diese spezifische Version zielten. Als besonders schlagkräftige Waffe erschienen juristische Argumente, die mit dem Ziel vorgebracht wurden, die Rechtmäßigkeit der Versammlung und ihrer Beschlüsse zu torpedieren. Einen Anfang machten Abt Philipp von l’Aumône und die nach Frankreich abgesandten Kardinäle Heinrich von SS . Nereo ed Achilleo und Oddo von S. Nicola in Carcere Tulliano. Ihr an den französischen Klerus gewandtes Apud sapientiae filios zeigt selbstbewusst die rechtlichen Grenzen der kaiserlichen Kompetenzen auf und weist Barbarossas Überzeugung, auf einem selbst einberufenen Konzil über die Besetzung des Apostolischen Stuhls entscheiden lassen zu dürfen, entschieden zurück: Magnus est Imperator, et magnifici minister imperii, primus in militia, in potestate praecipuus, nobilis advocatus ecclesiae, servorum Christi defensor, cleri protector electus, adjutor in opportunitatibus, in tribulatione; sed quod Romanum debeat judicare Pontificem, nec lege forti, nec lege poli, legitur imperatum. Habet imperator quod suum est, nihil illi de suo jure minuitur. Videat ipse, sicut bonus filius, ne matris suae sanctae Romanae ecclesiae velit evacuare privilegium, conculcare gloriam, destruere libertatem.1575

Der Ausdruck ist diplomatisch darauf bedacht, weder den honor des Kaisers zu schmälern noch den Weg der Verhandlung zu schließen, doch die Botschaft ist deutlich. Auch wenn das Amt noch immer die Ehrenwürde des advocatus ecclesiae, des Schutzvogtes der römischen K ­ irche, und damit eine gewisse Schutzverpflichtung gegenüber dem Inhaber des Petrusstuhl berge, sei der Platz des Kaisers fest gefügt: Sciat se secundum esse, non primum; et Christi vicarium omnibus jure praeferri, sicut habet Christus in omnibus principatum.1576 Seine Autorität ende in dem Moment, in dem der K ­ aiser sich zum Richter über den Papst aufschwinge, da er damit die gottgegebene Hierarchie z­ wischen regnum und dem Sachwalter Christi auf Erden aufhebe. Die Nichtjudizierbarkeit des Papstes und der römischen K ­ irche durch den ­Kaiser, die Boso als Alexanders wichtiges Weigerungsmoment für eine Teilnahme in Pavia angibt, wird weiterhin stark gemacht.1577 1 575 Bouquet 15, Nr. 11, S. 754. 1576 Ebd. 1577 Vgl. ebd. und Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 401 f. bzw. 48 f. Boso übernahm die Ideen aus den Kardinalsschreiben des alexandrinischen Umfelds. Siehe Holtzmann: Quellen, S. 390 f., der die frühestens in der Mitte der 1160er entstandene, von Boso wiedergegebene Erwiderung Alexanders gegenüber den kaiserlichen Gesandten als eine Zusammenführung der Kardinalsschreiben erkannte.

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Kurioserweise machten weder der Papst selbst in seiner programmatischen Wegweisung Litteras a tua nobis noch seine Kardinäle in Moerore simul die geringste Andeutung an das Postulat der prinzipiellen Nichtjudizierbarkeit des Heiligen Vaters. Johannes von Salisbury jedoch machte diesen Punkt auch stark. All jene, die Alexanders Fernbleiben auf Feigheit schoben, erinnerte er an das Rechtsprinzip päpstlicher Unrichtbarkeit: Sed forte absentantes quam absentes potius dici placet; hoc plane his qui sanctae Romanae ecclesiae priuilegium aut ignorant aut dissimulant.1578 Der ­Kaiser aber habe sich angemaßt, über die römische ­Kirche Gericht zu sitzen, die allein dem Urteil Gottes unterstehe. Da die römische ­Kirche hier für Johannes von Salisbury synonym zur Universalkirche ist, kann er entrüstet jene Worte formulieren, die zu einer seiner berühmtesten Äußerungen wurden:1579 Vniuersalem ecclesiam quis particularis ecclesiae subiecit iudicio? Quis Teutonicos constituit iudices nationum? Quis hanc brutis et inpetuosis hominibus auctoritatem contulit, ut pro arbitrio principem statuant super capita filiorum hominum?1580

Der Ausspruch schöpft seine besondere Kraft aus dem alttestamentarischen Verweis auf die Frage nach Moses’ Berechtigung auf das Richteramt über die Hebräer.1581 Johannes protestiert gegen die reichskirchliche Anmaßung, einen der kirchlichen Urbelange mit heilsgeschichtlicher Bedeutung, die Einsetzung des Papstes, eigenmächtig bestimmen zu wollen. Die Reichskirche, als deren Gremium das Konzil von Pavia zu sehen war, konnte als Landeskirche nicht im Alleingang über gesamtkirchliche Belange entscheiden. Ganz zu schweigen davon, dass sich als oberster Vertreter ­dieses plumpen, unvernünftigen Volkes ein Mann zum Richter emporgeschwungen habe, der nicht nur frevelhaft gegen das göttliche Gesetz der K ­ irche verstieß, sondern von dem ohnehin kein faires Urteil zu erwarten war. Ein Mann, dessen Meinung nicht erst seit der herbstlichen Doppelwahl bereits vorgefasst sei: Vt enim temeritatem illius praeteream qui Romanam ecclesiam, quae solius Dei reseruatur examini, iudicare praesumpsit, et eum cui fuerat inimicatus, sicut cardinalium indicat inhonoratio Bisuntina, edicto peremptorio citauit ad iudicium, et praeiudiciali sententia, alterum ueteris officii et dignitatis nomine, alterum appellatione Romani pontificis salutauit, senatoribus et populo fauoris

1 578 JvS I, Ep. 124, S. 206. 1579 Zur Gleichsetzung der ecclesia Romana mit der ecclesia universalis siehe Miczka: Bild, S. 141 – 145. 1580 JvS I, Ep. 124, S. 206. 1581 Exodus 2,14.

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Die Einordnung der staufischen Politik sui reuelans archana, quicquid Papiae gestum est, tam aequitati quam legitimis constitutionibus et sanctionibus patrum inuenitur aduersum.1582

Johannes’ oberstes Ziel ist es, seinen Adressaten von der ungebührlichen Parteilichkeit des Kaisers zu überzeugen. Für die Kritik an der Person Friedrichs I. zieht er sich auf das bekannte Repertoire kurialer Propaganda zurück, die ab April 1160 Beschwerden über Friedrichs angeblichen Hass auf Magister Rolandus und seine doppelzüngige Nomenklatur im Ladungsschreiben zur Paveser Versammlung propagierte. Ob dieser Vorwurf, der spätestens mit Johannes von Salisbury ins Allgemeingut alexandrinischer Fürsprecher gelangte, eine belastbare Grundlage hat, ist bezweifelt worden.1583 Er könnte seinen Ausgang in der Klage der alexandrinischen Kardinäle haben, dass die Reichsgesandten dem kaiserlichen Favoriten Viktor IV . sogar mit Fußfall begegnet ­seien, einer ausladenden Ehrerbietung, die sie A ­ lexander III . nicht zuteilwerden ließen.1584 Als objektivere Ergänzung breitet Johannes dann seine rechtlichen Bemängelungen am Prozedere und den Beschlüssen des Paveser Konzils aus. In erster Linie bedeutete dies den Verstoß gegen das allumspannende Gesetz der aequitas, aber auch des göttlichen wie menschlichen Gesetzes, der nach der Fürstenlehre des Policraticus den gesetzvergessenen Gewaltherrscher ausmachte. Damit folgte Johannes von Salisbury dem Zweiklang der alexandrinischen Propaganda, die vor allem auf das Wer und Wie von Konzil und Beschlussfassung abhob. Erste Beschwerde war immer die Kritik an der Person des Kaisers, seiner Autorität und Integrität. Dann folgte die strategische Dekonstruktion der Legitimität und Rechtskonformität des konziliaren Prozessverfahrens in Pavia, da beides Einsprüche gegen eine fehlende Rechtmäßigkeit des dort ergangenen Urteils zuließ. Der Kern des Problems in ­diesem Zusammenhang war die Frage, ob ein von kaiserlicher Seite einberufenes Konzil zu einschneidenden Entscheidungen und Beschlüssen über Angelegenheiten universalkirchlicher und damit allgemeingesellschaftlicher 1 582 Ebd. 1583 Vgl. Wolter: Pavia, S. 428, der auch auf die negativen diplomatischen Effekte hinweist, die eine solch plumpe Brüskierung für das Gelingen und die Akzeptanz des Paveser Konzils gehabt hätte. 1584 Die alexandrinischen Kardinäle beklagen zudem eine Vorverurteilung Alexanders III. im kaiserlichen Ladungsschreiben. Siehe Moerore simul, ed. Watterich, S. 497: Misit igitur ad dominum nostrum duos episcopos, scripsit ei una nobiscum tanquam cancellario, cum iam pridem Octaviano sicut Pontifici Romano scripsisset, et praecepit nobis, ut sententiam super causa ecclesiae recepturi ad praesentiam ipsius accedere deberemus. Zum Bezug zu den Ereignissen von Besançon: Bouquet 15, Nr. 17, S. 760 f.

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Bedeutung überhaupt autorisiert sei. Die Frage des kaiserlichen Konvokationsrechts erhitzte die Gemüter. Alexander III. lehnte ein solches strikt ab. Man empfand die Einberufung, Besetzung und Rahmenbedingungen des vom ­Kaiser persönlich getragenen Konzils schlichtweg als zu widerrechtlich, um ein Urteil über den römischen Bischof zu fällen.1585 Die Berechtigungsfrage war sogar schon scharf diskutiert worden, bevor das ­Konzil am 5. Februar 1160 im Dom von Pavia eröffnet wurde. In einem im Oktober 1159 versendeten Ladungsschreiben an Bischof Hartmann von Brixen, das auch an andere Mitglieder des Reichsepiskopats erging, berichtet Friedrich, dass er direkt nach der Weihe beider Päpste fromme Männer, darunter weltliche Große und die Reichsbischöfe der Bistümer nördlich und südlich der Alpen, zur Beratschlagung geladen habe. Man sei nach dem Studium päpstlicher Dekrete und kirchenrecht­licher Satzungen zu dem Schluss gekommen, dass nur eine Versammlung rechtgläubiger Männer über die beide Prätendenten (auf den apostolischen Thron) entscheiden dürfe. Zu ­diesem feierlichen und allgemeinen conuentum lud er Hermann und seine Amtsbrüder nun nach Pavia.1586 In der Nähe der oberitalienischen Stadt Crema, die das kaiserliche Heer damals belagerte, fand eine Vorversammlung statt, von der die spätere Synodalenzyklika berichtet, dass über zwanzig Bischöfe, die Äbte von Clairvaux und Cîteaux und weitere Mönche sowie Pfalzgraf Otto von Wittelsbach und nicht, wie von Friedrich nahegelegt, die Gesamtheit des Reichsepiskopats, teilgenommen hätten.1587 Rahewin gibt Friedrichs Anspruch, in Anlehnung an seine spätantiken und frühmittelalterlichen Vorgänger (namentlich genannt werden Justinian, Theodosius oder Karl der Große) zur Einberufung eines Konzils zur Schlichtung der Papstfrage berechtigt zu sein, noch einmal in Friedrichs programmatischer Eröffnungsrede des Paveser Konzils wieder.1588 Weitere ideologische Grundlage des ­Konvokationsrechts 1585 In d­ iesem Sinne äußerten sich die Kardinallegaten Heinrich von SS. Nereo e Achilleo und Oddo von S. Nicola in Carcere Tulliano in einem Brief an ­Kaiser Friedrich, der im Dom zu Pavia zur Verlesung kam. Statt des Rechtssatzes der Nichtjudizierbarkeit des Papstes als vicarius Christi und Oberhaupt der ­Kirche stellt der darin erhaltene Hinweis, dass sich die ­Kirche keinem Urteil unterwerfen lassen werde, dessen Immunität gegenüber einer weltlichen Aburteilung in den Mittelpunkt der Argumentation. Das Schreiben ist zwar nicht erhalten, doch äußerten sich die Kardinäle auf ähnliche Weise in ihrem Positionsschreiben an die französische ­Kirche: Bouquet 15, Nr. 11, hier: S. 754. 1586 Vgl. MGH D F I 284, S. 96. Überliefert und übersetzt in Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, S. 646 – 651. 1587 Vgl. ebd., IV, 80, S. 690. Weiterer Versuch einer Aufschlüsselung bei Wolter: Pavia. 1588 Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, IV, S. 63, 74, 644, 662. Eine literarische Umformung des tatsächlichen Wortlauts der Rede durch Rahewin ist nicht ausgeschlossen.

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von Kirchenversammlungen war die Überordnung des Kaisers über die K ­ irche, die dieser aus seiner Herrschaft über Rom und seine Stellung als Schutzmacht der ­Kirche zog. Friedrichs Konvokationsanspruch wird auch in Crema zur Disposition gestanden haben. Er scheiterte an den geänderten kirchlichen Vorstellungen der Geistlichkeit über das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Gewalt. Alles, was dem Staufer in dieser Beziehung von der Machtfülle seiner Vorgänger blieb, war die Erlaubnis zur Einberufung und Eröffnung der Synode. Alle weiteren Rechte wie etwa des Versammlungsvorsitzes, die etwa noch Konstantin und Otto dem Großen zugestanden hatten, waren aufgehoben worden, um dem Gremium ein rein kirchliches Gepränge zu geben. Die Begriffe curia oder conventus, auf die man sich in den offiziellen Dokumenten beschränkte, sollten folgerichtig nicht, wie noch in der älteren Forschung diskutiert, die kaiserliche Urheberschaft betonen, sondern im Gegenteil vermeiden, dass ­diesem die Konvokation eines Konzils vorgeworfen werden konnte, die aus kanonischer Sicht nur dem römischen Bischof zukam.1589 Die Strategie, mit der Alexander III . und seine Anhänger die Ereignisse in Pavia erwiderten, war direkt mit der Berechtigungsfrage verbunden. Wenn sie den Staufer bezichtigten, mit Hinterlist geistliche Autoritätspersonen zur Legitimierung einer rein säkular motivierten kaiserlichen Entscheidung instrumentalisiert zu haben, postulierten sie die Erschleichung einer innerkirchlichen Entscheidungsposition gegen den rechtmäßigen Vertreter Petri und die Satzungen der K ­ irche als eigentlichen Frevel. Der Begriff des bonus filius, den Philipp von l’Aumône und die Kardinäle verwenden, ist in ­diesem Zusammenhang zentral. Er war keine bloße Rhetorik, sondern ein formell vergebener Ehrentitel für Personen und Institutionen, die sich durch ein ausgesprochen enges Treueverhältnis mit dem Papsttum auszeichneten.1590 Träger und Verleiher ­dieses Titels gingen eine wechselseitige Beziehung ein, die geprägt war von der Ergebenheit (devotio, reverentia, obedientia) des einen gegenüber der K ­ irche und ihrem Oberhaupt und dessen Privilegierung von päpstlicher Seite, sei es durch Hilfe und Interessensvertretung in Konflikten, Exemtionen oder andere Privilegien. Damit ging eine Unterordnung des Empfängers unter den Papst einher, der nunmehr im Verhältnis eines pater familias zu ihm stand. Empfing der ­Kaiser den filius-Titel, gelobte er im Gegenzug zu seiner Kaiserkrönung als Verteidiger der römischen ­Kirche deren 1 589 Vgl. Wolter: Pavia, S. 420 f. 1590 Seine Bedeutung entschlüsselt Ulrich Schludi: Advocatus sanctae Romanae ecclesiae und specialis filius beati Petri. Der römische K ­ aiser aus päpstlicher Sicht, in: Burkhardt: Kaiser­tum, S. 41 – 74.

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territorialherrschaftliche Besitztümer zu verteidigen und wiederzugewinnen.1591 Daher konnte sich die ­Kirche, wie durch die alexandrinischen Kardinallegaten geschehen, auf das Bild des specialis oder bonus filius berufen, um den ­Kaiser an die Verpflichtungen, die er mit der Annahme des Titels eingegangen war, zu erinnern.1592 Barbarossas Einberufung des Konzils widersprach der Bindung eines bonus filius an den Papst. Dass sie geltendes Kirchenrecht missachtete, das jede weltliche Urteilsfindung über kirchliche Angelegenheiten untersagte, führte auch Arnulf von Lisieux den Teilnehmern der Synode von London vor Augen. Für Streitfragen von innerkirchlicher Relevanz und Involvierung des geistlichen Standes gebe es andere Rechtsmittel außerhalb der ‚privaten Autorität‘ des Kaisers: Neque enim arbitrium dici potest, ad quod uoluntaria parcium compromissio non astringit, nec iudicialis sententia, que nec ab ordinaria iurisdictione nec a delegata procedit. Sed et causam communem priuata auctoritate decidere qua arrogantia presumpserunt, nobisque, tanquam inferioribus, imponere magistratum, quod diuina bonitas pares ordine et eadem spectabiles constituit dignitate?1593

Der Umstand seiner Einberufung und Beschlussfindung habe das Konzil von Pavia jeglicher Befugnisse zur rechtsbindenden Entscheidung beraubt. Alle dort getroffenen Schlüsse, so die logische Konsequenz, waren im alexandrinischen Verständnis bar jeglicher rechtlicher Legitimation. In der Synodalenzyklika feierte ­Kaiser Friedrich I. Pavia als Generalkonzil, an dem insgesamt 153 Repräsentanten unterschiedlicher Reiche in persona, schriftlich oder durch Legaten in der Papstfrage einen verbindlichen Beschluss gefasst hätten.1594 Eine nüchterne Betrachtung der Tatsachen ergibt jedoch, dass nicht einmal die Hälfte des deutschen Reichsepiskopats erschienen war und der Schwerpunkt der Teilnehmer auf dem oberitalienischen Raum lag. Diese begrenzte deutsche 1591 So geschehen im Konstanzer Vertrag. Siehe die in Konstanz beeidete Fassung: MGH D F I 52, S. 89. 1592 Vgl. Schludi: Advocatus, dem es gelingt, auch dem Frieden von Venedig aus Quellen wie Romuald von Salerno oder dem englischen Anonymus die Wiederherstellung der geistigen Vater-Sohn-Beziehung herauszulesen. 1593 AvL Ep. 28, S. 41. 1594 Ersichtlich aus dem Sprachgebrauch der Kanzlei und der während des Aufenthalts in Pavia ausgestellten Kaiserurkunden, die von einem generali conventu oder generali concilio sprechen. Siehe Nr. 299, S. 308, 309, 312 in: Die Urkunden Friedrichs I. (Friderici I. Diplomata). Teil 2: Die Urkunden Friedrichs I. 1158 – 1167, ed. Heinrich Appelt u. a., Hannover 1979 (MGH D F I). Die behauptete Teilnehmerzahl ergibt sich aus MGH Const. 1 190. Andere Quellen sprechen von fünfzig Bischöfen: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 50, S. 99.

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Präsenz widersprach faktisch dem erhobenen Anspruch, das Reichsgebiet abzubilden, und machte einen Repräsentativitätsanspruch gegenüber anderen Nationen geradezu unmöglich.1595 In den Westreichen wurden die Beschlüsse der schwach und von Vertretern des englischen Episkopats gar nicht besuchten Versammlung daher nicht unberechtigterweise als illegitim und für die gesamte christianitas unrepräsentativ abgelehnt.1596 Die Verwendung des Terminus conuenticulum Papiense betonte die mangelnde rechtliche Grundlage, bezeichnete der Begriff doch im Decretum Gratiani Kirchenversammlungen, die nicht unter der Ägide und dem Segen des Apostolischen Stuhls, in ­diesem Fall Alexanders III., standen.1597 Johannes’ Resümee über das Konzil führt noch einmal meisterhaft alle argumentativen Fäden zusammen: […] quicquid Papiae gestum est, tam aequitati quam legitimis constitutionibus et sanctionibus patrum inuenitur aduersum. Quippe absentes condempnati sunt, et in causa non examinata, immo potius non ibi, non sic, non a talibus examinanda, inpudenter et inprudenter et nequiter est praecipitata sententia.1598

Die fehlende Repräsentativität war offenbar nicht das einzige diskreditierende Moment des Konzils. Arnulf von Lisieux legt den Finger auf Verfahrensfehler, die einen fairen Prozessverlauf verhindert hatten. Ähnlich wie Johannes von Salisbury klagt er, das Gremium habe in seiner Voreingenommenheit keinen Widerspruch zugelassen.1599 Die Behauptung, es s­ eien keine alexandrinischen Parteigänger gehört worden, hat Peter Munz mit Verweis auf die ersten beiden Kapitel der Synodalenzyklika als Lüge bezeichnet. Um sich zu korrigieren, habe Johannes von Salisbury in der oben z­ itierten 1595 Zur Teilnehmerzahl und der Zustimmung in Pavia beachte Wolter: Pavia, S. 434 – 441 und Reuter: Schism, S. 238 – 242. 1596 Vgl. Abt Fastrad von Clairvaux in einem Brief an Bischof Omnibonus von Verona (MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 70), der unter anderem die kanonischen Prinzipien der Bischofswahl verletzt sah. Siehe JvS I, Ep. 124, S. 205 f., aber besonders: S. 208: ecclesiastica [iudicia] debent esse liberrima, et de sacrorum canonum sanctione; sicut electio pastoris est in ecclesia a clero libere et sine mundanae potestatis praenominatione celebranda, sic eadem in ecclesia a iudicibus ecclesiasticis, amotis saecularibus terribilibusque personis, libere et secundum regulas ecclesiasticas examinanda est. Quicquid uero contra praesumitur, in irritum deuocatur. 1597 Vgl. ebd., S. 205 und AvL Ep. 27, S. 36 mit Rückbezug auf Decretum Gratiani, ed. Friedberg, D. 17, c. 5: Non est concilium sed conuenticulum quod sine sedis apostolicae auctoritate celebratur. 1598 JvS I, Ep. 124, S. 206. 1599 AvL Ep. 28, S. 41: Sed neque causa dici debet, ubi inter consentientes nul[l]um potuit esse litigium, neque sine contradictione questio uel formari potuit uel absolui.

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Passage schnell seiner unwahren Bemerkung die Einschränkung nachgeschoben, dass der Fall zumindest nicht dort hätte gehört werden dürfen.1600 Bei genauerer Betrachtung aber wird deutlich, dass keine offiziellen Zeugen aus Alexanders Partei in Pavia gehört wurden.1601 Die Kardinallegaten Heinrich von SS. Nereo e Achilleo und Oddo von S. Nicola in Carcere Tulliano waren zwar ins nahe Genua entsandt worden, doch ist nicht nachzuweisen, dass sie tatsächlich mit dem Ziel dort Quartier nahmen, vor der Synode aufzutreten.1602 Der einzige Vertreter des alexandrinischen Lagers, Kardinal Wilhelm von S. Pietro in Vincoli, der ohne offiziellen Auftrag am Konzil teilnahm und erst ­später auf dem Konzil von Beauvais eine Lanze für Alexander brach, blieb in Pavia nur stummer Beobachter.1603 Johannes’ Darstellung ist also berechtigt. Überhaupt wäre ein solch seltsamer, sich im Kern widersprechender Passus sonst wohl einer Redaktion des Briefentwurfs zum Opfer gefallen. Ich stimme Munz zu, dass Johannes von Salisbury hier das Bedürfnis gehabt zu haben scheint, einen vielleicht problematischen Satz richtigzustellen. Allerdings erscheint es mir plausibler, dass der korrekturbedürftige Punkt eher die Erwähnung von Alexanders Abwesenheit war, die den Sieneser unter anderem am Ende auch zu Fall gebracht hatte.1604 Im Klartext: Indem er auffällig argumentierte, Alexanders Erscheinen vor dem Konzil sei nicht vonnöten gewesen, da dies ohnehin keine Entscheidungsautorität über ihn besessen habe, versuchte Johannes, den Leser von falschen Schlüssen abzulenken. In ­diesem Licht nämlich fügt sich der Einschub bruchlos in den Kontext der gesamten Passage. Die alexandrinische Sicht der Verhandlungen in Pavia ist eine propagandistische Einschätzung. Die Quellen belegen, dass die Beratenden sich bis zum Schluss nicht geschlossen einig waren, welchem Kandidaten der Vorrang gebühre. Sowohl Eberhard von Bamberg als auch Heinrich von Berchtesgaden bezeugen, dass einige Teilnehmer einen Aufschub der Synode forderten, da man in Alexanders Abwesenheit kein Urteil fällen und auf eine verbesserte Kenntnis der Sachlage warten 1600 Vgl. Peter Munz: Introduction, in: Boso Vita Alexandri, ed. Munz/Ellis, S. 33, Anm. 77 mit Bezug auf JvS I, Ep. 124, S. 206 beziehungsweise MGH Const. 1, No. 190. Es ist darin jedoch nirgendwo von einer Befragung alexandrinischer Zeugnisse oder ähnlichem die Rede, das Munz‘ Aussagen stützen würden. 1601 Siehe die Rekonstruktion des Beratungsverlaufs bei Wolter: Pavia, S. 436 – 449. 1602 Wie ­später von den Kardinälen dargestellt: Moerore simul, ed. Watterich, S. 497. Eine Gegenstimme erhebt Gerhoch von Reichersberg, der von der Forderung der Legaten spricht, den Konzilsvorsitz zu übernehmen: GvReichersberg De Investigatione Antichristi, ed. Sackur, S. 365. 1603 Vgl. Madertoner: Papstwahl, ab S. 83. 1604 Vgl. Punkt 4 in MGH Const. 1, No. 190, S. 267. Erläuternd Wolter: Pavia, S. 444 f.

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wollte.1605 Da es diesbezüglich zu Diskussionen kam und schließlich der Patriarch von Aquileia, die lombardischen Bischöfe sowie einige Reichsbischöfe nur unter Vorbehalt für Viktor votierten, muss es eine nicht zu unterschätzende Gruppe alexandrinischer Befürworter gegeben haben, die Arnulf von Lisieux strategisch verschweigt.1606 Erst in letzter Minute konnten die Viktoriner die Frage mit einem Hinweis auf die aktuelle Gefahrenlage einer Kirchenspaltung zu einer Abstimmung bewegen.1607 Dass die Wahl auf Viktor IV . fiel, war zum großen Teil auf A ­ lexanders kategorische Weigerung zurückzuführen, sich dem Urteil der Versammlung zu stellen oder Zeugen zu seiner Entlastung zu entsenden. Vor ­diesem essenziellen Aspekt verschließt Arnulf von Lisieux in seinem London-Manifest wider besseren Wissens die Augen. Auf der anderen Seite bezeugt Arnulfs Epistel die Einschätzung des englischen Hochklerus zur Wirksamkeit des Konzils: Scio sapientiam uestram ualidioribus argumentis potioribusque rationibus habundare, ut Papiense illud conc[il]iabulum nullius reputetis extitisse momenti, et a uobis etiam minus intelligentium simplicitas ualeat edoceri.1608

Offenbar gab es im Sommer 1160 Stimmen in England, die die Gefahr der in der Lombardei gefallenen Entscheidung nicht sahen oder nicht sehen wollten und die das Konzil von Pavia als wirkungslos und seine Folgen als auffangbar oder reversibel betrachteten. Kein Wunder also, dass Arnulf von Lisieux gerade in dieser Thematik klare Worte fand. In seinen Augen und in denen der Kurie um Alexander galt es, den isolierten Inselepiskopat aufzurütteln und ihm die Dringlichkeit der Lage vor Augen zu führen, bevor es zu spät war. Das Schisma und die Intervention des römischen Kaisers wurden also offenbar nicht von allen als eine drohende Gefahr wahrgenommen. Man sah sich im eigenen Land immer noch als 1605 Vgl. die jeweiligen Berichte über die Synode von Pavia: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 50, S. 99 (Eberhard von Bamberg) und Franz-Josef Schmale: Die Gesta Friderici imperatoris Ottos von Freising und Rahewins. Ursprüngliche Form und Überlieferung, in: DA 19 (1963), S. 168 – 214, IV, S. 82, 700 (Heinrich von Berchtesgaden). Ebenso die Vincentii Pragensis Annales: MGH SS 17, S. 679. 1606 Zu der Auseinandersetzung z­ wischen deutschen und lombardischen Bischöfen siehe ebd. Die Abstimmung unter Vorbehalt einer zukünftigen Prüfung der Entscheidung durch ein Generalkonzil belegen Eberhard von Bamberg und Heinrich von Berchtesgaden: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 50, S. 99; Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale IV, S. 82, S. 700. 1607 Vgl. MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 50, S. 99. 1608 AvL Ep. 28, S. 42.

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formender ­Einfluss gegenüber jenen, die von Avancen und Erfolgen des Kaisers in Versuchung geführt wurden. Auch im anglonormannischen Bereich folgten die meisten Reflexionen darüber, warum man die Vorfälle in Pavia als schadlos, weil wirkungslos einordnete, kurialen Vorgaben. Einige der Gesichtspunkte, die den für und vor dem Konzil von London entstandenen Kommentaren des Arnulf von Lisieux und des Johannes von Salisbury gemeinsam sind, können damit als kurial verwurzeltes Allgemeingut des gelehrten englischen Schismabildes betrachtet werden. Mit ihren Briefen machten die beiden Epistolographen die alexandrinische Perspektive auf den frühen Verlauf des Schismas für einen spezifischeren Adressatenkreis zugänglich. Sie formulierten die Vorwürfe transparenter, belegten sie mit rechtlichen und ideologischen Hintergründen und würzten sie propagandistisch auf, um im Dienste Alexanders III. auf die L ­ andeskirchen und Reiche Englands und Frankreichs einzuwirken. Dem ungleichen Paar brannten jedoch auch Reflexionen und Aspekte auf der Seele, die so ausgeprägt nur bei ihnen zu finden sind und für die sich keine kurialen Vorgaben finden. Als Hinweise auf die Informationslage im angevinischen Reich und die spezifischen Charakteristika des dort verbreiteten Schismabildes sind sie nicht zu unterschätzen. Argumentatives Eigengut Arnulfs von Lisieux war die Feststellung, dass Oktavian zum Zeitpunkt der Urteilsfindung bereits seit Monaten exkommuniziert und von jeglichem kirchlichen Amt ausgeschlossen gewesen und damit eine nachträgliche Legitimierung seiner Vergehen per se unmöglich sei.1609 Johannes von Salisbury ergänzt in Angustiarum nostrarum die kuriale Argumentation durch die Verfahrensverstöße in Pavia. Dass d­ ieses Sondergut in direkter Auseinandersetzung mit Auszügen aus der Synodalenzyklika geschieht, zeigt, dass der Angelsachse hoffte, der kaiserlichen Propaganda etwas entgegensetzen zu können, bevor sie Reims erreichen und dort ihre Wirkung entfalten konnte. Auf dem Konzil, so seine Einleitung, habe man klären wollen, welcher Kandidat kanonisch oder von der sanior pars gewählt worden sei, doch in Wirklichkeit hätten die Anhänger der weltlichen Partei das Sagen gehabt. Dabei vergleicht er die kaiser­ liche Partei mit den Worten aus Jer 17,5 mit denjenigen, die sich vom Bund abgewendet und ihr Vertrauen auf das Volk der Ägypter gesetzt hatten. Die Aussage steht nicht umsonst im Kontext des göttlichen Vorwurfs an Juda, ihm das Vertrauen entzogen zu haben und der Idolatrie anheimgefallen zu sein. Jer 17,5 ist die Ermahnung Judas, dass diejenigen, die „sich auf das Fleisch stützten“, einem schlimmen Ende entgegensähen. Dem, der sich vertrauensvoll und ohne Rekurs auf weltliche Mächte in die Hände

1609 Ebd., S. 41.

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Gottes gibt, wird ein frevlerisches Volk entgegengesetzt, das sich Götzen errichtet. Das Zitat muss dem Autor des Policraticus aus der Seele gesprochen haben. Es kann nur wundern, dass Jer 17,5 weder vor noch nach Pavia, weder in A ­ lexanders Wahlanzeige noch in Litteras a tua nobis oder anderen nachpavesischen Quellen heran­gezogen wird. Nicht einmal das hoch polemisierende Moerore simul der alexan­ drinischen Kardinäle erkennt das Verweispotenzial der passgenauen Bibelstelle. Ein einziges Dokument geht Johannes von Salisbury hier voraus: Arnulfs Frühwerk Benedictus deus. Erlaubt dies – auch eingedenk des beiden Dokumenten gemeinsamen Bezugs auf die Lateranfresken – Rückschlüsse auf das Verhältnis beider Schriften? Schon zuvor, so viel ist erkennbar, operierte Johannes von Salisbury mit dem Jeremiazitat, auch wenn er es hier mehr als prophetisches Wortspiel denn als Vorwurf an die Gegenseite einsetzte.1610 Auch Johannes’ Anlehnung an Arnulfs London-Manifest in seiner Beschreibung an die wiederum auf Bernhard von Clairvaux fußende Schilderung der beiden Rivalen um die Cathedra Petri deutet darauf hin, dass eine enge Relation zu Benedictus deus zumindest nicht ausgeschlossen werden kann.1611 Zumindest kurz vor der Synode von London kann man davon ausgehen, dass sich Theobalds Sekretär auf Arnulfs Schriften stützen konnte. Zieht man den logischen Schluss aus den Parallelen zum Arnulfschen Gedankengut, muss eingestanden werden, dass der berühmte Angelsachse in seinem hoch gerühmten Kommentar zum Konzil von Pavia in großen Strecken nicht nur die kuriale Propagandalinie, sondern auch die frühen Ideen des Arnulfschen Trostschreibens Benedictus deus aufgriff. Inhaltliche wie überlieferungstechnische Hinweise deuten darauf hin, dass Arnulfs Brief an Alexander III. – wahrscheinlich als Teil des von Reuter vermuteten ‚Dossier der Synode von London‘ – auf der Synode und zuvor am Primatialhof in Canterbury vorlag.1612 So könnte sich erklären, weshalb Johannes von Salisbury sich auf die seltsame Mischung der beiden Kardinalsbriefe (i. e. Sacra scriptura docente, Moerore simul) und offizieller Dokumente (Quia sedis, Eterna et incommutabilis) mit Arnulfs London-Manifest und dem so unbekannten Benedictus deus zurückzog. Vielleicht war der normannische Bischof seiner alten Gewohnheit nachgekommen und hatte ­dieses Aushängestück seines kurialen Briefverkehrs mit Quanta tempestate als Kopie nach England entsendet? In Canterbury, in dem von der päpstlichen Korrektur seiner inhaltlichen Schwerpunkte durch Litteras a tua nobis wohl nichts bekannt war, 1 610 Vgl. JvS I, Ep. 121. 1611 Obgleich andere von den Editoren in JvS I, Ep. 124, S. 214, Anm. 38 geäußerte Verweise nicht zweifelsfrei bestätigt werden konnten. 1612 Vgl. Reuter: Schism S. 34 und 16, jeweils Anm. 1. Stärkster Hinweis darauf ist seine Überlieferung in Brit. libr. Cotton Faustina B1.

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musste jedes Dokument Arnulfs, Alexanders offiziellem Sprachführer im Königreich England, als autoritativ verstanden werden. Damit ist festzustellen, dass Arnulf von Lisieux – abgesehen von dem Engagement in der alexandrinischen Öbedienzwerbung, dass seinem London-Manifest zugeschrieben werden konnte – mit größter Wahrscheinlichkeit auch durch Benedictus deus auf die Meinungsbildung seiner Partei einwirkte! Dass Johannes auf Quellen zurückgriff, ist allerdings noch lange kein Grund, Madertoners vernichtendem Urteil zuzustimmen, Johannes’ Epistel habe – ohne über eigene Informationen zu verfügen und aus Eterna et incommunitabilis, Quia sedis und Moerore simul schöpfend – die Paveser Beschlüsse lediglich einer „äußerst affektgeladenen Kritik unterzogen“ 1613 und damit in ihrer Aussagekraft zum Konzil von Pavia „nur sekundären Wert“ 1614. Die Leistung des Johannes von Salisbury als Autor „einer der hervorragendsten und kunstvollsten erhaltenen Beschreibungen des Schimas“ 1615 wird durch seine Berücksichtigung all dieser Quellen vielleicht ein Stück weit seiner Originalität beraubt. Sie verliert aber nicht ihre Prägnanz und ihren Effekt als Verschmelzung der gängigen alexandrinischen Perspektive auf höchstem literarischem und rhetorischem Niveau. Er stellte die unterschiedlichsten Stellungnahmen des alexandrinischen Lagers auf neue theoretische Füße. Seine biblischen Verweise zur Weltlichkeit der Viktoriner brachten eine theologische Interpretationsebene in das Geschehen.1616 Darüber hinaus steuerte Johannes von Salisbury gänzlich neue Gedanken zum Schismadiskurs bei. Unter Bezug auf das kaiserliche Synodalschreiben beginnt er eine minutiöse Auseinandersetzung mit den dort fixierten Beschlüssen sowie deren Zustandekommen und meint den spiritus rector genau identifizieren zu können: Quid tamen inquisitum est, quid probatum? Vtrius scilicet electorum canonica aut sanior esset electio, facti quaestio simulabatur et iuris. Factum itaque pro uoluntate partis, quae ponit carnem brachium suum.1617

Der K ­ aiser und die säkulare Partei (die Idee eines innerkirchlichen Konflikts wird gänzlich aufgegeben) hatten verkündet, dass Viktor von der sanior pars der Kardinäle und mit ausdrücklicher Zustimmung des Volkes, des römischen Klerus und sogar des Magister Rolandus selbst gewählt, immantiert und inthronisiert worden sei. Erst zwölf 1613 1614 1615 1616

Madertoner: Papstwahl, S. 149. Ebd., S. 150. Vgl. Early Letters, ed. Millor u. a., S. 264. Besonders Jer 17,5 Johannes 10,1. So Boso Vita Alexandri, ed. Munz/Ellis, S. 11, Anm. 20 mit Bezug auf JvS I, Ep. 124, S. 208, 214. 1617 Vgl. ebd., S. 208.

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Tage nach der Wahl sei Rolandus dann verspätet außerhalb der Stadt auf einem einsamen Fleck sizilianischen Krongebiets immantiert worden. Dies deckt sich mit der üblichen viktorinischen Version der Geschehnisse.1618 Der Eid zweier Vertreter der Kanoniker von St. Peter sowie von Mitgliedern des römischen Klerus habe dies bezeugt. Sogar der praefectus urbis Petrus und andere Bürger hätten ihren Eid angeboten.1619 Tatsächlich war der römische Klerus im Paveser Zeugenstand stark vertreten. Große und kleinere ­Kirchen hatten ihre Vertreter entsandt, um neben dem Stadtpräfekten zu bezeugen, dass Viktors Wahl kanonisch gewesen sei und von A ­ lexander III. anerkannt worden wäre. Gemeinsam mit dem Kämmerer, Subprior Petrus Guidonis, war der als Dekan der Basilika bezeichnete Kanoniker Petrus Christianus angereist.1620 Im Gepäck hatte er eine viktorfreundliche schriftliche Stellungnahme der Kanonikergemeinschaft der Peterskirche zum Ablauf der strittigen Papstwahl, die beide Männer in Stellvertretung des ganzen Kapitels beschworen.1621 Ob diese Lesart der Geschehnisse tatsächlich die Obödienztendenz des gesamten Peterskapitels abbildete, ist allerdings zweifelhaft.1622 In alexandrinischen Kreisen stand das Kapitel von St. Peter nicht nur bei Johannes von Salisbury unter polemischem Beschuss. In ihrer Erwiderung auf die Vorgänge in Pavia entrüsteten sich die Kardinallegaten Heinrich und Oddo nicht nur über die Person des ehemaligen Anakletianers und ‚alten Schismatikers‘ Petrus Christianus, der durch falsche Barmherzigkeit in seine Position gelangt sei, sondern auch über seine angebliche 1618 Vgl. Viktors Wahlanzeige: Ex quo contra honorem, ed. Waitz/Simson. 1619 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 208 – 209 mit Bezug auf MGH Const. 1, No. 190, S. 266. 1620 Bezeugt durch die offizielle kaiserliche Synodalenzyklika (ebd.), dieser folgend Johannes von Salisbury ( JvS I, Ep. 124, S. 209) und die Stellungnahme der Kanoniker der Petersbasilika (Patres sanctissimi, in: Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, S. 323). 1621 Zur Liste der Mitglieder des römischen Klerus, die entsprechendes Zeugnis ablegten: ebd. Bei dem Schreiben handelte es sich um Patres sanctissimi (ebd, S. 320 – 323). Zur angeblichen Reaktion Alexanders auf den Versuch einer Immantation im Refugium der Alexandriner im Turm von St. Peter: ebd, S. 322. Hinter der nur im Brief der Kanoniker von St. Peter belegten Aussage, die direkt in den Synodalerlass einging (MGH Const. 1, No. 190, S. 266), vermutet Doran eine konstruierte Parallele zur alexandrinischen Darstellung der Immantation Oktavians. Siehe Doran: Port, S. 64. 1622 Es lassen sich im Verlauf des Konflikts Beispiele für wachsende Zustimmung zu Alexander oder zumindest eine ausgeprägte Ambivalenz im römischen Klerus heranziehen: Doran: Port, S. 69 – 73. Mit ausführlichen Quellenverweisen und einem Überblick über das Verhältnis Alexanders III. zur Petersbasilika und ihren Kanonikern im Laufe der Folgejahre: Jochen Johrendt: Die Diener des Apostelfürsten. Das Kapitel von St. Peter im Vatikan (11. – 13. Jahrhundert), Berlin 2011 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, 122), S. 312 – 316.

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Dekanswürde. Da nach altem römischem Brauch der Bischof von Porto dessen Aufgaben erfülle, gäbe es keinen Dekan im Klerus der Petruskirche.1623 Zu d­ iesem Ergebnis kommt ebenfalls Jochen Johrendt in seiner Studie zum Kapitel von St. Peter im Vatikan.1624 Tatsächlich gibt es bis auf den bei Rahewin inserierten Brief des Petruskapitels sowie die Darstellung des Otto Morena keine einzige Quelle, weder römischer noch anderer Herkunft, die von der Besetzung des Dekansamts an der Peterskirche kündet.1625 Es ist davon auszugehen, dass Petrus Christianus in der Rolle des ‚Dekans‘ von St. Peter erschien, um der Stimme seines Kapitels, das bezeichnenderweise nicht von dessen eigentlichen Leitungsorganen, dem Prior oder dem Kardinalarchipresbyter, vertreten wurde, mehr Gewicht zu verleihen. Das Kapitel der Petersbasilika beanspruchte die Rolle eines Kathedralkapitels und damit Einfluss in der Wahl des römischen Bischofs, stieß mit diesen Forderungen aber wiederum auf den heftigen Widerstand der Kanoniker der Lateranbasilika und des Kardinalskollegiums, das sich nach dem Wahldekret von 1059 als vorrangiges Wahlgremium etabliert hatte. Von der Anbindung an den mächtigen ­Kaiser, so die Vermutung der Alexandriner, habe man sich einen größeren Einfluss in gegenwärtigen und zukünftigen Papstwahlen versprochen. Die Ausführungen zum Wahlhergang, insbesondere die Behauptung, die alexandrinischen Kardinäle hätten nur durch den beherzten Protest des römischen Volkes und Klerus von einer unrechtmäßigen Immantation ihres Kandidaten Abstand genommen, richteten sich offensichtlich gegen die Kardinäle, die den Kanonikern eine Partizipation im Weiheprozess verwehrten.1626 Der fiktive Dekanstitel sollte die Position eines Kapitels stärken, dessen Parteinahme für Viktor IV. aufgrund ihres Mangels an Bedeutung nicht einmal in der Wahlanzeige des favorisierten Papstes selbst Erwähnung fand.1627 1623 Bouquet 15, Nr. 11, S. 755: Hoc in veritate dicimus, quod ex antiquae privilegio institutionis nullus in ecclesia B. Petri decanus est. […] Qui tamen ab eis decanus asseritur, schismaticus est ab antiquo, et manus ejus cum Petro-Leonis in illa seditione damnosa: unde nec locum habet nec vocem in Romana ecclesia, sed pietatis intuitu ei beneficium in ecclesia B. Petri ad subsidia necessitatis indultum est. Siehe auch Doran: Port, S. 67. 1624 Beweisführung bei Johrendt: Diener, S. 94 – 95. 1625 Patres sanctissimi, in: Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, S. 320 – 323; Das Geschichtswerk des Otto Morena und seiner Fortsetzer über die Taten Friedrichs I. in der Lombardei (Ottonis Morenae et continuatorum historia Frederici I.), ed. Ferdinand Güterbock, Berlin 1930 (MGH SS rer. Germ. N. S., 7), S. 101. 1626 Vgl. Patres sanctissimi, ed. Waitz/Simson, S. 321 f. als einzigen Beleg dafür, dass die römische Geistlichkeit, aufgeschreckt durch den Lärm, erschienen sei und die Wahl Oktavians, des Friedensbringers, gefordert habe. Auffällig betont wird zudem die zweimalige Verhinderung der Immantation Alexanders durch seine Anhänger. 1627 Zur Bedeutungslosigkeit der Peterskanoniker und ihrer Aussage bei der Legitimation ­Viktors IV. siehe Johrendt: Diener, S. 311 – 314.

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In ­diesem Stadium der Auseinandersetzung wandte sich die alexandrinische Argumentation offenkundig von der inhaltlichen Diskussion der Wahlabläufe ab. Größere Überzeugungen wie die Nichtjudizierbarkeit des römischen Bischofs oder Fragen nach den individuellen Motiven der Parteiungen anno 1160 erregten die Gemüter. Im Gegensatz zu den Kardinälen Heinrich und Oddo stößt sich Johannes von Salisbury weniger an der Person der Zeugen als an der Glaubwürdigkeit ihrer Aussage. Er beginnt inhaltlich wie verfahrensjuristisch zu argumentieren: An non inspexisti probationis modum? Sed clericorum dumtaxat recepta sunt iuramenta, quoniam haec omnia tractauerant manibus suis. Quis uel caecus non deprehendat tam manifestam malitiam, mendacia tam aperta? Nam fere omnibus notum est cuius momenti sint, praesertim in electione Rom(ani) pontificis, rectores illi quos ad tuendam malitiam suam concilium Papiense magnificat.1628

Mit seiner Entrüstung über die mangelnde Validität der auf dem Konzil vernommenen Augenzeugen hinterfragt der Angelsachse indirekt auch den Inhalt ihrer Aussagen. Einbezogen ist auch das Zeugnis der fraternitas Romana, die als repräsentative Körperschaften des römischen Weltklerus zur damaligen Zeit noch Teilhabe an den Papstwahlen hatten. Johannes’ Zweifel gelten weniger ihrer Reputation oder der Legitimität ihrer Position in den Vorkommnissen, sondern vielmehr dem Status der Kanoniker und Rektoren als Augenzeugen. Wer, fragt er, betrachte es nicht als unglaublich, dass sich alles so zugetragen hätte, wie sie aussagten? Zugegebenermaßen hätten sie ihre Rolle am Anfang der Auseinandersetzung gespielt, aber man solle weiterdenken:1629 Numquid R(ollandum) usque ad consecrationem suam per dies duodecim persecuti sunt? Numquid hoc uidit capitulum beati Petri, in cuius persona iuratum est? An rectores qui pro se iurauerunt? 1630

Ebenso das römische Volk und der kaiserliche Vertreter in der römischen Verwaltung, der gar nicht erst an Ort und Stelle hätte sein dürfen: Numquid haec omnia praefectus uidit, exul et cui urbem intrare non licet? Sed et ipse, ut uulgariter dici solet, Octau(iani) nepos est et e uicino, ut rectius dixerim, cognatus, utpote sororis filius. Sed alii ciues haec omnia inspecturi, ut tuto iurarent, numquid ad terram Siculi accesserunt? 1631

1 628 JvS I, Ep. 124, S. 209. 1629 Vgl. ebd.: Cui non est incredibile eos haec tractasse quae iactitant? Sed esto quod interfuerint in initio iurgiorum. 1630 Ebd. 1631 Ebd., S. 209 f.

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Tatsächlich behaupteten Viktors Anhänger zu Unrecht, Alexanders Weihe habe  statt in Ninfa in Neros geschichtsträchtigem Refugium Cisterna stattgefunden. Derartige Aussagen waren es aber, die in großen Teilen aus der Stellungnahme des Kapitels der Petersbasilika in die kaiserliche Synodalenzyklika übernommen wurden und damit den Vorwurf einer Verquickung stadtklerikaler und kaiserlicher Interessen nährten. Schon Moritz Meyer schätzte den Bericht als verzerrende, teils glättende Ergänzung zur ersten Epistel der viktorinischen Kardinäle, Ex quo contra honorem, ein.1632 Was Johannes hier in den Raum stellt, ist der Vorwurf des Meineids an die stadtrömische Geistlichkeit. Damit ist für ihn die gesamte Zeugenschaft in Pavia null und nichtig. Diejenigen, die nicht direkt involviert gewesen s­ eien, hätte man erst gar nicht dem Risiko eines sicheren Meineids ausliefern wollen: Plane fideliter examinati sunt testes qui haec omnis, praesente illo sacro concilio iurauerunt. Sed de industria ciuibus remissa est necessitas iuramenti, quoniam non erant utique iuraturi. Nam etsi non conscientiae, uel famae dispendium apud conciues suos incurrere uerebantur. Ceterum sanioris partis numerositas quo defluxit […]? Ex illo magno numero soli tres remanserunt, digni quidem cardinales, de quibus Teutones in castris ferrent sententiam.1633

Das Urteil des ‚teutonisch‘ gelenkten Prozesses, so das Fazit, gründe sich auf unzulässige Zeugenaussagen, eigennützigen Meineid, strategische Lügen und heuchlerische Feigheit, ein rechtswidriges Schiedsgericht unter dem Deckmantel einer rechtskonformen Untersuchung. Den einzigen anwesenden Sympathisanten des abwesenden Kandidaten, ­Wilhelm von S. Pietro in Vincoli, habe man jedoch nicht befragt. Das Einzige, was die Enzy­ klika zur Kenntnis nahm, war sein als stumme Zustimmung gedeutetes Schweigen.1634 Ebenso wenig, wendet Johannes entrüstet ein, habe der Kardinal aber damit zu ­Viktors Gunsten bezeugt.1635

1632 Er verweist auf die Glättung der turbulenten Wahlabläufe zugunsten der Darstellung formaler und zeremonieller Regelmäßigkeit. Zu seiner Einschätzung des Dokuments als vikto­ rinisches Zeugnis: Meyer: Wahl, S. 29 – 33. 1633 JvS I, Ep. 124, S. 210. 1634 Vgl. MGH Const. 1, No. 190, S. 267 – 268: Habuimus et praesentem dominum W. cardinalem Sancti Petri ad Vincula, quern advocati domni papae Victoria in praesentia omnium domnum Victorem se elegisse affirmaverunt, et ipse W. in medio concilii hoc audivit et non negavit. 1635 JvS I, Ep. 124, S. 210.

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Interrogandus erat; satis enim habebat oris et pectoris et aetatem, ut pro se loqueretur. Sed plane interrogatus non est quod fuerat negaturus, et scienter obmutuit in tumultu qui furoris uidebat impetum et quod haec praesumptio in nullo praeiudicat ecclesiasticae libertati.1636

Eines habe er gelernt, fügt Johannes bitter hinzu: Der, der nicht der K ­ irche in ihrer große Not helfe, habe es nicht eilig, ein Märtyrer zu werden. Vielleicht ist dies der erste zarte Keimling des Misstrauens zu ­diesem Kardinal, der bei Ausbruch des Schismas noch Oktavian unterstützt zu haben schien und sich wenige Jahre s­ päter aufgrund seiner Beziehungen zu Heinrich II. den Hass der Becketpartei zuziehen sollte. Verzagtheit im Bekenntnis gehörte sicher nicht zu den Dingen, die der Moralist J­ ohannes von Salisbury verzeihen konnte. Die dem ­Kaiser und seiner Partei unterstellte Taktik, unterlassenen Protest als Zustimmung zu deuten, dokumentiert auch der zweite verfahrenstechnische Kritikpunkt des Saresberiensis. Der Text des Synodalschreibens endet folgendermaßen: Ut autem omnis nostra actio plenius legentibus elucescat, dignum duximus, ut omnium nostrum consensus et nomina subscribantur.1637 Es folgt das, was Johannes von Salisbury die „unerhörten Unterschriften der Synodalbeschlüsse“ 1638 nennt: eine lange, nur grob einer geographischen Ordnung unterworfene Liste derer, die den Beschlüssen des Konzils zugestimmt haben sollen. Sie umfasst den Patriarchen von Aquileia, die Erzbischöfe Hartwig von Bremen, (erwiesenermaßen fälschlicherweise 1639) Hillin von Trier, Wichmann von Magdeburg und den Elekten Rainald von Köln, gefolgt von den Königen von Ungarn, Dänemark und Böhmen, die durch Gesandte ihren Konsens zu den Beschlüssen bekundet haben sollen, sowie fast vierzig konsentierenden Bischöfen.1640 Aus dem Schlussprotokoll der offiziellen Epistola maior hatte man nach der wahrscheinlich unerwarteten Neutralitätserklärung der beiden Westmächte den Zustimmungspassus in der bei Rahewin inserierten Kurzfassung schlichtweg entfernt.1641 Die Aufzählung schließt auf pauschalen Aussagen zur großen Menge an 1 636 1637 1638 1639

Ebd., S. 210 f. MGH Const. 1, No. 190, S. 269. JvS I, Ep. 124, S. 211: inauditas decretalis sinodi subscriptiones. Vgl. dazu Madertoner: Papstwahl, S. 169. Auch Eberhard von Salzburg, der sich dem Konzil ferngehalten hatte, war weder anwesend noch stimmte er durch Boten zu, wie die Enzyklika behauptet. 1640 Die Anwesenheit von Delegationen aus diesen Ländern ist zwar nicht anderweitig belegt, doch zeigen kirchenpolitische Indizien, dass ihre Affinität zum kaiserlichen Lager und Viktor IV. ihre Teilhabe am Paveser Konzil als wahrscheinlich gelten lassen. Details bietet ebd., S. 172 f. 1 641 Auch die Bischöfe von Pavia und Piacenza, die, nicht zustimmten (siehe JvS I, Ep. 124, S. 213), wurden nicht in das Schlussprotokoll aufgenommen. Reuter: Schism, S. 239 – 241

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teilnehmenden Äbten, Archipresbytern, Pröpsten und deutschen wie italienischen Reichsfürsten.1642 Die Liste der konsentierenden Prälaten und weltlichen Würdenträger liegt in der Langversion der Enzyklika aus dem Codex Valenciennes und der bei Rahewin inserierten kürzeren Fassung vor.1643 Betrachtet man Rahewins Insert als Entwurf der als offizielles Dokument verbreiteten Langversion, lassen sich diese leicht divergierenden Versionen erklären.1644 Die Unterschiede und inhaltliche wie formale Unregelmäßigkeiten in den Aussagen über die konsentierenden Metropoliten und Bischöfe im Vergleich z­ wischen Langversion und Kurzversion haben Wolter zu der Einschätzung gebracht, dass die Liste „nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt, sondern […] in einer überarbeiteten Fassung vorliegt, wobei – vielleicht versehentlich – einige Namen ausgefallen sind, aber auch Einschübe gemacht wurden, um die Versammlung nachträglich aufzuwerten“ 1645. Auch Timothy Reuter hatte in der Authentizitätsfrage konstatiert, dass die Liste „eher unaufrichtig als unehrlich“ 1646 gewesen sei. Sein Einwand, die Aufstellung hätte durchaus weitergehen können, wenn es ihr ein Anliegen gewesen sei, die Validität und Außenwirkung der Beschlüsse zu unterstreichen (etwa durch Aufnahme fehlender italienischer Bischöfe oder, wie Wolter bemerkt, die Gesandtschaften der Könige von Frankreich und England), ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Doch sei zu fragen, ob glatte Lügen in einem auf Zirkulation zugeschnittenen Dokument unerkannt vermutet, dass die beiden Ausnahmen der fälschlich in die Liste der billigenden Bischöfe aufgenommenen Erzbischöfe von Trier und Salzburg sich daraus erklären, dass man zur Betonung eines angeblich geschlossenen Meinungsbildes im Reichsepiskopat, argumentierte, mit der Entsendung von Vertretern zum Konzil ginge auch dessen Akzeptanz als legitimes Entscheidungsforum sowie die Zustimmung zu seinen Beschlüssen einher. 1642 Vgl. MGH Const. 1, No. 190, S. 694 – 697. 1643 Konkordanz ediert in: ebd. 1644 So entfällt eine Nennung der Bischöfe von Lyon und Besançon, die nach Zeugnis des ­Probstes Heinrich von Berchtesgaden und Bischof Eberhards von Bamberg per Briefboten ihre Zustimmung kundgetan hatten. Siehe Si cuncta qui audivimus, in: Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale und MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 50. Einen kritischen Vergleich beider Varianten unternehmen Wolter: Pavia, S. 431 – 433; Reuter: Schism, S. 239 – 242 und Madertoner: Papstwahl, S. 165 – 175. 1645 Wolter: Pavia, S. 433. Als Beispiel dient ihm die fälschliche Aussage, dass Hillin von Trier, der aus Gesundheitsgründen dem Konzil ferngeblieben war und sich durch persönliche Boten vertreten ließen, den Beschlüssen zugestimmt habe. Eine Lüge hätte den Kreis der Reichsmetropoliten geschlossen und damit den Konsens der gesamten Reichskirche unterstrichen. 1646 Vgl. Reuter: Schism, S. 241.

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geblieben wären. Wie die Nachricht Eberhards von Bamberg an den Metropoliten in Salzburg zeigt, war die Neutralitätserklärung der Westkönigreiche bekannt.1647 Warum sollte man auf kaiserlicher Seite das geschlossene Bild von über fünfzig konsentierenden Würdenträgern durch eine Notiz zur Unentschlossenheit der beiden Monarchen unnötig durchbrechen? Friedrich Barbarossa hatte ein Interesse daran, das Konzil nachträglich ins rechte Licht zu rücken. Doch man beschränkte sich lieber darauf, Halbwahrheiten wie die – einfach vorausgesetzte – Zustimmung der Salzburger und Trierer Erzbischöfe zu propagieren und die Namen derjenigen, die ihre Zustimmung verweigerten oder unter dem Vorwand der Neutralität verschoben, zu verschweigen. Wie auch der Fall des Hoftags von Würzburg zeigen wird, war die staufische Kanzlei meisterhaft in der opportunen Beugung der Fakten und gleichzeitig klug genug, den Bogen nicht überspannen.1648 Ganz fehlerfrei waren die Angaben also nicht und die Version, die auch den König von England als konsentierenden Monarchen aufnahm, rückte diesen dadurch gefährlich nahe in das Lager der Alexandergegner. Für das englische Verständnis Barbarossas und seiner Intervention im alexandrinischen Schisma ist zunächst bedeutsam, dass Johannes von Salisbury aus der ihm vorliegenden Langversion keine Information über die königliche Gesandtschaft seines Königs ziehen konnte. Hätte er mehr gewusst, hätte er, nachdem er am Anfang seines Briefes Radulf von Sarre sein Leid über die Beeinflussbarkeit seines Königs geklagt hatte, damit ein aussagekräftiges Beispiel einflechten können. Dies aber geschah nicht. Was Johannes von Salisbury im Gegensatz zur modernen Geschichtswissenschaft an der Liste der zustimmenden Teilnehmer bemängelt, ist nicht die fehlerhafte Aufführung abwesender Prälaten oder die Auslassung solcher, die ihre Zustimmung aus der Distanz signalisiert hatten. In logischer Folge der Kritik des angeblichen weltlichen Charakters des Konzils beanstandet er gegenüber seinem Reimser Freund die Tatsache, dass Reichsfürsten zur Billigung der Beschlüsse zugelassen waren. Welch ein repräsentatives kirchliches Konzil, in dem Laien die Entscheidung mit fällen durften! Selbst die aufgeführte Geistlichkeit, so Johannes weiter, sei nicht ausnahmslos als legitime Repräsentanz der ­Kirche zu betrachten. Doch damit nicht genug: Transeo ad […] subscriptiones, in quibus ex episcoporum defectu pro eis comite admittuntur, in quibus illi praecipuam sibi uendicant auctoritatem episcopalium sedium, quorum aut nulla est aut electio reprobata.1649

1 647 Vgl. MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 50. 1648 Siehe für das Würzburger Zeugnis: Vollrath: Lüge. 1649 JvS I, Ep. 124.

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In Anbetracht des Weiteren Schismenverlaufs verwundert das daraufhin von Johannes vorgebrachte prominente Beispiel nicht, denn der Synodalerlass führte tatsächlich Rainald von Dassel, Reginaldus Coloniensis archiepiscopus 1650 als einen der vier konsentierenden Metropoliten auf. Man schien sich an der Pikanterie der Formulierung nicht gestört zu haben, denn schon im bei Rahewin inserierten Entwurf des Schreibens heißt es ebenso inkorrekt, der Kölner Erzbischof Rainald habe mit allen seinen Suffraganen zugestimmt.1651 Die Kritik des Johannes von Salisbury entzündete sich am kirchenrechtlichen Kern der Position, die Barbarossas zweiter Mann für sich beanspruchte. Der Erzkanzler lenke widerrechtlich das Erzbistum, obgleich allseits bekannt war, dass seine Wahl durch Hadrian IV . missbilligt und verworfen worden sei. Wenn er denn das Erzbistum Köln für sich beanspruche, warum habe er sich nicht von seinem Vertrauten Viktor weihen lassen, wenn nicht aus Angst vor schlimmen Folgen d­ ieses Schritts?1652 Eine Anspielung auf die schmalen Erfolgsaussichten des Konkurrenzpapstes oder die riskante Rechtsgrundlage von Weihen, die nach dem Triumph eines Kandidaten als schismatisch erklärt werden konnten? Zur damaligen Zeit war es nicht ungewöhnlich, dass geistliche Fürsten über Jahre hinweg den Elektenstatus behielten, ohne die Weihen zu empfangen. Grundvoraussetzung für eine Wahl auf eine bischöfliche cathedra war lediglich die Weihe zum Diakon. Dennoch kann die moderne Forschung Johannes von Salisbury den Rücken stärken. Stefan Weiß hat nachgewiesen, dass die Erzbischöfe von Köln im 12. Jahrhundert tatsächlich in fast systematischer Weise die Unterordnung an das Papsttum (und nicht nur das Gegenpapsttum) zu vermeiden suchten. Diese überindividuelle politische Konstante entsprang der herausragenden Position der Kölner und ihres Kanzlerstatus im Reichsgefüge sowie einem spezifischen Verständnis kirchenfürstlicher Stellung, war jedoch auch deutlichster Ausdruck einer dementsprechenden Strömung innerhalb des Reichsepiskopats als Ganzem, die der wachsenden Einflussnahme des Papsttums skeptisch gegenüberstand.1653 1 650 Vgl. MGH Const. 1, No. 190. 1651 Vgl. ebd., S. 269 sowie Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, S. 694. 1652 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 212: Reginaldus enim cancellarius imperatoris se Coloniensem gessit archiepiscopus, cum certum sit electionem eius a Rom(ano) pontifice beato Adriano fuisse damp­ natam: Nec uideo, quare, cum episcopatum ambiat, a Victore suo distulerit consecrari, nisi quia imminentem ruinam timet. 1653 Vgl. Stefan Weiss: Papst und Kanzler. Das Papsttum und der Erzbischof von Köln im 12. Jahrhundert, in: Jochen Johrendt (Hg.): Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der K ­ irchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz  III, Berlin 2008 (Neue Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu

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Johannes von Salisbury geht es an dieser Stelle jedoch nicht um eine kritische Annäherung an Rainalds Persönlichkeit, sondern ums Prinzip. Denn er führt auch den Fall des Erzbistums von Ravenna an, auf das im Jahr 1158 Guido, Sohn des gleichnamigen Grafen von Biandrate, vorrangiger Berater und größte Stütze des Kaisers im oberitalienischen Adel, gewählt worden war.1654 Die Wahl des jungen Subdiakons, der erst kurz zuvor auf Betreiben des Vaters in den römischen Klerus aufgenommen worden war, war vom ­Kaiser ausgegangen und wurde, sehr zum Missfallen des Staufers, von Hadrian IV. abgelehnt.1655 Er sollte im Verlauf des Schismas in der Romagna zu einem getreuen Anhänger des Kaisers und seines päpstlichen Kandidaten werden. Neben der Teilnahme in Pavia trat er auch auf den Hoftagen von Lodi und SaintJean-de-Losne auf.1656 Stattdessen, erzürnt sich Johannes, vertrete als Krönung des Skandals der ältere kaiserliche Günstling, Graf Guido von Biandrate, den noch nicht ordinierten Sohn auf dem Bischofsstuhl.1657 Der Vorwurf an Friedrich Barbarossa, er versuche, einen ungebührlichen Einfluss auf die K ­ irche der Romagna auszuüben, hängt unausgesprochen in der Luft. Zwei Beispiele von Männern, die sich entgegen dem Willen des verstorbenen römischen Pontifex zu Unrecht ein kirchliches Amt anmaßten und somit gar nicht erst auf der Liste der Konsentierenden auftauchen dürften. Was Johannes von Salisbury dem K ­ aiser hier vorwirft, ist also eine manipulative Beschönigung der Sachlage:

Göttingen, Phil.-Hist. Klasse Studien zu Papstgeschichte und Papsturkunden, N. F., 2), S. 285 – 298. 1654 Graf Guido war Mitglied der kaiserlichen Gesandtschaft unter Otto von Wittelsbach, die im Vorfeld des Schismas Verhandlungen mit dem römischen Senat führte. Ebenso war er Teil der kaiserlichen Delegation, die Alexander III. und Viktor IV. nach Pavia luden. Dazu Johann Friedrich Böhmer (Hg.): Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122) – 1190. 2. Lief.: 1158 – 1168, neu bearbeitet von Ferdinand Opll und Hubert Mayr, Wien u. a. 1991 (Reg, Imp., IV), S. 745, 751, 753 f., 784 bzw. 768, 775. Zur allgemeinen Vertrauensposition Guidos des Großen von Biandrate in der Italienpolitik Friedrich I. und am Kaiserhof siehe Christian Uebach: Die Ratgeber Friedrich Barbarossas (1152 – 1167), Marburg 2008, S. 93 – 99, 222 – 226. 1655 Rahewin überliefert die Anzeige Friedrichs I. zur Wahl des jungen Guido, die schriftliche Ablehnung Hadrians IV . und den Zorn des Kaisers. Siehe Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, IV, 20, S. 554 f. Guidos Investitur fand, begleitet von kaiserlichen Privilegien, am 16. Juni 1160 statt. Siehe MGH D F I 315. 1656 Vgl. Ferdinand Güterbock: Zum Schisma unter Alexander III. Die Überlieferung des Tolosanus und die Stellungnahme der Romagna, in: Albert Brackmann (Hg.): Papsttum und Kaisertum. Forschungen zur politischen Geschichte und Geisteskultur des Mittelalters. Paul Kehr zum 65. Geburtstag, München 1926, S. 376 – 397, hier: S. 394. 1657 Vgl. MGH Const. 1, No. 190, S. 269: G. electus Ravennas.

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Quid, quod regnorum et prouinciarum magnus, falsus tamen, collectus est numerus, ut subscriptores isti ignaros rerum secum facilius in praecipitium trahant? Quis ad illius concilii statuta moueatur, ubi sedere patres censere parati si regnum, si templa petat, iugulumque senatus Passurasque infanda nurus, et siquid tirannicum atrocius excogitari potest? Eo quidem bene cum ecclesia actum est, quod Caesar, qui aderat‚‘plura iubere erubuit quam ipsa pati.‘1658

Auf den ersten Blick mutet dieser als Verschmelzung zweier Verspassagen aus den Pharsalia (iii, 109 – 112 und v, 306 – 307) identifizierte Absatz wie ein allein zur rheto­ rischen Verstärkung inseriertes Lucanzitat an. In seinem Bezug auf das Konzil von Pavia schwingt darin eine kritische Note mit, die Johannes’ Ausführungen zum tyrannischen Gebaren des Kaisers und der Fragwürdigkeit der Testatliste rheto­ risch ergänzt. Hier sollte die Betrachtung aber keineswegs aufhören. Denn in Wahrheit handelt es sich um eine Übernahme aus Policraticus III, 10. An dieser Stelle beschäftigt sich Johannes von Salisbury mit dem Tyrannen und denen, die ihm folgen, und zeigt die bitteren Folgen der Schmeichelei auf. In d­ iesem Zusammenhang entfaltet das Zitat eine eigene, vielschichtige argumentative Kraft. Diese speist sich aus zwei Quellen: den Originalversen der antiken Vorlage und dem thematischen Kontext der Passage im Policraticus. Werfen wir einen Blick auf das dritte Buch der Pharsalia. Caesar ist zum Entsetzen der dort verbliebenen Bürger mit seinem Heer in die Stadt Rom eingerückt. Wilhelm Ehler übersetzt: „Ohne daß der Senat rechtmäßig einberufen werden konnte, füllte sich Apollos Tempel auf dem Palatin mit einem Schwarm von Ratsvätern, die aus ihren Schlupfwinkeln zutage kamen. Kein Konsul prangte auf seinem Ehrensessel, kein Praetor als berufener Rangnächster war zur Stelle, und leere Amtssitze mußten weichen: Caesar war alles – einen Unbefugten anzuhören, war das Hohe Haus versammelt.“ 1659

Es schließen sich die von Johannes von Salisbury in leicht veränderter Form inserierten Verse an:

1 658 JvS I, Ep. 124, S. 212. 1659 Lucan Pharsalia, ed. Ehlers iii, 103 – 109, hier: S. 100 f.: Phoebea Palatia conplet / turba patrum nullo cogendi iure senatus / e latebris educta suis; non consule sacrae / fulserunt sedes, non, proxima lege potestas, / praetor adest, uacuaeque loco cessere curules / omnia Caesar erat: priuatae curia uocis / testis adest.

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Die Einordnung der staufischen Politik

„Da saßen Ratsväter und waren zum Ja bereit, wenn er Krone, wenn er Tempel [für sich] oder Tod [und Verbannung] für Senatoren beantragen würde: Ein Glück, daß er beim Kommandieren eher Scham empfand als Rom bei Fügsamkeit.“ 1660

Johannes’ vorherige Argumentationsstränge nehmen drei Aspekte der Lucanschen Darstellung der Eroberung Roms durch Caesar gegen das kaiserliche Konzil von Pavia auf, die der sachkundige Adressat dem Exemplum des römischen Bürgerkriegs entnehmen sollte: – die gesetzeswidrige Natur der Versammlung auf dem Palatin (i. e. die fehlende Autorität des Kaisers zur Einberufung eines kirchlichen Konzils); – den unrechtmäßigen Vorsitz des Caesar (i. e. die alleinige Befehls- und Entscheidungsgewalt des Herrschers, der hier als Eroberer und Tyrann gezeigt wird); – die Kaiserhörigkeit der Tagenden (i. e. die Voreingenommenheit, Rückgratlosigkeit und Furchtsamkeit der Konziliaren, die als Verräter an der guten Sache des als legitim betrachteten Papstprätendenten gebrandmarkt werden). Ohne einen Blick auf die kritische Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Verhalten der höfischen Gemeinschaft und ihrem Verwaltungsapparat im Policraticus  III , 10 würde sich der Bezug hier auf jede ähnlich rechtlich unstatthafte Versammlung erschöpfen. Unter die polikratische Thematik fällt aber eben auch die Schmeichelei, die Johannes den Römern, aber auch den Höflingen seiner Zeit zur Last legt. Dazu schildert der Angelsachse zunächst die anmaßenden Gewohnheiten der Herrscher der römischen Gründungs- und Kaiserzeit von Romulus’ Versuch der Wiedergutmachung des Brudermords durch seine Beanspruchung einer Anteilnahme an der göttlichen Macht bis zur Deifizierung der durch die Römer ermordeten Imperatoren. Das Motiv sei immer die Vertuschung von Mord und Verrat.1661 Es geht Johannes hier folglich einmal mehr um die unrechtmäßige Anmaßung quasigöttlicher Autorität durch einen weltlichen Machthaber. 1660 Ebd. iii, 109 – 112, hier: S. 100 f.: sedere patres censere parati / si regnum, si templa sibi iugulumque senatus / exiliumque petat. melius, quod plura iubere / erubuit quam Roma pati. Eckige Klammern markieren Johannes’ Auslassungen. 1661 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 10, S. 202 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 202): Vrbis auspicia sacrilegio parricidii et fraterni sanguinis cruore numinibus suis Romulus consecrauit, deinde lemuribus infestatus honore uano simulata communicatione imperii fratrem placauit occisum. Suos quoque imperatores, quos de more Romanus populus fideliter iugulabat, deificauit fidelius, inani solatio perfidiam praetexens manifestam, perinde ac si sorbitiunculas ei, quam peremerat, ministraret, eosque mentiebantur in sortem transisse numinum, ac si celo suo mundoque regendo nisi tirannis ascitis Omnipotentis non sufficiat manus.

Die argumentative Dekonstruktion des ‚Schauspiels‘ von Pavia

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[Die Römer] mentiebantur in sortem transisse numinum, ac si celo suo mundoque regendo nisi tirannis ascitis Omnipotentis non sufficiat manus. Facti sunt ergo diui indigetes […] quos nec etiam humana sorte dignos Romanorum perfidia reputauit.1662

Als Beispiel eines solch fehlgeleiteten Herrschers gilt ihm der Diktator Caesar, dessen Tage er folgendermaßen beschreibt: Illius certe temporis michi saepe occurit imago, cum ad potentioris nutum subiectorum omnia disponantur, et licet animo reluctante in seipsos parati sunt exilii aut mortis dictare sententiam. Hinc quippe potestas terribilis; hinc angentis et urentis conscientiae stimuli meticulosa corda concutiunt et praecipuam in omnibus sibi uendicant auctoritatem.1663

Was schlimmste Folgen für Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden nach sich zog: Adeo quidem ut sacerdotes legis divinae praecepta dissimulent, sapientiam nesciant seniores, iuris sit iudex ignarus, praelatus auctoritatis nescius, […] libertatem contempnat ingenuus, totus denique populus quietem et pacem.1664

Die cäsarische Zeit Roms ist für Johannes eines der historischen Beispiele für den gesellschaftlichen Ausnahmezustand, den die Lehren des Policraticus verhindern wollen und der durch diejenigen möglich gemacht wird, die ohne Widerstand den Willen des Tyrannen billigen. Solange alle von einem übermächtigen Willen geleitet würden, wären sie als Volk und als Individuen ihres eigenen freien Willens beraubt.1665 Hierauf folgt das Lucanzitat wie es Johannes von Salisbury in Angustiarum nostrarum übernahm. Die einzige kleine, aber bedeutende Änderung: den Platz der schuldigen Bürgerschaft (civibus actum est 1666) nimmt im Pavia-Kommentar die K ­ irche (ecclesia actum est 1667) ein. Die Botschaft ist, wie Johannes’ weitere Ausführungen in all ihrer Bitterkeit zeigen, unmissverständlich: Die Vertreter der ­Kirchen hätten sich in der Lombardei schuldig gemacht, die tyrannischen Machenschaften des Kaisers zu legitimieren: 1 662 Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 10, S. 202 – 203 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 202). 1663 Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 10, S. 203 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 203). 1664 Ebd. 1665 Vgl. ebd.: Dum enim omnes unius praesidentis uoluntate feruntur, uniuersi et singuli suo priuantur arbitrio. Nonne haec erat facies temporis quando / sedere patres censere parati, / si regnum, si templa petat, iugulumque senatus, / passurasque infanda nurus; eoque solo bene cum ciuibus actum est, quod Caesar plura iubere erubuit quam Roma pati? 1666 Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 10, S. 202 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 202). 1667 JvS I, Ep. 124, S. 212.

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Die Einordnung der staufischen Politik

[…] in eoque libertati seruatur umbra, si se quisque quod praecipitur simulat uoluisse, facitque, immo uidetur facere de necessitate uirtutem, dum necessitati iungi consensum, et quod incumbit gratanter amplectitur.1668

In bewusster Verblendung wurde in Pavia das Erzwungene zur tugendhaften Notwendigkeit – eine starke Wiederaufnahme des alexandrinischen Zwangsarguments und eine machtvolle Verknüpfung mit der Herrschaftsethik des Saresberiensis. Der gesamte Subtext des Zitats konnte sich nur demjenigen erschließen, dem das im Policraticus niedergelegte Gedankengut bekannt war oder dem das Werk zur Referenz vorlag. Da das erste Prüfexemplar des Policraticus an Petrus von Celle nach Reims ergangen war, kann man, ohne den historischen Befund zu sehr zu strapazieren, davon ausgehen, dass Radulf von Sarre Zugang zum Traktat hatte. Johannes, der den fernen Freund von Alexander überzeugen wollte, nahm kein Blatt vor den Mund, ergänzte aber offensichtlich einen zusätzlichen, verborgenen Fingerzeig: einen Metaverweis auf seine eigenen politischen Vorstellungen, wie sie im Policraticus niedergelegt waren. Eine subtile, aber umso faszinierendere Hilfestellung, die Thematik in ihrer ganzen Dichte und ihren vollen Implikationen zu durchdringen. In wenigen Sätzen zeigt Johannes hier Radulf von Sarre das katastro­phale Potenzial der Fehlentscheidung von Pavia als Legitimierung eines tyrannischen Herrschers auf, der den gesamten Gesellschaftskörper mit ins Verderben reißen konnte. Dies, so der Appell, galt es durch ein klares Veto des Reimser Erzbischofsstuhls zu verhindern. Was in der Paveser Konzilsenzyklika wie eine breite Konsensfindung wirkt, sieht Johannes von Salisbury also vielmehr als eine weitere Spielart des „inszenierte[n] Konsens“ 1669, der nicht mit dem tatsächlichen Meinungsbild der Anwesenden gleichgesetzt

1 668 Policraticus, ed. Keats-Rohan III, 10, S. 203 – 204 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 203 f.). 1669 Theo Kölzer: Der Hof Friedrich Barbarossas und die Reichsfürsten, in: Weinfurter: Stauferreich, S. 13. Ähnliches ist auch bei anderen Erzeugnissen der kaiserlichen Kanzlei zu beobachten. Siehe Uebach: Ratgeber, S. 269: „Der Betrachter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese, auf der Ebene der institutionalisierten Repräsentation des Hofgerichtes getroffenen Beschlüsse bereits im Vorfeld von Friedrich und seinen Ratgebern vorbereitet worden waren. Auf die im 12. Jahrhundert grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Herrschers, das Hofgericht durch zielgerichtetes Befragen und unter Ausnutzung des sich aus dem Wechselspiel von Rechtsauskunft heischender Frage und Rechtsauskunft selbst ergebenden Gestaltungsspielraumes zur rechtlichen Sanktionierung eigener politischer Ziele zu instrumentalisieren, hat Hanna Vollrath überzeugend hingewiesen. In ­diesem Lichte betrachtet, spiegeln auch die Testatlisten der zu den Hofgerichtsurteilen von Friedrich herausgegebenen Urkunden eher einen ‚inszenierten Konsens‘ wider, als daß in ihnen der ‚fixierte Konsens‘

Die argumentative Dekonstruktion des ‚Schauspiels‘ von Pavia

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werden darf.1670 Es herrschte Verwirrung in Pavia und der Prozess der Entscheidungsfindung lief nie so glatt ab, wie es hier von kaiserlicher Seite suggeriert wurde. Quia sedis dokumentiert damit nicht den Konsens. Es inszeniert ihn. Johannes’ äußerst kritischer Blick auf die rechtlichen und ethischen Grundlagen der Paveser Synodalerlasse und ihrer Beschlussfindung zeigt, dass Quia sedis nicht nur geschluckt wurde. Man war sich tief bewusst, ­welche Prozesse und Intentionen hier in Gang gesetzt worden waren. Dies war auch der Grund, aus dem die kaiserliche Perspektive in London in Auseinandersetzung mit anderen, greifbaren Dokumenten diskutiert und schließlich verworfen wurde. All die von Johannes aufgezählten Unregelmäßigkeiten machten Pavia für die englische Öffentlichkeit zur Posse, zum conuenticulum, zum Scheinbild eines Konzils. Hinter all dem vermutete man im Sommer 1160 nunmehr die überragende Figur des Kaisers. Neben dieser treibenden Kraft der antialexandrinischen Verschwörung war der imperiale Marionettenpapst in den Hintergrund getreten. Es gibt keinen Hinweis in unabhängigen Quellen, ob Johannes’ Überzeugungen bei ihrem Adressaten bleibenden Eindruck hinterließen oder gar über dessen Person hinaus Verbreitung fanden. Eindeutig ist aber, dass der Brief auf seinen rechtskundigen Adressaten zugeschnitten war. Dass das London-Manifest Arnulfs von Lisieux und ­dieses sehr persönliche, persuasive Dokument des Johannes von Salisbury ähnliche Gedanken teilen, kann Hinweise auf die Sicht der englischen K ­ irche über das Schisma geben. Obgleich in Grundzügen der kurialen Perspektive geschuldet, ging sie in ihrer propagandistischen Implementierung viel tiefer. Mit wachem Auge erkannte man so weitere Unstimmigkeiten, die die Gegenseite diskreditieren konnten. In London wurde auch durch Arnulf von Lisieux ein Bild des Schiedsgerichts in der Lombardei als eines kirchenrechtlich unstatthaften, da von einem Laien einberufenen und repräsentativen, durch kaiserlichen Druck beeinflussten Minoritätsbeschlusses vermittelt. Unter unfairen Prozessbedingungen sei ein rechtmäßig Exkommunizierter als Oberhaupt der ­Kirche anerkannt worden. Aufgrund dieser rechtlichen wie moralischen Anschuldigungen könne nichts die Rechtmäßigkeit Alexanders III. als römischer pontifex erschüttern. Auf der anderen Seite war man überzeugt davon, dass die kaiserliche Entgleisung ernste Auswirkungen nach sich zog:

der allgemeinbei Hofe beratenden Großen zu sehen wäre.“ Für die Dokumente zum Hoftag zu Würzburg ist Hannah Vollrath zu ähnlichen Ergebnissen gekommen: Vollrath: Lüge. 1670 Zur Inkongruenz ­zwischen den Aussagen der Synodalenzyklika und der tatsächlichen Obödienz der Bischöfe siehe die Beispiele bei Reuter: Schism, S. 240 – 242.

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Die Einordnung der staufischen Politik

Nonne princeps ille, cui similem a multo tempore Roma non habuit, cuius dominus apprehendisse dexteram dicebatur, cuius fere usque ad remota orientis terror excesseat, a die susceptionis Octauiani diuino cepit iudicio reprobari, adeo ut hii, quos ante securos menia non reddebant, congredi cominus ausi sint, et ei de prosperitate successum insultare?1671

Der Widerstand der Mailänder gegen die Militärgewalt des mächtigen Staufers schien Arnulf von Lisieux als göttlicher Gnadenentzug. Der erneute Verweis auf die Knechtschaft des Volkes Israel und den Widerstand als rettendes Z ­ eichen des strafenden Gottes (Ex 8,19), in den Arnulf diese Idee kleidete, rückte den römischen ­Kaiser einmal mehr in die Nähe biblischer Tyrannenfiguren und zeichnete eine düstere Zukunft für die einst so beeindruckende Größe des Herrschers. Dergestalt sah man im angevinischen Reich wie an der alexandrinischen Kurie Friedrichs Rolle im Schisma am Ende des Schicksalsjahres 1160, das dem Königreich England, der Normandie und den übrigen kontinentalen Besitzungen Heinrichs II. die Entscheidung über die Frage nach dem rechtmäßigen Papst bringen sollte. Nicht ganz willkürlich wurde der römische K ­ aiser zum despotischen Feind der K ­ irche unter Alexander III. stilisiert. Eine Darstellung, die Alexanders Biograph Boso in seiner Vita Alexandri fachmännisch ausarbeitete.1672 In seiner quellenkritischen Untersuchung der literarischen Verformung durch den ehemaligen Kämmerer stellt Peter Munz dar, das von Boso angewendete literarische Schema des Kampfes K ­ aiser gegen Papst, Gut 1673 gegen Böse, habe „keinen zweiten Bösen dulden“  können. Daher s­ eien die Handlungen Heinrichs II. beschönigt worden. Boso, Kardinalpresbyter von S. Pudenziana, schrieb seine Papstvita in der Mitte der 1160er Jahre, der Hochphase deutsch-englischer Annäherung und des Becketdisputs. War der Ursprung d­ ieses Musters vom uneinsichtigen und vom reuigen Bösen in der kurialen Historiographie in den damals neu aufgebrochenen Streitfragen ­zwischen regnum und sacerdotium zu suchen oder übernahm Boso das Motiv aus älteren Vorstellungswelten, die bereits zu Beginn des Schismas, in der Frage nach dem legitimen Stellvertreter Petri entstanden? Es wird Zeit, der Frage nachzugehen, w ­ elche Rolle der englische Herrscher selbst in Schisma und Anerkennung Alexanders III. spielte, ob diese von königsnahen wie dem Hof ferner stehenden Zeugnissen in ähnlichem Licht gesehen wurde und ob die gestiegene Brisanz der 1160er Jahre letzten Endes eine qualitative Wende im Heinrichbild der englischen Briefquellen nach sich zog. 1 671 AvL Ep. 29, S. 47. 1672 Vgl. Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne. Ausführend dazu die Einleitung in Boso Vita Alexandri, ed. Munz/Ellis sowie die Aufsätze von Engels: Kardinal und Munz: Papst. 1673 Ebd., S. 127.

3.  Perspektiven auf die Schismapolitik König Heinrichs II. Plantagenêt Bosos Alexandervita, eine der wichtigsten Quellen zur Schismengeschichte der zweiten Jahrhunderthälfte, streift nur an einigen Stellen die Handlungen des Königs von England in der frühen Phase seiner Positionsfindung – und ausschließlich in Kontexten positiver Natur: die Anerkennung Alexanders als Oberhaupt der ­Kirche, Heinrichs beherztes, situationsentscheidendes militärisches Eingreifen gegen das kaiserliche Aufgebot, das seinen königlichen Lehnsherrn Ludwig VII. nach den gescheiterten Verhandlungen an der Saône bedrohte, die feierliche Ehrerbietung gegenüber ­Alexander mit dem symbolträchtigen Fußkuss in der Abtei von Déols sowie seine Ermutigung der päpstlichen Rückkehr nach Rom.1674 Bosos Blick ist selektiv. Der Plantagenêt ist der Herrscher, der mit allen Mitteln – ob durch Symbolpolitik, Rat oder Hilfe in schwierigen Situationen – die alexandrinische Sache in der angevinischen Domäne fördert. Kein Wort über die englische Präsenz auf dem so verabscheuten Konzil von Pavia und nicht der kleinste Hinweis auf ein Zögern des Angevinen bei seiner Entscheidung für einen der Kandidaten. Bosos Heinrich ist Alexandriner. Bedingungslos. Worüber die historiographische Tradition der alexandrinischen Kurie hinwegging, konnte vom tagesaktuellen Diskurs der zeitgenössischen Korrespondenz nicht so leicht ignoriert werden. Die anglonormannische Auseinandersetzung mit der brennenden Papstfrage und ihrer Beantwortung war für Alexander III. politisch überlebenswichtig. Obwohl die Teilnahme französischer und englischer Gesandter am Konzil von Pavia das Interesse beider Länder am Verlauf der kirchenpolitischen Krise bezeugte, machte der andauernde angevinisch-kapetingische Gegensatz auf dem Festland trotz des Ende 1159 geschlossenen Waffenstillstands auch noch am Anfang des Folgejahres für beide Seiten eine Entscheidung im Alleingang unmöglich. Solange noch kein starker Westblock begründet worden war, war das Risiko einer Verschärfung des militärischen und politischen Antagonismus durch einen Anschluss des Gegners an das Heilige Römische Reich zu groß. Zwar verbreitete eine Fassung des Paveser Synodalprotokolls, der König von England habe durch Legaten und Briefe den Beschlüssen der Synode zugestimmt, doch ist dies unglaubhaft.1675 Von größerer Plausibilität und Öffentlichkeitswirksamkeit ist 1 674 Vgl. Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 403, 407 – 408, 412. 1675 Vgl. MGH Const. 1, No. 190, S. 270.

454 Perspektiven auf die Schismapolitik König Heinrichs II. Plantagenêt

ein Rapport Eberhards von Bamberg an den gleichnamigen Erzbischof von Salzburg, aus dem hervorgeht, dass beide Herrscher nicht von ihrer Neutralität abweichen wollten, bis sie Rücksprache mit den Legaten des Kaiserhofes gehalten hätten.1676 Dabei soll Heinrich dem Vorbild Ludwigs VII . gefolgt sein. Machtpolitisch gesehen waren dem Kapetinger die Hände gebunden. Zukunft und Friede von ­Kirche und Reich hingen im Westen vor allem von der Entscheidung Heinrichs II . ab. An Kaiserhof und alexandrinischer Kurie war man sich bewusst, dass die wichtigste Grundvoraussetzung für eine dauerhafte Klärung der Papstfrage ein Friedensschluss der befeindeten Westreiche war, da nur ein erstarkter westlicher Machtblock dem Kaiserreich entgegentreten konnte. Beide Seiten unternahmen daher früh Anstrengungen in diese Richtung. So brach wenige Tage nach der Doppelwahl, im September 1159, auf kaiserliches Geheiß Pietro Toscani, der Bischof von Pavia auf, um England und Frankreich über die kirchenpolitische Lage zu unterrichten und Friedensgespräche in Gang zu bringen. Mit sich führte er die Einladung zum kaiserlichen Schieds­gericht in der Lombardei, in der Friedrich I. die Könige bat, bis zur Beschlussfassung des Konzils keiner Partei den Vorzug zu geben.1677 Dass dieser Schritt eine Reaktion auf separate Unterstützungsgesuche von englischer und französischer Seite war, zeigt den nicht zu unterschätzenden Einfluss des römischen Kaisers auf beide Höfe.1678 Auch Alexander III . blieb nicht untätig. Noch im Dezember 1159 schickte er Heinrich von SS. Nereo e Achilleo und Oddo von S. Nicola in Carcere Tulliano über die Alpen, deren vorrangige Aufgabe die Gewinnung der Westkönige für die alexandrinische Sache war.1679 Im Februar 1160 begannen die Kardinäle auf französischem Boden ihre Mission. Anfängliche Rückschläge in Cluny wog die finanzielle, moralische und organisatorische Unterstützung des Bischofs Heinrich von Beauvais auf, der als Bruder Ludwigs VII. eine starke Stimme am französischen Hofe war. Zudem bot die Grenznähe des Bistums ideale Voraussetzungen, sich den proviktorinischen Neigungen im Osten Frankreichs entgegenzustellen.1680 1676 MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 50, S. 100: Nuncius regis Francorum promisit pro eo neutrum se recepturum, usque dum nuncios domini imperatoris recipiat. Nuncius regis Anglorum idem velle, idem nolle. Promisit tam in his quam in aliis. 1677 Vgl. MGH Const. I, Nr. 183, S. 255. 1678 Zur Gesandtschaft siehe Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, IV, c. 24, S. 267. Ebenso Friedrichs Brief an Erzbischof Eberhard von Salzburg in MGH Const. 1, No. 181, S. 252. 1679 Zu Mission, Reiseweg und Handlungen der Gesandtschaft siehe Ohnsorge: Legaten, S. 15 – 44 und Janssen: Legaten, S. 61 – 78. 1680 Vgl. Ex Hugonis Pictavini Libro de Libertate Monasterii Vizeliacensis, in: MGH SS 26, S. 145. Die Rolle des Bischofs von Beauvais im Schisma beleuchtet Falkenstein: Alexandre.

Die argumentative Dekonstruktion des ‚Schauspiels‘ von Pavia

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Von hier aus expedierten die Kardinäle mit Beistand des an beiden Höfen ein und aus gehenden Diplomaten Philipp von l’Aumône ein Apud sapientiae filios inzipiertes Rundschreiben, das sich als eine Art westliches Pendant zum italienischen Kardinalsschreiben Moerore simul an die französische Landeskirche richtete.1681 Darin nahmen sie noch einmal ausführlich zur angeblichen Rechtmäßigkeit Alexanders Stellung und richteten sich gegen die seit März 1160 im Umlauf befindlichen Pavia-Proklamationen aus dem kaiserlichen Lager.1682 Dass Alexander Sorge dafür getragen hatte, dass noch vor Ankunft der päpstlichen Legation mit Philipp von l’Aumône und Arnulf von Lisieux die ersten Fürsprecher den Weg für weitere Verhandlungen bereiteten, demonstriert, wie wichtig die Vertretung der alexandrinischen Sache am englischen und französischen Hof war.1683 Eile war geboten. Ende Februar, Anfang März 1160 hatte Friedrich von der Belagerung Cremas seinerseits eine zweite hochkarätige Gesandtschaft, bestehend aus seinem Reichskanzler Erzbischof Rainald von Dassel, Graf Adolf von Schauenburg und Bischof Garsidonius von Mantua, nach England entsandt.1684 Im Gepäck trugen die Männer eben jene kaiserlichen litterae, von denen Arnulf von Lisieux zu berichten weiß.1685 Unter diesen Umständen konnten alle propagandistischen und moralischen Bemühungen nur fruchten, wenn auch politische Taten folgten. Einen großen Beitrag auf dem Weg dorthin lieferte Wilhelm von Pavia, Kardinalpresbyter von S. Pietro in ­ lexanders Wahl war bereits Mitte Dezember auf Beauvais als Langzeitstation seiner LegaA ten gefallen. Siehe JL 10600, 10636 und 10660: Ex eorundem etiam cardinalium relatione cognovimus, quanto tempore eos et familias ipsorum in domo propria retinueris et expensis tuis quam late, quam liberaliter procuraveris et quanta eos studueris charitatis affectione tractare. 1681 Vgl. Bouquet 15, Nr. 11 und Moerore simul, ed. Watterich. 1682 Vgl. MGH Const. 1, Nr. 189 bzw. 190. 1683 Sein Bericht an Alexander III.: Bouquet 15, Nr. 18. 1684 Belege hierfür sind zahlreich: Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, IV , cap. 82 und 84, S. 339 und 341, Helmolds Slavenchronik (Helmoldi presbyteri Bozoviensis Cronica Slavorum), ed. Bernhard Schmeidler, Hannover 1937 (MGH SS rer. Germ., 32); Vincentii Pragensis Annales, in: MGH SS 17, S. 679; Richard Knipping (Hg.): Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter. Teilband: 2, Bonn 1901 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, 21), Nr. 700 f. Weitere Belege siehe RI IV,2,2 n. 848. Auch die englische Historiographie belegt für die Zeit nach Pavia diplomatische Kontakte ­zwischen dem Kaiserhof und der curia regis: RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 303; GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 167; SvGembloux Continuatio Aquicintina, ed. Bethmann, S. 409; WvNewburgh Historia, ed. Howlett, S. 120 sowie die entsprechende Anmerkungen in der Korrespondenz des Erzbischofs Theobald von Canterbury. Siehe JvS I, Ep. 121 (S. 200) und Ep. 122 (S. 202). 1685 Vgl. AvL Ep. 24, S. 33.

456 Perspektiven auf die Schismapolitik König Heinrichs II. Plantagenêt

Vincoli und Teilnehmer des Konzils von Pavia, der die alexandrinische Zweierlegation in dieser Zeit verstärkte.1686 Als erfahrenster unter den drei Kardinälen war es wahrscheinlich in großen Teilen seiner diplomatischen Gewandtheit zu verdanken, dass der ersehnte Frieden für die Königreiche im Mai den Weg frei machte, sich verstärkt den drängenden kirchenpolitischen Fragen zu widmen.1687 In Westeuropa hatte Alexander III . einen besseren Stand als sein Kontrahent. Die Verbreitung der viktorinischen Position war, abgesehen von der Initiative des Kaisers in Form der Gesandtschaften und seines Briefes an den englischen Hof, nicht in systematischer Weise erfolgt. Durch die Verbreitung seiner eigenen Wahlanzeige, die propagandistische Tätigkeit seiner Kardinäle und Anhänger vor Ort sowie die Unterstützung der Zisterzienser und Kartäuser hatte Alexander im Gegenzug wertvolle Vorarbeit geleistet. Nichtsdestotrotz konnte die viktorinische Opposition und die Gruppe derer, die eine Vertagung der Entscheidung bevorzugten – darunter das mächtige Cluny und einige englische Bischöfe – nicht ignoriert werden.1688

3.1  Das Königreich England zwischen Informationsmangel und dem Ringen um königliche Positionierung Zu dieser Zeit berichten Arnulf von Lisieux und Philipp von l’Aumône unabhängig voneinander von positiven Reaktionen des englischen Königs auf ihre Avancen. Von einer „begeisterten Huldigung“ 1689 wie sie Hermann Reuter Ende des 19. Jahrhunderts proklamierte, kann jedoch nicht die Rede sein. So bemüht Arnulf von Lisieux 1686 Zur Person siehe Barbara Zenker (Hg.): Die Mitglieder des Kardinalskollegiums von 1130 – 1159, Diss. phil. Julius-Maximilians-Universität, Würzburg 1964, S. 118 – 123; Madertoner: Papstwahl, S. 77 – 89. 1687 Die Chronik der Abtei Vézelay berichtet vom Empfang aller drei Legaten auf ihrem Weg nach Beauvais: HvPoitiers Historia Vicelicensis, ed. Waitz, S. 145. Wilhelms Rolle in Pavia war umstritten. Siehe Madertoner: Papstwahl, S. 83 – 89 und JvS I, Ep. 124, S. 210 f. Zum Maifrieden vergleiche RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 327. 1688 Cluny verweigerte den Empfang der alexandrinischen Kardinäle: HvPoitiers Historia Vicelicensis, ed. Waitz, S. 145. Zu den Positionierungsschwierigkeiten des Mutterklosters im Schisma siehe Giles Constable: The Abbots and Anti-Abbot of Cluny during the Papal Schism of 1159, in: Rev. Ben. 94, 3 – 4 (1984), S. 370 – 400. Zur englischen Situation: JvS I, Ep. 124, S. 215. Zur Identität weiterer Viktoriner siehe Annales Cameracenses auctore Lamberto Waterlos a. 1099 – 1170, in: MGH SS 16, S. 543 und die Berichterstattung Fastrads von Clairvaux in MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 70. 1689 Vgl. Reuter: Geschichte I, S. 97.

Zwischen Informationsmangel und Ringen um Positionierung

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ist, Heinrich als Alexandriner zu zeigen, so offen ist er bezüglich der vorgefundenen Rahmenbedingungen seiner Überzeugungsarbeit: Ex quo etenim promotionis uestre auribus nostris ueritas et opposite presumptionis error innotuit, festinaui ad nostri notitiam principis id perferre, ut uacantem animum eius fauore uestro quibus debebam persuasionibus occuparem, ne nos qualibet occasione malignitatis astutia preueniret. Facilius etenim est animos occupare uacantes, quam ipsos a conceptis affectibus reuocare. Hesit ille aliquamdiu; sed statim operante spiritus sancti gratia confirmatus, nullum se alium quam uos suscepturum hylari constantia constantique simul hylaritate promisit.1690

Arnulfs Beteuerung gegenüber den Kardinälen, den König in seiner alexandrinischen Überzeugung ‚gefestigt‘ zu haben, impliziert auf dessen Seite eher momentanen Unwillen oder eine gewisse Unentschlossenheit bezüglich der alexandrinischen Sache als eine absolute Parteinahme des Königs. Arnulf von Lisieux könnte die Effizienz seines Wirkens damals oder nachträglich in gewissem Maße übertrieben oder stilisiert haben, doch seine Betonung gegenüber dem Kardinalskollegium, dass Drängen und inständiges Bitten vonnöten gewesen s­ eien, um die königliche Gunst für Alexander zu gewinnen, ist im Kern sicher mehr als reiner Topos.1691 Heinrich II., der sich offenbar noch im Prozess der Entscheidungsfindung befand, habe lange Zeit gezögert, welchem Kandidaten der Vorzug zu geben sei.1692 Was ­dieses Zögern bedingte, ist schwer auszumachen. Es ist davon auszugehen, dass es eher die Staatsräson der gegenwärtigen Situation als eine harte, ablehnende Haltung gegenüber den Ansprüchen Alexanders III. war. Die Obödienzentscheidung in einem Schisma erfolgte für einen Monarchen auch immer nach politischer Großwetterlage und solange die Frankreichfrage noch nicht geklärt war, konnte noch kein Entschluss fallen. Hätte er den Plantagenêt von einer viktorinischen Neigung zu einer bekundeten Anerkennung Alexanders umgestimmt, hätte ein geltungssüchtiger Prälat wie dem Bischof von Lisieux dies gegenüber der alexandrinischen Kurie sicherlich positiv herausgestellt. In jedem Fall war Heinrichs Unentschlossenheit wohl eher politischer Unsicherheit als persönlichem Informationsmangel geschuldet, war doch im Oktober oder November die kaiserliche Partei bereits durch imperiale Abordnung unter dem Paveser Bischof Petrus vorstellig geworden.1693

1 690 AvL Ep. 24, S. 32 f. 1691 Vgl. AvL Ep. 23, S. 30. 1692 Vgl. AvL Ep. 24, S. 33. 1693 Ebd.

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Am Ende stehen von den Quellen aufgebauschte, aber eher vage mündliche Bekenntnisse einer alexandrinischen Tendenz. Arnulf behauptet, der König habe unter Einwirkung des Heiligen Geistes gelobt, niemand anderem als Alexander anzuhängen. Ähnliches berichtet Philipp von l’Aumône:1694 literas vestras […] ipse [i. e. der König] benigne suscipiens, habita cum suis et nobiscum deliberatione, vos in patrem spiritualem summumque Pontificem cum omni alacritate susceptum, obsequium et obedientiam suam per nos humiliter repraesentat […].1695 So schwer ein ausgesprochenes Bekenntnis des englischen Königs auf dem Kontinent wiegen mochte, so wenig war ein solches in seinem eigenen Reich bekannt. Während all der Monate bis zum angevinisch-kapetingischen Friedensschluss und noch darüber hinaus wurde es nicht durch ein offizielles Edikt bestätigt. Die eilige Versicherung, dass der Plantagenêt jedoch weder sich persönlich noch seinem Umfeld Zurückhaltung in der Verehrung gegenüber Alexander auferlegt habe, hat den deutlichen Beigeschmack einer Rechtfertigung. Sie ist der erste Hinweis, dass die mangelnde Verbindlichkeit des Königs und das Fehlen eines öffentlichen, rechtsbindenden Bekenntnisses zu Alexander, ein Makel in den Beziehungen ­zwischen England und dem Apostolischen Stuhl, auch von dem normannischen Bischof als unangenehmer, wenn nicht quälender Umstand empfunden wurde, der dringend nach näherer Erläuterung verlangte. Wie ein roter Faden durchziehen Arnulfs Rechtfertigungsbemühungen des in kirchlichen Kreisen unpopulären herrscherlichen Handelns bis zu Alexanders endgültiger Anerkennung durch die Westkönige die Schismakorrespondenz. Zur Entlastung seines Königs versichert Arnulf zunächst, dieser habe wohlwissentlich eine öffentliche Stellungnahme unterlassen, um weder den Eindruck zu erwecken, den K ­ aiser vor den Kopf zu stoßen, noch durch äußere Einflussnahme eine überhastete Entscheidung getroffen zu haben.1696 Dass auch diplomatische Erwägungen den Herrscher veranlasst hatten, sich noch nicht an einen Kandidaten zu binden, entbehrt nicht einer gewissen politischen Logik. Seit 1157 hatten freundschaftliche Beziehungen ­zwischen dem angevinischen und dem Stauferreich bestanden. Es waren nicht nur reger diplomatischer Verkehr gepflegt oder Gaben ausgetauscht worden, sondern englische Gesandte hatten dem Hoftag von Besançon und einem kaiserlichen Reichstag in Würzburg beigewohnt.1697 Bei Erfolg des kaiserlichen Einwirkens auf den 1 694 1695 1696 1697

Vgl. ebd. Bouquet 15, Nr. 18, S. 762. Vgl. AvL Ep. 24, S. 33. Vom Beiwohnen englischer Gesandter und den dem ­Kaiser überrechten Geschenken zeugt Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, III, cap. 8 – 12, S. ab S. 171. Zu den deutschenglischen Beziehungen vor und während des Schismas siehe Georgi: Friedrich. Kronzeuge zum angevinisch-staufischen Verhältnis 1157 ist ein Brief Heinrichs an Friedrich I.,

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Angevinen hätte dies den Gewinn weiterer insularer und kontinentaler Domänen für Viktor IV. bedeutet. Ein Schulterschluss mit dem Reich – eines der großen Risiken für Alexander – war zu Beginn des Schismas denkbar. Dementsprechend hilflos erscheint der Versuch in Benedictus deus die diplomatischen Takt- und Anerkennungsgesten des Königs über einen öffentlichen Beweis alexandrinischer Obödienz zu stellen. Sicher wäre eine Brüskierung Barbarossas und seiner Gesandten durch direkte Gegenpositionierung kontraproduktiv gewesen, doch worin genau der Mehrwert der nicht näher bestimmten alexandertreuen Handlungen Heinrichs II. gegenüber einem rechtlich bindenden Erlass für das ganze Königreich bestand, kann Arnulf nicht erklären. In England und der Normandie, wo man sehr deutlich das Manko eines fehlenden Edikts gespürt haben musste, wird es der ­Kirche schwergefallen sein, einen Vorteil in der königlichen Kirchenpolitik zu sehen. Nicht von ungefähr versicherte auch Philipp von l’Aumône, dass ein weiterer ernsthafter Schritt, nämlich eine baldige englische Gesandtschaft an die alexandrinische Kurie, folgen würde.1698 Trotz allem überschäumenden Optimismus, den Alexanders Fürsprecher verbreiten wollte, hatte Arnulf bei Heinrich II. nicht viel mehr erreicht als Worte. Die Behauptung, Heinrich habe durch die moralisch vorbildliche Tat effektiver wirken wollen als durch einen Erlass, dient eher der Verschleierung der ernüchternden Tatsache, dass die Würfel noch nicht zugunsten des Sienesers gefallen waren. Arnulf hatte keine andere Wahl als dem Vorwurf der Tatenlosigkeit auf der moralischen Ebene und dazu mit einer gewissen Unschärfe zu begegnen. Es sind nicht virulente politische Vorbehalte, mit denen er versucht, Alexanders Verständnis für eine verzögerte Bindung an ihn zu erlangen. Eine ehrliche Gesinnungsäußerung, so die fragwürdige Logik des Normannen, sei mehr wert als ein schriftliches Lippenbekenntnis. Wer auch an ihn herantrete, Heinrich würde sich nicht vom rechten Weg abbringen lassen.1699 Nur einen Satz ­später enttarnt Arnulf allerdings die Illusion durch seine der lange als Unterordnung des Angevinen unter staufische Oberhoheit verstanden wurde: Excellentiae vestrae quantas, ed. Waitz/Simson. Zu dessen Einordnung siehe Leyser: Hand oder Karl J. Leyser: Frederick Barbarossa, Henry II and the Hand of St. James, in: ders. (Hg.): Medieval Germany and its Neighbours. 900 – 1250, London 1982 (History Series, 12), S. 215 – 240, der zeigen konnte, dass die entsprechende Passage eine rhetorische Überdeckung der eigentlichen Botschaft (i. e. der Ablehnung einer Reliquienrückerstattung durch den englischen König) war. Über die Praxis des Gabenaustauschs am englischen Hof informiert Sybille Schröder: Macht und Gabe. Materielle Kultur am Hof Heinrichs II. von England, Husum 2008 (Historische Studien, 481). 1698 Vgl. Bouquet 15, Nr. 18, S. 762. 1 699 Vgl. AvL Ep. 24, S. 33.

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Beteuerung, er habe es sich zur Aufgabe gemacht, den verschlagenen Einflüsterungen der Gegenseite entgegenzutreten und den Herrscher auf dem rechten Weg zu halten.1700 Von einer alexandrinischen Überzeugung bei Hofe konnte keine Rede sein und auch die optimistische Grundeinstellung des Normannen bildete wohl eher den Versuch, Alexander zu ermutigen, als dass sie eine tatsächliche Ausgangslage abbildete. Alexander III. jedenfalls sah ausreichend Handlungsbedarf am englischen Hof, um Arnulfs Mandat dort zu verlängern. Eine weitere Reaktion des Plantagenêt deutet tatsächlich darauf hin, dass Heinrich das kaiserliche Gesuch um Zurückhaltung in der Schismafrage – ob aus Kongruenz mit eigenen politischen Interessen oder aus Rücksichtnahme auf das Verhältnis zum Reich – ernst nahm. Denn im Dezember 1159 folgten der mündlichen Obödienzerklärung Taten in Form eines im normannischen Falaise ausgestellten Mandates, in dem der König dem Erzbischof von Canterbury und dem englischen Klerus befahl, bis auf Weiteres Neutralität zu wahren. Um ihre kirchenpolitische Unparteilichkeit zu gewährleisten, untersagte er sämtliche Appellationen nach Rom, was die englische Landeskirche bis zur endgültigen Entscheidung des Königs von jeglicher päpstlicher Rechtsprechung isolierte.1701 Dabei war diese Kontinentalsperre keinesfalls eine „zeitweilige Überdeckung des getroffenen Entschlusses“ 1702 zugunsten Alexanders III . Spätestens als Heinrich Mitglieder des Hochklerus, die sich in vorpreschendem Eifer ­diesem Gebot widersetzt hatten, mit empfindlichen Strafen belegte, wurde deutlich, dass er sich die freie Hand in der Papstfrage vorbehielt und keine Zuwiderhandlung duldete.1703 Die Strategie ging auf seinen Großvater Heinrich I. zurück, der im Alleingang und ohne Konsultation der K ­ irche im Januar 1131 Innozenz II. in Chartres

1700 Vgl. ebd.: Mei autem studii erit omnes circa eum quasi uigilias obseruare, ne ora loquentium iniqua conualeant, sed ipse in uestra, sicut semel incepit, obedientia perseueret. 1701 Vgl. Saltman: Theobald, S. 543: Et quia similis scissura fidei contraria tempore avi mei Henrici regis in apostolica sede accidisse dinoscitur, et ipse sicut catholicus princeps et sapiens neutri electo sine sano et salubri consilio assensum prebere festinavit, mando vobis et precipio quatinus nautri [sic] de supradictis electis assentiatis vel obediatis neque occasione hujus negotii sive appelacionis Angliam exeatis, donec ex maturo sicut decet consilio […], quid mihi et vobis super hac re agendum sit certius intelligamus et vobis notificemus. 1702 Reuter: Geschichte I, S. 97. 1703 Erzbischof Hugo von Rouen und der Bischof von Le Mans, Wilhelm von Passavant, die eigenmächtig Alexander III. proklamiert hatten, zog Heinrich II. auf der Synode von Neufmarché mit drakonischen Maßnahmen zur Verantwortung: FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 27 f. Quellenkritisch bedenklich ist deren Stilisierung des damaligen Kanzlers Becket als Nothelfer der vom Herrscher bedrängten Bischöfe. Siehe Cheney: Recognition, S. 485 und Soria Audebert: Temps.

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anerkannt hatte.1704 Tatsächlich gehörte die Kirchenpolitik im anglonormannischen England zu den essenziellen Domänen des Königtums. Seit 1156 focht Heinrich für die Wiederherstellung des aus normannischer Zeit stammenden Prärogativs ­Wilhelms des Eroberers und seiner Söhne, darüber zu entscheiden, welchem Kandidaten auf das apostolische Amt die Unterstützung der englischen ­Kirche zukommen solle.1705 Ein weiteres von ihm verfochtenes Kronrecht, die Durchführung von Synoden, sollte wenige Monate s­ päter in London greifen.1706 Bis dahin jedenfalls verfolgte der Angevine nicht die Absicht, seine Landeskirche in einem bilateralen Diskurs an seiner Entscheidung partizipieren zu lassen. Darf man den wohl hyperbolischen Ausführungen Bischof Arnulfs und Philipps von l’Aumône Glauben schenken, sandte Heinrich II. also in Bezug auf seine kirchenpolitische Überzeugung widersprüchliche Signale aus, die einen prekären Schwebezustand für die ecclesia Anglicana nach sich zog. Zieht man die Korrespondenz des englischen Primas als Maßstab für die Informationslage auf der Insel heran, scheint das Edikt des Königs zunächst die einzige Grundlage gewesen zu sein, auf die die ecclesiae Anglicana ihre Reaktion auf die schwierigen Verhältnisse gründen konnte. Dies stellte den Erzbischof von Canterbury und seine Landeskirche vor enorme Probleme. Die damalige Korrespondenz Theobalds von Canterbury mit seinem auf dem Festland kriegführenden König ist erfüllt von flehentlichen Bitten, seine Aufmerksamkeit zum Wohl seines Reiches und der englischen ­Kirche auf die Papstfrage zu richten.1707 Solange militärische Anforderungen den König auf dem Kontinent hielten, nahm Englands oberster Bischof das Vakuum und die Orientierungslosigkeit, die von der Abwesenheit des Herrschers ausgingen, in Kauf. Deutlich verlangender wurde er allerdings, als durch den angevinisch-kapetingischen Friedensschluss die größte 1704 Vgl. Saltman: Theobald, S. 50 mit Bezug auf William of Malmesbury. Historia novella. The Contemporary History, ed. Edmund King, Oxford 1998 (OMT) I, 7, S. 19; Henry, Archdeacon of Huntingdon. Historia Anglorum. The History of the English People, ed. Diana E. Greenway, Oxford 1996 (OMT) VII, 41, S. 486 f und Orderici Vitalis Historia Ecclesiastica. The Ecclesiastical History of Orderic Vitalis. Bd. 6, ed. Marjorie M. Chibnall, 6 Bde., Oxford 1978 (OMT) XIII, 11, S. 420 f. 1705 Den königlichen Rechtsanspruch bei Wilhelm dem Eroberer, über den rechtmäßig anzuerkennenden Papst zu entscheiden, bezeugen Eadmeri Historia Novorum in Anglia et Opuscula duo de Vita Sancti Anselmi et quibus Miraculis ejus, ed. Martin Rule, London 1884 (RS, 81) und Anselms Brief an Papst Paschalis in S. Anselmi ex Beccensi abbate Cantuariensis archiepiscopi opera omnia. Bd. 2: Eadmeri Monachi Historia Novorum et alia opuscula, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1854 (Migne PL, 159). 1706 Vgl. Foreville: Église, S. 87, 93. Neben dem ausschließlichen Recht auf Aburteilung von Kronvasallen oder dem placet-Recht des Appellationsverkehrs z­ wischen der Insel und Rom. 1707 Vgl. JvS I, Ep. 116, S. 190 f. oder JvS I, Ep. 121, S. 200.

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politische Hürde genommen war. England und seine leidenden Untertanen, mahnte er, stellten nun die drängendste Verpflichtung des Königs dar.1708 Der Frieden, dessen Wahrung in Heinrichs Obhut lag, sei durch seinen Aufenthalt in den Kontinentalbesitzungen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass sich alle sehnten, den König in persona wiederzusehen: Ceterum quia in absentia uestra nec spes quietis est conterraneis nostris, uultum uestrum desiderat uniuersa terra. […] Supplicamus itaque maiestati uestrae ut uobis placeat quod placere Domino arbitramur, et ut redeatis ad peculiarem populum uestrum pro cuius necessitate et precibus pacem uobis a Domino credimus undique reformatam.1709

Da England unter der unklaren Sachlage und Orientierungslosigkeit des Episkopats leide, müsse ein langwieriger Entscheidungsprozess auf Seiten des Königtums zwangsläufig mit den praktischen Anforderungen des Primatialamts kollidieren und riskiere, dass es die englische Landeskirche nach römischem Vorbild zerreiße. Ein Bruch, der sich mit all seinen zu erwartenden Negativfolgen schnell zu einem Zusammenprall von Königtum und ­Kirche ausweiten und zweifelsohne im Interesse keiner Partei liegen könne.1710 Zwischen dem Maifrieden und der Einberufung des Londoner Konzils entstand eine Serie von nicht weniger als vier in kurzer Folge versandten Briefen, in denen Theobald immer wieder die Notwendigkeit einer besonnenen, unabhängig von externen Faktoren getroffenen Entscheidungsfindung hervorhob.1711 Die von Johannes von Salisbury formulierte Betonung einer von Respekt und Nähe geprägten Kooperation ­zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt, Klerus und König als einziges Mittel zur Gewährleistung von Ruhe und Frieden im Königreich setzte nach polikratischer Vorstellung der Verbindung von regnum und sacerdotium voraus, dass der Herrscher klerikale Weisungen aktiv und auf freiwilliger Basis befolgte.1712 Eine ­solche war auf Königsseite damals nicht zu erkennen. 1708 Vgl. Ebd., S. 199: Qui non spernit pauperum preces misericors et miserator Dominus ecclesiae suae gemitus exaudiuit, et per gratiam suam uobis restituit pacem quam possitis ut oportet restituere subditis uestris. Iustum enim est ut sint consolationum participes qui contriti sunt in laboribus uestris, et qui uestrum facultates, corpora et animas exposuerunt ad libitum, uobiscum uel ad modicum ualeant respirare, ut uestris postmodum obsequiis sint cum opus fuerit aptiores. 1709 Ebd. 1710 Vgl. JvS I, Ep. 116, S. 190 f. 1711 Es sind dies im Zeitraum Frühjahr bis Juni 1160: ebd.; JvS I, Ep. 121; JvS I, Ep. 122; JvS I, Ep. 123. 1712 JvS I, Ep. 116, S. 190: Illa est regnorum uera pax et semper optanda tranquillitas, cum in fide et dilectione sibi cohaerent membra ecclesiae, et sacerdotibus debitam reuerentiam principes et

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England fühlte sich von seinem Herrscher verlassen.1713 Der englische Primas selbst sah sich vom persönlichen Dilemma eines Erzbischofs z­ wischen kirchlichem Amt und Königstreue zerrissen. Der verzweifelte Tenor seines Schreibens deutet ebenso auf die heillosen Wirrungen eines von seinem König vernachlässigten Landes wie auf Theobalds persönliche Ängste hin: […] aduentum uestrum diu non potero expectare. […] recessum minatur spiritus, haeret tamen membris in desiderio et spe aduentus uestri; expectat quidem et sperat, et interim aurem surdam praestat uocanti naturae et recusat oculos claudere nisi praeuisa facie uestra.1714

Das Wohl des eigenen Königreichs und die Furcht vor dem nahenden Tod waren nicht Theobalds einzige Sorgen. Vor allem die ungelöste Krise der K ­ irche ließ ihn 1715 die Dringlichkeit verspüren, den König in Reichweite zu wissen. Erfahren genug, um zu wissen, dass mehr als nur persönlicher Gusto die Politik eines Königreichs bestimmte, war der betagte Primas durchaus bereit, Heinrichs Bitte um eine abwartende Haltung in der Papstfrage zu folgen. Immerhin sei es unter den gegebenen Umständen „sicherer, Zustimmung für eine Weile aufzuschieben, als sie vor ihrer Zeit hastig zu erteilen“ 1716. So war nicht die eigentliche Verzögerung einer Antwort auf die Papstfrage das Problem, sondern die Angst vor einem isoliert getroffenen Entschluss der weltlichen Gewalt, einer vorschnellen, unreflektierten Entscheidung, in der die Stimme der ecclesia Anglorum nicht gehört worden war. Daher das inständige Flehen nach privatem Austausch mit dem König oder seiner rechten Hand, dem als Archidiakon der erzbischöflichen familia von Canterbury immer noch nahestehenden Kronkanzler Becket.1717 Es blieb unbeantwortet. Der englische Primas sah zur Jahreswende 1159/1160 mit einem realistischeren Blick auf die Situation als sein normannischer Amtsbruder Arnulf, dessen

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principibus plenae fidelitatis obsequium exhibent sacerdotes. Zum Freiwilligkeitspostulat siehe Nederman/Campbell: Priests, S. 580: „Since the submission of kings to priests is a purely voluntary act, the church may best be characterized as acting in an advisory capacity.“ Vgl. JvS I, Ep. 116, S. 190 – 192. Ähnlich: JvS I, Ep. 121, S. 200. Theobalds erste drängende Bitte zur Rückkehr nach England oder zumindest zur Entsendung seines Archidiakons Thomas Becket an seiner Statt war ungehört verhallt ( Joannis Saresberiensis: Ep. 120. Audita undique collisione, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 197 – 198). JvS I, Ep. 121, S. 200. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. ebd.: Super hoc autem et quibusdam aliis uestro uel saltem archidiaconi mei consilio et praesenti colloquio plurimum indigerem.

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r­ hetorisch verbrämte Einschätzungen gegenüber Alexander III . vom Optimismus desjenigen zeugten, der nicht mit den Alltagsgeschäften einer Kirchenführung zu kämpfen hatte.1718 Naturgemäß war Theobald jenseits des Ärmelkanals direkter mit den handfesten Auswirkungen des Schismas betroffen als der Mann, der als diplomatisches Sprachrohr des Papstes an den Plantagenêthof entsendet worden war. Das Schisma wurde von unterschiedlichen geographischen und politischen Perspektiven aus betrachtet: Was für den einen ein vorübergehendes Unglück war, war für den anderen das erste Anzeichen einer dräuenden Krise, die den Frieden und den Bestand des Reiches z­ wischen der Uneinigkeit von K ­ irche und Staat aufzureiben drohte. Als Bindeglied ­zwischen englischem Hof und Kurie war Arnulf von Lisieux wie auch der Erzbischof von Canterbury König und Papst gleichermaßen verpflichtet. Ein schwieriger Spagat ­zwischen der Rechtfertigung königlicher Politik und der Vertretung päpstlicher Interessen, bei dem besonders für einen ehrgeizigen Diplo­ maten wie ihn stets die eigene Rolle auf dem Prüfstand scheinen musste. Vielleicht rührte daher der grenzenlose Optimismus des Normannen, auf jeden Fall erklärt es den Stellenwert der Betonung seiner eigenen Bemühungen in Arnulfs Korrespondenz.1719 Im Herbst und Winter des Jahres 1159 war die Lage nicht hoffnungslos, aber ernst. Auch wenn Arnulf Theobalds Sorge um das langfristige Wohl der anglonormannischen K ­ irche nicht teilte, war ihm, wie er den alexandrinischen Kardinälen berichtet, doch bewusst, dass schnell und beharrlich gehandelt werden musste, um den antialexandrinischen Kräften zuvorzukommen: Porro mea non fuit interim ociosa deuotio, sed apud eos, in quorum oculis deus michi dedit aliquid auctoritatis et gratie, causam ecclesie peroraui, et principem nostrum, regem Anglie, in fauorem partis huius primus et solus, adhibito quod oportuit instancie, confirmaui.1720

Die Möglichkeit zur schnellen Einwirkung bei Hofe erklärt auch Arnulfs, damals noch nicht durch offiziellen päpstlichen Auftrag gedeckte, Eigeninitiative. Sicher kam ihm, der sich gern als Brandhelfer der ersten Stunde darstellte, eine wichtige Rolle am normannischen Hof zu. Er war es schließlich, der den König im Oktober des Jahres nach dessen glückloser Rückkehr vom Feldzug gegen Toulouse aufsuchte, um dessen Meinung zu formen, bevor es ein anderer tat. 1718 Vgl. AvL Ep. 24. 1719 Vgl. AvL Ep. 23 und AvL Ep. 24. 1720 AvL Ep. 23, S. 30.

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Zur selben Zeit wurde Philipp von l’Aumône als päpstlicher Fürsprecher an den Höfen des Kapetingers und des Plantagenêts vorstellig. Zu seinen Aufgaben gehörte es höchstwahrscheinlich, Alexanders Wahlanzeige Eterna et incommutabilis den englischen Prälaten zugänglich zu machen. Interessant ist der Weg, auf dem das Manifest dem Inselklerus zugeführt werden sollte. Während die an Theobald von Canterbury versendete Fassung offenbar auch im Frühjahr noch nicht den erzbischöflichen Hof erreicht hatte, erging die neue, dritte Redaktion des Schreibens zu Händen der Bischöfe Gilbert Foliot, Bischof von Hereford, und Hilarius von Chichester, zweier überzeugter englischer Alexandriner.1721 Man braucht nicht zwangsläufig Timothy Reuters These vom durch den König abgefangenen Wahlmanifest anzuhängen, um den Eindruck zu erhalten, dass man der Verlässlichkeit der Briefzustellung z­ wischen Anagni und Canterbury wenig Vertrauen zu schenken schien.1722 Kein Wunder, dass die Informationslage im Inselkönigreich damals so spärlich war, dass Erzbischof Theobald noch im Mai oder Juni 1160 klagte, dass ihm keine Stellungnahmen alexan­ drinischer oder viktorinischer Provenienz vorlägen.1723 Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Paveser Synodalenzyklika Quia sedis zu ­diesem Zeitpunkt schon in England bekannt war. Die bei Arnulf bezeugte Bereitstellung der Originale respektive Abschriften der Synodalenzyklika und nicht näher bezeichneter alexandrinischer Dokumente, eventuell auch von Eterna et incommutabilis, erscheint als Reaktion des Königs auf diese Klage, denn schon kurze Zeit ­später konnte Johannes von Salisbury große Passagen des Paveser Zirkulare in seinem Kommentar zum Konzil von Pavia zitieren.1724 Quia sedis hatte die erzbischöfliche curia in Südengland offenbar erst über den Umweg des Königshofs erreicht.

1721 Man beachte Theobalds Bedauern, dass ihn noch kein Brief der beiden Papstprätendenten erreicht habe: JvS I, Ep. 122, S. 202. Philipps Bericht über seine Fortschritte bei den Königen von Frankreich und England ist uns erhalten: Migne PL 200, Sp. 1359 – 1361 bzw. Bouquet 15, Nr. 18: Litteras autem generales, quas praelatis Angliae universaliter destinatis, per fidelem virum cum venerabilibus episcopis Gilberto Herefordensi et Hilario Cicestrensi studui delegare, qui personam vestram et opus vestrum, quod asseritur, sive quantum intelligimus, fovent et diligunt, et studebunt negotium vestrum fideliter promovere. 1722 Vgl. Reuter: Schism, S. 233, Anm. 6. Der Plan schien nicht aufzugehen, denn trotz des weiten Adressatenkreises und der sicheren Ankunft des Briefes zumindest in Hereford (siehe Foliot Letters and Charters, ed. Brooke u. a., Ep. 133, S. 176) hatte den Primas der englischen ­Kirche auch kurz vor der Londoner Synode noch immer kein Schreiben aus der Hand des Papstes erreicht. Siehe JvS I, Ep. 122, S. 202. 1723 Vgl. ebd. 1724 Vgl. ebd.; AvL Ep. 27, S. 36. Zu den Übernahmen aus der Synodalenzyklika: JvS I, Ep. 124, S. 208, Anm. 12.

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Vor ­diesem Zeitpunkt aber war die englische ­Kirche von aktuellen schismarelevanten Nachrichten vom Kontinent auffällig isoliert. Die einzige weitere, vor den Sommersynoden des Jahres 1160 zweifellos nachweisbare Informationsquelle, ist das London-Manifest des Arnulf von Lisieux, das ­zwischen Mai und Juni in Canterbury vorgelegen zu haben scheint.1725 Auf die Existenz anderer möglicher Informationsquellen wie einen weiteren Kommentar Arnulfs an ausgewählte englische Bischöfe oder die von Philipp von l’Aumône ausgelieferte Drittfassung der alexandrinischen Wahlanzeige kann nur durch Indizien geschlossen werden. Sollten Nachrichten aus Pavia vor der Bereitstellung durch Heinrich die englische ­Kirche erreicht haben, zogen diese keine großen Kreise. In Anbetracht der Abhängigkeit dieser spärlichen Berichte vom Kontinent konnte es durchaus vorkommen, dass man wohlplatzierten Lügen Glauben schenkte.1726 Viel präsenter als das lombardische Konzil waren ohnehin die England direkt betreffenden Gerüchte über eine weitere kaiserliche Gesandtschaft unter Leitung des Erzkanzlers Rainald von Dassel. Die Briefe der frühen Schismazeit deuten ­darauf hin, dass man sich an der Spitze der englischen ­Kirche in erster Linie vor diesen diplomatischen Avancen des Kaisers und nicht vor der Gesinnung des eigenen Staatenlenkers fürchtete. Die Intensivierung des diplomatischen Verkehrs ­zwischen dem angevinischen Hof und dem Heiligen Römischen Reich steigerte auch die Dringlichkeit, mit der die Bitte an den Herrscher herangetragen wurde:1727 Praeterea fama est quod i[m]perator per cancellarium suum uos in apostolicum suum, qualiscumque sit causa eius, nititur inclinare; sed Deo protegente animum uestrum Deum cuilibet homini praeferetis qui scitis quia ‚Maledictus omnis qui confidit in homine et ponit carnem brachium suum.‘ Et quidem in rebus tam arduis et tam periculosis tutius est differre in tempus quam ante tempus praecipitare consensum. Super hoc autem et quibusdam aliis uestro uel saltem archidiaconi mei consilio et praesenti colloquio plurimum indigere.1728

1725 Vgl. die editorischen Anmerkungen zu JvS I, Ep. 122. 1726 Vgl. ebd., S. 201. 1727 Siehe seine Aussagen gegenüber Heinrich II.: Audiuimus autem quod imperator uos in partem Octauiani trahere conetur. Sed absit ut in tanto periculo ecclesiae pro amore uel honore hominis faciatis nisi quod credideritis Deo placiturum […] (ebd., S. 202) oder Ad haec causam uniuersalis ecclesiae ante pedes misericordiae uestrae prouoluti uobis attentius commendamus, rogantes Deum pro uobis et uos pro nobis et ecclesia nostra ne ad preces imperatoris aliquid statuatur a uobis unde furor scismatis amplius inualescat. ( JvS I, Ep. 123, S. 203 f.). 1728 JvS I, Ep. 121, S. 200.

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Gleichzeitig wandelte sich die Selbstorientierung des englischen Episkopats. Hatte Theobald im März oder April 1160 noch von der hektischen Ratlosigkeit der Bischöfe berichtet, beschrieb er die Ausrichtung seiner Heimatkirche ein oder zwei Monate ­später in optimistischeren Tönen: […] speramus in Domino quia nos et ecclesia ei, quae apud nos est, prosperabitur, nam in unitate consistit et, Deo auctore, nunquam scismaticis adhaerebit.1729 Ausschlag für den Sinneswandel könnte die Ankunft des Arnulfschen London-Manifestes in Canterbury und die darin enthaltene Nachricht von der angeblichen Anerkennung Alexanders durch die französische ­Kirche gewesen sein, denn plötzlich argumentierte man auch am englischen Primatialsitz mit der Haltlosigkeit des viktorinischen Anspruchs. Die vorherrschende proalexandrinische Überzeugung des englischen Hochklerus stellte Theobald allerdings gefestigter dar als es der Realität entsprach.1730 Es ist wohl kein Zufall, dass die ersten Versuche, aus Canterbury Überzeugungsarbeit in alexandrinischer Sache zu leisten, in genau diese Zeit fallen, als der Optimismus, der durch die angebliche Anerkennung des Sienesers auf dem Festland ausgebrochen war, den Alexandrinern in England Aufwind gab. Die einzige unwägbare Komponente war und blieb der König. Durch Diskreditierung der Gegenseite und Rat zur wohldurchdachten Entscheidung wollte Theobald König Heinrich gegen die Einflüsterungen kaiserlicher Gesandtschaften immunisieren. Zwar schien das Zusammenwirken von regnum und sacerdotium in der Schismafrage als einzig rechter Weg, doch mussten die von Theobald erbetenen Vier-Augen-Gespräche immer unzureichender erscheinen, je mehr die Angst vor einem Schulterschluss Heinrichs II. mit der kaiserlichen Partei wuchs.1731 Im Mai oder Juni des Jahres 1160, in direkter Folge des angevinisch-kapetingischen Friedens und kurz vor Konvokation der Synode von London, hatte sich zumindest die innerkirchliche Lage auf der Insel etwas geklärt. Aus dem kopflosen Obödienzwirrwarr des Episkopats war, so lässt Johannes von Salisbury in Etsi propriis et priuatis im Namen des Erzbischofs verlauten, die Erkenntnis erwachsen, dass die englische K ­ irche unter der Präferenz für Alexander III . vereint sei, der „nach menschlicher Urteilsfähigkeit“ 1732 die gerechtere Sache vertrete. Mit Blick auf die angeblich erfolgte Entscheidung der französischen Schwesterkirche wolle man ebenfalls Alexander anhängen. Doch trotz der Betonung der kirchenpolitischen Einstimmigkeit des englischen 1729 Ebd., S. 201. 1730 Vgl. JvS I, Ep. 116 über Ep. 121 bis zum Höhepunkt der Argumentation in Ep. 122. 1731 Erzbischof Theobald nutzte in dieser Zeit jede Gelegenheit, seine Bittgesuche gegenüber dem König zu wiederholen. So etwa in einem ­kurzen Beschwerdebrief über den Fall eines ungehorsamen Mönches des Yorker Klosters St. Mary. Siehe JvS I, Ep. 123. 1732 Vgl. JvS I, Ep. 122, S. 201 f.

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Klerus waren die Fronten in der ecclesia Anglorum verunsichert genug, um die Diskussion der Papstfrage auf einer öffentlichen Versammlung landeskirchlicher Vertreter als alternativlos erscheinen zu lassen.1733 Deren Einberufung aber hatte Heinrich mit der Wiederherstellung der Kronrechte seines Großvaters und Urgroßvaters erneut zum Prärogativ der Krone gemacht.1734 Bis dahin galt es auf beiden Seiten des Kanals, zu einer eigenen Position in der Papstfrage zu kommen. Ausgenommen davon war auch nicht die Kirchenprovinz Reims, die als Nachbar der Reichsdiözesen Lüttich, Trier und Verdun von Norden nach Süden durch die Grenze zum Reich geteilt wurde.1735 Das daraus entstehende Dilemma war Johannes von Salisbury bewusst, so dass er Radulf von Sarre in Angustiarum nostrarum Hilfestellung dazu bot, mit der schwierigen Situation umzugehen: Si scismaticus furor roboratis partibus nimis ingruerit, ut penes quos ecclesiae Romanae constet auctoritas, esse possit ambiguum, nichil michi uidetur consultius quam praeelectionis sententiam differri in diem reuelationis iusti iudicii Dei, quoniam illa sola dies ‚uictum factura nocentem est.‘ Siquidem, ut ait ille, nulla manus, belli mutato iudice, pura est. Et hominis iustitia meritorum ueritate non plane, non plene intellecta, aliqua erroris nube plerumque subuertitur. At iustitia Dei in aeternum iustitia est. Interim donec illuminet abscondita tenebrarum, inuocandus est et rogandus, ut manifesto demonstret indicio, quem ipse praeelegerit accipere sortem ministerii huius.1736

Auf den ersten Blick klingen diese Worte wie jene Einwände der Verfechter einer Verzögerungspolitik, von denen auch Arnulf von Lisieux berichtete und deren Stimmen auf dem Konzil von Pavia erhoben wurden.1737 Es ist jedoch mehr. Johannes bedient sich zweier Zitate aus den Pharsalia, wie er sie gerne als Querverweis auf entsprechende thematisch verwandte Passagen in seinem Policraticus einsetzte.1738 1733 Vgl. ebd., S. 202: in tanto periculo totius ecclesiae Dei utendum est uobis consilio regni uestri, nichilque in praeiudicium eius statuendum est sine consilio cleri uestri. 1734 Vgl. Foreville: Église, S. 93. 1735 Noch im vierzehnten Jahrhundert lagen dreißig ihrer Pfarreien auf Reichsgebiet. Siehe ­Patrick Demouy: Genèse d’une cathédrale. Les archevêques de Reims et leur église aux XIe et XIIe siècles, Langres 2005, S. 184 – 186 oder Falkenstein: Auswirkungen. 1736 JvS I, Ep. 124, S. 213 f. 1737 Vgl. AvL Ep. 29, S. 48 f. Derartige Strömungen sind auch belegt durch den Bericht Abt Fastrads von Clairvaux an Bischof Omnibonus von Verona: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 70. Zum Verlauf der Verhandlungen in Pavia siehe Wolter: Pavia, S. 446. 1738 Vgl. Lucan Pharsalia, ed. Housman vii, v: haec acies uictum factura nocentem est (S. 260) bzw. nulla manus, belli mutato iudice, pura est (S. 263).

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Auch hier öffnet er ein solches Fenster zu seiner Herrschafts- und Gesellschaftsethik, zu seiner Sicht einer Kirchenspaltung als Dilemma, in dem (sollte nicht die Rechtmäßigkeit einer Partei zweifellos erwiesen sein) jegliche Parteinahme zu einem unkalkulierbaren Risiko führe.1739 Dieser Brückenschlag ­zwischen dem Schismabild des Policraticus und dem Pavia-Kommentar demonstriert, dass J­ ohannes von Salisbury auch im Sommer 1160 seine Vorstellungen vom Charakter einer Kirchenspaltung nicht nur beibehalten hatte, sondern als Maßstab zur Einordnung der aktuellen Problemsituation anlegte. Johannes’ Aussage gegenüber Radulf von Sarre steht im Einklang mit den polikratischen Lehren: In einer Zeit der Unklarheit darüber, welchem Kandidaten der Vorzug zu geben sei, sei eine Strategie des Aufschubs eine gangbare Lösung. Unsicherheiten erlaubten Zaghaftigkeit, denn alles sei besser als eine vorschnelle Entscheidung, gemeint ist natürlich eine überhastete Ablehnung Alexanders aus Furcht vor der langen Hand des Kaisers, auch wenn man den Schatten der kaiserlichen Partei in Reims besonders spürte.1740 Am Ende entscheide nur der durch göttlichen Willen herbeigeführte Ausgang des schismatischen Bruder- und Bürgerkrieges, wer den Sieg davontrüge und wer sich schuldig gemacht habe. In bestimmten Fällen sei es besser abzuwarten, bis sich einem der beiden Kandidaten die göttliche Gunst eröffnet habe. Reims sollte Mut fassen, denn die Standfestigkeit der Bischöfe von Pavia und Piacenza gegen die Bedrängnisse der Imperialen zeige, dass Widerstand möglich sei. Was die Glaubens- und Amtsbrüder in der Höhle des Löwen wagten, könne dem Reimser Erzbischof nur leichter fallen:1741 Eis tamen imminet et imperator, ut eorum exemplo roborati remotiores uerbum faciant pro ueritate securius, et ascendentes ex aduerso luporum seipsos murum opponant inexpugnabilem pro domo Israel.1742 1739 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 203. 1740 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 213: Si uero periculum imminet, rem interim differri comodissimum est. In rebus arduis periculosa est praecipitatio, et mora quae in rebus expeditis periculum trahit, frequenter parit opportunitatem gerendorum. Zu den gerichtlichen Kontakten und Konflikten z­ wischen den benachbarten Bistümern auf Reichsgebiet und französischem Krongebiet siehe Falkenstein: Auswirkungen. 1741 Der Paveser Bischof Pietro Toscani (Episkopat 1148 – 1180) sollte ­zwischen 1162 – 1171 aus der Stadt vertrieben werden. 1742 JvS I, Ep. 124, S. 213. Die Parallele zum Versäumnis der falschen Propheten, eine Mauer zum Schutz des Volkes Israel zu errichten (Hes 13,5), hatte bereits Alexander III. in seiner Wahlenzyklika verwendet. Erneut aufgegriffen wurde das Versatzstück s­ päter durch Arnulfs an die alexandrinische Propaganda angelehnte Konzilspredigt in Tours: Sermo, ed. Mansi, Sp. 1173.

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Im nicht eindeutig zu entscheidenden Zweifelsfall empfiehlt Johannes von Salisbury auch im Passus zur guten Gerichtspraxis aus dem Policraticus: Porro, dum causa anceps est, dilatio protelatur, si non contentionis, saltem decisionis. Nam iudicia festinata penitentiam pariunt.1743 Seit jeher sei es guter Brauch gewesen, eine Entscheidung nicht zu überhasten. Vertagung sei eine Option.1744 Der Angelsachse kennt nur zwei Ausnahmen von dieser Regel, in denen ein Aufschub wenig zielführend wäre. Zum einen die dringende Notwendigkeit einer Entscheidungsfindung, zum anderen, was er am Ende seiner Ausführungen zu den Entscheidungen des guten Richters beschreibt: Nec est, ut opinor, quicquam utilius quam periculum differri, si omnino uitari non potest. Iniquissimum tamen est iurgia protelari, cum alterutrius litigantium periclitatur utilitas et rei difficultas moram non contrahit. Quicquid igitur expediri potest, accelerandum est; quod consultiore tractatu indiget, differendum.1745

Sicher befähige sein Insiderwissen Radulf zu einer guten Entscheidung, doch lasse – was auch immer die Vorsicht diktiere – die Sachlage keinen Zweifel zu, wessen Ansprüche vorzuziehen ­seien: Hic tamen nichil est quod quaestioni faciat locum, aut dubitare permittat uel Academicum fere ad omnia fluctuantem, cum nouum par decertantium in omnium intuentium stuporem Domino permittere precesserit, hinc tota stante ecclesia, inde solis tribus flagellis arundineis, in se, dum scindere unitatem moliuntur, diuinam prouocantibus ultionem.1746

Die Situation erlaube keinen Aufschub. Ein unnötig in die Länge gezogenes Abwarten wäre ein gefährliches Signal, da jede Verzögerung der Absage an Viktors Verbrechen als Zustimmung gewertet würde.1747 Von dieser Gefahr verschleppter Obödienzerklärungen in England und Frankreich berichten auch die der Synode von Beauvais folgenden Briefe des Fastrad von Clairvaux und Arnulf von Lisieux, laut dem der 1743 Vgl. Policraticus I, ed. Webb V, 12, S. 335. 1744 Vgl. ebd., S. 338: Tum iudices, ut antiquae uerbis utar historiae, dubiosum hoc inexplicabileque esse quod utrimque dicebatur rati, ne sententia sua utramque in partem dicta ipsa sese rescinderet, rem iniudicatam reliquerunt, causam in diem longissimum protelantes sowie constet rem ambiguam sine temeritate diffiniri non posse. Sunt autem multae captiosae quaestiones, quae tutius et commodius praesertim in iudiciis differentur quam accelerentur. 1745 Ebd., S. 339. 1746 JvS I, Ep. 124, S. 214. 1747 Vgl. ebd.

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Vorschlag sogar in den Diskussionen des Königs mit seinen Großen aufgekommen sein soll.1748 Auf normannischer wie englischer Seite war man sich bewusst, ­welche Gefahren die Politik des englischen Herrschers und die Parteienbildung im Episkopat in sich bargen.1749 Sich im Klaren darüber, wie sehr eine Beschlussfassung daher dränge, habe sich Erzbischof Theobald trotz seiner Gebrechen auf den Weg nach London gemacht.1750 In ­diesem Klima muss Arnulf von Lisieux die in ihrer Intensität vielleicht nicht immer ganz wahrheitsgemäße Betonung der Linientreue Heinrich Plantagenêts gegenüber der alexandrinischen Kurie essenziell erschienen sein. Dazu gehörte nicht nur, die königliche Unterstützung oder zumindest Tolerierung Alexanders III. und seiner Anhänger in Wort und Tat zu forcieren, sondern auch, die zögerliche Haltung des Monarchen in der Papstfrage zu rechtfertigen. Arnulfs apologetische Tendenz bleibt über die Zeit hinweg konstant. Seine Rechtfertigungsstrategien hingegen wandelten sich. Ein halbes Jahr s­ päter, z­ wischen der Abordnung des angevinischen Hofes zum Konzil von Pavia und der Synode von London, als das Argument diplomatischer Alternativlosigkeit nicht mehr greifen konnte, ließ Arnulf daher die direkte Apologie zugunsten einer erweiterten ‚Beweisführung‘ der königlichen Treue zu Alexander III. fallen. Das betreffende Schreiben, In quo uerbo reges, fiel den Editoren nur als Beispiel einer literarischen Besprechung ins Auge. Dies ist verständlich, erscheint doch der 1748 Vgl. AvL Ep. 29, S. 48, hier: S. 49: cum animos regum in fauorem domini nostri omnium conscientia crederet inclinatos, in partem imperatoris cessisse, dilatione prestita, crederentur, et paulominus detrimenti suspicio quam noticia forte ueritatis afferret. Ähnlich Fastrad: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 70, S. 126: post multas exhortationes, quas fecimus ad reges et principes, qui vel timore vel amore imperatoris differebant sequi veritatem, post multa concilia, que habuimus cum archiepiscopis et episcopis et viris religiosis, qui regibus cottidie differebant, […] duo cardinales […] [i. e. Johannes von Mercone und Guido von Crema] venerunt cum cesarianis in magna pompa et gloria ad diem et locum, quem reges Francie et Anglie cum tota ecclesia sua ad exponendum suum assensum prefixerant […]. 1749 Arnulf von Lisieux weist auf die Parteiungen im Klerus hin. Während Erzbischof Roger von York und der Schatzmeister Johannes von Canterbury, ein ehemaliger Kleriker in Theobalds Haushalt, Alexandriner ­seien, verträten Heinrich von Winchester und Hugo de Puiset, Bischof von Durham, offen viktorinische Neigungen. Siehe AvL Ep. 29, S. 43, Anm. a. Oktavian von Monticelli und sein Unterstützer und Nachfolger Guido von Crema beanspruchten Verwandtschaft mit dem Hause Blois. Heinrich von Winchester war König Stephans Bruder, mit dem Oktavian eine verwandtschaftliche Beziehung ins Feld führte. Hugo de Puiset wiederum war Heinrichs Neffe. Siehe Appendix IV in Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 97 f. 1750 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 214.

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Großteil im Gewand einer Stilkritik zur beigesandten Handschrift eines Werkes, wahrscheinlich der Carmina, des spätantiken Epistolographen Ennodius, auf den Arnulf vom Empfänger des Briefes, Kardinal Heinrich, aufmerksam gemacht worden war.1751 Der Bezug des Dokuments zur englischen Schismengeschichte beschränkt sich vordergründig auf die Ankündigung der vom König einberufenen Synode zur Beratschlagung der englischen ­Kirche über die Papstfrage und die Weitergabe der oben genannten Informationen an den päpstlichen Legaten. Schriber datierte die Entstehung des Briefs auf das gesamte Jahr 1160, was allerdings bereits durch den Quelltext widerlegt werden kann.1752 Barlows präzisere Einordnung in den Mai, Juni oder Juli 1160 ist hingegen durch den Briefinhalt gedeckt, kann aber weiter feinjustiert werden: Alle Anspielungen auf die Synode von London stehen in der Vergangenheitsform. Als Arnulf sein Bedauern äußert, nicht teilnehmen zu können, hat der König den Klerus bereits einberufen.1753 Da das Konzil von London nach allgemeinem Forschungskonsens ­zwischen Ende Juni und dem frühen Juli des Jahres stattgefunden haben muss, kann also der vorliegende Brief nicht früher verfasst worden sein.1754 Zudem lag Arnulf das Ergebnis der Verhandlungen, an deren Teilnahme er verhindert war, offensichtlich nicht vor. Es gab also noch keine, wie durch Schribers Übersetzung suggeriert, offizielle Entscheidung der beiden Westkönige über die Anerkennung Alexanders III. Diese fiel erst nach dem 22. Juli, dem Datum des gemeinsamen Konzils von Beauvais, bei dem auch Heinrich von SS. Nereo e Achilleo und die beiden Kardinallegaten Oddo von S. Nicola in Carcere Tulliano und Wilhelm von S. Pietro in Vincoli anwesend waren. Bezöge sich Arnulf gegenüber Heinrich auf die Entscheidung von Beauvais, 1751 Magni Felicis Ennodii opera omnia, ed. Wilhelm Hartel, Wien 1968 (ND der Ausgabe 1882) (CSEL, 6). Heinrich selbst schien das Werk nicht gelesen zu haben: AvL Ep. 27, S. 37 und 38. Zu Arnulfs unverhohlen kritischer Betrachtung des Ennodius (474 – 521) und seiner Kunst siehe Peter von Moos: Literarkritik im Mittelalter. Arnulf von Lisieux über Ennodius, in: Pierre Gallais/Yves-François Riou (Hg.): Mélanges offerts à René Crozet. Bd. 2, Poitiers 1966, S. 929 – 935. Neueste Annäherung an Person und Werk des Epistolographen: Stefanie A. H. Kennell: Magnus Felix Ennodius. A Gentleman of the Church, Ann Arbor 2000 (Recentiores). 1752 Vgl. Letter Collections, ed. Schriber, S. 90, Nr. 1.32. 1753 Vgl. AvL Ep. 27, S. 36 f: Et noster quidem ad ecclesiasticas personas regni sui legatos destinauit in Angliam cum litteris, quas a domino papa receperat, et scripto illo, quod a scismaticis est de Papiensi conuenticolo fabricatum, ut scilicet, utroque scripto tanquam allegationibus partium utrinque proposito, rectius possint quasi de iudicio formare consilium […]. 1754 Vgl. Frank Barlow: The English, Norman and French Councils called to Deal with the Papal Schism of 1159, in: EHR 51, 202 (1936), S. 264 – 268, hier: S. 265 und darauf Bezug nehmend Cheney: Recognition, S. 487.

