262 24 6MB
German Pages 988 Year 2016
Walz Das ADR-Formularbuch
Das ADR-FormularBuch Erläuterungen Muster Entscheidungshilfen herausgegeben von
Dr. Robert Walz, LL.M. (Univ. of Chicago) Notar, München
2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage
2017
Bearbeiter der 2. Auflage Dr. Stefan Bandel Notar, Passau
Dr. Lorenz Bülow Notar, Kempten (Allgäu)
Patrick Dewein Rechtsanwalt, München
Dr. Martin Fries Privatdozent, Universität München
Dr. Susanne Lilian Gössl, LL.M. (Tulane Univ.) Akademische Rätin, Universität Bonn
Dr. Detlef Haß Rechtsanwalt, München
Professor Dr. Rainer Heß, LL.M. (Univ. Münster) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Bochum
Bernd Höke Rechtsanwalt, Dortmund
Dr. Steffen Jung Rechtsanwalt, München
Volker Mahnken Rechtsanwalt, Neu-Isenburg
Dr. Claudia Rid Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, München
Dr. Wolfram Schneeweiß, LL.M. (Cornell Univ.) Notar, München
Dr. Henning Schwarz, LL.M. (Georgetown Univ.) Notar, München
Johannes Schwarzmann Notar, Miltenberg
Dr. Benedikt Selbherr Notar, Weilheim i. OB
Anja Siegler Notarin, Erlangen
Hans-Ulrich Sorge Notar, Würzburg
Dr. Robert Walz, LL.M. (Univ. of Chicago) Notar, München
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Walz, ADR-Formularbuch, 2. Aufl. 2017, Kap. … Rz. …
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-45035-9 ©2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort Zehn Jahre sind seit Erscheinen der ersten Auflage des Formularbuchs vergangen. Manches hat sich weiterentwickelt und neue Themenbereiche sind in den Vordergrund getreten. Deshalb haben wir das Formularbuch erweitert und auf den aktuellsten Stand gebracht. Neu hinzugekommen sind sowohl weitere Einzelformulare als auch neue Themenbereiche, wie etwa das Dispute Board, die Adjudikation und die Streitbeilegung nach dem neuen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Die Verfahrensregeln der DIS und der ICC werden nunmehr in eigenen Kapiteln ausführlich dargestellt. Wir hoffen, dass auch diese zweite Auflage von der Praxis wieder gut angenommen wird. Das Werk steht nach wie vor an der Grenze zwischen Handbuch und Formularbuch: Die Erläuterungen, welche über Kommentierungen von Mustern weit hinausgehen, liefern stets auch Entscheidungshilfen und zeigen die Vor- und Nachteile bestimmter Verfahren. Den Autoren, die trotz ihrer beruflichen Belastung hervorragend und zeitnah gearbeitet haben, danke ich sehr herzlich, ebenso Frau Dr. Jasmin Thüß und Herrn Rüdiger Donnerbauer vom Verlag, die das Projekt sehr gut begleitet haben. München, im Oktober 2016
Robert Walz
VII
Kapitel- und Musterübersicht Ausführliche Inhaltsverzeichnisse finden sich jeweils am Anfang der einzelnen Kapitel. Alle Muster auch auf der CD-ROM am hinteren Buchdeckel. Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Literaturübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
Erster Teil Einführung Kap. 1
Das Arbeitsfeld der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Kap. 2
Vergleichsvereinbarungen in der außergerichtlichen Streitbeilegung . . .
5
Kap. 3
Die Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Zweiter Teil Regelungen zur Verhandlungsführung Kap. 4 M 4.1
Neuverhandlungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuverhandlungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 34
Kap. 5 M 5.1
Vertraulichkeitsabrede (Non-Disclosure Agreement) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertraulichkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 40
Dritter Teil Mediation – Wirtschaftsmediation Kap. 6 M 6.1 M 6.2 M 6.3 M 6.4 M 6.5
Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mediationsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Mediationsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mediationsklausel in letztwilliger Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benennung des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mediatorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 51 62 64 66 69
Kap. 7 M 7.1 M 7.2 M 7.3
Hybride Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mediations- und Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsgutachten- und Mediationsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varianten der hybriden Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74 79 88 95
IX
Kapitel- und Musterübersicht
Vierter Teil Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren Seite
Kap. 8 M 8.1 M 8.2 M 8.3 M 8.4 M 8.5 M 8.6
Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderung Kostenvorschuss im Schlichtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . Ladungsschreiben an den Antragsteller im Schlichtungsverfahren . . . . . . . . Ladungsschreiben an den Antragsgegner im Schlichtungsverfahren . . . . . . . Zeugnis über einen erfolglosen Schlichtungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlichtungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 102 108 110 111 114 118
Kap. 9 M 9.1 M 9.2 M 9.3 M 9.4 M 9.5
Schlichtung nach der SOBau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlichtungsvereinbarung nach SOBau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlichtervertrag nach SOBau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Einleitung der Schlichtung nach SOBau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Schlichterbestellung nach SOBau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Einleitung des isolierten Beweisverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123 125 128 131 132 133
Kap. 10 M 10.1 M 10.2 M 10.3 M 10.4
Streitbeilegung in Verbrauchersachen nach dem VSBG . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensordnung einer Verbraucherstreitbeilegungsstelle . . . . . . . . . . . . . . Kostenordnung einer Verbraucherstreitbeilegungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligungsbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlichtungsvorschlag nach VSBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136 146 152 156 160
Fünfter Teil Evaluative Verfahren Kap. 11 Vereinbarung über eine Prozesssimulation („Mini-Trial“) . . . . . . . . . . . . . M 11.1 Vereinbarung über die Durchführung einer Prozesssimulation . . . . . . . . . . .
161 173
Kap. 12 Frühevaluationsverfahren („Early Neutral Evaluation“) . . . . . . . . . . . . . . . M 12.1 Vereinbarung über die Durchführung eines Frühevaluationsverfahrens . . . .
187 195
Sechster Teil Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung Kap. 13 Das Verfahren in Teilungssachen (§§ 342 Abs. 2, 363 ff. FamFG) . . . . . . . M 13.1 Antrag auf Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung nach §§ 342 Abs. 2, 363 ff. FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.2 Ladungsschreiben bei Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.3 Vorbereitung der Nachlassauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.4 Bekanntgabe der Beurkundung vorbereitender Vereinbarungen . . . . . . . . . . M 13.5 Bestätigung vorbereitender Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.6 Plan zur Nachlassauseinandersetzung mit Zustimmung der Beteiligten . . . . M 13.7 Bekanntgabe der Beurkundung des Auseinandersetzungsplans . . . . . . . . . . . M 13.8 Bestätigung des Auseinandersetzungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
X
211 216 219 222 224 227 228 231 233
Kapitel- und Musterübersicht Seite
Kap. 14 Aussetzung des Verfahrens und Überleitung in ein Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 14.1 Protokoll mit Aussetzungsbeschluss und Vereinbarung über ein Verfahren zur Lösung der Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235 235
Siebter Teil Verfahren zur Teilung Kap. 15 Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 15.1 Auswahlverfahren mit alternierendem Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239 244
Kap. 16 Losverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 16.1 Losverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
246 248
Kap. 17 Adjusted-Winner-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 17.1 Adjusted-Winner-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
250 252
Kap. 18 Auktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 18.1 Auktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
254 256
Kap. 19 Aufteilungs- und Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 19.1 Verfahrenssteuernder Vorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 19.2 Vereinbarung über ein Aufteilungs- und Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . .
259 265 268
Kap. 20 Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote (Final-Offer-Arbitration) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 20.1 Verfahrenssteuernde Vereinbarung über eine Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kap. 21 Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern („shoot out“) . . . . . . . . . . . M 21.1 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung – ausführliche Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.2 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung – kurze schuldrechtliche Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.3 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung – wechselseitige Veräußerungs- oder Erwerbsverpflichtung als Zwischenlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.4 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.5 Satzungsregelung: „Escalation to the Top“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.6 Satzungsregelung: Stichentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276 284 294 300 307
308 310 313 315
Achter Teil Schiedsgerichtsbarkeit, Schiedsgutachten und weitere ADR-Verfahren Kap. 22 Schiedsgutachten- und Schiedsgutachtervereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.1 Ausführliche Schiedsgutachtenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.2 Kurzfassung Schiedsgutachtenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317 322 327 XI
Kapitel- und Musterübersicht Seite
M 22.3 M 22.4 M 22.5 M 22.6
Schiedsgutachtenvereinbarung Erbrecht: Sanktionierung der Weiterveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsgutachtenvereinbarung Gesellschaftsrecht: Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsgutachtervereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Satzungstext zur Anteilsbewertung durch Schiedsgutachter . . . . . . . . . . . . . .
Kap. 23 Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 23.1 Ad-hoc-Schiedsvereinbarung anlässlich einer bestimmten Streitigkeit aus einem zu einem früheren Zeitpunkt geschlossenen Vertrag . . . . . . . . . . . M 23.2 Einfache Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 23.3 Schiedsklausel zur Vereinbarung der UNCITRAL-SchiedsgerichtsOrdnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kap. 24 M 24.1 M 24.2 M 24.3 M 24.4 M 24.5
Schiedsrichtervertrag und Schiedsorganisationsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsrichtervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung über die Vergütung der Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines Muster zur Berufung einer Schiedsorganisation . . . . . . . . . . . . . Schiedsvereinbarungen DIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsvereinbarung des Deutschen Ständigen Schiedsgerichts für Wohnungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 24.6 Schiedsklausel RAK-FfM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 24.7 Schiedsvereinbarung SGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 24.8 Schiedsvereinbarung DSE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 24.9 Schiedsvereinbarung ICC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 24.10 Empfehlung zur Internationalen Schweizerischen Schiedsordnung der Schweizerischen Handelskammern (Schweizerische Schiedsordnung) . . . . .
327 328 330 337 340 357 383 392 395 402 409 415 417 420 422 423 426 431 432
Kap. 25 Schiedsklauseln in Testamenten und Erbverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.1 Schiedsverfügung mit weiteren Bestimmungen in einem Einzel-Testament M 25.2 Schiedsverfügung und Schiedsvereinbarungen mit weiteren Bestimmungen in einem Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.3 Schiedsverfügung und Schiedsvereinbarungen mit weiteren Bestimmungen zu einem gemeinschaftlichen Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.4 Schiedsverfügung zur Einsetzung eines institutionellen Schiedsgerichts . . . M 25.5 Schiedsverfügung für Erbstreitigkeiten nach DSE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.6 Schiedsverfügungen für Erbstreitigkeiten nach SGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.7 Schiedsvereinbarung zwischen dem Erblasser und einem Pflichtteilsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
434 448
Kap. 26 M 26.1 M 26.2 M 26.3 M 26.4 M 26.5
468 473 485 489 497 504
XII
Schiedsgerichtsbarkeit im Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht . . Schiedsvereinbarung GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsvereinbarung AG und KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsvereinbarung Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsvereinbarung Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsverfügung als Teil eines Stiftungsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
455 458 460 463 464 466
Kapitel- und Musterübersicht Seite
M 26.6 M 26.7
DIS-Musterklausel für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 09 . . . . . . . . . . . Schiedsklausel Gesellschaftsrecht nach SGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
509 511
Kap. 27 M 27.1 M 27.2 M 27.3 M 27.4 M 27.5 M 27.6
Die ADR-Verfahrensordnungen der DIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung der DIS-MedO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung der DIS-SchlO für eine bereits entstandene Streitigkeit . . . . . Vereinbarung der DIS-GO für eine bereits entstandene Streitigkeit . . . . . . . Vereinbarung der DIS-SchGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung der DIS-AVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung der DIS-KMO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
513 518 521 524 526 530 533
Kap. 28 Die ADR-Verfahrensordnungen der ICC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 28.1 Vereinbarung der ICC Mediations-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 28.2 Nachträgliche Vereinbarung der ICC RAdExPro für eine bereits entstandene Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 28.3 Nachträgliche Vereinbarung des ICC DOCDEX-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . M 28.4 Vereinbarungen zum Dispute Adjudication Board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
535 538 542 545 548
Neunter Teil Vergleichsvereinbarungen Kap. 29 M 29.1 M 29.2 M 29.3 M 29.4 M 29.5 M 29.6
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außergerichtlicher Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außergerichtlicher Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abfindungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich zur Prozesserledigung außerhalb des Gerichtsverfahrens . . . . . . . . Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Protokollierung eines Prozessvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
555 557 561 563 566 570 571
Kap. 30 M 30.1 M 30.2 M 30.3
Vergleichsvereinbarungen im Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebungsvertrag im Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mietänderungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modernisierungsvereinbarung im Mietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
575 584 596 601
Kap. 31 Vergleichsvereinbarungen im Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.1 Preisanpassungsvereinbarung bei Mengenänderungen (Einheitspreisvertrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.2 Preisanpassungsvereinbarung im Rahmen eines Pauschalpreisvertrages . . . M 31.3 Vergleichsvereinbarung zur Abgeltung der Folgen von Leistungsmodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.4 Interimsvereinbarung mit Schiedsgutachtenabrede zu streitigen Nachträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.5 Vereinbarung zu Behinderungsfolgen bei verspäteten, auftraggeberseitigen Planlieferungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.6 Vorläufige Einbehaltsregelung mit Schiedsgutachten während Baudurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
606 610 613 617 620 626 630 XIII
Kapitel- und Musterübersicht Seite
M 31.7 M 31.8 M 31.9
Vereinbarung zur Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung zum Vorschussanspruch des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . Minderungsvereinbarung bei optischen Mängeln mit Schiedsgutachtenabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.10 Abgeltungsvereinbarung bei gesamtschuldnerisch haftenden Baubeteiligten M 31.11 Architektenhonorarvergleich vor Schlichtungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . .
637 640 643
Kap. 32 M 32.1 M 32.2 M 32.3
Vergleichsvereinbarung im Delikts- und Straßenverkehrsrecht . . . . . . . . . Umfassendes Abfindungsformular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abfindungsformulare Teilverzicht – Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rentenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
646 666 677 680
Kap. 33 Vergleichsvereinbarungen im Grundstücksrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 33.1 Vergleichsvereinbarung als Nachtrag zum Grundstückskaufvertrag . . . . . . . M 33.2 Vergleichsvereinbarung bei Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 33.3 Übernahme eines Grundstückskaufvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
683 685
Kap. 34 Vergleichsvereinbarungen im Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.1 Scheidungsfolgenvereinbarung bei noch nicht gestelltem Scheidungsantrag mit Grundbesitzübertragung, Vereinbarung der Gütertrennung, Ausschluss des Versorgungsausgleichs und Unterhaltsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.2 Scheidungsfolgenvereinbarung bei bereits gestelltem Scheidungsantrag mit Zugewinnausgleichsverzicht gegen Abfindung, Durchführung des gesetzlichen Versorgungsausgleichs, lediglich teilweisem Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und Vereinbarungen zum Kindesunterhalt und der elterlichen Sorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.3 Gegenständliche Herausnahme von Vermögenswerten aus dem Zugewinnausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.4 Betragsmäßige, wertgesicherte Deckelung des Zugewinnausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.5 Herausnahme bestimmter Zeiten aus dem Versorgungsausgleich . . . . . . . . . M 34.6 Veränderung der Ausgleichsquote bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.7 Einseitiger Verzicht auf nachehelichen Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.8 Zustimmung zum begrenzten Realsplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
632 634
694 702 709
765
787 799 803 806 808 810 812
Kap. 35 Vergleichsvereinbarungen im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 35.1 Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 35.2 Erbrechtlicher Auslegungsvertrag (Erbvergleich), Vermächtniserfüllung und Erbscheinsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 35.3 Verzicht auf entstandene, nicht geltend gemachte Pflichtteilsansprüche, Grundstücksüberlassung und weitere Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
815 822
Kap. 36 Vergleichsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 36.1 Grundfall: Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GmbH durch Geschäftsanteilsabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
875
XIV
846 866
877
Kapitel- und Musterübersicht Seite
M 36.2 M 36.3
Komplexerer Fall: Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GmbH . . . . . Gesellschafterbeschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils . . . . . . . .
879 885
Kap. 37 M 37.1 M 37.2 M 37.3 M 37.4
Vergleichsvereinbarungen im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung nach § 1a KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebungsvereinbarung bei zweifelhafter Arbeitnehmereigenschaft . . . . . .
891 901 914 919 923
Zehnter Teil Vertragsvollzug Kap. 38 Sicherung durch Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 38.1 Sicherung des Vertragsvollzugs durch Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
927 929
Kap. 39 Vollmachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 39.1 Sicherung des Vertragsvollzugs durch Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
931 933
Kap. 40 Treuhandgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 40.1 Sicherung des Vertragsvollzugs durch Treuhandgestaltung . . . . . . . . . . . . . . .
935 937
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
939
XV
Literaturübersicht I. Kommentare Baumbach/Hueck (Hrsg.) Bumiller/Harders/Schwamb Emmerich/Sonnenschein Ganten/Jansen/Voit (Hrsg.) Greger/Unberath/Steffek Hartmann Heiermann/Riedl/Rusam Ingenstau/Korbion Kapellmann/Messerschmidt Keidel Klowait/Gläßer (Hrsg.) Korbion/Mantscheff/Vygen Korintenberg Leinemann Lutter/Hommelhoff Lützenkirchen Meincke Palandt Prütting/Helms Säcker/Rixecker/Oetker (Hrsg.) Schmidt-Futterer Spielbauer/Schneider (Hrsg.) Thomas/Putzo Winkler Wolf/Lindacher/Pfeiffer Zöller
GmbHG, 20. Aufl. 2013 FamFG, 11. Aufl. 2015 Miete, Handkommentar, 11. Aufl. 2014 Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013 Recht der alternativen Konfliktlösung, Kommentar, 2. Aufl. 2016 Kostengesetze, 46. Aufl. 2016 Handkommentar zur VOB, 13. Aufl. 2013 VOB, Teile A und B, 19. Aufl. 2015 VOB Teile A und B, 5. Aufl. 2015 FamFG, 18. Aufl. 2014 Mediationsgesetz, 2014 HOAI, 9. Aufl. 2016 GNotKG, 19. Aufl. 2015 VOB/B, 5. Aufl. 2013 GmbH-Gesetz, 19. Aufl. 2016 Mietrecht, 2. Aufl. 2015 ErbStG, 16. Aufl. 2012 BGB, 75. Aufl. 2016 FamFG, 3. Aufl. 2014 Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 9, 6. Aufl. 2013 Mietrecht, 12. Aufl. 2015 Mietrecht, 2013 ZPO, 37. Aufl. 2016 BeurkG, 17. Aufl. 2013 AGB-Recht, 6. Aufl. 2013 ZPO, 31. Aufl. 2016
II. Handbücher, Formularbücher, Lehrbücher und sonstige Hilfsmittel Ax/Schneider Bauer/Krieger/Arnold Bengel/Reimann (Hrsg.) Bengelsdorf Bergschneider (Hrsg.) Bergschneider Bernhardt Berz/Burmann/Heß (Hrsg.) Bonefeld/Bittler (Hrsg.) Bonefeld/Wachter (Hrsg.) Brambring
Außergerichtliche Streitbeilegung im Bauwesen, 2004 Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Aufl. 2014 Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013 Aufhebungsvertrag und Abfindungsvereinbarungen, 5. Aufl. 2011 Beck’sches Formularbuch Familienrecht, 4. Aufl. 2013 Verträge in Familiensachen, 5. Aufl. 2014 Alternativen zur Kündigung, 2. Aufl. 2012 Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 34. Ergänzungslieferung 12/2015 Haftungsfallen im Erbrecht, 2. Aufl. 2011 Der Fachanwalt für Erbrecht, 3. Aufl. 2014 Ehevertrag und Vermögenszuordnung unter Ehegatten, 7. Aufl. 2012 XVII
Literaturübersicht
Brambring/Mutter (Hrsg.) Bub/Treier (Hrsg.) Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer Chern Doukoff/Baumann (Hrsg.) Duve/Eidenmüller/Hacke Eidenmüller/Wagner (Hrsg.) Firsching/Graf Fuhrmann/Wälzholz (Hrsg.) Goldberg/Sander/Rogers/Cole Gottwald (Hrsg.) Greger/Stubbe Groll (Hrsg.) Haft/Schlieffen (Hrsg.) Heckschen/Herrler/Starke (Hrsg.) Heidenhain/Meister (Hrsg.) Heiß/Born (Hrsg.) Henn Herr Heussen/Pischel (Hrsg.) Hjort Jahnke Jahnke/Burmann (Hrsg.) Kapellmann/Schiffers Kersten/Bühling (Hrsg.) Kleine-Möller/Merl/Oelmaier (Hrsg.) Klinger (Hrsg.) Kniffka/Köble Korbion (Hrsg.) Kossmann/Meyer-Abich Küppersbusch/Höher Lachmann Lange/Kuchinke Langenfeld (Hrsg.) Langenfeld Langenfeld
XVIII
Beck’sches Formularbuch, Erbrecht, 3. Aufl. 2014 Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014 Arbitration and Mediation in International Business, 2. Aufl. 2006 Chern on Dispute Boards, 3. Aufl. 2015 Beck’sche Online-Formulare Prozess, 26. Edition 2016 Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011 Mediationsrecht, 2015 Nachlassrecht, 10. Aufl. 2014 Formularbuch Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2015 Dispute Resolution, 6. Aufl. 2012 Münchener Prozessformularbuch, Bd. 3, Familienrecht, 4. Aufl. 2013 Schiedsgutachten, 2007 Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 4. Auflage 2015 Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016 Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015 Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011 Unterhaltsrecht, 49. Ergänzungslieferung 1/2016 Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000 Nebengüterrecht, 2013 Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014 Aufhebungsvertrag und Abfindung, 5. Aufl. 2015 Abfindung von Personenschadenansprüchen, 2. Aufl. 2008 Handbuch des Personenschadensrechts, 2016 Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, 6. Aufl. 2011; Bd. 2, 5. Aufl. 2011 Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016 Handbuch des privaten Baurechts, 5. Aufl. 2014 Münchener Prozessformularbuch, Bd. 4, Erbrecht, 3. Aufl. 2013 Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014 Baurecht, 2005 Handbuch der Wohnraummiete, 7. Aufl. 2014 Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl. 2016 Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. 2008 Erbrecht, 5. Aufl. 2001 Münchener Vertragshandbuch, Bd. 6, Bürgerliches Recht II, 6. Aufl. 2010 Der Ehevertrag, 11. Aufl. 2005 Vertragsgestaltung: Methode, Verfahren, Vertragstypen, 4. Aufl. 2004
Literaturübersicht
Langenfeld/Milzer Langenfeld/Miras Lembcke (Hrsg.) Lionnet/Lionnet Luckey Lützenkirchen Mayer/Bonefeld (Hrsg.) Mes (Hrsg.) Münch Nieder/Kössinger Oelsner Ostendorf/Kluth (Hrsg.) Pardey Prütting (Hrsg.) Quirmbach/Gräfenstein/Deller Reimann/Bengel/Mayer Risse Rosenberg/Schwab/Gottwald Ruland Schaub Scherer (Hrsg.) Schmidt-Kessel (Hrsg.) Schmittat Scholz/Kleffmann/Motzer Schütze Walz (Hrsg.) Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich Wendl/Dose Werner/Pastor
Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015 GmbH – Vertragspraxis, 7. Aufl. 2015 Handbuch Baukonfliktmanagement, 2013 Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Aufl. 2004 Personenschaden, 2013 Anwalts-Handbuch Mietrecht, 5. Aufl. 2015 Testamentsvollstreckung, 4. Auflage 2015 Beck’sches Prozessformularbuch, 13. Aufl. 2016 Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015 Handbuch der Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015 Dispute Boards, 2014 Internationale Wirtschaftsverträge, 2013 Berechnung von Personenschäden, 4. Aufl. 2010 Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003 Kapitalisierungstabellen, 2015 Testament und Erbvertrag, 6. Aufl. 2015 Wirtschaftsmediation, 2003 Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010 Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2015 Arbeitsrechtshandbuch, 16. Aufl. 2015 Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2014 Alternative: Streitschlichtung. Die Umsetzung der ADR-Richtlinie in Deutschland, 2015 Einführung in die Vertragsgestaltung, 4. Aufl. 2015 Praxishandbuch Familienrecht, 30. Ergänzungslieferung 2/2016 Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012 Verhandlungstechnik für Notare, 2003 Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 5. Aufl. 2009. Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015 Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015
XIX
Abkürzungsverzeichnis a.A. A.d.ö.R. a.E. a.F. AAA Abs. Abschn. AcP ADAC ADR AE AfA AG AGB AGGVG AgrarR AHB AISCC AKB AktG Anh. Anm. AnwBl Arb ArbGG Arb-Med ArbRB ArbuR ARGE Art. AuB Aufl. AWD Az. BAFA BAG BATNA BauR BaySchlG
BB
andere/r Ansicht Anstalt des öffentlichen Rechts am Ende alte Fassung American Arbitration Association Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis (Jahr, Seite) Allgemeiner Deutscher Automobil Club e.V. Alternative Dispute Resolution, Außergerichtliche Streitbeilegung Arbeitsrechtliche Entscheidungen (Jahr, Seite) (Steuerliche) Absetzung für Abnutzung Amtsgericht, Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft (Jahr, Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes Zeitschrift für das Recht der Landwirtschaft, der Agrarmärkte und des ländlichen Raumes (Jahr, Seite) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung Aktiengesetz Anhang Anmerkung Anwaltsblatt (Jahr, Seite) Arbitration Arbeitsgerichtsgesetz Arbitration-Mediation Arbeits-Rechtsberater (Jahr, Seite) Arbeit und Recht (Jahr, Seite) Arbeitsgemeinschaft Artikel Arbeit und Beruf (Jahr, Seite) Auflage Außenwirtschaftsdienst (Jahr, Seite) Aktenzeichen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bundesarbeitsgericht Best Alternative to Negotiated Agreement Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht (Jahr, Seite) Bayerisches Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen und zur Änderung gerichtverfassungsrechtlicher Vorschriften (Bayerisches Schlichtungsgesetz) Betriebs-Berater (Jahr, Seite) XXI
Abkürzungsverzeichnis
Bd. Beschl. BetrAVG BetrVG BeurkG BFH BFH/NV BGB BGBl. BGH BGHZ BLZ BNotO BörsG BR BRAO BR-Drs. BReg. BSG Bsp. bspw. BStBl. BT BT-Drs. BtPrax BUrlG BVerfG BVerfGE BVormVG BW BWNotZ bzw. ca. CCI CHF CISG
Band Beschluss Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH (Band, Seite) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (Jahr, Teil, Seite) Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Band, Seite) Bankleitzahl Bundesnotarordnung Börsengesetz Bundesrat Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache (Jahr, Teil, Seite) Bundesregierung Bundessozialgericht Beispiel beispielsweise Bundessteuerblatt (Jahr, Teil, Seite) Bundestag Bundestagsdrucksache (Jahr, Teil, Seite) Betreuungsrechtliche Praxis (Jahr, Seite) Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite) Gesetz über die Vergütung von Berufsvormündern (Berufsvormündervergütungsgesetz) Baden-Württemberg Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg (Jahr, Seite) beziehungsweise
Co. Co-Med-Arb
circa Chambre de Commerce et d’Industrie Schweizer Franken United Nation Convention on Contracts for the International Sale of Goods Compagnie Combined Mediation-Arbitration
d.h. DAB dag. DAR
das heißt Deutsches Architektenblatt (Monat/Jahr, Seite) dagegen Deutsches Autorecht (Jahr, Seite)
XXII
Abkürzungsverzeichnis
DAV DAVA DAWR DB DIN DIS DIS-AVO DIS-GO DIS-KMO DIS-MAT DIS-MedO DIS-SchGO DIS-SchlO DIS-SchO DNotI DNotV DNotZ DONot DRiG DRiZ DSE DStR DStRE e.V. EDV EFG EFZG EG EGBGB EGZPO Einf. Einl. EL ErbR ErbStB ErbStDV ErbStG ErfK. EStG etc.
Deutscher Anwaltverein e.V. Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote Deutsche Außenwirtschafts-Rundschau (Jahr, Seite) Der Betrieb (Jahr, Seite) Deutsche Industrie-Norm/en Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Verfahrensordnung für Adjudikation der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Gutachtensordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Konfliktmanagementordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Materialien der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Mediationsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Schiedsgutachtensordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Schlichtungsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Deutsches Notarinstitut Deutscher Notarverein e.V. Deutsche Notar-Zeitschrift (Jahr, Seite) Dienstordnung für Notarinnen und Notare Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung (Jahr, Seite) Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. Deutsches Steuerrecht (Jahr, Seite) Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst (Jahr, Seite) eingetragener Verein Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungen der Finanzgerichte (Jahr, Seite) Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall und an Feiertagen (Entgeltfortzahlungsgesetz) Europäische Gemeinschaft/en Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung Einführung Einleitung Ergänzungslieferung Erbrecht Erbschaft-Steuer-Berater (Jahr, Seite) Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Einkommensteuergesetz et cetera XXIII
Abkürzungsverzeichnis
EU EWiR EZB
Europäische Union Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Europäische Zentralbank
f. FA Fa. FamFG
folgende Fachanwalt Firma Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Jahr, Seite) fortfolgende Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Jahr, Seite) Flurnummer/n Fußnote/n Flip-Flop-Arbitration Familie, Partnerschaft, Recht (Jahr, Seite) Festschrift
FamRZ ff. FG FGG FGPrax Fl.Nr. Fn. FOA FPR FS G GBO GbR GE gem. GewO GewSchG gez. ggf. GKG GmbH GmbHG GmbHR GNotKG GrEStG GS GV.NRW. GVBl GVG GVOBl GwG gwmk Gz.
XXIV
Gesetz Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Das Grundeigentum (Jahr, Seite) gemäß Gewerbeordnung Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz) gezeichnet gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Jahr, Seite) Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare Grunderwerbsteuergesetz Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen (Jahr, Seite) Gesetz- und Verordnungsblatt (auch mit GVOBl abgekürzt) Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt (auch mit GVBl abgekürzt) Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz) Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement e.V. Geschäftszeichen
Abkürzungsverzeichnis
h.M. HansOLG Hdb. HGB HOAI HRB Hrsg. HS/Hs. HStrSchlG HVPI
herrschende Meinung Hanseatisches Oberlandesgericht Handbuch Handelsgesetzbuch Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Handelsregister Abteilung B Herausgeber Halbsatz Hessisches Gesetz zur Regelung der außergerichtlichen Streitschlichtung Harmonisierter Verbraucherpreisindex
i.d.F. i.d.R. i.Erg. i.H.v. i.S.d. i.S.v. i.V.m. i.W. IBA IBR ICC ICC DOCDEX
in der Fassung in der Regel im Ergebnis in Höhe von im Sinne des/r im Sinne von in Verbindung mit in Worten International Bar Association Immobilien- & Baurecht (Jahr, Seite) International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer) Die Regeln des administrierten Gutachten(-urkunden)verfahrens („Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise“) der Internationalen Handelskammer Die Regeln des administrierten Gutachtenverfahrens („Rules for the Administration of Expert Proceedings“) der Internationalen Handelskammer Journal of International Dispute Resolution (Jahr, Seite) Industrie- und Handelskammer inklusive insbesondere internationale/er/es Internationales Privatrecht
ICC RAdExPro
IDR IHK inkl. insb. int. IPR JPS JR JuMoG JurBüro JuS JVEG
JZ
Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit (Band [Jahr], Seite) Juristische Rundschau (Jahr, Seite) Gesetz zur Modernisierung der Justiz (Justizmodernisierungsgesetz) Das juristische Büro (Jahr, Seite) Juristische Schulung (Jahr, Seite) Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz) Juristen-Zeitung (Jahr, Seite)
Kap. Kfz
Kapitel Kraftfahrzeug XXV
Abkürzungsverzeichnis
KG KGaA KO/KostO krit. KSchG Kto. KWG
Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kostenordnung kritisch Kündigungsschutzgesetz Konto Gesetz über das Kreditwesen
LAG LCIA LG lit. LS LSG
Landesarbeitsgericht London Court of International Arbitration Landgericht litera (Buchstabe) Leitsatz Landessozialgericht
M.d.E. m.E. m.N. m.w.N. MDR Med Medaloa MediationsG Med-Rec Mio. MittBayNot MittRhNotK MTV MüKo MwSt.
Minderung der Erwerbsfähigkeit meines Erachtens mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) Mediation Mediation and Last Offer Arbitration Mediationsgesetz Mediation-Recommendation Million Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins (Jahr, Seite) Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (Jahr, Seite) Manteltarifvertrag Münchener Kommentar Mehrwertsteuer
n.F. NdsFGG NJW NJW-RR NotBZ
neue Fassung Niedersächsisches Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) NJW–Rechtsprechungs-Report (Jahr, Seite) Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis (Jahr, Seite) Nummer/n Nordrhein-Westfalen (auch mit NW abgekürzt) Nordrhein-Westfälisches Gesetz zur Ausführung von § 15a EGZPO Nordrhein-Westfalen (auch mit NRW abgekürzt) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr, Seite) NZA-Rechtsprechungs-Report (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Mietrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Jahr, Seite)
Nr. NRW NRWAG NW NZA NZA-RR NZBau NZG NZM NZS NZV XXVI
Abkürzungsverzeichnis
o.Ä. ODR OG OGH OHG OLG OLGR
oder Ähnliche/s Online Dispute Resolution Obergeschoss Oberster Gerichtshof offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht OLG-Report (Ort, Jahr, Seite)
p.a. PartG PartGG
pro anno Partnerschaftsgesellschaft Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) Patentgesetz Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) Personenkraftwagen
PatG PflVG Pkw r+s RAKFfM RBerG RdA RFH RG RGZ RiLi RIW RNotZ RVG Rz. s. S. s.a. s.o. s.u. Saar LSchlG SchAZtg. SchiedsO SchiedsVfG SchiedsVZ SchlG BW SchlHA SchO SGB SGH
Recht und Schaden (Jahr, Seite) Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit (Jahr, Seite) Reichsfinanzhof Reichsgericht Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band, Seite) Richtlinie Recht der Internationalen Wirtschaft (Jahr, Seite) Rheinische Notar-Zeitschrift (Jahr, Seite) Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) Randzahl siehe Satz, Seite, Siehe siehe auch siehe oben siehe unten Saarländisches Gesetz zur Ausführung bundesrechtlicher Justizgesetze (Saarländisches Landesschlichtungsgesetz) Schiedsamtszeitung (Jahr, Seite) Schiedsordnung Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrens (SchiedsverfahrensNeuregelungsgesetz) Zeitschrift für Schiedsverfahren (Jahr, Seite) Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung des Landes Baden-Württemberg Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Jahr, Seite) Schiedsgerichtsordnung, Schiedsordnung Sozialgesetzbuch Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof deutscher Notare XXVII
Abkürzungsverzeichnis
SGO Bau SH LSchlG
sog. SozSich SP SRNr. st. Rspr. StGB str.
Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen Schleswig-Holsteinisches Gesetz zur Ausführung von § 15a EGZPO (Schleswig-Holsteinisches Landesschlichtungsgesetz) Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten der ARGE Baurecht im Deutschen Anwaltverein e.V. sogenannte/r/s Soziale Sicherheit (Jahr, Seite) Schaden-Praxis (Jahr, Seite) Schiedsrichternummer ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch streitig
TVG
Tarifvertragsgesetz
u.Ä. u.U. UA UmwG UN UNCITRAL UNCITRAL-AR UNCITRAL-Sch UNÜ
und Ähnliche/s unter Umständen Unterartikel Umwandlungsgesetz United Nations United Nations Commission on International Trade Law UNCITRAL-Arbitration Rules UNCITRAL-Schiedsordnung Internationales Übereinkommen über die Annerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche Urkundenrollennummer Urteil United States (of America) Umsatzsteuer und so weiter
SOBau
URNr. Urt. US(A) USt. usw. v. VA Var. VersR vgl. VO VOB VOB/B Vol. Vor/Vorb. VRS VSBG VV VVG VwVfG
XXVIII
von/m Versorgungsausgleich Variante Versicherungsrecht (Jahr, Seite) vergleiche Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (ehem.: Verdingungsordnung für Bauleistungen) Teil B der VOB volume (Band) Vorbemerkung Verkehrsrechtssammlung (Jahr, Seite) Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Verwaltungsvorschrift, Vergütungsverzeichnis Gesetz über den Versicherungsvertrag Verwaltungsverfahrensgesetz
Abkürzungsverzeichnis
WEG
WuM
Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) World Intellectual Property Organization Wertpapier-Mitteilungen (Jahr, Seite) Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz) Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Jahr, Seite)
YCA
Yearbook of Commercial Arbitration
z.B. z.T. ZErb ZEV ZfBR ZFE ZflR zfs ZGR ZGS ZHK ZHR Ziff. ZIP zit. ZKM ZMediatAusbV
zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (Jahr, Seite) Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (Jahr, Seite) Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Familien- und Erbrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Immobilienrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Schadensrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht (Jahr, Seite) Züricher Handelskammer Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht (Band, Seite) Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) zitiert Zeitschrift für Konfliktmanagement (Jahr, Seite) Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für die Notarpraxis (Jahr, Seite) Zone of Possible Agreement Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr, Seite) Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) zuzüglich Zeitschrift für Zivilprozess (Band [Jahr], Seite)
WIPO WM WoBindG
ZMR ZNotP ZOPA ZPO ZRP ZVG zzgl. ZZP
XXIX
Erster Teil
Einführung
Literatur: Brown/Marriot, ADR Principles and Practice, 3. Aufl. 2011; Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl 2011; Golan, Mediating Legal Disputes, 2. Aufl. 2009; Goldberg/Sander/Rogers/Cole, Dispute Resolution, 6. Aufl. 2012; Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation; Mackie/Miles/Marsh/Allen, The ADR Practise Guide, 3. Aufl. 2007; Risse, Wirtschaftsmediation, 2003.
Außergerichtliche Streitbeilegung bildet ein Element des juristischen Alltagsgeschäfts. 1 Gleichwohl wird die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Mittel in der Praxis wenig genutzt. Das vorliegende Buch versucht daher, den Prozess der Vereinnahmung durch die Praxis weiter voranzubringen. Dabei werden auch Vertragsmuster für Vorgänge vorgestellt werden, die sich in der Praxis wenig wiederfinden. Gleichwohl erscheint es den Verfassern gerechtfertigt, auch insoweit Vertragstexte vorzulegen; denn der Zugriff des Praktikers auf die vielfachen Möglichkeiten der Vertragsgestaltung hängt unter anderem davon ab, ob und inwieweit ihm durchdachte Muster zu Verfügung stehen. Zu hoffen ist, dass sich langfristig auch im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung eine gesicherte Vertragstypik herausbilden wird. Die diesem Buch zugrunde gelegten Fallkonstellationen entstammen nahezu ausschließlich 2 dem Bereich des Wirtschaftsrechts. Die Beiträge der ersten Auflage wurden in einem über mehrere Jahre regelmäßig tagenden Arbeitskreis der Autoren – wiederholt – vorgestellt und erörtert. Damit sollten nicht nur Wiederholungen vermieden, sondern einheitliche Terminologie und Herangehensweise sowie nicht zuletzt die Qualität der Vertragsmuster auch dort gewährleistet werden, wo Neuland betreten wurde. Die zahlreichen alternativen Möglichkeiten werden nebeneinander gestellt und erläutert. 3 Dabei bemühen sich die Autoren, jeweils einleitend die Kriterien zur Entscheidung für und gegen eine bestimmte Vorgehensweise zu erläutern. Im Mittelpunkt jedoch stehen kommentierte Formulierungsvorschläge und Muster, die darstellen, wie solche Vereinbarungen niedergelegt werden können. – In diesem ersten Kapitel finden sich einleitende Ausführungen. Es wird zunächst das Arbeitsfeld der außergerichtlichen Streitbeilegung abgesteckt, sodann folgt ein Überblick über die Vielzahl der vertraglichen Möglichkeiten in diesem Bereich. Dabei geht es um Vergleichsvereinbarungen und verfahrenssteuernde Vereinbarungen, auf deren Besonderheiten breiter einzugehen ist. Von Interesse sind insbesondere die Kriterien zur Abwägung der Eignung, also der Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren für eine bestimmte Interessenlage. – In den Kapiteln zwei bis acht soll die Vielzahl der gegenüber Verhandeln und Rechtsweg alternativen Möglichkeiten nebeneinander gestellt werden: Es geht um die zahlreichen Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung, denen meist verfahrenssteuernde Vereinbarungen, gesetzliche Reglungen oder institutionelle Verfahrensordnungen (ICC, DIS) zugrunde liegen. Dabei werden für jedes Muster jeweils einführend die Aspekte genannt, die die Eignung des Verfahrens betreffen. Wir gehen mit der Frage nach der Eignung über das hinaus, was Formularbücher üblicherweise leisten wollen. Dies beruht auf der Überlegung, dass nur so Rechtsberatern und Beteiligten die abwägende Entscheidung für und gegen eine bestimmte Verfahrensweise möglich wird. Nach jedem Muster folgen dann unmittelbar die erläuternden Anmerkungen.