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wäre sein gesamter Hinweis auf die Synode von London ohne Mehrwert, war diese doch Grundvoraussetzung für die auf französischem Boden getroffene Einigung und somit der Kardinallegat über sie im Bilde gewesen.1755 Es ist daher davon auszugehen, dass In quo uerbo reges ­zwischen der Einberufung der Synode von London im Juni und dem 22. Juli 1160 verfasst wurde. Damit richtete Lisieux sich in einer Zeit an den zuständigen päpstlichen Kardinallegaten, in der zwar diplomatisch verhandelt, aber eben noch nicht offiziell verkündet war, für ­welche Seite König Heinrich II . sich entscheiden würde. Arnulfs Verweis auf die kirchenpolitische Neigung der Monarchen gegenüber dem Kardinal könnte sich auf gemeinsames Wissen aus den Friedensverhandlungen vom Mai des Jahres beziehen, bei denen sowohl Kardinal Heinrich als auch Arnulf selbst zugegen gewesen waren und sicher auch die Papstfrage diskutiert worden war. Möglicherweise waren die beiden Männer bei dieser Gelegenheit über Ennodius ins Gespräch gekommen.1756 Wenn Arnulf von Lisieux nun dem Kardinallegaten einen Bericht über die Vorgänge im englischen Königreich lieferte, wollte er ein weiteres Mal Alexander und seine Kardinäle der königlichen Linientreue versichern. Die Reaktion war von der Not diktiert. Arnulf musste sich zwangsläufig um positivere Publicity bemühen, denn König Heinrichs angebliche Bekenntnisse zu Alexander hatten im Licht seiner wenig Hoffnung versprechenden, delegierten Teilhabe am kaiserlichen Konzil in der Lombardei an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Dass auch ein Großteil der anglonormannischen Historiographie die englische Partizipation in Pavia außer Acht ließ, muss nicht überraschen, wäre doch das einzige, was nach damaligem englischen Informationsstand (d. h. auf Grundlage der Langversion der Konzilsenzyklika Quia sedis) hätte kritisiert werden können, die historisch verbürgte Teilnahme angevinischer Gesandter und der von ihnen überbrachten Neutralitätserklärung gewesen.1757 Da diese den Status quo nicht veränderte, war sie 1755 Eine Übersicht der Quellen für das Konzil von Beauvais liefert Classen: Konzil. Alle Parteien berichten von der Anwesenheit der Legaten. Unter diesen auch MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 70; GvReichersberg De Investigatione Antichristi, ed. Sackur, S. 365 f.; FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 27 f. und WvNewburgh Historia, ed. Howlett, S. 120. Die einzige Ausnahme (Waterlos Annales Cameracenses, ed. Pertz, S. 534) verschweigt die Information, widerspricht ihr aber nicht. 1756 Siehe die Zeugenliste des Friedensvertrages Nr. 80. Instrumentum Pacis, in: RHGF 16. Der Friedensschluss war schließlich Hauptbestandteil der Mission der alexandrinischen Kardinäle gewesen. Siehe Ohnsorge: Legaten, S. 18 f. 1757 Teilnahme und Enthaltung der französischen und englischen Legaten belegt Bischof Eberhard von Bamberg in seinem an den Erzbischof von Salzburg entsendeten Bericht des Konzils:

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als Verlaufsfaktor des Schismas kaum erwähnenswert. Auf ein Königsbild, das im Allgemeinen auf der orthodoxen Linientreue des Herrschers aufbaute und dessen schnelle Anerkennung Alexanders betonte, hätte sie eher störend gewirkt. Gerade deswegen überrascht auch das Schweigen Arnulfs von Lisieux über Pavia nicht. Zwar ist der Wissensstand des Normannen nicht en détail rekonstruierbar, doch war ihm spätestens seit dem Frühjahr 1160 bekannt, dass die Beschlussfassung des lombardischen Konzils publik gemacht worden war.1758 Anders als bei Johannes von Salisbury finden sich keine direkten Anleihen an Quia sedis in Arnulfs großen programmatischen Briefzeugnissen. Zumindest im Quanta tempestate, das ja per se als Ausgleich der viktorinischen Propagandabemühungen fungieren sollte, wären ­solche zu erwarten gewesen. Wahrscheinlich wäre es für Arnulf gerade in einer Zeit, in der er dem englischen Episkopat und der alexandrinischen Kurie gleichsam die unbedingte Überzeugung des Plantagenêt von Alexanders Sache zu vermitteln suchte, kontraproduktiv gewesen, dessen Vertagung einer Entscheidung in Pavia zu entschuldigen. Schließlich hätte selbst eine apologetische Erwiderung auf die Behauptungen der kaiserlichen Partei eingestehen müssen, dass die englische Treue zum favorisierten Papst weniger bedingungslos war als gerne dargestellt. So reflektierte man die Rolle des Königs von England in den Tagen vor der Synode von London, in der der ecclesia Anglicana noch nicht genug Informationen bereitstanden, um selbstbewusst urteilen zu können. Wie aber änderte sich die englische Sicht auf das Schisma und die Rolle des eigenen Monarchen darin, nachdem die Positionspapiere dem Erzbischof von Canterbury und damit seinem Sekretär Johannes von Salisbury endlich vorlagen?

3.2  Apologie und Argwohn: Reaktionen auf die dilatorische Schismapolitik Heinrichs II. Plantagenêt In der von der schweren Krankheit ihres Oberhauptes geplagten erzbischöflichen Kurie von Canterbury herrschte akute Angst. Seine eigenen privaten Sorgen, so vertraut Johannes sich seinem Reimser Freund an, würden weit überschattet von der MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 50, S. 100. Rätselhafterweise attestiert des Erzbischofs

Vertreter Heinrich von Berchtesgaden nur die Anwesenheit französischer Gesandter: Si cuncta quo audivimus, ed. Schmale, S. 99 f. Einen ausdrücklichen, beeideten englischen Konsens mit den Konzilsbeschlüssen überliefert fälschlicherweise die Gesta Frederici in Gestalt durch das Insert der Synodalenzyklika. Siehe MGH Const. 1, Nr. 189, S. 270 bzw. Rahewin Gesta Friderici, ed. Waitz/Simson, S. 335 und Rahewin Gesta Frederici, ed. Schmale, S. 694 f. 1758 Vgl. AvL Ep. 27, S. 36.

Reaktionen auf die dilatorische Schismapolitik

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größeren, stärkeren Furcht vor einem Angriff auf das öffentliche Wohl. Gemeint sind die Auswirkungen des Schismas.1759 Trost suchend schildert Johannes psychische und emotionale Belastung: Dum universalis ecclesiae, a cuius uberibus coaluimus, collisiones uides, causam pensas, pericula praemetiris, dolorem dolori adicit meditatio, et dolorem quem ferre non sustines.1760 In dieser Situation reflektiert er die Rolle seines Königs, ohne dabei den Part englischer Gesandter in Pavia oder die von ihnen eingenommene Position zu diskutieren. Nicht einmal eine bloße Nennung ist ihm dies wert. Dass Heinrich II. schlicht noch nicht Farbe bekannt hatte, machte eine Kritik unmöglich. Nach Johannes’ Klage über die Zustände und Ängste an der erzbischöflichen familia in Canterbury sah man den König von England eher in der passiven Rolle: […] omnibus mitius agitur tecum, qui ad omnem auram et horam, et ad omnem querelam familiae desolatae praesens non cogeris lacrimari, qui liberioris conditionis fortunam nactus nequaquam times tibi aut exilium imminere aut necessitatem piacularis flagitii commitendi. Degis enim sub principe [i. e. Ludwig VII. von Frankreich] cuius memoria in iocunditate et benedictione est. Nos autem timemus supra modum ne Teutonicus imperator circumueniat fraudulentiis suis et subuertat serenitatem principis nostri. Michi tamen parum uidetur habere discretionis quem conuenticuli Papiensis prasesumptio mouet, nisi ut Alexandri, si quis de ea dubitet, electio etiam partis aduersantis testimonio roboretur.1761

Heinrichs flatterhaftes kirchenpolitisches Gebaren ließe ihn, so Johannes’ Eindruck, zu leicht Barbarossas Tücke zum Opfer fallen.1762 Im Vergleich mit der harten Linie des französischen Monarchen sieht er den König zwar nicht als direkte, aktive Gefahr, attestiert ihm aber indirekt die Manipulierbarkeit eines im Angesicht der Hinterlist des römischen Kaisers schwachen Herrschers. Ob die Neutralitätsbekundung der beiden großen Westkönige in England allgemein bekannt war, ist schwer zu entscheiden. Unter den Konziliaren in der Lombardei wird zumindest kein einziger englischer Bischof gelistet, der Augenzeugenbericht hätte erstatten können. In den Tagen nach Pavia scheint der Druck in jedem Fall groß gewesen zu sein, Heinrichs Bild, und sei es auch nur durch Gerüchte bedroht, rein zu halten. In quo uerbo reges zumindest erscheint zwar nicht als offene Rechtfertigung, aber doch wie eine unterschwellig auf eine s­ olche Apologie abzielende Versicherung, 1759 1760 1761 1762

Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 205. Vgl. ebd. Ebd., S. 205 f. Zu den Auswirkungen der unklaren Situation siehe JvS I, Ep. 116, S. 190 f.

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dass der Plantagenêt seinen Worten Taten folgen ließ und für die englische ­Kirche Nägel mit Köpfen machen wolle. Hier tritt Arnulfs zweite Erklärungsstrategie für den königlichen Dualismus ­zwischen mündlichem Bekenntnis und zaudernder Zurückhaltung zutage, indem er die auf königliches Geheiß initiierte und durch den Erzbischof von Canterbury einberufene Beratungsversammlung des englischen Klerus in der Papstfrage als die einzige Möglichkeit einer tragbaren Rechtfertigung des herrscherlichen Zögerns feierte.1763 Statt fadenscheiniger politischer Argumente konnte der Normanne endlich mit einem handfesten Pfund wuchern. Schließlich hatte Heinrich das inständige Flehen des ans Krankenlager gefesselten englischen Primas um Kooperation ­zwischen König und Landeskirche erhört und durch die Versammlung in London den bitter beklagten Mangel an Kooperation ­zwischen beiden Mächten behoben. Damit nicht genug habe der König als direkte Reaktion auf Theobalds Beschwerde über die mangelhafte Informationslage und Bitte um Aufklärung dem Wunsch des Primatialsitzes entsprochen und, wahrscheinlich in Form von Friedrichs Quia sedis und Alexanders Eterna et incommunitabilis, jene lang vermissten Kerndokumente der beiden Streitparteien bereitgestellt, die für die englische ­Kirche endlich Licht ins Dunkel der Vorgänge bringen konnten.1764 Alles weitere, so klingt z­ wischen den Zeilen an, ruhe nun auf der englischen Landeskirche. Anstatt durch ein Edikt dem Klerus seines Inselreiches einen Papst aufzudrängen, solle eine konsensuale Entscheidung getroffen werden, da eine einsame Entscheidung der englischen K ­ irche für sich keinen Bestand haben könne. Die alte Gefahr aus dem Reich war, wie Johannes von Salisbury für einen von Theobalds Briefen an den Herrscher im Mai oder Juni 1160 formuliert, schließlich noch immer nicht gebannt: Et quamuis neutrius illorum adhuc nuntium aut scriptum uiderimus, scimus tamen quia omnes nostrates, si uester consensus affuerit, proniores sunt in partem A(lexandri). Audiuimus autem quod imperator uos in partem Octauiani trahere conetur. Sed absit ut in tanto periculo ecclesiae pro amore uel honore hominis faciatis nisi quod crederitis Deo placiturum […].1765

1763 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 214: Licet dominus Cant(uariensis) languore grauissimo, ut nosti, teneatur, huius tamen necessitate uerbi, conuocatis episcopis et clero totius regni, Lond(oniam) properat ut fratrum communicato consilio quid facto opus sit domino regi eum consulenti significet. 1764 Vgl. AvL Ep. 27, S. 36 f. Wenig ­später wird Quia sedis durch den erzbischöflichen Sekretär in Breite zitiert. Siehe JvS I, Ep. 124, S. 208, Anm. 12. Auch Gilbert Foliot berichtet von diesen Briefen: Foliot Letters and Charters, ed. Brooke u. a., Ep. 133, S. 176. 1765 JvS I, Ep. 122, S. 202.

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Da die Durchführung einer Synode herrscherliches Vorrecht darstellte, waren dem Erzbischof die Hände gebunden. Er konnte seine Bitten nur demütig dem Plazet des Angevinen unterwerfen und ihm Raum zur eigenen Initiative lassen, äußerte allerdings, anders als in vorherigen Schreiben, auch kein Verständnis mehr gegenüber der zögerlichen Haltung.1766 Nun, nach dem Maifrieden, war die Zeit gekommen, die ecclesia Anglorum mit ins Boot zu holen. Der König stand zunehmend unter Handlungsdruck. Die Einberufung des Konzils von London sollte dessen Ventil sein. Als zwei Mitglieder der erzbischöflichen familia, die Theobalds vollstes Vertrauen genossen, dem König den versiegelten gutachterlichen Ratschlag der Londoner Syno­ dalen überbrachten, konnte der englische Primas dem König versichern, dass seine Entscheidung richtig gewesen sei.1767 In London habe unter seinen Untertanen eine ­solche Einheit und Eintracht geherrscht, dass deren feste Verankerung auf dem „Fels der K ­ irche“  1768 offenbar geworden sei. Doch nicht nur optimistische Töne schwingen mit. Dass man sich noch immer nicht auf sicherem Eis fühlte, zeigt das unverhohlene Exordium des Briefes, das noch einmal deutlich auf die Pflichten jener hinweist, die von Gottes Hand ein Königreich empfangen hatten. In enger Kongruenz mit der Herrscherethik des Policraticus wird daran erinnert, dass Ehre und Herrlichkeit des christlichen Fürsten nur dann gewährleistet ­seien, wenn er sich in den frommen Dienst Gottes stelle. Frieden und Ansehen seines Reiches könnten dann auf ewigen Bestand hoffen, wenn die Sturmwinde, unter denen die K ­ irche leide, beschwichtigt würden und der treue und glücksbringende Dienst des Fürsten an Gott die Braut der K ­ irche mit ihrem Bräutigam zusammenführe.1769 Eine Weigerung, „Christi schiffbrüchiges Boot“ 1770 aufzunehmen, seine Not zu ignorieren oder die Erschütterungen der K ­ irche gar zu verursachen, sei ein Missbrauch seiner von Gott anvertrauten Autorität. Dulde er Bosheiten, riefe er damit nicht nur die Strafe des Allerhöchsten auf sich herab, sondern befeure das Feuer des 1766 Vgl. ebd.: nec decet maiestatem uestram, si placet, ut inconsulta ecclesia regni uestri superponatis ei hominem qui sine electione et, ut publice dicitur, sine gratia Dei per fauorem et uim imperatoris tantum honorem ausus est occupare. Et, si uobis placet, in tanto periculo totius ecclesiae Dei utendum est uobis consilio regni uestri, nichilque in praeiudicium eius statuendum est sine consilio cleri uestri. 1767 Vgl. JvS I, Ep. 125, S. 216: Cum enim ex mandato uestro Anglorum conuenisset ecclesia, proposita est in auribus sapientum quaestio super qua fidei uestrae sinceritas, ut oportuit, optimates regni uestri dignata est consultare. 1768 Ebd. 1769 Vgl. ebd., S. 215. Zur ­Kirche als Braut Christi, einem der bevorzugten Bilder des Johannes von Salisbury siehe JvS I, Ep. 124, S. 214 und Miczka: Bild. 1770 Vgl. JvS I, Ep. 125, S. 216.

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Schismas. Die Folge s­ eien nicht nur Zwietracht und Ruin für das Königreich und seine Bewohner, sondern der Niedergang der fürstlichen Macht.1771 Die unverblümte Ermahnung wird zum hoffnungsvollen diplomatischen Fingerzeig, als Johannes von Salisbury den Bogen zur königlichen Politik schlägt.1772 ­Heinrichs Zurückhaltung gegenüber einer Konsultation seines Landesklerus war offenbar in kirchlichen Kreisen ein rotes Tuch, da es einer Totalblockade erster Friedensschritte gleichkam. Aus keinem anderen Grund hatte schon der als harmlose Randnotiz getarnte Passus über die Konvokation des Londoner Konzils im Sommer 1160 seinen Weg in die Hände des für England und die Normandie zuständigen Kardinallegaten Heinrich von SS. Nereo e Achilleo gefunden. Obgleich der Verweis auf politisches Feingefühl, die Einwirkung des Kaisers und das freizügige Vertrauen gegenüber der englischen Landeskirche bereits im Sommer 1160 nicht mehr als Rechtfertigungsmodelle gegenüber den Kritikern des Königs ausreichten, vertrat Arnulf im London-Manifest gegenüber seinen englischen Amtsbrüdern weiter die Linie, das Fehlen eines öffentlichen Bekenntnisses habe gute Gründe: Sed quia inter ipsum [i. e. König Ludwig VII. von Frankreich] et principem nostrum, deo uolente, nouiter est reformata concordia, placuit ob gratiam ipsius ad momentum differre publicande susceptionis edictum, donec iste noster ecclesiam regni sui consuluisse posset, et, quod mente concepit, assensus uestri coniuentia confirmasse.1773

Auch die Versicherung der sofortigen Reverenz Heinrich Plantagenêts gegenüber Papst Alexander III. findet hier ihren Platz. In der für Arnulfs persuasive Rhetorik charakteristisch ausgeschmückten Art berichtet der Bischof von Lisieux von Heinrichs öffentlichen Beteuerungen, keinem Papst außer Alexander anzuhängen, ergänzt sie sogar durch lebhafte Schilderung einer Anekdote, wie der Plantagenêt die Reskripte des Rivalen Oktavian von Monticelli vor den Augen des Boten und unter schallendem Gelächter der Höflinge von sich geschleudert habe.1774 1 771 Vgl. ebd., S. 215 f. 1772 Der Segenswunsch für den Herrscher und seine Nachkommen gewinnt in ­diesem Kontext eine warnende Komponente. Siehe ebd., S. 216: Speramus autem in Patre misericordiarum, Auctore consolationum quod thronus uester benedictione perpetua solidabitur et quod filii zestri et filii filiorum solium regni quod ab eo accepistis et salubri administratione disponitis feliciter hereditabunt, cum in subditis uestris tantam ipso propitio inuenerimus concordiae unitatem ut fidem eorum in petra ecclesiae solidatam esse fidelissimis et manifestissimis constet indiciis. 1773 AvL Ep. 28, S. 42. 1774 Vgl. AvL Ep. 27, S. 42 f.

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Aus all dem, versichert Arnulf, sei ersichtlich, dass des Königs Wille sine ambiguitate 1775 zugunsten Alexanders gefestigt sei, er selbst aber aus Wertschätzung gegenüber ihrem Urteil – und nicht etwa, um sich selbst von einer Entscheidung in der Angelegenheit zu entbinden – den Ratschlag der Anwesenden einhole.1776 Die Passage spricht Bände, indem sie Kritikpunkte enthüllt, die im Kreis des englischen Episkopats kursierten: Heinrich spiele ein doppeltes Spiel oder wälze, selbst noch nicht mit voller Seele Alexandriner, die Entscheidung auf den Klerus seines Königreichs ab. Arnulf wusste, wo die Schwachpunkte in der argumentativen Rüstung seines Herrn lagen und konterte, die Verzögerung einer Entscheidung diene nur der unter den Mächtigen verbreiteten Taktik, ihren Einfluss auszudehnen.1777 Auch wenn Arnulf es mit Koloratur unterlegt, ist das Lied von Heinrichs Linientreue bekannt. Neu ist ein anderer, genialer Schachzug, den der Normanne seiner Propaganda hinzufügte. Subtiler als in Benedictus deus weist er auf den Triumph jener konkurrierenden Päpste hin, die durch die fromme Urteilssicherheit der französischen ­Kirche anerkannt worden waren und in Vergangenheit über die Kaiserpäpste triumphiert hatten.1778 Damit ebnete der Bischof von Lisieux den Weg für die berühmte Aussage zur Parteinahme der ­Kirche Frankreichs, die nicht nur die Datierung der Anerkennung Alexanders im Westen in der Forschung erheblich erschwerte, sondern auch die Glaubwürdigkeit seiner Korrespondenz in den Augen vieler in Verruf brachte 1779: Unde nunc quoque personarum penitus qualitate discussa, factisque electionum plenius exploratis, in personam sanctissimi patris Alexandri de uere catholici et serenissimi regis sui beneplacito conuenerunt, litterasque eius et nuntios passim et suscipiunt et honorant.1780 1775 Vgl. ebd., S. 43. 1776 AvL Ep. 28, S. 42 f.: Neque enim prudentiam regalis excellentie decuit aliquid super tanto negotio, inconsulta uestra sapientia, diffinire, ne gloriam suam alteri dedisse uideretur, et reuerentiam uestram minoris quam debuit estimasse. […] Ex his igitur manifestum est uoluntatem eius in fauorem domini Alexandri sine omni ambiguitate firmatam, ipsumque uestrum magis ob reuerentiam quesisse consilium, quam pro absoluenda qualibet super hoc negotio questione. 1777 Vgl. ebd., S. 43. 1778 Vgl. ebd., S. 42: Benedictus autem pater misericordiarum et deus tocius consolationis, qui ecclesie Gallicane solitam misericordiam benignus impendit, ut eam semper et agnitione ueritatis illustret, et pedes eius a iusticie tramite nullatenus aberrare permittat. Sicut enim omnes, quos ad oppressionem Romae ecclesie rabida Teutonici furoris prouexit inuidia, uirtus altissimi manifesta deiecit; sic omnibus, quos deuotio Gallicana suscepit, uictoriam semper contulit et triumphum. Cumque multis constet ceteras regiones habundasse portentis, sola Gallia monstra non habuit, sed sinceritate fidei, doctrine ueritate, uirtutum quoque titulis, et plurima operum exhibitione prefulsit. 1779 Vgl. Cheney: Recognition, S. 486, Anm. 1. 1780 AvL Ep. 28, S. 42.

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Eine Lüge. Zum Zeitpunkt des Konzils von London hatte noch keine offizielle konziliar-basierte Anerkennung Alexanders III. durch die ecclesia Gallicana stattgefunden. Hätte es eine ­solche gegeben, argumentiert Cheney korrekt, hätte Arnulf die entsprechende Kirchenversammlung erwähnt. Dazu berichtet er selbst, dass Ludwig VII. ein offizielles Edikt vertagt habe, bis die englische K ­ irche zu einer Entscheidung gekommen war. Aufgrund ihrer schwierigen geographischen Lage ­zwischen zwei potenziellen Feindesreichen war die französische ­Kirche kein homogen alexandrinisches Obödienzgebiet. Das bezeugen nicht zuletzt Johannes’ fieberhafte Bemühungen, noch auf dem Weg nach London über seine Kontakte in Reims Erzbischof Samson de Mauvoisin zu einer Anerkennung oder zumindest einer Vertagung der Entscheidung zu bewegen.1781 Nach einem festgefügten Beschluss der französischen K ­ irche klingt auch das tatsächlich nicht. Kann aber eine inoffizielle Richtungsfindung der französischen K ­ irche, wie sie durch Theobald von Canterbury für den englischen Fall belegt ist, ausgeschlossen werden?1782 Dies würde auch mit Arnulfs Andeutung gegenüber Kardinal Heinrich zusammengehen, dass eine einige Entscheidung des englischen und französischen Herrschers gefallen oder zumindest in greifbarer Nähe sei.1783 Es wäre nicht das erste Mal, dass der Bischof von Lisieux im Dienste seiner Sache die Tatsachen sprachlich überspitzt hätte. Schließlich sagt er bei genauerem Hinsehen nichts weiter, als dass sich die französische ­Kirche nach Diskussion der Faktenlage und der Idoneität der Kandidaten zum Wohlgefallen Ludwigs VII. für Alexander als legitimen Nachfolger Hadrians aussprach und dessen Briefe und Legaten fortan huldvoll empfing. Zumindest für die Diözese Beauvais und ihren starken Bischof, den Vorreiter alexandrinischer Interessensvertretung in Frankreich, war dies keine Übertreibung. Die Annahme einer wie auch immer gearteten im Königreich Frankreich vorherrschenden Tendenz, deren Existenz mündlich oder schriftlich verbreitet wurde, würde auch ein Problem lösen, das Theobalds Etsi propriis et priuatis an Heinrich Plantagenêt aufwirft. In dem Schreiben, in dem der Erzbischof den König flehentlich um Darlegung seines Standpunktes in der Papstfrage bittet, berichtet der Primas erleichtert, es sei „durch die Wahrheit kundtuende Berichte“ 1784 bekannt geworden, dass sich die französische K ­ irche auf Alexanders Seite geschlagen und von Oktavian abgewendet habe. Millor, Butler und Brooke führten dies auf die Kenntnis von 1781 Vgl. Cheney: Recognition, S. 486, Anm. 1 und JvS I, Ep. 124, S. 212 f. 1782 Vgl. JvS I, Ep. 125. 1783 Vgl. AvL Ep. 27, S. 36. 1784 Vgl. das volle Ztat in JvS I, Ep. 122, S. 201: Ecclesia uero Gallicana, sicut nobis ueridica relatione innotuit, recepit Alexandrum et ab Octauiano recessit.

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Arnulfs London-Manifest zurück.1785 Das Problem: Theobald legt nirgendwo nahe, dass die englische Kirchensynode bereits einberufen worden war. Ganz im Gegenteil. Das Schriftstück hat einen durch und durch pessimistischen Tenor. Man war sich völlig im Unklaren über die Haltung des Königs in der Schismafrage. Wie also sollte zu dieser Zeit Arnulfs großes Positionsschreiben in Canterbury vorgelegen haben? Auch Theobalds Bezug auf die französische Anerkennung Alexanders lässt in ihrer Knappheit keine stichhaltigen Schlüsse auf die Beziehung beider Schreiben zu. Deutliche literarische Reminiszenzen des Manifests finden sich erst im unmittelbar vor der Londoner Synode entstandenen Angustiarum nostrarum. Auch das Argument der Editoren, der Arnulfs Frankreichpassage entnommene Terminus furor teutoni­ cus sei nur in teutonicus inpetus abgewandelt worden, hat keine Beweiskraft, konnte doch an anderer Stelle gezeigt werden, dass Arnulfs Manifest kurz vor der Synode von London und damit vor Abfassung des saresberiensischen Pavia-Kommentars in Canterbury vorgelegen haben muss.1786 Bei der damaligen Beliebtheit der Synonyme für die teutonische Wut muss die Ähnlichkeit der Termini nicht zwangsläufig darauf hinweisen, dass Quanta tempestate schon als Grundlage für Etsi propriis et priuatis diente. Wichtiger als die genaue Terminologie war der Kern der Aussage: die Dreistigkeit der Deutschen zum Eingriff in Papstwahlen. Wahrscheinlicher ist, dass das Gerücht von der frühzeitigen Anerkennung Alexanders in Frankreich im Juni oder sogar Mai 1160 auf anderem Wege Südengland erreicht hatte. Sollte die suggerierte Neigung des Königreichs Frankreich eine Erfindung sein, muss wohl Arnulf von Lisieux als Urheber dahinter vermutet werden. Voraussetzung wäre allerdings eine nachvollziehbare Verbindung ­zwischen ihm und dem Erzbischofsstuhl von Canterbury, auf deren Weg die Fehlinformation ihren Weg gefunden haben könnte. Eine ­solche Verbindung existiert. Kaplan Wilhelm de Vere, der Bruder des Grafen von Oxford und späterer Bischof von Hereford, war damals zeitgleich im Dienst am Königshof und der erzbischöflichen curia und tätigte wiederholt Botengänge ­zwischen Theobald von Canterbury und dem Kontinent weilenden König.1787 Als alter Kommilitone an der Pariser Universität war er zum Osterfest 1160 sogar einer 1785 Vgl. ebd., Anm. 3. 1786 Vgl. ebd.: „Probably from Arnulf of Lisieux’s letter 28 […] [i. e. Quanta tempestate]: in the same passage of Arnulf ’s letter the phrase ‚Teutonici furoris‘ occurs – cf. ‚Teutonicus inpetus‘ below and no. 124 [i. e. Angustiarum nostrarum] […].“ 1787 Zu Wilhelms Person und Biographie vergleiche George Edward Cokayne (Hg.): The Complete Peerage of England, Scotland, Ireland, Great Britain and the United Kingdom. Extant, Extinct or Dormant. Bd. 10: Oakham to Richmond, New edited, revised and much enlarged by Vicary Gibbs, London 1945, S. 114 f. (Appendix J, zusätzliche Informationen

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Einladung Arnulfs von Lisieux gefolgt, der sich zu dieser Zeit ebenfalls am königlichen Hof aufhielt.1788 Es wurde gemutmaßt, dass es eben dieser Wilhelm gewesen sein könnte, der als gemeinsamer Kaplan die königlichen Instruktionen und Quellenbasis für die Synode von London über den Ärmelkanal brachte. In ­diesem Fall wäre er mit einiger Sicherheit auch der Überbringer von Quanta tempestate. Vielleicht trug er durch Briefkontakt mit seinem Herrn oder durch seinen Bericht nach Ankunft in England das Gedankengut Arnulfs von Lisieux auf die Insel. Vielleicht, doch das kann nur Mutmaßung bleiben, war auch er es, der den an drei englische Bischöfe gerichteten Teil des Schreiben Quam utilis zur Richtungsweisung für die englischen Bischöfe über den Kanal brachte. Dies könnte auch die alexandrinische Positionierung der ecclesia Anglorum vorangetrieben haben, wie sie ab dem Frühsommer plötzlich greifbar wird. Arnulf, der päpstliche apostolus et nuncius veritatis, hätte dann seine Aufgabe vorbildlich erfüllt.1789 Wie auch immer sich die Kunde von Alexanders Anerkennung durch die französische Landeskirche verbreitete, die Tatsache, dass Arnulf auch in seiner Rechtfertigung des Ehedispenses an die Kardinäle gezielt Dinge suggeriert, macht deutlich, dass der Normanne nicht vor Halb- oder Unwahrheiten zurückschreckte. Wenn auch im Dienste der Sache, zielten sie darauf ab, die in London anwesenden Bischöfe dazu zu bewegen, sich geschlossen für eine Obödienz Alexanders III . auszusprechen. Die Suggestion, dass die französische ­Kirche diesen bereits anerkannt habe, war ein durchaus adäquates Mittel, bedenkt man die Implikationen, die deren vorhergehendes Urteil auf die Entscheidungsfindung des englischen Klerus haben musste.1790 Es gaukelte nicht nur eine Geschlossenheit der Universalkirche hinter Alexander vor, die faktisch noch nicht existierte, sondern ließ in Anbetracht des noch jungen Friedens ­zwischen den Königreichen eine anderslautende Empfehlung als politisch inopportun erscheinen, wollte man nicht Öl ins Feuer alter Feindseligkeiten gießen. Abgesehen davon musste die Versicherung der alexandrinischen Gesinnung des Königs ein alexanderfreundliches Ergebnis als alternativlos darstellen. Zwar traten die königlichen Repressalien gegen den Erzbischof von Rouen und den Bischof Wilhelm von Le Mans erst auf der Synode von Neufmarché zu Tage, doch muss der königliche Unmut über jede Art der Zuwiderhandlung gegen seine Vorgaben in der

in Appendix G) und Julia S. Barrow: A Twelfth-Century Bishop and Literary Patron: William de Vere, in: Viator 18 (1987), S. 175 – 189. 1788 Zu entnehmen einem Brief Arnulfs an den ebenfalls eingeladenen Radulf de Diceto: AvL Ep. 26. 1789 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 761. 1790 Auf die folgenden Aspekte machte Soria Audebert: Temps, S. 369 aufmerksam.

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Luft gelegen haben.1791 Letzten Endes musste aber allen klar sein, dass eine Annäherung an die viktorinische Partei eine Unterordnung der Landeskirche unter die kirchenpolitische Vorherrschaft des Kaisers bedeutet hätte.1792 Es war nichts anderes zu erwarten, als dass das Gremium dem König, im Geheimen wie vereinbart, ihre Empfehlung zu einem Anschluss an Alexander III. übermittelte.1793 Das kurze Begleitschreiben des mündlich von vertrauenswürdigen Boten und Augenzeugen der Beratungen – Archidiakon Bartholomäus, der ein Jahr s­ päter zum Bischof von Exeter aufsteigen sollte, und der eben genannte Hofkaplan Wilhelm de Vere – überbrachten Ratschlags berichtet von unerwarteten Zeugen, die in Ergänzung der kanonistischen Grundlagentexte letzte Zweifel der Anwesenden zerstreut hätten.1794 Dem König überließ Theobald wohlüberlegt die weitere Verwertung des Ratschlusses.1795 Die ecclesia Anglorum hatte mit der ausgesprochenen Empfehlung im vollen Maße ihre Befugnisse auf der Insel ausgeschöpft. Der Rest lag in Königshand. Sie waren die Geschworenen, er der Richter.1796

3.3  Die offizielle Anerkennung Alexanders III. in Beauvais: machtpolitisches Druckmittel oder innenpolitische Notwendigkeit? Soweit die Reaktionen vor der offiziellen Anerkennung Alexanders III. im angevinischen Reich. Nach Klärung der Papstfrage auf der Synode von Beauvais am 22. Juli 1160 stand eigentlich des Königs Haltung in der Angelegenheit nicht mehr zur Debatte. Arnulfs Quam utilis apud principes gibt dennoch Hinweise auf unterschiedliche

1791 Erzbischof Hugo von Rouen und Wilhelm von Passavant hatten eigenmächtig Alexander III. proklamiert. Siehe FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 27 f. 1792 Vgl. Reuter: Geschichte I, S. 157. 1793 Vgl. JvS I, Ep.125. 1794 Vgl. ebd., S. 216: in medium prolata est norma fidei, regula gerendorum quae in patrum sanctionibus inuenitur, ut sic innotesceret uniuersis utrius causae facies ei commodius posset aptari; adeoque […] processum est ut ex assertionibus partium ueritas eluceret cum et testes ab insperato procedentes apud nos causam ueritatis instruxerint et nefanda scismatici opera praeconante fama publicarentur. Die erwähnten kirchenrechtlichen Grundlagen waren das Wahldekret von 1059, niedergelegt in Decretum Gratiani, ed. Friedberg, D 23, c. 1 und die Rechtssätze in D. 79. Das Pendant zum viktorinischen Beweisdokument Quia sedis wird Alexanders Wahlanzeige Eterna et incommutabilis gewesen sein. 1795 Vgl. JvS I, Ep.125, S. 217. 1796 Vgl. Saltman: Theobald, S. 51.

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Strömungen am Hofe des Plantagenêt – und damit darauf, ­welche Faktoren dessen dilatorische Haltung unterstützt haben könnten. Der englischen und französischen Forschung gilt das wohl in den Herbst 1160 einzuordnende Schriftstück als Kronzeuge der Vorgänge um Herbst und Ende ­dieses Jahres. Quellenkritik und Erschließung seiner Entstehungsumstände sind, wie bereits an anderer Stelle erläutert, eine Herausforderung, legen doch Überlieferungssituation und innertextliche Hinweise nahe, dass das Dokument inhaltlich in zwei Teile zerfällt. Während der erste, ein Bericht über die umstrittene Papstwahl, an ausgewählte Mitglieder des englischen Episkopats gerichtet und dann in aufgestockter Form an das Kardinalskollegium weitergeleitet wurde, führt nun der zweite Teil, die Ergänzungen ­dieses Berichts, in der Frage der Rolle Heinrichs II. Plantagenêt im alexandri­ nischen Schisma weiter. Quam utilis wurde lange Zeit unter dem Blickwinkel einer dominanten Fragestellung nach den Motiven und Plänen hinter der Verzögerung und der letztend­lichen Anerkennung Alexanders III . durch den englischen König betrachtet. Bis in die 1970er Jahre ging man davon aus, dass die auffällig lange Zeit, die Heinrich II . sich für ein öffentliches Bekenntnis zu dem Sieneser nahm, handfester politischer Kalkulation entsprang. Man folgte der Vorstellung, dass die Entscheidung für ­Alexander noch nicht auf der gemeinsamen Synode von Beauvais, sondern erst auf der sogenannten Synode von Toulouse im Oktober des Jahres erfolgt sei – ein aus einigen Unstimmigkeiten der Quellenlage hervorgehender Trugschluss, den Mary Cheney auflösen konnte.1797 Die ältere Forschung hat aus Arnulfs Anmerkungen zur königlichen Aktivität zur Klärung der Papstfrage – etwa der Konvokation der Synode von London – ohne nähere Beachtung der Entstehungsumstände oder der Absichten des Bischofs abgeleitet, dass Heinrich durch eben diese Aktivitäten die Entscheidung mutwillig zu verzögern gedachte, um sich auf der gemeinsamen Synode nicht durch eine 1797 Vgl. Cheney: Recognition („A vain thing fondly imagined“, S. 496) und Classen: Konzil. Bis dato dominierten zwei Thesen die Forschung. Barlow: Councils, S. 264 – 268; Foreville: Église, S. 95; Foliot Letters and Charters, ed. Brooke u. a., S. 173 und Marcel Pacaut: Louis VII et son royaume, Paris 1964 (Bibliothèque générale de l’école pratique des hautes études, Section 6.), S. 72 waren der Überzeugung, dass Beauvais ergebnislos abgebrochen worden sei und der englische und französische König Alexander III. getrennt voneinander um das Jahresende anerkannt hätten, wobei Ludwig als Reaktion auf ein Doppelspiel des englischen Königs vorangegangen sei. Reuter: Geschichte I, S. 164 – 170, 499 – 502; Janssen: Legaten, S. 66; Grill: Wirken, S. 371 und Ohnsorge: Legaten, S. 16 – 19 gingen von einer gemeinsamen Anerkennung auf einem englisch-französischen Konzil von Toulouse im Oktober 1160 aus.

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vorzeitige Verpflichtung den politischen Handlungsspielraum zu beschneiden.1798 Der Geheimcharakter der Synode, deren Natur als rein ratschlagendes Gremium immer wieder betont wurde, habe Heinrich in die Lage versetzt, in der Papstfrage weiterhin freie Hand zu behalten, bis das politische Kalkül den richtigen Zeitpunkt bestimmte.1799 Ohnsorge etwa sah Heinrich II . im Licht eines Machtmenschen, der, die Schwäche seines Lehnsherrn, des französischen Königs, im Blick, Eroberungsüber Versöhnungspolitik stellte. So wurde London für Heinrich zum Vorwand, zur „Unterlage seiner dilatorischen Politik“, mehr noch, zum „Glied einer politischen Intrige“ 1800. Heinrichs Ziel machte man darin aus, dass er durch den erhöhten Druck auf die päpstlichen Legaten – schließlich konnte auch Ludwig VII . von Frankreich sich in der gegebenen Situation nicht ohne Schulterschluss mit dem Angevinen für einen der Kandidaten bekennen – eine Gegenleistung erpressen wollte, die ihm ein weiteres Stück auf dem Weg zur Superiorität über den Kapetingerkönig eingebracht hätte. Dass dem Ganzen wohl auch ein anderer politischer Hintersinn zu Grunde gelegen haben könnte, suggeriert bereits folgender Passus, aus dem schon im Juni oder Juli 1160 von Arnulf an Kardinallegat Heinrich entsandten In quo uerbo reges: Et noster quidem ad ecclesiasticas personas regni sui legatos destinauit in Angliam cum litteris, quas a domino papa receperat, et scripto illo, quod a scismaticis est de Papiensi conuenticulo fabricatum, ut scilicet, utroque scripto tanquam allegationibus partium utrinque proposito, rectius possint quasi de iudicio formare consilium, et liquidius de contemplatione falsitatis opposite cognoscere ueritatem.1801

Das zur Verfügung gestellte Material, die Hauptmanifeste der beiden Streitparteien, erlaube zusammen mit der Anhörung von Zeugen aus beiden Lagern eine rechtlich und moralisch einwandfreie Entscheidungsfindung. 1798 So bereits Reuter: Geschichte I, S. 159. 1799 Zu Charakteristik und Mandat der Synode JvS I, Ep. 125, S. 216 f: Itaque secundum ea quae proposita sunt, non quidem iudicatum est quia nec licuit, non statutum aliquid in praeiudicium regiae maeiestatis quia nec debuit, sed quod licuit, quod debuit, quod iusso maiestatis uestrae exegit, consilium […] formatum est quod fidelis prudentia subditorum uero principi dictare debuerat non rogata; illud quoque ut prima sicut iustum est uobis gratia debeatur, et operis gloria consummati, prout praecepistis sine omni publicatione in libris conscientiae signari fecimus, quos uobis a latoribus praesentium […] iussimus aperiri. 1800 Beide Zitate: Ohnsorge: Legaten, 22 bzw. 26. Der Einschätzung folgt Janssen: Legaten, S. 66. 1801 AvL Ep. 27, S. 36 f.

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Es lohnt ein Blick auf die Zweideutigkeit des Begriffs iudicium. Neben Schribers Übersetzung als „trial“ 1802, also Prozess oder Gericht, ist auch die Bedeutung „Urteilsspruch, Entscheidung, Beurteilung“ zulässig. Je nach Lesart stellt Arnulf damit das faire Konzil von London entweder dem als moralisch und formaljuristisch fehlerhaft kritisierten „Prozess“ Friedrich Barbarossas in Pavia oder einem königlichen Urteilsspruch Heinrichs II. in der Obödienzfrage gegenüber. In beiden Fällen wird der Akzent auf denselben zentralen Aspekt gelegt: die Umsicht und Weisheit ­Heinrichs II. im Umgang mit der delikaten Situation. Hier tritt zum ersten Mal eine auch der späteren insularen Historiographie geläufige Strategie auf: die Gegenüberstellung des unlauteren Konzils von Pavia mit London und Beauvais, den vom englischen Herrscher protegierten Plattformen zur Anerkennung Alexanders III . durch die normannische und englische ­Kirche.1803 Kurzum, so die Botschaft des Briefes an Kardinallegat Heinrich, wollte man um jeden Preis ein zweites Pavia vermeiden.1804 Die Validität der Entscheidung sollte nicht den Makel eines oktroyierten Beschlusses der Krone haben, sondern durch alle Instanzen gerechtfertigt und legitimiert sein. Der synodale Weg sei einem reinen Urteilsspruch des Königs in einem Edikt oder einer eigenmächtigen herrscherlichen Entscheidung wie dem aus alexandrinischer Sicht fehlgeleiteten Paveser ‚Prozessurteil‘ in jedem Fall vorzuziehen. Nichtsdestotrotz sollte Quam utilis in die Prüfung der These von der Unentschlossenheit des Königs und der daraus resultierenden taktischen Verzögerungspolitik und der Frage der kirchenpolitischen Einstellung des Plantagenêt mit einbezogen werden. Beleuchten wir zunächst jedoch die komplexe Verflechtung der der Kernquelle Quam utilis zugrunde liegenden historischen Ereignisse: Nach dem Tod seiner zweiten Frau Konstanze von Kastilien im Oktober hatte Ludwig VII. Adela von Blois geehelicht. Damit stärkte er nicht nur die wichtigste feindliche Fraktion Heinrichs II. in England, sondern veränderte die Erbfolge zuungunsten des Hauses Plantagenêt.1805 Denn bereits 1158 hatte Thomas Becket als Kanzler 1802 Letter Collections, ed. Schriber, Ep.1.32, S. 90. 1803 Das Darstellungsmuster entwickelte sich aus der stetigen Betonung der Rechtgläubigkeit der Westkönige und einer sich steigernden polemischen Haltung gegenüber ­Kaiser Friedrich I. in der anglonormannischen Historiographie der zweiten Jahrhunderthälfte. Es kulminierte in Wilhelm von Newburghs Gegenüberstellung des als kaiserlich dominiert diskreditierten Konzils von Pavia mit einer zeitlich und räumlich nicht näher bestimmten, von den entsprechenden Monarchen initiierten Versammlung des englischen und französischen Klerus, die am ehesten als die Synode von Beauvais identifiziert werden kann. Siehe WvNewburgh Historia, ed. Howlett, S. 119 – 121. 1804 Vgl. AvL Ep. 27, S. 36 f. 1805 Vgl. Schmale: Sommer, S. 323.

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die Verlobung des englischen Prinzen Heinrich mit Margarete, der kapetingischen Prinzessin aus zweiter Ehe, herbeigeführt.1806 Da nach der Scheidung von Eleonore von Aquitanien deren gemeinsame Töchter mit Ludwig enterbt worden waren, war Margarete nun nach dem Tod ihrer M ­ utter an die Spitze der Erbfolge gerückt – bis die Karten am 13. November 1160 durch Ludwigs zweite Vermählung neu gemischt wurden.1807 Sympathie für die Reaktion Heinrichs II. auf diese veränderte Ausgangslage zeigte Schmale, der wie Ohnsorge und die englische Forschung die folgenden Ereignisse eher im Licht einer angemessenen, defensiv ausgerichteten Erwiderung auf die französischen Bestrebungen denn als Ausdruck einer Instrumentalisierung der ungeklärten Obödienzfrage durch Heinrich II. betrachtete.1808 Allerdings wurde übersehen, dass die Vermählung der Königskinder am 2. November 1160 zeitlich vor der Verheiratung und Krönung Adelas von Blois zur französischen Königin lag.1809 Sollte also der Ehedispens, wie oft angenommen, auf der Synode von Beauvais erfolgreich verhandelt worden sein, kann er eher Vorsorgemaßnahme als direkte Folge auf die veränderten Verhältnisse im französischen Königshaus darstellen. Dennoch wurde in der neueren Forschung ein Zusammenhang ­zwischen dem Taktieren des englischen Königs und der Klärung der Papstfrage gesehen. In ­diesem Kontext ist wichtig, vor welchem Hintergrund und auf ­welchen Grundlagen der Ehedispens erteilt wurde. Schon im Friedensvertrag vom Mai 1160 war eine Klausel aufgenommen worden, die unter den veränderten Vorzeichen im folgenden Herbst eine enorme Wirkkraft entfalten sollte: Rex Ludowicus reddidit Regi Angliae omni jura et tenementa Henrici Regis avi sui quae tenebat die qua fuit vivus et mortuus […] excepto Wilcassino; et de Wilcassino remansit Regi Angliae feodum archiepiscopi Rotomagensis, et feodum Comitis Legicarum de feodo Britolii, et feodum Comitis 1806 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 311. 1807 Vgl. Historia Gloriosi Regis Ludovici VII, in: Bouquet 12, S. 129: Unde rex nimium cum omni regno suo contristatus est. Postquam vero, per solatia Optimatum suorum, tristitiam aliquantulum oblivioni tradidit, consilio et monitu Archiepiscoporum et Episcoporum, aliorumque sui regni Baronum, uxorem desponsare disposuit. Außerdem: ad annum 1160 bei Waterlos Annales Cameracenses, ed. Pertz; Ex Chronico Turonensi, in: Bouquet 12, S. 476; Ex Chronologia Roberti Monachi S. Mariani Autissiodorensis, in: Bouquet 12, S. 296. 1808 Vgl. Schmale: Sommer, S. 323 f., hier: S. 324: „Wenn also im Oktober endlich auf einer Synode in Toulouse gemeinsam von Ludwig und Heinrich die Anerkennung Alexanders ausgesprochen wurde, so darf man nicht ausschließlich diese Anerkennung mit der Heirat der Kinder im November kausal verknüpfen, sondern muß auch die dritte Ehe Ludwigs damit in Zusammenhang bringen.“ Siehe Ohnsorge: Legaten, S. 22, Anm. 59. 1809 Vgl. RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 304.

488 Perspektiven auf die Schismapolitik König Heinrichs II. Plantagenêt Eboricensis et totum remanens Wilcassini Regi Francorum, hoc modo quod ipse illud remanens dedit et concessit maritagium cum filia sua filio Regis Angliae habebendum, et eum inde seisiendum ab Assumptione beatae Mariae proxima post pacem factam in tres annos. Et si infra hunc terminum filia Regis Franciae filio Regis Angliae desponsata fuerit assensu et consensu sanctae ecclesiae, tum erit Rex Angliae seisitus de toto Wilcassino et de castellis Wilcassini ad opus filii sui. […] et ista conventione, quod castella remanebunt in custodia militum Templi usque ad praedictum terminum, et habebunt redditus ad castella custodienda, quos Rex Franciae in dominio habebat.1810

Die Festungen, die als Mitgift der französischen Prinzessin vereinbart wurden, waren die drei strategisch bedeutenden Grenzkastelle von Gisors, Neufle und Chateauneufsur-Epte im Vexin.1811 Die größte Tragweite entwickelte jedoch der damals vielleicht als wenig problematisch empfundene Zusatz, dass die Regelung bei einer Verheiratung der Königskinder mit dem Segen der ­Mutter ­Kirche – bei einer Minderjährigkeitsehe mit päpstlichem Dispens – in Kraft trete. Eben dieser Ehedispens war es, den Heinrich II. auf der Synode von Beauvais oder ihrem Umfeld von den päpstlichen Legaten erlangte. Die Implementierung der Dispensklausel sei der Preis für Heinrichs Treueverpflichtung gegenüber Alexander III. gewesen.1812 Ein nicht unwahrscheinliches Szenario. Die Kardinallegation stand unter erheblichem Druck. Ludwig VII. hatte dem Plantagenêt den Zeitpunkt der Bekanntgabe ihrer Parteinahme überlassen, um dessen Rücksprache mit der englischen Landeskirche zu ermöglichen.1813 Diese oft als Ausdruck schwacher Königsmacht gewertete Entscheidung scheint dem Bewusstsein für die Gefahren einer gegensätzlichen Entscheidung der beiden Königreiche entsprungen zu sein.1814 Ludwig hätte es sich schwerlich leisten können, die westlichen Gebiete seines Reiches an seinen Rivalen zu verlieren, sollte Alexander auf eine Entscheidung für Viktor IV. hin das Feudalband z­ wischen dem französischen Monarchen und seinen Lehnsmännern kappen.1815 1810 RHGF 16, Nr. 80, S. 21 f. 1811 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 329. 1812 Vgl. Ohnsorge: Legaten, S. 23. 1813 Vgl. Arnulf gegenüber dem englischen Episkopat: Sed quia inter ipsum et principem nostrum […] nouiter est reformata concordia, placuit ob gratiam ipsius ad momentum differre publicande susceptionis edictum, donec iste noster ecclesiam regni sui consuluisse posset, et, quod mente concepit, assensus uestri coniuentia confirmasse (AvL Ep. 28, S. 58) und den alexan­ drinischen Kardinälen: Sed et rex Francorum rei diffinitionem regis Anglorum uoluntati commiserat, nichil se facturum publice contestatus, nisi quod ipsius ei sententia predictasset. Prevaluerat itaque consilium dilationis, ut quanto spatiosius, tanto utilius utrique regi posset esse consultum, atque interim aliqua possent de ipsis euentibus auspicari (AvL Ep. 29, S. 49). 1814 Vgl. Cheney: Recognition, S. 496. 1815 Vgl. ebd.

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Somit lag alles in der Hand des englischen Herrschers. Eine falsche Entscheidung der Kardinallegaten hätte ein Zerwürfnis z­ wischen Heinrich und Ludwig und damit eine sichere Wiederaufnahme der Kämpfe, wenn nicht sogar einen gefährlichen Zusammenschluss eines der Reiche mit dem Imperium zur Folge gehabt. Dies aber wäre ein harter Schlag für die kurialen Bemühungen in Westeuropa gewesen. Vielleicht hatte auch Arnulf von Lisieux, der seine Abwesenheit von der alexan­ drinischen Kurie mit seiner Unterstützung der Legaten vor Ort begründete, den drei Kardinälen dargelegt, dass der Gunstverlust auf englischer Seite Alexanders Sache größeren Schaden zufügen würde als eine Brüskierung Ludwigs VII.1816 Zur Verteidigung der Legaten beschrieb er die prekäre Situation gegenüber dem alexandrinischen Kardinalskollegium und betonte erneut: Quia igitur de arbitrio regis Anglorum tota causa pendebat, exaudiendus erat potius quam seueritatis alicuius austeritate terrendus […].1817 Als sie dem zuständigen Metropoliten, Erzbischof Hugo von Rouen, den Ehedispens zukommen ließen, war die Wahl den Legaten sicher nicht leicht gefallen.1818 Zum Wohl des Friedens und der Eintracht und zum Besten beider Könige, ihrer Reiche und der zugehörigen Landeskirchen, so die Begründung, würde eine Indulgenz für die Ehe der noch minderjährigen Kinder gewährt und zwar secundum quod a parentibus et eisdem regibus condictum est 1819. Mit dem Bezug auf den Maifrieden standen die Legaten auf solidem rechtlichem Grund, doch die Wirklichkeit war eine ganz andere Sache. Die zweijährige ­Margarete und der wenige Jahre ältere Heinrich der Jüngere wurden am 2. November 1160 vermählt.1820 Offiziell bekanntgegeben wurde diese Vermählung aber erst knapp zwei Wochen ­später, als habe der Vater des Bräutigams die Krönung der neuen französischen 1816 Vgl. AvL Ep. 29, S. 48: Interim, si domino nostro et uobis nostram non possumus presentiam exhibere, aliqua tamen ex parte supplet deuotio caritatis absentiam, quoniam uenerabilibus patribus nostris, sedis apostolice legatis, assistimus, cum eis toto studio sancte Romane ecclesie utilitatibus insistentes. 1817 Ebd., S. 49. 1818 XIV. Henrici, Willelmi et Odonis cardinalium, A. S. legatorum, ad Hugonem Rotomagensem archiepiscopum et ejus suffraganeos, Sacrosancta Romana ecclesia, in: Bouquet 15. 1819 Ebd.: Nos ergo pro bono pacis et concordiae, pro quiete et tranquillitate amborum Regum et utriusque regni, pro statu quoque ecclesiarum Dei, quae in eisdem regnis sub eisdem Regibus praecipue pollere videntur, permittimus et concedimus, secundum quod a parentibus et eisdem regibus condictum est, ipsos, puerum videlicet et puellam, ad invicem desponsare, et solemnitates quae in contrahendis conjugiis requirentur, si postulatum fuerit, a vobis concedimus exhiberi. 1820 Vgl. RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 304: Celebratum est autem matrimonium inter filium regis Francorum triennem auctoritate scilicet Henrici Pisani et Willelmi Papiensis prebytorum cardinalium et apost. Sed. Legatorum. Hoc autem factum est apud Novum Burgum IV. nonas novembres.

490 Perspektiven auf die Schismapolitik König Heinrichs II. Plantagenêt

Königin noch abgewartet. Dann besetzte der Plantagenêt unverzüglich die ihm zugefallenen Burgen im Vexin.1821 Die Feindseligkeiten ­zwischen den Monarchen brachen erneut aus und Ludwig VII. wies die Legaten unverzüglich aus der Krondomäne.1822 Die Situation war so ernst, dass Alexander III. und seine Kardinäle sich zügig bemühten, die Wogen zu glätten. In den ersten Wochen des neuen Jahres entsendeten Papst Alexander und Hyazinthus Orsini, Kardinaldiakon von S. Maria in Cosmedin, zwei beschwichtigende Briefe an den französischen König.1823 Letzteren las Janssen als einen Entschuldigungsbrief, in dem die Legaten „nicht geschont“ 1824 worden s­ eien, und legte damit eine kuriale Verstimmung über den Verlauf der Ereignisse nahe. Tatsächlich aber zeigt ein Blick in den Text, dass die Kritik nicht vonseiten der alexandrinischen Kurie kam, sondern der Vorwurf der incuria an die Legaten auf Ludwig VII. selbst zurückzuführen war: Perlectis sane majestatis litteris, […] de perturbatione tamen pacis inter vos et Regem Anglicum nuper exorta non parum dolemus, praesertim cum cardinalium incuria et assensu, sicut ex vestrarum literarum tenore perpendimus, quodammodo evenisse vester intelligat providus sensus […].1825

Statt offene Kritik zu äußern, wird lediglich in Erwägung gezogen, dass, wie aus dem Wortlaut geschlossen, die Legaten unbedacht gehandelt haben könnten. Auch ­Alexander III. bemüht sich offensichtlich um Beschwichtigung, doch seine Worte an Ludwig enthalten kein Eingeständnis eines Fehlverhaltens der Legaten. Sie betonen neben Alexanders Bedauern der Geschehnisse vielmehr, dass Heinrich, Wilhelm und Oddo im päpstlichen Auftrag pro necessitate ecclesiae, pro honore quoque et utilitate regni et tua 1826 entsandt worden s­ eien, eine subtile Erinnerung an die Beweggründe der von ihnen getroffenen Entscheidung und an die Bedeutung des großen Ganzen, des Wohles der ­Kirche, das damit geschützt werden sollte. Es kann weder mit Sicherheit gesagt werden, ob Alexander bei der Abfassung des Schreibens auf 1821 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 329; Howden Chronica I, ed. Stubbs, S. 218. 1822 So berichtet ein Brief des Abtes Ernisius von Saint-Victor an Kardinal Oddo, der ihn zur Vermittlung an den französischen Hof gesandt hatte: RHGF 16, S. 25. Heinrich von Pisa hatte den Herrschaftsbereich Ludwigs VII. direkt nach der Krönung verlassen. Vergleiche ­Heinrichs Itinerar bei Janssen: Legaten. 1823 Nr. 24, in: Bouquet 15 (JL 10644) und Nr. 84. Iacinthi, Diac. cardinalis, ad Ludovicum, in: RHGF 16. Hyazinths Brief bereitete Ludwig mit der Bitte um wohlwollende Aufnahme auf den Empfang des päpstlichen Schreibens vor. 1824 Janssen: Legaten, S. 69. 1825 RHGF 16, Nr. 84, S. 24. 1826 Bouquet 15, Nr. 24, S. 766.

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Arnulfs früher ­verfasstes Quam utilis zurückgriff, noch kann es ausgeschlossen werden. Faktisch jedoch stimmt die päpstliche Linie mit Arnulfs Einschätzung überein, dass die erhaltene Gesundheit des gesamten Körpers, das heißt der Universalkirche, eine geringfügige Wunde wieder aufwiege.1827 Auf den ersten Blick scheint Arnulfs Quam utilis nicht wie eine weitere Königsapologie aus der Feder des hofnahen Prälaten. Vielmehr hält der Verfasser die Verpflichtung und Treue gegenüber der Sache Alexanders beständig hoch, Sorge tragend, dass auch die englische ­Kirche im rechten alexandrinischen Licht erstrahlt.1828 Omnibus igitur ab initio rite perspectis, domini et patres mei, magna uos conuenit exultatione gaudere, quod de omni carne singulariter estis ad hoc tempus electi, per quos fidei ueritas, per quos forma iusticie, per quos ecclesie libertas inconuulsa seruetur. Quod enim nos in hac uobiscum unitate consistimus, quod hereticam prauitatem cum suo detestamur auctore, uobis debetur gratia, qui cepistis, a quibus nos auctoritatem duximus et exemplum. Ipsi itaque duces nostri, ipsi reuera de fortissimis Israhel estis, quibus lectulus Salomonis datus est, propter timores nocturnos fidelibus excubiis ambiendus.1829

Die Passage ist eine der großen rhetorisierten Predigten in Arnulfs Korrespondenz. Die hier zu Argumentationszwecken eingeflochtenen einschlägigen Bibelzitate sind Einfügungen aus dem Hohelied (Hld3,7), der Bergpredigt (Mt 5,15), den Psalmen (Ps 18,5) und dem Römerbrief (Röm 8,38 – 39). Sie spannen sich inhaltlich über die Gewissheit der Glaubenden und die Verbreitung der Frohen Botschaft, setzen zum einen Alexander III. in Analogie zu Salomon und vergleichen die Kardinallegaten und die ­Kirche Englands mit jenen, die vieles auf sich nehmen, um dessen Weisheit teilhaftig zu werden. Im Universum des Schismas bedeutet dies selbstredend die Akzeptanz Alexanders als spirituelles Oberhaupt der Universalkirche und die Abweisung aller spalterischen Tendenzen. Mit diesen Worten setzt er den Ton für die eigentliche Apologie des erteilten Ehedispenses. Die Legaten übten ihr Werk in derartiger Güte aus, dass das Ansehen der heiligen römischen K ­ irche überall verbreitet und genährt werde und selbst die Fürsten vor ihrer tugendhaften Strenge erblichen.1830 Ein würdiges Exposé für Arnulfs eigentliches, geradezu beiläufig eingeleitetes Anliegen: die delikate Affäre um die folgenschwere Düpierung des französischen Königs. 1827 1828 1829 1830

Vgl. AvL Ep. 29, S. 50. Vgl. ebd., S. 48 f. Ebd., S. 47 f. Vgl. ebd., S. 48.

492 Perspektiven auf die Schismapolitik König Heinrichs II. Plantagenêt Porro, super facto illo, in quo regem Francorum aduersus eos scandalizatum audistis, prorsus excusabiles sine omni dubitatione credatis, quia nunquam ad consensum dispensationis illius pertrahi potuissent, nisi eos inexpugnabilis necessitas, et inestimabile bonum recompensationis ilico prouenture traxisset.1831

Im Folgenden bemüht sich der Normanne, den absoluten Beweis für die Alternativlosigkeit der Indulgenz zu liefern – und exkulpiert dabei elegant nicht nur die Legaten, sondern rechtfertigt auch ein letztes Mal die zögerliche Kirchenpolitik der englischen Krone. Auf einem nicht näher bestimmten Treffen des Königs (eventuell ist die normannische Synode von Neufmarché oder eine Diskussion weltlicher Großer gemeint) mit den Magnaten seines Reiches, das Klarheit in der offenen Papstfrage schaffen sollte, hätten die Legaten in widrigen Umständen Standfestigkeit bewiesen. So schildert der Bischof von Lisieux die politische Strömung in England, von der man ansonsten nicht viel hört: Stabant itaque fratres illi, causam ecclesie non sine magno discrimine prosequentes, quoniam apud plerosque fauor iniquitatis conualuerat, adeo ut qui manifeste repudium ueritatis suggere non audebant, differendum potius seculari quadam astutia predicarent, euentum scilicet rei dubie potius expectandum, quam subiciendam fortuitis casibus tantorum principum maiestatem […].1832

Darf man dem Zeugnis Glauben schenken, schienen gewisse Kräfte im angevinischen Reich die Herrenlosigkeit des Hauses, das Fehlen eines anerkannten Kirchenoberhaupts, als befreiend empfunden und im Sinne eigener Interessen die Entscheidung über die Anerkennung eines der Kandidaten verzögert zu haben. Manche von ihnen wollten abwarten, bis Gott durch den Tod eines der beiden Kandidaten einen deutlichen Fingerzeig liefere. Bis dahin „genüge Gewissenhaftigkeit der Bischöfe in den einzelnen Königreichen“ 1833. Auch weltliche Magnaten schienen eine Möglichkeit gewittert zu haben, das lästige „Joch der K ­ irche“ 1834 abzuschütteln. In jedem Fall aber dürfe man die weltlichen Autoritäten nicht zu einer Entscheidung drängen. Diese müsse, wie auch die Überzeugung von Johannes von Salisbury war, mit Bedacht und auf vollständiger Informationsbasis erfolgen, nicht Ergebnis zufälliger Geschehnisse sein.1835 1831 Ebd. 1832 Ebd., S. 48 f. 1833 Vgl. ebd., S. 49. 1834 Vgl. ebd. 1835 Vgl. ebd. bzw. JvS I, Ep. 124, S. 213 f.

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Alle Argumente und Vorschläge der Opposition zielten auf dasselbe ab: die Vertagung der Obödienzentscheidung auf unbestimmte Zeit. Arnulf von Lisieux berichtet, wie Heinrich Plantagenêt selbst in ­dieses Bild passte: Accedebat legatorum imperatoris et cardinalium, maledicti scilicet Ioannis et Guidonis, instantia, quibus dari uidebatur de modica dilatione triumphus, si fratres uestros uel ad modicum tempus quelibet occasio suspendisset.1836

Offenbar war es den Entscheidungsträgern des angevinischen Reiches bewusst, dass ein Beschluss, und sei er nur zur Wahrung der Neutralität, mehr als jemals zuvor Not tat. Gesandtschaften beider Seiten, nicht zuletzt die schismatischen Kardinäle und Wähler Viktors IV ., die in Beauvais die Sache ihres Herrn vertraten, drängten auf eine klare Entscheidung. Arnulf von Lisieux und den Gegnern der Verzögerungspolitik im Episkopat standen deren Gefahren klar vor Augen.1837 Erfolgte keine klare Anerkennung Alexanders, würde dies als Hang zur viktorinisch-imperialen Partei gewertet werden. Alle königlichen Referenzen gegenüber Alexander III ., die Arnulf in seinen anderen Schreiben so akribisch betonte, wären vergebens, seine Glaubwürdigkeit und die Hoffnung auf eine Beilegung der Krise schwer beeinträchtigt: Praeterea cum animos regum in fauorem domini nostri omnium conscientia crederet inclinatos, in partem imperatoris cessisse, dilatione prestita, crederentur, et paulominus detrimenti suspicio quam noticia forte ueritatis afferret.1838

Ein politisch taktierender König, wie ihn mit Ausnahme von Timothy Reuter die Forschung sehen wollte, tritt aus Arnulfs Bericht nicht hervor. In Quam utilis deutet er das Zustandekommen des Vertagens um: Sed et rex Francorum rei diffinitionem regis Anglorum uoluntati commiserat, nichil se facturum publice contestatus, nisi quod ipsius ei sententia predictasset. Preualuerat itaque consilium dilationis, ut quanto spatiosius, tanto utilius utrique regi posset esse consultum, atque interim aliqua possent de ipsis euentibus auspicari.1839

1836 AvL Ep. 29, S. 49. 1837 Siehe ähnlich auch Johannes von Salisbury ( JvS I, Ep. 124, S. 214) und Fastrad von C ­ lairvaux (MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 70, S. 126). 1838 AvL Ep. 29, S. 49. 1839 Ebd.

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Als Ludwig VII. die Entscheidung seinem mächtigen Kronvasallen überließ, zeichnete sich ein Ausweg aus dem Dilemma ab, eröffnete doch sein Verzicht die Möglichkeit für beide Königreiche, sich gemeinsam mit ihren Landeskirchen zu entscheiden. Ein weiteres Mal wird Heinrich die Rücksprache mit den Kirchenfürsten seines Königreichs hoch angerechnet. Denn die Verzögerung der Entscheidung in der Papstfrage, so die Umdeutung des Normannen, wird zur notwendigen Vorbedingung einer besonnenen wie tragfähigen politischen Entscheidung zugunsten Alexanders III. Nach Arnulfs Zeugnis sollen am Ende Heinrichs Wort und Anerkennung des ehemaligen Kanzlers der Kurie die Obödienz großer Teile West- und Nordeuropas, nämlich der Königreiche Frankreich, England, Spanien, Irland und Norwegens, nach sich gezogen haben.1840 Wie hätten die Legaten unter diesen Umständen, unter denen jede Verzögerung eine Stärkung der gegnerischen Partei bedeutet hätte, den Wunsch des Königs nach Erteilung eines Ehedispenses verwehren können? Auch Arnulf legt indirekt Zeugnis davon ab, dass Papstfrage und Ehedispens in kausalem Zusammenhang stehen könnten. Sein Bild von Heinrich ist nicht das eines eiskalten Erpressers, der sich am längeren Hebel sah, sondern das eines besonnenen Herrschers, der zum Wohl seines Reiches auch die Stimme der Landeskirchen mit einbezog. Wie aber ist diese Darstellung im Licht seiner biegsamen Auslegung des Wahrheitsbegriffs zu bewerten? Was das Verhalten des Königs von England angeht, kam Mary Cheney zu dem Urteil, dass dieser die Angelegenheit der Anerkennung Alexanders III. mit großer Gerissenheit auf die Erpressung der päpstlichen Indulgenz ausgelegt habe. Sie machte damit Heinrich II. allein zur treibenden Kraft hinter der Anerkennung des Sienesers in England und Frankreich.1841 An der Kompromisslosigkeit dieser These wurden Zweifel laut. Anders als Cheney und der Rest der früheren Forschung, die allein Heinrichs Außenpolitik als formenden Faktor seiner Entscheidung sahen und Ludwig VII. zum geprellten Lehnsherrn machten, machte Timothy Reuter darauf aufmerksam, dass von einer Unwissenheit des Kapetingers über den angeblich heimlich erteilten Ehedispens nicht auszugehen ist.1842 Ludwigs Indignation über die Inkraft­setzung des Dispenses, so Timothy Reuter, rühre nicht von der Tatsache her, dass dieser hinter seinem Rücken verhandelt, sondern dass er in einer neuen Situation, nämlich im

1840 Vgl. ebd. Zumindest die Obödienznahme Spaniens ist belegt in Epistola Alexandri III. ad Eberhardum Salisburgensis Archiepiscopum. Ad haeretes et schismata resecanda, in: Mansi 21, Sp. 1037: Francorum, Anglorum, Hispaniarum et tota occidentalis ecclesia […] praedictum schismaticum ejusque principales fautores perpetuo anathemate damnarunt. 1841 Vgl. Cheney: Recognition, S. 495 f. 1842 So etwa Ohnsorge: Legaten, S. 23.

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Nachhall der veränderten Erbfolge, eingesetzt worden war.1843 Dies würde nicht nur erklären, warum Heinrich Wochen verstreichen ließ, um die Indulgenz einzusetzen, sondern auch, warum die kurialen Beschwichtigungen an Ludwig VII. nicht ein Fehlverhalten der Legaten einräumten, sondern nur um die Wiederherstellung des Friedens z­ wischen den beiden Königreichen bemüht waren. Die eigentlichen aggressiven Handlungen ­seien erst mit der Besetzung der Burg Chaumont des Grafen Theobald von Blois, Vater der neuen Königin, durch Heinrichs Soldaten entstanden.1844 In ­diesem Klima der Feindschaft sei der Dispens dann genutzt worden. Damit wäre er als Versicherung Heinrichs II. für die Zukunft zu betrachten, deren Zeit er im Herbst des Jahres gekommen sah. Im Umkehrschluss hieße dies, dass der Ehedispens nicht in erster Linie im Gegenzug zur Anerkennung Alexanders III. dessen Abgesandten abgepresst worden war, sondern Heinrich auch innenpolitisch motiviert war. Immerhin stand die englische Landeskirche fast geschlossen hinter Alexander.1845 Ein Kampf gegen den Widerstand der Bischöfe wäre zu dieser Zeit ebenso wenig opportun gewesen wie ein offener Konflikt mit Frankreich, in dem die ecclesia Gallicana dieselbe Haltung vertrat wie die englischen Amtsbrüder.1846 Dass bei einer Entscheidung, die ohnehin von politischem Sachverstand diktiert wurde, ein Ehedispens noch als Beigabe hinzukam, konnte für die englische Krone ein positiver Nebeneffekt sein. Das von Arnulf vermittelte Königsbild bestätigt Reuters Erkenntnisse. Zeitzeugen und Historiker bewerten damit die machtpolitischen Implikationen des Ehedispenses als Faktor von geringerer Bedeutung in der Klärung der Papstfrage als die Konsultation der Landeskirchen. Sicherlich ist Arnulf von Lisieux nicht in allen Details ein glaubwürdiger Berichterstatter. Sicher wurde auch hier – wie in seinem LondonManifest – das Ausmaß der Opposition und die Unterordnung des kapetingischen Herrschers unter den Angevinen übertrieben.1847 Heinrichs Beschlusslosigkeit in der Papstfrage allein als mutwilliges Zeugnis zur Erpressung größtmöglichen politischen 1843 Reuter argumentiert zum einen, dass eine Verhandlung auf einem kapetingisch-angevinischen Konzil nicht hätte verborgen bleiben können. Zum anderen, und das mag das schlagende Argument sein, findet sich der Text des Ehedispenses in einem Manuskript aus Saint-Victor, das seinen Ursprung in der Hofkanzlei gehabt habe. Siehe Reuter: Schism, S. 41 sowie ab S. 219. 1844 Vgl. RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 303; Howden Chronica I, ed. Stubbs, S. 218. 1845 Vgl. JvS I, Ep.122, S. 201. 1846 Vgl. Reuter: Schism, S. 41. 1847 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 215, der nur Hugo de Puiset, Bischof von Durham, und Heinrich von Winchester als Viktoriner nennt.

496 Perspektiven auf die Schismapolitik König Heinrichs II. Plantagenêt

Nutzens zu betrachten, leitet aber fehl. Selbst wenn Arnulf Heinrichs Tendenz zur alexandrinischen Seite übertreiben sollte, wusste der König genau, dass ohne die englischen Bischöfe eine Anerkennung Viktors IV. nicht praktikabel gewesen wäre. Wenn er dabei eine gute Gelegenheit nicht verstreichen ließ, passt dies durchaus in die charakterliche Disposition eines Mannes, der sich schon in jungen Jahren mit Tatkraft und politischem Geschick den Weg zum englischen Thron erkämpft hatte. Als Zeugnis ist Quam utilis in der Forschung nur marginal behandelt worden. Man sah Arnulfs Brief als Rechtfertigung dafür, dass die Legaten Heinrich, Oddo und Wilhelm einen kirchlichen Ablass für die Verehelichung minderjähriger Königskinder gewährt hatten, der unangenehme Folgen für den Frieden und die Stellung Alexanders III. in der Papstfrage nach sich gezogen hatte. Auf Heinrichs Rolle in der Indulgenzaffäre wurde der Brief nicht befragt. Ein Fehler, ist Quam utilis doch mehr als nur eine Apologie der Kardinallegaten. Zweifelsohne lag deren Ehrenrettung Arnulf von Lisieux aufrichtig am Herzen. Doch war der Normanne auch niemand, der eine günstige Gelegenheit zur Rechtfertigung seines eigenen Königs ungenutzt hätte verstreichen lassen. Nicht zuletzt hätte die kuriale Kritik auch Heinrich II. selbst als Initiator des Ehedispenses treffen können. Arnulfs Intention wird im letzten Absatz seiner angeblichen Legatenapologie besonders deutlich. Zunächst kann seine Erinnerung daran, dass die Dispensklausel im angevinisch-kapetingischen Friedensvertrag im Wohle des Friedens und damit zur Zufriedenheit aller Eingang gefunden und schriftlich fixiert worden sei, noch mit einem Blick auf beide Parteien, König und Kuriallegaten, verstanden werden: Sed et unde quis orituram super eo presumpsisset offensam, quod ab initio pro bono pacis, scripto etiam interueniente, regum sanctitas, religio presulum, principum fides, populi congratulatio deuota firmauit […].1848

Ganz deutlich wird aber die Botschaft direkt im Anschluss: […] nec rei efficientiam communibus regulis, sed, quo magis accelerari posset, ecclesiastice potius indulgentie destinauit? Quod si quid de indulgentia contra easdem regulas constat esse delictum, nichil tamen criminis intercessit, uulnusque modicum totius corporis sanitas asseruata compensat.1849

Anscheinend hatte man auch allgemeine, sittliche oder rechtliche Bedenken geäußert, was die Erteilung eines Ehedispenses in ­diesem Fall anging. Einmal mehr appelliert der 1848 AvL Ep. 29, S. 49. 1849 Ebd., S. 49 f.

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Bischof von Lisieux für eine diplomatische Mäßigung. Die Verstimmung L ­ udwigs VII. sei schließlich ein kleineres Übel gewesen als der bei einer Verweigerung seiner petitio unausweichliche Bruch mit dem englischen König. Heinrichs Bitte um einen Ehedispens und die Inkraftsetzung desselben, so Arnulfs findige Argumentation, sei hingegen ein gangbarer Weg zu einer schnellen Lösung der Papstfrage gewesen: Hic certe zelus eorum, hec fuit dispensationis intentio, quam non ultronea uoluntas obtulit, sed importunitas neccessitatis extorsit; quoniam, si ea die sermo non fuisset consummatus in bonum, procul dubio fratres uestri repulsam diutinam uel perhennem sub dilationis imagine reportassent.1850

Eine schnelle Erteilung des Dispenses – ohnehin ein Vollzug der beiderseitigen Absprache vom Maifrieden – und ein Rückgriff des englischen Königs auf diese Möglichkeit, so Arnulfs Logik, hatte die Anerkennung Alexanders erst zeitnah möglich gemacht. Wäre sie nicht erfolgt, hätte die zögerliche Vertagungspolitik noch immer kein Ende genommen. Erneut konnte Arnulf von Lisieux mit einer Rechtfertigung für die aufschieberischen Tendenzen seines Königs aufwarten. Gleichzeitig gelang ihm auch als triumphaler Schlusspunkt die kongeniale Rechtfertigung des Schachzugs, durch den Heinrich II. die Beilegung des Schismas fast in weite Ferne gerückt hätte. Jetzt, da Alexander anerkannt war, war der König exkulpiert. Entsprechend triumphierend lässt Johannes von Salisbury Theobald die Akzeptanz Alexanders III. an alle Gläubigen der englischen ­Kirche verkünden: Qui ergo a malitia inhabitantium suam turbari permisit ecclesiam […] in capite ecclesiae sede Petri uirum apostolicum statuit electum et consecratum canonice et ab omnibus qui recte sapiunt catholice approbatum. Is est dominus Alexander quem in patrem et pastorem, assensu principum nostrorum, Anglicana et Gallicana recepit ecclesia et, sanctae Rom(anae) ecclesiae plena deuotione obediens, Octauianum cum omnibus fautoribus suis uelut manifeste scismaticum et haereticum condampnauit.1851

Damit musste es dem im Sterben begriffenen Erzbischof von Canterbury und seinem Sekretär so erschienen sein, als habe England seinen Beitrag zur Befriedung der Universalkirche geleistet. Keiner von beiden konnte ahnen, dass d­ iesem gebannten Prätendenten noch weitere auf die Cathedra Petri folgen sollten und dass dem eigenen Kandidaten siebzehn lange Jahre Kampf für seine Rechte bevorstanden. Theobald erlag wenige Monate s­ päter seinem Leiden. Sein loyaler Sekretär Johannes von Salisbury, den er vorsorglich noch vor seinem Tod dem König empfohlen hatte, wurde 1850 Ebd., S. 50. 1851 JvS I, Ep. 130, S. 226.

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Zeuge jener krisenhaften Entwicklung im eigenen Land, die dem Schisma neuen Impetus geben sollte.1852 Dass gerade das geschätzte Mitglied der erzbischöflichen familia, Archidiakon und Kronkanzler Thomas Becket, den Theobald noch 1159 um Rat in Schismadingen angefleht hatte, dessen Kampf für den Schulterschluss ­zwischen ­Kirche und Staat aufkündigen und die zentrale Figur im nächsten Kapitel der Geschichte spielen sollte, war eine harte Ironie des Schicksals.

1852 Vgl. JvS I, Ep. 126.

III.  Appell und polemische Instrumentalisierung: das Schisma zur Zeit des Becketkonflikts (1164 – 1170)

1. Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten Das Konzil von Pavia und die eindeutige kaiserliche Parteinahme gegen ­Alexander III. waren die ersten Ereignisse, die Klima und Schismabild des alexandertreuen angevinischen Reiches entscheidend prägten. Die zweite große Zäsur bildete der Ausbruch des Becketkonflikts. Die bloße Existenz der Differenzen ­zwischen dem Primas der insularen Partikularkirche und Alexanders mächtigsten weltlichen Verbündeten dort hätte ausgereicht, um Alexanders Sache ins Wanken zu bringen. Die Internationalisierung des Konflikts durch Beckets Flucht in das ohnehin von imperialer Seite bedrängte Königreich Frankreich aber verschärfte die unübersichtliche politische Gemengelage vollends. In der modernen Forschung wurde der Disput des Plantagenêt mit seinem ehemaligen Kanzler zum beherrschenden Thema der zweiten Jahrhunderthälfte. Doch war er es auch damals? Geriet die größere, universalkirchliche Krise des Schismas gegenüber den Auseinandersetzungen um die Konstitutionen von Clarendon ins Hintertreffen? Hanna Vollrath hat argumentiert, die englische Öffentlichkeit habe das Schisma im Gegensatz zum Becketstreit als kaiserliche Angelegenheit angesehen und, weil bedeutungslos für die eigene Lebenswelt, nicht in ihr historiographisches und epistolares Gedächtnis eingeschlossen.1853 Endete das Interesse an der Schismafrage tatsächlich mit der Entscheidung über die Legitimitätsfrage im Sommer 1160?1854 Vielleicht lagen in den Augen der Zeitgenossen die beiden Konflikte um Spitze und Autoritätsgrenzen weltlicher und geistlicher Macht näher beieinander als bisher geglaubt. Möglicherweise waren das alexandrinische Schisma und der Becketdisput unterschiedliche Zweige einer Entwicklung, die sich bereits früher angedeutet hatte. Zumindest die Historiographie ließ, so sehr sie auch den Becketkonflikt als drängende Krise empfand und reflektierte, keineswegs die Kirchenspaltung und ihre Auswirkungen auf die staufisch-angevinischen Beziehungen außer Acht.1855 1853 Vgl. Vollrath: Lüge. 1854 Ebd., S. 160: „Die Papstfrage war 1160 ein für allemal entschieden worden. Alexander war der rechtmäßige Papst. Wenn Barbarossa und die Seinen einen anderen Papst hatten, dann war das ihr Problem.“ 1855 Vgl. die Forschungen der Verfasserin zum Widerhall des alexandrinischen Schismas in der englischen Geschichtsschreibung sowie das unter dem Arbeitstitel „In View of the Other: Perceptions and Conceptions of England and the Empire in the 12th Century” Dissertationsprojekt von Isabelle Chwalka an der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität.

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In ­diesem Kapitel darf und wird es nicht um einen quantitativen Vergleich der Reaktionen Englands zum Becketkonflikt auf der einen und dem alexandrinischen Schisma auf der anderen Seite gehen, sondern um einen analytischen Blick auf die zeitnahen historischen Textzeugen, auf die Verknüpfungen, die sie zogen, die Wahrnehmungsmuster, die sie zugrunde legten, und die Urteile, die sie fällten. Es geht schlicht um die Frage, was sich durch die politische Größe des Becketdisputs im Schismabild des angevinischen Reiches verändert hatte und ob qualitative oder kausale Bezüge ­zwischen beiden Krisen erkannt wurden. Im ersten Schritt wird nachgespürt, ­welche Ursprünge und Erscheinungsformen, formativen oder perpetuierenden Einflussfaktoren, potenziellen oder faktischen Auswirkungen auf die Universalkirche, das Königreich England und seine Landeskirche von den Zeitgenossen verortet, reflektiert und diskutiert wurden. Ziel ist es, die ideengeschichtlichen und historischen Muster, auf deren Basis man die Ereignisse wahrnahm und mit Bedeutung auflud, aber auch die sprachlichen Vehikel aufzuspüren, mit denen man eben diese Vorstellungen artikulierte. Veränderungen in dieser Bildsprache und diesen Wahrnehmungsmustern im Verlauf der Kirchenspaltung lassen wiederum auf die Brisanz des Themas im zeitgenössischen Diskurs schließen. Komplettierend wird der Blick darauf gerichtet, ­welche Ereignisse und Aspekte vorrangig und aus ­welchen Motiven beleuchtet werden und was diese Selektion über das spezifische Schismabild im anglonormannischen Bereich verrät. Es sollte also zunächst nach Faktoren gefragt werden, denen die vorliegenden Zeugnisse eine Bedeutung, nunmehr nicht mehr in der Entstehung, sondern im Fortbestand und der Weiterentwicklung des alexandrinischen Schismas beimaßen.

1.1  Vom schismatischen Anführer zum Häresiarchen: der Tod Viktors IV. und die Erhebung Paschalis’ III. Aus den Korrespondenzen des Arnulf von Lisieux und Johannes’ von Salisbury ergab sich bisher, dass das Schismabild in Ermangelung ausreichender Informationen anfangs auf historische Parallelsituationen wie das innozenzianische Schisma zurückgeführt wurde. Dies änderte sich erst im Nachhall der Initiative Friedrichs I. Barbarossa auf dem Konzil von Pavia und besonders nach der päpstlichen Weisung vom April 1160. Das Schisma wurde fortan zur kaiserlichen Angelegenheit, zum frevel­haften Eingriff weltlicher Gewalt in den ureigensten Autoritätsbereich geistlicher Angelegenheiten erklärt. An dieser Ausgangslage hatte sich auch nichts geändert, als Johannes von Salisbury im Frühjahr 1164 seinen Fuß auf kontinentalen Boden setzte. Selbst nach der

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einmütigen Abwendung der englischen, normannischen und französischen K ­ irche von Viktor IV. und ihrer Zuwendung zu Alexander III. auf dem Konzil von Beauvais versuchte der Stauferkaiser weiter, aus der politischen Zwangslage Ludwigs VII. Profit zu ziehen und die von den Westreichen abgelehnten Paveser Beschlüsse im Sommer 1162 durch einen weiteren schiedsrichterlichen Prozess über die Kontrahenten zu ersetzen. Bei Saint-Jean-de-Losne scheiterten der Triumphator von Mailand und seine Initiative an Alexanders erneuter Weigerung, sich einer Untersuchung zu unterwerfen, und der Tatsache, dass durch einen päpstlich vermittelten Frieden z­ wischen Heinrich II. und Ludwig VII. ein Schulterschluss Frankreichs mit dem Reich deutlich an Attraktivität verloren hatte.1856 Auf einem am 7. und 8. September 1162 abgehaltenen kaiserlichen Hoftag mit gleichzeitiger Synode in Dôle an der Saône, einem eher kläglichen Versuch, nach der erlittenen Schmach das Gesicht zu wahren, strebte Viktor IV. mit Verweis auf die Basis seiner Erhebung und die Paveser Beschlüsse danach, seine kanonische Legitimität zu versichern.1857 Friedrich selbst erklärte in einer k­ urzen, aber explosiven Rede, er habe die prouinciarum reges nur aus Gnade und dem Gebot der Höflichkeit an seinen Bemühungen zur Beendigung des Schismas partizipieren lassen wollen. Da Rom auf Reichsgebiet liege, stehe es schließlich allein ihm zu, die Frage des dortigen Bischofs zu entscheiden. Jeder Versuch der Intervention durch die Westkönige komme einer widerrechtlichen Anmaßung gleich.1858 Um größtmögliche Wirkung zu entfalten, vertiefte Rainald von Dassel noch einmal in drei Sprachen die Worte seines Kaisers und betonte, dass Ludwig und Heinrich eine Einmischung in Personalfragen ihres Landesepiskopats als ähnlich widerrechtlich empfinden würden. Die Gerechtigkeit des Kaisers sei nicht in Zweifel zu ziehen.1859 Diese demonstrative Anerkennung Viktors IV., die erneute Exkommunikation Alexanders und seiner Anhänger und die propagandistische Verdammung einer angeblich selbstmächtigen Einsetzung des Papstes durch die Könige von England und Frankreich konnten die Empörung des Westens nur schüren.1860 Friedrich Barbarossa, der 1856 Vgl. Heinemeyer: Verhandlungen. 1857 Vgl. Saxonis Gesta Danorum, ed. Jørgen Olrik u. a., Kopenhagen 1931, XIV, 28, S. 433, Z. 8 – 15. 1858 Vgl. ebd., XIV, 28, S. 443, Z. 16 – 20. 1859 Vgl. ebd., XIV , 28, S. 443, Z. 20 – 27. Zur Einordnung des Ausdrucks prouinciarum reges siehe besonders Kirfel: Weltherrschaftsidee, S. 20 – 46 und Werner: Imperium, S. 37 f. 1860 Exemplarisch: JvS II , Ep. 186, S. 228 f., der vom Zorn Ludwigs VII . über diese Beleidigung berichtet, den Ausdruck selbst als „schamlose Possenreißerei der Worte“ bezeichnet. Näheres zur Rede und Motivation Rainalds auf dem Hoftag von Dôle bei Rainer Maria Herkenrath (Hg.): Reinald von Dassel. Reichskanzler und Erzbischof von Köln, Diss.

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dadurch in der Schismafrage keine Handbreit Boden gewann, musste sie dadurch in die Isolation drängen, so dass letztlich beide Westkönige im September 1162 dem aus Rom geflohenen Alexander III. bei seiner Ankunft in Frankreich durch Leistung des symbolträchtigen Stratordienstes noch einmal ihre Obödienz bekräftigten.1861 Ein Jahr ­später, im Mai 1163, konnte Alexander III. ungehindert auf dem von ihm einberufenen Konzil von Tours durch die öffentliche Exkommunikation bedeutender Anhänger Viktors IV. seine uneingeschränkte Amtswürde demonstrieren.1862 Der ­Kaiser selbst hatte sich mit seiner dreimaligen öffentlichen Bestätigung Viktors IV. in Pavia (1160), auf dem Hoftag von Lodi (1161) und in Saint-Jean-de-Losne (1162) in eine Sackgasse manövriert. Auf einem Schiedsgericht beharrend, lehnte er alle Möglichkeiten einer innerkirchlichen Lösung des Problems entschieden ab.1863 Unter diesen Vorzeichen tat Oktavian von Monticelli als Viktor IV. im April 1164 in Lucca seinen letzten Atemzug.1864 Der anonyme Absender eines an Thomas Becket gerichteten Schreibens unter dem Incipit Nouerit uestra paternitas, hinter dem man mit einiger Berechtigung Johannes von Salisbury selbst vermuten kann, legt den polemischen Schwerpunkt des Berichts auf Umstände und Nachspiel des Verscheidens des Monticelli.1865 Niemand habe sich des Leichnams innerhalb der Stadt annehmen wollen. Sowohl die Domkanoniker von San Martino als auch die Regularkanoniker des Augustinerstifts San Frediano hätten sich unter vehementem Protest geweigert, einen Mann und Schismatiker im geweihten Boden ihrer Kirchenmauern beizusetzen, der ihrer Überzeugung nach „in phil. Universität Graz, Graz 1962, S. ab S. 209 f.; Heinemeyer: Verhandlungen, S. 180 f.; Schmale: Sommer, S. 362; Laudage: Alexander, S. 145 – 147 und zuletzt Knut Görich: Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 400 f. 1861 Dies geschah wahrscheinlich in Chouzé-sur-Loire bzw. Choucy-sur-Cisse. Siehe RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 341 f. 1862 Vgl. Somerville: Tours. 1863 Vgl. Laudage: Friedrich, S. 266 und Görich: Friedrich Barbarossa, S. 402 f. 1864 Das Todesdatum variiert in den Quellen. Ep. 29. Nouerit uestra paternitas Octauianum, in: CTB I identifiziert es mit dem ersten Mittwoch nach der Osteroktav 1164, also mit dem 22. April. Das in Abschrift erhaltene Epitaph datiert auf den 21. April. Siehe Sprenger: Stühle, S. 417. 1865 CTB I 29. Ich schließe mich Anne Duggans Einschätzung an. Hinweise auf Johannes’ Autorschaft liegen auf stilistischer und inhaltlicher Ebene. Das polemische Vokabular (caput et scismatis principem, heresiarches uel auctor scismatis) entspricht Johannes’ Sprachgewohnheiten. Die im Brief geäußerte Empfehlung einer Annäherung Beckets an den König passt in die damals noch von Johannes vertretene Versöhnungspolitik. Zudem stand er, wie im Brief nahegelegt, durch sein Unterkommen in Paris oder Reims in direktem Kontakt mit der alexandrinischen Kurie und dem französischen Hof, an dem er zumindest kurz zuvor weilte. Dazu: JvS II, Ep. 136.

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der Hölle begraben sei“ 1866. Es gab offenbar kein übereinstimmend positives Urteil über den Mann, den die führende Geistlichkeit der genannten Traditionskirchen als exkommunizierten Kaiserpapst – und damit auch im Tode als spirituell geächtet – betrachtete.1867 Die Helfershelfer des Kaisers und Angehörige seiner familia, so der Brief weiter, hätten in unwürdiger Szene mit dem Leichnam weiterziehen müssen, bis sie schließlich die unglücklichen Mönche eines außerhalb der Stadtmauern gelegenen Klosters dazu bewegen konnten, sich der Leiche anzunehmen. Dem ­Kaiser habe man, sozusagen als Oktavians einziges Vermächtnis, dessen nun ziel- und mittellose Kapelle zugeführt, die bis dahin gezwungen gewesen war, sich durch Plünderei zu versorgen. Diese singulär überlieferte Version der Ereignisse hat die ältere Forschung immer wieder dazu bewogen, die Grabstelle Viktors IV. in einem Kloster vor den Stadtmauern zu suchen. Sie ist allerdings nach neueren Erkenntnissen entweder eine mit Vorsicht zu genießende polemisierende Fehldarstellung der Ereignisse oder eine hämische Wiedergabe alexandrinischer Gerüchte. Spaltungen innerhalb des Luccheser Klerus, wie sie auch der anonyme Bericht suggeriert, sind historisch zu greifen, verliefen aber wohl nicht innerhalb institutioneller Grenzen, sondern mitten durch das Domkapitel von San Martino und die Regularkanoniker von San Frediano. Zwar herrschte eine starke viktorinische Tendenz in der Stadt vor, doch wurden zumindest Teile der Geistlichkeit zeitweise eines kirchlichen Skandals wegen exiliert. Tatsächlich deutet vieles, auch die zeitgenössische Chronistik, darauf hin, dass Oktavian von Monticelli mit Blick auf einen nicht nur politisch förderlichen Heiligenkult feierlich, an prominenter und öffentlich zugänglicher Stelle vor dem berühmten Volto Santo des Luccheser Domes San Martino bestattet wurde.1868 Ob Beckets anonymer Briefpartner nur Gerüchte wiedergab wie im Fall der angeblichen Abtreibung der Kaiserin oder ob die Fehlnachrichten einer falschen Informationslage oder bewusster Verfälschung entstammten, ist für die Fragestellung einer Arbeit, die sich mit Deutungs- und Wahrnehmungsmustern beschäftigt, von untergeordneter Bedeutung. Wichtig ist, dass Oktavian in guter Tradition für die alexandrinische Partei auch postum „Haupt von Belials Schisma“ 1869 blieb. Der Ausdruck 1866 CTB I 29, S. 88 f. 1867 Tatsächlich scheint sich sogar postum ein überlokaler Kult gebildet zu haben, der auf eine bewusste Initiierung durch nicht näher benennbare, viktorinische Kräfte unter den Domkanonikern von San Martino zurückgeht. Details bei: Sprenger: Stühle, S. 403 – 433. 1868 Ausführliche Argumentation: ebd. 1869 Vgl. Vollzitat in CTB I 29, S. 88 f.: Octauianum scismaticum, quem sibi in caput erexerant, et scismatis principem Belial, quarta feria post octauas Pasche obiisse in urbe Lucensi, et sepultum esse in monasterio extra ciuitatem. Cum enim canonici maioris ecclesie, et regulares canonici Sancti Fridiani ei sepulturam negassent, preeligentes a suis migrare sedibus quam admittere

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suggerierte eine satanische Lenkung hinter den Widersachern des als rechtmäßig betrachteten römischen Pontifex. Die Identifikation des Gegenpapstes als schismatischer Zentralfigur hallte in der frühen anglonormannischen Historiographie in der Bezeichnung der Kirchenspaltung als schisma Octauiani wider.1870 Eine körperliche oder organologische Sicht des Schismas, wie sie das Wort caput signalisieren könnte, scheint dagegen an dieser Stelle noch nicht auf. Die Denunzierung des alexandrinischen Konkurrenten in Nouerit uestra paternitas zeigt sich nicht nur in der Begräbnisfrage. Wochen vor seinem Tod habe Oktavian, dem Wahnsinn verfallen, sich „weder an Gott noch an sich“ 1871 erinnern können. So schließt sich der Kreis vom Usurpator und Besessenen mit den „flammenden Augen“ 1872, der in wahnhafter Raserei das apostolische Amt an sich gerissen hatte, zum gottvergessenen Geisteskranken. Ob der Wahnsinn mit Oktavians Gebaren von 1159 in Verbindung gebracht werden sollte, bleibt Gegenstand der Spekulation. Auf jeden Fall hatte seine fatale Geisteskrankheit den kaiserlichen Gegenpapst vollends diskreditiert. Genauso wie die Behauptung, Oktavian habe bis zuletzt keine Reue gezeigt. In einer stilistisch und rhetorisch eleganten Passage setzt der unbekannte Verfasser dem verstorbenen Widersacher die moralische Überlegenheit Alexanders III. entgegen, der den Tod seines Verfolgers wie ein zweiter David beweint und jedes Frohlocken seiner Kardinäle harsch angemahnt habe. Völlig berechtigt, wie der Anonymus meint. Oktavians Seele sei schließlich zum Zeitpunkt seines Todes noch befleckt gewesen, da er den Makel nicht durch seine Buße ausgelöscht habe. Tatsächlich sei es nie vorgekommen, dass ein Häresiarch oder Anstifter eines Schismas jemals freiwillig und ohne Zwang Buße getan habe. In der Heiligen Schrift aber lese man, dass Gott Opfer verachte, wenn sie nicht aus freiem Willen geschähen.1873 Boso sollte ­später behaupten, eine Bußleistung Oktavians auf dem Totenbett sei von seinen Gefolgsleuten verhindert worden.1874 corpus scismatici, quem credunt in inferno esse sepultum, a satellitibus imperatoris et familia propria ad miseros monachos cadauer illud perlatum est. Capella uero ipsius et equi – quoniam aliud non habebat, qui urgente inopia non nisi ex rapto uixerat a multo tempore – ad imperatorem perducti sunt. Die Bezeichnung der gegnerischen Parteigänger als filii Belial oder filii perditionis war nicht erst seit dem 12. Jahrhundert fester Bestandteil des Schismadiskurses und sollte es bis ins 15. Jahrhundert bleiben. Siehe allgemein Guyotjeannin: Antipape. Historische Beispiele bei Müller: Gegenpäpste, S. 29 und Johrendt: Schisma, S. 136. 1870 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 337, 341. 1871 CTB I 29, S. 90 f. 1872 Siehe die Beschreibung der tumultuarischen Immantationsszene in der Peterskirche in ­Alexanders Wahlanzeige: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41, S. 81. 1873 Vgl. CTB I 29, S. 90 f. 1874 Vgl. Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 410.

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Die Schilderungen Oktavians als halsstarrigem, vernunftverlassenen Invasor, der sich einem moralisch integeren Alexander III. entgegenstellte, verdeutlichen augenscheinlich, dass sich die nach Pavia vorgenommene Rollenverteilung in den vergangenen vier Jahren des Schismas nicht verändert hatte. Der in traditioneller Negierung seiner Amtswürde weiter beim bürgerlichen Namen genannte Oktavian blieb die schismatische Marionette, sozusagen das Eigentum des Kaisers. Sogar im Tod war er auf den Staufer und seine Getreuen angewiesen, während seine klägliche Anhängerschaft und Habseligkeiten nunmehr an seinen Patron, den eigentlichen spiritus rector des Schismas, zurückflossen. Der Tod des Kandidaten, auf den sich Friedrich I. mehrfach festgelegt hatte, öffnete nach über vier Jahren des Zerwürfnisses ­zwischen Kaisertum und Papsttum die Tür zu einem Ausgleich. Er bildete den Scheideweg, der den weiteren Verlauf das Schismas bestimmen konnte. Die Entscheidung über Kampf und Versöhnung lag in Barbarossa Hand. Welchen Weg er bevorzugte, stand jedoch so kurz nach Oktavians Tod noch in den Sternen, zumal der Rückhalt des Kaisers in Oberitalien im Zuge der dort als drückend empfundenen kaiserlichen Reichsverwaltung zu bröckeln begann: Imperator autem hoc cognito uocauit ad se Papiensem episcopum, qui in monasterio beati Michaelis apud Clusam exulabat; sed quid facturus sit adhuc incertum est. Alii autem dicunt quod alium uelit ei substituere; alii, quod ad catholicam redibit unitatem. Praeterea urbes Italie minus solito prompte sunt in obsequium eius […].1875

Aufgrund der Situation in Reichsitalien, wo die Unzufriedenheit auch alte kaiserliche Verbündete wie die Stadtkommunen Pavia und Cremona zu erfassen begann, schleicht sich ein leiser Optimismus in den Bericht des Anonymus. Auch wenn sich seine Gewährsmänner noch nicht darauf festlegen konnten oder wollten, wie die Entscheidung des Herrschers ausfallen werde: Sie war immerhin noch nicht gefallen. Auffällig spiegelt dies die Überzeugung des Johannes von Salisbury wider, dass Urteile im Sinne der gewissenhaften Abwägung besser verzögert als vorschnell gefällt werden sollten.1876 Friedrichs Ladung des seit 1162 im Exil weilenden Bischofs von Pavia, Petrus Toscani, Alexanders Repräsentant am Kaiserhof, zu Beratungszwecken musste Hoffnungen auf einen Ausgleich wecken. Und nicht nur dies. Briefzeugnisse und Boten aus Italien unterrichteten die alexandrinische Kurie in ihrem Exil am französischen Königshof über den Tod Oktavians und die Vorgänge in Reichsitalien. ­Rückkehrer 1875 CTB I 29, S. 88 – 91. 1876 Vgl. Policraticus I, ed. Webb V, 12.

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aus Apulien berichteten am französischen Königshof von einer Totgeburt der Kaiserin und einer Erkrankung Barbarossas, eventuell an der Malaria quartana.1877 Solcherlei schlechte Vorzeichen, so hoffte der Anonymus, könnten in die Hände der Alexan­ driner spielen und sich positiv auf die Obödienz Alexanders III. diesseits und jenseits der Alpen auswirken.1878 Unbestritten wurden die Zukunft der ­Kirche und der weitere Verlauf des Schismas mit dem Schicksal und der Entscheidung des Kaisers verknüpft. Auch nach dem Verscheiden seines Kandidaten war der K ­ aiser noch immer die entscheidende Größe, der treibende Motor unter den Akteuren des Schismas. Seine vorübergehende Schwäche im Frühjahr 1164 war Grund zu verhaltenem Optimismus auf Seiten der englischen Alexandriner. Auch in den kommenden Jahren sollte sich dies nicht mehr wesentlich ändern.1879 Dass Friedrich Barbarossa das Schisma mit seiner Billigung der Erhebung von Oktavians letztem verbliebenen Wähler von 1159, Guido von Crema, zum kaisertreuen Papst Paschalis III. erneut belebt hatte, sollte nicht vergeben werden, denn auch Kräfte im Reich hatten mit Viktors Tod die Chance zur Beendigung des Schismas nahen sehen.1880 Ein zweifelsfrei auf Johannes von Salisbury zurückzuführender Brief aus dem Jahr 1166 oder 1167 bekräftigt, dass der K ­ aiser zum Friedensschluss bereit gewesen wäre, hätte der damalige Kölner Elekt ihn nicht böswillig angestachelt.1881 Damit folgte der Angelsachse einem verbreiteten Gedanken, denn schon 1165 hatte der Brief eines anonymen Freundes an Alexander III. Rainald vorgeworfen, durch die eigenmächtige Erhebung Paschalis’  III. sogar ein Verbot des Kaisers 1877 CTB I 29, S. 90 f. Es ist nicht eindeutig zu entscheiden, ob hier eine Kausalbeziehung z­ wischen einer vor Oktavians Tod aktiv vorgenommenen Abtreibung oder einer nachträglichen Fehlgeburt gezogen wird. Es handelte sich wahrscheinlich um ein Gerücht. Friedrich I. könnte tatsächlich an einer immer wiederkehrenden Form der Malaria gelitten haben. Ein erneuter Krankheitsschub könnte den Staufer sogar zum Einlenken im Schisma bewegt haben. Siehe Görich: Friedrich Barbarossa, S. 429. Beide Fälle jedoch unterstützten bei den Zeitgenossen kaum das Bild gottgewollter, kaiserlicher Machtfülle. 1878 Vgl. CTB I 29, S. 90 f. Die Unsicherheit über die französische Obödienz mag nicht zuletzt aus den noch frischen Erinnerungen an Saint-Jean-de-Losne stammen, das Johannes von Salisbury auch noch zwei Jahre ­später ein Begriff war. Siehe JvS II, Ep. 168, S. 102 f. 1879 Vgl. exemplarisch: Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 145, 168, 186. 1880 Zu Guidos Person und imperialistischer Überzeugung siehe Zenker: Mitglieder, S. 56 – 59 und Madertoner: Papstwahl, S. 111 – 114. Dem Zeugnis der Epistola amici nach soll Konrad von Wittelsbach, der Mainzer Elekt, den K ­ aiser eindringlich davor gewarnt haben, denselben Fehler noch einmal zu begehen. Siehe die beiden Versionen der Epistola amici ad Alexandrum papam: Nr. 98 bzw. Nr. 99, in: MTB 5, S. 186 bzw. 190. 1881 Vgl. JvS II, Ep. 186, S. 226.

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­ bergangen zu haben.1882 Diese Sicht der Zeitgenossen mag ob der geradezu halsü brecherisch schnellen Erhebung Guidos zwei Tage nach dem Tod seines Vorgängers nicht verwundern. Durchgeführt wurde die Wahl auf rechtlich korrekte Weise durch das viktorinische Kardinalskollegium.1883 Die politische Federführung jedoch lag bei niemand anderem als dem von Johannes beschuldigten Kölner Elekten, der schnellstens nach Lucca geeilt war.1884 Die in der Vergangenheit viel diskutiere Frage, ob Rainalds Initiative ein nachträglich durch Barbarossa gebilligter Alleingang gewesen sein könnte, erübrigt sich.1885 Der erste Beleg für die kaiserliche Anerkennung des neuen Gegenpapstes stammt aus dem Juli 1164. Allerdings gibt es keine Hinweise auf eine Trübung im Verhältnis ­zwischen beiden Männern in den Monaten seit Paschalis’ Weihe.1886 Im April 1164 war zudem nicht zu erwarten, dass man am Kaiserhof die erst kurz zuvor in R ­ oncaglia 1882 Vgl. MTB 5, Nr. 99, S. 190. 1883 Vgl. Laudage: Alexander, S. 153. Zu d­ iesem Schluss kommen Hermann Reuter: Geschichte Alexanders des Dritten und der K ­ irche seiner Zeit. Bd. 2, Leipzig 21860, S. 575 f.; Julius von Ficker: Reinald von Dassel. Reichskanzler und Erzbischof von Köln 1156 – 1167, Aalen 1966 (ND der Ausgabe Köln 1850), S. 124 f. und Herkenrath: Reinald, S. 241. Exempla­rische Quellen: Gli annales Pisani di Bernardo Maragone, ed. Michele Lupo Gentile, Bologna 1936 (RIS (Ser II ), 6,2); Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 410, Z. 20 – 29 und MGH D F I 480 (S. 396, Z. 18 – 21) sowie 481 (S. 398, Z. 29 – 32). Einordnung der Quellenbelege bei Wilhelm von Giesebrecht: Die Zeit ­Kaiser Friedrichs des Rothbarts. Abt. 1: Neuer Aufschwung des Kaiserthums unter Friedrich I., Leipzig 1880 (Geschichte der deutschen Kaiserzeit, 5,1), S. 397 f.; Herkenrath: Reinald, S. 240 f. Wie dort belegt ist, bildete Guidos Weihe durch Heinrich, Bischof von Lüttich, jedoch eine kanonistische Ausnahmeerscheinung. 1884 Vgl. die Kölner Königschronik und die Pisaner Annalen: Chronica regia Coloniensis (Annales maximi Colonienses) cum continuationibus in monasterio S. Pantaleonis scirptis aliisque historiae Coloniensis monumentis, ed. Georg Waitz, Hannover 1880 (MGH SS rer. Germ., 18) bzw. Bernardo Maragone Annales Pisani, ed. Gentile, S. 31. 1885 Die Forschungslage hat Laudage: Alexander, S. 153 zusammengetragen. 1886 Zum positiven Verhältnis z­ wischen K ­ aiser und Kanzler siehe Herkenrath: Reinald, S. 259 f. und Hans Hofmann: Die heiligen drei Könige. Zur Heiligenverehrung im kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben des Mittelalters, Bonn 1975 (Rheinisches Archiv, 94), S. ab 96 und ab S. 302. Ein anonym versendeter Brief, hinter dem die Editorin die Autorschaft Radulfs von Sarre vermutet, legt nahe, dass Friedrich I. Guido von Crema spätestens im Juli 1164 als Papst anerkannt hatte. Zu d­ iesem Zeitpunkt, so wird berichtet, habe sich Rainald von Dassel bereits in Wien neben Rittern fürs das kaiserliche Heer auch um die Unterstützung des Episkopats für Paschalis III. bemüht. Siehe CTB I, Ep. 33, hier: S. 124 – 125. Im November 1164 verweigerte der Staufer Konrad von Salzburg die Regalien, sollte dieser nicht Paschalis III. anerkennen. Siehe Magni presbyteri annales Reicherspergenses, ed. Wilhelm Wattenbach, in: MGH SS 17, S. 471 und Nr. 222, in: MGH Const. 1.

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f­ estgelegten Grundsätze der Regalienpolitik, die auch für das Patrimonium Petri Gültigkeit beanspruchte, durch den Verzicht auf einen weiteren kaiserlichen Konkurrenten untergraben hätte. Die Verteidigung des honor imperii, der zum Grundprinzip des Handelns von ­Kaiser und Hof geworden war, hätte die von Friedrich wiederholt abgelehnte Hinwendung zu Alexander III. unmöglich gemacht.1887 Auch ohne expliziten kaiserlichen Auftrag wusste Rainald von Dassel genug, um durch schnelles Handeln die viktorinische Opposition in der Obödienz eines neuen kaiserlichen Kandidaten zu vereinen. Die Römer, die man mit der außerhalb ihrer Stadt erfolgten Papstwahl brüskiert hatte, riefen Alexander III. in die Ewige Stadt, um ihn dort als legitimen pontifex anzuerkennen, und auch viele Elekten des Reichsepiskopats scheuten sich vor einer Annahme des Palliums durch den neuen Gegenpapst.1888 Die kaiserliche Rückendeckung wirkte sich auch auf das Bild aus, das man in England und auf dem Kontinent von dessen Favoriten hatte. Wie seinem unglückseligen Amtsvorgänger sollte es auch Paschalis III. niemals gelingen, als unabhängiger Akteur und Handlungsträger in Erscheinung zu treten. Interessanterweise wurde die Belegung mit dem Häresiarchentitel, sonst eine der wirksamsten Waffen im Diffamierungsvokabular schismatischer Krisen, Oktavian noch nicht zu Lebzeiten, sondern nur im postumen Rückblick zuteil. Anders bei seinem Nachfolger, der den Umständen seiner Erhebung nach noch dringender als Günstling des Kaisers erscheinen musste. Wo Guido Erwähnung fand, war es fast immer im selben Atemzug mit seinem kaiserlichen Gönner und Patron. Gleichzeitig führen das Publikwerden der Pläne des Kaisers und seines Marionettenpapstes zum Zug auf Rom und der prospektiven ‚Krönung‘ des Kaiserpapstes im Herzen der abendländischen K ­ irche, der Peterskirche, zur Verschärfung des polemischen Vokabulars. Paschalis III. und rückwirkend nun auch sein Vorgänger Viktor IV. werden als Herrscher der Ketzer mit dem Häresiarchentitel behaftet – Zeugnis einer endgültigen Ablehnung der imperialen Intervention im Schisma.1889 Die Kopplung des deutschen Tyrannen mit seinem Häresiarchen wurde zum stehenden Ausdruck Erläuternd Reuter: Schism, S. 174. Weitere potenzielle Belege kaiserlicher Obödienz bei Herkenrath: Reinald, S. 242 und Ficker: Reinald, S. 123. 1887 Vgl. Laudage: Alexander, S. 152 und Görich: Friedrich Barbarossa, S. 404 f. 1888 Vgl. ebd., S. 405. 1889 Für die Belegung mit dem Häresiarchentitel siehe Joannis Saresberiensis: Ep. 233. Paritum est consilio uestro, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 424 – 427, hier: S. 424 f., Ders.: Ep. 275. Postquam priores litteras, in: ebd., S. 578 – 583, hier: S. 580 f. sowie JvS II, Ep. 181 (S. 200 f.), Ep. 186 (S. 228 f.), Ep. 272 (S. 560 f.), Ep. 280 (S. 610 f.) und Ep. 289 (S. 658 f.). An anderer Stelle pflegt Johannes von Salisbury Oktavian mit seinem bürgerlichen Namen zu bezeichnen: JvS II, Ep. 275, S. 580 f.

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und letzterer mehr als Werkzeug denn als Partner wahrgenommen.1890 Wie seinerzeit Oktavian wurde Guido nach biblischem Beispiel (Dan 3,1 – 7) als goldenes Kalb von Kaisers Gnaden wahrgenommen. Etwa wenn Johannes von Salisbury berichtet, ­Barbarossa habe den französischen König in Saint-Jean-de-Losne zur Anbetung seines Götzen bewegen wollen, oder wenn er Papst Alexander im Herbst 1167 rät, er möge seine ganze Kraft auf die Zerstörung des Gegenpapstes, jenes kaiserlichen ydolum, richten.1891 Aufs Schärfste kritisiert der Angelsachse die Instrumentalisierung Paschalis’ III. durch Friedrich und Rainald, die er beschuldigt, Alexander III. auf dem Petersstuhl gegen den ‚Häresiarchen von Crema‘ ersetzen zu wollen.1892 Selbst während Paschalis’ vom Juli 1167 bis zu seinem Tod im September 1168 währender Residenz in Rom bleibt er der Spielball größerer Mächte. So schildert Johannes im Frühjahr und Sommer 1168 seinen Vertrauten in Exeter, wie Paschalis nach Barbarossas schmachvoller Flucht von den Römern als Trumpf in den Verhandlungen um die in Kaiserhand befindlichen Geiseln in der Stadt festgehalten werde.1893 Abgesehen von seinen Schwierigkeiten in Rom, eine starke Obödienz auf sich zu vereinen, erfährt man nichts über die Zeit nach seiner durch militärische Angriffe und Diplomatie erzwungenen Einsetzung auf der Cathedra Petri. In Folge der Machtverschiebung in Oberitalien, die zur Stärkung des Lombardenbundes und zu den deutschen Misserfolgen geführt hatte, erduldeten die Römer den Gegenpapst nur, so dass Johannes die Hoffnung äußern konnte, ein Erfolg des Städtebundes bei der Belagerung von Pavia könne perspektivisch auch die Galionsfigur des Kaisers, Guido von Crema, in lombardische Gefangenschaft bringen.1894 Wenige Monate ­später kann Johannes dem Gegenüber in Exeter voller Triumph berichten, dass der verhasste Kontrahent im Turm des Stefano Tebaldi in Trastevere festsitze. Während der aktuelle Senat ihm freies Geleit zugesichert hätte, um die Geiseln aus der Hand des Kaisers zu befreien, erwarte der Kontrahent nun mit Todesängsten die Wahl neuer, alexanderfreundlicher Amtsträger, die, so Johannes’ Hoffnung, dem Schisma ein Ende bereiten würden.1895 Was die noch amtierenden Senatoren anginge, hätten sie „ihm Rom selbst niemals unterwerfen können, noch, wie er glaube, wollen“ 1896. 1890 Vgl. JvS II, Ep. 181, S. 200 f.: contra Teutonici tiranni et haeresiarchae sui uias sepiat Deus cotidie […] oder Ep. 171. Gratias agimus Deo, in: CTB I, S. 786 f.: Gratias agimus Deo, qui uos […] eripuit […] de omni expectatione Cremensis heresiarche, et Frederici, et tocius plebecule scismaticorum. 1891 Vgl. JvS II, Ep. 168 (S. 102 f.) und Ep. 219 (S. 376 f.). 1892 Vgl. JvS II, Ep. 186, S. 228 f. 1893 Vgl. JvS II, Ep. 272, S. 560 f. 1894 Vgl. ebd. 1895 Vgl. JvS II, Ep. 280, S. 610 f. 1896 Ebd.

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Die Tatsache, dass Paschalis III . nicht einmal nach der gewaltsamen intrusio mit kaiserlicher Rückendeckung und feierlicher Inthronisation in der Peterskirche im so elementaren Rom hatte Fuß fassen können, hob Johannes von Salisbury besonders hervor. Die stadtrömische Unterstützung, die Viktor IV. für sich hatte ins Feld führen können, war gänzlich weggebrochen. Ähnliches hatte Johannes auch schon Jahre zuvor für die italienischen Reichsgebiete stark gemacht, als er im Spätsommer des Jahres 1165 Thomas Becket über die dortigen Zustände ins Bild setzte. Indem er mit dem kaiserlichen Heeresaufgebot Campagna und Toskana mit Verwüstung überzöge, schaffe der Mainzer Elekt und Reichskanzler Christian von Buch, den Johannes ob seiner Skrupellosigkeit wortspielerisch als non Christianum sed antichristum 1897 bezeichnete, die wahren Voraussetzungen für eine drohende Anerkennung Paschalis’ III. durch die Römer: Dicitur enim hoc [i. e. Christian von Mainz] promeruisse in eo quod Tuscaniam totam Teutonicis subdidit et Campaniam, ut Romanis nichil relictum sit, nec in agris nec in oliuetis aut uineis extra moenia urbis. Vnde, ut aiunt, inclusus populus et quasi affectus inedia optinuit multis precibus et pecunia data inducias usque ad festum sancti Michaelis; tunc, nisi dominus papa interim uenerit et subuenerit, recepturi sunt Gwidonem Cremensem et in uerba Teutonicorum iuraturi.1898

Johannes von Salisbury zeigt sich hier wahrscheinlich einem Gerücht aufgesessen, aus dem er schloss, dass die Römer schon damals nur durch äußere Zwänge zur Anerkennung des kaiserlichen Kandidaten bereit gewesen s­ eien.1899 Neben dem Häresiarchenvorwurf war diese Behauptung ein wichtiger Baustein in der Diffamierung des Konkurrenten. Alles in allem war Guido von Crema ein Nichts ohne den kaiserlichen Strippenzieher im Hintergrund. Johannes’ Bild der wirkenden Mächte und Parteiungen im Schisma ist jedoch nicht eindimensional. Der K ­ aiser, so verdammenswert seine Starrköpfigkeit und Grausamkeit auch ist, ist nicht der einzige Faktor in der Gemengelage des Schismas. Ohne Unterstützung konnte auch er keine Konfrontationspolitik ­dieses Ausmaßes gegen die ­Kirche führen. Möglicherweise schon infolge seiner tragenden Rolle in der Wiederanfachung des Schismas, spätestens aber seit dem Frühjahr 1166 zeichnen sich deutliche Tendenzen ab, dass der K ­ aiser nicht mehr als alleinige Triebfeder des Konflikts gesehen wurde. 1897 Beide Zitate: JvS II, Ep. 152, S. 54 f. 1898 Ebd. 1899 Die Gemengelage in Rom war tatsächlich hoch komplex. Einzelheiten bei Jürgen Petersohn: Rom z­ wischen Friedrich Barbarossa und Alexander III. (1159 – 1167), in: Petersohn: Kaisertum und Doran: Port.

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Andere Faktoren wurden in das komplexe Bild mit einbezogen. Der Fokus weitete sich immer mehr von der Person des Kaisers auf dessen Hof und Getreue aus, wobei die curia imperatoris hier wohl nicht für die Gesamtheit der Höflinge steht.1900 Johannes von Salisbury verachtete die Deutschen nicht nur wegen ihrer Rolle im Schisma. Ihm, der das alte Bild der verrohten, von Überheblichkeit zerfressenen Aggressoren bemüht, ist das feige und hochfahrende Gebaren der Teutonen zutiefst zuwider: Teutones […] qui […], si possent et audent, loquuntur grandia, minis tument; […] et qui etiam in regno eius sunt, immo in sede quiescunt Parisius morantes, hoc in eo depretiantur, ut nostis, quod ciuiliter uiuit inter suos, quod barbarorum more tyrannum non induit, quod non incedit semper satellitibus armatis saeptus, ut qui timet capiti suo. Hos gentis mores nouit, de his saepe conquestus est et, ut opinor, etiam uobis. Ei tamen supplicauit dominus Cantuariensis me praesente et tandem optinuit ut, quantum ad ipsum pertinet, licita sit reuocatio uestra.1901

In den Augen des angelsächsischen Moralisten sind die Deutschen ein unter einem schismatischen K ­ aiser vereintes, feindseliges Volk. Die Anhänger des Kaisers sind für ihn Söhne Babylons, jener Stadt der Sünde, deren heidnisches Volk sich in seiner ­Hybris gegen Gott selbst auflehnte und unter der Herrschaft ihres Königs N ­ ebukadnezar, mit dem die alexandrinischen Kardinäle den Stauferkaiser selbst verglichen hatten, der Idolatrie frönte.1902 Gerard Pucelle, der Empfänger des Briefes, solle sich, so Johannes’ dringende Empfehlung, von der ecclesia malignantium im Reich absetzen.1903 Im Speziellen spielte er damit auf Gerards unmittelbare Umgebung, den erzbischöflichen Hof zu Köln, an, den er als Partikularhof im Gesamtgefüge besonders für die Geschehnisse verantwortlich machte und dessen Oberhaupt er zunehmend als Agitator im eigenen Recht betrachtete. 1900 Die Verleihung des Dekanats von Salisbury an den Getreuen des englischen Königs, Johannes von Oxford, weist er aufgebracht als Gegenleistung seines Wirkens am Kaiserhof zurück, der „das Schisma bestätigt habe“ ( Joannis Saresberiensis: Ep. 214. Eo sinceritatis uestrae, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 352 – 355, hier: S. 354 f.). 1901 JvS II, Ep. 277. 1902 Vgl. JvS II, Ep. 221 (S. 380 f.) und Ep. 158 (S. 70 f.), indem er die Deutschen implizit in die Nähe des persischen Reichs stellt. Zur Parallelisierung Friedrich Barbarossas mit ­Nebukadnezar siehe Moerore simul, ed. Watterich, S. 498. 1903 Vgl. JvS II, 158, S. 68 f.: Verum quod plurimi facio, illud est, quod odistis ecclesiam malignantium et […] contra scismaticos […] pro fide in omni libertate conscientiae loquimini […]. Mit Bezug auf Ps 25,5 (Odivi ecclesiam malignantium, et cum impiis non sedebo), auf dessen zweiten Teil implizit verwiesen wird.

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1.2  Rainald von Dassel und die erzbischöfliche curia zu Köln: der kritische Blick des Johannes von Salisbury Kaum verwunderlich, dass sich Johannes’ Zorn auf den Kölner Elekten und seinen Einflusskreis konzentrierte, hatte dieser 1164 doch durch seine tatkräftige Einwirkung auf die Erhebung und Weihe des zweiten Kaiserpapstes jede Hoffnung auf baldige Überwindung des Zerwürfnisses ­zwischen den Spitzen des Papst- und Kaisertums zerschlagen. Dem war aber nicht immer so gewesen. Noch im Juni 1160, in der Entrüstung über das Konzil von Pavia, war Rainald in Johannes’ Augen nichts anderes als ein Mitläufer gewesen, ein skrupel- und rückgratloser Parteigänger Viktors IV., aber eben nur ausführender Handlanger kaiserlichen Willens.1904 Damals stand keine agitatorische Komponente, sondern die Abscheu vor dem Taktieren des Kölner Elekten, der als glühender Verfechter des Kaiserpapstes eine Weihe durch dessen Hand gemieden hatte, im Vordergrund. Diese Abneigung besaß eine teils persönliche, teils ideologische Note, die sich unter anderem aus Johannes’ eigenen Erfahrungen mit Rainald speiste, doch sie war eben noch keine scharfe Verurteilung. Was gab den Ausschlag zur Wende? „His judgement that Rainald of Dassel was the man chiefly responsible for continuing the schism was one [ John of Salisbury] shared with many of his contemporaries in England and France. It may be correct, but it is now impossible to verify, and John’s attitude will no doubt have been affected by Rainald’s part in the Council of Würzburg.“ 1905

Timothy Reuters Verknüpfung von Johannes’ Urteil über Rainald mit dem 1165er Hoftag von Würzburg ist ein historiographischer Gemeinplatz. Lässt sich die so oft beobachtete Kausalbeziehung belegen? Falls Würzburg einen qualitativen Wendepunkt in der Beurteilung Rainalds von Dassel bedeutet, muss nicht nur die Beurteilung der als schismatisch betrachteten Versammlung, ihrer Urheberschaft und Rückwirkungen, sondern auch die Rolle der Gesandten des englischen Königs neu gedacht werden. Es wäre zu erwarten, dass sich die über Rainald getroffenen Aussagen in der Zeit nach dem Würzburger Pfingsthoftag verschärften. Gab also Würzburg den Ausschlag zum Gunstverfall des Kölner Elekten bei Johannes von Salisbury? Ab wann galt Rainald dem Angelsachsen als Erzschismatiker? 1904 Vgl. JvS I, Ep. 121, S. 199 an König Heinrich II.: […] fama est quod imperator per cancellarium suum uos in apostolicum suum […] nititur inclinare. Nach Pavia erzürnt Johannes sich schließlich nicht über Rainalds kirchenpolitische Haltung, sondern unterstellt ihm die Feigheit, der Konsekration durch Viktor IV. auszuweichen. Siehe JvS I, Ep. 124, S. 212. 1905 Reuter: Germans, S. 421.

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Um Johannes’ Einstellung zu Barbarossas wichtigstem Berater im weiteren Verlauf des Schismas differenziert durchleuchten zu können, werden an dieser Stelle die Kommentare über den Reichskanzler im Vordergrund stehen, die sich auf Ereignisse vor 1165 beziehen. Dazu gehören sein Auftreten auf dem Reimser Konzil 1148, seine Rolle auf dem Konzil von Pavia oder bei den kapetingisch-staufischen Begegnungen an der Saône und auf dem Reichstag von Dôle im selben Jahr. Die Würzburger Belege und s­ olche, die in ihrer Folge zu verorten sind, werden Gegenstand späterer Ausein­ andersetzung sein. Wagen wir einen Rückblick in den März 1148. In der Historia pontificalis erinnert sich Johannes, der damals etwa 30-jährig das Konzil von Reims besuchte, daran, wie dort der Vertreter des Hildesheimer Bischofs, ein Mann seines Alters, als Sprecher der deutschen Partei auftrat.1906 Vielleicht hatten sich die Wege der beiden bereits vor dem Zusammentreffen in Reims flüchtig oder persönlich während ihrer Pariser Studienzeit wenige Jahre zuvor gekreuzt. In der Person des englischen Logikers Adam Parvipontanus, der dort damals eine Schule leitete, verband sie ein gemeinsamer Bekannter. Rainald war wahrscheinlich einer seiner Schüler gewesen. Johannes’ Beziehungen zu seinem Landsmann waren enger und auf wissenschaftlichen Austausch und Förderung ausgerichtet gewesen.1907 Alles, auf das man bezüglich des saresberiensischen Rainaldbildes zurückgreifen kann, sind fast zwanzig Jahre nach dem Ereignis erfolgte Beobachtungen über eine hitzige Diskussion zu einer Erläuterung des zweiten Reimser Kanon, der ein auf deutscher Seite offenbar auf wenig Gegenliebe stoßendes Verbot farbenfrohen Kleiderschmucks beinhaltete. Die Mode, buntes Pelzwerk zu tragen, hatten sich klerikale Kreise im Laufe des Kreuzzuges nach dem Vorbild des deutschen und französischen Rittertums zu eigen gemacht. 1906 Möglicherweise bekleidete Rainald von Dassel damals bereits die Würde des Dompropstes von Hildesheim. Zu den Schwierigkeiten der Datierung seines Aufstiegs und seiner Teilnahme in Reims siehe ausführlich Herkenrath: Reinald, S. 26 – 33, dessen Überzeugung, dass Rainald im Gefolge seines Bischofs reiste, nicht aufrecht zu halten ist. Siehe Johannes Spörl: Rainald von Dassel auf dem Konzil von Reims 1148 und sein Verhältnis zu Johannes von Salisbury, in: HJb 60, 1 – 2 (1940), S. 250 – 257, hier: S. 252, Anm. 15. 1907 Rainalds Schülerschaft legt Ekbert von Schönau nahe. Siehe Ferdinand Wilhelm Emil Roth (Hg.): Die Visionen der hl. Elisabeth und die Schriften der Äbte Ekbert und ­Emecho von Schönau mit historischem Abrisse des Lebens der hl. Elisabeth, der Äbte Ekbert und Emecho von Schönau. Ein Beitrag zur Mystik- und Kirchengeschichte, Brünn 1884, S. 311 ff.: Ipsa est, que in diebus adolescentie nostre conglutinavit mentes nostras, quando in scola electissima nostri amabilis doctoris domini Ade viri ementissimi tam vita quam scientia simul dulces capiebamus cibos philosophice doctrine, et erat nobis sicut studium unum, ita identitas voluntatum. ­Johannes von Salisbury gibt persönlich Auskunft: Siehe Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan II, 10; III, Prolog; III, 3 und IV, 3 sowie Entheticus I, ed. van Laarhoven vv. 49 f. Siehe auch Schaarschmidt: Johannes, S. 12, 67.

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Die damit verbundene Priorisierung von Äußerlichkeiten widersprach jedoch dem neuen priesterlichen Ideal und war den Verfechtern der Klerikalreform ein Dorn im Auge.1908 Hier Johannes’ Ausführungen: Decreta demum promulgata sunt cum interpretationibus et causis suis et assensu publico roborata, uno tamen excepto. Nam cum usus variarum pellium clericis interdiceretur, et plurimi interrogati sibi complacere responderent, Raginaldus de Hildenesham et alii Teutones reclamaverunt decretum hoc nec placerer presentibus nec posteris placiturum.1909

Johannes Spörl bemerkte einmal, dass diese Passage „nicht so gewichtig [wäre], handelte es sich eben nicht gerade um Rainald und berichtete nicht Johannes von Salisbury über ihn“ 1910. Zweifellos wurde die Episode nicht zufällig als einer der wenigen Exkurse in die Historia pontificalis aufgenommen. Es ist kaum zu leugnen, dass sie Rainald in ein bestimmtes Licht rücken sollte. Sie zeigt einen Mann, der schon zu Beginn seiner Karriere „in Opposition gegen den päpstlichen Stuhl“ 1911 ging. Einen hochrangigen deutschen Kirchenmann, der im Kreis seiner Landsmänner als einziger einen weltlichen Brauch verteidigte, durch dessen Eindämmung sich die ­Kirche eine Besinnung ihrer Vertreter auf die wesentlichen Aufgaben ihres Amtes erhoffte. Natürlich, es trafen Welten aufeinander z­ wischen dem weltmännischen Hildes­ heimer Domherrn und dem englischen Moralphilosophen. Schließlich war das fürstliche Standesdenken im Allgemeinen im Reichsklerus um einiges stärker ausgeprägt als im französischen oder englischen Episkopat. Seine Akzentuierung in Auftreten, Amtsführung und Habitus waren ein spezielles Markenzeichen Rainalds 1908 Vgl. Mansi 21, Sp. 714 ff.: Praecepimus etiam, quo episcopi quam clerici neque in superfluitate seu inhonesta varietate colorum aut scissura vestium neque in tonsura, intuentium, quorum forma et exemplum esse debent, ostendant aspectum […]. Der Kritik der Reformer verlieh der Kommentar des entsprechenden Kanons bei Bernhard von Clairvaux eine Stimme: De Consideratione in Bernardus Claraevallensis. Tractatus et opuscula, ed. Jean Leclercq/ Henri-Maria Rochais, Rom 1963 (SBO, 3) III, 5. Noch vier Jahre s­ päter beklagte der Zisterzienserabt dort gegenüber Eugen III. die wenig zufriedenstellende Beachtung der Reimser Festsetzungen zu den „buntfarbigen Pelzen“. Zur Bedeutung eines Verstoßes gegen das Gebot standesgemäßer Kleidung für das Seelenheil des Menschen siehe Helmuth Kluger: Friedrich Barbarossa und sein Ratgeber Rainald von Dassel, in: Weinfurter: Stauferreich, S. 27. Den populären Brauch spiegeln die Quellenauszüge in Erich Caspar: Die Kreuzzugsbullen Eugens III, Berlin 1924, S. 293 wider. 1909 Historia pontificalis, ed. Chibnall, III, S. 8. 1910 Spörl: Rainald, S. 251. 1911 Knipping: Regesten, S. 111.

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und seines Amtsnachfolgers Philipp von Heinsberg.1912 Es ist sogar diskutiert worden, dass ­Rainalds Präferenz für fürstliche Dekadenz und Standesinszenierung und seine Abneigung gegen die Rigidität des mit dem klerikalen Amt einhergehenden Lebensstils eine der Motivationen waren, die zum von Johannes von Salisbury so kritisierten Aufschub der Bischofsweihe führten.1913 Spörl sah Johannes’ Interesse an der Episode nicht als politisch motiviert, sondern als eine „Auseinandersetzung des Reformwillens Bernhards von Clairvaux mit dem alten kirchenfürstlichen Ideal, dem durch das Rittertum ein neues Ziel gewiesen wurde“ 1914. Johannes habe sich nur erinnert, dass sein Gegenspieler, ein Exponent einer neuen Haltung, die „das Ideal des ottonischen Reichsbischofs mit dem des Ritters vereint[e]“ 1915, sich mit einer Kleiderfrage in die Weltpolitik eingeführt habe. Tatsächlich aber zeichnet Johannes von Salisbury hier das Bild eines Mannes, der gegen den reformerischen Strom schwamm, am Ende aber mit seinem Protest kläglich scheiterte. Auffällig häufig betont der Angelsachse im Laufe der k­ urzen Passage die Isolation der deutschen Partei und stellt deren Protest als „Ausnahme“ gegen den „allgemeinen Konsens“ „der meisten“ Konzilsteilnehmer dar.1916 Die Entlarvung des späteren Kölner Elekten als wagemutiger, aber gescheiterter Querkopf war, mitten in der aktuellen Kirchenkrise von 1164, zweifellos intendiert. Das ein Jahr zuvor auf dem Konzil von Tours exkommunizierte Haupt des Schismas 1912 Vgl. den Hinweis bei Paul Fridolin Kehr: Zur Geschichte Victors IV., in: NA 46 (1926), S. 53 – 85, hier: S. 57 f. Auch Helmuth Kluger: Friedrich Barbarossa und sein Ratgeber Rainald von Dassel, in: Stefan Weinfurter/Frank Martin Siefarth (Hg.): Macht und Ordnungsvorstellungen im hohen Mittelalter, Neuried 1998 (Münchner Kontaktstudium Geschichte, 1), S. 67 – 86, hier: S. 68 f. und Weiss: Papst, S. 296 betonen die starke Verbundenheit Rainalds und vieler seiner Gleichgestellter in der Riege des Reichsadels mit den Gepflogenheiten ihres Standes, die – wie das Tragen des gefärbten Pelzwerks und unziemlich hoch geschlitzter Kleidung – nach reformiertem Verständnis nicht mit der Würde des Klerus vereinbar waren. Weiß geht sogar so weit, diesen Habitus auch in seiner offenen Provokation gegen Rom als konstitutives Merkmal des Selbstverständnisses der damaligen Kölner Erzbischöfe zu sehen. Ähnlich betrachtet Kluger (Kluger: Rainald, 75 f.) ihn als honor terrae, das fürstliche Äquivalent zur Verteidigung des honor imperii auf Reichsebene. Das Recht Kölner Ritter auf Ausstattung mit farbigen Pelzmänteln nach bestimmten Mustern durch ihren Herrn zu Festtagen wie Weihnachten und Ostern wurde sogar im Kölner Dienstrecht von 1165 festgelegt und war Usus in der rheinischen Domstadt. Siehe Abschnitt 11 des längeren Kölner Dienstrechts in Lorenz Weinrich (Hg.): Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250, Darmstadt 1977 (FStG, 32), S. 266 – 279. 1913 Durch Kluger: Rainald, S. 77 – 82. 1914 Vgl. Spörl: Rainald, S. 253. 1915 Vgl. ebd. 1916 Alle Zitate: Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 8.

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sollte offensichtlich als Nonkonformant diskreditiert werden.1917 Insofern gibt es hier durchaus eine politische Komponente. Es scheint jedoch zu kurz gegriffen, die Einfügung ­dieses für Johannes offenbar denkwürdigen Ereignisses nur auf seinen Symbolgehalt zu reduzieren. Auf der Suche nach den Ursprüngen des saresberiensischen Rainaldbildes sollte die Pelzfrage nicht nur als polemisches Vehikel, sondern auch in ihrer eigentlichen Substanz betrachtet werden. Oder anders gesagt: Es war nicht nur die Form des Protestes, die Johannes von Salisbury kritisiert, sondern der Gegenstand desselben. Nicht nur, dass der Hildesheimer Domherr in den Augen des Angelsachsen damals wie heute gegen den Konsens der Restkirche aufbegehrte, sondern dass er für etwas eintrat, das Johannes als nutzloses Artefakt weltlichen Pomps betrachtete. Was Rainald hier verkörpert, ist eine bestimmte Seite des kirchlichen Tyrannen, wie Johannes ihn in seinem Policraticus beschrieben hatte. Darunter fielen ausnahmslos alle Kleriker, die den Blick für das Allgemeinwohl und die Verfolgung eines tugendhaften Lebens aus den Augen verloren hatten, besonders aber kirchliche Amtsträger, die ihrem Lebenswandel und Handeln die vermeintlichen Normen der epikureischen Philosophie zugrunde legten und somit die Erfüllung sinnlicher Freuden mit dem wahren Glück verwechselten. Dabei war Johannes von Salisbury kein unversöhn­licher Kritiker der auf den Griechen Epikur (341 – 270 v. Chr.) zurückgehenden philo­sophischen Lehren, sondern bemängelte nur, dass diese in ihrer maßlosen Form in einen zügellosen Hedonismus ausarten:1918 […] si moderatio adhibeatur, in his interdum sensuum uoluptate uersari sapienti non arbitror indecorum ut saepe numero dictum est, nichil decorum est sine modo.1919 Diese Mäßigung ­zwischen den Extremen des Lustdiktats und der Selbstverweigerung einzuhalten, ist für ihn wahre Weisheit.1920 Statt die philo­ sophische Schule per se, beanstandet er deren Fehldeutung durch die Zeitgenossen: Sed, quia facile est aure uel ore insipientum dicta optima deprauari, ad compendium immunditiae tracta sunt quae uirtutis esse debuerant instrumentum. Caro siquidem opinatae est (nam hoc utique cordatus homo non sentit) quod amore iocisque nil est iocundius, nil suauius parasitica uita aut eorum qui epulantur cotidie splendide, qui uino estuant, splendidis utuntur uestibus;

1917 Vgl. SvGembloux Continuatio Aquicintina, ed. Bethmann ad a. 1162, S. 409 oder A ­ nnales stadenses auctore M. Alberto ab o. c. – 1256, ed. I. M. Lappenberg, in: MGH SS 16, ad a. 1166, S. 345. 1918 Einführend zu Johannes’ idiosynkratischem Zugang: Nederman/Bollermann: Extravagance, ab S. 6. 1919 Policraticus II, ed. Webb VIII, 12, S. 315. 1920 Vgl. ebd. VII, 11, S. 135: Ipsa siquidem rerum omnium continet disciplinam et omnium moderatrix uniuersis humanae uitae actibus et uerbis […].

Rainald von Dassel und die erzbischöfliche curia zu Köln

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­denique omnia, quae mens lingua manus appetit, cogitare loqui et facere, et in nullo contraire sibi aut motum reprimere propriae uoluntatis, uitam esse hominis uera et summa felicitate gaudentis.1921

Nicht die Zugehörigkeit zu einer Schule, sondern exzessives, lustorientiertes Verhalten machte einen Menschen in Johannes’ Augen zum Epikureer. Dabei ist das selbstsüchtige Postulat eigener Freuden Ausdruck eines bestimmten Lasters, das insbesondere den kirchlichen Tyrannen auszeichnet: der superbia. Da sie den Vorrang des einzelnen propagiere, sei sie die giftige Wurzel, aus der die sieben Hauptsünden entsprängen.1922 Die Verteidigung des Pelzkragens als offensichtliches fürstliches Standessymbol zementierte unabwendbar die Grenzen einer elitären Ingroup. Epikureische Priester wie epikureische Höflinge – und 1164 konnte Johannes von Salisbury Rainald von Dassel durchaus beiden Gruppen zuordnen – gefährdeten das Wohl des Staatskörpers und stützten mit ihrer Leidenschaft für Macht und Ehre die moralische und politische Tyrannei. Es mag gewagt erscheinen, von den wenigen Zeilen der Historia pontificalis auf dem Urteil des Johannes von Salisbury zugrunde liegende Überzeugungen zu schließen, doch richtete der Angelsachse genau diese Kritikpunkte in brillanter Ironie auch an Thomas Becket, dessen Position im Doppel­ amt ­zwischen weltlicher Administration und kirchlicher Verpflichtung auffällige Parallelen mit Rainalds aufwies: Nec inhibeo quin uestibus niteas deaucratis circumdatus uarietate, quin epuleris cotidie splendide, quin primos honores habeas; et […] quin tempori sed et peruersis moribus, rectus tamen ut es ipse, in omnibus morem geras et suis lenociniis irridentem irrideas mundum. Maior enim es quam ut debeas aut possis (licet etiam sic ceperit multos) capi tendiculis eius.1923 1921 Ebd. VII, 15, S. 154. [Hervorhebung d. Verf.] 1922 Vgl. ebd. VIII, 1, S. 228. 1923 Ebd. VIII , 25, S. 423 f. Rainald von Dassel war auch insofern Kind seiner Zeit, als dass er mehrere Propstämter (i. e. der Stifte in Hildesheim, Goslar, Münster) gleichzeitig in sich vereinte, eine Praxis, die von Zeitgenossen scharf kritisiert wurde. Siehe Ficker: ­Reinald, S. 9 f.; Knipping: Regesten, S. 111. Auch der von Johannes als so gefährlich erachtete Ehrgeiz gehörte zum Charakterbild des aufstrebenden Karrieristen und zukünftigen kaiserlichen Erzkanzlers. Siehe Herkenrath: Reinald, S. 73 – 79; Ficker: Reinald, S. 13. Zu Johannes’ Einordnung und Kritik am epikureisch ausgerichteten Lebenswandel Thomas Beckets zu seiner Zeit als Kanzler, der auch in den Becketviten belegt ist, siehe Nederman/Bollermann: Extravagance. Ergänzend Charles Stephen Jaeger: Irony and Role-Playing in John of Salisbury and the Becket Circle, in: Martin Aurell (Hg.): Culture politique des Plantagenêt, 1154 – 1224. Actes du colloque tenu à Poitiers du 2 au 5 mai 2002, Poitiers 2003, S. 319 – 332, der auch Johannes’ Spiel mit der Ironie als Methode der Kritik erhellt.

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Zu Zeiten des Reimser Konzils mag die Typologie des epikureischen Höflings oder Priesters erst rudimentäre Gestalt im Kopf des Johannes von Salisbury angenommen haben. 1164, zur Niederschrift der Historia, hatte er sie im siebten und achten Buch seines Policraticus vollständig theoretisch aufgearbeitet. So konnte er seine Hoftheorie auch problemlos seiner Beschreibung jener Szene in Reims zugrunde legen, die ihm noch so deutlich und bemerkenswert in Erinnerung geblieben war. Pragmatiker wie er war, hatte er das polemische Potenzial erkannt. Nicht auf politischer Ebene, sondern vor seinem ideengeschichtlichen Hintergrund erklärt sich folglich seine Skepsis gegenüber dem Kölner Elekten. Dass Rainalds steile Karriere ihn 1156, wenige Jahre nach dem Vorfall in Reims zum Reichskanzleramt und damit zu einer der Schlüsselpositionen am staufischen Kaiserhof führen sollte, musste für Johannes von Salisbury im Nachhinein Grund zur Beunruhigung sein, hatte er doch im Policraticus dargelegt, wie essenziell moralische Integrität, Weisheit und Fähigkeit zur Maßhaltung im Beraterkreis eines Herrschers für das Wohl des Staatskörpers waren.1924 Ein guter Ratgeber war für ihn kein typischer Höfling oder gar Tyrann, sondern jemand, der nie vorschnell, sondern nach Prinzipien der Besonnenheit, Tugend und Gerechtigkeit entschied und frei von niederen Motivationsprinzipien wie Habgier, Stolz oder Trägheit war.1925 Ein hohes Ideal, dem ein Mann wie Rainald von Dassel nicht entsprechen konnte. Trotz all dieser Ressentiments machte Johannes von Salisbury Rainald kurz nach dem Paveser Konzil noch nicht für die Kirchenpolitik Friedrichs I. verantwortlich. Passenderweise erhob er damals lediglich einen allgemeinen Vorwurf zur Amtsmoral des Kölner Elekten, der sich als Metropolit ausgebe und in dieser Kapazität als Repräsentant der K ­ irche handele, ohne auch nur die Bischofsweihe erfahren zu haben. Ein Vorwurf, den er auch so manchem von Rainalds Amtsbrüdern im Reichepiskopat hätte entgegenschleudern können. 1122 war im Wormser Konkordat festgelegt worden, dass die Bischofsweihe der Regalieninvestitur durch den König im Reich unverzüglich folgen musste.1926 Der Elekt, der dieser Bestimmung nicht nachkam, konnte sich kirchenrechtlich nicht seiner gesamten Machtfülle rühmen und durfte weder liturgische noch 1924 Vgl. Policraticus I, ed. Webb, V, 9 und 10. 1925 Vgl. ebd. V, 9, S. 322: Iniqui ergo arcendi sunt, superbi et auari, et omnis huiusmodi pestis hominum. Nichil enim perniciosius est iniquo diuitis consiliario. […] Auaro namque teste Sapientia nichil scelestius est et nichil iniquius quam amare pecuniam; hac enim animam suam uenalem habet et in uita sua proiecit intima sua. Den Gegensatz ­zwischen Höflingen und Philosophen erläutert Kerner: Struktur, S. 159 – 161. 1926 Zum Prozess bischöflicher Lehnsnahme im Reich siehe Jürgen Dendorfer: Das Wormser Konkordat – ein Schritt auf dem Weg zur Feudalisierung der Reichsverfassung?, in: Jürgen Dendorfer/Roman Deutinger (Hg.): Das Lehnswesen im Hochmittelalter.

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sakramentale Amtshandlungen vollziehen. Anders als im Reich, in dem keine Kritik an dieser Verzögerungspraxis der Elekten aufkam, stieß dieser Sachverhalt dem Engländer auf. Es war aber eben kein politischer Vorwurf.1927 Ein Erzschismatiker, wie ihn im Nachhinein die historiographischen Quellen schmähen sollten, war er in den Augen des Zeitgenossen Johannes von Salisbury im Sommer 1160 offenbar noch nicht.1928 Von Rainalds Rolle in der Ablehnung Alexanders und der Parteinahme für dessen Gegner Viktor schien Johannes, sofern aus seinem Schweigen zu schließen, nichts gewusst zu haben. Auch andere wichtige Stationen, an denen Rainald Weichen stellte, scheinen ihm im Kontext seiner Korrespondenz noch nicht relevant vorgekommen zu sein. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, den Viktoriner Rainald schon vor dieser Zeit als notorischen Kirchenfeind zu brandmarken. Beispiele aus den Jahren vor 1165 gab es schließlich genug. Da wäre der Johannes zweifellos bekannte Part Rainalds auf dem denkwürdigen Reichstag von Besançon oder die Gesandtschaftsmission an den englischen Königshof, durch die er Alexanders Anerkennung durch Heinrich II. zumindest verzögert hatte.1929 Eine Referenz auf Rainalds verzweifelte Propagandaattacke gegen die westlichen Könige auf dem Hoftag von Dôle, während der er die Monarchen als „Provinzkönige“ 1930 titulierte, taucht bei Johannes von Salisbury zwar erst nach November 1166 auf, doch legt die Formulierung nahe, dass es eine Information war, die aus Hofkreisen oder sogar von König Ludwig VII . selbst ausging.1931

1927 1928 1929

1930

1931

Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz, Ostfildern 2010 (Mittelalter-­ Forschungen, 34), S. 299 – 328. Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 212. Zum Problem der Bischofelekten und der Reaktion in der Kanonistik der Zeit siehe Benson: Bishop-Elect. So etwa RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 318. Rainalds Eigeninitiative in der provokanten Übersetzung des Terminus beneficium ist unterschiedlich bewertet worden. Siehe Herkenrath: Reinald, S. 85 – 95 und Heinemeyer: Beneficium. Johannes verweist auf den Hoftag in JvS I, Ep. 124, S. 206. Man kann davon ausgehen, dass die damaligen Geschehnisse zum kurialen Allgemeinwissen gehörten. Die diplomatischen Bemühungen um Parteinahme oder Neutralität des englischen Herrschers in der Papstfrage beklagte Johannes im Namen des Erzbischof Theobalds von Canterbury gegenüber dem König: JvS I, Ep. 121, S. 200. Boso Cardinalis Presbyter Vita Alexandri III, in: Louis Duchesne (Hg.): Le liber pontificalis. Texte, introduction et commentaire, Paris 21955 (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome, 2), S. 397 – 446, hier: S. 404: reges provinciales. Näheres zur Begrifflichkeit und ihrer Stellung in der kaiserlichen Ideologie bei Töpfer: Reges. Einordnung des Hoftags: Schmale: Sommer, S. 360 – 362. Vgl. JvS II, Ep. 186, S. 228 f.: Eoque [i. e. der französische König] magis motus est quod, cum uos habuerit familiarissimum, sic transistis quasi ad aemulos regni Francorum, et nominatim ad scismaticum Coloniensem qui non modo ecclesiam Dei persequitur, sed et ipsum, ut audiuit, impudenti scurrilitate uerborum consueuit regulum appellare.

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Es wäre sehr verwunderlich, wenn jemand an der Reimser Informationsschnittstelle ­zwischen dem Kaiserreich und dem Königreich Frankreich nicht schon früher durch Hörensagen von dem provokanten Gebaren des Kölner Elekten erfahren hätte, das zumindest den geschmähten Kapetinger tief verletzt hatte.1932 Ein Interesse an der Denunziation Rainalds schien im Sommer 1160 folglich noch nicht bestanden zu haben. Als Hauptverantwortlichen identifizierte man den K ­ aiser selbst und seinen Kandidaten für das Papstamt, nicht aber das höfische Umfeld. Spörls Behauptung, dass Rainald von Dassel erst ab 1164 in den Briefen des Saresberiensis auftritt, kann angesichts der Erwähnungen des Elekten aus der Korrespondenz vom Sommer 1160 nicht zugestimmt werden. Allerdings kann doch festgestellt werden, dass der Kölner erst ab ­diesem Jahr, bezeichnenderweise dem Jahr der Erhebung des zweiten Gegenpapstes unter seiner Ägide, immer weiter in den Fokus alexandrinischer Polemik geriet. Nicht unschuldig an ­diesem Stimmungswechsel mag auch ein Brief Papst Alexanders III. an Erzbischof Heinrich von Reims gewesen sein, in dem er diesen davor warnte, dass Rainald, ille auctor et caput turbationis ecclesiae 1933 im Begriff sei, durch Flandern Reichsgebiet zu betreten. Die päpstliche Schmäh­ rhetorik war nicht zimperlich und hatte spätestens zu ­diesem Zeitpunkt nachweislich ­Johannes’ Zufluchtsort erreicht. Dass Rainald von Dassel eine tragende Figur im Schauspiel des alexandrinischen Schismas, sozusagen „die Seele aller Unternehmungen zu Gunsten des kaiserlichen Pa[p]stes“ 1934 war, ist in der Forschung mittlerweile unumstritten.1935 Auch die alexan­ drinische Geschichtsschreibung, ob auf anglonormannischer oder Reichsseite, konnte das vollmundige, von der Kölner Königschronik, Acerbus Morena oder dem Archi­ poeta verbreitete Lob Rainalds als herausragenden Staatsmannes und bedingungslosen Verfechters der kaiserlichen Politik nicht teilen.1936 1932 Details und Einschätzungen zum Hoftag von Dôle sowie Rainalds Auftreten und Brandrede bei Ficker: Reinald, S. 46 f.; Herkenrath: Reinald, S. 202, 206, 208; Heinemeyer: Verhandlungen, S. 180 – 183; Schmale: Sommer, S. 360 – 362 und Laudage: Alexander, S. 146 f. 1933 Vgl. Ep. LXXX. Attendentes illum animi, in: Edmond Martène/Ursinus Durand (Hg.): Veterum scriptorum et monumentorum historicorum, dogmaticorum, moralium amplissima collectio. Bd. 2, New York 1968 (Essays in History, Economics, and Social Science, 26), Sp. 710: Noveris autem quod ille auctor et caput turbationis ecclesiae, R. videlicet quondam F. imperatoris cancellarius, cum aliunde suus omnimodo disturberetur ingressus, per Flandriam in Teutonicam terram ire disponit. 1934 Ficker: Reinald, S. 34. 1935 Siehe die Darstellungen von ebd.; Herkenrath: Reinald; Görich: Friedrich Barbarossa. 1936 Eine überschaubare Zusammenschau zeitgenössischer und moderner Urteile über Rainald liefert Werner Grebe: Rainald von Dassel im Urteil unserer und seiner Zeit, in: JbKölnG 47 (1976), S. 115 – 122. Munz verweist ergänzend auf anglonormannische Quellen wie Roger

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Rainalds erster Biograph Julius von Ficker hat einige Äußerungen der Zeitgenossen zusammengetragen, die den Kölner als „Bannerführer der Schismatiker“ 1937 brandmarken. In überschwänglicher Schmährhetorik wird dieser zum „bekanntesten Schismatiker“ 1938, „führenden Anhänger“ 1939, „Führer des Irrtums Schisma“ 1940, zum „Haupt und Anführer“ 1941, zum „Aufwiegler des gesamten, langwierigen Schismas“ 1942.1943 Bedauerlicherweise handelt es sich bei vielen Beispielen um nicht zurückverfolgbare Auszüge aus retrospektiven Quellen.1944 Die anderen entstanden wie der Brief Alexanders III. an die normannische ­Kirche und ihren Metropoliten Rotrod von Rouen im Mai 1165 infolge des Würzburger Pfingsthoftags oder wurden, so etwa die Historia Welforum (um 1170 – 1191) oder die Trostschrift Historia Calamitatum Ecclesiae Salzburgensis des Archidiakon Heinrich von Gars (1170/1171) Jahre nach Rainalds Tod verfasst.1945 Howdens Chronik, die Instructio Principis des Giraldus Cambrensis, Annales Melrosenses sowie die Chronik des Robert von Torigny. Außerdem die Historia Vizeliacensis und Historia Welforum. Weitere Beurteilungen seiner Persönlichkeit und Politik bei Ficker: Reinald, S. 10 – 13; Herkenrath: Reinald, S. 73 – 79; Kluger: Ratgeber und Uebach: Ratgeber, S. 118 – 156. 1937 Ficker: Reinald, S. 34. Wörtlich übernommen von Herkenrath: Reinald, S. 162. 1938 Zitiert nach Ficker: Reinald, S. 34. Quelle unklar. 1939 Zitiert nach ebd. Quelle unklar. 1940 Nr. 188. Quanta mala, in: Bouquet 15, S. 844. 1941 Die Historia calamitatum ecclesiae Salisburgensis, ed. Bernhard Zeller, in: Herwig Wolfram (Hg.): Quellen zur Salzburger Frühgeschichte, Wien 2006 ­( Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 44), S. 263 – 319, hier: S. 312 f. 1942 Zitiert nach Ficker: Reinald, S. 34. Quelle unklar. 1943 Vgl. die Auflistung bei ebd.: nominatissimus schismaticus, praecipuus fautor schismatis, schismatis erroris magister, caput et ductor schismatis und totius schismatis diutinus incentor. Grebe: Rainald, S. 122 fügt noch die Petersberger Stiftschronik an, die Rainald von Anbeginn des Schismas als scismatis auctor et roborator ansieht, und das Fazit zieht, alle anderen Stimmen des alexandrinischen Lagers schlügen denselben Ton an wie das Urteil des Johannes von Salisbury. Siehe Chronicon Montis Sereni, ed. Erich Ehrenfeuchter, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.): Chronica aevi Suevici, Hannover 1986 (MGH SS, 23), S. 138 – 226, hier: S. 153. Siehe ergänzend Munz: Frederick, S. 213, Anm. 2. 1944 Kein Ergebnis gab zum Beispiel die angeführte Quelle der Historia Welforum in der Edition durch Leibniz (Historia Welforum, in: Gottfried Wilhelm Leibniz (Hg.): Scriptores rerum Brunsvicensium illustrationi inservientes, antiqui omnes et religionis reformatione priores, Hannover 1707, S. 781 – 794, hier: 793) oder Weiland (Historia Welforum, ed. Ludwig Weiland, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.): Historici Germaniae Saec. XII 1, Hannover 1872 (MGH SS, 22), S. 454 – 471). Ebenso wenig ließ sich von Fickers Verweis aus den Briefen des Johannes von Salisbury in der modernen kritischen Edition verifizieren. 1945 Bouquet 15, Nr. 188, S. 844; Historia Welforum, ed. Weiland; Henricus Historia Calamita­ tum ecclesiae Salisburgensis, ed. Zeller (mit dt. Übersetzung).

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Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg oder das Chronicon Montis Sereni des Augustinerstifts Lauterberg stammen sogar aus dem beginnenden 13. Jahrhundert (1229/1230 bzw. 1225 – 1230). Sie können daher nicht als Belege einer zeitgenössischen Meinung im engeren Sinn dienen und bezeugen bestenfalls das Urteil der Nachwelt über den Verstorbenen.1946 Lässt man die zeitgenössischen Quellen sprechen, deutet sich der Wendepunkt tatsächlich im Jahr 1165 an. Ein Hinweis darauf, dass die Würzburger Ereignisse den Ausschlag gaben, Rainald von Dassel eine aktivere Rolle in der kaiserlichen Schismapolitik zuzuschreiben als zuvor? Im Spätsommer erstattete Johannes von Salisbury dem in Pontigny weilenden Becket Bericht über seine Bemühungen um Unterstützung für ihre Sache im englischen Episkopat und über Barbarossas Pläne, seinen Reichskanzler, Christian von Buch, zum Mainzer Metropoliten zu machen. Seinen jüngst bei der großen römischen Epidemie verstorbenen Vorgänger Rainald folge Christian dabei, so Johannes, nicht nur in officio cancellariae, sondern auch in persecutione ecclesiae et collisione et strage gentium et euersione ciuitatum 1947 nach. Hier hatte sich offenbar im Spätsommer 1165 bereits ein Bild Rainalds als Verfolger der ­Kirche, des italienischen Volkes und der sich der Restitutionspolitik des Kaisers widersetzenden lombardischen Städte ausgebildet. Rainalds Person interessierte nicht nur als Urheber einer kirchlichen Krise, sondern als die Figur eines militärisch potenten Aufwieglers, eines skrupellosen Unruhestifters und Strippenziehers im weltlichen wie spirituellen Bereich. Die Ressentiments gegen ihn entstammten demnach nicht nur seinem Part im Schisma, sondern auch der durchsetzungsstarken Ausführung seines Reichslegats in Ober- und Mittelitalien. Selbst für einen Angelsachsen waren die italienischen Verhältnisse offenbar nicht von den Akteuren des Schismas zu trennen. Auch in der Folgezeit bleibt Rainald in den Augen des Johannes von Salisbury stets der Störfaktor friedlichen Miteinanders in ­Kirche und Kaiserreich, oder wie Spörl zusammenfasst, der „große Unheilstifter, der die abendländische Einheit seit dem Schisma von 1159 störe, […] der ‚totius schismatis faber, incentor et signifer‘“ 1948, ohne dessen Existenz und beratende Tätigkeit das Schisma an Verve verloren hätte. Spörl hat in seiner verallgemeinernden Darstellung zwei Aspekte übersehen: Zum einen, dass Rainald nicht von Anbeginn der Kirchenspaltung als problematischer 1946 Vgl. Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, ed. Georg Waitz, Hannover 1916 (MGH SS rer. Germ., 16). 1947 Beide Zitate: JvS II, Ep. 152, S. 54 f. 1948 Spörl: Rainald, S. 254. Siehe Beispiel auch Werner Grebe: Studien zur geistigen Welt Rainalds von Dassel, in: Wolf: Friedrich, S. 396.

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Akteur betrachtet, ja, nicht einmal in Pavia oder Dôle in irgendeiner Weise politisch verantwortlich gemacht wurde. Zum anderen zeigt ein genauerer Blick auf die Quellen, dass Rainald von Dassel noch Wochen nach dem Hoftag zu Würzburg, im Spätsommer des Jahres 1165, zwar als Verfolger der ­Kirche, aber besonders auch im Licht seiner skrupellosen Amtsführung als kaiserlicher Legat für Oberitalien gesehen wurde – schwerlich eine rein schismazentrierte Sicht. Ein Schreiben des Johannes von Salisbury an Gerard Pucelle aus dem Spätherbst 1166 oder der ersten Hälfte 1167 wird bevorzugt als stellvertretende Stellungnahme der alexandrinischen Partei zitiert. Plenam deuotione et eruditione ist in seiner flammenden, gegen Barbarossa und seinen mit dem Beinamen scismaticus Coloniensis 1949 belegten, engsten Vertrauten gerichteten Polemik aber ein einer spezifischen historischen Situation – und zwar nicht dem Hoftag von Würzburg – entspringender Einzelfall.1950 Um das Dokument einzuordnen, muss man wissen, was ihm voranging: Am 1. Oktober 1166 hatte der angelsächsische Gelehrte explizit versucht, Rainald über Gerards Einwirkung als Fürsprecher für den Becketkreis bei Heinrich II. gewinnen zu wollen.1951 Eine singuläre Bitte, der zwar nicht viel Erfolg beschieden gewesen zu sein scheint, aber die gut die zum positiven veränderte damalige Stimmungslage illustriert. Mitte Oktober dann bezeichnete Johannes von Salisbury Rainald von Dassel gegenüber Gerard in abgeschwächter Rhetorik und ruhigeren Tönen als Kölner Erzbischof.1952 Hatte Rainalds kurz zuvor, am 2. Oktober 1166, offiziell, wenn auch durch schismatische Weihe, erlangte erzbischöfliche Würde ihn gegenüber dem Kölner versöhnt? Damals schimmerte jedenfalls ein Fünkchen Hoffnung durch, die vorderste Front der Alexanderfeinde könne sich durch Gottes Hilfe bekehren: Impulit […] me stimulus caritatis […] per litteras sciscitari an circa statum uestrum in alterutram fortunae partem de nouo sit aliquid immutatum, et an aliquid postea certum acceperitis de

1949 JvS II, Ep. 186, S. 228 f. Ebenfalls: JvS II, Ep. 158, S. 70 f.; Joannis Saresberiensis: Ep. 171. Me causa duplex, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 122 – 127, hier: S. 124 f.; JvS II, Ep. 174, S. 146 f. 1950 Vgl. Reuter: Germans, S. 421. 1951 JvS II, Ep. 184, S. 218 f.: Vnde michi commodum uideretur ut, si fieri posset, Coloniensem induceretis quatinus sub consilii specie et amoris regem statueret contra faciem suam et causae difficultates ostenderet. Johannes von Salisbury begriff die gefühlte Vertrautheit Heinrichs II. mit dem Reich auch als Chance und versuchte, durch die Einflüsterungen des Erzschismatikers Rainald auf Heinrich und die Besetzung der Legaten a latere einzuwirken, die zur Vermittlung im Becketstreit entsendet wurden. 1952 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 185. Etsi uobis nuper scripserim, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 222 – 225, hier: S. 222 f. Siehe auch JvS II, Ep. 184, S. 216 f., 220 f.

526 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten e­ xpeditione imperatoris et uestro Coloniensi, quod Deus conuertat, si praedestinati sunt, et per condignos fructus poenitentiae in unitate ecclesiae constitutis donet ueniam, et purgatos introducat et perducat ad uitam.1953

Sollten, so schreibt Johannes allerdings weiter, K ­ aiser und Erzkanzler keine Buße zeigen, gäbe es keine Alternative mehr zu jener Vernichtung der Tyrannen durch die Hand Gottes, die nach seinen einschlägigen Vorstellungen letztlich immer der Entscheidungsträger über das Schicksal des Despoten war.1954 Ein Schwanken ­zwischen Hoffnung auf eine Gewinnung Rainalds für die rechte Sache und ernüchterter Skepsis ist stark zu spüren.1955 Erst im Folgejahr, anno 1167, sollte sich etwas ereignen, das den ­Kaiser und seinen obersten Berater endgültig diskreditierte. Offenbar damals noch nicht von den Plänen der gegenpäpstlichen Parteigänger unterrichtet, ersuchte Johannes von Salisbury Gerard arglos um Neuigkeiten zum vierten Italienzug des Kaisers.1956 Kaum wurde klar, mit welchem Ziel das kaiserliche Heer ausgerückt war, gab es kein Halten mehr. Johannes von Salisbury hatte Pavia, Saint-Jean-de-Losne, Dôle, die Erhebung ­Paschalis’  III . und die staufisch-angevinische Entente von Würzburg stumm mit angesehen, doch Barbarossas erneuter Zug nach Reichsitalien fiel wie ein Funke auf Zunder. Das eigentlich traumatische Erlebnis wurde die Installation des verhassten Gegenpapstes auf der Cathedra Petri, im Herzen der katholischen K ­ irche, in der Stadt, die zuvor Alexander III. beherbergt hatte. Irgendwann z­ wischen dem November 1166 und der Eroberung Roms durch die kaiserlichen Truppen im Juli 1167 wandte ­Johannes sich erbost an Gerard Pucelle: Nec ambigitis quin et in medio uestri […] [am Kölner Metropolitansitz], non tam lateat anathema quasi aliquam Dei reuerentiam et hominum uerecundiam habens quam insaniat et saeuiat aduersus Deum et ecclesiae unitatem, praesertim cum toti mundo fere iam innotuerit quantus contemptor ecclesiae semper, quantus incentor et auctor scismatis, ex quo potuit, fuit 1953 Vgl. JvS II, Ep. 185, S. 222 f. 1954 Vgl. ebd.: […] alioquin uirgam furoris sui caedentem populos in indignatione, corripientem ecclesiam castigatione crudeli, confringat Altissimus misericors et miserator Dominus. 1955 Er hatte seine Distanz zum Reichskanzler, der noch immer dem Verbrechen als das J­ ohannes das Schisma ansah, anhing, nicht verloren. Die Terminologie des crimen für in seinen Augen schismatisches Handeln taucht bezeichnenderweise im Kontext des Umgangs mit ­ aiser Friedrich selbst auf. Siehe Joannis den Exkommunizierten der Kölner curia oder K Saresberiensis: Ep. 274. Beneficia saepe conferuntur, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 574 – 579, hier: S. 576 f. sowie JvS II, Ep. 184 (S. 213 f.) und Ep. 272 (S. 552 f.). 1956 Vgl. JvS II, Ep. 185, S. 222 f.

Rainald von Dassel und die erzbischöfliche curia zu Köln

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ille Coloniensis praesumptor ecclesiae, maximus inter locustas bestiae, quarum potestas est in linguis et caudis earum.1957

Nach dem fast versöhnlich anmutenden Etsi uobis nuper scripserim ist das flammende Plenum deuotione et eruditione ein beißender, polemischer Paukenschlag. Wie Arnulf von Lisieux bedient sich auch Johannes von Salisbury biblischer Bildsprache, um seinen Schriften persuasive Textur und polemische Tiefe zu verleihen. Neben alttestamentarischen Vergleichen ist ein bedeutender dieser stilistischen Marker die Verwendung apokalyptischer Bildsprache, wie sie seit jeher ­Zeichen zugespitzten polemischen Schlagabtauschs in Schismazeiten war. Friedrich I. und seine rechte Hand Rainald werden zur endzeitlichen Heimsuchung, zu den größten der beim Klang der fünften Posaune aus dem Abgrund wimmelnden, giftigen Heuschrecken (Offb 9,3), zu „den Stummeln rauchender Brandscheite, […] die sich auf Fleisch stützen und nicht aufhören das heilige Israel zu lästern“ 1958. Unter anderem bezieht sich Johannes auf Jesajas von Gott eingegebene Ermutigungsworte an den judäischen König Ahab, der verzagt einem Angriff seiner Feinde entgegensieht.1959 Wie Jesaja prophezeit, dass das Land der Feinde veröden wird und sie keinen Schaden anrichten werden, so sieht auch Johannes von Salisbury das Schicksal des Kaisers und seines Handlangers durch ihren Frevel endgültig besiegelt. Es sei nicht nötig, sich vor Friedrich und Rainald zu fürchten, denn wo menschliche Hilfe versage, biete Gott seine Unterstützung für die bedrohte ­Kirche. Im Z ­ eichen der aequitas richte er die ganze Erde, verurteile die Bösen, strafe die Mächtigen mit Macht.1960 Das klingt nicht mehr nach der noch im vorhergegangenen Herbst gehegten Hoffnung, den kaiserlichen Hof oder zumindest das Oberhaupt der erzbischöflichen curia von Köln als integralem Bestandteil des Reiches vom Schisma abzubringen. Am Ende der Zuversicht angekommen, tröstet sich der gelehrte Angelsachse mit dem Gedanken an eine göttliche Intervention, wie sie auch seiner Tyrannentheorie zugrunde lag. Den Grund seiner Entrüstung macht er unmissverständlich klar. In ­diesem Moment größter Enttäuschung über den endgültigen Verlust des bußresistenten, kaiserlichen Lagers richtet er den Blick in die Vergangenheit und klagt, Rainald habe schon immer gegen die ­Kirche gewirkt.1961

1957 JvS II, Ep. 186, S. 226 f. 1958 Ebd., S. 228 f. 1959 Jes 7,4. 1960 JvS II, Ep. 186, S. 228 f. 1961 Vgl. ebd., S. 226 f.: Defecerat enim scisma, pacem fuerat tirannus uester ecclesiae redditurus, nisi eum Coloniensis etiam adhuc aduersus ecclesiam incitaret […] Eo enim (ut aiunt) proposito

528 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Es ist die erste erhaltene Reaktion des Johannes von Salisbury auf die durch ­ ainalds Person begünstigte Erhebung Guidos von Crema zu Alexanders GegenR kandidaten. Erst im Kontext eines neuerlichen kaiserlichen Romzugs unter Begleitung des verhassten Paschalis, also nachdem der Kampf um den Stuhl Petri einen neuen Höhepunkt erreicht hat, wird diese auf einmal als verdammenswerte Untat verurteilt. Es ging eben nicht mehr nur um einen Konkurrenten im Reich. Man zog mit Waffengewalt nach Rom und damit gegen die Person Alexanders III . Wie konnten diese Vorgänge anders verstanden werden denn als handfeste Bedrohung des legitimen vicarius Christi. Damit intrigierte der Priestertyrann Rainald in einer Weise gegen das Oberhaupt der K ­ irche, die in der Schismentheorie des Policraticus der größten erdenklichen Entsetzenstat gegen Gott und die K ­ irche, dem Brudermord, gleichkam. Darüber hinaus sah Johannes das Unantastbare, die Würde des apostolischen Amtes in ihren Grundfesten bedroht.1962 Der winzige Vertrauensvorschuss, den er den Deutschen gewährt hatte, war verhöhnt worden. Dass Johannes’ Vorwürfe gegen den ­Kaiser und den spiritus rector seiner Kirchenpolitik hier explizit wie nie waren, zeigt, dass er die Richtung, die die Politik des Staufers eingeschlagen hatte, verstanden hatte. Sie traf ihn ins Mark. Deutlicher kann der Moment des Bruchs nicht werden. Nicht Würzburg, sondern die mit militärischen Mitteln erzwungene, als unrechtmäßig betrachtete Usurpation der rechtmäßig auf Einladung des römischen Senats durch Alexander III. eingenommenen päpstlichen cathedra durch Paschalis III. ist das eigentliche Verbrechen. Der Pfingsthoftag und seine Beschlüsse spielen für den Verlauf des Schismas eine untergeordnete Rolle. Sie sollten ihre Bedeutung an anderer Stelle finden. Für Johannes fand am Main eine Verfestigung des Schismas statt. Im Gegensatz zum Kronzeugen der Würzburger Ereignisse, dem als Epistola amici ad Alexandrum papam bekannten Bericht eines anonym bleibenden Alexandriners, betrachtet er diese allerdings nicht nur als Rainalds Werk.1963 Im Frühjahr 1167 spricht Johannes in einem Brief an Bischof Milo von Thérouanne nicht von der Autorschaft des Kölner Elekten, sondern davon, dass dieser schismaticorum conuentus in der curia imperatoris geschehen sei.1964 Auf die in der englischen Geschichtsschreibung gut rezipierte ­Epistola amici nimmt er keinen Bezug. Seine Informationen zu Würzburg scheint der in Italiam profecti sunt ut Cremensem haeresiarcham intrudant in sedem Petri, et uicarium Christi aut comprehendant aut eiciant aut occidant. 1962 Tatsächlich ist Johannes von Salisbury neben Bernhard von Clairvaux einer der wenigen, die den Vicarius-Titel verwendeten. Siehe Bernhards De Consideratione, IV, VI, 23. BvClairvaux Tractatus et Opuscula, ed. Leclercq, S. 466. 1963 MTB 5, Nr. 98 bzw. MTB 5, Nr. 99. 1964 Vgl. JvS II, Ep. 214, S. 354 f.

Rainald von Dassel und die erzbischöfliche curia zu Köln

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­ ngelsachse aus anderen, heute nicht mehr nachvollziehbaren Kreisen bezogen zu A haben, denn seine wenigen Kommentare zu Würzburg betonen eine untrennbar mit dem Becketkonflikt verknüpfte englische Perspektive. Auf jeden Fall kann Reuters Sicht von Würzburg als Schlüsselerlebnis im Rainaldbild der damaligen Zeit nicht aufrechterhalten werden. In der Epistolographie wie in der Historiographie nahmen der vierte Romzug und die Inthronisation Paschalis’  III. in der Peterskirche diesen Platz ein. Dies macht auch verständlich, warum gerade hier, ganze vier oder fünf Jahre nach den Ereignissen, auf einmal auch ein weiterer historischer Beweis seiner kirchenfeindlichen Haltung, Rainalds berühmte Rede auf dem Hoftag von Dôle, thematisiert wird. König Ludwig VII., so Johannes, sei verärgert über Pucelles Übertritt „zu den Feinden des Königreichs Frankreich und insbesondere zum Kölner Schismatiker […], der nicht nur die ­Kirche Gottes verfolge, sondern ihn auch […] einen Kleinkönig (regulus) zu nennen pflege“ 1965. Viel scheint Johannes von Salisbury nicht über die Doppelrede des Kaisers und seines beredten Parteigängers Rainald bekannt gewesen zu sein, wenn der skandalöse Schmähbegriff der prouinciarum reges bei ihm zum reinen Diminutiv regulus verkommt. Dennoch sieht man auch hier, dass Johannes sich nicht auf eine inhaltliche Diskussion einlässt. Im Gegensatz zu Angustiarum nostrarum von 1160 spricht er nicht von einem erneuten Hegemonialanspruch des Kaisertums.1966 Das ist wohl kaum eine Frage der fehlerhaften Informationslage, erhält er doch nach eigener Aussage seine Informationen von seinen Verbindungen zum französischen Hof. Ihn entrüstet hier die unangemessene Schamlosigkeit des Kölner Metropoliten, die Überheblichkeit eines Mannes, den er als das priesterliche Pendant zum großen öffentlichen Despoten, Barbarossa, sah. Von nun an und über seinen Tod hinaus bleibt der Erzbischof von Köln der vom Apostolischen Stuhl exkommunizierte „Schmied, Anstifter und Fahnenträger“ 1967. Der hauchdünne Vertrauensvorschuss, den Johannes von Salisbury im Oktober 1166 zu gewähren bereit gewesen war, war endgültig verwirkt. Bemerkenswert ist dabei eben nicht nur die Art und Weise wie, sondern die Tatsache, dass Rainald (und nicht mehr nur der ­Kaiser persönlich) in seiner Funktion als Usurpator einer der wichtigsten Erzdiözesen im Reich sowie auch als Mitglied 1965 JvS II, Ep. 186, S. 228 f. 1966 Einen solchen Herrschaftsanspruch gegenüber den westlichen Monarchien hegte F ­ riedrich I. mit größter Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht. Siehe Robert Louis Benson: Political Renovatio: Two Models from Roman Antiquity, in: Robert Louis Benson u. a. (Hg.): Renaissance and Renewal in the Twelfth Century, Oxford 1982, S. 339 – 386, hier: S. 378. 1967 So äußerte sich Johannes von Salisbury ein Jahr nach Rainalds Tod, um den Mai 1168 herum, gegenüber Gerard Pucelle: totius schismatis faber erat, incentor et signifer, et a sede apostolica condempnatus ex nomine. ( JvS II, Ep. 277, S. 592 f.).

530 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

des engsten kaiserlichen Beraterstabs zur Verantwortung gezogen wird. Indem er aus seiner eigenen Verderblichkeit schlechten Rat gab und damit das Schisma weiter entfachte, pervertierte der Kölner Elekt in den Augen des Johannes von Salisbury das polikratische Amtsideal des weisen Ratgebers. Das Rainaldbild des Johannes von Salisbury verschärfte sich mit der Zeit also deutlich. In einigen Aspekten, zum Beispiel seiner Kritik an Rainalds Standes­fokus, lag der Angelsachse damit erstaunlich nah an den Erkenntnissen der heutigen Forschung zu Persönlichkeit und Standesdenken des Rainald von Dassel. Mit einer generellen deutschenfeindlichen Haltung wie sie für Johannes von Salisbury gerne deklariert wird, hat sein Urteil jedoch wenig zu tun.1968 Die antideutsche Einstellung des angelsächsischen Gelehrten war vorhanden, aber keineswegs ausgeprägter als bei seinen Zeitgenossen. Der Kölnern Elekt war für Johannes nicht in erster Linie ein Deutscher, sondern ein Mann mit zweifelhafter ethischer Disposition, ein skrupelloser Machtmensch und säkularorientierter Unruhestifter, der die K ­ irche und ihre Gesetze missachtete, als Ratgeber verantwortungslos und mit falschen Maßstäben auf den ­Kaiser einwirkte und damit grundlegend zur Verlängerung des Schismas beitrug. Rainalds Nähe zum K ­ aiser sieht Johannes als Haupthindernis in der Erneuerung kirchlicher Einheit. Im Oktober 1167, als bekannt wurde, dass eine tödliche Epidemie große Teile des kaiserlichen Heeres vor den Toren Roms dahingerafft hatte, eröffnete Johannes einem ehemaligen königlichen Kanzleischreiber und Mitglied des Becketkreises hoffnungsvoll den Tod des Kölner Erzbischofs. Wenig s­ päter mutmaßte er, Gerard Pucelle sei zum Heile vieler zu jenen Barbaren gesandt worden, damit sein Eingreifen Köln nach dem Tod ihres Metropoliten in die Einheit der katholischen ­Kirche zurückführen könne.1969 Hoffnungsvolle Zeilen wie diese zeigen, wie das, was sich jenseits der Alpen zutrug, in England und Frankreich als bedeutsamer Faktor für das Auf und Ab im Kampf der Alexandriner gesehen wurde. Sie zeigen ebenso, dass Johannes von Salisbury nicht nur beobachtete, sondern auch auf Basis seiner politethischen Grundsätze reagierte. Allerdings geschah dies nicht nur durch moralistische Lippenbekenntnisse, sondern auch in konkreter Form durch tatkräftige Einwirkung, wo auch immer sich die Gelegenheit bot.

1968 Vgl. Spörl: Rainald, S. 254. Dessen Meinung kritiklos übernehmend Herkenrath: ­Reinald, S. 362. 1969 JvS II, Ep. 225 (S. 392 – 395) und Ep. 226 (S. 396 f.).

Pragmatische amicitia: die Korrespondenz mit Gerard Pucelle

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1.3  Pragmatische amicitia: die Korrespondenz mit Gerard Pucelle Johannes von Salisbury war sich der integralen Funktion der mächtigen Kirchenprovinz Köln für die Obödienz Alexanders in den ausgedehnten Gebieten ­zwischen Utrecht und Minden bewusst und ein Verzicht auf Gefolgschaft dort schmerzhaft. Deshalb versuchte er ­zwischen Frühjahr 1166 und Mai 1168 einen Hebel anzusetzen, indem er verstärkt mit einem Landsmann kommunizierte, der mitten in der Höhle des Löwen, am erzbischöflichen Hof von Köln, eine ausgewiesene Stellung bekleidete: Magister Gerard Pucelle.1970 Obgleich ihre gemeinsame Nationalität, Sozialisierung im universitären Umfeld des Studienortes an den Kathedralschulen von Paris und die intellektuelle Gesinnung beide Männer in vielen Fragen zu verwandten Geistern machte, hatte das Leben sie in unterschiedliche Richtungen geführt. Während sich Johannes von Salisbury nach seinem Studium für eine Position im administrativen Kirchendienst entschieden hatte, hatte es Gerard im Pariser Schulbetrieb gehalten, wo er es zum Dozenten der Theologie, des römischen und des kanonischen Rechts gebracht hatte.1971 Gerards Schüler, unter ihnen Walter Map und Radulf Niger, und selbst König Ludwig VII. von Frankreich schätzten Person und fachliche Expertise des rechtskundigen Engländers.1972 Vor dessen Exil war Gerard von Thomas Becket persönlich ordiniert worden, aber es gibt keine früheren Hinweise auf ein Wirken des Rechtsgelehrten in der Nähe des Erzbischofs.1973 Vielleicht verließ er das Land im Zuge der am Stefanstag 1164 ausgesprochenen Proskriptionen Heinrichs II. gegen die Anhänger Thomas Beckets.1974 In jedem Fall galt Gerard noch während des französischen Exils als Mitglied der erzbischöflichen familia.1975 Gesichert ist, dass er unter der Patronage der französischen 1970 Grundlegend zu Gerards Biographie: Stephan Kuttner/Eleonor Rathbone: Anglo-­ Norman Canonists of the Twelfth Century: An Introductory Study, in: Traditio 7 (1949 – 1951), S. 279 – 358, hier: S. 296 – 303, auf deren Erkenntnisse sich die meisten Historiker, darunter von Ficker und Herkenrath, stützen. Empfehlenswerter (und deshalb Grundlage der folgenden Zusammenfassung) ist die nüchternere und umfassendere Darstellung von Hirata: Correspondents, S. 485 – 489. 1971 Vgl. Kuttner/Rathbone: Canonists. 1972 Vgl. JvS II, Ep. 184 (S. 220 f.) und Ep. 186 (S. 228 f.). 1973 Vgl. MTB 3, S. 525 und Kuttner/Rathbone: Canonists, S. 297. 1974 Zu den Verbannungen siehe Barlow: Becket, S. 124 – 126. 1975 Zur Verbindung mit Radulfus Niger George Bernard Flahiff: Ralph Niger: An Introduction to his Life and Works, in: Mediaeval Studies 2 (1940), S. 104 – 126, hier: S. 104. Zu seiner Verbindung zum Haushalt des Erzbischofs von Canterbury siehe Kuttner/Rathbone: Canonists, S. 297 sowie die Epp. 277 und 279 in Later Letters, ed. Millor/Brooke.

532 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Krone die Lehrtätigkeit in Paris wieder aufnahm und dort losen Kontakt mit dem damals vorübergehend in der Stadt an der Seine untergekommenen Johannes von Salisbury hielt.1976 Die Zäsur folgte ein Jahr s­ päter. Ende 1165 verließ Gerard, der in weiser Voraussicht zur Absicherung die Zustimmung Papst Alexanders III . eingeholt hatte, ohne Vorwarnung und zur bitteren Enttäuschung des Becketzirkels Frankreich, um in der Metropolitanstadt Köln in den Dienst des verachteten Rainald von Dassel zu treten. Dort bekleidete der Rechtsgelehrte die renommierte Position des Domschulmeisters, die ihm neben dem Ruhm auch einträgliche Pfründeneinkünfte aus Kölner Kirchengut einbrachte.1977 Als Autorität des Kirchenrechts begründete Gerard, den Herkenrath mit dem „Aufblühen der kanonistischen Wissenschaft in Köln in ursächlich[en] Zusammenhang“ 1978 brachte, in den späten 1160er Jahren eine Kölner Schule des Kirchenrechts, aus der eine Vielzahl kirchenrechtlicher Werke hervorging.1979 In fachlicher Hinsicht hinterließ der englische Magister seinen Fingerabdruck als tonangebender Stimulus in einer rheinischen Blüte kirchenrechtlicher Studien. Sozial gesehen hatte er sich durch seine Anstellung im Kölner Lager sowohl gegenüber Ludwig VII. als auch gegenüber seinen englischen Verbindungen isoliert.1980 Sein Weggang war ein Karrieresprung, wurde aber von Beckets Anhängern als persön­ licher Bruch mit dem Erzbischof und seinem Kampf gedeutet.1981 Obgleich Gerard sich redlich und ohne Doppelspiel bemüht zu haben scheint, Diener (oder Günstling) zweier Herren zu sein, war man konsterniert über den Landsmann, der Becket und den Alexandrinern sang- und klanglos den Rücken gekehrt zu haben schien. Die Enttäuschung schwingt noch ein Jahr s­ päter mit, als Johannes die Reaktion des Becketkreises auf Gerards vermeintlichen Abfall schildert:

1976 Vgl. Hirata: Correspondents, S. 486; Barlow: Becket, S. 127 und Kuttner/Rathbone: Canonists, S. 297 f. Zu Johannes’ Zeit in Paris siehe JvS II, Ep. 136. 1977 Vgl. Johannes Fried: Gerard Pucelle und Köln, in: ZRG Kan. 68, 1 (1982), S. 125 – 135, hier: S. 126. 1978 Herkenrath: Reinald, S. 367. 1979 Zu Entstehung, Errungenschaften und Stellung der Kölner Rechtsschule sowie Gerard Pucelles Platz darin siehe Peter Landau: Die Kölner Kanonistik des 12. Jahrhunderts. Ein Höhepunkt der europäischen Rechtswissenschaft, Vortrag vor dem Rheinischen Verein für Rechtsgeschichte e. V. in Köln am 17. Mai 2008, Badenweiler 2008 (Kölner rechtsgeschichtliche Vorträge, 1) und Fried: Gerard Pucelle, hier: 125, 134 – 135. 1980 Vgl. JvS II, Ep. 184 (S. 212 – 215, S. 220 f.) und Ep. 186 (S. 228 f.). 1981 Vgl. Barlow: Becket, S. 127; Kuttner/Rathbone: Canonists, S. 297 f. und JvS II , Ep. 184.

Pragmatische amicitia: die Korrespondenz mit Gerard Pucelle

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Non enim nouerat multitudo quid animi haberetis, quae uos urgeret necessitas, quatenus uobis Romanus pontifex indulsisset, quid utilitas ex huius uestri dispensatione consilii prouenire possit ecclesiae. […] quem uident dampnatorum contractibus immisceri, consentire quoque opinantur errori. Ego, qui causam uestram et animum aliis qibusdam familiarius noui, in parte consentio multitudini, sed dissentio in parte magna.1982

Das Schisma sei uneingeschränkt verdammenswert. Derjenige, der sich in dessen Wirkungsbereich gebe jedoch nur, solange er sich darauf einließe.1983 So versöhnlich dies auch klingt, hegte auch Johannes von Salisbury selbst einen gewissen Unmut gegen den Magister. Als Moralist fühlte er sich dem damals verstärkt rezipierten amicitiaBegriff aus Ciceros De amicitia verbunden.1984 Das pragmatische, auf das Freundeswohl ausgerichtete Freundschaftsideal integrierte er nicht nur in das dritte Kapitel seines Policraticus, sondern legte es seinem gesamten Briefwechsel mit Gerard zugrunde.1985 1982 Ebd., S. 212 – 215. 1983 Ebd., S. 214 f. 1984 Zu Ursprung in Ciceros Freundschaftsideal in De amicitia und dessen Anwendung in Fallbeispielen des frühen und hohen Mittelalters siehe den Sonderband von Viator 38,2 (2007). Darin: Constant J. Mews: Cicero and the Boundaries of Friendship in the Twelfth Century (S. 369 – 384), Courtney de Mayo: Ciceronian Amicitia in the Letters of Gerbert of Aurillac (S. 319 – 337), Holle M. Canatella: Friendship in Anselm of Canterbury’s Correspondence: Ideals and Experience (S. 351 – 367) und vor allem Cary J. Nederman: Friendship in Public Life During the Twelfth Century: Theory and Practice in the Writings of John of Salisbury (S. 385 – 397) zu den ciceronischen Usprüngen der Freundschaftstheorie in Policraticus III. 1985 McLoughlin: Amicitia hat für die Johanneskorrespondenz eine Verteilung der Adressaten auf eine ‚amicitia-group‘ und eine ‚Non-amicitia-group‘ nachweisen können. Er gibt außerdem eine kurze Einführung in die Freundschaft als ‚pragmatischer Aktivität‘ (S. 167). Dem Sprachduktus der freundschaftlicher Beziehungen widmet sich auch Sara Moens: Twelfth-Century Epistolary Language of Friendship Reconsidered: The Case of Guibert of Gembloux, in: Revue belge de philologie et d’histoire 88 (2010), S. 983 – 1017. Zu Idee, Praxis und Kultivierung hochmittelalterlicher amicitia im Allgemeinen und im monastischen Bereich siehe Haseldines Forschungen: Julian P. Haseldine: Friendship and Rivalry. The Role of Amicitia in Twelfth-Century Monastic Relations, in: The Journal of Ecclesiastical History 44 (1993), S. 390 – 414; Ders. (Hg.): Friendship in Medieval Europe, Stroud 1999; ders.: Friends or ‘Amici’? ‘Amicitia’ and Monastic Letter-Writing in the Twelfth Century, in: Bernadette Descharmes (Hg.): Varieties of Friendship. Interdisciplinary Perspectives on Social Relationships, Göttingen 2011 (Freunde – Gönner – Getreue, 1), S. 43 – 58. Die kollektive Gemeinschaft und Freundschaftskreise sind in den Briefsammlungen der Zeit greifbar: Walter Ysebaert: Medieval Letter-Collections as a Mirror of Circles of Friendship? The Example of Stephen of Tournai, 1128 – 1203, in: Revue belge de philologie et d’histoire 83, 2 (2005), S. 285 – 300 und Cary J. Nederman: Textual Communities of Learning and Friendship Circles in the Twelfth Century: An Examination of John of S­ alisbury’s C ­ orrespondence,

534 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Erwiderte Freundschaft und gegenseitige Unterstützung gespeist vom ciceronischen Ideal galten dem Weltklerus im 12. Jahrhundert als verbindende Glieder.1986 Ohne zwangsläufig eine emotionale Komponente in sich zu bergen, drückte diese sittliche Vorstellung eine verbindliche Gemeinschaft und Reziprozität aus, auf die man sich auch im Fall der Bedrängnis berufen konnte. Allerdings konnte d­ ieses Ideal auch damals nicht in jeder zwischenmenschlichen Beziehung tragen. Pucelle war kein positiver Ausnahmefall. Eine herzliche und innige Freundschaft, wie sie Johannes von Salisbury mit Petrus von Celle kultivierte, hat ihn niemals mit Gerard verbunden.1987 In einer Gesellschaft, in der jeder Absolvent der Schulen um eine hohe Position im kirchlichen oder höfischen Dienst buhlte, schuf die Beziehung zweier Männer, die sich in Biographie, Stand, Ausbildung und Karriere so ähnlich waren, weniger verbindliche Gemeinsamkeiten als Wettbewerb, Kampf und Missgunst.1988 Nach sorgfältiger Revision ihres erhaltenen Briefverkehrs ist Hirata zu dem Schluss gelangt, dass ihre Beziehung einen Wandel von der intellektuellen Nähe zweier Gelehrter zu einer von Distanz und Enttäuschung geprägten, zielorientierten Notwendigkeit durchlief. Entscheidende Wendepunkte sieht sie im Oktober bzw. November 1167 sowie im Mai 1168.1989 Doch nicht nur latente professionelle Konkurrenz, sondern auch persönliche Ernüchterung spielte eine Rolle im Verhältnis der beiden.1990 Johannes von Salisbury in: Constant J. Mews/John N. Crossley (Hg.): Communities of Learning. Networks and the Shaping of Intellectual Identity in Europe, Turnhout 2011, S. 73 – 83. 1986 Vgl. Klaus Guth: Standesethos als Ausdruck hochmittelalterlicher Lebensform. Zur Gestalt des ethischen Humanismus in der Briefwelt des Johannes von Salisbury, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 28 (1981), S. 111 – 132; Guth: Lebensform. 1987 Von dieser von Ficker: Reinald, S. 103 und Herkenrath: Reinald, S. 363 propagierten Idee des Gerard als Freund oder Studienfreund muss abgerückt werden. 1988 Überzeugend beobachtet von Hirata: Amicitia, die das Scheitern der Freundschaftsbeziehung in den Mittelpunkt ihrer Analyse stellt. Zum direkten Vergleich siehe den Charakter der innigen freundschaftlichen Beziehung mit Petrus bei Pepin: Amicitia und Julian P. Haseldine: Understanding the Language of Amicitia. The Friendship Circle of Peter of Celle (c. 1115 – 1183), in: Journal of Medieval History 20 (1994), S. 237 – 260. 1989 Vgl. Hirata: Correspondents, S. 489 – 509 und ausführlich Hirata: Amicitia. 1990 Ebd. identifiziert neben persönlichen Verletzungen mehrere Gründe für das Scheitern der Kommunikation z­ wischen Johannes und Gerard, darunter divergierende Vorstellungen der Natur und Aufgabe der Philosophie, gegenseitiger Unwillen, sich von der Gegenseite umstimmen und für deren Zwecke instrumentalisieren zu lassen, und die schwierige Umsetzung eines anachronistisch gewordenen ciceronischen Freundschaftsideals. Reuter: Germans, S. 425 fügt hinzu, dass der Systemunterschied nicht Rechnung trug. Indem er etwa Gerard bat, Rainalds Fürsprache bei Heinrich II. oder den Schutz von Eigentum der Reimser Abtei Saint-Remi zu erwirken (vgl. JvS II, Ep. 184 (S. 218 – 220) und Ep. 185 (S. 224)), a­ rgumentiere

Pragmatische amicitia: die Korrespondenz mit Gerard Pucelle

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hatte hohe Maßstäbe. Der Weggefährte war überraschend fortgegangen, ohne sich ratsuchend an den Freund zu wenden. Eine s­ olche Konsultation aber war die erste Regel, die dem ciceronischen amicitia-Gedanken zugrunde lag: Haec igitur prima lex amicitiae sanciatur: […] consilium vero dare audeamus libere. Plurimum in amicitia amicorum bene suadentium valeat auctoritas, eaque et adhibeatur ad monendum non modo aperte, sed etiam acriter, si res postulabit, et adhibitae pareatur.1991

Pucelle hatte es in Johannes’ Augen gebrochen. Dessen Rat zu folgen, wäre für Gerard unmöglich gewesen: Zu verlockend war das Angebot aus Köln. Nachdem der andere einmal gefehlt hatte, fiel es Johannes von Salisbury schwer zu verzeihen. Er hatte die philosophische Vorstellung verinnerlicht, dass der menschliche Charakter über die Zeit im Großen und Ganzen konstant blieb und eine Veränderung nur schwer und selten erreicht werden konnte. Die Erlangung moralischer Gewohnheiten durch die Wiederholung und Praxis tugendhafter Taten war daher außerordentlich wichtig zur Verfestigung eines tugendhaften Charakters. Ein moralischer habitus war für Johannes von Salisbury substantieller Teil tugendhaften Lebens.1992 Im Policraticus verknüpfte der angelsächsische Gelehrte diese Idee mit seiner Offizienlehre, in der der moralische habitus zum unausweichlichen Merkmal des rechthandelnden Kriegers, Höflings oder Königs und damit zum Garant des stabilen Staatskörpers erhoben wurde. Konstanter moralischer Einsatz, darunter auch das klaglose Erleiden von Widrigkeiten gegen die eigene Person, Lebensumstände und Werte, ist also der respektable Kern des wohlgeformten Charakters.1993 Johannes legte die Messlatte hoch an: er aus einer anglonormannischen Sozialkultur heraus, in der die flacheren Hierarchien ­zwischen Prälat und Gefolgschaft mehr Einflussspielraum auf den Dienstherrn zuließen als es im von Verwandtschaftsbeziehungen dominierten Reichssystem. Derartige Bitten ­seien daher im Vorhinein zum Scheitern verurteilt gewesen. 1991 Cicero: De senectute, De amicitia, De divinatione, with an English Translation, ed. William Armistead Falconer, London/New York 1923 (The Loeb Classical Library) xiii, 44, S. 157. 1992 Die Vorstellungen gehen ursprünglich auf aristotelisches Gedankengut zurück, finden sich aber auch bei Cicero (De inventione) und Boethius (De topicis differentiis). Im Detail werden deren und Johannes’ Vorstellungen erläutert durch Nederman: Ethics, S. 162 – 164. 1993 Vgl. Policraticus I, ed. Webb V, 4, S. 291: Mos autem est mentis habitus ex quo singulorum operum assiduitas manat. Non enim si quid fit semel aut amplius, statim moribus aggregatur, nisi assiduitate faciendi uertatur in usum. […] Cum itaque a moribus quis reuerentiam contrahere dicitur, ei uirtutes, quibus honor exhibendus est, inesse significatur. Quis enim non ueneretur et uereatur illum quem prudentem fortem temperantem credit et iustum? Näheres bei Nederman: Ethics, S. 163 – 166, der anhand von Beispielen aus der Briefkorrespondenz den Einfluss der aristotelischen Morallehre auf Johannes von Salisbury aufzeigt.

536 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten „John often dissected the qualities of particular individuals, especially with regard to their moral character. Thus, we receive quite honest appraisals not only of John’s political and personal enemies – Henry II, Frederick Barbarossa, John of Oxford, Gilbert Foliot, and their ilk – but also of friends and allies.“ 1994

In Johannes’ Augen hatte Gerards opportunistischer Entschluss auch moralphilosophische Grundsätze und seinen moralischen habitus erschüttert. Die Folge war ein tief verwurzeltes Misstrauen, das sich bis in den Herbst und Winter 1166 in Ironie und Zweideutigkeit in Johannes’ Briefen niederschlug: […] placet quod […] litterarum prudenter et (ut spero) ueraciter intulistis, uos dixisse, fecisse, scripsisse, perpenso tenore litterarum mearum, quicquid dici, scribi et fieri oportebat. Michi autem numquam persuaderi potuit quod in tanto salutis discrimine aliquid ex contingentibus ombittereretis, et sordidam diuiciarum euanescentium commutationem pro anima recipiendo, non modo philosophantis nomen uelletis amittere sed (quod longe perniciosius est) abicere conscientiam Christiam. Absit, hoc, absit, dilectissime, ad discretione et honestate uestra, ut pro temporali emolumento ponatis cum scismaticis portionem.1995

Johannes von Salisbury äußerte immer wieder die Befürchtung, Gerard Pucelle könne Umgang mit Schismatikern pflegen. Ein solcher Verstoß gegen geltende kirchenrechtliche Voraussetzungen bedeute eine Gefährdung des eigenen Seelenheils. Er sei undenkbar für einen Kanonisten von Gerards Format und eine riesige Gefahr für die ­Kirche, denn wo eine Autorität mit seinem Renommee den falschen Weg einschlug, fiele es leicht, dem Beispiel zu folgen.1996 Die dritte Wurzel seiner Entfremdung von Gerard Pucelle entspringt einer Kernvorstellung aus Johannes’ Moralphilosophie: dem Idealbild des Philosophen. Anklänge 1994 Ebd., S. 165. 1995 JvS II, Ep. 186, S. 226 f. 1996 So rekapituliert Johannes im Mai 1168 die gängigen Vorwürfe an Gerard. Siehe JvS II , Ep. 277, S. 590 – 593: Secunda, quod ad scismaticos (non dico scismaticus) transistis, et qui opinione uirtutis et eruditione litterarum erexisse et confirmasse debueratis infirmiores, omnibus in commune malum dedistis exemplum. Verentur enim minus communicare scismaticis, cum in eorum consortio tantum uirum uideant detineri, qui ex necessitate multiplici, dum in ea conditione est, se nec ab oratione nec a mensa nec ab osculo suspendere potest, nec ab aliis quae in religione communionis argumenta esse noscuntur. Siehe auch JvS II, Ep. 184, S. 214 f.: Eorum uero sacrificiis periculosissime et, ut opinor, non sine salutis detrimento communicatur; quod ex canonum lectione plenius, ut nostis, patet. Sowie JvS II, Ep. 186 und JvS II, Ep. 226. Johannes’ Argumentation zum Umgang mit Schismatikern behandelt Barrau: Bible, ab S. 183.

Pragmatische amicitia: die Korrespondenz mit Gerard Pucelle

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daran finden sich schon zu Beginn der Korrespondenz, etwa im ersten der überlieferten Zeugnisse, einem Licet michi dilectio inzipierten Brief aus dem Frühjahr 1166.1997 Die Aufnahme der Kommunikation ­zwischen Reims und dem Rhein war nicht zufällig erfolgt. Das Jahr 1165 hatte Verunsicherung und changierende Allianzen gebracht. Vieles hing noch in der Schwebe. Zwar residierten Alexander III . und seine Kurie seit dem 23. November des Vorjahres erneut in Rom, doch standen die Vorzeichen für seinen Kampf um Anerkennung in der gesamten Christenheit immer noch nicht günstig. Besonders die diplomatische Annäherung z­ wischen Gerards neuem Herrn Rainald von Dassel und dem englischen Königshof, der Gesandtenaustausch in Rouen und Würzburg sowie das Verlöbnis der Königstöchter mit dem staufischen Kronprinzen und dem mächtigstem Vasallen des Kaisers, Heinrich dem Löwen, ließ nicht nur Alexander III . den Verlust seines stärksten Verbündeten fürchten. Auch Thomas Becket musste in seiner Zuflucht Pontigny bangen, denn ein Bündnis des angevinischen Reiches mit seinem gegenpäpstlich geprägten Feind hätte Beckets Protektor, Ludwig VII . von Frankreich, empfindlich getroffen und mit der Destabilisierung der alexandrinischen Obödienz auch die Auseinandersetzung um die Konstitutionen von Clarendon zu Beckets Ungunsten verschoben. Dass nun ein Mitglied der Schar erzbischöflicher eruditi gerade an den Sitz des größten Verfechters der Kirchenspaltung zog, war ein harter Schlag – aber zugleich die optimale Gelegenheit, im Inneren des feindlichen Lagers ein Umdenken unter den Dissidenten der Reichskirche anzustoßen. Mit seinem Gesuch wollte Johannes diese einmalige Gelegenheit ergreifen. Das Vorgehen war ausgeklügelt. Seinem Brief war ein ähnliches Schreiben Thomas Beckets nach Köln vorausgegangen. Darin hatte Becket Gerard, vielleicht zur Vorbereitung konkreter Bitten an den Kanonisten, in seinem Einflussbereich abtrünnige Kirchenmänner auf Linie zu bringen oder als Informant über Insiderinformationen aus dem Reich zu dienen, über die Lage der ­Kirche in England aufgeklärt.1998 Während Becket seine Autorität als Oberhirte und Gönner in die Waagschale geworfen hatte, ergänzte Johannes das erzbischöfliche Gesuch hoffnungsvoll um eine emotionalere, moralische Ermunterung zur Kooperation. Eingangs, so versichert er, sei es ihm eine Herzensangelegenheit und unmöglich gewesen, gegenüber seinen Freunden und in der Verteidigung der Gerechtigkeit die Feder zurückzuhalten. Das setzt den Grundtenor und die Grundbotschaft, dass er exakt denselben Einsatz von Gerard, seinem Bruder im Geiste, erwarte. Für das 1997 JvS II, Ep. 158, S. 68 f. Darin verweist Johannes selbst auf einen wohl verlorenen und unbeantwortet gebliebenen Brief, den er schon Ende 1165, zeitnah zu dessen Abreise ins Reich, an Gerard versandt habe. 1998 Vgl. ebd. Dazu Hirata: Correspondents, S. 490.

538 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

a­ ngemessene Verhalten in der heiklen Situation der Kirchenspaltung schöpft ­Johannes aus seinem Policraticus: Der Königsweg sei das tugendhafte Handeln, sozusagen der Pfad der Philosophen. Der Philosophenbegriff bezeichnet im saresberiensischen Kosmos einen Menschen, der sich zeitlebens auf die Suche nach dem Erkenntnisschlüssel menschlichen Wissens, aber auch nach den der Heiligen Schrift zugrunde liegenden Wahrheiten begibt. Dabei sind für Johannes die theoretischen und praktischen Aspekte des philosophischen Lebens immer verschränkt, so dass der Philosoph im Endeffekt ein moralisch mündiger Gelehrter ist, der die Erkenntnisse über die Wahrheit in seiner Lebenswelt in Handeln transportiert.1999 Das gilt aber eben auch in schwierigen Zeiten der Prüfung.2000 In dieser Phase ihrer Korrespondenz hält Johannes Gerard Pucelle daher das Bild des Philosophen als eines Mannes vor, der gegen alle Widerstände durchhält. Er verweist auf die im eigenen Exil durchgestandenen Beschwerlichkeiten – und warnt davor, die essenziellen Dinge nicht aus den Augen verlieren: Quanti enim facere debeo exercitium litterarum et negotiationem uirtutis et experientiam propositi recte philosophantium, id est, patientium innocenter et pro assertione fidei et iustitiae defensione? 2001

Die Aussagen haben einen bitteren Beigeschmack. Das eigene Lob unterschwellig in Zweifel ziehend berichtet Johannes, er habe gehört, dass Gerard bereits mit der Kraft des Heiligen Geistes und im Sinne des Glaubens, der Freiheit und des Gewissens die Wahrheit schreibe und offen den Schismatikern widerspräche.2002 Dies, so bestärkt Johannes den Bekannten, sei der richtige Weg, auf dem er fortschreiten solle. Denn nichts sei ziemlicher für einen Philosophen als das Bekenntnis zur Wahrheit, die Achtungsbezeugung vor der Gerechtigkeit, die Verachtung der Welt und, falls nötig, die Liebe zur Armut.2003 In eben ­diesem Satz liegt der Kern zur wahren Einstellung des Saresberiensis zu seinem Gegenüber. Bei aller freundschaftlichen Ansprache leuchtet der Vorwurf durch, Gerard habe, auf seinen eigenen Vorteil bedacht mit offenen Armen die ­Bestechungen 1999 Zur praktischen Ausrichtung der saresberiensischen Philosophie und dem Bild des Philosophen darin siehe Liebeschütz: Humanism und Christophe Grellard: Jean de Salisbury et la Renaissance Médiévale du Scepticisme, Paris 2013 (Histoire, 122). 2000 Einordnung dieser Überzeugung in den Rahmen der saresberiensischen Ethik bei Thomas Ball: The Only Way is Ethics: a Normative Critique of the Letter Collections of John of Salisbury, in: Grellard/Lachaud: Nouvelles lectures, S. 231 – 252, hier: S. 246. 2001 JvS II, Ep. 158, S. 68 f. 2002 Vgl. ebd. 2003 Vgl. ebd.

Pragmatische amicitia: die Korrespondenz mit Gerard Pucelle

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der Gegenpartei angenommen und lebe von Einkünften der Pfründen, die ihm aus der Hand der Kirchenfeinde offeriert würden.2004 Johannes betrachtete dies als Verstoß gegen das Ethos des Gelehrtenphilosophen, das er selbst einzuhalten sich bemühte, aber auch als Schlag ins Gesicht der Exilierten, die unter Strapazen und existentieller Not für ihre Überzeugungen eintraten. Klaus Guth hat gezeigt, wie die aus der moralphilosophischen Ausbildung an den hohen Schulen hervorgehende weltklerikale Bildungselite aus r­ itterlichen und monastischen Tugendvorstellungen eigene sittliche Traditionen, ein eigenes kollektives Standesethos ausbildeten, das als Richtschnur im schulischen, administrativen oder politischen Alltag galt. Grundprinzipien dieser ethischen Gemeinschaft wie sie auch in Policraticus und der Korrespondenz des Johannes von Salisbury auftauchen, waren die Postulate der Treue und des Gehorsams zur Gemeinschaft oder dem kirchlichen Oberen, der Freundschaft, gegenseitigen Zuwendung und Hilfe in Zeiten der Not sowie der Selbstaufgabe in Zeiten der Prüfung und die Idee der Christusnachfolge. Letzteres konnte schlimmstenfalls im Martyrium enden, war allerdings keine Verherrlichung der Selbstzerstörung, sondern mit der Forderung eines unbeirrbaren Lebensmutes und dem Willen zur Verteidigung der Freiheit und des Rechts der Reformkirche gepaart.2005 In seiner Einheit von Denken und Handeln war der Philosoph das Leit- und Idealbild d­ ieses ethischen Humanismus.2006 Auch wenn es Johannes von Salisbury ob der gehegten Ressentiments eher schwer gefallen sein dürfte, versuchte er auf Basis d­ ieses gemeinsamen Moralkodexes, ein freundschaftlich-bindendes Verhältnis zu Gerard zu pflegen, das eben jene Vorrechte und Verpflichtungen mit sich zog, die dessen Engagement im Schisma begünstigen sollten.2007 Legt man d­ ieses ethische Selbstverständnis des Weltklerus zugrunde, verstieß Gerard mit seinem Weggang in die rheinische Domstadt eben nicht nur gegen die persönlichen Moralvorstellungen eines ehemaligen Kommilitonen, sondern gegen die Gemeinschaft des gesamten weltlichen Klerus, gegen das Kirchenrecht und die Suche nach einem tugendhaften Leben. Johannes’ Versuch, den Mitstreiter durch den Verweis auf Vorbildfiguren der Vergangenheit auf die rechte Bahn zu lenken, erfolgt daher wohl nicht allein zur Förderung des Becketschen Unterstützungsgesuchs: 2004 Hirata: Correspondents, S. 491 f. vermutet hinter diesen Zeilen eine komplexe Gemütslage ­zwischen Verachtung, Eifersucht und Empörung. 2005 Vgl. Guth: Lebensform. 2006 Vgl. Guth: Standesethos; Ders.: Lebensform. 2007 Vgl. Hirata: Amicitia, S. 158.

540 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten Legimus philosophos gratis tanquam uirtutis impedimenta contempnisse et abiecisse diuitias; sed quod etiam in gentilibus aliquis eorum opibus postposuerit ueritatem, hactenus inauditum est. In eo namque totius ethicae gentilis praecepta uigent ut carnalium passiones affectum, quas nequeunt penitus exstinguere, reprimant et subiciant rationi.2008

Der gesamte Brief ist durchtränkt von einer seltsamen Mischung aus Lob, Argwohn, Kritik und Verurteilung. Johannes’ Versicherung, er freue sich mit ihm über die Gunst und irdischen Güter, die er wohl zur Ausübung seiner Kunst bei den Kirchenfeinden erlangt habe, mutet im Kontrast zur Schilderung seiner eigenen Lage im Exil und der darauffolgenden Glorifizierung des vorbildliches philosophischen Lebens auffällig ironisch an. Trotz all seiner Enttäuschung über Gerard hatte Johannes aber zu ­diesem Zeitpunkt nicht, anders als Hirata vermutet, die Hoffnung bereits aufgegeben. Im Gegenteil, er zeigte Gerard den Lösungsvorschlag auf: Jeder Schritt, so beteuert er, auf der Linie des vom Standesethos vorgezeichneten Wegs sei ein Schritt zur Erlangung der wahren Philosophie.2009 Vnde, quia uos confido recte philosophantis habere propositum, rogo, moneo et modis omnibus consulo ut errantes studeatis a scismatis reuocare, ut Deum praeferant homini nec se metu imperatoris aut scismatici Coloniensis circumuentione patiantur a Christi corpore [i. e. die materielle, irdische K ­ irche] separari.2010

Diese Wilden, der ­Kaiser, sein Kölner und all jene, die ihnen aus Furcht folgten (eine Gefolgschaft aus Überzeugung gesteht er den barbares nicht zu), erhielten die Spaltung der kirchlichen Einheit aufrecht. Ihre Gemeinschaft sei eine hassenswerte ­Kirche der Bösen, gegen die offen gesprochen werden müsse.2011 Der wohlgewählte Terminus entstammt der Bitte des unschuldig Verfolgten aus Psalm 25,5 (Odivi ecclesiam malignantium, et cum impiis non sedebo.) und verweist subtil auf das kirchliche Verbot des gesellschaft­ lichen Verkehrs mit den Gottlosen, den Exkommunizierten und Schismatikern.2012 Dieser 2008 JvS II, Ep. 158, S. 68 – 70. 2009 Vgl. ebd., S. 68 f., hier: S. 70 f.: Quod si cui diuinitus datum fuerit, quia ad hoc natura impotens est, non ambigitur eum recte philosophantis uia ad uitam incedere, ut aeternaliter uideat dies bonos; et quatenus in eo quisque profecerit eatenus ad ueram philosophiam accedit. 2010 Ebd. 2011 Vgl. ebd., S. 68 f.: Verum quod plurimi facio, illud est, quod odistis ecclesiam malignantium et […] contra scismaticos […] publice pro fide in omni libertate conscientiae loquimini […]. 2012 Für Details: Excommunication, in: Dictionnaire du Droit Canonique 5 (1953), Sp. 615 – 628. Zur biblischen Grundlage und der kirchenrechtlichen Manifestationen und sich daraus ergebender Problematiken siehe Beaulande-Barraud: Schisme, S. 10 f.

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ersten leisen Kritik an Gerards Verstoß gegen die Gebote der ­Kirche zum Umgang mit Abtrünnigen folgt im Verlauf des Briefs eine noch deutlichere Chiffre: Alioquin pertinacibus communicandum esse non arbitror uel in minimo, cum meminerim illum cuius figuram geritis, Zorobabel (qui uertitur in principem uel magistrum Babilonis), non adquieuisse hostibus Iudae et Beniamin, ut etiam ad reaedificandum domum Domini cum filiis captiuitatis aliquid omnino conferrent.2013

Serubbabel, ein alttestamentarischer Prophet und Priester Israels, war in früh nachexilischer Zeit für den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem verantwortlich. In dieser Führungsfunktion schlug er die Forderung der Gegner Judas und Benjamins nach Mitwirkung an der Errichtung des Tempels aus.2014 Jeglicher Kontakt der Feinde – in unserem Kontext Barbarossa, Rainald und dessen Gemeinde – mit Rechtschaffenen wie Gerard sei nach Serubbabels Vorbild zu unterbinden. Am Wiederaufbau des Tempels, im übertragenen Sinne also an der Wiederherstellung der kirchlichen Einheit, s­ eien sie nicht zu beteiligen. Serubbabel wird in Esra 2,2 auch mit der Rückführung der Rückkehrer aus dem persischen Exil in Verbindung gebracht. Eine ergänzende Bedeutungsschicht gegenüber jemandem, der nach Johannes’ Meinung in Köln seinen Teil zur Lösung der Bedrängnis der verbannten und geflohenen Anhänger Thomas Beckets leisten sollte. Auch wenn diese kritischen Passagen es nahelegen mögen, war Gerard für J­ ohannes von Salisbury keineswegs schismatischer Gesinnung. Es war lediglich Gerards Handeln und Umgang, mit dem er sich nicht einverstanden erklären konnte. Das geht aus einer Äußerung gegenüber dem befreundeten Magister Raimund, Kanzler und Domschulmeister in Poitiers, hervor: Vocat me magister Gir(ardus) ut, salua fide ecclesiae Romanae, Coloniam transeam; sed, auctore pio Iesu, pro nullo quaestu ponam cum scismaticis ad subuersionem domus Domini scismatis portionem. Ipsum tamen Girardum nequaquam scismaticum reputo, quia fidei eius perspicua patent indicia ex litteris eius […].2015

Auch wenn sich Johannes von Salisbury mit der Ermangelung geeigneter Boten entschuldigte, kann nicht wundern, dass Gerards Einladung nach Köln nie ­beantwortet wurde. Jede ehrliche Antwort hätte alle Bemühungen zunichte gemacht, im Dienste Beckets und Alexanders III. ein freundschaftliches Verhältnis mit Gerard aufrechtzuerhalten. 2013 JvS II, Ep. 158, S. 70 f. 2014 1 Esra 4,1 – 3. 2015 JvS II, Ep. 167.

542 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Betrachten wir den Lösungsansatz, den Johannes Gerard in seinem Dilemma empfiehlt. Der gelehrte Angelsachse verachtet jeden aggressiven Streit um die Meinungsoberhoheit. Seine Idee speist sich direkt aus seiner aristotelisch geprägten Moralphilosophie, seiner Verehrung des Prinzips der Mäßigung 2016: Nec credo rem istam adeundam iurgiis, sed felici moderatione complendam, praesertim a sapiente qui meminit quia modestia sapientiae a fine suauiter usque ad finem uniuersa disponit.2017

Die viel beschworene Tugend und Weisheit als Grundvoraussetzung moralisch rechtschaffenen und damit zielführenden Handelns sind in Johannes’ Verständnis ein Produkt des Mittelwegs ­zwischen zwei extremen Positionen oder Dispositionen des Handelns, Sprechens und Denkens. Die der Nikomachischen Ethik entspringende Vorstellung, dass Tugend in maßvollem Verhalten, das heißt in einem gemäßigten Kurs ­zwischen Exzess und Mangel, bestehe, war Johannes von Salisbury über das aristotelische Organon und die Tugendlehre Ciceros bekannt.2018 Jede Tugend sei durch Einschränkungen begrenzt und bestehe im Mittel. Wer das Maß überschreite, so erläutert er in seinem Policraticus, mache sich schuldig.2019 Daher solle man den Rat des Aristoteles beherzigen: Caue quod est nimium; quia, sic haec ipsa cautela ­modestiam deserit, eo ipso a tramite cirtutis incaute recedit.2020 Ein guter Rat, doch könnte man Johannes von Salisbury vorwerfen, dass er nicht die Tücken bedachte, die seine Durchsetzung für einen Mann, der sich z­ wischen die Fronten begeben hatte, ergeben konnten. Der Angelsachse aber verschließt keineswegs die Augen vor den gottgeschaffenen Zwängen und den beschränkten Möglichkeiten seines Gegenübers. Überhaupt sind für den Weisen Situationsbewusstsein und situative Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen ein integraler Bestandteil jeder Strategie:

2016 Ein Widerhall aristotelischer Ethik im Oeuvre des Johannes von Salisbury siehe Cary J. Nederman: The Aristotelian Doctrine of the Mean and John of Salisbury’s Concept of Liberty, in: Vivarium 24, 3 (1986), S. 128 – 142 oder Cary J. Nederman/ John J. F. Brückmann: Aristoteleanism in John of Salisbury’s Policraticus, in: Journal of the History of Philosophy 21 (1983), S. 203 – 229. Zur Wiederaufnahme des Gedankenguts in der Korrespondenz des Saresberiensis siehe Nederman: Ethics, wo er ausführlich darlegt, wie Johannes das Mäßigungspostulat allen seinen Urteilen über die einzelnen beteiligten Gruppen im Becketkonflikt zugrunde legte (S. 169 – 172). 2017 JvS II, Ep. 158, S. 70 f. 2018 Nederman: Ethics, S. 166 f. identifiziert besonders die Topik und Kategorien, aber auch Ciceros De officiis und De inventione als Johannes’ Quellen. 2019 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan III 4, S. 177 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 176). 2020 Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 9, S. 263 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 266).

Pragmatische amicitia: die Korrespondenz mit Gerard Pucelle

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Haec autem facillime distinguit loci temporis modi personae et causae superius memorata discretio. […] Haec est enim fons et origo totius modestiae, sine qua nichil recte in officiis exercetur.2021

Was steckte hinter Johannes’ Ratschlägen? Waren die Spaltung der Universalkirche, die Bedrängnis Beckets und der englischen Landeskirche oder beides die Motive, die ihn umtrieben und die er mit seinem Engagement am Beginn des Briefaustauschs zu lindern hoffte? Während die deutsche Forschung davon ausging, dass „Gerard […] zweifellos im Sinne des Johannes in Köln für den [kirchlichen] Einheitsgedanken gearbeitet“ 2022 habe, sieht Hirata Johannes’ Motivation zur Annäherung an den einflussreichen Bekannten in einem weniger universalkirchlichen Licht. Für sie ist Gerard Mittelsmann im Becketkonflikt, nicht im Schisma. Anders als die oberflächliche Lektüre der Quellen vermuten mag, sei es Johannes um die Stabilisierung der misslichen Lage des englischen Primas im Exil gegangen, nicht um den unilateralen Versuch, die Obödienz im Reich aufzubrechen.2023 Johannes’ Briefwechsel mit Gerard Pucelle bezeugt deutlich, dass Becketkonflikt und Schisma im englischen Bewusstsein keinesfalls als losgetrennte Komplexe erschienen. Die Obödienzfrage war 1160 eben noch nicht gänzlich geklärt, und gerade der Zeitraum der vorliegenden Korrespondenz von 1166 bis 1168 zeigt deutlich, wie man alle Mittel ergriff, um durch eine Lösung der gesamtkirchlichen Krise auch den Disput der englischen Landeskirche mit ihrem König zu mildern. Abgesehen von dem ­kurzen Hinweis auf die Lage der englischen ­Kirche, der aus Beckets Epistel hervorgegangen sein sollte, weist Licet michi dilectio keinerlei Anzeichen auf, dass Johannes aus rein Becketscher oder rein alexandrinischer Warte schrieb. Er schrieb in der Hoffnung, das Schisma aufzulösen oder zumindest zu entschärfen. Als positiver Nebeneffekt hegte er sicher auch Hoffnung auf die Entspannung der Lage im Disput mit Heinrich II., doch sind beide Anliegen politisch nicht zu trennen. Hiratas Fokus darauf, dass Johannes ganz die Unterstützung Beckets im Sinn hatte, verschiebt die Schwerpunkte also leicht. Das Schisma war das Hauptproblem und, da sich Alexanders Schicksal direkt auf Beckets Lage auswirkte, auch der Dreh- und Angelpunkt des Becketkonflikts. Hier, im Schisma, liegt Johannes’ Motiv für sein Gesuch. Nie zieht er eine explizite Parallele zu Becket. 2021 Ebd. VIII, 13, S. 316. 2022 Spörl: Rainald, S. 364. 2023 Vgl. Hirata: Correspondents, S. 485 – 489 und Hirata: Amicitia, S. 157 f., hier: S. 157: „During the whole course of their correspondence, in fact, Becket’s shadow hung over almost every letter John wrote.“

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Auch nach Alexanders Anerkennung in Beauvais hatte die Papstfrage ihre Virulenz für England nicht verloren. Die Forschung hat sich längst von der gewagten Idee verabschiedet, Gerard sei ein bewusst eingeschleuster Spion des Becketkreises im Feindesland gewesen, jemand, dem es gelang, sich „in Rainalds Vertrauen einzuschleichen“ 2024. Der Gelehrte ging aus Karrieregründen an den Rhein, wo er sich schließlich aus freiem Willen zur Kooperation mit den Exilierten in Frankreich entschloss und nützliche Informationen und Dokumente weiterleitete.2025 Ein anschauliches Beispiel ­dieses Informationsflusses ­zwischen den Exilierten in Frankreich und dem Reich bezeugt die Briefserie vom Herbst 1166. In einem der Schreiben, Quod dilectioni uestrae, bezieht sich Johannes von Salisbury darauf, dass Gerard ihm die Ränke des ­Kaiser geschildert habe und entschuldigt sich, dass er den Boten auf den Weg senden musste, ohne einen wichtigen Brief Beckets abzuwarten.2026 Nur zwei Wochen ­später begründet er die schnelle Wiederaufnahme des Briefkontakts damit, dass sich der Glücksfall eines potenziellen Boten z­ wischen Köln und Reims ergeben habe. Allerdings gab es auch einen akuten Anlass zu erneuter Kontaktaufnahme, denn wenige Zeilen s­ päter bittet er Gerard um aktuelle Neuigkeiten de expeditione imperatoris et uestro Coloniensi 2027. Gemeint sind der vierte Italienzug des Kaisers und eine ernste Fiebererkrankung Rainalds von Dassel, die ihn offenbar kurz mit dem Gedanken spielen ließ, nach seiner Genesung die Beendigung des Schismas zu erwirken. Genau jene Aspekte hatte Gerard kurz zuvor, brieflich und wahrscheinlich vor dem erzbischöflichen Schreiben aus Sens, das Johannes zwei Wochen zuvor nicht abwarten konnte, ausführlich Thomas Becket erläutert.2028 Offenbar hatte ­Johannes zwischenzeitlich von diesen guten Nachrichten erfahren, die die Hoffnung 2024 Ficker: Reinald, S. 103. Ähnlich, wenn auch weniger aktiv sah bereits Spörl: Rainald, ab S. 254 Gerards Rolle. 2025 Zum Beispiel Heinrichs Brief an Rainald (Nr. 213. Diu desideravi, in: MTB 5) aus dem Jahr 1166. Von Johannes als Nachweis der Hinterhältigkeit Heinrichs II. an Bischof ­Bartholomäus von Exeter weitergeleitet: siehe JvS II, Ep. 174, S. 146 f. JvS II, Ep. 184, S. 218 f. bezeugt diesen Informationsfluss und legt durch den Hinweis auf Beckets erwartete Antwort nahe, dass im Dreieck Gerard – Becket – Johannes von Salisbury Informationen ausgetauscht wurden. In JvS II, Ep. 185, S. 222 f. erkundigt sich Johannes von Salisbury genau nach den Aspekten wie dem vierten Italienzug des Kaisers und der Erkrankung Rainalds von Dassel, die Gerard zuvor in einem Schreiben an Thomas Becket (Nr. 234. Proposueram paternitatem vestrae, in: MTB 6) angesprochen hatte. Der erwartete Brief Beckets enthielt höchstwahrscheinlich eine Bezugnahme auf Gerards Mitteilungen. 2026 Vgl. JvS II, Ep. 184, S. 218 f. 2027 JvS II, Ep. 185, S. 222 f. 2028 Vgl. MTB 6, Nr. 234.

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auf ­Bekehrung Rainalds und des Kaisers genährt hatten, und wandte sich nun hoffnungsfroh für weitere Details an den Mitstreiter. Dieser Zusammenhang erklärt auch die bereits erwähnten, auffällig versöhnlichen Töne gegenüber Rainald von Dassel in seinem nächsten Brief, Etsi uobis nuper scripserim, von Mitte Oktober 1166.2029 Das Beispiel zeigt deutlich den Nutzen des Verbindungsmannes in Köln. Zu dessen weiterer Motivation verpflichtete Johannes von Salisbury ihn unermüdlich immer wieder mit den lebhaftesten Bezeugungen freundschaftlicher Gunst moralisch zu weiterer Hilfe. Die immer wiederkehrenden Topoi und die distinkte Sprache der Freundschaft, die in den mittelalterlichen Rhetorikschulen gelehrt wurde, dienten eigentlich dazu, die Frische einer Beziehung zu erhalten und einen günstigen Ausgangspunkt für die Petitio zu schaffen. Extrem angewandt wurde sie jedoch oft regelrecht zum Indikator für mangelhafte Beziehungen; denn je schwächer das persönliche Band ­zwischen den Briefpartnern, umso mehr rhetorischer Vergewisserung bedurfte es.2030 Was als unehrlich erscheinen mag, war – ähnlich den immer gleichen textuellen Versatzstücken moderner Arbeitszeugnisse – keine Lüge, sondern ein von beiden Seiten geteilter Kommunikationskodex. Im Fall des Johannes von Salisbury war es sogar noch mehr als das. Jahre s­ päter äußerte er gegenüber Wilhelm von Diceia, dass das beständige Lieben und Entgegenkommen für ihn einen Nutzen gebracht habe, der ihm zur Gewohnheit geworden sei und ihn dazu veranlasse, immer auch die Ungeliebten zu lieben.2031 Das Lieben der anderen sei ihm zu einem Teil seines Charakters, ein habitus, geworden. Besser könnte seine Beziehung zu Gerard Pucelle nicht umschrieben werden. Dass Alexander III. Gerards Weggang mit seinem Plazet gebilligt hatte, zeigt, dass der Papst kein Doppelspiel befürchtete, sondern sich – und sei es nur in der Förderung des kanonischen Rechts an der Kölner Schule – von Gerard wahre Hilfeleistung erhoffte. Im Gegenzug war er sogar bereit, über dessen Verkehr mit dem exkommunizierten Feind hinwegzusehen. Johannes von Salisbury und der Becketzirkel wussten um das Potenzial, das Gerards Anwesenheit in Köln bot. In ihren Augen zeugte die persönliche Einladung durch den Kölner Metropoliten von großem Einfluss vor Ort. Er habe gehört, so Johannes, dass Gerard „überragende Autorität in Wissenschaft und Taten habe“ 2032 und seine Entscheidungen für unantastbar gehalten würden. Eine Stimme, die Gold wert war. 2029 Vgl. JvS II, Ep. 185, S. 222 f. Daher auch der eigenartige, ständig z­ wischen unterschwelliger Kritik und Gunstbezeugungen oszillierende Ton von Licet michi dilectio. 2030 Vgl. Haseldine: Language und Moens: Friendship. 2031 Vgl. Later Letters, ed. Millor/Brooke, Ep. 254, hier: S. 512 f. 2032 JvS II, Ep. 158, S. 68 f.: Sed et sorti uestrae congratulor, audita quod inter hostes ecclesiae, auctore Domino, gratiam inuenistis, ut et temporalibus habundetis ad materiam gerendorum et

546 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Als Reims im Spätsommer 1166 das zweite, wahrscheinlich auch an Becket und einen Magister Radulfus gerichtete Schreiben mit Insiderwissen vom Rhein erreichte, konnte Johannes sich daher nicht mehr auf verschnupftes Schweigen zurückziehen.2033 Die Verschwörung der Fürsten gegen Heinrich den Löwen und der bevorstehende vierte Italienzug warfen ihre Schatten voraus.2034 Gerard Pucelle, der es bereits damals als schwierig empfunden haben muss, unter zunehmend widrigen Umständen in Köln seine Position z­ wischen den Fronten zu behaupten und eine Rückkehr erwog, bat Johannes durch einen gemeinsamen Bekannten um Rat.2035 Aufgrund d­ ieses Drucks waren es nicht Johannes’ ‚sanfte‘ Manipulation oder dessen drängende Vereinnahmungen, sondern Gerards freie Gewissensentscheidung, die ihn zur Kooperation bewegte.2036 Seine Bemühungen in Köln jedoch schienen die Exilierten noch nicht zufriedenzustellen. Am 1. Oktober 1166 sandte Johannes von Salisbury Quod dilectioni uestrae als Antwort auf Gerards Hilfsgesuch mit dessen Boten über den Ärmelkanal. Es ist der Auftakt einer Serie von drei innerhalb kurzer Zeit aufeinanderfolgenden Schreiben, in denen ihr Briefverkehr, bedingt durch die externen Ereignisse, eine neue Qualität erreichte.2037 Bereits das Exordium gibt den Ton an. Im üblichen Topos des sich nach engerer Kommunikation sehnenden Freundes klagt Johannes von Salisbury, dass ihre „entzündete Zuneigung sich nicht in der Öffentlichkeit durch den Erweis von Diensten zeigen dürfe“, und dass ihnen verwehrt sei, ihre Herzensansichten „in der unter Freunden üblichen und heiteren Weise“ 2038 im Gespräch auszutauschen. Auch wenn die räumliche Trennung ihre Geistesverwandtschaft stärke, bevorzuge er die Nähe, q­ uadam litterarum et uirtutum praemineatis auctoritate, ut apud barbaros quod discretio uestra dictauerit reputent sacrosanctum. 2033 Den gemeinsamen Bekannten identifizieren Millor und Brooke als Radulf von Sarre (vgl. JvS II, Ep. 184, S. 212, Anm. 2), jedoch kann Hirata (Hirata: Amicitia, S. 157, Anm. 45) schlüssig argumentieren, dass er sich auch um den gemeinsamen Schüler Radulfus Niger handeln könnte, der zur damaligen Zeit Mitglied des Becketzirkels war und an Gerards Rückkehr mitwirkte. Er hatte vor 1166 den Magistertitel erlangt. 2034 Wenige Monate s­ päter berichtet Gerard Thomas Becket ausführlicher von diesen Vorkommnissen: MTB 5, Nr. 234. 2035 Johannes von Salisbury beruft sich auf Gerards vermitteltes Hilfsgesuch. Siehe JvS II, Ep. 184, S. 212 f. 2036 Vgl. ebd., S. 218 f. Dort nimmt Johannes von Salisbury darauf Bezug, dass Gerard die Exilierten über die Politik des Kaisers auf dem Laufenden hielt: Plurima, ut scripsistis, machinatur adhuc […]. 2037 Vgl. ebd.; JvS II, Ep. 185; JvS II, Ep. 186. 2038 JvS II, Ep. 184, S. 212 f.

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die es ermögliche, vom Rat des anderen zu lernen und sich gegenseitig durch Hilfe und Dienst zu unterstützen.2039 Wenige Tage ­später versichert Johannes, dass er unverändert auf Gerards Seite stehe und nicht daran zweifle, dass dieser im Falle eines Falles auch einen freundschaftlichen Dienst an ihm leisten würde. Doch fügt er hinzu: Poterimus autem magis adinuicem officiosi esse, si ipsi philosophiae, cuius professioni diutius operam dedimus, curauerimus diligentius inseruire, utsimus scilicet potius mandatorum executores quam inanium uentilatores uerborum.2040

Etwas hatte sich verändert. Das so gern heraufbeschworene Philosophenideal hatte sich gewandelt. Wo Johannes zuvor nur von der stoischen Erduldung von Repressalien und Drangsalen und vom Predigen der Wahrheit gesprochen hatte, schien ihm das unter geänderten Vorzeichen, im kalten Schatten eines drohenden Italienzugs, nicht mehr auszureichen. Der Druck stieg. Die Zeit der ‚leeren Worte‘ war vorbei. Ihnen mussten Taten folgen, denn, so die aufrüttelnde Brandrede: […] res enim quaerit, curat et assequitur ueritas philosophiae, non uerba; et michi quidem numquam placuisse sententiam quae in solis uersatur sermonibus uobis pridem notum est. Nec auditores uerbi nec praecones apud Deum iusti sunt, sed factores; estque uerae philosophiae certissimum argumentum, cum quis uirtutis obice retundit stimulos carnis et totius fortunae elidit incursum.2041

Es reiche nicht mehr, dass Gerard als „Philosoph, Lehrer der Ehrbarkeit und Verkünder des Evangeliums“ 2042 nach Rat und Wunsch des Freundes und mit maßvoller Weisheit unter den Schismatikern und Häretikern zum Wohl und der Sicherheit der ­Kirche den wahren Glauben und Frieden predige.2043 In ­diesem Aufruf zum Handeln wird spürbar, dass Johannes von Salisbury bereits, ohne nähere Informationen erhalten zu haben, das zerstörerische Potential des kaiserlichen Plans erfasst haben muss. Bei besserer Informationslage mussten sich zwangsläufig seine Bemühungen um Gerards Gewinnung gegen das kaiserliche Lager und für Alexanders Sache sogar noch verstärken.

2 039 Vgl. ebd. 2040 JvS II, Ep. 185, S. 224 f. 2041 Ebd. Philosophenideal sowie das damit verbundene Handlungspostulat in Briefen und Ethik des Johannes von Salisbury diskutiert Ball: Ethics, S. 241 – 244. 2042 Vgl. JvS II, Ep. 184, S. 220 f.: philosophum, doctorem honestatis, praeconem euangelii. 2043 Vgl. ebd., S. 216 f.

548 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Das Jahr 1166 hatte mit der Ernennung Thomas Beckets zum Legaten für den Großteil Englands begonnen. Die Übertragung päpstlicher Handlungsvollmachten auf einen Erzbischof von Canterbury war außergewöhnlich selten und gab der erzbischöflichen Autorität eine neue Dimension.2044 Im Vollbesitz dieser neuen Würde beendete der exilierte Primas am Pfingstsonntag, dem 12. Juni, eine Pilgerreise nach Vézelay mit der Verkündung der Exkommunikation wichtiger königlicher Berater wie Johannes von Oxford, Richard von Ilchester und Richard de Luci.2045 Das Jahr hatte also einen positiven Verlauf genommen – bis am 24. Juni in London und am 6. Juli in Northampton eine Appellation der englischen Bischöfe gegen ihren Primas das Blatt wendete.2046 In Angers waren zudem im Frühjahr Beratungen z­ wischen Heinrich II. und Ludwig VII. ebenso gescheitert wie jene mit Beckets Gesandtschaften. Im Sommer hatte der König von England unter der Leitung der Höflinge Johannes Cumin und Johannes von Oxford eine Legation nach Rom gesandt, die für ihn bei Alexander III. vorsprechen sollte.2047 Es sah nicht gut aus für Alexander, Becket und ihre Anhänger. Unter diesen Vorzeichen nun versuchte Johannes von Salisbury Gerard als zusätzliche Informationsquelle zu gewinnen. Doch ist es wieder einmal nicht der zugespitzte Becketkonflikt, nach dem er direkt fragt, sondern die universale kirchliche Krise. Offenbar hatten er und Gerard einen regen Austausch von Büchern und Handschriften ­zwischen Reims und Köln ins Rollen gebracht.2048 Im Zuge d­ ieses wissenschaftlichen Austauschs erhob Johannes folgende Bitte: […] communicate michi, si placet, nouorum aliquid quae in expilatis inuenitis armariis; si non aliud occurrit quod nostratibus desit, saltem uisiones et oracula beatae illius et celeberrimae H ­ ildegardis […]. Explorate etiam diligentius et rescribite an ei sit de fine huius scismatis aliquid reuelatum.2049

Das Erstaunlichste an Johannes’ Gesuch ist nicht, dass es an Gerard gerichtet wurde, sondern, dass es als eines der ersten Zeugnisse einer schnellen Wirkungsgeschichte der Korrespondenz und des Scivias der Hildegard von Bingen (1089 – 1179) ­rheinabwärts 2044 Vgl. Barlow: Becket, S. 145. 2045 Vgl. MTB 5, Ep. 173 und Foliot Letters and Charters, ed. Brooke u. a., Ep. 168, hier: S. 218. Zu den Exkommunikationen von Vézelay siehe MTB 5, Epp. 195, 196 und JvS II, Ep. 168 sowie für die Hintergründe: Barlow: Becket, ab S. 147 und Duggan: Becket, S. 101 – 123. 2046 MTB 5, Epp. 204 und 205. Auch: Gilbert Foliot and his Letters, ed. Adrian Morey/­ Christopher Nugent Lawrence Brooke, Cambridge 1965 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, 11), Epp. 166 und 167. 2047 Vgl. Eyton: Court, S. 102 und JvS II, Ep. 174. 2048 Vgl. JvS II, Ep. 185, S. 224 f. 2049 Ebd.

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gilt. Da sich die öffentliche Tätigkeit der Äbtissin vom Disibodenberg als Predigerin auf das Rheintal erstreckte, kann es kaum verwundern, dass Johannes eine Abschrift in Köln vermutete.2050 Vielmehr überrascht der Respekt, den er der Seherin und ihrem Werk entgegenbringt, stand er doch sonst vielen Formen der Weissagung äußerst kritisch gegenüber. Cary Nederman hat Johannes’ Vorbehalte zusammengefasst: „To attempt to foresee the future, he reasons, is to claim for oneself the sort of knowledge that God alone enjoys. Our minds are capable of knowing only in a contingent and fallible way that prevents us from attaining certain truth about future events on earth. His unusually strenuous rejection of all divination and related practices stems from their roots in human pride and arrogance. They are incompatible with the limits of human intellect and thus admit of no golden mean.“ 2051

Während der angelsächsische Gelehrte alle magischen Praktiken ablehnte, die einen Blick in die Zukunft versprachen, schien er weniger Skrupel zu haben, wenn es um die prophetischen Eigenschaften der Geschichte ging. Nach seiner Überzeugung ließ diese nämlich Rückschlüsse auf zukünftige Entwicklungen zu.2052 Die zweite Form der von ihm akzeptierten Zukunftsschau, die göttlich gebilligte Prophetie, schien für die Sehergabe der Hildegard von Bingen vorzuliegen: 2050 Zur Wirkungsgeschichte des Gesamtwerkes aber auch des Scivias siehe Michael Embach: Beobachtungen zur Überlieferungsgeschichte Hildegards von Bingen im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Mit einem Blick auf die Editio princeps des Scivias, in: ­Rainer Berndt (Hg.): „Im Angesicht Gottes suche der Mensch sich selbst“. Hildegard von Bingen (1098 – 1179), Berlin 2001 (Erudiri Sapientia: Studien zum Mittelalter und seiner Rezeptionsgeschichte, 2), S. 401 – 461, hier S. 407 und ausführlicher ders.: Die Schriften Hildegards von Bingen. Studien zu ihrer Überlieferung und Rezeption im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Berlin 2003 (Erudiri Sapientia: Studien zum Mittelalter und seiner Rezeptionsgeschichte, 4), hier: S. 71, 402 f. 2051 Nederman: John, S. 59 mit Bezug auf Kapitel I, 11 – 13 des Policraticus. Siehe Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 121 f. (=Policraticus I, ed. Webb, S. 50 – 64). In ­diesem Teil seiner Hofkritik befasste sich Johannes von Salisbury insbesondere mit den mantischen Formen der Divination wie der Pyro-, Hydro- oder Geomantie, des Handlesens oder der Astrologie, die sich zur damaligen Zeit auch bei Hofe wachsender Beliebtheit erfreuten. Zum Stellenwert der Zukunftsschau im 12. Jahrhundert siehe Southern: Aspects, S. 159 – 180, hier: S. 168 f. 2052 Vgl. Met. IV, 10 in Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan, S. 149 (bzw. Metalogicon, ed. Webb, S. 176): Et quia ut in Politia ait Plato, facile est assequi naturalia archana, ex his quae frequenter accidunt, imaginem eorum quae futura sunt concipit ex qualitate eorum quae presentaliter sentit, uel aliquando sensit. Zu Ursprung dieser Vorstellung bei den antiken Philosophie und Historiographie siehe Moos: Use, S. 208, Anm. 5.

550 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten […] quod eam dominus Eugenius speciali caritatis affecto familiarius amplectebatur. Explorate etiam diligentius et rescribite an ei sit de fine huius scismatis aliquid reuelatum. Praedixit enim in diebus beati Eugenii quod non esset nisi in extremis diebus pacem et gratiam in urbe habiturus.2053

Eugen III. hatte bei seinem Aufenthalt in Trier im Dezember 1147 nach Hildegards Schriften ­schicken lassen. Durch seine damalige Position als Theobalds Gesandter an der Kurie konnte Johannes von Salisbury ohne Weiteres von Eugens Wertschätzung der deutschen Mystikerin erfahren haben.2054 Nicht nur das gewichtige päpstliche Urteil, sondern auch die Qualität ihrer Gesichte und Visionen scheinen den Skeptiker von Hildegards Redlichkeit überzeugt zu haben. Ihre Sehergabe musste J­ ohannes von Salisbury daher als zweifach göttlich legitimiert erscheinen, hatte sich ihre Prophezeiung über Eugens Schicksal in Rom doch als wahr erwiesen. Dass bei weitem nicht alle Propheten einen so hohen Stellenwert im Geistesbild des Saresberiensis einnahmen wie die Äbtissin vom Disibodenberg, zeigt eine Äußerung gegenüber Thomas Becket aus dem Spätsommer des Vorjahres, in dem er die skrupellose Hartnäckigkeit des kaiserlichen Heeres unter Christian von Buch mit Weissagungen deutscher Seherinnen in Beziehung setzt: Et ne aliquid subtraham, asserunt nescio quas prophetissas Teutonicas uaticinatas esse, unde furor Teutonicorum potest amplius inflammari, et unde scismatici animantur.2055 Höchstwahrscheinlich bezog er sich auf die Benediktinerinkluse Elisabeth von Schönau (ca. 1129 – 1164), die sich schon bald nach der päpstlichen Doppelwahl auf Seiten der Viktoriner positionierte. In einem Brief eröffnete sie Erzbischof Hillin von Trier, Gott wolle ihm enthüllen, dass er denjenigen, der von Caesar erwählt worden sei, bevorzugt akzeptiere.2056 Die reformaffine Elisabeth schien das Schisma als Manifestation der Laster von Geiz und Korruption unter dem stadtrömischen und kurialen Klerus zu sehen. Ob dies in Zusammenhang mit ihrem Bruder Ekbert, dem Kompilator ihrer Weissagungen, zu sehen ist, der Rainald von Dassel nahestand, ist nicht auszumachen. Ekbert jedenfalls verurteilte beide päpstlichen Kontrahenten aufs Schärfste für die Spaltung der kirchlichen Einheit.2057 2053 JvS II, Ep. 185, S. 224 f. 2054 Vgl. Embach: Beobachtungen, S. 407 und Spörl: Rainald, S. 251, 256. 2055 JvS II, Ep. 152, S. 54 f. Ähnlich auch noch im Sommer 1166: JvS II, Ep. 181, S. 200 f. 2056 Vgl. Elisabeth of Schönau. The Complete Works, ed. Anne Louise Clark, New York 2000 (Classics of Western Spirituality). 2057 Zu den Positionen der Geschwister im Schisma siehe Renate Blumenfeld-Rosinski: Visions and Schism Politics in the Twelfth Century, in: Mathilde van Dijk/Renée Nip (Hg.): Saints, Scholars, and Politicians. Gender as a Tool in Medieval Studies. Festschrift in

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Der von Johannes von Salisbury gewählte Plural legt nahe, hinter den Prophetinnen die genannten Benediktinerseherinnen zu vermuten. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Angelsachse ­zwischen dem Spätsommer 1165 und dem Herbst 1166 gegenüber Hildegards Person einen grundlegenden Sinneswandel durchlaufen hatte. Zumal die Äbtissin vom Disibodenberg sich, obschon überzeugte Alexandrinerin, im Gegensatz zu Elisabeth allenfalls vage zum alexandrinischen Schisma geäußert und stets geweigert hatte, sich in die Rolle der Schiedsrichterin drängen zu lassen.2058 Denn Johannes von Salisbury war nicht der einzige, der sich von Hildegard Erleuchtung in Schismafragen erhoffte. Zwischen 1164 und 1169 trat der Abt von Saint-Nabor mit einer Bitte an die Mystikerin heran, auf die sie selbstbewusst erwiderte, dass der Herr ihr nicht aufgetragen habe, über die Kirchenspaltung zu sprechen.2059 Gegenüber einem ähnlichen Gesuch eines anonym bleibenden Abtes stimmte sie seiner Verzweiflung über die Auswirkungen der Krise und die schlimme Verfassung der K ­ irche zu, ohne den rechtmäßigen Papst und Gegenpapst zu benennen. Er solle lieber im Gebet um Erleuchtung der Herrscher bitten, die die Ohren vor dem Wort des Schöpfers verschlössen und das Schisma nicht zu einem Ende brächten.2060 Hier schwingt bereits eine kritische Haltung gegenüber dem staufischen ­Kaiser mit, dem sie zu Beginn seiner Herrschaft noch sehr positiv gegenübergestanden hatte. Es ist wahrscheinlich, wenn auch nicht verifizierbar, dass die Erkaltung ihrer Beziehung auf die beharrliche Fortführung seiner Kirchenpolitik, insbesondere die Erhebung des zweiten Gegenpapstes, zurückzuführen ist.2061

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Honour of Anneke Mulder-Bakker on the Occasion of her Sixty-Fifth Birthday, Turnhout 2005 (Medieval Church Studies, 15), S. 173 – 187, hier: S. 183. In ihren Aussagen zum Schisma und seine Auswirkungen zog sich Hildegard sowohl in der Korrespondenz als auch im visionären Liber divinorum operum gerne auf das Sinnbild der Wolke zurück, die die Christenheit verdunkele. Im Generellen rückte sie damit das Schisma in eine apokalyptische Ausrichtung. Dazu sowie zu Hildegards proalexandrinischer Gesinnung siehe ebd., S. 181 f. Vgl. Ep. LXIV, in: Jean-Baptiste Pitra (Hg.): Analecta sacra spicilegio solesmensi parata, Montecassino 1882, S. 534: De schismate Ecclesiae non iubet me Dominus loqui. Brief und Antwort siehe XCV , in: Jacques Paul Migne (Hg.): S. Hildegardis Abbatissa Opera omnia ad optimorum librorum fidem edita, Turnhout 1882 (Migne PL, 197), S. 316 – 317, hier: S. 316. Details bei Blumenfeld-Rosinski: Visions, S. 180 und in Carl Czarski (Hg.): The Prophecies of St. Hildegard of Bingen, unveröffentlichte Diss. phil. University of Kentucky, Lexington 1983, S. 112 f. Argumentiert von Marianna Schrader/Adelgundis Führkötter: Die Echtheit des Schrifttums der heiligen Hildegard von Bingen. Quellenkritische Untersuchungen, Köln 1956 (Archiv für Kulturgeschichte: Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 6), S. 124 – 131; Bertha Widmer: Heilsordnung und Zeitgeschehen in der Mystik Hildegards von Bingen,

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Alle Äußerungen des Johannes von Salisbury über die deutschen Prophetinnen treten bezeichnenderweise nur im Schismakontext auf und deuten darauf hin, dass er ihre Visionen und Prophezeiungen sowohl im negativen wie auch im positiven Sinne als einflussreiche Stimmen empfand. Seine Recherche nach relevanten Weissagungen ist damit ein praktisches Bewältigungs- und Informationsinstrument für den Ausgang aktueller Problemverhältnisse. Wir wissen nicht, ob seinem Wunsch entsprochen wurde, doch im nächsten Brief an Gerard Pucelle – dem letzten vor Rainalds Tod im sommerlichen Seuchenlager vor Rom – scheint Johannes’ Stimmung sich nicht zum Guten verändert zu haben. Plenam deuotione et eruditione ist ein starkes Beispiel saresberiensischer Überzeugungsrhetorik. Das Stück, mit dem er seinem Gegenüber dringend empfahl, den Schismatikern fernzubleiben, ist getränkt von der Entrüstung über die neuen, furchteinflößenden Erkenntnisse zum kaiserlichen Italienzug, der diesmal die Ewige Stadt und damit den dort weilenden Alexander III. selbst zum Ziel hatte. Die Freude über angebliche Zerfallserscheinungen der staufischen Herrschaft, die Johannes noch wenige Wochen zuvor gehegt hatte, war wie fortgeblasen.2062 Aus dem Hoffnungsschimmer war eine akute Gefahrenlage erwachsen. Als sich Gerard in seiner misslichen Lage im unruhigen Köln Rat und Hilfe suchend an Johannes gewendet hatte, hatte dieser ihn höflich zurückgewiesen.2063 Er wollte und konnte nicht auf Gerards Rückkehr einwirken, denn seiner Überzeugung nach war dessen Platz in Köln – als Prediger der Wahrheit unter den Fehlgeleiteten. Denn zu dieser Zeit, Anfang Oktober 1166, sah Johannes, noch beflügelt von der Betrauung Beckets mit der Legation über England, eine günstige Gelegenheit, erfolgreich auf den ­Kaiser und seine rechte Hand Rainald einzuwirken: Meum itaque consilium est et desiderium, ut inter scismaticos et haereticos fidem praedicetis et pacem ea sapientiae moderatione quae prosit ecclesiae, pro cuius fortasse utilitate et salute personam uestram Dominus ad hos barbaros destinauit. Apostolis omnibus omnia factus est ut lucrifaciat uniuersos, et per infamiam et bonam famam et quacumque potest occasione Christum annuntiat. Sic et uos, si potestis, apud imperatorem, quia potestis, apud Coloniensem, annuntiate Christum.

Dissertation, Basel 1955, S. 288. Demgegenüber kritisch: Reuter: Schism, S. 181 f. Näheres zu Hildegards Haltung gegenüber Friedrich I. bei Blumenfeld-Rosinski: Visions, S. 180 f. 2062 Vgl. JvS II, Ep. 184, S. 216 f. 2063 Vgl. ebd.: Quaesistis consilium meum ministerio magistri Radulfi; respondeo quod desidero, quod spero de misericordia Domini, quia et citra operam meam uobis Deus salubria prouidebit. Hirata: Amicitia, S. 157 sieht den Grund dieser negativen Antwort in Johannes’ Ablehnung der ihm als opportunistisch und selbstsüchtig erscheinenden Bitte des Rechtsgelehrten.

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Non est enim ut fraudulenta uerborum astucia suum excusare nitantur errorem. Redarguit eos conscientia sua […].2064

Dennoch thematisieren die Briefe in ­diesem Herbst gleich zweimal das Gefahrenpotenzial, welches das Leben in der Höhle des Löwen barg. Beide Male zieht ­Johannes eine Schar biblischer Exempla heran, um das Dilemma zu beleuchten. Doch seine Botschaft ist jeweils eine andere und hängt eng damit zusammen, mit ­welchen Gefühlen und Zielsetzungen er an Gerard herantrat. Sicher, so richtet sich Johannes an Gerard, könne man ihm vorwerfen, er habe mit seinem Leben unter den Exkommunizierten ein Verbrechen begangen und durch sein Tun seine Zustimmung zu ihrem Irrtum gezeigt. Viele hätten ihn damals als Überläufer betrachtet, hätten aber nicht das große Ganze überblickt. Noueritis itaque quod de recessu uestro uariae fuerunt sententiae, multis accusantibus, excusantibus paucis transitum quem fecistis. Non enim nouerat multitudo quid animi haberetis, quae uos urgeret necessitas, quatenus uobis Romanus pontifex indulsisset, quid utilitas ex huius ­uestri dispensatione consilii prouenire possit ecclesiae. Verum intuentur scismatis crimes, mali­ ciam eorum ad quos transistis, periculum conuiuendi excommunicatis ex iusta causa et iuste; et quem uident dampnatorum contractibus immisceri, consentire quoque opinantur errori. Ego, qui ­causam ­uestram et animum aliis quibusdam familiarius noui, in parte consentio multitudini, sed dissentio in parte magna.2065

Natürlich sei es richtig, das Schisma und die Schismatiker zu verdammen. Das habe bereits das Alte Testament gelehrt, als Gott Korach, Datan und Abiram, die gegen Moses und Aaron aufbegehrten, sowie ihre Sippen bei lebendigem Leib vom Erdboden verschlingen ließ.2066 Gerade Datan und Abiram galten als biblischer Inbegriff des von Gott hart gestraften Schismatikers. Auf sie wurde in den liturgischen Anathemformeln verwiesen, was die enge Verbindung ­zwischen Exkommunikation und Schismatikertum zeigt.2067 Johannes von Salisbury gibt seinem Gegenüber hier einen deutlichen Hinweis auf das Gefahrenpotenzial seiner Situation. Aber Gerards Kritiker, so Johannes weiter, hätten damals weder den Vorteil für die Sache der K ­ irche noch den von Moses aufgezeigten Weg aus dem Dilemma erkannt:

2064 JvS II, Ep. 184, S. 216 f. 2065 Ebd., S. 212 – 215. 2066 Vgl. JvS II, Ep. 184, S. 214 f. unter Bezug auf 4. Mose 16. 2067 Dazu Beaulande-Barraud: Schisme, S. 5.

554 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten […] eorumque periculosissimus est conuictus, nisi a crimine eorum sit manifestus uita et uerbo dissensus. Vnde in libro Numerorum (scienti etenim et docenti legem loquor) Moyses a fidelium coetu Dathanitas et Abironitas eiciens ait: ‚Recedite a tabernaculis hominum impiorum, et nolite tangere quae ad eos pertinent ne inuoluamini in peccatis eorum.‘ Sed nec talium culpa redimitur […]. Ceterum societas corporalis salutis dispendium non ingerit illis qui ab impiis pietate dissentiunt, et errores aliorum tam operum dissimilitudine quam uerborum increpatione corripiunt.2068

Wer allerdings den Gottesdienst mit ihnen feiere, setze sich und sein Seelenheil aufs Spiel. Er, Gerard, solle es mit all jenen halten, die in der Heiligen Schrift ein gutes Beispiel im Umgang mit dem Feind gegeben hätten. Passende Vorbilder gab es genug: Elischa und den mit seiner Hilfe geheilten Namaan, Lot in Sodom und Daniel in Babylon, Joseph im Hause des Pharao oder Moses selbst unter den Äthiopiern, Huschai unter den Ratgebern des Absalom und Obadiah vor Ahab und Isebel.2069 Besonders das Beispiel des Huschai ist für die Suche nach dem politisch ethischen Gedankengut im saresberiensischen Schismabild interessant, denn es dient hier als besonderes Beispiel des Umgangs mit dem Gegner.2070 Der Arkiter Huschai war von David an den Hof des Tyrannen Absalom entsandt worden, um diesen dort in einem kritischen Moment von der geplanten Tötung seines Vaters David abzubringen. Hier sieht man wieder, w ­ elchen Wert Johannes den Beratern eines Mächtigen auf dessen Entscheidungen beimisst. Ein guter Mann am Hof des Bösen konnte – vorausgesetzt er erhielt seine Rechtschaffenheit – den Ausschlag zum Sieg geben. Diese Überzeugung ist eines der Beispiele, wie Johannes von Salisbury seine Vorstellung des staatskörperlichen Gefüges in seine alltägliche Rat- und Handlungstätigkeit im Schisma wie im Becketkonflikt transportierte.2071 Die zuversichtliche Ansicht über Gerards Möglichkeit einer untadeligen Koexistenz mit den gefürchteten Schismatikern sollte jedoch nur eine Episode bleiben. Bereits zwei Monate s­ päter sieht sich Johannes in Anbetracht geänderter äußerer Umstände dazu veranlasst, Gerard zu warnen, „von jeder Idee Abstand zu nehmen, sich für irdischen Gewinn mit den Schismatikern einzulassen oder aus Unachtsamkeit und Schamlosigkeit dem ‚Anathem Jerichos‘ etwas zu entreißen, das zum Ruin und der Zerstörung 2068 JvS II, Ep. 184, S. 214. 2069 Vgl. ebd., S. 216 f. 2070 2 Samuel 15,34 und 17,7 – 14. 2071 Auf die Figur des Huschai verwies Johannes von Salisbury mehrmals, auch im Becketkonflikt. Dazu Saltman: Testament, S. 346 f. Ein Beispiel ist sein Rat an Radulfus Niger, nur dann an den königlichen Hof zu gehen, wenn er dort wie Huschai zu wirken bereit sei: JvS II, Ep. 181, S. 204 f.

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des Lagers des Herrn dienen könne“ 2072. Von Köln aus wüte, wie Gerard selbst unzweifelhaft wisse, man offen und wie von Sinnen gegen die K ­ irche und ihre Einheit.2073 In seiner Tirade kann Johannes sich auf die neuesten politischen Entwicklungen im Reich stützen. Jetzt, so entrüstet er sich, wisse die ganze Welt von dem Ausmaß, in dem der Kölner immer die ­Kirche verachtet, deren Spaltung geplant und geschürt habe. Es ist in ­diesem Moment, im Wissen darüber, was das wahre Ziel des kaiserlichen Italienzugs sein musste, in dem Johannes von Salisbury erstmals zum Mittel endzeitlicher Polemik greift und Rainald, den er wenige Wochen zuvor noch als Vermittler beim englischen König werben wollte, zum apokalyptischen Widersacher erklärt.2074 Entsetzt offenbart er Gerard seine Vermutung: Eo enim (ut aiunt) proposito in Italiam profecti sunt ut Cremensem haeresiarcham intrudant in sedem Petri, et uicarium Christi aut comprehendant aut eiciant aut occidant.2075 Es ginge ihnen aber damit nicht nur um die Außerkraftsetzung der Person Papst Alexanders, sondern um die Vernichtung der apostolischen Papstwürde in ihrem Kern. Sie handelten dabei in Missachtung des göttlichen und kirchlichen Rechts, indem sie weltlichen Angelegenheiten und Recht die oberste Priorität einräumten.2076 Hier wird das alexandrinische Schisma endgültig als eine politisch motivierte Krise gedeutet und jedes spirituelle Interesse des Kaisers negiert. In dieser Schärfe sollte Johannes’ Polemik sich nie wieder gegen K ­ aiser und Erzbischof richten. Der Spätherbst 1166 war für den angelsächsischen Gelehrten die schwärzeste Stunde in Schisma und Becketkonflikt. In der düsteren Ernüchterung, dass jede Hoffnung auf ein Umlenken in Köln verglommen war, musste der Aufenthalt des Vertrauten dort eher als Gefahr denn als Möglichkeit erscheinen. Johannes versuchte ihn daher mit dem gesamten Arsenal der Apokalyptik und der Heiligen Schrift davon zu überzeugen, sich nicht täuschen zu lassen und auf dem eingeschlagenen Weg um Gottes, aber auch seiner selbst willen unverzagt weiterzugehen: Nemo suum fraudulenta uerborum excusatione tueatur errorem, uoluptatibus suis nullus applaudat, quia Deus non irridetur […]. Inde est quod affectuosius peto quatinus instantius agaris quod agatis, dicendo, scribendo, faciendo quod ad euacuationem scismatis per collatam uobis sapientiam a Domino cognoueritis pertinere, ut et conscientia sit tutior apud Deum et apud proximum fama plenissime conualescat.2077 2072 JvS II, Ep. 186, S. 226 f. mit Bezug auf Josua 6 – 7. 2073 Vergleiche JvS II, Ep. 184 (S. 218 f.) und Ep. 186 (S. 226 f.). 2074 Vgl. ebd.: ille Coloniensis […] maximus inter locustas bestiae, quarum potestas est in linguis et caudis earum. 2075 Ebd., S. 228 f. 2076 Ebd., S. 226 – 229 mit Bezug auf die Hohepriester vor Pilatus ( Joh 19,15). 2077 Ebd., S. 228 f.

556 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Auch nachdem Rainald im Sommer 1167 vor der Ewigen Stadt der Epidemie erlegen war, hielt Johannes, wenn auch hoffnungsvoller und weniger alarmiert, seine Aufforderung weiter aufrecht, Gerard solle im Sinne eines Politikwandels in Köln verbleiben, dort auf den ­Kaiser einwirken und die ­Kirche von Köln in die katholische Einheit zurückführen.2078 Im Anschluss an diesen Brief jedoch setzte Gerard, der in der Instabilität, die das Reich während der Abwesenheit des Kaisers schüttelte, in immer größere Bedrängnis zu geraten schien, alle Hebel in Bewegung, um nach England oder Frankreich zurückzukehren. Becket und Johannes von Salisbury, die ein großes Interesse daran haben mussten, den wertvollen Verbündeten nicht an den königlichen Widersacher Heinrich zu verlieren, versuchten bei Alexander III . und seinen Legaten vergeblich, eine päpstliche Erlaubnis zu dessen Rückkehr zu erwirken.2079 Zu spät. Die von Becket erwirkte päpstliche Erlaubnis zur Rückkehr vom Juni oder Juli 1168 erreichte ihn, wenn überhaupt, zu langsam.2080 Enttäuscht vom englischen Primas und seinen Anhängern trat der rechtskundige englische Magister in den Dienst Heinrichs II .2081 Ob Johannes’ flehende Verteidigung Beckets und seines Zirkels, die er der üblen Nachrede bezichtigte, und seine inständige Warnung an Gerard, keine voreiligen Entschlüsse zu fällen, den Landsmann vor seiner Entscheidung noch erreichte, ist ungewiss.2082 Im Verlauf des Jahres 1168 allerdings kehrte Gerard Pucelle, nachdem er ­Paschalis III . eidlich entsagt hatte, wieder in Beckets Dienst zurück.2083 Die einzige erhaltene weitere Kommunikation ­zwischen Johannes und Gerard ist ein nüchterner, von Becket in Auftrag gegebener Lagebericht aus dem Jahre 1170.2084 Offenbar hielt der angelsächsische Gelehrte es nicht mehr für zielführend, die alte ­ irche so gut hatte eingesetzt werden können, weiter amicitia, die im Dienste der K heraufzubeschwören.

2078 Vgl. JvS II, Ep. 226, S. 397. 2079 Siehe Alexanders Briefverkehr mit Ludwig und Becket aus dem Mai 1168: MTB 6, Epp. 419 – 422. Dazu JvS II, Ep. 277, S. 592 f. 2080 Von den Bemühungen der erzbischöflichen Seite zeugen MTB 6, Nr. 419 – 422 und JvS II, Ep. 277. 2081 Vgl. JvS II, Ep. 275, S. 578 f. 2082 Vgl. ebd. 2083 Vgl. Kuttner/Rathbone: Canonists, S. 298. Der Wortlaut des Eides ist überliefert in Ep. 168a. Ego Girardus refuto, in: CTB I. 2084 Later Letters, ed. Millor/Brooke, Ep. 297. Zu Gerards weiterer Biographie nach Beckets Ermordung siehe zusammenfassend mit Quellenbelegen Hirata: Correspondents, S. 487 f.

Hoffen und Bangen: Reflexion und Instrumentalisierung

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1.4  Hoffen und Bangen: Reflexion und Instrumentalisierung der Entwicklungen in Oberitalien (1164 – 1170) Der infolge der Erhebung Paschalis’  III. aufkommende Briefverkehr des Johannes von Salisbury mit Gerard Pucelle hat zeigt, wie essenziell man die Rolle des Rainald von Dassel als Erzschismatiker und Schürer des Schismas auffasste. Nach einer k­ urzen positiven Spitze Anfang Oktober 1166, die als Reaktion auf ein vermeintliches Bekehrungsversprechen des Kölner Elekten auf dem Krankenlager zu deuten ist, erlebte die Diffamierung Rainalds wenige Wochen s­ päter mit dem vierten Italienzug und dem offensichtlichen Plan des Kaisers, seinen päpstlichen Kandidaten Paschalis III. nach Rom zu führen, einen negativen Höhepunkt. Von ­diesem Zeitpunkt an und noch über seinen Tod hinaus galt Rainald Johannes von Salisbury und vielen seiner Landsleute endgültig als Bannerträger des Schismas. Damit geht klar aus den Briefen ­zwischen Reims und Köln hervor, dass der traurige Höhepunkt der Mutlosigkeit und Entrüstung auf Seiten der Alexandriner eben nicht die Geschehnisse des Hoftags von Würzburg, sondern der im Herbst begonnene kaiserliche Romzug von 1166 war. Er überschattete wie ein Trauma das englische Urteil über die rechte Hand Barbarossas. Hier wurde bereits ein weiterer Faktor englischer Schismareflexion greifbar: Dass die Kirchenspaltung als eine vornehmlich vom ­Kaiser und seinem Beraterstab indizierte und perpetuierte Krise erlebt wurde führte gleichzeitig dazu, dass sich ein intensives Interesse an den Vorgängen in Rom und auf oberitalienischem Reichs­ gebiet durch die Exilkorrespondenz des Johannes von Salisbury zog. Die politischen, diplomatischen und militärischen Ereignisse in Italien gaben Anlass zu gesteigertem Optimismus, wurden zum Prüfstein Friedrich Barbarossas und zum Gradmesser des zu erhoffenden oder zu erwartenden Konfliktverlaufs. In den Jahren 1164 bis 1177 waren die wechselhaften Verhältnisse in Rom und das Schicksal der Lombardei untrennbar mit der Einschätzung des Schismabilds verbunden. Dabei zeigte sich schon relativ früh Zuversicht. Wie Boso berichtet, war es dem päpstlichen Vikar in Rom, Johannes, Kardinalpresbyter von SS. Giovanni e Paolo, gelungen, den Römern durch gute Worte und großzügige Zuwendungen den Treueid für Alexander zu entlocken. Ein Triumph, der zwar auf tönernen Füßen stand, aber gute Rahmenbedingungen zur Wahl eines alexanderfreundlichen Senats im Jahr 1164 schaffte. Alexanders Rückkehr schien dabei nicht nur Wunsch der päpstlichen Vasallen, sondern auch des römischen Volkes gewesen zu sein.2085

2085 Siehe auch Romoaldi II Salernitani archiepiscopi Annales, in: MGH SS 19, hier: S. 434. Zum politischen Umschwung in Rom siehe Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 412. Den

558 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Der Moment, in dem Alexander III . freien Zugang nach Rom erhielt, war der Ursprung einer neuen Hoffnung auf Seiten der Exilierten. Alexanders Einwilligung zur Rückkehr war umstritten, doch wohl überlegt.2086 Nach einer riskanter Überfahrt, auf der der Sieneser fast in die Hände der von Barbarossa zur Überwachung der Seeroute beauftragten Pisaner gefallen wäre, durchschritt er am 23. November unter Ehrerbietung der Bürger, des Klerus, des Adels und der Senatoren die Mauern der Ewigen Stadt.2087 Gerüchte über Alexanders gefahrvollen Seeweg gab Johannes von Salisbury im Spätsommer 1165 gegenüber Becket wieder, noch bevor ein päpstlicher Brief Erz­ bischof Heinrich von Reims über die Angriffe Pisaner Galeeren informierte.2088 Seine Anschuldigungen des imperial gesinnten Genua und des burgundischen Arles sind zwar nicht durch andere Quellen gedeckt, aber keineswegs substanzlos. Das Froh­ locken über den Aufstand von neun oberitalienischen Städten, die sich unter der Führung Cremonas gegen den ­Kaiser erhoben haben sollten, scheint verfrüht, fand sich der Kern des späteren Lombardischen Städtebundes doch erst im darauffolgenden Frühling 1167 als Reaktion auf die als drückend empfundene Reichsverwaltung in Norditalien zu einem Unterstützungsabkommen zusammen.2089 Darunter war auch Cremona, einst Erzfeind Mailands und engster Bündnispartner des Kaisers, dessen

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Hintergründen und Umständen der Romresidenz Alexanders III. (1165 – 1167) widmet sich ausführlich Doran: Port, besonders: S. 74 – 78. Vgl. Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 412; Engels: Kardinal, S. 156 f., der die Vita als ‚eine Art Papstspiegel‘ betrachtet, der darauf abzielte, die Bedenken der Kardinäle an A ­ lexanders Heimkehr nach Rom zu zerstreuen und die Entscheidung des Papstes zu rechtfertigen. Vgl. die Briefe, die Alexander III. an Erzbischof Heinrich von Reims richtete: CCCLXXIII und CCCLXXV, in: Migne PL 200, S. 398 – 401 (JL 11238 bzw. JL 11240). Die dem Einzug in Jerusalem angenäherte Schilderung des adventus bei Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 413 ist als stilisiert zu betrachten. Siehe Engels: Kardinal, S. 152 und Doran: Port, S. 76. Das lässt vor allem der divergierende und plausiblere Bericht des Reisewegs bei RvSalerno Chronicon, ed. Pertz, S. 434 vermuten. Vgl. JvS II, Ep. 152. Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 116 f. Barbarossa hatte sich für die Verwaltung des regnum Italiae auf ein Legaten- und Stellvertretersystem gestützt. Vor Ort hatten die Legaten umfassende Handlungsvollmachten, w ­ elche die Autorität des Kaisers erfahrbar machten. Die Willkür einiger kaiserlicher Offizieller und Barone mit Landbesitz in Italien wie Otto von Wittelsbach, aber auch geforderte materielle Abgaben schürten eine Unzufriedenheit vor Ort, welcher der in seiner Herrschaftsausführung auf die Repräsentanten vor Ort angewiesene ­Kaiser nicht durchsetzungsstark begegnen konnte. Details bei Görich: Friedrich Barbarossa, S. 349 – 363. Die Klagen der lombardischen Kommunen über die unhaltbaren Zustände belegt Otto Morena: Ottonis Morenae eiusdemque continuatorum libellus de rebus a Frederico imperatore gestis, in: Franz-Josef Schmale (Hg.): Italische Quellen über die Taten ­Kaiser Friedrichs I.

Hoffen und Bangen: Reflexion und Instrumentalisierung

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Hoffnungen auf von Barbarossa als Gegenleistung zur Treue der Stadt in Aussicht gestellte territoriale Zugewinne enttäuscht worden waren.2090 Die unterschwellige Unruhe, gepaart mit der wohl vor Ort bereits spürbaren Neuordnung der Bündnisverhältnisse unter den anderen Kommunen der Lombardei scheint als Hörensagen an das Ohr des angelsächsischen Exilanten in Reims gedrungen zu sein. Beide Beispiele zeigen wie gut informiert Johannes von Salisbury auch ohne direkte Kommunikation mit der alexandrinischen Kurie war.2091 Schließlich konnte er von seinem Wahlrefugium, dem Metropolitansitz Reims, aus den intensiven Informationsfluss der nahen Märkte und der Hauptstraße ­zwischen Paris und dem Rheintal ­nutzen. Zusätzlich gewährleisteten die Mobilität seines weiten Informantennetzwerks in England, Frankreich und im Reich, aber auch seine eigenen Reisen die Aktualität seines Kenntnisstands. So erreichten ihn Gerüchte, aber auch wertvolle Informationen, die in den meisten Fällen zumindest einen wahren Kern aufwiesen.2092 Die guten Nachrichten über Alexanders Rückkehr nach Rom, die Reims Ende 1165 oder Anfang 1166 erreichten, gaben auch Johannes von Salisbury Aufwind. In Licet ex more scribentum, einem Lagebericht über Beckets Vorgehen und die Ereignisse in Italien, unterrichtet er im Juni 1166 Bischof Bartholomäus von Exeter umfassend und hoffnungsvoll vom Bund der lombardischen Städte, dem Wohlergehen Papst ­Alexanders in Rom und den reichen Zuwendungen der sizilischen Herrscher.2093 Dass Alexanders Lage prekär war, gesteht Johannes nur Thomas Becket persönlich ein.2094 Dabei ist er nicht so naiv, sein Urteil allein auf den vorteilhaften Verlauf in Rom zu gründen. Es gab auch ermutigende Signale über destabilisierende Vorgänge im in Italien und der Brief über den Kreuzzug ­Kaiser Friedrichs I., Darmstadt 1986, S. 34 – 239, hier: S. 198. 2090 Zu Voraussetzungen, Zustandekommen und Folgen des Parteiwechsels der Kommune siehe Görich: Friedrich Barbarossa, S. 349 – 371, besonders: S. 362 f. 2091 Vgl. JvS II, Ep. 152, S. 52 – 55: Dicunt […] quod Pisani et Genueses et etiam Arelatenses mare ingressi sunt ex mandato Teutonici tyranni, ut ei tendant insidias, et piraticam exercent, ut sine manuductione eorum nulli omnino liceat nauigare in illo mari. Vergleiche mit Alexanders Bericht nach Reims (Migne PL 200, Nr.  CCCLXXIII) und der Schilderung Romualds von Salerno (Romualdi Salernitani Chronicon , ed. Carlo Alberto Garufi, Città di Castello 1935 (RIS (Ser II), 7,1)), die beide nur von Zusammenstoß mit Pisaner Galeeren berichten. Zu der Plausibilität der von Johannes geäußerten Vorwürfe an Arles und Genua siehe Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 54, Anm. 6. 2092 Vgl. Reuter: Germans. 2093 JvS II, Ep. 168, S. 116 f. Ähnlich: JvS II, Ep.181, S. 200 f. 2094 Vgl. JvS II, Ep. 175, S. 164 f.: Vtique dominus papa uir sanctus et iustus est, et dominum Albertum […] sed eius sunt tot necessitates et tantae […] ut interdum utatur licentia potestatis procuretque ex dispensatione quod reipublicae dicitur expedire, etsi non expediat religioni.

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Deutschen Reich. Triumphierend stellt Johannes fest, dass sich wohl Gottes Vergeltung zeigte, wenn der ehemals so gefürchtete ­Kaiser und Kriegstreiber, der seine eigenen Landsmänner nicht mehr vor Unrecht und Schaden beschützen könne, nur noch auf Waffenstillstände unter seinen eigenen Untertanen hoffe.2095 Wahrscheinlich eine Anspielung auf die Auflehnung der sächsischen Fürsten gegen Heinrich den Löwen, von denen zur selben Zeit auch Gerard Pucelle von Köln aus an Thomas Becket berichtete.2096 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Johannes’ Wissen über die Geschehnisse im Reich von Gerard herrührte, doch scheint er in seiner Euphorie dem Aufstand eine zu große internationale Tragweite beigemessen zu haben.2097 Der Bischof von Exeter, der Adressat des Briefs, war eine der größten Stützen der Becketpartei im englischen Episkopat. Johannes’ Worte, von mehreren persönlicheren Briefen begleitet und ergänzt, waren jedoch nicht ausschließlich für ihn, sondern auch für Vertraute in seinem Klerus bestimmt. Licet ex more scribentum ist eines der frühesten Zeugnisse von Johannes’ neuem Rollenverständnis, seiner Bereitschaft, eine aktivere Rolle als Berater und Apologet des Becketzirkels einzunehmen.2098 Sein Inhalt, eine Verteidigung des ins Ausland geflohenen englischen Primas, aber eben auch die ermutigenden Entwicklungen jenseits der Alpen, sollten publik gemacht werden, um durch die Vermittlung des Exeterkreises den englischen Klerus für Beckets Sache zu sensibilisieren. Diesen offiziellen, programmatischen Charakter zeigten auch die ausladende Rhetorik und Metaphorik des Schriftstücks.2099 Trotz aller Schikanen, die Johannes’ Kommunikation über den Kanal erschwerten und Misstrauen schürten, verweist er wortgewaltig auf die kommende ­Abrechnung 2095 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 102 f. 2096 Vgl. MTB 6, Nr. 234. Zum historischen Hintergrund der Aufstände in Sachsen siehe Willy Hoppe: Die Mark Brandenburg, Wettin und Magdeburg. Ausgewählte Aufsätze, eingeleitet und herausgegeben von Herbert Ludat, Köln 1965 und Karl Jordan: Heinrich der Löwe. Eine Biographie, München 41996, S. 116 – 123. 2097 So vermutet von Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 102, Anm. 4. 2098 Zu den gescheiterten Verhandlungen in Angers siehe Johannes’ Berichte nach Exeter und Poitiers: JvS II , Ep. 164 und 167. Johannes’ Stimmungswandel dokumentiert besonders Duggan: John. Dessen rhetorische Auswirkungen beleuchtet John McLoughlin: The Language of Persecution: John of Salisbury and the Early Phase of the Becket Dispute (1163 – 66), in: Studies in Church History 21 (1984), S. 73 – 87. 2099 Zur Einordnung der Epistola 168 siehe ausführlich Hirata: Correspondents, S. 112 f. Zum Korrespondentenkreis in Exeter und Johannes’ dortigen Beziehungen: ebd., S. 95 – 103. Ferner Hohenleutner: Studien, S. 59 – 64. Auffällig ist vor allem die Christus- und Verfolgungssymbolik, die Johannes in dieser Zeit von Becket zur programmatischen Deutung des Konflikts mit Heinrich II. übernimmt. Der hatte bereits mit Antritt des Exils 1164 den Disput im Licht einer Passionsmetaphorik gedeutet. Siehe McLoughlin: Language.

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Gottes für Beckets Gegner in England, und jene, die bei Alexander III . gegen Becket zu appellieren suchten.2100 Es ist festzuhalten, dass der vorausgesagte Untergang der Feinde für Johannes von Salisbury bereits im offensichtlichen Niedergang des römischen Kaisers eine Art präfigurative Erfüllung der göttlichen Vergeltung zu finden schien: Ad momentum […] aduersus Dominum uidentur praeualere impii quibus in breui Christus, quem persequuntur, sic respondebit ad merita […] non quidem quod iniuriam inferat sed quia sine mensura et modo peccantibus immensam et inmoderatam ingeret poenam. Nec optinetur quispiam me in longa tempora prophetare, licet oraculi diuini sicut auctoritas sic et fides perpetuetur, cum planum sit iam aliquatenus inchoatum esse iudicium, immo executioni mandari sententiam. Nonne Teutonicus tirannus nominis sui fama nuper orbem perculerat […]. […] Deo auctore, timetur minus.2101

Zwei Dinge treten hervor. Zum einen die geradezu providentielle Beziehung, die Johannes von Salisbury z­ wischen dem Schisma und dem Becketkonflikt erkennt. Zum anderen die erstaunliche Tatsache, dass er elf Jahre vor Ende des Schismas den Fall des großen Stauferkaisers bereits eingeläutet sah. Das Schicksal, das ihn erhoben hatte, frohlockt Johannes, begänne zu wanken. Die Gläubigen hofften, quod ad honorem Dei in breui amplius deprimetur donec eum omnino Christus, cuius sponsam persequitur, conterat sub pedibus suis 2102. Mit der Wiederaufnahme der Christusmetaphorik, mit der er wenige Zeilen zuvor Beckets Bedrängnis beschrieb, schlug Johannes hier einen Bogen ­zwischen dem nationalen Konflikt der englischen Landeskirche mit König Heinrich und dem Angriff Barbarossas auf die gespaltene Universalkirche. Zudem greift er auch die metaphorische Triumphgeste, das in den calixtinischen Lateranfresken auf den römischen Bischof übertragene christologische Bezwingermotiv der conculcatio (Ps 90,13) wieder auf, auf das Arnulf von Lisieux und er bereits 2100 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 102 f.: nam insidiis dicuntur omnia plena esse, ut bonis inuicem colloquendi aut scribendi tutum non possit esse commercium. Nescioquid friuolum contra innocentiam molitur iniquitas et, urgente stimulo conscientiae incessanter pungentis et urentis, omnes suspectos habet et omnia; iure quidem et merito, quia pax impiis esse non debet, hostes suos iustitia impugnante et praeualente. 2101 Ebd. Mit ähnlichen Worten ermutigte er noch im Herbst desselben Jahres Gerard Pucelle zum beherzten Handeln im Feindesland in JvS II, Ep. 184, S. 216 f. Siehe auch JvS II, Ep. 181, S. 200 f. an Radulfus Niger: contra Teutonici tiranni et haeresiarchae sui uias sepiat Deus cotidie spinis et, quod dissimulare non possunt, eorum minuantur uires et euanescat auctoritas. 2102 JvS II, Ep. 168, S. 102 – 105.

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zu Beginn des Schismas verwiesen hatten.2103 Johannes von Salisbury aktualisiert nun den Psalmtext. Wo zu Beginn des Schismas der Verweis auf die Lateranfresken die Hoffnung auf Alexanders Triumph über seinen Konkurrenten suggerierte, ist es nun die Hoffnung auf die bevorstehende Unterwerfung des wahren politisch und moralisch Schuldigen, des Verfolgers, K ­ aiser Friedrich, selbst. Nicht mehr der kaiserlich geförderte Widersacher, sondern der Patron selbst musste und würde das Angriffsziel der Rechtschaffenen sein. Der Agens des Bösen war für Johannes von Salisbury im Jahr 1166 endgültig neu definiert. Der Auslöser für dessen Untergang lag in seinen Augen bereits einige Zeit zurück: Nam sicut ipsemet conqueritur, ex quo Latonam uenit ut regem Francorum et Gallicanam ecclesiam separaret a fide et in suam haeresim peruerteret ut adorarent idolum suum […].2104 Eine verständige Einschätzung, den Ursprung des Niedergangs im kaiserlichen Desaster von Saint-Jean-de-Losne zu suchen, als sich Friedrichs gebündelte Bemühungen um die endgültige Durchsetzung Viktors IV . und die Zerschlagung der alexan­drinischen Westallianz durch den diplomatischen Misserfolg ins genaue Gegenteil verkehrt hatten.2105 Trotz aller Bemühungen, das Gesicht zu wahren, hatte die Institution des Kaisertums durch Ludwigs VII . brüskierende Verweigerung einer Kooperation und das Scheitern an der Saône einen enormen Autoritäts- und Ehrverlust erlitten, von dem sich Barbarossa nicht so schnell erholen sollte. Der Bezwinger Mailands, der die Welt vor seinem Namen hatte erzittern lassen, hatte einen Großteil seiner Strahlkraft verloren.2106 Erstaunlich ist, dass selbst die diplomatische Annäherung des Reichs an den englischen König Johannes’ Zuversicht keinen Abbruch getan zu haben schien. Schließlich hatten die dem Reichsepiskopat und -adel auferlegten und vom ­Kaiser selbst abgelegten Eide auf immerwährende Treue zu Paschalis III. und das königlich-kaiserliche Doppelverlöbnis viel greifbarere Ergebnisse gebracht als das staufisch-kapetingische 2103 Vgl. AvL Ep. 24, S. 32 und JvS I, Ep. 124, S. 208. Zur weiteren Entwicklung der Unterwerfungsmetaphorik bis hin zur historisch inkorrekten Ausdeutung des Friedens von Venedig in der Moderne siehe Klaus Schreiner: Vom geschichtlichen Ereignis zum historischen Exempel: Eine denkwürdige Begegnung z­ wischen K ­ aiser Friedrich Barbarossa und Papst Alexander III . in Venedig 1177 und ihre Folgen in Geschichtsschreibung, Literatur und Kunst, in: Peter Wapnewski (Hg.): Mittelalter-Rezeption. Ein Symposion, Stuttgart 1986 (Germanistische Symposien-Berichtsbände: Teil 6 Deutsche Vierteljahrsschrift für Literatur­wissenschaft und Geistesgeschichte, Sonderband), S. 145 – 176. 2104 JvS II, Ep. 168, S. 102 f. 2105 Vgl. Reuters kritische Auseinandersetzung mit den älteren Beiträgen von Heinemeyer: Verhandlungen und Schmale: Sommer in Reuter: Schism, ab S. 80. 2106 Zu Ablauf und Einschätzung des kaiserlichen Misserfolgs siehe Görich: Friedrich ­Barbarossa, ab S. 399.

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Treffen auf der Saônebrücke. Nicht nur, dass sie keine Kompensation für den Verlust kaiserlicher honor und Autorität von 1162 bot, sie wurde (zumindest von Johannes von Salisbury) schlichtweg nicht als bedeutender Auswirkungsfaktor auf das Schisma empfunden. In demselben Brief führt er die Exkommunikation des Johannes von Oxford auf dessen ‚gotteslästerlichen Eid‘ als Gesandter der englischen Krone auf dem Würzburger Hoftag zurück.2107 Diese singuläre Verbindung an den Main ist perspektivisch auf den Becketkonflikt beschränkt. Die anfängliche Euphorie des Jahres 1166 wurde, wie es die Kölner Korrespondenz mit Gerard Pucelle widerspiegelte, im Herbst jäh unterbrochen. Fast ein Jahr lang, bis zur katastrophalen Ruhrepidemie des kaiserlichen Heeres vor Rom im Hochsommer 1167, dauert die pessimistische Episode in Johannes’ Ansicht des Schismas. Der Mutlosigkeit und Desillusion, die ihn damals erfassten, begegnete der Angelsachse jedoch nicht mit Resignation, sondern mit gesteigerter polemischer Artikulation. In gleich drei Briefzeugnissen an unterschiedliche Empfänger reflektiert J­ ohannes von Salisbury die bedrückende Befürchtung, die die Nachrichten über das Ziel der militärischen Expedition, zu der Rainald und Friedrich im Oktober 1166 aufgebrochen waren, entfesselt hatten.2108 Am radikalsten schilderte er deren Pläne und Motive gegenüber Gerard Pucelle: […] pari uoto non tam summi pontificis uitam quam Petri dignitatem conentur extinguere, dicentes: ‚Alligemus iustum, quoniam inutilis est nobis; scientiam uiarum Dei nolumus, regem nescientes nisi Caesarem.‘ Eo enim (ut aiunt) proposito in Italiam profecti sunt ut Cremensem haeresiarcham intrudant in sedem Petri, et uicarium Christi aut comprehendant aut eiciant aut occidant.2109

Es war die Furcht um das Wohlergehen Alexanders III., nicht unbedingt als Person, sondern als Papst und Stellvertreter Christi, die Angst um die apostolische Würde, die Johannes umtrieb. Friedrichs Zug auf Rom verstand er als skrupellosen Angriff zur Auslöschung der Institution des Papsttums und sah damit die gesamte Würde, Autorität, Freiheit und Existenz der ­Kirche in ihren Grundfesten gefährdet.2110 2107 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 112 f.: sacrilegium sacramentum. 2108 JvS II, Ep. 181 an Radulfus Niger (wahrscheinlich Sommer 1166), JvS II, Ep.186 an Gerard Pucelle (nach November 1166) und das an Papst Alexander persönlich gerichtete JvS II , Ep.213 (ca. Januar 1167). 2109 JvS II, Ep. 186, S. 226 – 229. 2110 Werner Maleczek hat unter dem Ansatz der ‚kontrafaktischen‘ Geschichtsschreibung ­Alexanders gelungene Flucht aus Rom als einen der Punkte herausgearbeitet, in denen die fortuna oder, im modernen Verständnis, der Zufall den Verlauf des Schismas maßgeblich beeinflussten. Friedrich Barbarossa habe nach den Würzburger Eiden enorm unter Druck

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Die Fusion biblischer Aussprüche, die Johannes den Kontrahenten dabei in den Mund legt, ist ein wundervolles Beispiel einer Technik, die Julie Barrau „‚Halo‘ scripturaire“ 2111 getauft hat. Sie bezeichnet damit die Verschmelzung mehrerer biblischer Einzelzitate und ihrer verschiedenen Bedeutungsebenen zu einem neuen Kontext, einer neuen Aussage. In der vorliegenden, wunderbar polemischen Zusammenstellung verschmilzt der Angelsachse die wichtigsten Vorwürfe und polemischen Muster, die der Gegenpartei seit Beginn des Schismas von alexandrinischer Seite entgegengehalten wurden: a) Die Gleichsetzung mit den Ägyptern und ihrer Verfolgung des Volkes Israel zu Lebzeiten des Mose, thematisiert im Buch der Weisheit, die auch Arnulf von Lisieux gerne anführte: „Lasst uns dem Gerechten auflauern! Er ist uns unbequem und steht unserem Tun im Weg. […].“ 2112 b) Die Blindheit der Frevler gegenüber Gottes Gesetz und Weisung und die Thematik des unverdienten Leidens des Gerechten (i. e. Alexanders III.) aus Hiob 21,14: „Und doch sagten sie zu Gott: Weiche von uns! Deine Wege wollen wir nicht kennen.“ und als ein argumentatives Novum, das sich mit Zuspitzung der Becketschen Polemik in Johannes’ Polemik eingefügt hatte, c) Der Verweis auf das Leiden und die Passion Christi. Insbesondere die Verbindung der Tötungsanstiftung durch die Ungläubigen aus niederen weltlichen Motiven von Gier, Macht- und Eifersucht durch die Parallelisierung mit den Hohepriestern des Neuen Testaments in Joh 19,15: „Sie aber schrien: Weg mit ihm, kreuzige ihn! Pilatus aber sagte zu ihnen: Euren König soll ich kreuzigen? Die Hohepriester antworteten: Wir haben keinen König außer dem ­Kaiser.“ Eine markige Rhetorik, mit der Johannes um die Unterstützung des befreundeten Rechtsgelehrten buhlte. Mit zwei ­kurzen Sätzen, die eine starke Botschaft in sich trugen, wollte Johannes Gerard davon überzeugen, dass Friedrich und seine Schergen unter Ablehnung göttlicher Gesetze darauf abzielten, den gerechten vicarius Christi quasi in einer erneuten Kreuzigung des Herrn Leid und Verfolgung auszusetzen, um

gestanden, das Schisma zu seinen Gunsten zu beenden. Dass sein Triumph in Rom 1167 in einer Katastrophe endete und seine Pläne, den Kontrahenten festzusetzen, durch dessen Flucht vereitelt wurden, war einer der fatalen Wendepunkte der Schismengeschichte. Siehe Werner Maleczek: Das Schisma von 1159 bis 1177. Erfolgsstrategie und Misserfolgsgründe, in: Müller/Hotz: Gegenpäpste, besonders: S. 168 – 175. 2111 Vgl. Barrau: Bible, S. 113 mit Beispielen. 2112 Weish 2,12.

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ihn, der sie auf ihrem von weltlicher Machtgier und Ehrgeiz bestimmten Weg behinderte, aus dem Weg zu räumen. Allerdings basierten die Ängste um das Wohl der ­Kirche und ihres Oberhaupts mitnichten nur auf Johannes’ individuellen Schlussfolgerungen oder persönlicher Furchtsamkeit. Hirata etwa hat vermutet, dass in einem Brief Kölner Provenienz aus dem Sommer 1165, den Johannes von Salisbury zur Ehrschädigung des englischen Königs an zwei starke Verbündete (Bartholomäus von Exeter in England und Johannes Belmeis in Frankreich) weitergeleitet hatte, von eben diesen von Heinrich von England und Friedrich Barbarossa geteilten Plänen zur Verfolgung, Festsetzung und Ermordung Alexanders, die Rede war.2113 Da das überlieferte Fragment keine entsprechende Passage enthält, ist dies leider nicht in letzter Konsequenz verifizierbar.2114 Zeitlich gesehen ist die Schlussfolgerung jedoch plausibel, denn ein Brief des Johannes von Salisbury an Radulfus Niger legt nahe, dass eine ganz andere Quelle die nagende Angst in das Herz des Exilierten gesät hatte, noch bevor Barbarossa gen Süden aufgebrochen war. Heinrich, so eröffnet Johannes Radulfus, möglicherweise mit Bezug auf den königlichen Schriftverkehr mit Köln, vertraue auf die Gefangennahme des Papstes durch den römischen ­Kaiser. Sie sei ihm von den prophetae Baal   2115 prophezeit worden. Möglicherweise enthielt der briefliche Austausch ­zwischen Köln und dem englischen Hof Informationen zu eben diesen Prophezeiungen und Plänen. Johannes von Salisbury zumindest schien davon überzeugt gewesen zu sein. Auch wenn er an dieser Stelle noch einräumt, dass diese Prophetinnen (wahrscheinlich die deutschen Mystikerinnen) törichte und falsche Dinge sähen und ihre Eingebungen nicht von Gott kämen, äußert er auch ­später noch genau dieselben Befürchtungen. Damit gewinnt auch der Verweis auf Huschai als Vorbild für Gerard einen tieferen Sinn. Wie Huschai den Absalom davon abbrachte, seinen Vater David zu töten, sollte nun auch Gerard Rainald von dem Frevel abbringen.2116 Ein kluger Weg, eine Aufforderung zu transportieren, deren Hintergrund nicht nur dem Absender, sondern auch dem Empfänger geläufig war, hatte dieser doch die Nachrichten wahrscheinlich zuerst im Geheimen an Johannes weitergeleitet.

2113 Vgl. Hirata: Correspondents, S. 493, Anm. 83. Auf die Weiterleitung eines Briefes, der ihm aus Köln zugespielt worden war, verweist Johannes in JvS II, Ep. 174 (S. 146 f.) bzw. Ep. 177 (S. 184 f.). 2114 Vgl. JvS II, Ep. 213. Der überlieferte Ausschnitt befasst sich mit der Bitte um freies Geleit durch das Reichsgebiet für eine königliche Gesandtschaft an die Kurie. 2115 JvS II, Ep. 181, S. 200 f. 2116 2 Samuel 15,34 bzw. 17,7 – 14. Siehe JvS II, Ep. 184, S. 216 f.

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Aus Johannes’ Brief spricht daher nicht nur die Angst vor der Festsetzung des Papstes, sondern auch die Furcht vor der letzten Konsequenz, sollte dieser in die Hände der Widersacher fallen.2117 „Wisst ihr nicht“, protestiert der Angelsachse zu Jahresbeginn 1167 verzweifelt in einem Klagebrief gegenüber Alexander III., „dass alle, die die Freiheit der ­Kirche hassen und jene, die sich mit dem schismatischen K ­ aiser verbündet haben, […] das Ende Eures Lebens wünschen!“ 2118 Im mittelalterlichen Verständnis der Beziehungsstruktur ­zwischen Höher- und Tiefergestelltem ist der Wunsch oder die Forcierung des Herrentods hochverräterischer Patrizid. Während Johannes von Salisbury seiner Furcht über die Skrupellosigkeit verzweifelt ein Ventil zu geben suchte, hatte Paschalis III . den sich auf dem Südweg durch Oberitalien befindlichen K ­ aiser inständig um seine Inthronisation in der Peterskirche ersucht.2119 Unterdessen hatten die kaiserlichen Heerverbände unter Führung Christians von Buch mit dem Sieg über die Römer bei Tuskulum den Kreis um den in Rom weilenden Alexander enger gezogen. Wenige Tage nach dem 20. Juli 1167, um den herum die Truppen des Kaisers, Paschalis’ III . und der beiden siegreichen Metropoliten von Mainz und Köln auf dem Monte Mario vor Rom zusammenkamen, hatten Belagerungsmaschinen und Flammen die alexandrinischen Verteidiger der Engelsburg und des Stadtviertels um St. Peter zur Kapitulation gezwungen. Auch das symbolische und militärische Zentrum der Auseinandersetzungen, die Basilika selbst, blieb von der zerstörerischen Kraft der Flammen nicht verschont. Kritische Stimmen berichteten von Verwüstung und Frevel auch innerhalb ihrer heiligen Mauern.2120 Am 30. Juli 1167 wurde Paschalis III. feierlich vom kaiserlichen Heer empfangen und auf der Cathedra Petri inthronisiert. Zum ­Zeichen seiner legitimen Amtsgewalt zelebrierte er die Messe und konsekrierte fünfzehn Elekten zu Patriarchen, Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten. Zwei Tage s­ päter, als Höhepunkt des kaiserlichen Triumphes, bekrönte er am selben Ort Friedrich und seine Königin Beatrix von B ­ urgund mit 2117 Vgl. JvS II , Ep. 181, S. 200 f.: Sapiens […] audiat a Catone, In morte alterius spem tu tibi ponere noli, praesertim innocentis et domini, cuius diem praeuenire uel uoto parricidii instar est. 2118 JvS II, Ep. 213, S. 350 f. 2119 Vgl. Morena Historia Frederici I, ed. Schmale, S. 222 – 225. 2120 Vgl. RI IV, 2,2 1678 – 1680, 1682, 1685 und Giesebrecht: Kaiserzeit V,1, S. 545 f. Dazu: Jürgen Petersohn: Der Romzug des Jahres 1167 – Triumph und Katastrophe, in: Ders.: Kaisertum. Zur Skrupellosigkeit der Invasoren exemplarisch: Henricus Historia Calamita­ tum ecclesiae Salisburgensis, ed. Zeller, S. 310 und Wilhelm von Giesebrecht/Bernhard von Simson: Die letzten Zeiten ­Kaiser Friedrichs des Rothbarts, Leipzig 1895 (Geschichte der deutschen Kaiserzeit, 6), S. 468.

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Gold und Juwelen.2121 Alexander, um dessen Leben Johannes sich so besorgt gezeigt hatte, hatte die ­Zeichen richtig gedeutet und heimlich die Flucht südwärts angetreten. In seiner Abwesenheit kam es zur Einigung Barbarossas mit dem römischen Senat, der sich dem Kaiserpapst Paschalis III. verpflichtete.2122 Doch wie so oft lagen Triumph und Niederlage eng beieinander. Kurze Zeit nach den Feierlichkeiten in der eingenommenen Stadt befiel das Heerlager der kaiserlichen Truppen eine vernichtende Epidemie, nach heutigem Wissensstand wohl eine Form der bakteriellen Ruhr.2123 Binnen weniger Tage raffte sie enorme Massen der kampf- und reisegeschwächten Soldaten und römischen Bürger dahin. Barbarossa suchte zunächst auf dem Monte Amiata Schutz und zog dann in fliehender Eile und unter weiteren herben Verlusten durch die Toskana.2124 Die Seuche wütete auch in den Reihen der Reichsfürsten und kaiserlichen Vertrauten – Laien wie Prälaten.2125 Am 14. August 1167 traf es Rainald von Dassel.2126 Mit unverhohlenem Triumph frohlockt Johannes von Salisbury im Oktober über den Tod der schismatici principes.2127 Das verheerende Ereignis in den Sümpfen Roms änderte die gesamte Ausgangslage. Nicht nur für Friedrich, der sich, schmachvoll im lombardischen Feindesland verborgen, zum Rückzug gen Norden gezwungen sah, sondern auch jenseits der Alpen, 2121 RI IV 2,2, 1688. Siehe auch Giesebrecht: Kaiserzeit V,1, S. 546 und Giesebrecht: Kaiser­zeit VI , S. 468. Zum Ablauf der Triumphfeierlichkeiten: Petersohn: Romzug, S. 219, Anm. 47; Jochen Johrendt: Barbarossa, das Kaisertum und Rom, in: Burkhardt: Kaisertum, S. 101 f. 2122 MGH D F I 533. Dazu RI IV 2,2, 1696 sowie Jürgen Petersohn: Der Vertrag des Römischen Senats mit Papst Clemens III. (1188) und das Pactum Friedrich Barbarossas mit den Römern (1167), in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 82 (1974), S. 289 – 337; Ders.: Romzug, S. 220 – 222, 225 – 242 und Johrendt: Barbarossa, S. 98 – 101, 103 – 107. 2123 So Peter Herde: Die Katastrophe vor Rom im August 1167. Eine historisch-epidemiologische Studie zum vierten Italienzug Friedrichs I. Barbarossa, Stuttgart 1991 (Sitzungsberichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main). 2124 Vgl. Ferdinand Opll: Das Itinerar ­Kaiser Friedrich Barbarossas (1152 – 1190), Wien u. a. 1978, S. 42 sowie RI IV,2,2 1707. 2125 Vgl. Görich: Friedrich Barbarossa, S. 417 – 421. 2126 Den Verlust seines ambitioniertesten Mitstreiters beklagt Friedrich I. gegenüber dem Kölner Vogt Gerhart in MGH D F I 535. 2127 Vgl. JvS II, Ep. 225, S. 392 f.: Obierunt enim consiliarii imperatoris, Raginaldus Coloniensis archiepiscopus, et Magontius intrusus, Leodiensis et Ratisponensis episcopi, et plures scismatici principes. Bis auf die Fehlmeldung, dass Christian von Buch, Erzbischof von Mainz, unter den Opfern gewesen sei, entspricht die Aufzählung der Wahrheit.