Walz
1
Einführung
– In dem umfangreichen neunten Kapitel finden sich Vergleichsvereinbarungen unterschiedlichster Art. Die Vergleichsvereinbarung ist der typische verfahrensbeendende Vertrag. Häufig wirkt ein Richter oder anderer neutraler Dritter, wie etwa ein Notar, Mediator oder Schlichter, an der Formulierung mit, häufiger aber noch gestalten ausschließlich Rechtsanwälte oder die Parteien selbst den Vertragstext. Der Vergleich hat enorme praktische Bedeutung und wird doch nicht immer mit der größtmöglichen Sorgfalt formuliert: Weil langwierige und erschöpfende Verhandlungen vorausgehen, weil Zeitdruck herrscht und weil das Verlangen nach umfassender Regelungen aller Punkte eine mühsam erreichte Einigung wieder infrage stellen kann (siehe Kap. 3). Die sonst anerkannten Regeln der Vertragsgestaltung werden dann nicht selten außer Acht gelassen, vor allem das Gebot, dass der Vertragsgestalter stets den sichersten Weg wählen muss.1 Mit Kapitel neun des Formularbuches soll dem Rechtsberater und dem neutralen Dritten daher der schnelle Zugriff auf durchdachte Muster auch für den Bereich der Vergleichsvereinbarungen ermöglicht werden. – In dem abschließenden knappen zehnten Kapitel finden sich Muster und Überlegungen für den Vollzug von Verträgen. Dabei geht es zum einen darum, den Leistungsaustausch sicher zu gestalten, was vor allem heißt, Vorausleistungen einer Seite zu vermeiden und den Vollzugsautomatismus von Verträgen zu optimieren, d.h. in der Vertragsabwicklung möglichst frühzeitig den Zustand zu erreichen, dass keine Vertragspartei durch die Verweigerung von Mitarbeit die Durchführung des Vertrages behindern oder verhindern kann.
1 Siehe BGH, Urt. v. 5.11.1962 – III ZR 91/61, DNotZ 1963, 308; Urt. v. 1.7.1969 – VI ZR 31/68, DNotZ 1969, 173; Urt. v. 23.3.1971 – VI ZR 177/69, DNotZ 1971, 591; Urt. v. 2.5.1972 – VI ZR 193/70, DNotZ 1973, 240; (für Rechtsanwälte) Urt. v. 24.3.1988 – IX ZR 114/87, MDR 1988, 770 = NJW 1988, 3013 (3015); Urt. v. 22.6.2006 – III ZR 259/05, NotBZ 2006, 316 = MDR 2007, 30 = DNotZ 2006, 912; Urt. v. 17.1.2008 – III ZR 136/07, MDR 2008, 473 = NJW 2008, 1321; sowie allgemein Langenfeld, Vertragsgestaltung, 3. Aufl. 2004, Rz. 217, und Scharpf, Die Wahl des sicheren Weges bei der Vertragsgestaltung, JuS 2002, 878.
2
Walz
Kapitel 1
Das Arbeitsfeld der außergerichtlichen Streitbeilegung
I. Bearbeitung von Interessengegensätzen . .
1
II. Das Arbeitsfeld des Vertragsgestalters: Steuerung und Beendigung von Verfahren
6
I. Bearbeitung von Interessengegensätzen Der Titel dieses Buches – außergerichtliche Streitbeilegung – bezieht sich auf Konflikte, die 1 ohne Beteiligung staatlicher Gerichte einer Lösung zugeführt werden. Der Begriff wird in Anlehnung an den der Alternative Dispute Resolution – kurz ADR – verwendet und hat sich durchgesetzt; er kennzeichnet ein juristisches Arbeitsfeld. Die Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung werden, ohne dass dies als Be- 2 sonderheit wahrgenommen würde, auch auf bloße Interessengegensätze, die noch nicht zum Streit erstarkt sind, angewendet. Der Begriff des Konfliktes1 – der sich häufiger als das Wort Streit findet – bildet damit kein Abgrenzungskriterium, vielmehr eine schlaglichtartige Schwerpunktsetzung innerhalb des Arbeitsfeldes. Auch die prozessrechtliche Literatur bedient sich des Begriffes Streit, ohne auf das Vorhandensein der psychologischen Phänomene Rücksicht zu nehmen, die mit Konflikten einhergehen.2 Begriffe wie Rechtsstreit und Streitverkündung unterstellen, dass die Inanspruchnahme der Gerichte mit zwischenmenschlichem Streit einhergeht, ohne dass dies notwendig vorausgesetzt werden könnte. Richtiger, wenn auch weniger griffig, wäre es daher, von der Bearbeitung von Interessengegensätzen ohne Beteiligung staatlicher Gerichte zu sprechen. Da es sich um eine juristische Disziplin handelt, müssen diese Interessengegensätze mit 3 Rechtsfragen zu tun haben. Zwischenmenschliche Streitigkeiten, bei denen die Inanspruchnahme staatlicher Gerichte weitgehend ausscheidet, spielen im Alltag des Juristen und der außergerichtlichen Streitbeilegung zwar eine gewichtige Rolle. Sie kennzeichnen jedoch nicht das Arbeitsfeld. Des Weiteren dient eine vorbeugende Regelung zur Streitbeilegung mittelbar auch der 4 Streitvermeidung. Auch aus dieser Tatsache ist kein Abgrenzungskriterium abzuleiten. Außergerichtliche Streitbeilegung in diesem Sinn betrifft auch frühzeitige Interessenkoordination, die die Entstehung etwaiger Konflikte dort vermeiden will, wo diese erfahrungsgemäß naheliegen.
1 Konflikt bedeutet Zusammenstoß, Streit, Zwiespalt; s. Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 2007; zwischenmenschlicher Konflikt meint das Gegeneinanderstehen unterschiedlicher Strebungen zweier oder mehrerer Personen; s. Crisand, Methodik der Konfliktlösung, 4. Aufl. 2010, 15. 2 Vgl. Crisand, Methodik der Konfliktlösung, 4. Aufl. 2010 16 f., der den Begriff anhand seiner Folgen beschreibt: Misstrauen nimmt angesichts des Konfliktes typischerweise zulasten des gegenseitigen Vertrauens zu. Die Lösung des zugrunde liegenden Problems wird nicht mehr als gemeinsame Aufgabe empfunden. Emotionen treten unproduktiv in den Vordergrund, was vielfach zu einer einseitig verzerrten und eindimensionalen Wahrnehmung der Situation führt. Offene und aufrichtige Diskussion wird seltener, dem Gegenüber wird häufiger gedroht. Verhandlungen können dann auch in den bekannten Teufelskreis gegenseitiger Vorwürfe abgleiten; vgl. Thomann/Schulz von Thun, Klärungshilfe 1, 7. Aufl. 2014, 265 ff.
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3
Kap. 1 Rz. 5 5
Einführung
Das Arbeitsfeld der außergerichtlichen Streitbeilegung kann daher wie folgt beschrieben werden: Es geht um die Bearbeitung von bestehenden oder künftigen, rechtlich relevanten Interessengegensätzen, ohne dass staatliche Gerichte in Anspruch genommen werden.
II. Das Arbeitsfeld des Vertragsgestalters: Steuerung und Beendigung von Verfahren 6
Vertragsgestaltung im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung weist – unter anderem – folgende Besonderheit auf: Ein erheblicher Anteil der möglichen Vereinbarungen zielt auf die Einleitung und Regelung von Verfahren, deren Ausgang ungewiss bleibt. Es handelt es sich damit um verfahrenssteuernde Vereinbarungen. Wer etwa die Durchführung eines Schieds-, Schiedsgutachter- oder Mediationsverfahrens vereinbart, kann dessen Ergebnis in der Regel nicht voraussagen. Er schließt den Vertrag um des Verfahrens selbst willen.
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Andere Vereinbarungen im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung dienen der Beendigung von Verfahren. Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarungen etwa bilden nahezu stets den Endpunkt einer vorherigen Entwicklung. Sie schließen beispielsweise ein Gerichtsverfahren ab oder beenden eine Verhandlungsphase. Diese Verträge können als verfahrensbeendend bezeichnet werden,1 vielfach handelt es sich um Vergleichsvereinbarungen.
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Das Arbeitsfeld des Vertragsjuristen innerhalb der außergerichtlichen Streitbeilegung kann daher in zwei Teilbereiche geschieden werden. Den verfahrenssteuernden stehen die verfahrensbeendenden Vereinbarungen gegenüber. Insbesondere für verfahrenssteuernde Vereinbarungen gelten Besonderheiten im Hinblick auf die Vertragsgestaltung, die in dieser Einleitung behandelt werden.
1 Auch die Durchführung von Verhandlungen kann als Verfahren im untechnischen Sinn bezeichnet werden; s. Kap. 3 Rz. 2.
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Kapitel 2
Vergleichsvereinbarungen in der außergerichtlichen Streitbeilegung
Vergleichsvereinbarungen (Teil 9, Kap. 29 ff.) als Gegenstand der Vertragsgestaltung wurden 1 bisher kaum erörtert. Es scheint die Ansicht vorzuherrschen, zur Festlegung des Inhaltes eines Vergleiches bedürfe es keines besonderen Wissens, jedenfalls keines, das über die Kenntnis des materiellen Rechtes hinausgeht. Man schreibe also hin, worauf man sich geeinigt hat und der Vergleich ist fertig – so scheint bisweilen die Annahme zu lauten. Ein Blick in die hier vorgestellten Vertragsmuster wird den Leser ohne weiteres eines Besseren belehren. Der Vielzahl der Überlegungen, die es zu beachten gilt, entspricht die Vielzahl der möglichen Fehler und Haftungsfälle. Denn in jeder Vertragsgestaltung müssen Rechtsanwalt und Notar den sichersten Weg der Vertragsgestaltung wählen, wollen sie den Anforderungen der Rechtsprechung gerecht werden und die eigene Haftung vermeiden. Die Autoren hoffen, durch die Vergleichsmuster in Teil 9 dieses Formularbuches eine bestehende Lücke schließen zu können. Dabei finden sich vorab Überlegungen zu den Vergleichsvereinbarungen im Allgemeinen. 2 Unterschieden werden kann insbesondere der nur punktuell wirkende Vergleich von dem novierenden, das Rechtsverhältnis auf eine neue Grundlage stellenden Vergleich. Damit im Zusammenhang steht die Frage, in welchem Umfang Abgeltungsklauseln vereinbart werden. Für die wesentlichsten Rechtsgebiete folgt dann eine Vielzahl von Vergleichsvereinbarun- 3 gen, die hier nicht aufgezählt werden soll. Der Praktiker wird zahlreiche Anregungen und Hinweise finden, um Fälle sachgerecht und erschöpfend vergleichen zu können.
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Kapitel 3
Die Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung
I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Regelungen zur Verhandlungsführung . . 3 Mediation und Schlichtung . . . . . . . . . . 4 Evaluative Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Nachlassauseinandersetzung . . . . . . . . . . 6 Verfahren zur Teilung . . . . . . . . . . . . . . . 7 Schiedsgutachten, Schiedsgerichtsbarkeit, Dispute Board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 7. Vertragsvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Die Eignung verfahrenssteuernder Vereinbarungen: Kriterien für die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kosten- und Zeitvorteile . . . . . . . . . . . . . 2. Die Steuerung der Verhaltensanreize . . . 3. Vertraulichkeit und die Vermeidung von Präzedenzfällen. . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollzugsautomatismus und Verfahrenstreue. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beschaffenheit des Streitgegenstandes, Art des Konfliktes, Eskalationsstufe . . . . 6. Einigungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . a) Hindernisse im Verhandlungsprozess aa) Strategisches Verhalten . . . . . . . . bb) Fehlender Settlement Event . . . . . cc) Uneinigkeit über den Verfahrensfortgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fehlende Autorität von Vertretern, Nichtteilnahme wesentlicher Parteien und Interessenträger . . .
1
12 17 19 23 24 32 34 35 36 41 44
b) Sachliche Einigungshindernisse . . . . . aa) Inkonsistente Interessen, Interessengegensätze zwischen Vertreter und Vertretenem . . . . . . . . . . . . . bb) Versteckte Interessen, Erwartungen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlende und fehlerhafte Information . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kognitive Einigungshindernisse . . . . . aa) Überoptimismus . . . . . . . . . . . . . bb) Selektive Wahrnehmung, fehlerhafte Zuschreibungen . . . . . . . . . cc) Reaktive Abwertung . . . . . . . . . . . dd) Verlust-Vermeidung, Saving Face ee) Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Starke Emotionen . . . . . . . . . . . . d) Gesamtschau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anmerkungen zur Vertragsgestaltungslehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gestaltende Planung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignungsplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragstypik und Vertragsgestaltung . . . 4. Vertragsgestaltung durch Parteivertreter und Neutrale a) Parteiliche Vertragsgestaltung . . . . . . b) Neutrale Vertragsgestaltung . . . . . . . .
48 49 52 54 56 57 60 63 65 68 69 70 71 72 74 76 78 79
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Zunächst sollen hier die wesentlichen Verfahrenselemente der außergerichtlichen Streitbeilegung dargestellt werden, ohne dass letzte Vollständigkeit angestrebt würde. Es geht darum, demjenigen Orientierungshilfe zu geben, der sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen sucht. Die umfassende Bewertung und Abwägung der Vor- und Nachteile einzelner Verfahren erfolgen an anderer Stelle: Hierzu unter anderem dienen die Vorbemerkungen, welche den Mustern vorangestellt sind.
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Rz. 2 Kap. 3
Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Wesentliche Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung
Verfahren, die einseitig eingeleitet werden
höhere
Mediation
Verfahren zur Teilung
Evaluation
Dispute Board
Eigenverantwortung
Schiedsgerichtsbarkeit
Schiedsgutachten
geringere
Schlichtung nach § 15a EGZPO
Verhandeln
Nachlassauseinandersetzung nach FamFG
Verfahren, über deren Durchführung Einigkeit erzielt werden muss
I. Überblick Nahezu jeder Einigung, der ein Interessengegensatz zugrunde liegt, geht eine Verhandlung 2 voraus, die bestimmten Regeln unterliegt. Verhandeln ist der naheliegendste Weg zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Eine Steuerung des Verfahrens findet dann – scheinbar – nicht statt, rechtlich verbindliche Vorgaben für das Verhandlungsgeschehen fehlen weitgehend.1 Spielregeln gelten aber gleichwohl. Sie entstammen unserem Vorverständnis in sozialer, kultureller und psychologischer Hinsicht.2 Es handelt sich um soziale Normen, denen durchaus Gewicht zukommt.3 Verhandeln stellt ein (im Wesentlichen) nur sozial normiertes Vorgehen dar, das Konflikte und Interessengegensätze bearbeitet. Es findet statt, wenn andere Verfahren nicht vereinbart oder einseitig eingeleitet wurden. Der Einzelne 1 Lediglich Teilbereiche sind von rechtlichen Regelungen erfasst. So etwa in Gestalt des rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses (§ 311 Abs. 2 BGB) oder in Form strafrechtlicher Tatbestände. Wer beispielsweise im Verhandlungsprozess lügt, kann den Tatbestand des Betruges verwirklichen, § 263 StGB. 2 So ist den meisten Menschen das Gegenseitigkeitsprinzip als Grundnorm sozialen Verhaltens eingepflanzt, wonach die Kompromissbereitschaft der einen Seite mit einem vergleichbaren Verhalten der anderen Seite beantwortet werden soll; s. Chialdini, Influence – The Psychology of Persuation, 2007, 17 ff. Auch empfindet die Mehrzahl der Menschen die Verpflichtung, rechtlich unverbindliche Zusagen einzuhalten; s. Chialdini, Influence – The Psychology of Persuation, 2007, 57 ff. 3 Die Missachtung etwa des genannten Gegenseitigkeitsprinzips wird nicht nur vom Einzelnen in der Regel als ungehörig empfunden, sondern von Verhandlungspartnern und gesellschaftlichem Umfeld negativ sanktioniert.
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7
Kap. 3 Rz. 3
Einführung
sollte aber wissen, dass er stets innerhalb eines Regelwerkes agiert. Wer sich auf ein Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung einlässt, verändert dieses Regelwerk in eigener Verantwortung. Der nachfolgende Überblick zeigt auf, welche Vielzahl an Möglichkeiten besteht, den Vorgang der außergerichtlichen Streitbeilegung zu verändern und eigenverantwortlich auszugestalten. 1. Regelungen zur Verhandlungsführung 3
Die Regelungen zur Verhandlungsführung in Teil 2 greifen in den Verhandlungsprozess ein. Sie belassen den Parteien hohe Eigenverantwortung. Zum einen geht es um die Nachverhandlungsklauseln (s. Kap. 4), mit denen sich Vertragsparteien verpflichten, zu einem späteren Zeitpunkt über bestimmte Vertragsinhalte neu zu verhandeln. Zum anderen können Vereinbarungen über die Vertraulichkeit von Vereinbarungen getroffen werden (s. Kap. 5) und es kann vereinbart werden, welche Hierarchiestufe einer Organisation im Falle eines späteren Konfliktes die Verhandlungen führen muss (s. Kap. 21). 2. Mediation und Schlichtung
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Mediation und Schlichtung stehen zu Recht im Mittelpunkt des Interesses, wenn von außergerichtlicher Streitbeilegung die Rede ist. In der Mediation unterstützt ein neutraler Dritter die Verhandlungen zwischen den Parteien. Teil 3 (Kap. 6 f.) stellt zunächst eine Mediationsvereinbarung vor, wie sie anlässlich eines bereits entstandenen Streitfalles verwendet wird, und sodann eine Verpflichtung zu vorbehaltloser Mediation. Die Benennung des Mediators durch eine dritte Stelle, der Mediatorvertrag, also der Vertrag mit dem Mediator selbst, und eine bloße Vergütungsvereinbarung ergänzen diese Texte. Schlichtung im hier verwendeten Sinn ist nichts anderes als Mediation aufgrund einer Regelung, die den Begriff Schlichtung verwendet. Sie wird in Teil 4 (Kap. 8 ff.) behandelt. Einmal geht es um das Verfahren nach § 15a EGZPO, das vor allem Nachbarschaftsstreitigkeiten und Ehrverletzungsstreitigkeiten betrifft. Zum anderen wird das Verfahren nach der Schlichtungs- und Schiedsordnung für die außergerichtliche Streitbeilegung baurechtlicher Streitigkeiten vorgestellt. 3. Evaluative Verfahren
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Evaluative Verfahren fördern die Streitbeilegung, indem sie den Parteien helfen, ihre Erfolgsaussichten vor Gericht realistisch einzuschätzen. Sie verringern damit Einigungshindernisse, die sich typischerweise finden, insbesondere Überoptimismus und strategisches Verhalten. Teil 5 (Kap. 11 f.) stellt zwei Varianten evaluativer Verfahren vor: die Prozesssimulation und die Bewertung durch einen neutralen Dritten. 4. Nachlassauseinandersetzung
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Die Vermittlung von Nachlassauseinandersetzungen nach §§ 363 ff. FamFG ist vielen Praktikern unbekannt. Ein Blick in die Ausführungen in Teil 6 (Kap. 13 f.) wird zeigen, dass sie ein attraktives Verfahren darstellt, das stärker genutzt werden sollte.
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Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Rz. 11 Kap. 3
5. Verfahren zur Teilung Mit den Verfahren zur Teilung in Teil 7 (Kap. 15 ff.) können Streitgegenstände, insbesonde- 7 re Sachgesamtheiten, geteilt werden. Diese Verfahren haben ihre Vorteile, etwa Schnelligkeit und die Vermeidung von Kosten. Sie weisen rein distributiven Charakter auf und sind Verhandlungslösungen insoweit unterlegen, als sie nicht auf Kooperationsgewinne abzielen. Die Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht und das Losverfahren liefern besonders einfache Lösungen, die sich auch in besonders einfach gelegenen Fällen anbieten werden. Das Adjusted-Winner-Verfahren demgegenüber wird in der Literatur zwar erörtert, ist aber kompliziert und nur für sehr spezielle Situationen nahe liegend. Das Auktionsverfahren geht hier einen Mittelweg zwischen Kompliziertheit und Ergebnisgerechtigkeit, ebenso das Aufteilungs- und Auswahlverfahren. Die Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote entstammt wieder eher der Literatur als der Praxis und muss ihren Anwendungsbereich erst noch finden. Die Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern als spezielle Anwendung des Aufteilungs- und Auswahlverfahrens bildet demgegenüber eine Standardgestaltung der Praxis, die insbesondere bei Joint Ventures zum Einsatz kommt. 6. Schiedsgutachten, Schiedsgerichtsbarkeit, Dispute Board Teil 8 (Kap. 22 ff.) behandelt das Schiedsgutachten, Schiedsgerichtsbarkeit und weitere ADR-Verfahren, vor allem das Dispute Board. Klauseln zum Schiedsgutachten sind der Praxis allgegenwärtig. Neben einer ausführlichen Schiedsgutachtervereinbarung wird der Vertrag mit dem Schiedsgutachter selbst vorgestellt.
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Die Schiedsgerichtsbarkeit ist in der Praxis fest verankert. Sie kommt nicht sehr häufig zum Einsatz, die zugrunde liegenden Streitfälle weisen aber typischerweise große Streitwerte und erhebliche Bedeutung auf. Die wissenschaftliche Vertiefung dürfte hier so weit fortgeschritten sein wie auf keinem anderen Feld der außergerichtlichen Streitbeilegung. Der Schiedsvereinbarung in all ihren Varianten und dem Vertrag mit dem Schiedsrichter folgen Schiedsklauseln für spezielle Rechtsgebiete, wie das Erb- und Gesellschaftsrecht.
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Die unter Kap. 27 und Kap. 28 vorgestellten Verfahren, vor allem das Dispute Board, kamen erst in den letzten zehn Jahren verstärkt ins Gespräch. Sie stellen effektive Möglichkeiten dar, komplexe Streitigkeiten einer zeitnahen Lösung zuführen zu können, wenn die Parteien dauerhaft zusammenarbeiten, etwa im Zuge eines Großprojektes. Diese Verfahren nähern sich Schiedsgutachten und Schiedsgerichtsbarkeit an, lassen den Parteien aber dadurch größere Eigenverantwortung, dass ihre Entscheidungen bzw. Einschätzungen letztlich nicht verbindlich sind. Die Verfahren werden vorgestellt anhand der Verfahrensordnungen der ICC und DIS.
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7. Vertragsvollzug Regelungen zum Vertragsvollzug dienen vielfach dem Zweck, neuerliche Streitigkeiten zu 11 vermeiden. Solche Regelungen können daher der außergerichtlichen Streitbeilegung zugeordnet werden. Einige wesentliche Vorgehensweisen stellt Teil 10 (Kap. 38 ff.) beispielhaft vor: Sicherung durch Bedingungen, durch Vollmachten und durch Treuhandgestaltungen.
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Kap. 3 Rz. 12
Einführung
II. Die Eignung verfahrenssteuernder Vereinbarungen: Kriterien für die Entscheidung 12
Dank ihrer Vertragsfreiheit können die Beteiligten den Verhandlungsprozess modifizieren oder bestimmte Verfahren wählen, soweit sie hierüber – typischerweise im Verhandlungswege – Einigkeit erzielen. Die damit angesprochenen verfahrenssteuernden Vereinbarungen weisen aus der Perspektive des Vertragsgestalters eine Besonderheit auf: Anders als im sonstigen Vertragsgestaltungsprozess geht es nicht um die Herstellung eines bestimmten, relativ statischen Ergebnisses,1 sondern um das Ingangsetzen und Durchführen eines Prozesses, dessen Ausgang ungewiss bleibt. Wer sich etwa auf ein Mediationsverfahren einlässt und entsprechende Vereinbarungen trifft, verfolgt als realistisches Sachziel kein bestimmtes Einigungsergebnis, sondern erstrebt diejenigen positiven Effekte auf den Verhandlungsprozess, die mit einem Mediationsverfahren einhergehen. Es geht um bestimmte Chancen, die aus der Durchführung einer Mediation resultieren, etwa auf ein sachorientierteres Verhandlungsgespräch, Kostenvorteile durch zeitnahe Einigung, Erhalt der Geschäftsbeziehung trotz des aktuellen, vielleicht kaum überbrückbar scheinenden Interessengegensatzes, und um das effiziente Klären der Frage, ob überhaupt eine Einigung in Betracht kommt. Damit geht es zugleich um die zugrunde liegenden Verhaltensanreize, die in dem Verfahren für die Beteiligten entstehen, innerhalb der Mediation etwa um den beiderseitigen Anreiz, durch Offenbaren von Interessen Kooperationsgewinne zu erzielen.
13
Diese erhofften Vorteile treten nicht notwendig ein. Die Eigenarten der anderen Seite oder die spezifische Interessenkonstellation können zu Verhaltensmustern und Entwicklungen führen, die diese positiven Effekte und Hoffnungen konterkarieren. So könnte im Extremfall eine Partei der Mediation nur Zeit zu gewinnen suchen, also lediglich Verzögerung, nicht aber Kooperation und sachorientiertes Verhandlungsgespräch im Sinn haben. Für den Berater kann es deshalb nicht allein darum gehen, die Vor- und Nachteile bestimmter Verfahren abstrakt darzustellen, vielmehr muss er die konkrete Situation erschöpfend beleuchten und erörtern. Es geht um Fragen der Strategie, um individuelles Konfliktmanagement. Dabei stehen die Sachziele vielfach nicht annähernd fest bzw. erweisen sich diese schnell als untereinander widersprüchlich. So findet sich fast stets das Ziel, ein möglichst gutes wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen, neben dem Ziel, dieses Ergebnis möglichst schnell und mit geringen Kosten zu erreichen. Ebenso sollen dauernde Geschäftsbeziehungen mit der anderen Seite erhalten bleiben, ohne jedoch Kompromisse hinsichtlich des gerade fraglichen Einzelergebnisses hinnehmen zu müssen.
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Es müssen daher zunächst die im konkreten Fall zugrunde liegenden Interessen und bestehenden Präferenzen ermittelt werden.2 Auf dieser Basis müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Konfliktbearbeitungsprogramme überhaupt in Betracht kommen. Erst nachdem diese Stufe der Überlegungen vollzogen ist, kann es an die eigentliche Gestaltung etwaiger Vertragstexte gehen.
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Im Folgenden werden daher Kriterien erörtert, die auf dieser Ebene der Planung von Bedeutung sein können. Es geht um die Frage, welche speziellen Überlegungen für die Beurteilung von Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung wichtig sein können. Dabei ähnelt die Reihe der zu benennenden Gesichtspunkte einer Checkliste: Weder spielen alle 1 Die traditionelle Vertragsgestaltungslehre spricht von der Verwirklichung von Sachzielen; s. Rehbinder, Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 1993, 4 (A.III.). Ein solches Sachziel wäre etwa ein bestimmter Austauschvorgang, der in Vertragsform zu bringen ist. 2 Die Folgen, die ein solcher umfassender Ansatz auf das Konzept der Vertragsgestaltungslehre haben muss, werden unter Rz. 71 ff. behandelt.
10
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Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Rz. 19 Kap. 3
genannten Kriterien in jedem Einzelfall eine Rolle noch kann letzte Vollständigkeit erwartet werden. Fest steht, dass Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung im Blick auf die Vorteile 16 vereinbart werden, die sie jeder Partei gewähren. Daneben müssen Nachteile, insbesondere Risiken in die Abwägung eingestellt werden. Die zu nennenden Kriterien werden jeweils nur beispielhaft erläutert, die eingehende Analyse der Vor- und Nachteile einzelner Verfahren erfolgt in den Vorbemerkungen zu den einzelnen Mustern. 1. Kosten- und Zeitvorteile Die Kosten- und Zeitvorteile der Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung liegen vielfach auf der Hand. Sie stellen ein wichtiges Argument dar, wenn sich Parteien für solche Verfahren entscheiden. Mediationsverfahren etwa dauern in der Regel wenige Tage, der Gesamtprozess, mit Auswahl des Mediators, Niederlegung der verfahrenssteuernden Vereinbarung, Regelung der Vergütungsfragen etc. nimmt selten mehr als vier Wochen in Anspruch. Dabei geht es nicht nur um direkte Kosten, also etwa das Ersparen von Gerichts- und Senken von Rechtsberatungskosten, sondern auch um diejenigen indirekten Kostenvorteile, die aus den Zeitvorteilen folgen. Die Beteiligten sind weniger lange mit dem Vorgang befasst, was nicht nur im unternehmerischen Bereich als Kostenvorteil verstanden werden kann.1 Diese Kostenvorteile bleiben auch dann bestehen, wenn die unsicheren Erfolgsaussichten berücksichtigt werden: Kalkuliert man die direkten Verfahrenskosten auf der Basis der Erfolgswahrscheinlichkeit, so wird sich häufig etwa die Durchführung von Mediation auch dann als sinnvoll erweisen, wenn diese mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit scheitern wird.2
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Schiedsverfahren demgegenüber erweisen sich nicht in allen Fällen als kostengünstigste Alternative3 und werden überwiegend aus anderen Gründen gewählt. So fällt die Vollstreckung aus Schiedssprüchen im Ausland und aus ausländischen Schiedssprüchen im Inland leichter, als dies bei der Vollstreckung aus Titeln staatlicher Gerichte der Fall ist (s. Kap. 23).
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2. Die Steuerung der Verhaltensanreize Ein wichtiger Grund, Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung zu wählen, liegt in 19 den Wirkungen, die die Verfahrensbedingungen auf das Verhalten der Beteiligten entfalten. Dies gilt vor allem für Verfahren, die eine weitere Mitwirkung der Beteiligten vorsehen. Zu nennen sind etwa Mediations-, Evaluations-, Dispute-Board-Verfahren und diejenigen Verfahren zur Teilung, welche die Aufteilung bestimmter Vermögensgegenstände den Beteiligten selbst überlassen. Die eine Vertragspartei vereinbart dann ein bestimmtes Verfahren unter anderem deshalb, weil sie die durch das Verfahren bewirkte Verhaltensänderung der anderen Seite (und eventuell auch ihrer selbst) als wünschenswert ansieht. Das Aufteilungsund Auswahlverfahren etwa wird vereinbart, weil jede Seite davon ausgeht, beide Seiten würden, auf diese Weise motiviert, fairere Angebote vorzulegen, als dies sonst der Fall wäre. Mediationsverfahren finden auch deshalb statt, weil jede Seite davon ausgeht, innerhalb des Verfahrens würden die Beteiligten strategisches Verhalten reduzieren und sich verstärkt darum bemühen, Kooperationsgewinne auf der Basis der Interessen zu erarbeiten. Ebenso fin1 S. Eidenmüller, Hybride ADR-Verfahren bei internationalen Wirtschaftskonflikten, RIW 2002, 1, und Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 67 f., mit einer Beispielsrechnung. 2 S. Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 68, und Eidenmüller/ Duve/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011, 299 f. 3 S. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 1998, Rz. 46.
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Kap. 3 Rz. 20
Einführung
den sich Parteien meist bereit, dem Mediator in vertraulichen Einzelgesprächen – d.h. risikofrei – Kompromissmöglichkeiten zu offenbaren, was auf dem Eigeninteresse der Parteien beruht, zeitnah eine Einigung zu erzielen oder doch wenigstens zu ermitteln, ob überhaupt eine Einigung in Betracht kommt. 20
Die Rahmenbedingungen des jeweiligen Verfahrens stellen ein Instrument zur Steuerung späteren eigenverantwortlichen Verhaltens dar. Die zu vermutenden Verhaltensänderungen treten jedoch nicht notwendig ein. Weder verhalten sich Menschen notwendig ökonomisch rational noch erkennen sie notwendig, welches Verhalten in diesem Sinne rational ist. Vielmehr verändert sich aufgrund der Bedingungen des Verfahrens die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Verhalten an den Tag gelegt wird. Die spätere tatsächliche Entwicklung kann nicht sicher vorausgesagt werden.
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Wenn die potentiellen, von einem Verfahren ausgehenden Verhaltensänderungen untersucht werden, so geht es in erster Linie um die Verhaltensanreize, die unter den Bedingungen des jeweiligen Verfahrens entstehen. Die Autoren haben sich bemüht, die von einzelnen Verfahren ausgehenden wirtschaftlichen Verhaltensanreize in den jeweiligen Vorbemerkungen zu den Mustern zu schildern. Dies war möglich, wo diese auf der Hand lagen oder in der Literatur erörtert sind. Dabei wird unterstellt, die Menschen reagierten auf rechtliche Rahmenbedingungen als homines oeconomici, also rational und gewinnbringend. Solche Prognosen erfolgen damit auf der Grundlage eines ökonomischen Verhaltensmodells.
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Als Beispiel sei das Verfahren der Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote genannt (final-offer-arbitration). Dabei muss sich der neutrale Dritte für eines von zwei verbindlichen Angeboten entscheiden. Im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung einer grundstücksverwaltenden Gesellschaft etwa legt jede Partei einen Auseinandersetzungsvorschlag vor. Der neutrale Dritte erklärt dann denjenigen der beiden Vorschläge für verbindlich, der seines Erachtens näher an der richtigen Lösung liegt. Ohne an dieser Stelle auf die rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten und Varianten des Verfahrens einzugehen (s. Kap. 20 Rz. 9 ff.), wird deutlich, dass die Parteien durch ein solches Verfahren motiviert werden, – relativ gesehen – realistische und faire Angebote abzugeben. Eine nähere Untersuchung (Kap. 20 Rz. 24 ff.) wird allerdings aufzeigen, dass dieser Zwang zur Vernünftigkeit nicht überschätzt werden darf. Die Verhaltensanreize müssen also im Einzelfall untersucht werden und stellen ein wichtiges Abwägungskriterium dar, wenn es darum geht, sich für oder gegen ein bestimmtes Verfahren zu entscheiden. 3. Vertraulichkeit und die Vermeidung von Präzedenzfällen
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In den Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung kann – anders als vor Gericht – weitgehend Vertraulichkeit vereinbart und in der Regel auch durchgesetzt werden. Dem hierin liegenden Vorteil kann entscheidendes Gewicht zukommen. Auf diese Weise kann auch der Anreiz gestärkt werden, durch Offenbaren von Information an der Erarbeitung von Kooperationsgewinnen mitzuwirken. Auch Präzedenzfälle und -entscheidungen, die die Parteien fürchten, können durch Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung vermieden werden, vor allem in Verbindung mit Vertraulichkeitsvereinbarungen. 4. Vollzugsautomatismus und Verfahrenstreue
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Die Mehrzahl aller Verträge muss vollzogen werden. Es sind Leistungen auszutauschen oder ein bestimmtes Verhalten der Beteiligten soll künftig als vertragsgemäß an den Tag gelegt werden. Anwaltliche, gerichtliche, notarielle und sonstige Kostenrechnungen sind zu begleichen oder der anderen Seite zu erstatten, rechtliche Veränderungen müssen durch Eintra12
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Rz. 27 Kap. 3
gungen in Grundbuch und Handelsregister wirksam werden, Haftungsfreistellungen sind mit Gläubigern zu vereinbaren. Vielfach sind noch Erklärungen gegenüber Behörden und Dritten abzugeben und Genehmigungen einzuholen. Nur wenige Verträge benötigen keinen Vollzug in diesem Sinne.1 Erfahrene Vertragsjuristen durchdenken daher den Vollzugsaspekt ohne Unterlass und beurteilen den Wert einer jeden Vertragsklausel für den Problemfall, dass der Vertragsvollzug ins Stocken kommen sollte – sei dies infolge äußerer Umstände, sei dies infolge der Vertragsreue einer Partei. Die Kunst des Vertragsgestalters besteht unter anderem darin, Verträge mit möglichst hohem Vollzugsautomatismus zu versehen.2 Die damit angesprochene Prüfung wird häufig mit den Begriffen Vertragsstörung3 und Durchsetzungsrisiko4 belegt. Dabei geht es um die Erfüllung schuldrechtlicher Ansprüche, womit das Problem allerdings 25 nicht vollständig erfasst ist. Die Durchführung des wirtschaftlichen Vorganges bedarf vielfach der nachträglichen Mitwirkung der Parteien auch dort, wo keine Verpflichtung zu einem Tätigwerden besteht. Wenn etwa unerwartete Vollzugshindernisse auftreten oder ein nicht ganz zutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, müssen die Parteien nicht selten zusammenwirken, um dem Geist des Vertrages zum Erfolg zu verhelfen.5 Häufig können dann Ansprüche auf eine solche Mitwirkung allenfalls aus allgemeinen Rechtsprinzipien wie Treu und Glauben oder Wegfall der Geschäftsgrundlage abgeleitet werden, wobei im Blick auf den Zeitfaktor die klageweise Durchsetzung meist ausscheidet. Im Bereich der verfahrenssteuernden Vereinbarungen der außergerichtlichen Streitbeile- 26 gung kommt ein Weiteres hinzu: Die meisten dieser Verfahren setzen eine gewisse oder erhebliche Mitarbeit der Beteiligten voraus, die über die Erfüllung von Ansprüchen weit hinausgeht. Am deutlichsten wird dies für Mediationsverfahren: Da eine Pflicht zu kooperativem Verhandeln rechtlich nicht durchsetzbar wäre, bauen Mediationsverfahren weitgehend auf der Bereitschaft der Parteien auf, sich an ihnen zu beteiligen. Der Erfolg von Mediation setzt neben dem Willen zur Mitarbeit voraus, dass die Beteiligten die informellen Spielregeln des Verfahrens wenigstens teilweise beachten. Entscheidet eine Partei, ob Mediation ein für sie interessengerechtes Verfahren darstellen 27 kann, so muss sie neben der eigenen vor allem auch die potentielle Bereitschaft der anderen Seite beurteilen, sich an dem Verfahren auf dessen gesamte Dauer wahrhaft zu beteiligten. 1 Zu denken ist an bestimmte gesellschafts-, erb- und familienrechtliche Vereinbarungen, in bestimmten Ausnahmefällen die unbedingte GmbH-Geschäftsanteilsabtretung, den Erbverzicht, die Vereinbarung der Gütertrennung, jeweils soweit diese Vereinbarungen unentgeltlich erfolgen. 2 Soweit dies ohne Kompromiss mit anderen Belangen der Beteiligten möglich ist, schuldet der Vertragsjurist solche Gestaltungen als regelmäßig sichersten Weg; vgl. zum Haftungsmaßstab etwa (für Notare) BGH, Urt. v. 5.11.1962 – III ZR 91/61, DNotZ 1963, 308; Urt. v. 1.7.1969 – VI ZR 31/68, DNotZ 1969, 173; Urt. v. 23.3.1971 – VI ZR 177/69, DNotZ 1971, 591; Urt. v. 2.5.1972 – VI ZR 193/70, DNotZ 1973, 240; (für Rechtsanwälte) BGH, Urt. v. 24.3.1988 – IX ZR 114/87, MDR 1988, 770 = NJW 1988, 3013 (3015); Urt. v. 22.6.2006 – III ZR 259/05, NotBZ 2006, 316 = MDR 2007, 30 = DNotZ 2006, 912; Urt. v. 17.1.2008 – III ZR 136/07, MDR 2008, 473 = NJW 2008, 1321, sowie allgemein Langenfeld, Vertragsgestaltung, 3. Aufl. 2004, Rz. 217, und Scharpf, Die Wahl des sicheren Weges bei der Vertragsgestaltung, JuS 2002, 878. 3 S. etwa Zankl, Die anwaltliche Praxis in Vertragssachen, 1990, Rz. 295 ff., und Langenfeld, Vertragsgestaltung, 3. Aufl. 2003, Rz. 192 ff. 4 S. etwa Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 2003, Rz. 276 f. 5 Als einfaches Beispiel sei der Fall genannt, dass einer Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen eine unrichtige Stückelung dieser Geschäftsanteile zugrunde gelegt wurde. Die Abtretung kann dann wegen des Bestimmheitsgrundsatzes unwirksam sein. Zu einer erneuten Abtretung, d.h., um das gewünschte wirtschaftliche Ergebnis zu erzielen, kann dann die Teilung von Geschäftsanteilen erforderlich sein, die wiederum eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf (s. § 46 Nr. 4 GmbHG).
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Kap. 3 Rz. 28
Einführung
Wer die andere Seite für wankelmütig hält oder bezweifelt, dass sein Verhandlungspartner die Mediation intern – etwa gegenüber der Gesellschafterversammlung – durchsetzen kann, wird diesen Umstand als negativen Faktor in seine Beurteilung der Eignung von Mediation einbringen. 28
Dieser Aspekt soll hier mit dem Begriff der Verfahrenstreue belegt werden. Diese stellt einen der Faktoren dar, die es für eine abwägende Entscheidung über die Eignung von Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung zu beurteilen gilt. Dabei geht es zum einen um die Frage, ob und inwieweit ein bestimmtes Verfahren Verfahrenstreue objektiv erfordert. Während dies im Rahmen von Mediation und evaluativen Verfahren in einem erheblichen Maß der Fall ist, verhält es sich im Rahmen von Schiedsgerichtsbarkeit umgekehrt. Auch wenn hier keine Versäumnisurteile ergehen, kann eine die Mitarbeit verweigernde Partei in der Regel das Ergehen eines Urteils nicht verhindern.1 Der Verfahrensautomatismus von Schiedsgerichtsbarkeit ist hoch, derjenige von Mediation und evaluativen Verfahren niedrig, hinsichtlich der erforderlichen Verfahrenstreue verhält es sich dann gerade umgekehrt.
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Die Beurteilung von Verfahren auf den Aspekt der erforderlichen Verfahrenstreue betrifft auch deren zeitliche Erstreckung. Es geht um die Frage, ab welchem Zeitpunkt eines Verfahrens vollständiger oder doch weitgehender Vollzugsautomatismus eintritt. Während dies etwa im Rahmen der Mediation nicht vor einer Einigung der Fall sein wird, tritt im Rahmen etwa des Aufteilungs- und Auswahlverfahrens (s. Kap. 19) dann ein weitgehender Automatismus ein, wenn die Bildung zweier Hälften erfolgt ist. Ab wann weitgehender Verfahrensautomatismus eintritt, kann gewissermaßen auf einem Zeitstrahl dargestellt werden.