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wo sich die Nachricht, wie die erste überlieferte Reaktion aus dem Lager der Alexan­ driner zeigt, spätestens im September oder Oktober des Jahres verbreitet hatte.2128 Allen Zeugnissen gemeinsam war die Deutung der Ereignisse als Gottesurteil, das Friedrich, den „Hammer der Gottlosen“ 2129, zerschlagen habe. Auch Johannes von Salisbury betrachtete die Katastrophe vor Rom als Folge kaiserlicher Verfehlungen. Da er die ­Kirche verfolgt habe, sei Friedrich von der Würde des römischen Reichs in Armut und elende Schande gestürzt.2130 Seine eigene Tyrannenlehre propagierte, dass die größte Despotie zwangsläufig eine göttliche Bestrafung nach sich ziehen musste.2131 Wie hätte er das, was in und vor Rom geschehen war, zudem in dieser zeitlichen Nähe, anders interpretieren sollen denn als Eingriff Gottes in eine durch Menschenhand nicht mehr oder nur schwerlich zu korrigierende Gefahrensituation? Die Erkenntnis, dass Gott endlich ein irdisches ­Zeichen gesetzt habe, beflügelte den angelsächsischen Moralisten, denn sie verhieß in der Logik seiner Überzeugungen zwangsläufig ein Ende der kaiserlichen Tyrannei – wenn nicht sogar eine Entspannung des englischen Kirchenstreits. Mit großer Zuversicht und Akribie verfolgte er von da an den Fortlauf der kaiserlichen Flucht und die Vorgänge in Italien, musste doch jede positive Nachricht als weiterer Schritt Richtung Frieden erscheinen. In dieser Zeit zeigt die Korrespondenz des exilierten angelsächsischen Gelehrten die größte Dichte und Detailgenauigkeit an Informationen. Die Nachrichten schienen sich wie Lauffeuer zu verbreiten. Aus zumeist zuverlässig informierter Quelle 2132 erfährt man von der Gründung des Lombardenbundes, dem Aufstand der Bündnispartner gegen Barbarossa, von deren Belagerung des Kaisers in Pavia 2133 und seiner spektakulären Flucht aus der Lombardei 2134. Wir lesen vom Wohlergehen Papst Alexanders in Benevent und den Bedrängnissen, denen sich der in Rom isolierte Paschalis III. 2128 Das Wissen kursierte zu dieser Zeit im Becketzirkel. Die ersten mehr oder weniger offenen Hinweise auf den Schicksalsschlag Barbarossas finden sich in zwei Briefen des Thomas Becket (Ep. 139. Sollicitu de statu, in: CTB I, S. 640 f.) und Johannes von Salisbury ( JvS II, Ep. 219, S. 377) an Alexander III. Letzterer ist interessanterweise eine Einzelüberlieferung aus zwei Manuskripten der Foliotkorrespondenz und nicht Teil der Eigensammlung des angelsächsischen Gelehrten. 2129 CTB I, Ep. 150, S. 708 f. 2130 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 239. Dissipat Dominus gentes, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 454 f. 2131 JvS II, Ep. 239, S. 452 – 455. 2132 Zur auf die Ereignisse im Reich Bezug nehmenden Korrespondenz und ihrer quellenkritischen Einordnung siehe ausführlich Reuter: Germans. 2133 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 240. Honor cinguli militaris, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 458 f. 2134 Vgl. JvS II, Ep. 272, S. 552 – 561.

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gegenüber sah 2135, von der Vertreibung der schismatischen Bischöfe aus vielen Kommunen Oberitaliens, dem Wiederaufbau Mailands und der Errichtung Alessandrias als Symbolen des Widerstandes.2136 Johannes hatte auch Kenntnis von den problematischen innenpolitischen Vorgängen im Reich erlangt, die Barbarossas Machtposition nach seiner Rückkehr ins Wanken brachten: von seinem Konflikt mit seinem Halbbruder Konrad von Staufen, Pfalzgraf bei Rhein, oder dem blutigen Aufstand Alberts, Markgraf der Nordmark, und der Bischöfe von Magdeburg und Halberstadt gegen Barbarossas treuesten Fürsten, Heinrich dem Löwen, dessen Erhebung Johannes von Salisbury zu Unrecht sogar eine dezidiert kirchenpolitische Motivation zuschrieb.2137 All diese Informationen dienten dem exilierten Angelsachsen als ermutigende Randnotizen gegenüber jenen Mitstreitern im französischen Reich, in Poitiers, oder auf der anderen Seite des Ärmelkanals, in Exeter und Canterbury, die in Schisma oder Becketdisput kämpften, Ermutigung oder Ansporn brauchten und die Neuigkeiten in ihrem Einflussbereich effizient verbreiten konnten.2138 Sie waren aber auch Wegmarken zur Einordnung der tagespolitischen Ereignisse in eine heilsgeschichtliche Matrix. Anzeichen eines nicht unbedingt endzeitlich, aber zumindest das Ende des Schismas verheißenden Gerichts des Allmächtigen.2139 Johannes’ Sicht auf das Schisma 2135 Vgl. ebd., S. 560 f. und JvS II, Ep. 280, S. 610 f. 2136 Vgl. JvS II, Ep. 242 (S. 474 f.) und Ep. 276 (S. 588 f.). 2137 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 273. Etsi paruitas mea, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 570 – 573, hier: S. 572 f.; JvS II, Ep. 272 (S. 558 f.) und Ep. 276 (S. 588 f.): Studuit imperator duci reformare pacem, sed episcopi non adquiescunt, maxime ut sub optentu guerrae se possint a scismaticorum consortio separare. Imperator Teutonicis et Alemannis nutu Dei ex maxima parte datus est in odium et contemptum. Ebenso die frühen Erwähnungen des Widerstands gegen Heinrich in JvS II, Ep. 168, S. 102 f. Tatsächlich waren zumindest Wichmann von Magdeburg, der in engem Kontakt zu Alexander III. stand, und Heinrichs Widersacher Konrad, Bischof von Lübeck, bekennende Alexandriner, doch hatten die Aufstände ihren Ursprung eher in der Opposition gegenüber der ausgreifenden welfischen Territorialpolitik in Sachsen. Zur Glaubwürdigkeit von Johannes’ Ausführungen ausführlich Reuter: Germans, S. 422 f. Zur Fehde um Goslar siehe Hoppe: Brandenburg, S. 54 – 64 und Jordan: Heinrich der Löwe, S. 116 – 123. Die kirchenpolitische Haltung Heinrichs des Löwen stellt Karl Jordan: Heinrich der Löwe und das Schisma unter Alexander III ., in: MIÖG , 78 (1970), S. 224 – 235 heraus. 2138 Zu den Orten Exeter, Canterbury und Poitiers als zentrale Anlaufstellen Becketscher Propaganda und Johannes’ Verbindungen dorthin siehe Hohenleutner: Studien, S. 45 – 51, 56 – 63 sowie Hirata: Correspondents, S. 95 – 122 (Exeter), S. 211 – 252 (Christ Church, Canterbury) und S. 352 – 404 (Poitiers). 2139 Ein Beispiel dieser Strategie ist sein Ermutigungsschreiben an Balduin von Boulogne, zur damaligen Zeit Archidiakon von Sudbury ( JvS II, Ep. 240, S. 458 – 461). Darin schildert

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hatte sich integral gewandelt. Vormals hatten kurzzeitig die mit dem Gelingen des kaiserlichen Italienzugs verknüpften verzweifelten Befürchtungen seinen skeptischen Zweckoptimismus durchbrochen. Jetzt war Johannes bei der tief verwurzelten Überzeugung angelangt, dass die letzte Phase der Auseinandersetzung ­zwischen regnum und sacerdotium angebrochen war. War die Bildhaftigkeit mit teils apokalyptischen Bezügen, mit der sich seine Rhetorik in dieser Zeit, von Herbst 1167 bis zum Juli 1170, verschärfte, nur eine manieristischere Spielart, den Freunden und Verbündeten vom Fall des mächtigen Kontrahenten zu berichten oder gab es einen anderen Grund für diesen neuen Fokus? Welche Rückschlüsse ergeben sich aus ihnen für das Schismabild des Johannes von Salisbury oder seinen Umgang mit der kirchlichen Krise? Zunächst ist festzustellen, dass die meisten Briefe, die auf diese endzeitlich orientierte Bildsprache zurückgreifen, Episteln persuasiver Art sind. Das Jahr 1168 war zur Zerreißprobe für die exilierten Mitglieder des Becketkreises geworden. Die englischen Bischöfe hatten ein weiteres Appellationsverfahren gegen Becket eingeleitet. Der erneute Rückzug der alexandrinischen Kurie ins ferne Benevent erschwerte empfindlich den diplomatischen Verkehr und die Kommunikation. Nach langem Ringen ­zwischen zwei rivalisierenden Gesandtschaften beider Parteien in Benevent hatte Alexander III. König Heinrichs Minimalforderung Gehör gewährt und Becket in seinem Legatenamt über England auf Zeit suspendiert. Amtswechsel, Parteiüberläufe und Sterbefälle hatten die Anhängerschaft Beckets im Exil beunruhigend ausgedünnt und zu allem Überfluss stellten Ludwig VII. und der französische Adel auf Hinwirken des englischen Hofkaplans Johannes Cumin die Subventionen zugunsten der Becketfraktion ein.2140 Johannes’ Reaktion war eine Kampagne von Spendenaufrufen, die er z­ wischen Herbst 1167 und Mai 1168 an Freunde in England versendete. Zur damaligen Zeit hatte Becket Archidiakon Balduin von Boulogne zur Anwerbung weiterer Unterstützung auf die Insel entsandt. Einen Brief der Gruppe, die in ­diesem Zusammenhang interessiert, adressiert an Prior Richard von Dover im von den königlichen Repressalien arg gebeutelten Kent, führte der Archidiakon von Sudbury wahrscheinlich mit sich.2141 Einen anderen Brief sandte Johannes wahrscheinlich im Winter 1167 an er die Zwangslage des in Pavia eingeschlossenen Kaisers und beschwört Balduin wortreich nicht von seinem Kurs abzukommen, denn „er sähe bald die Herrlichkeit Gottes und die Versprechen der Väter erfüllt“ (S. 460 f.). 2140 Vgl. Ep. 169. Ecclesie persecutor et noster abutitur patientia, in: CTB I, S. 772 f. und Barlow: Becket, S. 175 – 178. 2141 Joannis Saresberiensis: Ep. 220. Facies caeli serenatur, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke.

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Balduin nach England. Seine rhetorische Ambivalenz, der Gebrauch von Pseudonymen und Anspielungen lässt darauf schließen, dass sich dieser damals auf einer Geheimmission befand.2142 Dem Schriftstück beigegeben waren höchstwahrscheinlich weitere epistolae, die er vor Ort alten Vertrauten in einflussreichen Positionen überbringen sollte.2143 Die bildhafte Beschreibung der kaiserlichen Niederlagen in Italien war eines der Hauptthemen dieser Briefkampagne. Entsprechend sollten die Aussagen eingeordnet werden. Um die aktuelle kirchenpolitische Lage im Heilsgeschehen zu verorten, variiert, kombiniert und verschmilzt Johannes in dieser Korrespondenz seine optimistische Einschätzung mit den unterschiedlichsten metaphysischen Bildfiguren. Zum einen setzt er Barbarossa und seine Partei mit dem Verderben bringenden Feind gleich, der in der Tradition des Propheten Joel aus dem Norden dem göttlichen Gericht am Tag des Herrn vorausgehen, aber vom Allmächtigen aus Barmherzigkeit gegenüber den Bußfertigen zerschlagen werden wird.2144 Ein schönes Beispiel dieser gedanklichen Verknüpfung mit den Himmelsrichtungen bietet ein Brief aus dem Mai 1168 an Johannes’ Vertrauten Balduin von Totnes: Et quidem spes est quod procella quae tamdiu collisit ecclesiam serenabitur in breui; et qui eam turbauerunt ab aquilone et occidente iam uidentur in illius iudicio conueniri qui potentes potenter punit et aufert spiritum principum.2145

Es könnte eingewendet werden, dass es sich hier um eine rein geographische Verortung der Bedrohung handelt, doch sollte nicht vergessen werden, dass das mittelalterliche Endzeitdenken nicht zuletzt typologisch geprägt war. Auch wenn man die Endzeit nicht direkt erwartete, versuchte man besonders den heftigen Krisen des 11. und 12. Jahrhunderts durch Bestimmung des eigenen Standortes in der Welt- und 2142 Vgl. JvS II, Ep. 240. 2143 Unter anderem an Walkelin, den Archidiakon von Suffolk und Petrus Scriptor, einen ehemaliger Kanzleischreiber der Königsfamilie, der unter Erzbischof Theobald auch in Canterbury gewirkt hatte. Siehe JvS II, Ep. 250; Joannis Saresberiensis: Ep. 251. Gaudens audio de te, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 506 – 507; ders.: Ep. 253. Praefinit uir doctissimus, in: ebd., S. 510 – 511. Details zu Umfang, inhaltlichen Schwerpunkten und Empfängern der Kampagne bei Hirata: Correspondents, S. 190 – 198. 2144 Joel 2,20. Ähnlich und mit historischem Kern (i. e. der an der Mittelmeerküste entlang erfolgte Anmarsch des Heeres aus Mesopotamien nach Palästina) auch Jer 1,13; 4,6; 6,1 – 22; 46,20 – 24. Dazu Sebastian Grätz: Himmelsrichtungen, https://www.bibelwissenschaft. de/stichwort/21242/ (letzter Zugriff: 1. 3. 2021). Weitere Beispiele: JvS II, Ep. 220 (S. 378 f.) und Ep. 242 (S. 474 f.). 2145 JvS II, Ep. 273, S. 572 f.

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Heilsgeschichte zu begegnen – nicht zuletzt auch, um zu identifizieren, was zum Schutz aktueller im Diesseits wie Jenseits geltender Werte zu tun angezeigt war. Dass dies besonders durch die Suche nach Präfigurationen geschah, war einer der Gründe, weshalb apokalyptische Termini und Bilder als Mittel der Gegenwartsanalyse und -kritik verstärkt Einzug in den damaligen Diskurs hielten. Der Feind aus dem Norden konnte dort als zeitgenössischer Typus und Hinweis dienen, dass eine weitere Stufe erlangt worden war.2146 Zur Verstärkung der Botschaft ergänzt Johannes von Salisbury die Assoziation der Schismatiker mit dem Norden und den darin implizierten Verweis auf das gnadenvolle Ende für die Gerechten durch die Weissagung des Propheten Maleachi, der den neuen Sonnenaufgang, das Auftreten Christi, der für die Bußfertigen leuchtenden Sonne der Gerechtigkeit, im Osten ankündigt.2147 Facies caeli serenatur ab oriente, caput scismatis in aquilone conteritur, ei membra languentia contabescunt, dolent latera, squamae soluuntur, ut spiraculum per eas possit incedere, et iam in occidente suos iustitiae Sol radios uibrat.2148

Die Mahnung, mit der die Empfänger zu erneuten Anstrengungen für den im Exil kämpfenden Primas gewogen gestimmt werden sollten, erhebt das Schisma zur Stufe eines endzeitlichen Gerichts. Die Konnotation ­zwischen dem Schicksal des Kaisers und der erwarteten Intervention Gottes in das Wüten des Feindes als Vorstufe des von den Propheten geweissagten divinen Gerichtstags wird hier von einer anderen, eschatologischen Seite gewoben. In der Personifizierung des Schismas als einer vormals erdrückenden Bestie mit zerschmettertem Kopf, verrottenden Gliedern und sich auflösenden Schuppen ist schon ein weiteres Bild angelegt, in dem der Angelsachse, manchmal schwer trennbar, mehrere auf den ersten Blick disparate biblische und gesellschaftstheoretische Ideenwelten miteinander verschmelzt: das bösartige schlangen- und drachenartige Ungeheuer Leviathan aus dem Buch Hiob – im christlichen Mittelalter eine Allegorie für Chaos, Sündhaftigkeit und Gottesferne –, den apokalyptischen Drachen aus 2146 Vgl. die Ausführungen zur hochmittelalterlichen Endzeiterwartung bei Hans-Werner Goetz: Endzeiterwartung und Endzeitvorstellung im Rahmen des Geschichtsbildes des früheren 12. Jahrhunderts, in: Verbeke: Use; Struve: Endzeiterwartungen; Horst Dieter Rauh: Eschatologie und Geschichte im 12. Jahrhundert. Antichrist-Typologie als Medium der Gegenwartskritik, in: Verbeke: Use, hier: S. 358. 2147 Mal 3,20. 2148 Aus dem Exordium eines der ersten Unterstützungsgesuche aus dem Herbst 1167 an Prior Richard von Dover: JvS II, Ep. 220, S. 378 f.

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der Offenbarung des Johannes von Patmos und die polikratische Vorstellung vom Körper des Staatswesens.2149 Der Bezug zur Apokalypse des Johannes wird an einem an einen Petrus Scriptor ergehenden Bestandteil der Briefreihe besonders deutlich. Johannes fragt, wer es wollen würde, ohne Angst die Sterne und das Universum fallen zu sehen, und fährt fort: Talis quidem nuper erat facies mundi, cum ab aquilone et occidente in orientem irrupisset et austrum maximam, ut uidebatur, partem deiectura stellarum.2150 Die direkte Referenz an das Niederreißen der Sterne durch den Schwanz des apokalyptischen Drachen in Offb 12,4, im ersten Teil der zitierten Passage, ist nicht ganz neu im saresberiensischen Schismadiskurs. Allerdings hatte er unmittelbar nach Ausbruch des Schismas, als Barbarossas Rolle noch nicht abzusehen gewesen war, am Ende des Metalogicon, den apokalyptischen Drachen noch nicht mit dem K ­ aiser, sondern 2151 mit dem Gegenpapst assoziiert. Der Wandel in der Identifikation der treibenden Kraft im Schisma schlägt sich auch hier nieder. Wo zunächst der ­Kaiser und der Erzbischof von Köln als capita scismatis verunglimpft wurden, konnte nach Rainalds Tod nur noch der Staufer selbst die Rolle des endzeitlichen Drachen einnehmen. Die Beschreibung Barbarossas als Haupt des Schismas ging über solcherlei polemische Assoziationen noch hinaus. Dies zeigt ein drittes, ein medizinisches Bild, das Johannes eng mit dem Bild des Drachen verwebt, um zu erläutern, dass das Schisma fast überwunden sei: Sed flauit in Italia Spiritus Sanctus, contriuitque scismatis caput, ut ei iam latera contabescant et membra commoriantur; non est enim medicus, non incantator, qui ea de manu Domini possit eruere.2152 An anderer Stelle definiert Johannes von Salisbury die Häresie des Schismas als zerstörerische Geisteskrankheit, die er, in sinnträchtiger Variation des morbus-Bilds, mit dem Becketkonflikt kontrastiert.2153 Den organologischen Vorstellungen getreu wird 2149 Der Bezug zum oft als Krokodil oder Schlange dargestellten Leviathan, dessen Wüten Hiob die eigene Hilflosigkeit und Abhängigkeit von Gott aufweisen sollte, zeigt sich besonders in der Beschreibung der sich lösenden Schuppen, die höchstwahrscheinlich ein Spiel mit der Beschreibung des Leviathan aus Hiob 41,14 (bzw. 15) ist: Membra carnium ejus cohærentia sibi: mittet contra eum fulmina et ad locum alium non ferentur. Theologisch gesehen ist er jedoch unerheblich, da die Überlegenheit des Geschöpfes Hiob „die Größe Gottes ahnen“ lassen soll. Siehe Johannes Gamberoni: Leviatan, in: LThK 6, S. 863. 2150 JvS II, Ep. 250, S. 502 – 505. 2151 Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan IV, 42, S. 183 f. 2152 JvS II, Ep. 250, S. 502 – 505. 2153 Seit dem 12. Jahrhundert wurde der Vergleich der Häresie mit einer Krankheit des Körpers oder Geistes häufig als Hilfskonstrukt herangezogen, um den Irrglauben und seine Auswirkungen auf das Individuum und seinen Platz in der Gesellschaft verständlich zu machen. Siehe dazu Moore: Heresy. Es handelte sich also um ein geläufiges Bild. Schon 1159 hatte

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das Schisma als ein schwächelnder, unheilbar krankheitsgeschüttelter Körper wahrgenommen. Das Schisma befinde sich im akuten Stadium, sozusagen der Fieberkurve, in dem sich jedoch der Krankheitsverlauf ­zwischen Genesung oder Verschlechterung noch entscheiden werde, eine Situation mit durchaus positiver Erfolgsaussicht also.2154 Durch den Vergleich mit einem monströsen, aber eben auch menschlichen Organismus will Johannes die Vergänglichkeit der kirchlichen Krise aufzeigen. In den zahlreichen Beispielen, die sich dafür finden lassen, tauchen zwei Aspekte immer wieder auf: das Haupt und die Flanken des Organismus.2155 Ersterer, das caput, wird mit dem K ­ aiser, dem polikratischen Fürsten, assoziiert. Er stellt das einende, zum Leben befähigende Hauptorgan des schismatischen Körpers dar. Werde der Kopf vom Leib getrennt, so Johannes, sei der Untergang des Ganzen unausweichlich.2156 Das dieser Deutung zugrunde liegende Gedankengerüst geht über reine Metaphorik hinaus. ­Johannes von Salisbury rekurriert deutlich auf seine eigene organologische Staatstheorie. Dies zeigt insbesondere seine Ausdeutung der Flanken des schismatischen Körpers in Ep. 273 (Etsi paruitas mea) an Balduin von Totnes. Nach der Schilderung des Aufruhrs, dem Friedrich Barbarossa auf seiner schmachvollen Flucht diesseits und jenseits der Alpen, nicht nur in Italien, sondern auch in Burgund und auf deutschem Boden, begegnet sei, artikuliert Johannes eine tiefe Hoffnung: Quid ergo superest a Domino exspectandum, nisi ut ei compereant latera sua, et quos complices habuit in errore comites habeat in ruina? 2157 Den Gedanken führt er mit einem Bild weiter, aus dem sich selbst die hervorragenden Editoren Millor und Brooke keinen rechten Reim machen konnten. Nam et in rithmachia ludentium hoc indicat iocus, ubi quociens aufertur piramis intercepta, totiens concidunt latera eius. Nonne harum piramidum instar habent saeculi potestates, et quaelibet amplae domus, ubi quasi corporis membra capiti suo concorruunt, qui de illius uiribus contra Dominum intumuerant et in Christi pauperes saeuiebant?2158

die alexandrinische Seite Oktavian von Monticelli in Alexanders Wahlanzeige als geisteskranken Wüterich porträtiert: MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 41. 2154 Vgl. JvS II, Ep. 221, S. 380 f.: Morbus cum in summo est properat in defectum, et, si peritus est artifex, causa cognita facilius curat. Ceterum medicus ecclesiae, qui medetur infirmitatibus nostris et uulnera sanat nunc cauterio, nunc fomentis, miscuit potionem quae propinabitur filiis Babilonis [i. e. die Royalisten], ut inebrientur et corruant et uasa transmigrationis redire patiantur ad cultum Dei sui. 2155 Vgl. JvS II, Ep. 220 (S. 378 f.), Ep. 221 (S. 380 f.), Ep. 250 (S. 504 f.), Ep. 253 (S. 510 f.), Ep. 273 (S. 572 f.). 2156 Vgl. JvS II, Ep. 253, S. 510 f. 2157 JvS II, Ep. 273, S. 572 f. 2158 Ebd.

Hoffen und Bangen: Reflexion und Instrumentalisierung

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Das Spiel, auf das Johannes von Salisbury verweist, ist ein unter mittelalterlichen Gelehrten sehr beliebtes, aber lange vergessenes, hochkomplexes Brettspiel, zu dessen Erforschung Arno Borst und Enno Bünz beigetragen haben.2159 Das Johannes unter den als Rithmomachie, aber auch unter den Namen Numerorum conflictus, Zahlenkampfspiel oder Philosophenspiel bekannte mathematische Lehr- und Strategiespiel basierte auf der Boethischen Harmonielehre. Einer der Spielsteine, an Bedeutung vergleichbar mit dem König im Schachspiel, war ein aus mehreren Einheiten zusammengesetzter pyramidischer Turm, dessen Einheiten einzeln attackiert und besiegt werden konnten. Johannes zieht hier den direkten Vergleich ­zwischen einem bestimmten Spielzug, in dem die Pyramide als wichtigster Spielstein durch das Entfernen ihres Basiselements geschlagen – sozusagen vernichtet – wurde, mit der existentiellen Beziehung ­zwischen dem Fürsten und seinen ‚Flanken‘. Diese „Körperglieder […], die durch die Kraft des Hauptes gegen den Herrn aufgebläht und gegen Christi Arme gewütet hätten“ 2160 identifiziert er gemäß der polikratischen Staatstheorie als die dem Fürsten nahestehenden Höflinge, seine Ratgeber.2161 Wenn der ­Kaiser stürze, so stürzten 2159 Arno Borst: Das mittelalterliche Zahlenkampfspiel, Heidelberg 1986 (SB Heidelberg, 5). Siehe David Sidney Parlett: The Oxford History of Board Games, Oxford/New York 1999, S. 332 – 342 und Alfred Holl: Spiel mit Zahlen – Kampf mit Zahlen? Das mittelalterliche Zahlenkampfspiel Rithmomachie in seiner Regensburger Fassung um 1090, Växjö 2005 (Rapporter fran Växjö Universitet: Matematik, naturvetenskap och teknik, 2005,3). Seine Entstehung wird von Enno Bünz: Erfand der spätere Bischof Adalbero von Würzburg das Zahlenkampfspiel? Überlegungen zur Würzburger Domschule in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, in: DA 49 (1993), S. 189 – 199 auf den Würzburger Schulstreit der 1030er Jahre zurückgeführt. Zur Verbreitung und Geschichte des Spiels siehe Ann E. Moyer/William Fulke/Ralph Lever: The Philosophers’s Game. Rithmomachia in Medieval and Renaissance Europe, with an edition of Ralph Lever and William Fulke “the most noble, auncient, and learned playe” (1563), Ann Arbor 2001 (Studies in Medieval and Early Modern Civilization). 2160 Vgl. JvS II, Ep. 273, S. 572 f. 2161 Siehe die Idee der Ratgeberschaft als stabilisierende latera des Staatskörpers (vgl. Policraticus I, ed. Webb V, 2, S. 283) sowie seine Kritik an der Korruption unter den Höflingen (ebd. V, 10). Zur sprachgeschichtlichen Tradition dieser Übersetzung des lateinischen Begriffs latera siehe Bengt Löfstedt: Notizen zu den Briefen des Johannes von Salisbury, in: Acta Classica: Verhandelinge van die Klassieke Vereniging van Suid-Afrika / Proceedings of the Classical Association of South Africa, 30 (1987), S. 75 – 80, hier: S. 76, der sich gegen die in der Edition der Exilsbriefe vorgeschlagenen Übersetzung mit dem englischen ‚flanks‘ wendet: „In der Anm. z. St. heisst es u. a. ‚presumably John was thinking of some kind of spillikins.‘ Vielmehr dürfte latera hier jedoch ‚Ratgeber‘, ‚Kollegen‘ bedeuten“ (S. 76). Bedenkt man die Parallelsymbolik in der Bezeichnung apostolischer Legaten als laterae papae gewinnt dies

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d­ iejenigen, die ihre Macht aus seiner Autorität gezogen hätten, ebenfalls – auf beiden Seiten des Ärmelkanals. So die logische Prämisse aus Johannes’ staatspolitischen Vorstellungen vom interrelationalen Wesen der res publica. Es sei an seine Beschreibung der res publica impiorum erinnert, jenes Schreckensbildes eines pervertierten Staatswesens aus Policraticus VIII, 17, das so elegant auch einen schismatischen Gegenentwurf zum rechtsstaatlichen Ideal der res publica bilden könnte: Habet enim et res publica impiorum caput et membra suae, et quasi civilibus institutis legittimae rei publicae nititur esse conformis. Caput ergo eius tirannus est imago diaboli; anima heretici scismatici sacrilegi sacerdotes et […] praefecti religionis, impugnantes legem Domini […].2162

In Johannes’ Vorstellungen hatte sich die res publica impiorum noch nicht endgültig herausgebildet. Nicht einmal in den trostlosen Monaten des Sommers und Herbstes 1166 verweist er explizit auf die organologische Staatsidee und doch schwebt sie wie ein Schatten hinter seinem Schismabild. In den der akuten Romkrise folgenden Monaten kann man erkennen, dass das Schismabild sich durchaus auf einzelne Aspekte der ­Theorie stützte, besonders auf die Reziprozität und Abhängigkeit der membra, caput und latera, das heißt auf das verbundene Schicksal des Kaisers und seiner Ratgeber wie es in Johannes’ Augen durch die Schmach des Stauferherrschers und den unwürdigen Seuchentod seines mächtigsten Ratgebers belegt worden war. Eine neue Qualität der Aussagen ergab sich nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, aus einer polemischen, sondern aus einer persuasiven Zielsetzung. Die einprägsame Bildsprache zur Gesamtlage im Schisma sollte suggerieren, dass im Gegenzug die Chancen für einen positiven Ausgang des Becketkonflikts erheblich gestiegen waren. Auch wenn die schicksalhafte Verbindung von Schisma und englischem Kirchenstreit und die Hoffnung auf bevorstehenden Frieden wohl im Dienste der Sache in strahlenderen Farben gemalt worden sein wird (schließlich hatte sich Johannes von Salisbury zu den brieflichen Hilfsappellen aus einer konkreten Notlage heraus veranlasst gefühlt), sollte sie den Gegenüber ermutigen, seine aktive finanzielle und moralische Unterstützung zu erhöhen. Schisma und Becketkonflikt wurden als verwobene, sich noch weiter an Plausibilität. Löfstedt verweist auf den klassischen Sprachgebrauch ersichtlich aus Thesaurus linguae Latinae. Bd. 7,2, Lipsiae 1973, S. ab S. 40, 1026. Ferner: Bengt Löfstedt: Augustin als Zeuge der lateinischen Umgangssprache, in: Helmut Rix (Hg.): Flexion und Wortbildung: Akten der 5. Fachtagung der Indogermanischen Gesellschaft Regensburg, 9. – 14. Sept. 1973, Wiesbaden 1975 (Akten der Fachtagung der Indogermanischen Gesellschaft, 5), S. 192 – 197, hier: S. 194. 2162 Policraticus II, ed. Webb VIII, 17, S. 348 f.

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gegenseitig bedingende Gemengelage betrachtet. Mit dem Untergang oder zumindest dem Autoritätsverlust Friedrichs I. hatte sich das Blatt für die Universalkirche gewendet. Warum nicht auch für den lokal begrenzteren Disput in der ecclesia Anglicana? Dass zumindest für das Papsttum die Zeit günstig wie nie war, zu neuer Stärke zu finden, zeigt eine ebenso eindringliche Forderung, die Johannes von Salisbury in der Euphorie der Nachrichten aus dem Süden an Alexander III. höchstpersönlich richtete: […] benedictus Deus, qui misertus ecclesiae contriuit auctorem scismatis, illum detestandum saeculis Fredericum, coram facie uestra, docens annum placabilem Domino et tempus miserationis iam aduenisse, ut et uos, qui gladium Dei uidetis eductum in capita tirannorum, in eos Petri gladium exeratis, sitisque quod constituti estis coadiutores Dei in exterminio eorum qui, ut stabiliant iniquas hominum traditiones, uerbum Dei moliuntur extinguere. Sic utique manus uestras Domino consecrabitis in exterminio ydoli, Leui restituetur, ut gaudeat benedictione patris, et sacerdotium uestrum […] reddetur omnibus saeculis gloriosum.2163

Das päpstliche Priesteramt wieder zu alter Würde aufzuwerten, das kaiserliche Götzenbild der gegenpäpstlichen Kontrahenten abzuschütteln, die gesamte Amtsgewalt furchtlos gegen jene zu richten, die der K ­ irche durch die Konstitutionen von Clarendon schaden wollten, kurz, die Beendigung der gesamten Konfliktlage in ecclesia Anglicana und Universalkirche, nicht mehr und nicht weniger verlangte Johannes von Salisbury am Ende d­ ieses turbulenten Schicksalsjahres von Alexander. Die Lösung aller Probleme schien ihm zum Greifen nah.2164 Einem zeitnah zu datierenden Brief an Wilhelm Brito, den Subprior von Christ Church, nach scheint Alexander die ambitionierte Herausforderung angenommen zu haben. Der Kontext des Briefes ist in d­ iesem Fall nicht unbedeutend: Prior Wibert war im September 1167 verstorben und die Mönche des Kathedralklosters hatten um die königliche Erlaubnis zur Wahl eines neuen Oberhauptes ersucht. Johannes und Becket, die fürchteten, der Einfluss Heinrichs II . auf den neu zu wählenden Prior könne zu groß werden, versuchten den Konvent aus der Ferne von schlechtem Umgang fernzuhalten. Dazu gehörte vor allem der Verkehr mit Feinden Canterburys wie dem königlichen Günstling Ranulf de Broc, dem in Beckets Abwesenheit die Ländereien von Canterbury unterstellt worden waren.2165 Daher Johannes’ 2163 JvS II, Ep. 219, S. 376 f. 2164 Vgl. JvS II, Ep. 242, S. 474 f.: incolumitas ecclesiae in capite reparatur, superest spes fidei certissima quod unguentum a capite in apostolicam barbam exuberans descendet in caput et oram Anglicanae ecclesiae […]. 2165 Vgl. ebd. Zur Einordnung des Briefes siehe Hirata: Correspondents, S. 226 f.

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triumphierende Schilderung des Wiederaufstiegs Papst Alexanders und das düstere Bild des Schicksals, dem sich der flüchtige ­Kaiser ausgesetzt sah. Mit biblischen und historischen Bildern aufgeladen, umrahmen diese Ausführungen perfekt den päpstlichen Machtgewinn in Italien: […] vicarius Petri, a Domino constitutis super gentes et regna, Italos et omnes, qui ei ex causa imperii et regni religione iurisiurandi tenebantur astricti, a fidelitate eius [i. e. den römischen K ­ aiser] absoluit, et Italiam fere totam a facie furentis et praesentis tanta felicitate et celeritate excussit ut in ea nichil habere uideatur nisi tortores, quos euitat interdum, et angustiarum, quas euitare non potest, iuge supplicium.2166

Augenscheinlichstes und wohl beeindruckendstes Beispiel für das Rad der Fortuna und den Triumph Alexanders als vicarius Christi war der Wiederaufbau Mailands, dessen Zerstörung der größte Prestigegewinn des Kaisers gewesen war: Hoc enim Itali audito ab eo discedentes reaedificauerunt Mediolanum, scismaticos expulerunt, catholicos reduxerunt episcopos et apostolicae sedi unanimiter adhaeserunt.2167 Zur Wiederkehr apostolischer Vollgewalt gehörten aber, wie hier angedeutet, selbstverständlich nicht nur die angemessenen Maßnahmen Alexanders in der Verfolgung Barbarossas, sondern auch die Konsolidierung der alexandrinischen Obödienz durch die Erneuerung des personellen status quo ante in Italien. Denn gerade die stückweise Restitution der vorschismatischen Personalstruktur der K ­ irche Italiens verfolgt Johannes von Salisbury mit Spannung. Die Vertreibung des von den kaiserlichen Gegenpäpsten ordinierten Hochklerus durch die lombardischen Kommunen war ihm Z ­ eichen einer neuen Epoche. Zwischen Dezember 1167 und März 1168 verbreitete er voller Triumph die hoffnungsvollen Neuigkeiten im Herrschaftsbereich Heinrichs II .2168 Die drei thematisch verwandten schriftlichen Apelle, die aus dieser Zeit erhalten sind, waren Teil einer Briefkampagne, die Beckets Position in der Normandie, im Osten Englands und in Canterbury stärken sollte. Sie zeigen, wie die vielversprechende Entwicklung zum Zugpferd für einen erneuten Schwung im Becketdisput wurde.2169 2166 JvS II, Ep. 242, S. 472 – 475. 2167 Ebd., S. 474 f. 2168 Vgl. JvS II, Ep. 240, S. 458 f.: Fredericum intra Papiam clausimus et tenemus obsessum; eiectos a scismaticis episcopos reduximus in sedes suas et, contrito capite impiorum […]. Ferner: JvS II, Ep. 242, S. 474 f. und JvS II, Ep. 239, S. 456 f. 2169 Empfänger war Nikolaus von Mont-Saint-Jaques vom Leprosenhospital auf dem Mont-auxMalades von Rouen, der als Vermittler ­zwischen Becket und der Kaiserin fungierte. Der Augustinerchorherr war eine der wenigen Stützen Beckets in der Normandie. Hirata:

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Die Frage der Amtsenthebung der von schismatischen Vertretern ordinierten Prälaten war keineswegs eine bloße propagandistische Randnotiz des Becketzirkels. Schließlich war ein Schisma mit der Klärung der Autoritäts- und Anerkennungsverhältnisse z­ wischen den Hauptakteuren an seiner Spitze, dem rechtmäßigen Papst und seinem Kontrahenten, noch lange nicht bis hinunter in die kirchliche Basis geklärt. Die Eingliederung der Betroffenen in die Einheit der K ­ irche war eine relevante juristische Streitfrage, bedeutete doch die Anerkennung der schismatischen Weihen die Akzeptanz einer ehemaligen und potenziell riskanten kirchlichen Parallelhierarchie – ganz zu schweigen von den materiellen Auswirkungen auf Pfründenbesetzung und die Verteilung von Kirchengut.2170 Die von Johannes von Salisbury so begrüßten Zersetzungserscheinungen durch die Selbstjustiz lombardischer Kommunen stellten keine kirchenrechtlich tragfähige Lösung dieser Problematik dar. Nach einem Katz- und Mausspiel mit dem Heer des Lombardischen Städtebundes, der sich am 1. Dezember 1167 aus einem Zusammenschluss der oberitalienischen Kommunen und dem Veroneser Bund gegründet hatte, waren Friedrich I. und sein militärisches Gefolge gezwungen, ihre erste Zuflucht Pavia schmachvoll verkleidet zu verlassen und sich unter Lebensgefahr bei Nacht und Nebel über die Alpen zu retten.2171 Johannes von Salisbury ist historischer Hauptzeuge für die Ereignisse d­ ieses turbulenten Dezembers. Im Frühjahr 1168 beschreibt er Archidiakon Balduin äußerst plastisch die Flucht des Kaisers aus Italien.2172 Die Neuigkeiten hatte Johannes auf Correspondents, ab S. 467 geht davon aus, dass er Teil einer geplanten Kampagne in der Normandie war. Siehe JvS II, Ep. 239, S. 456 f. Briefe auf die Insel ergingen an den Archidiakon von Sudbury, Balduin von Boulogne, der von Becket mit der Mission nach England gesandt worden war, Unterstützer zu akquirieren, aber auch an die Mönche von Christ Church in Canterbury. Siehe JvS II, Ep. 240 (S. 458 f.) und Ep. 242. 2170 Zur verstörenden Wahrnehmung einer solchen Aufhebung der als ordnungsstiftend empfundenen Autorität einer unter einem traditionell fast monarchistisch legitimierten Petrus­nachfolger geeinten Kirchenstruktur und der essenziellen Rolle des ihn stützenden Kardinalskollegiums siehe die Studien in Müller: Verlust. Die Negierung hierarchischer Vagheiten, die maßvolle Konfrontation des Gegners und die erneute Zusammenführung der verdoppelten Strukturen gehen daraus als notwendige Grundvoraussetzung zur vollständigen Bewältigung einer schismatischen Grundsituation hervor. Siehe ders.: Kritische Verdopplung – Zusammenfassende Gedanken, in: Müller: Verlust, S. 227 – 234, hier: S. 229. 2171 Die Würdelosigkeit der Situation beklagten die Kölner Königschronik (Chronica regia Coloniensis, ed. Waitz, S. 120) und Johannes von Salisbury, der Barbarossa als fugientes cum ignominia sempiterna beschreibt ( JvS II, Ep. 253, S. 510 f.). 2172 JvS II , Ep. 272, S. 552 – 561. Eine detailliertere Chronik seines Rückzugs ins Reich siehe Görich: Friedrich Barbarossa, S. 368 – 371.

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seiner ­zwischen 1167 und 1168 unternommenen Pilgerfahrt nach Saint-Gilles von glaubwürdigen Augenzeugen erfahren.2173 Derselbe Brief erwähnt auch die erste, wenn auch noch erfolglose Anbahnung von Ausgleichsverhandlungen z­ wischen Friedrich und hochrangigen Vermittlern aus den Orden der Kartäuser und Zisterzienser.2174 Diese durch die heikle Bedrängnis des südlich der Alpen festsitzenden Kaisers zustande gekommenen Versuche scheiterten absehbarer Weise, sobald der Weg über den Mont Cenis frei war.2175 Erneute Friedensverhandlungen bahnten sich an, nachdem Paschalis III . am 20. September 1168 in Rom verstorben und seine Kardinäle durch die Erhebung seines Nachfolgers, Calixt III ., ehedem Kardinalbischof von Albano und Abt des Vallombrosanerklosters von Strumi, das Schisma und den Widerstand im Reichsepiskopat neu entfacht hatten.2176 Erneut weiß Johannes von Salisbury von den im folgenden Jahr wieder aufgenommenen Gesprächen zu berichten.2177 Offenbar hatte sich Balduin von Totnes, vielleicht stellvertretend für den englischen Episkopat, nach dem Verlauf der Friedensverhandlungen z­ wischen der Kurie Alexanders III. und dem Kaiserhof erkundigt. In einem Antwortschreiben beruhigt Johannes von Salisbury den Freund, dass ein Friedensschluss kurz bevorstünde. Zudem weiß er zu berichten, dass Barbarossa zur Bedingung gemacht habe, dass sein Zweitgeborener als Thronfolger akzeptiert und durch katholische, d. h. alexandrinisch gesinnte Bischöfe geweiht werde. Zudem sollte er selbst bei all seinem Gehorsam gegenüber dem Heiligen Stuhl nicht gegen seinen Willen zur Anerkennung irgendeines Papstes außer Petrus und seiner bereits verstorbenen Nachfolger gezwungen werden dürfen.2178

2173 Vgl. JvS II, Ep. 272, S. 554 f. Als Gewährsmänner genannt: Kanoniker aus Noyon, Männer des Grafen der Champagne und des englischen Königshofs auf Mission in der Gegend. 2174 Vgl. ebd., S. 556 – 559. Die Initiative ging demnach von einem kartäusischen Laienbruder, Dietrich von Silve-Bénite, aus, der vielleicht ein Verwandter des Kaisers war und eine wichtige Vermittlerrolle bis zum Frieden von Venedig einnehmen sollte. Als Vermittler nennt Johannes von Salisbury Gottfried von Auxerre als Repräsentant des Abtes von Cîteaux, den Bischof von Pavia, Pietro Toscani, und den Prior des kartäusischen Mutterklosters, der Grande Chartreuse. 2175 Schon Johannes von Salisbury erkannte daher die Signale zur Annäherung als eine böswillige Täuschung des Kaisers: ebd., S. 552 f. 2176 Zu Werner Maleczek: Calixtus III. ( Johannes von Struma), in: Lex.MA 2 (1983), Sp. 1398 und Karl Jordan: Callisto III, antipapa, in: Dizionario biografico degli italiani, 16 (1973), S. 768 – 769. 2177 JvS II, Ep. 289. 2178 Vgl. ebd., S. 656 – 659.

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Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist wiederholt angezweifelt worden.2179 Die Ausklammerung des römischen Kaisers aus der Obödienz des Papstes wäre für ­Alexander nicht nur ein enormer Autoritätsverzicht, sondern auch rein praktisch äußerst schwer durchsetzbar gewesen. Auch die Festlegung des zweitgeborenen Prinzen Heinrich auf Alexander III . mutet eher unwahrscheinlich an, hatte Friedrich diesen doch bereits im selben Jahr, vor Ausgang der Verhandlungen durch den schismatisch ordinierten Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg in Aachen zu seinem Nachfolger krönen lassen.2180 Eine von Johannes aufgeführte Kondition des Kaisers jedoch ist sehr glaubwürdig: Et in his facile audiretur, si non pactis insereret ut in gradibus et dignitatibus suis remaneant qui sunt a scismaticis haeresiarchis ordinati et consecrati.2181 Aufgrund der guten Informationslage des Saresberiensis kann zumindest seine Einschätzung der Rolle der schismatischen Weihen im Scheitern der frühen Einigungsbemühungen ernst genommen werden.2182 Bis in deren letzte Phase hinein war sie der große Belastungstest der kaiserlich-päpstlichen Verhandlungen. Beide Parteien hatten sich in der Angelegenheit in ein Patt manövriert. Alexander III. hatte 1163 auf dem Konzil von Tours die Verurteilung sämtlicher schismatischer Ordinationen verkündet.2183 Friedrich, für den es um den Erhalt der Legitimität eines Großteils der Stützen seines Reichsepiskopats ging, hatte mehrfach und zuletzt auf dem Hoftag von Würzburg 1165 einen Eid geleistet, Alexander III. niemals anzuerkennen.2184 Eine Einigung kam daher erst 1176 im Vorvertrag zu Anagni zustande, indem man auf einen im Decretum Gratiani enthaltenen Kanon der Synode von Piacenza (1095) aus dem Pontifikat Urbans II. zurückgriff. Er war eine gute Kompromissgrundlage, gestattete er die Anerkennung von Weihen, die nicht durch den G ­ egenpapst 2179 Vgl. Laudage: Alexander, S. 189 – 191 und Reuter: Germans, S. 420 f., der den Brief als eine „seltsame Mischung aus gut informiert und eher weit daneben“ charakterisiert. 2180 RI IV,2,3 n. 1847. 2181 JvS II, Ep. 289, S. 658 f. 2182 So ist etwa sein Wissen über die Position des späteren Heinrich VI. in der Geburtenfolge von Gerhard Baaken: Die Altersfolge der Söhne Friedrich Barbarossas und die Königserhebung Heinrichs VI., in: DA 24 (1968), S. 46 – 78, hier: S. 46 bestätigt. 2183 Concilium Turonense (1163), in: Mansi 21, c. 9, Sp. 1179: Ad haec, ordinationes factas ab Octauiano, et aliis schismaticis; et haereticis evacuamus, et irritas omnes esse dicimus, et decernimus. 2184 Vgl. MGH D F I 480, S. 396, Z. 37 – 39. Die schismatischen Weihen der Bischofselekten von Hildesheim, Würzburg, Passau und vieler anderer gewählter, aber noch nicht ordinierter Mitglieder des Reichsepiskopats waren als Folge der Würzburger Beschlüsse als Teil der „demonstrative[n] Inszenierung der einheitlichen Obödienz von ­Kaiser und Reichsepiskopat“ forciert worden. Siehe Görich: Friedrich Barbarossa, S. 410 – 413.

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­ ersönlich oder einen von diesen selbst geweihten, also durch zuvor ‚katholisch‘ p ordinierten Bischof gespendet worden waren. Das erlaubte dem ­Kaiser, vielen seiner Mitstreiter, die in Schismazeiten auf hohen Kirchenpositionen ordiniert worden waren, den Verbleib im Amt zu garantieren.2185 Der Passus, der 1177 verbatim Eingang in das Abkommen von Chioggia fand, das die Bedingungen des Friedens endgültig festlegte, wurde schließlich 1179 auf dem dritten Laterankonzil per Dekret auch als kirchenrechtliche Norm fixiert.2186 Vor ­diesem Hintergrund ist der Wortlaut der Schilderung in Johannes’ Antwort an Balduin von Totnes einen zweiten Blick wert. Scheiterungsgrund sei die Forderung gewesen, jene Weihen für gültig zu erklären, die die „schismatischen Häresiarchen“ 2187, also Viktor IV. und Paschalis III., gespendet hätten. Sollte es der Wahrheit entsprechen, dass an d­ iesem Punkt nur noch die von den Gegenpäpsten persönlich durchgeführten Ordinationen zur Debatte standen, könnte dies darauf hindeuten, dass der Kanon von Piacenza bereits damals als Vorbild fungierte, Friedrich jedoch nicht gewillt gewesen war, sich darauf einzulassen.2188 Auf jeden Fall jedoch belegt das Interesse, das Johannes von Salisbury am ungeklärten Sachverhalt der schismatischen Ordinationen hegte, dass er die seiner Meinung nach in Gang gesetzte Auflösung des Schismas auch in ihren rechtlichen Dimensionen verfolgte und beachtete. Die Reflexion solch spektakulärer tagespolitischer Vorgänge wie der Friedensverhandlungen in Veroli und die Verbreitung von Informationen darüber gehörten zweifellos zum lebensweltlichen Interesse der Zeitgenossen. Man könnte also annehmen, dass der Fortgang des Schismas per se einen Mann wie Johannes von Salisbury, den seine persönlichen Lage zwang, am Puls der Zeit zu leben, interessierte, aber es waren mehr als Sensationslust oder Informationsfragen, die Johannes’ Anteilnahme an den Geschehnissen leiteten. 2185 Vgl. Nr. 393. Urbani II. Concilium Placentium (1095), in: MGH Const. 1, S. 562, c. 10, Z. 23 – 26: Qui uero ab episcopis quondam quidem catholice ordinatis sed in hoc scismate a Romana aecclesia separatis consecrati sunt, eos nimirum, cum ad aecclesiae unitatem redierint, servatis propriis ordinibus, misericorditer suspici iubemus, si tamen vita eos et scientia commendat. Zu dieser Garantie und weiteren rechtlichen Vorbildern für das Pactum Anagninum und die Durchsetzung des Grundsatzes von Piacenza im Fall des alexandrinischen Schismas siehe Laudage: Alexander, S. 207 – 212, 223, 236 f. 2186 Vgl. Nr. 687, in: Die Urkunden Friedrichs I. (Friderici I. Diplomata). Teil 3: Die Urkunden Friedrichs I. 1168 – 1180, ed. Heinrich Appelt u. a., Hannover 1985, S. 202 – 206, hier: S. 204 f., §§ 12 – 21 und Concilium Lateransense III, c. 2, S. 211, Z. 25– S. 2112, Z. 6 in Conciliorum oecumenicorum decreta, ed. Giuseppe Alberigo, Bologna 1973. Dazu Laudage: Alexander, S. 237 f. 2187 Vgl. JvS II, Ep. 289, S. 658 f. 2188 Vgl. Laudage: Alexander, S. 189 – 191.

Das Schisma im Bewusstsein der englischen Bildungselite

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Er stellte die fernen Ereignisse in Italien durchaus in Bezug zu seiner Lebenswelt als Angelsachse und exilierter Unterstützer von Thomas Becket und dessen Kampf – von den großen Zusammenhängen bis zu den Feinheiten der Verbindung, die Johannes von Salisbury z­ wischen dem sich ja größtenteils im Reichsgebiet und Italien abspielenden Schisma und den Konflikten, Sorgen und Verhältnissen im Königreich England herstellte. Am Anfang stehen die Auswirkungen und Zusammenhänge, die der angelsächsische Gelehrte auf internationaler Ebene erkannte. Man sollte davon ausgehen können, dass die lähmende Wirkung des Kirchenkampfes auf die Handlungsfähigkeit Alexanders III. thematisiert wurde. Schließlich hatte jeder Erfolg oder Misserfolg auf universalkirchlicher Ebene direkte Auswirkungen auf Alexanders Autorität und sein Selbstbewusstsein im Umgang mit dem König von England, seinem mächtigsten Verbündeten. Doch dem ist nicht so. Neben seiner optimistischen Einschätzung der Residenz Alexanders in Rom im Sommer 1166 setzte Johannes an keiner Stelle Misserfolge oder Erfolge explizit mit dem Verlauf des Schismas in Beziehung.2189 Singulärer Hinweis ist seine an Becket gerichtete differenzierte Bemerkung zu Alexanders Handlungsspielräumen aus dem Juli 1166, in der er eingesteht, Alexanders Zwänge ­seien „so zahlreich und groß […], dass der Papst sich zeitweise selbst erlaubte, die Freiheit auszuüben, die ihm seine Macht erlaube, und kraft seines Amtes festsetze, was dem Gemeinwesen, wenn auch nicht der Gottesverehrung nütze“ 2190. Dass dies der einzige, auch eher vage Verweis darauf ist, dass die Kirchenkrise zum Hemmschuh für den englischen Friedensprozess wurde, muss nicht heißen, dass Johannes das Schisma generell als ein isoliertes Phänomen im hochkomplexen Gewaltengefüge seiner Zeit ansah. Neben der alexan­ drinischen Kurie gab es schließlich noch andere Global Player, die sich mit ihrer Schismapolitik auf die Geschicke des Becketkreises auswirken konnten.

1.5  Allgegenwärtig: das alexandrinische Schisma im Bewusstsein der englischen Bildungselite Zunächst enthüllt nur ein einzelner Brief an Becket aus dem Januar 1165, dass die Kirchenspaltung indirekt den Friedensprozess lähmte. Während einer Unterredung 2189 Gegenüber den Verbündeten in Exeter ( JvS II, Ep. 168, S. 116 f.) und Radulfus Niger ( JvS II, Ep. 181, S. 200 f.). 2190 JvS II, Ep. 175, S. 164 f. Auch das Porträt Eugens III. in der Historia pontificalis zeigt, dass Johannes durchaus um die Zwänge wusste, die einen römischen Bischof einspannen k­ onnten: Historia pontificalis, ed. Chibnall.

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mit König Ludwig VII . von Frankreich habe Johannes sich erkundigt, warum die königliche Unterstützung abgekühlt sei: Cum autem ipsum instantius animare satagerem, respondit se quidem satis tenere diligere personam uestram et approbare causam, sed uereri ne, si ipso suadente aliquid faceret dominus papa unde regem Anglorum amitteret, ei de cetero imputaret ecclesia Romana, quod propter eum ­tantum amicum amisisset; et hanc causam saepius inculcauit.2191

Diese Zeilen entstammen einer Zeit erneuter Spannungen ­zwischen dem kapetingischen Lehnsherrn und seinem königlichen Kronvasallen. Heinrichs ausgreifende Bemühungen, in den kontinentalen Ländereien eine zentralisierte Herrschaft nach anglonormannischem Vorbild zu errichten, waren Ludwig ein Dorn im Auge. Auf der anderen Seite gab ihm die Schwangerschaft seiner Königin Anlass zur Zuversicht, machte dies doch ein Ehebündnis ­zwischen den Häusern der Kapetinger und Plantagenêt unnötig.2192 Dennoch: Alexanders Abhängigkeit von der Unterstützung des mächtigen Angevinen hat Johannes wohl richtig als einen Vorwand Ludwigs eingeschätzt. War sie auch nicht die alleinige Motivation zur Verzögerung eines unangenehmen politischen Bekenntnisses, bestimmte sie doch in den unruhigen Zeiten zu Beginn des Becketschen Exils die Politik des französischen Monarchen zumindest mit. Die unangenehme Zwickmühle, in der sich Alexander III., der sich weder den Verlust der Unterstützung des englischen noch des französischen Monarchen leisten konnte, zu Beginn des Schismas befand, schlägt sich indirekt auch in den Nachrichten aus dem Königreich England nieder.2193 Die bedrohlichste Folge, die der begrenzte politische Spielraum des Papstkandidaten damals hatte, einen Abfall des englischen Königs von seinem Treueeid von Beauvais und damit den Verlust von dessen ausgedehnten Gebieten in England und auf dem Kontinent, konnte Alexander sich nicht leisten. Dass das politische Lavieren dabei nicht immer den hehren Zielen und Verpflichtungen des apostolischen Amtes entsprach, war auch für Arnulf von Lisieux, immer noch kein royalistischer Handlanger, sondern jemand, der die K ­ irche und ihre Majestät verehre und rühme, Grund zur Sorge. Gegenüber Kardinal Johannes von Neapel beklagt der Normanne, dass man der ­Kirche vorwerfe, sie „gäbe Ängsten nach und lasse nach leichter Überzeugungsarbeit von gerechten Werken ab“ 2194. Die Problematik der Verstrickung in den englischen Kirchenstreit und die Spaltung der 2191 JvS II, Ep.144, S. 30 – 33. 2192 Zur damaligen politischen Lage und ihren Folgen siehe Warren: Henry, S. 102 – 108. 2193 Arnulfus Lexoviensis: Ep. 39. Regressus ab Anglia, in: Letters, ed. Barlow. 2194 ders.: Ep. 71. In multis ad presens, in: Letters, ed. Barlow, S. 121 – 122, hier: S. 122.

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universalkirchlichen Einheit, die Alexander III. die Hände band, wurde ohne Zweifel als problematisch reflektiert. Dies waren jedoch nicht die einzigen Streiflichter, die etwas über die Beziehung Englands und des Schismas in der Sicht der beiden Protagonisten verraten. Johannes von Salisbury etwa interessierte sich ­zwischen Sommer 1166 und Januar 1167, also in der Zeit intensiver Kommunikation des Becketkreises mit Gerard Pucelle, insbesondere für den Einfluss, den das kaiserliche Lager auf Heinrich II. ausübte. Man denke nur an den Vorwurf einer Verschwörung um Leib und Leben Alexanders III., in die der angelsächsische Gelehrte in diesen Monaten auch den englischen König involviert sah.2195 In der Frage, ob die in London und Beauvais bekräftigte Entscheidung Heinrichs II. und des englischen Episkopats zur Anerkennung Alexanders als catholicus papa die englischen Obödienzverhältnisse ein für alle Mal klärte, ergeben sich in den untersuchten Briefkorpora außer Qua fide quo studio, einem Empfehlungsschreiben aus der Feder des Arnulf von Lisieux bedauerlicherweise kaum Anhaltspunkte. Einer der großen Reibungspunkte in der schwierigen Phase diplomatischer Verhandlungen zum Ende des Becketkonflikts war die Krönung des Kronprinzen Heinrich des Jüngeren am 14. Juni 1170 in Westminster Abbey gewesen. Die Zeremonie durchgeführt und dadurch traditionelle Rechte des Erzbischofs von Canterbury usurpiert hatte Roger de Pont L’Évêque, ehemaliger Archidiakon von Canterbury und als Erzbischof von York von Amts wegen größter Konkurrent im jahrhundertealten Streit um die Primatialrechte der englischen ­Kirche.2196 Für seine aktive Rolle als Koronator des Prinzen und die Missachtung des päpstlichen Krönungsverbots war Roger noch im Dezember 1170 von Alexander mit dem Kirchenbann belegt und von seinem Amt suspendiert worden. Erst im April 1171 hatte der Sieneser grünes Licht für seine Absolution gegeben, ohne jedoch die Suspendierung aufzuheben. Es war letztlich das Empfehlungsschreiben des Arnulf von Lisieux aus dem Sommer desselben Jahres, das, sehr zum Leidwesen des Canterburyzirkels, die Aufhebung der Suspendierung am 13. Dezember begünstigte.2197 Rogers Person war höchst umstritten und auch Johannes von Salisbury scheute nicht davor zurück, in Opposition gegen den königsfreundlichen Metropoliten, der sich auch in der alexan­drinischen Kurie gegen Becket eingesetzt hatte, besonders schmutzige Wäsche 2195 Vgl. JvS II, Ep. 181 (S. 200 f.) und Ep. 213 (S. 350 f.). Zur Involvierung königlicher Vertrauter wie Johannes von Oxford mit den Schismatikern siehe JvS II, Ep. 214, S. 354 f. 2196 Zu Roger de Pont l’Évêque siehe Knowles: Colleagues, S. 12 – 14. 2197 AvL Ep.75. Zum Hintergrund des Prozesses um den nordenglischen Metropoliten siehe Barlow: Becket, S. 259 und RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 340 – 348.

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zu waschen.2198 Arnulfs Brief muss als eine Art epistolare Gegendarstellung betrachtet werden, die an Alexanders Kurie die Wogen für Roger von York glätten sollte. Da Roger im Becketdisput jedoch eindeutig gegen päpstliche Weisung gehandelt hatte, findet sein normannischer Amtsbruder ein interessantes anderes Rehabilitationsargument: seine Verdienste als englischer Alexandriner der ersten Stunde. Er, Arnulf, sei Zeuge gewesen, mit welcher Begeisterung und Beseeltheit Roger zu Beginn des Schismas (gemeint ist höchstwahrscheinlich die Zeit nach Alexanders Anerkennung durch die englische K ­ irche und König Heinrich), „als die Ergebenheit erprobt und die Standhaftigkeit gestört wurde“, seinen „Eifer in der Anerkennung von [­ Alexanders] Namen mit Begeisterung laut verkündet“ 2199 habe. An der alexandrinischen Kurie schien man noch nicht restlos von Rogers alexandrinischem Eifer überzeugt gewesen zu sein, denn im Frühjahr 1172 legte Arnulf von Lisieux gegenüber den Kardinalpresbytern Johannes von Neapel und Wilhelm von S. Pietro in Vincoli noch einmal nach. Beide Briefe heben besonders Rogers Rolle als Vorreiter der alexandrinischen Partei im englischen Episkopat vor, während und nach den Diskussionen in London hervor: Primus ante ceteros in Anglorum regno, in quo tunc, sicut et nunc, maximus habebatur, non sine persone periculo et facultatum dispendiis et papatum uestre celsitudinis agnouit, et scismatici pertinatiam, dum adhuc de scismate tractaretur, maledictione promptissima predampnauit, fidei catholice et unitatis ecclesiastice uexillum potissimus simul et primus inuexit, et dubitantibus animis et trepidantibus lucem ueritatis et libertatis fidutiam infudit preuius, et periculis obuius confirmauit.2200

Vage wie die Hinweise sind, demonstrieren sie, dass die Standfestigkeit des englischen Klerus auf dem Prüfstand gestanden und so mancher noch unter der Hand sein eigenes Spiel gespielt habe, sprich, dass die alexandrinische Gesinnung der ecclesia Anglicana nach London und Beauvais immer noch nicht über jeden Zweifel erhaben war. Doch nicht nur in der hohen Geistlichkeit, auch beim König habe der Erzbischof 2198 Aufgebracht wurde ein besonders abstoßender Vorwurf sexuellen Missbrauchs aus seiner Zeit als Archidiakon von Canterbury. Siehe Ep. 307 in Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 744 – 749. 2199 AvL Ep. 75, S. 126. Ähnlich auch AvL Ep. 84, S. 138: Qua fide, quo studio, quo effectu circa initia tempestatis istius ad unitatem ecclesie et honorem Romani pontificis dominus Eboracensis intenderit, uestra, qui ex magna parte uidistis et audistis, prudentia non ignorat. 2200 AvL Ep. 75, S. 126. Siehe auch Ep.84, S. 138: Perseuerat semper, et, aliis tepescentibus, ipsius deuotio non tepescit, quia uidet totam nondum conquieuisse malitiam, et ab his, quorum fides inuictissima credebatur, prophana consilia, percussis etiam federibus, agitari.

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von York in Alexanders Sinne gewirkt, als „viele Herrscher ihn [i. e. Heinrich II .] eingeladen hätten, sich dem Schisma anzuschließen, und ihn die Furcht vor apostolischer Strenge geängstigt habe“ 2201. Der ­Kaiser persönlich jedenfalls habe Roger als Feind verfolgt.2202 Damals wie gegenwärtig habe es also Gelegenheiten gegeben, in denen Roger die alexandrinische Obödienz im Inselkönigreich verteidigen konnte und musste.2203 Dass zu d­ iesem Zeitpunkt zumindest vom größten gegenpäpstlichen Partisanen der Synode von London, dem mächtigen Bischof Heinrich von Winchester, nichts mehr zu befürchten war, zeigt eine Nachricht, die am umfassendsten zu den Verhältnissen im englischen Königreich Stellung nimmt. Es handelt sich um ein als Brief Beckets an zwei seiner Kleriker überliefertes Schreiben, in dessen Abschrift Anne Duggan auch die Handschrift Johannes’ von Salisbury erkannt haben will.2204 Dieser ausführliche Bericht über die gescheiterte Konferenz ­zwischen Becket und dem König auf dem Montmartre (18. November 1169) schwenkt in der Mitte den Blick auf ein Ereignis in England, das sonst nur durch Gervasius von Canterbury überliefert ist.2205 Kurz zuvor, also in oder vor Mitte November 1169 habe König Heinrich seine Vertreter Gottfried Ridel und Richard von Ilchester nach England entsandt, wo sie dem englischen Klerus einen Eid auf ein königliches Edikt abnehmen sollten, mit dem der Plantagenêt einem drohenden päpstlichen Interdikt entgegenwirken wollte. Niemand sollte ohne königliche Erlaubnis Gesandte oder Briefe Alexanders oder der Exilierten empfangen, im Falle der öffentlichen Verkündigung eines solchen einem Interdikt gehorchen oder eine Exkommunikationssentenz gegen einen Lehnsmann des Königs aussprechen.2206 Der Schilderung nach sei außer Clarembald, dem Elekten der Abtei von St. Augus­ tine’s, der sich standhaft weigerte, Becket als seinem Herrn und Bischof von Canterbury einen Treueeid zu leisten, keiner dem Befehl gefolgt. Es folgt eine lange Beschreibung der teils spektakulären Weigerungen wichtiger Würdenträger, die sich 2 201 Vgl. Ebd. 2202 Geäußert in einem exklusiven Entzug des freien Geleits durchs Reich. Siehe ebd., S. 139. 2203 Vgl. ebd.: bonum est ecclesie dei uiros fideles iuxta infideles aliquando commorari, ut ipsorum uirtute et prudentia malitia reprimi possit, et inconstantia contineri. […] Vtilius ergo fore credimus eos, qui prouidere possunt […] ad sollertem uigiles adhibere custodiam, ut quoslibet euentus prudenter et instanter obseruent, et momentaneam hominum fidem necessaria stabilitate confirment. Ad quod uirum, de quo scribimus, multis experimentis nouimus effficacem […]. 2204 Ep. 244. Que in colloquio regum, in: CTB II. 2205 Vgl. GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 207. 2206 CTB II 244, S. 1060 f. Zum Hintergrund ­dieses Edikts, das aus England ein Bollwerk gegen ein päpstliches Interdikt machen sollte, siehe Barlow: Becket, S. 190 – 191, 196.

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angeblich lieber den königlichen Zorn zuzögen als sich gegen das Gesetz Gottes zu vergehen. Heinrich von Winchester habe allen voran öffentlich und feierlich verkündet, dass er, wie es seine Pflicht sei, den Mandaten des Papstes und Canterburys weiter gehorchen werde. Ihm folgten Richard Peche, Bischof von Coventry-Chester und Bartholomäus von Exeter, der ebenso wie Richard daraufhin Zuflucht in einem Kloster suchte. Der Bischof von Norwich, Wilhelm de Turba, soll sogar noch gegen den Willen des Königs demonstrativ von der Kanzel Graf Hugo exkommuniziert haben, bevor er im Beisein der königlichen Stellvertreter seinen Bischofsstab auf dem Altar niederlegte und dem Exempel des Exeter Bischofs folgte.2207 Aus diesen Beispielen, frohlockt der Verfasser des Briefs, werde klar, dass „der Herr Papst zum Ruhme Gottes und der immerwährenden Ehre des Apostolischen Stuhls in England gewinne, so dass seine Autorität dort blühen und Frucht tragen werde – falls er in seiner Tatkraft durchhalte und nicht die durch göttliche Fügung bereitete Krone zurückweise“ 2208. Der kleine Kreis von Unentschlossenen oder noch nicht restlos Überzeugten am Königshof oder im englischen Episkopat würde nach Arnulfs Meinung durch das Einwirken des Metropoliten von York in Schach gehalten. Im Gegenzug zeigt der Becketsche Bericht, dass sich in anderen wichtigen Diözesen des Reiches, in Winchester, Exeter, Coventry oder Norwich eine potente und emanzipierte alexandrinische Obödienz etabliert hatte, die sich nicht scheute, in offene Opposition zu den Wünschen des Königs zu gehen. Der allerdings, das bezeugt schließlich auch Arnulf, wenn auch in gewohnt apologetischer Weise, sei so manches Mal – ob in der angevinisch-staufischen Diplomatie oder durch die in Westminster verlangten Eide – vom rechten Weg abgekommen. Im Großen und Ganzen wird man wohl davon ausgehen können, dass die meisten derer, die sich in London für die Anerkennung Alexanders ausgesprochen hatten, auch dabeigeblieben waren und sogar ehemalige Viktoriner wie Heinrich von Winchester der gegenpäpstlichen Partei aktiv den Rücken gekehrt hatten. Dass es unter der Oberfläche und vor allem in Königsnähe jedoch durchaus noch jene zu geben schien, die sich der Empfehlung von London und auch der königlichen Treueerklärung von 1160 nicht hundertprozentig beugten, hatte insofern Auswirkungen auf den polemischen Diskurs in Schisma und Becketdisput, als dass eine positive oder auch fragwürdige Haltung im Schisma zum Beurteilungsinstrument der im Konflikt involvierten Persönlichkeiten werden konnte – ob innerhalb der englischen ­Kirche, am angevinischen Hof oder an der alexandrinischen Kurie. Ein 2 207 Vgl. CTB II 244, S. 1060 f. 2208 Vgl. ebd.

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Beispiel dafür, wie das Verhalten einer Person im Schisma genutzt wurde, um deren Renommee zu heben, war Arnulfs Lob der kirchenpolitischen Linientreue des Erzbischofs Roger von York. Richtig eingesetzt, konnte das Mittel allerdings auch in die entgegengesetzte Richtung wirken. So hatte schon Jahre zuvor der unmittelbar nach Eskalation des Streits um die Konstitutionen von Clarendon ­zwischen den Royalisten und der Becketpartei einsetzende Gesandtschaftsmarathon zu einem polemisch-propagandistischen Kleinkrieg an der Exilkurie in Frankreich geführt, der offenbar auch Auswirkungen auf Arnulf von Lisieux hatte. Im Frühjahr 1164 hatte sich der Normanne direkt an Papst Alexander gewandt. Vorhergegangen waren einige diplomatische Misserfolge des englischen Königshofs an der alexandrinischen Kurie Ende 1163, die Arnulf zumindest mit zu verantworten hatte und in deren Folge Arnulf, einst ein renommierter königlicher Legat,2209 verbittert mit ansehen musste, wie er bei zukünftigen Besetzungen übergangen wurde. Diesen schmerzhaften Vertrauensverlust suchte er gegenüber Alexander etwas ungelenk mit der persönlichen Animosität der Becketschen Parteigänger gegen ihn zu entschuldigen.2210 Diese hätten gezielt die Würde des Königs angegriffen und ihn böswillig am Kurialhof Alexanders III . angeschwärzt.2211 Tatsächlich hatte der Bischof von Lisieux, der sich 1163 und 1164 an der alexan­ drinischen Kurie im Auftrag des englischen Königs um die Anerkennung der Konsti­ tutionen und die Schwächung der Position Erzbischofs von Canterbury bemüht hatte, keinen guten Stand in der Becketpartei.2212 Auch seine taktischen Ratschläge, Becket in der Frage der umstrittenen consuetudines im Episkopat zu isolieren, hatten ihm schwerlich Sympathien eingebracht.2213 Zudem hielt Johannes von Salisbury, den 2209 Vgl. AvL Ep. 39, S. 66, Anm. b. Zusammen mit Johannes von Oxford, Gottfried Ridel und Richard von Ilchester. 2210 Arnulfus Lexoviensis: Ep. 40. Quibus periculis exponere quibus, in: Letters, ed. Barlow, S. 68, hier: S. 84: Ego enim homo sum, cui celebrem multe cause contulere noticiam, et cui apud hostes ecclesiae plurimam zelus iustitie contraxit inuidiam, sibique crederent successisse, si in persona mea et malignitati sue satisfacere, et uestram possent offendere maiestatem. Retinuit itaque me rex noster, qui, mea quidem uoluntate precedente, mittebat, negotiaque sua partim distulit, partim minoribus nunciis perferenda commisit. 2211 AvL Ep. 39, S. 67. 2212 Vgl. Barlow: Becket, S. 96 f. Von seinen Legationen wusste Johannes von Salisbury: JvS II, Ep. 136, S. 8 f. 2213 Seine Rolle wird in den Becketviten vielfach hervorgehoben. Siehe Grim Vita Sancti T ­ homae, ed. Robertson, S. 377; Anon. I Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 29 – 31; Grim Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 377 f.; Garnier Vie Saint Thomas, ed. Shirley, vv. 851 – 880; HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 276 f.

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die bittere persönliche Erfahrung mit dem Normannen verband, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Eines, so Johannes in seinem ersten Brief aus dem ­französischen Exil, wisse er ohne Zweifel, nämlich, dass der Bischof von Lisieux, sollte er als Legat an die alexandrinische Kurie kommen, keine Skrupel haben werde, zu sagen, was immer ihm beliebe. Schließlich habe er, Johannes, dessen Hinterlist am eigenen Leib erfahren.2214 Seine Abneigung gegen Arnulf von Lisieux hatte ihre Ursprünge schon vor dem Becketkonflikt.2215 Ein Kritikpunkt, den der Angelsachse mit anderen Zeitgenossen teilte, war Arnulfs Geltungssucht und sein unbändiger Stolz auf die eigenen rhetorischen Fähigkeiten, den Johannes noch vor Ausbruch des Becketkonflikts mit dieser brillanten Passage gegenüber dem damaligen Archidiakon Bartholomäus, späterer Bischof von Exeter, skizzierte: Cum enim duo quondam patroni causarum, nunc pastores, ut dicitur, animarum et officio episcopi, Lixouien(sis) scilicet et Cicestren(sis) dispari uia incederent, et Lexouiensis causae mallet facere detrimentum quam uerbi, qui nunc Cicestr(ensis) est ei pictam cedebat linguam, sed triumphi gloriam diligenti rerum obseruantia praeripiebat; neutrum imitari ualeo, sed alterius credo praeferenda uestigia.2216

Besonders seine Nähe zum englischen König und seine in Johannes’ Ansicht agitatorischen Ratschläge während der Eskalation des Konflikts oder in der Beckets Rückkehr nach England vorausgehenden, zähen Verhandlungsphase diskreditierten ihn.2217 Man warf Arnulf Eigennutz, Doppelspiel und Hinterlist vor: Luxouiensis episcopus nos […] persequitur, amici tamen indutus nomine, et Nasonis sui, quem sub episcopi professione uiuendo semper expressit, formam imitatus, dantis arma Danais in A ­ mazones, 2214 JvS II, Ep. 136, S. 10 f. mit Bezug auf die Ungnade bei Heinrich II., für die Johannes Arnulf zeitlebens verantwortlich machte. 2215 Eine illustrative wie erheiternde Auslese von Bonmots aus fast drei Jahrhunderten Forschung über den Bischof von Lisieux bietet Gedichte, ed. Könsgen, S. IX–XIII. 2216 JvS I, Ep. 118. Der begrenzte Schliff seines Lateins machte Hilarius von Chichester noch bei seiner Verteidigung Heinrichs II. in Sens im Jahr 1164 zum Gespött. Siehe MTB 2, S. 338 f. Arnulfs aufgeblasene Rhetorik bei der Eröffnung des Konzils von Tours verspottete auch der Draco Normannicus (StvRouen Draco Normannicus, ed. Howlett, S. 744, v. 999 – 1002): Cessit apostolicus Arnulfo Lexoviensi / Concilium verbis irradiare suis. / Sed fluvius torrens, emergens fontis ab imo,/ Vix reprimi valuit vocibus atque manu. 2217 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 110 f.; JvS II, Ep. 236, S. 440 f. und (Autorschaft noch nicht endgültig bewiesen) Ep. 115. Abutitur ecclesiae patientia, in: CTB I, S. 560 f.; CTB II 244, S. 1064 – 1067; Ep. 300. Miserationis oculo respexit Deus, in: CTB II, S. 1274 f.

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et Amazonibus tela in Danaos ministrantis; ut se quieti prouideat, nunc uiris ecclesiasticis in seculares, nunc secularibus in ecclesiasticos, arma ministrat.2218

Giftige Kommentare wie dieser aus einem wahrscheinlich der Feder des Johannes von Salisbury entstammenden Brief aus dem November 1169 sind charakteristisch für die subjektive Meinung der Becketpartei durch den ganzen Konflikt hindurch.2219 Kommentare dieser Art werden es auch gewesen sein, die Beckets Gesandte an der alexandrinischen Kurie verbreiteten und die den normannischen Bischof zur Gegendarstellung bei Papst Alexander zwangen. Es scheint, als habe man in diesen Kommentaren neben seiner Abwesenheit vom päpstlichen Hof auch seine Obödienz im Schisma in Frage gestellt: Que quia differebatur, nichil enim onerosum michi uestre gratia benignitatis imponit, mittendum duxi, ut diligentis absentiam legatio suppleat, que bene merite maiestati uestre deuotionem meam tam uiua uoce quam litteris representet. Vester sum sancte Romane ecclesie tam uerna quam filius, cuius me assidue reminiscor exhilaratum gratia, preuentum beneficiis, honoribus ampliatum.2220

Wenig ­später bedauert Arnulf abermals in einem zweiten Brief, dass er Alexander nicht persönlich aufsuchen kann.2221 Am deutlichsten wird die Verquickung ­zwischen kirchenpolitischen Handlungen prominenter Anhänger der gegnerischen Partei im Schisma und deren Stand in der oppositionellen Polemik im Urteil des Johannes von Salisbury über Wilhelm von 2218 CTB II 244, S. 1064 f. 2219 Das vom Becketzirkel verbreitete Bild des intriganten Bischofs muss revidiert werden, seitdem Schriber: Dilemma zeigen konnte, dass Arnulf von Lisieux versuchte, ein Mann der Mitte zu sein. Dass diese vermittelnde Tendenz von seinen Gegnern als Doppelspiel wahrgenommen wurde, ist nachvollziehbar. Ich möchte mich Frank Barlows Resümee anschließen: „These are not the actions of a cunning schemer who always put the favour of the king before the interests of the Church. They show a moderation and a distaste for violence which suggest that the restless bishop had at last attained a gravity lacking in his early years. It would have been easy for Arnulf to throw in his lot with either party. From the one he might have got earthly magnificence, from the other sanctity. He chose not to be spectacular.“ (Letters, ed. Barlow, S. xlvii). 2220 AvL Ep. 39, S. 66 f. Wenig s­ päter ergänzte Arnulf ähnliche Versicherungen und verhohlene Verweise auf sein Engagement gegen die ‚Feinde der ­Kirche‘ aus der Zeit nach Ausbruch der Kirchenspaltung (siehe AvL Ep. 42). 2221 AvL Ep. 40, S. 68: Facio interim quod possum, et me totum honori et utilitati ecclesie, quotiens occasio refulget, impendo, tanta siquidem uoluntate ut a plerisque de immodestia uidear arguendus.

592 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Pavia, Kardinalpresbyter von S. Pietro in Vincoli, einen der Architekten des angevinisch-kapetingischen Maifriedens von 1160, der sich im diplomatischen Nachspiel der Eskalation von Northampton als einer der ersten Befürworter und Verteidiger der Konstitutionen von Clarendon an der alexandrinischen Kurie hervortat.2222 Als Ende 1166 in England Rufe nach einer päpstlichen Legation laut wurden, eröffnete Johannes von Salisbury Gerard Pucelle, der König habe in der Hoffnung, dass dieser die Angelegenheit nach seinen Vorstellungen regeln werde, Alexander gebeten, Wilhelm von S. Pietro in Vincoli mit dieser Aufgabe zu betrauen.2223 Vorwürfe der Parteilichkeit und der Korruption machten auch Becket und seine eruditi vergebens stark, denn im Februar 1167 verdichteten sich die Hinweise, dass dem Wunsch des Königs entsprochen worden war.2224 Im Herbst desselben Jahres kritisierte Johannes von Salisbury zwar aufs Schärfste einen wiederum wenig diplomatischen Beschwerdebrief Beckets an Wilhelm, wusste aber auch selbst im Kontakt mit der Kurie Alexanders III. mit spitzer Zunge von dem Kardinallegaten zu sprechen.2225 Gegenüber Kardinalpresbyter Albert von S. Lorenzo in Lucia, von dem er sich Fürsprache in der provokativen Personalfrage erhoffte, bezeichnete er Wilhelm mit dem härtesten polemischen Geschoss kirchlicher Denunziationsrhetorik als den „Vorläufer des Antichristen, wenn nicht sogar den Antichristen selbst“ 2226. Bedeutend vorsichtiger zeigte er sich in einem Brief an Alexander persönlich, indem er mit allem zu erweisenden Respekt die wenig glückliche Hand des Papstes in der Zusammenstellung der Legation tadelte:2227 2222 Vgl. Barlow: Becket, S.  122. Zur Person siehe Zenker: Mitglieder, S.  118 – 123; Madertoner: Papstwahl, S. 77 – 89. 2223 Vgl. JvS II, Ep. 184, S. 218 f. 2224 Vgl. MTB 6, Nr. CCILVI – C CILIX und HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 408. Siehe auch JvS II, Ep. 219 (S. 376 f.) und Ep. 233 (S. 424 f.). Der Vergleich mit den Bileamitern bezieht sich auf die angebliche Korruption der Kardinäle, die sich von den ‚Moabitern‘, das heißt Heinrich II. und den Royalisten, bestechen ließen. 2225 Vgl. Epp. 227 und 228 in Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 396 – 401 bzw. 400 f. ­Johannes sah sich sogar zu dem Versuch veranlasst, in einem eigenen Schreiben an Wilhelm den durch Beckets Ungestüm angerichteten Schaden wiedergutzumachen: siehe Ep. 229 in ebd., S. 402 – 407. 2226 Vgl. JvS II, Ep. 234, S. 428 f. 2227 JvS II, Ep. 219, S. 376 f.: Non tamen legatos quos misistis ad compescendam immanitatem regis populus credit idoneos, quia idem rex semper alterius patrocinio usus est et de eo praesumit plurimum, alter, etsi bonam habeat uoluntatem, eam ex causis uariis non potest producere in effectum. Sed nec aliquem (ut ex animi sententia loquar) ad hoc credo idoneum qui fructum legationis expectet in terra sua; nec litigatori uel iudici ad dicendum aliquid contra eum in potestate sua locus est oportunus.

Das Schisma im Bewusstsein der englischen Bildungselite

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Non creditur a prudentibus alterutrius regni quod ille, quem rex a sanctitate uestra petiuit ex nomine, modo sit aut fide purior aut caritate feruentior aut uirtute constantior quam fuit Papiae inter cognatos, amicos et notos, ubi siluit, uidens ab haereticis qui conuenerant causam fidei condempnari et apostolicae sedi grauissimum de schismaticorum consensu roborato subinferri dispendium.2228

Das Argument, das Johannes von Salisbury hier, im September oder Oktober des Jahres 1167, zum ersten Mal gegen Kardinal Wilhelm vorbrachte, bezeugt, wie der angelsächsische Gelehrte die Haltung eines Mannes an wichtigsten Entscheidungskreuzungen des Schismas zum Prüfstein seiner Integrität machte. Wenn Wilhelm in Pavia nicht aufgestanden und für die Sache der K ­ irche, damals gleichbedeutend mit dem Kampf für Alexander, eingetreten war, wie sollte er dann im Disput um die Konsti­ tutionen von Clarendon den richtigen Weg weisen? Der Makel seines Schweigens in Pavia disqualifizierte den Kardinalpresbyter von S. Pietro in Vincoli von jedem Amt als Vertreter der römischen K ­ irche. In einem nach Poitiers gerichteten, zweifellos zur öffentlichen Verlesung bestimmten Bericht von den gescheiterten Verhandlungen bei Gisors (18. – 19. November 1167) erhebt deren Augenzeuge Johannes die Stimme zu einer Invektive gegen den päpstlichen Gesandten: […] nec antea credi posset [i. e. Thomas Becket] quod Papiensis facundia collegae sui fidem subuertere ualeret, nisi nun arundinea leuitate et concauitate flecteretur ad auram uenti non incumbentis sed comminantis, sonum excitantis, non plagam inferentis aut ictum. Fortasse, sicut hactenus credebatur, spiritus hominis promtus est; sed deprehensum est carnem esse infirmam. Nam de ­Guillelmo quod ab inicio creditum est nunc clarius elucescit; quia quam magnanimus, quam fidelis in causa ecclesiae Romanae coram Frederico Papiae inuentus est, talis et tantus in causa ecclesiae Anglicanae, si licitum fuerit, inuenietur, praesidente uel assidente Henrico.2229

Für den angelsächsischen Moralisten war eine moralische Schuld nicht leicht zu tilgen. Für ihn hatte Wilhelm in Pavia unter den Augen derer, denen gegenüber er sich zur Wahrheit verpflichtet hätte sehen sollen, seinen wahren Habitus enthüllt. Abgesehen von Johannes’ persönlicher Einschätzung von Wilhelms moralischer Disposition ist interessant, dass er hier auf das sieben Jahre zurückliegende Ereignis rekurriert. Damals hatte er Wilhelms Schweigen noch als Verfehlung des Konzils und als ‚weise‘, nicht als schismatische Tat des Kardinals selbst gedeutet. Die kaiserliche Konzilsenzyklika zitierend, hatte Johannes es so dargestellt, als habe es keinen 2 228 Ebd. 2229 JvS II, Ep. 236, S. 444 f.

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politischen Willen gegeben, den alexandrinischen Vertreter auf der viktorinischen Versammlung auch nur anzuhören: Audiuit haec omnia Willelmus Papiensis, cardinalis sancti Petris ad Vincula, et praesente concilio non negauit. Sed quid pro Victore asseruit? Quare neglecta est attestatio eius? Interrogandus erat; satis enim habebat oris et pectoris et aetatem, ut pro se loqueretur. Sed plane interrogatus non est quod fuerat negaturus, et scienter obmutuit in tumultu qui furoris uidebat impetum et quod haec praesumptio in nullo praeiudicat ecclesiasticae libertati. Vnum tamen edoctus sum silentio eius, quia qui in tanto discrimine ecclesiae non uidetur ad martirium properare.2230

Es steht zu vermuten, dass dieser Wandel in Johannes’ Interpretation der Teilnahme Wilhelms am Konzil von Pavia vom stummen Beisitz (mutus assedit) zur aktiven Akzeptanz (expressum consensum) Folge der strengen königsfreundlichen Neigung war, die der Kardinal seit Beginn des Konfliktes gezeigt hatte.2231 Bemerkenswerterweise war Wilhelms angeblich antialexandrinische Haltung von 1160 damals nicht von Interesse gewesen. Als historischer Faktor wurde sie nie reflektiert, sondern nur als in der Retrospektive gewählter, propagandistischer Ausdruck einer moralischen Verderbtheit des königsnahen Kardinals im Becketdisput. Wahre schismatische Handlungen wurden ihm nie angekreidet. In jedem Fall war die Deutungsvariante eine willkommene Waffe in den diplomatischen Grabenkämpfen der Jahre 1167 und 1168. Den Vorwurf von Wilhelms Feigheit in Pavia wiederholte Johannes gleich mehrfach gegenüber kurialen Empfängern (vor Albert von S. Lorenzo in Lucina, und Alexander III., von dem er sich direkte Abhilfe im Verhandlungsdilemma erhoffte), aber auch gegenüber Beckets treuem Unterstützer Johannes Belmeis, Bischof von Poitiers.2232 Besage nicht das alte Sprichwort, fragt Johannes Letzteren, dass Schweigen eine Nachahmung der Zustimmung sei? Wilhelms Verteidigung sei absehbar: Sed tuebitur se regula iuris, etsi diuini iuris contemptor sit, quia ‚qui tacet, non utique consentit, sed tamen uerum est eum non negare‘; et ita gloriosae uocis munimine et festiuo eloquio suam apud homines plerosque perfidiam palliabit.2233 2 230 JvS I, Ep. 124, S. 210 f. 2231 JvS II, Ep. 233, S. 424 – 427: Et quidem de altero nemo miratur, cuius fides ad Deum et ecclesiam ab ea die innotuisse debuit qua in haereticorum concilio Papiensi, ubi Octauianus haeresiarcha receptus est, Frederico mutus assedit, etsi plures opinentur eum expressum dedisse consensum. Nonne prouerbaliter tritum est quod taciturnitas imitatur concessionem? 2232 Vgl. ebd., JvS II, Ep.234 (S. 432 f.) und Ep.236 (S. 444 f.). 2233 JvS II, Ep. 233, S. 426 f.

Das Schisma im Bewusstsein der englischen Bildungselite

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Ein anderes Beispiel dafür, dass die Schismafrage seit Klärung der Papstfrage in Beauvais zwar nicht virulent diskutiert worden zu sein schien, aber dennoch das englische Bewusstsein durchdrang, ist der Fall des Johannes von Oxford, der als Protegé Heinrichs II . bis zum Bischofsstuhl von Norwich aufsteigen sollte. Er war nicht nur als Vorsitzender des den Konflikt mit dem englischen König endgültig besiegelnden Hoftags von Clarendon (13. Januar 1164) eine persona non grata im Becketkreis, sondern warb unermüdlich in seiner Funktion als bevorzugter diplo­ matischer Repräsentant des Plantagenêt an der alexandrinischen Kurie und an Herrscher- und Fürstenhöfen dafür, dem englischen Primas die Unterstützung zu versagen.2234 Darüber hinaus aber wurde ihm von Seiten des Johannes von Salisbury und des Becketkreises sein Umgang mit den verhassten Schismatikern am Kaiserhof und die Leistung des berühmten Eides in Würzburg als schismatischer Akt und neuer Anstoß des Schismas ausgelegt.2235 Das Phänomen Schisma durchdrang also auch nach der offiziellen Klärung der Obödienzfrage das Bewusstsein der englischen Kirchenvertreter. Die teils kon­ struierten oder aufgebauschten Vorwürfe halbherziger Treue oder schismatischer Umtriebe gegen manche Akteure der Gegenseite im Becketkonflikt waren anno 1164 – 1167 nicht nur eine rein taktische, polemische Waffe, sondern gingen wie im Fall des Johannes von Oxford ursächlich aus den tiefen Überzeugungen und dem Wissenstand der Becketpartei über die Vorgänge z­ wischen dem Reich und dem englischen Königshof hervor. Im Allgemeinen ist zu beobachten, dass Johannes von Salisbury und seine Landsmänner seit der Romkatastrophe dem positiven Umschwung des Schismas in Italien 1167 eine geradezu prognostische Qualität für den englischen Kirchenstreit abgewannen. Nur in ­diesem Licht des Optimismus sind Aussagen wie diese zu verstehen: 2234 Vgl. GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 190; WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 61; MTB 5, Nr. 76, S. 145 f. Im Anschluss an den Eklat von Clarendon war Johannes von Oxford im Februar 1164 nach Sens entsandt worden, wo er die päpstliche Anerkennung der Konstitutionen und zu Beckets Schwächung und Demütigung die Würde des päpstlichen Legaten für England für Beckets Widersacher, den Erzbischof von York, erwirken sollte. Am Ende erlangte er die Legatenwürde mit ausdrücklicher Ausnahme der Kirchenprovinz Canterbury. Siehe Nr. 50. Etsi pro animi, in: MTB 5, S. 85 f. Allgemein zur Legation von 1164: Barlow: Becket, S. 106. Kommentiert in CTB I 29, S. 92 f. Anno 1168 und 1170 folgten Legationen an den Hof des französischen Königs, den flandrischen Grafenhof, die Kurie in Sens sowie zu Kaiserin Mathilde. Widerhall in JvS II, Ep. 174, Ep. 272 (S. 562 f.) und Ep. 298 (S. 692 f.) sowie CTB I 29, S. 90 – 93. 2235 Vgl. JvS II, Ep. 214, S. 354 f. und Ep. 281. Ei consultissime uulneris, in: CTB II, S. 1204 f.

596 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten […] ab oriente iam radius serenitatis illuxit per Christum et incolumitas ecclesiae in capite reparatur, superest spes fidei certissima quod unguentum a capite in apostolicam barbam exuberans descendet in caput et oram Anglicanae ecclesiae [i. e. der Primatialsitz Canterbury und die englischen Bischofssitze], et qui prophetam exterminare nititur de Israel, nisi forte resipiscat, diuinam sententiam excipiet […].2236

Durch das Bartgleichnis aus Ps 132,22237 verdeutlicht Johannes den Mönchen von Christ Church ermutigend den zu erwartenden segenhaften Einfluss des erstarkten Papsttums auf die Prälaten der englischen Landeskirche. Wie Arnulf von Lisieux auf dem Konzil von Tours das Bild nutzt, um den Episkopat zum Handeln zu ermuntern, geht es auch Johannes von Salisbury um den Gedanken des göttlichen Gnadenflusses.2238 Mit anderen Worten: Er erwartet, dass sich die Hand Gottes, die bereits über Friedrich Barbarossa richtete, sich nun dem Elend der ecclesia Anglicana zuwenden wird. Gegenüber dem Archidiakon von Suffolk, Walkelin, versicherte er, dass er den Frieden der ­Kirche nahen sehe: „Man kann jetzt fast den Erzbischof von Canterbury und Petri Mitjünger, die sich bemüht hatten, das Boot während der Zeit des Schiffbruchs zu steuern, an den erwünschten Hafen gelangen sehen. Denn die Glieder, die mit dem Kopf des Schismas wüteten, vergehen mit ihm […].“ 2239 Noch deutlicher wird der Sachverhalt in Johannes’ Sicht der jeweiligen Anführerfigur der Gegenparteien, z­ wischen deren Schicksal er Gemeinsamkeiten auszumachen vermeint. In der Überzeugung, dass die großen Misserfolge der Mächtigen den Beginn des göttlichen Vergeltungs- oder Straffeldzugs gegen deren Tyrannei einläuten, sieht Johannes den Fall des einen geradezu als Präfiguration vom Untergang des anderen. Dieses Deutungsmuster beginnt schon vergleichsweise früh, im Juni 1166.2240 Im Herbst d ­ ieses Jahres schon stellt er gegenüber Gerard Pucelle fest, dass ein Urteil gegen die tortores ecclesiae in der englischen ­Kirche bereits im Gange 2236 JvS II, Ep. 242 an Wilhelm Brito, den Subprior der Kathedralabtei Christ Church in Canterbury. Zur Einordnung des Bartgleichnisses in Johannes’ Idee der ­Kirche als Körper siehe Miczka: Bild, S. 115 f. Ähnlich: JvS II, Ep. 250, S. 504 f.: flauit in Italia Spiritus Sanctus, contriuitque scismatis caput, ut ei iam latera contabescant et membra commoriantur […]. Spes ergo fidelium est quod in breui descendet in Angliam Spiritus idem, ut illam quoque serenet ecclesiam, aduentusque eius multa produntur indicia. 2237 Ps 132,2: Sicut unguentum in capite, quod descendit in barbam, barbam Aaron, quod descendit in oram vestimenti ejus. 2238 Vgl. Sermo, ed. Mansi, Sp. 1170 – 1171. 2239 JvS II, Ep. 253, S. 210 f. 2240 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 102 f., einen ausführlichen Lagebericht nach Exeter, in dem Johannes den sinkenden Stern des Kaisers auf dessen Scheitern in Saint-Jean-de-Losne drei Jahre zuvor zurückführte.

Das Schisma im Bewusstsein der englischen Bildungselite

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sei.2241 Die Autorität und Zuverlässigkeit des göttlichen Orakels, die er zu erkennen glaubt, sei schließlich ewig.2242 Der Gedanke, dass der ­Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und der König von England aufgrund ihrer Verfehlung gegen die ­Kirche ihr Unheil herbeigeführt haben, ließ Johannes fortan nicht mehr los. Auf der Klaviatur d­ ieses Argumentes sollte der Angelsachse noch öfter und in größtmöglicher Varianz spielen und die providentielle Parallele ­zwischen dem vermeintlich schismatischen Staufer und dem kirchenfeindlichen Angevinen, je nach Adressat und Zielrichtung, als bange Befürchtung präsentieren oder zum warnenden Exemplum erheben.2243 Eine engmaschige Beobachtung und Instrumentalisierung bedeutender Stationen im Schismaverlauf – von der Erhebung Paschalis’ III. und dem vierten Romzug über das Erstarken des Lombardenbundes und der alexandrinischen Fraktion im englischen Episkopat –, der Versuch aktiver Einwirkung an einem bedeutenden Knotenpunkt wie Köln, die schismabezogene, nach außen getragene Kritik an Schlüsselakteuren im Stauferreich und die Tatsache, dass das Verhalten im Schisma zum Wertemaßstab in der polemischen Diskussion der englischen Bildungselite avancierte, all diese Erkenntnisse stützen die Beobachtungen McLouglins, dessen Untersuchung über die enge Loyalität seines Namensvetters aus Salisbury zu Canterbury mit folgenden Worten schließt: „Throughout the 1160s, John, like Becket’s other propagandists, was interested in the struggle between empire and papacy not only because it impinged directly on the Becket dispute – for the more successful the pope was, the more he was in a position to deal effectively with Henry II  – but also because Becket’s supporters were vigorously propagating the view that Becket’s dispute with Henry II had parallels with the dispute between Alexander III and Frederick Barbarossa.“ 2244 2241 Vgl. JvS II, Ep. 184, S. 216 – 219: Ille [i. e. K ­ aiser Friedrich I.] sacerdotium scidit aduersus Dominum, et a Domino scissuram sentit imperii. Sic et rex Anglorum […] ex quo calcaneum erexit aduersus ecclesiam et eam conatus est subicere seruituti, ab inermibus hominibus expugnatur […], et aduersus Dominum intumescens ilico manifesta uirium suarum et suorum sensit dispendia. 2242 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 102 f. 2243 Noch ein Jahr s­ päter, im Herbst oder Winter 1167, betonte er gegenüber Kardinal Albert von S. Lorenzo in Lucina, dass Gott Friedrich niedergeworfen habe und andere Tyrannen ebenso unterwerfen werde, und bat ihn flehentlich: Dignetur ergo sanctitas uestra […], dominum illum, qui Anglicanam conculcat ecclesiam [i. e. Heinrich II. von England], domino papae et fratribus uestris uerba ueritatis et uirtutis ingenerendo reprimere […]. ( JvS II, Ep. 234, S. 430 – 433). Weitere Beispiele: JvS II, Ep. 239 bzw. Ep. 274, S. 574 f. an Bischof Johannes Belmeis von Poitiers aus dem April oder Mai 1168. 2244 John McLoughlin: Nations and Loyalties: The Outlook of a Twelfth-Century Schoolman ( John of Salisbury, c.1120 – 1180), in: David M. Loades/Katherine Walsh (Hg.): Faith and

598 Die Einordnung der Kirchenkrise und der päpstlichen Kontrahenten

Die in den Jahren 1164 – 1170 und noch darüber hinaus geradezu unauflösliche Verbindung des landeskirchlichen Becketkonflikts mit dem universalkirchlichen Durchsetzungskampf Alexanders III. im englischen Bewusstsein zeigt ein letztes Beispiel aus der Zeit nach der Ermordung des englischen Primas in der Kathedrale von Canterbury. Auch wenn diese Passage den Jahren unmittelbar nach dem Martyrium entspringt und damit streng genommen außerhalb unseres Untersuchungszeitraums liegt, zeigt sie wie keine andere, wie eng man die englische und die universale Kirchenkrise miteinander verband. Im Anschluss an die blutigen Ereignisse des 29. Dezembers 1170 leistete J­ ohannes von Salisbury seinen Beitrag zu einer Kampagne zugunsten der Heiligsprechung des ermordeten Erzbischofs. In mehreren Briefen, die allesamt die fieberhafte, hoffnungsgeladene Atmosphäre der ersten Wochen nach Beckets Tod spüren lassen, wandte er sich an wichtige Geistliche auf französischem Boden, von denen er sich in der Angelegenheit Unterstützung an der alexandrinischen Kurie erhoffte. Unter diesen Schriften der Jahre 1171 bis 1173 findet sich eines der berühmtesten Beispiel der saresberiensischen Korrespondenz: das nur kurze Zeit nach dem Mord verfasste und an den Bischof von Poitiers, Johannes Belmeis, gerichtete Ex insperato, in dem der erste Bericht über das Martyrium niedergelegt ist.2245 Bei Abfassung des Briefs war an eine baldige Heiligsprechung des schnell als Volksheiligen verehrten Becket noch nicht zu denken. Die herrschende Verwirrung zeigt auch Johannes’ Bitte um Rat in der Frage, ob es auch ohne päpstliche Autorität erlaubt sei, den Ermordeten, dessen Erlösung Gott durch „solch klare Wunderbeweise“ 2246 bezeugt habe, beim Zelebrieren der Messe und bei anderen öffentlichen Gebeten zu den Märtyrern zu zählen. Ein anderes Schreiben an Wilhelm von Blois, Erzbischof von Sens, zeigt eine ähnliche Tendenz. Weder Ex insperato noch sein nach Sens gerichteter Nachfolger waren einfache Berichterstattungen eines schockierten Augenzeugen. Sie waren hoch Identity. Christian Political Experience, Oxford 1990 (Studies in Church History Subsidia, 6), S. 39 – 46, hier: S. 46. Den spärlichen Quellenverweisen konnten in d­ iesem Kapitel einige Zeugnisse hinzufügt werden. 2245 JvS II , Ep. 305. Der Brief an den Bischof von Poitiers hat als Augenzeugenschilderung des Mordes Berühmtheit erlangt. In der Einleitung zur Neuedition der späten Korrespondenz findet Brooke die richtigen Worte: „the letter retains the flavour of the event as no other document: the horror of the murder in the Cathedral, and the instant, awe-­ inspiring conviction that God was blessing his martyr by performing miracles at his tomb, are powerfully presented to us.“ (Brooke: Introduction, S. xliv) Ex insperato bildet den Kern der ersten überhaupt verfassten hagiographischen Lebensbeschreibung des 1173 heiliggesprochenen Erzbischofs. 2246 JvS II, Ep. 305, S. 736 f.

Das Schisma im Bewusstsein der englischen Bildungselite

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persuasive Werke, in denen Johannes von Salisbury noch einmal all seine Gelehrtheit im Dienste der Becketschen Sache aufwandte.2247 Wie auch in Ex insperato verweist der angelsächsische Gelehrte auf die Wunder am Grab des Märtyrers als Z ­ eichen seiner Heiligkeit. „Ich wundere mich über alle Maßen“, so Johannes gegenüber dem Metropoliten, „warum der Papst noch nicht angeordnet hat, ihn in den Katalog der Märtyrer aufzunehmen.“ 2248 In d­ iesem Licht ist auch eine weitere Passage zu sehen, in der die Wundertätigkeit des Verstorbenen spannenderweise nicht nur ­Zeichen seiner eigenen Verehrungswürdigkeit ist: Dubitatur a plurimis an pars domini papae in qua stamus de iustitia niteretur; sed eam a crimine scismatis gloriosus martir absoluit qui, si fautor esset scismatis, nequaquam tantis miraculis choruscaret.2249

Die Wundertätigkeit des Märtyrers wird zum Beweis der Legitimität des zu Lebzeiten von ihm favorisierten Kandidaten für das apostolische Amt. Die Kritik an Alexanders oft umstrittenem Kurs während des Schismas wird ausgehebelt und seine Unrechtmäßigkeit dadurch negiert, dass einer seiner glühendsten Verteidiger sich post mortem durch unzählige Mirakel auszeichne. Schöner als mit dieser postumen Verteidigung Beckets gegen Vorwürfe des Schismatikertums kann wohl kaum gezeigt werden, dass in den Augen des Johannes von Salisbury Alexanders Kampf um die Einheit der ­Kirche im Schisma und Beckets Kampf um deren Freiheit niemals als unabhängige Konflikte auf zwei verschiedenen Bühnen spielten. Der Ausbruch des Becketkonflikts änderte daher so gut wie nichts an der Beurteilung des römischen Kaisers als zentralem Agens und Strippenzieher der Kirchenspaltung. Die Werkzeuge alexandrinischer Rhetorik blieben im Kern dieselben. Neu war die gesteigerte Intensität, mit der Friedrichs Part im Drama des Schismas reflektiert wurde. Statt blind traditionellen, tyrannologischen Mustern und kurialer Polemik zu folgen, sollte besonders Johannes von Salisbury ein tiefgründendes Panorama der Kaiserkritik entfalten, dessen Initialzündung nicht ausschließlich, aber zu einem großen Teil der Staufer und seine bedingungslose Kirchenpolitik selbst zu verantworten hatten. 2247 Besonders gut zeigt dies Lounsbury: Eyewitness, der feststellt, dass Johannes seinen literarischen Kniffen treu blieb, indem er den Tod des Thomas Becket mit dem Tod des Pompeius in Lucans Pharsalia parallelisierte. Auch die angewandten Grundlagen ciceronischer Rhetorik werden analysiert. 2248 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 308. Licet Angliae ecclesiae, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 750 f. 2249 Ebd.

2. Sichtweisen auf die Rollen Kaiser Friedrichs I. Barbarossa und höfischer Akteure Schrecken verbreitender Herrscher, Unterdrücker und Löwe im eigenen Haus, Häretiker und Fürst der Schismatiker, Feind des Glaubens und der Christen, gnadenloser Richter, rasender Aufwiegler, hinterlistiger Räuber.2250 Die terminologische Kreativität, mit der Johannes von Salisbury den Stauferkaiser Friedrich I. als Kirchenfeind und Spalter der Einheit denunzierte, ist unerreicht. Viele dieser Attribute und Schmähtitel traten bereits im Verlauf der frühen Schismajahre auf. Besonders prägnante Faktoren des Barbarossabildes nach Ausbruch des Becketkonflikts wird d­ ieses Kapitel beleuchten und kontextualisieren. Drei Aspekte werden bei der Erschließung des spezifischen Kaiserbilds dieser Zeit helfen. Es geht um Barbarossa als – Urheber der Kirchenspaltung (auctor scismatis 2251) Die Einberufung des Konzils von Pavia markierte den Wendepunkt, an dem der K ­ aiser endgültig und offiziell seitens der alexandrinischen Kurie gefördert, als Aggressor betrachtet wurde. Er nahm damit den Platz ein, der in vorhergehenden Deutungen dem päpstlichen Konkurrenten um die Cathedra Petri zugekommen war. Bestand ­dieses Bild, vielleicht sogar unverändert, auch in den neuen politischen Konstellationen des entfesselten Becketkonflikts fort? In der Frage nach der Urheberschaft der Kirchenspaltung kann es nicht ausschließlich um die Reflexion bedeutender kaiserlicher Handlungsschritte im Sinne einer aktiven Intervention und Mitgestaltung des Phänomens ‚Schisma‘ (etwa durch dessen mutwillige Verschleppung) gehen. Auch Friedrichs Motivation und Entscheidungsautarkie müssen Beachtung finden. Zuletzt: Wurde der K ­ aiser noch immer persönlich für seine Politik verantwortlich gemacht oder sah man externe Einflüsse auf seine Entscheidungen am Werk?

2250 Vgl. JvS II, Ep. 145 (S. 40 f.), Ep. 184 (S. 216 f.), Ep. 219 (S. 376 f.), Ep. 274 (S. 574 f.: schismaticus et haereticus), Ep. 171 (S. 126 f.: imperatorem ex causa schismatis […] cotidie labefactari conspiciunt), Ep.225 (S. 392 f.: schismaticorum principem, Ep. 234 (S. 430 f.: hostis fidei), Ep. 240 (S. 458 f.: Christianorum hostem), Ep. 242 (S. 474 f.: furentis), Ep. 253 (S. 510 f.: uidimus hominem qui consensuerat esse sicut leo in domo sua […], opprimens subiectos sibi […]; illum imperator […] qui totius orbis terror fuerat), Ep. 273 (S. 573: qui nunc praedator est […], et qui sine misericordia iudicat […]). 2251 JvS II, Ep. 219, S. 376 f.

Auctor scismatis: Handlungsautonomie und Urheberschaft

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– Deutscher Tyrann (Teutonicus tirannus 2252) Schon ­dieses eine Signalwort lässt eine Parallele zum Tyrannenbild des Policraticus hinter dem Kaiserbild des Johannes von Salisbury vermuten. Gegenstand der Analyse werden daher Verbindungen des Despotenvorwurfs mit dem ideologischen Gedankengerüst der polikratischen Tyrannologie sein. Auffälliges Vokabular, historische Exempla oder auch die Deutung bedeutender Meilensteine der Schismageschichte wie der fatalen Epidemie vor Rom 1167 können ein lebendiges Bild von der Identifizierung des römischen Kaisers mit dem Antagonisten des im Traktat entworfenen christlichen Idealstaates zeichnen. Gleichzeitig helfen sie aufzuspüren, auf welcher Basis die Kaiserkritik des Johannes von Salisbury fußte. – Imperator ohne Kaiserwürde (misericorditer ex-Augustus 2253) Da sie erst im Verlauf des folgenden Jahrhunderts eine ausgeprägte Kategorisierung und Terminologie erfuhr, unterschied sich die anglonormannische Idee der Würde und Autorität von Reich und kaiserlichem Amt grundlegend von der staufischen sacrum-imperium-Idee des 12. Jahrhunderts.2254 Umso spannender ist es zu sehen, wie Johannes von Salisbury Friedrichs Exkommunikation und angebliche Absetzung propagierte und reflektierte. Für ihn machten sie, aber auch andere Faktoren, den einst mächtigen K ­ aiser zum Exempel des gefallenen Erhabenen, dessen schmählicher Nieder­g ang dem eigenen Herrscher zum warnenden Beispiel erhoben wurde. Beginnen wir mit der Vorstellung Barbarossas als Anstifter und treibender Figur des Schismas.

2.1  Auctor scismatis: Handlungsautonomie und Urheberschaft in der Schismapolitik Friedrichs I. Im vorhergehenden Kapitel konnte gezeigt werden, dass Johannes von Salisbury besonders in seinen Bittgesuchen z­ wischen Sommer 1167 und März 1168, einer Zeit großer Not für die Becketpartei, zur Beschreibung des Schismas auf apokalyptische Bildsprache zurückgriff, indem er die Krise durch die Bestie aus Offb 12,4 oder den Leviathan aus dem Buch Hiob personifizierte. Anfänglich hatte Johannes von Salisbury die Bilder mit dem kaiserlich gestützten Gegenanwärter auf das Papstamt 2252 JvS II, Ep. 168, S. 102 f. 2253 JvS II, Ep. 240, S. 458 f. 2254 So die Erkenntnisse von Grünewald: Kaisertum.

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Sichtweisen auf die Rolle Kaiser Friedrichs I. Barbarossa

assoziiert, nun begann er, sie in losen Andeutungen mit dem als ­Kaiser Friedrich zu identifizierenden ‚Feind im Norden‘ zu verbinden, wobei er den Staufer allerdings nur ein einziges Mal, in Rückgriff auf das conculcatio-Bild aus Psalm 90,13, Symbol des Triumph des Papsttums über den Herrscher, direkt mit einem Drachen gleichsetzte.2255 Die Taktik sollte den Optimismus unter den Verbündeten des exilierten englischen Primas schüren und Barbarossa als Leitfigur des Schismas verunglimpfen 2256, wies ihm aber andererseits den Platz als Kontrollorgan und lenkendes membrum im schismakorrumpierten Staatskörper zu: […] iam conteritur caput schismatis, et quae ei cohaeserunt, immo in stercore suo computruerunt membra, necesse est comperire; nam quo magis insaniunt, eo ruinam suam certius et uicinius indicant imminere. Morbus cum in summo est properat in defectum, et, si peritus est artifex, causa cognita facilius curat. Ceterum medicus ecclesiae, qui medertur infirmitatibus nostris et ulnera sanat nunc cauterio, nunc fomentis, miscuit potionem quae propinabitur filiis Babilonis, et inebrientur et corruant et uasa transmigrationis redire patiantur ad cultum Dei sui.2257

Johannes zieht zwei Körperbilder heran, die auf seine organologische Verfassungstheorie mit all ihren Implikationen zum Ideal- oder Schreckbild des dem Gemeinwesen vorstehenden Fürsten verweisen. Einerseits das einer Interdependenz der Körperglieder, die nur gemeinsam florieren oder untergehen können und die er mit den kaiserlichen Akteuren der Auseinandersetzung mit Alexander III. gleichsetzt.2258 Das andere ist ein medizinisches Bild: Unter Bezug auf das Gottesbild des Buches Hiob und damit auf das göttliche Strafgericht und die Vernichtung der abtrünnigen Babylonier, erklärt er Gottes strafende Intervention als rettende Therapie und Heilung der Krankheit ‚Schisma‘.2259 Johannes von Salisbury weist folglich dem amtierenden römischen ­Kaiser auch nach Ausbruch des Becketkonflikts eine Primärschuld an der gesamtkirchlichen Problematik zu. Was genau warf der Angelsachse dem Staufer vor? In Praeter eam quam affectio, einem vielschichtigen Brief an seinen Halbbruder Robert, Kanoniker und medicus in Exeter, beschreibt er 1165 Barbarossas angebliche Verfehlungen: 2255 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 249. Libertatis tua diligentia, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 502 f., Anm. 3. 2256 caput schismatis: JvS II, Ep. 220 (S. 378 f.), Ep. 221 (S. 380 f.), Ep. 290 (S. 658 f.). 2257 JvS II, Ep. 221, S. 380 f. Ähnlich: JvS II, Ep. 253 (S. 510 f.) und Ep. 250 (S. 504 f.). 2258 Vgl. Struve: Importance, S. 309. 2259 Hiob 5,18: „Denn er verwundet und er verbindet, er schlägt, doch seine Hände heilen auch.“ Jer 51,39: „Ihrer Gier bereite ich das Gelage, berausche sie, dass sie betäubt werden, in ewigen Schlaf versinken und nie mehr erwachen – Spruch des Herrn.“ Siehe auch Esra 5,14 und 6,16.

Auctor scismatis: Handlungsautonomie und Urheberschaft

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[…] scismaticus per uim et fraudem et labem haereticorum nitens insecabilem scindere unitatem, integratitatem corrumpere, incestare pudicitiam, et quantum in ipso est, euertens dispositionem Dei et promissiones ueritatis euacuans, Romanum imperium Christo machinatur auferre.2260

Seit den ersten wertenden Bemerkungen über Barbarossa in der Geschäftskorrespondenz für Erzbischof Theobald von Canterbury war Johannes Zeitzeuge von Friedrichs Versuch, Ludwig VII. für den deutschen Kandidaten zu gewinnen, und der erneuten Erhebung eines Gegenpapstes in der Person Guidos von Crema geworden. Führten diese Ereignisse zu einer nennenswerten Revision seiner Beurteilung? Ein genauer Blick auf die Schlagworte der Passage lässt Zweifel daran aufkommen: Gewalt, Betrug, eine Anhängerschaft von Häretikern, die Spaltung der kirchlichen Einheit als ultimatives Ziel. All dies sind aus der Zeit nach Pavia geläufige Schlagworte.2261 Der einzig neue Aspekt, die Auflehnung gegenüber Gott und seinem Sohn, ist Teil einer elaborierten, dem Brief zugrunde liegenden Symbolik, die erst in Bezug auf Johannes’ Einstellung zur Kaiserwürde Barbarossas an Bedeutung gewinnt. Tatsächlich war bis ins Jahr 1165 hinein jenes von ihm als haereticorum concilio Papiensi 2262 betitelte kaiserliche Forum und der dort erlangte gefährliche schismaticorum consensu 2263 noch lange Zeit der ausschlaggebende Faktor für Johannes’ Kaiser­ bild. Jede wie auch immer geartete substantielle Änderung darin muss sich s­ päter ergeben haben. Leider kann das Schreiben an Robert nur grob auf die Monate ­zwischen Januar und Sommer 1165 datiert werden. Daher könnte der Hoftag von Würzburg genauso eine Rolle spielen wie die Nachstellungen der Genuesen und Pisaner, die auf kaiserliches Geheiß die Galeere des nach Rom zurückkehrenden Papstes Alexander und all jener bedrohten, die versuchten, Italien auf dem Seeweg zu erreichen.2264 Die kapetingischstaufische Annäherung bei Saint-Jean-de-Losne hingegen kann nicht den Hintergrund bilden: Sie rückte erst im Nachhinein, als Keimzelle des kaiserlichen Niedergangs, in Johannes’ Bewusstsein und fand abgesehen von dieser ­kurzen Erwähnung kaum Widerhall in Johannes’ Korrespondenz oder der anglonormannischen H ­ istoriographie.2265 Als Wendepunkt des Schismas oder Gewinn für eine der Parteien wurde sie ganz sicher nicht betrachtet. Bemerkenswerterweise echauffierte sich Johannes von Salisbury eher über die kaiserliche Personalpolitik, etwa die Einsetzung Christians von Buch 2 260 JvS II, Ep. 145, S. 40 f. 2261 Vgl. JvS I, Ep. 124. 2262 JvS II, Ep. 233, S. 424 f. 2263 JvS II, Ep. 219, S. 376 f. 2264 Vgl. JvS II, Ep. 152. 2265 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 104 f.

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Sichtweisen auf die Rolle Kaiser Friedrichs I. Barbarossa

auf den Mainzer Erzstuhl, als über die heiklen Verhandlungen, die Alexander III. fast die kapetingische Obödienz gekostet hätten.2266 Verraten die Johannesbriefe auch etwas über Friedrichs Rolle auf dem Würzburger Hoftag? Eine Episode aus einer ein Jahr nach den Ereignissen, im Juli 1166, verfassten Epistel, Patri misericordiarum, berichtet von einer während der eidlichen Fixierung der Ehebündnisse stattgefundenen Unterhaltung z­ wischen dem K ­ aiser und dem englischen Gesandten, Johannes von Oxford: Nam cum Iohannes de Oxeneforda nomine regis Teutonico tiranno coniuraturus esset, et opem auxilii et consilii sacramento promitteret contra omnes homines, excepto solo rege Francorum, ait Teutonicus per interpretem, sicut attestantur magni et multi et religiosi nostrates (de prouincia dico Remensi) qui interfuerunt: ‚Rollandus, hostis ecclesiae et imperii, homo quidem est et mortalis, et omnes cardinales sui, et nullus eorum rex Francorum est; unde nullum eorum exceptum intelligo nec uolo intelligi in hac confoederatione mei et regis Anglorum. Si uos ita sentitis an aliter, puplice profiteamini.‘2267

Johannes von Oxford solle daraufhin erwidert haben, er und sein Herr verstünden den Wortlaut ebenso wie der ­Kaiser selbst und böten auf dieser Basis ihre Eide für den König an.2268 Mag diese auch zuerst ins Auge springen, so geht es Johannes von Salisbury an dieser Stelle nicht allein darum, die Reaktion des königlichen Gesandten zu bemängeln. Gleichermaßen wie der Johannes von Oxford, der ausdrücklich einen gegen Alexander gerichteten Unterstützungseid schwor, kritisiert die Darstellung auch Friedrich I., der den ausdrücklichen Einschluss des Opponenten überhaupt erst gefordert hatte. Nicht umsonst bog Barbarossa, wie von Vollrath aufgedeckt, die Vereinbarungen in seinem offiziellen Rundschreiben so zurecht, dass er zur Förderung einer gegenpäpstlichen Obödienz im Reich behaupten konnte, der englische König werde den von ihm, dem ­Kaiser, persönlich protegierten „Herrn Papst Paschalis […] mit [ihm] zusammen unterstützen und dem Schismatiker Rolandus niemals Beistand gewähren“ 2269. Was in Würzburg geschieht, ist viel mehr als ein Beleg eines weiteren aggressiven und alexanderfeindlichen Aktes am Kaiserhof. Es ist Ausgang einer Vorstellung von der Natur der Beziehungen des Kaiserhofs mit dem englischen Königshof, die 2 266 Vgl. JvS II, Ep. 152, S. 54 f. 2267 JvS II, Ep. 177, S. 182 f. 2268 Vgl. ebd., S. 184 f. 2269 Siehe die beiden an unterschiedliche Adressaten gerichteten Versionen der Enzyklika vom 2. Juni 1165: MGH D F I 480, S. 397 und MGH D F I 481, S. 399. Die Übersetzung folgt Vollrath: Lüge, S. 170 und basiert auf der an Heinrich von Troyes gerichteten Sendung.

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erst kurz nach dieser Würzburgschilderung gehäuft auftritt: der Verschwörung beider Herrscher gegen Alexander III . Ab dieser Zeit attestiert Johannes ­Barbarossa skrupellose Ambitionen gegen das apostolische Papsttum. Ab 1165 erhebt er beispielsweise gegenüber Robert die Klage, Barbarossa trachte danach, den göttlichen Heilsplan umzustürzen und Christus die römische Kaiserwürde zu rauben.2270 Deutlicher werden die Vorwürfe infolge der Charakterisierung jener aduersus Dominum et ecclesiam […] confoederatione 2271 der durch die Eidleistungen in Würzburg besiegelten staufisch-angevinischen Allianz, bis sie in der bekannten, Gerard Pucelle gegenüber geäußerten Anklage gipfeln, Barbarossa und Rainald von Dassel hätten mit dem Romzug von 1167 nichts anderes als die Auslöschung der Papstwürde selbst im Sinn.2272 Wie der ­Kaiser der Römer fortan wieder als Verfestiger des Schismas, hinterlistiger Intrigant und Verführer in den Vordergrund rückte, verdeutlicht, dass der Hoftag von Würzburg – obgleich als Ereignis weder bei Johannes oder Arnulf von Lisieux noch im Becketkreis kontrovers diskutiert – bei Johannes von Salisbury ein Negativurteil über den Stauferkaiser in Gang setzte, das in seiner Reaktion auf die Vorgänge des vierten Italienzugs seine radikalste Ausprägung finden sollte. Als die sich überschlagenden Ereignisse in Italien und der erstarkende lombardische Widerstand gegen die Kaisergewalt den Glanz des unbesiegbaren Bezwingers von Mailand langsam zu trüben begannen, verfolgte Johannes dies in der Hoffnung auf einen baldigen Niedergang des übermächtigen Kaisers mit großem Interesse.2273 Aus der Schlinge dieser Ereignisse, so bemerkte er, könnten sich der ­Kaiser und sein vorderster Handlanger nicht einmal mehr mit der üblichen Tücke und Gerissenheit befreien. Ihr eigenes Gewissen sei der größte Vorwurf und die Vergeltung nahe. Friedrich sei in Armut und Schande gestürzt. Er habe alles verloren – sogar das Mitleid der anderen.2274 Der katastrophale Untergang der militärischen und kaiserlichen Machtbasis im sommerlichen Heerlager vor Rom durch die tödliche Epidemie von 1167 lieferte

2 270 Vgl. JvS II, Ep. 145, S. 40 f. 2271 JvS II, Ep. 177, S. 184 f. 2272 Eine ­solche Allianz der Könige legt auch JvS II, Ep. 181, S. 200 nahe. Zum Ziel des Komplotts siehe JvS II, Ep. 186, S. 226 – 229: pari uoto non tam summi pontificis uitam quam Petri dignitatem conentur extinguere […]. Eo enim (ut aiunt) proposito in Italiam profecti sunt ut Cremensem haeresiarcham intrudant in sedem Petri, et uicarium Christi aut comprehendant aut eiciant aut occidant. 2273 Vgl. JvS II, Ep. 181 (S. 200 f.) und Ep. 242 (S. 474 f.). 2274 Vgl. JvS II, Ep. 239 (S. 454 f.) und Ep. 184 (S. 216 f.).

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schließlich einen weiteren Wendepunkt. Mit mächtigen Worten beschwört der Angelsachse in diesen Tagen den Untergang des Kaisers und seiner Handlanger: Terra clamat aduersos eos, et expectatur ut caeli propediem reuelent iniquitatem eorum. […] eneruari et exinaniri coepit potestas eorum et fastus euanescit in fumum. […] Ille [i. e. Friedrich Barbarossa] sacerdotium scidit aduersus Dominum, et a Domino scissuram sentit imperii.2275

Oder zu Archidiakon Walkelin in Suffolk: Vidimus, uidimus hominem qui consueuerat esse sicut leo in domo sua […], latebras quaerere, et tanto terrore concuti ut uix tutus esset in angulosis abditis suis. Illum, illum imperatorem qui totius orbis terror fuerat, utinam uidissetis ab Italia fugientem cum ignominia sempiterna, ut his cautelam procuret aut ruinam quo catholicorum laboribus insultabant ex successibus et furore eius.2276

Johannes spielt hier mit dem Kontrast zum ‚alten‘ Bild des Kaisers als potentem und mächtigem Kriegsherrn.2277 Denn eben dieser, so betont er, starke, gerechtigkeits- und mitleidsferne, gewaltsame Potentat wurde vor Rom gestürzt. Das Negativurteil über Barbarossa war als Wahrnehmungsmuster derart verfestigt, dass auch die Friedensverhandlungen, die man 1169 und 1170 mit der alexan­ drinischen Kurie aufnahm, mehr als politische Schacherei denn als Ausdruck wahrer Reue betrachtet wurden. Johannes wurde nicht müde zu betonen, dass Friedrich während der Verhandlungen teils inakzeptable Forderungen – etwa die Anerkennung der durch die Gegenpäpste vollzogenen schismatischen Weihen – stelle.2278 Ohnehin ­seien seine Annäherungen eher von Berechnung als von einem reumütigen Willen nach Friedensschluss mit der M ­ utter ­Kirche geprägt. Für einen positiven Ausgang sei der Staufer sogar bereit, manch bittere Pille zu schlucken.2279 Nicht einmal die Initialinitiative zu Friedensverhandlungen wird dem K ­ aiser persönlich angerechnet. Als Friedrich im März 1169 Alexander von Köln, Abt von 2275 Ebd. 2276 JvS II, Ep. 253, S. 510 f. 2277 Wie es sich auch bei Robert von Torigny findet. Besonders deutlich wird es in dessen Inte­ resse an den kaiserlichen Erfolgen in Italien. Siehe RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 318, 337. 2278 Vgl. JvS II, Ep. 289, S. 656 – 659. 2279 Vgl. JvS II, Ep. 298, S. 690 f.: […] ipse imperator iam ex-Augustus patenter expertus est se in augustalem non posse redire dignitatem, nisi pacem cum ecclesia fecerit, nec detrectat iam conditionibus aequis foedus inire cum Italis […].

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Cîteaux, und Pontius von Clairvaux als Berater und Vermittler zu Friedensgesprächen zu sich rufen ließ, folgte er damit laut Johannes von Salisbury allein dem consilium prudentium 2280 seiner Anhänger. Dieser Versuch, die Urheberschaft politischer Handlungen dem Umfeld des Monarchen und nicht ihm selbst als Entscheidungsträger im eigenen Recht zuzuschreiben, wirft die Frage nach der kaiserlichen Handlungsautonomie auf. Beschränkte sich das Deutungsmuster nur auf aus alexandrinischer Sicht positive Entscheidungen des Kaisers oder sprach man ihm, dem von Pavia bis Rom schwerwiegende Verfehlungen und Fehlentscheidungen angelastet wurden, generell jegliche Initiativkraft in kirchenpolitischen Fragen ab? Im Allgemeinen war die zeitgleiche oder nachträgliche Zuweisung politischen Fehlverhaltens oder unpopulärer politischer Entscheidungen auf das Umfeld und den Beraterstab eines Herrschers keine Seltenheit.2281 Das mittelalterliche Herrschaftssystem des normannisch geprägten Inselkönigreichs England war nicht zuletzt ein stringentes System der konsensualen Herrschaftsausübung, das auf lehnsmäßiger Verpflichtung zu auxilium und consilium beruhte. Der König genoss daher jenseits des Rückhalts diverser Beratungsgremien wie der aus Prälaten und weltlichen Großen bestehenden curia regis, dem ihn tagtäglich umgebenden Kronrat (consilium regis) oder dem gelegentlich zu grundsätzlicheren, etwa gesetzgeberischen Fragen tagenden Großen Rat (magnum consilium) keine uneingeschränkte politische Selbstbestimmtheit. Für militärische und diplomatische Schritte ausschlaggebend war meist die direkte Beratung mit den familiares regis, einem personell fluktuierenden Stab von Vertrauten, Verwandten und Vasallen aus Adelskreisen oder städtischen wie höfischen Amts- und Funktionsträgern, also Männern wie Johannes von Oxford, ­Johannes Cumin oder Richard von Ilchester, die für ihre Dienste mit Gütern oder hohen Kirchenämtern entschädigt wurden.2282

2280 JvS II, Ep. 288, S. 648 f. 2281 Schon im frühen Mittelalter machte König Aethelred der Unberatene im Jahre 993 nach einer Herrschaftskrise seine Berater für sein vergangenes Fehlverhalten verantwortlich. Dazu: Catherine R. E. Cubitt: Individual and Collective Sinning in Tenth- and EleventhCentury England: Penance, Piety and the Law, in: Körntgen/Wassenhoven: Religion. Vom Bischof von Bath, der nach dem Tod Richards I. Löwenherz behauptete, der König habe ihm bestimmte Rechte nur aufgrund von falschem Rat abgesprochen, berichtet Chronica Magistri Rogeri de Houedene, ed. William Stubbs, Wiesbaden 1964 (ND der Ausgabe London 1871) (RS, 51,4). 2282 Vgl. den Vergleich der Ratgeberkulturen der französischen, englischen, sizilischen und päpstlichen Höfe im 12. Jahrhundert bei Uebach: Ratgeber, ab S. 249. Weitere Details zum angevinischen Königshof zur Herrschaft Heinrichs II. bei Warren: Henry, S. 301 – 316 und Türk: Nugae, S. 1 – 52.

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Wie Christian Uebachs Dissertation zum Ratgeberkreis Barbarossas aufzeigt, galt dies ähnlich, wenn auch weniger institutionalisiert, für das Kaiserreich.2283 Danach setzte sich der engste Vertrauten- und Beraterkreis des Stauferherrschers aus einer in Stand und geographischer Herkunft heterogenen Gruppe von 15 bis 20 Personen zusammen. Auch wenn der Kreis um den ­Kaiser je nach dessen Aufenthaltsort oder anderweitigen Verpflichtungen der Einzelnen wechselte, gab es besonders in der Zeit des dritten und vierten Italienzugs feststehende personelle Größen. Darunter auch Rainald von Dassel und Christian von Buch, beide Beispiele für den Typus des hoch talentierten und engagierten Aufsteigers, der sich nicht nur, wie der Grafensohn Rainald, aufgrund adeliger Herkunft oder persönlicher Durchsetzungskraft, sondern auch durch militärisches Geschick und bedingungslose Treue zur Idee einer unerschütterlichen kaiserlichen Autorität und Sakralwürde seinen Platz an der Seite des Kaisers erworben hatte. Die Hierarchien innerhalb des Beraterkreises bestimmte kein ämter- oder verfassungsmäßiger Vorrang, sondern in nicht unerheblichem Maße die Nähe der Person zum ­Kaiser und ihre Tatkraft, Talente und Affinität des Einzelnen zur politischen Vorstellungswelt ihres Herrn. Ein nicht zu unterschätzender Faktor, der den Weg an die Spitze begünstigte und wahrscheinlich auch ein Momentum für die Abscheu war, die der Moralist Johannes von Salisbury den Erzbischöfen von Köln und Mainz entgegenbrachte, war der tiefe Ehrgeiz der Karrieristen. Kein Wunder, pflegte doch auch Barbarossa seine Getreuen mit Metropolitanbistümern und lukrativen Ämtern zu versorgen, um eine möglichst enge Bindung dieser Schlüsselpositionen an seine Person zu gewährleisten.2284 Ausgeprägte Fremdsprachenkenntnisse, Erfahrung in Administration und Beurkundungsgeschäft und repräsentative Amtsautorität führten dazu, dass die Kirchenfürsten die stärkste Gruppe des kaiserlichen Beraterstabs besetzten. Friedrich B ­ arbarossa schätzte ihren Rat vor allem in der Außenpolitik. Rainald von Dassels führende Rolle in der Konzeption der Regalienpolitik und ihrer Implementierung auf italienischem Reichsgebiet sowie seine Handschrift in den Beziehungen zum Papsttum und den westlichen Königreichen, in denen er lange als Hauptgesandter des Kaiserhofs fungierte, sind nur ein Beispiel dafür.2285

2283 Vgl. Uebach: Ratgeber. 2284 Vgl. ebd., S. 251 – 260, 266 – 267. 2285 Vgl. ebd., S. 251 – 257, 267. Auch die Betrauung mit dem Legatenamt, einem wichtigen kaiserlichen Instrument zur Herrschaftssicherung und Rechtspflege, gehörte zu den großen Auszeichnungen einzelner wie Rainald oder Christian von Buch im Beraterkreis.

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Dominierende Herrschaftsform war dabei nach heutigen Erkenntnissen ein „selbstverständlich praktizierte[s] konsensuale[s] Entscheidungsgefüge“ 2286 ­zwischen dem K ­ aiser, seinen Fürsten, Baronen und sonstigen hohen Amtsträgern. Eine gemeinschaftliche Form der Herrschaftsteilhabe, die die Entscheidungsautonomie des Kaisers nicht unterband, aber so begrenzte, dass er „wichtige Entscheidungen ohne Rat und Urteil der Fürsten nicht meinte fällen zu können“ 2287. Das lag nicht zuletzt daran, dass, anders als etwa am französischen Königshof, die Vertrauenspersonen des römischen Kaisers oft eine starke autogene Machtbasis besaßen, die im günstigsten Fall in den Dienst kaiserlicher Interessen, im ungünstigsten in den der eigenen gestellt wurde.2288 Dies hatte zwangsläufig Folgen für die Ausübung der Herrschaft: „Es offenbart sich am Beispiel des Löwen […], wie Friedrich Barbarossa durchaus von dem Ansinnen einzelner Berater abhängig sein konnte, wenn sie für sein Königtum von tragender Bedeutung waren. So scheint sich Friedrich nach 1156 nicht nur dem überragenden Ratgeber Rainald von Dassel ideologisch völlig ergeben zu haben, was z. B. Friedrichs offenkundige Billigung der eigenmächtigen Perpetuierung des Schismas durch den Erzkanzler mit der Wahl Paschalis’ III. im Frühjahr 1164 erklärt.“ 2289

Genau d ­ iesem Punkt stimmte Johannes von Salisbury schon im Winter 1166 vorbehaltlos zu, als er Gerard Pucelle entgegenschleuderte, ohne die Einflüsterungen des Rainald von Dassel hätte das Schisma nach dem Tod Viktors IV . sein Ende gefunden.2290 Damit relativiert er die Autonomie und Bösartigkeit des ‚Tyrannen‘, die er so gern heraufbeschwört. Johannes von Salisbury wusste genug über die Verhältnisse am Kaiserhof, um zu erkennen, wer dort die Fäden zog. Kaum verwunderlich, dass die Nachricht vom Tod eines der engsten kaiserlichen Ratgeber wie Rainald von Dassel, des wahren scismatis caput, oder der Bischöfe von Lüttich und 2286 Vgl. Bernd Schneidmüller: Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter, in: Paul-Joachim Heinig u. a. (Hg.): Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, Berlin 2000 (Historische Forschungen, 67), S. 53 – 87, hier: S. 75. Eine konzentrierte Zusammenfassung der diesbezüglichen Forschungsliteratur bei Uebach: Ratgeber, S. 264 f. 2287 Hans Patze: Friedrich Barbarossa und die deutschen Fürsten, in: Reiner Haussherr/ Christian Väterlein (Hg.): Die Zeit der Staufer. Geschichte, Kunst, Kultur. Katalog der Ausstellung Stuttgart 1977, Stuttgart 1979, S. 35 – 79, hier: S. 38 f. 2288 Vgl. Uebach: Ratgeber, S. 270 f. 2289 Ebd., S. 271. 2290 Vgl. JvS II, Ep. 186, S. 226 f. und ähnlich JvS II, Ep. 226, S. 396 f.

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Regensburg ihm als göttliche Fügung erschien. Sie habe vor Rom die Strafe Gottes für ihre Frevel getroffen.2291 Johannes von Salisbury war außergewöhnlich interessiert an der Ratgeberthematik. In den Verfehlungen der Berater sah er den Ausgangspunkt vieler Übel und wünschte sich im selben Schreiben an Gerard inbrünstig, der englische König solle mit Gottes Hilfe endlich ebenfalls aufhören, den Einflüsterungen böser Ratgeber Folge zu leisten.2292 Eine hoch individuelle Position, denn obwohl er, Becket und dessen Unterstützer in derselben Umgebung sozialisiert worden waren und Johannes die Ideen des Zirkels um den Exilierten maßgeblich mitprägte, weist Beckets umfassendes Briefkorpus weder in den auf das Schisma noch in denen auf den Disput mit dem englischen König bezogenen Stücken eine Vorliebe für die Ratgeberthematik auf.2293 Paradebeispiel ist der von Johannes so kritisierte Rainald von Dassel, der in der gesamten Becketkorres­ pondenz als Gesandter des Kaiserhofes auftaucht, ohne jemals mit irgendwelchen kompromittierenden Inhalten konfrontiert zu werden. Es liegt nahe, den Ursprung d­ ieses Fokus auf die Einflusspersonen um B ­ arbarossa in Johannes’ Überzeugungen von der potenziellen Verderbtheit der höfischen Agenten sowie der maßgeblichen Rolle der fürstlichen Ratgeber als stabilisierende Flanken des Staatskörpers zu suchen.2294 Sei die Integrität, die hohe Ämter verlangten, nicht gegeben, war es nach der polikratischen Staatslehre die Aufgabe des Fürsten, sie zurechtzuweisen und notfalls zu entfernen, bevor der gesamte Staatskörper von ihnen korrumpiert wurde. Nichts anderes empfiehlt der Angelsachse auch seinem König: Cur, ecclesiam persequens […] iram illius prouocat qui aufert spiritum principum et sublimium colla propria calcat uirtute? Profecto, si saperet, in eos retorqueret indignationis suae aculeos, qui eum circumuenientes in hoc non consilium sed praecipium impulerunt; et saltem Babilonis regem, ut eo non inueniatur crudelior, imitaretur, qui illos coniecit in lacum leonum quorum consilio

2291 Vgl. JvS II , Ep. 225 (S. 392 – 395), Ep. 226 (S. 397) und Ep. 239, in welchem Johannes das Schicksal Barbarossas und seiner Berater als abschreckendes Beispiel für den englischen König vor Augen führt: Ille [i. e. Friedrich Barbarossa] suos punire noluit, qui eum deprauauerant, consiliarios; sed in eos digitus Dei gloriosam exercuit ultionem (S. 454 – 455). 2292 Vgl. JvS II, Ep. 225, S. 392 f. 2293 Auch in seinen Briefen an die Mönche von Christ Church, Canterbury, nutzt Johannes von Salisbury gerne das Argumentarium der schlechten Ratgeber, in d­ iesem Fall allerdings assoziiert mit Ranulf de Broc, dem vom König eingesetzten Treuhänder der Besitzungen von Canterbury. Siehe Hirata: Colliding, S. 185 f., die dahinter die Absicht vermutet, durch gute und schlechte moralische Beispiele an das Gewissen der Adressaten zu appellieren. 2294 Zur Rolle der Berater siehe Policraticus I, ed. Webb V, 2 (S. 283) und V, 9.

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illuc detruserat et incluserat Danielem, ut poenam, quam intentauerant innocenti, consiliarii nocentes exciperent.2295

Auch hier sieht man, dass nicht, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag, allein die Spitze des herrschaftlichen Verbundes, sondern auch die sie umgebenden Berater verantwortlich gemacht werden. Andererseits wird der Herrscher selbst aber nicht, wie etwa eine Marionette seiner eigenen Höflinge, völlig aus der Pflicht genommen. Als Haupt des Staatskörpers ist er immer noch das Leitungs- und Kontrollorgan des Ganzen und übt einen bedeutenden Einfluss auf die moralische und politische Gesundheit des gesamten Systems aus. Genau hier setzt daher seine größte Verfehlung an. Richten wir den Blick nun auf den Despotismusvorwurf, eine andere, aber thematisch durchaus verwandte Facette des saresberiensischen Barbarossabildes.

2.2  Teutonicus tyrannus: der Tyranneivorwurf im schismatischen Kontext Mit keinem anderen Titel hat Johannes von Salisbury den römischen ­Kaiser so häufig belegt wie mit dem anschuldigenden Teutonicus tyrannus.2296 Im Gegensatz etwa zu dem von ihm hochgeschätzten französischen König handelten Friedrich und sein Volk, erkennbar an der Spur von Gräueltaten, an Verwüstung und der Exekution von Geiseln, die der ­Kaiser und sein Heer auf der Flucht aus der Lombardei hinterließen, more tyrannum 2297. Mit dieser Einschätzung war Johannes von Salisbury nicht allein. Schon Jahre zuvor hatte er berichtet, dass die Bürger Cremonas und Pavias dem ­Kaiser rundheraus damit gedroht hätten, sich von ihm abzuwenden, „falls er nicht seine tyrannischen Gewohnheiten ablege und die einer zivilisierten Herrschaft annähme“ 2298. Dass Barbarossa auch unter den Italienern als Tyrann geschmäht wurde, ist aufgrund der Auseinandersetzungen ­zwischen den aufstrebenden Kommunen und den rigiden Durchsetzungsversuchen der kaiserlichen Regalienpolitik kaum verwunderlich und 2 295 JvS II, Ep. 239, S. 454 f. 2296 Mit direktem Bezug auf Friedrich Barbarossa (Auswahl): JvS II, Ep. 152 (S. 52 f.), Ep. 168 (S. 102 f.), Ep. 177 (S. 182 f.), Ep. 181 (S. 200 f.), Ep. 184 (S. 216 f.), Ep. 186 (S. 226 f.), Ep. 225 (S. 392 f.), Ep. 234 (S. 430 f.) Ep. 242 (S. 472 f.), Ep. 272, Ep. 274 (S. 576 f.), Ep. 277 (S. 592 f.), Ep. 289 (S. 656 f.). 2297 JvS II, Ep. 277 (S. 592 f.) und Ep. 272. 2298 CTB I 29, S. 90 f.

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sollte sich auch über die Beilegung des Disputs hinausziehen.2299 Ähnliches ist für das Bild Barbarossas im kapetingischen Machtbereich zu konstatieren, in dem man sich für das Tyrannenbild als Ausgangspunkt weniger auf bilaterale Konflikte als vielmehr auf das kaiserliche Auftreten gegenüber dem Papsttum stützte.2300 Beide Einflussbereiche, der oberitalienische Norden und das Königreich Frankreich, werden die Vorstellungen des Johannes von Salisbury bedingt, geformt oder gestützt haben. Nicht zu unterschätzen sind aber vor allem die Signale von der alexandrinischen Kurie, war es doch Alexander III. persönlich, der in seinem richtungsweisenden Litteras a tua nobis an Arnulf von Lisieux den Tyranneivorwurf ins Grundrepertoire der antikaiser­ lichen Polemik erhob.2301 Dennoch würde es zu kurz greifen, Johannes von Salisbury und seine Überzeugungen nur als Summe äußerer Einflüsse zu betrachten. Vielmehr lagen Grundsatzfragen um Autorität und Gehorsam oder um gerechtfertigten Widerstand gegen gewaltsame Herrschaft seit dem Investiturstreit in der Luft.2302 Offenbar hatten sie den Autor des Policraticus so gepackt, dass man in seinem Urteil über Friedrich I. nicht nur die Anwendung einer polemischen Waffe mit langer Tradition, sondern eine reflektierte und gut theoretisierte Einschätzung erkennen kann, die auf den Beobachtungen seiner eigenen langjährigen philosophischen Reflexionen fußte. Bemerkenswert ist, dass die Ressentiments gegen Barbarossa und seine Regierungspraxis im Allgemeinen einen nüchterneren, politischeren Charakter einnahmen als etwa die gegen Heinrich II. Plantagenêt erhobenen Despotismusvorwürfe. Bei ersterem richten sich die Anschuldigungen auf greifbare Sachverhalte und kaiserliche Verfehlungen. Das sonst so beliebte Schwert biblischer und historischer Exempla wird nur indirekt gezückt, biblische Polemik findet sich kaum. Dabei mangelt es dem Policraticus nicht an geeigneten Negativbeispielen. Von den Klassikern Caesar, Augustus, Caligula, Nero und Julian Apostata über Holofernes, Pharao oder Salmanasar tummeln sich in Policraticus VIII, 19 – 21 nur so die Exempla furchteinflößender, aber letztlich schmählich gescheiterter, ermordeter oder entmachteter Tyrannen der Menschheitsgeschichte. Was auch immer die Umstände ihres Niedergangs waren, sie nahmen letztlich durch Gottes Hand ein schmähliches Ende. Allein die Beispiele 2299 Vgl. Kai M. Sprenger: Tyrann, Wohltäter, Heiliger – oberitalienische Erinnerungen an ­Kaiser Friedrich I. Barbarossa, in: Alfried Wieczorek u. a. (Hg.): Die Staufer und Italien. Drei Innovationsregionen im Mittelalterlichen Europa, Stuttgart 2010, S. 39 – 46. 2300 Vgl. Grosse: ­Kaiser. Böhm: Bild, S. 88 beobachtet, dass die „Stellungnahme der Westmächte zu Friedrich einheitlich [ist] und […] sich nur im Grade der Heftigkeit [unterscheide].“ 2301 Vgl. Bouquet 15, Nr. 17, S. 760. Darauf aufbauend die alexandrinischen Kardinäle: Moerore simul, ed. Watterich. 2302 Dazu Robinson: Authority sowie Constable: Propaganda.

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aus der heidnischen Geschichte sind so zahlreich, dass Johannes bemerkt, es wäre zu ermüdend, die lange Abfolge der Tyrannen bis in seine heutige Zeit zu verfolgen. Er überließe dies daher lieber einem separaten Traktat.2303 Eines der Beispiele teilt er mit den alexandrinischen Kardinälen, die in ihrem Schreiben Moerore simul aus dem April 1160 Barbarossa offen mit Nebukadnezar verglichen.2304 Doch selbst dieser Schriftbezug bleibt in der Exilkorrespondenz äußerst vage.2305 Das Barbarossabild durchbricht die in den Jahren des Exils bei Johannes von Salisbury allgemein zu beobachtende Tendenz eines verstärkten Bezugs auf die Bibel:2306 „[…] during the years of exile […] John of Salisbury’s attachment to the bible was strengthened at the expense of his ‚classical humanism‘. […] The ancient pagan sources which bulked large in his earlier writings are submerged under a flood of biblical quotations, allusions and exempla. The main topics of these later letters are the Becket controversy, the papal schism and the empire-­ papacy conflict. The very nature of these themes must have influenced John’s mental processes.“ 2307

Wenn dem so gewesen wäre, warum findet sich diese biblische Polemik nicht bei einem wichtigen Aspekt wie der Wahrnehmung des schismatischen Erzfeindes? Der Grund dieser Anomalie ist zum einen darin zu suchen, dass Johannes an der Denunziation Friedrich Barbarossas ein andersgeartetes Interesse hatte als an der des englischen Königs. Zum anderen ermöglichte ihm diese Thematik, sich von der üblichen Polemik des Becketkonflikts zu lösen und seiner Tyrannenlehre – insbesondere der Typologie zur vieldiskutierten Figur des öffentlichen politischen (im Gegensatz zum klerikalen oder häuslichen) Despoten – zu folgen, wie er sie im letzten Buch des Policraticus dargelegt hatte. 2303 Policraticus II, ed. Webb VIII, 20, S. 372 f.: Longum est si gentilium tirannorum ad tempora nostra seriem uoluero trahere; sed unius hoc etatis non memorabitur homo. Hoc enim mentem effugit et linguam uincit. Libellus tamen qui De Exitu Tirannorum inscriptus est quid de tirannis sentiam plenius poterit aperire […]. Der Traktat ist bedauerlicherweise nicht erhalten. 2304 Moerore simul, ed. Watterich, S. 498 über das Konzil von Pavia: Quocirca congregatis in sanctuarium Dei aliquantis, ad exemplum Nabuchodonosor regis de statuae deauratae coepit erectione tractare. Siehe auch Johannes von Salisbury, der ebenfalls die Auflehnung des babylonischen Königs gegen Gott hervorhebt: Policraticus II, ed. Webb, S. 381. 2305 Vgl. JvS II, Ep. 221, eingebettet in das Gleichnis des Arztes, der die ­Kirche heilen wird: Ceterum medicus ecclesiae […] miscuit potionem quae propinabitur filiis Babilonis, ut inebrientur et corruant et uasa transmigrationis redire patiantur ad cultum Dei sui. Der Bezug ist die Rückkehr der von Nebukadnezar nach Babel entwendeten Sakralgefäße in den Tempel von Jerusalem (Esra 5 14 – 15 und 6,16). 2306 Vgl. Smalley: Schools, S. 107 und Saltman: Testament, S. 343. 2307 Ebd.

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Auf der Suche nach Spuren dieser Tyrannologie in den Briefzeugnissen der Jahre 1164 bis 1170 sollte bedacht werden, dass die Exilkorrespondenz des Johannes von Salisbury und sein Meisterwerk, der Policraticus, sich in einer wichtigen Beziehung unterscheiden: Die Briefe des Saresberiensis sind oft bilaterale, kommunikative Quellen, die naturgemäß nicht die theoretisierende Tiefe eines herrschaftsethischen Traktats annehmen können. Doch auch wenn wir darauf angewiesen sind, die Tyrannenlehre in Streiflichtern in der Korrespondenz aufzuspüren, gilt, dass der Epistolograph Johannes von Salisbury und seine Überzeugungen auch fünf Jahre nach Vollendung des Policraticus die Feder nicht in einem ideologischen Vakuum ansetzte. Die Konfrontation mit der übermächtigen Herrschergestalt des römischen Kaisers, der alles aufbot, um die Kirchenspaltung am Leben zu halten, musste sich zwangsläufig als Anwendungsbeispiel der Tyrannenlehre präsentieren. Seine aktuelle Lebenserfahrung konnte der angelsächsische Moralist nur auf der Grundlage seiner Überzeugungen ausdeuten. Die Natur und den Ursprung der Tyrannei betreffend, nimmt die Exilkorrespondenz im Gegensatz zu den Briefen aus der Frühphase des Schismas, in der die Frage des legitimen Nachfolgers Hadrian IV . noch diskutiert wurde, erwartungsgemäß keine neue Verortung vor. Der Begriff des Tyrannen wird bei so gut wie jeder Nennung des Kaisers ohne weitere Reflexion als feststehende Wahrheit herangezogen. Es muss nicht mehr diskutiert werden, dass Friedrich ein Tyrann ist. Schon Johannes’ Pavia-Kommentar hatte hinreichend dargelegt, dass Barbarossas größtes Verbrechen als Feind der ­Kirche die Einmischung in die innerkirchliche Angelegenheit der römischen Bischofswahl war, die der Angelsachse – damals noch hypothetisch – bereits im Policraticus angeprangert hatte.2308 Das Urteil über die Rechtmäßigkeit eines Papstes obliege bekanntlich allein der Prüfung durch Gott den Allmächtigen.2309 Der öffentliche Tyrann zeige sich aber schließlich vor allem durch die Übergriffe in ­diesem Bereich. Durch Willkür und Gesetzlosigkeit gefährde er das fragile Gleichgewicht der Gewalten und die libertas ecclesiae. Nach Johannes’ Verständnis durfte ein weltlicher Herrscher allein dann intervenieren, wenn sich das Gemeinwesen dem korrumpierenden Einfluss eines geistlichen Despoten – in d­ iesem Fall des Bischofs von Rom – gegenübersah. Nur dann war es dem Fürsten als Hüter des gefährdeten Staatskörpers gestattet, die spirituelle Gefolgschaft aufzukündigen und zum Schutz des Gemeinwesens gegen die ihm übergeordnete geistliche Instanz des Klerus einzugreifen – solange er dabei nicht gegen göttliches Recht als höchste normative Richtlinie verstieß. Dies aber wäre der Fall, versuchte 2308 Vgl. JvS I, Ep. 124. Zu den Gestalten weltlicher Übergriffe in die Besetzung von Kirchenämtern siehe Policraticus II, ed. Webb VII, 20, S. 187 f. 2309 Vgl. ebd. VIII, 23, S. 405.