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In der konkreten Entscheidungssituation geht es hinsichtlich der Beteiligten auch um die subjektive Seite. Gefragt werden muss, ob die Beteiligten diejenige Verfahrenstreue, die nach der Art des Verfahrens objektiv erforderlich ist, subjektiv auch mitbringen. Auf das künftige Verhalten der anderen Seite und deren Überlegungen kann allerdings in der Regel nur mittelbar geschlossen werden. Anhand der vermuteten finanziellen und sonstigen Leistungsfähigkeit, allgemein der Interessen des Gegenübers und insbesondere anhand seines bisherigen Verhaltens, des Rufes sowie weiterer Indizien stellt jeder Beteiligte Vermutungen über das zu erwartende Verhalten des jeweils anderen an. Das eigene Verhalten, die Strategie, wird hieran orientiert. So darf etwa eine höhere Verfahrenstreue der anderen Seite erwartet werden, wenn zu vermuten ist, dass diese aufgrund ihrer wirtschaftlichen Interessenlage an der Aufrechterhaltung einer dauernden Geschäftsbeziehung interessiert oder hierauf gar angewiesen ist.
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Insgesamt bilden Vollzugsautomatismus und Verfahrenstreue regelmäßig wichtige Abwägungskriterien hinsichtlich der Eignung von Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung. 5. Beschaffenheit des Streitgegenstandes, Art des Konfliktes, Eskalationsstufe
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Auch aus der Beschaffenheit des Streitgegenstandes und der Art des Konfliktes lassen sich Vorgaben für die Eignung bestimmter Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung ableiten. Ein Verfahren wie das Aufteilungs- und Auswahlverfahren bietet sich an, wenn die auseinanderzusetzenden Vermögensgegenstände jeweils für sich, also im aufgeteilten Zustand, wirtschaftlichen Wert behalten, und zwar für jede der Parteien. Soll etwa ein Unternehmen auseinandergesetzt werden, so muss jede Seite in der Lage sein, jeden Betriebsteil unternehmerisch zu führen. Kostenübernahmevereinbarungen können einen Anreiz zu fairer Verhandlungsführung geben. Zu nennen ist etwa die Abrede, die einen Vergleichsvor1 S. § 1048 Abs. 3 ZPO.
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Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Rz. 36 Kap. 3
schlag des Neutralen ablehnende Partei trage die Rechtsberatungskosten der anderen Seite, falls sie nicht in dem nachfolgenden Gerichtsverfahren ein für sich besseres Ergebnis erzielt. Diese Abrede wird nur gut zum Einsatz kommen, wenn die Frage nach Gewinn und Verlust anhand eines homogenen linearen Maßstabes entschieden werden kann, wenn es also um einen überwiegend eindimensionalen monetären Interessengegensatz geht, nicht aber um unterschiedliche Konfliktdimensionen.1 Der Grad, zu dem ein Konflikt bereits eskaliert ist, bildet einen weiteren Messpunkt für das 33 Auffinden des richtigen Verfahrens. Verfahren, die Zusammenarbeit der Parteien erfordern, werden nicht selten dort kritisch gesehen, wo Vertrauen bereits weitgehend verloren ging. Der aufzusuchende Mediationsstil2 wird sich danach richten, wie die bisherige Kommunikation der Beteiligten einzuschätzen ist. 6. Einigungshindernisse Die einer Einigung entgegenstehenden Hindernisse erlauben Rückschlüsse darauf, welche Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung den Interessen gerecht werden und Erfolg versprechen. Weshalb konnten sich die Beteiligten bislang nicht einigen und welches Verfahren vermag den Interessengegensatz am ehesten zu lösen? Die fraglichen Einigungshindernisse werden hier nur erläutert, soweit sie zu wirtschaftlich nicht optimalen Entscheidungen führen können. Wer sich nicht einigt, weil er über bessere Alternativen verfügt, benötigt kein auf eine Einigung hinstrebendes Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung.
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a) Hindernisse im Verhandlungsprozess Eine erste Gruppe sachlicher Einigungshindernisse betrifft Fragen des Verhandlungsprozes- 35 ses. Was kann insoweit entgegenstehen und wie wird das Verhandlungsgeschehen optimiert, auf dass die Beteiligten mögliche und interessengerechte Einigungen auch erzielen? Die Erörterung beschränkt sich an dieser Stelle auf die Benennung der geeigneten Verfahren. Die Vielzahl der Mediationstechniken wird nicht dargestellt. aa) Strategisches Verhalten Strategisches Verhalten innerhalb des Verhandlungsprozesses dürfte das wichtigste Eini- 36 gungshindernis darstellen. Das Problem steht im Zusammenhang mit dem sog. Verhandlungsdilemma: Die Beteiligten müssen entscheiden, ob und inwieweit sie ihrem Gegenüber Informationen über ihre Interessenlage offenbaren, wobei mit der einen wie der anderen Vorgehensweise Risiken und Chancen verbunden sind. Wer Interessen übermittelt, erhöht die Chancen zur Erzielung von Kooperationsgewinnen (Wert schaffen, creating value), geht aber das Risiko ein, ausgebeutet zu werden. Wer dagegen mit verdeckten Karten spielt, erhöht seine Chancen, die andere Seite zu Konzessionen zu bewegen (Wert beanspruchen, claiming value), verschlechtert aber die gemeinsamen Chancen zur Erzielung von Kooperationsgewinnen. Er riskiert, dass interessengerechte Einigungen nicht erzielt werden können.3 Auch führen vielfach Intimitätsempfinden, Peinlichkeitsgefühle und Sorge um den eigenen Ruf 1 S. Eidenmüller, Hybride ADR-Verfahren bei internationalen Wirtschaftskonflikten, RIW 2002, 1, 8. 2 S. hierzu Duve, Mediation und Vergleich im Prozess – Eine Darstellung am Beispiel des Special Masters in den USA, 1999, 225 ff., und Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 27. 3 S. Lax/Sebenius, The Manager as Negotiator, 1986, 29 ff., und Mnookin/Peppet/Tulumello, Beyond Winning, 2000, 11 ff.
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Kap. 3 Rz. 37
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dazu, dass Interessen nicht offenbart werden. Kooperation im Verhandlungsgeschehen besteht zunächst einmal im Austausch von Information. Übermitteln von Information aber setzt – unter anderem – ein bestimmtes Maß an Vertrauen voraus. Regelmäßig findet sich jede Seite nur insoweit bereit in diesem Sinne zu kooperieren, als sie die andere Seite als ebenso kooperativ agierend wahrnimmt.1 37
Manche Verhandler folgen der Strategie, ausschließlich Wert zu beanspruchen und Kooperation zu verweigern. Sie stellen lediglich Forderungen im Sinne von einseitigen Positionen und treten dann in ein Ringen ein – meist über Zahlen –, das in einem Wettbewerb der Selbstbehauptung enden kann. Bei komplexen Interessengegensätzen mag dann die Effizienz des Prozesses der Entscheidungsfindung auf der Strecke bleiben. Typischerweise wird hoch geankert, also eine extreme Position in den Raum gestellt, um Spielraum für ein etwaiges Nachgeben zu erlangen. Man verschleiert möglichst seine Einigungsgrenze, d.h. das schlechteste Ergebnis, das man noch akzeptieren würde. Zugleich versucht man hinter die – vermutete – Täuschung der anderen Seite zu sehen und deren Einigungsgrenze zu erahnen. Damit werden aus taktischen Gründen unrichtige Informationen übermittelt, die vielfach ohne Glaubwürdigkeitsverlust nicht mehr richtig gestellt werden können. Weitere Taktiken wie etwa Drohungen oder Bluffs anderer Art können hinzukommen. Greifen beide Seiten in erster Linie auf solche, nur Wert beanspruchende Taktiken zurück, droht Eskalation. Es kann allenfalls ein rein distributives Ergebnis erzielt werden. Kooperationsgewinne entstehen nicht.2
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Wenn damit angedeutet ist, weshalb strategisches Verhalten ein Einigungshindernis darstellen kann, so fragt sich, welche Reaktionsmöglichkeiten im Sinne der außergerichtlichen Streitbeilegung vorliegen.
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Der Verhandlungsprozess selbst kann am ehesten durch Mediation positiv beeinflusst werden. Aus verschiedenen Gründen bestehen hier die besten Möglichkeiten, eine Verhaltensänderung hin zu mehr Kooperation zu erreichen.3 Auch können in getrennten und vertraulichen Gesprächen des Neutralen mit den Parteien (caucus) Einigungsmöglichkeiten ausgelotet werden, was die Probleme des Verhandlungsdilemmas ein Stück weit aufheben kann. Mediation stellt das Verfahren der Wahl dar, wenn es um die Erarbeitung von Kooperationsgewinnen geht.
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Daneben kann der Verhandlungsprozess neuen Regeln unterworfen werden. Im Verfahren der Mediation mit anschließender schiedsgerichtlicher Entscheidung (MedArb) etwa entsteht im Blick auf die sicher bevorstehende Schiedsgerichtsentscheidung erhöhter Einigungsdruck (s. Kap. 7 Rz. 12). Im Aufteilungs- und Auswahlverfahren entstehen andere Verhaltensanreize als diejenigen, die vom Verhandlungsdilemma ausgehen. Verhandlungen sind dann nur noch insoweit erforderlich, als es um das Aushandeln der verfahrenssteuernden Vereinbarungen geht. Gleiches gilt für Verfahren, die die Entscheidung einem neutralen Dritten überlassen, wie etwa Schiedsgutachten und Schiedsgerichtsbarkeit. Auch insoweit unterbleiben Verhandlungen, falls der neutrale Dritte nicht auch mediativ tätig wird. Das ganze oder teilweise Unterbinden des Verhandlungsprozesses in diesem Sinne verhindert allerdings weitgehend die Entdeckung möglicher Kooperationsgewinne. Solche Verfahren empfehlen sich daher vor allem dann, wenn es um einen vermutlich eher distributiven Interessengegensatz geht, wenn etwa im Blick auf die erreichte Eskalationsstufe kooperative Verhandlungen nicht mehr erhofft werden dürfen oder wenn mediative Verfahren wegen fehlender Verfahrenstreue ausscheiden. 1 S. Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 5. 2 Vgl. Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 1 ff. 3 S. etwa Golan, Mediating Legal Disputes, 2009, 179 ff., zu den Möglichkeiten und Techniken des Mediators.
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Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Rz. 45 Kap. 3
bb) Fehlender Settlement Event Viele Streitigkeiten können deshalb nicht beendet werden, weil die Parteien die zu treffen- 41 den Entscheidungen aufschieben. Dem liegt Verschiedenes zugrunde: Den Parteien ist es typischerweise unangenehm, von ihrer ursprünglichen, vielfach zu optimistischen Einschätzung der Situation abzurücken; sie vermeiden daher die Beschäftigung mit der Idee des Kompromisses, der der Niederlage doch immerhin nahe steht. Zugleich hoffen die Beteiligten, dass weitere Erkenntnisse und Entwicklungen ihre Situation verbessern werden. Rechtsberater vernachlässigen gelegentlich unangenehme Mandate. Vielen Streitigkeiten geht daher eine längere Entwicklungs- oder auch nur Stagnationsphase voraus. Ein gemeinsames Treffen, ein Settlement Event, wirkt dem entgegen: Alle Beteiligten rich- 42 ten ihre Aufmerksamkeit auf das Problem und anerkennen damit in gewisser Weise ihr Interesse, zu einer Einigung zu kommen. Insbesondere die Tatsache, dass alle erscheinen, ermöglicht den Parteien einen gewissen Optimismus und macht es dem Einzelnen damit leichter, kooperativ zu verhandeln oder doch wenigstens von seiner bisherigen Position graduell abzurücken. Zudem entsteht eine Atmosphäre des „Jetzt oder Nie“, die Anwälte und Parteien zwingt, sich mit der unangenehmen Frage des Nachgebens, mit dem Kompromiss, zu beschäftigen. Jede Seite sieht sich veranlasst, die Vorstellung des vollständigen Sieges infrage zu stellen, was regelmäßig heikle interne Verhandlungen, etwa zwischen Anwalt und Mandant, erfordert.1 Abermals werden sich insoweit Mediation und Kombinationen von Mediation mit anderen 43 Verfahren, wie etwa Schiedsgerichtsverfahren, am ehesten empfehlen. Auch nur evaluative Verfahren können positiv einwirken. cc) Uneinigkeit über den Verfahrensfortgang Innerhalb einmal begonnener Verhandlungen kann es zu Streitigkeiten über den Verfahrens- 44 fortgang kommen, etwa darüber, wann und wo erste Treffen stattfinden sollen, aufgrund welcher Umstände diese verzögert oder unterbrochen werden können und welche Taktiken als legitim eingesetzt werden dürfen, welcher Verhandlungsstil also aufgesucht werden soll. In all diesen Situationen kann ein neutraler Dritter mäßigend und vermittelnd einwirken. Gelegentlich müssen dann solche Verfahrensfragen selbst zum Gegenstand von Verhandlungen und Mediation gemacht werden. Ein Beispiel bildet der Streit über das Formulieren auszuhandelnder Verträge. In Verhand- 45 lungen, bei denen auf beiden Seiten anwaltliche Vertreter beteiligt sind, kommt es etwa häufig zu einem Ringen über das Vertragsverwaltungsmonopol. Wer formuliert den Vertrag und wer ist befugt Änderungen einzufügen? Gelegentlich scheitern Verhandlungen ohne Mediator bereits an diesem Punkt, nachdem mit der erstmaligen Festlegung des Vertragstextes unbestreitbare Vorteile verbunden sind.2 Vom Blick der außergerichtlichen Streitbeilegung her empfiehlt sich dann das Formulieren des Vertrages durch einen neutralen Dritten (meist ei-
1 S. Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 22 f. 2 S. etwa Ritterhausen/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 2003, Rz. 67, die ausführen, es gelte, die Entwurfsregie zu erringen, um auf diese Weise auch die Gesprächsführung dominieren zu können. Parteilich ausgerichtete Vertragsgestaltung müsse danach aus strategischen Gründen die Entwurfserstellung möglichst vor die Verhandlungsphase stellen (s. Ritterhausen/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2000, Rz. 96 und 98; ähnlich Ritterhausen/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 2011, Rz. 316 und 318). Ähnlich Zankl, Die anwaltliche Praxis in Vertragssachen, 1990, Rz. 233 ff.
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Kap. 3 Rz. 46
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nen Notar), also Vertragsmediation, die die effiziente Erarbeitung interessengerechter Verträge erlaubt.1 dd) Fehlende Autorität von Vertretern, Nichtteilnahme wesentlicher Parteien und Interessenträger 46
Gelegentlich fehlt es Vertretern in Verhandlungen an der Autorität, verbindliche Abreden zu treffen. Für die andere Seite besteht dann der Verhaltensanreiz, abschließenden Kompromissen vorläufig noch nicht näher zu treten und Bewegungsspielräume nicht offen zu legen. Denn in solchen Situationen kann es dazu kommen, dass die übergeordnete Ebene zu einem späteren Zeitpunkt weitere Kompromisse einfordert, und zwar ausgehend von dem bereits Erreichten. Unter Berufung auf eine außenstehende Autorität neues Entgegenkommen zu verlangen, stellt auch eine gelegentlich bewusst eingesetzte Taktik dar.2 Da jede Seite um diese Möglichkeiten weiß, kommt es bei zweifelhafter oder fehlender Autorität der Verhandler zu strategischem, den Prozess der Einigung behinderndem Verhalten.
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Außergerichtliche Streitbeilegung kann hier zunächst durch einen fähigen Mediator helfen, der frühzeitig die Frage des Umfangs der Verhandlungsbefugnis klärt und sich ggf. bemüht, verdeckt bleibende Auftraggeber einzubeziehen. Vorbeugende Vereinbarungen sehen nicht selten Klauseln vor, die in der Praxis mit den Stichworten Eskalation auf eine höhere Hierarchiestufe oder Step Clause (s. Kap. 4 und Kap. 6) bezeichnet werden: Für den Fall der Mediation, Evaluation oder sonstiger Vergleichsverhandlungen verpflichtet sich jede Seite, Führungskräfte eines bestimmten Hierarchieniveaus oder solche mit einer bestimmten Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis mit den Verhandlungen zu betrauen. Nehmen wesentliche Parteien oder Interessenträger an Verhandlungen, insbesondere an Mediation, nicht teil, so kann es vielfach zu keiner abschließenden Lösung kommen. Auch dieser Aspekt stellt ein Eignungskriterium für Mediation und evaluative Verfahren dar und ist vorab zu erwägen. b) Sachliche Einigungshindernisse
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Neben den bereits geschilderten finden sich weitere sachliche Hindernisse einer Einigung. Sie stehen im Zusammenhang mit den den Parteien zur Verfügung stehenden Informationen und ihrer spezifischen Interessenlage. aa) Inkonsistente Interessen, Interessengegensätze zwischen Vertreter und Vertretenem
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Die Interessen jeder Seite stellen sich in der Regel als nicht einheitlich dar. Das Klären der Präferenzen unter den einander widersprechenden Interessen bildet eine der Aufgaben des Mediators wie auch des beratenden Parteivertreters.
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Auch finden sich unterschiedliche Interessen zwischen Vertretern und Vertretenen, die zu Einigungshindernissen führen können. Vertreter unterliegen Verhaltensanreizen, die auf ihren Eigeninteressen beruhen, und richten ihre Handlungen unter Umständen nach diesen ebenso aus, wie dies Parteien tun, die sich bemühen, Kosten zu verringern. So unterliegen etwa anwaltliche Vertreter dem Verhaltensanreiz, durch ambitionierte, auf ein einseitig vorteilhaftes Ergebnis abzielende Verhandlungsführung den Mandanten an sich binden zu wollen. Solches Vorgehen trägt das Risiko in sich, dass Verhandlungen auch dort scheitern, wo 1 S. Walz in Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 49 Rz. 22 ff. 2 S. etwa Craver, The Art of Negotiation in the Business Wold, 2014, 69 (§ 8.02.J); Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 47.
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Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Rz. 54 Kap. 3
interessengerechte Einigungen möglich gewesen wären.1 Es ist nur dann im Interesse des Mandanten, wenn dieser Risiken dieser Art in Kauf nimmt. Innerhalb größerer Einheiten, wie etwa Unternehmen und Behörden, stellen sich nicht selten einzelne Personen interessengerechten Einigungen deshalb entgegen, weil dadurch ihre früheren Einlassungen und Entscheidungen infrage gestellt würden oder aber Zuständigkeiten und die Mittelverwendung innerhalb ihrer Einheit für sie nachteilig verändert würden. Ihr Eigeninteresse an Reputation, Karriere und Verdienst nimmt dann Einfluss auf ihr Verhalten. Die Techniken der außergerichtlichen Streitbeilegung können hier entgegenwirken. Ge- 51 schickte Verhandler, die mit einem wie auch immer destruktiven Parteivertreter der anderen Seite konfrontiert sind, können ein Mediationsverfahren vorschlagen, um erstmals direkten Zugang zum gegnerischen Mandanten zu erhalten. Der von anderen Verhaltensanreizen bestimmte Mediator mag in der Lage sein, den Einfluss von Vertretern zu verringern, welche sich interessenwidrig verhalten. Evaluative Verfahren werden Vertreter tendenziell davon abhalten, durch tendenziöse Darstellung der Erfolgsaussichten von Klageverfahren frühzeitige Kompromisse unwahrscheinlich zu machen. bb) Versteckte Interessen, Erwartungen der Parteien Mediation stellt vielfach auch das Verfahren der Wahl dar, wenn es gilt, versteckt gebliebene 52 Interessen, die einer Einigung entgegenstehen, einbeziehen zu können. Solche, zunächst nicht offenbarten Problemfelder finden sich vielfach. So bezieht sich ein Streitfall über eine Handelsvertreterprovision zunächst auf einen bestimmten Geldbetrag. Nicht selten wird dieser Einzelposten aber einen Bestandteil eines umfassenderen Interessengegensatzes bilden, der etwa die Fortführung des Handelsvertreterverhältnisses insgesamt betrifft. Dann mag es erst die Erweiterung des Verhandlungsgegenstandes sein, die eine Einigung ermöglicht. Nicht selten auch werden Streitigkeiten in Verhandlungen als eindimensional monetäre Probleme behandelt, versteckt bleibende weitere Interessen – etwa emotionaler Art – machen u.U. die Einigung schwierig. Auch die Erwartungen der Parteien spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Vielen Parteien 53 ist lediglich an einer kosteneffizienten und zeitnahen Lösung des wirtschaftlichen Problems gelegen. Andere verlangen, in der Regel eher zwischen den Zeilen, eine öffentliche, typischerweise gerichtliche Würdigung ihres Falles. Das geeignete Verfahren wird diesen Ansprüchen meist gerecht werden müssen, soll es Erfolg versprechen. Evaluative Verfahren können hier in abgekürzter Zeit gewisse Ergebnisse erzielen, Mediation gewährleistet in der Regel, dass die Beteiligten ausreichend zu Wort kommen. Andere Verfahren, wie schiedsgutachterliche Lösungen und Verfahren zur Auseinandersetzung, wie etwa die Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote, leisten hier weniger. cc) Fehlende und fehlerhafte Information Auch fehlende Information kann die Einigung behindern. Kaum eine Partei wird sich auf 54 der Basis unsicherer Information auf abschließende Vergleiche einlassen, nachdem hiermit typischerweise der Verzicht auf weitere Ansprüche verbunden ist.2 Solange der Einzelne seinen vermeintlichen Anspruch nicht zu beurteilen vermag, kann er die wirtschaftliche Bedeutung von Kompromissen nicht zutreffend einschätzen. Erst umfassende Information schützt vor Übervorteilung. Deshalb bestehen ausscheidende Gesellschafter auf Einsicht in 1 Vgl. Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 158 f., und allgemein Bülow in Walz (Hrsg.), Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 99 ff. 2 S. Golan, Mediating Legal Disputes, 2009, 124.
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Kap. 3 Rz. 55
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Bilanz und Buchhaltung und verlangen Pflichtteilsberechtigte umfassende Auskunft. Selbst wenn Information übermittelt ist, bestehen meist Zweifel an deren Vollständigkeit und Richtigkeit und fast stets werden – je nach Interessenlage – unterschiedliche Schlussfolgerungen aus den verfügbaren Daten gezogen. 55
Gemeinsame Faktenermittlung unter Anleitung eines neutralen Dritten kann zur Klärung dieser unvermeidlichen Erscheinungen des Verhandlungsgeschehens beitragen. Gleiches gilt für die Evaluation durch den Mediator wie auch im Rahmen der speziell evaluativen Verfahren. Bewertungsfragen können, durch Schiedsgutachterabreden einer Lösung zugeführt werden. Es gilt individuelle Verfahren zu formen, die geeignet sind, Vertrauen in die Beurteilungsgrundlagen zu schaffen. Im Bereich der Immobilienbewertung etwa werden nicht selten Gutachter oder auch nur Makler als außenstehende Experten um eine rechtlich unverbindliche Meinungsäußerung gebeten, ohne dass hierin ein Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung gesehen würde.1 c) Kognitive Einigungshindernisse
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In Verhandlungen bestimmt sich das eigene Verhalten vor allem auch nach dem vermuteten künftigen Verhalten der anderen Seite innerhalb des Verhandlungsgeschehens. Nachdem dieses kaum je sicher vorausgesagt werden kann, werden die fraglichen Entscheidungen in einer unsicheren Situationen getroffen. Wie dies geschieht, gibt Aufschluss über einige Einigungshindernisse, die kognitiven Charakter aufweisen. Der Mensch scheint unter Bedingungen der Unsicherheit zu bestimmten Vereinfachungsstrategien zu neigen, die als Entscheidungsstrategien (judgemental strategies) bezeichnet werden können. Diese an sich notwendigen Strategien, welche wegen der damit verbundenen Vereinfachung auch kognitive Illusionen (cognitive illusions) genannt werden, können zu inkonsistenten oder irrationalen Entscheidungen führen und damit Einigungshindernisse darstellen.2 Soweit es um irrationales Verhalten der Beteiligten geht, sei angemerkt, dass dieses seiner Eigenart nach von der betreffenden Partei für sich selbst meist nicht wahrgenommen, allenfalls vermutet werden kann. Vielfach steht die Analyse des Verhaltens der anderen Seite im Vordergrund. Erst die Einbeziehung neutraler Personen kann umfassender Abhilfe schaffen. aa) Überoptimismus
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Beide Seiten eines Rechtsstreits unterstellen in der Regel, ihre Chance zu gewinnen liege erheblich über 50 %. Die Parteien sind zu optimistisch, und zwar umso mehr, je weniger sie wissen.3 Unter anderem mag dies an der verinnerlichten und an sich zutreffenden Erkenntnis liegen, dass derjenige, der optimistisch gestimmt ist, über bessere Chancen auf ein gutes Verhandlungsergebnis verfügt.4 Wer an seinen Erfolg glaubt, verhandelt besser und möglicherweise deshalb neigen Menschen zu Überoptimismus. Dieser verbaut allerdings die Chancen auf eine Einigung, insbesondere dann, wenn die andere Seite ebenso optimistisch in die Verhandlungen geht.
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Vielfach ermöglicht dann erst die Evaluation einer neutralen Instanz eine Einigung. Ein solcher Realitätstest nähert die Parteien einander an und dämpft den genannten Effekt. Au1 Eine Fehleinschätzung der Prozessaussichten beruht regelmäßig auf dem sogleich als kognitives Phänomen anzusprechenden Überoptimismus der Parteien (s. Rz. 57 ff.). Sie stellt aber auch dann ein Einigungshindernis dar, wenn sie auf fehlerhafter Information beruht. S. allgemein Kahnemann, Schnelles Denken, Langsames Denken, 12. Aufl. 2011, 323 ff. 2 S. Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 123 m.w.N. 3 Kahnemann, Schnelles Denken, Langsames Denken, 12. Aufl. 2011, 323 ff. 4 S. Shell, Bargaining for Advantage, 2. Aufl 2006, 26 ff.
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Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Rz. 63 Kap. 3
ßergerichtliche Streitbeilegung stellt insoweit spezielle evaluative Verfahren zur Verfügung, die sich vor allem diesem Einigungshindernis widmen. Auch Mediatoren bedienen sich der Evaluation, vielfach aber eher durch Anwendung einer Fragetechnik als durch unmittelbare rechtliche Beurteilung. Inwieweit Mediatoren die Rechtslage evaluieren sollen, ist innerhalb der Mediationsliteratur umstritten.1 Dispute Boards sind gut geeignet, Parteien eine realistische Einschätzung davon zu geben, wie eine neutrale Instanz den Fall wahrnimmt.
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bb) Selektive Wahrnehmung, fehlerhafte Zuschreibungen Hat sich eine Person im Verhandlungsgeschehen auf ein bestimmtes Ergebnis und damit ei- 60 ne Sicht der Dinge festgelegt, so ist nicht selten selektive Wahrnehmung die Folge. Wohl weil der Mensch eine konsistente Weltsicht bewahren will, fällt es ihm häufig schwer, Informationen unvoreingenommen wahrzunehmen, die seiner bisherigen Sicht der Dinge widersprechen. Infolge dieses Phänomens filtern Parteien und deren Vertreter in Verhandlungen die angebotenen Informationen und lassen in erster Linie diejenigen Daten in ihr Bewusstsein eindringen, die ihre eigene Sicht der Dinge bestätigen.2 In vielen Rechtsstreitigkeiten wird dies mehr als deutlich: Die Parteien beginnen mit einer festgelegten Sicht der Dinge und einer negativen Auffassung von ihrem Gegner. In der Folge weigern sie sich, Informationen wahrzunehmen, die dem widersprechen; dem unbeteiligten Beobachter erscheinen sie dann als uneinsichtig. Auch stellen die Beteiligten Überlegungen über die Intentionen der anderen Seite und darü- 61 ber an, welche Gründe deren Handlungen zugrunde liegen, wobei es auch insoweit zu Fehlwahrnehmungen kommen kann, die Einigungen behindern. So schreibt die Mehrzahl der Menschen die unliebsamen Handlungen ihres Verhandlungspartners dessen Charakter zu, während tatsächlich sehr viel häufiger äußere Umstände maßgebend sind, die der Situation entstammen.3 Außergerichtliche Streitbeilegung kann hier durch mediative und evaluative Verfahren einwirken. Jeweils kann der neutral und unvoreingenommen beurteilende Dritte auf die Parteien einwirken und sich bemühen, selektive und verzerrte Wahrnehmungen der Situation und der jeweils anderen Partei zurechtzurücken.
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cc) Reaktive Abwertung Reaktive Abwertung bezeichnet das Phänomen, dass Vorschläge, die von einer als Gegner wahrgenommenen Person stammen, typischerweise weniger Anklang finden, als dies bei Vorschlägen aus dem eigenen Lager oder von neutraler Seite der Fall ist. Die Einlassungen der anderen Seite werden abgewertet. Dem scheint die Annahme zugrunde zu liegen, dasjenige, was ein Gegner anbietet, könne nicht von Wert sein. Ein Vorschlag wird daher nicht 1 Im Anschluss an Riskin, Understanding Mediators’ Orientations, Strategies, and Techniques: A Grid for the Perplexed, Harvard Negotiation Law Review, 1996, 7 ff., kann zwischen dem „evaluative approach“ und dem „facilitative approach“ unterschieden werden. Während es nach dem erstgenannten Ansatz (auch) darum geht, den Parteien die Stärken und Schwächen ihrer Position mit deutlichen Worten nahe zu bringen, verfolgt der Mediator nach dem zweitgenannten Ansatz dieses Ziel allenfalls auf indirektem Wege, nämlich durch entsprechende Fragen. 2 S. Kahnemann, Schnelles Denken, Langsames Denken, 12. Aufl. 2011, 106 ff. 3 S. Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 128 ff., allgemein zum Problem der attributiven Zuschreibungen und Heen/Patton/Stone, Difficult Conversations, 2. Aufl. 2010, 10 und 44 ff., die sich mit der Zuschreibung von Intentionen beschäftigen.
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Kap. 3 Rz. 64
Einführung
selten unterschiedliche Reaktionen und Einschätzungen hervorrufen, je nachdem woher dieser Vorschlag stammt.1 64
Abhilfe können diejenigen Verfahren schaffen, die neutralen Dritten erlauben, Einigungsvorschläge zu unterbreiten, vor allem also mediative und zu einem bestimmten Grad auch evaluative Verfahren. dd) Verlust-Vermeidung, Saving Face
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Menschen gehen höhere Risiken ein, um Ereignisse zu vermeiden, die sie subjektiv als Verlust empfinden, als sie dies tun, um identische Gewinne zu erzielen. Was Verlust in diesem Sinne bedeutet, stellt dabei eine subjektive Festlegung dar und richtet sich nach dem gewählten Referenzpunkt.2 Das hieraus resultierende Verhalten mag dem Außenstehenden dann irrational erscheinen. Hat etwa ein anwaltlicher Vertreter seiner Partei einen voraussichtlich zu erzielenden Betrag genannt, so scheint häufig ein geringerer Betrag einen Verlust darzustellen.3 Die Kategorie Verlust richtet sich offenbar danach, was die betreffende Partei zunächst erhofft, auf was sie sich gewissermaßen eingestellt hat. Eine spezielle Ausprägung dieses Phänomens stellt das Problem der sog. versunkenen Kosten (sunk costs) dar.4 Vor die Entscheidung über einen Kompromiss gestellt, berücksichtigen viele Menschen auch diejenigen Kosten und Mühen, welche sie in der Vergangenheit aufgewandt haben. Für eine rationale Entscheidung dürfen demgegenüber nur künftige Investitionen mit künftigen Gewinnchancen und Risiken abgewogen werden. Es entsteht eine Verstrickungssituation, die wohl darauf beruht, dass der Einzelne das Gefühl vermeiden will, etwas verloren zu haben. Typischerweise wollen sich Parteien beispielweise nicht auf einen Betrag einigen, der weniger als dasjenige darstellt, was sie bereits an Anwalts- und Gerichtskosten verauslagt haben. Man glaubt, zu viel investiert zu haben.
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Auch insoweit stellt Mediation das Verfahren der Wahl dar: Hier kann der neutrale Dritte auf die Parteien im Sinne einer rationalen Entscheidung einwirken und Einigungen so formen, dass diese möglichst wenig als Verlust empfunden werden.
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Menschen wollen im Übrigen nicht nur finanzielle Verluste, sondern allgemein das Gefühl vermeiden, sich in der Vergangenheit falsch oder sinnlos verhalten zu haben. Dieses Phänomen wird meist mit dem Stichwort der Gesichtswahrung angesprochen. Es dürfte mit Verlust-Vermeidung verwandt sein, wie schon der Begriff Gesichtsverlust nahe legt. Um eine interessengerechte Einigung vereinbaren zu können, ist es nicht selten erforderlich, eine Interpretation der Situation zugrunde zu legen, die die Handlungen und Einlassungen der Beteiligten in der Vergangenheit als sinnvoll und richtig oder doch wenigstens als folgerichtig erscheinen lässt. Geschickte Verhandler verstehen es, Gesichtswahrung der anderen Seite nicht nur zu erlauben, sondern von sich aus zu entwickeln.5 Mediatoren vermögen aus ihrem neutralen Blickwinkel und aufgrund ihres überlegenen, meist in getrennten Einzelverhandlungen mit den Parteien gewonnenen Wissens besser als Parteien, gesichtswahrende Interpretationen der Situation in die Verhandlungen einzuführen. Auf diese Weise steigt die Wahrscheinlichkeit, wirtschaftlich sinnvolle Einigungen auch vereinbaren zu können. 1 S. Golan, Mediating Legal Disputes, 2009, 105 f. 2 S. Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 125 ff. 3 Der einmal genannte Betrag entfaltet dann die Wirkung eines Ankers; s. Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 127. 4 S. Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 133 f., Golan, Mediating Legal Disputes, 2009, 108 f.; Eidenmüller/Duve/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011, 31; Haft, Verhandlung und Mediation, 2. Aufl. 2000, 197 ff., spricht von Verstrickung. 5 S. Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 134 f.
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Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Rz. 71 Kap. 3
ee) Komplexität Komplexität in Verhandlungen kann insbesondere auf der Vielzahl der zu verhandelnden 68 Gegenstände1 und einer Vielzahl von beteiligten Personen2 beruhen. Nicht selten zeigen sich die Beteiligten dann überfordert (cognitive overload3) und entwickeln keine wirksamen Strategien, um mit dieser Verhandlungssituation umzugehen. Auch insoweit zeigt sich Mediation als das Verfahren der Wahl, nach dem ein in Verhandlungen dieser Art erfahrener neutraler Dritter durch eine Vielzahl von verfahrensbezogenen Eingriffen die Verhandlungen optimieren kann. Bezogen auf Verhandlungen mit vielen Beteiligten seien beispielhaft die Förderung von Koalitionsbildung und von Informationsaustausch innerhalb von Koalitionen und Delegationen genannt. ff) Starke Emotionen Auch starke Emotionen bilden Einigungshindernisse, auf die im Verfahren der Mediation bestmöglich reagiert werden kann. Der neutrale Dritte kann – mehr als ein Richter oder Schiedsrichter – individuell auf die Parteien eingehen und deren vielfach über den finanziellen Aspekt hinausgehenden Interessen berücksichtigen.
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d) Gesamtschau Die Gesamtschau der möglichen Einigungshindernisse lässt deutlich werden, dass das Ver- 70 fahren der Mediation die umfassendsten Möglichkeiten zur Überwindung von Einigungshindernissen bietet. Hierin liegt auch der Grund, weshalb die öffentliche Diskussion um Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung überwiegend Mediation behandelt. Wie in keinem anderen Verfahren besteht hier die Chance, auf das Verhalten der Beteiligten innerhalb von Verhandlungen Einfluss zu nehmen, um auf diese Weise Kommunikation und Kooperation zu optimieren.
III. Anmerkungen zur Vertragsgestaltungslehre Die Beschäftigung mit außergerichtlicher Streitbeilegung und ihren vertraglichen Möglich- 71 keiten lenkt die Aufmerksamkeit auf die Vertragsgestaltungslehre. Diese befasst sich traditionell vor allem mit der Umsetzung der Ziele der Beteiligten in einen Vertragstext, nicht aber mit der Vielzahl der abzuwägenden Entscheidungen, die es auf dem Weg zu einem bestimmten Vertragsschluss zu treffen gilt. Der Prozess bis zum Abschluss einer verfahrenssteuernden Vereinbarung kann mit dieser traditionellen Sicht nicht vollständig beschrieben werden, was den Verdacht nahe legt, es werde ein zu enger Bildausschnitt zugrunde gelegt. Ein Weiteres kommt hinzu: Weil neutrale Vertragsgestalter unvermeidlich mediative Techniken einsetzen, muss Vertragsgestaltung durch Neutrale von der Vertragsgestaltung durch Parteivertreter unterschieden werden. Der Blick auf die meditativen Funktionen des neutralen Vertragsjuristen erlaubt auch, die Bedeutung der sog. Vertragstypenlehre zu erkennen.
1 S. Kapfer in Walz (Hrsg.), Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 75 ff. 2 S. Schwarz in Walz (Hrsg.), Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 65 ff. 3 S. insgesamt Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 135 ff.
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Kap. 3 Rz. 72
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1. Gestaltende Planung 72
Die eigentliche Festlegung des Textes kann als gestaltende Planung oder Vertragsgestaltung im engeren Sinne bezeichnet werden. Sie setzt die Sachziele der Beteiligten voraus und betrifft die Arbeit am Wortlaut des Vertrages. „Wer einen Vertrag schließt, will persönlich oder wirtschaftlich etwas erreichen. Ausgangspunkt jeder Vertragsgestaltung ist daher das Vertragsziel.“1 Dabei werden nicht selten Erfüllungs- und Risikoplanung unterschieden. „Parteien schließen Verträge, um bestimmte Sachziele für eine bestimmte Gegenleistung (insbesondere einen bestimmten Preis) zu erreichen. Die Vertragsplanung, die diese Sachziele verwirklicht, kann man als Erfüllungsplanung bezeichnen.“2 Dem wird dann die Risikoplanung gegenübergestellt, bei der es um den Schutz „gegen das Risiko von Verlusten (Kosten) bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung [geht]. Sie soll die Verwirklichung der Risikovermeidungsziele … sicherstellen.“3
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Wenn auf diese Weise die Ermittlung und Verwirklichung der Sachziele der Vertragsparteien in den Vordergrund gestellt werden, so ist vorausgesetzt, dass diese weitgehend feststehen. 2. Eignungsplanung
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Tatsächlich können die Beteiligten vielfach allenfalls ihre Interessen formulieren. Die Festlegung abschließender Ziele scheitert nicht selten daran, dass diese Interessen untereinander im Widerspruch stehen. Wer glaubt einen Schadensersatzanspruch gegen einen Dauerkunden zu haben, wird sowohl über das Interesse an der Zahlung verfügen als auch über das Interesse, die Geschäftsbeziehung zu diesem Kunden nicht zu beschädigen. Zudem wünscht er eine möglichst hohe Zahlung, wie sie vielleicht nur vor Gericht durchzusetzen ist, allerdings umgehend, also ohne die Verzögerungen und Kosten aufgrund eines Gerichtsverfahrens. Er will einerseits Ersatz seines Gewinns, andererseits seine Kalkulation und Gewinnspanne nicht offen legen. Die andere Seite mag den Sachverhalt ganz anders sehen und über eine ähnliche Ansammlung einander widersprechender Interessen verfügen. Die Vereinbarung und Ausgestaltung eines Verfahrens der außergerichtlichen Streitbeilegung setzt in solchen Fällen eine Vielzahl abwägender Entscheidungen auf beiden Seiten voraus. Insbesondere müssen die Interessen und die insoweit bestehenden Präferenzen ermittelt werden. Die Tätigkeit des verfahrenssteuernden Vertragsjuristen wäre dann verkürzt beschrieben, würde man lediglich von einer Ermittlung der Sachziele sprechen.
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Diese Vorstufe des Gestaltungsprozesses kann mit dem Begriff Eignungsplanung belegt werden. Es geht um die grundsätzliche Eignung eines bestimmten Vertrages oder Verfahrens, den Interessen der Beteiligten gerecht zu werden. Die Sachziele der Beteiligten müssen regelmäßig erst erarbeitet werden. Hierin liegt eine der wesentlichen Aufgaben insbesondere des neutralen Vertragsjuristen. Interessenermittlung, Sachverhaltserforschung, Willensermittlung und Textgestaltung bilden einen einheitlichen dynamischen Prozess. Überlegungen hinsichtlich von Verfahrenstreue, Steuerung der Verhaltensanreize oder der Natur der zugrunde liegenden Einigungshindernisse bilden Abwägungskriterien, die auf dieser ersten Stufe anzusiedeln sind.
1 Zankl, Die anwaltliche Praxis in Vertragssachen, 1990, Rz. 269; s.a. Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 2003, Rz. 239 ff. 2 Rehbinder, Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 1993, 4 (A.III.1.); vgl. auch Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 2003, Rz. 238 ff., 268 ff. 3 Rehbinder, Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 1993, 4 (A.III.2.).
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Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Rz. 79 Kap. 3
3. Vertragstypik und Vertragsgestaltung Die Vertragstypenlehre stellt die methodische Erklärung des Phänomens dar, dass sich 76 Vertragsgestalter in aller Regel an bestimmten, wiederholt eingesetzten Vertragstypen und -mustern orientieren.1 In diesen Vertragsmustern legt jedenfalls der neutrale Vertragsjurist sein typologisch erworbenes Erfahrungswissen darüber nieder, was eine ausgeglichene, interessengerechte und praktikable Vertragsgestaltung ausmacht. Dabei wird er zuerst durch Vergleichen entscheiden, welchem Typus eine Interessenlage am ehesten zugeordnet werden kann, um dann aus dem einschlägigen Muster den im Einzelfall passenden Vertrag zu entwickeln. Das vorliegende Buch etwa unternimmt es, dem Praktiker solche Vertragsmuster für den Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung zur Verfügung zu stellen. Verfehlt wäre es allerdings, den Vertragsjuristen als Instrument zur Durchsetzung des Ver- 77 tragstypus zu verstehen.2 Eine wohlmeinend-patriarchalische Vertragsgestaltung, die versucht, den Beteiligten Inhalte vorzuschreiben, passt schlecht zur Idee der Vertragsfreiheit und damit der Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten. Auch offenbaren die Beteiligten dem Vertragsjuristen aus verschiedensten Gründen nur ausgewählte Interessen, wozu sie ohne weiteres berechtigt sind.3 Zudem geht es stets um eine Beurteilung auf der Basis der Werte der Beteiligten, nicht der des Vertragsjuristen. Damit können es nur die Beteiligten sein, die die Interessengerechtigkeit einer Einigung abschließend beurteilen. Die privaten wie fachlichen Wertungen des Vertragsjuristen und auch diejenigen der Juristenzunft4 müssen daher nicht selten zurückstehen. Für neutral agierende Vertragsjuristen kommt Folgendes hinzu: Derjenige Neutrale, der einen bestimmten, ihm vorschwebenden Interessenausgleich zu erzwingen sucht, wird schnell selbst zur Partei und gefährdet so seine Stellung als Neutraler.5 4. Vertragsgestaltung durch Parteivertreter und Neutrale a) Parteiliche Vertragsgestaltung Insbesondere anhand der angesprochenen Vertragstypenlehre werden die Unterschiede zwi- 78 schen Vertragsgestaltung durch neutrale und parteiliche Juristen deutlich. Der Vertragstypus und das daraus abgeleitete Vertragsmuster stellen für Neutrale wie für Parteivertreter eine Know-how-Ressource dar; typische Gefahren, Interessengegensätze, Vollzugs- und Praktikabilitätsprobleme sind hier geregelt und vielfach auch überwunden, was den Beteiligten Rechtssicherheit und Kooperationsgewinn verschafft. b) Neutrale Vertragsgestaltung Die Vertragstypik des Neutralen geht hierüber hinaus: Die fraglichen Interessengegensätze 79 und Probleme sind hier keiner nur einseitigen, sondern einer ausgeglichenen Lösung zugeführt; das jeweilige Muster bemüht sich, die Interessen beider Seiten so zu berücksichtigen, dass keiner Partei einseitig Risiken und Nachteile aufgebürdet werden. Der Neutrale legt 1 S. hierzu insgesamt die Darstellung von Langenfeld, Vertragsgestaltung, 3. Aufl. 2003, 25 ff. 2 So noch Langenfeld, Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 1997, etwa bei Rz. 57 ff., 101, 436 ff. und insbesondere Rz. 529: „Die entscheidende Rolle bei der Durchsetzung der Vertragstypenlehre spielt der Vertragsjurist. … Verfahren bewirkt Legitimation nur dann, wenn es inhaltliche Vorgaben hat. Die Vertragstypenlehre gibt dem kautelarjuristischen Verfahren Inhalt und Ziel.“ 3 Es findet sich beispielsweise keine Vorschrift, die zu einer erschöpfenden Information des Notars verpflichtet. 4 Vgl. den von Langenfeld, Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 1997, Rz. 80, angesprochenen „Konsens der Fachleute“. 5 S.a. Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 167.
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Kap. 3 Rz. 80
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damit sein Erfahrungswissen darüber nieder, wie ein angemessener Interessenausgleich im Normalfall erfolgen kann, und ermöglicht die Weitergabe dieses Wissens. Auf die Vertragsgestaltung des Neutralen nehmen im Übrigen auch dessen Wertungen Einfluss. Solche Wertungen entstammen jedoch der Berufserfahrung, etwa des Notars, sowie dessen vertragsgestaltenden Fähigkeiten und Erfahrungen, wonach bestimmte Vertragstypen oder typisierte Teilregelungen einen gerechten Ausgleich für bestimmte Interessenlagen bilden. Diese Wertungen des Neutralen dürfen daher fachlich genannt werden; sie stehen nicht im Widerspruch zum Gebot der Unparteilichkeit. Dass die Wertungen des neutralen Dritten nicht diejenigen der Parteien sein können, kennzeichnet im Übrigen jede mediative wie auch vertragsgestaltende Tätigkeit. Der ohne Bezug zum konkreten Fall und anhand einer Vielzahl von Fällen erarbeitete Vertragstext bündelt die fachlichen Wertungen des Neutralen. 80
Notare etwa verfügen lediglich über Vertragsmuster, die dem gerecht werden oder doch gerecht werden wollen. Käufer- oder verkäuferfreundliche, also bewusst einseitige Muster, werden nicht vorgehalten. Auch die maßgeblichen deutschen Vertragshandbücher differenzieren nicht in dieser Weise, was auch auf der Tatsache beruhen mag, dass solche Veröffentlichungen nicht selten in einer notariellen Tradition stehen.1
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Für den Neutralen bedeutet seine Vertragstypik daher eine Zweifaches: Sie stellt eine Knowhow-Ressource dar und bildet einen Maßstab seiner Neutralität, Letzteres sowohl im Rahmen der eigentlichen Textarbeit als auch im Rahmen seines Wirkens als Verhandlungshelfer. Die Vertragstypik bietet dem Neutralen nicht nur Erfahrungswissen, sondern vor allem diejenige Vorgabe, an der er seine vertragsmediativen Interventionen wie auch seine Vorgaben an die Vertragsgestaltung orientiert. Der Vertragstypus bildet damit überall dort den Ausgangspunkt des Neutralen, wo kein konkretes Verhandlungsergebnis vorliegt. Evaluiert ein Notar oder sonstiger Vertragsmediator im Rahmen des Verhandlungsgeschehens einen parteilichen Gestaltungsvorschlag, so wird er seine Vertragstypik zugrunde legen. Erstellt er einen Vertragsentwurf, so kann dieser deshalb mit dem Prädikat der Neutralität versehen werden, weil er sich an eben dieser Vertragstypik orientiert. Hinter konkreten Verhandlungsergebnissen muss der Vertragstypus jedoch zurücktreten, jedenfalls dann, wenn diese unter Bedingungen der verfahrensmäßigen Fairness zustande kamen.2 Indem der Neutrale die so getroffenen Entscheidungen der Beteiligten über seine eigenen – fachlichen wie privaten – Wertungen setzt, achtet er deren Vertragsfreiheit. Die Ergebnisverantwortung des Neutralen kann daher nur eine graduelle sein. Verfahrensgarantien auf dem Weg zur Einigung – etwa in Form der Beurkundung – stehen im Vordergrund.
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Aus der unterschiedlichen Bedeutung der Vertragstypen für Parteivertreter und Neutrale folgen auch unterschiedliche Vorgehensweisen im Rahmen der gestaltenden Planung. Anleitungen zur anwaltlichen Vertragsgestaltung etwa raten aus strategischen Gründen, die Entwurfserstellung möglichst vor die Verhandlungsphase zu stellen.3 Es gelte, die Entwurfsregie zu erringen, um auf diese Weise auch die Gesprächsführung dominieren zu können.4 Wenn auf diese Weise der Vertragsentwurf ohne Berücksichtigung der Interessen der ande1 Rechtsanwaltskanzleien verfügen demgegenüber nicht selten über unterschiedliche Muster für die gängigen Vertragsarten. Die Verwendung im konkreten Fall richtet sich danach, welche Seite durch die Kanzlei vertreten wird. 2 Diese soll etwa durch den Beurkundungszwang und die darauf folgenden Eingriffspflichten der Notare – wie z.B. diejenige zum Schutz der unerfahrenen Vertragspartei gemäß § 17 Abs. 1 BeurkG – gewährleistet werden. 3 So Ritterhausen/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 2003, Rz. 67. 4 So Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 2003, Rz. 67; ähnlich Zankl, Die anwaltliche Praxis in Vertragssachen, 1990, Rz. 232 ff.
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Verfahren außergerichtlicher Streitbeilegung
Rz. 87 Kap. 3
ren Seite und möglicherweise sogar ohne Kommunikation mit dieser entsteht, so wird der zugrunde gelegte Vertragstypus nur als Know-how-Ressource und nicht als Ausgangspunkt eines für alle Beteiligten interessengerechten Textes dienen. Solche Vorgehensweisen stehen im Übrigen im Zusammenhang mit dem bereits angesprochenen Verhandlungsdilemma. Sie stellen eine Wert beanspruchende, distributive Verhandlungstechnik dar, die vielfach dazu führen wird, dass Kooperationsgewinne nicht erarbeitet werden können und mögliche interessengerechte Einigungen nicht zustande kommen.1 Unparteiliche Vertragsgestaltung führt regelmäßig zu besseren Ergebnissen, verstanden als 83 Summierung gemeinsamen Nutzens. Einseitig vorteilhafte Resultate mögen demgegenüber unwahrscheinlicher werden. Zudem erleichtert und verbilligt sich der Verhandlungs- und Vertragsgestaltungsprozess. Folgende kurze Hinweise mögen dies erläutern:2 Das Ein-Text-Verfahren, also das Erstellen und Verwalten des Vertragsentwurfes durch ei- 84 nen Neutralen, zentriert die Verhandlungen und wirkt der weit verbreiteten Neigung entgegen, in einem ersten parteilichen Entwurf in vielen Einzelpunkten hoch zu ankern. Diese distributive, Wert beanspruchende Technik erschwert Verhandlungen und kann zur Eskalation führen. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass mögliche beiderseits interessengerechte Einigungen auch erzielt werden. Parteiliche Vertragsentwürfe, vor allem wenn diese komplexer Natur sind, lassen auf der Gegenseite zudem berechtigtes Misstrauen entstehen und verursachen einen vielfach höheren Prüfungs- und damit Kostenaufwand, der nicht den Interessen der Vertragspartner entspricht. Die bekannt hohen Kosten im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen beruhen unter anderem auf der Notwendigkeit, die Sprache des gegnerischen Vertragstextes auf versteckte Risiken zu untersuchen.3 Soweit neutrale Vertragsgestalter auch mediative Aufgaben übernehmen, werden hierdurch Verhandlungen optimiert, insbesondere die Wahrscheinlichkeit der Erzielung von Kooperationsgewinnen steigt.
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Neutrale Vertragsgestalter überwachen typischerweise auch den Vertragsvollzug und über- 86 nehmen aus verschiedenen Gründen eine umfassende Praktikabilitätsverantwortung, die neben eine etwa gesetzlich geregelte partielle Ergebnisverantwortung tritt. Die negativen Abwägungsfaktoren des Durchführungs- und Übervorteilungsrisikos entfalten weniger Gewicht.4 Zuletzt erlaubt neutrale Vertragsgestaltung ein Mehr an Regelungstiefe innerhalb von 87 Verträgen. Hohe Regelungstiefe in parteilichen Entwürfen übermittelt der anderen Seite im Regelfall Signale des Misstrauens und kann auf diese Weise die Vertragsverhandlungen belasten. Zeigt sich nämlich eine Seite misstrauisch, so liegt der Schluss auf die mangelnde Vertrauenswürdigkeit eben dieser Seite nahe.5 Nicht selten werden daher Verträge mit um-
1 S. Mnookin/Peppet/Tulumello, Beyond Winning, 2000, 11 ff., zu einer auch für Anwälte und deren Mandanten effizienten alternativen Herangehensweise (173 ff.). 2 S. eingehender zu dem Folgenden: Walz in Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 49 Rz. 77 ff. 3 S. etwa Zankl, Die anwaltliche Praxis in Vertragssachen, 1990, Rz. 317 und 443 ff., zur Planung künftiger gewollter Konflikte, insbesondere im Rahmen von Unternehmenskaufverträgen („Dies kommt vor allem dann vor, wenn einer der Vertragspartner … Zugeständnisse macht[,] aber von vornherein darauf abzielt, diese Zugeständnisse später im Streit wieder rückgängig zu machen.“) (Hervorhebung im Original). 4 S. Walz in Haft/Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 49 Rz. 34 ff. 5 S. Craver, The Art of Negotiation in the Business Wold, 2014, 106 (§ 9.04) dazu, dass Menschen, die selbst lügen, dazu neigen, anderen zu misstrauen und zu den Schlüssen, die hieraus zu ziehen
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Kap. 3 Rz. 87
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fassender Risikoplanung vermieden, wenn der Vertragspartner diese als Affront verstehen könnte.1 Vertragsgestaltung durch Neutrale kann dem entgegenwirken, weil vom Neutralen eingeführte Risikoplanung, die auf dessen Rollenverständnis und dessen eigenen Verhaltensanreizen beruht, der genannte Signalcharakter fehlt. So wird hohe Regelungstiefe und umfassende Risikoplanung möglich, ohne dass sich Verhandlungsklima und Vertrauensbasis der Beteiligten verschlechtern.
sind: „… negotiators who encounter adversaries exhibiting a distrustful predisposition should be circumspect regarding representations made by those participants“. Vereinfacht gesagt, unterstellt man dem Gesprächspartner, er schließe von sich auf andere und interpretiert seine Befindlichkeit auf dieser Grundlage. Viele Menschen folgen daher der Regel, dass dem, der misstraut, misstraut werden muss. 1 Vgl. auch Rehbinder, Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 1993, 25 (A.III.3.b), dazu, dass ein risikoreicher oder zweideutiger Vertrag für einen Beteiligten besser sein kann als gar keiner, und zu dem Phänomen, dass vielfach Verträge umso schlampiger sind, je größer die Bonität der Vertragspartner. S.a. Zankl, Die anwaltliche Praxis in Vertragssachen, 1990, Rz. 408 ff., zum bewussten Offenlassen ungeregelter Punkte.
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Zweiter Teil
Regelungen zur Verhandlungsführung
Kapitel 4 I. Einführung 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an die Verfahrenstreue der Parteien; Verhaltenssteuerung . . . . . .
Neuverhandlungsklauseln 1 11
3. Rechtliche Gestaltungsgrenzen . . . . . . . . .
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II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 4.1 Neuverhandlungsklauseln. . . . . . .
27 27
I. Einführung Literatur: Eidenmüller, Neuverhandlungspflichten bei Wegfall der Geschäftsgrundlage, ZIP 1995, 1063 ff.; Jungmann, Auswirkungen der neuen Basler Eigenkapitalvereinbarung („Basel II“) … – Neuverhandlungsklauseln als mit § 609a BGB zu vereinbarendes Instrument zur Absicherung gegen Bonitätsänderungen des Kreditnehmers, WM 2001, 1401; Martinek, Die Lehre von den Neuverhandlungspflichten – Bestandsaufnahme, Kritik … und Ablehnung, AcP 1998, 329 ff.; Nelle, Neuverhandlungspflichten – Neuverhandlungen zur Vertragsanpassung und Vertragsergänzung, 1993.
1. Anwendungsbereich „Neuverhandlungspflichten als Rechtsfolge bei Geschäftsgrundlagenstörungen betonen den 1 Gedanken der Privatautonomie und damit ein wesentliches Grundprinzip unserer Rechtsordnung“.1 Schon aus dem Gesetz können sich bei Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB Neu- und Nachverhandlungspflichten ergeben. Hiernach kann, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage eines Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, nach Auffassung des BGH u.U. Anspruch auf Anpassung des Vertrages bestehen. Dieser Anspruch auf Vertragsanpassung verpflichte die durch eine Störung der Geschäftsgrundlage begünstigte Vertragspartei, im Zusammenwirken mit der anderen Partei eine Anpassung des Vertrages herbeizuführen. Eine Verletzung dieser vertraglichen Mitwirkungspflicht könne Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB begründen.2
2
Mit der Vereinbarung einer Neuverhandlungsklausel verpflichten sich die Parteien eines 3 Vertrages, zu einem Zeitpunkt nach rechtswirksamem Vertragsschluss über eine Anpassung ihrer vertraglichen Abreden zu verhandeln. Entsprechende Vereinbarungen finden sich in der Rechtspraxis vor allem als Bestandteil sog. salvatorischer Klauseln in Verträgen über Dauerschuldverhältnisse, insbesondere in Gesellschaftsverträgen. Anders als „automatische“ Anpassungsklauseln (etwa: „… Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt eine solche als vereinbart, die dem erstrebten wirtschaftlichen Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt …“)3 haben sie nicht ipso iure eine Vertragsänderung zur Folge, sondern erfordern eine neue Einigung der Vertragsteile. 1 Eidenmüller, ZIP 1995, 1063; geistreich hierzu Martinek, AcP 1998, 329 (374). 2 BGH, Urt. v. 30.9.2011 – V ZR 17/11, BGHZ 191, 139 = MDR 2011, 1468; a.A. Finkenauer in MüKo, BGB, § 313 Rz. 122; Riesenhuber, BB 2004, 2697. 3 Weitere Beispiele bei Michalski, NZG 1998, 7 (8 ff.).
Bülow 29
Kap. 4 Rz. 4
Regelungen zur Verhandlungsführung
4
Neuverhandlungsklauseln empfehlen sich, wenn die Vertragsparteien Änderungen in den Umständen oder Lücken im Vertrag für möglich halten, die einerseits zumindest einer Partei das Festhalten an der zunächst getroffenen Vereinbarung unzumutbar erscheinen lassen, es andererseits aber am grundsätzlichen Bestand des Vertrages auch unter den solcherart neuen Umständen bleiben soll. In Dauerschuldverhältnissen langer Laufzeit werden auch periodische Neuverhandlungsklauseln vereinbart, wonach in bestimmten zeitlichen Abständen – ggf. bezogen auf bestimmte Kriterien – der laufende Vertrag auf seine Anpassungsbedürftigkeit überprüft werden soll.1
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Selten werden die Parteien schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, oft noch nicht einmal bei Aufnahme der Verhandlung, ein etwa hohes Wertschöpfungspotential für den unbestimmten Fall des Nötigwerdens einer Vertragsanpassung voraussehen können, was freilich im Nachhinein eine Neuverhandlung als besonders Erfolg versprechend und eine Neuverhandlungsklausel ex post als empfehlenswert würde erscheinen lassen.2
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Ein Vorteil der Neuverhandlung gegenüber einer etwaigen gerichtlichen Vertragsanpassung oder einseitigen Auflösung des Vertrages durch Kündigung, Rücktritt oder gar Vertragsbruch liegt in der Befriedungswirkung der freiwilligen Einigung, wenn die Parteien ungeachtet des Konflikts auch künftig zusammenarbeiten wollen oder müssen. Eine in einer Neuverhandlung gefundene Einigung stabilisiert das Vertrags- und Vertrauensverhältnis der Parteien. Außerdem sind Nachverhandlungen meist kostengünstiger und schneller als ein Prozess.3
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Ferner besteht mit der Neuverhandlung die Möglichkeit der privatautonomen Verfahrensgestaltung und damit insbesondere, das Verfahren gegenüber einem gerichtlichen Anpassungsprozess oder einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Kündigung oder eines Rücktritts vertraulich gestalten zu können (zu Vertraulichkeitsabreden vgl. Kap. 5).
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Neuverhandlungsklauseln sind dem Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung zuzuordnen, weil sie bezwecken, Druck auf die Vertragsparteien auszuüben, sich gütlich zu einigen. Ohne Neuverhandlung wäre ein Vertragsteil wirtschaftlich – soweit rechtlich zulässig – zum Rücktritt bzw. zur Kündigung genötigt oder – soweit eine Beendigung des Vertrages in zulässiger Weise ausgeschlossen wäre – zum Vertragsbruch herausgefordert, der i.d.R. einen Rechtsstreit nach sich ziehen würde.
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Häufig betrifft die Neuverhandlungsklausel die Äquivalenz des Leistungsaustausches, so dass Gegenstand der Klausel insbesondere Preisanpassungen sind. Hierfür bietet sich aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit in erster Linie die Vereinbarung einer sog. Wertsicherungsklausel an, die keine Neuverhandlung vorschreibt, sondern eine automatische Anpassung von Geldleistungen zur Folge hat. Wertsicherungsklauseln müssen allerdings den Bestimmungen des Preisklauselgesetzes entsprechen. Wo solche Wertsicherungsklauseln nicht zulässig sind, finden sich in der Praxis oft sog. unechte Wertsicherungsklauseln mit Leistungsvorbehalten, die nicht zu einer automatischen Anpassung führen, sondern einen Ermessens- oder Verhandlungsspielraum einräumen. Formulierungsvorschlag für eine Wertsicherungsklausel: „Die Zahlung soll wertbeständig sein; sie soll sich daher im selben Verhältnis erhöhen oder vermindern, in welchem sich der vom Statistischen Bundesamt jeweils festgestellte Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI, Basis 2010 = 100) gegenüber dem für den Monat der Beurkundung dieses Vertrages festgesetzten Index erhöht oder vermindert. Diese Änderung tritt jedoch erst ein, wenn der dadurch 1 Martinek, AcP 1998, 329 (347). 2 Für diesen Fall empfiehlt Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 (1067), Neuverhandlungspflichten als Anpassungsmechanismus, räumt aber an anderer Stelle die mangelnde Voraussehbarkeit von Wertschöpfungspotentialen selbst noch bei Verhandlungsbeginn ein, Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 (1070). 3 Finkenauer in MüKo, BGB, § 313 Rz. 122.
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Neuverhandlungsklauseln
Rz. 14 Kap. 4
Begünstigte dies schriftlich fordert. Dies Verlangen ist erst zulässig, wenn sich der Index um mindestens fünf Prozent verändert hat. Der neue Betrag ist dann ab dem auf das Verlangen folgenden Monatsersten zu zahlen. Verändert sich der Index danach erneut um fünf Prozent nach oben oder nach unten gegenüber dem für die Anpassung maßgeblichen Stand, so erfolgt wiederum auf schriftliches Verlangen des dadurch begünstigten Teils eine entsprechende Anpassung.“
Auch wenn der Inhalt der Leistungspflichten eines Vertragsteils bei Vertragsschluss (noch) nicht bestimmbar ist, können sich die Parteien zwar vertraglich binden, aber mit einer Neuverhandlungsklausel für künftige Erkenntnisse flexibel bleiben wollen. Gemein ist allen Neuverhandlungsklauseln, dass sie eine Mitwirkungspflicht der Vertragsteile 10 begründen, den abgeschlossenen Vertrag in Einklang mit vertragsrelevanten Umständen zu bringen, die ihnen bei Vertragsschluss nicht bekannt sind. Qualifizierte Neuverhandlungsklauseln1 sind einem Vorvertrag auf Abschluss eines Änderungsvertrages ähnlich.2 Zu unterscheiden sind sie in den Tatbestandsvoraussetzungen vom Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB, weil hier anders als dort die Neuverhandlungspflicht sich unmittelbar aus der vertraglichen Abrede ergibt und nicht von der Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag abhängt. 2. Anforderungen an die Verfahrenstreue der Parteien; Verhaltenssteuerung Die Neuverhandlungsklausel stellt verhältnismäßig hohe Anforderungen an die Vertrags- 11 und Verfahrenstreue der Parteien. Die Flexibilität des Konfliktlösungsprogramms „Neuverhandlung“ wird „mit einem nicht unbeträchtlichen Verlust an Rechtssicherheit erkauft“.3 Die Parteien müssen durch Verhandlung, Abgabe von ernsthaften Angeboten und ernsthafte inhaltliche Prüfung der Gegenangebote konstruktiv dazu beitragen, dass eine neue Einigung erreicht wird.4 Dieser Prozess gibt den Parteien die Chance einer wertschöpfenden Einigung, aber auch Gelegenheit zur opportunistischen Ausnutzung der Verhandlung und damit zum versteckten Vertragsbruch.5
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Bis zur Einigung sind die Vertragsteile verpflichtet, den Vertrag in der bisherigen Fassung 13 fortzusetzen, dabei aber alles zu unterlassen, was eine Anpassung des Vertrages erschweren würde. Die Pflicht zur Neuverhandlung endet, wenn ihre Fortsetzung einer Partei nicht mehr zuzumuten, die Verhandlung also trotz Bemühens um eine Einigung gescheitert ist. Von Bedeutung sind Neuverhandlungsklauseln dabei nicht in den Fällen, in denen alle Vertragsteile Interesse an einer Vertragsanpassung haben. In dieser Situation ist die Neuverhandlungsklausel im Grunde überflüssig, weil die Parten von selbst die Verhandlungen aufnehmen werden. Sie ist allerdings auch dann immer noch geeignet, Barrieren für Neuverhandlungen aus dem Weg zu räumen und für eine strukturiert6 angelegte Verhandlung zu sorgen, welche die Erfolgsaussichten der Verhandlungen fördern würde.7
1 2 3 4
In Abgrenzung zu einfachen Neuverhandlungsklauseln; zur Differenzierung vgl. sogleich Rz. 20. Zur Rechtsnatur von Neuverhandlungsklauseln Michalski, NZG 1998, 7 (9). Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 (1070). Horn, AcP 1981, 254 (278); zur Frage, ob auch eine einseitige Neuverhandlungspflicht bestehen kann bei gleichzeitiger Neuverhandlungsobliegenheit des anderen Teils Martinek, AcP 1998, 329 (337 f.). 5 Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 (1070). 6 Zur strukturierten Verhandlung vgl. Haft, Verhandlung und Mediation, 2. Aufl. 2000, 69 ff. 7 Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 (1067).
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Kap. 4 Rz. 15
Regelungen zur Verhandlungsführung
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Ihre Brisanz entfaltet die Klausel aber in den Fällen, in denen die Umstände sich in für die eine Partei vorteilhafter Weise verändert haben, während die andere Partei sich durch die geänderten Umstände belastet sieht. Martinek1 führt Sachlagen an, in denen die durch die neuen Umstände belastete Partei wiederum andererseits wirksame andere Mittel zur Interessendurchsetzung verfügbar hat, etwa Kündigung oder Rücktritt, mit der Folge, dass auch die durch die Umstandsänderung begünstigte Partei im Einzelfall ein starkes Neuverhandlungs- und Vertragsfortsetzungsinteresse haben kann.
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Im Hinblick auf die Verhaltenssteuerung durch Neuverhandlungsklauseln und die durch sie gesetzten Verhaltensanreize bedeutet dies umgekehrt: Schließt eine Neuverhandlungsklausel die Vertragsbeendigung aus Anlass der Umstandsänderung ausdrücklich oder konkludent aus, so verschiebt dies das Kraftgefüge des Vertrages zugunsten der durch die Umstandsänderung begünstigten Partei, der die belastete Partei nunmehr eine Abmilderung der für sie entstandenen Nachteile abringen muss (Verlust der sekundären Anpassungskompetenz).2
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Der anpassungsinteressierte Vertragsteil wird freilich seinen (formalen) Anspruch auf Neuverhandlung aufgrund für ihn nachteilig veränderter Umstände nicht unbedingt in ein materielles Verhandlungsergebnis ummünzen können, das für ihn günstiger als eine zu guter Letzt erfolgende richterliche Vertragsanpassung ist. Indessen hat der bestandsinteressierte Vertragsteil mit der Neuverhandlung die Chance, eine gegenüber der an dem Äquivalenzgefüge bei Vertragsschluss orientierten richterlichen Anpassung mildere Beeinträchtigung seiner Position zu erreichen.3 Diese Auswirkung auf das Kräfteverhältnis tritt besonders dann zutage, wenn die anpassungsinteressierte Partei auf eine Fortsetzung des Vertrages angewiesen ist und der „Ausstieg“ aus dem Vertrag für sie daher nicht ohne weiteres infrage kommt.
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Mithin ist – anders als die Parteien es auf den ersten Blick wohl selbst einschätzen würden – eine Neuverhandlungsklausel tendenziell günstig für diejenige Partei, die sich für den Fall der Neuverhandlung bloß gute Alternativen zum Fortbestand des Vertrages erwartet, weniger für diejenige, für die eine Beendigung des Vertrages aller Voraussicht nach mit schweren Nachteilen verbunden wäre.
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Neuverhandlungsklauseln im internationalen Handelsverkehr verwenden zur Kompensation dieser „Kräfteumkehr“ no-loss-or-profit-Klauseln, wonach die in der Neuverhandlung gefundene Einigung gegenüber dem Äquivalenzverhältnis bei Vertragsschluss keine Verschiebung zur Folge haben darf.
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Im Einzelfall zu prüfen ist, ob mit einer Neuverhandlungspflicht auch eine Einigungspflicht (sog. qualifizierte oder echte Neuverhandlungspflicht)4 der Vertragsteile verbunden ist5 oder verbunden werden sollte.6 Erstreben die Vertragsteile für den Fall des Eingreifens ihrer Neuverhandlungsklausel eine Außergerichtliche Streitbeilegung, so ist zu einer lediglich prozessbezogenen einfachen Neuverhandlungspflicht ohne Einigungsanspruch zu ra1 2 3 4 5
Martinek, AcP 1998, 329 (350 f.); Lettl, JuS 2001, 456 (458). Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 (1070). Martinek, AcP 1998, 329 (375). Martinek, AcP 1998, 329 (340). So für den Wegfall der Geschäftsgrundlage der Ansicht von Horn, AcP 1981, 254, folgend geregelt in § 313 Abs. 1 BGB; Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 313 Rz. 41; anders Martinek, AcP 1998, 329 (339 ff.); differenzierend Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 (1064), vgl. zur Nachverhandlungsverpflicht über die Erhöhung eines Architektenhonorars, wenn ein bestimmbarer Mehraufwand „in jedem Fall zu erstatten“ ist BGH, Urt. v. 13.9.2004 – VII ZR 456/01, BGHZ 160, 267 = MDR 2005, 267. 6 So Lettl, JuS 2001, 456 (461).
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Neuverhandlungsklauseln
Rz. 23 Kap. 4
ten – sie überlässt die Einigung dem Willen der Parteien und macht nur die ernsthafte Teilnahme an der Neuverhandlung zur Vertragspflicht, ferner Nebenpflichten wie das Verbot von Täuschung und Drohung etc.1 Andererseits stellt die einfache Neuverhandlungspflicht nicht selten den gesamten Vertrag infrage, während die Vereinbarung einer ergebnisbezogenen qualifizierten Neuverhandlungsklausel vom Gedanken getragen ist, die Vertragsfortsetzung zu angepassten Bedingungen unter allen Umständen zu gewährleisten.2 Inhalt einer ggf. vereinbarten Einigungspflicht ist im Zweifel die Zustimmung zu einer in 21 Bezug auf die ursprünglichen Leistungspflichten äquivalenzwahrenden Anpassung des Vertrages. Maßgeblich (Anpassungsmaßstab) sind also bei Anpassungsklauseln die bei Vertragsabschluss bestehenden Wert- und Äquivalenzvorstellungen der Parteien. Bei Neuverhandlungsklauseln zur „Festsetzung“ oder „Neufestsetzung“ von Vertragspflichten hingegen kommt es nach der Rechtsprechung des BGH3 nicht auf das Äquivalenzverhältnis bei Vertragsschluss, sondern auf die im Zeitpunkt der Änderung bestehende Marktlage an. Abweichend können die Parteien in der Neuverhandlungsklausel auch einen Anpassungs- 22 maßstab vereinbaren. So können sie etwa bestimmen, dass die Vertragsanpassung sich zu orientieren hat an a) billigem Ermessen gem. § 315 BGB, b) der etwa unwirksamen und daher zu ersetzenden Bestimmung (dem objektiven Vertragsinhalt), c) dem im Vertrag zum Ausdruck kommenden Parteiwillen (dem subjektiven Vertragsinhalt), d) dem, was die Parteien vereinbart hätten, hätten Sie die Änderung der Umstände, die Unwirksamkeit einer Klausel oder die Vertragslücke gekannt (dem hypothetischen subjektiven Vertragsinhalt), e) dem Inhalt und Zweck oder beabsichtigten Erfolg des Vertrages (dem teleologischen Vertragsinhalt), f) dispositivem Gesetzesrecht, g) im Falle der Nichtigkeit einer Klausel an dem, was gesetzlich gerade noch zulässig wäre (vergleichbar einer geltungserhaltenden Reduktion) oder h) einer Kombination mehrerer Maßstäbe. Die gerichtliche Durchsetzung der qualifizierten Neuverhandlungsklausel erfolgt – voraus- 23 gesetzt nach Vorgesagtem besteht ein durchsetzbarer Primäranspruch auf einvernehmliche Abänderung des Vertrages – im Wege der Klage auf die nach dem veränderten Vertrag geschuldete Leistung oder auf Abgabe einer Willenserklärung (str.).4 Die Klage hat u.a. nur dann Erfolg, wenn dargetan werden kann, dass der Kläger – selbst verhandlungsbereit – eine zumutbare Einigung mit dem Vertragsgegner nicht erreichen konnte. Nebenrechte und -ansprüche wegen einer Verletzung der Neuverhandlungspflicht sind hier nicht weiter zu behandeln.5 Die einfache Neuverhandlungsklausel kann – das Vorliegen einer echten Leistungspflicht vorausgesetzt – mittels Leistungsklage auf pünktliches Erscheinen, Erteilung von Auskünften und dergl. durchgesetzt werden; bei Schlechterfüllung bestehen ggf. ent1 2 3 4
Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 (1068). Martinek, AcP 1998, 329 (346). BGH, Urt. v. 13.5.1974 – VIII ZR 38/73, BGHZ 62, 314 (316 ff.). Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 313 Rz. 41, für den Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage; Nelle, Neuverhandlungspflichten, 1993, 73; Michalski, NZG 1998, 7 (10); anders noch Horn, AcP 1981, 254 (278 f.); Martinek, AcP 1998, 329 (342), hält beides für zulässig. 5 Näher Nelle, Neuverhandlungspflichten, 1993, 73 ff.
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Kap. 4 Rz. 24
Regelungen zur Verhandlungsführung
M 4.1
sprechende Sekundäransprüche.1 Ob der Klageweg im Hinblick auf das Ziel einer Neuverhandlungsklausel, eine außergerichtliche Vertragsanpassung zu erreichen, zweckmäßig erscheint, wird sorgfältig abzuwägen sein. 24
Daneben ist es den Parteien unbenommen, weitere Sanktionen zu vereinbaren, bspw. für den Fall der Verhandlungsverweigerung eines Teils ein Leistungsbestimmungsrecht des anderen Teils gem. § 315 Abs. 1 BGB.2 3. Rechtliche Gestaltungsgrenzen
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Außerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen sowie von Verbraucherverträgen sind der Vereinbarung von Neuverhandlungsklauseln keine besonderen Grenzen gesetzt.3 Freilich darf die Klausel nicht den Vertrag von vornherein in seinen essentialia negotii infrage stellen, weil dann mangels Bindungswillens schon kein Hauptvertrag zustande gekommen ist. Ferner muss die Klausel – soll sie im Klagewege durchsetzbare Ansprüche begründen und nicht lediglich Mitwirkungsobliegenheiten begründen – inhaltlich bestimmt sein.4
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In AGB- und Verbraucherverträgen muss sich eine Neuverhandlungsklausel an den besonderen Klauselverboten und der Generalklausel messen lassen. Insbesondere dürfen nicht Rechte des Verwendungsgegners bzw. Verbrauchers beschnitten werden, die das AGB-Recht der Disposition der Parteien entzieht; beispielhaft sei genannt, dass eine Klausel, die dem Erwerber einer neu hergestellten Sache anstelle der gesetzlichen Rechte und Ansprüche wegen Sachmängeln nur einen Anspruch auf Neuverhandlung des Kaufpreises gewährt, wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 8 BGB unwirksam wäre. Zudem schließt § 309 Nr. 14 BGB i.d.F. des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes VSBG in AGB- und Verbraucherverträgen eine Klausel aus, wonach der andere Vertragsteil gegenüber dem Verwender bzw. Unternehmer seine Ansprüche gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat.
II. Muster 27
M 4.1 Neuverhandlungsklauseln 1. Einfache Neuverhandlungsklausel für Umstandsänderungen mit Einigungspflicht bei Wegfall der Geschäftsgrundlage §… Neuverhandlung Haben sich Umstände, die zur Grundlage dieses Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss verändert oder sich wesentliche Vorstellungen beider Parteien, die zur Grundlage dieses Vertrages geworden sind, als falsch herausgestellt und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie dies vorausgesehen hätten, so sind sie verpflichtet, über eine Anpassung des Vertrages ernsthaft zu verhandeln. Sind schwerwiegende Änderungen eingetreten, so kann eine Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Ist ei1 2 3 4
Lettl, JuS 2001, 456 (462); Eidenmüller, ZIP 1995, 1063 (1070). Vgl. Riesenhuber, BB 2004, 2697, mit weiteren Vorschlägen. Michalski, NZG 1998, 7 (13). Martinek, AcP 1998, 329 (352).
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M 4.1
Neuverhandlungsklauseln
Rz. 27 Kap. 4
ne Anpassung des Vertrages nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten/kündigen. 2. Qualifizierte Neuverhandlungsklausel für Vertragslücken oder Teilunwirksamkeit als salvatorische Klausel §… Unwirksamkeit; Lücken Sollte der vorliegende Vertrag in einzelnen oder mehreren Bestimmungen unwirksam sein oder werden oder sollte der Vertrag anfängliche Lücken offenbaren, wird hierdurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Die Parteien sind verpflichtet, sich zur Ersetzung der unwirksamen Bestimmung auf eine solche zu einigen, die der Unwirksamen nach Sinn und Zweck entspricht oder wirtschaftlich am nächsten kommt. Im Falle von Lücken sind sie verpflichtet, sich auf eine Bestimmung zur Ausfüllung der Lücke zu einigen, die sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen bei Vertragsschluss nach Treu und Glauben vereinbart hätten, hätten sie die Lücke gekannt. Ist eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten/kündigen. 3. Qualifizierte Neuverhandlungsklausel mit no-loss-or-profit-Abrede §… Neuverhandlung Haben sich Umstände, die zur Grundlage dieses Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie dies vorausgesehen hätten, so sind sie verpflichtet, sich auf eine Anpassung des Vertrages zu einigen, die sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen bei Vertragsschluss nach Treu und Glauben vereinbart hätten, hätten sie die Veränderung vorausgesehen oder die Fehleinschätzung gekannt. Es kann keine Anpassung des Vertrages verlangt werden, die eine Partei gegenüber den Verhältnissen bei Vertragsschluss wirtschaftlich besser oder schlechter stellt. 4. Periodische Neuverhandlungsklausel bei Lieferungsvertrag §… Neuverhandlung Die Vertragsteile sind verpflichtet, über eine etwaige Anpassung der in diesem Vertrag vereinbarten Preise, Lieferfristen und Produktausstattungen nach Ablauf von zwei Jahren ab Vertragsschluss ernsthaft zu verhandeln; eine erneute Verhandlung hat jeweils nach Ablauf eines weiteren Jahres zu erfolgen. Die Verhandlung findet am Sitz des Bestellers statt. Den genauen Ort und Zeitpunkt der Verhandlung bestimmt der Lieferant in einer Einladung in Textform an den Besteller innerhalb von zwei Wochen ab Fälligkeit der Neuverhandlungspflicht; andernfalls bestimmt den genauen Ort und Zeitpunkt der Verhandlung der Besteller durch Mitteilung in Textform. 5. Neuverhandlungsklausel mit Mediationsverpflichtung §… Neuverhandlung; Mediation 1. Haben sich Umstände, die zur Grundlage dieses Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss verändert oder sich wesentliche Vorstellungen beider Parteien, die zur Grundlage dieses Vertrages geworden sind, als falsch herausgestellt und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie dies vorausgesehen hätten, so sind sie verpflichtet, über eine Anpassung des Vertrages ernsthaft zu verhandeln. Bülow 35
Kap. 4 Rz. 27
Regelungen zur Verhandlungsführung
M 4.1
2. Können sich die Parteien nicht innerhalb angemessener Frist einigen, so sollA1 der Versuch einer Einigung in einem Mediationsverfahren unternommen werden. Zu den Verhandlungen hat jede Seite persönlich oder gesetzlich bzw. organschaftlich vertreten zu erscheinen.A2 Das Mediationsverfahren beginnt mit dem einseitigen schriftlichen Verlangen einer Seite, das Verfahren durchzuführen (Mediationsverlangen); von diesem Zeitpunkt an ist die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs gehemmt, wenn dieser im Mediationsverlangen in der nach den Vorschriften für die Klageerhebung erforderlichen Weise bezeichnet ist; dies gilt für vertragliche Ausschlussfristen entsprechend. 3. Für das Mediationsverfahren gelten die Bestimmungen der Mediationsordnung der … in der bei Stellung des Mediationsverlangens gültigen Fassung.A3 Variante (insbesondere für die Vertragsmediation der Notare): Für das Mediationsverfahren gelten die Bestimmungen für das notarielle Beurkundungsverfahren entsprechend. Variante: Das Mediationsverfahren bestimmt der Mediator nach billigem Ermessen und teilt es den Vertragsteilen schriftlich mit. Variante: Für das Mediationsverfahren verpflichten sich die Vertragsteile, zu gegebener Zeit eine Vereinbarung zu treffen auf Grundlage eines Vorschlages durch den Mediator. 4. Die Beschreitung des Rechtsweges ist erst dann zulässig, wennA4 a) der Mediator nicht bis zum Ablauf eines Monats nach Absendung des Benennungsantrages gem. nachstehendem Abs. 7 benannt ist oder b) eine Partei oder der Mediator die Mediation nach einer ersten gemeinsamen Sitzung für gescheitert erklärt hat oder c) seit der Bestimmung des Mediators ein Monat verstrichen ist, ohne dass eine erste Mediationssitzung stattgefunden hat. Ein gerichtliches Eilverfahren bleibt zulässig.A5 5. Können sich die Parteien nicht auf einen Mediator einigen, so wird der Mediator benannt durch …A6 Die Benennung erfolgt durch schriftliche Erklärung gegenüber einer Partei. Die Erklärung ist, auch wenn kein Einverständnis mit der benannten Person besteht, von dieser Partei der anderen Partei unverzüglich urschriftlich (im Original) zu übermitteln.A7 6. Der Mediator muss zertifizierter Mediator sein oder die Befähigung zum RichteramtA8 besitzen und seinen Wohn- oder Amts-/Geschäftssitz im Bereich … haben.A9 7. Die Benennung erfolgt auf schriftlichen Antrag beider Parteien,A10 dem eine Kopie dieses Vertrages beigefügt werden und der folgenden Wortlaut haben soll:A11 „Die Unterzeichner haben sich zur Lösung eines zwischen ihnen bestehenden Konfliktes auf die Durchführung einer Mediation geeinigt. Den Streitgegenstand bitten wir dem in Kopie beigefügten Mediationsverlangen zu entnehmen. In § … unseres Vertrages vom …, der ebenfalls in Kopie beigefügt ist, haben wir uns darauf geeinigt, die Bestimmung der Person des Mediators Ihnen zu übertragen. Wir beantragen daher, in schriftlicher Form einen Mediator mit Namen und Anschrift zu benennen, der die Voraussetzungen für die Übertragung des Mediationsauftrages nach den dort getroffenen Bestimmungen erfüllt und der – vorbehaltlich einer Einigung über die Bedingungen seines Auftrages – grundsätzlich bereit ist, die Mediation zu übernehmen.“ 8. Jede Partei ist berechtigt, einen vorgeschlagenen Mediator durch schriftliche Erklärung gegenüber der anderen Partei unter Wahrung einer Frist von 14 Tagen abzulehnen. In diesem Fall ist ein anderer Mediator zu benennen; die vorstehenden Bestimmungen gelten entsprechend. Die Ablehnung bedarf keiner Begründung. Das Ablehnungsrecht kann nur einmal ausgeübt werden. Das Recht zur Kündigung dieses Vertrages bleibt unberührt.