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er, strafrechtliche Gewalt gegenüber dem entsprechenden Kleriker auszuüben. Denn diese war erst statthaft, sobald der Geistliche seiner Ämter enthoben war. Bis dahin blieb eine gesetzliche oder gewalttätige Verfolgung des kirchlichen Despoten eine Verletzung der kirchlichen Autorität. Vor d­ iesem Hintergrund wird auch Johannes’ Sturm der Entrüstung hinsichtlich des kaiserlichen Heereszugs im Sommer 1167 verständlich. Die befürchtete gewaltsame Gefangennahme, wenn nicht sogar Tötung Alexanders durch den K ­ aiser, musste wie Alexanders Verurteilung auf dem Konzil von Pavia in seinen Augen als eine ­solche aufdringliche Anmaßung herrschaftlicher Autorität über das von Gott eingesetzte Oberhaupt der K ­ irche betrachtet werden. Der Weg des guten Fürsten wäre der Rekurs auf das Kirchenrecht gewesen, um den päpstlichen Usurpator zu richten, keinesfalls aber der Eingriff mit den weltlichen Mitteln der Säkulargewalt.2310 Die Kaiserkritik des Johannes von Salisbury beruhte also auch im veränderten Gefüge des Schismas zu Zeiten des Becketkonflikts noch immer auf der Kritik an der als ungebührlich empfundenen Intervention Barbarossas, durch die dieser zum scismaticorum princeps 2311 avancierte. Alles weitere, etwa seine Gräueltaten gegenüber den oberitalienischen Stadtkommunen oder sein durchtriebenes, doppelzüngiges Spiel in der Anbahnung der ersten Friedensgespräche mit dem Papsttum nach der Schmach vor Rom 1167, bestätigten nur seine Aggression, Willkür und moralische Verdorbenheit, konnten aber ebenso Johannes’ Deutschenbild als eines verschlagenen Volkes von kampfeslustigen Verrätern zugesprochen werden wie Barbarossas Part im Schisma.2312 Nach wie vor fußte Johannes’ Bewertung des Kaisers damit auf seiner Haltung im Schisma und (nach 1164) dessen Verfestigung durch die Akzeptanz des unter Federführung des Rainald von Dassel erhobenen zweiten Kaiserpapstes Guido von Crema. Tatsächlich ist diese Perpetuierung eines Konflikts, der nach dem Tod Viktors IV . auch friedlich hätte beigelegt werden können, einer der wenigen neuen Aspekte im Barbarossabild des Johannes von Salisbury. Dass er aber davon überzeugt ist, dass Friedrich, wäre Rainald nicht gewesen, für eine s­ olche konfliktfreie diplomatische Lösung empfänglich gewesen wäre, demonstriert, wie sehr der eigentliche Ursprung des Schismas noch immer auf die Initiative des vermeintlichen Priestertyrannen V ­ iktor IV. zurückgeführt wurde.2313 Im Oktober 1166 taucht zum ersten Mal die Bezeichnung crimen in Bezug auf das Schisma auf und wird im Frühjahr 1168, als deutlich wurde, dass Barbarossas 2 310 Vgl. ebd. VIII, 18, S. 364. 2311 JvS II, Ep. 225, S. 392 f. 2312 Vgl. JvS II, Ep. 272, in dem der Vorwurf der Hinterlist besonders prominent ist. 2313 Vgl. JvS II, Ep. 186, S. 226 f.

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Stern im Sinken begriffen war, zum Schlagwort der Kaiserkritik: Fredericus, factus crimine et pertinacia scismatis ex-Augustus.2314 Im ausführlichen, an Balduin von ­Totnes gerichteten Bericht verschmelzen deutlich die beiden letzten Aspekte des neuen saresberiensischen Kaiserbildes: die Idee, den infelix exitus, also die göttliche Strafwirkung auf den Tyrannen, mit der Seuchenkatastrophe vor Rom gleichzusetzen und die Vorstellung, dass die sakrilegischen Vergehen des Kaisers, aber auch sein starrköpfiger Mangel an Einsicht und Bußfertigkeit, letztlich zum Verlust seiner Kaiserwürde führten. Johannes formuliert seine Interpretation der kaiserlichen Verluste im sommer­ lichen Sumpf vor Rom unmissverständlich als göttliche Strafe. Gott habe sein Schwert gegen der Tyrannen Köpfe gezogen, triumphiert er kurz nach dem Ereignis gegenüber Alexander III.2315 Er tröste seine ­Kirche, indem er den deutschen Tyrannen zum heillosen Rückzug aus Rom gezwungen habe und werde diejenigen, die fehlten, ihrer gerechten Strafe zuführen.2316 Christus, erinnert er Gerard Pucelle, siege, herrsche und befehle. Er erinnere sich seiner armen Anhänger und strafe die gottlosen Mächtigen nur umso mächtiger.2317 Dergestalte Deutungsmuster sind nicht einzigartig in einer von christlichen Wahrnehmungsschemata durchtränkten Zeit. Besonders Quellen italienischen und anglonormannischen Ursprungs nahmen diese Deutung der Epidemie als divina ultio für die Sakrilegien und Verwüstungen in der Ewigen Stadt vor.2318 Besonders ausführlich, was die Verbindung des Massensterbens mit den vorherigen militärischen Angriffen auf die Petrusstadt anging, wird, wie zu erwarten, Bosos Alexandervita:

2 314 Vgl. JvS II, Ep. 184, S. 212 f. Zitat: JvS II, Ep. 272, S. 552 f. 2315 Vgl. JvS II, Ep. 219, S. 376 f. 2316 Vgl. JvS II , Ep. 225, S. 392 f. Ähnlich: JvS II , Ep. 226, S. 396 f. Siehe auch JvS II , Ep. 273, S. 572 f.: Ergo et qui nunc praedator est, erit et ipse in praedam, et qui sine misericordia iudicat, sine misericordia condemnabitur, et cum peruerso peruertetur et Deus, et per quae peccauit quid, per haec et punietur, et pro iusticia pacientibus uerae beatitudinis dabitur consolatio. Ergänzend JvS II, Ep. 239, S. 454 f. 2317 Vgl. JvS II, Ep. 226, S. 396 f. Ebenso gegenüber Nikolaus von Mont-Saint-Jacques in JvS II, Ep. 239, S. 454 f.: Dissipat Dominus gentes quae bella uolunt, et qui se a pace Dei elongant indubitanter peribunt. Quis persecutorum ecclesiae ultricem dexteram Dei, qui potentes potentius punit, legitur euasisse? 2318 Maleczek: Schisma, S. 175, Anm. 33 hat einige Beispiele zusammengestellt. Eine Auswahl aus dem oberitalienischen, süddeutschen und französischen Raum liefert die anonyme Fortsetzung des Otto Morena: Morena Historia Frederici I, ed. Schmale; Regensburger Annalen in: Annales Ratisponenses, in: MGH SS 17, S. 588; Continuatio des Haimo von Saint-Germain in: Ex Aimoni Continuatione Sangermanensi, in: MGH SS 26, S. 152.

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Set quoniam in cunctis actibus suis omnipotentis Dei et beati Petri mansuetudinem et patientiam, sicut homo qui non posuit Deum adiutorem sibi set speravit in multitudine divitiarum suarum, non cognovit, iratus est ein Dominus cum beato Petro cuius ecclesiam incendere, Dei timore postposito, non abhorruit. Inmisit enim tantam subitanee mortis pestilentiam in eius exercitum […].2319

Auch im anglonormannischen Bereich griff man auf ­dieses Erklärungsprinzip zurück. So zieht auch Thomas Becket gegenüber Alexander III . eine deutliche Parallele ­zwischen der lästerlichen Einnahme Roms und der Dezimierung des kaiserlichen Gefolges: Insonuit enim auribus nostris et toti Gallie uerbum quod nouiter factum esse dicitur a Domino – uidelicet illum Fredericum scismaticum, ignominiose humiliatum, factum sine honore coram omni populo et gente. […] Non est a seculo audita uirtus Dei manifestior, si recte pensetur quid euenerit, iustitia ipsius iustior, qua contriuit ipsos fabricators huius malitie, tante persecutionis auctores, consumpsit etiam eos morte famosissima. Ipsum utinam iam ex-principem uiuentem dederit in obprobrium omni populo, in derisum omni transeunti, ut ab omnibus digito monstretur, et fiat de ipso quasi celebre prouerbium in ore uulgi, dicentis, ‚Ecce homo, qui non posuit Deum adiutorem suum, sed confisus in potentia sua defecit in ipsa uanitate sua‘ […].2320

Der Unterschied ­zwischen diesen Zeugnissen und der Wahrnehmung des Johannes von Salisbury liegt nicht in der Anwendung des Gedankens vom Gottesurteil, sondern im Hintergrund, den der Angelsachse ­diesem zuweist, denn für ihn ist die Deutung mehr als eine naheliegende Erklärung für die zeitliche Kohärenz der Ereignisse. Nicht nur Fingerzeig des Übermenschlichen, sondern die unaufhaltsame Manifestation der Heilsgeschichte, das göttlich angezeigte Ende der Tyrannei. Die Ereignisse sind eine handfeste, lebensweltliche Bestätigung seiner Th ­ eorie vom göttlich herbeigeführten schmählichen Ende eines jeden Tyrannen und damit direkt auf die Kaiserfigur zugeschnitten. Spätestens nach Barbarossas plünderndem Rückzug gen Norden konnte Johannes von Salisbury weder Mitleid noch Zuversicht mehr aufbringen. Nicht einmal nach ­diesem offensichtlichsten aller Z ­ eichen und unter den schmachvollen Umständen

2 319 Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 417 f. 2320 CTB I 139, S.  640 – 643. Die anglonormannische Historiographie betreffend macht Maleczek: Schisma, S. 175, Anm. 33 auf die Annalen von Tewkesbury (Ex rerum Anglicarum scriptoribus saec. XII. et XIII., ed. Felix Liebermann/Reinhold Pauli, Hannover 1885 (MGH SS, 27)) und Winchelcombe (Annales aevi Suevici, ed. Georg Heinrich Pertz, Stuttgart 1994 (MGH SS, 16)) sowie RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 364 f. aufmerksam.

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seiner Flucht, klagt er gegenüber Gerard Pucelle, ließe sich der Staufer vom einmal eingeschlagenen Kurs abbringen: Imperator enim, quasi torris raptus de incendio, confusus ab urbe recessit; et licet foetor cadauerum a castris in nares eius ascenderit, Domino manum suam extendente super eum, nondum tamen uoluit agnoscere et confiteri errorem suum. Erigatur itaque spiritus uester, quoniam Christus uincit, regnat et imperat, et recordatus pauperum suorum potentes impios potentius torquet.2321

Eine bemerkenswerte Weiterentwicklung des Ursprungsbilds aus Plenam deuotione et eruditione, seiner ersten, feurigen Reaktion auf die expeditio des Kaisers, deren Worte fast als Weissagung dessen erscheinen mussten, was sich nun erfüllt hatte.2322 Das Bild vom aus den Flammen gezogenen Feuerscheit wird zum Ausdruck der Unverbesserlichkeit und Bußunfertigkeit des Kaisers: Wie er zuvor als schismatischer Feuerscheit loderte, so versuchte er, seiner brennenden Lebensgrundlage entzogen, immer noch gegen alle Vernunft die strafende Hand Gottes über sich zu ignorieren. Die Folge sei ein Absturz, der auch dem englischen König als mahnendes Beispiel dienen könne: Et si historiarum non mouetur exemplis, eum uel Fredericus ex-Augustus potest instruere, qui de fastigio Romani imperii ob ecclesiae persecutionem in paupertatem et ignominiam miser, sed nulli miserabilis, corruit, ad gloriam eius qui solus pro arbitrio regna et imperia transfert, erigit quas uult et deicit potestates.2323

In diesen wenigen Zeilen schlummert bereits ein weiterer Aspekt, der seine wirksamste und detaillierteste Entfaltung in einem Schreiben finden sollte, das Johannes Ende des Jahres 1167 an den befreundeten Subprior von Christ Church, Wilhelm Brito, richtete. Damals versuchte Johannes von Salisbury die dortige Mönchskongregation zu einer standfesteren Unterstützung Thomas Beckets zu bewegen und vom Kontakt mit den exkommunizierten Handlangern des Königs abzubringen. Es handelt sich 2321 JvS II, Ep. 226, S. 396 f. Ähnlich auch Boso: Sed quod erat valde mirabile in oculis omnium, neque recordatio tantorum malorum que ab infantia sua crudeliter exercuerat, neque recentia flagella sibi a Deo et beato Petro illata duritiam et feritatem cordis illius emollierant, vel ad bonum faciendum converterant. Quippe ipsius natura in malum ab adolescentia sua prona fuit et semper in idipsum fore proclivior creditur. (Boso Vita Alexandri, ed. Duchesne, S. 418) 2322 JvS II, Ep. 186, S. 228 f. gegenüber Gerard Pucelle: Verumtamen oratio sine intermissione fit ab ecclesia ad Deum pro eo, ut supra modum timere non debeat a duabus caudis fumigantium ticionum, Frederico et Raginaldo, qui ponentes carnem brachium suum sanctum Israel blasphemare non cessant. Profecto ubi humanum deest, diuinum auxilium necessitatibus ecclesiae suffragatur. 2323 JvS II, Ep. 239, S. 454 f.

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also um ein programmatisches Schriftstück. In ihm findet die Idee Ausdruck, dass das tyrannische Verhalten des Staufers nicht nur seinen persönlichen Fall, sondern vor allem auch den Verlust seiner Kaiserwürde direkt herbeigeführt habe, da er in moralethischer und (wie von der Forschung propagiert) auch staatsrechtlicher Sicht illegitim regierte.2324 Wenn Johannes von Salisbury die geschwächte Position des Kaisers und die Erstarkung der apostolischen Gewalt Alexanders III. und sein entschlossenes Vorgehen gegen den starrköpfigen imperator rekapituliert, zeigt dies nicht nur, dass er die Zuversicht in Canterbury stärken wollte, sondern auch, dass Friedrichs schlimmste Verfehlung in den Wochen nach dem Fingerzeig Gottes vor Rom in Johannes’ Augen nicht seine schismatischen Handlungen oder Gräueltaten sind, sondern die Tatsache, dass ­Friedrich nach allem noch immer nicht bemüht war, durch Reue, Bußfertigkeit und eine Absage vom kirchlichen Despotismus und dem kaiserlichen Papstkandidaten, dem fürstlichen Ideal zu entsprechen und die Harmonie des Staatskörpers wiederherzustellen.2325 Spätestens nach der fatalen Dezimierung seines Heeres und seiner Berater hätte er den eingeschlagenen Weg als falsch erkennen müssen. Letztlich habe dieser beständige Ungehorsam gegenüber der natürlichen Kontrollinstanz der ­Kirche und den Geboten der Herrschaftsethik zum letzten Mittel geführt: Abstulit ei etiam regiam dignitatem ipsumque anathemate condempnauit, et inhibuit auctoritate Dei ne uires ullas amodo in bellicis congressionibus habeat, aut de Christiano aliquo uictoriam consequatur aut alicubi quiete et pace gaudeat, donec fructus poenitentiae condignos operetur […].2326

Dabei sei er einem prominenten Beispiel der jüngeren Vergangenheit gefolgt, nämlich secutus est exemplum Gregorii septimi, decessoris sui, qui nostra aetate Henricum imperatorem ecclesiae priuilegia conuellentem deponens in concilio Romano simili sententia condempnauit.2327

2324 Vgl. Böhm: Bild, S. 94 – 96 und daran anschließend Engels: Friedrich, S. 238. 2325 JvS II, Ep. 242, S. 472 – 475: […] superbia Moab [i. e. Friedrich Barbarossa] in dies infirmatur. […] exultatio Moab ex necessitate Petro cedens de cetero conquiescat. […] Cum enim Romanus pontifex per patientiam Teutonicum tyrannum diutius expectasset ut uel sic prouocaretur ad poenitentiam, et schismaticus, abutens patientia eius, peccata peccatis adderet iugiter ut error in amentiam uerteretur […]. 2326 Ebd., S. 474 f. Tatsächlich entließ Alexander III. am 31. Mai 1167 die Konsuln und das Volk von Brescia brieflich für die Dauer seiner Exkommunikation von ihrem Treueeid gegenüber dem ­Kaiser. Siehe Nr. 11, in: Paul Fridolin Kehr (Hg.): Papsturkunden in Italien, Città del ­Vaticano 1977 (Acta Romanorum Pontificum, 5), S. 439 – 440. 2327 JvS II, Ep. 242, S. 474 f.

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Der Analogieschluss z­ wischen dem unrühmlichen Endes Heinrichs IV . und den ersten Vorzeichen der Gegenwart sagte bei ­diesem klassischen Beispiel des Exem­ plum den Erfolg ­dieses Schrittes geradezu voraus.2328 Der Brückenschlag ­zwischen der Fastensynode von 1076 und dem Status des Exkommunizierten des Kaisers im Jahr 1167 ist bemerkenswert. Historisch vergleichbar waren die Ereignisse kaum.2329 Als Johannes sich an Wilhelm Brito wandte, war Friedrich bereits seit über sieben Jahren von Alexander III. mit dem Kirchenbann belegt und somit aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen.2330 Im Jahr 1162 hatte Alexander die Exkommunikation ein weiteres Mal wiederholt.2331 Der Status des Kaisers als Gebannter hatte sich also im Winter 1167 nicht verändert. Auch hatte er, abgesehen von Johannes’ dringlichen Bitten an Gerard Pucelle, sich zu seinem eigenen Seelenheil und der kirchlichen Sache nicht mit den Exkommunizierten am Kaiserhof einzulassen, keine größere Rolle gespielt. Die Tatsache, dass Johannes den Punkt gerade in d­ iesem zeitlichen Rahmen, im Nachhall der Romkatastrophe vom Sommer 1167, wieder aufgreift und dazu noch propagandistisch verschärft, ist beredtes Zeugnis für seine Wahrnehmung von Kausalzusammenhängen ­zwischen dem Ignorieren der göttlichen Warnung, der schismatischen Renitenz des Kaisers und dem harten Durchgreifen des Papstes. Nach heutigem Forschungsstand wurde Friedrich Barbarossa, anders als Heinrich IV., niemals öffentlich von Alexander III. seines Amtes enthoben. Es ist kein Zeugnis erhalten, das diesen Schluss aufkommen ließe, und auch Johannes’ Bezeichnung des Kaisers als ex-Augustus kann darauf nicht hindeuten.2332 Dass Johannes von Salisbury den Staufer als ‚abgesetzt‘ betrachtete, steht auf einem anderen Blatt und macht sehr deutlich, wie tief er aus einer ureigenen, moralistisch geprägten Ideenwelt argumentierte. Timothy Reuter kommt anhand dieser Passage zu einem bedeutenden Schluss: 2328 Ebd.: Et quidem illa sententia effectum sortita est; et hanc de priuilegio Petri latam uidetur ipse Dominus confirmasse. Hoc enim Itali audito ab eo discedentes reaedificauerunt Mediolanum, scismaticos expulerunt, catholicos reduxerunt episcopos et apostolicae sedi unanimiter adhaeserunt. Zum Charakter der Passage als Modellexemplum siehe Moos: Use, S. 207. 2329 Ausführlich zum Vorgang und dem Absetzungsschreiben an Heinrich IV .: Erdmann: Anfänge. 2330 Die Exkommunikation war als Reaktion auf das Konzil von Pavia und seine Beschlüsse am Gründonnerstag 1160 durch Alexander III. vorgenommen worden. Siehe Bouquet 15, Nr. 17 und MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 53, S. 104. Sie war – wie gezeigt werden konnte – Ausgangspunkt einer verstärkten kurialen Polemik gegen den K ­ aiser. Die Kronzeugen sind: Bouquet 15, Nr. 17, S. 760; MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6, Nr. 53, S. 104 und Moerore simul, ed. Watterich, S. 498. 2331 Vgl. seinen Brief an Erzbischof Syrus von Genua vom 7. Juni 1162: JL 10729. 2332 Vgl. Reuter: Germans, S. 417.

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„[…] it is clear from [ John’s] letter and from his other letters that he regarded God as having deposed Frederick by destroying his army and inciting the Italian cities to rise against him. The purpose of the letter was to warn William Brito and the community of Christ Church Canterbury of the dangers of disobedience to the pope, and John uses his characteristic exemplum technique to make the point: God confirmed Gregory VII’s deposition of Henry IV and has now done the same for Alexander’s deposition of Frederick – what will happen to Christ Church if it is found disobedient? For these purposes strict historical accuracy in an exemplum was not needed – moral and rhetorical force were of overriding importance.“ 2333

Der Vergleich mit dem großen K ­ aiser-Papst-Konflikt des Investiturstreitzeitalters war also eine Analogie, die moralethisch verstanden sein wollte. Es war nicht so, dass Johannes von Salisbury dem Irrtum oder der Fehlinformation erlegen wäre, Alexander hätte tatsächlich eine Absetzungssentenz ausgesprochen. Es war seine ureigene Deutung, dass Friedrich durch sein tyrannisches, kirchen- und papstfeindliches Gebaren die ursprüngliche Legitimation der königlichen Würde verwirkt hatte. Manifestation ­dieses göttlichen Gnadenverlustes war der von Johannes mit so großer Genugtuung beobachtete Fall vom wütenden Mailänder Triumphator zum schmachvollen Gejagten, der ihn in Italien, aber auch im transalpinen Stammreich selbst, angezeigt durch die Aufstände in Burgund und Sachsen, um Amtsautorität und Handlungsfähigkeiten gebracht hatte.2334

2.3  Ex-Augustus: ein Kaiser ohne Kaiserwürde Im Frühjahr 1168 leitete Johannes einen ausführlichen Lagebericht nach Exeter mit den Worten ein, Friedrich, „den sein Verbrechen und sein schismatischer Starrsinn zum ex-Augustus gemacht [habe], [habe] vorgegeben, zur katholischen Einheit zurückkehren zu wollen“ 2335. Zwei Dinge sind bemerkenswert. Zum einen ist es das Verharren in sündhaftem Vergehen, seine pertinacia, die den Fall des Kaisers, wie auch jenen des Tyrannen, bedingt und damit nicht nur dessen Ausübung der kaiserlichen Gewalt, sondern die gesamte Amtswürde verwirkt.2336 Zum anderen taucht zu dieser Zeit und schon seit 2333 Ebd., S. 417 f. 2334 Vgl. JvS II, Ep. 273, Ep. 276 und Ep. 253 (S. 510 f.). 2335 JvS II, Ep. 272, S. 552 f. 2336 So auch schon Böhm: Bild, S. 95 f.: „Friedrich hat das Schisma unterstützt und fällt so unter die Klasse der Tyrannen ‚quoad executionem‘, d. h. durch ungesetzliche Regierungsweise hat er seine Herrschaft zunichte gemacht und ist selbst dem Gericht Gottes verfallen.“ Auch

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dem Dezember 1167 die berühmte, gern zitierte Betitelung des Staufers als ‚ex-Augustus‘ in den Exilbriefen des Johannes von Salisbury auf. Die frühere Forschung deutete sie als das Anzeichen dafür, dass Friedrich I. in den Augen des Angelsachsen seiner Kaiserwürde verlustig gegangen war.2337 Hier lohnt sich ein zweiter Blick. Zwar wurde erkannt, dass Johannes die griffige Bezeichnung nicht durchgängig verwendete, doch ist in der Begeisterung für das so ausdrucksstarke Kampfwort untergegangen, dass der Ex-Augustus-Titel nicht der einzige ist, mit dem Johannes den Staufer belegt und dass andere Bezeichnungen wie imperator oder Teutonicus tyrannus im Gegensatz zum exAugustus eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Die subtilen Unterschiede, die sich im Vokabelgebrauch des Saresberiensis ergeben, müssen aber gewürdigt werden, um sein Kaiserbild genau zu skizzieren. Ebenso verhält es sich mit Variablen wie dem Empfängerkreis, dem historischen Hintergrund und der Aussageabsicht. Als Grundlage der Diskussion soll die rudimentäre Aufstellung der Bezeichnungen des deutschen Herrschers in ausgewählten Werken des Johannes von Salisbury dienen, die Wilhelm Grünewald 1961 seiner Analyse des englischen Bildes vom fränkischdeutschen Kaisertum vorangestellt hat.2338 Vorbereitend sei angemerkt, dass sich diese nicht nur auf die Epistolae, sondern auch auf Historia pontificalis und den Policraticus stützt. Dabei werden für letztere Schriften die maßgeblichen Editionen herangezogen, während Grünewald aufgrund der noch ausstehenden Publikation der späten Salisburybriefe durch Millor, Butler und Brooke und trotz der bereits vorliegenden Neuedition der frühen Korrespondenz nur die überkommene Ausgabe von J. A. Giles zugrunde legt.2339 Dies allein lässt bereits quantitative Divergenzen im Resultat erwarten, da die Fragestellung dieser Arbeit primär an der Entwicklung des Königsbildes in der saresberiensischen Korrespondenz nach 1163 und dem Barbarossabild dieser Zeit interessiert ist. Es gibt aber auch qualitative Kritik an Grünewalds Ansatz, denn aufgrund ihres sehr klassisch orientierten Suchrasters kann die Auflistung bezüglich der Bezeichnungen des deutschen Kaisers oder Königs keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben. So ignoriert sie nicht nur die neutrale Bezeichnung Friedrichs als Spörl: Grundformen, S. 100 erkennt in Johannes’ Belegung Friedrichs mit der Terminologie des schlechten Fürsten (tyrannus, hereticus, Christianorum hostis und ex-Augustus) eine Parallele zur saresberiensischen Herrschaftsethik. 2337 So Böhm: Bild, S. 95: „Teutonicus imperator, Teutonicus tyrannus nennt er ihn. Das Kaisertum ist für ihn zur Bedeutungslosigkeit geworden, sein Inhaber wird aller kaiserlichen Rechte entkleidet. So steht Friedrich vor ihm, mit Ansprüchen, die in nichts begründet erscheinen, die nur von Stolz und Herrschsucht diktiert sind.“ 2338 Vgl. Grünewald: Kaisertum, S. 77. 2339 Dies sind: Historia pontificalis, ed. Chibnall; Policraticus, ed. Webb und JvSalisbury Opera omnia, ed. Giles.

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imperator, sondern auch die zweite polemische Kampftitulatur des Teutonicus tyrannus. Den Teutonicus imperator führt Grünewald einmal, den Ex-Augustus-Titel immerhin dreimal auf.2340 In Wahrheit lässt letzterer sich aber sechsmal nachvollziehen und ist damit dennoch die seltenste Variante. Am häufigsten vertreten ist die Bezeichnung als imperator, dicht gefolgt von Teutonicus tyrannus. Der Ex-Augustus-Titel soll als bedeutungstragende sprachliche Einheit nicht verworfen werden, nimmt aber eben nicht den herausragenden Platz ein, den ihm die Forschung zuwies.2341 Auf welcher Basis und mit welchem Zweck aber entwickelte sich die Spezifizierung der Terminologie? Eine negative Bewertung des Kaisertums ist im frühen Oeuvre des Angelsachsen nicht zu finden. Weder die Historia pontificalis noch der Policraticus setzen sich kritisch oder polemisch mit der Institution des römischen Kaisertums auseinander, obgleich die programmatische Wahlanzeige des jungen Friedrich von 1154 oder die Vorfälle von Besançon schon in den früheren 1150er Jahren Ansatzpunkte für Kritik geliefert hätten. Johannes’ Einstellung in dieser vorschismatischen Zeit hat Wilhelm Grünewald passend als „abwartende Haltung wohlwollender Neutralität“ 2342 charakterisiert. In Bezug darauf, was für Johannes von Salisbury das Kaisertum als Institution auszeichnete, gilt immer noch die in ­diesem Zusammenhang vorgenommene Auf­ fächerung von Wilhelm Grünewald.2343 Demzufolge habe für Johannes von Salisbury a) kein universales Kaisertum existiert. b) der deutsche K ­ aiser die Fürsten der umgebenden Reiche an Rang überragt.­ ­Johannes habe es jedoch abgelehnt, aus dieser rangmäßigen Überordnung eine Prädominanz über andere Staaten oder ein Interventionsrecht in deren Verhältnisse zu folgern. c) der ­Kaiser unter dem Papst und nicht Seite an Seite mit ihm gestanden, da nach seinem ethopolitischen Verständnis der Zweischwerterlehre die K ­ irche grundsätzlich das gladius materialis an den Imperator verleihe. Man könnte mit Spörl noch hinzufügen, dass Johannes die Verbindung ­zwischen dem alten Römischen Reich und dem Kaiserreich der Gegenwart nicht durch einen tradierten politischen Erneuerungsgedanken hergestellt sah, sondern vielmehr das Imperium Romanum als konkretes historisches Phänomen mit Vorzügen (i. e. Tugenden) und Nachteilen (Laster wie Ehrsucht, Habgier und Aufruhr) verstand, die ­letztlich 2 340 Vgl. Grünewald: Kaisertum, S. 77. 2341 Etwa bei Böhm: Bild, S. 96. 2342 Grünewald: Kaisertum, S. 85 entgegen den anderslautenden Äußerungen von Spörl: Grundformen. 2343 Vgl. Grünewald: Kaisertum, S. 87.

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auch zu seinem Untergang führten.2344 Das Römische Reich ist für Johannes also kein universales Weltreich unter Führung des Kaisers als Hegemonialfigur, sondern ein Objekt moralethischer Bewunderung. Somit interessiert er sich, wie etwa viele seiner zeitgenössischen Landesmänner, nicht für die bei Friedrich Barbarossa und im Reich so omnipräsente Überzeugung der translatio imperii, den Übergang römischer Herrschaft von Konstantinopel auf die fränkischen Amtsvorgänger des Staufers.2345 In ­diesem Schweigen über die Translationsidee hat Johannes Spörl eine „prinzipielle Ablehnung des deutschen Kaisergedankens“ 2346 oder der Idee von „Schicksal und Fortleben des alten römischen Imperiums im mittelalterlichen Kaisertum“ 2347 sehen wollen. „Das alte römische Imperium“, schließt Spörl, „das [ Johannes] wie kaum ein anderer im 12. Jahrhundert liebt, ist für ihn untergegangen. Ein christliches Imperium Romanum, in dem ein weltlicher Fürsten neben dem Papst über den anderen Fürsten steht, existiert für ihn theoretisch nicht.“ 2348 Ebenso wenig wie die Überzeugung, dass ein solcher Vorrang des römischen Kaisers sich in großen heilsgeschichtlichen Aufgaben, etwa dem Dienst des christlichen Missionsgedankens äußern könnte.2349 Bereits Grünewald hat auf die Schwierigkeit des Arguments hingewiesen. Schließlich ­seien ­solche Aufgaben des Kaisertums im Gesamtwerk des Saresberiensis weder bejaht noch verneint worden.2350 Damit jedoch nicht genug. Dass Spörl erläuterungslos Kapitel VIII, 23 des Policraticus zur „erschütternde[n] Anklage gegen die Verwirklichung des universalen Reichsgedankens“ 2351 erhebt, ist ein Beispiel des irreführenden Halbwissens, mit dem die frühere Forschung an Werk und Ideenwelt des Johannes von Salisbury herantrat. Nach genauer Lektüre des betreffenden Kapitels, das sich ausnahmslos mit der Natur und den Folgen priesterlicher Tyrannei auseinandersetzt, ist der Bezug zum welt­lichen translatio-Gedanken schwer nachvollziehbar. Spörls Standpunkt, dass der Romliebhaber Johannes von Salisbury im staufischen Kaiserreich nicht den Rechtsnachfolger des antiken Römerreiches sah, ist schon früh 2 344 Vgl. Spörl: Grundformen, S. 104. 2345 Vgl. Grünewald: Kaisertum, S. 86 f. Zu Friedrichs Vorstellungen einer Renovatio Imperii im Reich des 11. und 12. Jahrhunderts: Benson: Renovatio, S. 339 – 386. Allgemein: W ­ erner Goez: Translatio imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958. 2346 Spörl: Grundformen, S. 100. 2347 Ebd., S. 101. 2348 Ebd. 2349 Vgl. ebd. 2350 Vgl. Grünewald: Kaisertum, S. 79. 2351 Spörl: Grundformen, S. 100.

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von Grünewald widerlegt worden. Mangelndes theoretisierendes Interesse an dem politischen Konstrukt eines Universalreiches unter deutscher Führung sei auch sonst im englischen Raum des Hochmittelalters verbreitet, und von einem an politischen Traditionslinien viel weniger interessierten Moralisten wie dem angelsächsischen Gelehrten ohnehin nicht zu erwarten.2352 Eine weitgehende Gleichgültigkeit gegenüber dem christlichen Imperium seiner Tage würde, wie Spörl suggeriert, durch die Exilkorrespondenz, in der er offen über die Entfremdung des Reiches von Christus und dem Christentum klagte, widerlegt.2353 „Keineswegs“, schließt Grünewald, „prophezeit er dem Imperium als realem geschichtlichem Faktor den Untergang“ 2354, noch „erklärt er ausdrücklich, das römische Reich sei untergangen“ 2355. Vielmehr könne die Bezeichnung Konrads III . als rex Romanorum in Policraticus und Historia pontificalis darauf hindeuten, dass Johannes von Salisbury das Imperium Romanum durchaus als Fortsetzung des antiken Reiches auffasste.2356 Aus seinem Gesamtwerk zweifelsfrei zu belegen sei dies jedoch nicht.2357 Die damalige Stellung einer Renovatio Imperii, die die spätrömische, christliche Kaiserzeit als politisches und konstitutionelles Vorbild der Reichspolitik sah, beschäftigte Johannes höchstens in der Phase heißer Polemik infolge des Paveser Konzils.2358 Damals findet sich der einzige Vorwurf gegenüber Friedrich, dieser versuche, eine Weltherrschaft zu errichten. Aufgrund der Singularität der Ausführungen und der Tatsache, dass Johannes außerhalb ­dieses Dokuments und in seinen Schriften die Thematik nie wieder berührt, ist nicht auszuschließen, dass er sie aus dem ihm auf dem Weg zur Synode vorliegenden London-Manifest des Arnulf von Lisieux entnommen und durch seine eigenen Erfahrungen bei Ankunft der Gesandtschaft des frisch erhobenen deutschen Königs an der päpstlichen Kurie im März 1152 ergänzt hat.2359 Die Thematik stand aber nie im Vordergrund der schismabegleitenden Exilkorrespondenz. 2352 Vgl. Grünewald: Kaisertum, S. 86 f. 2353 Vgl. JvS II, Ep. 145, S. 40 f. an seinen Halbbruder Robert (ca. 1165). 2354 Grünewald: Kaisertum, S. 86. 2355 Ebd., S. 87. 2356 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall V, S. 11. 2357 Vgl. Grünewald: Kaisertum, S. 86. 2358 Vgl. seinen Pavia-Kommentar in JvS I, Ep. 124. Zur Renovatio-Idee am Kaiserhof seit 1152 siehe Benson: Renovatio. Seiner Einschätzung nach diente die Idee Friedrich, ausgehend von Rom als symbolischer Hauptstadt des Reiches, in einer Zeit wachsender Bedrohungen des Kaisertums durch Fürsten, Kommunen, Papsttum, Normannen und Byzanz als primär juristisch orientierte Rechtfertigung der Herrschaft in Italien und Deutschland. 2359 Siehe Arnulfs Hinweis auf den Renovatio-Plan des Kaisers, die Investitur des Papstes durch diesen und den Vorwurf, Friedrich wolle die Größe des Reiches durch die vereinte

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Erster Scheidepunkt des Barbarossabildes war also nicht, wie man erwarten könnte, der Skandal der Doppelwahl von 1159 und zunächst auch nicht die damalige Anwesenheit kaiserlicher Vertreter wie Otto von Wittelsbach in Rom, gegen die ja durchaus von kurialer Seite Vorwürfe wegen nachdrücklicher Eingriffe erhoben wurden.2360 Erst seit Pavia begann Johannes’ kritische Auseinandersetzung mit dem Kaisertum. Letztlich war es das schismatische crimen, mit anderen Worten die Anmaßung einer überkirchlichen Stellung durch die als Einsetzung des römischen Pontifex verstandene Intervention in der innerkirchlichen Doppelwahl und damit die Kollision mit den Grundfesten seiner Überzeugung vom Verhältnis z­ wischen regnum und sacerdotium, die Johannes ernüchtert hatte.2361 Nach augustinischem Vorbild sah Johannes die Einheit des christlichen Orbis in der Geistesgemeinschaft der ­Kirche und nicht durch einen politischen Amtsträger gewährleistet, auch wenn auf weltlicher Ebene die einzelnen Fürsten und ihre regna als Garant und Hüter der unitas wirken konnten und sollten.2362 Lehnt Johannes die politische Hegemonialstellung eines universalen Kaisertums auch ab, gesteht er doch dem römischen K ­ aiser vor seiner Verfehlung eine Art Ehrenprimat unter den Fürsten zu, war es doch genau diese hohe Autorität und Majestät des römischen Kaisers gewesen, mit der er Gerard Pucelle von der Schwere der kaiserlichen Entartung zu überzeugen versuchte.2363 Nur darf dieser ideelle Primat des Kaisers eben keine wie auch immer gearteten politischen Implikationen haben oder zur Rechtfertigung illegitimer Eingriffe in die Angelegenheiten anderer Reiche oder der ­Kirche dienen. Insbesondere legitimiert er keine Eingriffe in die kirchliche Sphäre, da der ­Kaiser ja selbst nach Johannes’ Vorstellungen seine Gewalt, das gladius materialis, durch

Kraft beider Schwerter wiederherstellen, um alle Reiche seiner Führung zu unterwerfen: AvL Ep. 28, S. 41. 2360 Vgl. Moerore simul, ed. Watterich, S. 496. 2361 Vgl. JvS I, Ep. 124. Keine rein westliche Perspektive: „Bei allem propagandistischen Zweckdenken konnte man den gegnerischen Vorwürfen eine gewisse Folgerichtigkeit nicht absprechen. Argumentierte doch auch der byzantinische Geschichtsschreiber Kinnamos, der mit den westeuropäischen Autoren in keinerlei Verbindung stand, daß FB sich die Würde eines römischen Kaisers anmaße, womit er auf die spätantiken ­Kaiser anspielte, wenn er Rom einen obersten Priester gebe.“ (aus: Engels: Friedrich, S. 237). 2362 Vgl. Spörl: Grundformen, S. 100 – 102. Als Ursprung führt Spörl Augustinus‘ Idealstaat der civitas Dei an, der als religiöser Bereich auch ohne ein übernationales Kaisertum auskomme. Johannes, der Augustinus näherkäme als jeder andere mittelalterliche Staatsdenker, habe die Idee übernommen, dass ein aus Einzelstaaten verkörperter Idealstaat weniger anfällig für von Machtsucht motivierte Übergriffe und ungerechte Kriege sei. 2363 Vgl. JvS II, Ep. 184, S. 216 f. Siehe auch Grünewald: Kaisertum, S. 80.

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p­ äpstliche Vermittlung direkt von Gott erlangt habe.2364 Somit kennt er keinen Dualismus gleichberechtigter Gewalt von K ­ irche und Kaisertum. Einen solchen oder gar eine Überordnung des Letzteren über das Erstere zu proklamieren, ist die Anmaßung des Kaisertums und mit der unmoralischen Regierung ein großer Schritt hin zum gegen Gott gerichteten Majestätsverbrechen der Tyrannei. Ein Hochmut, der die ­Kirche wieder zum Entzug der Kaiserwürde berechtigt.2365 Wir können konstatieren, dass es eindeutig nicht das Kaisertum per se, sondern seine individuelle Ausprägung unter dem damaligen Inhaber des Kaiserthrons, ­Friedrich I., war, gegen die sich Johannes stellte.2366 Beredtes Beispiel dieser personenbezogenen Ablehnung ist Praeter eam quam affectio, jener schwer zu datierende Brief, den Johannes irgendwann ­zwischen 1165 und Sommer 1166 an seinen Halbbruder Robert, damals Vertrauensmann der Becketpartei an der curia des Bischofs Bartholomäus von Exeter, richtete.2367 Es war eine Zeit ­zwischen Hoffen und Bangen, ­zwischen rigiden Repressalien gegen die Anhänger des englischen Primas und Johannes’ noch flackernder Hoffnung auf einen persönlichen Friedensschluss mit dem König. Daher rührt mit großer Wahrscheinlichkeit die evasive, subtextuale Rhetorik und die verschleiernde Bildhaftigkeit des Briefes, die ihm gleichzeitig eine gewisse Faszination im Oeuvre des gebildeten Angelsachsen verleihen. C. N. L. Brooke hat Praeter eam quam affectio als Paradebeispiel des humanistischen Symbolismus in seine Monographie zur Renaissance des 12. Jahrhunderts aufgenommen.2368 Inhaltlich ist sie als Freundschafts- und Dankesbrief zu klassifizieren. Letztere Kategorie ist allerdings mit einem Fragezeichen zu versehen. Tatsächlich bedankt sich Johannes bei seinem Halbbruder für die signaculum fidei et deuotionis insigne 2369, die dieser ihm regelmäßig zukommen lasse. Zuletzt soll dies ein mit einem Saphir besetzter Goldring gewesen sein, den als Inschrift die Anrufung aus der Kaiserlaudes der Königsund Kaiserkrönungen zierte: Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat.2370 2 364 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 3, S. 235 – 236 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 239). 2365 Vgl. Grünewald: Kaisertum, S. 82 f., 87. 2366 Vgl. ebd., S. 84. 2367 Zur Person des Robertus siehe Brooke: Introduction, S. xxvf sowie die Epp. 147 und 289 in Later Letters, ed. Millor/Brooke. JvS II, Ep. 174, S. 150 – 153 brachte ihn als potenziellen Empfänger eines Becketschen Mandats in Exeter ins Spiel, das man aus Sicherheitsgründen nicht direkt an Bischof Bartholomäus aushändigen wollte. Siehe auch Hirata: Correspondents, S. 102 f. 2368 Vgl. Christopher Nugent Lawrence Brooke: The Twelfth Century Renaissance, London 1969 (Library of European Civilization), S. 66 – 68. 2369 JvS II, Ep. 145, S. 36 f. 2370 Vgl. Reinhard Elze: Die Herrscherlaudes im Mittelalter, in: ZRG Kan. 40 (1954), S. 201 – 223; Ernst Hartwig Kantorowicz/Manfred F. Bukofzer: Laudes regiae. A Study

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Aus der Form und dem Material des wertvollen Geschenks entwickelt der gelehrte Angelsachse im Verlauf des Schreibens eine Tugendethik, die unter anderem Christus ins Zentrum der herrscherlichen Machtausübung rückt. Die schwierigen Umstände, in denen der Austausch z­ wischen den Brüdern damals stattfand, machen aber eben Zweifel daran statthaft, ob das Schmuckstück tatsächlich existierte oder ob es nur ein fiktionales Mittel zur in Zeiten erhöhter Gefahr verbreiteten, indirekten und subtextuellen Kommunikation war. Eine verschlüsselte Botschaft, um den Adressaten durch Vermeidung offener Kritik gegenüber einer feindlichen Partei, in ­diesem Fall den Anhängern König Heinrichs II ., nicht in Verruf zu bringen.2371 So wurde der Ring von John McLoughlin gedeutet. Hirata ging hingegen davon aus, dass der Brief zeitnah mit einem epistolaren Deperditum versendet wurde, in dem J­ ohannes von Salisbury dem Bischof von Exeter Neuigkeiten über den Kaiserhof mitgeteilt habe. Sollte dies korrekt sein, so hätte der Rückzug auf die Kaiserkritik einen Bezug zu aktuellem Informationsaustausch ­zwischen Reims und Exeter. Die geäußerte Kritik sei damit mehr als nur ein Vehikel zur Verschlüsselung einer Position im Becketkonflikt.2372 Auch Brooke, der die reale Existenz des Ringes nicht leugnet, hat eingestanden, dass Johannes das Objekt zu einem kritischen Blick auf den englischen Herrscher nutzte: „The link between the acclamations and kingship might have led him to Henry II ; but this could have been dangerous to John, to Robert and to the bishop of Exeter; and so he adroitly turns to a theme which he had earlier developed: the wickedness of the Emperor Frederick Barbarossa, whose support for the anti-pope in the papal schism of 1159 and thereafter did so much to make Pope Alexander III’s position weak and to foster his reluctance to take too firm a line with Henry II.“ 2373

in ­Liturgical Acclamations and Mediaeval Ruler Worship, Berkeley and Los Angeles 1958 (University of California Publications in History, 33) mit einem Beispiel aus dem normannischen Bereich. In Auseinandersetzung mit Kantorowicz‘ Studie: Sebastian Klotz: Herrscherakklamation und serielle Musik. Zur Studie über die laudes regiae von Ernst H. Kantorowicz und Manfred F. Bukofzer, Berkeley 1946, in: Wolfgang Ernst/Cornelia Vismann (Hg.): Geschichtskörper. Zur Aktualität von Ernst H. Kantorowicz, München 1998, S. 161 – 170. 2371 Zu dieser Zeit lebte auch sein jüngerer Bruder Richard in Exeter, um dessen Wohlergehen Johannes sich stets besonders besorgt zeigte. Auch auf ihn, der zunächst mit Johannes ins Exil gegangen, aber dann nach England zurückgekehrt war, sollte kein Schatten der Parteinahme fallen. Dazu: Hirata: Correspondents, S. 101. 2 372 Vgl. ebd., S. 108 f. 2373 Brooke: Renaissance, S. 67.

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Hier liegt die besondere Relevanz des Briefes, denn er liefert einen ersten Beweis für eine noch zögerliche, aber enge Parallelisierung des englischen Herrschers mit dem als schismatisch betrachteten K ­ aiser, eine rhetorisch-polemische Strategie, die Johannes zunehmend zur Ermahnung des Plantagenêt, aber auch zu dessen Diffamierung einsetzen sollte. Dies ist die kontextuelle Einbettung des vergleichsweise frühen Belegs antikaiserlicher Polemik. Dass Johannes schon 1165 über Barbarossa persönlich, das gegenwärtige Gesicht und den Träger des Kaisertums, und nicht die Institution selbst klagte, zeigt deutlich die schismaspezifische Ausprägung seines Barbarossabilds. Ausgehend von den einzelnen Elementen der Inschrift des Rings entfaltet ­Johannes seine Botschaft. Nachdem er das Christus vincit, Christus regnat auch in Zeiten der Drangsal als Ausdruck des Triumphes Christi und Grundfeste des christlichen Glaubens beschrieben hat, schlägt er geschickt den Bogen zur Herrscherethik: Quibus duobus uerbis et fides ab infirmitate et ratio ab errore purgatur. Et quia finis pugnae uictoria est et fructus uictoriae corona, Christo consequenter regnum attribuit ut conregnaturos doceat, qui cum Christo certaminum et laborum discrimina pertulerunt, et aduersarios eius, quando iustitia in iudicium conuertetur, confusione et contritione duplici conterendos. Siquidem honor regis iudicium diligit et oculi eius uident (quia diligunt) aequitatem; nam ubi amor, ibi oculus. Et haec michi uidetur esse duarum conceptio clausularum.2374

Ein Appell, den Glauben an die immerwährende Herrschaft und das Reich Christi auch in Zeiten des gefahrvollen Kampfes, sei es um Beendigung des Schismas oder des Becketdisputs, nicht zu verlieren. Die letzte Feststellung von der Idealbeziehung des Königs zu aequitas und iustitia, die sich ebenso aus den Psalmen wie aus der fürstlichen Tugendlehre des Policraticus speist, ist der Kern einer potenziellen Kritik an Heinrich II. und seiner Politik gegenüber dem Erzbischof von Canterbury und seiner Sache. Sie ist jedoch vage genug formuliert, um sich auch auf Christus als Himmelskönig beziehen zu können, was einen kritischen Vergleich ­zwischen dem Ursprung und Ideal der Herrschaft und seiner gegenwärtigen Ausübung in der Welt ermöglicht.2375 Weniger riskant war da die Interpretation des Christus imperat als Hinweis auf Christus als König der Könige und Sieger über seine Verfolger – ein impliziter Verweis auf den größten der zeitgenössischen persecutores, Friedrich I. Barbarossa.2376 2 374 JvS II, Ep. 145, S. 38 f. 2375 Vgl. McLoughlin: Language, S. 80. 2376 Vgl. JvS II, Ep. 145, S. 38 – 41: Tertia uero nomen Christi repetit et imperii reticet dignitatem, ea dispensatione, ut arbitrior, quo et animus suscipientis in persecutorum suorum uictore et regum Rege figatur Christo eique cohaereat inseparabiliter […].

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An dieser Stelle spricht Johannes von Salisbury dem Staufer die Kaiserwürde zum ersten Mal ab. Es gebe zurzeit keinen K ­ aiser, der mit Christus vereinbar sei. Friedrich Barbarossa sei ein Schismatiker, der „mit Gewalt und Betrug und dem Schandfleck der Häretiker die unteilbare Einheit [zerrisse], die Unversehrtheit der ­Kirche [korrumpiere] und ihre Keuschheit befleck[e]“ 2377. Auch in der späteren Hochphase der Polemik nach 1167 wird Johannes von Salisbury kaum deutlicher als in dieser Kernanklage gegen Barbarossa: […] et quantum in ipso est, euertens dispositionem Dei et promissiones ueritatis euacuans, Romanum imperium Christo machinatur auferre. Instat ergo ut nomen Christi de imperio deleatur; sed ut muneris tui docet inscriptio, nomen Christi singulatiter permanet in aeternum, et praesumentis imperium et de falso nomine gloriantis exinanitus est honor, et profecto humiliabit eum qui est ante saecula.2378

Barbarossa trachte nach einem Imperium ohne Christus, einer Ausübung der Macht, die aber im König der Könige überhaupt erst ihren Ursprung habe. Er wende seinen Blick zurück in vergangene Zeiten und versuche, das Römische Reich wieder dem Christentum zu entfremden. Will Johannes hier eine Anspielung auf die RenovatioIdee des Kaisers geben, so missachtet er wohl wissentlich und willentlich, dass sich diese auf die spätantike, christlich geprägte Ausprägung richtete. Impliziert wird, dass der K ­ aiser aus Selbstherrlichkeit die Zeit zurückdrehen und die Macht, die von Christus komme, in einem Majestätsverbrechen von d­ iesem entfremden wolle. Durch seinen Eingriff in die Angelegenheiten der K ­ irche, durch seine Intervention bei der Besetzung der Cathedra Petri und seine gesamte kirchenfeindliche Politik, kurz, durch das, was Johannes s­ päter das crimen scismatis nennen sollte, errichte er ein Reich der Anmaßung (praesumentis imperium) und prahle mit einem erschlichenen Namen (de falso nomine gloriantis). Schließlich sei die Macht, die er ohne christliche Legitimation ausübe, nur eine leere Hülse. Für Johannes von Salisbury war damit bereits 1165 klar, dass Friedrich jeglichen Anspruch auf einen kaiserlichen Rang verwirkt hatte, indem er sich von der sakralen Legitimationsbasis seiner Herrschaft abgewandt hatte. Deshalb, so könnte man überspitzt sagen, kannte der Saresberiensis noch vor dem Sakrileg in Rom keinen K ­ aiser mehr. Gemäß seinen herrschaftsethischen Überzeugungen war Friedrich für ihn endgültig zum tyrannischen Usurpator geworden. Es ist sein erster Schritt zum ex-Augustus und dem Teutonicus imperator. 2 377 Vgl. ebd., S. 40 f. 2378 Ebd.

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Folglich war für Johannes von Salisbury die Exkommunikation des Herrschers, die diesen zumindest moralisch seiner Amtsautorität, da seiner Amtslegitimation, beraubt hatte, eine vollkommen angebrachte päpstliche Reaktion gewesen. So historisch gerechtfertigt wie es in der Retrospektive eines Geistlichen des 12. Jahrhunderts eben auch die Absetzung Heinrichs IV. gewesen war.2379 Damit stand Johannes nicht allein. Die Becketvita des Wilhelm FitzStephen steht ihm in dieser Angelegenheit nahe. Beim Vorsprechen des Herbert von Bosham vor dem König in Angers kommt es darin z­ wischen Beckets hoch gebildetem wie streitbarem Sekretär und dem Plantagenêt zur Diskussion über die Gefahr schriftlich fixierten Gewohnheitsrechts: [Herbert:] ‚[…] aliquae malae consuetudines sunt, sed non scriptae, in regno regis Alemannorum.‘ Rex: ‚Quare in nomine dignitatis derogas ei, non vocans eum imperatorem Alemannorum?‘ ­Herbertus: ‚Rex est Alemannorum; sed ubi scribit, Imperator Romanorum, semper Augustus.‘ Rex, ait, ‚Proh podor! Magna siquidem indignatio, quod hic filius sacerdotis regnum meum perturbat et pacem meam inquietat.‘2380

Auch Herbert von Bosham, Beckets zweites propagandistisches Mastermind, sprach also dem ­Kaiser der Römer seine Kaiserwürde ab und warf ihn zurück auf sein Recht als Herrscher der alemannischen Stammlande.2381 Wilhelm FitzStephen expliziert bedauerlicherweise nicht, auf welcher Grundlage Herbert diese Wertung traf. Beryl Smalley ist davon ausgegangen, er impliziere an dieser Stelle, dass „kein Schismatiker wahrlich ein K ­ aiser sein könne“ 2382. In Anbetracht der Quellenlage kann nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass der Theologe Bosham, der eine radikalere Polemik vertrat, mit dem allzeit gemäßigten Johannes von Salisbury die streng herrscherethische Sicht der Dinge teilte. Gemein dürfte ihnen zweifellos die Abscheu gegen die papstfeindliche Kirchenpolitik des Staufers gewesen sein. Die Worte, die Wilhelm FitzStephen Beckets Vertrauten in Angers in den Mund legte, offenbaren jedoch in jedem Fall Antipathien gegen den ­Kaiser – mit dem immerhin der eigene König in diesen Tagen politische Bündnisse austarierte –, die tief genug in der Becketpartei verwurzelt waren, um sie auch öffentlich zu vertreten. Nur hatten beide Männer unterschiedliche Wege. Während Herbert von Bosham sich 2 379 Vgl. JvS II, Ep. 242, S. 474 f. 2380 FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 100 f. 2381 Horst Fuhrmann: „Wer hat die Deutschen zu Richter über die Völker bestellt?“ Die Deutschen als Ärgernis im Mittelalter, in: GWU 46, 11 (1995), S. 625 – 641 sah darin den Beginn einer „Entwicklung […], bei der der Kaisertitel mit dem Königstitel verbunden wird und dabei seine imperiale Ausstrahlung verliert“ (S. 633). 2382 Smalley: Schools, S. 63.

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auf den offenen Disput einließ, führte Johannes von Salisbury den Kampf lieber im stillen Rahmen seiner Eilbriefe. Dabei ist die Summe an Details und Vorkommnissen, die Johannes auf diesen selbst verschuldeten göttlichen Gnadenverlust des Kaisers zurückführt, verständlich und bemerkenswert, wenn auch nicht immer (etwa im Fall der sächsischen Adelsaufstände) korrekt kausal hergeleitet.2383 Die allzu politisch interessierte Forschung des früheren 20. Jahrhunderts übersah in ihrer Begeisterung über das Schlagwort des ex-Augustus, dass das Barbarossa­ bild als Tyrannenbild und als Bild des seiner Autorität entkleideten Kaisers eben kein politisches, sondern ein moralethisches war. In dieser Beziehung ergibt sich eine Parallele zur geistlichen Sphäre, in der nach Johannes’ Verständnis ein Papst, der sich nicht, wie die Amtsethik es diktierte, zum servus servorum der ihm anvertrauten Gläubigen machte, nur noch als expontifex oder exromanus bezeichnet werden konnte.2384 Johannes von Salisbury wendet also dasselbe moralische Prinzip gleichberechtigt als Maßstab in beiden Sphären an. Seine Bezeichnungen für Friedrich I. zeigen, dass er den herrschaftsethischen und ideellen Ehrenvorrang des Staufers als römischer K ­ aiser, nicht aber die politische Realität seiner Amtsbekleidung angegriffen sieht. Grünewald hat darauf aufmerksam gemacht, dass Johannes sehr wohl vom Romanum imperium spreche, niemals aber von Friedrich als imperator Romanorum. „Diese Würde“, bemerkt er folgerichtig, „hat der Tyrann verwirkt und deshalb ist er der ex-Augustus oder der Teutonicus imperator“ 2385. Es ist also dieser als unrechtmäßig empfundene Zusatz des römischen Kaisers, der von Johannes von Salisbury fortan negiert wird. Tatsächlich ist sein Gebrauch des Ex-Augustus-Titels keineswegs ausschließlich und auch vergleichsweise spät anzutreffen. Viel regelmäßiger, etwa viermal so häufig, finden sich adjektivische oder substantivische Referenzen an Friedrichs Person oder verwandte Sachverhalte als imperator(is) beziehungsweise Teutonicus tyrannus. Werfen wir einen genaueren Blick auf die Verteilung der Titulaturen, ihre Adressaten und Kontexte. Im Fall des Imperatortitels zeigt sich, dass er mit über siebzehn Nennungen in der Exilkorrespondenz klar überwiegt und auch ungeachtet des Scheidepunktes im Sommer 1167 vorher und nachher regelmäßig und eben deutlich 2383 Dazu gehörten neben der causa Heinrichs des Löwen, die Johannes als warnendes Exem­ plum interpretiert, auch die Fährnisse und Schande der Flucht aus Italien sowie die schnelle Rehabilitation jener italienischen Bischöfe, die der Säuberung im Zuge der Würzburger Beschlüsse zum Opfer gefallen waren. Siehe Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 253, 272, 274. 2384 Policraticus II, ed. Webb VIII, 23, S. 410. 2385 Grünewald: Kaisertum, S. 86.

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­häufiger als das ex-Augustus Verwendung findet. Der Adressatenkreis ist sehr gemischt und umspannt Sympathisanten Beckets in verschiedenen Provenienzen und Standorten sowie Empfänger, denen im Schisma eine Rolle zugedacht wurde. Darunter sind Verbindungsmänner in England (Bartholomäus von Exeter und Balduin von Totnes, Radulfus Niger oder Walkelin, Archidiakon von Suffolk), Flandern (der Prämonstratenserbischof Milo von Thérouanne), Frankreich ( Johannes Belmeis) und im Reich (Gerard Pucelle), aber auch Persönlichkeiten an der alexandrinischen Kurie (der Rechtsgelehrte Magister Lombardus von Piacenza und Alexander III. persönlich). Alle Briefe sind, wenn überhaupt, moderate Propagandaschriften, die nicht darauf ausgerichtet sind, den ­Kaiser direkt polemisch zu attackieren.2386 Man kann jedoch mit Fug und Recht behaupten, dass der Imperatorentitel in der neutraleren Kommunikation mit der Außenwelt keinesfalls von Johannes von Salisbury gemieden wurde.2387 Sehr ungewöhnlich für jemanden, der Friedrich I. die gesamte, politische Amtswürde abgesprochen haben soll. Verwandt, aber schon etwas polemischer angehaucht ist der zweite antirömische Beiname des Teutonicus imperator oder Teutonicus tyrannus. Nach allem, was wir über die Ideenwelt des Johannes von Salisbury gelernt haben, darf diese Spielart, die den supranationalen Ehrenvorrang des römischen Kaisers auf seine herrschaftlichen Stammlande zurückwirft, nicht verwundern. Sie ist auch nicht neu. Schon im vorhergehenden Jahrhundert hatte der loyale Gregorianer Bonizo von Sutri (ca. 1090) in seinem Liber de vita christiana das römische Imperium als Opfer der germanischen Barbarei betrachtet. Damit vertrat er eine beliebte Vorstellung der Reformbewegung, dass die germanischen Barbaren durch Eroberung und gewalttätige Expansion den Untergang des als vorbildlich empfundenen christlichen Römischen Reiches herbeigeführt hätten.2388 Eine naheliegende Parallele, die anscheinend nicht nur in Italien 2386 Vgl. die Nennungen bei Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 150, 158, 168, 171 (zweifach), 181, 184 (zweifach), 185, 213, 214, 225, 226, 253, 272 (mehrfach), 276, 279 (mehrfach), 280, 298. 2387 Die einzige Ausnahme bilden zwei der Briefe aus der Becketkorrespondenz, hinter denen Anne Duggan eine Autorschaft des Saresberiensis vermutete und die beide Friedrich I. als Fredericus dictus imperatoris bezeichnen. Siehe CTB II 300, S. 1260 f. und Ep. 301. Experientiam rerum matrem, in: CTB II, S. 1280 f. In Anbetracht der überwältigenden Quellenbelege zur Verwendung des Imperator-Terminus in der nachweisbar aus der Feder des Saresberiensis stammenden Exilkorrespondenz und der Tatsache, dass beide Briefe unter dem Namen Thomas Beckets verfasst wurden und mit großer Wahrscheinlichkeit auf einen kollektiven Konzeptions- und Redaktionsprozess seines Getreuenkreises zurückgehen, sollten diese singulären Vorkommnisse nicht überbewertet werden. 2388 Vgl. Bonizo Sutrinus Liber de vita christiana, ed. Ernst Perels, Berlin 1930 (Texte zur Geschichte des römischen und kanonischen Rechts im Mittelalter, 1). Siehe auch Benson:

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noch immer verwurzelt war und aus der sogar Friedrich I. selbst in seiner Auseinandersetzung mit den Lombardenstädten mit dem Hinweis auf das alte Postulat der Eroberung in Italien, seine Herrschaft auf militärischer Basis zu legitimieren, suchte.2389 Wenn Johannes von Salisbury also den Widersacher als deutschen Tyrann bezeichnet, reduziert er ihn auf sein deutsches Königtum, entkleidet ihn seines römischen Ehrenvorrangs und kritisiert sein Vorgehen in Italien. Allerdings alles nur innerhalb des Becketkreises, in dem er den nationalorientierten Tyrannentitel zwölf Mal verwendet.2390 Noch etwas ist bemerkenswert: Die erste Nennung fällt auf einen Bericht zu Händen Thomas Beckets aus dem Spätsommer des Jahres 1165.2391 Der Skandal von Rom lag noch in weiter Ferne. Pavia lag bereits fünf Jahre zurück, als Johannes den Titel des teutonicus tyrannus wählt, doch Würzburg und die Würzburger Beschlüsse konnten nur wenige Wochen vergangen und ihre Durchsetzung im Reich in vollem Gange sein. Bedauerlicherweise gibt es keinen einschlägigen Beweis dafür, dass ­Barbarossa für den Angelsachsen mit dem Pfingsthoftag und der Einschwörung seines Reichsepiskopats auf Paschalis III. eine weitere Sprosse der Leiter zum Tyrannenthron erklommen hatte, doch die Vermutung liegt nahe. Immerhin bezeichnet Johannes ihn auch in seinem einzigen ausführlicheren Bericht zu den Vorkommnissen in Würzburg zweimal mit d­ iesem Terminus.2392 Eine qualitative Änderung im Barbarossabild ist die Titulatur allemal. Das Würzburger Ereignis könnte die Anschuldigungen, die Alexander III. bereits im April 1160 Tür und Tor geöffnet hatten, wieder Auftrieb gegeben haben. Auffälliger ist, dass der Terminus in ausschließlich schismabezogenen Kontexten verwendet wird: dem Hinterhalt der Genuesen bei Alexanders Meerespassage nach Rom 2393, Friedrichs Misserfolgen seit dem gescheiterten Versuch, Frankreich in Saint-Jean-de-Losne auf seine Seite zu ziehen 2394, der Vereidigung des Johannes von Oxford in Würzburg 2395, der Assoziation des deutschen Tyrannen mit „seinem Renovatio, S. 379 f. 2389 Vgl. MGH D F I 538, S. 486: Non enim in nostram solummodo redundat rebellio personam, quia iugo dominationis nostre proiecto Teutonicorum imperium, quod multo labore mutisque dispendiis ac plurimorum principum et illustrium virorum sanguine emptum et hactenus conservatum refutare et exterminare conentur […]. Dazu Benson: Renovatio, S. 381 f. 2390 Vgl. Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 152, 168, 177 (zweimal), 181, 225, 242, 272, 276, 287, 288 – 289. 2391 Vgl. JvS II, Ep. 152, S. 52 f. 2392 Vgl. JvS II, Ep. 177, S. 182 f. 2393 Vgl. JvS II, Ep. 152, S. 52 f. 2394 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 102 f. 2395 Vgl. JvS II, Ep. 177, S. 182 f.

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Häresiarchen“ 2396 Paschalis III . und seine Bezeichnung als „Fürst der Schismatiker“ 2397, seine Unnachgiebigkeit gegenüber Alexander III .2398 und die durch das Sakri­leg von Rom bedingte Flucht aus Italien 2399, einer angeblichen Gichterkrankung, die Johannes als göttliche Strafe für seinen Umgang mit der K ­ irche interpre2400 tiert  sowie Barbarossas zögerlichen Schritten zu Friedensverhandlungen mit der alexandrinischen Kurie 2401. Eine Passage in einem Brief an Balduin von Totnes gibt Aufschluss darüber, wie tief Johannes von Salisbury seine Ideenwelt mit der Interpretation tagesaktueller Geschehnisse verband: nam et ipse imperator iam ex-Augustus patenter expertus est se in augustalem non posse redire dignitatem, nisi pacem cum ecclesia fecerit […].2402 Die Übersetzung bei Millor und Brooke („Even the Emperor himself, or rather now ex-Emperor, has clearly discovered that he cannot be restored to the imperial dignity unless he makes peace with the Church […]“ 2403) suggeriert, dass Johannes seine Worte gewissermaßen selbst korrigiert und präzisiert, indem er die Vokabel imperator durch ex-Augustus ersetzt. Der K ­ aiser als politischer Herrscher, der seine kaiserliche Ehrenautorität (augustalis dignitas) verloren hat, sozusagen ein imperator ohne Kaiserwürde. Nach seinen wiederholten Klagen, Friedrich betreibe Schaupolitik und seinen Annäherungen mangele es an Ernsthaftigkeit, sieht Johannes in der Wiederherstellung genau dieser Würde des Erhabenen – nicht der des politischen Amtes – sogar Friedrichs Hauptmotivation für ernsthafte Friedensverhandlungen mit der alexandrinischen Kurie.2404 Als habe der Staufer selbst seine Kaiserwürde plötzlich in ernstlicher Gefahr gesehen und die K ­ irche als einzigen rettenden Anker erkannt. Die äußeren Umstände hatten sich gewandelt und den mächtigen Potentaten in gewisser Weise zum Umdenken gezwungen, doch ob seine Angst vor einem amtsbezogenen Ehrverlust ihn antrieb, muss wohl fraglich bleiben. 2 396 JvS II, Ep. 181, S. 200 f. 2397 JvS II, Ep. 225, S. 392 f. 2398 Vgl. JvS II, Ep. 242, S. 472 f. 2399 Vgl. JvS II, Ep. 272, S. 552 f. 2400 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 287. Grandis est apud nos, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 630 – 635, hier: S. 632 f. 2401 Vgl. JvS II, Ep. 288 (S. 648 f.) und Ep. 289 (S. 656 f.). 2402 JvS II, Ep. 298, S. 690 – 693. 2403 Ebd. 2404 Besonders: JvS II, Ep. 272, S. 556 f. Ferner JvS II, Ep. 288 (S. 648 f.) und Ep. 289 (S. 656 – 658), in denen Johannes noch mit skeptischem Ton und verhohlenem Optimismus von den Verhandlungen berichtet.

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Im Kanzleigebrauch jedenfalls war die Verwendung des Augustustitels, wie auch Wilhelm FitzStephen durch Herbert von Bosham belegt, ein gebräuchlicher Beiname und eher ein „Epitheton ornans für ­Kaiser oder sonstige Herrscher mit imperialen Ambitionen“ 2405 als ein staatsrechtlicher Begriff.2406 Das ex-Augustus begegnet das erste Mal innerhalb eines ­kurzen ‚et cetera‘-Berichts am Ende eines Schreibens an Bischof Johannes Belmeis nach Poitiers, der um ausführliche Unterrichtung zu den aktuellen Entwicklungen im Becketkonflikt gebeten hatte. Johannes hatte den Brief als Tribut an die milicia temporis, die unruhigen Zeiten, anonym verfasst.2407 Der Zeitpunkt seiner Abfassung spricht Bände: Mitte bis Ende Dezember 1167, also einen Monat nach Johannes’ erstem Kommentar zur schmählichen Niederlage vor den Toren Roms.2408 Dieser Erstbezug gibt dem aufmerksamen Leser einen subtilen Hinweis. Der K ­ aiser, so Johannes, habe sich in seiner Verwirrung aus Rom zurückgezogen. Trotz des Leichengestanks, der ihm aus dem Heerlager in die Nase stieg und trotz der Hand, die der Herr nach ihm ausgestreckt habe, gestehe er immer noch nicht seine Fehler ein. Erigatur itaque spiritus uester, fordert Johannes daraufhin den Mittelsmann in Köln, quoniam Christus uincit, regnat et imperat.2409 Ein deutlicher Hinweis auf die göttliche Majestät Christi, die durch die zwei Jahre zuvor gegenüber seinem Halbbruder Robert gemachten Ausführungen über die Natur und Legitimation der kaiserlichen Würde ein neues Licht gewinnt. Christus allein herrsche rechtmäßig. Vielleicht deutet die seltene Referenz auf die Krönungslaudes an, dass Johannes eines letztendlich klar geworden war: Seit 1165 hatte sich nichts, nicht einmal in einer Zeit, in der der ­Kaiser der Römer in den Seucheopfern seines Heeres waten und wie ein gemeiner Dieb durch seine eigenen Territorien fliehen musste, geändert. Der ­Kaiser hatte einmal zu viel die Augen vor den signa verschlossen. Das nächste Mal, dass der gelehrte Angelsachse nach dieser Erkenntnis Bezug auf den Staufer nahm, war eine kurze Notiz, dass Fredericus ex-Augustus in einem Scharmützel mit dem Erzfeind unter dem schmerzlichen Verlust von 25 Rittern in die Flucht geschlagen worden war.2410 Die Wiederauferstehung Mailands, sie war eines der ­Zeichen, die Johannes den göttlichen Gnadenabfall des Staufers signalisierten. 2405 Margot Bucklisch (Hg.): ‚Augustus‘ als Titel und Name bis zum Ende des Mittelalters, Diss. phil. Westfälische Wilhelms-Universität, Münster 1957, S. 82. 2406 Vgl. FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 100. Häufig trat er in der Verbindung rex Augustus oder rex semper Augustus auf. Zur Verwendung der Titulatur siehe Bucklisch: Augustus, S. 47 – 60. 2407 Vgl. JvS II, Ep. 236, S. 446 f. 2408 Vgl. JvS II, Ep. 226 an Gerard Pucelle, datiert auf Oktober oder November 1167. 2409 Vgl. ebd., S. 396 f. 2410 Vgl. JvS II, Ep. 236, S. 446 f.

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Einmal geprägt, sollte Johannes den Terminus, einen von ihm ersonnenen Neologismus, bis in den Sommer 1170 in seiner Exilkorrespondenz beibehalten.2411 Allerdings war sein Gebrauch entweder restriktiv oder selektiv: Nur sechs Mal taucht er in der fast 300 Stücke umfassenden späten Korrespondenz auf.2412 Es ist, als habe ­Johannes das polemische Potenzial des griffigen, aber spontanen Begriffs erst im Nachhall erkannt und für hilfreich erachtet, denn schon wenig ­später greift er ihn erneut in einem Schreiben auf, in welchem er Nikolaus von Mont-Saint-Jacques, von dem er sich Intervention bei der Kaiserin Mathilde erhoffte, daran erinnerte, dass der Fall Friedrichs, des vormaligen Augustus, dem englischen Herrscher als warnendes Beispiel vor Augen geführt werden könne. Die Passage liest sich wie eine perfekte Zusammenfassung der oben aufgezeigten, von Johannes vertretenen Kausalkette ­zwischen dem Majestätsverbrechen Friedrichs gegen ­Kirche und göttlichen Ursprung seiner Macht und dem Verlust seiner Kaiserwürde.2413 Das Aufkommen des Ex-Augustus-Titels fällt zusammen mit Johannes’ gesteigerten Bemühungen im Winter 1167 und dem darauffolgenden Frühjahr, auf englischem Boden (etwa durch die geheime Mission Balduins von Boulogne in Kent oder gegenüber dem Kathedralkapitel von Christ Church Canterbury) die optimistische Deutung eines baldigen Schismaendes zu verbreiten, um der Unterstützung im Becketkonflikt Aufwind zu geben.2414 Besonders deutlich macht er den Zusammenhang ­zwischen Schisma, Becketkonflikt und schwindender Machtbasis des Kaisers in der bekannten Passage an Walkelin, dem mit der Diözese Norwich assoziierten Archidiakon von Suffolk. Es lohnt ein erneuter Blick: […] ecclesiae pacem michi uidere uidear accelerare, et dominum Cantuariensem et condiscipulos Petri, qui sub tempestate naufragii huius in regenda naue sudauerunt, ad optatum peruenire portum iam fere conspicuum sit. Nam quae capiti scismatis confurebant membra compereunt, eoque 2411 Löfstedt: Notizen, S. 78 f. zählt sie zu den „besonders zahlreich[en] neuen oder seltenen Zusammensetzungen“ in den Briefen des Saresberiensis. 2412 Vgl. Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 236, 239 – 240, 253, 272 – 274, 276 – 277, 298. 2413 JvS II, Ep. 239, S. 454 f.: […] si historiarum non mouetur exemplis, eum uel Fredericus ex-Augustus potest instruere, qui de fastigio Romani imperii ob ecclesiae persecutionem in paupertatem et ignominiam miser, sed nulli miserabilis, corruit, ad gloriam eius qui solus pro arbitrio regna et imperia transfert, erigit quas uult et deicit potestates. Ähnlich: JvS II, Ep. 240 an Balduin von Boulogne, in dem Friedrich als misericorditer ex-Augustus, nach dem der Herr bereits die Hand ausstrecke, bezeichnet wird. Auctore Deo, in proximo recipiemus stipendia, et hostem publicum coniciemus in uincula aut a patriae persecutione cessabit, se dedens principi qui iure et merito dominatur in uniuersa terra. (S. 458 f.) Beides, die Herrschaft nach Recht und Verdienst, so Johannes, habe der Stauferherrscher nicht mehr auf seiner Seite. 2414 Exemplarisch: ebd., S. 458 f.; JvS II, Ep. 242, S. 474 f.; JvS II, Ep. 253.

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Sichtweisen auf die Rolle Kaiser Friedrichs I. Barbarossa succiso corpus totum necesse est interire. Vidimus, uidimus hominem qui consueuerat esse sicut leo in domo sua, domesticos euertens et opprimens subiectos sibi, latebras quaerere, et tanto terrore concuti ut uix tutus esset in angulosis abditis suis. Illum, illum imperatorem qui totius orbis terror fuerat, utinam uidissetis ab Italia fugientem cum ignominia sempiterna, ut his cautelam procuret aut ruinam qui catholicorum laboribus insultabant ex successibus et furore eius.2415

Es ist leicht, die Idee des ‚gefallenen Erhabenen‘ als einen propagandistischen Kniff des Saresberiensis abzutun, doch belegen seine gesamten herrschaftsethischen Vorstellungen, dass Johannes von Salisbury zutiefst von seiner Deutung der Ereignisse überzeugt war. Es war eine Wahrheit, die er nach den langen, sorgenvollen Jahren des Wartens voller Triumph verkündete. Nur folgerichtig also, dass der den tiefen Sündenfall des Kaisers betonende ex-Augustus zur Standardbezeichnung in Johannes’ berühmten Berichten seiner Flucht aus Italien wurde.2416 Diese fast providentielle Verknüpfung der Umstände des kaiserlichen Status mit dem deklarativ-denunzierenden Begriff des Ex-Augustus wird aber ebenso folgerichtig in dem Moment fallengelassen, in dem Johannes von Salisbury den Eindruck gewinnt, dass des Kaisers Annäherungen an Alexander III . aus einer ehrlichen und ernsten Motivation heraus geschähen. Das letzte Mal begegnet uns der Terminus in jenem Brief an Balduin von Totnes im Februar oder März 1170, in dem Johannes feststellt, dass Friedrich selbst offenbar erkannt habe, dass seine Kaiserwürde nur durch einen Frieden mit der ­Kirche restituierbar sei. Erstes Anzeichen einer ernsthaften Annäherung war seine überraschende Bereitschaft, auch mit dem Lombardenbund zu verhandeln.2417 Für Johannes schien dies der erste Schritt Barbarossas weg vom Weg des gefallenen Augustus. Grundsätzlich gesehen war der Ex-Augustus-Titel eine vorübergehende Erscheinung, die aber einer Johannes von Salisbury eigenen Logik folgte, indem sie nicht nur eine historische Varianz war, sondern unterschiedliche Gedankenwelten des Saresberiensis in unterschiedlichen Situationen widerspiegelte. Die Terminologie, die ihren Höhepunkt in der becketfreundlichen Kommunikation mit den Informationsknotenpunkten im Königreich Frankreich (Poitiers) und dem englischen Königreich (Canterbury, Exeter, ferner Norwich) fand, war untrennbar mit der Erfahrung des kaiserlichen Schicksals im und nach dem schicksalshaften Juli 1167 verbunden. Die damalige Katastrophe vor Rom war für Johannes das letzte und lang ersehnte Z ­ eichen Gottes, dass der deutsche Tyrann nicht mehr den Anforderungen 2 415 Ebd., S. 510 f. 2416 Vgl. JvS II, Ep. 272 (S. 552 f.), Ep.273 (S. 572 f.: scismaticus ex-Augustus), Ep.274 (S. 574 f.). 2417 Vgl. JvS II, Ep. 298, S. 690 – 693.

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seines gottgegebenen Amtes entsprach. Ein ­Zeichen, das Friedrich I., bis zu seinem Umdenken drei Jahre ­später, endgültig von der ­Kirche abgeschnitten und zum exAugustus gemacht hatte. Obgleich der ­Kaiser zuvor bereits wegen Einmischung in kirchliche Angelegenheiten unter massiver Kritik gestanden hatte und offiziell exkommuniziert worden war, war er bis dahin für Johannes nur der Urheber des Schismas und ein Despot aus dem als barbarisch und rückständig betrachteten Volk der Teutonen gewesen. Rom aber war für Johannes von Salisbury das Ereignis, das er in der Tyrannologie des Policraticus stets vorausgesehen hatte: der auf den größten Frevel folgende infelix exitus eines anmaßenden Gewaltherrschers. Es war das göttliche ­Z eichen, dass Friedrich seines Ehrenvorrangs als Augustus nicht mehr nur unwürdig war, sondern ihn durch seine Frevel und seinen Mangel an Reue gänzlich verloren hatte. Es war die Spitze einer Negativkarriere, in der ein ehemals glänzender imperator auf der Leiter des Despotismus seinen tiefen Gnadenfall mit eigenen Händen herbeigeführt hatte. Es ist deutlich geworden, dass bei Johannes von Salisbury ein dynamisches, schismazentriertes Barbarossabild vorliegt, das in seiner Entwicklung kontinuierlich auf aktuelle internationale und nationale kirchenpolitische Ereignisse reagierte. Das kritische Urteil des Angelsachsen intensivierte sich auf Grundlage etablierter polemischer Deutungsmuster aus der Frühphase des Schismas, etwa der Idee des Tyrannen und kirchenpolitischen Unruhestifters, wahrscheinlich schon seit dem Hoftag von Würzburg stetig und in Reflexion aktueller politischer Geschehnisse in Oberitalien und Rom. Von den Entwicklungen im Becketdisput blieb es weitgehend unberührt. Eine große Rolle spielten jedoch die ethopolitischen Überzeugungen der polikratischen Staats- und Herrschertheorie, auf deren Gerüst der Angelsachse seine eigene Position und die des gefallenen Kaisers im Schismenverlauf verortete. Johannes’ Klage, Barbarossa sei der Bündnispartner des Königs von England in einem boshaften Komplott gegen den legitimen römischen Bischof, Alexander III., lenkt den Blick auf die englische Seite der angevinisch-staufischen Beziehungen. Ihre Behandlung sollte sich im Folgenden nicht in der Betrachtung der persönlichen Handlungen des Königs erschöpfen, sondern die Perspektive auf den damaligen Stellenwert des Schismas in der ecclesia Anglicana erweitern.

3. Sichtweisen auf die Rollen König Heinrichs II. Plantagenêt und höfischer Akteure Die Rolle K ­ aiser Friedrichs I. Barbarossa im alexandrinischen Schisma ist vielfach beschrieben worden. Er ist und bleibt die dominierende Figur, der faszinierende Antagonist in der Meistererzählung jener kirchlichen Krisenjahre der zweiten Jahrhunderthälfte. Auch König Heinrich II. von England wurde in der Forschung wohl bedacht – als Antagonist einer ganz anderen Auseinandersetzung: seiner bitteren Kontroverse mit Thomas Becket um die Grenzen und Möglichkeiten der Gewaltenteilung in ­Kirche und Staat. Das Interesse an etwaigen Berührungspunkten beider Krisen aber schwand nach Heinrichs Anerkennung Alexanders III. im sommerlichen Beauvais des Jahres 1160 so sehr, dass selbst Warrens klassische Biographie diese Thematik nur streifte.2418 Zweifelsohne dominiert der Becketkonflikt moderne Forschung und zeitgenössische Quellen. Weshalb aber wurde, wenn er so alles-absorbierend war, sein Einfluss auf Johannes’ Bild von den Akteuren so kategorisch übersehen – und dass, obwohl der Angelsachse den Großteil seines Lebens dem Disput ­zwischen König und Erzbischof und dem Kampf für Alexander III. widmete? Es ist wie der blinde Fleck der Johannesforschung, die in Streiflichtern zwar die Heinrichpolemik im Licht des Becketkonflikts beleuchtete 2419, aber sich niemals gefragt zu haben scheint, ob eine Verbindung z­ wischen dessen Interventionen im Schisma und eben jenem Königsbild bestehen möge. Denn auch wenn sie nach Heinrichs öffentlicher Positionierung in der Papstfrage an Relevanz verloren zu haben schienen, gab es sie doch, die gefähr­ lichen Momente der Annäherungen an den alexanderfeindlichen Kaiserhof. Niemals zuvor waren sie so eng wie im aktiven diplomatischen Austausch des Jahres 1165 und seinem Endpunkt, dem staufisch-angevinischen Doppelverlöbnis. Am Ende wird sich zeigen, dass der gebündelte Blick auf das Heinrichbild des Johannes von Salisbury einen Schatten des Zweifels auf die gängige Überzeugung wirft, dass das alexandrinische Schisma und der Becketkonflikt sich auf separaten Bühnen der K ­ irchen- und Ideengeschichte abspielten. Auf dem Weg zu dieser Erkenntnis werden die Beziehung z­ wischen der Wahrnehmung des schismatischen Kaisers im fernen Reich und jenen Heinrichs II. als tyrannischem Verfolger im eigenen Land in den Fokus gestellt. Es steht zu erwarten, dass die aus der polikratischen Herrschaftsethik erwachsenen, tiefen Überzeugungen des Saresberiensis beim Blick über den 2418 Vgl. Warren: Henry. 2419 Die zwei fokussiertesten Studien sind Smalley: Schools und Saltman: Testament.

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Kanal nicht auf einmal abgeschüttelt wurden, aber war das daraus entstehende Bild tatsächlich so theoretisiert, ereignisorientiert und politisch wie das von S­ tauferkaiser Friedrich I. oder verschoben die langjährige Bekanntschaft mit dem Plantagenêt und Johannes’ tiefe persönliche Involvierung in den Becketkonflikt es gar zugunsten einer subjektiveren, glühenderen Propaganda? Pavia – Würzburg – Rom. Das Barbarossabild entwickelte sich in Stufen. Lässt sich Ähnliches auch für das Heinrichbild feststellen? Kaum vorstellbar, dass einschlägige Erlebnisse wie das Scheitern des Gnadengesuchs in Angers oder der Würzburger Hoftag sich in den Exilbriefen nicht in einer Tonänderung niederschlugen. Sicher wird auf den ersten Blick, dass auch Heinrich II. sich ab einem bestimmten Punkt den Vorwurf des Despotismus gefallen lassen musste. Aus Schismaperspektive gesehen musste sein Fall sogar tiefer gewesen sein als der Barbarossas. Heinrich, der umworbene rex catholicus des Hoftags von Beauvais, der auf einmal gemeinsame Sache mit dem verhassten Schismatiker Rainald machte und den Weg zu einer dynastischen Verquickung der Plantagenêtlinie mit der als schismatisch verschrienen Kaiserfamilie bis zum Ende ging. Welche Rechtfertigungsmechanismen griffen hier? Nahm in ­Heinrichs Fall vielleicht auch – wie Rainald von Dassel am Kaiserhof – eine prominente Persönlichkeit am angevinischen Hof die Position eines Sündenbocks ein, durch dessen Schmähung der Herrscher zumindest teilweise exkulpiert werden konnte? Wurde der Plantagenêt am Ende nur als Opfer seines innersten Vertrautenkreises wahrgenommen? Falls ja, aus welcher Motivlage heraus? Um ihn zu verteidigen oder zur Denunziation prominenter Berater wie Johannes von Oxford oder gar Arnulf von Lisieux? Die Enthüllung des saresberiensischen Königsbildes erfolgt anhand von drei Hauptfragen. Zunächst gilt es, die veränderte Gemengelage zu skizzieren, die der neu ausgebrochene Becketkonflikt im Betrachtungszeitraum z­ wischen 1164 und 1170 geschaffen hatte. Es wird zu klären sein, in welcher Position sich der bekennende A ­ lexandriner Heinrich damals befand und wie andere große Akteure wie Ludwig VII. von Frankreich und die alexandrinische Kurie zu ihm standen. Nicht zuletzt bezieht dies auch den persönlichen Standpunkt des Johannes von Salisbury mit ein, der 1164 unter den widrigen Vorzeichen königlicher Ungnade sein Reimser Exil antrat. Des Weiteren wird Johannes’ Kritik gegenüber Heinrich II. genau beleuchtet werden. Dazu gehört ebenso die ideengeschichtliche Basis des auf den englischen König angewandten Tyrannenbildes wie dessen Evolution im Verlauf der Jahre vom Antritt des französischen Exils bis zu Johannes’ Rückkehr nach England 1170. Ein Vergleich mit dem Barbarossabild wird helfen, die spezifische Ausprägung der Wahrnehmung der kirchenpolitischen Handlungen Heinrichs II. in Becketkonflikt und Papstschisma herauszukristallisieren und herauszufinden, inwiefern ihm schismatische Umtriebe angelastet und worauf diese begründet wurden.

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Abschließend gilt die Aufmerksamkeit der Frage nach der Handlungsautonomie des englischen Herrschers im weitesten Sinne. Einfallstore gefährlicher Einflüsse erspähte man sowohl inner- als auch außerhalb des Königreichs. Schon in den ersten Jahren des Schismas hatte Johannes von Salisbury seine Angst vor der Beeinflussbarkeit des englischen Königs geäußert.2420 Ganz gleich, ob diese als persönliche Schwäche des Herrschers oder als Vorliebe zum politischen Doppelspiel interpretiert wurde, die Bedenken verschwanden nicht mit dem Sommer 1160. Ergänzend verlangt die Struktur der höfischen Herrschaftspraxis einen Blick auf im Königsschatten agierende Persönlichkeiten oder einflussreiche Stimmen aus dem englischen Episkopat.

3.1  Abhängigkeit und Abkehr: die Position Heinrichs II. von England im internationalen Beziehungsgeflecht und in der persönlichen Biographie des Johannes von Salisbury Vier Jahre lagen ­zwischen Heinrich Plantagenêts Verkündung seiner alexandrinischen Obödienz im Sommer 1160 und der Eskalation der damals schon seit einiger Zeit schwelenden Missstimmigkeiten mit seinem ehemals engsten Vertrauten Becket, dem er im Mai 1162 vom Kronkanzler zur cathedra des Erzbistums von Canterbury verholfen hatte.2421 Vier Jahre, in denen das Rad des alexandrinischen Schismas sich ohne nennenswerte Berührungspunkte mit dem angevinischen Reich drehte. A ­ lexander III. richtete in diesen Jahren den diplomatischen Fokus auf die zögerlich entstehende, von Erzbischof Eberhard von Salzburg geführte alexandrinische Opposition im Reich und eine Stärkung seiner Unterstützer im englischen Königreich. Gleichzeitig scheiterte sein Versuch, in Rom Fuß zu fassen, an der Vehemenz der viktorinischen Unterstützer vor Ort und des militärischen Vormarsches des kaiserlichen Heeres unter Christian von Buch. Am 25. März 1162 hatte Alexander sich auf den Seeweg nach Frankreich gemacht.2422 Friedrich Barbarossa hingegen wurde gänzlich von der Werbung um Verbündete an der Ostgrenze seines Reiches, dem Patriarchen von Aquileia und dem ungarischen König, eingenommen. Seine Versuche, ein Generalkonzil zu organisieren, das den Makel des Paveser Vorgängers ausmerzen und Viktor eine breite ­Anerkennungsbasis verschaffen sollte, mündete am 21. Juni 1161 in einer Versammlung in Lodi, an der 2420 Vgl. JvS I, Ep. 124, S. 205 f. 2421 Zu den Umständen seiner Wahl und Erhebung: Duggan: Becket, S. 16 – 32 und Barlow: Becket, S. 64 – 73. 2422 Detaillierter zu diesen Entwicklungen: Reuter: Schism, S. 61 – 80.

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neben den meisten europäischen Königreichen auch mit großer Wahrscheinlichkeit Beobachter des angevinischen Hofes teilnahmen, aber auf der letztlich nur die in Pavia ausgesprochene Bestätigung der Legitimität Viktors bekräftigt und keine qualitative Änderung in der Papstfrage erbracht wurde.2423 Die damaligen Verbindungen des Königs von England zu Alexander III. und dem Schisma waren eher sporadischer Art. Da z­ wischen 1161 und 1164 eine Lücke in der Korrespondenz des Johannes von Salisbury klafft, kann der Historiker sich nur auf die drei Berührungspunkte stützen, die in der Historiographie Erwähnung fanden, die aber, obgleich an sich bedeutsam, ohne weitreichende Folgen für das Schisma blieben. Die ersten beiden Handlungen – Heinrichs militärische Rückendeckung für seinen bei Saint-Jean-de-Losne gegenüber dem kaiserlichen Heer in Bedrängnis geratenen Lehnsherrn, Ludwig VII., und die daran anschließende offiziellen Huldigung A ­ lexanders III. durch die beiden Könige in Déols – schlugen keine großen Wellen. Sie stellten nur öffentlichkeitswirksam den Status quo des Gelöbnisses von Beauvais, d. h. die an der Saône gefährdete, französische Obödienz gegenüber Alexander III., wieder her.2424 Heinrichs dritter Schritt, die Erlaubnis an die englischen Bischöfe, unbehelligt der päpstlichen Konvokation nach Tours Folge zu leisten, kann auch nicht als Hinweis auf eine verfestigte Gesinnung gedeutet werden, verlangte Heinrich doch im Gegenzug für seine Einwilligung eine Garantie, die ihn vor eventuellen, aus der Erlaubnis erwachsenden Nachteilen bewahren sollte.2425 Zu dieser Zeit hatten sich bereits die ersten Irritationen ­zwischen dem König und dem Primatialsitz Canterbury gezeigt. Sie verschärften sich im Sommer und Herbst desselben Jahres auf der Versammlung des Rates in Woodstock und Westminster. Für die Folgezeit stellte Heinrichbiograph Wilfried L. Warren fest, dass der Streit, der Thomas Beckets Erhebung zum Erzbischof im Mai 1162 folgte, „die Seiten der meisten Chronisten in einem solchen Maße dominierte, dass man annehmen könnte, dass er auch Heinrich für den Großteil der acht Jahre beschäftigte“ 2426. Dies sei, so Warren, jedoch nicht der Fall gewesen. Tatsächlich sei er nicht mehr als ein ablenkendes Ärgernis gewesen, das Heinrich II. nach Beckets Flucht auf den Kontinent 2423 Dazu siehe ebd., S. 65 – 68. 2424 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 342. Das Hilfsversprechen, das Heinrich zugunsten des Kapetingers gab, erwähnt ein Brief Alexanders an Ludwig VII. von Mitte September 1162: Nr. 54, in: Bouquet 15 (JL 10575). Grundlegend die Diskussion von Heinemeyer: Verhandlungen, hier: S. 179 f. und Schmale: Sommer, S. 357 – 359. Kritisch abschließend: Reuter: Schism, S. 80 – 101. 2425 Zum päpstlichen Gesuch an Heinrich siehe Falkenstein: Brief, S. 117 f. Zu Heinrichs Gesuch siehe JL 10834 vom 18. März 1163. 2426 Warren: Henry, S. 92.

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Sichtweisen auf die Rolle König Heinrichs II. Plantagenêt

im November 1164 beiseiteschob, um sich anderen bedeutenden Staatsgeschäften zu widmen.2427 Warren charakterisiert die 1160er Jahre in der Politik des Plantagenêt als ein Jahrzehnt der Konsolidierung seiner Königsmacht, in dem Heinrichs „Versuch, das Verhältnis ­zwischen Staat und ­Kirche zu definieren, schlichtweg ein Aspekt eines Versuches war, das Verhältnis ­zwischen all seinen Vasallen zu klären“ 2428. In diesen Jahren reiste der König fast unaufhörlich. Brandherde gab es viele. Sein „great business“ 2429 rief ihn nach Poitou und Aquitanien sowie in die Bretagne und die Normandie, an deren Grenzen mit Maine er die Grenzbarone in ihre Schranken wies. Gerade zu Beginn des Jahres 1163 wandte er sich gegen den unbequem gewordenen walisischen Fürsten von Deheubarth, Rhys ap Gruffydd, den er mitsamt aller walisischen Anführer und dem schottischen König zu seinem Hoftag in Woodstock zitierte und den Vasalleneid schwören ließ. Auch administrative Neuerungen und Maßnahmen zur besseren Durchsetzung des Rechts bei Klerikern und zur Sicherung der öffentlichen Ordnung setzte er auf die Agenda. Teile dieser Maßnahmen waren es schließlich, die auf den Versammlungen des Rates von Westminster und Clarendon so folgenschwer mit den Vorstellungen der ­Kirche kollidierten.2430 Grundsätzlich lag Heinrichs Hauptaugenmerk in den Jahren vor der Eskalation des Becketstreits – und damit vor dem Gang des Johannes von Salisbury ins französische Exil – also besonders im innenpolitischen Bereich auf anderen Gebieten als der Schismafrage. Ob dies mit einer durchgängig standfesten Obödienz gegenüber Alexander III. ­zwischen Beauvais und dem Friedensschluss von Fréteval im Juli 1170 einherging, wird noch abzuklären sein. Zunächst jedoch wird untersucht werden, wie sich die auswärtigen Hauptakteure dieser Schismajahre, die alexandrinische Kurie oder das Königreich Frankreich, Mitte der 1160er gegenüber Heinrich und seiner Kirchenpolitik verhielten. Die Exilbriefe des Johannes von Salisbury liefern einige Hinweise. Seine Anerkennung Alexanders III. versetzte den König in die komfortable Lage, die Dankbarkeit des Sienesers zu seinem Vorteil zu n ­ utzen. Neben dem 1160 bei den alexandrinischen Legaten durchgesetzten, aber umstrittenen Dispens zur ehelichen Verbindung der Königskinder legt auch die am 7. Februar 1161 von Alexander III. in einer Bulle expedierte Billigung der von der englischen Landeskirche und ihrem Monar­chen in einer Petition ersuchten Kanonisation Eduards des Bekenners ­Zeugnis 2 427 2428 2429 2430

Vgl. ebd. Ebd., S. 93. Ebd., S. 92. Die Gesamtentwicklung und Hintergründe zeichnet ebd., S. 92 – 108 ausführlich nach.

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davon ab.2431 Als Johannes von Salisbury im Frühjahr 1164 den Kanal überquert hatte, um den Weg für Thomas Becket zu bereiten, war Alexander III . immer noch von der Unterstützung des mächtigen Angevinen abhängig, und auch Ludwig VII. von Frankreich konnte kaum ohne Rücksicht auf den übermächtigen Lehnsmann politisch agieren. Erster der Johannesbriefe, die im Exil entstanden, war Ex quo partes attigi, ein an den in England weilenden Becket ergehender Lagebericht, der eine Einschätzung ihrer Chancen in Frankreich und Flandern auf Basis der von Johannes angestrengten diplomatischen Kontakte mit den Grafen von Guînes, Amiens und Vermandois oder Soissons und dem Dekan von Noyon bot.2432 Darin berichtet der Angelsachse von Gerüchten über die verhängnisvollen Ratsversammlungen in Westminster und Clarendon, die erstaunlicherweise bereits das Festland erreicht hatten, und malt ein düsteres Bild der Aussichten für den Erzbischof von Canterbury und seine Sache.2433 Sogar bei König Ludwig selbst war er vorstellig geworden, doch blieben dessen Zusagen, an der alexandrinischen Kurie für Becket zu intervenieren, enttäuschend und vage: […] regem Francorum adii, eique ex ordine exposui causam uestram. Quid multa? Compatitur, promittit auxilium, et pro uobis se domino papae scripsisse asseruit, et iterum, si oportuerit, scripturum et acturum quod poterit uiua uoce.2434 2431 Zum Arrangement der Ehe: RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 355 f. und RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 318. Zu Arnulfs Apologie des Schritts siehe AvL Ep. 29. Abdruck des eigentlichen Ehedispenses der Kardinallegaten, an Erzbischof Hugo von Rouen und seine Suffragane gerichtet: Bouquet 15, Nr. 14. Einordnend: Reuter: Schism, S. 39 – 41, 219 – 220. Die Translation des angelsächsischen Königs, die in der Forschung als Vorbild für die zwei Jahre ­später folgende Kanonisation Karls des Großen diskutiert wurde, fand am 13. Oktober 1163 in Westminster statt. Siehe Frank Barlow: Edward the Confessor, London 1979 (ND der Ausgabe 1970), S. ab. 277. Zur Instrumentalisierung von Heiligsprechungen im Schismenkontext siehe Otfried Krafft: Heiligsprechungen im Schisma. Chancen und Grenzen eines Mittels zur Obödienzfestigung, in: Müller/Hotz: Gegenpäpste. Einer schismatisch motivierten Kanonisation im Fall Karls des Großen widerspricht Knut Görich: Karl der Große – ein ‚politischer Heiliger‘ im 12. Jahrhundert?, in: Körntgen/Wassenhoven: Religion, S. 117 – 155. Görich sieht ihren Ursprung in bestehenden lokalen Kulten und dem damaligen kaiserlichen Kreuzzugsplan und verwirft daher die Idee der älteren Forschung von einer von oben initiierten Heiligsprechung. Der englische Vorschlag zur Kanonisation des Karolingers sei kein politischer ‚Technologietransfer‘ ­zwischen England und dem Reich, sondern ­Zeichen der Verehrung des englischen Königshofs für Karl den Großen. 2432 JvS II, Ep. 136. 2433 Zur Identifizierung der genannten conuentus siehe Brooke: Introduction, S. xxii f. 2434 JvS II, Ep. 136, S. 6 f.

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Johannes vermeint auch den Grund für Ludwigs taktische Zurückhaltung zu kennen: Regem nostrum Franci timent pariter et oderunt, sed tamen quod ad illos quieto et alto sompno dormire potest.2435 Ein deutliches Urteil über einen König und ein Volk, die die ihnen zugefügten Demütigungen der Vergangenheit nicht überwunden hatten und zu schwach waren, sich dem übermächtigen Konkurrenten zu widersetzen. Am Ende des Briefes warnt Johannes den englischen Primas voller Pessimismus davor, auf die weltlichen Mächte zu bauen. Der französische König g­ leiche dem geknickten Schilfrohr aus Jes 36,6 – Sinnbild für die Hinterhältigkeit des ägyptischen Pharaos – das jeden, der sich darauf stütze, durchbohre.2436 Diese Einschätzung sollte sich bewahrheiten. Weniger als ein Jahr ­später, im Januar 1165, trat bei einer Unterredung z­ wischen Johannes und dem französischen Monarchen in Paris erneut zutage, wie hemmend dessen schwache Stellung gegenüber ­Heinrich II. und seine Abhängigkeit gegenüber der alexandrinischen Kurie wirkte. Auf seine Position gegenüber Becket angesprochen, versicherte Ludwig, er fühle immer noch mit den Exilierten und verurteile die Strenge des englischen Königs, sprach allerdings, so beobachtet Johannes, mit weniger Wärme von ihrer Sache als früher, nicht zuletzt, da er nicht zum Auslöser eines Zerwürfnisses ­zwischen dem Plantagenêt und Papst Alexander werden wolle.2437 Dieser ernüchternden Erfahrung entsprang J­ ohannes’ Versuch, Beckets juristischen Kampfeseifer mit dem Hinweis auf Besonnenheit und Moralstudien zu dämpfen. Seine berühmte Empfehlung: Der Primas solle sich lieber dem Studium der Psalmen und der gregorianischen Moralia widmen, als das kanonische und säkulare Recht nach Waffen für den Kampf um klerikale Standesprivilegien zu durchforsten.2438 Ähnlich hoffnungslos beurteilte der gelehrte Angelsachse in diesen Tagen die Lage in Bezug auf potenzielle Unterstützung Beckets seitens der alexandrinischen Kurie. Zwar wagte er aus Sicherheitsgründen nicht, nach Sens zu reisen, versuchte aber bereits zu Beginn seines Exils, durch Petrus von Celle und Erzbischof Heinrich von Reims auf die Kurie um Alexander III. einzuwirken. Auch die Kardinallegaten Heinrich von SS. Nereo e Achilleo und Wilhelm von S. Pietro in Vincoli bezog er in seine Bemühungen mit ein.2439 Es war bekannt, dass Heinrich II. eine hochkarätige Gesandtschaft, bestehend aus dem verhassten Abt Clarembald von St. Augustine’s, Canterbury, und, wie man 2435 2436 2437 2438 2439

Ebd., S. 8 f. Vgl. ebd., S. 14 f. Vgl. JvS II, Ep. 144, S. 30 – 33. Vgl. ebd., S. 32 – 35. Vgl. JvS II, Ep. 136, S. 8 f.

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glaubte, Bischof Arnulf von Lisieux, zu Alexander III. entsandt hatte, um die päpstliche Zustimmung zu den Konstitutionen von Clarendon einzuholen, das Legatenamt für England für Erzbischof Roger von York zu erwirken und damit Beckets Position empfindlich zu schwächen.2440 Am päpstlichen Hof, so Johannes, sprächen zwei Dinge gegen Becket, gegen die schwer anzukommen sei: die Haltung der alexandrinischen Kurie selbst und die unlauteren Methoden der königlichen Petenten. Verum quid ibi tunc possimus, non clare uideo; contra uos enim faciunt multa, pauca pro uobis. Venient enim magni uiri, diuites in effusione pecuniae, quam nunquam Roma contempsit; eruntque non modo sua, sed domini regis, quem curia in nullo audebit offendere, auctoritate freti. […] Demum dominus papa in causa hac nobis semper est aduersatus, et adhuc non cessat reprehendere quod fecit pro nobis Cantuariensis ecclesiae amator Adrianus [i. e. Papst Hadrian IV .] […].2441

Die alten Bestechlichkeits- und Korruptionsvorwürfe, die Johannes gegen den päpstlichen Hof im Allgemeinen und ihre Kardinäle im Speziellen ins Feld führte, stockte er also mit einer pessimistischen Grundeinschätzung der Sympathie Alexanders III. für die englische und besonders die K ­ irche von Canterbury auf. Selbst ungeachtet dieser eher historischen und personellen Faktoren wage die alexandrinische Kurie keinesfalls, sich offen gegen Heinrich II . zu richten. Man spürte immer noch den Atem des mächtigen Angevinen im Nacken. Eben daran könne auch nichts ändern, wenn man sich, wie offenbar von Becket vorgeschlagen, auf das unmoralische Spiel der Korruption einlasse und zweihundert Mark als Bestechungsgeld ansetzte. Die Anreize der Gegenseite ­seien schlicht zu verlockend: Et ego spondeo pro Romanis, quia pro amore domini regis et reuerentia nuntiorum mallent plus recipere quam sperare minus. […] dabunt [i. e. die Gesandten des Königs] spem ueniendi in Angliam, dicentque regii filii dilatam coronationem ut manu apostolica consecretur; et sciatis ad hoc promptos esse Romanos. Iam enim quidam nobis insultant, dicentes dominum papam ad Cantuariensem ecclesiam accessurum, ut moueat candelabrum uestrum, ibique aliquandiu sedeat. Nec tamen credo quod dominus papa istud adhuc conceperit; nam, ut audio, multam eius pro constantia uestra habetis gratiam. Sed unum procul dubio scio, quia Lexouiensis, si uenerit, nichil asserere uerebitur; notus enim michi est, et in talibus expertus sum fallacias eius.2442

2440 Vgl. ebd. und Barlow: Becket, S. 96. 2441 JvS II, Ep. 136, S. 8 f. 2442 Ebd., S. 10 f.

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Offenbar misstraute man Alexanders Bereitschaft, die in Zeiten des Bürgerkriegs von Hadrian IV. geprägten Beziehungen ­zwischen der ecclesia Anglicana und der päpst­ lichen Kurie beizubehalten, und fürchtete, er und seine Kardinäle könnten sich nur zu gerne durch Versprechungen von Macht- und Einflussgewinn in England – wie dem Angebot des Koronationsrechts gegenüber Heinrich dem Jüngeren – umschmeicheln lassen. Ein Bezug zur angedrohten Umsiedlung der als schwach und unleidenschaftlich kritisierten Gemeinde von Ephesus aus Offb 2,5 macht deutlich, dass offenbar böse Zungen kolportierten, Alexander III. wolle den englischen Primas seiner Autorität berauben, sich selbst an Beckets statt an die Spitze der ecclesia Anglicana setzen – und damit gleichsam die von seinem Vorgänger Hadrian zugestandenen Privilegien an die englische Landeskirche rückgängig machen.2443 Zu d­ iesem Zeitpunkt konnte der Becketkreis nicht wissen, dass Heinrich II. aus Enttäuschung über den Ausgang seiner jüngsten Leistungen entschieden hatte, den Normannen an keiner weiteren Delegation zu beteiligen. Auf mehreren ­zwischen Oktober und Januar 1164 unternommenen diplomatischen Reisen zur Exilkurie in Sens war es Arnulf nicht gelungen, dem im Spannungsfeld ­zwischen König und Primas auf eine Politik des Aufschubs und der Unverbindlichkeit zurückgeworfenen Alexander die vollständige Anerkennung der Konstitutionen oder das Legatenamt für Roger von York abzutrotzen.2444 Aus der Zeit kurz nach Arnulfs zerknirschtem Rückzug vom insularen Königshof auf sein Landgut in Nonant ist ein Brief erhalten, in dem Arnulf Beckets Gesandten am alexandrinischen Hof dieselben intriganten Umtriebe vorwarf, die Johannes von Salisbury wiederum ihm angelastet hatte.2445 Die Ausführungen machen schnell deutlich, dass der Normanne darum bemüht war, angeblichen Verleumdungen bei Hofe entgegenzuwirken, um seine eigene Vertrauensposition an der Kurie nicht zu verlieren, doch berührt das Dokument auch kurz die Gemütslage Heinrich Plantagenêts nach Erhalt der enttäuschenden Reaktionen aus Sens: Animus siquidem principis nostri aliquantulum ab ea, qua sanctitatem uestram olim complexus est, caritate desciuit, adeo ut inter familiares suos quandoque conquestus sit se minorem in uobis, quam sperauerat, gratiam inuenisse. Ait in oportunitatibus suis uos esse difficilem, in ­postulationibus

2443 Offb 2,5 bezieht sich auf das Wegrücken und nicht auf die Löschung des Leuchters, im übertragenen Sinne also um die Umsiedlung des Hauptsitzes der englischen ­Kirche. 2444 Zu den Legationen und ihrem Ziel siehe Eyton: Court, S. 65 – 69 und Barlow: Becket, S. 96 f. 2445 AvL Ep. 39.

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scrupulosum: acceptos uobis esse, et iugiter in curia demorari, quosdam qui mendatiis suis gloriam regie serenitatis offuscant […].2446

Die Unzufriedenheit und Verstimmung des Königs gegenüber Alexander III. und seinen politischen Entscheidungen in der causa Becket war ernst zu nehmen – es war ein gefährliches Spiel für den bedrängten römischen Pontifex. Die Weissagung des Johannes von Salisbury, Becket könne von dieser Seite keinen Beistand erwarten, war weise.2447 Es wird deutlich, dass der englische König auch nach seiner offiziellen Partei­ nahme in dieser frühen Zeit des Becketkonflikts eine Figur von überragender Bedeutung im politischen Dreiecksgefüge z­ wischen den Königreichen England und Frankreich sowie der alexandrinischen Kurie war. Dass Heinrich keineswegs immer und überall als bedingungsloser Alexandriner bezeichnet werden konnte, zeigen bereits die knappen Referenzen der Schismabriefe hinsichtlich seines Verhältnisses zu Alexander und dessen Kurie. Heinrich II . war ein findiger, realpolitischer Taktiker. Das musste jedem klar sein, der ihn kannte, und das machte ihn gefährlich. Anfänglich vertrat daher auch Johannes von Salisbury gegenüber Becket die Meinung, der König müsse um jeden Preis hofiert werden. Da die römische ­Kirche sei, wie sie sei, rät er vom Kontinent aus, scheine keine irdische Aufgabe angebrachter, als sich um zweierlei Dinge zu bemühen: sich mit allen Mitteln von den Fesseln der Gläubiger zu befreien und, soweit es der Wille Gottes zulasse, die Gunst des Königs zu suchen.2448 Noch deutlicher wird Nouerit uestra paternitas, jenes anonyme, eventuell durch Johannes von Salisbury verfasste Schreiben, das Becket um dieselbe Zeit, im Mai 1164, vom Tod Oktavians unterrichtete. Erstaunlicher- und unverkennbarer Weise geht es dem Autor des Briefes eher um das Wohl der ­Kirche von Canterbury, die sich im eigenen Primatialsitz den Ansprüchen Clarembalds von St. Augustine’s gegenübersah, als um Becket, an den er in aller Offenheit folgende Worte richtet 2449:

2446 2447 2448 2449

Ebd., S. 66. Vgl. JvS II, Ep. 136, S. 14 f. Vgl. ebd., S. 12 – 15, 32 – 35. Diese Loyalität zur K ­ irche von Canterbury, die sein Leben so gestaltend prägte, war eines der wichtigsten Wesensmerkmale des angelsächsischen Gelehrten. Siehe McLoughlin: Nations, S. 77, der schon zuvor beobachtete, dass die Sicherung der Privilegien und Besitztümer Canterburys in der Frühphase des Konflikts Johannes mehr am Herzen lag als der Kampf gegen die Konstitutionen von Clarendon und die Prinzipien klerikaler Privilegien im Allgemeinen. Siehe dazu seine Bitten an Becket, das Augenmerk auf den Schutz seines Erzbistums zu legen: JvS II , Ep. 144 (S. 34 f.) und Ep. 152 (S. 56 f.). Siehe auch ähnliche

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[…] rogo et consulo ut quantumcumque secundum Deum poteritis, uobis domini regis gratiam adquiratis et conseruetis, quoniam ita ecclesie Dei expedit. Nec uideo quomodo possitis utiliter preesse quamdiu […] rex uobis […] non nisi uerba recipiat, et dispendium, quod aliunde patitur, imputet uobis et sibi, quia uos pro uoluntate regis non patitur conculcari. Nunc autem facile ex hac occasione monasterium beati Augustini sibi, nisi precaueritis, retinebit omnino, quia credibile est omnes sibi malle quam alteri. Nec uideo quomodo istud euitetis, nisi per regem, cui probabiliter persuaderi fortasse poterit quod longe melius est, et honestius illi et tolerabilius uobis, ut uestram pro libitu conculcet personam, quam sic ecclesiam mutilet et pessundet. […] Sane melius esset ut in quacunque cellula saluaretis animam uestram, quam ut odio uestri uestra et omnes alie ecclesie conterantur […].2450

In seiner Historia pontificalis wird Johannes diesen Ratschlag mit dem guten Vorbild der Exilaufenthalte seines Vorgängers Theobald von Canterbury versehen, der als einziger im Kreis seiner Unterstützer das Leid der königlichen Verfolgung getragen habe.2451 Die unverhohlene Kritik an den Proskriptionen durch Heinrich II., unter denen Johannes persönlich zu leiden hatte, war eben auch ein Beispiel stoischer Schicksalsergebenheit vonseiten eines englischen Primas. Johannes setzte wohl in dieser Zeit noch vage optimistische Hoffnungen auf den König und appellierte an dessen gesunden Menschenverstand. Den Konflikt reflektierte er primär als personenbasiert: Habe der König durch Repressalien gegenüber Becket selbst Genugtuung für die zugefügten Kränkungen erhalten, könne wenigstens die ­Kirche gerettet und dem Willen Gottes entsprochen werden. Zwei Jahre s­ päter, 1166, hatte sich auch diese Hoffnung zerschlagen. Johannes’ Einstellung gegenüber Heinrich II . wandelte sich. Soweit der Forschungskonsens. Allerdings sehen einige Historiker den Scheidepunkt in der lang erhofften Audienz des in Ungnade gefallenen Angelsachsen vor dem in Angers weilenden König im Mai 1166, während andere ihn einige Monate ­später im Klima der Sentenzen von Vézelay vermuten.2452 Beiden Ansätzen ist die Beobachtung gemein, dass eine Verschiebung der Rahmenbedingungen Johannes von Salisbury und viele andere im Verlauf des I­ nteressen an der Verhinderung einer Entfremdung von Kirchengut in Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 45 f. 2450 CTB I 29, S. 92 f. 2451 Vgl. Historia pontificalis, ed. Chibnall, S. 42. Zeugnis der Repressalien an den Becket­ anhängern und ihren Verwandten legt HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 359 ab. 2452 Siehe die feinsinnige Sezierung des ambivalenten Verhältnisses ­zwischen Becket und Johannes von Salisbury in Duggan: John, deren Ergebnisse auch jüngst Bollermann/Nederman: Becket bestätigen konnten. Die Rückschlüsse auf eine aus der Eskalation des Becketkonflikts,

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Frühjahrs und Sommers 1166 zu einer klareren Positionierung gegenüber Becket und dem König zwang. Über ein Jahrzehnt lang hatte sein Einsatz für die Rechtsprinzipien der Konstantinischen Schenkung ihn bei Hofe zur persona non grata gebrandmarkt und seine Lebensbedingungen erheblich erschwert.2453 Obgleich Johannes sich weder als Papalist noch als unerbittlicher Gegner des englischen Königs sah und sich zu Unrecht geschmäht fühlte, war er aus Sorge um seine Karriere seit Ausbruch des Disputs darauf bedacht gewesen, die räumliche wie ideologische Bindung zu Becket nicht zu eng werden zu lassen und den Kampfeseifer des Primas zu einer von Vernunft statt verletztem Stolz diktierten, gemäßigten Position zu drosseln. Die Aussöhnung mit Heinrich II. war für ihn nicht nur der einzig gangbare Weg aus der verfahrenen Situation – er ersehnte diese auch persönlich.2454 Als Heinrich in Angers schließlich als Garantien für Johannes’ Königstreue einen Abschwur von Becket und einen Eid auf die Konstitutionen von Clarendon verlangte, wurde Johannes klar, dass die Zeit bemühter Unparteilichkeit endgültig beendet war.2455 Die unmögliche Wahl, seine tiefsten Loyalitäten gegenüber Canterbury und der ­Kirche zu verraten, stellte den Vollblutkleriker vor eine Situation, in der er die verlangten Sicherheiten nicht ohne Schaden für Heil und Ruf erbringen konnte.2456 Die harte Linie und Unflexibilität des englischen Königs, der zeitlebens lieber rigide Eide verlangte statt diplomatische Freiräume zu lassen, war kein kluger Schachzug. Letztlich machte sie aus einem hochgebildeten, wortgewandten und gut vernetzten – Johannes war Realist und Optimist genug, um auch zu Mitgliedern des königlichen Gefolges wie Richard von Ilchester und Jocelin von Bohun, Bischof von Salisbury, Kommunikationswege und gute Beziehungen aufrechtzuerhalten – potenziellen

2453 2454

2455 2456

besonders den Exkommunikationen von Vézelay, resultierende qualitative Veränderung in der Polemik des Johannes von Salisbury zog McLoughlin: Language, S. 76. Vgl. JvS I, Ep. 30 sowie Metalogicon, ed. Hall/Keats-Rohan, IV, 42, S. 183. Zu den Folgen siehe JvS I, Ep. 19, S. 31 und Constable: Disgrace. Vgl. JvS II, Ep. 136, S. 12 – 15. Das bezeugen seine zahlreichen Bitten an diverse Bekannte bei Hofe, gegenüber dem König für ihn zu sprechen. Siehe Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 138, 162, 166. Auch ersuchte er noch im Sommer oder Herbst die monastische Gemeinschaft von Val-Saint-Pierre um Gebete für Heinrichs Seelenheil: ebd., Ep. 183. Der Becketbiograph Wilhelm FitzStephen hat einen ausführlichen Bericht überliefert: FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 98 – 101. Vgl. JvS II , Ep. 164, S. 86 f. gegenüber seinem Bruder Richard: ego, prout exigebatur, sine dispensio salutis et famae petitam non possem praestare cautionem Auch: Potueram namque reciperer quae michi, ut opinor, per iniuriam auferuntur, si aeterna uellem usquequaque postponere et libertatem spiritus pernicioso et certe periculosissimo artare iuramento […] ego, prout exigebatur, sine dispendio salutis et famae petitam non possem praestare cautionem.

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Vermittler einen verbitterten Antagonisten.2457 Den Wandel in Johannes’ aktivem Engagement umreißt Anne Duggan: „From that point he became an increasingly outspoken defender and counsellor of the archbishop and a fierce critic of the latter’s enemies […]. His public commitment to Becket deepened as the possibility of his own restoration faded. His change of outward demeanour was signalled in July 1166, and several letters to Becket record a decisive hardening of his attitudes. […] Simultaneously he began to share in strategic discussions with Nicholas of Mont-Saint-Jacques and John of Poitiers […], to write on behalf of the exiles, and to compose long letters defending Becket’s cause and actions, some addressed, significantly, to Bartholomew of Exeter and to Baldwin, archdeacon of Totnes, who could circulate them among the English episcopate, and others to Peter, formerly the king’s scribe, who could pass them on to the royal administration. By that time he was fully identified with the cause of the Canterbury exiles, though some tensions may have persisted.“ 2458

Bezüglich der inhaltlichen und stilistischen Radikalisierung der Johannesbriefe im Becketkonflikt stellte John McLoughlin das verstärkte Auftreten neuer ­Themen und Merkmale ab dem Sommer 1166 heraus. Diese „Verfolgungssprache“ 2459, die im Becketzirkel an sich bereits seit 1163 und besonders infolge des Hoftags von Northampton Gestalt angenommen hatte, definiert er als „[a] „rich ‚language‘ of phrase and imagery […], drawing on Scriptural sources and on standard interpretations of Scripture […] and used to depict almost any dispute as a struggle between good and evil, as the persecution of pious men by the impious, as the renewed persecution of the Church Universal, as a latterday trial and passion of Christ, or as an assault on church liberties.“ 2460

2457 Siehe die Einschätzung von Duggan: John, S. 436 – 438, sowie S. 434, Anm. 35 für zahlreiche Beispiele aus der Exilkorrespondenz, in denen Johannes gegenüber Becket und anderen im Sinne der beiden Hofmitglieder vermittelnd eintritt. Siehe etwa JvS II, Ep. 278 und Ep.181. 2458 Duggan: John, S. 432 f. 2459 Zu den Anfängen der Verfolgungspolemik siehe McLoughlin: Language, S. 73 – 75. Sie war zunächst darauf ausgelegt, dem Vorwurf zu begegnen, dass Becket und Heinrich einen persönlichen Zwist auf den Schultern der ­Kirche ausfochten und dass Heinrichs Wut und Feindschaft nicht so sehr der Gesamtkirche als dem abtrünnigen Günstling Becket galten. Zu ­diesem Zweck verbreitete man seit dem Oktober 1163 die neue Perspektive in einer Briefserie an die Kurie und in England. Beispiele: MTB 5, Epp. 29, 59 sowie 74. 2460 McLoughlin: Language, S. 73.

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Durch seine hochemotionale Komponente und ihre Verweiskraft auf tief verwurzelte religiöse Wertevorstellungen konnte ­dieses polemische Register genutzt werden, um „Streitfragen zu vereinfachen, die in Wirklichkeit hoch komplex oder sehr unübersichtlich waren […] [und] persönliche und politische Dispute in Dispute über fundamentale Fragen verwandeln“ 2461. Große ­Themen und Deutungsmuster waren der Vergleich Beckets mit dem Leiden und der Kreuzigung Christi, der Gedanke der Notlage als Prüfung und Verweise auf eine bevorstehende Vergeltung Gottes an den Missetätern. Einige dieser Ideen traten erst mit Verschärfung des Konfliktes im Sommer 1166 auf, andere waren bereits in den frühen Exilbriefen angelegt. So auch das, was McLoughlin als „persecution themes“ 2462 bezeichnet: zunächst vage Referenzen, s­ päter explizite Vorwürfe darauf, dass Heinrich II. die englische ­Kirche mutwillig verfolge. Für diese Arbeit ist von besonderem Interesse, ob der Paradigmenwandel in der Polemik des Saresberiensis auch Spuren im Schismaverständnis des Angelsachsen, insbesondere in seinem Bild des englischen Königs, hinterließ. Tatsächlich lässt sich aufzeigen, dass ab dem Juni 1166, in direkter Folge der Exkommunikationen von Vézelay, der Tenor der Exilbriefe gegenüber Heinrich II. einen bedeutend kritischeren Stand annimmt. McLoughlin sieht in dieser Zeit in Johannes von Salisbury einen „aktiven Berater und Apologeten für den Becketzirkel“ 2463, der seine Spitzen zunächst weniger gegen die Person des Königs als gegen die Mitglieder des englischen Episkopats und deren unmittelbar nach Beckets Exkommunikationen wichtiger königlicher Offizialen in Vézelay erfolgte Appellation richtete.2464 Es ist wichtig zu analysieren, ob Johannes’ wachsende Feindschaft gegen Heinrich II. originär in seinem endgültigen Bruch mit dem König oder der Radikalisierung der Auseinandersetzungen seit Vézelay begründet lag oder andere Ereignisse mit hineinspielten. In letzterem Fall müsste eine qualitative Veränderung seines Heinrichbildes bereits als Reaktion auf eben diese Ereignisse auftreten. Damit in direktem Zusammenhang steht die Frage, ob Johannes’ Bild des Plantagenêt tatsächlich so innenpolitisch motiviert war, wie von Duggan und McLoughlin suggeriert. Was warf man Heinrich vor, ­welche Kräfte sah man im politischen Zusammenspiel wirken und wie stellte sich das Gesamtbild des englischen Monarchen für Johannes von Salisbury in Rahmen seiner Fürstenlehre dar? 2 461 Ebd. 2462 Ein frühes Beispiel findet sich in dem Christus-Heinrich-Vergleich aus JvS II, Ep. 145, den diese Arbeit bereits mit dem Fürstenideal des Saresberiensis zusammenbringen konnte. Siehe auch JvS II, Ep. 152, in dem Johannes sehr zögerlich Becketkonflikt und Schisma als die zwei großen Krisen der Gesamtkirche suggeriert. Dazu: McLoughlin: Language, S. 79. 2463 Vgl. ebd., S. 83. Zu Johannes’ praktischem Ansatz siehe Hirata: Colliding. 2464 Vgl. Barlow: Becket, S. 147 – 149 und Duggan: Becket, S. 101 – 123.

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Sichtweisen auf die Rolle König Heinrichs II. Plantagenêt

Zunächst empfiehlt sich die Zusammenschau der kritischen Reflexion über den Herrscher und seine Rolle in Johannes’ Exilbriefen. Wurde die zweite große Herrschergestalt mit derselben offensiven Offenheit und denselben herrschaftsethischen Maßstäben gemessen wie der als Schismatiker geschmähte ­Kaiser? Lagen die beanstandeten Verfehlungen des Angevinen auf ähnlichem Gebiet wie jene des Staufers?

3.2  Heinrich II. Plantagenêt als Tyrann: ethische und innenpolitische Wurzeln des Despotievorwurfs Heinrich II. von England eckte an. Er war eine streitbare Persönlichkeit, die in ihrem politischen Leben teils unpopuläre Entscheidungen zu treffen wusste. Dennoch war es in den frühen Jahren des beginnenden Schismas, 1159 und 1160, schwer gewesen, ihn, der so lange zögerte, sich durch eine Positionierung in der Papstfrage kirchenpolitisch angreifbar zu machen, als Tyrannen zu brandmarken. Sein öffentliches Bekenntnis zu Alexander III., aber vor allem die Eskalation der Kontroverse mit Thomas Becket schleuderten ihn letztlich aus dieser polemischen Komfortzone. Dabei konnte bereits Heinrichs aufbrausendes Wesen als wenig herrscherliche Tugend ins Feld geführt werden.2465 Seine Strenge gegen Becket und dessen Sympathisanten zeugten eher von tyrannischer Willkür als von der eines Königs würdigen, gesetzestreuen Rechtsausübung.2466 Eben dies war Johannes von Salisbury zuwider. „Wie das Gesetz Schuld ohne Hass auf die Personen verfolg[e]“, so hatte er im Policraticus festgestellt, strafe der Fürst Übeltäter „höchst gerecht nicht aus Zorn, sondern im Einklang mit der Entscheidung des leidenschaftslosen Gesetzes“ 2467. Zudem pflegte die gesamte Becketpartei in Bezug auf ihren König eines der ältesten Darstellungsmuster der Tyrannenei per se: den Vorwurf, Eigeninteressen durch Gewaltanwendung und Einschüchterung durchzusetzen. Besonders in der Exilskorres­ pondenz porträtierte man Heinrich als unberechenbaren, mit keiner sozialen oder 2465 Für eine Zusammenfassung entsprechender Äußerungen bei Johannes von Salisbury siehe Hohenleutner: Studien, S. 131 f. 2466 Vgl. JvS II, Ep. 175, S. 156 – 159: Qua autem impudentia dixerunt et […] scripserunt [i. e. die englischen Bischöfe], quod omnibus falsum esse innotuit, quia rex […] ‚ gratum habet cum corripitur, et dulce putat obsequium, cum monetur ut corrigat si quid deliquit in Deum! ‚Si quid‘, inquiunt, ac si dubium sit eis illum deliquisse in Dominum, qui ecclesiae libertatem impugnat, auitas peruersitates euangelio Christi prefert et sanctionibus patrum et (ut de uobis taceam et clericis quos iniuste proscripsit) qui mulierculas et paruulos in cunis, innocentes omni solatio destitutos, non tam crudeli sententia quam insania compulit exulare [….]. 2467 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan, S. 235 f. (=Policraticus I, ed. Webb, S. 239).

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juristischen Norm beizukommenden „monstreux virtuose de l’intimidation“ 2468. In welchem Maße die angevinischen Herrscher und besonders Heinrich II. die Wut als Herrschaftsmittel und Inszenierung ihrer Autorität instrumentalisierten, ist längst erkannt worden.2469 Diese Ebene sahen Johannes und Becket nicht. Für sie war der Zorn des Königs eine Provokation gegen jenen eigentlichen und einzig rechtmäßigen Zürner, den Allmächtigen selbst.2470 Mit anderen Worten war die ira regis ebenso Element im frevelhaften Streben des Tyrannen nach Gottesebenbildlichkeit wie ­Zeichen von Heinrichs Übertritt der Mäßigung als der edelsten aller herrscherlichen Tugenden.2471 Hierin sah Johannes den entscheidenden Schwachpunkt eines sonst großen Königs: Vir enim est omni laude maior, si ecclesiae Dei ut oportet deferret magis, et cum his modestius ageret qui cum eo contrahunt aliqua ratione, et impetu irae uel alterius reprimendi affectus ad mensuram regiae grauitatis linguam cohiberet et animum. Alias autem naturae pariter et gratiae tot et tantis dotibus praeditus est, ut ei principum nullus, quod magis crediderim, uel admodum rarus, quod indubitanter dixerim, similis inueniretur in orbe.2472

Es waren die Ebenen des herrscherlichen Ethos und der charakterlichen Disposition des Monarchen, die für Johannes von Salisbury aus apolitischer Sicht die tyrannischen Qualitäten des Plantagenêt begründeten. Das politische Despotieurteil hatte sich interessanterweise bereits vor Ausbruch des Becketkonflikts ausgebildet. Nederman zeigte auf, dass Heinrich bereits im Policraticus für den gelehrten Angelsachsen zur ersten zeitgenössischen Personifizierung des wahren Tyrannen wurde. Während Stephan von Blois in den frühen Schriften des Saresberiensis sozusagen als ‚Pseudofürst‘ in seiner Autoritätsschwäche dem privaten Despotismus der Magnaten Vorschub leiste, habe Heinrich als erster dem polikratischen Bild des Gewaltherrschers entsprochen. Folglich kommt auch nur ihm die Bezeichnung ‚Tyrann‘ zu. Basis ­dieses Urteils sind nach Nedermans Einschätzung die ersten Regierungsjahre des jungen Thronfolgers und Johannes’ persönliche Enttäuschung über die Haltung des Königs 2468 Barrau: Bible, S. 406 – 410, 453 – 456, hier: S. 406. 2469 Siehe Kapitel 4 in John Edward Austin Jolliffe: Angevin Kingship, London 1963 sowie Christopher Harper-Bill/Nicholas Vincent: Introduction: Henry II and the Historians, in: Harper-Bill: Henry, S. 16 f. Das Thema rückte in den Fokus der Emotionsforschung: Althoff: Ira sowie die Einführung in Freudenberg: Furor. 2470 Zum exegetischen und theologischen Blick auf den gerechten Zorn Gottes, wie ihn etwa Augustinus in seinen Enarrationes in Psalmos proklamierte, und der Sündigkeit der ira regis siehe Barrau: Bible, S. 451 – 460. 2471 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan IV, 8, S. 258 – 262 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 262 – 266). 2472 JvS II, Ep. 287, S. 634 f. an Johannes Belmeis, Bischof von Poitiers.

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ihm gegenüber sowie dessen gesteigertes Interesse an Konsolidation seiner Kronherrschaft durch unangemessene Besteuerung von Klerus und Laien.2473 Dieser Vorwurf spielt, besonders in Bezug auf die vor dem Feldzug von Toulouse erhobene Kriegssteuer, auch noch in den Exilbriefen eine Rolle, doch ist unbestreitbar, dass erst die starke königliche Intervention jenseits steuerrechtlicher Fragen, das heißt sein Ausgriff auf die ureigensten Privilegien und Machtbereiche der ­Kirche, eine neue Qualität herbeiführte. Der politische Kristallisationspunkt der damaligen Kritik des Johannes von Salisbury an Heinrich II. war eindeutig festzumachen: die Konstitutionen von Clarendon, jene von Heinrich als legitimes Königsrecht eingeforderten Rechtssätze. Wie Becket selbst, sah Johannes sie als überkommene Gebräuche aus der Herrschaftszeit Heinrichs I. Sie vereitelten nicht nur seine persönliche Aussöhnung mit dem König, sondern waren, als der K ­ irche von weltlicher Seite aufgepresste Beschneidung teuer erkaufter klerikaler Standesprivilegien und kirchlicher Freiheit begriffen, immer wieder Gegenstand des Aufruhrs und der Diskussionen im klerikalen Lager und an der Kurie um Alexander III.2474 Ein König aber, der seinem Land und seinem Klerus Gesetze durch Repressalien und Druck aufzupressen versuchte, die dem göttlichen Recht und dem Prinzip der Billigkeit, der aequitas, widersprachen, missachtete seine Aufgabe als Wahrer der lex diuina, verleugnete die Basis seiner eigenen gottgegebenen Autorität und richtete sich in aggressiver Weise gegen das in der Zweischwerterlehre festgelegte Gewaltenverhältnis.2475 Dabei stieß der Angelsachse in einer nach Exeter gerichteten Klage über 2473 Vgl. Nederman: Face. Neudruck als Cary J. Nederman: The Changing Face of Tyranny: The Reign of King Stephen in John of Salisbury’s Political Thought, in: ders. (Hg.): Medieval Aristotelianism and its Limits. Classical Traditions in Moral and Political Philosophy, 12th – 15th Centuries, Aldershot 1997 (Collected Studies Series, 565), S. 1 – 20. 2474 JvS II, Ep. 225, S. 392 f.; ferner: S. 390 f.: Pollicitationem Clarendonae, ad quam de consilio episcoporum impulsus est, purgare non possum, quia non fuerat uti que facienda; sed offensam confessio diluit, accepta solempniter poenitentia a summo pontifice, qui peruersas illas consuetudines multis audientibus auctoritate apostolica condempnauit. Beckets Position rekapituliert auch der offizielle Bericht über die Verhandlungen beider Lager bei Planches, nahe Gisors und Trie (18. – 19. Dezember 1167): JvS II, Ep. 231, S. 420 f.: Ad haec respondit archiepiscopus nullum praedecessorum suorum ab aliquo regum ad hanc professionem fuisse artatum; neque se Deo auctore promissurum umquam ut obseruet consuetudines quae legi Dei a patenter aduersantur; quae sedis apostolicae priuilegium conuellunt; quae ecclesiae perimunt libertatem; quas dominus papa Senonis in […] multorum praesentia condemnauit. Ebenso: JvS II, Ep. 230, S. 408 – 411. 2475 Zum Konflikt ­zwischen lex divina und den Konstitutionen von Clarendon siehe Barrau: Bible, S. 387 f.

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Heinrich sich nicht am königlichen Verlangen der rechtlichen Fixierung des Gesamtkatalogs, sondern an den darin erhaltenen Ausgriffen aus der genuin säkularen Sphäre: Si uero non nisi debitas exigit consuetudines, sicut uester Demostenes asserit, illis profecto debuerat esse contentus quae non sunt diuinis legibus inimicae, quae bonis moribus non aduersantur, quae sacerdocium non dehonestant, quae periculum non ingerunt animarum, quae matris ecclesiae, de cuius manu suscepit gladium ad ipsam tuendam et iniurias propulsandas, non subruunt libertatem. Sed in uotis ipsius omnia contraria sunt, sicut scriptura eius, sanctorum patrum auctoritate et summi pontificis ore dampnata, testatur, et cotidianae querelae cleri et populi […].2476

Will man den Zeitpunkt bestimmen, zu dem der Terminus ‚Tyrann‘ in Johannes’ brieflichen Sprachgebrauch überging, bietet sich die Suche nach Exempla an. Lange bevor man harsche, offene Kritik äußerte, konnten Exempla und Vergleiche auf elegante Weise gegenüber einem gebildeten Publikum Werturteile implizieren. Auf der Suche nach Vergleichen des englischen Monarchen mit biblischen und historischen Tyrannen wird man schnell und früh fündig. Bemerkenswerterweise trat die Wende von der tastend-versöhnlichen Haltung gegenüber Heinrich II. bis zur offenen Kritik nicht so schlagartig auf wie McLoughlins Konzentration auf die Exkommunikationen von Vézelay als Schlüsselereignis Glauben machen könnte. Überzeugender ist Beryl Smalleys Einschätzung, dass der Verzicht auf persönliche Angriffe auf den König durch eine kritische, aber immer noch von Respekt geprägte Haltung ersetzt wurde.2477 Andernfalls wäre kaum zu erklären, warum gerade die bedeutende, direkt im Anschluss an die Sentenzen vom 12. Juni an den Exeterkreis gerichtete Bekanntmachung Licet ex more scribentum zwar kritische Töne, aber noch keine radikalisierte Rhetorik im Stil späterer Schreiben aufweist. Der Brief selbst, den McLoughlin als „mit ‚Verfolgungssprache‘ durchzogen“ 2478 charakterisiert, war das erste Zeugnis der umstrittenen Exkommunikationssentenzen, das England erreichte, und als eine Rehabilitation Beckets zur öffentlichen Verlesung und Weiterreichung innerhalb des englischen Klerus intendiert. Besonderes Augenmerk lag auf der Reue des Primas bezüglich seiner Handlungen als Kanzler der Krone und der jüngsten Fehltritte des englischen Königs gegenüber der englischen Landeskirche. 2476 JvS II, Ep. 174, S. 140 – 143. 2477 Vgl. Smalley: Schools, S. 104: „His tone grew sharper as the struggle went on. At first he had refrained from personal attacks on Henry. Now he began to refer to the king as tyrant, while still admiring him.“ Smalleys spärliche Verweise auf die Korrespondenz überzeugen wenig. Von Bewunderung zeugen diese sehr polemischen Schreiben nicht. Die Ungeschicklichkeiten in der Auswahl der Referenztexte jedoch negieren nicht die Beobachtung. 2478 McLoughlin: Language, S. 83.

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Ebenso war es aber auch eine Darlegung der Becketschen Sicht des Konfliktes, die den Mitgliedern der ecclesia Anglicana ein Urteil über die aktuellen und folgenden Ereignisse ermöglichen sollte.2479 In jedem Fall war Licet ex more scribentum ein wegweisendes Dokument, das tonangebend für die Becketsche Propaganda werden sollte. Einige seiner Wahrnehmungsund Deutungsmuster, darunter seine erste Bezugnahme z­ wischen Heinrich II . und biblischen Despotengestalten, führte Johannes in späteren Briefen weiter aus.2480 Aus seinem aufmerksamen Beitrag zur kommunikativen Verwendung biblischer Exempla in Johannes’ Policraticus und Exilskorrespondenz zieht auch Avrom S­ altman die Erkenntnis, dass Johannes zunächst „aus diplomatischen und persönlichen Gründen“ 2481 von einer offenen polemischen Großoffensive gegen Heinrich absah. Durch Assoziationsketten und verschlungene Referenzen suggerierte er stattdessen ­zwischen den Zeilen eine Nähe z­ wischen dem König und tropologischen Tyrannen wie dem Vatermörder Absalom oder Saulus, einer der despotischen Lieblings­ gestalten im Policraticus.2482 Direkt ausgeführt wurden diese Verweise jedoch längst nicht immer. Im Gewand biblischer Exempla dafür, dass den Sünder eine der Sünde entsprechende Bestrafung ereile 2483, rückt Licet ex more scribentum den englischen König implizit in die Nähe prominenter Gestalten aus dem ersten Buch Mose: den Brudermörder Kain, Pharao 2484, den Unterdrücker des Volkes Israel, sowie Ham und 2479 Zur Bedeutung des Briefes für die ansonsten durch die königliche Blockade der englischen Küsten auf die insulare Sicht zurückgeworfenen Landeskirche Englands und des mächtigen Bischofs Heinrich von Winchester siehe Hirata: Correspondents, S. 121, 305 f. 2480 Vgl. JvS II, Ep. 168. Zur Quelle selbst und den mit ihr gleichzeitig versandten Briefen siehe Hirata: Correspondents, S. 112 f. 2481 Saltman: Testament, S. 346: „For diplomatic and personal reasons John was reluctant to launch a full-scale biblical offensive against Henry, but he had less reserve when referring to his henchmen.“ 2482 Der Vergleich mit Absalom kam vor allem durch die Identifizierung des Gilbert Foliot, Beichtvater und treuer Vertrauter des Königs, mit Absaloms Ratgeber Achitophel (2 Kön 16,20 – 17,4) zustande. Siehe JvS II, Ep. 172 (S. 132 f.) oder Ep. 175 (S. 162 f.). Johannes über Saulus aus dem ersten Buch Samuel: Policraticus, ed. Keats-Rohan II, 27, S. 149 – 152 und IV , 3, S. 237 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 145 – 148,241) sowie Policraticus II , ed. Webb VIII, 18 (S. 358). Exilsbriefe: JvS II, Ep. 275, S. 580 und das Bibelzitat aus 1 Samuel 15,17 und eine Anspielung auf die frühere Kooperation des Kanzlers Becket mit dem König in JvS II, Ep. 168, S. 104 – 107. Dazu Saltman: Testament, S. 345 – 347. 2483 Sap. 11,16. 2484 Die Assoziationskette umfasst dabei Becket und Alexander III . als Pharaos Antagonist, Moses, die englischen Bischöfe und ihre Landeskirche als das unterdrückte Volk Israel und England als Ägypten, geschlagen von der Plage der Konstitutionen von Clarendon, gegen die es sich nicht zu erwehren wagte. Siehe ausführlich ebd., S. 346 – 348.

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dessen von Noah verfluchten Sohn Kanaan, denen Johannes wie dem ägyptischen Herrscher aus unklarer Logik heraus geplante (beziehungsweise tatsächliche) Versklavung vorwirft.2485 Streng genommen müssten Ham und Kanaan nach Johannes’ Lehre nicht zur Kategorie der öffentlichen, sondern eher zu den privaten Tyrannen gezählt werden. Anders verhält es sich mit der zweiten großen öffentlichen Despotenfigur, mit der der Angelsachse seinen König gleichsetzt: dem isrealitischen König Ahab (1 Könige 16 – 19). An dessen Beispiel lässt sich eine Evolution des Tyrannenbegriffs gut aufzeigen. Innerhalb seiner Tyrannenpolemik rekurriert Johannes doppelt so oft auf Ahab wie auf Pharao.2486 Diese quantitative Hervorhebung ist nur ­Zeichen der eigentlichen Qualität des Vergleichs, die sich für Johannes aus den Parallelen des zeitgenössischen Konflikts und der Kirchenpolitik des Plantagenêt mit den Begebenheiten um und den Taten des Ahab ergab. Da war die Schar an falschen Propheten und Baalspriestern, die den Herrscher umgaben und für Luxus und Ansehen dem König ungeachtet Wahrheit, Sitte und Gesetz nach dem Mund redeten, nur eine verwertbare Parallele: Im Kontext des englischen Kirchenstreits setzte Johannes von Salisbury diese Männer mit dem königsloyalen Episkopat und dem Gefolge des Plantagenêt gleich.2487 Wie Heinrich die Exilanten verfolge, verfolgte und tötete Ahabs Frau Isebel, eine Anhängerin des Baalkultes, die Propheten Jahwes. Becket selbst wurde von Johannes mit Elija oder dem auf Isebels Veranlassung aus Gier gesteinigten Naboth, einem weiteren Opfer, identifiziert.2488 Diese aufgrund der Verbindungen ­zwischen biblischer Überlieferung und den zeitgenössischen Ereignissen gewählten Vergleiche blieben im Sommer 1166 zunächst noch vage und vor allem auf den engen Kontext zur Auseinandersetzung um die Konstitutionen von Clarendon und den Treubruch der englischen Bischöfe gegenüber ihrem Primas beschränkt. Eine weitere Facette der alttestamentarischen Despotengestalt erlangte für Johannes erst wenige Monate ­später, im November 1166, an Bedeutung, als er zur Denunziation des englischen Königs ganz andere Assoziationen eröffnete:

2485 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 106 f. Ähnlich: JvS II, Ep. 174, S. 146 f. Johannes’ Behandlung der HamKanaan-Episode ist inkonsequent und schwierig auszudeuten: siehe Saltman: Testament, S. 354 f. 2486 Im Verhältnis 7:14. 2487 Vgl. exemplarisch JvS II, Ep. 174 (S. 146 f.) und Ep. 181 (S. 200 f.). 2488 Vgl. Joannis Saresberiensis: Ep. 235. Magnam michi praestat, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 432 – 439, hier: S. 436 f. Ferner: ders.: Ep. 180. Promeruerat quidem humanitatis, in: ebd., S. 192 – 197, hier: S. 194 f.

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Leges impugnat, immo et euangelii, quanto in ipso est, statuta conuellit. Suam ponit scismatis cum scismaticis portionem, quibus communicat, et cum eis uarias et nefarias contrahit obligationes, et anathematis sententiam sciens et prudens incurrit.2489

Das Zitat entstammt Abutitur ecclesiae patientia, einem bitteren Klagebrief des Becketkreises an Alexander III . Er ist eines jener Schriftstücke, hinter denen die Mitautorschaft des Johannes von Salisbury vermutet werden kann, und war Teil einer Kampagne, die unter anderem den Papst und befreundete Kardinäle zu strengerem Vorgehen gegen den König anhalten sollte.2490 Erzürnt durch die Exkommunikationen seiner Getreuen in Vézelay hatte Heinrich kurz zuvor durch Vermittlung Rainalds von ­Dassel ­Kaiser Friedrich um sicheres Geleit für eine hochkarätige Gesandtschaft an die alexandrinische Kurie gebeten.2491 Auf dieser Informationsbasis sollte die Briefserie nun den König und den englischen Episkopat denunzieren. In direktem Anschluss an das obige Zitat folgt ein erneuter Hinweis auf den Tyrannen Ahab und den Mord an Naboth, der durch die oben vorgebrachten Vorwürfe eine zusätzliche Komponente gewinnt, weiß doch das erste Buch der Könige über Ahab von Israel Folgendes zu berichten: „Ahab, der Sohn Omris, wurde König von Israel im achtunddreißigsten Jahr des Königs Asa von Juda. Er regierte in Samaria zweiundzwanzig Jahre über Israel und tat, was dem Herrn missfiel, mehr als alle seine Vorgänger. Es war noch das wenigste, dass er an den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, festhielt. Er nahm Isebel, die Tochter Etbaals, des Königs der Sidonier, zur Frau, ging hin, diente dem Baal und betete ihn an. Im Baalstempel, den er in Samaria baute, errichtete er einen Altar für den Baal. Auch stellte er einen Kultpfahl auf und tat noch vieles andere, womit er den Herrn, den Gott Israels, mehr erzürnte als alle Könige Israels vor ihm.“ (1 Könige 16,29 – 33)

Neben dem Hauptvorwurf, dem Frevel der Misshandlung des Klerus – der zeitgenössischen Parallele auf Ahabs Tötung des Naboth – tritt die Figur des Götzenverehrers Ahab als Referenz für einen König auf, der sich mit einem K ­ aiser und seinem gegenpäpstlichen ydolum, mit exkommunizierten Schismatikern, verbrüderte. Im Kern beschränkt sich Johannes’ politisch basierte Identifizierung Heinrichs als Tyrann auf seine als kirchenfeindlich empfundenen Taten im Becketkonflikt, etwa bezüglich der Konstitutionen von Clarendon oder seines Einflusses auf dem Hohen 2489 CTB I 115, S. 558 f. 2490 Dazu gehörten Epp. 115 – 118 in ebd. 2491 Vgl. MTB 5, Nr. 213.

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Rat zu Northampton.2492 Heinrich ist der tyrannische Kirchenfeind, Verfolger und Folterer der ­Kirche. Als Helfershelfer des Teufels 2493 und Herrscher qui Anglicanam conculcat ecclesiam 2494 unterjoche er England. Ein vom Becketkonflikt isolierter Zusammenhang ­zwischen Heinrichs Intervention im Schisma und der Anwendung der polikratischen Tyrannologie auf den englischen Monarchen wie etwa bei F ­ riedrich I. ist zumindest in der ersten Hälfte der 1160er Jahre noch nicht erkennbar. Erst ab der Hälfte des Jahrzehnts treten biblische Referenzen auf, die Heinrich in schismatischeres Licht rücken. Wenn er in den Augen des Johannes von Salisbury tyrannische Qualitäten besaß, wie weit qualifizierte sich der englische Herrscher auch als Schismatiker? Die Antwort bedarf einer eingehenden Untersuchung der Darstellungs- und Wahrnehmungsmuster der saresberiensischen Korrespondenz, aber auch eines frischen analytischen Blicks auf die Geschehnisse vom Würzburger Reichstag im Mai 1165.