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M 4.1
Neuverhandlungsklauseln
Rz. 35 Kap. 4
Anmerkungen zu Muster M 4.1 A1 Verhandlungspflicht: Von einer durchaus nicht unüblichen „Pflicht zur Freiwilligkeit“ 28 sieht der Formulierungsvorschlag bewusst ab; vgl. zu dieser Frage die Überlegungen von Risse, Wirtschaftsmediation, 101 und 114 ff.; anders die Empfehlung von Gräfin v. Hardenberg, IDR 1/04, 25 (26). A2 Vertretung/Verhandlungsbefugnis: Die Effizienz der Mediation hängt entscheidend 29 vom Umfang der Verhandlungsbefugnis der Parteien ab. Der Mediator soll diese daher vorab klären und ggf. verdeckt bleibende Auftraggeber in die Verhandlung einbeziehen. Das Muster sieht eine sog. „Escalation to the Top“-Klausel oder auch „Step Clause“ vor, die jede Seite verpflichtet, Führungskräfte des höchsten Hierarchieniveaus mit den Verhandlungen zu betrauen. Zu den Besonderheiten sog. Vertreterverhandlungen vgl. Bülow, MittBayNot 2000, 407 ff. A3 Verfahrensordnung: Die Bezugnahme auf eine Verfahrensordnung empfiehlt Risse, 30 Wirtschaftsmediation, 2003, 105, unter Aufzählung infrage kommender Werke und Organisationen. Die im Muster vorgeschlagene dynamische Verweisung begegnet in AGB bzw. im Verbrauchervertrag Bedenken, weshalb sich hier eine statische Verweisung (und natürlich die Aushändigung der in Bezug genommenen Mediationsordnung) anbietet (Friedrich, SchiedsVZ 2007, 31; keine Probleme sieht offenbar Unberath, NJW 2011, 1320). A4 Prozessvoraussetzung: Der Versuch der Mediation wird somit zur Klagevorausset- 31 zung; es handelt sich um einen unproblematischen dilatorischen Klageverzicht im Wege des Prozessvertrages (vgl. Risse, Wirtschaftsmediation, 98 ff.; Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG, Rz. 166; näher hierzu M 6.1 Anm. A17 [Kap. 6 Rz. 50]). A5 Vorläufiger Rechtsschutz: Risse, ZEV 1999, 205 (209); Risse, Wirtschaftsmediation, 32 2003, 109 f.; Gräfin v. Hardenberg, IDR 1/04, 25 (27). A6 Person des Mediators: Die Benennung des Mediators kann insbesondere erfolgen 33 durch berufsständische Einrichtungen (öffentlich-rechtliche Kammern), durch gewerbliche Anbieter von Mediatordiensten oder durch staatliche Stellen. Wünschen die Konfliktparteien als Mediator einen Angehörigen eines bestimmten Berufes, so ist zweckmäßigerweise die zuständige Standesorganisation mit der Benennung zu beauftragen; vorsorgliche Rückfrage dort, ob diese Aufgabe übernommen wird, ist vor Vertragsschluss ratsam. A7 Benennung des Mediators: Die Benennung muss beiden Konfliktparteien schnellst- 34 möglich zur Kenntnis gebracht werden, damit keine Verfahrensverzögerung eintritt. Da damit gerechnet werden muss, dass der benennungsberechtigte Dritte die Benennung nur gegenüber einer Partei vornimmt, verpflichten sich die Konfliktparteien gegenseitig, die Benennungserklärung der jeweils anderen Partei in zweifelsfreier Form zu übermitteln. A8 Qualifikation des Mediators: Die Eignung des Mediators zur Durchführung des Ver- 35 fahrens kann auch Anforderungen an seine berufliche Qualifikation stellen. Das Mediationsgesetz schützt die Bezeichnung als „zertifizierter Mediator“. Von der Ermächtigung zum Erlass einer entsprechenden, die Ausbildung zum zertifizierten Mediator regelnden Verordnung hat der Verordnungsgeber mit der ZMediatAusbV vom 21.8.2016 Gebrauch gemacht (BGBl. I, 1994). Hiernach haben die Aus- und Fortbildungseinrichtungen sicher zu stellen, dass die eingesetzten Lehrkräfte über einen berufsqualifizierenden Abschluss einer Berufsbildung oder eines Hochschulstudiums und über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügen. Grundsätzlich erfordert die Tätigkeit des Mediators in erster Linie Kenntnisse und Fertigkeiten in Bezug auf den Verhandlungsprozess; im Einzelfall mag es jedoch von Vorteil sein, wenn der Mediator über sachliche Expertise auch im Hinblick auf den Streitgegenstand verfügt (vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, Bülow 37
Kap. 4 Rz. 36
Regelungen zur Verhandlungsführung
M 4.1
418). Soll der Mediator auch die erzielte Einigung in einer Urkunde niederlegen (so das hier vorgeschlagen Muster), so kann im Hinblick darauf, dass die Vertragsgestaltung besonders hohe Anforderungen an das juristische Können des Mediators stellt, auf seine juristische Qualifikation nicht verzichtet werden. 36
A9 Sitz des Mediators: Die örtliche Beschränkung der infrage kommenden Mediatoren hinsichtlich ihres Wohn- bzw. Amts-/Geschäftssitzes dient sowohl der Kostenbegrenzung (Zeit- und Reiseaufwand des Mediators) als auch im Einzelfall der Sicherung einer örtlichen Sachnähe. Zweckmäßig ist die Beschreibung des Bereichs mit Begriffen, die der zur Benennung berechtigten Stelle geläufig sind (insbesondere mit Verwaltungssprengeln oder Gerichtsbezirken).
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A10 Benennungsantrag: Die Antragstellung durch beide Parteien soll die Neutralität der mit der Benennung beauftragten Stelle unterstreichen.
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A11 Wortlaut des Benennungsantrags: Die Vereinbarung des Wortlauts für das zu fertigende Antragsschreiben soll Auseinandersetzungen in der Peripherie des eigentlichen Konflikts verhindern; sie soll den Entschluss zur Unterzeichnung des für die Durchführung des Mediationsverfahrens unerlässlichen Antrages erleichtern.
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Kapitel 5
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vertraulichkeitsabrede (Non-Disclosure Agreement) 1
II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 5.1 Vertraulichkeitsvereinbarung . . . .
6 6
I. Einführung Literatur: Bösch/Lobschat, Haftungsfalle Mediation? – Vertraulichkeit als Herausforderung für den Anwalt, SchiedsVZ 2014, 190; Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001; Wagner, Sicherung der Vertraulichkeit von Mediationsverfahren durch Vertrag, NJW 2001, 1398; Walz (Hrsg.), Verhandlungstechnik für Notare, 2003.
In der Verhandlung erforschen die Parteien Einigungsoptionen durch Abgleich ihrer Inte- 1 ressen. Eine Einigung kommt – vernunftgeleitetes Verhalten der Parteien unterstellt – zustande, wenn beide Parteien sich von der Einigung mehr versprechen als von einer Nichteinigung. Zum Beispiel werden sich beim Kauf die Verhandlungspartner dann vertragseinig, wenn zum einen für den Verkäufer der Kaufpreis so hoch ist, dass der Erlös ihm mehr nützt als die Kaufsache selbst und aus Sicht des Erwerbers der Kaufpreis so bemessen ist, dass ihm die Kaufsache mehr nützt als der Geldabfluss für den Kaufpreis ihn beeinträchtigt. Zum anderen werden beide Parteien jeweils Chancen und Risiken des Zuwartens auf eine für sie günstigere Gelegenheit zum Vertragsschluss abwägen, was aber nichts anderes ist als eine Facette der selben Nutzenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Verbesserungschancen bzw. des Verschlechterungsrisikos gegenüber der sofortigen Einigung. Bei dem Interessenabgleich in der Verhandlung handelt es sich für die Parteien nicht selten 1a um eine Rechnung mit vielen Unbekannten, insbesondere bei Verhandlungen, die sich nicht auf einen wirtschaftlich zweidimensionalen Tauschvorgang beziehen, sondern auf komplexere Sachverhalte, in denen die denkbaren Einigungsoptionen zahlreich sind und sich nicht auf einen reinen Verteilungsschlüssel beschränken. Verhandlungen dienen also der Erzielung von Kooperationsgewinnen. Unter diesem Gesichtspunkt interessante Einigungsoptionen (die sog. zone of possible agreement – ZOPA) können aber häufig nur in der offenen Verhandlung entdeckt werden.1 Denn Kooperationsgewinne sind in der Regel nur erzielbar, wenn anstelle des aussichtslosen Positionenstreits eine Interessenverhandlung tritt.
2
Offene Kommunikation wiederum birgt die Gefahr der Ausforschung durch die andere Seite. Würde bspw. der Verkaufsinteressent einer Immobilie vor dem eingangs dieser Einführung geschilderten Hintergrund in der Verkaufsverhandlung den geringsten Preis mitteilen, zu dem er gerade noch bereit wäre, den Kaufgegenstand zu veräußern (sog. reservation price), so würde er wohl kaum mehr einen höheren Preis erwarten dürfen.2 Das Offenlegen von Informationen kann also die eigene Verhandlungsposition schwächen.
3
Um die in Erkenntnis dieser Gefahren geübte, den Erfolgsaussichten einer aus Sicht beider Teile vernünftigen Einigung aber abträgliche Zurückhaltung zu durchbrechen, suchen die
4
1 Eidenmüller in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 31 (49 f.). 2 Vgl. Walz, MittBayNot 2001, 53; Walz in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 45 ff.
Bülow 39
Kap. 5 Rz. 4a
Regelungen zur Verhandlungsführung
M 5.1
Parteien nicht selten nach Sicherheit vor missbräuchlicher Verwendung von im Verhandlungsprozess erlangten Kenntnissen. 4a
Diese – nach Schneider1 noch ungelöste – Problematik kann mit einer prozessvertraglich gestützten Vertraulichkeitsvereinbarung gelöst werden, wie nachstehend im Muster vorgeschlagen.2
5
Freilich kann auch die sorgfältigst formulierte Vertraulichkeitsvereinbarung keinen umfassenden „Schutzschirm“ gegen jegliche Nachteile einer offenen Verhandlung bieten.3 Unvermeidlich bleibt beispielsweise die Gefahr des faktischen Missbrauchs von in der Verhandlung erlangten Kenntnissen: Legt eine Partei bspw. akuten Liquiditätsbedarf als Verhandlungsinteresse offen, mag dies die andere Partei dazu verleiten, den anderen Teil durch Hinziehen der Verhandlungen in noch größere Finanznot zu bringen, um so Druck auf ihn auszuüben.4 In solch heiklen Fällen ist der Partei zu raten, die empfindliche Information nicht preiszugeben außer – und hierin wird die Stärke der Mediation als Instrument zur gefahrlosen Verhandlung offenbar5 – im vertraulichen Einzelgespräch mit dem Mediator.
5a
Auch lässt sich nicht vermeiden, dass die Gegenseite in der Verhandlung Informationen früher erhält als in einem etwaigen Rechtsstreit (zeitlicher Vorteil).6 Darüber hinaus besteht im Falle des Scheiterns der Verhandlung die Gefahr, dass die Gegenseite die offengelegten Informationen aus anderen (und somit: verwertbaren) Quellen gewinnt, nachdem ihn die Verhandlung auf die Idee gebracht hat, danach zu suchen.7
II. Muster 6
M 5.1 Vertraulichkeitsvereinbarung §… Vertraulichkeit 1. Die Parteien verpflichten sich, über die Tatsache, dass Verhandlungen zwischen ihnen schweben sowie über sämtliche Tatsachen, die ihnen im Zusammenhang mit oder aus Anlass der Verhandlungen bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Sie dürfen solche Informationen nicht zu anderen Zwecken als zur Erreichung einer Einigung verwenden. Von der Verpflichtung zur Vertraulichkeit umfasst ist auch die Tatsache und der Inhalt einer zum Abschluss der Verhandlungen etwa erzielten – auch teilweisen – Einigung. Die Verpflichtung zur
1 Schneider in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 171 (180). 2 Vgl. im Einzelnen Wagner in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 7 Rz. 55 ff.; Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 27 f.; ferner Wagner, NJW 2001, 1398. 3 Bösch/Lobschat, SchiedsVZ 2014, 190. 4 Risse, ZEV 1999, 205 (209). 5 Vertrauliche Einzelgespräche mit den Konfliktparteien (caucas oder shuttle diplomacy) sind eine vielfach Erfolg versprechende Methode der Mediation zur Überwindung des Verhandlungsdilemmas zwischen integrativem und damit offenem Verhandeln einerseits und distributivem, taktischem Verhandeln andererseits, Eidenmüller in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 31, 52; Walz, Vertraulichkeit in der Mediation, MittBayNot 2001, 53; a.A. Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch Notare, 2001, Rz. 185; ausführlich Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 174 ff. 6 Bösch/Lobschat, SchiedsVZ 2014, 190. 7 Bösch/Lobschat, SchiedsVZ 2014, 190.
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Bülow
M 5.1
Vertraulichkeitsabrede
Rz. 8 Kap. 5
Vertraulichkeit entfällt auch nicht mit einem sonstigen Ende oder dem etwaigen Scheitern der Verhandlungen. 2. Die Parteien dürfen Personen, die an den Verhandlungen unmittelbar oder mittelbar beteiligt waren, in einem Prozess nicht als Zeugen oder Sachverständige für Tatsachen benennen, die nach vorstehendem Absatz der Verschwiegenheit unterliegen. 3. Sie sind verpflichtet, diese Vertraulichkeitsverpflichtung auch den für sie am Verhandlungsprozess mitwirkenden Personen in der Weise aufzuerlegen, dass der je anderen Partei aus dieser auferlegten Verpflichtung ein unmittelbar eigener Anspruch zusteht. Jede Partei ist verpflichtet, der Gegenseite die Namen und Anschriften aller für sie mitwirkenden Personen unverzüglich schriftlich mitzuteilen. 4. Dies gilt nicht für Tatsachen, die eine Partei in gesetzlich zulässiger Weise von dritter Seite erfahren hat oder die offenkundig sind.A1 Ferner gilt dies nicht für Tatsachen, die eine Partei zur Geltendmachung von Ansprüchen oder zur Verteidigung gegen Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung oder einer in der Verhandlung erzielten Einigung vortragen muss.A2
Anmerkungen zu Muster M 5.1 A1 Sicherung der Vertraulichkeit: Das Vertragsmuster sieht eine eingeschränkte Vor- 7 trags- und Beweismittelbeschränkung vor. Die (insbesondere gerichtliche) Verwertbarkeit von Tatsachen, die eine Partei in gesetzlich zulässiger Weise von dritter Seite erfahren hat oder die offenkundig sind, beeinträchtigt die Offenheit der Verhandlung und die Ausgangspositionen der Parteien für einen etwa nachfolgenden Rechtsstreit nicht (ausführlich Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 27). A2 Folgeprozess: Eine weitere Ausnahme von der Vortrags- und Beweismittelbeschrän- 8 kung muss für diese Tatsachen gelten, damit die Verhandlung nicht die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Verhandlungsvertrag selbst und die (ggf. gerichtliche) Durchsetzung der erzielten Einigung erschwert.
Bülow 41
Dritter Teil
Mediation – Wirtschaftsmediation
Kapitel 6
Mediationsverfahren
A. Mediationsvereinbarung I. Einführung 1. Verfahren der Mediation – what is „real“ mediation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignung des Verfahrens zur Konfliktlösung – Vor- und Nachteile. . . . . . . . . . . 3. Verhaltenssteuerung – Verhaltensanreize 4. Wahl des Formulars . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 21 29
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.1 Mediationsvereinbarung. . . . . . . .
34 34
B. Verpflichtung zu vorbehaltloser Mediation – Mediationsklausel I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.2 Einfache Mediationsklausel . . . . .
71 73 73
1
M 6.3 Mediationsklausel in letztwilliger Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
C. Vereinbarungen über die Benennung des Mediators durch Dritte I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.4 Benennung des Mediators . . . . . .
91 92 92
D. I. 1. 2.
Mediatorvertrag Einführung Gegenstand und Rechtsnatur . . . . . . . . . . 98 Person des Mediators – Problem der Rechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 M 6.5 Mediatorvertrag . . . . . . . . . . . . . . 104
A. Mediationsvereinbarung I. Einführung Literatur: Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011; Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, 2015; Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, MediationsG, VSBG, Kommentar, 2. Aufl. 2016; Klowait/Gläßer (Hrsg.), Mediationsgesetz, 2014; Risse, Wirtschaftsmediation, 2003.
1. Verfahren der Mediation – what is „real“ mediation? „Mediation is a facilitative process in which disputing parties engage the assistance of an impartial third party, the mediator, who helps them to try to arrive at an agreed resolution of their dispute. The mediator has no authority to make any decisions that are binding on them, but uses certain procedures, techniques and skills to help them to negotiate an agreed resolution of their dispute without adjudication“.1
Mediation, in der Bundesrepublik Deutschland seit Juli 2012 durch das Mediationsgesetz erstmals gesetzlich normiert, ist eine Methode zur außergerichtlichen Streitbeilegung (ADR),2 nämlich die Vermittlung im Konflikt durch einen neutralen Dritten, den Mediator.3 Der Mediator hat die Aufgabe, die Konfliktparteien bei der Suche nach einer eigenen Lösung ihres Konfliktes zu unterstützen. Er moderiert ihre Verhandlungen, hat aber keine Entscheidungskompetenz und äußert eigene Bewertungen nicht oder nur auf übereinstim1 Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 127. 2 Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 5. 3 Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 5.
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1
Kap. 6 Rz. 1a
Mediation – Wirtschaftsmediation
menden Wunsch beider Konfliktparteien (facilitative approach). Der Mediator erlässt keine verfahrensleitenden Verfügungen im Rechtssinne; er greift in den Verhandlungsablauf lediglich strukturierend1 und behutsam fördernd ein. Der Fortschritt der Verhandlungen liegt ganz in den Händen der Konfliktparteien. Das Ende des Mediationsverfahrens ist, anders als das auf eine Entscheidung zulaufende Gerichts- oder Schiedsverfahren, offen. 1a
Die Bedeutung der Wirtschaftsmediation wird in den kommenden Jahren von einem Jahresvolumen in Deutschland von nach Angaben in der Literatur 300 Mio. Euro im Jahr 20002 zweifellos zunehmen angesichts einer Einigungsquote von über 75 % bei einer Verfahrensdauer von ein bis zwei Mediationstagen (so die Erfahrungen der Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement e.V. – gwmk – in München).3 Es ist zu erwarten, dass das am 1.4.2016 in Kraft getretene Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen4 (VSBG) (vgl. dazu ausführlich Kap. 10) der Mediation weiteren Vorschub leisten wird. Es legt Anforderungen an das Fachwissen, die Unparteilichkeit, die Unabhängigkeit und die Transparenz sowie den Ablauf außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren fest und wird so auch das Vertrauen in die Qualität von Mediationsverfahren fördern.
2
In der – insbesondere angelsächsischen – Mediationsliteratur herrscht seit Jahren Streit über die Frage, wie weit der Mediator den Streitstand bewerten und eigene Einschätzungen der Streitstoffs äußern darf (evaluative approach) und inwieweit die absolute Zurückhaltung begriffsnotwendige Voraussetzung für die Mediation sei.5 Da die Vertiefung dieser Frage nicht Gegenstand eines Praxisbuches zu sein hat, sei hier nur gesagt: Verschiedene Praktiker werden wohl immer unterschiedliche Auffassungen hierzu vertreten, die je ihre Gültigkeit besitzen. Entscheidend ist in erster Linie, was die Konfliktparteien vom Mediator und dem Mediationsverfahren erwarten und ob das Verfahren im Ergebnis zu einer befriedigenden Konfliktlösung beiträgt.
3
Mediation kann eine geeignete Methode auch außerhalb eines rechtlichen Rahmens,6 z.B. bei rein persönlichen Konflikten oder zur psychotherapeutischen oder sozialpädagogischen Problemlösung sein.7 Für diesen Anwendungsbereich der Mediation geltende Besonderheiten bleiben vorliegend unberücksichtigt. 2. Eignung des Verfahrens zur Konfliktlösung – Vor- und Nachteile
4
Welches Konfliktlösungsprogramm für einen gegebenen Konflikt das vorzugswürdige ist, kann nicht pauschal beantwortet werden, ebenso wenig wie – in herkömmlichen Katego1 Haft, Verhandlung und Mediation, 2. Aufl. 2000, 69 ff. 2 Neuenhahn, NJW 2004, 663 (664). 3 Neuenhahn, NJW 2004, 663 (664); Gräfin v. Hardenberg, IDR 1/04, 25 (26), zitiert die Alternative Dispute Resolution Studie des Florida Dispute Resolution Center, Karl D. Schultz (13th judicial circuit) mit einer ermittelten Einigungsquote von 80 %; Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 5; Hacke in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 3 Rz. 14, gibt für den Erfolg von Mediationsverfahren einen Erfahrungswert von 75 % an; das Statistische Bundesamt hat für das Jahr 2014 eine Einigungsquote nach Verweisung an den Güterichter von (je nach Instanz) bis zu 54 % ermittelt, Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 2.1 - 2014. 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19.2.2016, BGBl. I, 233 und Berichtigung vom 27.4.2016, BGBl. I 2016, 1039. 5 Vgl. statt vieler Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 149; Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 5. 6 LG Rostock, Urt. v. 11.8.2000 – 5 O 67/00, BB 2001, 698. 7 Vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 137 f.
44
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Mediationsverfahren
Rz. 8 Kap. 6
rien ausgedrückt – das gerichtliche Mahnverfahren dem unmittelbar anhängig gemachten Zivilprozess prinzipiell über- oder unterlegen ist.1 Kein Zweifel dürfte aber daran bestehen, dass eine auf dem Verhandlungswege erzielte Einigung grundsätzlich die einfachste, kostengünstigste und am meisten befriedigende und befriedende Lösung für einen Konflikt darstellt. Da Mediation keine Einigungsgarantie bietet, ja gar nicht bieten kann und wohl auch 5 nicht bieten darf, weil ihr Verlauf maßgeblich davon abhängt, ob eine gemeinsame – zu Beginn des Verfahrens aber noch verborgene – Einigungsoption der Parteien überhaupt existiert (ZOPA), sind vor Einleitung des Verfahrens dessen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Augenfälliger Vorteil der Mediation zur Beilegung eines aktuellen Konflikts gegenüber der 6 Streitentscheidung durch ein staatliches oder privates Gericht liegt in den i.d.R. geringen Kosten des Mediationsverfahrens. Bei anwaltlicher Vertretung fallen im Mediationsverfahren mit Geschäfts- und Einigungsgebühr2 sowie Auslagenpauschale3 – je auf beiden Seiten – insgesamt 5,6 Gebühren nach dem RVG an, wenn es zu einer Einigung kommt. Der Mediator erhält ein übliches4 Honorar in Höhe von bspw. 250 Euro je Stunde, bei einer angenommen Verfahrensdauer von 10 Stunden mithin 2 500 Euro. Bei einem Streitwert von 50 000 Euro ergeben sich damit Gesamtkosten in Höhe von 8 397,60 Euro (zzgl. Umsatzsteuer). Dem stehen im gerichtlichen Verfahren durch z.B. zwei Instanzen mit Beweisaufnahme in der ersten Instanz und einem Urteil mit Begründung in beiden Instanzen 7 Gerichtsgebühren und (Verfahrens- und Termins-)Anwaltsgebühren5 für die erste Instanz von 5,0 und 5,6 für die zweite Instanz sowie die Kostenpauschale und damit Gesamtkosten in Höhe von 16 229,80 Euro gegenüber. Dieser Kostenvorteil der Mediation ist so massiv, dass er den Versuch einer Mediation zur Konfliktlösung auch dann noch rechtfertigt, wenn in der Mediation nur in 2/3 aller Fälle eine Einigung erzielt werden könnte.6 Ein weiterer Vorteil der Mediation liegt in der Befriedungswirkung der freiwilligen Einigung gegenüber der oft mit einem Gesichtsverlust für eine Seite verbundenen Sieger-Verlierer-Situation zum Abschluss eines streitentscheidenden Verfahrens. Dieser Vorteil der konsensualen Lösung kommt vor allem dann zum Tragen, wenn die Parteien ungeachtet des Konflikts auch künftig zusammenarbeiten wollen oder müssen.7
7
Eine Besonderheit von Methoden der außergerichtlichen Streitbeilegung allgemein liegt in der Möglichkeit der privatautonomen Verfahrensgestaltung und damit insbesondere darin,
8
1 2 3 4
Neuenhahn, NJW 2004, 663 (664). § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nrn. 1000 und 2400 Vergütungsverzeichnis. Nr. 7002 Vergütungsverzeichnis. Engel in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 10 Rz. 28, empfiehlt Halbtages- oder Tageshonorare zu vereinbaren, wobei sich ein Halbtagessatz typischerweise zwischen 500 Euro und 2000 Euro bewege; ein regelrechtes Tarifwerk mit Honoraren von 200 Euro bis 300 Euro je Stunde und Verfahrensgebühren von 500 Euro bis 8 000 Euro veröffentlicht die Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement e.V. – gwmk – in München bei Drucklegung unter www.gwmk.de. Wird ein Notar als Mediator beauftragt, so hat dieser mit den Beteiligten nach § 126 GNotKG durch öffentlich-rechtlichen Vertrag eine – ansonsten gem. § 125 GNotKG unzulässige – Vergütungsvereinbarung zu treffen. 5 Verfahrensgebühr in der ersten Instanz 1,3 (Nr. 3100 Vergütungsverzeichnis), in der zweiten Instanz 1,6; die Terminsgebühr beträgt in beiden Instanzen je 1,2 (Nr. 3104 bzw. Nr. 3202 Vergütungsverzeichnis). 6 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 5, gibt diesen Erfahrungswert für Wirtschaftskonflikte an; Hacke in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 3 Rz. 14, sprechen von 75 %; vgl. zu den Erfolgsaussichten vorstehend Rz. 1 ff. 7 Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 116 f.
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Kap. 6 Rz. 9
Mediation – Wirtschaftsmediation
das Verfahren vertraulich gestalten zu können. Während das Verfahren vor den staatlichen Gerichten nach § 169 Satz 1 GVG grundsätzlich öffentlich ist, unterliegt das Mediationsverfahren i.d.R. einer strengen Vertraulichkeitsabrede, § 1 Abs. 1 MediationsG. Nicht nur in Streitigkeiten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, des Patent- und Urheberrechts kann der Vertraulichkeit des Verfahrens aus Sicht beider Konfliktparteien große Bedeutung zukommen. Die Vertraulichkeit steht allerdings zur Disposition der Parteien.1 9
Kein Gegensatz hierzu muss das nicht selten unausgesprochene Interesse der Konfliktparteien sein, ihre Sache einer öffentlichen, typischerweise gerichtlichen Würdigung zuzuführen. Gegenüber dem gerichtlichen Streitverfahren, in dem zur häufigen Enttäuschung der Parteien kein Showdown nach dem Muster amerikanischer Anwalts-Fernsehserien stattfindet, sondern i.d.R. nur ein knappes Rechtsgespräch und im Übrigen Bezugnahme auf Prozessakten, kann das Mediationsverfahren auch diesem Anspruch gerecht werden, weil es gewährleistet, dass die Konfliktparteien ausreichend zu Wort kommen. Sie erhalten damit neben rechtlichem auch menschliches Gehör und das Gefühl, mit ihrem Standpunkt ernst genommen zu werden.
10
Die privatautonome Verfahrensgestaltung erlaubt es den Parteien, einen für die Vermittlung der Angelegenheit mit besonderen Kenntnissen ausgestatteten Mediator zu beauftragen, was Zeit und Kosten für die Einholung sachverständiger Expertise und die Erläuterung technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Zusammenhänge ersparen kann.
10a
Mediation lässt ferner – anders als das auf den Streitgegenstand beschränkte gerichtliche Verfahren – die im Rahmen der privatautonom gestalteten Einigung zum Verfahrensabschluss unbeschränkte Einbeziehung aller möglichen weiteren Verhandlungsthemen zu. Die Mediation bietet damit wie kein anderes Verfahren die Chance zur umfassenden Konfliktbewältigung.
11
Die Durchsetzbarkeit der Streitentscheidung durch staatliche Gerichte im Wege der Zwangsvollstreckung kommt der privaten Einigung im Mediationsverfahren nur dann zu, wenn sie in vollstreckbarer Weise (etwa zu vollstreckbarer notarieller Urkunde) niedergelegt wird.
12
Schließlich ist ein Mediationsverfahren im Vergleich zur erheblichen Dauer staatlicher Gerichtsverfahren ein Weg zur raschen Konfliktlösung. Die Konfliktparteien haben die Geschwindigkeit des Verfahrensgangs im Wesentlichen selbst in der Hand. Die praktische Erfahrung zeigt, dass ein Mediationsverfahren von überschaubarer Komplexität nicht selten in einer einzigen Sitzung von wenigen Stunden erfolgreich abgeschlossen werden kann, was für gerichtliche Auseinandersetzungen als zumindest unwahrscheinlich gelten muss.
13
Als Nachteil der Mediation wird von den Parteien aber im Gegenteil nicht selten die Gefahr ihres Missbrauchs zur Verfahrensverschleppung angesehen. Der Gefahr, dass sich eine Konfliktpartei nur zum Schein auf die Mediation einlässt, kann jedoch mit entsprechenden Regelungen in der Mediationsvereinbarung (Verzugseintritt, Hemmung der Verjährung, Kündigungsmöglichkeit etc., s. hierzu M 6.1 [Rz. 34] sowie Anm. A21 [Rz. 53 ff.] und Anm. A25 [Rz. 57]) in weiten Teilen vorgebeugt werden, vorausgesetzt, alle wesentlich Beteiligten wirken an deren Abschluss mit. Das Erfordernis der vorläufigen Sicherung des Streitgegenstandes, aber auch die Vermögenssituation des Gegners können jedoch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall vorzugswürdig erscheinen lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Verfahrensverzögerung zum Rechtsverlust einer Partei führen kann, die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Forderung gefährdet erscheint oder der Ausgang eines Verfahrens präjudiziell für ein anderes Rechtsverhältnis ist und deshalb auf eine Bindung an die Rechts1 Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 52, § 4 MediationsG Rz. 3.
46
Bülow
Mediationsverfahren
Rz. 18 Kap. 6
erkenntnis des Gerichts (Nebeninterventionswirkung) nicht verzichtet werden kann (so in der Situation der Streitverkündung). Da die in der Mediation erzielte Einigung vorbehaltlich Beteiligung Dritter am Mediations- 14 verfahren grundsätzlich keine Bindungswirkung für künftige Auseinandersetzungen gleicher oder ähnlicher Art entfaltet, ist sie nur bedingt geeignet, „Musterverfahren“ in Massenstreitigkeiten zu ersetzen. Zur Findung der „Rechtswahrheit“ ist die Mediation nicht angetan. Damit ist zugleich ein struktureller Nachteil der Mediation bezeichnet: Rechtssoziologisch betrachtet wohnt der Mediation, die die Verhandelbarkeit von rechtlichen Positionen voraussetzt, eine Tendenz zur Relativierung des Rechts und damit zur Erosion von Rechtsregeln inne. Ist eine Konfliktpartei daran interessiert, eine gerichtliche Entscheidung zu vermeiden, etwa eine Haftpflichtversicherung, die das Entstehen eines Bezugsfalls verhindern will, so ist die vergleichsweise Beilegung des Konflikts im Mediationsverfahren ein Weg, dies zu tun. Mediation beruht auf dem Gedanken, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, ihre Belange 15 durch konsensuale Lösungen besser zu gestalten, als ein Dritter – insbesondere der Staat – dies könnte. Damit wurzelt Mediation in dem – in der freiheitlichen bürgerlichen Gesellschaft grundlegenden – Prinzip der Privatautonomie. Infrage kommt die Mediation nur für im Hinblick auf die Privatautonomie mediationsfähige Konflikte.1 Wo das Gesetz einer privatautonomen Vereinbarung die Anerkennung versagt, bspw. die rechtsgestaltende Wirkung (derzeit noch) dem richterlichen Ausspruch der Ehescheidung vorbehält, ist für Mediation kein Raum. Ferner zieht der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung der Mediation enge Grenzen im Bereich des öffentlichen Rechts.2 Anwendungsbereich und Grenzen der Mediation ergeben sich hier insbesondere aus den Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder über den öffentlich-rechtlichen Vertrag (etwa aus §§ 54 ff. VwVfG). Das Prinzip der Privatautonomie hat zwar insbesondere durch verfassungsgerichtliche 16 Rechtsprechung Einschränkungen erfahren,3 die ein Abschmelzen der Vertragsfreiheit zugunsten einer allgemeinen Inhalts-, Billigkeits- und Gerechtigkeitskontrolle befürchten lassen.4 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsentwicklung bestehen – über die Schranken des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Beurkundungsgesetzes hinaus – Bedenken gegen die künftige Eignung der Mediation zur nachhaltigen Konfliktlösung dann, wenn die Konfliktparteien eine strukturell ungleiche Verhandlungsstärke aufweisen. In solchen Fällen kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine in der Mediation erzielte Einigung vom hernach vertragsreuigen Teil mit Erfolg gerichtlich angegriffen wird. Ein Vorteil des gerichtlichen Streitverfahrens kann es sein, dass dort über den Streitgegen- 17 stand vom besonders qualifizierten und erfahrenen Juristen entschieden wird. Demgegenüber hält auf dem heutigen Markt der Mediatorleistungen ein Kreis bunt gemischter Interessierter seine Leistungen feil. Die persönliche Eignung eines Anbieters als Mediator für das beabsichtigte Verfahren ist mitunter schwer zu ermitteln. Das Mediationsgesetz führt in § 5 Abs. 2 die geschützte Berufsbezeichnung „zertifizierter Mediator“ ein (näher hierzu unten M 6.2 Anm. A10 [Rz. 82]). Wenig Erfolg versprechend ist die Mediation, wenn eine nach der bisherigen Kommunika- 18 tion der Konfliktparteien erkennbare mangelnde Verfahrenstreue eines Beteiligten oder die
1 2 3 4
Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 91 f. Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 93; ferner Vetter, Mediation und Vorverfahren, 2004. Vgl. Ellenberger in Palandt, 75. Aufl. 2016, Einf. v. § 145 BGB Rz. 13. Wälzholz/Bülow, MittBayNot 2001, 509 (514).
Bülow 47
Kap. 6 Rz. 19
Mediation – Wirtschaftsmediation
im bisherigen Streitverlauf erreichte Eskalationsstufe keine regelgerechte Verhandlung mehr erwarten lässt. 19
Erweist es sich, dass der Konflikt nur distributive Lösungen bietet, weil es im Ergebnis nur darum geht, welche Konfliktpartei auf Kosten der anderen einen Sieg erringt, sind die Erfolgsaussichten einer Mediation gegenüber einem Konflikt, in dem ein wertschöpfendes Ergebnis erreicht werden kann, weniger aussichtsreich.
20
Möglicherweise ungeeignet ist die Mediation in der Auseinandersetzung mit dem lediglich leistungsunwilligen oder -unfähigen Gegner, wenn Uneinigkeit über den Streitgegenstand gar nicht besteht. Gegen Ersteren dürfte – soweit zulässig – das gerichtliche Mahnverfahren die richtige Maßnahme sein, während Letzterer zum Zwecke der Kostenersparnis oft zur Abgabe eines vollstreckbaren Schuldanerkenntnisses zu notarieller Urkunde bewegt werden kann. 3. Verhaltenssteuerung – Verhaltensanreize
21
Die Mediationsvereinbarung zur Lösung eines bereits entstandenen Konflikts ist eine verfahrenssteuernde Vereinbarung. Das Ergebnis der Mediation lässt sich bei Abschluss der Vereinbarung nicht voraussehen. Die Mediationsvereinbarung dient daher nicht der Verwirklichung von bestimmten Sachzielen, sondern sie erstrebt positive Effekte auf den Verhandlungsprozess, insbesondere – die vereinfachte und beschleunigte Klärung der Frage, ob eine Einigung überhaupt möglich ist, – die Nutzung der Chancen einer sachorientierten Verhandlung, – die Vermeidung von einer Einigung hinderlichem Positionsdenken, – die Aufdeckung von Einigungsoptionen und Kooperationsgewinnen.
22
Der Konflikt zwischen den Parteien ist bei Abschluss der Mediationsvereinbarung bereits entstanden. Die Mediationsvereinbarung setzt somit Verhaltensanreize nur im Hinblick auf das Konfliktlösungsprogramm. Verhaltensbeeinflussende Effekte der Vereinbarung im Hinblick auf die Entstehung eines Konflikts bestehen nicht.
23
Die Parteien lassen sich mit Abschluss der Mediationsvereinbarung auf das in der Vereinbarung in den Grundzügen festgelegte Verfahren ein. Wenn die Parteien sich einig sind, den Versuch zu unternehmen, einen Konflikt mit Unterstützung eines Mediators in konstruktiver Weise eigenverantwortlich zu lösen, gibt dies allein keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine (innerlich) ernsthafte Teilnahme an der Verhandlung. Dies mag den Kautelarjuristen skeptisch stimmen. Eine solche Mediationsvereinbarung oder -klausel mobilisiert aber zwei soziale Normen1 zur Stabilisierung des Verfahrensgangs: Zum einen das Prinzip des widerspruchsfreien Verhaltens, wonach die Parteien zu ihrem Wort, die Mediation wenigstens guten Willens zu versuchen, zu stehen haben. Zum anderen das Prinzip der Gegenseitigkeit, wonach die Kompromissbereitschaft, welche die andere Seite mit der Einlassung auf das Verfahren grundsätzlich signalisiert, mit dem gleichen Signal zu beantworten ist.
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Zweckmäßig ist es – unabhängig von der gesetzlichen Anforderung des allseitigen Einverständnisses der Parteien in § 2 Abs. 3 Satz 3 MediationsG – m.E., in der Mediationsvereinbarung vertrauliche Einzelgespräche des Mediators mit den Konfliktparteien ausdrücklich zuzulassen. Dies zerstreut Zweifel der Parteien an der Neutralität des Mediators (vgl. im Einzelnen M 6.1 Anm. 6 [Rz. 39]). Einzelgespräche können den dem Erfolg des Verfahrens 1 Vgl. zum psychologischen Hintergrund auch Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 114 ff.