3.3  Heinrich II. Plantagenêt als Schismatiker: Aspekte und Entwicklung der Instrumentalisierung des alexandrinischen Schismas in der Königskritik 3.3.1  Die Assoziation mit Friedrich I. Barbarossa Schon Hohenleutner erkannte, dass in der den Exkommunikationen von Vézelay folgenden Polemik ab Juni 1166 eine Thematik Einzug in die Briefe hielt, deren Faden der gelehrte Angelsachse bis zum Ende des Schicksalsjahres 1170 weiterspinnen sollte: der Vergleich und die Parallelisierung von Handlungen und Schicksal des englischen Königs mit K ­ aiser Friedrich I. Barbarossa.2495 Dass diese auf den ersten Blick weit hergeholt erscheinende Nebeneinanderstellung mehr als ein beliebiges Element anti­ royalistischer Propaganda, nämlich ein integraler Bestandteil der Sicht der Anhänger Thomas Beckets auf den englischen König war, zeigt sich schon durch sein Auftreten 2492 Beispiele: Joannis Saresberiensis: Ep. 281. Ecclesia in arto est, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 614 – 619 sowie JvS II, Ep. 168 (S. 104 f.), Ep. 175 (S. 158 f.), Ep. 187 (S. 236 – 239), Ep. 234 (S. 428 – 431), Ep. 275 (S. 580 f., hier: S. 616 f.), Ep. 298 (S. 696 f.). 2493 Gemeinsam mit seinen Getreuen. Siehe CTB I 171, S. 786 f.: satellitibus Sathanae. 2494 JvS II, Ep. 234, S. 430 f. 2495 Vgl. Hohenleutner: Studien, S. 132: „[Es ist] […] unumgänglich, daß Johannes, der im ‚Policraticus‘ so eingehend das Wesen der Tyrannei definiert hat, auch den englischen König […] in eine Parallele zu ­Kaiser Friedrich I. Barbarossa setzte, der für ihn der ‚tyrannus‘ schlechthin war.“

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in einem so nüchtern-amtsmäßigen Lagebericht wie Licet ex more scribentum, als zeitlich erstem und wunderbar illustrativem Beispiel.2496 Seit Exilbeginn war Johannes von Salisbury im Einklang mit Thomas Becket und seinem engeren Zirkel überzeugt davon, dass Gott in einem iudicium Dei in den Fährnissen der K ­ irche intervenieren würde, mehr noch: dass der Prozess göttlicher Vergeltung an den Mächtigen bereits angebrochen sei.2497 Wie der erste Kreuzzug dem Thema göttlicher Rache aktuellen Bezug gegeben hatte, so tauchte man besonders, wenn auch nicht ausschließlich, in den Briefen an den englischen König den Kampf in eine ähnlich „eschatologische Atmosphäre“ 2498. Juxta enim est dies perditionis eorum qui in mendacio deprehendentur, et retributionis et uindictae adesse festinant tempora.2499 Sätze wie dieser machten Johannes von Salisbury zum „Herold der göttlichen Vergeltung“ 2500. Dass man das göttliche Gericht als greifbar und evident darstellte – auch wenn man, um die Warnungen noch effektvoller zu gestalten, präzise Angaben zu dessen zeitlichen Rahmen vermied – erlaubte eine selbstbewusste Ausdeutung des Scheiterns des Kontrahenten.2501 Wie in Licet ex more scribentum, wo Johannes sich zunächst dem römischen ­Kaiser zuwendet: Nec opinetur quispiam me in longa tempora prophetare […], cum planum sit iam aliquatenus inchoatum esses iudicium, immo executioni mandari sententiam. Nonne Teutonicus tirannus nominis sui fama nuper orbem perculerat et fere subegerat regna uicina et etiam imperium Graecorum terrore concusserat, ut magis deditionem quam confoderationem legationibus missis uideretur offerre? Sed ecce, Deo auctore, timetur minus […].2502

Dem habe der englische König in nichts nachgestanden: 2496 Vgl. JvS II, Ep. 168. 2497 Vgl. Barrau: Bible, S. 435: „La figure de Dieu juge et exécuteur de ses sentences est extraordinairement présente dans la correspondance de Becket, quand on la compare à des dossiers épistolaires contemporains.“ Dem göttlichen Gericht gegen die Mächtigen in der Ideengeschichte des Becketzirkels und seiner biblischen Basis widmet Barrau (ebd., S. 433 – 478) ein eigenes Kapitel. Sie deutet die propagandistische Praxis als ein Mittel, Beckets Kampf bereits zu Lebzeiten in einen hagiographischen Rahmen zu betten. Die theologischen Hintergründe der Vergeltungsidee beleuchtet Timothy Gorringe: God’s Just Vengeance. Crime, Violence and the Rhetoric of Salvation, Cambridge 1996. 2498 Vgl. Barrau: Bible, S. 439. 2499 JvS II, Ep. 217, S. 364 f. 2500 Vgl. Barrau: Bible, S. 443. Exemplarisch: Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 168, 187. 2501 Vgl. Barrau: Bible, S. 444 – 450. 2502 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 102 f.

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Intuemini quantes erat rex Angliae cum […] ad ecclesiam Dei uel speciem fidei et reuerentiae praetendebat, et plane uidebitis eum in nullo frustratum conatu. Sagitta eius retrorsum non abiit, clipeus non declinauit in bello et hasta non est auersa; super praedam accumbebat ut leo, ut nullus eum excitare praesumeret; uel uisu terrebat hostes, uicini se inclinabant obsequiis, remoti principes amicitias expetebant; colebatur a suis, honorabatur ab extraneis, praedicabatur a cunctis, a bonis diligebatur sed maxime a clero qui eum colebat supra uires […]. […] Reum expetibilium omnium habundantia quod ad humanum iudicium fruebatur, sublato timore et sollicitudine, nisi quam non necessitas aut ratio sed uoluntas aut impetur ingerebat.2503

Zwei Herrscherporträts, die beide ein Bild von Stärke, Autorität und internationalem Respekt vermitteln und trotzdem unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite die furchteinflößende Gestalt des Stauferkaisers, des militärischen Eroberers, der im Namen seiner uralten Amtswürde ehrwürdige Reiche unterjoche. Auf der anderen der gottesfürchtige, nicht minder siegreiche, aber durch Tapferkeit triumphierende Angevine, um dessen Wohlwollen die Reiche buhlen. Ein Freund der ­Kirche, vom Herrn gesegnet und von seinen Untertanen geliebt, dessen einziges Laster die eigene Impulsivität sei. Zwei große Herrscher an zwei Enden der moralischen Werteskala, die, wie Johannes nahelegt, nicht nur Erfolg und Ruhm verbindet. Denn seit diesen goldenen Tagen sei vieles geschehen: […] qui [i. e. Friedrich Barbarossa] tam uicinos quam remotissimos solo nutu terrebat principes, Teutonicos suos ab iniuriis cohibere non potest […] nunc a suis et inter suos petitis et acceptis treuiis gratulatur. Nam sicut ipsemet conqueritur, ex quo Latonam uenit ut regem Francorum et Gallicanam ecclesiam separaret a fide et in suam haeresim peruerteret ut adorarent idolum suum, successus eius relapsi sunt, et quae eum extulerat, in depressionem ipsius coepit fortuna fluctuare […].2504

Erst mit den folgenden Zeilen jedoch gewinnen diese Ausführungen ihre eigentliche Bedeutung als Hinweis, dass eben auch in England das Gericht gegen die Folterknechte der K ­ irche schon abgehalten sei. Mit einem Wink auf den im Policraticus erläuterten Zusammenhang z­ wischen göttlicher Gnade und Königsmacht gibt er dem Bischof von Exeter (und damit der klerikalen englischen Öffentlichkeit) zu bedenken, was aus der einstigen Größe und Gottesfürchtigkeit des englischen Herrschers geworden sei: Sed quo fine haec uniuersa Dei dona conclusit, si tamen sine poenitentia et satisfactione substiterit in finibus istis? […] Tolosam bello aggressurus, omnibus contra antiquum morem et debitam 2503 Ebd., S. 104 f. 2504 Vgl. ebd., S. 102 f.

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Sichtweisen auf die Rolle König Heinrichs II. Plantagenêt libertatem indixit ecclesiis, ut pro arbitrio eius et satraparum suorum conferrent in censum, nec permisit ut ecclesiae saltem proceribus coaequarentur in hac contributione uel magis exactione tam indebita quam iniusta. […] Sed quem successum attulit haec pecuniarum immensitas tantis exactionibus et iniuriis acquisita? Nonne proiecta est in saccum pertusum […]? Nunquid non ab ea die fortuna eius retrorsum cessit et successuum ubertas emarcuit?2505

Die Parallelisierung wird akribisch durchdekliniert. Was dem einen Despoten das Desaster von Saint-Jean-de-Losne, das sei dem anderen der Frevel von Toulouse, die Erhebung des vielgehassten scutagium von der englischen ­Kirche, sozusagen die erste Überschreitung der der Krone zukommenden Rechte und die Beschneidung kirchlicher Freiheiten in der Amtszeit des jungen Monarchen.2506 Friedrich Barbarossa und Heinrich Plantagenêt hatten ihr Schicksal beide durch einen Fehltritt gegenüber der ­Mutter ­Kirche besiegelt. Den Kodex guter Herrschaft verletzend, hatten beide die Kooperation mit der ­Kirche gebrochen und so nicht nur die Gunst des Allerhöchsten verspielt, sondern eigenhändig dessen Gericht über sich gerufen. Im Fall des Angevinen nimmt ­dieses Gericht in Johannes’ geschickter Argumentation die Gestalt eben jenes Mannes an, mit dessen Hilfe er damals die schmerzliche Kriegssteuer angeraten hatte: seinem damaligen Kronkanzler Thomas Becket.2507 Denn schon die Heilige Schrift wisse, dass es Gott gefalle, den Frevler mit dem zu strafen, womit er gesündigt habe.2508 Selbstverständlich ist Johannes auch hier nicht um entsprechende biblische Exempla verlegen.2509 Es folgt der berühmte Vergleich des Königs und des Erzbischofs mit den Engeln der Bundeslade, ein Sinnbild der Idealbeziehung ­zwischen regnum und sacerdotium, von denen beide als Vertreter ihrer Sphäre wohlwollend den anderen bewachten, immer die übergeordnete Autorität des Gesetzes, das sie hüten, vor Augen. Sollten sie sich aber jemals vom göttlichen Gnadensitz abwenden, so hätten sie das 2505 Ebd., S. 104 f. 2506 Die überraschende Parallele z­ wischen Saint-Jean-de-Losne und der stark kritisierten Erhebung des scutagium vor dem Toulouse-Feldzug 1159 zieht Johannes von Salisbury vor allem, um Heinrich mit der Urheberschaft der ungeliebten Maßnahme zu belasten und seinen damaligen Kronkanzler und Berater, Thomas Becket von kursierenden Vorwürfen zu entlasten, er sei die treibende Kraft gewesen. Siehe ebd., S. 104 – 107. 2507 Der oft erhobenen Beschuldigung gegenüber Becket widerspricht auch Johannes nicht, versucht jedoch den Erzbischof durch den Hinweis auf das damalige Gebot der Notwendigkeit zu rehabilitieren. Für den in finanzieller Misere steckenden, kriegführenden König galt ­dieses Gebot offenbar nicht. Siehe ebd. 2508 Vgl. Weish 11,16. 2509 Von Kain bis Pharao. Siehe JvS II, Ep. 168, S. 106 f.

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Gericht Gottes zu erwarten.2510 Eben dies, so Johannes’ Deutung, sei eingetreten. Während der eine, Becket, bereue, träfen den unreuigen Sünder die ersten Geißeln: Circumferat quis oculos mentis et intueatur quot et quales aduersarios ei Dominus suscitauerit ex quo aduersus Deum in depressione ecclesiae erexit calcaneum suum, et plane mirabitur et, si prudens est, uenerabitur iudicium Dei qui non imperatres, non reges, non principes nationum ut ipsum domaret elegit, sed extremos hominum, Britones Niuicollinos, primo; et postea illos ad contradictionem et solempne certamen animauit, qui uestigia pedum eius consueuerant adorare; et hoc quidem ut non glorietur omnis caro, sed nomen Domini sit benedictum in saecula.2511

Heinrichs eigene Uneinsichtigkeit, wie es der Policraticus lehrte, durch reuige Umkehr und Buße den Weg aus dem Despotismus zu finden, stehe ihm im Weg. Obgleich ­Johannes die Anklage zum ersten Mal und noch vorsichtig durch einen versteckten Hinweis auf eine weitere Partei einschränkt, die die Geschicke dieser Jahre mitbestimmte, tritt Heinrich noch im Nachgang als besorgter, wenn auch verblendeter Landes­vater auf. Ausführungen über seine Zusammenkunft mit den englischen Magnaten und seinen Vertrauten in Chinon im Juni 1166 bauen diese Sicht indes weiter aus.2512 Ausschlaggebend ist, dass der Plantagenêt zu dieser Zeit zum ersten Mal auf eine Stufe mit dem vermeintlichen Schismatiker Friedrich Barbarossa gestellt wird. Beide gelten Johannes als tortores ecclesiae 2513. Noch deutlicher wird er in einem intimeren, an Bartholomäus persönlich gerichteten Schreiben, das einen Monat s­ päter als Reaktion auf die Appellation des englischen Episkopats gegen Becket Exeter erreichte. In Frankreich, so Johannes, sei man erstaunt über das vorschnelle Handeln der Bischöfe. Sie sähen, wie der englische König der K ­ irchen und des Klerus, den er unterdrücke, wegen genauso geschädigt sei wie der ­Kaiser aufgrund des Schismas.2514

2510 Vgl. ebd.: Nonne enim principes populi sunt [i. e. König Heinrich und Thomas Becket] hi duo quorum alter dispensat spiritualia, alter temporalia administrat? Nonne lex dispensationis et ministerii huius manibus istorum tractanda committitur? Haec enim sunt duo cherubin quorum alis lex et propitiatorium, quae sic sibi inuicem debent aspectu mutuo conplacere ut legem Dei in archa pectoris iugiter inspiciant et uenerentur, nec pro se ad inuicem aut ob aliam causam admittant unde propitiationem Dei debeant demereri – non enim licet a propitiatorio uultus auertere. 2511 Ebd. Zum Feldzug gegen die Waliser im Vorjahr, 1165, siehe Warren: Henry, ab S. 163. 2512 Vgl. JvS II, Ep. 168, S. 108 f. 2513 Vgl. ebd., S. 104 f. 2514 Vgl. JvS II, Ep. 171, S. 126 f.: Ceterum factum istud episcoporum Francia tota miratur, dicens eos oportuisse conuenire ut tractarent de salute regis sui quem, sicut imperatorem ex causa scismatis, ita propter clerum et ecclesiam, quam collidit, cotidie labefactari conspiciunt.

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Diese Lesart der Gegebenheiten verbreitete der angelsächsische Gelehrte nicht nur auf der Britischen Insel, sondern auch ins Herz des Kaiserreiches. Gegenüber Gerard Pucelle nahm er die so praktische, gleichzeitig gegen K ­ aiser und König anwendbare doppelte Argumentationslinie wieder auf: Quis enim similis erat Frederico in filiis hominum antequam in tirannum uerteretur ex principe, et ex catholico imperatore scismaticus et haereticus fieret? […] Ille sacerdocium scidit aduersus Dominum, et a Domino scissuram sentit imperii. Sic et rex Anglorum, qui uicinis principibus terrorem incusserat, ex quo calcaneum erexit aduersus ecclesiam et eam conatus est subicere seruituti, ab inermibus hominibus expugnatur, ut adiacentium nationum opem cogatur implorare, et aduersus Dominum intumescens ilico manifesta uirium suarum et suorum sensit dispensia. Plurima […] machinatur adhuc; sed profecto Spiritus Sanctus […] fallax et falsus est, aut ‚conuertetur dolus eius in caput eius, et in uerticem ipsius iniquitas eiius descendet‘. In laqueis enim suis comprehenduntur iniqui, et qui fratri foueam parat, incidit in eam prior.2515

Diese Passage ist nur der Beginn einer komplexen polemischen Spirale im saresberiensischen Heinrichsbild. Ein genauer Blick offenbart, dass die ­Kaiser-König-Beziehung nicht auf die Gegenüberstellung zweier Tyrannen reduziert werden darf und dass Johannes’ Bild von seinem König Stufen durchlief. Es wurde immer wieder neu erfunden, intensiviert und den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Die Achse England – Reich, die besonders in den Bündnissen von 1165 Gestalt angenommen hatte, bot von den Sentenzen von Vézelay bis zum Friedensschluss von Fréteval in beiden Kirchenkrisen einen willkommenen Grundstock zum Angriff auf den politischen Gegner und damit eine bis dato unbeachtete gedankliche Wechselwirkung ­zwischen Becketkonflikt und alexandrinischem Schisma, z­ wischen der Einschätzung des Kaisers und dem Werturteil über das eigene Staatsoberhaupt. Es war nicht einmal Johannes von Salisbury, der als erster im polemischen Kontext eine Analogie der beiden großen Kirchenkrisen aufzuzeigen versuchte. Bereits im propagandistischen Nachspiel des Konzils von Northampton und Thomas’ Flucht aufs Festland begann der Becketzirkel, die Verfolgung des Erzbischofs von Canterbury mit der Bedrängnis Papst Alexanders III. durch den Stauferkaiser Friedrich zu vergleichen.2516 2515 JvS II, Ep. 184, S. 216 – 219. Dass das lateinische Äquivalent der Redewendung „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ (Ursprung: Spr 26,27) ebenfalls der anonyme Autor der Epistola amici nutzt, könnte ein Indiz darauf sein, dass Johannes von Salisbury bekannt gewesen sein mochte. 2516 Gegenüber Alexander III.: eam vel solam vel maximam meae persecutionis causam attendas, quod exemplo tuo usus sum (Ep. 37. Ad audentiam tuam, in: CTB I, S. 142 f.).

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Dabei war dies nur einer der Bausteine in der Strategie, den exilierten Primas gegenüber der alexandrinischen Kurie und seinen Anhängern als Opfer ungerechtfertigter Verfolgung durch weltliche Obrigkeiten darzustellen. Darüber hinaus schlug sie sich in christologischen Stilisierungen Beckets und Deutungen seines Kampfes im Licht einer zweiten Passion Christi oder klassischen kirchlichen Sprachbildern von Sturm und Schiffbruch des navis ecclesiae nieder – allesamt Versatzstücke der ‚Verfolgungssprache‘.2517 Nach Verhärtung der Fronten durch Beckets beinharte Machtdemonstration in Vézelay und Heinrichs Unversöhnlichkeit in Angers wagte Johannes von Salisbury also mit zunehmender Offenheit, seine Kritik an Heinrich Plantagenêt zu äußern, die sich aber auf den auch durch die Analogisierung mit dem römischen ­Kaiser ausgedrückten Verweis der bereits eingetretenen oder zu erwartenden Konsequenzen von dessen tyrannischem Verhalten in der Verfolgung Beckets und seiner Anhänger beschränkte und damit in Bezug auf Vorwürfe eines etwaigen Fehlverhaltens im Schisma noch vergleichsweise unkonkret blieb. Dabei sollte es nicht bleiben.

3.3.2  Polemischer Dammbruch: Papst Alexanders Quanta mala und das königliche Geleitgesuch Diu desideravi Obgleich die nur ein Jahr zuvor stattgefundene angevinisch-staufische Annäherung durch die Gesandtschaften von 1165 und deren Rolle auf dem Pfingsthoftag in Würzburg eine gewinnbringende propagandistische Währung dagestellt hätte, blieb sie bei Johannes von Salisbury gänzlich unbeachtet.2518 Ohne eine zeitnahe Reaktion in der Exilskorrespondenz oder sonstigen Quellen ist noch nicht einmal auszumachen, ob der Angelsachse über die seit Anfang 1165 laufenden Verhandlungen Heinrichs II. mit der von Rainald von Dassel angeführten kaiserlichen Gesandtschaft in Rouen, deren Weiterreise zur Brautwerbung bei den englischen Magnaten in Westminster oder die Eidleistungen von Würzburg, überhaupt zeitnah unterrichtet war.2519 Möglicherweise erfuhr er erst zu einem späteren Zeitpunkt von den Beziehungen des englischen Königs mit dem antialexandrinisch dominierten Kaiserhof. Möglicherweise standen die Ereignisse zur damaligen Zeit einfach nicht in seinem Fokus. 2517 Vgl. McLoughlin: Language, S. 73 f. Ausführlich: Barrau: Bible, S. 263 – 274. 2518 Kritische Zeugnisse mit kurialer Anbindung: Bouquet 15, Nr. 188 aus dem Mai 1165 und der an Papst Alexander gerichtete Bericht des anonymen Freundes in MTB 5, Nr. 98 bzw. Nr. 99. 2519 Vgl. RI IV 2,2 n. 1470 bzw. RI IV 2,2 n. 1473 und 1475.

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Eine Stimme jedoch hatte sich nachweislich bereits vor Johannes von Salisbury kritisch zur Aufnahme der diplomatischen Beziehungen z­ wischen dem angevinischen Königshof und den Vertretern des Kaisers geäußert. Unter dem Incipit Quanta mala ist vom 16. Mai 1166 ein Schreiben Papst Alexanders III . an den normannischen Episko­pat unter Erzbischof Rotrods von Rouen erhalten, in dem dieser seiner großen Enttäuschung über eine Gesandtschaft des Plantagenêt zum Kaiserhof Luft machte. Dennoch: […] magnifica et larga devotionis beneficia quae a principio hujus turbationis nobis et ecclesiae exhibuit, ante oculos semper habentes, ipsum [i. e. den König von England] per literas nostras, et demum per probos et honestos viros, paterna saepe benignitate mouimus, et animum ejus nisi sumus apostolica mansuetudine delenire, exspectantes quod excessum suum recognosceret, et animi impetum regia clementia temperaret.2520

Eine ähnliche Einwirkung auf den Herrscher und ein Aufruf zu Rückkehr und Einlenken in beiden virulenten kirchlichen Konflikten erbat sich Alexander nun von ­Rotrod und seinen normannischen Amtsbrüdern (sowie dem Erzbischof von Bordeaux nebst Suffraganen, die ein ähnliches Schreiben erhielten). Was genau man Heinrich vorwarf, enthüllt die gewählte Formulierung dieser Bitte: Quia igitur, etsi non fuerit in schisma lapsus, tamen ecclesias et ecclesiasticas sui regni personas plus debito gravat, et eorum jura confundit atque perturbat, et omnia ad se trahere et sibi vindicare contendit, fraternitati vestrae per apostolica scripta praecipiendo mandamus quatenus, sibi haec omnia fideliter proponentes, eum per omnipotentem Dominum et ex parte B. Petri et nostra commoneatis et exhortari curetis, quod matrem suam Romanam ecclesiam consueta reverentia ac devotione cognoscat, et ecclesias et regni sui ecclesiasticas personas diligat et honoret; et venerabilem fratrem nostrum Thomam Cantuariensem archiepiscopum, qui ei fidelis est et devotus, et ad ecclesiam suam revocare studeat, et honorifice, sicut decet, tractare […].2521

„Auch wenn er nicht in das Schisma abgeglitten ist …“ Eine klare Absage des Papstes an etwaige vollzogene schismatische Umtriebe des Königs, wie auch die Anfangspassage des Briefs verrät: Quanta mala et quot incommoda per carissimum in Christo filium nostrum Henricum, illus­ trem Anglorum Regem, Romanae ecclesiae et nobis acciderint, postquam ex parte ab ejus 2520 Bouquet 15, Nr. 188, S. 844 f. 2521 Ebd., S. 845.

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­devotione se absentavit, ex eo manifeste percipitur, quod illi viro scelerato, perfido et crudeli, et hujus schismatis et erroris magistro, Reginaldo quondam cancellario communicans per suos quos ad Fredericum dictum Imperatorem transmisit, occasionem et materiam praestitit, quod idem Fredericus inductus est ad illud detestandum et profanum juramentum, immo perjurium faciendum.2522

Der Absatz bezieht sich ohne Frage auf den Würzburger Pfingsthoftag. Obwohl ein Jahr nach den Geschehnissen schriftlicher Bericht über die dortigen Vorgänge an der alexandrinischen Kurie vorgelegen haben muss, macht Alexander dem englischen Herrscher eben nicht einen durch dessen Gesandten geleisteten, in der Forschung so ausdauernd diskutierten antialexandrinischen und kirchenpolitisch motivierten Treueeid zugunsten Paschalis’  III . zum Vorwurf.2523 Entweder ignorierte ­Alexander den angeblichen Eid – was nicht im Sinne seiner Kritik zu d­ iesem Zeitpunkt gewesen wäre – oder deutete ihn im Vollrathschen Sinne als einen allgemeinen und ausnehmend politisch fokussierten Standardbeistandspakt ohne kirchenpolitische Auswirkung.2524 In jedem Fall liegt Heinrichs eigentliches Vergehen in Alexanders Augen in der aktiven Kommunikation mit exkommunizierten Schismatikern am Kaiserhof, insbesondere mit dem „verbrecherischen, treulosen und grausamen“ Rainald von Dassel, dem „Meister des Schismas und der Verblendung“ 2525. Novum ist nicht die Verteuflung des Kölner Elekten, sondern dass der englische König nicht außen vor gelassen wird. Dem berühmten Würzburger Abschwur von Alexander sei durch die diplomatischen Kontakte und implizit auch die vereinbarten Ehebündnisse mit dem angevinischen Hof Vorschub geleistet, er sei dadurch sogar veranlasst worden. Ein harter Vorwurf, nach dem der König, wenn auch nicht selbst als Schismatiker, so als deren Helfershelfer erscheinen musste. Die Anschuldigung war schwerwiegend genug, um Heinrich II ., kaum dass er vom treu gemäß apostolischer Weisung handelnden Erzbischof von Rouen damit konfrontiert worden war, eine schriftliche Erwiderung aufsetzen zu lassen. Super his que erging an Rotrod persönlich, aber wahrscheinlich auch in Abschrift an andere französische Prälaten wie den Bischof von Nevers, Kardinal Heinrich von SS . Nereo e Achilleo und die alexandrinische Kurie. Die Verteidigung hob ­besonders 2522 Ebd., S. 844. 2523 In Form des anonymen Augenzeugenberichts der sogenannten Epistola amici MTB 5, Nr. 98 bzw. ebd., Nr. 99. 2524 Vgl. Vollrath: Lüge, S. 169 mit Bezug auf JvS II, Ep. 177, S. 183 f. 2525 Beide Zitate: Bouquet 15, Nr. 188, S. 844.

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­ einrichs ­gottgebene Rechte und Autoritäten als König hervor und verwies d­ arauf, H dass ­Barbarossa zum Zeitpunkt der Verhandlungen seines Wissens nach nicht exkommuniziert gewesen sei.2526 Demnach sah man im Frühjahr des Jahres 1166 weder an der Kurie Alexanders III. noch im Becketkreis, Johannes von Salisbury eingeschlossen, einen Anlass für einen Vorwurf direkter schismatischer Gesinnung jenseits der Meinungsverschiedenheiten innenpolitischer Konfliktlagen. Schlagkräftiger als die Brandmarkung Heinrichs II. als glühenden Schismatiker war der Vorwurf einer persecutio der K ­ irche, der auch vor dem Hintergrund der Geschehnisse in England als unveränderliche Tatsache angesehen wurde. Bereits einen Monat ­später, im Juli 1166, nahm aber die Polemik gegen den englischen Herrscher plötzlich Vorwürfe auf, die eindeutig eine empfindliche Feindseligkeit Heinrichs gegenüber Alexander III. suggerierten. Anders als bei der Litteras-atua-nobis-Kampagne vom April 1160 gibt es keinen Anhaltspunkt, kein Zeugnis, das belegen könnte, dass dieser qualitative Sprung der Polemik von einer eher konstruiert anmutenden Bemängelung des Toulouse-scutagium zu handfesten, selbstbewussten Verfolgungsvorwürfen der englischen ­Kirche und des als rechtmäßig betrachteten Papstes aktiv von kurialer Seite angestoßen worden sein könnte. Allerdings gibt es einen Anhaltspunkt dafür, was Johannes von Salisbury zumindest bestärkt, wenn nicht sogar veranlasst haben könnte, mit schärferer Zunge gegen Heinrich II. vorzugehen. Diesen Hinweis liefert der Angelsachse in Multa quidem scribenda essent, einem energischen Propagandaschreiben, das er von einem seiner Diener im Juli 1166 in Kombination mit anderen Dokumenten der erzbischöflichen Kurie von Exeter zustellen ließ.2527 Kurz zuvor war der Inhalt der als ungeheuerlicher Ungehorsam gegenüber dem englischen Primas empfundenen Appellation durchgedrungen, mit der die englischen Bischöfe unter Gilbert Foliot auf die Sentenzen von Vézelay an die alexandrinische Kurie reagiert hatten. Daher versuchten sowohl der Erzbischof als auch Johannes in einer Doppelstrategie, den englischen Klerus von ihrer Position 2526 Vgl. Ep. 112. Nuntium uestrum, qui ad dominum, in: CTB I, S. 544 f., in dem Becket im November 1166 von einem Insider bei Hofe, eventuell Walter de Insula, über Rotrods persönliches Gespräch mit dem König und dessen Reaktion unterrichtet wird. Heinrichs schriftliche Erwiderung ist überliefert als Nr. 255. Super his que, in: MTB 6. Als Empfänger ist nach der ältesten Überlieferung in den Becketmanuskripten als Rotrod von Rouen anzusehen. Siehe dazu und zur Verbreitung des Schriftstücks in Frankreich und an der Kurie CTB I 112, S. 544, Anm. 13. Die Frage der Öffentlichkeit des Exkommuniziertenstatus einer Person war damals ein gängiges Problem und sogar Gegenstand gelehrter Diskussion. Siehe Beaulande-Barraud: Schisme, S. 10. 2527 JvS II, Ep. 174, S. 138 – 153.

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zu überzeugen.2528 Offenbar hatte Bartholomäus verteidigende Worte für Heinrich II. gefunden, denen Johannes nun etwas entgegenzusetzen gedachte, denn der Brief zielt darauf ab, die Appellation zu verurteilen und das Königsbild zurechtzurücken.2529 Einer der Punkte, den der Angelsachse nicht unkommentiert stehen lassen mochte, ist die Behauptung, dass der englische Herrscher, von Natur aus fromm und rechtschaffen, allein von seinen Landesbischöfen aufgewiegelt worden sei: Sic et rex Anglorum, ut dicunt qui apellatorias archisinagogi [i. e. Gilbert Foliot] audierunt, episcopos sibi conformes habet, qui (ut de aliis scriptum est) docuerunt linguam suam loqui mendacium, et ut inique agerent laborauerunt. Sollicitat alios ut subuertat, et eum alii sollicitando subuertunt. Quam gloriosam, quam catholicam, quam piam epistolam Coloniensi scismatico nuper miserit ex rescripto eius, quod uobis mittitur, potestis conicere, ut pateat omnibus quam uerum sit quod de pietate et iusticia regis uestri tanta confidentia praedicatur.2530

Der Brief, den Johannes hier als ­Zeichen der Verderblichkeit des Plantagenêt anführt, ist Diu desideravi, die schriftliche Bitte an Rainald von Dassel um Vermittlung für freies Geleit seiner Delegation an die Kurie Alexanders III. durch Reichsgebiet, die der König kurz zuvor, in zeitlichem Zusammenhang mit der Appellation, entsendet hatte.2531 Im Juli 1166 gewann so nicht nur das Streitklima deutlich an Schärfe, sondern schismatische Vorwürfe an Heinrich konnten erstmals durch einen handfesten Beweis gestützt werden. Das Abfangen des wertvollen Schriftstücks war ein großer Triumph für den Geheimapparat des Becketzirkels. Es ist davon auszugehen, dass das Dokument Johannes von Salisbury irgendwann im Juni oder Juli 1166 durch Gerard Pucelle zugespielt wurde. Er war der einzige Verbündete mit Zugang zur erzbischöflichen Kanzlei und den Kölner Archiven. Wahrscheinlich hatte eine Kopie des königlichen Geleitgesuchs eines von Gerards verlorenen Schreiben begleitet, denn im Oktober 2528 Vgl. ebd. sowie Beckets eigene briefliche Reaktionen auf die Appellation an den Bischof von London (Ep. 234) und den englischen Klerus (Ep. 223) in MTB 5, S. 490 – 520. 2529 Vgl. JvS II, Ep. 174, S. 138 f. 2530 Ebd., S. 146 f. 2531 MTB 5, Nr. 213, S. 428 f.: Diu desideravi justam habere occasionem recedendi a papa ­Alexandro et a perfidis cardinalibus suis, qui proditorem meum Thomam, quondam Cantuariensem archiepiscopum, contra me manutenere praesumunt. […] rogamus vos, sicut carissimum amicum, quatenus fratrem Ernoldum vel fratrem Radulfum hospitalarium omni occasione remota cito ad me mittatis, qui ex parte imperatoris et vestra praedictis nuntiis meis ducatum praebeat, eundo et redeundo per terram imperatoris. Vorhergehend eine lange Klage über Alexander III. als Unterstützer Beckets.

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1166 bedankte sich Johannes von Salisbury für den Erhalt zweier nicht überlieferte, aber offenbar früher verfasster Briefe.2532 Der letzte erhaltene datierte Briefwechsel mit Köln stammt aus den ersten Monaten desselben Jahres. Interessanterweise beklagt Johannes in d ­ iesem Schriftstück an den Magister seine Nachlässigkeit in der Beantwortung eines Briefes aus Reims, drängt ihn aber gleichzeitig um weiteren Schriftverkehr.2533 Der Brief schließt mit einer interessanten Bitte: De cetero iam porrectas itero preces, quatinus de reliquiis regum et uirginum michi uestro aliquid transmittatis cum uestrarum testimonio litterarum. Valete.2534 Der Wunsch nach Splittern der im Jahr 1164 von Rainald von Dassel nach Köln verbrachten Dreikönigsreliquien oder Zeugnissen des damals infolge des Fundes eines als ager Ursulanus missdeuteten römischen Gräberfelds in rasendem Aufschwung befindlichen Ursulakults erscheint authentisch.2535 Die Bitte um eine Reliquie der lange verehrten Kölner Schutzpatronin, immerhin der Legende nach eine britannische Königstochter, und ihrer Begleiterinnen ist eine weitere Facette der Art und Weise, wie man das Tor nach Köln zu n ­ utzen suchte. Sie war, wie der Chartrenser Nekrolog zeigt, mit Erfolg gekrönt, aber eben nicht das einzige Beispiel der Hilfeleistung durch Gerard.2536 2532 Vgl. JvS II, Ep.184, S. 210 f.: Quod dilectioni uestrae respondeo tardius et rarius scribo, cum iam litteras uestras secundo receperim, facit intermeantium raritas, locorum distantia et transituum difficultas nostratibus ignotorum. 2533 Vgl. JvS II, Ep. 158, S. 68 f. 2534 Ebd., S. 70 f. 2535 In den 1150er und 1160er Jahren erlebte der Ursulakult durch die Bestätigung der Echtheit der Reliquien durch Elisabeth von Schönau und die Entdeckung von Gebeinen durch die Deutzer Benediktiner große Verbreitung und Renaissance. Siehe zur Heiligen Ursula, ihrer Legende und Verehrung: Wilhelm Levison: Das Werden der Ursula-Legende, in: Bonner Jahrbücher 132 (1928), S. 1 – 164; Anton Legner: Kölner Heilige und Heiligtümer. Ein Jahrtausend europäischer Reliquienkultur, Köln 2003; Roth: Visionen, S. 123 – 138; María Eugenia Gongora: Elisabeth von Schönau and the Story of St Ursula: Visionary Authority and the Cult of the Saints, in: Veerle Fraeters (Hg.): Mulieres religiosae. Shaping Female Spiritual Authority in the Medieval and Early Modern Periods, Turnhout 2014 (Europa sacra, 12), S. 17 – 35; Jörg Poettgen: Kölner Pilgerzeichen der Heiligen Ursula: Zeugnisse einer im 12. Jahrhundert beginnenden Wallfahrt, in: Klaus Herbers (Hg.): Pilgerzeichen – „Pilgerstraßen“, Tübingen 2013 ( Jakobus-Studien, 20), S. 153 – 186. Zur Translation der Dreikönigsgebeine siehe Knipping: Regesten, S. 131 – 133. 2536 Dazu: Barrau: Administrator, S. 143 unter Bezug auf den Chartrenser Nekrolog. Siehe Eugène de Buchère de Lépinois; Lucien Victor Claude Merlet (Hg.): Cartulaire de NotreDame de Chartres d’après les cartulaires et titres originaux. Bd. 3, Chartres 1865, S. 202: in altero [vaso] reliquias sanctorum martirum Crispini et Crispiniani posuit. Reliquias etiam gloriosas nobis contulit de Comitatu sancti Gereomi [sic] et de consortio Virginum C ­ oloniensium.

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Zur selben Zeit unterrichtete Johannes von Salisbury den Bischof von Poitiers in seinem Brief Patri misericordiarum von der Unterredung ­zwischen Johannes von Oxford und dem ­Kaiser auf dem Hoftag von Würzburg. Er schließt damit, dass die kirchenfeindliche Gesinnung des englischen Königs in einem beigelegten Brief deutlich werde, den er kürzlich aus Köln erhalten habe.2537 Diese Weiterleitung des Geleitgesuchs muss im Juni oder frühen Juli desselben Jahres stattgefunden haben. Im Oktober 1166 dann informiert Johannes Gerard von der Weiterleitung zweier Kölner Schreiben an Thomas Becket.2538 Offenbar war Gerard zwischenzeitlich der Bitte um weiteren Kontakt gefolgt und hatte auf Anfrage Informationen aus den Herzlanden der Kaiserpartei geliefert, die von großer Bedeutung für Johannes von Salisbury und Beckets französische und englische Unterstützer waren. Zwar war es an sich noch kein Beweis papstfeindlicher Pläne, eine Gesandtschaft sicher durch fremdes Territorium senden zu wollen, doch bot allein der Kontakt mit dem Lager der gegenpäpstlichen Befürworter genug Grund zur Empörung. Die Verbreitung des Wissens über die königlichen Umtriebe in Frankreich und England war dabei so wichtig, dass sie nicht nur zur Bekanntmachung an den Knotenpunkt Exeter, sondern, wie in Fragen und Situationen besonderer Dringlichkeit üblich, zeitgleich an Johannes Belmeis in Poitiers erging.2539 In jedem Fall also nutzte Johannes von Salisbury Diu desideravi seit dem Juli 1166 als propagandistisches Beweismittel königlicher Verderbtheit – auch wenn der Vorwurf in erster Linie der gegen Alexander III. gerichtete und per se kirchenrechtlich als ungebührlich zu betrachtende Verkehr mit Schismatikern war. Doch leitete das Geleitgesuch eine Wende in Johannes’ Haltung zum König von England ein oder lieferte es nur den bestechenden Beweis für eine gefestigte Meinung, die zu vertreten zuvor nicht zweckhaft gewesen wäre? Gab es vielleicht noch andere Sachlagen, die Heinrich in den Augen des Johannes von Salisbury diskreditierten? Einige zeitgleich zu den Weiterleitungen von Diu desideravi, also in der direkten Folge der am 12. Juni 1166 von Becket ausgesprochenen Exkommunikationen der Royalisten in Vézelay und Zum Chartrenser Ableger des Ursulakultes: Claudine Lantier: Les vitraux de la cathédrale de Chartres. Reliques et images, in: Bulletin monumental 161 (2003), S. 3 – 96, hier: S. 46 f. 2537 Vgl. JvS II, Ep. 177, S. 184 f.: exinde aduersus Dominum et ecclesiam sic in ea confoederatione processum est. Quod etiam plenius aduertetis ex litteris michi nuper a Colonia transmissis quarum uobis exscriptum mitto, in quibus rex nunciis suis aduersus Cantuariensem ituris Romam conductum petit, et qua deuotione Romanae ecclesiae facile innotescet. Es handelt sich um Heinrichs Diu desideravi MTB 5, Nr. 213. 2 538 Vgl. JvS II, Ep. 184, S. 218 f.: Misi litteras uestras domino Cantuariensi, sed quia nuncium uestrum ultra festum sancti Remigii non potui retinere, responsum eius nondum acceperam. 2539 Vgl. JvS II, Ep. 177, S. 184 f.

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der folgenden Appellation der englischen Bischöfe vom 24. Juni, entsandte Zeugnisse werden hier expliziter. Den Anfang der Reihe bildet Litteras quas ad consolationem aus dem Juli 1166.2540 An Thomas Becket gerichtet, diskutiert Johannes darin Inhalt und Autorschaft der bischöflichen Appellation, die ihn wohl auf dem Kontinent erreicht hatte. Das Schriftstück dokumentiert Johannes’ erste ausführliche Reaktion auf die offene Opposition der englischen Bischöfe. Der Brief kam zu spät, um noch Beckets eigene Antwort auf das Vorgehen seiner Amtsbrüder zu beeinflussen, doch die darin enthaltenen Hasstiraden auf Heinrich II. und Gilbert Foliot, den der angelsächsische Gelehrte als Urheber der Appellation ausmachte, sind eine wertvolle Quelle für die vorliegende Fragestellung.2541 Erneut richtete sich Johannes gegen des Königs Gebaren im Becketkonflikt, dessen Bösartigkeit und Sündhaftigkeit der gesamten christlichen Welt bekannt und verabscheuungswert s­ eien. Zudem erhob er alte Anklagen, H ­ einrich stelle die überkommenen Rechtsgewohnheiten seines Großvaters über kirchliche Freiheitsprivilegien und schikaniere seine Gegner mit eiserner Hand.2542 Jene Vorwürfe, die klar dem englischen Kirchenstreit zuzuordnen sind, schienen allerdings nicht auszureichen, denn weiter heißt es: […] scismatis furorem iam fere sopitum excitauit et roborauit et, resuscitata procella quae iam plurimum detumuerat, nauem apostolicam, quantum in ipso est, cum Christo submersit, immo et adhuc mergit. Quidnam, quaeso, ducunt in crimine, qui hic esse innocentiam gloriantur? Aut numquid haec probationibus indigent, quae mundus agnouit, quae in suis doloribus et tormentis indesinenter sentit ecclesia, quae cotidianis rerum experimentis luce clarius patent?2543

2540 JvS II, Ep. 175. 2541 Zur Einordnung siehe Hirata: Correspondents, S. 264. 2542 Vgl. JvS II, Ep. 175, S. 154 – 159: Dicunt [i. e. die englischen Bischöfe] enim (sed qua conscientia uiderit Deus et iudicet), ‚Dominum regem non quidem nunquam peccasse dicimus, sed semper paratum Domino satisfacere confidenter dicimus et praedicamus.‘ Nunquid non facies meretricis facta est eis, et frons adamante durior, ut non erubescant confidenter (ut aiunt) praedicare innocentiam hominis cuius malitiam et iniquitates nouit, praedicat et detestatur Christianus orbis? […] Qua autem impudentia dixerunt et, ne uerba in uentos euanescerent, scripserunt, quod omnibus falsum esse innotuit […] ac si dubium sit eis illum deliquisse in Dominum, qui ecclesiae libertatem impugnat, auitas perversitates euangelio Christi prefert et sanctionibus patrum et (ut de uobis taceam et clericis quos iniuste proscripsit) qui mulierculas et paruulos in cunis, innocentes omni solatio destitutos, non tam crudeli sententia quam insania compulit exulare […]. 2543 Ebd., S. 158 f.

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Die Kernfrage ist, worauf Johannes anspielt, wenn er davon spricht, dass König ­Heinrich den Wahnsinn des fast versiegten Schismas bestärkt, den fast abgeflauten Sturm neu entfacht habe. Immerhin bezeichnete der gelehrte Angelsachse auch die Spaltung der englischen Landeskirche durch den Konflikt um die Konstitutionen von Clarendon teils als schisma. Dass der Becketdisput an dieser Stelle nicht gemeint ist, verdeutlicht das Bild seines Angriffs auf die navicula Petri, also das Papsttum im engeren Sinne.2544 Vom Schüren des universalkirchlichen Schismas durch den Plantagenêt ist die Rede. Heinrich habe aber ­dieses Vergehen nicht einmalig begangen, sondern verfolge immer noch den alten Plan, der Kirchenspaltung weiteren Auftrieb zu geben. In der Edition der Exilsbriefe bezieht Brooke diese Anspielung auf die Involvierung englischer Gesandter in den Würzburger Hoftag.2545 Das passt nahtlos zu den sich in dieser Zeit häufenden Äußerungen des Saresberiensis, die den englischen Herrscher einer aduersus Dominum et ecclesiam […] confoederatio 2546, eines verschwörerischen Bündnisses bezichtigen, in dem sich die englische Kirchenpolitik mit der des Kaisers verzahnte. In den in engem zeitlichem Zusammenhang stehenden Briefen vom Juli 1166 streut Johannes breit diese Lesart der Würzburger Vorkommnisse als antipäpstlicher Machenschaften. Noch im Oktober bezieht er sich gegenüber Gerard Pucelle auf böse Ansinnen, von denen der Rechtsgelehrte aus Köln berichtet hatte. Da es sich dabei kaum um Neuigkeiten den Becketkonflikt betreffend gehandelt haben wird, gebietet die Logik, davon auszugehen, dass Gerard wichtige Informationen zu den Beziehungen ­zwischen Heinrich und Rainald von Dassel lieferte, die als Verschwörung gedeutet wurden.2547 Noch bis ins Folgejahr 1167 hinein erwies sich diese Argumentationslinie offenbar als zeitgemäß und wirkungsvoll. Die Vorwürfe hatten es in sich. Gegenüber A ­ lexander III. persönlich suggerierte Johannes im Januar noch zurückhaltend und ohne den Namen des Königs zu nennen, dass „jene, die sich mit dem schismatischen ­Kaiser verbündet hätten“ 2548 Alexanders Tod wünschten. Im Sommer desselben Jahres, als Johannes von Oxford und der Hofkaplan Johannes Cumin, die langjährige diplomatische Verbindungsfigur ­zwischen England und dem Reich, in Rom die Sache des Kaisers vertraten und sich der englische Episkopat zur Erneuerung der Appellation an Becket sammelte, sprach Johannes von Salisbury ohne falsche Rücksichtnahme schon von einem geplanten Vater- oder Herrenmord: 2544 Beispielhaft: Joannis Saresberiensis: Ep. 295. Vestram saepius, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 678 f., JvS II, Ep. 292 (S. 666 f.), Ep. 298 (S. 692 f.), Ep. 308 (S. 750 f.). 2545 Vgl. Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 158, Anm. 18. 2546 JvS II, Ep. 177, S. 184 f. 2547 Vgl. JvS II, Ep. 185, S. 218 f.: Plurima, ut scripsistis, machinatur adhuc. 2548 JvS II, Ep. 213, S. 350 f.

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Rex in imperatore confidit et in captione domini papae, quam ei uaticinantur prophetae Baal [i. e. die Bischöfe Englands], falsa uidentes et stulta quia non loquuntur a Domino. […] Sapiens interim audiat a Catone, In morte alterius spem tu tibi ponere noli, praesertim innocentiis et domini, cuius diem praeuenire uel uoto parricidii instar est.2549

Als diese Worte geäußert wurden, lag die erneute Heerfahrt ­Kaiser Friedrichs nach Italien in der Luft, – jene Heerfahrt, auf der der ­Kaiser durch die Festsetzung ­Alexanders in Rom oder, wie gemutmaßt, gar extremeren Methoden, das Schisma zu beenden gedachte.2550 Die radikale Einschätzung, Heinrich II . habe sich in böswilliger politischer Absicht mit dem K ­ aiser verbündet, um den unliebsamen Stellvertreter Petri in Rom zu stürzen, ist allerdings Johannes eigen. Die einzigen weiteren Quellenzeugnisse, die eine Einschätzung der bilateralen Beziehungen des Heiligen Römischen mit dem angevinischen Reich geben, sind früheren Datums. Darunter ein von Robertson wahrscheinlich fehlerhaft auf das Jahr 1166 datierter Brief aus der Feder des Herbert von Bosham, den dieser im Namen seines Herrn Thomas Becket verfasst hatte.2551 Das an Alexander III . adressierte Schreiben könnte zwar lediglich einen Entwurf darstellen, der niemals zur Versendung kam, eröffnete aber einen Blick auf die argumentative Geisteswelt seines Verfassers und des gesamten Becketzirkels. Um dessen Oberhaupt die päpstliche Unterstützung zu sichern, versucht Herbert von Bosham, Alexander von Beckets Isolation als Kämpfer für jene Freiheiten der ­Kirche, die sowohl Friedrich Barbarossa als auch Heinrich II . zu zerstören suchten, zu überzeugen.2552 Suggerierend, dass die königliche Politik unmittelbar auf die Zerstörung des Papsttums gerichtet sei, sieht er gleichwohl auch Grund zum Optimismus:

2549 JvS II, Ep. 181, S. 200 f. 2550 Vgl. ebd. oder JvS II, Ep. 213, S. 350 f. 2551 Robertson fügt das Werk in die Briefe des Jahres 1166 ein, doch der walisische Feldzug, den Heinrich angeblich als Vorwand herangezogen hatte, nicht wie vereinbart nach dem Michaelisfest (29.9.) zu einer Unterredung mit dem ­Kaiser zu erscheinen und seine sechzig Bischöfe auf Paschalis III. einzuschwören, fand schon ­zwischen dem Juli und dem September 1165 statt, während Heinrich das folgende Jahr ausschließlich in England und seinen Kontinentalbesitzungen verbrachte. Siehe Eyton: Court, S. 80 – 99. Die Rückkehr aus Wales erfolgte demnach im September 1165. Zum Walesfeldzug von 1165 siehe Warren: Henry, S. 163 f. 2552 Vgl. Nr. 156. Omne gaudium existimo, Epistola Herberti Boshamensis ad Alexandrum papam in persona Thomae Cantuariensis Archiepiscopi in exsilio positi, in: MTB 5. Die inhaltliche Seite der Gesamtargumentation umreißt Smalley: Schools, S. 66 – 68.

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Effusa est contentio super principes, et erraverunt in invio et non in via. Nam sicut verbum celebre est, et litteris mihi significatum accepi, insignis ille schismaticus qui singularem quaerit in mundo principatum [i. e. der ­Kaiser] […] animo mirabiliter consternatus est, conquerens se ab homine (sicut dicit) iniquo et doloso deceptum, Anglorum rege, eo quod secum in veritate non steterit, praesertim cum statuerit quod absque occasione post festum beati Michaelis ad octo dies veniret ad colloquium suum, et jurare faceret sexaginta episcopos antipapae illi Guidoni Cremensi; nunc vero occasionem quam amovit praetendat, guerram videlicet quam in Wallia habet.2553

Die Folge der Brüskierung sei Anlass zur Freude für Alexander: Hinc, sicut aiunt, dissolvetur omnino amicitiae foedus quod constat in Christi more contractum.2554 Selbst in einem Schreiben wie ­diesem, das darauf abzielte, Heinrichs Exkommunikation zu forcieren, wurde der angevinisch-staufische Pakt von der Becketpartei vor Johannes’ nach Juli 1166 getätigten Äußerungen nicht herangezogen.2555 Vielmehr versuchte Herbert von Bosham eingedenk der aktuellen Entwicklungen, Alexander die lähmende Furcht vor dem durchaus nicht störungsfreien angevinisch-­ staufischen Bündnis zu nehmen. Von Heinrich ginge im Augenblick keine Gefahr aus. Die walisischen Unruhen nähmen ihn in Beschlag und der Pakt mit dem Reich zerbreche. Dass aber der Papst im Jahr 1165 große Angst vor dem Freundschaftsbündnis der beiden weltlichen Mächte hegte und Heinrich II. direkt für den Abfall verantwortlich machte, zeigt Alexanders im Mai 1165 in Quanta mala erhobene Klage, der Plantagenêt habe wahrscheinlich durch das In-Aussicht-Stellen der Obödienz des englischen Episkopats für Paschalis III. dem Eid des Kaisers und den Würzburger Beschlüssen Vorschub geleistet.2556 Dies führt zurück zu den Vorstellungen des Johannes von Salisbury, in dessen Vorwurfskonstrukt jenes unverblümte, in Würzburg geführte Gespräch ­zwischen Johannes von Oxford und dem ­Kaiser, in dem Letzterer die bilaterale Allianz selbst auf eine schismatische Ebene gehoben haben sollte, zentral ist.2557 Von dieser Überzeugung geht ein ganz neuer Impuls aus, die Angriffe auf Heinrich II. im gesamtkirchlichen Kontext zu betrachten. Zwar halten der Pfingsthoftag und die Eide von Würzburg als Ausgangspunkt der staufisch-angevinischen ‚Verschwörungstheorie‘ erst 2 553 MTB 5, Nr. 156, S. 285 f. 2554 Ebd., S. 286. 2555 Vgl. ebd., S. 292: Tu igitur, princeps Christianae militiae, expergiscere; gladium tuum amodo non recondas, sed exseras, praesertim cum alter ei immineat gladius, non verbi dico sed ferri, ut ita uterque ecclesiae serviat. […] Sed exsurge, domine, in ira tua, et retribue abundanter facientibus superbiam et murmur universae terrae pro sanguine meo […]. 2556 Vgl. Alexanders Quanta mala: Bouquet 15, Nr. 188, S. 844. 2557 Vgl. JvS II, Ep.177, S. 182 – 185.

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vergleichsweise spät nach den eigentlichen Ereignissen, im Juli 1166, Einzug in das polemische Arsenal des Saresberiensis – dann aber umso mächtiger. Missdeutete Johannes von Salisbury Heinrichs Politik als aktive, feindselige Opposition gegen Alexander? Er war zumindest überzeugt genug von der Gesetzlosigkeit und Willkür des Monarchen, um ihm fortan neben den aus Clarendon erwachsenden Vergehen weiter willens und sehenden Auges eben dem Anathem entgegeneilen zu sehen, vor dem ihn in Vézelay allein die Nachricht seiner angeschlagenen Gesundheit bewahrt hatte.2558 Wen wundert, dass es scheinen musste, Friedrich Barbarossa und der englische Herrscher beschritten denselben Weg? Auffällig ist, dass Johannes von Salisbury niemals versuchte, Heinrich gänzlich zu Fall zu bringen. Auch vor Vézelay betrachtete er das Anathem wie einst bei ­Friedrich I. Barbarossa als unvermeidlichen Endpunkt der königlichen Politik. Es wie Herbert von Bosham aktiv und offen zu fordern, fügte sich nicht in seine Ideenwelt. Die Exkommunikation zu verhängen, war die Aufgabe des Allmächtigen und seines höchsten Stellvertreters auf Erden. Daher blieb Johannes auch auffällig im Rahmen dessen, was Alexander III. selbst in seinem Quanta mala dem König vorwarf.2559 Ist Johannes’ Wertung der angevinisch-staufischen Kooperation aus der Perspektive der modernen Geschichtswissenschaft beizupflichten? Die Frage der deutschenglischen Entente von 1165 ist vielfach gestellt und oft genug konträr beantwortet worden. Grund genug, die Forschungskontroverse zu rekapitulieren.

3.3.3  Schismatisches Bündnis oder dynastischer Beistandspakt? Der Hoftag von Würzburg und die angevinisch-staufische Entente Die genauen Umstände, die Motivationslage und die Einbettung der Beziehungen zum Heiligen Römischen Reich in die (Kirchen-)Politik Heinrichs II. sind oft, aber kaum erschöpfend diskutiert worden. In der Frage nach den Vorgängen von Rouen, Westminster und Würzburg im Jahr 1165 hofft man vergeblich auf klare Antworten. Alle bisherigen Positionen waren Annäherungen und Versuche, der versprengten, teils nur unzureichend datierbaren Quellenlage eine logische Kohärenz zu verleihen. Dabei kam man zu den unterschiedlichsten Ergebnissen hinsichtlich der Verbindung 2558 Vgl. CTB I 115, S. 558 f. Das an Papst Alexander gerichtete Schreiben aus dem späten November 1166 ist Teil einer polemischen Kampagne, in der Becket sich erneut im kurialen Umfeld gegen Heinrichs Einschüchterungen von Becketunterstützern wie dem zisterziensischen Generalkapitel zu behaupten suchte. Details siehe CTB, S. xliii f. 2559 Vgl. Bouquet 15, Nr. 188, S. 844 f.

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der politischen, durch die Ehebündnisse von 1165 geschmiedeten Entente sowie der Ernsthaftigkeit, mit der der englische König einen damit verbundenen angevinischen Positionswechsel tatsächlich in Aussicht stellte beziehungsweise umsetzte. Hier die Fakten der Annäherung, die im Frühjahr des Jahres 1165, einer Zeit parteilicher Unsicherheiten und changierender Machtverhältnisse in Westeuropa, z­ wischen dem staufischen Kaiserhof und dem Hause Plantagenêt in Gang kam. In den ersten Monaten seines Exils war Alexander III. in eine zwar sichere, aber wenig zufriedenstellende Politik der minimalen Ermutigung verfallen, die auf ständige Ermahnungen Heinrichs II. und den englischen Episkopat und wiederholte, auf verbale Mittel beschränkte Rückendeckung Beckets ausgerichtet war. Gleichzeitig versuchte der Sieneser, weitere Eskalationen zu vermeiden, indem er die soeben verliehenen Legatsvollmachten des englischen Primas für die englische K ­ irche beschnitt.2560 Das Ergebnis waren Ernüchterung und Enttäuschung auf beiden Seiten. Besonders Heinrich II., der vergeblich auf die päpstliche Bestätigung der Konstitutionen von Clarendon wartete, konnte eine bedingungslose Zuwendung zu Alexander kaum mehr als vorteilhafter politischer Schachzug erscheinen. Erschwerend hinzu kam das gespannte Verhältnis zu Frankreich und seinem Lehnsherrn König Ludwig VII. Die angevinisch-kapetingischen Beziehungen, ohnehin kein Sinnbild der Harmonie, verschlechterten sich zunehmend mit Ludwigs Selbstinszenierung als Protektor Beckets und aufkommenden Rebellionen im angevinischen Reich, in Schottland, Wales und der Bretagne, die der Kapetinger zur Schwächung des politischen Gegners auszunutzen suchte.2561 Aus Sicht des englischen Königs also schien eine Entente mit dem Kaiserreich nicht die schlechteste aller Perspektiven. Man konnte an die wohl schon auf dem Bamberger Hoftag am 18. November 1164 durch den englischen Legaten, Johannes Cumin, erneuerten, aber noch unverbindlichen Bande des Wohlwollens anknüpfen, die seit mindestens 1157 durch gegenseitige Freundschaftsbekundungen und Gesandtschaftsaustäusche z­ wischen den Reichen gepflegt wurden.2562 Cumin, Hofkleriker 2560 Siehe die päpstlichen Instruktionsschreiben an Gilbert Foliot in MTB 5, Nr. 80, 93. Zu den Reaktionen des Monarchen und des Bischofs von London: Barlow: Becket, S. 127 f. So befreite Alexander III. bei seiner Rückkehr nach Rom im November 1165 Becket von aller Autorität zur Verhängung von Kirchenstrafen gegenüber dem König und den Prälaten Englands. Die Maßnahme sollte verhindern, dass der Primas durch weitere Provokationen gegen den König die päpstliche Sache gefährdete. Siehe MTB 5, Nr. 95 bzw. CTB I, Nr. 54. 2561 Zum historischen Hintergrund der Unruhen im anglonormannischen Herrschaftsbereich und Ludwigs Strategien siehe Warren: Henry, S. 93 – 106. 2562 Vgl. Jens Ahlers: Die Welfen und die englischen Könige 1165 – 1235, Hildesheim 1987 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens), S. 43 sowie Leyser: Hand.

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Heinrichs II ., sollte 1166 durch königliche Patronage zum Archidiakon von Bath aufsteigen und sich Ende des Jahres als königlicher Gesandter an die alexandrinische Kurie die Antipathie der erzbischöflichen Unterstützer zuziehen.2563 Für Johannes von Salisbury war er der „Schismatiker von Bath“ 2564, der zu Ungunsten des exilierten Primas Unwahrheiten verbreite und den König von Frankreich samt seiner Barone die Unterstützung Beckets ausrede.2565 Die Zerrüttung der westeuropäischen Allianz von 1160 und die sich dadurch eröffnenden Verschiebungen der politischen Landkarte waren auch Friedrich ­Barbarossa nicht entgangen. Für ihn boten sie eine günstige Gelegenheit, aus der eigenen Eyton: Court, S. 75, Georgi: Friedrich, S. 117 – 119 und Reuter: Schism, S. 129, 252 – 254 sehen den Beginn der Begegnungen bereits in einem schwer zeitlich einzuordnenden Brief, den ein Bote Beckets nach dem Konzil von Westminster im Oktober 1163 vom päpstlichen Hof Alexanders III . in Frankreich entsandte. Darin wird eine „seit langer Zeit“ bestehende Vertretung des Plantagenêtkönigs am Kaiserhof durch den Legaten Johannes Cumin erwähnt. Siehe Nr. 36: Thomae Cantuariensis Archiepiscopo nuntius suus, in: MTB 5, S. 59. Das Dokument ist das einzige Zeugnis zur Legation Cumins. Es ist entweder im Oktober 1163 oder in der zweiten Jahreshälfte 1164 zu verorten: Ahlers: Welfen, S. 34, Anm. 141. Der Versuch von Reuter: Schism, S. 253, einen Brief der Gräfin Mathilda von Boulogne an Ludwig VII . als ergänzende Quelle heranzuziehen ist aufgrund einer strittigen Datierung der Quelle ­zwischen Januar 1163 und Februar 1165 kritisch zu betrachten. Siehe dazu Laudage: Alexander, S. 155, Anm. 23. Allerdings legt auch Georgi: Friedrich eine Vorbereitung des deutsch-englischen Verhandlungen vom Frühjahr 1165 durch Johannes Cumin auf dem Reichstag zu Bamberg am 18. November 1164 nahe, auf dem die ersten Verhandlungen zu den folgenden Ehebündnissen, aber auch „mit Sicherheit die Frage des Schismas und die Haltung gegenüber England und Frankreich“ (S. 118) beraten wurde. 2563 Zu Alexanders Widerstand und Aufforderung an Johannes, das Archidiakonat von Bath, das von päpstlicher Seite bereits einem anderen zugesprochen worden war, unter Androhung der Exkommunikation aufzugeben, siehe Nr. 415, in: MTB 6 und Lally: Court, S. 242. Die Versorgung seiner engsten familiares und Hauptdiplomaten mit Archidiakonaten für ihre Verdienste gehörte zur Patronagetaktik des englischen Königs. Für ehrgeizige Ämterjäger bei Hofe war es ein attraktiver Karriereschritt. Siehe ebd., S. 11, 243 und Türk: Nugae, S. 81: „Les archidiaconats, eux aussi, avaient beaucoup d’attraits. On consolidait sa position par le cumul des bénéfices et l’on progressait par étapes.“ Details zur allgemeinen Kritik des Johannes von Salisbury an Inhabern der Dekan- und Archidiakonämter als käuflich und frevlerisch: Miczka: Bild, S. 181. Zu Cumins Legation im Jahre 1166, in die auch Johannes von Oxford involviert zu sein schien, siehe Barlow: Becket, S. 161 f. 2564 JvS II, Ep.242, S. 478 f. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Bezeichnung als Schismatiker einen Bezug zu seinem Kontakt mit dem Kaiserhof hat. Sie scheint sich allein auf die spaltende Rolle des Johannes Cumin im englischen Kirchenstreit zu beziehen. 2565 Vgl. die bitteren Klagen in CTB I 169, S. 772 f.

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k­ irchenpolitischen Isolation auszubrechen und die alexandrinische Anhängerschaft entscheidend zu schwächen. Für Heinrich bot sich eine willkommene Möglichkeit, „wenigstens sicherzustellen, daß der Handlungsspielraum Beckets eingeschränkt blieb. Dazu mußte er bei der Kurie ein Gegengewicht zum Einfluß Ludwigs und der west-europäischen Geistlichkeit schaffen, ­welche damals Thomas von Canterbury einen gewissen Rückhalt boten. In dieser Situation erschien die Befürchtung des Papstes und seiner Anhänger, Heinrich könne auf die kaiserliche Seite umschwenken, als geeigneter Hebel zur Durchsetzung seiner Vorgaben.“ 2566

Es kann davon ausgegangen werden, dass die erneute Intensivierung der schwebenden angevinisch-staufischen Kontakte von den Hoffnungen beider Seiten getragen wurde.2567 In der alexandrinischen Kurie verbreitete Heinrichs reichsgerichtetes diplomatisches Interesse einige Unruhe – nicht zuletzt, da der englische König zwar einer Konferenz mit Ludwig VII . in Gisors beiwohnte, sich im April 1165 aber vor trilateralen angevinisch-kapetingisch-päpstlichen Verhandlungen sperrte.2568 Soweit wäre die von Johannes von Salisbury angelegte Deutung, Heinrich II . strecke seine Fühler in offener Feindschaft gegen Alexander III . in Richtung des Kaiserhofs aus, plausibel. Die nüchterne Zusammenschau der historischen Fakten ergibt folgendes Gesamtbild: Wenige Tage nach der Konferenz in Gisors empfing der Plantagenêt die ­kaiserliche 2566 Ahlers: Welfen, S. 36. 2567 Trotz der teils einseitigeren Positionierung der Forschung, die nicht zuletzt dem bedauernswerten Mangel an Quellen Rechnung trägt. Während Albert Hauck: Kirchengeschichte Deutschlands. Bd. 4, Leipzig 1913, S. 275 f. sowie Georgi: Friedrich und Ahlers: Welfen, S. 39 – 43 überzeugt sind, dass primär Friedrich I. Barbarossa die günstige Gelegenheit zur Intervention ergriff, gesteht Timothy Reuter Heinrich II. aufgrund seiner Rückschläge gegenüber der alexandrinischen Kurie im Becketstreit sowie im Sinne der Verhinderung einer deutsch-kapetingischen Allianz das größere Interesse zu. Als weiteren Hinweis führt er einen Brief der Gräfin Mathilda von Boulogne an: Reuter: Schism, S. 128 – 129, 253 – 255. Warrens Biographie Heinrich Plantagenêts bleibt in der Frage deutsch-englischer Verbindungen gewohnt positionslos: Warren: Henry, S. 492 f. 2568 Vgl. MTB 5, Nr. 36, S. 59. So geschildert von Hugo von Poitiers in Recueil des historiens des Gaules et de la France. Contenant la suite des monuments des trois règnes de Philippe Ier, de Louis VI dit Le Gros, et de Louis VII surnommé Le Jeune, depuis l’an MLX jusqu’en MCLXXX, ed. Martin Bouquet u. a., Paris 1877 (RHGF, 12): Rex autem Ludovicus pro his et pro aliis negotiis ad Henricum Regem Anglorum misit, indixeruntque Reges mutuum colloquium: cui colloquio cum interesse Alexandere disponeret, venit Parisius: quod ut Rex Henricus cognovit, colloquium indictum Ludovico Regi demandavit, infestus Alexandero ob invidiam Thomae Cantuariensis. Die Zusammenkunft von Gisors am 11. April 1165 belegt RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 355.

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Legation unter Leitung Rainalds von Dassel in Rouen, wo das Bittgesuch Heinrichs des Löwen um die Hand der ältesten Königstochter Mathilda und ein weiteres Verlöbnis z­ wischen der jungen Prinzessin Eleonore und dem Kaisersohn Friedrich verhandelt wurde.2569 Bereits zu ­diesem Zeitpunkt schienen gewisse Kreise am angevinischen Hof die Vorgänge mit Argwohn beäugt zu haben. Unter dem Vorwand, den englischen Episkopat nicht brüskieren zu wollen, umging die Königsmutter, Kaiserin Mathilde, die von den Deutschen gewünschte Audienz mit den hochrangigen Vertretern des als schismatisch betrachteten Kaiserhofs und auch Erzbischof Rotrod von Rouen scheint ein Treffen nicht forciert zu haben.2570 Arnulf von Lisieux’ Qua fido quo studio, in dem dieser 1172 die Kardinalpresbyter Johannes von S. Anastasia und Wilhelm von S. Pietro in Vincoli für Erzbischof Roger von York um Fürsprache bei Alexander III. ersuchte, lobt mit gewohnt glühenden Worten Rogers ungebrochenen Wert: Perseuerat semper, et, aliis tepescentibus, ipsius deuotio non tepescit, quia uidet totam nondum conquieuisse malitiam, et ab his, quorum fides inuictissima credebatur, prophana consilia, percussis etiam federibus, agitari. Vtinam ad noticiam Romani pontificis et uestram relatione ueridica perueniret, quantum nouiter apud principem nostrum, regem loquor Anglorum, catholici sacerdotis industria sancta profecit, cum eum scilicet ad scisma maximi quoque principum inuitarent, ipsumque metus seueritatis apostolice perterreret.2571

Da die zeitliche Referenz der Passage ungenau ist, ist zwar letztlich nicht mit Sicherheit zu sagen, ob es sich um einen Verweis auf die staufisch-angevinischen Verhandlungen von Westminster handelt, doch bezeugen Arnulfs Ausführungen in jedem Fall, dass es Kräfte im englischen Königreich gab, die sich gegen Befürworter eines 2569 Zur Datierung und Verlauf der Rainaldreise siehe Ficker: Reinald, S. 74; Wilhelm von Giesebrecht: Die Zeit ­Kaiser Friedrichs des Rothbarts. Abt. 2: Friedrichs I. Kämpfe gegen Alexander III., den Lombardenbund und Heinrich den Löwen, Leipzig 1888 (Geschichte der deutschen Kaiserzeit, 5,2), S. 460 – 462; Nr. 816, in: Knipping: Regesten; Herkenrath: Reinald, S. 280 f.; Gerhard Rill: Zur Geschichte der Würzburger Eide von 1165, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter, 22 (1960), S. 7 – 19, hier: S. 8; Ahlers: Welfen, S. 44 und Georgi: Friedrich, S. 119 – 122. Zu den Verlöbnissen: RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 342. 2570 Vgl. Nr. 101. Pro domino rege, in: MTB 5, S. 195: Nos quidem, cum Rothomagi essemus, et illic essent nuntii imperatoris, de illis audivimus, sed eos non vidimus. Domina imperatrix, cum eam videre summopere requirerent, respondit quod propter episcopos non auderet; nec eam viderunt. 2571 AvL Ep. 84, S. 138.

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­schismatischen Weges durchzusetzen versuchten. Dies beschränkte sich offenbar nicht auf hohle Phrasen in geschlossenen Versammlungsräumen, sondern brachte Roger sogar einen internationalen Ruf als Alexandriner ein: Porro ipse ad uisitandam Romanam ecclesiam plurimo iamdudum desiderio tractus est […]. Accingebatur iam, cum a rege ipso et nuntiis eius, qui nouiter a uobis reuersi sunt, terribile percepit inditium, imperatorem scilicet ipsum singulariter excepisse, cum aliis interuentu regis securitatem transitus indulgeret, quia scilicet presumserat in personam eius anathematis intorquere sententiam, et nomen eius in omnibus, quos frequenter celebrauerat, conuentibus ecclesiasticis infamare.2572

Augenfälligstes Beispiel dafür, dass neben dem Becketzirkel auch mächtige Vertreter des Hofkreises den Verhandlungspartnern nicht ausnahmslos positiv gegenüberstanden, war die berühmte Missachtung des Protokolls durch Heinrichs Justiziar, Robert de Beaumont, Graf von Leicester und zweiter Mann im Staat, der bei den Verhandlungen mit den englischen Magnaten in Westminster dem ‚Erzschismatiker‘ Rainald ostentativ den gebräuchlichen Empfangskuss verweigerte.2573 Damit nicht genug, folgte man dem Vorbild Innozenz’ II., indem man – wie dieser die Altäre der anakletianischen Partisanen – alle Altäre niederriss, an denen die Reichsvertreter die Messe gefeiert hatten.2574 2572 Ebd., S. 139. 2573 Vgl. RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 318: Cui cum magnates regni sollenniter occurissent, Robertus comes Legecestriae justiciarius regis illum archiscismaticum in osculum non recepit. Der Friedenskuss war obligatorisches ­Zeichen einer engen Bindung ­zwischen Küssendem und Empfänger und ließ besonders im politischen Bereich wenig Spielraum zu. Ihn zu verweigern konnte als Verrat an den Geschmähten gedeutet werden. Siehe Klaus van Eickels: Kuss und Kinngriff, Umarmung und verschränkte Hände. ­Zeichen personaler Bindung und ihre Funktion in der symbolischen Kommunikation des Mittelalters., in: ­Jürgen Algimantas Martschukat (Hg.): Geschichtswissenschaft und „performative turn“. Ritual Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln 2003 (Norm und Struktur, 19), S. 133 – 159, besonders S. 142. Der hier verweigerte Begrüßungskuss ist ebenfalls als Kuss der Einigkeit im rechten Glauben zu betrachten, eine Spielart aus dem großen Bedeutungsrepertoire dieser in der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters zentralen Geste, die im Umgang mit Schismatikern inakzeptabel war. Zur Typologie und Bedeutungsbreite des Kusses im Mittelalter siehe Yannick Carré: Le baiser sur la bouche au Moyen Age. Rites, symboles, mentalités, à travers les textes et les images, XIe – XVe ­siècles, Paris 1992, S. 97 f. 2574 Vgl. RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 318: Eversa sunt passim altaria super quae Missam illi celebrarunt scismatici. Zum Präzedenzfall berichtet das dritte Buch der Chronik von Morigny (La chronique de Morigny (1095 – 1152), ed. Léon Mirot, Paris 1912 (Collection des textes pour servir à l’étude et à l’enseignement de l’histoire, 41)):

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Die Urheber dieser nachdrücklichen Maßnahme werden nicht benannt. Es handelte sich aber wahrscheinlich um erzürnte Mitglieder der alexandrinisch gesinnten Partei. Der vollzogene Akt selbst geht dabei insofern wesentlich über Robert de Beaumonts politisch-diplomatischen Affront hinaus, als dass man versuchte, liturgisch unrechtes Verhalten ungeschehen zu machen und die fremden Prälaten als Schismatiker zu degradieren. Zumindest die auf der Synode von Tours erfolgte Exkommunikation Rainalds von Dassel gab dazu auch einen handfesten Grund.2575 Die antikaiserlichen Ressentiments in der politischen Landschaft Englands sind keine Erfindung des Jahres 1167, sondern waren bereits 1165 im aktuellen Zeitgeschehen zu spüren. Ob man sich gegen den Umgang mit dem kaiserlichen Lager, sozusagen den Verkehr mit Schismatikern, Exkommunizierten und deren Repräsentanten oder gegen den Inhalt der Verhandlungen richtete, ist schwer auszumachen. Der historiographische Befund des einzigen Quellenzeugen, Radulf de Diceto, legt nahe, dass in den Verhandlungen über die Zustimmung der Fürsten des Inselreiches zum politischen Akt eines deutsch-englischen Verlöbnisses ­zwischen englischer Feudal- und Kirchenpolitik unterschieden wurde.2576 Das mittelalterliche Wertesystem ließ die Trennung des Verhandlungsgegenstandes von der Person und den kirchenpolitischen Einstellungen des Verhandlungsführers durchaus zu. Wenn opportun, His ­dictis, singulos quos reos cognoverat, propriis nominibus exprimens, eisque cum indignacione et jurgio exprobrans, pastorales baculos de manibus violenter arripuit, et pontificalia pallia, in quibus summa dignitas consistit, de humeris verecondose abstraxit, ipsos quoque anulos, in quibus ad ipsos pertinens ecclesie desponsacio exprimitur, sine respectu misericordie abstulit. Eine Einordnung der Geste in Innozenz‘ Degradierungsstrategie nimmt Harald Müller vor (Publikation in Bearbeitung) vor: „Während sich die moderne Forschung der Listenform bedient, um Ausmaß und Penibilität der Degradierungen zu erfassen, die Innozenz II . 1139 auf dem II . Laterankonzil gegenüber den kirchlichen Würdenträgern auszusprechen, die lange, sogar über dessen Tod hinaus an Anaklet II . festgehalten hatten, schildert die Chronik des französischen Klosters Morigny wohl aus bestens unterrichteter Quelle vor allem die symbolische, publikumswirksame Handlung des Papstes. Namentlich rief er die Betreffenden auf, nahm ihnen sodann grimmig Bischofsring, Stab ab, den Metropoliten ihr Pallium. Die ­Zeichen der alten Ordnung waren wertlos geworden. In der neuen, innozenzianischen Hierarchie waren die Delinquenten ohne Rang und Stellung. Altäre, an denen die Schismatiker Weihehandlungen vorgenommen hatten, ließ er dem Erdboden gleichmachen, erfährt man an gleicher Stelle.“ Die Verfasserin dankt für die freundliche Bereitstellung des Auszugs. 2575 Vgl. SvGembloux Continuatio Aquicintina, ed. Bethmann, S. 409: Alexander papa collecto generali concilio Turonis excommunicavit Octavianum scismaticum et Rainaldum Coloniensem electum, archiepiscopum Mogontinum, Hugonem Cluniacensem, cum quibusdam scismatis auctoribus. Siehe auch Somerville: Tours, S. 64 sowie Knipping: Regesten, 124, Nr. 758. 2576 Vgl. RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 318.

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konnte in der politischen Praxis also mit kirchlich Gebannten kommuniziert und verkehrt werden.2577 Zumindest stützte Heinrich II. im Nachhall der Ereignisse gern seine Rechtfertigung auf das Argument, es ­seien nach guter Tradition rein politische Bündnisse erfolgt, wie sie auch in der jüngeren Vergangenheit keine päpstliche Ablehnung erfahren hätten.2578 Natürlich aber war der Umgang mit den Gebannten – gleich wie gewissenhaft die Vorschrift praktisch befolgt wurde – ein Makel an dem diplomatischen Manöver. Heinrichs Wunsch, sich zu entlasten, ist nachvollziehbar, weswegen fraglich bleibt, ob er tatsächlich nichts von der Exkommunikation des Stauferkaisers gewusst hatte.2579 Wohl im eigenen Interesse bemühte sich Thomas Becket in d­ iesem Punkt um Richtigstellung, während Gilbert Foliot kurz nach den Ereignissen gegenüber Alexander III . mit glühenden Worten Partei für seinen Herrn ergriff.2580 Dass dieser jedoch mit den als Schismatiker betrachteten Reichsvertretern verkehrt hatte, konnte selbst der Bischof von London nicht glaubwürdig 2577 Falkenstein: Auswirkungen, S. 183 f. führt das Beispiel des Martin von Saint-Vaast an. Der Abt der exemten K ­ irche alexandrinischer Obödienz in Arras hatte in einem Rechtsstreit den gebannten ‚Schismatiker‘ Rainald von Dassel als Richter angerufen: „Das Verhalten der drei Äbte wirft deshalb die Frage auf, ob das Anrufen eines im Verlauf des Schismas exkommunizierten Richters oder gar politische Verhandlungen mit Exkommunizierten vielleicht dann erlaubt waren, wenn dies der einzig erfolgversprechende Weg war, ein bedrohtes Recht zu bewahren oder Nachteile oder gar einen Verlust einer Sache, die noch dazu nennenswerte Einkünfte sicherte, abzuwenden bzw. zu verhindern.“ Johannes von Salisbury selbst legt in ­diesem Punkt eine auffällige Inkonsequenz an den Tag, indem er seinem Freund Radulfus Niger einen Weg aufzeigt, wie dieser die Exkommunikation Richards von Ilchester umgehen könne, um trotzdem zu Beckets Gunsten mit d­ iesem Kontakt aufzunehmen. Siehe Joannis Saresberiensis: Ep. 182. Fides et deuotio tua, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke. Zum Verhältnis ­zwischen Johannes und Richard siehe Duggan: John, S. 434, Anm. 36. Im Allgemeinen richtete sich Johannes’ Zorn offener gegen Johannes von Oxford als gegen dessen Kollegen Richard. 2578 So geschehen in Super his que (MTB 6, Nr. 255, S. 80): Verum etsi filiam nostram filio imperatoris in matrimonio concesserimus, nec in minimo nos deliquisse credimus, sed id nobis licitum esse non dubitamus; quoniam (ut a simili sumamus exempla) idem excellentissimo et potentissimo regi Henrico avo nostro licuisse recolimus, qui filiam suam Henrico bonae memoriae Romano imperatori matrimonio copulaverit. Nos etiam a praedecessoribus nostris sumpta ratione, communicato consilio prudentium et discretorum nostri regni virorum, matrimonium inter filium imperatoris et filiam nostram contrahi concessimus. 2579 Heinrich II . ist nicht der erste, der sich in solchen Fällen auf Unwissenheit berief. Siehe Falkenstein: Auswirkungen, S. 179 – 183. 2580 Vgl. CTB I 115, S. 558: Suam [i. e. Heinrich II.] ponit schismatis cum schismaticis portionem, quibus communicat, et cum eis varias et nefarias contrahit obligationes, et anathematis sententiam sciens et prudens incurrit.

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bestreiten.2581 In jedem Fall stellten die Vorgänge das deutsch-englische Verhältnis auf ein neues Fundament. In einem persönlichen Brief des Kölner Elekten an König Ludwig VII. beschrieb Rainald, dass sein Mandat neben den bilateralen Bündnisverhandlungen mit Heinrich Plantagenêt auch ergänzende trinationale Gespräche unter Beteiligung Ludwigs VII. umfasste, bei denen neben der Kreuzzugsfrage auch die schwierige Lage der Universalkirche thematisiert werden sollte.2582 Dass die Beilegung des alexandrinischen Schismas ein Tagesordnungspunkt war und durch wen diese verhandelt werden sollte, verrät viel über die kirchenpolitische Positionierung des angevinischen Reiches. Die Frage, ob der in Würzburg abgelegte Eid – und damit die Natur und Motivation der damaligen angevinischen Politik – einen Obödienzwechsel besiegeln sollte, berührt direkt das „Was?“ (Inhalte der Gespräche), „Wer?“ (Konstellation der beteiligten Parteien) und „Warum?“ (Natur und Zweck der Ehebündnisse) der Vorverhandlungen in Rouen und Westminster. Dem Historiker bleibt an ­diesem Punkt allein, Schlüsse aus den Rahmenbedingungen und den zwei Quellen zu ziehen, die Ausgangspunkt und angebliches Ergebnis der Mission Rainalds von Dassel beschreiben. Neben dessen Schilderung seines kaiserlichen Verhandlungsauftrags sind dies vor allem Barbarossas offizielle Verkündigungen, England habe sich in Würzburg auf die Unterstützung Paschalis’ III. und den Abfall von seinem Konkurrenten Alexander festgelegt.2583 Die Zusammenschau 2581 Vgl. vom Juli oder frühen August 1165 die Nr. 108: Gilebertus Londoniensis episcopus ad ­Alexandrum papam, in: MTB 5, S. 203 – 209, hier: S. 206: Imperatorem illum, etsi schismaticum noverit, a vobis tamen excommunicatum esse usque hodie non rescivit. Quod si denuntiatione vestra rescierit, si foedus illicitum cum ipso aut alio quolibet iniit, et hoc ecclesiae regni sui judicio simul et consilio se correcturum promittit. Kritische Edition: Ep. 155, in: Foliot Letters and Charters, ed. Brooke u. a., S. 202 – 206. Die Rechtfertigung und Lossprechung des Königs war sogar Radulf de Diceto noch ein Anliegen in den Ymagines Historiarum (vgl. RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 331 f.), die sich auf eben ­dieses Dokument Foliots beziehen. 2582 Vgl. Nr. 369. Rainoldi, electi Coloniensis, a Ludovicum, in: RHGF 16, S. 120: Acceperamus in mandatis a domino nostro invictissimo Romanorum Imperatore, ut vobis et Regi Anglorum communiter ac simul loqueremur, et super negotium ecclesiae universalis, et pro successu periclitantis ecclesiae Orientalis. Einordnung bei Laudage: Alexander, S. 157 und Georgi: ­Friedrich, S. 119 f., der nicht nur die deutsch-englische Perspektive, sondern auch die französische Dimension des Rainaldschen Mandats mit einbezieht. 2583 Fast wortwörtlich in Rundschreiben an die Domherren und den Klerus von Passau (Nr. 1. Sicut dilectio vestra novit, in: Admonter Briefsammlung, ed. Hödl/Classen, S. 152); an Graf Heinrich von Troyes (MGH D F I 480, S. 397) und an die Gesamtheit seiner Getreuen im Reich (MGH D F I 481, S. 399).

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der Dokumente und die Konflikte, mit denen der englische Herrscher im In- und Ausland zu kämpfen hatte, legen nahe, dass die in Rouen verhandelten Heiratsbündnisse mit einem Obödienzwechsel verknüpft gewesen sein könnten. Gleiches könnte durch ein auf den 13. April 1165 oder 1166 zu datierendes Schreiben Paschalis’  III. bestätigt erscheinen, welches Ludwig VII. bezichtigte, im Alleingang eine Beendigung des Schismas verhindert zu haben.2584 Allerdings hätte auch nur der Plan eines Lagerwechsels für Heinrich II . unter einem ungünstigen Stern gestanden. Sollte Heinrich II . sich – wie von Johannes von Salisbury und dem Becketzirkel suggeriert – für eine über reine Dynastiepolitik hinausgehende kirchenpolitische Verbindung entschieden haben, dürfte dies, wie der Gegenwind prominenter alexandrinischer Unterstützer bei Hofe zeigt, kaum mit einmütigem Konsens seiner Vertrauten geschehen sein. Zudem hätte ein Abfall von Alexander nicht nur erheblichen Widerstand in den mehrheitlich alexandrinisch gesinnten Landesepiskopaten der insularen wie kontinentalen königlichen Besitzungen, sondern auch eine Reaktion seines Lehnsherren, des Becketprotektors Ludwig VII., provoziert.2585 Bedenken an einem von Heinrich fest intendierten, offen bezeugten oder zeitnahen Übertritt ins kaiserliche Lager sind daher angebracht.2586 Auch das Ausbleiben kirchenpolitischer Maßnahmen zugunsten Paschalis’ III. nach Würzburg und eine bittere Beschwerde Friedrichs I. vom Beginn des Folgejahres 1166, Heinrich verberge sich hinter dem Walesfeldzug, um der im Würzburger Eid inhärenten Vereidigung des englischen Klerus auf den kaiserlichen Papst Paschalis III. zu entgehen, deuten in diese Richtung.2587

2584 Vgl. Nr. 363, in: RHGF 16: et tantis ecclesiae Dei scandalis, quae per te solum vigere dicuntur, tandem finem imponas. JL 14486. In der Forschung wurde im Gegensatz zu Jaffé-Löwenfeld bisher das Datum 1165 präferiert: siehe Haller: Papsttum III, S. 189, 511; Marcel Pacaut: Louis VII et Alexandre III (1159 – 1180), in: Revue d’Histoire de l’Église de France 39 (1953), S. 5 – 45, hier: S. 38; Reuter: Schism, S. 130. 2585 So die Einschätzung von Gertrud Maria Esser (Hg.): England, Frankreich und die römische Kurie in der Vorbereitung des dritten Kreuzzuges, Diss. phil. Albertus-Magnus-Universität, Köln 1953, die auch auf die starke alexandrinische Opposition bei Hofe (Kaiserin Mathilde, der Graf von Leicester oder Erzbischof Rotrod von Rouen) verweist. Ferner: Duggan: Becket, S. 112 f.; Görich: Friedrich Barbarossa, S. 408. Ebenso Vollrath: Lüge, S. 161 mit Verweis auf die unlösbare Einbindung ins mittelalterliche Herrschaftssystem konsensualer Regierung. 2586 Laudage: Alexander, S. 157 verweist auf das Fehlen eines ausdrücklichen Belegs, dass die Verlöbnisallianzen England in eine Obödienz Paschalis’ III. führen sollten. 2587 Vgl. Ahlers: Welfen, S. 49. Siehe Herbert von Bosham an Alexander III. in MTB 5, Nr. 156, S. 285 f.

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Felsenfest steht allein die abschließende Aushandlung des von deutscher Seite auf den Weg gebrachten Doppelverlöbnisses in Rouen, das im Sinne des Prinzips konsensualer Regierung nach Heinrichs persönlicher Billigung auch durch den Großen Rat in Westminster beraten und abgesegnet werden sollte.2588 Diesem Abschluss des angevinisch-staufischen Paktes kam augenscheinlich auch die höchste Priorität in der kaiserlichen Politik zu, denn mit seiner eiligen Englandreise überging ­Rainald Barbarossas Weisung, Verhandlungen mit dem französischen Hof aufzunehmen. Da die Überfahrt der Delegation auf Kosten des Plantagenêt geschah, geht Georgi davon aus, dass Rainald auf königliche Weisung handelte, das heißt, dass Ludwig VII . auch von englischer Seite bewusst aus den diplomatischen Vorgängen hinausgedrängt wurde.2589 Die angevinisch-staufische Eheallianz stand also prioritär über den ursprünglich geplanten trilateralen Verhandlungen zur Beilegung des Schismas. Angesichts dieser Bedeutung lohnt ein näherer Blick auf die Praxis hochmittelalterlicher Verlöbnisbündnisse, deren Zweck und Verbindlichkeit im Allgemeinen sowie auf die Konstellation der dynastischen Maßnahmen von 1165 im Spezifischen. Das schiere Zustandekommen einer Verlöbnisvereinbarung z­ wischen F ­ riedrichs gleichnamigem Sohn und der englischen Prinzessin Eleonore bedeutete nach heutigem Wissensstand noch nicht zwangsläufig, dass auch auf beiden Seiten eine dauerhafte, enge Allianz beabsichtigt war. Der junge Friedrich, damals ein noch nicht ­einmal einjähriges Kind, schien zudem von fragwürdiger gesundheitlicher Verfassung zu sein.2590 Dass auch seine Verlobte gerade drei Jahre alt war, stellte d­ ieses Heiratsbündnis angesichts der hohen kindlichen Mortalitätsrate der Zeit auf eher tönerne 2588 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 356. Actes de Henri II I, ed. Delisle/Berger, Nr. 246, S. 391 – 393 bzw. MTB 6, Nr. 255. Einordnend Georgi: Friedrich, S. 120 und Ahlers: Welfen, S. 39, 45. 2589 Vgl. Georgi: Friedrich, S. 121 und Reuter: Schism, S. 130, 254. Gegenüber Ludwig VII. entschuldigte sich Rainald, wahrscheinlich im Mai 1165 auf der Rückreise von England, mit akuter Zeitnot. Siehe RHGF 16, Nr. 369. Reuters These (Reuter: Schism, S. 129, 252 – 254), es habe keine an die Konferenz in Rouen anschließende Überfahrt nach England gegeben, ist hinfällig. Sowohl Ahlers‘ (Ahlers: Welfen, S. 44 – 46, besonders Anm. 202) als auch Georgis (Georgi: Friedrich, S. 121) Berechnungen ergeben genug Zeit für eine s­ olche diplomatische Reise. Zudem ist die Finanzierung der Überfahrt und Verpflegung durch Exchequerbelege gesichert. Aus der königlichen Schatulle ergingen fast 70£ in passagiis et in corredio Archiepiscopi Coloniae: The Great Roll of the Pipe for the Eleventh Year of the Reign of King Henry II, A. D. 1164 – 1165, London 1887 (Publications of the Pipe Rolls Society, 8) und Eyton: Court, S. 78, Anm. 4. Die Verhandlungen mit den Großen in Westminster beschreibt: RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 318. 2590 Vgl. Baaken: Altersfolge, S. 58, 65 – 68.

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Füße.2591 Aufgrund der unwägbaren Rahmenbedingungen von Verlobungen im Babyalter wurden „solche Verbindungen im Mittelalter häufig aus aktuellem politischem Anlaß vereinbart und ebenso schnell bei einer Änderung der Bündniskonstellation wieder gelöst“ 2592. Eine unumstößliche Festlegung auf die Partei des Kaisers war ­Eleonores Verlöbnis mit dem Stauferprinzen also keineswegs, wohingegen der Person des Welfenherzogs eine ganz eigene Rolle zugekommen sein wird. Dass man mit der erstmaligen Liaison der beiden dynastischen Häuser neue Wege ging und dass die Ehevereinbarung ­zwischen dem im besten Alter stehenden Heinrich dem Löwen und der acht oder neunjährigen englischen Prinzessin Mathilda bereits innerhalb weniger Jahre zum Vollzug gebracht werden konnte, legt nahe, dass die Verbindung als Faustpfand gegen einen Zusammenbruch der Allianz beim Tod eines der involvierten Kinder geschlossen worden war.2593 Diese Natur eines Doppelverlöbnisses und die hochkarätige Besetzung der brautwerbenden Legation verdeutlichen, dass beide Ehen ein „Politikum ersten Ranges“ 2594 darstellten. Als tragende Säule staufischer Kirchenpolitik unter den Großen des Reichs war Heinrich der Löwe besonders zum Zeitpunkt der Verhandlungen in Rouen ein wichtiger Spieler im Kampf gegen eine alexandrinische Opposition im Reich.2595 Der Einbezug in dessen dynastische Bündnispolitik sollte ihn enger an Barbarossas Politik binden. Reichtum und Ansehen des Welfen steigerten seine Attraktivität als Schwiegersohn, eine Tatsache, die sich besonders im Umgang der zeitgenössischen anglonormannischen Historiographie mit der Thematik zeigt, die ausführlich seine Vorzüge preist, sich aber beharrlich über die Rolle des Löwen im Schisma ausschweigt.2596 2591 Eleonore wurde 1161 in Domfront getauft. Dies bezeugt Robert von Torigny, ein Augenzeuge: RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 334. 2592 Ahlers: Welfen, S. 23. 2593 Vgl. Ebd., S. 23 f. 2594 Ebd., S. 42. 2595 Vgl. Jordan: Schisma. 2596 Details und Zitate bei Willi Rasche (Hg.): Die Gestalt Heinrichs des Löwen im Spiegel mittelalterlicher Quellen, Diss. phil. Christian-Albrechts-Universität, Kiel 1949; ders.: Heinrich der Löwe im Spiegel der ausländischen Quellen des Mittelalters, in: Braunschweigisches Jahrbuch 32 (1951), S. 70 – 89 und Herbert Wilhelm Wurster: Das Bild Heinrichs des Löwen in der mittelalterlichen Chronistik Deutschlands und Englands, in: Wolf-Dieter Mohrmann (Hg.): Heinrich der Löwe, Göttingen 1980 (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung, 39), S. 407 – 439. Heinrichs eigene Motivation war wohl ähnlich gelagert. Ihm winkten Reichtum, gesteigertes Ansehen, ein Stammhalter und die Dankbarkeit des Kaisers, die sich besonders angesichts der Opposition der sächsischen Fürsten gegen seine ausgreifenden territorialen Ansprüche als nützlich erweisen konnte. Siehe

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Ist es aber statthaft, das Ehebündnis als direkt verknüpfte Bestätigung eines kirchenpolitischen Wechsels zu deuten? Ehebündnissen z­ wischen großen Fürstenhäusern lag im Mittelalter meistens eine politische Festlegung der Verbündeten zugrunde, die das Regelwerk der gegenseitigen Beziehungen bildete. Ob sie affirmativ waren, also auf getroffene Vereinbarungen bezogen oder eher in die Zukunft gerichtet die Basis für gemeinsames Handeln bilden sollten, ist von Fall zu Fall zu prüfen. Das Doppelverlöbnis von 1165 könnte also auch ein reines In-Aussicht-Stellen eines potenziellen zukünftigen Lagerwechsels beinhaltet haben, anstatt zwangsläufig auf einen bereits erfolgten Übertritt hinzudeuten. Die Kurie schien sich auf diese feinen Unterschiede nicht verlassen zu wollen: Alexander und seine Unterstützer werteten sie als aktuelle Gefahrenlage und verlegten sich auf vorsichtiges politisches Kalkül.2597 Weder dem Staufer noch dem Plantagenêt sollte idealistische Verblendung unterstellt werden. Beide waren erfahren, mächtig und charakterfest genug, die Basis ihrer Verbindung klar zu erfassen. Ihnen wird bewusst gewesen sein, dass jeder jeweils auf das eigene Reich bezogene Zielsetzungen verfolgte, die mehr mit innenpolitischer Konsolidierung als mit gemeinsam getragener Kirchenpolitik zu tun hatten. Als homines politici musste ihnen in ihrem Trachten nach innenpolitischer Stabilisierung – sei es die Überwindung der Kontroverse mit einem renitenten Primas, die Festigung des eigenen Kandidaten für die Cathedra Petri oder die Einigung eines verunsicherten Episkopats – das Ehebündnis als vorteilhaft erscheinen.2598 Für Heinrich II . allerdings hatte die Stärkung seiner Position durch die festigende Entente mit dem mächtigen Reich eine direktere und nutzbarere funktionale Dimension. Bis zum logischen Ende durchgeführt oder nicht, war sie, wenn nicht ein doppelbödiges Täuschungsmanöver, so doch ein überaus wirksames Pressionsmittel im komplexen Spannungsverhältnis Westeuropas. Anne Duggan sprach in d­ iesem Zusammenhang von einer „policy of encirclement“ 2599 gegenüber ­Alexander III. und Becket. Von einer unmittelbaren Übertrittsabsicht des Plantagenêt ins Lager der Schismatiker wie von Ficker sie vermutet hatte, ist man längst abgerückt.2600 Ob G ­ ertrud Ahlers: Welfen, S. 41 – 43 und Colette Bowie: The Daughters of Henry II and Eleanor of Aquitaine, Turnhout 2014 (Histoires de famille, 16). 2597 Vgl. Ahlers: Welfen, S. 37. 2598 Es waren eben auch diese Ebenen, nicht die schismabezogene Kirchenpolitik, auf denen beide Herrscher am Ende erfolgreich waren. Siehe ebd., S. 50. Zu Friedrichs Motivlage im Speziellen: Görich: Friedrich Barbarossa, S. 408 – 411. 2599 Duggan: Becket, S. 112. 2600 So einst vertreten von Ficker: Reinald, S. 73. Gegenstimmen erheben Haller: Papsttum III, S. 191 f.; Warren: Henry, S. 493; Smalley: Schools, S. 147; Reuter: Schism, S. 129 – 137; Ahlers: Welfen, S. 49 – 52; Georgi: Friedrich, S. 148. Rill: Eide, 13,19 sieht

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Maria Essers am anderen Extrem stehende Gegentheorie von der unbedingten Alexandertreue Heinrichs II. gestützt werden kann, wird zu prüfen sein.2601 In jedem Fall führte der Weg von Rouen und Westminster Rainalds hochkarätige kaiserliche Gesandtschaft direkt nach Würzburg, wo der K ­ aiser und seine Reichsfürsten, weltliche wie geistliche, am 23. Mai zusammengetroffen waren, um über die weitere Haltung in der Kirchenspaltung zu beraten. In Begleitung der englischen Gesandtschaft platzte Rainald von Dassel am Pfingstmontag 1165 in eine rege Diskussion. Mehrere Quellen belegen für damals eine starke alexandrinische Tendenz unter den Fürsten und im Reichsepiskopat, die sich seit dem Tod Viktors IV. erhärtet hatte.2602 Friedrich selbst, aus verschiedenen Gründen grundsätzlich gewillt, für die Durchsetzung seines kaiserlichen Papstkandidaten zu streiten, sah sich damit konfrontiert, dass die Zersetzung von dessen Anhängerschaft unter den Potentaten des Reiches und damit die wachsende alexandrinische Opposition auch ein Hindernis für die militärische Durchsetzung seiner eigenen Restitutionspläne in Italien bedeutete. Der Reichstag war gespalten, der K ­ aiser, der sich durch seine Anerkennung Paschalis’ III. in eine Pattsituation manövriert hatte, schwankte. Dabei ist sich die Forschung nicht einig, in w ­ elche politische Richtung er neigte. Während ein Großteil davon ausgeht, dass die außenpolitischen Zwänge ihn stark unter Druck setzten, sieht Laudage zum einen auch den innenpolitischen Konsolidierungseffekt der englisch-deutschen Entente sowie ihren Charakter als Druckmittel gegen Alexander III., lehnt aber aufgrund des bei Johannes von Salisbury berichteten Treuevorbehalts ab, dass sie als solches gegen den französischen Kontrahenten dienen sollte. 2601 Vgl. Esser: England, S. 48 – 66. Ähnlich bewertet auch Vollrath: Lüge (S. 161 – 171) die Position Heinrichs II. 2602 Vgl. MTB 5, Nr. 98, S. 184. Siehe Friedrichs eigene Worte an den Abt von Stablo aus dem Juni 1165: Nr. 483. Sicut novit dilectio, in: MGH D F I, S. 401: ad curiam Wirzeburch […] ubi inter cetera de sancte ecclesie statu et precipue de negotio domini Paschalis pape, quod in cordibus multorum dubium habebatur, communicato universorum consilio, principium videlicet, et omnium clericorum atque laicorum, qui aderant, feliciter et magnifice roboravimus. Becket wurde schon einen Monat zuvor, im April 1165, von Kardinal Oddo triumphierend darüber unterrichtet, dass die viktorinische Partei auf die Trias Barbarossa – Rainald von Dassel – Heinrich der Löwe zusammengeschrumpft sei, während sich der Großteil der Reichsfürsten, weltlich wie geistlich, auf Seiten des alexandrinischen Erzbischofs von Mainz sammelten. Siehe Nr. 82. Significamus vobis dominum papam, Otto cardinalis ad Thomam Cantuariensem, in: MTB 5, S. 159: Maguntino concordant per omnia Treverensis, et Salisburgensis, et fere reliqui principes omnes, sicut dicunt, tam saeculares quam ecclesiastici, excepto imperatore et Coloniensi et duce Saxoniae. Letztlich auch das Opusculum ad cardinales des Gerhoch von Reichersberg, der die Unversöhnlichkeit der Ratgeber beider Parteien für die Weiterführung des Schismas verantwortlich machte: siehe Gerhohi praepositi Reichersbergensis libelli selecti. Opusculum ad cardinales, ed. E. Sackur, in: MGH Ldl 3, S. 408.

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in den abgesagten Verhandlungen des Kaisers mit Ludwig VII. eine klare Orientierung auf England und eine Perpetuierung des Schismas.2603 Würzburg erschien ihm dabei als eine „letzte Konsequenz aus den durch Rainalds Legation vorgegebenen Handlungsmaximen“ 2604. Von vorrangigem Interesse für unsere Fragestellung ist allerdings weniger die Motivlage des Stauferkaisers als die des Königs von England sowie der nachweislich in Würzburg abgelegte Eid.2605 Den Kern der Frage nach den kirchenpolitischen Plänen des Heinrich Plantagenêt bilden drei Aspekte, die seit langem kontrovers 2603 Exemplarisch für das Lager der ‚Versöhnungstheorie‘: Esser: England, S. 49; Warren: Henry, S. 493; Georgi: Friedrich, S. 122 – 126; Görich: Friedrich Barbarossa, S. 408 f. Die Gegenposition nimmt Laudage: Alexander, S. 157 f. ein: „Zwar verkündete Rainald von Dassel noch im April oder Mai 1165 eine erneute Legation des Kaisers an den französischen Hof für die Zeit nach dem Würzburger Hoftag an und drängte den Kapetinger, den ‚Häretiker und Schismatiker Roland‘ endlich fallen zu lassen. Aber das auf dem Würzburger Hoftag aufgesetzte kaiserliche Manifest [i. e. MGH D F I 480] läßt keinen Zweifel daran, daß Friedrich den französischen König in der Frage des Papstschismas für unbehlehrbar hielt. Man sieht: Auch wenn Wichmann von Magdeburg im Frühjahr 1165 mit zwei Kardinälen Alexanders in Compiègne konferierte, so berechtigt nichts zu der Annahme, Barbarossa habe damals eine Versöhnung mit dem Papst angestrebt. Es ist ebenso sicher, daß man im alexandrinischen Lager bis in den Juni hinein illusionäre Friedenshoffnungen hegte.“ Bedauerlicherweise schwächt Laudage sein Argument, indem er nicht weiter auf die Verhandlungen in Compiègne und ihren Hintergrund eingeht. 2604 Ebd., S. 158. 2605 Die wie auch immer geartete Eidleistung kann durch mehrere Berichte und Kommentare in zeitgenössischen Quellen zum Hoftag von Würzburg aber auch durch verschiedenste kaiserliche wie alexandrinische Zeugnisse englischer Provenienz als historisch gesichert gelten. Siehe: Die Manifeste und Schreiben Friedrichs I. vom 1. Juni 1165 an Heinrich von Troyes und alle geistlichen und weltlichen Großen und Getreuen sowie Domkapitel, Klerus und Ministerialen von Passau und den Abt von Stablo berichten von einem im Namen Heinrichs II. geleisteten eidlichen Abschwur von Alexander und einem Bekenntnis zu Paschalis III. Siehe MGH D F I 480, S. 397: Ad hec honorabilis legati illustris amici nostri Henrici gloriosi Anglorum regis ad nos ab ipso transmissi in totius curie nostre presentia super sanctorum reliquias ex parte regis Anglie publice nobis iuraverunt, quod rex ipse cum toto regno suo in parte nostra fideliter stabit, dominum papam Pascalem, quem nos tenemus, nobiscum semper tenebit, de Rolando autem scismatico manutenendo nullatenus de cetero se intromittet. Ähnlich: MGH D F I 481, S. 299; MGH D F I 482, S. 400 und MGH DD F I 483, S. 402. Ebenso der als Epistola amici ad Alexandrum papam bekannte Bericht eines anonymen alexandrinischen Parteigängers. Edition: MTB 5, Nr. 98, S. 185 bzw. MTB 5, Nr. 99, S. 189. Die becketnahen Chronik des Gervasius von Canterbury (GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 206) und die Vita des Wilhelm von Canterbury (WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 52 f.).

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diskutiert werden: Der Auftrag, mit dem die königlichen Beamten Richard von Ilchester und Johannes von Oxford im Gepäck gen Süden reisten, die Natur des von ihnen geleisteten Schwurs und die ungewöhnliche Form der Würzburger Eide als solcher. Der üblicherweise gut unterrichtete Robert von Torigny berichtet: Exactis itaque sacramenta et datis, rex postea misit suos legatos in Alemanniam, qui ab imperatore et satrapis suis eadem sacramenta de conventionibus, quae inter eos convenerant, acciperent.2606 Die umständliche Formulierung legt nahe, dass die englische Legation ins Reich reiste, um eben das von den deutschen Fürsten und dem K ­ aiser zu fordern, was von englischer Seite wahrscheinlich schon in Rouen und Westminster erfolgt war: eine verbindliche Beeidung des politischen Beistandspaktes als dessen sichtbares Unterpfand die ausgehandelten Ehebündnisse der Herrscherkinder dienten. Diese Lesart vertrat zunächst Gertrud Maria Esser, die Heinrich II. etwas zu voreilig unbedingte Alexandertreue attestierte. Für sie legten Richard von Ilchester und Johannes von Oxford eigenmächtig, ohne Auftrag oder Wissen ihres Herrn, einen Obödienzeid auf Paschalis III. ab. Die in Würzburg zu bestätigenden Eide hätten sich nur auf die Heiratsverträge bezogen. Ein anderslautender Auftrag ergäbe sich aus keiner anderen Quelle außer der wahrscheinlich erst 1173 oder 1174 fertiggestellten Becketvita des Wilhelm von Canterbury, der per se als Mitglied der monastischen Kongregation von Christ Church eine radikal antikönigliche Neigung zur Diffamierung Heinrichs II. verfolgt habe.2607 In Wilhelms Vita heißt es, die Gesandten s­ eien von Heinrich mit der Vollmacht ausgestattet worden, Alexander III. „Treue und Gehorsam abzuschwören, falls der ­Kaiser es für gut befinden würde“ 2608. In Anbetracht der radikalen Position Die Verurteilungen des Johannes von Oxford als Schismatiker in den Briefen des ­Johannes von Salisbury ( JvS II , Ep. 168, S. 112). Zur Präzisierung der Eidesformel Johannes von Salisbury ( JvS II , Ep. 177, S. 182 f.) und Thomas Becket (Nr. 195, in: MTB 5, S. 388). Ebenso dessen Sentenz der am 12. Juni 1166 in Vézelay ausgesprochenen Exkommunikation über Richard von Ilchester und Johannes von Oxford, der in haeresim damnatam incidit praestando juramentum schismaticis, quo schisma jam fere emortuum in Alemannia revixit (Ep. 78. Fratres mei dilectissimi, in: CTB I, S. 310 f.) und die mit dem Schismatiker Rainald von Dassel verkehrten. 2606 RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 356. 2607 Vgl. Esser: England, S. 50, 55 – 57. 2608 Volle Passage in WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 52 f.: et se ab Alexandro papa, quem iam Dominus, Romanae miser[a]tus Ecclesiae, in sedem suam revocarat, abalienavit. Unde dolorem suum in fide vindicaturus, clericos duos, Joannem videlicet de Oxeneforia, et Ricardum de Ivelcestria, misit ad imperatorem Alemaniae Fredericum, qui coacte consilio de pace Romanae Ecclesiae tractabat, mandans, quod si nomen et oboedientiam Alexandri papae abjuraret, participem se schismatis haberet, de consilio Coloniensis archiepiscopi, qui Octaviano

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ihres Verfassers und der Charakteristika der Klostergeschichtsschreibung ist Esser überzeugt, dass Wilhelm hier die zukünftige Eidleistung rückwärtig in einen vorhergehenden Auftrag Heinrichs umgewandelt hatte.2609 Diese Deutung ist aus Essers königsfreundlicher Haltung heraus verständlich, doch muss wirklich so weit gegangen werden? Es ist nicht zu leugnen, dass ­Wilhelm von Canterbury den Geschehnissen einen gewissen Zuschnitt gab, doch folgt die Darstellung, ihres polemischen Stachels entkleidet und mit nüchternerem Blick betrachtet, einer gewissen Logik. Könnte der Auftrag des englischen Königs nicht auch eine Anweisung für den Notfall dargestellt haben? Eine Art ‚Plan B‘ für den wahrscheinlichen Fall, dass man am Kaiserhof weitergehende Zugeständnisse verlangen würde? Die so bedeutende binationale Entente hätte Heinrich II. keinesfalls aufs Spiel setzen wollen. Ein öffentliches Liebäugeln mit dem Lagerwechsel hätte die Hebelwirkung gegenüber Alexander III . und Frankreich nur verstärkt, wohingegen dessen faktische Umsetzung Zukunftsmusik war. Zeugnisse wie ein Lobpreis der memorablen Verdienste des Herrschers aus einem Schreiben Alexanders III. vom 20. Dezember 1166 zeigen, dass man es noch nicht eilig hatte, Heinrichs alexandrinische Gesinnung zu beweisen.2610 Seit Haller wurde daher eine ernsthafte Intention Heinrichs II. zum Wechsel ins kaiserliche Lager nicht mehr diskutiert, sondern eher ein diplomatisches Doppelspiel von Seiten des zeitgleich mit Alexander III. in Verhandlung stehenden Plantagenêt angenommen.2611 Essers These vom in Würzburg zu bestätigenden politischen exstincto successorem iam suscitaverat consensit. Jurantibus itaque cum imperatore optimatibus, et episcopis quibusdam volentibus, quibusdam obtrectantibus, et usque in lacrymas renitentibus, nuntii quoque reis ex persona ipsius in consimilem formam iurarunt. Übersetzung nach Esser: England, S. 56. 2609 Vgl. ebd. 2610 Nr. 258. Magnificentiae tuae nuntios, in: MTB 6. Weitere von Esser angeführte Beispiele sind Heinrichs ans Kardinalskollegium adressierte Antwort (MTB 6, Nr. 255, S. 79 f.), in einem Schreiben an einen nicht näher benannten Kardinal von Heinrich selbst geäußerte Entschuldigung im Umgang mit den Schismatikern, die Apologie Rotrods von Rouen zugunsten des Herrschers (MTB 5, Nr. 101) und eine Unschuldsbeteuerung Gilbert Foliots (MTB 5, Nr. 108, S. 206). Darin versichert der Bischof von London Alexander III . die Unkenntnis seines Königs über die Exkommunikation des deutschen Kaisers und seinen Bereitschaft zur Reue. Heinrichs II . Behauptung, von der Bannung des Kaisers nichts gewusst zu haben, sieht Rill: Eide, S. 15 als widerlegt. Letztlich bezieht sich Esser auf Heinrichs Geleitgesuch an Rainald von Dassel aus dem Jahr 1166 (MTB 5, Nr. 213), das bezeuge, „daß sich Heinrich II . bis Mitte 1166 noch nicht von Alexander III . zurückgezogen hatte.“ (Esser: England, S. 58, 62 – 66). 2611 Vgl. Haller: Papsttum III, S. 191 f.; Rill: Eide, S. 14 f. oder Ahlers: Welfen, S. 49.

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­Beistandspakt wurde von Warren aufgenommen und von Hanna Vollrath, deren Argumentation im Folgenden kurz rekapituliert werden soll, argumentativ ergänzt.2612 Ihrer Suche nach der wahren Natur der von den englischen Legaten abgelegten Eide von Würzburg legt auch Vollrath das Zeugnis des Johannes von Salisbury über die nirgends sonst verbürgte Unterredung z­ wischen K ­ aiser und dem englischen Abgesandten Johannes von Oxford zugrunde: Nam cum Iohannes de Oxeneforda nomine regis Teutonico tiranno coniuraturus esset, et opem auxilii et consilii sacramento promitteret contra omnes homines, excepto solo rege Francorum, ait Teutonicus per interpretem, sicut attestantur magni et multi et religiosi nostrates (de prouincia dico Remensi) qui interfuerunt: ‚Rollandus, hostis ecclesiae et imperii, homo quidem est et mortalis, et omnes cardinales sui, et nullus eorum rex Francorum est; unde nullum eorum exceptum intelligo nec uolo intelligi in hac confoederatione mei et regis Anglorum. Si uos ita sentitis an aliter, puplice profiteamini.‘2613

Vollrath kommt zu dem Schluss, dass Johannes von Oxford im Begriff war, einen allgemeinen und im Wortlaut durchaus üblichen Beistandsvertrag contra omnes homines zu beeiden – mit Ausschluss des französischen Königs als Lehnsherrn für ­Heinrich Plantagenêts angevinische Festlandbesitzungen –, als ihn der K ­ aiser mit seiner Detailfrage unterbrach. Damit wären die Würzburger Eide nur eine konventionelle eidliche Bekräftigung im Rahmen der verhandelten Ehebündnisse gewesen, nicht aber schismatische Eide im engeren Sinne.2614 Sie verweist auch darauf, dass der Plantagenêt direkt nach Beckets Flucht nach Frankreich noch regen diplomatischen Verkehr mit Alexander III . unterhielt – kaum ­Zeichen eines geplanten Obödienzwechsels. Ein zeitgleich eingefädelter Lagerwechsel wäre in Vollraths Sicht zudem durch das auf Konsens z­ wischen dem König und den Potentaten ausgerichtete mittelalterliche Regierungssystem und gegenüber den Gesandten nach Würzburg ein scandalum gewesen, das diese politisch erfahrenen Männer persönlich düpiert hätte und nicht ohne Reaktion geblieben wäre.2615 Die Quellenlage weise darauf hin, dass die Eheabsprachen nicht auf einen Obödienzwechsel zielten, sondern unter einem bestimmten Treuevorbehalt vorgesehen waren, wie ihn eben auch Johannes von Salisbury erläutert.2616 2 612 Vgl. Warren: Henry, S. 493; Vollrath: Lüge. 2613 JvS II, Ep. 177, S. 182 f. 2614 Vgl. Vollrath: Lüge, S. 169. 2615 Leider bleibt sie den Beleg der „Fülle einschlägiger Beispiele“ (ebd., S. 162) für ­dieses Argument schuldig. 2616 Vgl. ebd., S. 161 f., 170.

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Ähnlich wie Esser sieht Vollrath also in den Berichten des Robert von Torigny sowie einschlägigen rechtfertigenden Aussagen von Rotrod von Rouen, Heinrich II. und Alexander III . deutliche Belege dafür, dass der in Würzburg abzulegende Eid ursprünglich als rein politisches Beistandsbündnis intendiert war.2617 Schließlich spricht Johannes von Salisbury nicht umsonst von einem Gelöbnis contra omnes homines, excepto solo rege Francorum 2618, das Johannes von Oxford in Würzburg abgelegt habe. Er steht damit aber im Gegensatz zu einer Behauptung Rotrods von Rouen gegenüber Kardinal Heinrich von SS. Nereo e Achilleo, die wahrscheinlich aus der Zeit der Würzburger Ereignisse stammt. In Pro domino rege charakterisiert der normannische Metropolit den König von England als linientreuen Monarchen und versichert Kardinal Heinrich, dass sowohl der französische König als auch Alexander III. vom englischen Versprechen von auxilium und consilium gegenüber Friedrich I. ausgenommen ­seien. Die Eheverträge ­seien also inklusive eines Treuevorbehalts gegenüber dem Papst abgeschlossen worden: Pro domino rege Anglorum omnem exhibemus securitatem, quod imperatori nec per se nec per nuntios juramentum praestitit aut promissionem quod schismatico adhaerere velit, ecclesiam relicturus; immo certi sumus, quod in illis qualibuscumque de matrimonio pactionibus, licet Theutonici super hoc laborarent per triduum, nihil unquam concedere voluit, nisi praeunte in omnibus fidelitate domini papae, et ecclesiae, et regis Franciae. Ipsi vero litteris nostris mandavimus domina imperatrix et nos, ut ab hac nota se quam citius excuset.2619

Im Gegensatz zum Zeugnis des Johannes von Salisbury soll Johannes von Oxford Alexander III . nicht explizit aus der Allianz ausgeschlossen haben.2620 Die saresberiensische Version, die eine aktive Bündnispolitik gegen Alexander III . nahelegt, bezeichnet Vollrath als „Variante aus der Gerüchteküche“ 2621. Ihre Bewertung des Eids als Standardformel eines konventionellen Beistandspaktes und ursprünglicher Vertragsinhalt ­zwischen Heinrich II. von England und Friedrich Barbarossa geht Hand in Hand mit den späteren Unschuldsbeteuerungen des Angevinen in Super his que, in dem er 1166 seine damalige wie gegenwärtige Treue gegenüber dem in Beauvais durch ihn anerkannten Stellvertreter Petri betont.2622 2617 Vgl. ebd., S. 170. 2618 JvS II, Ep. 177, S. 182. 2619 MTB 5, Nr. 101, S. 194 f. 2620 Vgl. JvS II, Ep. 177. 2621 Vollrath: Lüge, S. 169. 2622 Vgl. MTB 6, Nr. 255, S. 78 f.: In integritate autem gratiae et dilectionis domini papae libenter perseverare volumus et affectamus, si nobis et regno nostro eundem honorem et honoris et

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Vollraths Schlussfolgerung, dass aus dem Brief des Saresberiensis zum Würzburger Wortwechsel „deutlich hervorgehe, daß nicht einmal Johann von Salisbury, der treue Becket-Anhänger und Feind Heinrichs II., der Meinung war, der Obödienzwechsel Heinrichs II. sei der eigentliche und ursprüngliche Inhalt des Vertrages gewesen“ 2623, ist allerdings nur insofern plausibel, als dass eine schismatische Dimension des Eides eben nicht ursprünglicher Ausgangspunkt des Eides war. Denn weitet man den Fokus auf die folgende Korrespondenz des angelsächsischen Gelehrten, erfahren wir, dass Becket Johannes von Oxford in Vézelay aufgrund eines sacrilegium sacramentum 2624 vor dem ­Kaiser exkommuniziert hatte, Johannes von Oxford die Eidleistung in Würzburg betreffend sehr wohl in die Defensive ging und fortan in der Becketpartei als iurator verschrien war.2625 All dies klingt nicht nach der Überzeugung, in Würzburg sei am Ende nur ein reiner Standardpakt geschlossen worden. Missachtet man deren diffamierenden Kontext, kann man leicht zu einer Fehlgewichtung der Nachricht verleitet werden. Bezieht man ihn in die Analyse mit ein, wird deutlich, dass das Hauptaugenmerk des Johannes von Salisbury nicht auf dem Ursprungseid liegt, der von dem englischen Gesandten geschworen werden sollte, sondern auf dessen Antwort auf die provokante Nachfrage des Kaisers: Ja, auch ­Alexander III. und seine Kardinäle, also die Spitze der gesamten alexandrinischen Partei, sei im Verständnis des Königs Bestandteil des Beistandspaktes. Eben diese Bekräftigung der Opposition gegen Alexander und seine Kurie brachte Johannes von Salisbury und die Becketpartei derart gegen den Dekan von Salisbury auf, dass die Vorgänge als aktive Auflehnung gegen Gott und ­Kirche gedeutet wurden: Quid multa? exinde aduersus Dominum et ecclesiam sic in ea confoederatione processum est. Quod etiam plenius aduertetis ex litteris michi nuper a Colonia transmissis quarum uobis exscriptum mitto […].2626

Ein Problem allerdings gibt diese Deutung des Eides von Würzburg auf: Nach den gerade gezogenen Rückschlüssen hätten die Gesandten vom englischen Königshof in dignitatis conservationem observaret quam sancti et honesti Romani pontifices viris nobilibus et potentibus, praedecessoribus nostris, exhibuerunt. Zur päpstlichen Position: Bouquet 15, Nr. 188, S. 844: Quanta mala et quot incommoda per carissimum in Christo filium nostrum Henricum, illustrem Anglorum Regem, Romanae ecclesiae et nobis acciderint […]. 2623 Vollrath: Lüge, S. 169. 2624 JvS II, Ep. 168, S. 112 f. 2625 Vgl. JvS II, Ep. 171, S. 124 f.; JvS II, Ep. 213, S. 348 f.; JvS II, Ep. 234, S. 428 – 429, 432 – 433 und JvS II, Ep. 298, S. 692 f. 2626 JvS II, Ep. 177, S. 184 f.

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dem Moment, in dem sie sich der Versammlung anschlossen, zumindest primär die Zementierung der politischen Allianz verfolgt. Allerdings stellen die dokumentarischen Kronzeugen des Würzburger Hoftags, die nun in den Fokus gerückt werden sollen, den Sachverhalt anders dar. Nur zwei Quellentexte nehmen direkten Bezug auf die Geschehnisse. Die historiographischen Zeugnisse auf deutscher wie anglonormannischer Seite halten sich sehr genau an diese beiden Hauptzeugen und liefern keine Ergänzungen.2627 Bei dem einen handelt es sich um die im Nachlauf der Zusammenkunft von einem alexandrinisch gesinnten Unbekannten an seinen Papst gesendete Epistola amici ad Alexandrum papam.2628 Die Identität des Verfassers ist bis heute nicht aufgedeckt. Von Fickers Vorschlag, hinter dem Anonymus den Überläufer Konrad von Wittelsbach zu vermuten, der frühzeitig vor der Aufforderung zur Leistung der Eide die Würzburger Versammlung verlassen hatte, stieß auf Widerspruch.2629 Möglicherweise ist der Verfasser im Umfeld der Reimser Abordnung zu suchen. Das könnte sich mit der Beobachtung decken, dass Johannes von Salisbury seine singulären Informationen zur Eidleistung des Johannes von Oxford wahrscheinlich aus Reimser Kreisen erhielt.2630 Das Schreiben ist in zwei Redaktionen von unterschiedlichem Umfang und Zuschnitt tradiert. Bei der längeren handelt es sich nach neuester Einschätzung um einen direkt an Alexander III . gerichteten Brief, bei der kürzeren um einen Augenzeugenbericht protokollarischen Charakters.2631 Entgegen der bisherigen Forschungstendenz, der Langfassung als angeblich ursprünglicheren Version und Vorlage einen größeren Quellenwert zuzusprechen, identifizierte Laudage die Kurzfassung aufgrund inhaltlicher Unstimmigkeiten, historischer Unwahrscheinlichkeiten sowie ihrer textlichen und überlieferungsbezogenen Nähe zum kaiserlichen Hoftagszirkular als den inhaltlich authentischeren und damit ­neutraleren 2627 Beispiele der Reichschronistik und -annalistik, die sich akribisch an den offiziellen Dokumenten des Kaiserhofs orientiert, liefert Reuter: Schism, S. 131, Anm. 2. Die insulare Historiographie hingegen stützt sich bevorzugt auf die Epistola amici. Siehe RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 331 f.; GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 206. 2628 MTB 5, Nr. 98 bzw. MTB 5, Nr. 99. 2629 Vgl. Ficker: Reinald, dessen These aufgrund inhaltlicher Widersprüche des Briefes in Zweifel gezogen wurde. Dazu Giesebrecht: Kaiserzeit VI, S. 443 f.; Hauck: Kirchengeschichte IV , S. 272, Anm. 4, die mehrere Möglichkeiten diskutieren, sowie Reuter: Schism, S. 33 und zuletzt Laudage: Alexander, S. 160. 2630 Diese Möglichkeit erwägt auch Georgi: Friedrich, S. 427, Anm. 26. 2631 Vgl. Laudage: Alexander, S. 161. Für beide Versionen ist die Edition der Rolls Series zu empfehlen: MTB 5, Nr. 98 (Langfassung) beziehungsweise MTB 5, Nr. 99 (Kurzfassung).

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­Kerntext.2632 Diese kürzere, aber in vielen Aspekten glaubwürdigere Version zirkulierte über die Becketkorrespondenzen auch im englischen Bereich, wo sie ­später von der Chronistik aufgegriffen und teils massiv und gezielt interpoliert wurde.2633 Da sie bereits vor den offizielleren Darstellungen von kaiserlicher Seite an der alexandrinischen Kurie vorlag, bildete die Epistola amici die Basis, auf der der Sieneser die Würzburger Ereignisse beurteilen musste.2634 In großer Detailfreude berichtet der Anonymus, dass in den ersten Tagen des Konzils noch über einen Frieden mit Alexander III . verhandelt worden war. Die versöhnliche Atmosphäre habe mit dem plötzlichen Eintreffen Rainalds von Dassel ein jähes Ende genommen.2635 Nachdem der Erzkanzler darauf hingewiesen habe, dass gegen den Konkurrenten auf der Cathedra Petri nur eine schärfere Linie Erfolg zeigen würde, habe er den Vorschlag unterbreitet, der ­Kaiser solle zur Bewältigung der Schismaproblematik und der Schwächung des Mainzer Erzbischofs und anderer Alexandriner im Reich klare Verhältnisse schaffen und Alexander III. abschwören.2636 2632 Vgl. MGH D F I 480. Laudage: Alexander, S. 164, Anm. 71 listet die Berührungspunkte im Einzelnen auf. Die gesamte, in wenigen Argumentationspunkten (etwa dem Fehlen einer Tendenz gegen Rainald von Dassel) anfechtbare, quellenkritische Einordnung bei ebd., S. 160 – 164. 2633 Das beste Beispiel ist RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 331 f. Die redaktionellen Bearbeitungen des sogenannten „Hofchronisten“ (siehe John Gillingham: The Cultivation of History, Legend and Courtesy at the Court of Henry II, in: Ruth Kennedy/ Simon Meecham-Jones (Hg.): Writers of the Reign of Henry II . Twelve Essays, New York 2006, S. 25 – 52, hier: S. 31 f.) Heinrichs II. dienen größtenteils der Exkulpierung des englischen Königs und der Beschuldigung des kaiserlichen Beraters und proditor et traditor (RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 331) Rainald von Dassel, ein Aspekt, der auch in der zeitgenössischen Korrespondenz eine wichtige Rolle spielte. Ebenso bemüht er sich um Verschleierung der Intensität deutsch-englischer Beziehungen zu dieser Zeit. Erst Roger Howden überlierfert das vollständige Dokument in Howden Chronica I, ed. Stubbs, S. 244 – 248. 2634 Die früh verfasste königsfreundliche Apologie des Rotrod von Rouen an Kardinal Heinrich von SS. Nereo e Achilleo bezieht sich bereits eindeutig auf Aussagen der Epistola, nicht aber auf den Inhalt des Rundschreibens. Siehe MTB 5, Nr. 101, S. 195. 2635 Siehe dazu im Detail die Ausführungen von Georgi: Friedrich, S. 126 – 129 zum ursprünglichen Konzept und den Plänen Friedrich Barbarossas in den Vorverhandlungen mit dem englischen Königshof. Er stützt sich in seiner Einschätzung auf die plötzlich erfolgte Flucht des Mainzer Elekten Konrad von Wittelsbach vom Reichstag, Aussagen des Gerhoch von Reichersberg über vertrauliche Gespräche mit dem ­Kaiser und die laufenden diplomatischen Beziehungen des Kaiserhofs zur alexandrinischen Kurie. 2636 Vgl. MTB 5, Nr. 99, S. 188 f. Es gab alexandrinisch gesinnte Kräfte im Reich, auch wenn sich diese aus Furcht vor dem ­Kaiser, wie der Tractatus de scismaticis (Tractatus de scismaticis, ed. Dieterich/Böhmer, S. 115, Z. 20 – 22) nahelegt, nicht offen erklärten. Zu den

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Als Hauptargument und Ansporn präsentierte er in aller Öffentlichkeit eine Behauptung, die den Umschwung auf dem Hoftag bringen sollte: En ego acquisivi parti nostrae quinquaginta episcopos cum archiepiscopis suis, et plures numero, de dominatione regis Angliae, qui papae Paschali adhaerebunt et nobis, si vos Alexandri obedientiam, et eo decedente cujusque de parte ejus electi, abjuraveritis. Inque certitudinum hujus rei ecce praesentes assunt duo nuntii regis Angliae, parati in persona domini sui jurare quod ratum habebit et jurabit quod vos hic jurabitis super hoc et statuetis.‘2637

Daraufhin soll Erzbischof Wichmann von Magdeburg als Grundbedingung für die Leistung eines Eides und als Faustpfand für Rainalds aufrichtige Bereitschaft zur Unterstützung Paschalis’  III. die Bischofsweihe des Kölner Elekten durch eben diesen gefordert haben. Rainald habe sich zunächst gesträubt, dann aber, nachdem ihn der wütende K ­ aiser als Verräter bezichtigt und für die eigenmächtige Erhebung des zweiten kaiserlichen Papstprätendenten verantwortlich gemacht habe, zähneknirschend gefügt. Daraufhin hätten alle weltlichen und geistlichen Fürsten, von denen die wichtigsten aufgelistet werden, – wenn auch besonders von bischöflicher Seite zum Teil unter Protest und Zwang – den Eid auf Paschalis III. abgelegt. Einige hätten sogar nur unter der Bedingung geschworen, dass sie sich durch die Niederlegung ihrer Regalien aus der Verpflichtung gegenüber dem kaiserlichen Kandidaten freimachen könnten. Offizielleren Charakter als die Epistola amici hatten die Enzykliken, mit denen Friedrich Barbarossa im Anschluss an den Hoftag die Ergebnisse des Reichstags verkündete. Dabei trug der ­Kaiser Sorge dafür, dass bekannt wurde, dass er erneut ­Paschalis III. und seine Nachfolger anerkannt hatte und niemals dasselbe für ­Alexander III. tun werde. Die weltlichen Fürsten schworen, keinen ­Kaiser zu wählen, der nicht gleichgesinnt war. Die anwesenden Mitglieder des Episkopats legten ebenfalls den Obödienzeid auf Paschalis ab, wobei die Elekten unter ihnen sogar ihre Ordination aus dessen Hand empfangen mussten. Persönliche Abwesenheit schützte nicht. Auch der Klerus mitsamt seinen Vasallen und Ministerialen musste sich innerhalb von sechs Wochen, einem Aufschub bis zur Oktav von Peter und Paul, auf Paschalis III. verpflichten, wenn er seines Amtes und seiner Habe nicht verlustig gehen wollte.2638 Zuletzt berichtet die Enzyklika von den englischen Gesandten: alexandrinischen Tendenzen auf lokaler Ebene siehe Jochen Johrendt: The Empire and the Schism, in: Clarke/Duggan: Pope, S. 124 f. 2637 MTB 5, Nr. 99, S. 189. 2638 Vgl. MGH D F I 480 – 483.

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Ad hec honorabiles legati illustris amici nostri H(einrici) gloriosi Anglorum regis ad nos ab ipso transmissi in totius curie presentia super sanctorum reliquias ex parte regis Anglie nobis iuraverunt publice, quod rex ipse cum toto suo regno in parte nostra fideliter stabit, dominum papam Pascalem, quem nos tenemus, nobiscum tenebit, de Rolando autem manutenendo se de cetero non intromittet.2639

Es wurde also durch die kaiserliche Kanzlei klar formuliert, dass Johannes von Oxford und Richard von Ilchester in aller Öffentlichkeit und auf die übliche Weise, die Hand auf den Reliquien, geschworen hätten, dass der englische König Paschalis anzuhängen bereit sei und Rolandus abschwören werde. Die Formulierung verleiht dem Ganzen eine deutlich kirchenpolitischere und definitivere Dimension als die Epistola amici. Das kaiserliche Informationsschreiben erging an alle geistlichen und weltlichen Fürsten und Getreuen 2640 im Reich sowie an Graf Heinrich von Troyes, der es in Westeuropa verbreiten sollte 2641. Individuellere Aufforderungen zur Ablegung der Würzburger Eide ergingen an das Passauer Domkapitel und den dortigen Klerus sowie an Abt Erlebold von Stablo 2642. In allen Versionen sind die Formulierungen über die Eidesleistungen der Teilnehmer des Reichstags und der englischen Gesandten fast identisch. Bei der Arbeit mit den Haupttextzeugen ist zu beachten, dass man beiden Quellengruppen parteiliche Tendenzen nicht absprechen kann. Besonders die Langversion der Epistola amici ist ein in manchem Detail widersprüchliches und offen gegen den ­Kaiser, aber besonders gegen Rainald von Dassel, polemisierendes Schriftstück, in dem letzterer als Antreiber und Verführer der kaiserlichen Kirchenpolitik und vor allem als Urheber der Würzburger Eide gezeichnet wird. Auch der Konflikt ­zwischen ­Kaiser und Erzkanzler wird dramatisch ausgestaltet und überhöht.2643 Die Kurzversion ist zwar auch rainaldkritisch, liefert aber im Ganzen einen glaubwürdigen, 2639 MGH D F I 481, S. 399. Die Textgestalt ist fast identisch mit den entsprechenden Passagen in MGH D F I 480, S. 397 und MGH D F I 482, S. 400. Übereinstimmend mit der ­Epistola amici (MTB 5, Nr. 98, S. 191): Juraverunt et nuntii regis Anglorum in persona ejus. In der zuletzt entsendeten Ausführung an das Kloster Stablo findet interessanterweise eine Ergänzung statt: Hier haben die Gesandten nicht nur in persona regis, sondern auch im Namen von dessen Baronen geschworen. Siehe MGH D F I 483, S. 402. 2640 MGH D F I 481 (2. Juni 1165). 2641 MGH D F I 480 (1. Juni 1165). 2642 MGH D F I 482 sowie MGH D F I 483 (beide von Anfang Juni 1165). 2643 Vgl. MTB 5, Nr. 98, S. 186. Diese Dramatisierung der Aufforderung Friedrichs, Rainald möge als erster den Eid ablegen, ist „nicht an sich unglaubwürdig, trenne man z­ wischen Bemerkungen, die im Rahmen einer angespannten und wichtigen politischen Debatte geäußert wurden und durchdachten Urteilen“ (Reuter: Schism, S. 135). Auf Inkonsistenzen, zum

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neutraleren Bericht, der auch den damaligen Entwicklungen und Spannungen im Reichsepiskopat Rechnung trägt. Sie sollte nicht als unglaubwürdige Fabrikation verworfen werden.2644 Vollrath konnte zeigen, dass es sich nicht, wie es die ausschließliche Überlieferungssituation innerhalb der Briefsammlungen des exilierten Erzbischofs von Canterbury nahelegen könnte, um eine Fälschung aus dem Becketkreis handelte, sondern ein Einzelstück der Epistola amici im Kreis der Unterstützer des englischen Primas zirkulierte, auf das beispielsweise auch Rotrod von Rouen rekurrierte.2645 Zudem ist im Falle einer Becketschen Manipulation oder Fälschung ein dezidiert kritischerer Ton gegenüber der Rolle der englischen Legation und ihres Auftraggebers, Heinrich II., zu erwarten. Stattdessen werden die englischen Höflinge zu reinen Randfiguren der Auseinandersetzung ­zwischen ­Kaiser, Kanzler und Reichsfürsten.2646 Bezüglich der Würzburger Zirkulare, die Überlieferungsgeschichte und Berichtsgegenstand zweifellos als authentische zeitgenössische Zeugnisse ausweisen, ist nach Laudages Einschätzung fraglich, ob sie als eine „bis in die letzte Einzelheit zuverlässige Quelle“ oder „das Ergebnis einer von allen Teilnehmern des Hoftags vorbehaltslos gebilligten Politik“ 2647 akzeptiert werden können.2648 So wurde vielfach bemerkt, dass sie die Einstimmigkeit des Beschlussfindungsprozesses auf dem Reichstag unnötig und

Beispiel bezüglich der Anwesenden, weisen sowohl Reuter (ebd., S. 132 f.) als auch Laudage: Alexander, S. 164 f. hin. 2644 So geschehen durch Haller: Papsttum III, S. 190 f. („Sogar von einem heftigen Zusammenprall ­zwischen K ­ aiser und Erzbischof hat man zu erzählen gewußt […]. Das sind Klatschereien wie sie in Kampfzeiten zu gedeihen pflegen, Fabeleien, mit denen die Parteien sich selbst Mut zu machen und den Anhang des Gegners zu erschüttern suchen, in ­diesem Falle voll innerer Unmöglichkeit und im Widerspruch mit dem Bilde, das die Tatsachen zeigen.“). Zugunsten der Epistola amici, insbesondere in ihrer Glaubwürdigkeit, was die Zerrissenheit des Reichsepiskopats angeht, argumentiert en detail: Reuter: Schism, S. 133 f. 2645 Vgl. Vollrath: Lüge, 163 bzw. 168 und MTB 5, Nr. 101, S. 195. Das zeigt z. B. Rotrods darin enthaltene Stellungnahme zu der einzig in der Epistola aufgeführten Behauptung Rainalds, er habe fünfzig englische Bischöfe für Paschalis III . gewinnen können: Ex verborum tenore perpendere potestis dictorum falsitate; quia quinquaginta episcopos; quod exhiberet, rex non habet. 2646 In dieser Beobachtung schließe ich mich Vollrath: Lüge, S. 164 f. an. 2647 Beide Zitate: Laudage: Alexander, S. 159. Laudage folgt in dieser Einschätzung Ulrich Peters: Die äußere Kirchenpolitik Friedrich Barbarossas bis zum Tode Rainalds von D ­ assel, Hamburg 1910 (Wissenschaftliche Beilage zum Bericht des Klosters St. Johannis über das Schuljahr 1909/1910), ab S. 51 und Haller: Papsttum III, ab S. 189 sowie S. 511 – 512. 2648 Die Authentizität der vier Rundschreiben erweist Vollrath: Lüge, S. 167 anhand ihrer Überlieferungsgeschichte.

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willentlich glätten und überbetonen.2649 Vom Widerstand gegen die eher ungewöhnliche Aufforderung zum flächendeckenden Eid oder der von der Epistola amici eingeräumten Weigerung Wichmanns von Magdeburg ist keine Rede. Stattdessen wird bedingungslose Einmütigkeit auf allen Seiten suggeriert.2650 Bei der Abfassung der Manifeste wurde eine Mitverfasserschaft Rainalds von Dassel vermutet – sie könnte die gesetzten Schwerpunkte erklären.2651 Der Aussagewert der Rundschreiben wurde in einem weiteren Faktor auf den Prüfstand gestellt: So rückte bei Vollrath die Frage, ob „Barbarossa wahrheitsgemäß berichtet [habe], als er durch Rundschreiben bekanntmachte, die Gesandten König Heinrichs von England hätten im Namen ihres Königs und für dessen ganzes Volk dem Gegenpapst Unterstützung zugesagt“ 2652 in den analytischen Vordergrund. Erlaubt man Zweifel an der unbedingten Wahrheitsliebe des kaiserlichen Schriftstücks, führt dies unweigerlich zu den erhaltenen Reaktionen auf die Behauptungen der kaiserlichen Kanzlei, der Obödienzschwur auf Paschalis III . sei von den Engländern abgelegt worden. Kronzeuge und erster Gewährsmann ist dabei die bereits erwähnte, unter dem programmatischen Incipit Pro domino rege verfasste Apologie des Rotrod von Rouen an Kardinal Heinrich von SS. Nereo e Achilleo.2653 Die Datierung des Briefes kann nicht enger gefasst werden als zum Jahr 1165, doch macht der sanft rechtfertigende Ton des Schriftstücks wahrscheinlich, dass die Niederschrift vor Bekanntwerden der offiziellen kaiserlichen Meldungen, aber zeitnah zu Informationen über die Würzburger Vorgänge geschah, die durch erste an der alexandrinischen Kurie kursierende Gerüchte oder die Epistola amici verbreitet wurden. Rotrod räumt 2649 Derartige Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Quelle äußern Ficker: Reinald, S. 131 – 136; Reuter: Geschichte II , S. 197 – 200, 584 – 586; Giesebrecht: Kaiserzeit V,2, S. 462 – 466; Giesebrecht: Kaiserzeit VI, S. 442 – 445; Paul Justin Knapke (Hg.): ­Frederick Barbarossa’s Conflict with the Papacy. A Problem of Church and State, Diss. phil. Universitas Catholica Americae, Washington, DC 1939, S. 72; Herkenrath: ­Reinald, S. 287 – 302; Georgi: Friedrich, S. 123. Neuestens Vollrath: Lüge, S. 165 und ihr zustimmend Uebach: Ratgeber, S. 269 mit dem Verweis darauf, dass auch in Pavia und an anderen Hofgerichten gerne Testatlisten als Mittel genutzt wurden, um statt eines auf dem Hoftag gemeinschaftlich „fixierten Konsenses“ (Schneidmüller: Herrschaft, S. 72) einen „inszenierten Konsens“ (Kölzer: Hof, S. 13) zu zeigen. 2650 Die ausgeschmückte und noch rainaldfeindlicher orientierte Langversion der Epistola amici behauptet gar, dass außer Hermann von Verden der gesamte Episkopat seine Regalien zur Disposition gestellt hätte, um nicht den Eid ablegen zu müssen. Siehe MTB 5, Nr. 98, S. 187. Quellenkritische Einordnung der Aussage: Laudage: Alexander, S. 165. 2651 Vgl. die Anmerkungen der Editoren in MGH D F I 480, S. 395 f. 2652 Vollrath: Lüge, S. 167. 2653 MTB 5, Nr. 101.

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darin ein, selbst noch nicht ausreichend aus erster Hand informiert zu sein, da er die Rückkehr der Würzburger Gesandtschaft noch erwarte.2654 Diese hatte sich nämlich von Würzburg aus zunächst auf den Weg über die Alpen zur alexandrinischen Kurie gemacht.2655 Es kann also davon ausgegangen werden, dass der normannische Metropolit damals zwar über Pläne, Ziele und Mandat der Legation, aber noch nicht darüber unterrichtet war, was sich in Würzburg tatsächlich zugetragen hatte. Aufgrund dieser lückenhaften Informationslage ist die Glaubwürdigkeit des Schriftstücks in Zweifel gezogen worden.2656 Für Duggan war Rotrods Brief eine vom König gelenkte und beauftragte Apologie und der Erzbischof damit ein papstfeindlicher Royalist.2657 Seine Versicherung, Heinrich habe sich weder persönlich noch durch die Gesandten auf die Seite des Gegenpapstes geschlagen, sieht sie durch die übereinstimmenden Berichte der zwei anderen Parteischriften zum englischen Treueeid widerlegt. Dass weder die Epistola amici noch die Enzykliken objektive Zeugnisse darstellen, wird nicht berücksichtigt. Einen eigenmächtigen schismatischen Eid der Gesandten ohne königlichen Auftrag schließen Duggan und Vollrath jedoch aus.2658 Es mag also sein, dass der Erzbischof von Rouen mit seiner schnellen und frühzeitigen Königsapologie größeren Schaden verhindern wollte, ohne wirklich zu wissen, ­welche Verfehlungen im Reich durch Richard von Ilchester und Johannes von Oxford begangen worden waren. Doch es geht zu weit, ihn deshalb in Opposition Alexanders III. zu stellen. Rotrod von Rouen gilt als „reconciliatorische Natur“ 2659, als Vermittler z­ wischen Königshof und Kurie und ein Vertrauter des Papstes mit ähnlichen Positionen zur Gewaltenteilung von regnum und sacerdotium.2660 Gleichzeitig auch Metropolit des normannischen Episkopats, Kirchenfürst des angevinischen Reiches und Gefolgsmann des Königs, sah er sich wohl ehrlich daran interessiert, 2654 Vgl. ebd., S. 195: Postquam autem nuntii domini regis ab imperatore reversi fuerint, omnem rerum veritatem sollicite inquisitam vobis significare non differemus. 2655 Vgl. Esser: England, S. 52. 2656 Vgl. Foreville: Église, S. 171, Anm. 3: „Cette lettre fut écrite durant le séjour en Germanie de Jean d’Oxford et Richard d’Ilchester, c’est à dire avant qu’ait pu se répandre le bruit du serment schismatique de Würzburg, ainsi qu’en témoigne la phrase suivante: Postquam autem nuntii […]“. 2657 Vgl. The Correspondence of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury 1162 – 1170. Bd. 2: Letters 176 – 329, ed. Anne J. Duggan, 2 Bde., Oxford 2000 (OMT). Den Nachweis für diese Behauptung bleibt sie bedauerlicherweise schuldig. Bereits Ficker: Reinald, S. 76, der den Abfall Heinrichs II. von Alexander als historische Tatsache ansah, verwarf die T ­ heorie vom Entschuldigungsschreiben. 2658 Vgl. CTB II, S. 1402 f. mit Bezug auf MTB 5, Nr. 101, S. 194. 2659 Reuter: Geschichte II, S. 292. 2660 Vgl. den Briefverkehr der beiden Männer: MTB 7, Nr. 565, ab S. 85 und Nr. 624, S. 202 f.

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einer ungerechtfertigten Rufschädigung seines Königs entgegenzuwirken. Es ging darum, Wogen an der alexandrinischen Kurie zu glätten, die aus eben dieser gefährlichen Unsicherheit entstanden, die Heinrich mit dem Würzburger Manöver selbst hatte schüren wollen. Rotrods wörtliche Formulierung, der König habe „in den Heiratsverträgen nichts zugestanden […], ohne der Treue gegenüber dem Herrn Papst, der K ­ irche und dem König von Frankreich den Vorrang einzuräumen“ 2661, fällt zum einen in der Betonung der pactiones de matrimonio, zum anderen als eine direkte Reaktion auf die in der Epistola amici implizierten Vorwürfe auf. Tatsächlich folgt auch Heinrich II. eben dieser Argumentationslinie. Rotrod spricht davon, dass er und die Kaiserin Mathilde den englischen Herrscher bereits brieflich zu einer zügigen Richtigstellung aufgerufen hätten.2662 Diese Reaktion des Königs, Super his que, nahm 1166 gegenüber Rotrod und alexandrinischen Kardinälen direkten Bezug auf die im Vorjahr seitens der Kurie vorgebrachten Vorwürfe, Heinrich sei von Alexander abgefallen und habe wissentlich und willentlich Umgang mit gebannten Schismatikern gepflegt:2663 Super his quae dominus papa vos significavit, scilicet quod ab amore et devotione Romanae ecclesiae mentem et animum averteramus, in primis respondemus, quod prudentia vestra plenissime cognovit, quam sincero affectu ecclesiam Romanam et personam domini papae semper dilexerimus, et quanta pro eo fecerimus et sustinuerimus. […] Quod vero confoederationis factae cum excommunicatis nos arguit, in hoc non aestimamus nos Deum offendisse, nec obviasse rationi; quia, sicut ex ore domini papae accepimus, ipsum dominum Fredericum, Romanum imperatorem, nunquam pro excommunicato habuit, nec postea ipsum excommunicatum fuisse alicujus relatione cognovimus. […] filiam nostram filio imperatoris in matrimonio concesserimus, nec in minimo nos deliquisse credimus […].2664

Esser geht davon aus, dass Super his que verfasst wurde, als der in Wales weilende König von England aufgrund der direkten Weiterreise seiner Gesandtschaft zum alexandrinischen Papsthof nach Italien, noch gar nicht über den Verlauf des Würzburger Hoftags unterrichtet worden war.2665 Sie sieht den Schwerpunkt des Dokuments allerdings nicht in der Richtigstellung von Vorwürfen schismatischer Umtriebe:

2 661 Vgl. MTB 5, Nr. 101, S. 194. Übersetzung nach Vollrath: Lüge, S. 168. 2662 Vgl. MTB 5, Nr. 101, S. 194 f.: Ipsi vero litteris nostris mandavimus domina imperatrix et nos, ut ab hac nota se quam citius excuset. 2663 Vgl. Alexanders Quanta mala: Bouquet 15, Nr. 188. 2664 MTB 6, Nr. 255, S. 78. 2665 Vgl. Esser: England, S. 52.

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„Hauptzweck des Briefes […] war die Entgegnung auf Klagen, die Thomas Becket bei der Kurie führte wegen der Appellation der englischen Bischöfe an den Papst anläßlich der Exkommunikationen zu Vézelay und wegen seiner Vertreibung aus England.“ 2666

Sie zeigt glaubhaft auf, dass Heinrichs Entgegnungen zu seiner Haltung zu den Konstitutionen von Clarendon eben diese als ohnehin geltende königliche Verpflichtungen zementierten, und kommt zu dem Schluss, dass der Brief „alles andere als ein Entschuldigungsschreiben“, sondern „ein entschiedenes Manifest von Heinrichs II. Macht- und Rechtsstellung im englischen Kirchenstreit“ 2667 sei. Somit stehe die Erwiderung der päpstlichen Tadel, er mache mit den Schismatikern gemeinsame Sache, nicht im Zentrum. Es zeigt sich folglich, dass auch die englischen Reaktionen auf die Würzburger Eide – die Aussagen des eingeschlossen Robert von Torigny und Johannes von Salisbury – diese deckungsgleich nicht als schismatischen Obödienzwechsel, sondern als gegenseitigen und dynastisch motivierten, angevinisch-staufischen Beistandspakt definieren. Aus gut unterrichteter zweiter Hand berichtend, differenziert Johannes von Salisbury dabei, dass Heinrichs Delegationsführer in erster Instanz einen allgemeinen Bündnisvertrag zu beeiden versuchte, der letztlich durch die bohrende Nachfrage des Kaisers explizit auf Alexander III. ausgeweitet wurde. Dazu fügt sich perfekt Vollraths aus der Quellenlage gezogene Erkenntnis, dass die Beziehung z­ wischen dem Eid der Gesandten und dem Schisma durch F ­ riedrich und sein Umfeld erst nachträglich und mit manipulativer Absicht gezogen worden sei.2668 Der Wortlaut der kaiserlichen Enzyklika, der englische Herrscher habe geschworen, immer wie der ­Kaiser Paschalis III ., aber niemals den „Schismatiker Rolandus“ 2669 zu unterstützen, interpretiert sie als gezielte Umformulierung oder spitzfindige Präzisierung eines ursprünglich allgemeinen Bündnisses durch die kaiserliche Kanzlei. Letzten Endes sei diese feste Beziehung ­zwischen Schisma und angevinisch-staufischer Entente nur in den kaiserlichen Quellen greifbar, die aber, was quellenkritisch problematisch ist, zugleich eine Kampfschrift in einem Konflikt darstellten. Ist die von Johannes von Salisbury kolportierte Version über das Zustandekommen der Würzburger Eide also korrekt? Wurden die Gesandten des Hauses Plantagenêt 2666 Ebd., S. 53. 2667 Beide: ebd., S. 53 f. 2668 Besonders da diese allein in den kaisernahen Quellen vorkommen. Siehe Vollrath: Lüge, S. 170. 2669 Zitat: MGH D F I 480, S. 397. Übersetzung nach: Vollrath: Lüge. Deren Argumentation ebd, S. 169 f.

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durch den ­Kaiser und/oder seinen Chefideologen Rainald wirklich in die Eidesleistung hineinintrigiert oder war gar der englische König selbst der Initiator der ungewöhnlichen Vereidigungen in Würzburg?