48
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Mediationsverfahren
Rz. 27 Kap. 6
dienlichen Anreiz setzen, Interessen zu offenbaren um Einigungsoptionen aufzudecken und auf diese Weise erzielbare Kooperationsgewinne erkennbar zu machen, die ohne vertrauliche Einzelgespräche unentdeckt geblieben wären. Wer nämlich seine Interessen in der Verhandlung offen legt, erhöht damit zwar die Wahrscheinlichkeit zur Erzielung von Kooperationsgewinnen einer Einigung. Ein entsprechender Verhaltensanreiz ist bei vernünftiger Betrachtung des Verhandlungsprozesses also schon vorhanden. Die so verhandelnde Partei wird aber in den meisten Fällen ein aus ihrer Sicht nur suboptimales Ergebnis erringen. Spielt sie demgegenüber mit verdeckten Karten, so verbessert sie zwar ihre Aussichten, die andere Seite zu Konzessionen zu bewegen. Sie gefährdet aber die Chancen einer Einigung zur Erzielung von Kooperationsgewinnen und damit den Erfolg der Mediation. Das vertrauliche Einzelgespräch durchschlägt dieses Dilemma, indem es den Parteien erlaubt, dem Mediator unter dem Vorbehalt der Vertraulichkeit gefahrlos ihre Interessen zu offenbaren. Die Vereinbarung ist damit geeignet, das Verhalten der Parteien in verfahrensfördernder Weise zu lenken. Demselben Ziel dient eine in der rechtlichen Gestaltung nicht ganz unkomplizierte Ver- 25 traulichkeitsabrede (vgl. hierzu oben Kap. 5). Sie soll die für die Erfolgsaussichten in einem etwa anschließenden Rechtsstreit bestehenden Risiken, die den Parteien aus einer offenen Verhandlung erwachsen, möglichst ausschließen. Ungeachtet der (auf Ebene der Ethik ausgefochtenen) Frage, ob der Mediator eigene Ein- 25a schätzungen mitteilen darf oder sich solcher Stellungnahmen zu enthalten hat, kann die Mediationsvereinbarung diesen Weg gehen. Die Evaluation durch den Mediator als agent of reality ist geeignet, den nicht selten anzutreffenden Überoptimismus der Konfliktparteien zu dämpfen. Den Überoptimismus, der darin besteht, die eigenen Prozessaussichten mit über 50 % zu beurteilen, teilen die Konfliktparteien regelmäßig, obwohl nach der Lebenserfahrung kaum je beide Seiten in einem gerichtlichen Streit obsiegen dürften (Walz, Kap. 3 Rz. 57). Für den Erfolg der Mediation ist er im Ansatz schädlich, weil er die Einigungsbereitschaft der Parteien in irrationaler Weise herabsetzt. Er darf freilich nicht dazu verleiten, im Interesse einer Einigung eine Konfliktpartei über ihre Alternativen zu einer Einigung (Best Alternative to Negotiated Agreement = BATNA) zu täuschen. Denn zu den Prinzipien der Mediation gehört auch die Annahme, dass eine Einigung nicht immer einer Nicht-Einigung vorzuziehen ist, also keinen Wert an sich besitzt. Die Mediationsvereinbarung setzt als verfahrenssteuernde Vereinbarung voraus, dass die Konfliktparteien die Spielregeln des Verfahrens wenigstens grundsätzlich beachten. Dies wiederum erfordert ein gewisses Vertrauen in die Verfahrenstreue der jeweils anderen Partei. Störungen im Verfahrensablauf durch regelwidriges Verhalten einer Partei kann dieses Vertrauen schnell untergraben. Die Vereinbarung von Schadensersatz- oder Vertragsstrafeversprechen1 halte ich im Hinblick auf den Verfahrenszweck der Mediation zwar nicht für zielführend, Streitigkeiten über den Verfahrensfortgang gefährden aber den Erfolg der Mediation. Eine genaue Regelung des Sitzungsortes und des Einladungsverfahrens hilft, Missverständnissen in streitträchtigen Verfahrensfragen vorzubeugen und ist den Parteien Anreiz, unter dem Vorwand des Missverständnisses begangenes regelwidriges Verhalten zu unterlassen.
26
Taktisches Verhalten der Konfliktparteien birgt erhebliches Störpotential für die Media- 27 tion. Zu taktischem Verhalten gehört auch der Einsatz vollmachtloser Verhandlungsführer ohne Autorität zum Abschluss verbindlicher Abreden. Diese Taktik setzt für die andere Seite den Anreiz, abschließende Kompromisse aufzuschieben und sich Bewegungsspielräume offen zu halten, weil mit einem Nachverhandeln auf der vollmachtlos vertretenen Seite zu 1 Anders Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 100 f.
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Kap. 6 Rz. 28
Mediation – Wirtschaftsmediation
rechnen ist (Walz, Kap. 3 Rz. 46). Diesen Anreiz neutralisiert das Muster mit der Möglichkeit für den Mediator, die Parteien zum persönlichen Erscheinen einzuladen (Escalation to the Top). 28
Die Konfliktparteien lassen sich auf die Mediation desto offener ein, je weniger sie befürchten müssen, durch das Verfahren Verhandlungsposition einzubüßen. Die Mediationsvereinbarung lässt daher den jederzeitigen Ausstieg aus dem Verfahren zu und stellt klar, dass eine Verpflichtung zur Einigung nicht besteht. Diese Regelung setzt für jede Partei den Anreiz: „Es gibt nichts zu verlieren. In der Mediation kann ich nur gewinnen“. 4. Wahl des Formulars
29
In der Mediationsvereinbarung legen die Konfliktparteien den Weg in die Mediation (eigentliche Mediationsvereinbarung) und die Grundsätze des Mediationsverfahrens (Mediationsverfahrensvereinbarung) fest.1 Einige gewerbliche oder institutionelle Anbieter von Mediatordiensten halten auch eine Mediationsordnung vor, auf die in der Mediationsvereinbarung Bezug genommen werden kann.2 Lediglich um Fragen der Bezugnahme zu vermeiden (AGB-rechtliche, verweisungstechnische – dynamische oder statische Verweisung?) und um das abgedruckte Formular vielseitig verwendbar zu halten, wird von dieser Vertragsgestaltung vorliegend abgesehen.
30
Die „Spielregeln“ des Mediationsverfahrens im Einzelnen werden allerdings typischerweise nicht vor der Mediation vereinbart. Diese Festlegung ist vielmehr erster eigentlicher Bestandteil des Mediationsverfahrens selbst im Rahmen einer Vorverhandlung. Erst in dieser Vorverhandlung wird zwischen den Konfliktparteien und dem Mediator auf der sog. MetaEbene das „Wie“ der Sachverhandlung vereinbart. Der Ablauf des Mediationsverfahrens kann daher in weiten Teilen nicht bereits im Vorhinein festgelegt werden.3 Die Mediationsvereinbarung muss sich auf die Festlegung der wesentlichen Grundsätze des Mediationsverfahrens beschränken. Auch der vom Mediator gewählte Mediationsstil wird von diesem üblicherweise in einem Eröffnungsstatement zu Beginn der Vorverhandlung festgelegt und ist für die ergänzende Auslegung des Mediationsvertrages von zentraler Bedeutung. Diese Festlegung erfolgt zudem i.d.R. vorläufig, weil sich der Mediator die Anpassung des Mediationsstils vorbehält. Das Eröffnungsstatement4 ist sinnvollerweise auch dazu zu nutzen, den Konfliktparteien die Rolle des Mediators und seine Verpflichtung zur Neutralität zu erläutern.5
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In Abgrenzung zur Mediationsvereinbarung, die das Verhältnis zwischen den Konfliktparteien und das Verfahrensrecht der Mediation regelt, enthält der Mediatorvertrag die zwischen den Konfliktparteien und dem Mediator in Ergänzung des Mediationsgesetzes getroffenen Vereinbarungen.6 Aus Gründen der Klarheit ist eine Vermengung der Regelungen in Form eines dreiseitigen Vertrages nicht zu empfehlen. Die rein technische Verbindung zu einer Urkunde (einem Schriftstück) kann jedoch aus praktischen Gründen erwägenswert sein. 1 Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 132 ff. 2 Als Beispiele seien genannt die Hamburger Mediationsordnung für Wirtschaftskonflikte der Handelskammer Hamburg und die DIS-Mediationsordnung (MedO) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V., Köln. 3 Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 159 ff., 167 ff., spricht vom Abschluss des „Verhandlungsvertrages“; nach Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 137, kommt es im Laufe des Mediationsverfahrens zu laufend neu abzuschließenden Verhandlungsverträgen. 4 Vgl. hierzu ausführlich Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 2003, 166 ff., 198 ff. 5 Sorge, MittBayNot 2001, 50 (52). 6 Vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 128.
50
Bülow
M 6.1
Mediationsverfahren
Rz. 34 Kap. 6
Gegenstand des Vertragsmusters ist die Mediation zur Beilegung einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit, für die der ordentliche Rechtsweg mit dem Verfahren nach der Zivilprozessordnung (ZPO) eröffnet wäre. Für arbeitsrechtliche und öffentlich-rechtliche Streitigkeiten sind zahlreiche Besonderheiten der hierfür geltenden Verfahrensordnungen zu beachten, auf die aus Gründen der Übersichtlichkeit nur an einzelnen Stellen eingegangen wird. Die Mediationsvereinbarung begründet vor allem die Pflicht der Parteien zur Mitwirkung an einem privatautonomen Konfliktlösungsverfahren und ist damit „materiell-rechtlicher Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen“.1
32
Die Mediationsvereinbarung bedarf nach Auffassung von Risse analog § 1031 ZPO der 33 Schriftform, weil sie wie die Schiedsvereinbarung die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen in zeitlicher und finanzieller Hinsicht erschwert und für die Parteien ein erhöhtes Kostenrisiko zur Folge hat.2 Trotz erheblicher Zweifel hinsichtlich der Analogiefähigkeit von Formvorschriften und des Bestehens einer planwidrigen Regelungslücke und angesichts unterschiedlicher Schutzzwecke (Übereilungsschutz im Schiedsverfahren, Kostenrisiko hier), ist eine Niederlegung der Mediationsvereinbarung zumindest in Textform natürlich ratsam und der Komplexität der Materie einzig angemessen. Als Nebenabrede kann sich zudem ein für den Hauptvertrag geltender Formzwang auch auf die Mediationsvereinbarung erstrecken.3
II. Muster M 6.1 MediationsvereinbarungA1
34
§1 Vorbemerkung 1. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob … (Anspruchsteller) gegen … (Anspruchsgegner) aus … (Lebenssachverhalt) ein Anspruch auf … zusteht (Streitgegenstand).A2 2. Die Parteien sind sich einig, den Versuch zu unternehmen, ihren Konflikt über den Streitgegenstand mit Unterstützung eines neutralenA3 Dritten (Mediator) in konstruktiver Weise eigenverantwortlich zu lösen. Sie sind davon überzeugt, dass dieser Versuch geeignet ist, interessengerechte Einigungsoptionen aufzufinden und so den Konflikt kostengünstig und Zeit sparend mit einer abschließenden Einigung – zumindest teilweise – beizulegen.A4 Sie treffen deshalb die in dieser Urkunde niedergelegte Mediationsvereinbarung. §2 Mediator Als Mediator benennen die Parteien Herrn/Frau …A5 §3 Zuständigkeit des Mediators 1. Der Mediator bestimmt und leitet das Mediationsverfahren. Er kann insbesondere mit den Parteien einzeln und vertraulich verhandeln.A6
1 Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 143. 2 A.A. zu Recht Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 177. 3 A.A. Friedrich, SchiedsVZ 2007, 31; zu Recht vorsichtiger Broichmann/Matthäus, SchiedsVZ 2008, 274.
Bülow 51
Kap. 6 Rz. 34
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.1
2. Wenn keine Partei widerspricht, kannA7 der Mediator a) den Parteien seine Einschätzung einer Streitfrage und seine Vorstellungen einer angemessenen Lösung des Konflikts mitteilen sowie b) einen Einigungsvorschlag unterbreiten und eine entsprechende Vereinbarung formulierenA8 und c) den Vollzug und die Überwachung des Vollzuges einer schriftlich niedergelegten Einigung übernehmen. 3. Der Mediator ist nicht zuständig, über den Konflikt verbindlich zu entscheiden.A9 §4 Verpflichtung zur vorbehaltlosen Mediation 1. Die Parteien verpflichten sich, alles Erforderliche zu tun, um den Erfolg der Mediation zu fördern und alles zu unterlassen, was den Erfolg gefährden oder das Verfahren verzögern könnte.A10 2. Die Mediationssitzungen finden in … (Ort) statt; den genauen Ort der Sitzungen bestimmt der Mediator. 3. An den Sitzungen hat jede Partei persönlich oder in gesetzlich (organschaftlich) vertretener WeiseA11 teilzunehmen, wenn und soweit der Mediator schriftlich mit einer Frist von mindestens vierzehn Tagen zum persönlichen Erscheinen einlädt.A12 Bei der Berechnung der Frist werden der Tag der Absendung der Einladung und der Tag der Sitzung nicht mitgerechnet. Der Mediator beurteilt, ob der für eine Partei Erschienene den vorstehenden Anforderungen im Hinblick auf seine Verhandlungs- und Abschlussbefugnis genügt. 4. Ist eine Partei am persönlichen Erscheinen verhindert, so entfällt die Pflicht zur Teilnahme, wenn sie dies unverzüglich schriftlich und unter Angabe des Grundes der Verhinderung gegenüber dem Mediator anzeigt (Entschuldigung). Der Mediator benachrichtigt die andere Partei und übersendet ihr eine Abschrift der Anzeige. 5. Das Recht zur Kündigung bleibt unberührt; eine Pflicht zur Einigung besteht nicht.A13 §5 Hinzuziehung von Beiständen 1. Jede Partei kann im Mediationsverfahren und in den Mediationssitzungen eine zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Person hinzuziehen;A14 § 4 Abs. 3 dieses Vertrages bleibt unberührt.A15 2. Dies gilt nur, wenn der Vertreter sich schriftlich gegenüber der anderen Partei in gleicher Weise wie der Vertretene gem. § 10 dieses Vertrages zur Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet hat.A16 §6 Gerichtliche Geltendmachung; Aufrechnungsverbot 1. Eine Anrufung der ordentlichen Gerichte ist für die Dauer des Mediationsverfahrens gem. § 8 dieses Vertrages unzulässig (dilatorischer Klageverzicht). Für den Fall, dass bei Abschluss dieser Vereinbarung bereits in zulässiger Weise Klage erhoben wurde, vereinbaren die Parteien, das Ruhen des Verfahrens herbeizuführen.A17 2. Die Aufrechnung mit oder gegen Forderungen, die Gegenstand des Mediationsverfahrens sind, ist für die Dauer des Verfahrens ausgeschlossen.A18 3. Das Recht, vorläufige oder sichernde gerichtliche Maßnahmen in Bezug auf den Streitgegenstand zu beantragen, bleibt unberührt.A19
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Bülow
M 6.1
Mediationsverfahren
Rz. 34 Kap. 6
§7 Verzug; Verjährung 1. Während der Dauer des Mediationsverfahrens ist die VerjährungA20 des streitgegenständlichen Anspruchs gehemmt; dies gilt für vertragliche Ausschlussfristen entsprechend.A21 Die Hemmung endet sechs Monate nach der Beendigung des Mediationsverfahrens. 2. Der Anspruchsgegner ist berechtigt, die Leistung bis zur Beendigung des Mediationsverfahrens zu verweigern. Ein Anerkenntnis ist hiermit nicht verbunden.A22 Kommt es zu keiner Einigung, so fällt das Leistungsverweigerungsrecht rückwirkend weg. Die Parteien haben sich insbesondere im Hinblick auf den etwaigen Verzug einer Partei dann so zu stellen, wie sie stünden, wenn diese Mediationsvereinbarung nicht abgeschlossen worden wäre. 3. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.A23 4. Durch vorstehende Regelung wird die Verjährung nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert.A24 §8 Dauer des Mediationsverfahrens 1. Das Mediationsverfahren beginnt mit Eingang des vereinbarten Kostenvorschusses beim Mediator. 2. Es endet, wenn a) die Parteien sich über den Streitgegenstand geeinigt haben oder b) die Parteien sich über die Beendigung des Verfahrens geeinigt haben, wobei diese Einigung möglichst in Schriftform zu erfolgen hat oder c) der Mediator beiden Vertragsparteien schriftlich mitteilt, dass die Mediation gescheitert ist oder d) eine Partei durch schriftliche Erklärung gegenüber der anderen Partei die Kündigung erklärt hat, wozu nach der ersten Mediationssitzung jede Partei ohne Wahrung einer Frist berechtigt istA25 oder e) ein Mediatorvertrag nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Wirksamkeit dieser Vereinbarung zustande kommt oder durch Kündigung oder in sonstiger Weise später wegfällt.A26 3. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die erste Mediationssitzung nicht innerhalb eines Monats ab Wirksamwerden dieser Vereinbarung stattfindet. Die Kündigungserklärung bedarf auch in diesem Fall der Schriftform. §9 Einigung 1. Einigen sich die Parteien im Mediationsverfahren, so soll ihre Einigung klar und unzweideutig und, wenn nicht das Gesetz eine andere Form erfordert,A27 schriftlichA28 niedergelegt und von beiden Parteien und dem Mediator unterschrieben werden. Die Urkunde soll in drei von beiden Parteien und dem Mediator unterschriebenen Urschriften errichtet werden, wovon jede Partei und der Mediator ein Exemplar erhalten.A29 2. Die Vereinbarung soll auch eine Einigung der Parteien über die Kosten der Mediation enthalten. Etwaige Erstattungsansprüche sollen der Höhe nach ausgewiesen werden. War bei Beginn des Mediationsverfahrens Klage bereits erhoben, so erklären die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt; die Vereinbarung soll in diesem Fall auch eine Einigung der Parteien über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens enthalten.A30 3. Die in der Vereinbarung bestimmten Leistungspflichten der Parteien sollen möglichst vollstreckbar sein.A31 Bülow 53
Kap. 6 Rz. 35
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.1
§ 10 Vertraulichkeit 1. Die Parteien verpflichten sich, über sämtliche Tatsachen, die ihnen im Zusammenhang mit der Durchführung des Mediationsverfahrens bekannt geworden sind sowie über die Tatsache, dass ein Mediationsverfahren anhängig ist, Stillschweigen zu bewahren.A32 Sie dürfen solche Informationen nicht zu anderen Zwecken als zur Erreichung einer Einigung im Mediationsverfahren verwenden, insbesondere nicht in einem etwa nachfolgenden Schieds- oder Gerichtsverfahren vortragen. Sie dürfen ferner hinsichtlich tatsächlicher Vorgänge im Mediationsverfahren keinerlei Beweisanträge stellen.A33 Von der Verpflichtung zur Vertraulichkeit umfasst ist auch der Inhalt einer in der Mediation erzielten Einigung. 2. Dies gilt nicht für Tatsachen, die eine Partei in gesetzlich zulässiger Weise von dritter Seite erfahren hat oder die offenkundig sind.A34 Ferner gilt dies nicht für Tatsachen, die eine Partei zur Geltendmachung von Ansprüchen oder zur Verteidigung gegen Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dieser Mediationsvereinbarung, dem Mediatorvertrag oder einer in der Mediation erzielten Einigung vortragen muss.A35 3. Die Parteien dürfen den Mediator in einem etwa nachfolgenden Schieds- oder Gerichtsverfahren nicht als Zeugen oder Sachverständigen für die nach vorstehenden Absätzen vertraulich zu behandelnden Tatsachen benennen, die ihm während des Mediationsverfahrens in seiner Eigenschaft als Mediator bekannt geworden sind.A36 § 11 Scheitern der Mediation 1. Die Mediation ist gescheitert, wenn das Mediationsverfahren nach den Bestimmungen des § 8 Abs. 2 Ziff. c), d), e) oder Abs. 3 dieses Vertrages endet. 2. Hinsichtlich der Kosten gilt auch im Falle des Scheiterns § 12 Abs. 2 und 3. § 12 KostenA37 1. (…) hat den vereinbarten Kostenvorschuss an den Mediator zu bezahlen.A38 2. Erzielen die Parteien keine abweichende Einigung, so trägt jede Partei ihre Aufwendungen selbst; die Vergütung des Mediators und den ihm zustehenden Aufwendungsersatz tragen die Parteien je zur Hälfte. 3. Erscheint eine Partei ohne Entschuldigung gem. § 4 Abs. 4 zu einer Sitzung nicht und kommt es zu keiner Einigung gem. § 9 dieses Vertrages, so gilt vorstehender Absatz mit der Maßgabe, dass diese Partei die Vergütung des Mediators und den ihm zustehenden Aufwendungsersatz allein trägt.
Anmerkungen zu Muster M 6.1 35
A1 Sachverhalt: Die Parteien sind über ein bürgerlich-rechtliches Schuldverhältnis in Streit geraten. Der Streitgegenstand ist bestimmt; es wurde etwa bereits ein Klageentwurf übersandt, der Sachverhalt und prozessualen Anspruch bezeichnet. Sie einigen sich auf ein Mediationsverfahren.
35a
A2 Streitgegenstand: Die genaue Bezeichnung des Streitgegenstandes ist Voraussetzung für die Bestimmtheit des vereinbarten Klageverzichts und die Wirkung der vereinbarten Stundung. Der Begriff des Streitgegenstandes ist dem Zivilprozessrecht (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) entnommen. Gemeint ist der prozessuale Anspruch. Zu bezeichnen sind die geltend gemachte Forderung (entsprechend dem im gerichtlichen Verfahren zu stellenden Antrag) 54
Bülow
M 6.1
Mediationsverfahren
Rz. 42 Kap. 6
und der zugrunde liegende Lebenssachverhalt, vgl. statt vieler Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Einl. II Rz. 11). A3 Neutralität: Die Neutralität des Mediators ist für das Verfahren der Mediation konsti- 36 tutiv. Die Verpflichtung zur Neutralität bedarf, wenn sie sich nicht – wie für den Notar gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO – unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, der gesonderten Begründung durch Vereinbarung im Mediatorvertrag (vgl. hierzu M 6.5 [Rz. 104]). Zum Problemkreis insgesamt vgl. Sorge, MittBayNot 2001, 50 ff. Zum Begriff der Neutralität in der Mediationsliteratur vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 128. A4 Zweck der Mediation: Nach BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 197/82, MDR 1984, 37 485 = NJW 1984, 669 (670), stellt die Beschränkung der Klagbarkeit durch Vorschaltung eines Güteverfahrens (nur?) dann keine unangemessene Beschränkung des Rechtswegs dar, wenn die Vertragspartner an der Anrufung der Gütestelle ein berechtigtes Interesse haben; ebenso BGH, Urt. v. 18.11.1998 – VIII ZR 344/97, MDR 1999, 311 = NJW 1999, 647 (648). Unabhängig davon, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist (ablehnend zu Recht Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 20), ist zu empfehlen, den Sinn und Zweck des Mediationsverfahrens in der Vereinbarung festzuhalten. A5 Benennung des Mediators: Gem. § 2 Abs. 1 MediationsG wählen die Parteien den 38 Mediator aus. Für den Fall, dass ein Ersatzmediator benannt werden soll, muss einer entsprechenden Ergänzung auch die Bestimmung zur Kündigung wegen Wegfalls des Mediatorvertrages in § 8 Abs. 2e) des Vertragsmusters angepasst werden. A6 Vertrauliche Einzelgespräche mit den Konfliktparteien (caucas oder shuttle diploma- 39 cy, § 2 Abs. 3 Satz 3 MediationsG) sind eine vielfach erfolgversprechende Methode der Mediation zur Überwindung des Verhandlungsdilemmas zwischen integrativem und damit offenem Verhandeln einerseits und distributivem, taktischem Verhandeln andererseits (Eidenmüller in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 31 [52]; Walz, MittBayNot 2001, 53; Walz in Walz [Hrsg.], Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 45 [51]; a.A. Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch Notare, Rz. 185; ausführlich Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 174 ff.). Da das vertrauliche Einzelgespräch bei den Konfliktparteien jedoch geeignet ist, Zweifel an der Neutralität des Mediators zu wecken und weil gem. § 2 Abs. 3 Satz 3 MediationsG „allseitiges Einverständnis“ der Parteien erfordert, ist eine ausdrückliche Regelung seiner Zulässigkeit ratsam (zu den Vor- und Nachteilen von Einzelgesprächen ausführlich Walz, MittBayNot – Sonderheft Schlichtung und Mediation 2000, 32 [33 f.]; ferner Sorge, MittBayNot 2001, 50 [51]). A7 Rechtsberatung: Ob der Mediator zur Rechtsberatung verpflichtet sein soll, ist nicht 40 in der Mediationsvereinbarung, sondern im Mediatorvertrag zu regeln. Vgl. hierzu daher die Ausführungen zum Mediatorvertrag, Rz. 98 ff. A8 Einigungsvorschlag: Die Regelung gestattet den flexiblen Übergang vom sog. facilitati- 41 ve approach zum sog. evaluative approach im laufenden Mediationsverfahren (vgl. Brown/ Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 127 und 137; Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 5). Je nachdem, ob diese Tätigkeiten zur Zuständigkeit des Mediators gehören sollen oder dies als mediationsfremdes, vielmehr typisches Merkmal der Schlichtungstätigkeit angesehen wird (vgl. Wagner, DNotZ 1998, Sonderheft zum 25. Deutschen Notartag, 34, 99 [100]), machen die Konfliktparteien von der Möglichkeit Gebrauch, den Mediator um Mitteilung seiner eigenen Einschätzung der Streitfrage oder gar um Fertigung eines Einigungsvorschlages zu ersuchen. A9 Entscheidungsbefugnis: Vgl. hierzu die Einführung (oben Rz. 1 ff.); ferner Brown/ 42 Marriott, ADR Principles and Practice, 129. Bülow 55
Kap. 6 Rz. 43
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.1
43
A10 Verfahrensförderungspflicht: Die Begründung einer Mediationspflicht begegnet im Fall des Abschlusses einer freiwilligen Mediationsvereinbarung anlässlich eines aktuellen Konfliktes keinen Bedenken (Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 11 f.).
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A11 Vertretung/Verhandlungsbefugnis: Die Effizienz der Mediation hängt entscheidend vom Umfang der Verhandlungsbefugnis der Parteien ab. Der Mediator soll diese daher vorab klären und ggf. verdeckt bleibende Auftraggeber in die Verhandlung einbeziehen. Das Muster sieht eine sog. „Escalation to the Top“-Klausel oder auch „Step Clause“ vor, die jede Seite verpflichtet, Führungskräfte des höchsten Hierarchieniveaus mit den Verhandlungen zu betrauen. Zu den Besonderheiten sog. Vertreterverhandlungen (vgl. Bülow, MittBayNot 2000, 407 ff.).
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A12 Persönliches Erscheinen: Haben sich die Konfliktparteien auf die Durchführung einer Mediation geeinigt, so sollen sie sich nach hier vertretener Ansicht gegenseitig beim Wort nehmen können. Die persönliche Kommunikation der Konfliktparteien ist zentraler Bestandteil des Mediationsverfahrens (Risse, ZEV 1999, 205 [206]). Die Pflicht zur persönlichen Teilnahme an den Mediationssitzungen ist daher als durchsetzbare Hauptpflicht der Konfliktparteien formuliert (Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 23, vgl. im Einzelnen zur Verhandlungspflicht Wagner in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 2 Rz. 34 f., Rz. 96 ff.; Hacke in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 3 Rz. 43 ff.). Lehnt eine Konfliktpartei die Teilnahme an Mediationssitzungen ab, so soll sie Farbe bekennen – schließlich steht ihr der (sanktionslose) Weg der Kündigung offen (Abs. 5).
46
A13 Einigungspflicht: Eine Pflicht zur Einigung stünde im Widerspruch zum Sinn der Mediation, die den Konfliktparteien nicht einen „Frieden“ aufzwingen, sondern sie bei der Suche nach einer für beide Seiten einer Nichteinigung vorzuziehenden Einigung (BATNA) unterstützen soll. Kommen die Konfliktparteien zu dem Ergebnis, dass eine Nichteinigung auch nur für eine Seite der gegenüber einer Einigung günstigere Ausgang des Verfahrens ist, so entspricht es damit durchaus dem Sinn der Mediation, sie für gescheitert zu erklären: „Auch eine Nichteinigung kann ein „gutes Ergebnis“ einer Mediation sein“ (Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 43).
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A14 Anwaltliche Vertretung: Die Konfliktparteien sollen auch im Mediationsverfahren auf den Rat ihres Rechtsanwalts, aber ggf. auch ihres Steuerberaters oder des Wirtschaftsprüfers nicht verzichten müssen (vgl. zu den Chancen und Risiken der Mitwirkung von Parteivertretern im Mediationsverfahren Bülow, MittBayNot 2000, 407).
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A15 Persönliches Erscheinen: Auch wenn die Konfliktparteien anwaltlich beraten sind, sollen sie (abweichend von der Parallelvorschrift des § 141 ZPO, der die Entsendung eines Vertreters gestattet) auf Einladung des Mediators persönlich zu den Mediationssitzungen erscheinen (zur Bedeutung der persönlichen Teilnahme an den Mediationssitzungen vgl. Anm. A11 [Rz. 44], Anm. A12 [Rz. 45]).
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A16 Vertraulichkeit: Die Teilnahme eines Beistandes an den Mediationssitzungen würde ohne diese Regelung eine „Vertraulichkeitslücke“ entstehen lassen. Namentlich unterliegen die von den Parteien hinzugezogenen Beistände nicht der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht gem. § 4 Abs. 1 MediationsG (Klowait/Gläßer, § 4 MediationsG, Rz. 20).
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A17 Klageverzicht und Aufrechnungsverbot: Nach BGH, Urt. v. 21.2.1983 – VIII ZR 4/82, MDR 1983, 747 = NJW 1983, 2496, ist die prozessvertragliche Vereinbarung eines Klageverzichts zulässig (zustimmend Prütting, AnwBl 2000, 273 [277]). Sie ist außerdem auch zu empfehlen (Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG, Rz. 166). Wird die Ver56
Bülow
M 6.1
Mediationsverfahren
Rz. 56 Kap. 6
einbarung von einer Konfliktpartei im bereits rechtshängigen Verfahren geltend gemacht, trifft das Gericht die dem Vertrag entsprechende Entscheidung und ordnet das Ruhen des Verfahrens an (Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG, Rz. 199 ff.). Davon zu unterscheiden ist der in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Musters vor Anhängigkeit vereinbarte dilatorische Klageverzicht, der auf entsprechende Einrede zur Abweisung einer dennoch erhobenen Klage als unzulässig führt (Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 199; Loos/Brewitz, SchiedsVZ 2012, 305; Unberath, NJW 2011, 1320). Das Aufrechnungsverbot schließt die Befriedigung des streitgegenständlichen Anspruchs ohne Prozess aus und ergänzt damit den Klageverzicht sinnvoll (Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 168). A18 Siehe Anm. A17 [Rz. 50].
50a
A19 Vorläufiger Rechtsschutz: Diese Regelung bedarf der Überprüfung auf ihre Geeig- 51 netheit im Einzelnen Fall: Der einstweilige Rechtsschutz sollte ausgeschlossen werden, wenn dieser im Wege der Vorwegnahme der Hauptsache einer Umgehung des vereinbarten Mediationsverfahrens zur Folge hätte. Das – freiwillig! – begonnene Mediationsverfahren soll eine Konfliktpartei, die es nicht fortsetzen will, durch die gem. § 8 des Musters zulässige Kündigung der Mediationsvereinbarung ggf. auch „mit offenem Visier“ wieder verlassen (vertiefend hierzu Loos/Brewitz, SchiedsVZ 2012, 305) A20 Verjährung: Vorsicht ist angebracht bei Eingreifen gesetzlicher Ausschlussfristen. 52 Vor deren Verstreichen schützt eine vertragliche Vereinbarung grundsätzlich nicht, insbesondere nicht in den der Parteidisposition entzogenen Fällen wie z.B. gem. § 246 Abs. 1 AktG (vgl. Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 103; Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 164). A21 Verjährungshemmung: Gem. § 204 Abs. 1 Nr. 4 b) BGB wird die Verjährung kraft 53 Gesetzes gehemmt durch die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird; die Hemmungswirkung tritt dabei schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle ein, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird. Die Hemmung endet gem. § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach der Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Ein wirksamer Schutz vor Verjährung der streitgegenständlichen Forderung bleibt für die Akzeptanz des Mediationsverfahrens von großer Bedeutung (zur sog. Verjährungsfalle, Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 102). Auch nach „altem Schuldrecht“ führte jedes Schweben von Verhandlungen zu einer Hemmung der Verjährung (§ 203 Abs. 1 BGB). Ausreichend für den Eintritt der Hemmungswirkung ist aber auch die Einreichung eines Antrages durch beide Konfliktparteien (vgl. Ellenberger in Palandt, 75. Aufl. 2016, § 204 Rz. 19). Dieser Zeitpunkt fällt bei den hier vorgeschlagenen Vertragsmustern mit dem Zeitpunkt der Beauftragung des Mediators zusammen.
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A22 Anerkenntnis: Nach BGH, Urt. v. 27.4.1978 – VII ZR 219/77, NJW 1978, 1914, ist 54 ein Stundungsersuchen als tatsächliches Eingeständnis der Schuld zu verstehen, das analog § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB als Anerkenntnis wirkt (Ellenberger in Palandt, 75. Aufl. 2016, § 212 Rz. 4). Es ist sinnvoll, klarzustellen, dass diese Wirkung mit der Vereinbarung zur Verjährung nicht gewollt ist. A23 Frühester Verjährungseintritt: So der Rechtsgedanke des § 203 Satz 2 BGB.
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A24 30 Jahre: Diese Klarstellung ist „salvatorische Klausel“ zur Ergänzung der Bestim- 56 mung in Abs. 1. Sie ist vorsorglich vorgesehen aufgrund der Einschränkung der Dispositionsfreiheit hinsichtlich der Verjährung gem. § 202 BGB.
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Kap. 6 Rz. 57
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.1
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A25 Kündigung: Wegen der strikten Freiwilligkeit der Mediation kann jede Konfliktpartei das Mediationsverfahren abbrechen mit der Folge, dass ihr der Rechtsweg offen steht (Prütting, AnwBl 2000, 273 [277]; Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 107). Die Teilnahme an der ersten Sitzung kann von jeder Partei erwartet werden. Diese Sitzung wird vom geschickten Mediator dazu genutzt werden, mit dem Sinn des Verfahrens zu werben.
58
A26 Kein Mediator: Ist ein Ersatzmediator für diesen Fall benannt, so muss diese Bestimmung entsprechend angepasst werden.
59
A27 Gesetzliche Formvorschriften: Unwirksam und damit rechtlich (abgesehen von der möglichen Begründung eines Vertrauenstatbestandes, der zu einer Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss führen kann) ohne erkennbaren Sinn ist eine Abschlussvereinbarung, die trotz Erfordernis notarieller Beurkundung „zunächst“ privatschriftlich geschlossen und sodann „in den notariell relevanten Teilen noch in einem gesonderten Notarvertrag niedergelegt“ werden soll (so aber Krabbe/Diez in Strempel, Mediation für die Praxis, 1998, 80 [85]). Ganz abgesehen davon, dass nach ständiger Rspr. der Formzwang bei formpflichtigen Geschäften sich auf alle (auch Neben-)Abreden erstreckt, mit denen die formpflichtigen Abreden nach dem Willen der Konfliktparteien „stehen und fallen“ sollen (vgl. statt vieler Ellenberger in Palandt, 75. Aufl. 2016, § 125 BGB Rz. 9 m.w.N.).
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A28 Schriftform: Da zweifelhaft ist, ob die in Verträgen oft anzutreffende Begründung eines Formzwangs gem. § 127 BGB (gewillkürte Schriftform) mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit gem. § 125 BGB für vertragliche Vereinbarungen sinnvoll sein kann vor dem Hintergrund, dass die Formabrede jederzeit formfrei und sogar stillschweigend aufgehoben werden kann, verzichtet das Vertragsmuster hierauf (etwas anderes gilt nur bei einer sog. „doppelten Schriftformklausel“; vgl. nur Ellenberger in Palandt, 75. Aufl. 2016, § 125 BGB Rz. 19 m.w.N.). Die Vereinbarung ist bloße Ordnungsvorschrift und lässt die Wirksamkeit einer in anderer Form geschlossenen Einigung unberührt.
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A29 Die Erstellung von drei Originalurkunden dient Beweiszwecken, soll aber nicht Voraussetzung der Wirksamkeit der Vereinbarung sein.
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A30 Erledigung: Die außergerichtliche Einigung über den Streitgegenstand hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Rechtsstreit. Vielmehr beendigt die übereinstimmende Erledigterklärung gem. § 91a ZPO den Prozess in der Hauptsache; eine Klagerücknahme scheidet dann aus. Enthält die Vereinbarung der Parteien auch eine Regelung zu den Kosten, wird durch das Gericht auch über die Kosten nicht entschieden (BGH, Beschl. v. 14.7.1969 – X ZR 40/65, NJW 1969, 1814 [nur LS]).
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A31 Vollstreckbarkeit: Auf den ersten Blick den Prinzipien der auf konsensuale Konfliktlösung ausgerichteten Mediation wesensfremd ist die Durchsetzbarkeit der erzielten Einigung im Vergleich zum erstrittenen Urteil wesentlicher „wertbildender Faktor“ des Mediationsverfahrens. Damit die Konfliktparteien zur zwangsweisen Durchsetzung der vereinbarten Leistungspflichten nicht erneut im Wege der Leistungsklage vorgehen müssen, ist es nach Hacke in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 6 Rz. 138, richtigerweise Teil einer sorgfältigen Gestaltung der Abschlussvereinbarung ggf. für eine unmittelbare Vollstreckbarkeit zu sorgen. In Betracht kommt der Abschluss einer vollstreckbaren Vereinbarung namentlich gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (vor einer anerkannten Gütestelle), § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (zu notarieller Urkunde) oder § 796a ZPO (gerichtlich oder notariell für vollstreckbar erklärter Anwaltsvergleich).
64
A32 Vertraulichkeit: Mediation ist ein Konfliktlösungsprogramm, das auf die Möglichkeit zur Erzielung von Kooperationsgewinnen angewiesen ist. Es kann nur Erfolg haben, wenn die Konfliktparteien offen über ihre Interessen verhandeln (Eidenmüller in Breidenbach/ 58
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M 6.1
Mediationsverfahren
Rz. 67 Kap. 6
Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 31 [49 f.]), weil Einigungsoptionen (die sog. zone of possible agreement – ZOPA) nur in der offenen Verhandlung entdeckt werden können. Offene Kommunikation birgt jedoch die Gefahr der Ausforschung durch die andere Seite. Würde bspw. der Verkäufer einer Immobilie in der Verkaufsverhandlung den geringsten Preis mitteilen, zu dem er gerade noch bereit wäre, den Kaufgegenstand zu veräußern (sog. reservation price), so würde er wohl kaum mehr einen höheren Preis erwarten dürfen (vgl. Walz, MittBayNot 2001, 53). Der Gesetzgeber hat die Vertraulichkeit dementsprechend in § 1 Abs. 1 MediationsG zum „begriffsbildenden Merkmal der Mediation“ erhoben (Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 52), übrigens über die Anforderungen von Art. 7 Abs. 1 der Mediationsrichtlinie 2008/52/EG hinaus. Allerdings regelt das Mediationsgesetz damit lediglich die Verschwiegenheitspflicht des Mediators, nicht der Parteien und verfehlt damit sein eigentliches Regelungsziel (Wagner in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 7 Rz. 43 ff.). Um daher die in Erkenntnis der Ausforschungsgefahr geübte, für die Erfolgsaussichten der Mediation abträgliche Zurückhaltung zu durchbrechen, muss in der Mediationsvereinbarung nach Möglichkeit Sicherheit vor missbräuchlicher Verwendung von im Mediationsverfahren erlangten Kenntnissen geschaffen werden. Diese Problematik löst das Vertragsmuster in § 10 mit einer prozessvertraglich gestützten 64a Vertraulichkeitsvereinbarung (vgl. hierzu die Anm. A16 [Rz. 49]). Es verbleibt allerdings die Gefahr des faktischen Missbrauchs von in der Mediation erlangten Kenntnissen: Legt eine Partei bspw. akuten Liquiditätsbedarf als Verhandlungsinteresse offen, mag dies die andere Partei dazu verleiten, den Gegner durch Hinziehen der Verhandlungen in noch größere Finanznot zu bringen, um so Druck auf ihn auszuüben (Risse, ZEV 1999, 205 [209]). Auch lässt sich nicht vermeiden, dass die Gegenseite in der Verhandlung Informationen früher erhält als in einem etwaigen Rechtsstreit (zeitlicher Vorteil).1 Darüber hinaus besteht im Falle des Scheiterns der Verhandlung die Gefahr, dass die Gegenseite die offengelegten Informationen aus anderen (und somit: verwertbaren) Quellen gewinnt, nachdem ihn die Verhandlung auf die Idee gebracht hat, danach zu suchen.2 A33 Bedeutung der Vertraulichkeit: Siehe hierzu Walz, MittBayNot 2001, 53 (55).
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A34 Vortrags- und Beweismittelbeschränkung: Der einer offenen Verhandlung innewoh- 66 nenden Gefahr der Ausforschung steht bei Vorliegen einer Vertraulichkeitsvereinbarung die Gefahr der „Flucht in die Mediation“ gegenüber (Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 26; Weigel, NJOZ 2015, 41). Die vereinbarte Vortragsund Beweismittelbeschränkung könnte eine Konfliktpartei dazu verleiten, für sie ungünstige Tatsachen im Mediationsverfahren in der Absicht vorzutragen, der anderen Konfliktpartei die Berufung auf diese Tatsachen und deren Beweis in einem nachfolgenden Prozess abzuschneiden. Das Vertragsmuster bestimmt daher in § 10 Abs. 2 Satz 1 eine Einschränkung der Vortrags- und Beweismittelbeschränkung. Die (insbesondere gerichtliche) Verwertbarkeit von Tatsachen, die eine Konfliktpartei in gesetzlich zulässiger Weise von dritter Seite erfahren hat oder die offenkundig sind, beeinträchtigt die Offenheit der Verhandlung und die Ausgangspositionen der Konfliktparteien für einen etwa nachfolgenden Prozess nicht (ausführlich Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 27; Wagner in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 7 Rz. 43 ff.).
66a
A35 Folgeprozess: Eine weitere Ausnahme von der Vortrags- und Beweismittelbeschränkung muss für die in § 10 Abs. 2 Satz 2 des Vertragsmusters bezeichneten Tatsachen gelten, damit das Mediationsverfahren nicht die Geltendmachung von Ansprüchen aus der Media-
67
1 Bösch/Lobschat, SchiedsVZ 2014, 190. 2 Bösch/Lobschat, SchiedsVZ 2014, 190.
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Kap. 6 Rz. 68
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.1
tionsvereinbarung selbst sowie dem Mediatorvertrag (z.B. auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verpflichtung zur Unparteilichkeit) und die (ggf. gerichtliche) Durchsetzung der erzielten Einigung erschwert. 68
A36 Verschwiegenheit des Mediators: Die Verschwiegenheit des Mediators wird zwar nicht schon durch das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO gesichert (so offenbar Groth/v. Bubnoff, NJW 2001, 338 ff.), seit Inkrafttreten des Mediationgesetzes jedoch durch § 4 MediationsG. Allerdings betrifft § 383 ZPO ausschließlich die Beweisführung und beschränkt nicht das Recht der Prozessparteien, den in der Mediation bekannt gewordenen Sachverhalt vorzutragen (Wagner, NJW 2001, 1398).
68a
Das Vertragsmuster sichert die Vertraulichkeit der Mediation durch eine prozessvertragliche Regelung. Es liegt ein zulässiger Prozessvertrag zum einen über eine Vortragsbeschränkung (§ 10 Abs. 1 des Vertragsmusters) und zum anderen über eine Beweismittelbeschränkung (§ 10 Abs. 3 des Vertragsmusters) vor (BGH, Urt. v. 30.11.1972 – II ZR 135/70, DB 1973, 1451; vgl. zu einem Stillhalteabkommen als Prozessvertrag auch BGH, Urt. v. 14.6.1989 – IV a ZR 180/88, NJW-RR 1989, 1048; Greger in Zöller, 31. Aufl. 2016, vor § 284 ZPO Rz. 2b; ausführlich Wagner, NJW 2001, 1398; Weigel, NJOZ 2015, 41). Ebenso wie die Vereinbarung zur Herbeiführung der Wirkungen des Ruhens des Verfahrens in § 6 des Vertragsmusters, ist diese Vereinbarung vom Gericht unmittelbar im an die gescheiterte Mediation anschließenden Prozess zu beachten. Die Gegenseite wird also nicht darauf verwiesen, den Verstoß im Prozess hinzunehmen und dann in einem zweiten Prozess Schadensersatz zu verlangen (Wagner, NJW 2001, 1398 [1399 f.]). Die Klausel ist auch in AGB zulässig (Wagner, NJW 2001, 1398 [1400]).
69
A37 Kosten: Bei anwaltlicher Vertretung fallen im Mediationsverfahren mit Geschäftsund Einigungsgebühr sowie Auslagenpauschale – je auf beiden Seiten – insgesamt 5,6 Gebühren nach dem RVG an, wenn es zu einer Einigung kommt. Der Mediator erhält ein übliches Honorar in Höhe von bspw. 250 Euro je Stunde, bei einer angenommen Verfahrensdauer von 10 Stunden mithin 2500 Euro. Bei einem Streitwert von 50 000 Euro ergeben sich damit Gesamtkosten in Höhe von 8397,60 Euro (zzgl. Umsatzsteuer). Wird ein Notar als Mediator beauftragt, so hat dieser mit den Beteiligten nach § 126 GNotKG durch öffentlich-rechtlichen Vertrag eine angemessene Vergütung zu vereinbaren.
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A38 Kostenvorschuss: Ohne Vorschussvereinbarung im Mediatorvertrag könnte die Suche nach einem zur Übernahme des Auftrages bereiten Mediator erschwert sein, da der Mediator fürchten müsste, dass im Falle des Scheiterns der Mediation die Bereitschaft der Konfliktparteien zur Honorierung seiner Tätigkeit nachlassen könnte. An die Vorschussvereinbarung knüpft sich jedoch zugleich die Frage an, wer von den Konfliktparteien im Innenverhältnis den Vorschuss zu verauslagen hat. Hier dürfte es sich im Regelfall empfehlen, auf den Rechtsgedanken der §§ 65 Abs. 1 Satz 1, 49 GKG zurückzugreifen, wonach die Zustellung und damit die Rechtshängigkeit der Klage von der Zahlung des Kostenvorschusses (durch den hieran allein interessierten) Kläger abhängt.
70a
Die Vorschusspflicht des Antragstellers darf für diesen nicht faktisch – insbesondere durch die Höhe des Vorschusses im Verhältnis zu den gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen – einen peremptorischen Klageverzicht zur Folge haben, der – jedenfalls im Anwendungsbereich des AGB-Rechts – unwirksam wäre (ganz abgesehen vom Konflikt mit § 309 Nr. 14 BGB i.d.F. des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes VSBG [Greger/Unberath/ Steffek, § 1 MediationsG Rz. 183]).
70b
Nach BGH, Urt. v. 4.7.1977 – II ZR 55/76, NJW 1977, 2263 (2264), „spricht manches dafür“, dass die Anrufung der Gerichte (auch außerhalb des Anwendungsbereichs des AGBRechts) unangemessen erschwert wird, wenn die – obligatorische – Schlichtung von einem 60
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Mediationsverfahren
Rz. 72 Kap. 6
Kostenvorschuss abhängt (Prütting in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 57 [70]; Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 16 f.). Da die Erschwerung bei der anlässlich des aktuellen Konflikts freiwillig geschlossenen Mediationsabrede für beide Konfliktparteien überschaubar ist, bestehen insoweit keine Bedenken (vgl. hierzu nachfolgend Rz. 71 ff.). Der Ansicht des BGH ist daher nicht zu folgen. Nicht übersehen werden darf freilich, dass die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe auf das Mediationsverfahren keine Anwendung finden.
70c
B. Verpflichtung zu vorbehaltloser Mediation – Mediationsklausel I. Einführung Mediation ist ein ADR-Verfahren, das ganz wesentlich auf dem Gedanken der Freiwillig- 71 keit und konsensualen Konfliktlösung aufbaut. Eine als Vertragsklausel vereinbarte Verpflichtung zur Mediation1 für den Fall künftiger Konflikte (mandatory mediation) schränkt dieses Prinzip freilich ein. Ein auf Grundlage einer entsprechenden Mediationsklausel durchgeführtes Mediationsverfahren verdient gleichwohl diese Bezeichnung, wenn die Klausel den Ausgang des Verfahrens offen und den Parteien die „Chance zum Scheitern“ ihrer Verhandlungen lässt.2 Die Aufnahme einer Mediationsklausel in einen Vertrag nährt die Bereitschaft der Parteien, sich nach Entstehung eines Konflikts um eine konsensuale Lösung zu bemühen.3 Häufig wird der Gang in die Mediation nur dann gelingen, wenn schon im Vertrag eine entsprechende Klausel vereinbart wurde. Die Einigung auf eine Mediationsvereinbarung zur Lösung eines bereits entstandenen 71a Konflikts (vgl. hierzu Rz. 1 ff.) dürfte meist schwerer fallen als eine vorbeugende Vereinbarung4 zur Lösung eines fernen, von den Parteien bei Vertragsschluss zwar für möglich, aber doch für unwahrscheinlich gehalten Konflikts.5 Eine Mediationsklausel im Verbrauchervertrag oder AGB-Vertrag muss der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB standhalten.6 Vor dem Hintergrund, dass Verfahren alternativer Konfliktlösungen in Deutschland inzwischen verbreitet sind, dürften Mediationsklauseln zwar nicht mehr schon als solche überraschend sein.7 Allerdings schließt § 309 Nr. 14 BGB i.d.F. des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes VSBG in AGB- und Verbraucherverträgen eine Klausel aus, wonach der andere Vertragsteil gegenüber dem Verwender bzw. Unternehmer seine Ansprüche gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat. Bei einer Mediationsklausel in AGB oder Verbrauchervertrag ist dem Verwender daher zu empfehlen, auf eine drucktechnisch entsprechend hervorzuhebende Klausel ausdrücklich hinzuweisen und in jedem Fall dem Verwendungsgegner in der Klausel die Wahl zu lassen, das Mediationsverfahren einzuleiten oder den staatlichen Rechtsweg zu beschreiten.8
1 2 3 4 5 6 7 8
Unberath, NJW 2011, 1320. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 135. Gräfin v. Hardenberg, IDR 1/04, 25 (26). Pflicht in AGB unzulässig, Prütting in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 57 (63). Eidenmüller in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 31 (54). Wagner, BB 2001, Supplement Mediation & Recht, 30. Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 183; Unberath, NJW 2011, 1320; a.A. noch Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 96. Friedrich, SchiedsVZ 2007, 31.
Bülow 61
72
Kap. 6 Rz. 73
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.2
II. Muster 73
M 6.2 Einfache Mediationsklausel §… Mediationsklausel 1. Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag sollen grundsätzlich einvernehmlich in einem Mediationsverfahren beigelegt werden.A1 Zu den Verhandlungen hat jede Seite persönlich oder gesetzlich bzw. organschaftlich vertreten zu erscheinen.A2 Das Mediationsverfahren beginnt mit dem einseitigen schriftlichenA3 Verlangen einer Seite, das Verfahren durchzuführen (MediationsverlangenA4); von diesem Zeitpunkt an ist die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs gehemmt, wenn dieser im Mediationsverlangen in der nach den Vorschriften für die Klageerhebung erforderlichen Weise bezeichnet ist; dies gilt für vertragliche Ausschlussfristen entsprechend. 2. Für das Mediationsverfahren gelten die Bestimmungen der Mediationsordnung der … in der bei Stellung des Mediationsverlangens gültigen Fassung.A5 Variante (insbesondere für die Vertragsmediation der Notare): Für das Mediationsverfahren gelten die Bestimmungen für das notarielle Beurkundungsverfahren entsprechend. Variante: Das Mediationsverfahren bestimmt der Mediator nach billigem Ermessen und teilt es den Vertragsteilen schriftlich mit. Variante: Für das Mediationsverfahren verpflichten sich die Vertragsteile, zu gegebener Zeit eine Vereinbarung zu treffen auf Grundlage eines Vorschlages durch den Mediator. 3. Die Beschreitung des Rechtsweges ist erst dann zulässig, wennA6 a) der Mediator nicht bis zum Ablauf eines Monats nach Absendung des Benennungsantrages benannt ist oder b) eine Partei oder der Mediator die Mediation nach einer ersten gemeinsamen Sitzung für gescheitert erklärt hat oder c) seit der Bestimmung des Mediators ein Monat verstrichen ist, ohne dass eine erste Mediationssitzung stattgefunden hat. Ein gerichtliches Eilverfahren bleibt zulässig.A7 4. Können sich die Parteien nicht auf einen Mediator einigen, so wird der Mediator gem. Abs. 6. benannt durch …A8 Die Benennung erfolgt durch schriftliche Erklärung gegenüber einer Partei. Die Erklärung ist, auch wenn kein Einverständnis mit der benannten Person besteht, von dieser Partei der anderen Partei unverzüglich urschriftlich (im Original) zu übermitteln.A9 5. Der Mediator muss zertifizierter Mediator sein oder die Befähigung zum RichteramtA10 besitzen. Seinen Wohn- oder Amts-/Geschäftssitz muss er im Bereich … haben.A11 6. Die Benennung gem. Abs. 4. erfolgt auf schriftlichen Antrag beider Parteien,A12 dem eine Kopie dieser Mediationsklausel beigefügt werden und der folgenden Wortlaut haben soll:A13 „Die Unterzeichner haben zur Lösung zwischen ihnen etwa entstehender Konflikte die Durchführung einer Mediation vereinbart. Den Streitgegenstand des entstandenen Konflikts bitten wir dem in Kopie beigefügten Mediationsverlangen zu entnehmen. Wir haben uns darauf geeinigt, die Bestimmung der Person des Mediators Ihnen zu übertragen. Wir beantragen daher, in schriftlicher Form einen Mediator mit Namen und Anschrift zu benennen, der die Voraussetzungen für die Übertragung des Mediationsauftrages nach den Bestimmungen der ebenfalls in Kopie beigefügten Mediationsklausel erfüllt und der – vorbehaltlich einer Einigung über die Bedingungen seines Auftrages – grundsätzlich bereit ist, die Mediation zu übernehmen.“
62
Bülow
M 6.2
Mediationsverfahren
Rz. 80 Kap. 6
7. Jede Partei ist berechtigt, einen benannten Mediator durch schriftliche Erklärung gegenüber der anderen Partei unter Wahrung einer Frist von 14 Tagen abzulehnen. In diesem Fall ist ein anderer Mediator zu bestimmen; die vorstehenden Bestimmungen gelten entsprechend. Die Ablehnung bedarf keiner Begründung. Das Ablehnungsrecht kann nur einmal ausgeübt werden. 8. Über eine erzielte Einigung soll, soweit rechtlich möglich, eine vollstreckbare Vereinbarung (als Anwaltsvergleich mit Vollstreckungsunterwerfung oder zu vollstreckbarer notarieller Urkunde) getroffen werden.
Anmerkungen zu Muster M 6.2 A1 Verhandlungspflicht: Von einer durchaus nicht unüblichen „Pflicht zur Freiwilligkeit“ 73a sieht der Formulierungsvorschlag bewusst ab; vgl. zu dieser Frage die Überlegungen von Risse, Wirtschaftsmediation, 101 und 114 ff.; anders die Empfehlung von Gräfin v. Hardenberg, IDR 1/04, 25 (26). A2 Vertretung/Verhandlungsbefugnis: Die Effizienz der Mediation hängt entscheidend 74 vom Umfang der Verhandlungsbefugnis der Parteien ab. Der Mediator soll diese daher vorab klären und ggf. verdeckt bleibende Auftraggeber in die Verhandlung einbeziehen. Das Muster sieht eine sog. „Escalation to the Top“-Klausel oder auch „Step Clause“ vor, die jede Seite verpflichtet, Führungskräfte des höchsten Hierarchieniveaus mit den Verhandlungen zu betrauen. Zu den Besonderheiten sog. Vertreterverhandlungen (vgl. Bülow, MittBayNot 2000, 407 ff.). A3 Mediationsverlangen: Schriftformerfordernis und – in der Verantwortung des Antrag- 75 stellers – Zugangsnachweis sind wegen der Rechtswirkung des Verlangens (insbes. Verjährungshemmung, vgl. nächster Satz) dringend anzuraten. A4 Verfahrenseinleitung: Vgl. in Schiedsverfahren das dort „Antrag“ genannte Verlangen auf Durchführung des Verfahrens, § 1044 ZPO.
76
A5 Verfahrensordnung: Die Bezugnahme auf eine Verfahrensordnung empfiehlt Risse, 77 Wirtschaftsmediation, 2003, 105, unter Aufzählung infrage kommender Werke und Organisationen. Die im Muster vorgeschlagene dynamische Verweisung begegnet in AGB bzw. im Verbrauchervertrag Bedenken, weshalb sich hier eine statische Verweisung (und natürlich die Aushändigung der in Bezug genommenen Mediationsordnung) anbietet (Friedrich, SchiedsVZ 2007, 31; keine Probleme sieht offenbar Unberath, NJW 2011, 1320). A6 Prozessvoraussetzung: Der Versuch der Mediation wird somit zur Klagevorausset- 78 zung; es handelt sich um einen im Individualvertrag unproblematischen dilatorischen Klageverzicht im Wege des Prozessvertrages (vgl. Risse, Wirtschaftsmediation, 98 ff.; Greger/ Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 166; näher hierzu oben M 6.1 Anm. A17 [Rz. 50]). In AGB- und Verbraucherverträgen wäre die Vereinbarung gem. § 309 Nr. 14 BGB i.d.F. des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) unwirksam (vgl. oben Rz. 72). A7 Vorläufiger Rechtsschutz: Risse, ZEV 1999, 205 (209); Risse, Wirtschaftsmediation, 79 2003, 109 f.; Gräfin v. Hardenberg, IDR 1/04, 25 (27); ferner vorstehend M 6.1 Anm. A19 [Rz. 51]. A8 Person des Mediators: Die Benennung des Mediators kann insbesondere erfolgen 80 durch berufsständische Einrichtungen (öffentlich-rechtliche Kammern), durch gewerbliche Anbieter von Mediatordiensten oder durch staatliche Stellen. Wünschen die Konfliktparteien als Mediator einen Angehörigen eines bestimmten Berufes, so ist zweckmäßigerweise
Bülow 63
Kap. 6 Rz. 81
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.3
die zuständige Standesorganisation mit der Benennung zu beauftragen; vorsorgliche Rückfrage dort, ob diese Aufgabe übernommen wird, ist vor Vertragsschluss ratsam. 81
A9 Benennung des Mediators: Die Benennung muss beiden Konfliktparteien schnellstmöglich zur Kenntnis gebracht werden, damit keine Verfahrensverzögerung eintritt. Da damit gerechnet werden muss, dass der benennungsberechtigte Dritte die Benennung nur gegenüber einer Partei vornimmt, verpflichten sich die Konfliktparteien gegenseitig, die Benennungserklärung der jeweils anderen Partei in zweifelsfreier Form zu übermitteln.
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A10 Qualifikation des Mediators: Die Eignung des Mediators zur Durchführung des Verfahrens kann auch Anforderungen an seine berufliche Qualifikation stellen. Das Mediationsgesetz schützt die Bezeichnung als „zertifizierter Mediator“. Von der Ermächtigung zum Erlass einer entsprechenden, die Ausbildung zum zertifizierten Mediator regelnden Verordnung hat der Verordnungsgeber mit der ZMediatAusbV vom 21.8.2016 Gebrauch gemacht (BGBl. I, 1994). Hiernach haben die Aus- und Fortbildungseinrichtungen sicher zu stellen, dass die eingesetzten Lehrkräfte über einen berufsqualifizierenden Abschluss einer Berufsbildung oder eines Hochschulstudiums und über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügen. Grundsätzlich erfordert die Tätigkeit des Mediators in erster Linie Kenntnisse und Fertigkeiten in Bezug auf den Verhandlungsprozess; im Einzelfall mag es jedoch von Vorteil sein, wenn der Mediator über sachliche Expertise auch im Hinblick auf den Streitgegenstand verfügt (vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 418). Soll der Mediator auch die erzielte Einigung in einer Urkunde niederlegen (so das hier vorgeschlagen Muster), so kann im Hinblick darauf, dass die Vertragsgestaltung besonders hohe Anforderungen an das juristische Können des Mediators stellt, auf seine juristische Qualifikation nicht verzichtet werden.
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A11 Sitz des Mediators: Die örtliche Beschränkung der infrage kommenden Mediatoren hinsichtlich ihres Wohn- bzw. Amts-/Geschäftssitzes dient sowohl der Kostenbegrenzung (Zeit- und Reiseaufwand des Mediators) als auch im Einzelfall der Sicherung einer örtlichen Sachnähe. Zweckmäßig ist die Beschreibung des Bereichs mit Begriffen, die der zur Benennung berechtigten Stelle geläufig sind (insbesondere mit Verwaltungssprengeln oder Gerichtsbezirken).
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A12 Benennungsantrag: Die Antragstellung durch beide Parteien soll die Neutralität der mit der Benennung beauftragten Stelle unterstreichen.
84a
A13 Wortlaut des Benennungsantrags: Die Vereinbarung des Wortlauts für das zu fertigende Antragsschreiben soll Auseinandersetzungen in der Peripherie des eigentlichen Konflikts verhindern; sie soll den Entschluss zur Unterzeichnung des für die Durchführung des Mediationsverfahrens unerlässlichen Antrages erleichtern.
85
M 6.3 Mediationsklausel in letztwilliger Verfügung §… Streitigkeiten In einseitiger, stets widerruflicher Weise bestimme ich:A1 1. Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Testament oder sonst in Bezug auf meinen dereinstigen Nachlass im weitesten Sinne sollen grundsätzlich einvernehmlich in einem Mediationsverfahren beigelegt werden.A2 Als Mediator benenne ich …A3 Kann oder will der benannte Mediator die Mediation nicht übernehmen, so wird der Mediator auf schriftlichen Antrag auch nur eines Teils, dem eine Kopie dieses Testaments beigefügt werden soll, durch den Präsidenten derjenigen Notarkammer benannt, die für die Notare mit Amtssitz im 64
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M 6.3
Mediationsverfahren
Rz. 90 Kap. 6
Bezirk des für die Nachlasssache zuständigen Nachlassgerichts zuständig ist. Die Kosten des Mediators trägt der Nachlass; alle übrigen Kosten trägt jeder Teil für sich selbst. 2. Für das Mediationsverfahren gelten die Bestimmungen der Mediationsordnung der … in der bei Stellung des Mediationsverlangens gültigen Fassung.A4 (Variante [insbesondere für die Mediation durch einen Notar]: Für das Mediationsverfahren gelten die Bestimmungen für das notarielle Beurkundungsverfahren entsprechend. Variante: Das Mediationsverfahren bestimmt der Mediator nach billigem Ermessen und teilt es den Vertragsteilen schriftlich mit. Variante: Für das Mediationsverfahren verpflichten sie die Vertragsteile zu gegebener Zeit eine Vereinbarung zu treffen auf Grundlage eines Vorschlages durch den Mediator.) 3. Für alle Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker und Vollziehungsberechtigte der angeordneten Auflagen gilt:A5 Klageerhebung wegen solcher Streitigkeiten, auch zur Verteidigung gegen geltend gemachte Pflichtteilsansprüche, ist nur zulässig, wenn a) eine Partei oder der Mediator die Mediation nach einer ersten gemeinsamen Sitzung für gescheitert erklärt hat oder b) seit der Bestimmung des Mediators ein Monat verstrichen ist, ohne dass eine erste Mediationssitzung stattgefunden hat. Ein gerichtliches Eilverfahren bleibt zulässig.
Anmerkungen zu Muster M 6.3 A1 Sachverhalt; Bindungswirkung in Erbvertrag und gemeinschaftlichem Testament: 86 Der Erblasser möchte Streitigkeiten über seinen letzten Willen ggf. in einem Mediationsverfahren beigelegt wissen. Der Mustertext stellt klar, dass eine einseitige (nicht erbvertragsmäßige oder wechselbezügliche) Verfügung vorliegt. Vorsicht ist geboten soweit der Erblasser bei Errichtung der Verfügung bereits erbvertragsmäßig oder durch wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament gebunden ist. Zu den Möglichkeiten erbvertragsmäßiger Bindung bzw. wechselbezüglicher Verfügung der Mediationsklausel selbst und den sich aus bindenden vorherigen Verfügungen ergebenden Schranken vgl. die Ausführungen von Bandel, Kap. 25 und Bandel, NotBZ 2005, 381 (387 f.) (jeweils zu Schiedsklauseln). A2 Mediationspflicht: Von einer „Pflicht zur Freiwilligkeit“ sieht der Formulierungsvorschlag bewusst ab; vgl. zu dieser Frage die Überlegungen von Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 101 und die nachfolgende Anm. A5 [Rz. 90].
87
A3 Beurkundender Notar als Mediator: Ob der die letztwillige Verfügung beurkundende Notar selbst als Mediator bestimmt werden kann, ist im Hinblick auf § 27 BeurkG zumindest zweifelhaft; um jeden bösen Schein zu vermeiden, ist jedenfalls zu empfehlen, die Benennung des konkreten Notars einem Dritten zu überlassen, wie im Muster zur Bestimmung des Ersatzmediators vorgesehen.
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A4 Verfahrensordnung: Die Bezugnahme auf eine Verfahrensordnung empfiehlt Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 105, unter Aufzählung in Frage kommender Werke und Organisationen.
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A5 Bindungswirkung der Anordnung für die Bedachten und Pflichtteilsberechtigte: Die Rechtsnatur der Anordnung (materiell-rechtlich, etwa als Auflage gem. § 1940 BGB wie noch in der Vorauflage empfohlen oder verfahrensrechtlich als Anordnung a maiore ad minus entsprechend § 1066 ZPO) lässt der Mustertext bewusst offen. Dass Mediationsklau-
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Kap. 6 Rz. 91
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.4
seln in letztwilligen Verfügungen zulässig sind, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht in Zweifel gezogen (näher Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 227). Die Verpflichtung der Bedachten zur konstruktiven Durchführung des Mediationsverfahrens ist im Mustertext in Anlehnung an eine Schiedsklausel gem. § 1066 ZPO ausgestaltet. In Betracht kommen zur Erzwingung zusätzlich erbrechtliche Sanktionen etwa in Form auflösender Bedingungen für Zuwendungen oder aufschiebend bedingte Beschwerungen (vgl. hierzu die Ausführungen von Bandel, Kap. 25 Rz. 25 ff., und Bandel, NotBZ 2005, 381 [387], jeweils zu Schiedsklauseln in letztwilligen Verfügungen). Im Hinblick auf die Freiwilligkeit der Mediation sieht der Mustertext hiervon ab. Konfliktlösung durch Mediation kann der Erblasser für alle erbrechtlichen Beziehungen anordnen, die er auch materiell durch letztwillige Verfügung zu gestalten befugt ist. Pflichtteilsberechtigte können – abgesehen von den eben geschilderten erbrechtlichen Sanktionen – durch letztwillige Verfügung wohl nicht an der unmittelbaren Beschreitung des Klageweges gehindert werden, denn die Anordnungsbefugnis des Erblassers beschränkt auch seine verfahrensrechtliche Gestaltungsmacht (Leipold in MüKo, BGB, § 1937 Rz. 32 ff., zur Schiedsklausel; ebenso Haas, ZEV 2007, 49; a.A. Geimer in Zöller, 31. Aufl. 2016, § 1066 ZPO Rz. 18; Greger/Unberath/Steffek, § 1 MediationsG Rz. 227). Ob die umstrittenen Argumente, die für die Zulässigkeit von Schiedsklauseln nach § 1066 ZPO auch für Pflichtteilsansprüche und andere Streitigkeiten (z.B. über die Entlassung des Testamentsvollstreckers) ins Feld geführt werden, auch für Mediationsklauseln greifen erscheint ungewiss. Der Verfasser jedenfalls will zu einer (letztwilligen!) Verfügung dieses Inhalts nicht geraten haben.
C. Vereinbarungen über die Benennung des Mediators durch Dritte I. Einführung 91
Können sich die Konfliktparteien nicht auf eine bestimmte Person als Mediator einigen – sei es, dass ihnen kein geeigneter Mediator bekannt ist, sei es, dass kein Einvernehmen über seine Wahl erzielt werden kann – so ist die Mediationsvereinbarung um eine Bestimmung zur Benennung des Mediators zu ergänzen.
II. Muster 92
M 6.4 Benennung des Mediators §… Benennung des Mediators 1. Der Mediator wird benannt durch …A1 Die Benennung erfolgt durch schriftliche Erklärung gegenüber einer Partei. Die Erklärung ist, auch wenn kein Einverständnis mit der benannten Person besteht, von dieser Partei der anderen Partei unverzüglich urschriftlich (im Original) zu übermitteln.A2 2. Der Mediator muss zertifizierter Mediator sein oder die Befähigung zum RichteramtA3 besitzen und seinen Wohn- oder Amts-/Geschäftssitz im Bereich … haben.A4 3. Die Benennung erfolgt auf schriftlichen Antrag beider Parteien,A5 dem eine Kopie dieser Mediationsvereinbarung beigefügt werden und der folgenden Wortlaut haben soll:A6 „Die Unterzeichner haben sich zur Lösung eines zwischen ihnen bestehenden Konfliktes auf die Durchführung einer Mediation geeinigt. Den Streitgegenstand bitten wir der in Kopie beigefügten Mediationsvereinbarung zu entnehmen. In § … der Vereinbarung haben wir uns darauf ge66
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M 6.4
Mediationsverfahren
Rz. 96 Kap. 6
einigt, die Bestimmung der Person des Mediators Ihnen zu übertragen. Wir beantragen daher, in schriftlicher Form einen Mediator mit Namen und Anschrift zu benennen, der die Voraussetzungen für die Übertragung des Mediationsauftrages nach den dort getroffenen Bestimmungen erfüllt und der – vorbehaltlich einer Einigung über die Bedingungen seines Auftrages – grundsätzlich bereit ist, die Mediation zu übernehmen.“ 4. Jede Partei ist berechtigt, einen vorgeschlagenen Mediator durch schriftliche Erklärung gegenüber der anderen Partei unter Wahrung einer Frist von 14 Tagen abzulehnen. In diesem Fall ist ein anderer Mediator zu bestimmen; die vorstehenden Bestimmungen gelten entsprechend. Die Ablehnung bedarf keiner Begründung. Das Ablehnungsrecht kann nur einmal ausgeübt werden. Das Recht zur Kündigung dieses Vertrages bleibt unberührt.
Anmerkungen zu Muster M 6.4 A1 Person des Mediators: Die Benennung des Mediators kann insbesondere erfolgen durch berufsständische Einrichtungen (öffentlich-rechtliche Kammern), durch gewerbliche Anbieter von Mediatordiensten oder durch staatliche Stellen. Wünschen die Konfliktparteien als Mediator einen Angehörigen eines bestimmten Berufes, so ist zweckmäßigerweise die zuständige Standesorganisation mit der Benennung zu beauftragen; vorsorgliche Rückfrage dort, ob diese Aufgabe übernommen wird, ist vor Vertragsschluss ratsam.
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A2 Benennung des Mediators: Die Benennung muss beiden Konfliktparteien schnellstmöglich zur Kenntnis gebracht werden, damit keine Verfahrensverzögerung eintritt. Da damit gerechnet werden muss, dass der benennungsberechtigte Dritte die Benennung nur gegenüber einer Partei vornimmt, verpflichten sich die Konfliktparteien gegenseitig, die Benennungserklärung der jeweils anderen Partei in zweifelsfreier Form zu übermitteln.
93
A3 Qualifikation des Mediators: Die Eignung des Mediators zur Durchführung des Ver- 94 fahrens kann auch Anforderungen an seine berufliche Qualifikation stellen. Das Mediationsgesetz schützt die Bezeichnung als „zertifizierter Mediator“. Von der Ermächtigung zum Erlass einer entsprechenden, die Ausbildung zum zertifizierten Mediator regelnden Verordnung hat der Verordnungsgeber mit der ZMediatAusbV vom 21.8.2016 Gebrauch gemacht (BGBl. I, 1994). Hiernach haben die Aus- und Fortbildungseinrichtungen sicher zu stellen, dass die eingesetzten Lehrkräfte über einen berufsqualifizierenden Abschluss einer Berufsbildung oder eines Hochschulstudiums und über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügen. Grundsätzlich erfordert die Tätigkeit des Mediators in erster Linie Kenntnisse und Fertigkeiten in Bezug auf den Verhandlungsprozess; im Einzelfall mag es jedoch von Vorteil sein, wenn der Mediator über sachliche Expertise auch im Hinblick auf den Streitgegenstand verfügt (vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 418). Soll der Mediator auch die erzielte Einigung in einer Urkunde niederlegen (so das hier vorgeschlagen Muster), so kann im Hinblick darauf, dass die Vertragsgestaltung besonders hohe Anforderungen an das juristische Können des Mediators stellt, auf seine juristische Qualifikation nicht verzichtet werden. A4 Sitz des Mediators: Die örtliche Beschränkung der infrage kommenden Mediatoren 95 hinsichtlich ihres Wohn- bzw. Amts-/Geschäftssitzes dient sowohl der Kostenbegrenzung (Zeit- und Reiseaufwand des Mediators) als auch im Einzelfall der Sicherung einer örtlichen Sachnähe. Zweckmäßig ist die Beschreibung des Bereichs mit Begriffen, die der zur Benennung berechtigten Stelle geläufig sind (insbesondere mit Verwaltungssprengeln oder Gerichtsbezirken). A5 Benennungsantrag: Die Antragstellung durch beide Parteien soll die Neutralität der 96 mit der Benennung beauftragten Stelle unterstreichen. Bülow 67
Kap. 6 Rz. 97 97
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.4
A6 Wortlaut des Benennungsantrags: Die Vereinbarung des Wortlauts für das zu fertigende Antragsschreiben soll Auseinandersetzungen in der Peripherie des eigentlichen Konflikts verhindern; sie soll den Entschluss zur Unterzeichnung des für die Durchführung des Mediationsverfahrens unerlässlichen Antrages erleichtern.
D. Mediatorvertrag I. Einführung 1. Gegenstand und Rechtsnatur 98
Während die Mediationsvereinbarung das Verhältnis zwischen den Parteien regelt, enthält der Mediatorvertrag die zwischen den Parteien und dem Mediator getroffenen Vereinbarungen. Der Mediatorvertrag regelt die Leistungspflichten und die Verantwortlichkeit des Mediators sowie seinen Vergütungsanspruch. Seinem Vertragstypus nach ist der Mediatorvertrag Geschäftsbesorgungsvertrag gem. §§ 611, 675 Abs. 1 BGB. Seit Inkrafttreten des Mediationsgesetztes ergeben sich die Pflichten des Mediators aus dem Mediationsgesetz.1
99
Der Mediatorvertrag muss die Rechte und Pflichten der Konfliktparteien einerseits und des Mediators andererseits präzisieren, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden und damit die Akzeptanz der Mediation als Konfliktlösungsprogramm zu erhöhen.2
100
Der Mediatorvertrag kann als AGB der Inhaltskontrolle nach den Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB unterworfen sein. Es gilt allerdings gem. § 310 Abs. 1 BGB der um § 305 Abs. 2 und 3 sowie um die §§ 308 und 309 BGB eingeschränkte Prüfungsmaßstab, da der Mediator i.d.R. Unternehmer i.S.v. § 14 BGB sein dürfte. Der Mediatorvertrag unterliegt allerdings der Inhaltskontrolle von Verbraucherverträgen gem. § 310 Abs. 3 BGB, wenn seine Formulierungen nicht von den Konfliktparteien, sondern bspw. vom Mediator selbst eingeführt worden sind. An den gegebenen Stellen des Vertragsmusters wird auf diese Problematik besonders hingewiesen.
101
Wird ein Notar als Mediator beauftragt, so bedarf es einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien und dem Mediator nicht, wenn der Mediationsauftrag über rein kommunikative Leistungen hinaus auch die rechtliche Betreuung der Beteiligten einschließt, was i.d.R. anzunehmen ist. Als Tätigkeit auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege (§ 24 BNotO) übernimmt der Notar den Mediationsauftrag dann in seiner Eigenschaft als Träger eines öffentlichen Amtes,3 sodass kein Raum für privatrechtliche Verfahrensabreden bleibt.4 Da die Kernbestandteile der Mediation weitgehend deckungsgleich sind mit den Grundregeln des Beurkundungsverfahrens,5 besteht hierfür auch kein Bedürfnis. Der Notar ist als Mediator auch zur ggf. von den Konfliktparteien gewünschten Unterbreitung eines Einigungsvorschlages zuständig.6 Die Kosten eines Mediationsverfahrens mit dem Notar als Mediator sind zwischen dem Notar und den Beteiligten durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zu vereinbaren, § 126 GNotKG.
1 Vgl. ausführlich zum Ganzen Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 134 ff. 2 Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 32; Eidenmüller in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 4 Rz. 11. 3 Schippel/Bracker, Anhang zu § 24 BNotO Rz. 61; Wagner, BB 1997, 53 (54); Meyer/Schmitz-Vornmoor, DNotZ 2012, 895. 4 Arndt/Lerch/Sandkühler, § 24 BNotO Rz. 3; Eylmann/Vaasen/Hertel, § 24 BNotO Rz. 15 f. 5 Eylmann/Vaasen/Frenz, § 1 BNotO Rz. 16. 6 Wagner, DNotZ 1998, Sonderheft zum 25. Deutschen Notartag, 34 (99).
68
Bülow
M 6.5
Mediationsverfahren
Rz. 104 Kap. 6
2. Person des Mediators – Problem der Rechtsberatung Die Eignung des Mediators1 zur Durchführung des Verfahrens kann auch Anforderungen an seine berufliche Qualifikation stellen. Grundsätzlich erfordert die Tätigkeit des Mediators in erster Linie Kenntnisse und Fertigkeiten in Bezug auf den Verhandlungsprozess. Im Einzelfall mag es zusätzlich von Vorteil sein, wenn der Mediator über sachliche Expertise auch im Hinblick auf den Streitgegenstand verfügt.2 Soll der Mediator auch die erzielte Einigung in einer Urkunde niederlegen (so das hier vorgeschlagene Muster), so kann schon im Hinblick darauf, dass die Vertragsgestaltung besonders hohe Anforderungen an das juristische Können des Mediators stellt, auf seine juristische Qualifikation nicht verzichtet werden.
102
Wenn der Mediator über die Moderation der Verhandlungen hinaus die Parteien bei der 103 Rechtsverwirklichung oder Rechtsgestaltung unterstützt, indem er bspw. rechtliche Lösungen vorschlägt oder die Formulierung der erzielten Einigung (u.U. eines Mediationsvergleichs) übernimmt, ist Gegenstand des Mediatorvertrages u.a. eine Rechtsdienstleistung gem. § 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Nur wenn der Mediator lediglich allgemein rechtliche Handlungsmöglichkeiten darstellt, ohne einen rechtlichen Regelungs- oder Gestaltungsvorschlag zu erteilen, liegt keine Rechtsdienstleistung vor. Die reine Hilfe als Protokollführer soll nach dem Willen des Gesetzgebers noch keine Rechtsdienstleistung sein.3 Dies dürfte nur zutreffen, wenn der Mediator sich als bloße Schreibkraft einsetzen lässt.
II. Muster M 6.5 Mediatorvertrag
104
§1 Vorbemerkung 1. Zwischen … (Anspruchsteller) und … (Anspruchsgegner) besteht Streit über den in der dieser Vertragsurkunde in Abschrift beigefügten Mediationsvereinbarung bezeichneten Streitgegenstand. 2. Die Konfliktparteien wollen den Versuch zu unternehmen, ihren Konflikt im Wege der Mediation nach Maßgabe der Mediationsvereinbarung in konstruktiver Weise beizulegen. 3. Die Konfliktparteien haben sich auf Herrn/Frau … als Mediator geeinigt. (Variante: Herr/Frau … wurde von … als Mediator benannt.) Das Verhältnis zwischen den Konfliktparteien einerseits und dem Mediator andererseits ist Gegenstand des in dieser Urkunde niedergelegten Mediatorvertrages. §2 Mediation Die Bestimmungen der Mediationsvereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Mediationsverfahrens, gelten, soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, auch im Verhältnis zwischen den Parteien des Mediatorvertrages. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Mediationsgesetzes und die Vorschriften über den entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 Abs. 1 BGB. 1 Vgl. hierzu Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 131 f. 2 Vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 418. 3 BT-Drs. 17/5335, 15.
Bülow 69
Kap. 6 Rz. 104
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.5
§3 Pflichten des Mediators; Neutralität 1. Der Mediator erfüllt seine Verpflichtungen aus dem Mediatorvertrag höchstpersönlich. 2. Der Mediator ist nicht Vertreter einer Konfliktpartei, sondern unabhängiger und neutraler Vermittler zwischen den Beteiligten.A1 Er hat jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit erzeugt. Er versichert, dass er in der Angelegenheit, die Gegenstand der Mediation ist, außer im Auftrag sämtlicher Konfliktparteien nicht tätig war (z.B. als Rechtsanwalt).A2 Er verpflichtet sich, in dieser Angelegenheit auch nach Abschluss des Verfahrens nicht in dieser Weise tätig zu werden.A3 3. Der Mediator vermittelt zwischen den Konfliktparteien; er fördert ihre Kommunikation und unterstützt so die Beilegung ihres Konflikts durch eine strukturierteA4 Verhandlung. Eine verbindliche Entscheidung über den Streitgegenstand trifft er nicht. Der Erfolg des Mediationsverfahrens ist von ihm nicht geschuldet. 4. (Optional: Der Mediator hat die Interessen der Konfliktparteien zu erforschen, den Sachverhalt aus ihrer Sicht zu klären und sich gemeinsam mit ihnen um das Auffinden interessengerechter Einigungsoptionen zu bemühen.) 5. Die Verpflichtung des Mediators zur Verschwiegenheit bestimmt sich nach § 7 dieses Vertrages. 6. Der Mediator sorgt dafür, dass für die Mediationssitzungen geeignete Räumlichkeiten und erforderliche Hilfsmittel zu Verfügung stehen. Er ist verantwortlich für einen reibungslosen organisatorischen Ablauf des Mediationsverfahrens. Er kann sich insoweit Erfüllungsgehilfen bedienen. 7. Im Übrigen bestimmen sich die Pflichten und Zuständigkeiten des Mediators nach der Mediationsvereinbarung, dem MediationsG und etwa besonderen Berufspflichten des Mediators.A5 §4 Rechtlicher RatA6 1. Auf übereinstimmendes Verlangen beider Konfliktparteien erteilt der Mediator ihnen gemeinsam rechtlichen Rat.A7 Der Mediator hat einen erkennbaren Rechtsirrtum auch ohne Aufforderung aufzuklären.A8 Würde sich eine Konfliktpartei durch eine erzielte Einigung offensichtlich schlechter stellen, als sie ohne Einigung stünde, hat der Mediator hierauf hinzuweisen. Im Übrigen ist der Mediator für die Ausgewogenheit der gefundenen Einigung nicht verantwortlich. 2. Auf Verlangen beider Konfliktparteien hat der Mediator die erzielte Einigung klar und unzweideutig schriftlich niederzulegen und ihnen zur Unterzeichnung vorzulegen sowie den Vollzug und die Überwachung des Vollzuges der Vereinbarung zu übernehmen. Bestehen Zweifel, ob die Vereinbarung dem Gesetz und dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, so hat der Mediator die Bedenken mit den Konfliktparteien zu erörtern. 3. Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn beide Konfliktparteien anwaltlich beraten sind. §5 Vergütung des MediatorsA9 1. Der Mediator erhält für die Durchführung des Mediationsverfahrens eine Vergütung in Höhe von … Euro je Stunde zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer von derzeit … %, mithin insgesamt … Euro, einschließlich aufgewendeter Reisezeit, Vorbereitung und Durchführung der Mediationssitzungen und Fertigung von Entwürfen.A10 2. Macht der Mediator zur Durchführung des Mediationsverfahrens den Umständen nach angemessene Aufwendungsersatz (Reisekosten, Raummiete etc.), so sind die Konfliktparteien zum Ersatz verpflichtet. 70
Bülow
M 6.5
Mediationsverfahren
Rz. 104 Kap. 6
3. Zu Beginn des Mediationsverfahrens erhält der Mediator einen Vorschuss auf Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von … Euro. Dieser Vorschuss ist zur Zahlung fällig bis … Auf die Vergütung und die zur Durchführung des Mediationsverfahrens angemessenen Aufwendungen haben die Konfliktparteien dem Mediator auf Verlangen weiteren angemessenen Vorschuss zu leisten. 4. Die Konfliktparteien haften im Verhältnis zum Mediator als Gesamtschuldner. §6 Beginn und Ende des Mediationsauftrages 1. Der Auftrag des Mediators beginnt und endet – ohne dass es einer Kündigung bedarf – mit dem Mediationsverfahren. 2. Die Konfliktparteien und der Mediator sind berechtigt, diesen Vertrag auch ohne wichtigen Grund ohne Wahrung einer Frist zu kündigen. Der Mediator darf, wenn nicht ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, nicht zur Unzeit kündigen; kündigt er ohne wichtigen Grund zur Unzeit, so hat er den Konfliktparteien den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 3. Die Kündigung durch die Konfliktparteien ist wirksam, wenn sie von einer Konfliktpartei erklärt wird. 4. Die Kündigungserklärung bedarf der Schriftform.A11 §7 Verschwiegenheit 1. Der Mediator ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Er hat über sämtliche Tatsachen, die ihm im Zusammenhang mit der Durchführung des Mediationsverfahrens bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Er darf solche Informationen nicht zu anderen Zwecken verwenden als zur pflichtgemäßen Förderung einer Einigung im Mediationsverfahren. Die Pflicht zur Verschwiegenheit gilt im Verhältnis zu den Konfliktparteien nur hinsichtlich solcher Tatsachen, die eine Konfliktpartei dem Mediator mit dem ausdrücklichen Verlangen mitteilt, dass gegenüber der anderen Konfliktpartei Stillschweigen zu bewahren sei (vertrauliches Einzelgespräch). 2. Vorstehendes gilt nicht für Tatsachen, die der Mediator in gesetzlich zulässiger Weise von dritter Seite erfahren hat oder die offenkundig sind sowie für Tatsachen, die der Mediator zur Geltendmachung von Ansprüchen aus oder zur Verteidigung gegen Ansprüche im Zusammenhang mit diesem Mediatorvertrag vortragen muss. 3. Die Pflicht zur Verschwiegenheit bleibt auch nach Ende des Mediationsverfahrens und des Mediationsauftrages bestehen. 4. Die Pflicht zur Verschwiegenheit entfällt, wenn beide Konfliktparteien Befreiung hiervon erteilen. 5. Im Übrigen gilt § 4 MediationsG. §8 Haftung 1. Der Mediator haftet für die Erfüllung seiner Pflichten aus diesem Vertrag nach den gesetzlichen Bestimmungen, soweit nachfolgend nicht etwas anderes bestimmt ist.A12 2. Der Mediator haftet nicht für den wirtschaftlichen Erfolg und die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit einer in der Mediation erzielten Einigung. 3. Ansprüche der Konfliktparteien auf Ersatz eines fahrlässig verursachten Schadens sind beschränkt auf 250 000 EuroA13 (im Verbrauchervertrag, jedoch nur soweit entsprechender Versicherungsschutz besteht, mindestens: 1 Mio. Euro)A14 im Einzelfall.