3.3.4  Heinrich II. Plantagenêt als gestaltender Faktor der Würzburger Eide? Gegenüber Graf Heinrich von Troyes bezeichnete Friedrich Barbarossa persönlich die Würzburger Eidleistungen als insolita sacramenta 2670. Tatsächlich war nicht nur die persönliche Eidleistung eines Kaisers ohne Zuhilfenahme von Eidhelfern, sondern auch, anders als etwa im feudalen System anglonormannischer Prägung, die Praxis des allgemeinen Untertaneneids im Reich unüblich.2671 Wo lag der Ursprung dieser spezifischen Form der eidlichen Verpflichtung? Für Laudage, für den das oberste Ziel des Kaisers und seines ersten Ratgebers war, den Episkopat auf Paschalis III. zu verpflichten, sind die Würzburger Eide nur ein weiterer Schritt auf dem einmal eingeschlagenen Weg.2672 Auch Görich sieht sie in direkter Verbindung zur Wiederherstellung der Einheit unter den tief verunsicherten deutschen Kirchenfürsten, von denen viele aus Furcht vor Nachteilen einer Parteinahme vor einer Ordination durch den kaiserlichen Konkurrenzpapst zurückgeschreckt waren.2673 Den Hoftag von Würzburg begreifen beide somit als innenpolitische Stabilisierungsmaßnahme. Die Eide selbst, so Görich, hätten als eine „eindrucksvolle Inszenierung“ 2674 einheitlicher Obödienz gegenüber Paschalis III. gedient. Dass Friedrich persönlich die Schwurhand erhob, sei dem „Sicherheitsbedürfnis mancher seiner skeptisch gewordenen Anhänger im Episkopat“ 2675 geschuldet, denen er damit eine sichere Vertrauensbasis zur Akzeptanz des Kaiserpapstes geben wollte. Dazu, dass Friedrich einen Solidarisierungseffekt mit Paschalis innerhalb des Hochklerus erreichen wollte, passt auch eine von Johannes von Salisbury nahegelegte spitzfindige Präzisierung des durch Johannes von Oxford abgelegten Beistandseides durch 2670 MGH D F I 480, S. 397. 2671 Vgl. Georgi: Friedrich, S. 137 und Walther Kienast: Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England. Studien zur vergleichenden Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Weimar 1952. 2672 Vgl. Laudage: Alexander, S. 166. 2673 Vgl. Görich: Friedrich Barbarossa, S. 409 f. 2674 Ebd., S. 409. 2675 Ebd., S. 410. Auch von Reuter: Schism, S. 133 f. als Zugeständnis an das Sicherheitsbedürfnis des Reichsepiskopats interpretiert. Dem widerspricht Georgi: Friedrich, S. 129.

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Barbarossa.2676 Ein reines Gerücht, wie Vollrath behauptet, müsste diese keineswegs darstellen. Für eine flächendeckende Vereidigung in seinem Sinne, das heißt, auf seinen Kandidaten, könnte Friedrich, gemeinsam mit dem Kölner Elekten Rainald, durchaus eine Triebfeder gewesen sein. Man mag dagegenhalten, dass der ­Kaiser in den erhaltenen Quellen nie, nicht einmal in den königsnahen apologetischen Zeugen, als treibende oder manipulierende Kraft ausgewiesen wird. Selbst durch die Alexandriner wird er im Vergleich zur regelrechten Dämonisierung seines vordersten Beraters auffällig exkulpiert. Quanta mala bezichtigte den verbrecherischen und grausamen Blender, Rainald, als Teil des ‚unheiligen‘ Würzburger Eides, während der ­Kaiser selbst als inductus est ad detes­ tandum et profanum juramentum 2677, also als Verführter, dargestellt wird; eine von Johannes von Salisbury geteilte Sicht.2678 Auch die Epistola amici, die ja den Konflikt z­ wischen Rainald und Friedrich schildert, legt besonders in der Langversion die Alleinverantwortung für Forderung und Leistung der Würzburger Eide auf die Schultern des Kölner Elekten: Cum igitur ei talia promittenti, et ad certitudinem hujus rei duos nuntios praedicti regis praesentialiter exhibenti, de prosequendo ejus consilio suum imperator polliceretur assensum, in audientia cunctorum principum hujusmodi consilium imperatori formavit; quod ipse videlicet imperator in conspectu totius curiae propria manu juraret, quod nullo unquam totius vitae suae tempore vos, vel aliquem qui ex parte vestra sit, in pontificem Romanum recipiet, sed devotioni papae sui Paschalis inconcusse semper et inseparabiliter adhaereret; si vero illum mori Ante contingeret, hoc ipsum juramentum sui successores observarent.2679

Für die deutlichen Schuldzuweisungen der Epistola amici gegenüber Rainald von Dassel und Alexanders Bild vom verführten ­Kaiser in Quanta mala stellte Rill wohl berechtigterweise fest, man scheine „mit Absicht Rainald als den Urheber alles Bösen hinstellen zu wollen, um die Möglichkeit von Unionsverhandlungen mit dem K ­ aiser 2680 offenzuhalten“  . Diese rainaldfeindliche Auslegung der Ereignisse wirkte sich zunächst auch auf die Forschung aus. Man sah in ihm den Machtmenschen, der eigenmächtig und 2676 Vgl. JvS II, Ep.177, S. 182 f. 2677 Bouquet 15, Nr. 188, S. 884. 2678 Vgl. JvS II, Ep.186 (S. 226 f.), Ep.226 (S. 346 f.), Ep.239 (S. 454). Auch der Normanne Robert von Torigny bezichtigt Rainald, dass sein Rat multa mala faciebat (siehe RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 365). 2679 MTB 5, Nr. 98, S. 185. Ähnlich, aber weniger explizit: MTB 5, Nr. 99, S. 191. 2680 Rill: Eide, S. 9.

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rücksichtslos versuchte, persönliche kirchenpolitische Interessen wie die Perpetuierung des Schismas und den Sieg des kaiserlichen Papstprätendenten durchzupressen, indem er den Reichsepiskopat durch das Vorgaukeln einer breiten internationalen Obödienz Paschalis’ III. zu einer Verpflichtung auf den kaiserlichen Favoriten nötigte.2681 Dabei müssten nicht einmal rein kirchenpolitische Beweggründe den Ausschlag für Rainalds Bemühungen gegeben haben. Die Verbindung Kölns mit dem Hause Plantagenêt, auch heute noch durch die Statue Heinrichs II. an der Fassade des alten Rathauses in der Domstadt veranschaulicht, waren in dieser Zeit vor allem auch von wirtschaftlichem Vorteil für die Rheinmetropole.2682 Esser führt in ­diesem Kontext das Vorbild von Vienne an, als Rainald, gegenüber den geladenen Erzbischöfen die Wahrheit beugend, die Erhebung Paschalis’ III. als kaiserlich akzeptiert darstellte. 1165 habe er schlichtweg „denselben Plan […] [gefasst] und […] unter Anwendung aller Mittel – Betrug und Lüge – zur Ausführung [gebracht]“ 2683. Eine der Lügen, die die englischen Gesandten in die Enge treiben sollten, ist die berühmte Behauptung, Heinrich führe fünfzig Bischöfe in die Obödienz Paschalis’  III. Die Zahl sollte, willkürlich gewählt, lediglich eine zahlenmäßige Mehrheit gegenüber den Mitgliedern des Reichsepiskopats suggerieren.2684 Von der Auffassung, das Bekenntnis zum kaiserlichen Kandidaten sei Richard und Johannes in aller Öffentlichkeit hinterlistig durch den Kanzler abgepresst worden, hat sich die Forschung distanziert.2685 Wenn überhaupt, so habe Rainald im Einklang mit kaiserlichen Vorstellungen zur Wiederherstellung kirchlicher Einheit gehandelt.2686 Es ist aber durchaus nicht auszuschließen, dass die Initiative zur ungewöhnlichen Praxis der Eidesleistung in Würzburg an sich auf den Erfahrungsschatz des Rainald von Dassel zurückging. Mit seinen ausgeprägten kirchenpolitischen Vorstellungen könnte 2681 Vgl. Ficker: Reinald, S. 78 – 89. Den Ausführungen folgt ohne kritische Hinterleuchtung Warren: Henry, S. 492 f. 2682 Vgl. Karl Wand: Die Englandpolitik der Stadt Köln und ihrer Erzbischöfe im 12. und 13. Jahrhundert, in: Josef Engel (Hg.): Aus Mittelalter und Neuzeit. Gerhard Kallen zum 70. Geburtstag dargebracht von Kollegen Freunden und Schülern, Bonn 1957, S. 77 – 95. 2683 Esser: England, S. 49. 2684 Vgl. ebd., S. 57. Erste Kritik an dieser Aussage äußert bereits Rotrod von Rouen MTB 5, Nr. 101, S. 195. Tatsächlich kamen die kontinentalen und insularen Bischofsstühle nicht auf diese Zahl. Insbesondere wäre es Heinrich II. angesichts der alexandrinischen Ausrichtung des englischen Episkopats schwergefallen, überhaupt eine nennenswerte Zahl an Befürwortern für Paschalis III. zu finden. 2685 Besonders in Anbetracht moderner Erkenntnisse zum mittelalterlichen Legatenwesen (siehe Vollrath: Lüge, S. 161) sowie der Persönlichkeiten Ilchesters und Oxfords (siehe Rill: Eide, S. 13). 2686 Vgl. Laudage: Alexander, S. 166 und Görich: Friedrich Barbarossa, S. 409.

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dies den Elekten in den Augen der Zeitzeugen als spiritus rector der Geschehnisse erscheinen lassen haben, so dass man ihm die ideelle Verantwortlichkeit zuschrieb. Als potenzielle Vorbilder für die Würzburger Eide qualifizieren sich zwei Vorgänger. Rill und Görich entdecken in Rainalds Wirken Parallelen zu den norditalienischen Kommunen, in denen er den Treueeid, die coniuratio, auf den ­Kaiser eingefordert hatte. Darüber hinaus bringt Rill eine weitere Möglichkeit vor:2687 „Als Rainald von Dassel in Rouen und auf englischem Boden mit dem König und dessen Behörden verhandelte, hatte er sicher für die kirchenpolitische Situation Englands, in der ja viele Parallelen zu der des Reiches zu erkennen waren, ein besonders wachsames Auge. […] die Methoden des englischen Königs mußten Rainald in manchem lehrreich erscheinen. Die Rekonstruktion alter Kronrechte durch Vereidigung der betroffenen Standesgruppen bildet eine Gemeinsamkeit ­zwischen den ronkalischen Gesetzen und Clarendon. […] die Anwendung des Eides zur Verfestigung des Schismas lag im Bereich des Möglichen. Der englische Episkopat in Clarendon lieferte dazu das Modell.“ 2688

Im Inselkönigreich ­seien breite Vereidigungen ganzer Untertanenschichten nämlich keine Seltenheit, sondern ein probates Mittel gewesen. Erst in Westminster und Clarendon hatte der Angevine den Eid des gesamten Episkopats auf die Konstitutionen von Clarendon verlangt, und auch Gervasius und Wilhelm von Canterbury schildern vom König initiierte Massenvereidigungen ähnlich denen in Würzburg.2689 In fast allen kritischen Momenten seiner Herrschaft, so Rill, habe sich Heinrich des Eides bedient. Die Lehnsstruktur des Inselstaates und das Regierungssystem des Plantagenêt, in der Treueebenen weniger durch feudale Hierarchien bestimmt wurden, und auch alle Freien eidlich direkt an den König gebunden waren, bot dafür gute Voraussetzungen.2690 2687 Vgl. ebd. und Rill: Eide, S. 12. 2688 Ebd., S. 18. 2689 Vgl. GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 207 (ad annum 1168): Per totam etiam Angliam ex praecepto regis a populo juratum est, quod ad praeceptum regis faciendum forent parati; unde et congregatio episcoporum, et abbatum, et aliarum personarum ecclesiasticarum apud Londonias facta est. Sed et supprior et monachi Cantuariensis ecclesiae ex imperio regis jussi sunt ibidem adesse. Cum autem super hoc juramento faciendo convenirentur episcopi, et ipsi tam detestabile juramentum contra Deum et Alexandrum papam praestare noluissent, dilatum et infatuatum est tam iniquuum et enorme negotium, et quisque ad sua repedavit. Zudem WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 55: Abiurante itaque populo, militibus proceribusque beati Petri successorem Alexandrum per vicos, per castella, per civitates ab homine sene usque ad puerum duodennem […] revelebantur ex multis cordibus cogitationes. 2690 Vgl. Rill: Eide, S. 17. Vertiefend zum englischen Feudalsystem: Jacques Boussard: Le gouvernement d’Henri II Plantegenêt, Paris 1956 (Bibliothèque Elzévirienne N. S., Études

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Ausschließlich Georgi wies die tragende Rolle als Initiator der Würzburger Eide Heinrich II . zu. Nicht an einer Einigung mit Becket interessiert, habe der König Rainald von Dassel von einem Ausgleich abgeraten und ihm den Lagerwechsel von fünfzig Bischöfen vorgeschlagen. Die Beeidigung genau dieser englisch initiierten Neuausrichtung der kaiserlichen Politik – und eine ­solche sieht Georgi hier – durch den K ­ aiser persönlich habe Heinrich dann von seinen Gesandten sozusagen nach englischem Vorbild in Würzburg einholen lassen wollen.2691 Georgi bezieht sich dabei zum einen auf die Formulierung des Robert von Torigny, Eide ­seien ab imperatore verlangt und gegeben worden.2692 Sein zweiter Quellenbeleg, die Thomasvita des Wilhelm von Canterbury, ist meines Ermessens nicht aussagekräftig. Da sie erst entstand, nachdem die diversen Berichte und Enzykliken längst im Umlauf waren, kann sie nicht als unabhängige Quelle gewertet werden.2693 Außerdem übernimmt Georgi die Aussagen der Epistola amici ohne Einbezug quellenkritischer Bedenken.2694 Nach seiner Einschätzung wäre es also der aktiven Initiative Heinrichs II . und nicht der passiven Erfahrung des Rainald von Dassel zu verdanken, dass die Würzburger Eide in dieser außergewöhnlichen Form zustande kamen. Diese These ruht nicht nur auf sehr dünner Quellenbasis, es wäre auch zu erwarten gewesen, dass die Becketsche Polemik eine ­solche Initiative argumentativ gegen den König gerichtet hätte. Was nicht geschieht. Zwar wird Heinrich II. des Umgangs und Bündnisses mit dem feindlichen Lager beschuldigt, doch weder deren inhaltliche Ausrichtung noch deren eigentliche Ablegung der Eidleistung werden ihm persönlich angelastet.2695 Sogar Herbert von Bosham, bedeutendes Sprachrohr des Becketzirkels, interpretiert die Eidleistung vor dem K ­ aiser nicht in negativem Licht, deutete sie vielmehr als List des Königs, der durch den Rückzug in die Niederschlagung des Waliser Aufstandes,

et documents), S. 387 – 390, 406 – 409. 2691 Vgl. Georgi: Friedrich, S. 136. 2692 Vgl. RvTorigny Chronica I, ed. Delisle, S. 356. 2693 Georgi stützt sich auf folgendes Zitat in WvCanterbury Vita et Passio, ed. Robertson, S. 52 f.: Unde dolorem suum in fide vindicaturus, clericos duos misit ad imperatorem Alemannorum Fredericum, qui coacto concilio de pace Romanae ecclesiae tractabat, mandans, quod si nomen et obedientiam Alexandri papae abjuraret, participem se schismatis haberet cum episcopis et archiepiscopis suis. Ille cum schismatis fautores haberet, de consilio Coloniensis archiepiscopi, qui Octaviano extincto successorem jam suscitaverat, consensit. Jurantibus itaque cum imperatore suo optimatibus, et episcopis quibusdam volentibus, quibusdam detrectantibus et usque in lacrymas renitentibus, nuntii quoque regis in persona ipsius in consimilem formam juraverunt. 2694 Vgl. Georgi: Friedrich, S. 137. 2695 Vgl. CTB I 115, S. 558 f.

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zum Ärgernis des Staufers, den Rückzug aus dem angevinisch-deutschen Bündnis vollzogen habe.2696 Eine tiefere Involvierung Heinrichs II. von England in der Entstehung der Würzburger Eide stützt die Quellenlage also ebenso wenig wie die aktive Forcierung eines Treueschwurs auf den Gegenkandidaten des in Beauvais anerkannten Alexander. Warum aber machte Johannes von Salisbury den gesamten Würzburg-Komplex in seinem Werk so stark?

3.3.5  Platz und Instrumentalisierung der angevinisch-staufischen Bündnispolitik und der Würzburger Vorwürfe im Kontext des Becketdisputs Ausgang dieser Untersuchung war die Frage, ob die englischen Gesandten willentlich und mit ausdrücklichem Auftrag des Königs schismatische Eide in Würzburg ablegten. Nach Analyse der Quellenlage und unter Einbezug des aktuellen Forschungsstands kann konstatiert werden, dass der Würzburger Vorgang zunächst als rein politische Verbindung – manifestiert und besiegelt durch das staufisch-angevinische Doppelverlöbnis – intendiert war. Johannes von Oxford und Richard von Ilchester waren anfänglich mit der Absicht nach Würzburg gereist, eben ­dieses politische Bündnis an Königs statt durch persönliche Eidleistung zu bekräftigen, als sie bei Ablegung des Beistandseides durch Barbarossas geschickte Gesprächsführung auf dessen kirchen­ politischen Kurs gelenkt und somit zu einem Abschwur Alexanders III. angeleitet wurden. Es ist davon auszugehen, dass sie für das vorhersehbare Risiko eines geforderten Treueeids auf Paschalis III . als ultima ratio mit umfangreichen Mandaten ausgestattet worden waren. Da es Heinrich II. in der Hauptsache um die Schaffung eines Pressionsmittels gegen die alexandrinische Kurie im Becketstreit ging, wird er eine ­solche, nur halbherzig und an Stellvertreterstelle gegebene Versicherung einem Scheitern des prestigeträchtigen Eheprojekts vorgezogen haben. Ein Angebot des englischen Königs, mit über vier Dutzend seiner Bischöfe und Fürsten der Obödienz des kaiserlichen Papstprätendenten beizutreten, wie es die Epistola amici nahelegt, wurde korrekterweise schon früh von Zeitgenossen als unsinnig bezeichnet. Was die Quellenaussagen angeht, geben der alexandrinische Augenzeugenbericht und die kaiserlichen Rundschreiben, die vom englischen Abschwur von 2696 Vgl. MTB 5, Nr. 156, S. 285: animo [i. e. Friedrichs] mirabiliter consternatus est … Hinc, sicut aiunt, dissolvetur omnino amicitiae foedus quod constat in Christi morte contractum. Ich folge der Deutung von Georgi: Friedrich, S. 139.

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Alexander berichten, nur Halbwahrheiten wieder. So ist schon in der frühen Forschung gemutmaßt worden, der umtriebige Erzkanzler Rainald habe darauf hingewirkt, dass man auf Drängen des politischen Partners einen gefährlichen, als schismatisch zu interpretierenden Eid in Würzburg ablegen musste.2697 Höchstwahrscheinlich aber geschah das nicht ohne Einwirkung des Kaisers.2698 Eine Initiative des Plantagenêt, auf w ­ elche die schiere historische Existenz der Würzburger Eide zurückgeht, hat es nicht gegeben, wenn auch englische Rechtspraktiken in Verbindung mit dem kaiserlichen Wunsch nach Inszenierung einer einheitlichen Obödienz gegenüber P ­ aschalis III. im Reichsepiskopat einen Einfluss auf die ungewöhnliche Gestalt der Eide gehabt haben könnten. Nachdem Johannes’ Darstellung der Eidleistung des Johannes von Oxford vor dem ­Kaiser, bis hierher quellenkritisch auf ihre Plausibilität überprüft worden ist, soll sie nun in ihren historischen Rahmen eingeordnet werden. Generell sind ­Johannes’ Worte weniger als Kritik an Heinrich II . selbst zu deuten als vielmehr ein gern und artikuliert vorgebrachtes Beispiel der Verderbtheit des verhassten königlichen Diplo­matengünstlings. Denn der ereignisgeschichtliche und ideologische Rahmen, in dem diese Aussagen getätigt wurden, darf auf keinen Fall vergessen werden. Ab dem Juli 1166 herrschten völlig andere Vorzeichen zur Beurteilung, respektive Instrumentalisierung, der Würzburger Geschehnisse. Die Exkommunikationen von Vézelay und die darauffolgende Propagandaschlacht ­zwischen den Exilierten und den Royalisten im Episkopat schuf ein neues Klima, in dem neue Deutungsmuster an die Oberfläche traten. Wichtigste Entwicklung: eine plötzliche Verquickung reichspolitischer Angelegenheiten mit dem Becketkonflikt, die so im Jahr 1165 selbst nie stattgefunden hatte. Dass die „Kontroverse z­ wischen Heinrich II. und Thomas Becket […] nicht ohne weiteres in eins zu setzen [ist] mit dem Konflikt z­ wischen ­Kaiser und Papst“ 2699, also dass die Becketschen Quellen infolge der Ereignisse im Sommer 1166 keine lupenreinen Aussagen über die Geschehnisse des Vorjahres geben, erkannte allein Esser. Julius von Fickers Forschungen verwarf sie vehement, da in ihnen „die reichspolitischen Angelegenheiten und der englische Kirchenstreit zu einem Ineinandergreifen gebracht [würden], das in Wirklichkeit nur an einer Stelle und zu einem späteren Zeitpunkt (1166 mit der Legation Beckets und den Exkommunikationen von Vézelay) erst eintrat […]“ 2700.

2697 2698 2699 2700

So etwa Ficker: Reinald; Warren: Henry; Esser: England; Rill: Eide. Vgl. JvS II, Ep. 177, S. 182 f. Esser: England, S. 60. Ebd., S. 51.

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Tatsächlich. Beachtet man den Zeitpunkt des Einsatzes harter Polemik in Form von Anklagen schismatischer Umtriebe gegen Heinrich II . tritt Vézelay als Einfallstor hervor, seitdem sich „englischer Kirchenstreit und Würzburger Vorgänge [überschnitten]“ 2701. Die Würzburger Eide, so Esser, ­seien als Ergebnis einer List Rainalds von Dassel zustande gekommen. In Anbetracht meiner Erkenntnisse zur Entstehung der englischen Eidleistung möchte ich mich dieser These nur insoweit anschließen, als die schismatische Ausrichtung der Eide nicht von Anfang an von Königsseite geplant gewesen war. Die folgende Entrüstung des Becketkreises über den Eid des Johannes von Oxford gegen die ­Kirche habe, so rekonstruiert Esser, wiederum zur Forderung eines Richtungswechsels in der päpstlichen Politik geführt. Alexander III., fehl- und mangelinformiert über das Zustandekommen der Eide, habe Becket die Legatenvollmachten verliehen, die dieser in den Exkommunikationen von Vézelay durchsetzungsstark zur Geltung brachte. Letztes Glied in dieser Kette sei schließlich Heinrichs Geleitgesuch an Rainald von Dassel. In ­diesem reagierte der entrüstete König auf Beckets Bannsprüche – die er als Verletzungen seiner königlichen Herrschaftsbasis empfinden musste – mit der Drohung, Alexander zu entsagen, solle dieser sich nicht zu den Konstitutionen von Clarendon bekennen und Becket seines Amtes entheben.2702 Diu desideravi, das oft in direkten Bezug zu den Würzburger Ereignissen gesetzt wurde, muss also als ein aus den neuen Nöten und Verletzungen des Jahres 1166 geborenes Schriftstück und nicht als Zeugnis einer vorherigen Abkehr von Alexander III. betrachtet werden.2703 Heinrichs eigene Aussage gegenüber Rainald von Dassel, er habe „schon lange […] nach einer passenden Gelegenheit gesucht, von Alexander abzufallen“ 2704 beweist, dass er sich bis in den Sommer 1166 hinein nicht faktisch von seinem Bekenntnis zu Alexander III. abgewandt hatte. Diu desideravi spiegelte den Stammvorwurf der Becketpartei zu dem Teil der königlichen Außenpolitik wider, der Auswirkungen auf die gesamtkirchliche Spaltung hatte. Der Vorwurf, Heinrich habe sich über das kirchenrechtliche Verbot des Verkehrs mit Exkommunizierten hinweggesetzt, schien als einziger stichhaltig genug, um verstärkt angewandt zu werden. Schließlich stritten nicht einmal der Plantagenêt selbst und seine Getreuen ab, ein Bündnis mit dem K ­ aiser geschlossen zu haben. Gemeinsame Sache im Sinne eines Übertritts zur als schismatisch betrachteten Reichspartei wurde 2 701 Ebd., S. 61. 2702 Vgl. ebd., S. 61 – 66 mit Bezug auf MTB 5, Nr. 213, S. 428 f. 2703 So gesehen bei Ficker: Reinald, S. 101 oder Barlow: Becket, S. 136, der das Schreiben fälschlicherweise dem Jahr 1165 zuordnet. 2704 Vgl. MTB 5, Nr. 213, S. 428 f. Übersetzung nach Esser: England, S. 65.

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dem Plantagenêt zu keiner Zeit vorgeworfen. Es blieb bei Hinweisen auf seine Nähe zu Rainald von Dassel, dem Kaiserhof und den Suggestionen, er folge potenziell und sehenden Auges dem Weg Friedrich Barbarossas in die Exkommunikation.2705 Dass Diu desideravi als Teil der allgemeinen Anklagetaktik im Sommer und Herbst 1166 auch von Johannes von Salisbury gezielt in England und Frankreich in Umlauf gebracht wurde, verdeutlicht, dass es als gelegenes Kampfmittel gegen den englischen König und zur Verfolgung eigener Ziele im Becketkonflikt, nicht aber als Beweismittel eines royalen Übertritts ins Lager Paschalis’ III. betrachtet werden darf.2706 Das Muster wird klar: In Folge der Bannungen der englischen Gesandten in Vézelay übernahm Johannes von Salisbury die Polemik gegen den englischen Umgang mit den vermeintlichen Schismatikern und die angeblich schismatische Gesinnung des Johannes von Oxford. Eine Taktik, die auch deswegen besonders wirkungsvoll war, da zur gleichen Zeit die Popularität des Kaisers auf einen neuen Tiefpunkt gesunken sein dürfte.2707 Die Exkommunikation der Würzburger Diplomaten Johannes von Oxford und Richard von Ilchester zielte darauf ab, die Hauptakteure der königlichen Außenpolitik schachmatt zu setzen.2708 Ein polemischer Rückgriff auf den Pfingsten 1165 im Reich geleisteten Eid, und sei er nur dynastisch oder machtpolitisch motiviert, war ein geeignetes Mittel zur Verleumdung dieser unbequemen höfischen Handlungsträger. Für eine Ausschlachtung dieser Episode hatte sich im Vorfeld der Zuspitzung des englischen Kirchenstreits offenbar noch keine Notwendigkeit ergeben. Sie wurde erst ­später zum Teil jener berühmten polemischen Kontroverse z­ wischen den Royalisten im englischen Episkopat und den Anhängern des exilierten Primas, die auf ihrem Höhepunkt im Sommer 1166 und den ersten Monaten 1167 einige der berühmtesten Streitbriefe des Becketdisputs hervorbrachte.2709 2 705 Siehe exemplarisch: JvS II, Ep. 184, S. 216 – 219. 2706 Vgl. JvS II, Ep.177, S. 184 f. 2707 Vgl. Georgi: Friedrich, S. 129: „Von Bedeutung ist auch die Tatsache, daß die letztgenannten Quellenzeugnisse [d. h. kaiser- und rainaldfeindliche Briefe Johannes’ von Salisbury aus dem Jahr 1166, Anm. d. Verf.] zu einer Zeit entstanden sind, in der Friedrich Barbarossa einerseits die Beschlüsse von Würzburg im Reich durchsetzte und zum vierten Italienzug rüstete, andererseits aber auch versucht hatte, Alexander III. auf der Reise nach Rom gefangenzusetzen.“ 2708 Vgl. Duggan: Becket, S. 111. 2709 Siehe Gilbert Foliots kühle rationale Abrechnung mit Becket (Multiplicem nobis), in der er im Rahmen der Appellationen des englischen Episkopats an die Kurie seine Beweggründe für den Widerstand gegen den Primas darlegte: Foliot Letters and Charters, ed. Brooke u. a., Nr. 170. Siehe ebenso die meisterhafte Erwiderung des Johannes von Salisbury: JvS II, Ep. 187.

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3.4  Heinrich Plantagenêt als verleiteter König? Die Verantwortlichkeit von Herrscher, Episkopat und höfischen Handlungsträgern in der angevinischen Schismapolitik Bewegt man sich von den Exkommunikationen von Vézelay und den denkwürdigen Folgemonaten weiter auf dem Weg der saresberiensischen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster zu den Vorgängen und Handlungsträgern im alexandrinischen Schisma, erweist sich in der Beurteilung imperialer wie insularer Akteure die Romkatastrophe des kaiserlichen Heeres im Juli und August 1167 als Schwellenereignis. Erste Anzeichen einer Neubewertung der Schismaakteure zeigen sich allerdings schon vorher – und das mitnichten nur bei Johannes von Salisbury oder im anglonormannischen Bereich. Auch der Erfahrung des Gerhoch von Reichersberg zufolge, der 1166 das Kardinalskollegium durch einen Brieftraktat auf die Notstände aufmerksam machte, w ­ elche die fortdauernde Ausnahmesituation beim Volk schuf, war es nicht ausschließlich der ­Kaiser, dessen Opposition gegen Alexander die Krise verlängerte: Talia me secretius non semel tractante cum domno imperatore, firmissime contestatus est iure suo libentissime se contentum esse velle atque Romano pontifici hoc sibi non diminuenti humiliter favere ad regimen aecclesiae, suum vero ius diminuenti modis omnibus ac tocius regni viribus obniti velle […].2710

2710 GvReichersberg Opusculum ad cardinales, ed. Sackur, S. 408. Siehe ebenso den an das Zitat anschließenden Verlauf der Gespräche, in denen Gerhochs Bedenken gegenüber dem kaiserlichen Kandidaten von Seiten der Fürsten eine Welle der Opposition entgegenschlägt: maxime hac fidutia, quod non, sicut aiebat, sit vere successor Petri dicentis: Deum timete, regem honorificate vel imperator Christi dicentis: Reddite quae sunt caesaris cesari, et quae sunt Dei, Deo, quicunque sub nomine papali vellet non solum in clero, sed et in regno dominari quest fastuoso et fast questuoso. In hunc modum verbis Teutonicis loquente domno imperatore atque in hoc suum papam commendante, quod ille non adversaretur imperio neque federatus esset cum hostibus regni neque ipse cuperet in regno regnare vel dominare, ego eundem papam suum sic repudavi, ut Dei gratia me confortante dicerem nunquam me ille obediturum, qui a nullo cardinali episcopo esset consecratus, sed ab extraneo execratus et in cuius parte non esset corpus Domini, quod constat extra unitatem in scismate confici non posse. Hoc verbo audito commotio principum tanta fuit contra me, ut aliquis eorum comminaretur mihi suspendium, aliquis rapinam bonorum et alia huiusmodi mala, de quibus non est modo dicendum per singula, domno imperatore pacienter hec audiente neque tamen ad hec assensu malo annuente, quia, si annuisset, vita et persona mea fuisset exposita multis periculis, quae protegente me Domino tunc evasi. (ebd.).

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sowie Putabamus tamen conciliis universalibus vel consiliis familiaribus item hanc terminandam et ob hoc ipsi domno imperatori suggestum est a multis prudentibus, ut se committeret conciliorum vel consiliorum dispensationi. Quod cum fuisset ei persuasum a suis, domno papae dissuasum est a suis, et ita et diversis hinc inde consiliariis manet periculum scismatis […].2711

Gerhoch von Reichersberg nennt keine Namen. Während er allgemein von Fürsten spricht, die einem alexandrinischen Bekenntnis entgegenstehen, werden die anglonormannischen Quellen spezifischer in der Zuordnung. Erinnert sei an die Worte des Johannes von Salisbury gegenüber Gerard Pucelle: […] toti mundo fere iam innotuerit quantus contemptor ecclesiae semper, quantus incentor et ­auctor scismatis, ex quo potuit, fuit ille Coloniensis praesumptor ecclesiae […]. Defecerat enim scisma, pacem fuerat tirannus uester [i. e. K ­ aiser Friedrich] ecclesiae redditurus, nisi eum Coloniensis etiam adhuc aduersus ecclesiam incitaret […].2712

Diese Anschuldigungen entstammen ungefähr derselben Zeit wie Gerhochs Beobachtungen.2713 Parallelen in der Wahrnehmung beider Männer, auf Reichsgebiet wie im anglonormannischen Bereich, kennzeichnen ­dieses beraterzentrierte Deutungsmuster der Vorgänge als geläufig. Intensiv artikuliert wird es im englischen Bereich bezeichnenderweise erst ab Oktober 1167, dem Zeitpunkt des ersten sicheren Belegs, dass Johannes von Salisbury über das Ableben des Kölner Erzbischofs in den römischen Sümpfen unterrichtet war.2714 Es sei nicht vergessen, dass der konsensuale Charakter mittelalterlicher Entscheidungspraxis politische Schuldzuweisungen an den Beraterstab eines Herrschers zum probaten Mittel machen konnten, diesen zu entlasten, ihn in Zeiten potenzieller Annäherungen gewogen zu stimmen oder als Verhandlungspartner zu rehabilitieren.2715 Kann man hinter der plötzlichen Fokussierung des Johannes von Salisbury 2711 Ebd., S. 404. 2712 JvS II, Ep. 186, S. 226 f. 2713 Da er offenbar noch nicht über Rainalds Tod unterrichtet war, kann die Datierung der Edition ­zwischen November 1166 und dem Jahr 1167, zumindest auf den Sommer bis Herbst 1167 eingeengt werden, da er spätestens dann über das Ableben des scismaticus Coloniensis (ebd., S. 228) unterrichtet war. 2714 Vgl. JvS II, Ep. 225, S. 392 – 395. 2715 Vgl. dazu Cubitt: Individual, S. 69, die das Phänomen bereits für das frühe Mittelalter beleuchtet: „Aethelred’s moral conduct was intimately linked to the role of his councilors,

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auf die Kritik an externen Einwirkungsfaktoren einen ähnlich rechtfertigenden Gemeinplatz vermuten? War sie lediglich polemisches Kalkül und verhandlungspolitische Taktik im Becketkonflikt oder hatten die Entwicklungen den Saresberiensis dazu verleitet, die Geschehnisse anders wahrzunehmen und hinsichtlich des englischen Königs sogar genuine Unschuldsvermutungen zuzulassen? Immerhin erfuhr der angelsächsische Moralist seine Lebenswelt durch ein Gerüst klarer philo­sophischer Überzeugungen. Zur Gemeinplatzthese: Im November 1167 trafen die päpstlichen Kardinallegaten Wilhelm von S. Pietro in Vincoli und Otto von Brescia zu Vermittlungen ­zwischen König und Erzbischof in der Normandie ein. Das erste einer ganzen Serie von Verhandlungstreffen, am 18. und 19. November 1167 im Vexin z­ wischen Gisors und Trie, erzielte aufgrund der Weigerung Beckets, einen Schritt auf den König zuzugehen, keine Einigung.2716 Damals vor Ort: Arnulf von Lisieux als Vertreter des normannischen Episkopats und – als Vertrauter und Berater des Erzbischofs – Johannes von Salisbury, der ­später zumindest als Mitverfasser des offiziellen Konferenzberichts fungierte.2717 Möglicherweise hatte der Angelsachse viele Hoffnungen in die an sich bereits sensationellen Verhandlungen mit dem König gesetzt, mit denen ein positiveres Bild von Heinrich einherging. Vielleicht trugen auch die Erfahrungen des Verhandlungsverlaufs, insbesondere das Verhalten der königlichen Entourage, zur negativen Neubewertung bei. Allerdings wird die Kritik an Heinrichs engstem Beraterstab und deren Wirkung auf das königliche Vorgehen im Becketkonflikt im Gisors-Trie-Bericht an keiner Stelle erhoben. Sie tritt bereits viel früher auf, denn schon im Sommer 1166 macht Johannes von Salisbury Bischof Bartholomäus von Exeter darauf aufmerksam, dass Gott viele und potente Feinde gegen den König erhoben hätte, seit dieser sich gegen Gott gestellt habe, um die ­Kirche zu unterdrücken.2718 Gemeint ist der Aufstand der Waliser, den Johannes mit dem im Buch Jesaja angekündigten Gericht über Ägypten gleichsetzt, womit die Aussagekraft des ­Exemplums keinesfalls ausgeschöpft wäre:

for good or ill: his sin and its atonement were matters of personal salvation, but his actions were rooted in counsel and collective responsibility.“ 2716 Bis zur Versöhnung in Fréteval (22. Juli 1170) folgten weitere Konferenzen in La-Ferté-­ Bernard (1. Juli 1168), Montmirail (6. Januar 1169) und Montmarte (18. November 1169). 2717 Zum Ablauf und den Umständen des Konzils siehe Barlow: Becket, S. 171 – 173. Kronzeuge ist der offizielle Bericht, in dem auch Johannes’ Anwesenheit belegt ist. Siehe JvS II, Ep. 231. Eine inoffiziellere Schilderung gab er dem Bischof von Poitiers: JvS II, Ep. 230. 2718 JvS II, Ep. 168, S. 106 – 109.

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Nec suspicetur quispiam ut amodo prosperetur conditio eius nisi, Deo propitiante, per poenitentiam reuertatur et magis pio utatur consilio. Nam ut propheta loquitur, in diebus et regionibus nostris inuenti sunt stulti principes Taphneos, qui regi suo consilium dederunt insipiens.2719

Törichter Rat wie jener der Fürsten von Zoan an Pharao, die im Alten Testament als beliebtes Beispiel der Großen Ägyptens fungieren, ist für Johannes nicht auf die Welt des Alten Testaments beschränkt 2720: Accitis ergo nuper ad colloquium Chinon(ense) magnatibus suis [i. e. König Heinrich von England] cum familiaribus, qui rerum malarum industriam habere dinoscuntur et usum, et sapientes sunt ut dictent et faciant mala, studiosius inquisiuit cum promissis, minis et obtestatione quamplurima, quonam consilio sibi utendum esset aduersus ecclesiam […].2721

Als moralisch verderbte Ratgeber – in Johannes’ gewandter Rhetorik geradezu ‚Experten, wenn es darum geht, Schlechtes zu empfehlen und zu tun‘ – die einem fehlgeleiteten Monarchen mit Rat und Tat zur Seite stehen, sieht der Angelsachse zu Zeiten der Exkommunikationen von Vézelay das institutionelle und formative Geflecht, dem die königliche Kirchenpolitik entsprang. Eine Entlastung des Monarchen ist das kaum, wie eine andere Passage beweist. Heinrich II. ist für Johannes wie Pharao und Ahab ein Tyrann umgeben von falschen Propheten und verleumnderischen Aufwieglern.2722 Dabei sieht er nicht die weltlichen Magnaten als Träger des gefährlichen ‚lügnerischen Geistes‘ am Königshof: Et a facie Domini spiritus mendax egreditur adhuc, ut sit in ore omnium prophetarum Achab et similium regum. Sic et rex Anglorum, ut dicunt qui appellatorias archisinagogi [i. e. Gilbert Foliot] audierunt, episcopos sibi conformes habet, qui (ut de aliis scirptum est) docuerunt linguam suam loqui mendacium, et ut inique agerent laborauerunt.2723

2719 Ebd., S. 108 f. Siehe Jes 19,11 – 13. 2720 Jes 19,11 – 13. 2721 JvS II, Ep. 168, S. 108 f. 2722 Vgl. ebd. und JvS II, Ep. 174, S. 146 f., in dem Johannes Heinrichs Geleitgesuch an Rainald von Dassel (MTB 5, Nr. 213) als Beleg für seine Gottlosigkeit anführt. Ausführlich zur Identifikation des Königs mit alttestamentarischen Despotengestalten siehe Saltman: Testament und Yves Sassier: L’archétype de la tyrannie est-il, pour Jean de Salisbury, la royauté biblique?, in: Grellard/Lachaud: Nouvelles lectures, S. 153 – 164. 2723 JvS II, Ep. 174, S. 146 f.

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Den Episkopat zieht er zur Rechenschaft, jene „Baals-Propheten“ 2724, die ihm in ihrer Verblendung rieten, Papst Alexander in Rom festzusetzen oder gar auszuschalten. Warum reagierte Johannes von Salisbury so empfindlich auf die angeblichen Verfehlungen der königlichen familiares, insbesondere auf die der englischen Bischöfe? Ein Blick auf die Struktur des engen Beraterstabs, genauer darauf, wem der englische König sein Ohr schenkte und w ­ elchen gesellschaftlichen Schichten diese Männer entstammten, hilft, die Bedeutung derjenigen auszuloten, die die politischen Entscheidungen bei Hofe mitgestalteten.2725 Neben diesen praktisch orientierten Fragen nach Aufbau und Besetzung des königlichen Umfelds spielen allerdings auch die ideengeschichtlichen Voraussetzungen eine Rolle, die an eben diesen bevorzugten Kreis königlicher familiares oder consiliarii angelegt wurden. Beide Begriffe wurden zu Heinrichs Zeiten synonym für jenen engsten Kreis verwendet. Den Mitgliedern ­dieses oft als privata familia bezeichneten ausgesuchten Kreises kam großer Einfluss zu. In engem Vertrauensverhältnis zum König stehend, das nicht zuletzt auf ein Maximum an Loyalität zu ihm und seinen politischen Einstellungen begründet war, übernahmen sie die heikle diplomatische Vertretung der englischen Krone außer- oder innerhalb des gesamten angevinischen Reiches, aber auch die höchsten Ämter bei Hofe.2726 Dabei nahmen nicht die Mitglieder des Landadels, die Barone, eine exponierte Stellung ein. Auch wenn der König diese Personengruppe durch einzelne Vertreter – etwa der in Westminster prinzipienstark auftretende Robert de Beaumont, Graf von Leicester – in seinen engsten Kreis integrierte und auf Ratsversammlungen und Hoftagen in wichtigen Staatsfragen in seine Entscheidungsfindung einbezog, ist es nach Lallys intensiven Forschungen zu Struktur und Mitgliedern des angevinischen Hofes unter Heinrich II. schwer zu sagen, ob „diese mehr waren als nur feierliche Hoftage in der Absicht, den Anschein von Konsultation zu bewahren oder ob sie irgendeine darüber hinaus gehende Bedeutung hatten“ 2727. Insgesamt, aber, so Lallys Einschätzung, habe Heinrich viel auf den Rat seiner familiares gegeben. Die persönlichen und beruflichen Erfahrungen in und Zugänge zu den verschiedensten Feldern 2724 So zur gleichen Zeit gegenüber Radulfus Niger. Siehe JvS II, Ep. 181, S. 200 f.: Rex in imperatore confidit et in captione domini papae, quam ei uaticinantur prophetae Baal, falsa uidentes et stulta quia non loquuntur a Domino. Zur Identifikation der Propheten des Baal mit dem englischen Episkopat siehe Saltman: Testament, S. 349. 2725 Eine erste Annäherung zu Klima und Struktur des angevinischen Hofes liefert Vincent: Court. Dort (S. 289 – 291) eine tabellarische Aufstellung der wichtigsten Zeugen von Königsurkunden dieser Zeit. 2726 Vgl. Lally: Court, S. 6 – 8. 2727 Vgl. ebd., S. 12.

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des ­Verwaltungsapparats, die diese Männer – zum Großteil Nichtadelige wie Thomas Becket und Johannes von Oxford, die sich dem Herrscher durch ein ausreichendes Maß an Verdiensten und Treue für den Hofdienst empfohlen hatten und durch dessen Patronage zu hohen Positionen in K ­ irche und Staat aufgestiegen waren – mitbrachten, waren ein Schatz, den der alte Adel dem König nicht bieten konnte.2728 Die Skepsis des Johannes von Salisbury gegenüber dem englischen Episkopat wurzelte tief. Seine Erwartungshaltung gegenüber den Bischöfen war hoch. Sie gründete sich auf das im anglonormannischen Bereich gut rezipierte spätkarolingische Bischofsideal, nach dem es eine der hehren Pflichten des Kirchenhirten war, den König bei Bedarf offen und mahnend zu Pflichterfüllung, gottgefälliger und rechtskonformer Politik und Lebenswandel anzuhalten oder dahingehende Verfehlungen in der Öffentlichkeit zu tadeln. Normative Erwartungen und tägliche Praxis zusammenzubringen, war jedoch für eben jene Männer, die ihre Karriere königlicher Protektion zu verdanken hatten, ausgesprochen schwierig. Thomas Becket selbst mag dafür das beste Beispiel sein.2729 Johannes von Salisbury war nicht weltfremd. Er wusste, dass viele der Bischöfe Englands sich in einem schrecklichen Dilemma z­ wischen der öffentlichen Gewalt, dem ihrem König geschuldeten Gehorsam und den aus ihren kirchlichen Positionen erwachsenen Verpflichtungen befanden.2730 Dennoch entließ er sie nicht gänzlich aus der Pflicht ihrer spirituellen Korrektivrolle. Sie ­seien, so kritisiert er wiederholt, auf eigene Sicherheit und Profit fokussiert und zu unbesonnen, ängstlich oder moralisch ungefestigt, um Heinrichs Angriffen auf die Freiheit der K ­ irche etwas entgegenzusetzen.2731 So wie die Suffragane der Kirchenprovinz Canterbury, über die sich J­ ohannes gegenüber Simon Lovel, einem Schützling des Bischofs von Worcester, beklagt: 2728 Vgl. ebd. 2729 Vgl. Björn Weiler: Machtstrukturen und Machtvorstellungen in England, in: Norbert Kersken/Grischa Vercamer (Hg.): Macht und Spiegel der Macht. Herrschaft in Europa im 12. und 13. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Chronistik, Wiesbaden 2013 (Deutsches Historisches Institut Warschau Quellen und Studien, 27), S. 119 – 144, hier: S. 141. 2730 Ein illustratives Beispiel Bartholomäus von Exeter betreffend schildert Ep. 241, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 462 – 469. 2731 Vgl. Nederman: Ethics, S. 170 f., der das Gedankengut in sein aristotelisches Gerüst einordnet, und Barrau: Bible, S. 411 – 413. Beispiele finden sich in: JvS II, Ep. 239 (S. 454 – 457), Ep. 241 (S. 464 f.) und Ep. 172 (S. 130 f.). Damit versagten sie im polikratischen Gedankengut in ihrer Aufgabe, die individuelle Freiheit vor Übergriffen der Staatsgewalt zu s­ chützen. Siehe Liebeschütz: Humanism, S. 55: „The desire for liberty is, for John, an elementary impulse of human nature because it means to him power to preserve the individual sphere against outside pressure. […] his main concern in the Policraticus is with the pressure of external [z. B. Staatsgewalt, Anm. d. Verf.] power to which men surrender rights and ­dignity by

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Hoc autem mirum est in oculis omnium et omni stupore dignum, quod nec semel inter comprouinciales conuenit episcopos ut de pace ecclesiae tractantes uel una uice conuenirent regem, cuius innocentiam publico uniuersitatis suae testimonio astruunt […]. Et profecto aut eum Deo propitiante reducent ad uiam aut de necessitate citius quam credatur domino papae uapulabunt aut regi, cuius ad praesens dum plus iusto uerentur iram, negligere, immo et occidere uidentur anima.2732

Dabei gebe es in der Heiligen Schrift genug Beispiele von Propheten und Gottesfürchtigen, die am Hofe eines Tyrannen nicht davor zurückschreckten, als Mahner aufzutreten und die Anleitung und Vorbild sein konnten.2733 Nicht zuletzt als Hüter der lex divina fiel dem Klerus im Allgemeinen – besonders aber den von Johannes als complumnae ecclesiae 2734 bezeichneten, im Kirchenrecht und der Auslegung der sacra pagina gut ausgebildeten litterati in den oberen Rängen der kirchlichen Hierar­ chie – diese wichtige Aufgabe zu, der sie in Johannes’ Augen aber selten gerecht würden.2735 Das Versagen des englischen Episkopats in seiner Beratungs- und Korrektivrolle gegenüber der weltlichen Gewalt begriff Johannes von Salisbury damit als einen der Hauptfaktoren für die Krise der libertas ecclesiae und die Verfestigung der insularen Kirchenspaltung.2736 Prominentestes Beispiel oder Anwendungsobjekt d ­ ieses Deutungsmuster ist Gilbert Foliot, der Beichtvater des Königs.2737 Spätestens seit seiner tragenden Rolle in der Appellation gegen die Sentenzen von Vézelay verabscheute der Becketzirkel den Bischof von London als Sprecher des englischen Episkopats und glühenden Verfechter der königlichen Kirchenpolitik. Seine Persönlichkeit hat Julie Barrau brillant eingefangen:

abandoning their own judgment. […] royal servants who advocate the unlimited power of the State are, for John, particularly responsible for the attack on the privileges of the Church.“ 2732 JvS II, Ep. 198, S. 284 – 287. 2733 Eine beeindruckende Aufstellung enthält JvS II, Ep. 175, S. 162 f. 2734 Joannis Saresberiensis: Ep. 200. Qui amicis, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 288 – 291, hier: S. 290. 2735 Über die Erwartungen mit dem Umgang d­ ieses Privilegs der ‚Weisheit‘, dessen Missbrauch und die Reaktion der Becketpartei siehe ausführlich Barrau: Bible, S. 308 – 332. 2736 Johannes von Salisbury bezeichnet auch den englischen Kirchenstreit als schisma. So in Ep. 278. Vtinam, dilecte mi, in: CTB II, S. 1184 f. 2737 Johannes’ Polemik gegen Foliot hatte viele Facetten und reichte von Präfigurationen des Judas, Antichristen oder des Feindes Christi bis hin zum Verfolger der Priesterschaft. Siehe dazu McLoughlin: Language, S. 84 und Saltman: Testament.

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„Abbé bénédictin de Gloucester, évêque de Hereford […], Gilbert Foliot était un homme cultivé, ancien élève du théologien Robert Pullen, moine devenu prélat séculier – familier de la culture biblioque des écoles comme de celle des cloîtres. C’était aussi un homme d’action, impliqué aux côtés de l’impératrice Mathilde; il exerça ses devoirs et prérogatives d’évêque diocésain, il eut de nombreux et fidèles corrspondants à travers tout le royaume, grâce notamment à une réputation de science juridique […]. Il fut enfin l’ennemi de Thomas Becket, celui que l’entourage de l’archevêque exilé rebaptisa Achitophel ou Judas. Ce que l’on peut appeler sans exagération la haine qu’il suscita chez les exilés amena même ces derniers à l’incriminer pour de traits qui auraint au contraire pu le montrer sous un jour favorable […].“ 2738

Was die Animosität der Anhänger Thomas Beckets für den prominenten Prälaten anging, bildete Johannes von Salisbury vom ideologischen Standpunkt aus keine Ausnahme. Einige der Pfründen, die das Auskommen des gelehrten Angelsachsen in der Zeit seines Dienstes am erzbischöflichen Stuhl von Canterbury gesichert hatten, waren im Zuge der königlichen Strafpolitik an den Exilierten ausgerechnet an ­Gilbert Foliot gefallen: Möglicherweise verband Johannes daher nicht erst seit der verhassten Appellation eine tiefe Antipathie mit dem ebenso einflussreichen wie hochgebildeten Benediktiner, der in Beckets Abwesenheit die Führung der englischen K ­ irche übernommen hatte. Nach Vézelay zumindest überschüttete er Foliot mit wenig rühmlichen Beinamen, bezeichnete ihn als archisinagogus […] Ludoniensis 2739 und implizierte damit, er sei das Oberhaupt einer sakrilegischen Rebellion gegen die wahre ­Kirche.2740 Auch bedachte er ihn mit dem Namen des obersten Ministers und einflussreichen Hauptvertrauten am Hofe des Tyrannen Absalom, Achitophel, der seinen Einfluss missbrauchte, um seinen Herrn zu Inzest und Vatermord zu verleiten.2741 Aus niederen Beweggründen, aus purer Ambition auf den Primatialsitz von Canterbury und durch seine Urheberschaft der Appellation, habe er endgültig die Spaltung der englischen ­Kirche herbeigeführt. Nonne, fragt Johannes von Salisbury in einem Schreiben an Thomas Becket aus der zweiten Jahreshälfte 1166, episcopus Lundoniensis ille est qui primus in Anglia scidit ecclesiae unitatem, quod omnes nouerunt, et archiepiscopandi, quod plurimi suspicantur, ambitione tractus, totius huius discordiae fomes imprimis extitit et incentor?2742 2 738 Barrau: Bible, S. 316. 2739 JvS II, Ep. 174, S. 146 nach Mk 5,35 – 38. Siehe auch JvS II, Ep. 187, S. 232. Barrau: Bible, S. 317 spürt den Hintergründen dieser Wortwahl nach. 2740 Ebd. 2741 2 Samuel 16 – 17. Siehe JvS II, Ep. 172, S. 132 und die Einordnungen von Barrau: Bible, S. 321 und Saltman: Testament. 2742 JvS II, Ep. 175, S. 156 f.

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Die terminologische Verwandtschaft zu Johannes’ Invektiven gegen Rainald von Dassel als Anstifter des Schismas verblüfft.2743 Seine warnenden Vergleiche der beiden Herrscherpersönlichkeiten, ihres Umfeldes und ihrer Politik sind keine leere Rhetorik, sondern tiefe Überzeugung. Die Gespanne Heinrich/Gilbert und Friedrich/Rainald erscheinen als modernes Spiegelbild biblischer Typologien. Herrscher-Berater-Paare auf einem fatalen Weg in die Gottlosigkeit. In Reaktion auf die heftige Animosität, die Beckets Seite gegen den Londoner Bischof auffuhr, fühlte sich sogar Arnulf von Lisieux, selbst Ziel der Polemik, veranlasst, im Sommer 1169 eine Lanze für den exkommunizierten Foliot zu brechen.2744 Gegenüber Alexander III. beklagte er die mangelnde Fairness der Gegenpartei: Trahitur tamen homo sanctus in causam, et, sermonibus odii circumdatus, expugnatur gratis, et inuidie questionibus infestatur. Trahitur, inquam, homo sanctus in causam, si tamen causa dicenda est, ubi nullam facit contradictio questionem, ubi sine reo et teste idem actor et iudex [i. e. Becket] solitariam format de singulari uoluntate sententiam. Felicem se iste et omni donatum beatitudine iudicaret, si ei iudex suus auditorii communis aream impertisset […]. Sed in ipsum de alio regno, de transmarinis partibus, de longinquo scilicet uelud in occultis sagitta transmissa est; et hostis, dum preuideri metuit, gladium protinus capiti nescientis illisit.2745

2 743 Vgl. JvS II, Ep. 186 (S. 226 f.) und Ep. 277 (S. 592 f.). 2744 Vor allem 1164 äußerte Arnulf wiederholt Beschwerden über Denunzierungen durch Becket­ anhänger an der Kurie: AvL Epp. 36 und 40. Tatsächlich stand ihm zumindest Johannes von Salisbury, der in ihm einen der Ideengeber der Appellation von 1166 und einen gefährlichen Einfluss auf Heinrich II. vermutete, nicht freundschaftlich gegenüber. Siehe JvS II, Ep. 168, S. 111: Cum ergo his angustiis premerentur, Lexouiensis episcopus unicum dixit esse remedium imminentem sententiam appellationis obstaculo praepedire […] Dum rex per auitas consuetudines appelationum ius euacuare conatur, magis confirmat dum ipsemet pro capite suo ad appellandi refugium cogitur euolare. Die Kritik dreht sich um Arnulfs Gesandtschaftstätigkeit ( JvS II, Ep. 136, S. 11), sein angebliches Doppelspiel (CTB II 244, S. 1064 – 1067) oder seine Ratschläge beim Friedensschluss von Fréteval (CTB II 300, S. 1274 f.). 2745 Arnulfus Lexoviensis: 54a. Personam domini Londoniensis, in: Letters, ed. Barlow, S. 97 f. Das Schreiben rief große Entrüstung im Becketzirkel hervor. Es wurde an die Beneventer Kurie weitergeleitet und Arnulf als doppelbödiger Opportunist gebrandmarkt. Siehe CTB II 244, S. 1064 – 1067. Der Brief hat eine komplexe Überlieferungsgeschichte und ist in zwei Teilen erhalten, die sich wahrscheinlich ergänzen sollten. Die Aktualisierung ist ediert in: Arnulfus Lexoviensis: 54b. Personam domini Londoniensis, in: Letters, ed. Barlow. Schriber übersetzt die einzelnen Teile gemeinsam in kontrahierter Form in: 2.03. Personam domini Londoniensis, in: Carolyn Poling Schriber (Hg.): The Letter Collections of Arnulf of Lisieux, Lewiston, NY 1997 (Texts and Studies in Religion, 72), S. 122 – 127.

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Das im Kreis der englischen Exilierten verbreitete Bild des Londoner Bischofs als incentor schismatis und totius malitie artifex 2746, als Aufwiegler des Königs, wurde auch im französischen Episkopat geteilt.2747 Denn gerade auf der Schulter des königlichen Beichtvaters ruhte eine Verantwortung zur spirituellen Anleitung und pastoralen Fürsorge um das herrscherliche Seelenheil, deren Vernachlässigung Becket Gilbert Foliot bei seiner Exkommunikation im April 1169 mehrfach zum Vorwurf machte.2748 Die Vorstellung des von seinen engsten Seelenwächtern verlassenen, von außen angestachelten Königs war ein rekurrierendes Thema und macht deutlich, dass die den Ereignissen von Vézelay folgende saresberiensische Polemik wie die des Becketzirkels im Allgemeinen hauptsächlich gegen die Bischöfe und weniger gegen den König gerichtet war.2749 Obgleich die meisten Beispiele für die Verschiebung der Schuldzuweisungen dem Umfeld des Becketkonflikts und insbesondere dem aufgeheizten Klima nach der ersten Appellation des englischen Episkopats gegen Becket im Sommer 1166 entstammen, gibt es keinen Anlass zu der Annahme, dass der Einfluss des englischen Episkopats auf Heinrich II. und seine innere Kirchenpolitik im breiteren Rahmen der universalkirchlichen Schismapolitik geschmälert gewesen wäre. Auch deren Ausrichtung und Erscheinungsbild war somit für Johannes von Salisbury Auswirkung einer mangelhaften oder fehlgeleiteten, klerikalen Kontrolltätigkeit. Bei aller Kritik am Verhalten der englischen Geistlichkeit war sich Johannes von Salisbury aus eigener Erfahrung bewusst, dass es Ehrgeiz und bedingungslose Durchsetzungskraft verlangte, sich im Haifischbecken des Hofes zu behaupten. Die in dieser schillernden Parallelwelt von Karriere und Fall verwobenen Höflinge – insbesondere jene, die politische Funktionen ausübten – konnten jedoch das rechte Maß überschreiten. Auf diese Weise menschlich entfremdet, konnten sie Laster wie Habgier, Ehrsucht und Käuflichkeit kultivieren, die der Moralist Johannes in 2 746 CTB II 278, S. 1184 f. 2747 Vgl. die Äußerungen des Bischofs Milo von Thérouanne in einer an Alexander III. gerichteten Klage über Foliot: Nr. 63, in: Migne PL 200, Sp. 1417: Nam totius hujus schismatis auctor est et incentor, et quasi per se non satis insaniat, instigat regem. 2748 Vgl. CTB II, Ep. 194, S. 850 (ab omnium communione fidelium abstineatis, ne uestra participatio dominicum gregem contaminet ad ruinam, qui uestra doctrina erudiendus et exemplis informandus erat ad uitam.) und CTB I, Ep. 96, S. 430 (De comminatorio minaris, quod nos in eum commisimus. Quis pater videt filium aberrare, et tacet? Quis virga non percuit, ne gladium incurrat? Desperat pater de filio, quem comminatione non corripit vel flagello.). Dazu Barrau: Bible, S. 320 f. 2749 Vgl. McLoughlin: Language, S. 83.

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s­ einer ­polikratischen Hofkritik zutiefst ablehnte.2750 Als Beispiel prangert Johannes von Salisbury die Bestechlichkeit und mangelnde Rechtskenntnis der königlichen Gesandten an.2751 Nach dem Beispiel des Philosophen solle ein guter Höfling sich durch Bescheidenheit und intellektuelle Neugier gegenüber Gott auszeichnen sowie sich, mental wie räumlich vom Weltlichen zurückgezogen, auf stille Suche nach der Wahrheit begeben. Alles „Bedingungen, die […] schwer zu erfüllen waren“ 2752, weil sie der höfischen Lebenswelt diametral entgegenstanden.2753 Der hohe Maßstab, dem alle curiales gerecht werden sollten, wird noch schonungsloser an die consiliarii und familiares des Königs angelegt, der protektiven, stabilisierenden Flanken des Staatskörpers aus der polikratischen Staatsverfassung, die auch ihren Part in den komplexen Interrelationen des Staatskörpers spielen.2754 Ohne sie, wie auch ohne irgendeines der officii des Staatsapparats, kann das politische und administrative Gebilde nicht funktionieren. In dem ihnen und ihrer moralischen Verfassung gewidmeten Kapitel warnt Johannes davor, diese wichtigen Amtsträger mit dem korrumpierenden Einfluss der Außenwelt zu gefährden: Sed et in lateribus, his scilicet qui principibus debent assistere, haec naturae formula seruanda est. Constat enim quia a conuictu mores formantur. Qui tangit picem inquinatur ab ea; uuaque contacta liuorem ducit ab uua.2755 Eben diese Isolation aber war in der Realität kaum zu leisten, so dass Karrierejäger und Ehrgeizler weiter über des Königs Ohr die Geschicke des Landes mitbestimmten. Das gesamte System königlicher Patronage, der Aufbau eines 2 750 Zusammenfassung der Hofkritik in Policraticus und Entheticus bei Türk: Nugae, S. 68 – 87. 2751 Vgl. ebd., S. 79 f. (mit Bezug auf Policraticus I, ed. Webb V, 11, S. 331 – 332): „Ailleurs, Jean a vu des délégués royaux sans aucune connaissance de la loi, sans bonne volonté, esclaves de l’argent, travaillant, au mépris de leur serment, pour leurs bourses, leur pouvoir, leurs parents. Un prince qui délégue de telles personnes se montre lui-même ennemi du droit.“ 2752 Türk: Nugae, S. 71. 2753 Vgl. ebd., S. 76: „Bref, le ‚curialis‘ était un homme qui vivait dans le monde des apparences, opposé à la ‚gravitas‘ des philosophes qui sont exclus, ipso facto, de la cour.“ Siehe Policraticus I, ed. Webb V, 10, S. 329: Hac autem poetici nube figmenti nugarum curialium repraesentatur imago, quae uiros abiecta uirtute emolliunt aut imagine retenta peruertunt. Qui curialium ineptias induit et philosophi uel boni uiri officium pollicetur, hermafroditus est, qui duro uultu et hispido muliebrem deturpat uenustatem et uirum muliebribus polluit et incestat. Res siquidem monstruosa est philosophus curialis; et, dum utrumque esse affectat, neutrum est, eo quod curia philosophiam excludit et ineptias curiales philosophus usquequaque non recipit. 2754 Ebd. V, 2, S. 282 f. sowie V, 9, S. 322: Et forte ideo crates pectoris costarumque soliditatem et extremae cutis claustrum natura diligentissima parens circumposuit intestinis, quo aduersus omnem exteriorem uiolentiam fierent tutiora, et eis quod necesse est ministrat, nec umquam sine salutis suae dispendio exterioribus exponuntur. Oportet autem in re publica hanc naturae opificis seruari imaginem et his necessariorum copiam de publico ministrari. 2755 Ebd. V, 10, S. 323.

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Stabs an treuen Staatsdienern aus Nichtadeligen durch die Verleihung von Pfünden, Archidiakonaten und Dekanaten leistete dem Übel allzu weltlich gesinnter Kleriker Vorschub. Schon im Policraticus hatte der Saresberiensis diesen Missstand angeprangert.2756 Höflinge, die auf ­diesem Weg Klerus und Hofämter vereinten, vernachlässigten sträflich ihre essenziellen seelsorgerischen Aufgaben ad formam et exemplum praebendum plebi 2757. Statt das Volk als Beispiel der Tugend auf dem Heilsweg zu führen, lebten sie ein Leben in Sicherheit und Überfluss vor.2758 Der König persönlich, merkte Johannes schon damals voller Sarkasmus an, würde auf Anfrage zugeben, dass seine Günstlinge für alle Übel des Klerus verantwortlich ­seien.2759 Dass diese unzureichende Amtserfüllung nicht nur dem Betroffenen selbst zu Lasten gelegt werden konnte, sondern auch jenen, die ihn in das Amt einsetzten, zeigt Johannes’ unverblümte Rüge gegenüber Alexander III ., er habe einen Mann ohne jegliche kirchliche Ausbildung als Verantwortlichen für das Seelenheil vieler auf der Dekanswürde von Salisbury akzeptiert.2760 Damit hielt er dem Papst den 2756 Zu Johannes’ Kritik an den vom Hofe akquirierten Inhabern von Dekanaten und Archidiakonaten siehe ausführlich Miczka: Bild, S. 180 f. 2757 Vgl. Policraticus II, ed. Webb VII, 19, S. 170. 2758 Vgl. ebd. VII, 19, S. 170. Siehe auch Joannis Saresberiensis: Ep. 163. Super statu uestro, in: Later Letters, ed. Millor/Brooke, S. 84 f. gegenüber Hugo, Abt von Bury-SaintEdmunds: Numquid enim clerus institutus est ut comedens, bibens, stertens, mortem expectet, et variis luxuriae incitamentis inflammet gehennam? 2759 Vgl. Policraticus I, ed. Webb V, 16, S. 353 f.: Felicissimum regem Anglorum, et Normannorum et Aquitaniae adhuc inuictissimum ducem interroga quid etiam de his sentiat quos intrudit, et dicet, ut opinor, quia non est malum in clero quod isti non faciant. 2760 Vgl. JvS II , Ep. 213, S. 349: Praeterea quod insignis ille iurator [i. e. Johannes von Oxford] quasi re bene gesta de manu uestra decanatum accepit et curam multarum animarum, uir probatae religionis et famae hylaris, qui nec uno mense ecclesiasticum addidicit ritum. Das vakante Dekanat von Salisbury, Teil der Kirchenprovinz Canterbury, war 1165 auf Hinwirken Heinrichs II . von Jobelin, Bischof von Salisbury, an den königlichen Beamten vergeben worden. Dieser Umstand traf auf großen Protest bei Becket und Johannes von Salisbury, der „sogar enttäuschte Hoffnungen gehabt haben könnte“ (Barlow: Becket, S. 139). Aufgrund von Johannes’ ideologischen Vorstellungen wird aber seine Kritik an dem Vorgang wohl eher im halbseidenen Prozess selbst als in der Hoffnung auf die Vergabe einer solchen Würde an einen exilierten Dissidenten wie ihn zu suchen sein. Ende 1166 bestätigte Alexander III ., der seine Beziehungen zu Heinrich nicht verschlechtern wollte, die Personalie. Für Lally: Court, S. 244 gehört Johannes von Oxford zur Gruppe jener, deren Erhebung durch Bischöfe erfolgte, aber eigentlich auf ihrem Dienst für den König beruhte: „To this group might be added Johannes von Oxford who became Dean of Sarum as a result fo the pressure exerted on his behalf by Henry II . Joscelin de Bohun’s grant of the deanery of Sarum to John of Oxford in 1165 provides a very illuminateing example of how far Henry II might be prepared to go in putting pressure onto bishops to endow his

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Policraticus als Spiegel vor, dessen Kapitel ‚Von den Gesetzen der weltlichen Fürsten durch ­welche Höflinge und Beamte von kirchlichen Ehren ferngehalten werden‘ den Voraussetzungen und auf weltlichen und kirchlichen Bestimmungen wie dem christlich-römischen Codex Justinianus oder den Anordnungen Leos des Großen basierenden Anforderungen gewidmet war, die ein Mitglied des Klerus erfüllen musste.2761 Simonie und Nepotismus verdammend, äußert er ein striktes Verbot der Verquickung von weltlichen Positionen bei Hof oder im Königsdienst und kirch­ lichen Positionen, das im vorliegend kritisierten Fall wohl nicht eingehalten wurde: Neque ex idiota mox clericus […]. Sed neque ineruditus existens sacrorum dogmatum ad episcopatum accedat; prius autem aut monasticam uitam professus aut in clero constitutus non minus mensibus sex […].2762 Diese Bestimmung sei auch im justinianischen Recht verankert: Idem: Sed neque curialem aut officialem clericum fieri permittimus; unde ex hoc uenerabili clero iniuria fiat, nisi forte monasticam uitam aliquis eorum non minus quinque et uiginti annis impleuerit. Tales enim ordinari praecipimus quarta propriae substantiae sibi retenta, reliquis partibus curiae et fisco uendicandis, si in clero constituti monacho condecentem uitam impleuerint.2763

clerks. This is part of the more general problem of the influence which the king wielded in the whole area of ecclesiastical patronage and of the place of the court in the area. The bishop of Salisbury was afraid to refuse the king’s request on John’s behalf since he was already in the king’s displeasure. The grant was made against the interests of the canons of Salisbury in whom rested the right to elect the dean and despite the prohibition of the pope who condemned and annulled the appointment in 1166.“ Siehe auch Brooke: Introduction, S. xxxif; Barlow: Becket, S. 139. Johannes’ Protest dokumentieren: Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 168, 176, 213. 2761 Policraticus II , ed. Webb VII , 20, S. 182 – 190, hier: 182: De legibus secularium principum quibus curiales et officiales arcentur ab honoribus ecclesiasticis; et quibus exemplis Dathanitae et Abironitae nitantur obtinere. Obgleich auch das kanonische Recht der Zeit sich ausführlich mit der Thematik der Idoneität von Klerikern beschäftigte, wählt Johannes von Salisbury bewusst Autoritäten des säkularen Rechts, um die Universalität der Gesetze deutlich zu machen. Siehe ebd. VII ,20, S. 186: Haec quidem seculi principes. Nam licet Ecclesiae doctores haec latius prosequantur, quoniam nimis uidentur ardua quae dicuntur ab ipsis uilescunt. Vtique qui uel istos non audit, cecior est Hipsea et Dulichio remige surdior, et qui merito praecipitandus est, prostratus ab angelo, quem contempnit, in infernum inferiorem. 2762 Ebd. VII, 20, S. 183. 2763 Ebd. VII , 20, S. 185. Mit Bezug auf Novelle cxxiii, c. 15. Siehe Corpus iuris civilis III , ed. Schöll/Kroll, S. 605 f.

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Der Mann, über dessen Erhebung sich Johannes bei Alexander beschwerte, war kein anderer als Johannes von Oxford, der ‚Eidschwörer‘ von Würzburg und Prototyp des fehlgeleiteten royalistischen Günstlings bei Hofe. Als aufstrebender Sheriffsohn hatte er im Januar 1164 de mandato ipsius regis 2764 den Vorsitz über den Hoftag von Clarendon innegehabt und war als Oxforder Landdekan kurz nach der Eskalation auf mehrere Missionen an die alexandrinische Kurie geschickt worden, um könig­ liche – und eigene – Interessen zu vertreten.2765 Dort gelang es ihm, die von Heinrich erwünschte Besetzung der päpstlichen Delegation mit Wilhelm von S. Pietro in Vincoli durchzusetzen und sich, zum Entsetzen der Becketpartei, durch Alexander III. im Amt des Dekans von Salisbury bestätigen zu lassen. Dieses hatte der in Becketkreisen als Schismatiker verschriene Hofkleriker unter fragwürdigen Umständen auf königliches Betreiben, ohne Wahl durch die zumeist exilierten Kanoniker von Salisbury und entgegen eines Verbots Alexanders III. von Bischof Jocelin erhalten.2766 Ein Aufstieg, den der Becketkreis als unrechtmäßige Erschleichung der Dekanatswürde erachtete.2767 Mit diplomatischen Missionen an den Grafenhof von Flandern und den französischen Königshof betraut, führte Johannes’ heikelster Auftrag auf Barbarossas Würzburger Pfingsthoftag, wo er am 23. Mai 1165 an der Seite des königlichen Vertrauten Richard von Ilchester, Archidiakon von Poitiers, an des Königs statt die angevinisch-staufische Entente besiegelte 2768. All dies und seine Stellung als Bindeglied ­zwischen dem angevinischen Königshof und der curia Alexanders III. machten Johannes von Oxford zum Hauptträger angevinischer ­Kirchen- und Außenpolitik im Becketkonflikt. Mit bemerkenswerter Stringenz beginnt Johannes von Salisbury seinen Namensvetter, dem er seit dessen 2764 Rogeri de Wendover Liber qui dicitur Flores Historiarum ab Anno Domini MCLIV annoque Henrici Anglorum Regis secundi primo. The Flowers of History by Roger of Wendover, Bd. 1, ed. Henry Gay Hewlett, 2 Bde., London 1886 (RS, 84,1). 2765 Zu Person und Karriereschritten des Johannes von Oxford siehe William Holden Hutton: Oxford, John of, in: DNB 43 (1917), Sp. 15 – 17. Mit repräsentativen Aufgaben an der Kurie wurde Johannes von Oxford schon 1164 und 1166 betraut. Dazu Barlow: Becket, S. 106, 119 und Eyton: Court, S. 102. Siehe auch die Reaktionen der Becketpartei in JvS II, Ep. 174 und besonders CTB I 29, S. 90 – 93. In den Jahren 1168 und 1170 folgten weitere Legationen. Siehe JvS II, Ep. 272 (S. 562 f.), Ep. 298 (S. 692 f.). 2766 Vgl. den Protest in JvS II, Ep. 168 und Ep. 213; Brooke: Introduction, S. xxxif und Eyton: Court, S. 89. Das Verbot ist bezeugt in MTB 3, S. 392. 2767 Vgl. CTB I 78 und Ep. 79. Satis superque, in: CTB I (bzw. MTB 5, Nr. 195, S. 388 und Nr. 198. Fratres mei dilectissimi, in: MTB 5, S. 392 f.) sowie JvS II, Ep. 168, S. 113. 2768 Vgl. GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 190 bzw. Friedrich Barbarossas Bericht über den Würzburger Hoftag an den Abt von Stablo in MTB 5, S. 183. Auch MTB 5, Nr. 98 und Nr. 99.

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ersten diplomatischen Schritten im Auftrag des englischen Königs kritisch gegenübergestanden hatte, mit Bezug auf seine Rolle in Würzburg als iurator 2769 zu diffamieren. Ursprung des Schmähtitels ist die am Pfingstsonntag, 12. Juni 1166, von Thomas Becket ausgesprochene Exkommunikation königlicher Ratgeber und Treuhänder in der Abteikirche La Madeleine von Vézelay: Denunciauimus etiam excommunicatum, et ex nomine excommunicauimus, Iohannem de Oxenefordia, qui in heresim dampnatum incidit, prestando iuramentum scismatis, quo scisma iam fere emortuum in Alemannia reuixit, communicando etiam illi nominatissimo scismatico Reginaldo Coloniensi, et quia, contra mandatum domini pape et nostrum decanatum Saresberiensis ecclesie sibi usurpauit.2770

Es fällt auf, dass Beckets Verkündigung an seine englischen Suffragane stärker auf die schismatische und häretische Natur der Verfehlungen des Johannes von Oxford zielt: Einem verdammenswerten Irrglauben erlegen, sollte dieser mit der Galionsfigur der Schismatiker, Rainald von Dassel, Gesellschaft gepflegt und durch einen schismatischen Eid die fast zum Erliegen gekommene Kirchenspaltung wiederentfacht haben. Gegenüber Alexander III . musste sicherlich nicht mehr ins Detail gegangen werden und doch verwundert die Intensität, mit der man sich in der Verurteilung des englischen Hofbeamten auf dessen Bezug zum Reich und der Partei Paschalis’ III . berief. Die Erschleichung des Dekanats von Salisbury durch königliche Schiebung blieb der einzige Vorwurf ohne Schismabezug. Auch was den Becketkonflikt, also die englische Kirchenpolitik im engeren Sinne, anging, wurde – anders als etwa Richard de Luci und Jocelin von Bohun, die aufgrund der Urheberschaft der Konsti­tutionen von Clarendon exkommuniziert wurden – dem Dekan von Salisbury nichts vorgeworfen.2771 Dass Johannes von Salisbury in seinem Bericht zu den Ereignissen von Vézelay fast wortgetreu Beckets Erläuterung der Bannsprüche wiederholt und sich, den 2769 Vgl. JvS II, Ep. 168 (S. 113), Ep. 213 (S. 349), Ep. 234 (S. 432 f.) sowie Ep. 157. Mittimus sanctitati uestre latores, in: CTB I, S. 732 f. 2770 Aus der offiziellen Verkündigung an die Suffragane der ­Kirche von Canterbury. Gilbert Foliot hatte in Beckets Abwesenheit als decanus die Leitung der englischen ­Kirche übernommen. Siehe CTB I 78, S. 310 – 313 bzw. MTB 5, Nr. 198, S. 394 f. In nahezu identischen Worten informierte Becket auch Papst Alexander persönlich in CTB I 79, S. 319: Nominatum etiam excommunicaui Iohannem de Oxenefordia, qui communicauit scismatico et excommunicato illi Reginaldo Coloniensi, quique contra mandatum uestrum et nostrum usurpauit sibi decanatum Saresberiensis ecclesiae, et in curia imperatoris, quale ipse audistis, prestit iuramentum. 2771 Bezeichnet als perversitates: CTB I 78, S. 321 f.; CTB I 79, S. 318 f.

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­ ekanatsvorwurf außer Acht lassend, sogar ausschließlich auf die Vorwürfe der KomD munikation mit Schismatikern sowie der Leistung eines schismatischen Eides konzentriert, demonstriert, dass die Diskussion des alexandrinischen Schismas damals brisant genug war, um sie gewinnbringend zum polemischen Kampfmittel zu machen und um die Hauptagenten der Königspartei damit auszuhebeln.2772 Die Kritik des Becketkreises spielt auffällig mit der argumentatorischen Vermischung von Ebenen.2773 In den verschiedenen Begründungen der Exkommunikationen wird nicht immer klar getrennt, worauf man Bezug nahm, sondern die königlichen Verbindungen zum Kaiserhof mit den persönlichen Verfehlungen der Hofbeamten und ihrer Rolle im Becketkonflikt zu einem argumentatorischen Konglomerat zusammengefügt. Dies zeigen vor allem Beckets weitere Ausführungen zu den Sentenzen von Vézelay gegenüber anderen höfischen Funktionsträgern: Similiter et Ricardum de Iuelcestria denuntiauimus excommunicatum et excommunicauimus, eo quod in eandem heresim dampnatam inciderit, communicando eidem Reginaldo Coloniensi scismatico; machinando etiam de fabricando omnia mala cum scismaticis et Theutonicis illis in perniciem ecclesie Dei, et presertim ecclesie Romane, ex pactis contractis inter dominum regem et ipsos. Excommunicauimus etiam Ricardum de Luci, et Iocelinum de Baillolio, qui prauitatum illarum auctores et fabricatores extiterunt […].2774

Barlow interpretierte sowohl die dampnata heresis als auch die pravitates als Bezug auf die Konstitutionen von Clarendon und ihre Propagierung. Tatsächlich ist prauitates der Terminus, den Becket weiter oben für die umstrittenen Rechtssätze nutzt.2775 Doch so einfach und eindeutig ist der textliche Bezug nicht herzustellen. Er könnte ebenso auf die von Richard von Ilchester ausgeheckten und vorgenommenen Übel (omnia mala) anspielen, die der englische König angeblich mit den Deutschen gegen die ­Kirche geschmiedet habe. Ob damit ein intendierter Lagerwechsel oder allein die Heiratspolitik und damit die enge Bindung an das als antialexandrinisch orientierte Reich gemeint war, bleibt offen. In einem einzigen, von Duggan aufgespürten Textzeugen, der interessanterweise auch die längere Passage aus der Canterbury-­Verkündigung für den Brief an Alexander übernimmt, findet sich sogar ein gänzlich singulärer Zusatz mit direktem Bezug zur dynastischen Verbindung beider ­Herrscherhäuser: 2772 JvS II, Ep. 168, S. 113. Die Usurpation des Dekanats selbst erscheint aufgrund der Nähe zu den Vorwürfen schismatischer Umtriebe selbst als Belohnung für Johannes von Oxfords Treue und Gewissenhaftigkeit gegenüber dem König und seiner Politik. 2773 Vgl. Rill: Eide, S. 13 f. 2774 CTB I 78, S. 312. 2775 Vgl. Barlow: Becket, S. 147 und CTB I 78, S. 310 f.

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Ricardum de Iuelcestria […] quique prestit iuramentum de contrahendo matrimonio cum duce Saxon[ie]2776. Duggan interpretiert diesen Tadel des Verlöbnisses als eine frühe Variante, die der politischen Sensibilität der Editoren aus der Zeit, in der die Vermählung des Welfen mit der englischen Prinzessin zur Realität geworden war, zum Opfer fiel oder bereits z­ wischen Entwurf und Versand des Briefes verloren ging.2777 Jedenfalls zeigt es, dass man sich im Kontext der Exkommunikationen von Vézelay durchaus der Brisanz der königlichen Außenpolitik bediente und auch Richard von Ilchester nicht ganz aus diesen Vorwürfen ausschloss. Ansonsten zeigt der Vergleich mit der Notiz an Alexander III ., dass der (suggerierte) schismatische Aspekt ein wenig in den Hintergrund rückt. Die Formulierung ist hier, wenn auch sehr ähnlich, nicht ganz so ambivalent.2778 Gegenüber Alexander III . bestand keine Notwendigkeit, die Beteiligten weiter und en détail zu diskreditieren. Rill ist also in seiner Einschätzung zuzustimmen, dass „hier […] die Grenze z­ wischen Schisma und Becketstreit verwischt, und die Vergehen gegen den rechtmäßigen Papst und den vertriebenen Erzbischof […] als ein Komplex von Missetaten gewertet [werden]“ 2779. Für ihn ergeben sich folgende Wahrnehmungen der unterschiedlichen Rollen beider Würzburger Gesandten: „Eine deutlichere Charakteristik als die des erzbischöflichen Schreibens kann man sich gar nicht wünschen: neben dem geistigen Urheber Richard, der in Zusammenarbeit mit einer Gruppe anderer Beamter omnia mala plant, steht der Repräsentant Johann, der durch sein Auftreten dem Unternehmen die entsprechende Form verleiht.“ 2780

Rills Argumentation überzeugt vor allem dadurch, dass sie sich nicht nur auf die oben zitierten Verkündigungen stützt, sondern auch weitere Quellen zur Persönlichkeit und zum ‚professionellen‘ Handlungsmuster der beiden Höflinge heranzieht.2781 Insgesamt fällt auf, dass Richard von Ilchester im Vergleich zur Kritik des exilierten 2776 Der Textzeuge des Schreibens Satis superque an Papst Alexander findet sich in der dritten Rezension der Becketsammlung des Alan von Tewkesbury (Cambridge, Corpus Christi College, MS 295). Zitiert nach: Duggan: Authorship, S. 36. 2777 Vgl. ebd. 2778 Vgl. CTB I 79, S. 318 f.: Similiter etiam Ricardum de Iuelcestria, qui eidem scismatico communicauit; et una Ricardum de Luci, et Iocelinum de Baillolio, qui regie tirannidis fauctores et hereticarum illarum prauitatum fabricatores extiterunt. 2779 Rill: Eide, S. 14. 2780 Ebd. 2781 Siehe dazu die weiteren Verweise bei Reuter: Geschichte II, 318 ff. und Rill: Eide, S. 14, Anm. 44 – 48.

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Erzbischofs in den Tadeln des Johannes von Salisbury unterrepräsentiert ist. Seine Exkommunikation ist dem gelehrten Angelsachsen, im Gegensatz zu der des ­Johannes von Oxford, nur eine Randbemerkung wert.2782 Dies mag mit seiner Beziehung zum Becketzirkel zusammenhängen, dem Richard selbst zeitweise angehört zu haben scheint.2783 Bei Hofe schnell zum Richter und Baron des Exchequer aufgestiegen, pflegte Richard auch während des Konflikts gute Beziehungen zu den Exilierten und legte Wert darauf, sich eine Möglichkeit zum Rückzug offenzuhalten.2784 Anders als Becket tat sich Johannes von Salisbury, auch wenn er die Exkommunikationen gegen den Archidiakon von Poitiers guthieß, nicht als Richards erbitterter Gegner hervor, sondern versuchte, die Bekanntschaft mit dem einflussreichen königlichen Berater auch zur Intervention bei Heinrich II. zu n ­ utzen. Seine nach Poitiers und an Richard gewandten Briefe oszillierten z­ wischen vorsichtigem Tadel an dessen Verfehlungen und offenen Bezeugungen von Sympathie und Loyalität gegenüber dem Exkommunizierten.2785 In jedem Fall scheint es Richard, der auch mit Arnulf von Lisieux freundschaftlich verbunden war, gelungen zu sein, sich trotz seiner tiefen Verwicklungen als hoher königlicher Gesandter im Rahmen seiner Möglichkeiten als vermittelnde Kraft mit beiden Parteien gut zu stellen.2786 2782 Vgl. JvS II , Ep. 168, S. 112 f.: Ibidem etiam, allegatis uariis causis et iustis, excommunicauit Ricardum Pictauensem archidiaconum et R(icardum) de Luci […]. Darüber hinaus gibt es nur eine Notiz seiner Einberufung des am Protest der Teilnehmer gescheiterten Londoner Konzils von 1169, auf der der englische Episkopat alle Obödienz gegenüber Becket und Alexander III. abschwören sollte. Siehe CTB II 244, S. 1060 f. 2783 Zu Leben und Karriere siehe Kate Norgate: Richard of Ilchester, in: DNB 48, S. 1080 – 1083 und Charles Duggan: Richard of Ilchester, Royal Servant and Bishop, in: Transactions of the Royal Historical Society, Fifth Series 16 (1966), S. 1 – 21 mit einem Augenmerk auf Richards Niederschlag im Spiegel der Pipe Rolls und Urkundenquellen sowie einem separaten Kapitel zu seiner Rolle im Becketkonflikt. Richard wirkte von 1156 bis 1162 als scriptor curiae unter Heinrich II. und könnte in ähnlicher Position auch am erzbischöflichen Hof von Canterbury gearbeitet haben. Auch sollte er durch Becket zum Archidiakon von Poitiers aufgestiegen sein. Ein Amt, das er aufgrund seiner rasanten Karriere bei Hofe jedoch so gut wie nicht ausfüllte. Siehe zusammenfassend Hirata: Correspondents, S. 424 – 437. 2784 Vgl. ein anonym überliefertes Schreiben an Richard bei RvDiceto Ymagines historiarum I, ed. Stubbs, S. 319 f. 2785 Vgl. die Bittschreiben in eigener Sache in Later Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 149, 152 und eventuell 167 (Adressierung umstritten). Zu Johannes’ Verkehr mit Richard und anderen Höflingen siehe Hirata: Correspondents, S. 424 – 437. 2786 Zu seinen Gesandtschaftsreisen im Dienste des Königs siehe Norgate: Richard und Duggan: Richard, S. 9 – 14. Nach Beckets Ermordung setzte sich Johannes von Salisbury für Richards weiteren Aufstieg zum Bischof von Winchester ein. Siehe Hirata: Correspondents, S. 434 f. Seine Vertrautheit mit Arnulf von Lisieux, mit dem er auch als königlicher

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Dass Johannes von Oxford als iurator in die Annalen einging, während Richard von Ilchester mit weniger beißendem Tadel und der Exkommunikation davonkam, lag in erster Linie in ihrer Rolle in Würzburg und darüber hinaus begründet. Denn der Vorwurf gegen den Dekan von Salisbury erweiterte sich, über die Verurteilung seines als schismatisch betrachteten Eides hinausgehend, zu einer allgemeinen Kritik an seinem Gebaren als offizieller Repräsentant und Berater des Königs. Schließlich sah man das eigentliche Vergehen des Johannes von Oxford nicht in einer initialen schismatischen Gesinnung, sondern dem Nachgeben gegenüber dem Willen und Verlangen des großen Schismatikers, Barbarossa, selbst. Immerhin leitet Johannes die Passage mit der Behauptung ein, Friedrich I. sei geradezu versessen darauf gewesen, Unterstützung seiner selbst sowie seiner Erben zu akquirieren. Als Beweis verweist der Angelsachse auf einen Brief des Kaisers an Heinrich, Graf der Champagne, der ihm persönlich zu Augen gekommen sei. In d­ iesem erzählerischen Rahmen kommt er auf Friedrichs Bitte um Präzisierung der in den Eid eingeschlossenen Personen gegenüber Johannes von Oxford zurück.2787 Erst als der Hofbeamte erwidert, der König teile die kaiserliche Definition und böte auf dieser Basis Eide an, wird die Interaktion für Johannes von Salisbury zur aduersus Dominum et ecclesiam confoederatio 2788 ­zwischen England und dem Reich. Zur selben Zeit berichtete Johannes von Salisbury Bartholomäus von Exeter, dass ein Kleriker aus dem Haushalt des Johannes von Oxford Beckets Exil in Pontigny besucht und bestritten habe, dass die seinem Herrn vorgeworfene Eidleistung gegenüber dem K ­ aiser oder ein Umgang mit dem Kölner Metropoliten je stattgefunden habe.2789 Eine Aussage, die zu unglaubwürdig war, um sich darauf einzulassen. Eide waren geschworen worden – mochte deren Wortlaut auch umstritten sein. Ohne Kontakt ­zwischen dem Erzbischof von Köln und den englischen Gesandten wären diese niemals zustande gekommen. Mit einem kühlen Verweis auf den offiziellen Exkommuniziertenstatus des Dekans von Salisbury wies Becket daher kurzum jegliche Handlungsautorität des Repräsentanten ab.2790 Das Dementi ist fast singulär in den

2787 2788 2789

2790

Legat tätig gewesen war, belegen Briefe wie AvL Ep. 141. Siehe auch Letters, ed. Barlow, S. xliii. Vgl. JvS II, Ep. 177, S. 182 f. Ebd., S. 184 f. Vgl. JvS II , Ep. 171, S. 124 f.: Venerunt ad eum nuper clerici duo, sicut michi pro certo relatum est ab eo qui tunc erat Pontiniaci, haec publicantes et appellantes; unus ex parte domini Saresberiensis, alter ex parte decani sui, infitiantis omnino se iuramentum aliquod praestitisse imperatori uel Raginaldo Coloniensi scismatico in aliquo communicasse. Vgl. ebd., S. 124 – 127: Archiepiscopus uero ei in haec uerba respondit: ‘Tu, cum ignotus nobis sis nec mandatum nec litteras regis habeas et ex communione domini tui Iohannis de O ­ xenefordia,

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Quellen und deckt sich in seiner vorliegenden Form nicht mit der Argumentation des Königs in Super his que an die alexandrinischen Kardinäle.2791 Immerhin hatte Heinrich nie die Leistung eines Schwurs dementiert, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass der Vertrag mit dem Reich politischer Natur gewesen war. In einem späteren Brief an Bischof Milo von Thérouanne allerdings kommt Johannes’ Rekapitulation des Dementis dem schon wesentlich näher: Es sei nichts beeidet worden, das sich gegen die gebührliche Ehrerbietung gegenüber Alexander III. und der römischen ­Kirche gerichtet habe.2792 Welche Formeln genau in Würzburg geäußert wurden, wird nach aktueller Quellenlage weiter ein Rätsel bleiben. Tatsache ist, dass Johannes von Salisbury und die Becketpartei über lange Zeit hinweg Johannes von Oxford und seinen Eid als ähnlich bedeutend in der Perpetuierung und Erneuerung des Papstschismas darstellten wie die Erhebung Guidos von Crema. Nur folgerichtig also, dass Johannes von Oxford zum scismatis conciliator 2793, zum Anstifter der Spaltung innerhalb der englischen Landeskirche, aber eben auch zum Anstifter der universalen Kirchenspaltung wurde. Die Eidleistung an sich wurde offen kontextualisiert und mit dem Schisma verbunden. Vom November 1166 ist ein Schreiben an Alexander III. erhalten, als dessen Absender Thomas Becket in der Salutatio erscheint, das jedoch nach Einschätzung der Editorin Spuren der Mitwirkung des Johannes von Salisbury zeigen könnte. Darin gibt sich Becket entrüstet, dass Johannes von Oxford sich erdreiste, an der Kurie in Sens zu erscheinen, als habe er „durch die Fortführung des Schismas mit den Schismatikern und dessen Wiederbelebung durch die Leistung des Eides eine gute Tat vollbracht“ 2794. Im Umkehrschluss charakterisierte man wiederum Johannes’ auf den quem excommunicatum esse constat per litteras domini papae, excommunicatus sis, appellantis officium implere non potes. Nos autem mandatum apostolicum exequimur et, Deo auctore, implebimus. 2791 Vgl. MTB 6, Nr. 255. 2792 Vgl. JvS II, Ep. 214, S. 354 f.: tandem praestito iuramento de more absolutus, ut itidem publice iurauit quod nichil in praefato scismaticorum conuentu fecerat contra fidem ecclesiae et honorem et utilitatem domini papae […]. 2793 CTB II 281, S. 1204 f. 2794 CTB I 115, S. 560 f.: Iohannes de Oxenefordia sanctitatis uestre presumit apparere conspectibus, et quasi re bene gesta, et scismaticis de scismate perpetuando, quod exinde conualuit, prestito iuramento, iteratis dolis apostolicam sedem appetit, ut quam periurio nequiquit subuertere, impura purgatione et fraudibus exquisitis decipiat […]. Siehe auch JvS II, Ep. 234, S. 432 f. Da Johannes von Oxford einen öffentlichen Schwur abgelegt hatte, sich am kaiserlichen Hof in keiner Weise gegen die Ehre oder das Wohl des Papstes und die ­Kirche betätigt zu haben, bezichtigt er ihn des Meineids. Siehe JvS II, Ep. 171 (S. 124 f.), Ep. 214 (S. 354 f.). Ausführlich zum historischen Hintergrund: Barlow: Becket, S. 161 – 166.

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Becketkonflikt bezogene politische und diplomatische Triumphe an der alexandrinischen Kurie als Wasser auf die Mühlen der kaiserlichen Partei: nisi caracterem bestie reportet in fronte, timemus ne quicquid honoris reportauerit sibi, in confusionem apostolice sedis, et tocius ecclesie ignominiam, et confortationem scismaticorum conuertatur.2795

Die Bestätigung von Johannes’ Wahl zum Dekan von Oxford, eine von Alexander im Becketkonflikt getroffene Entscheidung, wurde also direkt mit einem weiteren Verlauf des Kampfs um die Cathedra Petri verknüpft. Auch hier schockierte Würzburg nicht, weil man glaubte, dass der englische König ernsthafte Ambitionen gegenüber dem kaiserlichen Lager hatte. Der eigentliche Skandal war, dass ein englischer Hofkleriker, der Kontakte zu gebannten Schismatikern unterhielt und einen in der Überzeugung der Kirchenkreise sakrilegischen Treueeid auf Paschalis III. geschworen hatte, noch gestärkt aus der Affäre hervorging, denn dies spielte fast so unmittelbar in die Hände der Gegner wie eine in Aussicht gestellte Treuezusage des englischen Herrschers. Man warf dem Dekan von Salisbury sogar vor, mit seinem – eben das Schisma belebenden – Würzburger Eid das französische Exil des geflohenen Mainzer Metro­politen Konrad von Wittelsbach, eines der mächtigsten Alexandriner im Reich, ursächlich herbeigeführt zu haben.2796 Auch hier war die universalkirchliche Schismathematik im Kontext der zeitgenössischen Diskussion mächtig genug, den bedrohlichsten Gegner im landeskirchlichen Disput zu diskreditieren. Dass man von der schismatischen Natur der Bündniseide überzeugt war (möge sich diese in tatsächlichen Abschwur von Alexander oder in der reinen Unterstützung der geschwächten Reichspartei niedergeschlagen haben), zeigt auch die Wortwahl in den Dokumenten der Zeit. Der Eid im juristischen Sinne (iuramentum) wird mit dem Zusatz des periurium in Verbindung gebracht, einem der Signalworte aus der Frühzeit der Kontroverse um Überordnung und Primat des römischen Bischofs zu Zeiten Gregors VII., das eng mit der Häresie des Ungehorsams verbunden wurde.2797 Das angevinisch-staufische Bündnis von 1165, ob wörtlich in der Eidesformel expliziert oder nicht, wurde somit in den Augen des Johannes von Salisbury und des 2795 CTB I 115, S. 560 f. 2796 Vgl. Ep. 116. Omnia nostra ideo uestra, in: CTB I, S. 563. Konrad von Wittelsbach, der sich bereits gegen die Erhebung Paschalis III. ausgesprochen hatte, hatte sich in weiser Voraussicht vom Würzburger Hoftag zurückgezogen. Wenig ­später schwor er den Obödienzeid auf Alexander III. und floh nach Frankreich. Trotz Konrads Absetzung durch Barbarossa im September 1165 adressierte ihn Becket weiter mit dem erzbischöflichen Ehrentitel. 2797 Vgl. CTB I 115, S. 560 f. Zur kirchenrechtlichen Bedeutung des Terminus periurium siehe vertiefend Müller: Gegenpäpste, S. 37.

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­ ecketzirkels zum Schlag gegen Papst Alexander III . und damit zur willentlichen B Negierung der natürlichen kirchlichen Ordnung. Im November 1166 hatte sich Johannes von Oxford auf den Weg gemacht, um sich an der alexandrinischen Kurie für die Wünsche Heinrichs II. stark zu machen. Dort gelang es ihm nicht nur, seine eigene Absolution von der Exkommunikation sowie die Bestätigung seiner Dekanswürde durchzusetzen, sondern er erwirkte die päpstliche Absolution der in Todesgefahr schwebenden, von Becket in Vézelay Exkommunizierten und die Entsendung einer mit umfassenden Vollmachten ausgestatteten Legation a latere, welcher der als Royalist gefürchtete Wilhelm von S. Pietro in Vincoli angehören könnte.2798 Eine diplomatische Mission von unvergleichlichem Erfolg und ein Schlag, der Becket und seine Unterstützer zutiefst entsetzte. Nach seiner Rückkehr nach England verbreitete Johannes von Oxford zur Entrüstung seines gelehrten Namensvetters aus Salisbury, der die Bestätigung des Dekans­amtes ätzend als Belohnung für den Fehltritt in Würzburg verdammte, mit ­geschwellter Brust demoralisierende Nachrichten von der bevorstehenden Zerschlagung der Becketpartei.2799 Alexander, so die Deutung des Johannes von Salisbury, sei betrogen worden – und das mit altbekanntem Mittel: Sed siquis ea quae Romae gesta sunt diligentius recolat, plane uidebit quod Romanus pontifex etiam circumuentus causam ecclesiae et nostram fidelissime procurauit. lam dictus enim Iohannes tandem praestito iuramento de more absolutus, ut itidem publice iurauit quod nichil in praefato scismaticorum conuentu fecerat contra fidem ecclesiae et honorem et utilitatem domini papae (et utinam non deierasset), postmodum commendaticias et deprecatorias porrexit ex parte domini regis, quibus insertum erat ut illi tanquam regi ipsi in omnibus crederetur. Deinde tanta fultus auctoritate causam, quae inter regem et archiepiscopum super prauis consuetudinibus uertitur, domini papae commisit arbitrio, ut illae ad nutum eius roborarentur aut caderent, et archiepiscopo ad 2798 Vgl. Alexanders Verkündigung an die ecclesia Anglicana (CTB I 115, S. 560 – 563) und den an Alexander gerichteten Bericht des Magisters Lombardus von Piacenza (Nr. 292. Cum uestre sanctitatis, in: MTB 6). Vertiefend zur Gesandtschaft von November 1166 und ihren Auswirkungen: Barlow: Becket, S. 161 – 166. Zur Reaktion des Becketzirkels siehe Later ­Letters, ed. Millor/Brooke, Epp. 123 – 125 und die Protestbriefe aus der Feder des ­Herbert von Bosham: MTB 6, Epp. 280 und 281. 2799 Vgl. JvS II, Ep. 214, S. 354 f.: hostes ecclesiae […] mentiuntur enim Romanam ecclesiam nobis conuersam esse in arcum prauum, et dominum papam omnibus regis Anglorum peticionibus annuisse, ex eo sumentes coniecturam quod excommunicati nostri absoluti sunt in aduentu Iohannis de Oxenefordia; qui etiam, quasi re bene gesta in curia imperatoris ubi scisma confirmatum est, acceptum de manu domini papae reportauit Saresberiensis ecclesiae decanatum. Siehe auch CTB I 157, S. 732 f. und besonders JvS II, Ep. 219, S. 372 – 375. Zusammenfassend: Hutton: Oxford.

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Sichtweisen auf die Rolle König Heinrichs II. Plantagenêt formam mandati eius pax omnimoda reformaretur. Et hoc item iuramento confirmans obtinuit ut dominus papa concederet se ad hoc legatos esse missurum; quorum iter, ut aiunt, suspensum est, iuratoris fraude comperta.2800

Falsche, trügerische Eide als politisches Standardrepertoire: eine weitere polemische Facette im Kampf gegen den königlichen familiaris. Seinen Ratschlägen sprach man, besonders in Fragen der Auseinandersetzung mit dem englischen Primas, ein übergroßes Gewicht beim König zu, der wiederum, so klagte man gegenüber Papst Alexander, nach der Rückkehr jeder Delegation an die alexandrinische Kurie immer wagemutiger und skrupelloser würde.2801 Als ob Heinrich noch nicht verrückt genug sei, heißt es noch im Juni 1168, stachele ihn Johannes von Oxford weiter auf: A diebus autem Iohannis de Oxeneford. non modo a prefato rege sed et ab ecclesia Romana uim patimur, que usque in finem sexti anni, datis dilationibus, protraxit exilium nostrum; et persecutores ecclesiae, qui spoliis nostris corrupti sunt et alios corrumpunt, cum triumpho remittunt et gloria. Illi autem redeuntes regem, quasi per se non satis insaniret, instigant, et illos qui ecclesie decreuerant adherere, minis et terroribus et exquisitis dolis, transire faciunt in aduersam figuram.2802

Ähnlich hatte sich Johannes von Salisbury auch in einem persönlichen Brief an Albert, Kardinalpresbyter von S. Lorenzo in Lucina, geäußert, in dem er sich überzeugt zeigte, dass der Konflikt ohne die Involvierung des Dekans von Salisbury längst beendet worden sei: Iam uero uicisset ecclesia, nisi auxilio et consilio eius iurator ille decanus praeualuisset; et utinam nunquam fuisset anulus ille, quem in signum confusionis ecclesiae et sui triumphi uidentibus cunctis ostentat. Vtinam dominus papa peccatum alienum nequaquam fecisset suum; et intrusum, quem ad gloriam Dei iuste deiecerat, ipse qua cunctis praeminet auctoritate non intrusisset, nec illum fecisset custodem animarum, qui et ecclesiae persecutor extitit et adhuc non nisi carnem sapit.‘2803 2800 JvS II, Ep. 214, S. 354 f. 2801 Vgl. CTB I 169, S. 770 – 773. 2802 So in einem von Johannes im Namen der Exilierten mit aufgesetzten Brief an den Notar Gratian aus dem April 1170: CTB II 281, S. 1204 f. Inhaltliche und formulatorische Ähnlichkeiten zeigt bereits ein früheres Stück aus dem Jahre 1168, das im Namen Beckets verfasst wurde. Siehe CTB I 169, S. 772 f.: Siquidem Ioannes de Oxeneford, quasi non satis insaniret homo, eum in reditu suo amplius instigauit […]. 2803 JvS II, Ep. 234, S. 432 f.

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Den aufmerksamen Beobachter wird nicht nur die Ähnlichkeit der Formulierungen, insbesondere des Vorwurfs, Johannes von Oxford habe dem Streit neuen Auftrieb gegeben, an die Kritik an einem anderen Herrscher-Berater-Gespann erinnern. Die Abfassungszeit des Briefes an Kardinal Albert, das Ende des Schicksalsjahres 1167, war für Johannes von Salisbury eine Zeit des Optimismus. Im November 1167 schürte die bevorstehende, erste päpstlich delegierte Vermittlung ­zwischen den gegnerischen Parteien im englischen Kirchenstreit Johannes’ im Nachhinein illusorische Hoffnung auf ein Umlenken des Königs.2804 Gegenüber Petrus Scriptor, einem Mitglied des Canterbury-Zirkels, wertete er damals die Situation verhalten zuversichtlich: Deus autem […] Teutonicum tyrannum scismaticorum principem coegit ab urbe recedere confusum, ipse dominum regem Anglorum gratia sua reducet et deducet in uiam rectam, ut de cetero consiliariis malis non acquiescat.2805 Wie der eine Tyrann so werde auch der andere niedergehen. Voraussetzung war nur, dass er aus den ­Zeichen der Zeit lerne und die richtigen Rückschlüsse für sein Verhalten ziehe: Im Klartext hieß dies, schlechte Einflüsse auszuschalten und der Stimme von lex, iustitia und aequitas zu folgen. Denn wer auch immer wie Barbarossa weiter den Weg der Tyrannei verfolge, würde dem Staufer auch in sein Schicksal folgen.2806 Diese, eine seiner liebsten Kernbotschaften ­zwischen Ende 1167 und 1170, wandte der angelsächsische Gelehrte in alle Richtungen, die Erfolg im Kampf gegen ­Heinrichs Politik versprachen. So auch an Nikolaus von Mont-Saint-Jacques, seinen Verbindungsmann in Rouen.2807 Um die Erfahrung der gescheiterten päpstlichen Vermittlung reicher, erhoffte Johannes sich um die Jahreswende 1167/1168, dieser möge durch seinen Einfluss Kaiserin Mathilde bewegen, unter Zuhilfenahme des gelieferten Argumentariums auf ihren königlichen Sohn einzuwirken. Es gebe nur einen vernünftigen Weg, die göttliche Vergeltung zu verhindern. Diesen Weg, schließt Johannes, nämlich den Ausschluss der Kirchenfeinde unter seinen Ratgebern, müsse Heinrich jedoch allein und aus freien Stücken gehen.2808 Barbarossa zum zeitgenössischen ­Exemplum 2804 Zum Ablauf der ersten Gesandtschaft a latere und mit einem kritischen Blick auf die Frage, ob die Unversöhnlichkeit nur Beckets Seite anzulasten ist: Duggan: Becket, S. 124 – 142. 2805 JvS II, Ep. 225, S. 392 f. 2806 Vgl. JvS II, Ep. 234, S. 430 f.: nam qui Fredericum deiecit coram uobis, profecto et alios tirannos, si institeritis mandatis eius, subiciet uobis aut omnino deiciet. 2807 Vgl. JvS II, Ep. 239. 2808 Ebd., S. 456 f.: Vna uia patet consilii, ut prauos et inimicos ecclesiae excludat consiliarios, et Deum quem offendit placare studeat, quo inuito regnare non potest aut feliciter principari. Sustinuit eum hactenus in multa patientia, sed, nisi caueat, aduersus inmoderationem eius ut parturiens loquetur in breui.

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erhebend, fordert der Saresberiensis in aller Deutlichkeit, Heinrich möge sich um des Friedens willen von schlechten Einflüssen lossagen.2809 Seine Worte klingen wie eine ‚goldene Brücke‘, sozusagen eine letzte an den Plantagenêt gerichtete Warnung, die Chance zur Umkehr zu ergreifen. Es braucht nicht viel Phantasie, um die Wurzeln der Vehemenz, mit der Johannes diese Forderung vertrat, im Königsbild des Policraticus aufzuspüren. Die wenigen Passagen seiner Briefe, die sich mit d­ iesem Thema auseinandersetzen, stellen bereits im Kern Johannes’ Vorstellung davon dar, wie von Seiten des Fürsten korrekt mit schlechten Beratern zu verfahren sei. Schließlich stellte nach polikratischer Lehre die Förderung des Gewaltengleichgewichts und der öffentlichen Ordnung im organologischen Staatskörper eine der vorrangigen Aufgaben des Königs dar.2810 Diese Idealvorstellung wirkte sich nach Nederman eben auch auf dessen Beziehung zu seinen engsten Vertrauten und seinem Beratungsgremium aus: „No less than the king himself, such officials ‚are bound to justice by their profession or by an oath‘. We must consequently apply the same rigorous standards regarding the performance of justice to these magistrates that have been required of the prince. Any royal servant who prefers his own benefit to the practice of justice entailed by his office should be ‚plucked out, cut out and cast away‘.“ 2811 2809 Ebd., S. 454 f.: Et si historiarum non mouetur exemplis, eum uel Fredericus ex-Augustus potest instruere, qui de fastigio Romani imperii ob ecclesiae persecutionem in paupertatem et ignominiam miser, sed nulli miserabilis, corruit […]. Ille suos punire noluit, qui eum deprauauerant, consiliarios; sed in eos digitus Dei gloriosam exercuit ultionem. 2810 Vgl. Nederman: Significance, S. 219 f.: „It was John’s view that the common good, the overall ‚health‘ of the body politic, was constituted by the realization of justice throughout the organs and members. This equation of the common good with justice need not merely be inferred from the Policraticus, for John renders it explicit: ‚So long as the duties of each individual are performed with an eye to the welfare of the whole, as long, that is, as justice is performed with an eye to the welfare of the whole, the sweetness of honey pervades the allotted sphere of all.‘ […] The king is depicted as the chief purveyor of justice, whose will must be unfailingly oriented towards the performance of just acts and the promotion of universal equity through the promulgation of law.“ Nederman zitiert Policraticus II, ed. Webb VI, 22, S. 63: dum sic coluntur officia singulorum ut universitati prospicitur, dum iustitia colitur, fines omnium mellea dulcedo perfundit. Dazu Türk: Nugae, S. 71: „Tous doivent s’employer pour le bien de l’ensemble et que chacun remplisse l‘ qui lui est attribué! […] Ailleurs Jean recommande au prince de guider son peuple, à l’enseignant d’instruire, au juge de punir des coupables.“ Bezug auf Policraticus, ed. Keats-Rohan I, 4, S. 39 – 40 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 32). 2811 Nederman: Significance, S. 221 unter Bezug auf Policraticus I, ed. Webb V, 17, S. 367 (Et si hoc nimis arduum uidetur aliis, uel a iudicibus tam ecclesiasticis quam mundanis, qui

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Dass Johannes von Salisbury nicht der einzige war, der damals dem König diese Verpflichtung im komplexen administrativen Gebilde des angevinischen Staatsgefüges und Hofes auferlegte, zeigt auch Walter Maps Kritik, Heinrich II . überlasse nachlässigerweise die Staatsführung seinen Beamten.2812 Denn „Sorge um Recht und Gerechtigkeit bedeutete in England vor allem, dass [der König] Mechanismen schuf, mit deren Hilfe das Wirken und Handeln königlicher Bediensteter überprüft und kontrolliert werden konnte“ 2813. Dazu gehörten auch die Bestrafung jener, die sich schuldig gemacht hatten, und die Lossagung von allen, die dem Wohl des Staatskörpers nicht zuträglich waren.2814 Eben dies ist es, was Johannes von Salisbury von Heinrich II. forderte und was er durch die Beschwörung des Schreckgespenstes eines niedergegangenen, von schlechten Beratern abhängigen Kaisers bewirken wollte.2815 So werden auch becketkritische Aussagen wie jene zu dessen Rolle in der Erhebung des scutagium während des Feldzugs nach Toulouse verständlich: Sed dicet aliquis quoniam haec indictio census et ecclesiarum uexatio in cancellarium eius, […] qui regem tunc ad omnia pro arbitrio impellebat et hoc sicut alia multa mala induxit. Quod etsi ego falsum esse nouerim, utpote qui eum scio tunc non auctoritatem praestitisse libidini sed obsecundationem necessitati, tamen quia eum ministrum iniquitatis fuisse non ambigo, iure optimo taliter arbitror puniendum, ut eo potissimum puniatur auctore quem in talibus Deo bonorum omnium auctori praeferebat […].2816

Seine Furcht um das Seelenheil des Königs von England anführend, bat Johannes von Salisbury Johannes Belmeis, Bischof von Poitiers, im April oder Mai 1168 um Hilfe bei der Gewinnung der einflussreichen Grammontenser als Intervenienten für Becket:

p­ rofessione aut sacramento iustitiae obligati sunt.) und Policraticus II, ed. Webb VI, 26, S. 79 (Hoc in membris omnibus principi arbitror obseruandum ut non modo eruantur abscidantur et procul eiciantur.) 2812 Vgl. Walter Map. De nugis curialium. Courtiers‘ Trifles, ed. Montague R. James, Oxford 2002 (ND der Ausgabe 1983) (OMT) V, 6, S. 484 f. und V, 7, S. 510 – 513. Siehe dazu auch Türk: Nugae, S. 158 – 177. 2813 Weiler: Machtstrukturen, S. 140. 2814 Vgl. Policraticus, ed. Keats-Rohan I, 4, S. 40 (=Policraticus I, ed. Webb, S. 32): Quid ei cum priuato et rusticano fortasse studio, qui publicae auctoritatis insignibus fulget? Ducem sequatur populus, doctor seminet disciplinam, iudex coherceat delinquentes, studiosus remuneret indulgentia potestatis, priuati minoribus occupentur, honestioribus ingenui, uilioribus seruilis conditio mancipetur […] und Policraticus II, ed. Webb VI, 26, S. 79. 2815 Vgl. JvS II, Ep. 239, S. 454 f. 2816 JvS II, Ep. 168, S. 104 – 107.

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Fredericus ille scismaticus insignis, dum in ecclesiam maliciosius et crudelius saeuit, factus est exAugustus, et eo perductus est ut iam optauerit Italiam perdidisse, quam retinere non potest. Timeo ne praefatus rex, ambulans in uiis eius, exitum (quod Deus impediat) similem consequatur. […] Si ergo expedire credideritis, precor attentius quatinus procuretis ut sancti illi Grandimontani, uel alii quos benignius audire consueuit, eum statuant contra faciem suam, commonentes redire ad cor et declinare a uestigiis Frederici ne, Domino irascente, tirannum, quem habuit in culpa praeambulum, praeuium habeat in ruina.2817

Die Nachgiebigkeit Alexanders III. und seine Härte gegenüber Thomas Becket, so äußert der angelsächsische Gelehrte sich wenig ­später verbittert gegenüber Bischof Johannes, geschehe nicht, weil die Exilierten es verdienten, sondern um einem Tyrannen zu gefallen.2818 Das Treffen z­ wischen Heinrich II. und den Grammontensern kam tatsächlich zustande. In einem hoffnungsvollen Schreiben vom Februar 1169 formulierte Johannes seine großen Erwartungen an den Ausgang der Gespräche. Obgleich er den nunmehr gesprächsbereiten ‚Tyrann‘ Heinrich nicht mehr mit dunklen Farben malte, sondern seine sonstigen Tugenden stark machte, verwies Johannes auf das Schicksal des Kaisers und die Wahrscheinlichkeit, dass jedem Fürsten, der ähnlich handle, ein infelix exitus bevorstehe.2819 Auch d­ ieses Mal zerplatzten die Hoffnungen des exilierten Angelsachsen auf deren Einigungswillen, als eine Friedensverhandlung nach der anderen an der Renitenz von Erzbischof und König scheiterte.2820 Mehr noch, schien der König von England nicht müde zu werden, neue Schuld auf sich zu laden. Mit schlecht verhohlenem Triumph frohlockt Johannes Ende August 1169 gegenüber Hugo von Gent, einem ehemaligen Vertrauten aus dem Haushalt Erzbischof Theobalds, der Anglicanae ecclesiae malleus Heinrich habe sich in seinem Doppelspiel z­ wischen Kaiserhof und Kurie verstrickt. Denn mit dem Scheitern Barbarossas, dem einst so vielversprechenden Bündnispartner, habe auch sein Glück den Zenit überschritten.2821 Zum Beweis berichtet er vom 2817 JvS II, Ep. 274, S. 574 – 577. 2818 Vgl. JvS II, Ep. 275, S. 580 f. 2819 Vgl. JvS II , Ep. 278, S. 632 – 635: Ecce cum Teutonico tiranno quid egerit quem, sicut fama publica est apud nos, uelut illam statuam quam Nabugodonosor uidit in sompnis, podagra percussit in pedibus, ut incedere nequeat nisi stipatorum auxilio fulciatur. Et quidem spes est ut in breui pateat ruinae magnae, Christoque, quem in membris persequitur, dum libertatem ecclesiae subuertere quaerit, concedat gloriam uel inuitus. 2820 Vgl. Duggan: Becket, S. 124 – 178 und Barlow: Becket, S. 167 – 197. 2821 Vgl. JvS II , Ep. 290, S. 658 f.: Et quidem, Deo propitiante, iam in eum calculum Christi et ecclesiae suae causa perducta est, ut de cetero periclitari non possit, eo quod scismatis capita [i. e. Rainald von Dassel und Friedrich Barbarossa] defecerunt, et Anglicanae ecclesiae ­malleus,

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Scheitern der Intrigen, von Versprechen und Heinrichs Bestechungsversuchen bei führenden Kommunen des Lombardenbundes, in Sizilien und an der alexandrinischen Kurie, ­welche die Absetzung des Erzbischofs von Canterbury zur Bedingung eines Schulterschlusses der südländischen Verbündeten mit Alexander III. machen sollten.2822 Ganz zu schweigen vom nach dem letzten Friedensgespräch von Montmartre spektakulär gescheiterten Versuch, in Westminster den englischen Episkopat „durch ruchlose Eide“ zum „Verbrechen des Ungehorsams“ 2823 zu zwingen.2824 Die von Johannes gewählte Formulierung zu den Masseneiden von 1169 ist verräterisch. In ihr schwebt hauchdünn der Vorwurf der durch despotische Gewalt erzwungenen Nötigung über dem Herrscher: […] coniuratio, quae ad instar scismatis fieri cogebatur in Anglia, ecclesiae contra quam parabatur profectibus militabat.2825 Damals konnte Johannes von Salisbury nicht wissen, dass sich der Becketkonflikt seinem Ende zuneigte. Nur etwa ein halbes Jahr s­ päter, am Magdalenentag, dem 22. Juli 1170, kamen König und Primas von England nach Vorverhandlungen Heinrichs mit Ludwig VII . und den päpstlichen Vermittlern, den Bischöfen Rotrod von Rouen und Bernhard von Nevers, in der Touraine zum letzten Friedensgespräch zusammen. Dort, auf einer Lichtung ­zwischen Fréteval und Viévy-le-Rayé, wurde im persön­ lichen Gespräch der beiden langjährigen Kontrahenten eine Versöhnung vereinbart, die zwar mit Hinblick auf die königlichen Zugeständnisse von der kirchlichen Partei als Triumph verbucht wird, sich jedoch in ihrer Durchsetzung als „hohler Friede“ 2826 herausstellen sollte.2827 Die anwesenden Anhänger Thomas Beckets wurden noch vor c­ omprehensus in operibus suis, de cetero cui innitatur inuenire non ualet. Ventum erat ad summum, ubi constat habitudines periculosas esse, cum ille, qui sollicitando tam curiam quam scismaticos, Fredericum uidelicet et complices suos, laborauerat […]. 2822 Es ist die Rede von beträchtlichen Summen, die den Kommunen von Mailand, Cremona, Parma und Bologna im Gegenzug zur Intervention bei Alexander III. für die Absetzung Beckets angeboten wurden. Auch Alexander III. selbst versuchte Heinrich offenbar durch Geldgeschenke zu gewinnen. Siehe ebd., S. 658 – 661: uidens se hac uia non posse proficere aduersus Dominum et aduersus christum eius, transmissa legatione confugit ad Italiae ciuitates […]. […] Sed quia fidem multa promissa leuabant, et in precibus manifesta continebatur iniquitas, repulsam passus est; et quod per se impetrare non poterat, regis Siculi uiribus conatus est extorquere. Einordnend Anne J. Duggan: A New Becket Letter: Sepe quidem cogimur, in: Historical Research 63, 150 (1990), S. 86 – 99, hier: S. 94. 2823 Vgl. CTB II 244, S. 1060 f. 2824 Siehe auch GvCanterbury Chronica I, ed. Stubbs, S. 207. 2825 JvS II, Ep. 298, S. 692 f. 2826 Vgl. Duggan: Becket, S. 179. 2827 Erhaltene Berichte über den Friedensschluss auf dem sogenannten ‚Verräterfeld‘ sind Beckets offizieller Bericht an Alexander III . in CTB II 300 bzw. Nr. 684. Miserationis oculo, in:

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Ort in die königliche Gnade wiederaufgenommen. Mit Sicherheit fand unter ihnen auch endlich Johannes von Salisbury seinen Frieden mit dem Herrscher. Die wichtigste Quelle zum Ablauf und dem Zwiegespräch der beiden einst erbitterten Gegner, Beckets Bericht an Alexander III ., trägt auch die saresberiensische Handschrift.2828 Es sind vor allem Passagen wie dieser sanfte Tadel an den römischen Bischof, die dessen Gedankengut verraten: Nec dubium, pater, quin, si nobis uera dicentibus ab initio fuisset creditum, cornua retunderentur eorum qui uentilabant, conterebant, et uariis plagis uulnerabant ecclesiam, ut, exterminata prorsus libertate eius euacuata auctoritate diuine legis, uigerent consuetudines aut potius abusiones ueterum tirannorum, Romanus pontifex nesciretur in Anglia, et sponse priuilegia sine reparationis spe delerentur. Ecce enim ad nouissimas litteras uestras, quibus domino regi Anglorum innotuit quod ei ulterius non parceretis, sicut nec pepercistis Frederico dicto imperatori, cum intellexisset terram eius, amotibus omnibus subterfugiis, interdicto subiciendam esse, et episcopos, si qui forte non obedirent, suspendendos et excommunicandos, ilico nobiscum pacem fecit ad honorem Dei, et maximam, ut speramus, ecclesie utilitatem.2829

Das Schreiben, mit dem Alexander III., endlich willens und in der Position, harte Maßnahmen anzudrohen, die Veranlassung zu Heinrichs Einlenken gegeben hatte, war ein starkes Geschütz gewesen.2830 Becket und sein Zirkel waren davon überzeugt, dass die Androhung des Interdikts und weiterer Exkommunikationen den Ausschlag für sein Einlenken gegeben hatte.2831 Bei den vorhergehenden Verhandlungen in Montmartre hatte schließlich Heinrichs Weigerung, den Friedenskuss zu gewähren, die Bemühungen noch zum Scheitern gebracht.2832 Mit der Androhung des Interdikts und der Exkommunikation musste in den Augen des Johannes von Salisbury Heinrichs letzter Schritt auf dem Weg zur Nachfolge des MTB 7. Die Vitenreporte in HvBosham Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 463 – 467

sowie FitzStephen Vita Sancti Thomae, ed. Robertson, S. 107 – 112. Ein informeller anonymer Bericht an Radulf von Sarre nach Reims, wahrscheinliche Autorschaft Herbert von Bosham: Nr. 685. Si de his igitur, in: MTB 7. Siehe auch die offiziellen Verkündigungen des Friedens beider Seiten an diverse Adressaten in MTB 7, Nr. 686 – 694. 2828 CTB II 300. Zur möglichen Autorschaft des Johannes von Salisbury siehe Duggan: ­Authorship und Duggan: Classical, S. 38 – 40. 2829 CTB II 300, S. 1260 f. 2830 Nach ebd., S. 1260, Anm. 1 handelt es sich um Nr. 623. Carissimus in Christo, in: MTB 7 vom 19. Januar 1170. 2831 So versicherte Becket gegenüber dem kurialen Notar Gratian (CTB II 301, S. 1280 f.) und Papst Alexander (CTB II 300, S. 1260 f.). 2832 Vgl. Barlow: Becket, S. 193 f. und Duggan: Becket, S. 260.

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schismatischen Kaisers in der Auseinandersetzung mit Alexander III . gekommen sein. Man hatte die Wegscheide erreicht. Nun zeigte sich, wie weit der Plantagenêt zu gehen bereit war. Dieses eine Mal schien Heinrich von England seine Lektion gelernt zu haben. Nos autem, habito plurimorum sapientum consilio, […] ad colloquium regis accessimus; quem, Deo faciente, qui omnes illos amouerat qui sanctitatem uestram uariis dolis circumuenire soliti sunt, adeo mutatum inuenimus, ut, quod sine circumstantium admiratione non contigit, animus eius in nullo uideretur a quietis consiliis abhorrere.

Und weiter: Corripuimus eum, adhibita moderatione quam oportuit adhiberi; […] rogauimus et monuimus ut rediret ad cor, ut, dignos fructus penitentie faciens, et ecclesie […] manifesta boni compensatione satisfaciens, purgaret conscientiam, et redimeret famam. Nam an iniquis consiliariis, potius quam a proprie uoluntatis instinctu, graue utriusque dispendium patiebatur.2833

Wird man hier Zeuge einer Entlastung des Königs von England? Ist der Hinweis auf seine Lossagung der rechtfertigende Gemeinplatz, den man vom Bericht einer Partei erwarten könnte, die gerade den Versöhnungspartner beschrieb? Der Bericht des Becketzirkels spricht von einem gewandelten, einem geläuterten König, der jede Animosität vergessen zu haben scheint. Ein König, der genau jenes getan hatte, was Johannes von Salisbury und sein Policraticus seit jeher empfohlen hatten: die Abwendung von unlauteren Ratgebern. Es fällt schwer, in d­ iesem Zeugnis einen Allgemeinplatz zu erkennen. Zu eng sind die Aussagen, Heinrichs Zurückschrecken vor dem Beispiel des gefallenen Gebannten Barbarossa oder seine Lossagung von detrimentären Einflüssen, mit Johannes’ vorherigen Warnungen, seinen Überzeugungen, Wünschen und Hoffnungen verbunden. Nicht nur Alexanders unverhohlene Androhung des Interdikts, sondern auch Heinrichs freiwillige Reaktion, der Verzicht auf schlechte Berater, wird als einer der Erfolgsfaktoren der Verhandlungen bewertet. Das Thema zieht sich durch den gesamten Bericht. Es gipfelt in einer starken Schlussszene, in der der Herrscher nach der symbolischen Versöhnung mit dem ehemaligen Freund und erzbischöflichen Kontrahenten mit herrscherlicher Autorität seine Vertrauten in die Schranken weist 2834: 2833 Beide Zitate: CTB II 300, S. 1262 f. 2834 So etwa Beckets an den König gerichtete Frage: Cur ergo tanta facilitate animi, aut potius consiliariorum uestrorum prauitate, matrem uestram Cantuariensem ecclesiam, sine cause

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Cum ego equo desiliens me humiliarem ad pedes eius, ille, arrepto scansili, me coegit ascendere, et uisus illacrimari ait, ‚Quid multa? Domine archiepiscope, restituamus nobis inuicem ueteres affectiones, et alter alteri quod potuerit bonum exhibeat, et precedentis odii prorsus simus immemores […].‘ Et transiens ad illos, quia paucos ibi, quos lator presentium indicabit, uidebat amatores discordie, et odii incentores, ait, ut tam illorum quam omnium, ne quid mali dicerent, ora precluderet […].2835

Am Magdalenentag 1170 fand so nicht nur der Becketkonflikt sein vorläufiges Ende. Der Kreis schloss sich auch für Johannes von Salisbury. Ein Kreis, in dem er einen mit der taktischen Opposition gegen den als wahren und kanonisch gewählten Stellvertreter Christi flirtenden König auf tyrannischen Pfaden nach Anleitung der polikratischen Ethik in den Schoß der ­Kirche zurückkehren sah. Dass diese Rückkehr in eine Sackgasse führen sollte, in der auch die Überzeugungen und das Engagement des größten englischen Gelehrten und Moralisten seiner Zeit Becket nicht vor seinem Schicksal retten konnten, konnte mancher vielleicht ahnen, aber niemand voraussehen. Essenziell ist jedoch, dass der Becketkonflikt und die seit 1159 wütende Kirchenspaltung für Johannes unter ähnlichen Vorzeichen stattfanden: als Konflikt eines weltlichen Herrschers, der sich, aus Eigeninteresse vom rechten Weg der lex divina und seiner eigenen Amtsanforderungen abgekommen, von den falschen Kräften verleiten ließ. Seinen eigenen infelix exitus hatte Heinrich II . von England gerade noch abwenden können. Das unglückliche Ende seines Gegenübers sollten paradoxerweise gerüstete und bewaffnete familiares des Königs herbeiführen.2836 Insofern sollte Johannes von Salisbury, wenn auch anders als geglaubt, über die zerstörerischen Kräfte der Höflinge recht behalten.

cognitione, iure antiquo spoliastis […]? (ebd., S. 1266 f.) 2835 Ebd., S. 1270 f. 2836 Zum Mord an Becket, der Identität seiner Mörder und dem Nachspiel siehe Vincent: Murderers.

Resümee: Zwei Männer – eine Überzeugung – zwei Perspektiven Das alexandrinische Schisma – ein kaum wahrgenommenes Phänomen? Der Blick auf Geistesleben und Strategien schriftlicher Kommunikation bei Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury hat gezeigt, dass das Schisma weder vor noch nach ­Alexanders Anerkennung in Beauvais als bedeutungsleer für England empfunden wurde. Die Papstfrage war 1160 noch nicht endgültig entschieden und den von Friedrich I. ­Barbarossa gestützten Kandidaten betrachtete man nicht als hauseigenes staufisches Problem. Männer der Politik wie Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury waren hochinteressiert am Hergang der Auseinandersetzungen. Ihr Schismabild war lebendig, wurde mit jedem Wendepunkt des Konfliktes reflektiert und aktualisiert. Pavia, London, Würzburg und Rom formten als ereignis- und wahrnehmungsgeschichtliche Landmarken die Haltung der Zeitgenossen gegenüber den internationalen Akteuren der universalkirchlichen Krise und jenen, die zur Spaltung der ecclesia Anglicana im Inselkönigreich selbst beitrugen. Die an den Briefkorpora des Arnulf von Lisieux und Johannes’ von Salisbury abzulesenden fließenden Muster verraten viel über die Innensicht und Überzeugungen ihrer Verfasser zu jenem Konflikt, der die ­Kirche in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Atem hielt. Dabei war der 1164 aufbrandende Becketdisput zwar ein mächtiges Simultanereignis, aber mitnichten ein alle Aufmerksamkeit absorbierender Ablenkungsfaktor. Für die Zeitzeugen spielten beide Konflikte sich nicht auf getrennten Bühnen ab. Sie bedingten sich gegenseitig.

Der Einsatz der Protagonisten im Schismenverlauf Schon im Frühstadium des alexandrinischen Schismas traten sowohl Arnulf von Lisieux als auch Johannes von Salisbury engagiert in Erscheinung. Der lange Arm des Schismas hatte auch England erreicht. Die Kontinental- und Nachrichtensperre, mit der Heinrich II . seine Autarkie in der Entscheidung der Papstfrage zu sichern suchte, isolierte, wie die Geschäftskorrespondenz aus Canterbury lebhaft belegt hat, die ecclesia Anglicana nicht nur von der für die kirchliche Selbstverwaltung lebenswichtigen Kommunikation mit Rom, sondern auch vom essenziellen Informationsfluss mit dem Epizentrum der Kirchenspaltung, so dass erst im Frühjahr 1160 schismarelevante Dokumente beider Parteien, darunter die Wahlanzeige Alexanders III ., Eterna et incommunitabilis, und die Paveser Synodalenzyklika Quia

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Resümee: Zwei Männer – eine Überzeugung – zwei Perspektiven

sedis nur über politisch wohlkalkulierte Umwege, nämlich durch die Hände des Königs, in den Besitz des Primas gelangten. Im englischen Episkopat hatte diese Isolation eine besorgniserregende Orientierungslosigkeit in der Obödienzfrage zur Folge, die sich zu einer Autoritätskrise des Erzbischofs Theobald von Canterbury auszuwachsen drohte, der einer Spaltung durch proviktorinische Kräfte im Innern der Landeskirche kaum entgegenwirken konnte. Mit zahlreichen brieflichen Appellen an den auf dem Kontinent weilenden Plantagenêt versuchte Theobald fieberhaft, den Alleingang des Königs oder gar eine Kollision der Gewalten zu verhindern. Die wortgewaltige Propagierung einer besonnenen bilateralen Entscheidungsfindung z­ wischen K ­ irche und König, als einzig gangbarer Weg zu Ruhe und Frieden im Königreich, war die erste große Aufgabe des erzbischöflichen Sekretärs Johannes von Salisbury, der eine respektvolle Gewaltenkooperation bereits in seinem Policraticus verfochten hatte. Sie war sein großer und in der Forschung zuvor noch nicht beleuchteter Beitrag auf dem Weg zur Synode von London im Sommer 1160. In der Normandie, in der die ersten Nachrichten über die römische Doppelwahl schon ­zwischen Oktober und Dezember 1159 kursierten und ein größeres Maß an Handlungsfreiheit und Optimismus ermöglichten, warf Arnulf, Bischof von Lisieux, eigeninitiativ und unverzüglich als Brandhelfer der ersten Stunde seine prominente Stellung als Vertrauter des Königs bei Hofe zum Kampf für die Anerkennung Papst Alexanders III. im Westen in die Waagschale. Schon unmittelbar nach Bekanntwerden der Doppelwahl richtete er briefliche Hilfsangebote an Alexander III. und dessen Kardinäle, mit denen er durch ermutigende Einschätzungen der neuen Kirchenkrise die Moral der Alexandriner heben wollte und die ab April 1160 mit einem offiziellen päpstlichen Mandat als ­Alexanders Fürsprecher am englischen Königshof belohnt wurden. Im Verlauf der Jahre 1159 und 1160, Arnulfs produktivster Schaffensphase während des Schismas, setzte er zum einen gewissenhaft den englischen Hochklerus über den Schismaverlauf ins Bild und informierte zum anderen die alexandrinische Kurie über die Vorgänge auf der Insel. Die Zementierung des Schismas durch die Beschlüsse des kaiserlichen Konzils von Pavia im Februar 1160 ließ ihn und Johannes von Salisbury das Engagement noch intensivieren. In diese Monate, ­zwischen Mai und Juli 1160, fällt Arnulfs größter Beitrag: sein wirkmächtiges, auf der Synode von London verlesenes Manifest Quanta tempestate, in dem er durch die, auf päpstlichen Vorgaben ruhende Dekonstruktion der gegnerischen Enzyklika Quia sedis mit voller Macht die Propaganda der alexan­ drinischen Kurie nach außen trug. Indem Quanta tempestate über Hintergründe aufklärte, lieferte es wertvolle Impulse für die verunsicherte und schwer in Mitleidenschaft gezogene englische Kirchenlandschaft und stärkte die a­ lexandrinische

Der Einsatz der Protagonisten im Schismenverlauf

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Anhängerschaft im Inselkönigreich. Dabei waren Arnulf auch unorthodoxe Mittel – etwa die gezielte Voreinwirkung auf bedeutende Entscheidungsträger im englischen Episkopat oder die geschickte Streuung von Halbwahrheiten – recht, um eine Obödienznahme für den Sieneser in den Augen der Synodalen als alternativlos erscheinen zu lassen. Arnulfs Rolle im Obödienzkampf für Alexander III . wurde in den Grundzügen von Carolyn Poling Schriber erkannt, doch trat seine Bedeutung in Gänze erst in der präzisen Analyse seines frühen Briefverkehrs und dessen Interdependenzen mit traditionellem polemischen sowie seinem unabhängigen individuellen Gedankengut hervor.2837 Zur selben Zeit kämpfte Johannes von Salisbury mit seiner schlagkräftigsten Waffe, seinem Netzwerk, um Stärkung Alexanders III. im Westen. Auf dem Weg zur Londoner Synode verfasste er mit Angustiarum nostrarum einen seiner wertvollsten und berühmtesten Briefe an die im Schisma ebenso bedeutende wie bedrängte Erzdiözese Reims. In seinem pointierten, moralisch orientierten Vergleich der Kandidaten steht das Werbeschreiben für Alexander Arnulfs Quanta tempestate sehr nahe, erhielt aber durch Johannes’ privilegierten Zugriff auf Kerndokumente stadtrömischer, kurialer und kaiserlicher Seite sowie seine ausgezeichnete Informationslage zu den herbst­ lichen Vorgängen in der Peterskirche eine hochindividuelle Note. Arnulfs Tendenz zur nackten Polemik setzte Johannes aus der eigenen, polikratischen Schismen- und Staatstheorie entnommene, konkrete und konstruktive Handlungsempfehlungen entgegen, die dem Gegenüber helfen sollten, zur Überwindung von Unfrieden und Spaltung in der ­Kirche seine eigene Position im Schisma zu finden. In den schweren Monaten z­ wischen Bekanntwerden der Doppelwahl und der Obödienzzusage Heinrichs II. an Alexander III. auf der Synode von Beauvais im Juli 1160 bestand die einzige offizielle königliche Stellungnahme zur Papstfrage in vagen mündlichen Bekenntnissen zu Alexander III., einem im Dezember 1159 in Falaise ausgesprochenen Neutralitätsgebot und der Neutralitätsbeteuerung englischer Gesandter auf dem Konzil von Pavia. Dieser Mangel an rechtsbindender Positionierung beließ die ­Kirche in der Schwebe und war von Anfang an ein empfindlicher Dorn im Verhältnis von alexandrinischer Kurie und Königshof. Heinrichs Intensivierung diplomatischer Kontakte mit dem Kaiserhof bis zur Teilnahme englischer Gesandter am kaiserlichen Schiedskonzil in der Lombardei sowie der steigende Missmut der englischen Landeskirche über die Totalblockade in der Papstfrage setzten den englischen König schließlich unter massiven Zugzwang. Die Verteidigung der von Staatsräson diktierten, aber oft als taktisch lavierend empfundenen Kirchenpolitik des Plantagenêt gegenüber kirchlicher Kritik bildete 2837 Schriber: Dilemma, hier: S. 41 – 45.

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in ­diesem Jahr der Weichenstellung neben dem Kampf für Alexanders Anerkennung das zweite große Rückgrat der Schismabriefe des loyalen Königsanhängers Arnulf von Lisieux. Heinrichs Bemühungen, sich die Entscheidung in der Papstfrage zu Beginn des Schismas in Rekurs auf alte normannische Kronrechte selbst vorzubehalten, waren allerdings sogar für den rhetorisch versierten Normannen oft schwer zu rechtfertigen. Im Allgemeinen aber entwickelte Arnulf, wie seine Briefe illustrieren, nicht nur im Becketkonflikt, sondern auch im alexandrinischen Schisma in Reaktion auf aktuelle Entwicklungen immer wieder ausgesprochen kreative Rechtfertigungsstrategien, in denen unbequeme Wahrheiten wie der Part der englischen Gesandten auf dem Konzil von Pavia teils absichtsvoll ausgespart wurden. Seine Interventionen an der alexandrinischen Kurie verhinderten manche zusätzliche Spannung. Die im englischen Episkopat kursierenden Vorwürfe, Heinrich triebe ein doppeltes Spiel und versuche die Entscheidung auf den Klerus abzuwälzen, schmetterte Arnulf mit ebenso unkritischen wie ausdauernden Beteuerungen ab, der König stehe sine ambiguitate auf Alexanders Seite. Aufbauend auf Hermann Reuters Vermutung eines Zusammenhangs z­ wischen dem politischen Kalkül des Königs und seiner Behandlung der Papstfrage, argumentierte auch die spätere Forschung, Heinrich II . habe die Synode von London taktisch genutzt, um seine eigene Entscheidung bis zu einem politisch opportunen Zeitpunkt – nämlich der Erwirkung einer für ihn äußerst vorteilhaften päpstlichen Indulgenz für die Minderjährigenehe ­zwischen dem englischen Kronprinzen und der kapetingischen Prinzessin auf dem Hoftag von Beauvais am 22. Juli 1160 – hinauszuzögern.2838 In Arnulfs Briefen aber gelang dem Normannen gegenüber Mitgliedern des Kardinalskollegiums das Unmögliche: die mit dem gewaltigen Affront des Angevinen gegen Frankreich verbundene, akute Gefährdung der westlichen Position Alexanders III . in eine nachvollziehbare Entscheidung der Legaten und eine ohne königlichen Eigennutz getroffene Maßnahme zur Ermöglichung einer belastbaren Entscheidung auf der Insel umzumünzen. Den gemeinschaftlichen Beschluss mit der englischen Landeskirche feierte er als probates und einziges Mittel, Barbarossas in Pavia begangenen Fehler zu vermeiden und auf der Insel für eine schnelle Entscheidung in Alexanders Sinne zu sorgen und gab damit der Verzögerung der Londoner Synode durch den König eine tiefere, auf das Allgemeinwohl besonnene Erklärung. Seine Apologie allerdings kennt auch immer Grenzen: dass eine Entscheidung ­Heinrichs für eine Unterstützung Viktors IV . innenpolitisch keine Option gewesen sei, wird nicht zu Pergament gebracht. 2838 Vgl. Reuter: Geschichte I, S. 159; Ohnsorge: Legaten, S. 22 bzw. 26 sowie Janssen: Legaten, S. 66.

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Auch die der Londoner Empfehlung folgende offizielle Treueerklärung H ­ einrichs II. gegenüber Alexander III. in Beauvais hatte die englische Opposition noch nicht zum Erliegen gebracht. Arnulfs Briefe zeugen von Kräften bei Hofe, die sich für eine Verschiebung der Entscheidung auf unbestimmte Zeit aussprachen. Noch 1163 suchte der Normanne bei der Eröffnungspredigt des päpstlichen Konzils in der Mauritiuskirche zu Tours, die alexandrinische Basis wortgewaltig moralisch zu stärken und zu einen. An der päpstlichen Ausgleichspolitik orientiert, betonte sein homiletisches Meisterwerk unter Verzicht auf kämpferische Schärfe gegenüber den Gegnern die Bedrohung der hohen Güter der kirchlichen libertas und der auf das wahre apostolische Kirchenoberhaupt ausgerichteten unitas durch schismatische Abweichler im Inneren und übergriffige weltliche Potentaten im Äußeren. Die Schlüsselrolle in deren Verteidigung, in der Umstimmung von Tyrannen und der Wiedereingliederung der Separatisten wies er dem Episkopat zu. Der zu Unrecht von der historischen Forschung ignorierte homiletische Appell war der letzte Auftritt des Bischofs von Lisieux als Alexanders Vorkämpfer und Sprachrohr im Schisma vor dem Donnerschlag des Becketkonflikts. In den Strudel der Ereignisse hineingerissen, blieben weder Arnulf von Lisieux, Johannes von Salisbury noch ihre Briefe von der Auseinandersetzung ­zwischen Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, und König Heinrich II. von England unberührt. Bei Arnulf von Lisieux äußert sich dies in einem eklatanten Abbruch der schismabezogenen Briefe in den 1160er Jahren. Seine Korrespondenz trägt während der weiteren Schismazeit nur noch in thematischen Streiflichtern das ein oder andere Mosaiksteinchen zum großen Bild der englischen Verhältnisse und den Rollen einzelner Charaktere darin bei. Die Mission, eine alexandrinische Obödienz im Königreich England zu etablieren, war für ihn erfolgreich abgeschlossen. Für den alternden Bischof von Lisieux eröffneten sich andere Aufgabenschwerpunkte. Zunächst engagierte er sich auf Seiten des Königs im Becketdisput und suchte vom Festland aus durch seine Korrespondenz auf die Beteiligten einzuwirken. Zwar stand er bei wichtigen Verhandlungen im Rahmen der angevinisch-kapetingischen Beziehungen oder des Becketkonflikts, bei Urkundenbezeugungen und noch nach Beckets Ermordung als Apologet Heinrichs Plantagenêt seinem Herrn zur Seite, doch war er des politischen Geschäfts müde geworden. Eine zentrale Rolle wie als V ­ ermittler und päpstlicher Fürsprecher in der Obödienzfindung des Jahres 1160 sollte ihm nicht mehr zuteilwerden. Anders lag der Fall Johannes von Salisbury, der weder in der Phase der Obödienzfindung noch zur Exilszeit je eine so aktiv und nah am Machtzentrum formende Präsenz genossen hatte wie Arnulf von Lisieux. Mit Theobalds Tod und dem Übergang des Amtes auf Thomas Becket hatte Johannes von Salisbury einen neuen ­Wirkungsraum

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erst noch zu finden. Gleich einem Befreiungsschlag schaffte die gescheiterte Versöhnung mit König Heinrich II. in Angers im Mai 1166 im Wirrwarr lähmender Illusionen klare Verhältnisse und erlaubte Johannes, seine Ressourcen zum Kampf für Canterburys Rechte zu bündeln. Die Positionierung im landeskirchlichen Disput musste sich zwangsläufig auf seine Einstellung zum universalkirchlichen Schisma auswirken: Ab einem bestimmten Zeitpunkt waren Gemengelage, Abhängigkeiten und Akteure beider Konflikte zu verwoben, um diese noch trennen zu können. Seine vorteilhafte Reimser Basis und seine außergewöhnliche Vernetzung machten Johannes von Salisbury zum ausgezeichnet informierten, für das Zeitgeschehen in Italien teils sogar alleinigen Gewährsmann. Sein Informationsmanagement und seine Berichterstattung waren zielgerichtet und planvoll. Mit großem Interesse verfolgte er die Reaktionen der Stadtkommunen auf die staufische Restitutionspolitik in Ober­ italien und alle Ereignisse, die bedeutend genug waren, um sich auf die Kirchenspaltung auszuwirken, und sammelte, alle zur Verfügung stehenden Kanäle kreativ und aktiv nutzend, vom Augenzeugenbericht über Prophezeiungen alle Informationen, die etwas über Verlauf und eventuellen Ausgang der Kirchenspaltung preisgeben konnten. Seine Korrespondenz zeigte nicht nur, dass sie mehr Nutzen hatte, denn als ereignisgeschichtlicher Steinbruch für die Vorgänge in Italien zu dienen. Sie dokumentierte deutlich, dass der gelehrte Angelsachse seine rhetorischen Fähigkeiten und sein breit gespanntes internationales Netzwerk nicht nur gezielt zur Lenkung des Becketkonflikts, sondern auch zu jener des Papstschismas instrumentalisierte. Neu ist auch die Erkenntnis, wie eng seine Botschaften mit seinen ausgeprägten Vorstellungen zu Platz und Moralkodex der Mächtigen verzahnt waren. Seit Angers engagierte sich der angelsächsische Gelehrte eigeninitiativ als Propagandist und Informant für den Becketkreis, aber auch als Chronist des Schismas. Beispiel seines feinen Gespürs für Möglichkeiten ist sein cleverer Schachzug, ­zwischen 1165 bis 1168 seinen Bekannten Gerard Pucelle zum nützlichen Informanten und Fürsprecher Alexanders in Köln, der Löwenhöhle der vermeintlichen Schismatiker, zu machen. Von lokalen Protagonisten an den Hauptknotenpunkten seines Kommunikationsnetzwerks in Frankreich, England und dem Reich (Poitiers, Canterbury, Exeter, Köln) erbat er aktive Unterstützung im Kampf für die Rechte und Privilegien der ecclesia Anglicana, etwa die Verbreitung seiner Nachrichten. Durch eine auf seiner Schismenund Tyrannenlehre und akribischer Beobachtung der Vorgänge basierende, optimistische Verortung im Zeitgeschehen wollte Johannes die fernen Adressaten der teils über den Ärmelkanal geschmuggelten Hilfsgesuche aus der Lethargie reißen und zum Engagement für den exilierten Primas – und damit auch für den bedrängten Papst – ermutigen.

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Diese Überzeugung, dass ein englischer Rückhalt für Alexander letztlich einer Stärkung Beckets gegenüber dem mächtigen König von England gleichkam, führte in Johannes’ Briefen zu einer Verquickung des landeskirchlichen Konflikts mit dem Papstschisma, die bisher allein Gertrud Maria Esser beobachtet hatte und die nun durch die Detailschau der Exilsbriefe nicht nur in ihren ereignisgeschichtlichen, sondern auch in ihren diskursiven Zusammenhang eingeordnet werden konnte.2839 Deutlicher kann nicht werden, als wie interrelational die beiden Konflikte entgegen Hanna Vollraths Vorstellung, dass das Schisma seit der Anerkennung Alexanders III. durch ­ irche keine Bedeutung mehr für England hatte, von Heinrich II. und die englische K den Zeitzeugen betrachtet wurden.2840 Die Vermengung beider Krisen zeigt sich etwa auch darin, dass selbst Zeiten besonderer Bedrängnis für den Becketkreis deutliche Anschubimpulse für Johannes’ Engagement lieferten. Besonders in den Wochen und Monaten nach der Appellation an Alexander III., mit der der englische Episkopat sich infolge der am 12. Juni 1166 von Thomas Becket ausgesprochenen Exkommunikationen von Vézelay gegen seinen Primas richtete, war Johannes von Salisbury einer der Hauptaktivisten in der polemischen Lagerschlacht. Neben seinem Netzwerk, seinen analytischen und seinen rhetorischen Fähigkeiten gehörte auch die Verbreitung kompromittierender Dokumente zu seinem Kampf gegen den mächtigen König von England und für eine starke englische Obödienz Alexanders III. Trotz der Obödienzentscheidung von 1160 war es für Johannes von Salisbury undenkbar, den Becketkonflikt unter Abkopplung des gesamtkirchlichen Schismas zu bewerten und auszufechten. Fortschritte im einen sollten den Entwicklungen im anderen Konflikt zugutekommen. Während für Arnulf von Lisieux die Synode von Beauvais den Endpunkt seines Engagements kennzeichnete, setzte folgerichtig der Friedensschluss ­zwischen Heinrich II. und Thomas Becket in Fréteval am 22. Juli 1170 den Schlusspunkt unter Johannes’ Einsatz.

Kernpunkte und Einflussfaktoren des Schismabilds bei Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury Ohne die genaue Untersuchung der Briefkorpora des Bischofs von Lisieux und des gelehrten Moralisten aus Salisbury wären viele Züge von deren Gedankengut, viele Einflüsse, die auf sie wirkten, und auch so manche Interrelation ­zwischen ihren Einstellungen oder Argumentationen nicht aufgedeckt worden. Die Briefe beider großer 2839 Vgl. Esser: England, S. 51, 60 – 63. 2840 Vgl. Vollrath: Lüge, S. 158 – 160.

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Männer boten einen direkten Blick darauf, welches Universum sie aus ihren vormaligen Überzeugungen und den ­Zeichen der Zeit erschufen. Dort, wo die Forschung nicht hingeschaut hatte, beim Thema der Verbindung ­zwischen frühem und späteren (kirchen)politischem geistigem Erbe der Verfasser und ihrem Engagement im alexan­ drinischen Schisma, war es so möglich, ihr Denken und Handeln in seiner Entwicklung, aber auch in seiner jeweiligen persönlichen Individualität nachzuvollziehen. Ihre persönlichen Wege durch das Jahrzehnt des alexandrinischen Schismas starteten Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury an unterschiedlichen Ausgangspunkten. Auch wenn sich diese an manchen Wegkreuzungen trafen, verloren beide nie ihre individuelle Sicht auf die Ursprünge, den Verlauf, die Akteure und die Auswirkungen der Kirchenspaltung. Beide Männer nutzten biblische Verweise, um ihren Botschaften Substanz zu verleihen, doch verstand es Johannes von Salisbury im Gegensatz zu deren eher konventionellem Gebrauch durch Arnulf von Lisieux, diese kreativ einzusetzen und – dank seiner herausragenden klassischen Bildung – in Form verdichtender exempla auf Verweise auf Autoritäten der antiken Geschichte, Philosophie, Literatur und Rhetorik auszudehnen. Während der angelsächsische Gelehrte in allen Wirren des turbulenten Jahrzehnts immer wieder Halt in seinen ethopolitischen Vorstellungen fand, die für ihn Gerüst und Maßstab aller Deutung und Verortung in Krisenzeiten darstellten, konnte Arnulf niemals den jungen aufstrebenden Polemiker abschütteln, als der er 1133 seine Invectiva gegen Girald von Angoulême und Anaklet II. verfasst hatte. Unabhängig von jeglicher kurialer Linie und geprägt von seinen persönlichen Erfahrungen als Partisane und Propagandist Innozenz’ II. orientierte sich die Sicht des Bischofs von Lisieux auf die Kirchenspaltung zunächst inhaltlich und stilistisch deutlich an interpretativen Parallelen zum innozenzianischen Schisma, so dass er auch noch 1159 mit Vorliebe auf die Schismapropaganda der 1130er rekurrierte. Die aktuelle Krise sah Arnulf von Lisieux als einen aus der Spaltung des Kardinalskollegiums geborenen, wahlrechtlich geprägten Konflikt im Innern der ­Kirche. Potenzielle äußere Einflussfaktoren auf das Geschehen thematisierte er nicht. Vielmehr verortete er die Geschehnisse in einem schismengeschichtlichen und ekklesiologischen Deutungsrahmen. Sie waren für ihn eine durch die Amtsautorität des Papstes überwindbare Übergangserscheinung. Deutlich wird dies in seiner Deutung der Siegesmetaphorik der calixtinischen Lateranfresken, für ihn künstlerischer Ausdruck des Selbstverständnisses und der Superiorität des rechtgläubigen Papsttums, und anderer, seit den Tagen des sogenannten Investiturstreits verbreiteten papstideologischen Vorstellungen. Vom Vergleich mit der Verfolgung der Urkirche und der Flucht des auserwählten Volkes Israel aus Ägypten über den Römerbrief oder Mt 16,18 war sein Repertoire ebenso traditionell orientiert wie der Normanne selbst.

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Dass Arnulfs Ansichten damals schon zu kurz griffen, zeigt die päpstliche Antwort auf seine ersten Kontaktaufnahmen. Bemüht, eine gemeinsame Linie in seiner weit verstreuten Anhängerschaft zu verfestigen, rückte Alexander III. im April 1160 als Teil einer vom Konzil von Pavia und der darauffolgenden Exkommunikation ­Friedrichs I. am 24. März 1160 angestoßenen kurialen Propagandaoffensive die Arnulfsche L ­ esart des Konflikts deutlich zurecht. Die Bedeutung ­dieses bis dato lediglich als päpst­ licher Auftrag an Arnulf verstandenen Schriftstücks als Propagandabriefing für den Normannen ist nicht zu unterschätzen, denn der dadurch markierte propagandis­ tische Kurswechsel wurde fortan, wie die Analyse zeigte, durch Arnulf von Lisieux in England umgesetzt. Obgleich auch Johannes von Salisbury weitestgehend den polemischen Vorgaben Alexanders III. und seiner Kardinäle folgte, hielten er und Arnulf von Lisieux diese teils für ausbaufähig genug, um sie zum Wohle der Sache gezielt umzuformulieren, mit zusätzlichen Dimensionen zu versehen und aktuellen Erfordernissen anzupassen. Anstatt die einschlägigen Kerndokumente alexandrinischen Selbstverständnisses stupide nachzubeten, entnahm der Bischof von Lisieux diesen einzelne Komplexe oder Stilmittel, die er durch den Rückbezug auf altbewährte Autoritäten der polemischen Kommunikation der vergangenen Kirchenkrisen des 11. und 12. Jahrhunderts ergänzte. Die seit gregorianischen Tagen etablierte Diabolisierung des Gegenpapstes durch Assoziation mit dem Antichrist oder Arnulfs Übernahme von Argumentationspunkten und -strukturen des berühmten Appells des Bernhard von Clairvaux an die aquitanischen Bischöfe in Quanta tempestate sind nur zwei Beispiele. Die Invektive, bisher als ansonsten unbrauchbares „Zeugnis für den schmutzigen Charakter seines Verfassers“ 2841 verschrien, wurde durch eine neue Perspektive als ideengeschichtliche Quelle und Ausgangspunkt der Arnulfschen Ideenwelt fruchtbar gemacht. Sie erwies sich als Steinbruch für Sprachbilder und Stilmittel von erwiesener Schlagkraft, die der Papstempfehlung der Synode von London auch den Weg ebneten, ordnete Arnulf von Lisieux in seinem London-Manifest doch alles jener großen Frage nach der Amtseignung der Kandidaten unter, die bereits die Invectiva für das Konkurrentenpaar Anaklet II. und Innozenz II. zu beantworten versucht hatte. Die alten Muster dieser Idoneitätstheorie, die schon anfangs in Benedictus deus Arnulfs Reaktionen speiste und Innozenz II. und seine Tugenden für den bedrängten Nachfolger zum strahlenden moralischen und handlungspraktischen Vorbild erhob, greifen in der Gegenüberstellung von Alexander III. als mit klassischen reformerischen Tugenden begabten Idealpapst und der erpresserischen Habgier, des Ehrgeizes und 2841 Haller: Papsttum III, S. 487 und weitere kritische Stimmen: Letters, ed. Barlow, S. xvi oder Mühlbacher: Papstwahl, S. 52 – 53.

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der Weltlichkeit des antagonistischem Usurpators Viktor IV. Wie in der Invektive wurden zur Diskreditierung des Gegners und seiner Wählerschaft Vorwürfe erhoben, historische Tatsachenverläufe sinnfällig verzerrt, moralische Kontrastierungen auf die Spitze getrieben, Un- und Halbwahrheiten verbreitet oder genüsslich an wenig rühmliche Episoden gegnerischer Partisanen auf englischem Boden erinnert. Arnulfs Quanta tempestate wirkte damit wie eine Invektive in Briefform. Durch diese Radikalisierung der Vorwürfe an die Gegenpartei tat der normannische Polemiker das, was er am besten konnte – mit durchschlagendem Erfolg, wie die Empfehlung der Synode von London zur Anerkennung Alexanders III. zeigte. Für Arnulf selbst, für den die Schismafrage gleichbedeutend mit der Idoneitätsfrage und daher bereits von Anfang an entschieden war, war Alexander legitimer Elekt einer Majoritätswahl, der, wie Innozenz  II . vor ihm, einem machtgierigen, von Laiengewalt erhobenen Usurpator und Ehrgeizling gegenüberstand. Die Diskussion wahlrechtlicher Detailfragen zur immantatio, der Zusammensetzung der Wählerschaft oder dem Zeitpunkt der Weihe überließ man den Enzykliken der verfeindeten Lager. Die aus der innozenzianischen Propaganda der 1130er Jahre entnommene Vermengung kirchenrechtlicher Argumente gegen die Legitimität des Oktavian von Monticelli mit der moralisierenden Beweisführung der Amtseignung und Rechtschaffenheit Alexanders III. empfand nicht nur Arnulf von Lisieux, sondern auch Johannes von Salisbury als zielführender. Ebenso überraschend wie neu war die Erkenntnis dieser Arbeit, ­welchen bemerkenswerten, auch offiziell verbrieften Einfluss die frühen Arnulfschen Schismabriefe auf die Meinungsbildung der alexandrinischen Partei hatten. In Angustiarum nostrarum sah Johannes von Salisbury – wie schon Arnulf – das Schisma als kirchlich induzierten Konflikt, wenn auch als Produkt stadtrömischer Klerikalkräfte wie der fraternitas Romana und der Kanoniker der Peterskirche und ihrer Bündnisse mit korrupten Senatoren. Auch Johannes’ Darstellung der päpstlichen Kontrahenten bewegt sich so auffallend nah an Arnulfs Idoneitätslehre, dass ihm Quanta tempestate, vielleicht als Teil des Londoner Dossiers, vorgelegen haben muss. In voller Deutlichkeit dokumentierte das epistolare Vermächtnis des Johannes von Salisbury, dass der Angelsachse trotz enormer Gemeinsamkeiten im Schismabild beider Männer einen Schritt weiterging, indem er den Vorstellungen sein eigenes polikratisches Theoriegerüst unterlegte – eine Erweiterung der Forschung, die sich zu oft isoliert auf das Ideengut des Policraticus konzentrierte, ohne dessen Implikationen für das weitere Leben des Saresberiensis zu ergründen.2842 In der rechtlichen Dekonstruktion 2842 Mit an sich jeweils statthaften Anliegen ­seien die Erkenntnisse von Max Kerner, Richard und Mary Rouse, Tilman Struve und ein Großteil der Forschung von Cary Nederman genannt,

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der v­ iktorinischen Legitimität, aber auch darüber hinaus atmen Johannes’ Aussagen stets den Einfluss seiner ethopolitischen Ausführungen zur Typologie der Tyrannei, der Herrscherethik oder des höfischen Mikrokosmos. Oktavian, dessen Wahl Johannes als ein von außen oktroyiertes Falschspiel betrachtete, erschien dem Angelsachsen auch aufgrund persönlicher Bekanntschaft mit dem Monticelli als latro, einer der Prototypen des despotischen Klerikers aus dem Policraticus. Gemäß seiner politischen Theorien setzte Johannes Arnulfs politischer Ausdeutung der calixtinischen Fresken eine moralische entgegen, in der die Unterlegenen statt der Triumphatoren ins Zentrum rückten. Die im Lateran verewigten kaiserlich gestützten Gegenpäpste und ihr unrühmliches Ende (infelix exitus) wurden zum historischen Exemplum für den Misserfolg des eigentlichen schismatischen Urhebers, dem im Hintergrund wirkenden K ­ aiser. Als großes Alleinstellungsmerkmal des Johannes von Salisbury trat die ausgeprägte Praxisorientierung seiner Ideologie hervor, die im Schisma ebenso standfest war wie jene im Becketkonflikt. In der Überzeugung, dass die päpstliche Doppelwahl Anzeichen einer größeren Katastrophe z­ wischen weltlicher Gewalt und englischer Landeskirche war, hoffte Johannes mit der Verbreitung und Anwendung seiner Überzeugungen auf die aktuelle Krisensituation sowie durch Handlungsappelle an unentschlossene Entscheidungsträger auf die Außenwelt – etwa die als passiv und als leicht von der Gegenseite manipulierbar betrachtete Kirchenpolitik Heinrichs II. – Einfluss zu nehmen. Das Referenzbild für die öffentliche Katastrophe, die Johannes befürchtete, war die res publica impiorum, eine ins Böse verkehrte Gesellschaftsordnung unter Führung eines von Gott abgewandten Oberhaupts. Ein Schisma an der kirchlichen Spitze und dessen von Streitsucht, Missgunst und Ehrgeiz verdorbenen Einfluss auf das zerbrechliche Gleichgewicht des staatskörperlichen Gewaltennetzes waren für Johannes Ursprung und schlimmste Manifestation dieser entarteten Ordnung. Ihre verheerendste Ausformung: der Kampf zweier von Machtgier korrumpierter Priestertyrannen, jener verderblichsten Vertreter des Despotismus, um die apostolische Würde, das Spitzenamt geistlicher Kontrollinstanz. Ein Szenario, aus dem Johannes’ faszinierend innovative Deutung eines Papstschismas als innerkirchlichen Bruderund Bürgerkrieg entspringt. Ideengeschichtlich bahnbrechend an diesen Wahrnehmungsmustern ist, dass es – wie auch seine Ausführungen zur Herrscherethik – ein systemisches ist, also das gesamte gesellschaftliche System mit einbezieht. Indem der Blick auf die Eigenverantwortung der K ­ irche bezüglich der Legitimierung tyrannischer Umtriebe und den katastrophalen Folgen dieser gelenkt wird, wird der Schwarz-Weiß-Filter konventioneller schismatischer Polemik gesprengt. Ausgehend von Lucans klassischem der das Desiderat selbst formulierte: Nederman: Ethics, S. 161.

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Bürgerkriegsepos, den Pharsalia, entwirft Johannes von Salisbury das kritische Bild zweier allein durch ihre bereitwillige Konkurrenz bereits diskreditierter Anwärter auf den Papstthron, deren fataler Zwist nur mit Hilfe ihrer Parteigänger Bestand haben kann. Dieser Einbezug der die Kontrahenten umgebenden Parteien, eine unerhörte Neuerung in der Schismawahrnehmung des 12. Jahrhunderts, nahm die Gesamtgesellschaft in die Pflicht. Zudem ermöglichte Johannes’ elaborierte Schismatheorie, Handlungsempfehlungen zur Überwindung der Spaltung zu formulieren. Die wichtigste unter ihnen ist die friedliche Parteilosigkeit, das Ende des Mitläufertums und der Helfershelferschaft. Manches in Johannes’ Schismabild folgte etablierten Mustern. Die polikratische Schismentheorie entsprang noch der interpretatorischen Ausgangsfolie der überkommenen Krise von 1130. Wie auch Arnulf von Lisieux erschien ihm die Doppelwahl als Glied innerhalb der langen Kette kirchengeschichtlicher Schismen. Seine Schismendefinition folgte der traditionellen Formel von der Erhebung eines Konkurrenten gegen einen bereits amtierenden Bischof. Neu war, dass der Angelsachse die Lehre vom Schisma als schlimmste Form der Tyrannei für Gemeinwesen und ­Kirche als krönendes Ende an seine Ausführung zur Tyrannenlehre setzte und mit der Schilderung der und dem Hinweis auf die schrecklichen gesellschaftlichen und persönlichen Verwerfungen oder der mit dem päpstlichen Amt verbundenen Mühsal letztlich ähnliche Krisen vermeiden zu helfen versuchte. In der Forschung war das entsprechende Kapitel, Policraticus VIII, 23, entweder im Schatten der großen Fragen nach Widerstandsrecht und Organologie gänzlich aus der Betrachtung herausgefallen oder als rein politisches Kapitel missverstanden worden.2843 Die Korrespondenz konnte hier das Bild geraderücken und komplettieren: Hatten zur Entstehungszeit des Policraticus nur die innozenzianischen Erfahrungswerte und Deutungsmuster zur Verfügung gestanden, war das von seiner Th ­ eorie der Priestertyrannei gespeiste Urteil über den Gegenpapst nunmehr individuell und ausgereift genug, um mühelos in Johannes’ frühe Schismabriefe Einzug zu halten. Auf dem ideologischen Nährboden des Policraticus erwuchs somit Johannes’ Kritik an allen, die sich gestaltend und dadurch verlängernd, ins Schisma einbrachten. Sein Schisma war ebenso kirchliches wie gesellschaftliches Problem. In der Hauptsache bezog sich dies auf die Person Friedrichs I., der nach dem Konzil von Pavia und seiner daraufhin erfolgten Bannung erstmals dann als politische Größe im anglonormannischen Bereich auftauchte, als kuriale Quellen nicht mehr Viktor IV. als Widersacher auf dem Papstthron zum spiritus rector der A ­ useinandersetzung 2843 Etwa die Einschätzung als „erschütternde Anklage gegen die Verwirklichung des universalen Reichsgedankens“ (Spörl: Grundformen, S. 100).

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erhoben, sondern den Staufer, der aus persönlicher Animosität und eigenem machtpolitischem Interesse im Bündnis mit dem Monticelli hinter den Kulissen in einem lang gehegten Komplott gegen die K ­ irche dessen Erhebung geplant habe. Im Frühjahr und Sommer des Jahres 1160 vollzog sich somit der bedeutende Schritt von der Interpretation der Kirchenspaltung als einer nicht mehr innerkirchlichen, sondern von schuldhaften Übergriffen eines weltlichen Potentaten vertieften, universalkirchlichen Auseinandersetzung und damit die endgültige Loslösung von alten Wahrnehmungsmustern innozenzianischer Zeit. Im Zuge dieser allgemeinen Radikalisierung griff nun auch Arnulf von Lisieux bewusst das antiimperiale Potenzial der calixtinischen Fresken auf, um Friedrich I. in eine ungebrochene Tradition schismatischer Herrscher zu stellen, die die päpstliche Autorität durch Papstprätendenten zu unterwandern getrachtet hatten. Viktor IV. degradierte er zur Marionettenfigur, die kuriale Komplottidee stockte er durch einen Weltherrschaftsvorwurf auf. Gleichzeitig inszenierte Johannes von Salisbury, in der Überzeugung, Friedrich I. habe Viktors Abhängigkeit von ihm als Chance zur Verwirklichung der bei seiner Thronbesteigung propagierten, ausgreifenden Kaiseridee erkannt, den imperialen Hegemonialanspruch als Schreckensszenario für den Westen. Es war ein Spiel mit alten Ängsten. Trotz entsprechender, am Kaiserhof kursierender Theorien war eine faktische Unterordnung unter einen supranationalen kaiserlichen Machtanspruch auf internationaler Ebene nicht festzustellen. Gleichzeitig drängte der Despotismusvorwurf mit neuem Impetus in den öffentlichen Diskurs. Gemäß dem klassischen Bild des Tyrannen als Verweigerer gegen das göttliche Gebot und die Korrekturgewalt des Heiligen Stuhls, brandmarkten A ­ lexander und seine Mistreiter Barbarossa aufgrund seiner Verletzung kirchlicher Vorrechte wie der freien römischen Bischofswahl als Feind und Verfolger der ­Kirche. Auf anglonormannischer Seite ruhte die Kritik auf zwei Säulen: Beanstandungen an Person und Handeln des römischen Kaisers und der Delegitimierung seines Konzils in Pavia. Für Arnulf von Lisieux zeigten dessen aktive Rolle in der Erhebung und seine hartnäckige Rückendeckung für Viktor IV. Friedrichs Versagen, seiner Herrschaftspflicht, der Wahrung von pax und iustitia, nachzukommen. Vorwürfe, der K ­ aiser habe den Synodalteilnehmern wie ein neuer Nebukadnezar seinen Favoriten mit Druck aufgepresst, betonten den Zwangscharakter des Paveser Konzils. Man bemühte aber noch nicht das in den kurialen Quellen langsam Gestalt annehmende Bild Viktors IV. als Götzen von Kaisers Gnaden, mit dem man Barbarossa endgültig die alleinige Schuld zugewiesen hätte. Einwirkung weltlicher Gewalt, Unterdrückung, Frevel und Betrug waren die Schlagworte dieser Tage. Auch in Johannes’ Herrschaftsethik kündigten Gewalttätigkeit und Gesetzlosigkeit des tyrannischen Fürsten gegen die eigenen Untertanen das reziproke Gleichgewicht des Staatskörpers auf.

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Während Arnulfs Tyrannenbild sich ausschließlich an patristischer Tradition und kurialen Vorgaben orientierte, ergänzte Johannes von Salisbury die kirchlichen Stammvorwürfe durch eine historisch-ethische Nuance, indem er Friedrich I. im Lucanschen Sinne zur kriegstreiberischen, cäsarischen Tyrannengestalt eines schismatischen Bürgerkriegs erhob. Den Ursprung d­ ieses Despotismus verorteten beide Verfasser auch in der Herkunft und charakterlichen Disposition des Staufers. Dem seit der Antike geläufigen Negativbild der Germanen folgend, sahen sie insbesondere den Lucanschen furor teutonicus, einen prägnanten nationalen Stereotyp von willkürlicher, gemeinschaftsgefährdender und sich jeder ratio verschließenden Kampfesfreude, als Triebfeder kaiserlichen Handelns. Weniger vorurteilsbehaftet, aber dafür beträchtlich raumnehmender als die Kritik an der Person Friedrichs Barbarossa oder sogar die Reflexion der eigentlichen päpstlichen Doppelwahl war die Bemühung um Dekonstruktion des Konzils von Pavia. Argumentatorische Inspiration für die Erwiderung von Friedrichs eigener Paveser Synodalenzyklika Quia sedis lieferten in England vorliegende, jeweils aus dem Herbst oder Winter 1159 stammende Kerndokumente alexandrinischer Propaganda wie die redigierte Fassung von Alexanders Wahlanzeige Eterna et incommunitabilis, Arnulfs Benedictus deus oder das der Feder der alexandrinischen Kardinäle entstammende Sacra scriptura docente. Ziel war die Torpedierung der Rechtmäßigkeit der Einberufung des Konzils sowie der Rechtsverbindlichkeit seiner Beschlüsse. Neben dem auch von Johannes von Salisbury vertretenen kurialen Hauptargument der Nichtjudifizierbarkeit des Papstes lehnte man aus anglonormannischer Sicht eine Entscheidungsbefugnis der Reichskirche und ihres Paveser Gremiums über gesamtkirchliche Belange entschieden ab und belegte folgerichtig die Versammlung mit dem für ein nicht apostolisch abgesegnetes Konzil gebräuchlichen kirchenrechtlichen Terminus des conuenticulum. In der auch im Reich diskutierten Frage nach dem kaiser­lichen Konvokationsrecht setzte Arnulf von Lisieux Friedrichs Berufung auf spätantike und frühmittelalterliche Vorbilder den Vorwurf entgegen, die kaiserliche Anmaßung einer autoritativen, innerkirchlichen Entscheidungsposition habe nichts mit den Mechanismen kirchlicher Judikative gemein. Im Allgemeinen propagierte man die Umstände der Einberufung und der Beschlussfassung, darunter auch die lückenhafte und deutlich auf die Reichskirche beschränkte Teilnehmerschaft, als Momente, die das Konzil jeglicher übernationaler Rechtsverbindlichkeit und Repräsentativität enthoben. Der größte Verdienst und eine herausragende intellektuelle Leistung des ­Johannes von Salisbury war dabei eine fast kriminalistisch anmutende Rationalisierung des Argumentariums. Entgegen dem bisherigen alexandrinischem Usus, die Motive von Akteuren wie den Kanonikern der römischen Petersbasilika, den römischen Rektoren oder dem kaiserlichen Stadtpräfekten polemisch aufzugreifen, sezierte der Angelsachse

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diese minutiös und in brillanter Sachlichkeit. Am Ende hatte diese rechtsprozedurale Analyse die Glaubwürdigkeit ihrer Augenzeugenschaft widerlegt, einen Meineid der stadtrömischen Geistlichkeit sowie die mutwillig vorgenommene Beschönigung der Liste der Konsentierenden aufgedeckt und damit das Konzil als gelenkten Prozess und die Paveser Beschlüsse als in Quia sedis inszenierten Konsens entlarvt. Johannes nutzte hier eine kongeniale Taktik zur Werte- und Informationsvermittlung, in der er durch Mischzitate aus Lucans Pharsalia und seiner eigenen polikratischen Fürstenlehre dem gelehrten Reimser Empfänger Radulf von Sarre Metaverweise auf seine eigenen herrschaftsethischen Theorien zukommen ließ, die d­ iesem in Form des Traktats vorlagen. So wirkte der gelehrte Angelsachse nicht nur mit Hilfe seiner eigenen theoretischen Überzeugungen auf eines der wichtigsten und gefährdetsten festländischen Erzbistümer ein, sondern gab jedem, der zum zielgerichteten Nachschlagen bereit war, das theoretische Rüstzeug für eine differenzierte Einordnung des Konzils an die Hand. Beide Briefkorpora vermittelten in Hinblick auf Pavia dasselbe Bild von einer kirchen­rechtlich unstatthaften, von Laienhand einberufenen und auf imperiale Eigeninteressen abzielenden Versammlung, auf der unter kaiserlichem Druck und durch Beschluss einer nicht als repräsentativ akzeptierbaren Minderheit die Anerkennung eines Exkommunizierten zum Oberhaupt der ­Kirche erreicht wurde. Inopportune Tatsachen wie die, dass die Paveser Beschlüsse nicht von allgemeinem Konsens getragen, sondern unter massiven Vorbehalten alexandrinisch geneigter Teilnehmer zustande gekommen oder durch Alexanders Ablehnung einer persönlichen oder delegierten Stellungnahme begünstigt worden waren, wurden zugunsten der reichsfeindlichen Botschaft, mit der man die Mobilisierung des englischen Inselepiskopats vorantreiben wollte, übergangen – Vertuschungsbemühungen, die enthüllten, dass die kaiserliche Intervention nicht allen auf der Insel als unmittelbare Gefahr erschien. Die entscheidende Leistung der frühen Schismabriefe des Arnulf von Lisieux und des Johannes von Salisbury war es, ihrem englischen Wirkungsbereich mit einem Blick auf die alexandrinische Obödienzwerbung und unter Erläuterung rechtlicher und ideologischer Hintergründe sowie durch propagandistische Würze die Perspektive der alexandrinischen Kurie auf das Schisma zu eröffnen. Pavia hatte das Schisma zur kaiserlichen Angelegenheit, zum Eingriff weltlicher Gewalt in den ureigensten geistlichen Autoritätsbereich und den ­Kaiser zum despotischen Feind der ­Kirche gemacht. Dieser Referenzrahmen blieb bis in die 1160er Jahre bestimmend. Ebenso unverändert blieb das alexandrinische Bild des konkurrierenden Papstes. Noch postum blieb der angeblich geisteskranke Usurpator, Viktor IV., als kaiserliche Marionette verfemt, eine schismatische Zentralfigur. Stärker noch erschien Paschalis III., dessen Erhebung Rainald von Dassel angelastet und J­ ohannes

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und seinen Zeitgenossen als mutwillige Perpetuierung des Schismas erschien, als ydolum und Werkzeug von Friedrichs Gnaden. Mit Bekanntwerden der kaiserlichen Pläne zum kriegerischen Zug auf Rom belegte Johannes von Salisbury Paschalis III. und seinen Vorgänger konsequenterweise mit dem Häresiarchentitel. Dass er wusste, wie chancenlos der Gegenpapst ohne die geistesgegenwärtige Tatkraft des Kölners gewesen wäre und wie abhängig er ob seiner unsicheren Machtbasis in Rom von der kaiserlichen Rückendeckung war, ließ das Eingreifen beider Männer in den Augen des Angelsachsen nur noch frevelhafter erscheinen. Wie effektiv das Schisma Johannes’ Meinung prägte, zeigt die Genese des Rainaldbildes in seinen Schriften und seiner Korrespondenz. Noch nach Ausbruch des Schismas interessierte Johannes sich nicht für die Rolle des Erzkanzlers in Pavia oder Dôle, klassifizierte ihn nicht als Agitator, sondern als Mitläufer und einfachen Handlanger des Kaisers. Erst die Erhebung Paschalis’ III. am 22. April 1164 rückte Rainald und seine curia, im Einklang mit der päpstlichen Charakterisierung Rainalds als Urheber und Haupt der kirchlichen Krise, verstärkt als schismatischen Akteur in den Fokus. In dieser Zeit zeichnet Johannes plötzlich das Bild eines weltlich orientierten Epikureers mit fragwürdiger Amtsmoral, der bereits Jahrzehnte zuvor auf dem Reimser Konzil gegen die von der Kurie angestrengten Reformen in Opposition getreten sei. Spätestens 1165 wurde der schismaticus Coloniensis endgültig zum militärischen Aufwiegler in Oberitalien und Strippenzieher in der Verfolgung der K ­ irche. Ressentiments, die ebenso auf dem Schisma oder der rigorosen Durchsetzung staufischer Restitutionspolitik beruhten wie auf Rainalds als kirchenrechtlich unstatthaft betrachteten Leitung der bedeutenden rheinischen Reichsdiözese und seiner Kollision mit ­Johannes’ ethischen Postulaten des weisen herrscherlichen Ratgebers. Timothy Reuters Identifikation des Hoftags von Würzburg als Schlüsselerlebnis im zeitgenössischen Rainaldbild kann für den Fall des Johannes von Salisbury nicht erhärtet werden.2844 Dessen Ablehnung radikalisierte sich erst mit dem Italienzug, der Einnahme Roms und der Inthronisation Paschalis’ III. auf der Cathedra Petri im Sommer 1167. Den Vorstoß der Deutschen interpretierte der angelsächsische Gelehrte voller Verachtung als frevelhafte Bedrohung der apostolischen Würde durch Waffengewalt. Dass Johannes Rainald als größtes Hindernis auf dem Weg zum Frieden betrachtete, machte die Annäherung an den in Köln wirkenden Gerard Pucelle zum logischen Schritt. Sie kam allerdings auch zu der Zeit der angevinisch-staufischen Entente und des drohenden Abfalls Heinrichs II., in der Alexander III. und die Becketpartei dringend Aufwind brauchten. Um Gerard zu aktivem, alexandrinischem Engagement vor Ort zu ermuntern, übte Johannes von Salisbury mit allen Mitteln Druck aus. Er 2844 Vgl. Reuter: Germans, S. 421.

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beschwor das Ideal vom auch unter erschwerten Bedingungen beherzt die Wahrheit suchenden und danach handelnden Philosophen wie auch den geteilten, weltklerikalen Verhaltenskodex der amicitia. Am Ende wirkte Gerard, wenn auch nicht mit dem von Johannes erhofften Eifer, als Insider, Informant und Verbindungsmann z­ wischen Köln und dem Becketkreis. Die in der bisherigen Forschung in ihrer Qualität als Quelle für Johannes’ stete Bemühungen um Einwirkung in das Schisma sowie die Entwicklung seiner Einschätzung der Krise völlig unbeachtet gebliebene, an Gerard gerichtete Briefserie ist auch hervorragendes Zeugnis des steigenden Drucks, den Johannes von Salisbury selbst ab Bekanntwerden des drohenden Italienzugs verspürte. Seit Oktober 1166 führte die empfundene Bedrohung zu immer vehementeren Aufrufen zur Lossagung von der Gesellschaft der angeblichen Schismatiker oder intensiverer Hilfeleistung für Alexander. In diesen Schriftstücken finden sich die endgültige Interpretation des alexan­drinischen Schismas als politischer Kampfschauplatz und die schlagkräftigsten polemischen Bilder aus Heiliger Schrift und Apokalyptik (seit jeher sprachlicher Ausdruck erhöhter schismapolemischer Intensität), mit denen Friedrich Barbarossa und Gerards Herr bedacht wurden. Zudem manifestieren sich im Briefverkehr ­zwischen Reims und Köln eindrucksvoll Johannes’ Bemühungen, die als eng verzahnt empfundenen Konfliktverläufe entweder unmittelbar (Schisma) oder mittelbar ­(Becketdisput) positiv zu beeinflussen. Johannes von Salisbury erlebte das Schisma damals als eine von K ­ aiser Friedrich I. und seinen Beratern perpetuierte Krise, die, ähnlich wie der Becketkonflikt mit der Position Alexanders III ., untrennbar mit den oberitalienischen Verhältnissen und dem dortigen Verlauf der kaiserlichen Restitutionspolitik verbunden war. Dies ist eine Erklärung für sein akribisches Interesse an den Vorgängen in Rom und auf italienischem Reichsgebiet, die z­ wischen 1164 und 1177 zum positiven wie negativen Gradmesser zur Verortung im universalkirchlichen Konfliktverlauf wurden. Ereignisse wie das Geschick des kaiserlichen Heeres bei Tuskulum, die Inthronisation des Gegenpapstes in der Peterskirche, die Rückkehr Alexanders III. nach Rom oder das Erstarken des Lombardenbundes warfen Johannes in ein Wechselbad von Optimismus und Ernüchterung. Erste Reaktionen auf den größten Meilenstein, die epidemische Katastrophe in den Sümpfen vor Rom mit all ihren politischen und personellen Auswirkungen, sind schon im September oder Oktober 1167 aus dem alexandrinischen Lager überliefert. Johannes von Salisbury bettete den verbreiteten Deutungsmechanismus der Katastrophe als Gottesurteil für Friedrichs frevelhafte Verfehlungen an Papst, Gott und ­Kirche in seine Tyrannenlehre ein. In Folge verschob sich sein Schismabild vom skeptischen Zweckoptimismus zur tiefen Überzeugung, dass die Überwindung der Krise nicht

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nur möglich war, sondern bereits begonnen hatte. In dieser ­Theorie wurde der Fall des Staufers zum göttlichen Fingerzeig auf dessen unabdingbaren infelix exitus und damit zum Hinweis auf ein baldiges Ende von Tyrannei und kirchlicher Spaltung. Beflügelt von dieser theoriegeleiteten persönlichen Erkenntnis wurde das Schisma zum prognostischen Instrument. Dessen Potenzial erkennend, setzte Johannes von Salisbury das schismabezogene Deutungsmuster fortan gegenüber den Verbündeten in Poitiers, Exeter und Canterbury zur Auffrischung der erlahmten Unterstützer im Becketkonflikt ein. Bis in den Mai 1168 prägt seine Korrespondenz, eine Serie von Spendenaufrufen, die lebhafte Beschreibung kaiserlicher Niederlagen in apokalyptisch aufgeladener und biblisch orientierter Bildsprache. Nach Verscheiden Rainalds von Dassel wurde Barbarossa allein verantwortlich gemacht und zur apokalyptischen Bestie personifiziert. Damit wies man ihm endgültig die Rolle zu, die bei Ausbruch des Schismas noch der Gegenpapst eingenommen hatte. Friedrich I. wird zum Haupt des schismatischen Körpers, dessen Sturz alle mitreißen wird, die ihre Autorität von ihm beziehen. Hier drängt mit voller Macht die organologische Ideenwelt des Policraticus – insbesondere die Vorstellung der Interrelationalität z­ wischen dem Fürsten als Kontrollorgan des Staatskörpers und den Ratgebern als stabilisierenden Flanken – in das Deutungsmuster. In zahlreichen Metaphern und Vergleichen, vom Schisma als krankheitsgeschüttelter Körper im über Gedeih oder Verderb entscheidenden akuten Stadium bis zum Verweis auf gelehrte Brettspiele, machte Johannes von Salisbury den Gedanken der Vergänglichkeit und Auflösung greifbar. Die Bilder sollten ein baldiges Ende des Schismas und damit gestiegene Chancen zur Beilegung des Becketkonflikts verheißen und so zur aktiven moralischen und finanziellen Hilfe für den exilierten englischen Primas ermutigen. Zwischen Ende 1167 und Frühjahr 1168 bejubelte Johannes von Salisbury den Aufschwung päpstlicher Vollgewalt im Licht der Fortschritte in der Konsolidierung alexandrinischer Obödienz in Italien wie des wiederaufgebauten Mailands oder dem Beginn der ersten Ausgleichsverhandlungen. Akribisch beobachtete er solcherlei Auflösungserscheinungen des Schismas wie auch die sensible Rechtsdiskussion um den Umgang mit schismatischen Weihen, ohne je die internationale Relation, die Auswirkungen des Schismas auf England, aus den Augen zu verlieren. Arnulf von Lisieux reflektierte besonders die anhaltende Abhängigkeit Papst ­Alexanders von der Unterstützung des Königs von England, die den apostolischen Spielraum erheblich begrenzte und dadurch im landeskirchlichen Konflikt zum Hemmschuh der Versöhnung wurde, als problematisch. Was die alexandrinische Obödienzlage in England betraf, ließ seine Korrespondenz darauf schließen, dass bis zum Ende der Dekade und damit auch während der angevinisch-staufischen ­Verhandlungen

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1165 noch geschwächte gegenpäpstliche Tendenzen existierten. ­Darüber hinaus aber hatten Alexanders Parteigänger bis in den Hochklerus hinein eine emanzipierte Opposition gebildet, in der sich auch bedeutende vormalige Viktoriner wie Heinrich von Winchester offen dem königlichen Wunsch nach einer einmütigen Vereidigung auf Paschalis III. widersetzten. Vielleicht wurden gerade aufgrund dieser Konstellation Positionierung oder Handlungen im Schisma als polemisches Werkzeug zur Diskreditierung der Akteure und zur Durchsetzung eigener Wünsche im Becketkonflikt hoffähig. Wilhelm von Pavia oder Arnulf von Lisieux wurden zum Opfer dieser von den Getreuen Beckets bei Hofe, an der alexandrinischen Kurie oder bei festländischen Unterstützern gleichermaßen angewandten Denunziationsstrategie, die sich besonders in der bereits erwähnten Propagandaschlacht von 1167 und 1168 großer Beliebtheit erfreute. Naturgemäß veränderte die Radikalität des staufischen Vorgehens in Italien nicht nur Johannes’ Einschätzung des Schismas, sondern auch sein Urteil über dessen mutmaßlichen Urheber, ­Kaiser Friedrich I. Für viele Stimmen an der alexandrinischen Kurie, in Oberitalien und Frankreich, war der Staufer ein Tyrann geblieben. Auch in Johannes’ Kritik, im Ganzen nüchterner, distanzierter, sachbezogener und weniger emotionsgeladen als sein biblisch aufgeladener Feldzug gegen Heinrich II. und ausnahmslos auf Friedrichs Haltung im Schisma fokussiert, wurde dieser betrügerische Spalter der ­Kirche zum schismaticorum princeps. Aus der Hofkritik, Tyrannenlehre und organologischen Vorstellungen des Policraticus erwachsen, drängten im Verlauf der 1160er-Dekade neue Th ­ emen wie die Verantwortlichkeit des Kaisers oder die Frage nach legitimem Widerstand in den Vordergrund. Interessant ist etwa, wie Johannes auf Basis eines im Policraticus entwickelten normativen Verhaltenskodex für jede Form der K ­ aiser-Papst-Konstellation das kaiserliche Vorgehen gegen Alexander III. argumentativ kriminalisiert. Widerstand gegen den Nachfolger Petri sei demnach nur dann statthaft, wenn die cathedra von einem geistlichen Despoten besetzt sei, und auch dann müsse sie zum Schutz des Gemeinwesens und in Konformität mit göttlichem und kanonischem Recht und unter strenger Untersagung strafrechtlicher Gewalt stattfinden. In d ­ iesem Licht avancierte Barbarossas manifeste Verstocktheit ab dem Frühjahr 1168 zu einem der großen Kritikpunkte. Als Beweis dieser pertinacia erscheint Johannes die totale und bewusste Ignoranz aller ­Zeichen von der Katastrophe vor Rom über die Fürstenaufstände im Reich, die in seinen Augen in aller Offensichtlichkeit als göttlicher Fingerzeig den Tyrannen auf den richtigen Weg zurückführen sollten, jedoch – wenn unbeachtet – zwangsläufig zum Fall des Tyrannen führten. Für den angelsächsischen Moralisten werden Friedrichs schismatische Renitenz und sein Unwille, dem Despotismus zu entsagen und dem Fürstenideal zu folgen, zu den

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wahren Kapitalverbrechen. Barbarossa wird zur lebenden Bestätigung der infelixexitus-Theorie. Mit dieser erweiterten Deutungsdimension der Romkatastrophe als Sprosse auf der Leiter zum unaufhaltsamen Niedergang des Tyrannen setzt Johannes von Salisbury sich von den üblichen Gottesurteildeutungen italienischer, kurialer oder anglonormannischer Quellen ab. Die Unbelehrbarkeit Friedrichs I., der sakrilegische Angriff auf die Freiheit der ­Kirche, seine Versuche, das Reich dem Christentum zu entfremden, und die damit einhergehende Missachtung Gottes als Ursprung seiner gesamten Amtsautorität lassen den Staufer in der Überzeugung des gelehrten Angelsachsen den inhärenten, ideellen Ehrenvorrang seines Kaiseramts verwirken – eine Schlüsselidee für das Verständnis des fehlgedeuteten Titels des ex-Augustus, mit dem Johannes von Salisbury den Staufer seit Mitte 1167 bis zur Aufnahme ernsthafter Friedensverhandlungen im März 1170 belegt.2845 Dieser kreative Neologismus, der auch in anderen Kontexten (ex-princeps, ex-senator, ex-pontifex, ex-romanus) Anwendung findet, basiert immer auf der Überzeugung, dass der dem Amt zugrunde liegende moralische Verhaltenskodex missachtet wurde. Deswegen spricht Johannes Barbarossa auch den Titel des imperator Romanorum ab, betont den ursprünglichen Herrschaftskern des Staufers durch die bewusst abgrenzend-pejorative Bezeichnung als (Teutonicus) imperator. Eine Negierung der politischen Amtsautorität an sich ist in keiner dieser Terminologien zu entdecken. Wie die meisten seiner Landsleute interessierte sich Johannes nicht für eine Kritik am Kaisertum an sich, sondern nur für die an dessen aktuellem Träger. Das von ihm vertretene Kaiserbild war klar schismabezogen. Seit Pavia blieb es Deutungsmustern wie dem Tyrannenvorwurf oder anderen Grundfesten der polikratischen Staats- und Herrschaftstheorie verpflichtet, reagierte aber auch dynamisch auf Faktoren wie den jeweiligen Adressaten oder aktuelle politische Zuspitzungen wie den Hoftag von Würzburg oder Geschehnisse jenseits der Alpen. Johannes’ Geisteshaltung allerdings, so enthüllen es die epistolaren Zeugnisse, ließ Raum für eine bemerkenswert komplexe Sicht der Schuldverhältnisse. Da Friedrich Barbarossa in der hochmittelalterlichen Konsensualherrschaft an die Konsultation mit seinem Beraterkreis gebunden war, waren dessen Mitglieder gemäß der Organologie als stabilisierendes Element des korrumpierten Staatskörpers ebenso zu belasten. Nur auf den ersten Blick scheint das Deutungsmodell wie eine Entlastung des Kaisers, denn schließlich fiel darin auf ihn die schwerwiegende Verletzung seiner Pflichten als Leitungs- und Kontrollorgan über alle Glieder des Staatskörpers, seine engsten Vertrauten mit eingeschlossen, zurück. Der K ­ aiser blieb Hauptakteur – aber nicht alleiniger. 2845 Fehlgedeutet als Ausdruck eines von allen politischen wie ethischen Kaiserrechten entledigten Herrschers: Böhm: Bild, S. 95 oder Reuter: Schism, S. 144.

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Der ausgedehnte Fokus des Johannes von Salisbury auf die Ratgeberthematik war eine logische Folge seiner Erfahrungen bei Hofe und der darauf basierenden Überzeugung von moralischer Verderbtheit und Skrupellosigkeit als Grundcharakteristikum erfolgreicher höfischer Aufsteiger. In der Schismendiskussion ist er singulär. War Johannes’ Urteil über den englischen König ähnlich vergleichbar motiviert und ethisch geformt? Wie spielte die Rolle Heinrichs II. im Schisma mit hinein? Dessen Steuer- und Restitutionspolitik hatten den Plantagenêt in Johannes’ Augen bereits bald nach seiner Thronbesteigung 1154 als Tyrann qualifiziert. Sein berüchtigtes cholerisches Wesen tat ihr übriges zur Komplettierung des Bildes. Erst die Konstitutionen von Clarendon und Heinrichs angebliche, als Missachtung von lex und aequitas verurteilte Eingriffe in innerste Kernprivilegien der ­Kirche führten seit Angers zu einer selbstbewusster artikulierten, kämpferischen Königskritik. Sie entzündete sich mit größter Wucht mit der offenen Eskalation des Becketkonflikts und im aufgeheizten Diskursklima nach Beckets Exkommunikationen prominenter Parteigänger König Heinrichs im Juni 1166. Vézelay wurde zum Ausgangspunkt einer qualitativen Wende in der Königskritik, einer an aktuellen Ereignissen orientierten polemischen Spirale. Die Appellation des englischen Episkopats gegen den Erzbischof von Canterbury zwang den Becketkreis zur offensiven Verteidigung gegenüber Heinrich. Anfangs war die antiroyalistische Polemik noch verhalten und auf Heinrichs Verfolgerrolle im Becketkonflikt beschränkt. Johannes’ Parallelisierungen ­zwischen Heinrich II. und biblischen Despotengestalten konzentrierten sich auf Agenten im Becketdisput: Der König erschien als Ahab, der englische Episkopat als moralisch verderbte Baalspriester oder als Fürsten von Zoan und der königliche Ratgeberstab als falsche Propheten. Mit fortschreitender Eskalation aber mussten schwerere Geschütze aufgeboten werden. Johannes von Salisbury begann rhetorische Taktiken zu übernehmen, die im Becketkreis bereits seit Eskalation des Konflikts in Northampton Anwendung gefunden hatten. Darunter die von McLoughlin als „Verfolgungssprache“ 2846 bezeichneten Denkmuster und Strategien, darunter das Ziehen von Parallelen ­zwischen Thomas Becket und Alexander III . als Opfer weltlicher Verfolgung, und die gleichzeitige Proklamation des Hereinbrechens des göttlichen Gerichts über die Verfolger – ein Denkmuster, das Johannes von Salisbury nach Vézelay verstärkt im Inselkönigreich und im Heiligen Römischen Reich zu verbreiten suchte und auf dem Misserfolge des politischen Gegners bequem ausgedeutet werden konnten. Ausdrucksstärkstes Beispiel waren Charakter, Aufstieg und Fall des großen römischen Kaisers, von Johannes von Salisbury bis ins kleinste Detail so akribisch ausgedeutet und mit Heinrich parallelisiert, dass der Sturz des Staufers als warnendes Exempel für den englischen Herrscher 2846 Vgl. McLoughlin: Language.

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evident werden musste. In der Wahrnehmung der Zeitgenossen rückten damit die Geschicke des staufischen und des angevinischen Herrschers immer näher zusammen. Die Klagen entwickelten sich ab Juli 1166 zu einer offen feindseligen und teils durch kuriale Vorbilder, teils durch singuläres Gedankengut des Johannes von Salisbury gespeiste, polemische Großoffensive mit zunehmenden Schismabezug. Neben der Identifikation von Gemeinsamkeiten in Handeln und Schicksal des Plantagenêt und des römischen Kaisers oder Beschuldigungen der Idolatrie gegen den englischen König hielten weitere ­Themen Einzug in die antikönigliche Polemik, die auf die englische Schismapolitik rekurrierten. Kern dieser neuen, auf gesamtkirchliche Angelegenheiten ausgeweiteten Argumentation gegen den Plantagenêt war die bereits im Vormonat von Alexander III . vorgebrachte Verurteilung von Heinrichs als kirchenrechtlich unstatthaft verurteiltem Umgang mit dem exkommunizierten K ­ aiser und Alexanders deutschen Gegnern vor und auf dem Hoftag von Würzburg. Die päpstliche Kritik am diplomatischen Verkehr schloss noch keinen Vorwurf direkter schismatischer Umtriebe ein. Dies leistete wenig ­später Johannes von Salisbury, der im Juni oder Juli zum Beweis der kirchenfeindlichen Gesinnung des Plantagenêt über seine Verbindungen in Exeter und Poitiers für die Zirkulation von Diu desideravi, einem wahrscheinlich durch Gerard Pucelle abgefangenen, kompromittierenden Geleitgesuch Heinrichs II . an Rainald von Dassel, und das darin enthaltene königliche Gedankenspiel eines Lagerwechsels sorgte. Ein weiterer Baustein der Diffamierungskampagne war die von Johannes von Salisbury seit d ­ iesem Juli vehement vertretene Th ­ eorie einer gegen Gott und die K ­ irche erfolgten confoederatio Heinrichs II. mit dem römischen K ­ aiser, die ihm mit der Bedrohung Alexanders durch den staufischen Romzug 1167 zum Komplott zur Auslöschung Alexanders und des gesamten apostolischen Amtes als Lösung des Konflikts erschien. Die Idee hatte ihren Ursprung möglicherweise in Köln, doch wird Johannes’ Entsetzen vor dem Worst-Case-Szenario, der Festsetzung und Ermordung des römischen Pontifex, in seinen Warnungen an Alexander III. und den fieberhaften Versuchen, über Gerard auf Rainald von Dassel einzuwirken, greifbar. Vor der Schablone der saresberiensischen Schismentheorie planten beide Herrscher damit den ultimativen Frevel: den im Namen geistlicher Vertreter wie Paschalis III. und Rainald von Dassel durchgeführten Patrizid an ihrem spirituellen Oberhaupt, einem amtierenden Papst. Diese Lesart war singulär. Sie stieß in das Herzstück der polikratischen Schismentheorie vor. Am Ende sollte die bittere Klage gegen den Umgang Heinrichs II . mit Schismatikern, den man aufgrund dessen selbst als solchen brandmarkte, eines der stichhaltigsten Argumente gegen Heinrichs Person bleiben. Er habe damit die ­Kirchenspaltung

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neu entfacht. Bemerkenswerterweise schlug in dieser Deutungsvariante der Hoftag von Würzburg vom Mai 1165 und die dort geleisteten Eide auf Paschalis III ., jenes Ereignis also, das den K ­ aiser und englischen König enger zusammenführte als jemals zuvor, ­später viel seichtere Wellen im Schismabild des Johannes von Salisbury als die späteren Ereignisse in Vézelay oder Rom. Grund ist die Bewertung der Ehebündnisse von Würzburg und ihres diplomatischen Vorspiels sowie des in Würzburg durch die englischen Gesandten Johannes von Oxford und Richard von Ilchester geleisteten Eides. Als Beleg einer schismatischen Gesinnung des Heinrich Plantagenêt könnte der als Kronzeuge des Geschehens geltende Passus bei Johannes von Salisbury vom Juli 1166 fehlgedeutet werden. Die Kontextualisierung mit anderen Quellenzeugen aber zeigte, dass die Würzburger Vorgänge keineswegs Ausdruck eines aktiv geplanten königlichen Strebens nach einer antialexandrinischen Kehrtwende waren und dass ein solches angesichts beachtlicher alexandrinischer Opposition bei Hofe und im Episkopat ohnehin kaum praktikabel gewesen wäre. Der hier erfolgte, frische Blick auf die Würzburger Vorgänge – ausgehend von Johannes’ Darstellung der Eidverhandlung in der erstmaligen Zusammenschau der gesamten Quellenbasis mit der Epistola amici, den Enzykliken der kaiserlichen Kanzlei, den Aussagen Rotrods von Rouen oder des englischen Königs – beweist vielmehr, dass man auf der Insel und in der Normandie die Schwüre als originär dynastische Eide ohne kirchenpolitische Dimension betrachtete. Damit konnte Vollraths These vom politischen Beistandspakt gestützt werden.2847 In Vervollständigung des Forschungskonsenses, dass für Heinrich Plantagenêt die Verbindung mit der staufischen beziehungsweise welfischen Dynastie ein effektives Pressionsmittel darstellte 2848, wurde erwiesen, dass ­dieses wichtig genug war, um den Delegierten nötigenfalls die Ergänzung des in Würzburg zu leistenden, politischen Beistandspaktes durch eine kaiserfreundliche Stellungnahme im Schisma zu gestatten. Barbarossas – nicht wie von manchen Historikern propagiert Rainald von Dassels 2849 – Aufforderung zur Präzisierung des Eides schaffte diese Notwendigkeit. Ernsthafte Konnotationen zum Schisma wurden aber erst nachträglich und bewusst von der kaiserlichen Kanzlei expliziert, um einer innenpolitischen Stabilisierung im Reich Vorschub zu leisten. Eine Initialisierung der Würzburger Eide durch Heinrich II. ist nicht realistisch. Im höchsten Fall hatten englische Rechtspraktiken indirekt als Vorbild für die Form der insolita sacramenta gedient. 2847 Vgl. Vollrath: Lüge. 2848 Vgl. Haller: Papsttum III, S. 191 f.; Rill: Eide, S. 14 f. oder Ahlers: Welfen, S. 49. 2849 Vgl. Esser: England, S. 48 – 66 und Warren: Henry, S. 493.

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Erhellend ist die Tatsache, dass Würzburg und die dort an Königs statt geleisteten Eide im Becketkreis und besonders bei Johannes von Salisbury erst ein Jahr nach dem Ereignis, in der Denunzierungskampagne ab Juli 1166, zum Thema werden und damit die Verquickung reichspolitischer Angelegenheiten mit dem Becketkonflikt begann. Erst im Zuge der Vézelay folgenden rhetorischen Auseinandersetzung z­ wischen Royalisten im Episkopat und exilierten Becketanhängern erhielten Momente wie Würzburg und Heinrichs Diu desideravi eine Bedeutung als diskreditierende Mittel. Der Eid wurde erst mit Zuspitzung des Becketdisputs in Vézelay zum Nukleus der angeblichen verräterischen Verschwörung ­zwischen dem Heiligen Römischen und dem angevinischem Reich hochstilisiert. Quellenkritisch hinterfragt und in den Kontext eingeordnet, enthüllt Johannes’ Wiedergabe des Gesprächs z­ wischen Johannes von Oxford und dem K ­ aiser sogar und erstmalig, dass er weniger die Denunziation des Königs und seiner Schismapolitik als vielmehr die des Gesandten Johannes von Oxford vorantrieb, dessen Eidleistung sein Namensvetter aus Salisbury als willentliche Auflehnung gegen Alexander III ., Gott und die ­Kirche verstanden wissen wollte. Diese Diskreditierung der königlichen Legaten, allen voran des Dekans von Salisbury, der als treibende Kraft der königlichen K ­ irchen- und Außenpolitik galt, zielte darauf ab, deren Einfluss zu schmälern. Das Deutungsmuster war damit Endpunkt einer auf die Ausschaltung der Hauptträger angevinischer K ­ irchen- und Außenpolitik abzielenden Bemühung, die mit deren Bannung in Vézelay ihren Anfang genommen hatte. Würzburg wurde nachträglich zum rhetorischen Kampfmittel in der Schlacht der Worte, die ab Juli 1166 ­zwischen den Royalisten im englischen Episkopat und den Exilierten geführt wurde, und vor allem zur polemischen Waffe gegen höfische Hauptakteure, die man für die durch den ­Kaiser erschlichene, alexanderfeindliche Spezifizierung des Eides in die Pflicht nahm. Dieses beraterzentrierte Deutungsmuster tauchte schon im Sommer 1166 als logische Folge der bischöflichen Appellation gegen Thomas Becket in der Exeterkorrespondenz des Johannes von Salisbury auf und brach sich punktgenau mit dem Wissen über den Tod Rainalds von Dassel endgültig Bahn. Der Klerus mit seiner großen Rolle unter den familiares des englischen Königs war für Johannes von Salisbury ein Hauptfaktor im Verlust kirchlicher Freiheit und in der Verfestigung der englischen Kirchenspaltung. Übermäßig auf Sicherheit und Profit fokussiert, ­seien Episkopatsmitglieder wie Gilbert Foliot gleich den polikratischen Mietlingen zu wenig moralisch gefestigt, um dem König entgegenzutreten. Ihre seelsorgerische Korrektivpflicht gegenüber der weltlichen Gewalt vernachlässigend, erfüllten sie nicht den stabilisierenden Platz in der Organologie des Gemeinwesens. Helfen könne nur die Isolation des Klerus vom korrumpierenden Einfluss der Außenwelt durch die Loslösung von

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weltlichen Positionen im Königsdienst und kirchlichen Ämtern – reines Wunschdenken im Patronagesystem angevinischer Herrschaft. Die persönlichen Verfehlungen des Johannes von Oxford als Prototyp des fehlgeleiteten royalistischen Günstlings, seine Position im Becketkonflikt und die Verbindungen zum vermeintlich schismatischen Kaiserhof bis hin zu seiner Besiegelung des angevinisch-staufischen Bündnisses durch die als häretisches periurium betrachtete Eidleistung in Würzburg verschmolz Johannes von Salisbury zu einem einzelnen Komplex von Delikten. Diese Vermischung argumentatorischer Ebenen in den Jahren 1166 und 1167 belegt deutlich, wie nah Becketkonflikt und Schisma noch Jahre nach der Parteinahme von Beauvais beobachtet wurden. Aufgrund seiner Überzeugung von der engen präfigurativen Beziehung z­ wischen Schisma und Becketdisput und der Hoffnung, die seit dem Tod Rainalds von Dassel auf dem römischen K ­ aiser ruhte, sah der gelehrte Angelsachse Heinrichs Wahrnehmung der fürstlichen Kontrollfunktion gegenüber seinem Beraterstab als einzigen Weg zur Lösung des Dilemmas in der englischen Landeskirche und zur Befriedung beider kirchlicher Krisen. Mit neuem Eifer blies er zum Angriff auf Berater des Königs wie Arnulf von Lisieux oder Gilbert Foliot. Als der Plantagenêt im Januar 1170 an der Wegscheide des Friedensschlusses in Fréteval öffentlich von seinen Ratgebern Abstand nahm, kam dies für Johannes einer lang ersehnten Zuwendung des Königs zum polikratischen Herrschaftsideal gleich. Auch wenn die historischen Entwicklungen dramatisch zeigen sollten, dass Heinrich den hohen Erwartungen seines gelehrten Landsmannes nicht entsprechen konnte, war Johannes’ Engagement im alexandrinischen Schisma, soweit es Niederschlag in seiner Korrespondenz fand, nach langen, regsamen Jahren erfüllt. Arnulf von Lisieux und Johannes von Salisbury teilten das bedingungslose Bekenntnis zu Papst Alexander. Beide interpretierten die aktuelle Krise auf Basis eigener Lebenserfahrungen und individueller ideologischer Vorstellungen und doch zeigt sich deutlich der Generationsgraben ­zwischen dem gesellschaftlich etablierten, in Zeiten der Kirchenreform sozialisierten normannischen Bischof, der aus einem reichen Erfahrungsschatz und jahrzehntelang verfestigten Denktraditionen des 11. Jahrhunderts schöpfte, und dem freigeistigen angelsächsischen Moralisten mit seiner pragmatischen Zukunfts- und Praxisorientierung. Im Bewusstsein, dass das Schisma kein lokal isoliertes italienisches Phänomen war, versuchten beide Männer in aller Dringlichkeit aktiv in ihre Zeit hineinzuwirken und eine Lösung voranzutreiben, um auch Negativfolgen auf der anderen Seite des mare britannicum zu verhindern. Die große Stunde des Arnulf von Lisieux schlug im Obödienzkampf der Anfangsjahre des Schismas. Sein Engagement war zielstrebig und ehrlich, mitunter aber auch von karrieristischen Eigeninteressen begleitet.

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Sobald jedoch der Kirchenkampf aus dem Schatten innozenzianischer Muster trat, fanden seine alten Ideen auf die unberechenbaren Herausforderungen des neuen Schismas keine Antwort mehr. Als Alexanders Situation im englischen Königreich durch den Ausbruch des Becketkonflikts beengend verkompliziert wurde, füllte sein jüngerer Mitstreiter Johannes von Salisbury diese Lücke. Dessen Waffe waren seine ethopolitischen Theorien. Ist der tatsächliche Wirkungsgrad seiner Bemühungen auch schwer zu ermessen, trug den eingefleischten Moralisten doch die Vision einer befriedeten ­Kirche im ganzen Verlauf des Becketdisputs auch durch das alexandrinische Schisma.

Die wichtigsten Briefzeugnisse im chronologischen Überblick Datum 1131/1132

Incipit Virtus in pace

1159, Ex quo kurz nach contra 4. Oktober honorem

Verfasser Bernhard von ­Clairvaux an die aquitanischen Bischöfe

Die Wähler Viktors IV. (Imar von Tuskulum, Guido von Crema, Johannes von ­Mercone u. a.) an alle weltlichen und geistlichen Großen 1159, Eterna et Papst Alexander III. 5. Oktober incommu- an Bischof ­Gerhard von Bologna, die tabilis Kanoniker, die Doktoren des Rechts sowie die übrigen Magister in Bologna

1159 / 1160 (?)

1159, Oktober – Dezember

1159, Oktober – Dezember

Kurzbeschreibung Gegen Girald von Angoulême gerichtetes ­Schreiben zur Gewinnung der aquitanischen Bischöfe für Innozenz’ II.

Edition Ep. CXXVI, in: BvClairvaux Werke II, ed. Winkler, S. 858 – 873. Wahlanzeige Viktors IV. in: Rahewin Darlegung der viktorinischen Gesta Friderici, Perspektive zu den Ereignissen ed. Waitz/ um die päpstliche DoppelSimson, wahl, die ­Erhebung und Weihe S. 303 – 307. Oktavians von Monticelli

zweite Redaktion der Wahlanzeige Alexanders III. Darlegung der alexandri­nischen Perspektive zu den Ereignissen um die päpstliche Doppelwahl, die angefochtene Erhebung Oktavians von Monticelli, Alexanders Gefangen­nahme, Befreiung und Konsekration. Bekanntgabe der Exkommu­ nikation Oktavians. Eterna et Papst Alexander III. dritte Redaktion der incommu- an alle englischen Wahlanzeige Alexanders III. tabilis Bischöfe (Inhalt siehe vorheriger Eintrag.) Audita Arnulf von Lisieux Arnulf von Lisieux bietet den sancte an die Kardinäle alexandrinischen Kardinälen Romane Johannes von Neapel unmittelbar nach der umstritecclesie (S. Anastasia), tenen Papstwahl seine UnterWilhelm von Pavia stützung an. (S. Pietro in V ­ incoli), ­Heinrich von Pisa (SS. Nereo e A ­ chilleo) und ­Hyazinthus Orsini (S. Maria in Cosmedin) Benedic- Arnulf von Lisieux an Arnulf von Lisieux bietet tus deus et Papst ­Alexander III. ­Alexander III. ­unmittelbar pater nach der umstrittenen Papstwahl seine Unterstützung an.

Nr. 41, in: Admonter Briefsammlung, ed. Hödl/ Classen, S. 79 – 83.

British Library, Brit. Libr. Cotton Faustina B 1, 2r – 2v. Ep. 23, in: Letters, ed. Barlow, S. 29 – 30.

Ep. 24, in: Letters, ed. Barlow, S. 30 – 33.

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Die wichtigsten Briefzeugnisse im chronologischen Überblick

Datum 1159, Dezember (?)

Incipit Sacra scriptura docente (sog. Epistola cardinalium)

Verfasser die Kardinäle Alexanders III. an ­Kaiser Friedrich I.

1160

Apud die Kardinäle ­ einrich von Pisa sapientiae H (SS. Nereo e filios ­Achilleo), Oddo (S. Nicola in ­Carcere) und Abt Philipp von l’Aumône an den französischen Klerus

1160, Quia sedis Die Teilnehmer des nach Konzils von Pavia an 13. Februar alle weltlichen und geistlichen Großen sowie alle Gläubigen

1160, Illa est März –April regnorum

1160, 1. April

Litteras a tua nobis

Johannes von ­Salisbury an König Heinrich II.

Papst A ­ lexander III. an Arnulf von Lisieux

Kurzbeschreibung Die Kardinäle führen Beschwerde beim ­Kaiser, Pfalzgraf Otto von Wittels­bach unterstütze den Gegenpapst Oktavian von Monticelli. Ablehnung der Beschickung des geplanten Konzils von Pavia aufgrund von Ottos Nachstellungen und der Vorwegnahme der Entscheidung durch Oktavian. Erstes ­kuriales Zeugnis, das viktorinische Tendenzen des Kaisers impliziert. Gegenproklamation zum Konzil von Pavia, in der die Adressaten der französischen ­Kirche mit besonderem Schwerpunkt auf die kirchenrechtliche Beweisführung und die Kritik am ­Kaiser als Initiator des ­Paveser Konzils ihre Argumentation darlegen. Langversion des offiziellen Zirkulars zu den Beschlüssen des Konzils von Pavia. Darlegung der Gründe für die Entscheidung, Viktor IV. als kanonisch gewählten Papst anzuerkennen. ­Verkündet die Teilnahme englischer Gesandter und die angebliche Anerkennung der Beschlüsse von Seiten des König Heinrichs von England. Theobald von Canterbury berichtet von Negativwirkungen des Schismas sowie der Verunsicherung der englischen ­Kirche in der Papstfrage und bittet diesbezüglich um könig­ lichen Rat. Alexander III. ernennt Arnulf von Lisieux offiziell zu seinem Fürsprecher am englischen Königshof und informiert ihn über die aktuelle, stark kaiserkritische päpstliche Linie, die dieser in England verbreitet wissen will.

Edition in: Holtzmann: Quellen, S. 398 – 400.

XI, in: Bouquet 15, S. 753 – 756.

Nr. 190, in: MGH Const. 1, S. 265 – 270.

Ep. 116., in: Early ­Letters, ed. Millor u. a., S. 190 – 192.

XVII., in: Bouquet 15, S. 760 – 761

Die wichtigsten Briefzeugnisse im chronologischen Überblick Datum Incipit 1160, April Moerore simul

1160, Mai –Juni

1160, Mai –Juli

1160, Mai –Juli

1160, Juni –Juli

Verfasser Die a­ lexandrinischen Kardinäle an die ­ Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte und alle Angehörigen der ­Kirche

Kurzbeschreibung Zweites Schreiben der ­alexandrinischen Kardinäle. Kritische kuriale Erwiderung auf die in Quia sedis dargelegten Beschlüsse des Konzils von Pavia. Anklage des Kaisers mit Erläuterung der Gründe für dessen Bannung. Etsi proJohannes von In Theobalds Namen infor­Salisbury an König priis et miert Johannes Heinrich II. ­Heinrich II. priuatis über die alexandrinische Überzeugung der englischen ­Kirche, bittet ihn darum, von kaiserlichen Avancen unbeeindruckt zu bleiben und sich wie die französische ­Kirche für Alexander auszusprechen. Stilkritik an einem Werk des In quo Arnulf von Lisieux uerbo reges an Kardinal ­Heinrich Ennodius. Arnulf bezieht von Pisa (SS. Nereo e sich kurz auf eine alexanderAchilleo) freundliche Vereinbarung der Westkönige und die Einberufung der Synode von London durch den König von England. ­Darüber hinaus informiert er über die Bereitstellung wichtiger Kerndokumente der Schismaparteien durch Heinrich II. sowie die Entsendung seines Positionsbriefes (Quanta tempestate) an die Synodalen. Quanta Arnulf von Lisieux Detaillierte, persuasive Dartempestate an die englischen legung der Arnulfschen Posilaboret Bischöfe tion im Schisma sowie seiner ecclesia Sicht der Umstände, die zur päpstlichen Doppelwahl führten. Polemische Ausrichtung gegen Oktavian von Monticelli, K ­ aiser Friedrich I. und das Konzil von Pavia. Apologetische Tendenz gegenüber König Heinrich II. Größtenteils in direkter ErwiAngusJohannes von ­Salisbury an Magister derung auf Quia sedis fußender, tiarum polemischer Kommentar gegen nostrarum Radulf von Sarre Einberufung, Prozeduralverfahren, Repräsentativität und Beschlüsse des Konzils von Pavia.

775

Edition in: Pontificum Romano­ rum II, ed. Watterich, S. 493 – 499.

Ep. 122, in: Early L ­ etters, ed. Millor u. a., S. 201 – 202.

Ep. 27, in: Letters, ed. Barlow, S. 36 – 38.

Ep. 28, in: Letters, ed. Barlow, S. 38 – 43.

Ep. 124, in: Early Letters, ed. Millor u. a., S. 204 – 215.

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Die wichtigsten Briefzeugnisse im chronologischen Überblick

Datum 1160, November – Dezember

1164, ca. Mai

1165 (?)

1165, nach 23. Mai

1165, nach 23. Mai

Incipit Quam utilis apud principes

Verfasser Arnulf von Lisieux an das alexandrinische Kardinalskollegium

Kurzbeschreibung Rechtfertigung des auf der Synode von Beauvais von den alexandrinischen Legaten erteilten Dispenses für die angevinisch-kapetingische Kinderehe. Scharfe Polemisierung gegen die alexandri­ nischen Wähler. Nouerit Anonym ( Johannes Ein anonymer Vertrauter uestra von Salisbury?) ( Johannes von Salisbury?) paternitas an Thomas Becket unterrichtet Becket von Tod und Begräbnis Oktavians von Monticelli und spekuliert über eventuelle kaiserliche Pläne zur Erhebung eines weiteren Gegenpapstes. Dankesbrief für einen saphirPraeter Johannes von besetzten Goldring mit eam quam ­Salisbury an ­seinen Halbbruder Robertus der Inschrift Christus vincit, affectio ­Christus, Christus regnat, imperat, die als Basis einer kaiserkritischen Einschätzung der Kirchenspaltung dient. ‘Epistola Anonymus an Papst Augenzeugenbericht (Kurzamici ad Alexander III. form) eines anonymen AlexanAnhängers Alexanders III. drum über die Ereignisse auf dem papam’ Hoftag von Würzburg, ­darunter Rainald von Dassels (Cum Behauptung, den englischen clerum plurimum) König und fünfzig seiner Bischöfe für Paschalis III. gewonnen zu haben und die Umstände der Eidleistung durch die anwesenden Adeligen und Prälaten. Pro Rotrod, Erzbischof Rotrod von Rouen beteuert die Treue König ­Heinrichs II. domino von Rouen, an ­Kardinal Heinrich zu Papst ­Alexander III. bei rege von Pisa (SS. Nereo e den angevinisch-staufischen Achilleo) Verhandlungen von 1165 und berichtet von einer Reserviertheit gegenüber der kaiserlichen Gesandtschaft bei Hofe.

Edition Ep. 29, in: Letters, ed. Barlow, S. 43 – 50.

Ep. 29, in: CTB I, S. 88 – 95.

Ep. 145, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 36 – 41.

Nr. 99, in: MTB 5, S. 188 – 191.

Nr. 101, in: MTB 5, S. 194 – 195.

Die wichtigsten Briefzeugnisse im chronologischen Überblick Datum Incipit 1165, 1. Juni Cunctis populis

1165, 2. Juni

1166, Frühjahr

1166, 16. Mai

1166, nach 12. Juni

Verfasser Kaiser Friedrich I. an Graf Heinrich von Troyes und seine Getreuen

Kurzbeschreibung Zirkular, das die Beschlüsse des Hoftags von Würzburg zur Anerkennung Papst Paschalis’ III. verkündet. Befehl zur Ablegung des Treueeids auf diesen an alle Geistlichen, Mönche und Laien. Cunctis Kaiser Friedrich I. an Zirkular zur Verkündung der populis alle geistlichen und Beschlüsse des Hoftags von weltlichen Großen Würzburg zur Anerkennung Papst ­Paschalis’ III. Befehl und Getreuen des zur Ablegung des Treueeids Reiches auf diesen an alle Geistlichen, Mönche und Laien. Auf eine Entspannung der Licet Johannes von ­Salisbury an Gerard Kirchenspaltung gerichtete michi Pucelle Aufforderung an den in Köln dilectio lebenden Gerard, dem polikratischen Philosophenideal zu entsprechen und in Opposition zu den Schismatikern zu gehen. Quanta Papst Alexander III. Appell an den normannischen mala an Rotrod, ErzbiKlerus und die Gemeinschaft schof von Rouen und der Gläubigen, den durch den seine Suffragane von seinen Gesandten auf dem Hoftag von Würzburg geleisteten Eid dem kaiserlichen Lager zuneigenden englischen König zu ermahnen und auf den rechten Weg zu führen. Früh in England vorliegende, Licet ex Johannes von S­ alisbury an briefliche Schilde­rung der more scribentum ­Bartholomäus, Exkommunikationen von Bischof von Exeter Vézelay. Lagebericht über Beckets Vorgehen und die Ereignisse in Oberitalien. Die noch verhaltene Königskritik in Form von Assoziationen mit biblischen ­Despotengestalten oder dem schismatischen ­Kaiser wird wegweisend für die Becketsche Propaganda.

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Edition Nr. 480, in: MGH DF I 1,2, S. 395 – 397.

Nr. 481, in: MGH DF I 1,2, S. 398 – 399.

Ep. 158, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 68 – 71.

Nr. 188, in: Bouquet 15, S. 844 – 845.

Ep. 168, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 100 – 117.

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Die wichtigsten Briefzeugnisse im chronologischen Überblick

Datum 1166, ­zwischen 24. Juni und Juli

Incipit Verfasser Kurzbeschreibung Diu König Heinrich II. an Bitte an Rainald von Dassel desideravi Rainald von Dassel um Vermittlung freien Geleits über Reichsgebiet für seine Delegation an die alexandri­ nische Kurie. Heinrich II. gesteht ein, einen Abfall von ­Alexander III. erwägt zu haben. Energisches Propagandaschrei1166, Juli Multa Johannes von ben, das die Appellation des ­Salisbury an quidem Episkopat gegen Becket verscribenda ­Bartholomäus, Bischof von Exeter urteilt. Durch Weiterleitung essent eines kompromittierenden Schriftstücks (Diu desideravi) sucht Johannes von Salisbury die Nähe des Königs von ­England zu den Schismatikern zu entlarven. Bericht über die Umstände 1166, Juli Patri mise- Johannes von (i. e. die Unterredung K ­ aiser ricordia- ­Salisbury an ­Johannes Belmeis, Friedrichs I. mit dem englirum Bischof von Poitiers schen Gesandten) der Eidleistung des Johannes von Oxford zugunsten Paschalis’ III. auf dem Hoftag von Würzburg. 1166, ca. ­ Quod Johannes von Johannes bemüht sich intensiv, 1. Oktober dilectioni Salisbury an Gerard Gerard zur Hilfeleistung in uestrae Pucelle Köln zu bewegen. Mit dem Hinweis auf die Schwächung der kaiserlichen und königlichen Position als günstigem Umstand warnt er vor dem Risiko einer Kooperation mit Schismatikern. 1166, ca. Etsi uobis Johannes von Direkte Nachfrage nach Mitte nuper Salisbury an Gerard Details über die gesundheitOktober scripserim Pucelle liche Verfassung des Rainald von Dassel und den Vierten Romzug des Kaisers. Weiterer Versuch durch Erinnerung an das polikratische Philosophenideal, Gerard von den Schismatikern zu entfernen. Bitte um Bücheraustausch (Prophetien der Hildegard von Bingen).

Edition Nr. 213, in: MTB 5, S. 428 – 429.

Ep. 174, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 138 – 153.

Ep. 177, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 178 – 185.

Ep. 184, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 210 – 223.

Ep. 185, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 222 – 225.

Die wichtigsten Briefzeugnisse im chronologischen Überblick Datum 1166, spät im November

Incipit Abutitur ecclesiae patientia

Verfasser Thomas Becket ( Johannes von ­Salisbury?) an Papst Alexander III.

Kurzbeschreibung Teil einer an Papst Alexander III. und andere gewandte Briefkampagne zur Denunziation Heinrichs II. und der englischen Bischöfe. Reaktion auf Heinrichs Geleitgesuch an Rainald von Dassel (Diu desideravi) und Beschwerde, Johannes von Oxford habe das Schisma durch seinen Eid wiederbelebt. Beispiel der ‚Verfolgungssprache‘. 1166, nach Super his König H ­ einrich II. an Unschuldsbekundung auf die das alexandrinische in Papst Alexanders Quanta November que Kardinalskollegium mala dargelegten Vorwürfe zur Eidleistung von Würzburg. Rechtfertigung des Doppelverlöbnisses mit dem staufischen beziehungsweise welfischen Haus als Fortführung politischer Traditionen. Johannes von Teil der wiederaufflackernden 1166 – 1167, Plenam bald nach deuoSalisbury an Gerard Korrespondenz. Lob, dass November tione et Pucelle Gerard dem Philosophen1166 eruditione ideal folge. Scharfe Kritik an Rainald von Dassel und dem ­Kaiser, die angeblich die Auslöschung der Papstwürde planten. Frühjahr Qua fide Arnulf von Lisieux Empfehlungsschreiben 1172 quo studio an die Kardinäle zugunsten des Roger de Pont Johannes von Neapel L’Évêque, der als Alexandriner (S. Anastasia) und der ersten Stunde gepriesen Wilhelm von Pavia (S. wird. Pietro in Vincoli)

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Edition Ep. 115, in: CTB I, S. 554 – 563.

Nr. 255, in: MTB 6, S. 78 – 81.

Ep. 186, in: Later Letters, ed. Millor/ Brooke, S. 224 – 229.

Ep. 84, in: Letters, ed. Barlow, S. 138 – 139.

Abkürzungen AHC AHP AKG AvL BECh Bibl. nat. Bibl. naz. Brit. libr. Bodl. Bouquet CC CC Cont. Med. CCM CSEL CTB DA DNB EHD EHR FmSt FStG GWU HJ HJb HZ JbKölnG JL

J 3

Annuarium Historiae Conciliorum Archivum historiae pontificiae Archiv für Kulturgeschichte Arnulf von Lisieux Bibliothèque de l’École de Chartes Bibliothèque nationale, Paris Bibliotheca nazionale universitaria di Torino, Turin British Library, London Bodleian Library, Oxford Recueil des historiens des Gaules et de la France (Bd. 12 – 15) Corpus Christianorum Series Latina Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis Cahiers de civilisation médiévale Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum The Correspondence of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury 1162 – 1170, ed. Anne J. Duggan, 2 Bde., Oxford 2000 (OMT). Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters The Dictionary of National Biography English Historical Documents English Historical Review Frühmittelalterliche Studien Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Historia Judaica Historisches Jahrbuch Historische Zeitschrift Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins Philippe Jaffé (Hg.): Regesta pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum natum 1198. Bd. 2: ab a. MCXLIII ad a. MCXCVIII, ed. Samuel Löwenfeld, Ferdinand Kaltenbrunner und Paul Ewald, Leipzig 1888. Philippe Jaffé (Hg.): Regesta pontificum Romanorum ab condita Ecclesia ad annum post Christum natum 1198. Editionis tertiae emendatae et auctae iubente academia Gottingensi, sub ­auspiciis Nicolai Herbers. Bd. 1: a S. Petro ad a. DCIV, ed. Markus Schütz, Göttingen 32016 (Regesta Pontificum Romanorum, 1).

Abkürzungen

JvS I JvS II Lex.MA LLT-A LThK Mansi MGH – DD – Const. – SS – Ldl – SS rer. Germ. – Epp. sel. Migne PL MIÖG MlatJb MTB NA OMT Reg. Imp. Rev. Ben. RHGF RIS (Ser II) RS SBO SB Heidelberg SB Wien Studi Greg. StM TRE Vat. VuF ZBLG

781

The Letters of John of Salisbury. The Early Letters (1153 – 1161), ed. William J. Millor u. a., Oxford 1986 (OMT) The Letters of John of Salisbury. The Later Letters (1163 – 1180), ed. William J. Millor/Christopher Nugent Lawrence Brooke, Oxford 1979 (OMT) Lexikon des Mittelalters Library of Latin Texts – Series A Lexikon für Theologie und ­Kirche Giovanni Domenico Mansi (Hg.), Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio Monumenta Germaniae Historica Diplomata Constitutiones et acta publica imperatorum et regum Scriptores Libelli de lite imeratorum et pontificum Scriptores rerum germanicarum in usum scholarum separatim editi Epistolae selectae Jacques Paul Migne (Hg.), Patrologia Latina Mitteilungen des österreichischen Instituts für Geschichtsforschung Mittellateinisches Jahrbuch Materials for the History of Thomas Becket, Archbishop of Canterbury Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Oxford Medieval Texts Regesta Imperii Revue bénédictine Recueil des historiens des Gaules et de la France Rerum Italicarum Scriptores. Nuova Edizione Rerum Britannicarum medii aevi scriptores (Rolls Series) S. Bernardi opera Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Supplemente Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philo­sophisch-Historische Klasse Studi gregoriani Studi medievali Theologische Realenzyklopädie Bibliotheca Apostolica Vaticana, Rom Vorträge und Forschungen des Konstanzer Arbeitskreises für ­Mittelalterliche Geschichte Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte

782 ZfG ZfK ZHF ZKG ZRG Kan.

Abkürzungen

Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für Kunstgeschichte Zeitschrift für Historische Forschung Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung

Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen London, British Library, MS. Cotton Faustina B1.

Gedruckte Quellen Alani de Insulis doctoris universalis opera omnia, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1855 (Migne PL, 210). Alexandri III Romani pontificis opera omnia id est epistolae et privilegia ordine chronologico digesta, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1968 (ND der Ausgabe 1855) (Migne PL, 200). Ambrosius Mediolanensis De Virginibus libri tres, in: S. Ambrosii Mediolanensis episcopi opera omnia. Bd. 2,1, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1845 (Migne PL, 16), Sp. 187 – 232. Analecta sacra spicilegio solesmensi parata. Bd. 8, ed. Jean-Baptiste Pitra, Montecassino 1882. Annales aevi Suevici, ed. Georg Heinrich Pertz, Stuttgart 1990 (MGH SS, 17). Annales aevi Suevici, ed. Georg Heinrich Pertz, Hannover 1866 (MGH SS, 19). Annales aevi Suevici, ed. Georg Heinrich Pertz, Stuttgart 1994 (MGH SS, 16). Annales Cameracenses auctore Lamberto Waterlos a. 1099 – 1170, in: MGH SS 16, S. 509 – 554. Annales Ceccanenses, in: MGH SS, 19, S. 275 – 302. Annales prioratus de Wigornia (A. D. 1 – 1377), in: Annales Monastici, ed. Henry Richards Luard, Nendeln, Liecht. 1965 (RS, 36,4), S. 355 – 562. Annales Ratisponenses, in: MGH SS 17, S. 577 – 590. Annales stadenses auctore M. Alberto ab o. c. – 1256, ed. I. M. Lappenberg, in: MGH SS 16, S. 271 – 379. Arnoul de Lisieux (1105/1109 – 1184). Lettres d’un évèque de cour dans l’embarras, ed. Egbert Türk, Turnhout 2018 (Témoins de notre histoire, 17). Arnulfi archidiaconi in Girardum Engolismensem invectiva, in: Historiae aevi Salici, ed. Georg Heinrich Pertz, Hannover 1861 (MGH SS, 12), S. 707 – 720. Arnulfi Lexoviensis episcopi epistolae ad Henricum II. regem Angliae sanctum Thomam archiepiscopi Cantuariensis et alios, ed. John Allen Giles, Oxford 1844 (Patres ecclesiae Anglicanae). Arnulfi Lexoviensis episcopi opera omnia, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1855 (Migne PL, 201). Arnulfus Lexoviensis Invectiva in Girardum Engolismensem episcopum, ed. Julius Dieterich, in: Libelli de lite imperatorum et pontificum. Saeculis XI. et XII. conscripti, ed. Ernst Dümmler/Ernst Sackur, Hannover 1897 (MGH Ldl, 3), S. 81 – 108.

784

Quellen- und Literaturverzeichnis

Arnulfus Lexoviensis Praefatio ad Aegidium Rotomagensem Archidiaconum, in: Arnulfi Epistolae, ed. Giles, S. 1 – 2. Arnulfus Lexoviensis Sermo habitus in concilio Turonensi, in: Arnulfi Epistolae, ed. Giles, S. 2 – 16. Arnulfus Lexoviensis Sermo habitus in concilio Turonensi, in: Migne PL 201, Sp. 151 – 161. Aurea Gemma Oxoniensis, in: Rolf de Kegel (Hg.): Die Jüngere Hildesheimer Briefsammlung, München 1995 (MGH Die Briefe der deutschen Kaiserzeit, 7), S. 26 – 39. B. Flacci Albini seu Alcuini abbatis et caroli magni imperatoris magistri opera omnia, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1863 (Migne PL, 101). Beati Aelredi Abbatis Rievallensis Opera Omnia: accedit Wolberonis abbatis S. Pantaleonis Coloniensis commentarium in cantica, intermiscentur Eckberti abbatis Schongauiensis et Sanctae Elisabeth sororis ejus Germanae, Henrici archidiaconi Huntingdonensis, Odonis de Deogilo abbatis S. Dionysii, Bertrandi de Blancesfort Templariorum magistri scripta quae supersunt omnia, ed. Jacques Paul Migne, Turnhout 1976 (ND der Ausgabe Paris 1855) (Migne PL, 195). Bernardus Claraevallensis. Epistolae I: Corpus Epistolarum 181 – 310 II. Epistolae extra corpus 311 – 547, ed. Jean Leclercq, Rom 1977 (SBO, 8). Bernardus Claraevallensis. Sermones II, ed. Jean Leclercq, Rom 1968 (SBO, 5). Bernardus Claraevallensis. Sermones super cantica canticorum I (1 – 35), ed. Jean Leclercq, Rom 1957 (SBO, 1). Bernardus Claraevallensis. Tractatus et opuscula, ed. Jean Leclercq/Henri-Maria Rochais, Rom 1963 (SBO, 3). Bernhard von Clairvaux. Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, ed. Gerhard B. Winkler, 10 Bde., Innsbruck 1990 – 1998. Bonizo Sutrinus Liber de vita christiana, ed. Ernst Perels, Berlin 1930 (Texte zur Geschichte des römischen und kanonischen Rechts im Mittelalter, 1). Boso Cardinalis Presbyter Vita Alexandri III, in: Le liber pontificalis. Texte, introduction et commentaire, ed. Louis Duchesne, Paris 21955 (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome, 2), S. 397 – 446. Boso’s Life of Alexander III, ed. Peter Munz/Gerard Majella Ellis, Oxford 1973. Bullaire du pape Calixte II 1119 – 1124. Essai de restitution, ed. Ulysse Robert, Paris 1891. Cafari annales a. 1099 – 1294, in: Annales aevi Suevici, ed. Georg Heinrich Pertz, Hannover 1863 (MGH SS, 18), S. 1 – 39. Carmen de gestis Frederici I. imperatoris in Lombardia, ed. Irene Schmale-Ott, Hannover 1965 (MGH SS rer. Germ., 62). Chronica Magistri Rogeri de Houedene, ed. William Stubbs, 4 Bde., Wiesbaden 1964 (ND der Ausgabe London 1868/1898/1870/1871) (RS, 51,1 – 4).

Gedruckte Quellen

785

Chronica regia Coloniensis (Annales maximi Colonienses) cum continuationibus in monasterio S. Pantaleonis scirptis aliisque historiae Coloniensis monumentis, ed. Georg Waitz, Hannover 1880 (MGH SS rer. Germ., 18). Chronica Roberti de Torineio, abbatis monasterii Sancti Michaelis in periculo maris, in: Chronicles of the Reigns of Stephen, Henry II. and Richard I. The Chronicle of Robert of Torigni, ed. Richard Howlett, Nendeln, Liecht. 1964 (RS, 82,4), S. 3 – 316. Chronicles of the Reigns of Stephen, Henry II. and Richard I., ed. Richard Howlett, Nendeln, Liecht. 1964 (ND der Ausgabe London 1884) (RS, 82,1). Chronicon Montis Sereni, ed. Erich Ehrenfeuchter, in: Chronica aevi Suevici, ed. Georg Heinrich Pertz, Hannover 1986 (MGH SS, 23), S. 138 – 226. Chronique de Robert de Torigni Abbé du Mont-Saint-Michel. Suivie de divers opuscules historiques de cet auteur et de plusieurs religieux de la même abbaye, ed. Léopold Victor Delisle, 2 Bde., Rouen 1872 – 1873. Cicero: De senectute, De amicitia, De divinatione, with an English Translation, ed. William Armistead Falconer, London/New York 1923 (The Loeb Classical Library). Compendium vitae venerabilis Theobaldi, quinti abbatis Beccensis, postea Cantuariensis archiepiscopi, in: Recueil des historiens des Gaules et de la France. Contenant la suite des monuments des trois règnes de Philippe Ier, de Louis VI dit Le Gros, et de Louis VII surnommé Le Jeune, depuis l’an MLX jusqu’en MCLXXX, ed. Martin Bouquet u. a., Paris 1877 (RHGF, 14), S. 411. Conciliorum oecumenicorum decreta, ed. Giuseppe Alberigo, Bologna 1973. Concilium Turonense (1163), in: Sacrorum consiliorum nova et amplissima collectio. Bd. 21, ed. Ioannes Dominicus Mansi, Graz 1961, Sp. 1167 – 1188. Constitutiones et acta publica imperatorum et regum inde ab DCCCCXI usque ad a. MCXCVII, ed. Ludwig Weiland, 11 Bde., Hannover 1893 (MGH Const., 1). Corpus Iuris Civilis. Bd. 3: Novellae, ed. Rudolf Schöll/Wilhelm Kroll, Berlin 1928. Das Briefbuch Abt Wibalds von Stablo und Corvey nach Vorarbeiten von Heinz Zatschek und Timothy Reuter, ed. Martina Hartmann, Hannover 2012 (MGH Die Briefe der deutschen Kaiserzeit, 9). Das Geschichtswerk des Otto Morena und seiner Fortsetzer über die Taten Friedrichs I. in der Lombardei (Ottonis Morenae et continuatorum historia Frederici I.), ed. Ferdinand Güterbock, Berlin 1930 (MGH SS rer. Germ. N. S., 7). Das Papstwahldekret von 1059. Überlieferung und Textgestalt, ed. Detlef Jasper, Sigmaringen 1986 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, 12). Das Register Gregors VII., ed. Erich Caspar, 2 Bde., Berlin 1920 (MGH Epp. sel., 2,1). De Duodecim Abusionibus Saeculi, in: S. Thascii Caecilii Cypriani Epicopi Cathaginensis et Martyris. Opera omnia praemittuntur Patrum Minorum qui saeculo tertio a Tertulliano ad

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Cyprianum in Ecclesia Latina Floruere Scripta quae supersunt, ed. Jacques Paul Migne, Paris 1891 (Migne PL, 4), Sp. 947 – 960. De profectione Ludovici VII in Orientem / Odo of Deuil, ed. Virginia Gingerick Berry, New York 1948. Decretum Magistri Gratiani, ed. Emil Friedberg, Graz 1959 (ND der Ausgabe 1879) (Corpus iuris canonici, 1). Die Admonter Briefsammlung nebst ergänzenden Briefen, ed. Günther Hödl/Peter Classen, München 1983 (MGH Die Briefe der deutschen Kaiserzeit, 6). Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, ed. Georg Waitz, Hannover 1916 (MGH SS rer. Germ., 16). Die Gedichte Arnulfs von Lisieux († 1184), ed. Ewald Könsgen, Heidelberg 2002. Die Historia calamitatum ecclesiae Salisburgensis, ed. Bernhard Zeller, in: Quellen zur Salzburger Frühgeschichte, ed. Herwig Wolfram, Wien 2006 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, 44), S. 263 – 319. Die Urkunden Friedrichs I. (Friderici I. Diplomata). Teil 1: Die Urkunden ­Friedrichs I. 1152 – 1158, ed. Heinrich Appelt, Hannover 1975 (MGH DD, 10,1). Die Urkunden Friedrichs I. (Friderici I. Diplomata). Teil 2: Die Urkunden Friedrichs I. 1158 – 1167, ed. Heinrich Appelt u. a., Hannover 1979 (MGH DD, 10,2). Die Urkunden Friedrichs I. (Friderici I. Diplomata). Teil 3: Die Urkunden Friedrichs I. 1168 – 1180, ed. Heinrich Appelt u. a., Hannover 1985 (MGH DD, 10,3). Eadmeri Historia Novorum in Anglia et Opuscula duo de Vita Sancti Anselmi et quibus Miraculis ejus, ed. Martin Rule, London 1884 (RS, 81). Elisabeth of Schönau. The Complete Works, ed. Anne Louise Clark, New York 2000 (Classics of Western Spirituality). Enarratio in psalmum XC, 9, in: Aurelius Augustinus Enarrationes in Psalmos. 50 – 100, ed. Eligius Dekkers/Johannes Fraipont, Turnhout 1956 (CC, 39), S. 1275 – 1276. English Historical Documents. Bd. 2: 1042 – 1189, ed. David C. Douglas/George W. Greenaway, London 1968. Ex Aimoni Continuatione Sangermanensi, in: Ex rerum Francogallicarum scriptoribus Saec. XII. et XIII. Ex historiis auctorum Flandrensium Francogallica lingua scriptis. Supplementorum tomi XXIV, ed. Georg Waitz, Stuttgart 1964 (MGH SS, 26), S. 151 – 152. Ex Annalibus Melrosensibus, in: Ex rerum Anglicarum scriptoribus saec. XII. et XIII., ed. Felix Liebermann/Reinhold Pauli, Hannover 1885 (MGH SS, 27), S. 432 – 442. Ex Chronico Turonensi, in: Recueil des historiens des Gaules et de la France. Contenant la suite des monuments des trois règnes de Philippe Ier, de Louis VI dit Le Gros, et de Louis VII surnommé Le Jeune, depuis l’an MLX jusqu’en MCLXXX, ed. Martin Bouquet u. a., Paris 1877 (RHGF, 12), S. 461 – 478. Ex Chronologia Roberti Monachi S. Mariani Autissiodorensis, in: Bouquet 12, S. 289 – 305.

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Register Verzeichnis der Personennamen Verwendete Abkürzungen: Bf. = Bischof Ebf. = Erzbischof Gf. = Graf/Gräfin hl. = Heilige/r Hrzg. = Herzog Kard.-Bf. = Kardinalbischof Kard.-Pr. = Kardinalpresbyter Kg. = König

Kgn. = Königin Ks. = Kaiser Ksin. = Kaiserin Markgf. = Markgraf Pfalzgf. = Pfalzgraf Pz. = Prinz Pzn. = Prinzessin

Titel und Ämter beziehen sich auf den Referenzzeitraum der Arbeit. Die Anordnung gleichlautender Personennamen folgt der Praxis des Lexikons des Mittelalters (Bd. 1, München 2002, S. XIII).

A Aaron  198, 553, 596 Abaelard; siehe → Petrus Abaelardus Abiram 553 Absalom  554, 565, 658, 723 Acerbus Morena  522 Achitophel  658, 723 Adam Parvipontanus  515 Adela von Blois, Kgn. v. Frankreich  486 f. Adolf II., Gf. v. Schauenburg  455 Aegidius, Archidiakon v. Rouen  107, 111, 126, 128 Aegidius von Tuskulum, Kard.-Bf. v. Tuskulum 261 Aelfwine, Bf. v. Winchester  312 Aelred, Abt v. Rievaulx  315 Aethelred „der Unberatene“, Kg. v. England 607, 717 Ahab  527, 554, 659 f., 719, 767 Alan von Richmond, Gf. v. Richmond  233

Alan von Tewskesbury, Prior v. Christ Church  166, 274, 279 f., 282 – 287, 732 Alanus ab Insulis  109 Alberich von Reims  137 Albert I. von Harthausen, Bf. v. Freising  101 Albert, Kard.-Pr. v. S. Lorenzo in Lucina  60, 592, 594, 597, 738 f. Albert, Markgf. der Nordmark  569 Albert, Kard.-Bf. v. Silva Candida, (Gegen-)Papst 394 Alexander III., Papst  15, 17, 19, 21, 29 f., 47 – 53, 58 – 61, 63, 65, 69 f., 100 f., 103 f., 110 f., 113 f., 118, 121, 130, 144 – 146, 152, 156, 158, 163 f., 173, 193, 200, 202, 206, 238, 272, 279, 296, 301 – 305, 308, 314 f., 317 – 319, 324, 327, 331, 333 – 335, 337 f., 341 – 344, 346 f., 349, 354 – 357, 359 – 362, 364, 373 – 375, 378, 381 – 386, 388, 392 f., 395 f., 408 – 411, 414, 428 – 430, 433 f., 436, 438, 446, 450, 452 – 460, 464, 467, 469, 471,

832

Register

473, 478, 480, 482 – 484, 488, 490 f., 493 – 495, 497, 501, 503 f., 507 f., 510 f., 526, 528, 537, 545, 548, 552, 556 – 558, 561, 563, 566 – 570, 577, 581, 584 f., 589, 591 – 594, 597, 602, 605, 612, 616 f., 619 – 621, 628, 633 – 635, 638 – 640, 642 – 649, 654, 656, 658, 660, 666 – 671, 673, 675 – 679, 681 f., 684 – 687, 690 – 700, 704 – 706, 712 – 716, 720, 724 f., 727, 729 – 733, 735 – 738, 743 – 745, 748 f., 751, 753, 755 f., 759, 762 f., 765, 767 f., 770 f., 773 – 779; siehe auch → Rolandus, Magister Alexander von Köln, Abt v. Cîteaux  606 Alkuin von York  422 Ambrosius 191 Anaklet II., (Gegen-)Papst  26, 43 f., 64, 66, 68, 70, 72, 74, 76, 80 – 83, 90 f., 93, 98, 252, 310, 317, 321, 358, 684, 754 f.; siehe auch → Petrus Pierleoni Anastasius I., byz. Ks.  214 Anastasius, Bf. v. Thessaloniki  87 Andreas, hl.  119 Andreas von Saint-Victor  315 Anselm, Ebf. v. Canterbury  152, 297, 313 Anselm, Bf. v. Lucca  88 Archipoeta  401, 522 Aristoteles  138, 189, 264, 325, 542 Arius 312 Arnaud, Abt v. Bonneval  316 Arnold von Brescia  190, 245 Asa, Kg. v. Juda  660 Augustinus, Ebf. v. Canterbury  149 Augustin(us) von Hippo  188, 229, 312 f., 406, 417, 626, 655 Augustus, röm. Ks.  612

B Baal  350, 565, 659 f., 676, 720, 767 Balak 350 Balduin, Ebf. v. Canterbury  133; siehe auch → Balduin, Archidiakon v. Totnes

Balduin, Archidiakon v. Totnes  136, 170, 278, 280, 571, 574, 579 f., 582, 616, 633, 634, 638; siehe auch → Balduin, Ebf. v. Canterbury Balduin von Boulogne, Archidiakon v. Sudbury  569 – 571, 579, 637 „Barbarossa“; siehe → Friedrich I., „Barbarossa“, röm. Ks. Bartholomäus von Exeter, Bf. v. Exeter  136, 142 f., 163, 168, 174, 278, 280, 483, 544, 559, 565, 588, 590, 627, 633, 665, 671, 718, 721, 734, 778 Baruch Pierleoni  91 f. Beatrix von Burgund, röm. Ksin.  566 Beda Venerabilis  192 Belial  98, 505 f. Benedikt von Peterborough  172 Benjamin 541 Bernhard, Bf. v. Nevers  743 Bernhard, Abt v. Clairvaux  44, 67, 71 – 73, 82, 91, 121, 139, 141, 199, 214 f., 238, 315 f., 335, 342, 352 – 354, 367, 436, 516 f., 528, 755, 773 Bernhard von Chartres  11, 138 f. Bileam  350, 398, 592 Boethius  139, 535 Bonizo, Bf. v. Sutri, dann Bf. v. Piacenza  633 Boso, Kardinalpresbyter v. S. Pudenziana  101, 206, 248, 356, 390, 409, 426, 452 f., 506, 557, 616, 618, Burchard, Propst v. Ursberg  524 Brutus  258, 261

C Caesar  255 – 258, 301, 413 f., 419, 447 – 449, 550, 612 „Caligula“, röm. Ks.  612 Calixt II., Papst  49, 80, 97, 101, 247, 308 f., 311, 319, 394 f. Calixt III. ( Johannes von Struma), (Gegen-)Papst 580

Verzeichnis der Personennamen

Christian von Buch, Ebf. v. Mainz  248, 512, 524, 550, 566 f., 603, 608, 642 Christus  77 – 79, 91, 97 – 99, 111 – 113, 116 – 122, 195 f., 198 f., 204, 206, 213, 216, 236 f., 246, 248, 254 f., 262, 264, 307, 311 f., 317 f., 329, 333, 349, 365 f., 368, 372, 383, 396 f., 407, 410, 426, 429, 477, 528, 539 f., 552, 555, 560 f., 563 f., 572, 574 f., 578, 596, 605, 616, 618, 625, 627 – 630, 636, 653 f., 667, 674, 677, 712, 716, 722, 742 f., 746, 776 Cicero  212, 325, 533 – 535, 599 Clarembald, Abt v. St. Augustine’s  160, 578, 646, 649 Coelestin II., Papst  297 Cyprian von Karthago  37, 260, 406

D Daniel  411, 611 Datan 553 David  234, 311, 506, 554, 565 Diego von Compostela, Ebf. v. Santiago de Compostela  66 Dietrich von Silve-Bénite  580 E Eberhard I., Ebf. v. Salzburg  206, 302, 338, 385, 389, 442 – 444, 454, 473, 494, 642 Eberhard, Bf. v. Bamberg  327, 397, 433 f., 443 – 454, 473 Eduard „der Bekenner“, Kg. v. England  644 Edward Grim  151, 172, 377 Ekbert von Schönau  515, 550 Ekkehard von Aura  320 Eleonore von Aquitanien, Kgn. v. England  46, 190, 487 Eleonore von England, Pzin. v. England  682, 688 f. Elija 659 Elisabeth von Schönau  550 f., 672

833

Ennodius  341, 472 f., 775 Epikur 518 Erlebold, Abt v. Stablo  701 Ernald, Abt v. Rievaulx  316 Ernisius, Abt v. Saint-Victor  490 Etbaal 660 Eugen III., Papst  114, 144, 190 f., 193, 202, 297 – 299, 317, 397, 516, 550, 583 Eustach von Blois  203, 233, 235, 298

F Farage, Nigel  15 Fastrad, Abt v. Clairvaux  411, 425, 432, 456, 468, 470 f., 493 Friedrich I., „Barbarossa“, röm. Ks.  16 f., 19, 25, 30 – 32, 48, 50, 65, 100 – 102, 106, 113, 115, 120 – 123, 144, 150, 164, 170, 198, 201, 206, 212, 233 f., 242 f., 276 f., 283, 289, 302, 310, 313 f., 323, 337 f., 349 – 351, 368, 372 – 374, 376 f., 385 – 406, 406, 408 – 414, 417, 422 – 427, 429 – 431, 437, 439, 442, 444, 446, 450, 452, 454 f., 458 f., 475, 486, 501 – 505, 507 – 513, 515, 522, 526 – 530, 540 f., 544, 551 f., 555 – 569, 571, 573 – 576, 578 – 582, 587, 596 f., 599 – 606, 608 – 615, 617 – 642, 654, 660 – 667, 670, 673, 675 – 678, 680 f., 685 – 693, 695 – 697, 699 f., 701 – 703, 706 – 708, 710 – 717, 724, 729, 734, 736, 739, 742, 745, 747, 750, 757, 759 – 761, 763 – 779 Friedrich d. J., Pz. v. England  682, 688 f. Froger, Bf. v. Sées  51, 58, 332, 343, 383 G Gaius Iulius Caesar; siehe → Caesar Garsidonius, Bf. v. Mantua  455 Gaufried, Bf. v. Chartres  42 – 44, 67 – 69, 73, 76 f., 79, 85 f. Gelasius I., Papst  214 Geoffrey de Mandeville, Gf. v. Essex  233 Gerard Pucelle, Magister  31, 143, 278, 316, 513, 525 f., 529 – 548, 552 – 557, 560 f.,

834

Register

563 – 565, 592, 596, 605, 609 f., 616, 618, 620, 626, 633, 666, 671 – 673, 675, 717, 752, 762 f., 768, 777 – 779 Gerbert von Aurillac  123, 131 Gerhart, Vogt v. Köln  567 Gerhoch von Reichersberg  361, 401, 433, 691, 699, 716 f. Gervasius von Canterbury  298, 587, 692, 710 Gervasius von Tilbury  421 Gilbert de Clare, Gf. v. Pembroke  233 Gilbert de Glanville  58 Gilbert Foliot, Bf. v. Hereford, dann Bf. v. London  19, 44, 142, 151, 156, 162, 164, 195, 284, 287, 336, 341, 363 – 365, 378 f., 465 f., 481, 536, 658, 670 f., 674, 685, 719, 722 – 725, 730, 770 f. Gilbert Porreta  138 f., 189, 191 f., 195, 203 Gilbert von La Porrée; siehe → Gilbert Porreta Giles du Perche ; siehe → Aegidius, Archidiakon v. Rouen Gilbert von Poitiers; siehe → Gilbert Porreta Girald, Bf. v. Angoulême  26, 44, 64, 68, 74 – 77, 86 f., 90 f., 95, 343, 365, 367 Giraldus Cambrensis  421, 523 Girardus, Bf. v. Sées  114 Gottfried „Plantagenêt“, Gf. von Anjou  44 f., 56, 71, 114 Gottfried von Auxerre, Abt v. Clairvaux  109, 191, 580 Gottfried Ridel, Archidiakon v. Canterbury u. Lordkanzler  587, 589 Gottfried von Vinsauf  416 Gottfried von Viterbo  404 Gratian, Magister, Verfasser d. sog. ‚Decretum‘  88, 143 Gratian von Pisa, Subdiakon, Gesandter d. Kurie  58, 170, 281, 738, 744 Gregor I. „der Große“, Papst  168, 226 f., 229, 406 f., 417

Gregor VII., Papst  80, 112, 200, 216, 245, 267, 308, 317 f., 394, 406 f., 619, 621, 736 Gregor VIII., (Gegen-)Papst  247; siehe auch → Mauritius Burdinus Gregor Papareschi, Kard.-Diakon v. S. Angelo  43, 66 f., 82, 97, 299; siehe auch → Innozenz II., Papst Guido, Gf. v. Biandrate  446 Guido, Sohn des Gf.en Guido v. Biandrate 446 Guido von Crema, Kard.-Pr. v. S. Maria in Trastevere  264, 298, 345, 351, 355, 368 – 371, 373 f., 471, 508 – 512, 528, 603, 615, 377, 735, 773; siehe auch → Paschalis III., (Gegen-)Papst Guido von Summa, Kard.-Bf. v. Ostia  299 Guy, Prior v. Southwick  284

H Hadrian IV., Papst  27, 145 – 148, 185, 189, 244, 251, 255, 262, 271, 294, 296, 344, 348, 385 f., 392, 397, 445 f., 480, 614, 647 f. Haimerich, Kard.-Diakon v. S. Maria Nova  65 – 67, 81, 83 Haimo von Saint-Germain  616 Ham  658 f. Hartmann von Brixen  403, 429 Hartwig I., Ebf. v. Bremen  442 Heinrich I., Kg. v. England  41, 54, 73, 76, 84, 134, 150, 156, 460, 656 Heinrich II. „Plantagenêt“, Kg. v. England  12, 15 f., 18 f., 22, 30, 32, 42, 45 – 49, 51, 54 – 62, 65, 100, 104, 114, 121, 129, 133 f., 139 f., 144 – 147, 149 f., 152 – 156, 159, 161, 163 – 166, 168 f., 171 – 174, 180 – 182, 183, 185, 191, 195, 202, 214, 233 f., 240, 242, 244, 255, 271 – 273., 275 – 278, 283, 286, 289 f., 293 – 296, 302, 304 f., 314, 318 – 321, 335, 337 – 341, 344, 363 f., 366, 382 f., 391, 399 – 401, 403, 442, 444,

Verzeichnis der Personennamen

452 – 454, 456 – 462, 464, 466 f., 471, 473 – 478, 480, 484 – 490, 493 – 497, 503, 513 f., 521, 525, 531, 534, 536, 543 f., 548, 55 f f., 560, 562, 565, 577 f., 583 – 585, 587, 589 f., 592 f., 595, 597, 604, 607, 610, 612 f., 618, 628 f., 637, 640 – 643, 645 – 651, 653 – 659, 661 – 665, 667 – 671, 673 – 681, 685 – 687, 690 – 697, 699 – 702, 704 – 707, 709 – 716, 718 – 720, 724 f., 727, 730 f., 733, 736 f., 741 f., 744 – 753, 762, 765, 767 – 769, 770 f., 774 – 779; siehe auch → Heinrich von Anjou Heinrich IV., röm. Ks.  80, 200, 216, 267, 323, 393, 620, 631 Heinrich V., röm. Ks.  393 – 395 Heinrich d. J., Kg. v. England  58 f., 171, 489, 585 Heinrich, Hzg. d. Normandie, Gf. v. Anjou, 46, 142, 298; siehe auch → Heinrich II. „Plantagenêt“, Kg. v. England Heinrich „der Löwe“, Hrzg. v. Sachsen und Bayern  401, 469, 531, 537, 546, 553, 560, 569, 609, 632, 682, 689, 691, 732 Heinrich, Gf. d. Champagne  580, 734 Heinrich, Gf. v. Troyes  604, 686, 692, 701, 707, 777 Heinrich von Beaumont, Bf. v. Bayeux  168, 278 Heinrich von Blois, Bf. v. Winchester  142, 144, 162, 203, 206, 297 – 299, 345, 356, 370, 379, 471, 495, 587 f., 658, 765 Heinrich II. von der Leyen, Bf. v. Lüttich  509 Heinrich von Pisa, Kard.-Pr. v. SS. Nereo e Achilleo  49, 103, 303, 340 f., 364, 380, 386, 426, 429, 433, 436, 454, 472 f., 478, 480, 485 f., 490, 646, 669, 696, 699, 703, 773 – 775, 777 Heinrich, Propst v. Berchtesgaden  411, 433 f., 443, 474

835

Heinrich von Gars, Archidiakon v. Salzburg  523 Heinrich von SS. Nereo e Achilleo siehe → Heinrich von Pisa, Kard.-Pr. v. SS. Nereo e Achilleo Henricus Francigenus  90 f., 94 Henri de France, Hrzg. v. Reims, Bf. v. Beauvais, dann Ebf. v. Reims  49, 276, 332, 522, 558, 646; siehe → Heinrich, Ebf. und Hrzg. v. Reims Herbert Losinga, Bf. v. Norwich  127, 129 Herbert von Bosham  152, 164, 631, 636, 676 – 678, 678, 711, 737, 744 Hermann, Bf. v. Verden  703 Herodot 188 Hieronymus  89, 188, 191 Hilarius, Bf. v. Chichester  54 f., 156, 162, 363 f., 375, 378, 379 – 381, 465, 590 Hilarius, Bf. v. Poitiers  191 Hildegard von Bingen, Äbtissin v. Disibodenberg  548 – 552, 779 Hillin von Falmagne, Ebf. v. Trier  379, 442 f., 550 Hiob  564, 572 f., 601 f. Holofernes  234, 612 Honorius II., Papst  65, 67 Honorius Augustodonensis  313 Horaz 188 Hubald, Kard.-Bf. v. Ostia  353, 362 Hubert, Bf. v. Lucca  66 Hugh de Morville, Ritter  172 Hugo von Arles, Kg. v. Italien  417 Hugo, Gf. v. Apulien  199 Hugo, Ebf. v. Rouen  103, 345, 396, 460, 483, 489, 645 Hugo, Abt von Bury Saint-Edmunds  727 Hugo von Champfleury, Bf. von Soissons und Kanzler v. Frankreich  150 Hugo von Fleury  222, 235 Hugo von Gent  742 Hugo von Nonant, Archidiakon v. Lisieux  58

836

Register

Hugo von Poitiers  681 Hugo de Puiset, Bf. v. Durham  345, 471, 495 Hugo von Saint-Victor  192 Huschai  554, 565 Hyazinthus Orsini, Kard.-Diakon v. S. Maria in Cosmedin  303, 490, 773

I Imar, Kard.-Bf. v. Tuskulum  297, 339, 343, 351, 355 f., 368, 370, 379, 417, 773 Innozenz II., Papst  43 f., 48, 66 – 71, 73 f., 76 – 89, 93 f., 96 – 99, 142, 245, 252, 261, 297, 304, 310, 316 f., 324, 327 – 332, 337, 339, 342, 354, 358, 361, 367, 369, 460, 683 f., 754 – 756, 773 Innozenz III., Papst  121 Innozenz IV., Papst  204 Isebel  554,659 f. Ivo, Bf. v. Chartres  87 f. J Jael 234 Jakob von Vitry  419 Jakobus, hl.  400 Jerobeam 660 Jesus  78 f., 99, 213, 236, 409 Jocelin von Bohun, Bf. v. Salisbury  651, 729 – 732 Joel 571 Johannes, Kard.-Pr. v. SS. Giovanni e Paolo  557 Johannes, Bf. v. Lisieux  41 Johannes, Archididakon v. Sées, dann Bf. v. Sées  41 f., 73, 114, 383 Johannes Belmeis, Bf. von Poitiers  142 f., 161, 165, 278, 565, 594, 596 – 598, 633, 636, 652, 655, 673, 681, 718, 741, 778 Johannes von Canterbury  471 Johannes Cumin, Archidiakon v. Bath  133, 548, 570, 607, 675, 679 f.

Johannes von Neapel, Kard.-Pr. v. S. Anastasia  303, 584, 586, 682, 773, 779 Johannes von Monticelli, genannt ‚Maledictus‘, Kard.-Pr. v. S. Cecilia  351 Johannes von Mercone, Kard.-Pr. v. SS. Sylvestro e Martino  351, 355, 368 f., 371, 471, 773 Johannes von Oxford, Dekan v. Salisbury  164, 211, 248, 513, 536, 548, 563, 585, 589, 595, 604, 607, 634, 641, 673, 675, 677, 680, 685, 693, 695 – 698, 701, 704, 707, 712 – 715, 721, 727, 729 f., 733 – 739, 769 – 771, 778 f. Jordanus, Kard.-Pr. v. S. Susanna  249 Joseph 554 Judas  251, 312, 351, 722 f. Judith 234 Julian Apostata, röm. Ks.  235, 612 Justinian, röm. Ks.  210, 429

K Kanaan 659 Karl „der Große“, röm. Ks.  429, 645 Konrad III., röm. Ks.  249 f., 625 Konrad II. von Babenberg, Ebf. v. Salzburg  509 Konrad I. von Riddagshausen, Bf. v. Lübeck  569 Konrad von Staufen, Pfalzgf. bei Rhein  569 Konrad von Wittelsbach, Ebf. v. Mainz u. Salzburg, Kard.-Bf. v. Sabina  508 f., 698 f., 736 Konrad von Hirsau  256 Konstantin I. „der Große“, röm. Ks.  210, 430 Konstanze von Kastilien, Kgn. v. Frankreich  486 Korach 553

Verzeichnis der Personennamen

L Laktanz 188 Lampert von Hersfeld  230 Lanfranc von Bec, Ebf. v. Canterbury  297 Laurentius von Rom, hl.  119 Leo I. „der Große“, Papst  87, 728 Liudprand, Bf. v. Cremona  416 f. Lombardus von Piacenza, Magister  143, 633 Lot 554 Lothar III., röm. Ks.  72, 83 – 85, 91, 96 f., 310, 317, 330, 361 Lucan  188, 256, 262 f., 319, 414, 421 Lucius II., Papst  297, 355 f., 370 Ludwig VI., Kg. v. Frankreich  84 Ludwig VII., Kg. v. Frankreich  47 f., 84 f., 100, 163 – 165, 168, 171, 174, 190, 289, 294, 302, 314, 339 f., 389, 401 f., 453 f., 465, 475, 478, 480, 484 – 490, 492 – 495, 503, 521 f., 529, 531 f., 537, 548, 556, 562, 570, 584, 603 f., 641, 643, 645 f., 663, 679 – 681, 686 – 688, 692, 695 f., 705, 743 M Maginulf von S. Angelo, (Gegen-)Papst  319, 394 Margarete Capet, Pzn. v. Frankreich  363, 487, 489 Markus, Evangelist  79 Martin, Abt. v. Saint-Vaast  685 Mathilda von England, Pzn. v. England und Hrzg.in v. Sachsen  682, 689 Mathilda, Gf. v. Boulogne  680 f. Mathilde, röm. Ksin.  44 f., 134, 190, 278, 400, 595, 637, 682, 687, 705, 723, 739; siehe auch → Mathilde, Gf. v. Anjou Mathilde, Gf. v. Anjou  142; siehe auch → Mathilde, röm. Ksin. Matthäus, Evangelist  79

837

Mauritius Burdinus, (Gegen-)Papst  321, 394 Milo II., Bf. v. Thérouanne  528, 633, 725, 735 Milo von Gloucester, Hrzg. v. Hereford  233 Moab  350, 619 Moses  306, 377, 427, 553 f., 658

N Naboth  659 f. Namaan 554 Nebat 660 Nebukadnezar  265, 350, 410, 513, 613, 759 Nero, röm. Ks.  441, 612 Nikolaus II., Papst  69, 335 Nikolaus von Mont-Saint-Jacques, Prior d. Stifts Mont-Saint-Jacques, Rouen  55, 278, 652, 578, 616, 637, 739 Nikolaus von Rouen; siehe → Nikolaus von Mont-Saint-Jacques Noah 659 Norbert von Xanten, Ebf. v. Magdeburg  66 f. O Obadiah 554 Oddo, Kard.-Diakon v. S. Nicola in Carcere Tulliano  330, 386, 426, 429, 433, 438, 440, 454, 472, 490, 496, 691, 774 Oktavian von Monticelli, Kard.-Pr. v. S. Cecilia  80, 102, 242, 244, 249 – 251, 264, 294, 298, 304, 332, 334 f., 337, 339, 345 – 351, 353 – 362, 366, 368 f., 373 f., 379, 385 – 388, 392 f., 395, 398, 406, 409, 411, 435, 438 f., 442, 471, 478, 480, 504 – 508, 510 f., 574, 649, 718, 756 f., 773 – 776; siehe auch → Viktor IV., (Gegen-)Papst Omri 660 Omnibonus, Bf. v. Verona  432, 468 Ordericus Vitalis  297

838

Register

Orosius  82, 188 Otto I. „der Große“, röm. Ks.  416 f., 430 Otto, Bf. v. Freising  256, 401, 404 Otto von Brescia; siehe → Oddo, Kard.Diakon v. S. Nicola in Carcere Tulliano Otto Morena  425, 439, 558, 616 Otto von Wittelsbach, Pfalzgf. v. Bayern  313, 337 f., 386, 388, 408 f., 429, 446, 558, 626, 774 Ovid 188

P Pandulphus von Pisa, Kard.-Diakon v. SS. Cosma e Damiano  66 Paschalis II., Papst  49, 97, 101, 308, 316, 319, 394, 402, 461 Paschalis III., (Gegen-)Papst  30 f., 164, 247, 249, 502, 508 – 512, 526, 528 f., 556 f., 562, 566 – 568, 580, 582, 597, 604, 609, 634 f., 669, 676 f., 686 f., 691 – 693, 700 – 703, 706 – 709, 712 f., 715, 730, 736, 761 f., 765, 768 f., 776 – 778; siehe auch → Guido von Crema Paulus, hl.  82 f., 85, 176, 314 f., 382 Petrus, hl.  70, 79, 95, 97, 119, 199 – 202, 260, 262, 306, 336, 358, 368, 376, 388, 393, 430, 439 f., 452, 563, 577 f., 580, 596, 605, 617 f., 620, 637, 668, 675 f., 696, 710, 716, 765 Petrus, Bf. v. Meaux; siehe → Petrus Iterius, Kard.-Pr. v. S. Chrysogonus, dann Bf. v. Meaux Petrus, Stadtpräfekt v. Rom  347, 438 Petrus Abaelardus  136 f., 417 Petrus von Blois, Archidiakon v. Bath  132, 176 Petrus von Celle, Abt v. Saint-Remi  140 f., 147, 165, 168, 171 – 173, 185, 189, 251, 271 – 273, 276 f., 279, 315, 352, 450, 534 Petrus Christianus  438 f. Petrus Damiani  213

Petrus Guidonis, Subprior d. Petersbasilika 438 Petrus Helias  140 Petrus Iterius, Kard.-Pr. v. S. Chrysogonus, dann Bf. v. Meaux  63, 128 f., 275, 457, 469 Petrus Johannis Olivi  416 Petrus Leonis  79, 81, 83, 86 f., 91, 93, 254, 361, 393, 493; siehe auch → Petrus Pierleoni → Anaklet II., (Gegen-)Papst Petrus Lombardus, Magister  315 Petrus Pierleoni, Kard.-Pr. v. S. Calisto  43, 66 f., 76, 71, 85, 90 – 93, 95, 99, 319; siehe auch → Anaklet II., (Gegen-)Papst → Petrus Leonis Petrus von Pisa, Kard.-Pr. v. S. Susanna  261 Petrus Scriptor  571, 573, 739 Petrus Toscani, Bf. v. Pavia  457, 507 Petrus Venerabilis, Abt v. Cluny  44, 67, 71, 73 Pharao  235, 306, 377, 554, 612, 646, 658 f., 664, 719 Philipp von Heinsberg, Ebf. v. Köln  517, 581 Philipp, Bf. v. Tours  245 Philipp, Abt v. L’Aumône  314, 316, 335 f., 378 f., 426, 430, 455 f., 458 f., 461, 465 f., 774 Philipp von Brois  145 Pilatus  555, 564 Platon  138, 179, 188, 267 Plutarch 219 Pompeius  255, 257, 413, 599 Pontius, Abt v. Clairvaux  607 Priscus Attalus  259 Pythagoras 188

Q Quintilian  259, 325, 328

Verzeichnis der Personennamen

R Radulf de Diceto  43, 151, 421, 482, 684 Radulf von Sarre, Magister  279, 300, 318 – 321, 323, 347, 424 f., 444, 450, 468 – 470, 509, 546, 744, 761, 776 Radulfus Niger  531, 552, 554, 561, 563, 565, 583, 633, 685 f., 720 Rahewin  310, 399, 401 f., 404, 425, 429, 434, 439, 442 f., 445 f. Raimund, Magister, Kathedralkanzler v. Poitiers  168, 541 Rainald von Dassel, Ebf. v. Köln  31, 150, 164, 248, 310, 348, 401, 409, 442, 445, 455, 466, 503, 508 – 511, 514 – 525, 527 – 530, 532, 537, 540 f., 545, 550, 552, 555 – 557, 563, 565, 567, 581, 605, 608 – 610, 615, 641, 667, 669, 671 f., 675, 683, 685 f., 688, 691 – 694, 699 – 701, 707 – 711, 713 – 715, 717, 719, 724, 730 f., 734, 742, 761 f., 768 f., 776, 778 f. Ranulf IV., Gf. v. Chester  233 Ranulf de Broc  577, 610 Reginald FitzUrse, Ritter  172 Reimbald von Lüttich  86 Rhys ap Gruffydd, Fürst v. Deheubarth  644 Richard I. „Löwenherz“, Kg. v. England  607 Richard, Prior v. Dover, dann Ebf. v. Canterbury  133, 141, 173, 278, 570, 572 Richard, Bruder des Johannes von Salisbury  136, 169, 208, 607, 628, 651 Richard Brito, Ritter  172 Richard Episcopus  137 Richard von Ilchester, Archidiakon v. Poitiers  55, 63, 129, 164, 174, 278, 548, 587, 589, 607, 651, 685, 693, 701, 704, 709, 712, 715, 729, 731 – 734, 769 Richard de Luci, Justitiar Kg. Heinrichs II.  548, 730 – 732

839

Richard Peche, Bf. v. Coventry-Chester  588 Robert, Halbbruder des Johannes von Salisbury  136, 602 f., 605, 625, 627 f., 636, 776 Robert de Beaumont, Gf. v. Leicester, Justitiar Kg. Heinrichs II.  683 f., 720 Robert von Bridlington  420 Robert de Chesney, Bf. v. Lincoln  46, 156 Robert von Gloucester, Bf. v. Worcester Robert von Melun, Bf. v. Hereford  137 Robert Pullen  140, 215, 220, 723 Robert von Torigny, Abt v. Mont-SaintMichel  102, 293, 332, 389, 523, 606, 689, 693, 696, 706, 708, 711 Roger II., Kg. v. Sizilien  233, 421 Roger I., Abt v. Byland  315 f. Roger Bacon  416 Roger von Crowland  284 Roger von Gloucester, Bf. v. Worcester  143, 162 f. Roger Howden  62, 102, 349, 421, 522, 699 Roger von Ingatestone  296 Roger de Pont L’Évêque, Ebf. v. York  54 f., 60, 142, 156, 471, 585 – 587, 589, 647 f., 682 f., 779 Roger von York; siehe → Roger de Pont L’Évêque Rolandus, Magister  15, 51, 144, 279, 355, 358, 361, 369, 388, 428, 437 f., 494, 604, 701, 706; siehe auch → Alexander III., Papst Romulus  263, 448 Rotrod, Ebf. v. Rouen  58, 523, 668 – 670, 682, 687, 694, 969, 699, 702 – 705, 709, 743, 769, 777

S Sallust 419 Salmanasar 612 Salomo  260, 381 f., 491

840

Register

Samson de Mauvoisin, Ebf. v. Reims  272, 318 – 320, 469, 480 Saulus  216, 235, 658 Seneca 268 Serubbabel 541 Sigebert von Gembloux  189, 192, 203 Simon de Senlis, Gf. v. Northampton  233 Simon Lovel  721 Simon von Poissy  140 Sisara 234 Sixtus II., Bf. v. Rom  119 Sokrates 188 Stefano Tebaldi  511 Stephan von Blois, Kg. v. England  44 – 46, 134, 142, 145, 150, 156 f., 174, 183, 190, 203, 205, 211, 233, 298, 471, 655 Stephan von Rouen  103 f., 110 Stephanus, hl.  119 Sueton 188 Suger, Abt v. Saint-Denis  45, 67, 320, 402 Sylvester, Neffe des Arnulf von Lisieux  58 Symmachus, Papst Syrus, Ebf. v. Genua  620

T Tacitus 420 Theobald, Gf. v. Blois  495 Theobald von Bec, Ebf. v. Canterbury  48, 59, 135, 141 – 146, 148 f., 152, 154, 158, 162, 167, 183, 190, 193, 197, 250 f., 270 – 272, 275, 278 f., 287 f., 294 – 300, 318, 320 f., 334 f., 344 – 346, 354, 382, 436, 455, 460 – 465, 467, 471, 474, 476 f., 480 f., 483, 497 f., 521, 550, 571, 603, 650, 742, 748, 751, 774 f. Theoderich von Albano, (Gegen-)Papst  394 Theodosius, röm. Ks.  210, 429 Thierry von Chartres  137 f., 138 f.

Thomas Becket, Lordkanzler, dann Ebf. v. Canterbury  16, 19, 47, 51 – 59, 114, 134, 142 f., 145, 149 – 157, 159 – 175, 183, 185 – 187, 193 f., 197, 202, 206, 211, 255, 270 f., 275 – 278, 281, 286 – 288, 290, 298, 314, 320, 460, 463, 486, 498, 501, 504 f., 512, 519, 524, 531 f., 537, 541, 543 – 546, 548, 550, 552, 556, 558 – 561, 666, 568, 570, 572, 577 – 579, 583, 585, 587, 589, 590 – 595, 597 – 599, 602, 610, 617 f., 627, 631, 633 f., 640, 642 f., 645 – 659, 661 f., 664 f., 667, 670 f., 673 – 681, 685, 690 f., 693, 695, 697, 702, 706, 711, 713 – 715, 718, 721, 723 – 725, 727, 730 f., 733 – 739, 741 – 746, 751 – 753, 764 f., 767, 770, 776, 778 f. Thomas von Canterbury, hl.; siehe → Thomas Becket, Lordkanzler, dann Ebf. v. Canterbury Thurstin, Ebf. v. York  162 Trajan, röm. Ks.  219 Tropea, Schwester des Petrus Pierleoni  93

U Urban II., Papst  49, 101, 316, 581 Ursula von Köln, hl.  672 V Vacarius, Magister  143 Valerian, röm. Ks.  119 Viktor IV., (Gegen-)Papst  15 f., 30 f., 43, 47, 50, 69, 247, 249 f., 297, 305, 327, 333, 345, 348, 353 – 356, 367, 369 – 371, 383 f., 386, 389, 392, 395, 410, 412 f., 424 f., 428, 434, 437 – 439, 441 – 442, 445 f., 459, 470, 488, 490, 493, 495 f., 502 – 505, 508, 210, 512, 514, 521, 562, 582, 609, 615, 642 f., 691, 750, 756 – 759, 761, 773 f.; siehe auch → Oktavian von Monticelli Virgil 188 Vivian, Archidiakon v. Orvieto  58, 170

Verzeichnis der Ortsnamen

W Waldemar, Kg. v. Dänemark  101 Walkelin, Archidiakon v. Suffolk  471, 596, 606, 633, 637 Walter de Insula  670 Walter von Châtillon  121 Walter von Cirencester  283 Walter von Coutances, Magister  63 Walter Map  531, 741 Wibert, Ebf. v. Ravenna  319, 394 Wibert, Prior v. Christ Church  577 Wichmann von Seeburg, Ebf. v. Magdeburg  442, 569, 692, 700, 703 Wilhelm I. „der Eroberer“, Kg. v. England  146, 461 Wilhelm II., Kg. v. Sizilien  401 Wilhelm X., Hrzg. von Aquitanien  68, 72 Wilhelm, Gf. v. Salisbury  233 Wilhelm, Abt v. Saint-Thierry  315 Wilhelm von Blois, Bf. v. Chartres, Ebf. v. Sens, dann Ebf. v. Reims  60, 174, 598 Wilhelm Brito, Subprior v. Christ Church  198, 278, 577, 596, 618, 620

841

Wilhelm von Canterbury  172, 692 – 694, 710 f. Wilhelm von Conches  137 – 139, 220 Wilhelm von Diceia  545 Wilhelm FitzHerbert, Ebf. v. York  356 Wilhelm FitzStephen  155, 160, 164, 172, 186, 631, 636, 651 Wilhelm FitzRalph, Seneschall d. Normandie  68 Wilhelm von Malmesbury  67, 421 f. Wilhelm von Newburgh  102, 316, 350, 369, 421, 486 Wilhelm von Passavant, Bf. v. Le Mans  460, 482 f. Wilhelm von Pavia, Kard.-Pr. v. S. Pietro in Vincoli  49, 103, 202, 303, 433, 441, 455 f., 472, 490, 496, 586, 591 – 594, 646, 682, 718, 729, 737 765, 773, 779 Wilhelm de Tracy, Ritter  172 Wilhelm de Turba, Bf. v. Norwich  363 f., 378, 588 Wilhelm de Vere  320, 481 – 483 Wilhelm ‚Weißhand‘; siehe → Wilhelm von Blois, Ebf. v. Sens

Verzeichnis der Ortsnamen A Acquapendente 387 Alessandria 569 Amiens  160, 645 Anagni  334, 336 f., 364, 375, 380, 385, 408, 465, 581 f. Angers  6, 168, 190, 548, 560, 631, 641, 650 f., 667, 752, 767 Angoulême  68, 76 Aquitanien  68, 73, 95, 100, 644 Argentan  59, 339, 341 Arras 685 Auvergne 171

Avranches  60 f.

B Babylon  513, 554 Barking 296 Battle 364 Bayeux  168, 278 Beauvais  16, 31, 36, 49, 74, 102 f., 302, 332, 340, 362 f., 369 f., 379, 384, 433, 454 – 456, 470, 472 f., 480, 483 f., 486 – 488, 493, 503, 544, 584 – 586, 595, 640 f., 643 – 644, 696, 712, 747, 749, 750, 751, 753, 771, 776

842

Register

Benevent  143 – 146, 255, 568, 570, 724 Besançon  252, 310, 387 f., 392 f., 409, 428, 443, 458, 521, 623 Blois  44, 175, 297, 335, 345, 356, 381, 471 Böhmen  402, 442 Bologna  43, 124, 334, 743, 773 Bosham  46, 62 Boxley 196 Brescia 619 Bretagne  68, 171, 401, 644, 679 Burgund  574, 621 Bur-le-Roi  58, 114 Bury-Saint-Edmunds  279, 727 Byland  127, 315, 425

C Cambrai 336 Cambridge  127, 274, 283, 284, 732 Canterbury  22, 58 f., 135, 140, 142, 144 f., 147 – 152, 154, 157, 160, 162, 164 – 166, 168 – 174, 179, 187 f., 191, 197 f., 206, 214, 220, 250, 270 – 272, 276 – 280, 282 f., 285 – 288, 290, 294 – 298, 301, 320, 323, 335, 344, 346, 349, 355 f., 425, 436, 460 f., 463 f., 465 – 467, 474 – 476, 481, 497, 531, 548, 569, 571, 577 – 579, 585 – 589, 595 – 598, 610, 619, 621, 329, 637 f., 642 f., 645 – 647, 649, 651 f., 666, 702, 721, 723, 730 f., 733, 739, 743, 747, 751 f., 764, 767 Cava dei Tirenni  259 Cerne 355 Chartres  29, 42 f., 68, 88, 135, 137 – 139, 168, 174 – 176, 221, 274, 286, 460 Chateauneuf-sur-Epte 488 Chaumont 495 Chester  356, 588 Chichester  54, 101, 375, 378 f., 381 Chinon  57 f., 665, 719 Chouzé-sur-Loire  100, 102, 504

Christ Church (Canterbury)  60, 133, 151, 173 f., 179, 188, 198, 278 f., 283, 285, 297, 569, 577, 579, 596, 610, 618, 621, 637, 693 Cirencester 283 Cisterna  354, 441 Cîteaux  580, 607 Clairvaux  381, 429 Clarendon  56, 156 – 159, 161, 162 f., 169, 172, 205, 208 f., 378, 501, 537, 577, 589, 592 f., 595, 644 f., 647, 649, 651, 656, 658 – 660, 675, 678 f., 706, 710, 714, 729 – 731, 767 Cluny  67, 356, 364, 454, 456 Compiègne 692 Cornwall 136 Crema  413, 429 f., 455, 511 Cremona  507, 558, 611, 743

D Damaskus 45 Déols  100, 102, 453, 643 Deutz 672 Dôle  503, 515, 521 f., 525 f., 529, 762 Dover  173, 278 E Étampes  84 – 86, 90 Exeter  136, 170, 174, 187, 277 f., 280 f., 286, 344, 483, 511, 560, 569, 583, 588, 590, 596, 602, 621, 627 f., 638, 656, 657, 663, 665, 670, 673, 752, 764, 768, 770, 778 F Falaise  295, 460, 749 Farfa  339, 356, 370 Figheruolo 387 Freising 101 Fréteval  58, 171, 644, 666, 718, 724, 743, 753, 771

Verzeichnis der Ortsnamen

G Genezareth 78 Genua  433, 558 f., 620 Gisors  63, 170, 488, 593, 656, 681, 718 Gloucester  355, 723 Goslar  519, 569 Guerberoi 302 Guînes  160, 645 H Hampshire 129 Hereford  142, 151, 355, 364 f., 378 f., 465, 481, 723 Hildesheim  304, 515 f., 518 f., 581 I Ingatestone 296 Ivry 175 J Juda  251, 435, 541 K Kanaan 312 Köln  31, 150, 248, 278, 348, 445, 508 f., 513 f., 517, 520, 522 f., 525 – 532, 535, 537, 540 f., 543 – 546, 548 f., 552, 555 – 557, 560, 563, 565 – 567, 573, 579, 581, 597, 608, 636, 669, 671 – 673, 675, 686, 700, 708 f., 717, 734, 752, 762 f., 768, 777 f. Konstanz  397, 431 Korsika 387 L La Cava  259 La Cour-Dieu  133 La-Ferté-Bernard 718 Lambeth (Palast)  282 f. Laon 281 Lateran  44, 69, 80, 101, 175 f., 283, 293, 308 – 311, 313, 316, 321 – 323, 339, 346, 349,

843

354, 360, 366, 374, 394, 436, 439, 561 f., 684, 754, 757 Le Bec  103, 297 Le Breuil-Benoît  280 Lèves 176 Lincoln  46, 54, 156 Lipari 259 Lisieux  28, 41, 44 – 47, 49, 53 – 55, 57 f., 61 – 63, 71, 74, 100, 103 f., 108, 111 f., 125 – 127, 130, 132 – 134, 147, 279, 302, 331, 336, 339, 343, 363, 365 – 367, 371, 377, 380 f., 390, 392, 395, 423, 457, 478 – 480, 492, 496, 589, 590, 748, 751, 753 – 755 Lodi  446, 504, 642 Lombardei  206, 422, 425, 434, 449, 451, 454, 473, 475, 557, 559, 568, 611, 749 London  31, 48, 54, 127, 133, 142, 164, 185, 196, 280 – 283, 294, 296, 314, 316, 318 f., 322, 336, 340 – 343, 345 f., 354, 362, 364 f., 367, 370 f., 375, 381 f., 384, 390, 393 f., 396, 403 – 405, 410, 418, 424 f., 431, 434 – 437, 451, 461, 466 f., 471 – 474, 476 – 478, 480 – 482, 484 – 486, 495, 548, 585 – 588, 625, 679, 685, 694, 722, 747 f., 750, 755 f., 775 Lucca  69, 504, 509 Lüttich  468, 509, 609 Lykaonien 259 Lyon  142, 443

M Mailand  376 f., 442, 503, 558, 562, 569, 578, 605, 636, 743, 746 Mainz  248, 501, 508, 512, 524, 566 f., 604, 608, 691, 699, 736 Massa 387 Melfi 356 Melrose 350 Merton  136,279, 284 Mont Cenis  580 Montier-la-Celle  140, 273 Montmarte 718

844

Register

Montmirail 718 Montpellier  100, 152 Mont-Saint-Jacques 278 Mont-Saint-Michel 294 Morigny  683 f. Mortemer 58 Münster 519

N Neufle 488 Neufmarché  340, 362, 379, 384, 460, 482, 492 Ninfa  367, 441 Nonant  46, 55, 648 Normandie  31 f., 41, 45 f., 153, 340, 367, 375, 385, 403, 452, 459, 478, 578 f., 644, 718, 748, 769 Northampton  55, 161, 233, 548, 592, 652, 661, 666, 767 Norwich  129, 278, 375, 379, 381, 588, 595, 637 f. Notre-Dame de Josaphat  176 Noyon  160, 580, 645 O Oberitalien  198, 277, 333 f., 339, 429, 431, 446, 507, 511, 525, 557, 558, 566, 569, 579, 612, 615, 616, 639, 710, 752, 762 f., 765, 778 Old Sarum  135 f., 178, 255 Ostia  353, 362 Ourscamp 381 Oxford  18, 29, 104 – 106, 124, 127, 129, 270, 281 – 285, 303, 316, 481, 729, 736 P Paris  21, 41 – 43, 63, 71 f., 104, 106, 124, 126 f., 129, 136 – 140, 160 f., 174, 274, 280, 284, 286, 303, 315, 380, 419, 481, 504, 513, 515, 531 f., 559, 646, 681 Parma 743 Passau  581, 686, 692, 701

Pavia  31, 48, 113, 130, 194, 202, 206, 243, 247 f., 272, 301 f., 315, 318, 320 f., 323, 327, 337 f., 342, 347 – 349, 352, 356, 361, 366, 373, 375, 388, 389, 391 f., 395, 398, 403 – 405, 408 – 410, 413, 423 f., 426 – 438, 441 f., 446 – 451, 453 – 456, 465 f., 468 f., 471, 473 – 475, 481, 486, 501, 502, 504, 507, 511, 514 f., 525 f., 568, 570, 579 f., 593 f., 600, 603, 607, 611, 613 – 615, 620, 625 f., 634, 641, 643, 703, 747 – 750, 755, 758 – 762, 766, 774 – 776 Petersbasilika  347 f., 348 f., 441, 760; siehe auch → Peterskirche → St. Peter Peterskirche  85, 245, 293, 336, 346, 348, 658, 370, 379, 386, 438 f., 506, 510, 512, 529, 566, 749, 756, 763; siehe auch → Petersbasilika → St. Peter Pharaos 256 Piacenza  442, 469, 581 f. Pisa  67, 73, 509, 558 f., 603 Planches  170, 656 Poitiers  55, 142, 161, 165, 169, 278, 541, 560, 569, 593 f., 598, 636, 638, 655, 673, 718, 729, 733, 741, 752, 764, 768, 778 Poitou  276, 644 Pontigny  58, 165, 524, 537, 734 Pontoise 170 Porto 439

R Ravenna 446 Reims  44, 49, 135, 137, 139, 141, 149, 165, 167, 169 f., 175, 181, 189 – 192, 250, 272, 276 f., 279, 286, 290, 298 f., 318 – 320, 352, 435, 444, 450, 468 f., 474, 480, 504, 515 f., 520, 522, 534, 537, 544, 546, 548, 557, 559, 628, 641, 672, 698, 744, 749, 752, 761 – 763 Rievaulx  315, 350 Romagna 446 Rom  31, 38, 64, 66 – 70, 76, 82, 147, 202 f., 241, 245, 253, 256 f., 263, 281,

Verzeichnis der Ortsnamen

283 f., 290, 293 f., 296 f., 309 f., 317, 329, 336, 344, 348, 351, 363, 382, 387, 396, 405, 430, 447 – 449, 453, 460 f., 503 f., 510 – 512, 517, 523, 528 – 530, 537, 548, 550, 552, 556 – 559, 563 f., 566 – 568, 576, 580, 583, 595, 597, 601, 603, 605 – 607, 610, 614 – 617, 619 – 620, 624 – 626, 630, 634 – 636, 638 f., 641 f., 646, 675 f., 679, 715 f., 720, 747, 762 f., 765 f., 768 f., 779 Rouen  41, 49, 57, 63, 73, 103, 128, 278, 482, 537, 578, 667, 669, 678, 682, 686, 687 – 689, 691, 693, 704, 710, 739, 777

S S. Angelo  43, 66 S. Callisto  66, 355 S. Gregorio al Celio  65, 69, 87 S. Maria Nova  65 S. Pietro in Vincoli  49, 592 f., 773, 779 Saint-Bertin 160 Sainte-Colombe 165 Saint-Germain-de-Près 381 Saint-Gilles  277, 580 Saint-Jean-de-Losne  101, 503 f., 508, 511, 526, 562, 596, 603, 634, 643, 664 Saint-Martin-des-Champs 140 Saint-Nabor 551 Saint-Remi  165, 189, 534 Saint-Victor  41 f., 63, 129, 303, 315, 381, 490, 495 Salisbury  135, 270, 597, 622, 737, 753, 770 San Frediano  504 f. San Martino  504 f. Sant’Andrea  381 f. Saône  100, 453, 503, 515, 562, 563, 643 Sardinien 387 Sées  41 – 43, 45, 51, 64, 67 f., 73 f., 82, 84 f., 93, 95, 99, 114, 383 Segni 144 Sens  55, 60, 68, 156, 158, 165, 175, 544, 590, 595, 598, 646, 648, 735 Sizilien  259, 369, 399, 743

845

Soissons  150, 645 Southwick  129 f. SS. Nereo e Achilleo  49, 699, 773 – 775, 777 SS. Silvestro e Martino  355, 369 SS. Trinità di Cava; siehe → La Cava St. Augustine’s  133, 179, 188, 587 St. Peter  348, 438 f., 566, 809; siehe auch → Petersbasilika → Peterskirche Stablo  691 f., 701, 729

T Terentino 356 Tewkesbury  166, 284, 617 Tivoli 387 Toskana  512, 567 Totnes  136, 652 Toulouse  161, 171, 185, 187, 211, 296, 362, 401, 464, 484, 487, 656, 664, 670, 741 Touques 46 Tours  23, 27, 34, 49 – 51, 65, 100 – 106, 108 – 110, 114, 117 f., 122 f., 128, 130, 152, 206, 304, 306 – 308, 343, 368 f., 394, 469, 504, 517 f., 590, 596, 643 f., 751 Trastevere  369, 511 Trie  170, 656, 718 Trier  443 f., 468, 550 Troyes 140 Turin  127, 303, 364, 381 f. Tuskulum  261, 355, 566, 763 V Venedig  30, 38, 391, 405, 431, 562, 580 Vercelli  381 f. Verdun 468 Vermandois 645 Vexin  363, 401, 488, 490, 718 Vézelay  58, 277, 456, 548, 650 f., 653, 657, 660 f., 666 f., 670, 673, 678, 693, 697, 706, 713 – 716, 719 f., 723, 725, 730 – 732, 737, 753, 767, 769 f., 778 Viévy-le-Rayé 743

846

Register

W Wales  676, 679, 687, 705 Westminster  54, 115, 149, 151, 154 – 156, 159, 161, 205, 395, 410, 585, 588, 643 – 645, 667 f., 680, 682 f., 686, 688, 691, 693, 710, 720, 743 Winchelcombe 617 Winchester  130, 142, 206, 278, 297, 299, 312, 355 f., 588, 733 Woodstock  154, 643, 644 Worcester  143, 163, 278, 721 Worms  115, 205, 394 f., 410, 520

Würzburg  16, 18 f., 32, 36, 55, 130, 164, 247, 279, 444, 451, 458, 514 f., 523 – 526, 528 f., 537, 557, 563, 575, 581, 595, 603 – 605, 632, 634, 639, 641, 661, 667, 669, 673, 675, 677 f., 686 f., 691 – 699, 701 – 715, 729 f., 732, 734 – 737, 747, 762, 766, 768 – 771, 776 – 779

Y York  49, 54, 142, 161, 356, 467, 585, 587 f., 595 Yorkshire  315, 420

Verzeichnis wichtiger Briefe nach Incipit Abutitur ecclesiae patientia  590, 660, 779 Angustiarum nostrarum  194, 197, 202, 207, 247, 272, 300 f., 311, 318, 318 – 320, 322 f., 342, 345 – 347, 349 – 352, 387, 397 f., 413 f., 422 – 425, 427, 432 f., 435 – 438, 440 – 442, 444 f., 447, 449, 456, 468 – 471, 475 – 477, 480 f., 492 f., 495, 514, 521, 529, 562, 594, 603, 614, 625 f., 642, 749, 756, 776 Apud sapientiae filios  385, 388, 426, 429, 439, 455, 619, 774 Audita sancte Romane ecclesie  48, 301, 303, 305, 324, 336, 339 f., 365 f., 368, 457, 464, 773 Benedictus deus et pater  29, 48, 70, 82, 127, 301 f., 304 – 306, 308, 311 – 317, 320, 322, 324 f., 328 f., 330 – 333, 336 f., 360, 362, 365 – 368, 389, 393, 425, 436 f., 455, 457 – 459, 464, 479, 562, 755, 760, 773 Cum clerum plurimum (sog. ‚Epistola amici ad Alexandrum papam‘)  508 f., 528, 666 f., 669, 691 f., 698 – 705, 708, 711 f., 729, 769, 776

Cunctis populis (an Heinrich von Troyes)  509, 581, 604, 686, 692, 699 – 701, 703, 706 f., 777 Cunctis populis (an geistl. u. weltl. Große und Getreue des Reiches)  604, 686, 692, 701, 777 Diu desideravi  544, 660, 667, 671, 673, 694, 714 f., 719, 768, 770, 778 f. ‚Epistola amici ad Alexandrum papam‘; siehe → Cum clerum plurimum Eterna et incommutabilis (an Bischof, Domkapitel und Rechtsgelehrte von Bologna)  37, 111, 115 f., 122, 247, 330, 333 f., 336, 338 f., 342, 349, 353 – 355, 357 f., 361, 372 f., 375, 385, 465, 483, 506, 574, 773 Eterna et incommutabilis (an den franz. Klerus)  116, 334, 336, 338, 342, 349, 354, 356, 361, 372, 375, 465, 483, 773 Eterna et incommutabilis (an den engl. Klerus)  116, 314, 334, 336, 338, 342, 349, 354, 356, 372, 375, 425, 436, 465, 483, 733

Verzeichnis wichtiger Briefe nach Incipit

Etsi propriis et priuatis  194 – 196, 318 f., 300, 318 f., 321, 335, 348 f., 405, 455, 462, 465 – 467, 476, 480 f., 495, 775 Etsi uobis nuper scripserim  525 – 527, 534, 544 – 548, 550, 675, 779 Ex quo contra honorem  37, 438, 441, 773 Illa est regnorum  48, 214, 295 f., 299, 344 f., 461 – 463, 467, 475, 736, 774 In quo uerbo reges  167, 336, 340 f., ,45, 364, 380, 432, 465, 471 – 476, 478, 480, 485 f., 775 Licet ex more scribentum  58, 194, 247, 405, 508, 511, 548, 558 – 563, 569, 583, 590, 596 f., 601, 603, 611, 634, 657 – 659, 661 f., 664 f., 693, 697, 718 f., 724, 729 – 731, 733, 741, 778 Licet michi dilectio  194, 196, 513, 525, 537 f., 540 – 543, 545, 672, 777 Litteras a tua nobis  23, 333, 336 – 339, 342 f., 367, 373 f., 390, 392, 411, 427, 436, 612, 670, 774 Moerore simul  313, 338, 342 f., 348 f., 360 f., 372 – 375, 385 f., 388, 409 – 412, 424, 427 f., 433, 436 f., 455, 513, 612 f., 620, 626, 775 Multa quidem scribenda essent  208, 525, 544, 548, 565, 595, 627, 657, 659, 670 f., 719, 723, 729, 778 Nouerit uestra paternitas  504 – 508, 595, 611, 649 f., 729, 776 Patri misericordiarum  164, 604, 673, 677, 708, 715, 778 Plenam deuotione et eruditione  199, 248, 503, 508, 510 f., 521, 525, 527, 529, 531 f., 536, 546, 552, 555, 563, 605, 609, 611, 615, 618, 708, 717, 724, 779

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Praeter eam quam affectio  210, 404, 600, 602 f., 605, 625, 627, 629, 653, 776 Pro domino rege  682, 694, 696, 699, 702 – 705, 709, 777 Qua fide quo studio  60, 585 f., 682, 779 Quam utilis apud principes  343, 359, 362 f., 365, 367, 369 f., 370, 373, 376, 379 – 382, 424, 452, 468, 471, 483, 488 f., 491, 493, 496, 504, 645, 776 Quanta mala  523, 667 – 669, 677 f., 697, 705, 708, 777, 779 Quanta tempestate laboret ecclesia  48 f., 133, 316, 319 f., 340, 342 – 346, 352 – 361, 362, 364 f., 367, 390 – 393, 395 f., 410 f., 415, 417, 420, 423 f., 431 f., 434, 436, 474, 478 f., 481 f., 488, 626, 748 f., 775 f., 775 Quia sedis  314, 327, 337 f., 342, 345, 347, 349, 354 – 356, 360, 385, 413, 424 f., 431, 433, 436 – 438, 441 – 443, 445 f., 451, 453, 455, 465, 473 f., 476, 483, 748, 760 f., 774 – 776 Quod dilectioni uestrae  194, 404, 525 f., 531 f., 534, 536, 544, 546 f., 552 – 555, 561, 565, 592, 597, 600, 605, 611, 616, 626, 666, 672 f., 715, 778 Sacra scriptura docente (sog. Epistola cardinalium)  408, 425 f., 436, 760, 774 Super his que  669 f., 685, 688, 694, 696, 705, 735, 779 Virtus in pace  73, 327, 339, 342, 345, 352 f., 773