Bülow 71
Kap. 6 Rz. 104a
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 6.5
4. Ansprüche gegen den Mediator auf Schadensersatz aus diesem Vertrag verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei Jahren nach Beendigung des Mediationsauftrages.A15 5. Die Haftung des Mediators für Vorsatz bleibt unberührt. 6. Im Verbrauchervertrag zusätzlich: Unberührt bleibt auch die Haftung des Mediators für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung beruhen.
Anmerkungen zu Muster M 6.5 104a
A1 Neutralität: Der Rechtsanwalt ist zwar grundsätzlich Berater und (Partei-)Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten, § 3 BRAO. Als Mediator ist er gem. § 1 Abs. 2 MediationsG zur Neutralität verpflichtet (so zur Rechtslage vor Inkrafttreten des MediationsG bereits OLG Hamm, Urt. v. 20.10.1998 – 28 U 79/97, MDR 1999, 836). Eine nach anwaltlichem Berufsrecht (§ 43a Abs. 4 BRAO) unzulässige Vertretung widerstreitender Interessen liegt hierin nicht (Feuerich/Braun, BRAO, § 43a Rz. 65; Henssler in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 75 [79]).
105
A2 Vorbefassung: Während berufsrechtlich die Übernahme der Mediation durch den anwaltlichen Mediator bei anwaltlicher Vorbefassung mit der Angelegenheit im allseitigen Einverständnis beider Konfliktparteien ausnahmsweise zulässig wäre (Feuerich/Braun, BRAO, § 18 BO Rz. 4), normiert § 3 Abs. 2 Satz 1 MediationsG ein absolutes Tätigkeitsverbot, von welchem nicht einmal die Konfliktparteien selbst Befreiung erteilen können (Greger/Unberath/Steffek, § 3 MediationsG Rz. 48; ablehnend Hinrichs, Praxishandbuch Mediationsgesetz, 255 ff.). Dem Rechtsanwalt als Mediator ist zu empfehlen, auch jede Vortätigkeit für eine Konfliktpartei in einer anderen Angelegenheit – nach entsprechender Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht – offen zu legen, um (wenn auch rechtlich irrelevante) Zweifel an seiner Neutralität zu vermeiden.
106
A3 Nachbefassungsverbot: Diese (wie das Vorbefassungsverbot) nicht zur Parteidisposition stehende gesetzliche Pflicht gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 MediationsG folgt für den anwaltlichen Mediator auch aus § 43a Abs. 4 BRAO und § 3 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (Feuerich/Braun, BRAO, § 43a Rz. 65, § 18 BO Rz. 3; vgl. Henssler in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 75 [80]; ablehnend wiederum Hinrichs, Praxishandbuch Mediationsgesetz, 264 ff.).
107
A4 Strukturierte Verhandlung: Zum Strukturdenken (§ 1 Abs. 1 MediationsG) in Verhandlungen vgl. Haft, Verhandlung und Mediation, 2. Aufl. 2000, 69 ff.
108
A5 Berufspflichten: Für den anwaltlichen Mediator gilt das „Pflichtenprogramm“ der BRAO (Henssler in Mediation für Juristen, 1997, 75 [78]). Dies folgt für den ohne weiteres aus § 18 der Berufsordnung der Rechtsanwälte.
109
A6 Rechtsberatung: Zu den Fragen der Rechtsberatung in der Mediation vgl. die Ausführungen oben unter Rz. 102 ff.
110
A7 Raterteilung: Ob Gegenstand der Mediation auch die Rechtsberatung beider Auftraggeber einschließen soll (so OLG Hamm, Urt. v. 20.10.1998 – 28 U 79/97, MDR 1999, 836; a.A. wohl Eidenmüller, Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 32; Eidenmüller in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 4 Rz. 39 ff., Rz. 74; Brown/ Marriott, ADR Principles and Practice, 1999, 131), entzieht sich der schematischen Betrachtung und ist im Einzelfall zwischen den Konfliktparteien zu klären. Näher zum Vertragsvollzug Schneeweiß, Kap. 38 ff. 72
Bülow
M 6.5
Mediationsverfahren
Rz. 118 Kap. 6
A8 Notare: Zur Schlichtungstätigkeit der Notare vgl. die von der Bundesnotarkammer beschlossene Güteordnung in DNotZ 2000, 1 f.
111
A9 Honorarvereinbarung: Umstritten war im Rechtsanwaltsgebührenrecht zu § 3 BRA- 112 GO, ob die Honorarregelung in gesonderter Urkunde niedergelegt sein musste, vgl. hierzu Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 137 (139); nach § 4 Abs. 1 RVG genügt es nunmehr, wenn die Vergütungsvereinbarung als solche bezeichnet und sie von den anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt ist; der Mustertext genügt diesen Anforderungen. A10 Stundensätze: Üblich sind Stundensätze von 100 Euro bis 300 Euro (Eidenmüller, 113 Vertrags- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation, 2001, 5; Engel in Eidenmüller/ Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 10 Rz. 27, nennt Stundensätze zwischen 90 Euro und 400 Euro; Greger/Unberath/Steffek, § 2 MediationsG Rz. 242). Ein regelrechtes Tarifwerk mit Honoraren von 200 Euro bis 300 Euro je Stunde veröffentlicht die Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement e.V. – gwmk – in München bei Drucklegung unter www.gwmk.de. Wenn keine Vereinbarung getroffen worden ist, bestimmt sich die Vergütung des anwaltlichen Mediators gem. § 34 RVG nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts (a.A. noch OLG Hamm, Urt. v. 20.10.1998 – 28 U 79/97, MDR 1999, 836, zur BRAGO, die dann maßgeblich sei). Umstritten ist die Vereinbarung von Einigungshonoraren für den Fall, dass die Mediation zu einer abschließenden Einigung führt (vgl. Greger/Unberath/Steffek, § 2 MediationsG Rz. 244). Ein solches „Erfolgshonorar“ kann für den Mediator naturgemäß Verhaltensanreize setzen, die zu einer Fehlsteuerung des Verfahrens und Zweifeln an der Neutralität des Mediators führen können. A11 Kündigung: Dieses Formerfordernis ist auch im Verbrauchervertrag zulässig, § 309 Nr. 13 BGB.
114
A12 Versicherung: Die Tätigkeit des anwaltlichen Mediators ist nach Henssler in Media- 115 tion für Juristen, 1997, 75 (78), von der Standarddeckung der Berufshaftpflichtversicherung umfasst. Im Zweifel ist dem Mediator zu empfehlen, eine schriftliche Bestätigung des Haftpflichtversicherers einzuholen. A13 Haftungsausschluss: Der anwaltliche Mediator kann – die Anwendbarkeit der BRAO 116 auf die Mediatortätigkeit unterstellt (vgl. hierzu Henssler in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 75 ff.) – seine Haftung nur im Rahmen des § 51a BRAO begrenzen. A14 Haftungsbegrenzung: Die Bestimmung berücksichtigt § 51a Abs. 1 Nr. 2 BRAO.
117
A15 Verjährung: Ungeklärt ist derzeit, ob für die Tätigkeit des anwaltlichen Mediators die 118 Rechtswohltat der kurzen Verjährung gem. § 51b BRAO eingreift (Henssler in Breidenbach/ Henssler, Mediation für Juristen, 1997, 75 [78]). Das Vertragsmuster gleicht die Verjährung vorsorglich dieser Bestimmung an. Die Klausel ist auch in Verbraucherverträgen zulässig, § 309 Nr. 8 b) ff) BGB.
Bülow 73
Kapitel 7 A. Mediation mit anschließendem Schiedsgerichtsverfahren (Med-Arb) I. Einführung 1. Merkmale und Abgrenzung zu anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eignung des Verfahrens zur Konfliktlösung (Vor- und Nachteile) – Verhaltensanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorteile der Med-Arb. . . . . . . . . . . . . . b) Nachteile der Med-Arb . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 7.1 Mediations- und Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Schiedsgutachtenverfahren mit anschließender Mediation (Arb-Med) I. Einführung
Hybride Mediationsverfahren
1 5 10 11 19 22 22
1. Merkmale und Abgrenzung zu anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eignung des Verfahrens zur Konfliktlösung (Vor- und Nachteile) – Verhaltensanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorteile der Arb-Med. . . . . . . . . . . . . . b) Nachteile der Arb-Med . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 7.2 Schiedsgutachten- und Mediationsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . C. I. 1. 2.
Varianten Einführung Varianten als „hybride“ Verfahren . . . . . . Verfahren/Vor- und Nachteile . . . . . . . . .
32 33 34 35 39 40 40
48 50
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56b M 7.3 Varianten der hybriden Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 57
A. Mediation mit anschließendem Schiedsgerichtsverfahren (Med-Arb) I. Einführung Literatur: Bartel, Med-arb as a distinct method of dispute resolution: History, analysis, and potential, Williamette Law Review 27 (summer), 661 (1991); Canadian Bar Association, Bar Admission Materials, Administrative Law (1989); Coleman, The Arbitrator’s cases: Number, sources, issues, and implications, in Labor Arbitration in America: The professional and the practice, Hrsg.: Mario F. Bognanno/Charles J. Coleman, 85 ff. (1992); Elliott, Med/arb: Fraught with danger or ripe with opportunity?, Alberta Law Review 34 (October), 163 (1995); Experience with the med-arb law in Wisconsin, PERS/ ALRA Information Bulletin 4 (January-February), 2–3, 5 (1981); Gold, Fireside chat: „Ever paddling mathly underneath“, in Arbitration at the crossroads, Proceedings of the forty-ninth annual meeting National Academy of Arbitrators, Hrsg.: Joyce M. Najita, 242 ff. (1996); Henry, Med-arb: An alternative to interest Arbitration in the resolution of contract negotiation disputes, Ohio State Journal on Dispute Resolution, 385 (1988); Hill, Med-arb: New coke or swatch, Arbitration International, 13 (1) 105 (1997); Kagel, New frontiers in dispute resolution. Skills and techniques: Comment, in New techniques in dispute resolution, Hrsg.: Howard J. Anderson, 185 ff. (1976); Kagel, Mediating grievances, in: Arbitration 1993: The changing competitive environment and Arbitration, Proceedings of the forty-sixth annual meeting National Academy of Arbitrators, Hrsg.: Gladys W. Gruenberg, 76 ff. (1993); Kagel/Kagel, Using two new Arbitration techniques, Monthly Labor Review, 95 (November), 11 (1972); Killingsworth, Twenty-five years of labor Arbitration and the future: Arbitration then and now, in Labor Arbitration at the quarter-century mark, Proceedings of the twenty-fifth annual meeting National Academy of Arbitrators, Hrsg.: Barbara B. Dennis/Gerald G. Somers, 11 ff. (1972); Kolb, When talk works: Profiles of mediatiors (1994); Landry, Med-arb: Mediation with a bite and effective ADR model, Defense Counsel Journal 63 (April), 263 (1996); McLaren/Sanderson, Med-arb, in Innovative dispute resolution: The alternative (1994); Polland, Mediation-Arbitration: A trade union view, Montly Labor Review, 96 (September), 63 (1973); Pruitt, Process and outcome in community mediation, Negotiation Journal, 11, 365 (1995); Ross, The med-arb process in labor agreement negotiations,
74
Schwarzmann
Hybride Mediationsverfahren
Rz. 4 Kap. 7
Federal Service Labor Relations Review 5 (1982); Sachman, Structural change and its effect on Arbitration: Session 3, Health care, in Arbitration 1995 New challenges and expanding responsibilities, Proceedings of the forty-eighth annual meeting National Academy of Arbitrators, Hrsg.: Joyce M. Najita, 102 ff. (1995); Simkin/Fidandis, Mediation and the dynamics of collective bargaining (1986); Smith, Mediation: The process and the issues; Stern, The mediation of interest disputes by Arbitrators under the Wisconsin med-arb law for local government employees, Arbitration Journal 39 (June), 41 (1984); Taylor, The profession of labor Arbitration, in Selected papers from the first seven meetings of the National Academy of Arbitration 1948–1954, 20 (1984); Teplisky, Making a deal: The art of negotiating (1992).
1. Merkmale und Abgrenzung zu anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren „Med-Arb is a variation of the mediation process, in which the mediator changes role if the matter does not settle in mediation, and becomes Arbitrator with the task of making a binding determination.“1
„Med-Arb“ ist ein sog. hybrides Verfahren, d.h. es setzt sich zusammen aus verschiedenen 1 Grundmodellen zur Lösung außergerichtlicher Streitfälle. Bei der Med-Arb wird – wie der Name schon sagt – die mediation mit der arbitration kombiniert und verknüpft. Das umgekehrte Verfahren, bei dem die mediation der arbitration nachfolgt, wird als „Arb-Med“ (vgl. hierzu Rz. 32 ff.) bezeichnet. Daneben wurden noch weitere hybride Modelle bzw. Varianten entwickelt (vgl. hierzu Rz. 48 ff.). Mit der Kombination von Elementen verschiedener Verfahren bzw. deren Hintereinander- 2 schaltung ist die Hoffnung verbunden, die Vorteile der Modelle zu kumulieren. Ganz generell ist jedoch festzustellen, dass hybride Verfahren wiederum besondere Nachteile hervorrufen können. Die Entscheidung, ob ein kombiniertes Verfahren sinnvoll und angemessen ist, hängt von der konkreten Situation ab. Die Mediation wird an anderer Stelle vorgestellt (vgl. Kap. 6). Bei der Arbitration stellt sich 3 die Frage, wie man dieses Verfahren in das deutsche Recht umsetzt. Dabei geht es nicht um die bloße Übersetzung der juristischen Terminologie vom Amerikanischen ins Deutsche, sondern um die Einordnung des amerikanischen Rechtsinstituts. Arbitration wird im amerikanischen Recht in erster Linie von folgenden Merkmalen gekennzeichnet: – Freiwilligkeit des Verfahrens – Rechtsverbindlichkeit der Entscheidung des Drittentscheiders – Endgültigkeit der Entscheidung (zumindest grundsätzlich) Brown/Mariott2 definieren arbitration beispielsweise folgendermaßen: „The neutral, privately chosen and paid by the disputants, makes a binding determination. Procedural rules may be statutory or imposen by an arbitral organisation.“
Im deutschen Recht bieten sich in erster Linie zwei Möglichkeiten an, die arbitration um- 4 zusetzen: zum einen das Schiedsgutachten nach §§ 317 ff. BGB, zum anderen das Schiedsgericht nach §§ 1025 ff. ZPO. Beide Modelle können in den gesetzlichen Grenzen nach den Wünschen der Parteien individuell und flexibel ausgestaltet werden. Die Wahl des passenden Verfahrens erfolgt nach den Zielen und Interessen der Parteien unter Berücksichtigung der spezifischen Vor- und Nachteile von Schiedsgutachterverfahren bzw. schiedsgerichtlichen Verfahren. Ein entscheidendes Kriterium kann die Bindungswirkung der Entscheidung des Drittentscheiders sein. Entscheidend ist, ob sich aus der Klausel ein Vorbehalt ergibt, der die gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung des oder der Dritten ermöglicht 1 Brown/Mariott, ADR Principles and Practice, 147. 2 Brown/Mariott, ADR Principles and Practice, 17.
Schwarzmann
75
Kap. 7 Rz. 5
Mediation – Wirtschaftsmediation
(§ 319 BGB). Wenn dies der Fall ist, liegt ein Schiedsgutachten vor. Soll die Bestimmung des Dritten dagegen endgültig und verbindlich sein, spricht dies für eine Schiedsgerichtsvereinbarung. Näheres zur Abgrenzung in Kap. 22 Rz. 2. In dem hier vorgestellten Formulierungsvorschlag werden Mediation und Schiedsgerichtsverfahren miteinander kombiniert. In Abschnitt B. (Rz. 32 ff.), wird die Verbindung von Schiedsgutachten und Mediation vorgestellt (als Form der sog. Arb-Med). Soweit es für die nachfolgenden Ausführungen nicht darauf ankommt, ob für das der Mediation nachgeschaltete Verfahren ein Schiedsgutachten oder ein Schiedsgericht gewählt wird, sind die englischen Begriffe arbitration mit „Drittentscheidung“ und arbitrator mit „Drittentscheider“ übersetzt. 2. Verfahren 5
Med-Arb lässt sich in zwei grundlegende Verfahrensschritte aufteilen: Zunächst die Mediation und daran anschließend die Drittentscheidung, falls die Mediation nicht zu einer Einigung führt. Die Mediation wird klassisch durchgeführt: Ein neutraler Dritter ohne Entscheidungskompetenz hilft den streitenden Parteien durch seine Vermittlung dabei, ihren Konflikt gütlich beizulegen. Mediation ist eigenverantwortliche Suche nach Lösungen. Je nach Willen der Beteiligten und nach Rollenverständnis des Mediators nimmt der neutrale Dritte mehr oder weniger Einfluss auf die Verhandlungen. Die Mediation beginnt mit einer gemeinsamen Sitzung. Die genaue Rolle des Mediators und seine Eingriffsbefugnisse sollten entweder im Vorfeld schriftlich vereinbart werden oder zumindest im Eröffnungsstatement vom Mediator erläutert werden. In der ersten Sitzung tragen die Parteien ihre unterschiedlichen Sichtweisen vor und führen den Mediator in den Streit ein. Es ist ratsam, von Anfang an festzulegen, ob der Mediator Einzelgespräche (caucus) mit den Beteiligten führen darf. Wenn die Parteien sich über alle Punkte des Konflikts einigen, schließen sie eine Vereinbarung, die zumindest zu Beweiszwecken schriftlich erfolgen sollte. Bei gesetzlichen Formpflichten sind diese einzuhalten. Zur Durchsetzung der Ansprüche ist immer an die Möglichkeit zu denken, vor dem Notar eine vollstreckbare Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu errichten. Zu einer Drittentscheidung kommt es bei erfolgreicher Mediation nicht mehr. Einzelheiten zur Mediation: vgl. Kap. 6.
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Scheitert die Mediation, geht das Verfahren in die Drittentscheidung über. Gekennzeichnet wird dieses durch ihren kontradiktorischen Charakter: Die Entscheidung über den streitgegenständlichen Anspruch trifft der Drittentscheider, nicht die Parteien. Kooperationsgewinne können, anders als bei der Mediation, nicht mehr entstehen. Was die eine Partei bei der Entscheidung gewinnt, verliert die andere.
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Wesentlich für die Med-Arb ist der Automatismus des Wechsels von der Mediation zur Drittentscheidung. Die Parteien müssen sich von Anfang an darüber klar sein und dafür entscheiden. Mit Vereinbarung von Med-Arb geben sie Privatautonomie auf, allerdings freiwillig. Die Drittentscheidung können die Beteiligten nicht jederzeit beenden, um zum status quo vor den Verhandlungen zurückzukehren. Eine Verfahrenstreue der Beteiligten ist also bei diesem Verfahren nicht erforderlich.
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Der Automatismus des grundsätzlichen Übergangs von der Mediation in die Drittentscheidung lässt noch offen, wie der Wechsel des Verfahrens sich genau vollzieht. Ganz allgemein stellt sich die Frage, ob die Mediation im Rahmen der Drittentscheidung noch nachwirken soll. Bei der Vertragsgestaltung sind an diesem Punkt u.a. folgende Überlegungen anzustellen:
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Hybride Mediationsverfahren
Rz. 12 Kap. 7
– Entscheidet der Neutrale oder nur die Beteiligten darüber, unter welchen Umständen (Bedingungen oder Befristungen) die Mediation als gescheitert gilt? – Soll der Mediator auch der Drittentscheider sein oder wird er neu bestimmt (von den Parteien oder einem Dritten)? – Verwertbarkeit der Informationen, die in der Mediation gewonnen wurden, bei der Drittentscheidung, oder nicht (z.B. bei Einzelgesprächen)? – Kosten der Mediation als Bestandteil der Entscheidung des Drittentscheiders oder Verteilung ohne Rücksicht auf das Ergebnis der Drittentscheidung? – Unmittelbarer Anschluss der Drittentscheidung an die Mediation oder „cooling-off-period“? Bei der Drittentscheidung kann geregelt werden, ob den Parteien rechtliches Gehör gewährt 9 wird und inwieweit mündlicher Vortrag oder nur eingereichte Dokumente bei dem Spruch des Drittentscheiders berücksichtigt werden. Bei einem Schiedsgutachter empfiehlt es sich, den Anspruch auf rechtliches Gehör ausdrücklich zu vereinbaren, da dies ansonsten strittig ist; bei einem Schiedsgericht gilt § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO. 3. Eignung des Verfahrens zur Konfliktlösung (Vor- und Nachteile) – Verhaltensanreize Mit der Vereinbarung einer Med-Arb treffen die Beteiligten eine verfahrenssteuernde Ent- 10 scheidung, mit der sie den Konflikt beilegen wollen. Die Mediation betont die Eigenverantwortlichkeit der Suche nach einer Einigung. Soweit dieses Verfahren nicht erfolgreich ist, tritt die nächste Eskalationsstufe in Kraft. Die Lösung des Konflikts wird aus den Händen gegeben. Die bindende Entscheidung des Drittentscheiders wird jedoch eher in Kauf genommen als die Unwägbarkeiten vor Gericht. Zu den allgemeinen Vor- und Nachteilen der Mediation und des schiedsgerichtlichen Verfahrens vgl. die Ausführungen in Kap. 6 (Mediation) und in Kap. 23 (Schiedsvereinbarung). a) Vorteile der Med-Arb Vorteile der Med-Arb sind insbesondere: – Einigungsdruck – Effizienz – Vollzugsautomatismus – Zeitersparnis – Kostenreduzierung – Vertraulichkeit – Realitätstest
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Größter Vorteil der Med-Arb im Vergleich zur „reinen“ Mediation ist der Einigungsdruck, 12 unter dem die Beteiligten stehen. Sie wissen, dass das Scheitern der Mediation eine Drittentscheidung nach sich zieht, die ihren Interessen nicht entsprechen muss. Die Kontrolle des Verfahrens und vor allem sein Ergebnis gleiten aus ihren Händen. Bildlich gesprochen: Das Damoklesschwert der Drittentscheidung fördert die Einigung. Die Effizienz des Verfahrens ist in erster Linie dann gewährleistet, wenn dieselbe Person sowohl als Mediator als auch als Drittentscheider agiert. Falls das Verfahren in die Drittentscheidung übergeht, müssen die Beteiligten den Gegenstand ihres Streits nicht ein weiteres Mal vortragen. Die neutrale Person ist bereits mit den neuralgischen Punkten, den Positionen und den Argumenten vertraut. Schwarzmann
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Kap. 7 Rz. 13
Mediation – Wirtschaftsmediation
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Wird Med-Arb so ausgestaltet, dass die Drittentscheidung automatisch der gescheiterten Mediation folgt, erfordert das Verfahren keine Vollzugstreue von den Beteiligten (Vollzugsautomatismus). Mit Abschluss der Vereinbarung ist gesichert, dass der Konflikt außergerichtlich gelöst wird: entweder durch privatautonome Einigung oder durch Entscheidung eines Dritten.
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Die Zeitersparnis ist in Relation zu einem Gerichtsverfahren, das möglicherweise über mehrere Jahre und Instanzen geführt wird, groß. Durch die Vorgabe von Endterminen, bis zu denen die Mediation und Drittentscheidung abgeschlossen sein müssen, lässt sich der Zeitvorteil schon in der Med-Arb-Vereinbarung sichern. Für den Fall, dass die Zeit während des Verfahrens nicht als ausreichend betrachtet wird, können Verlängerungen vorgesehen werden, wenn dem alle Beteiligten zustimmen. Im Vergleich zur reinen Mediation ist Med-Arb dagegen das aufwendigere Verfahren.
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Ähnliches wie für die Zeitersparnis gilt für die Kostenreduzierung. Auch wenn eine reine Mediation in den meisten Fällen günstiger ist (dies ist aber nicht notwendig der Fall!), dürfte Med-Arb im Vergleich zum Gerichtsverfahren immer noch deutlich weniger kosten. Die konkreten ökonomischen Vorteile hängen natürlich immer vom Einzelfall ab (Höhe der Vergütung des Neutralen als Pauschale, je nach Streitwert oder auf Stundenbasis; Dauer des Verfahrens) und bergen die Unsicherheit hypothetischer Annahmen über (fiktive) Gerichtskosten in sich.
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Die Parteien können vereinbaren, dass die gewonnenen Informationen vertraulich behandelt werden. Mediation lebt davon, vom Positionsdenken abzurücken und die Interessen in den Vordergrund zu stellen. Nur dadurch lassen sich Kooperationsgewinne erkennen und nutzen. Vertraulichkeit ist ein Vorteil gegenüber dem Gerichtsverfahren, das nach § 169 Satz 1 GVG grundsätzlich öffentlich ist.
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Parteien neigen zu Überoptimismus. Der Realitätstest durch (mehr oder weniger deutliche) Hinweise des neutralen Dritten vermag oft die Beteiligten zur Besonnenheit zu rufen. Die Funktion des Dritten als „agent of reality“ wird v.a. mit der Mediation in Verbindung gebracht. Auch der Drittentscheider kann den Überoptimismus dämpfen, wenn z.B. das Verfahren der Med-Arb show cause gewählt wird.
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Die genannten Vorteile setzen teilweise voraus, dass der außergerichtlichen Streitbeilegung kein Gerichtsverfahren nachfolgt. Wird als Verfahren der Drittentscheidung z.B. das Schiedsgutachten gewählt, ist die Überprüfung des Gutachtens nach § 319 BGB möglich. Der Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung nach § 319 BGB durch Parteivereinbarung ist zwar grundsätzlich denkbar. In diesem Fall ist jedoch besonders zu prüfen, ob die Regelung ohne Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB getroffen wurde. In AGB oder Verbraucherverträgen wäre der Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung hingegen nach § 307 BGB unzulässig. Auch ein nur vorübergehender Klageverzicht wäre nach § 309 Nr. 14 BGB unwirksam. b) Nachteile der Med-Arb
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Nachteile der Med-Arb sind insbesondere: – Rollenwechsel des Neutralen – Verhaltensanreiz zur Einflussnahme (taktisches Verhalten) – Höhere Kosten im Vergleich zur reinen Mediation oder Drittentscheidung
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Den Vorteilen, die sich ergeben, wenn ein und dieselbe Person Mediator und Drittentscheider ist, stehen als Kehrseite der Medaille mögliche Rollenkonflikte gegenüber: Als Media78
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Rz. 22 Kap. 7
tor vermittelt der Neutrale lediglich, zu Entscheidungen ist er nicht befugt; umgekehrt verhält es sich in der Rolle des Drittentscheiders. Die beiden Rollen sind zwar durchaus kompatibel, jedoch kann die Akzeptanz des Neutralen während der Mediation oder der Entscheidung darunter leiden. Letztlich geht es um die Frage der „äußeren“ Neutralität, d.h. die Unparteilichkeit des Mediators/Drittentscheiders aus Sicht der Beteiligten. Die Einigung auf das Verfahren der Med-Arb und einen konkreten Mediator/Drittentscheider ist sicher ein Indiz für deren Akzeptanz durch die Beteiligten. Wollen die Beteiligten diese Rollenkonflikte vermeiden, müssen sie verschiedene Personen als Mediator und Drittentscheider benennen. In diesem Fall gehen allerdings die Vorteile aus der Personenidentität (s.o.) wieder verloren. Ein Nachteil des Verfahrens kann auch darin bestehen, dass die Beteiligten versucht sind, den Neutralen bereits während der Mediation in ihrem Sinne positiv zu beeinflussen. Diese Gefahr besteht, weil sie wissen, dass der Neutrale nach gescheiterter Mediation verbindlich entscheiden wird. Dies zeigt, dass das Verfahren der Med-Arb auch einen Anreiz zum taktischen Verhalten der Beteiligten beinhalten kann.
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Die Kombination von zwei Verfahren kann zu höheren Kosten führen als bei einer Konfliktlösung allein durch Mediation oder Drittentscheidung.
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II. Muster M 7.1 Mediations- und SchiedsvereinbarungA1
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Vorbemerkung 1. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob … (Anspruchsteller) gegen … (Anspruchsgegner) aus … (genauer Lebenssachverhalt, z.B. Vertrag) ein Anspruch auf … zusteht. Der Streitgegenstand dieser Vereinbarung bezieht sich auf alle Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit diesem Lebenssachverhalt stehen. 2. Die Parteien sind sich einig, den Versuch zu unternehmen, ihren Konflikt über den Streitgegenstand mit Unterstützung eines neutralen Dritten, der als Mediator und, wenn und soweit dies erforderlich ist, als Schiedsrichter tätig wird, in konstruktiver Weise zu lösen. Sie werden sich bemühen, den Konflikt zunächst eigenverantwortlich mit Unterstützung des Mediators zu lösen. Sie sind davon überzeugt, dass dieser Versuch geeignet ist, interessengerechte Einigungsoptionen aufzufinden und so den Konflikt kostengünstig und zeitsparend mit einer abschließenden Einigung – zumindest teilweise – beizulegen. Sie treffen deshalb die in dieser Urkunde niedergelegte Mediations- und Schiedsvereinbarung. Falls und soweit die Mediation scheitert, entscheidet der neutrale Dritte als Schiedsrichter.A2 I. Mediationsvereinbarung §1 Mediator Als Mediator benennen die Parteien Herrn/Frau … (neutraler Dritter). §2 Zuständigkeit und Befugnisse des Mediators 1. Der Mediator bestimmt und leitet das Mediationsverfahren. Er kann insbesondere mit den Parteien einzeln und vertraulich verhandeln.
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Kap. 7 Rz. 22
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 7.1
2. Wenn keine Partei widerspricht, kann der Mediator a) den Parteien seine Einschätzung einer Streitfrage und seine Vorstellungen einer angemessenen Lösung des Konflikts mitteilen sowie b) einen Einigungsvorschlag unterbreiten und eine entsprechende Vereinbarung formulieren und c) den Vollzug und die Überwachung des Vollzugs einer schriftlich niedergelegten Einigung übernehmen. 3. Der Mediator ist nicht zuständig, über den Konflikt verbindlich zu entscheiden. §3 Verpflichtung zur vorbehaltlosen Mediation 1. Die Parteien verpflichten sich, alles Erforderliche zu tun, um den Erfolg der Mediation zu fördern und alles zu unterlassen, was den Erfolg gefährden oder das Verfahren verzögern könnte. 2. Die Mediationssitzungen finden in … (Ort) statt. Den genauen Ort der Sitzungen bestimmt der Mediator. 3. An den Sitzungen hat jede Partei persönlich oder in gesetzlich (organschaftlich) vertretener Weise teilzunehmen, wenn und soweit der Mediator schriftlich mit einer Frist von mindestens vierzehn Tagen zum persönlichen Erscheinen einlädt. Der Mediator beurteilt, ob der für eine Partei Erschienene den vorstehenden Anforderungen im Hinblick auf seine Verhandlungsund Abschlussbefugnis genügt. Bei der Berechnung der Frist werden der Tag der Absendung der Einladung und der Tag der Sitzung nicht mitgerechnet. 4. Ist eine Partei am persönlichen Erscheinen verhindert, so entfällt die Pflicht zur Teilnahme, wenn sie dies unverzüglich schriftlich und unter Angabe des Grundes der Verhinderung gegenüber dem Mediator anzeigt (Entschuldigung). Der Mediator benachrichtigt die andere Partei und übersendet ihr eine Abschrift der Anzeige. 5. Das Recht zur Kündigung bleibt unberührt; eine Pflicht zur Einigung besteht nicht. §4 Dauer des Mediationsverfahrens 1. Das Mediationsverfahren beginnt mit Eingang des vereinbarten Kostenvorschusses beim Mediator. 2. Das Mediationsverfahren endet, wenn a) die Parteien sich über den Streitgegenstand geeinigt haben, b) der Mediator beiden Parteien schriftlich mitteilt, dass die Mediation gescheitert ist, c) eine Partei durch schriftliche Erklärung gegenüber der anderen Partei die Kündigung erklärt hat, wozu nach der ersten Mediationssitzung jede Partei ohne Wahrung einer Frist berechtigt ist oder d) ein Mediator- und SchiedsrichtervertragA3 nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Wirksamkeit diese Vereinbarung zustande kommt oder durch Kündigung oder in sonstiger Weise später wegfällt. 3. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die erste Mediationssitzung nicht innerhalb eines Monats ab Wirksamwerden dieser Vereinbarung stattfindet. Die Kündigungserklärung bedarf auch in diesem Fall der Schriftform.
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Hybride Mediationsverfahren
Rz. 22 Kap. 7
§5 Einigung im Mediationsverfahren 1. Einigen sich die Parteien im Mediationsverfahren, so soll ihre Einigung klar und unzweideutig und, wenn nicht das Gesetz eine andere Form erfordert, schriftlich niedergelegt und von beiden Parteien und dem Mediator unterschrieben werden. Die Urkunde soll in drei von beiden Parteien und dem Mediator unterschriebenen Urschriften errichtet werden, wovon jede Partei und der Mediator ein Exemplar erhalten. 2. Die Vereinbarung soll auch eine Einigung der Parteien über die Kosten der Mediation enthalten. Etwaige Erstattungsansprüche sollen der Höhe nach ausgewiesen werden. War bei Beginn des Mediationsverfahrens Klage bereits erhoben, so erklären die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt; die Vereinbarung soll in diesem Fall auch eine Einigung der Parteien über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens enthalten. 3. Die in der Vereinbarung bestimmten Leistungspflichten der Parteien sollen möglichst vollstreckbar sein. 4. Erzielen die Parteien in der Mediation eine teilweise Einigung, können sie wählen, ob der Schiedsrichter über die noch offenen Punkte oder den gesamten streitgegenständlichen Anspruch entscheiden soll. Verlangt nur eine Partei die Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand, tritt die Teileinigung außer Kraft und der Schiedsrichter entscheidet über den gesamten Konflikt (auflösende Bedingung). Das Wahlrecht ist schriftlich gegenüber der anderen Partei spätestens zum Beginn des Schiedsverfahrens auszuüben. Wird es bis dahin nicht ausgeübt, entscheidet der Schiedsrichter nur über die offenen Punkte. In allen Fällen der wirksamen Teileinigung sind die noch offenen Punkte von den Beteiligten schriftlich festzuhalten.A4 II. SchiedsvereinbarungA5 §1 Überleitung auf das Schiedsgericht Über alle Streitigkeiten, die vom Streitgegenstand im Sinne des Abschnitts I. § 1 Abs. 1 dieses Vertrages umfasst sind, entscheidet unverzüglich nach der (auch nur teilweise) erfolglosen Mediation, gleich aus welchem Grund sie gescheitert ist, ein Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges. Abschnitt I. § 5 Abs. 4 dieser Vereinbarung bleibt unberührt. Ein Einspruchsrecht gegen die Überleitung in das schiedsrichterliche Verfahren steht den Parteien nicht zu.A6 §2 Schiedsrichter Das Schiedsgericht besteht aus dem neutralen Dritten gemäß Abschnitt I. § 2 dieses Vertrages, Herrn/Frau …, als Einzelrichter. §3 Ort und Verfahrensordnung des Schiedsverfahrens Das Schiedsverfahren findet in … (Ort) statt. Für das Schiedsverfahren gelten die Bestimmungen des Gesetzes, insbesondere die §§ 1025 ff. der Zivilprozessordnung, in ihrer jetzigen Fassung, soweit in dieser Vereinbarung nicht anderes bestimmt ist.A7
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Kap. 7 Rz. 22
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III. Allgemeine Bestimmungen §1 Hinzuziehung von Beiständen 1. Jede Partei kann im Mediationsverfahren und im schiedsrichterlichen Verfahren eine zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Person hinzuziehen; Abschnitt I. § 3 Abs. 3 bleibt unberührt. 2. Dies gilt nur, wenn der Vertreter sich schriftlich gegenüber der anderen Partei in gleicher Weise wie der Vertretene gemäß § 5 dieses Abschnittes zur Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet hat. §2 Gerichtliche Geltendmachung 1. Eine Anrufung der ordentlichen Gerichte ist für die Dauer des Mediations- und des Schiedsverfahrens unzulässig (dilatorischer Klageverzicht). Für den Fall, dass bei Abschluss dieser Vereinbarung bereits in zulässiger Weise Klage erhoben wurde, vereinbaren die Parteien, das Ruhen des Verfahrens herbeizuführen. 2. Das Recht, vorläufige oder sichernde gerichtliche Maßnahmen in Bezug auf den Streitgegenstand zu beantragen, bleibt unberührt. §3 Verzug; Verjährung 1. Während der Dauer des Mediations- und des Schiedsverfahrens ist die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs gehemmt. 2. Der Anspruchsgegner ist berechtigt, die Leistung bis zur Beendigung des Mediations- und des Schiedsverfahrens zu verweigern. Ein Anerkenntnis ist hiermit nicht verbunden. 3. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. 4. Durch vorstehende Regelung wird die Verjährung nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn erschwert. §4 KostenA8 1. Die Beteiligten haben jeweils zur Hälfte den vereinbarten Kostenvorschuss an den neutralen Dritten zu zahlen. 2. Erzielen die Parteien während der Mediation keine abweichende Einigung, so trägt jede Partei ihre Aufwendungen selbst; die Vergütung des Mediators und den ihm zustehenden Aufwendungsersatz tragen die Parteien je zur Hälfte. 3. Erscheint eine Partei ohne Entschuldigung gemäß Abschnitt I. § 3 Abs. 4 dieses Vertrages zu einer Sitzung nicht und kommt es zu keiner Einigung, so gilt vorstehender Absatz entsprechend mit der Maßgabe, dass diese Partei die Vergütung des Mediators und den ihm zustehenden Aufwendungsersatz allein trägt. 4. Das Schiedsgericht hat in dem Schiedsspruch darüber zu entscheiden, zu welchem Anteil die Parteien die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens einschließlich der den Parteien entstandenen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu tragen haben. Die Entscheidung hat entsprechend §§ 91 ff., 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu erfolgen.
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Hybride Mediationsverfahren
Rz. 24 Kap. 7
§5 Vertraulichkeit 1. Die Parteien verpflichten sich, über sämtliche Tatsachen, die ihnen im Zusammenhang mit der Durchführung des Mediations- und Schiedsverfahrens bekannt geworden sind, gegenüber Personen, die nicht am Verfahren beteiligt waren, Stillschweigen zu bewahren. Sie dürfen solche Informationen nicht zu anderen Zwecken als zur Erreichung einer Einigung im Mediationsverfahren oder zum Vortrag vor dem Schiedsrichter verwenden, insbesondere nicht in einem etwa nachfolgenden Gerichtsverfahren. Sie dürfen ferner hinsichtlich tatsächlicher Vorgänge im Mediations- und Schiedsverfahren keine Beweisanträge stellen. Die Verpflichtung zur Vertraulichkeit umfasst auch den Inhalt einer erzielten Einigung oder des Schiedsspruchs. Sämtliche Personen, die die Parteien während des Verfahrens einschalten, sind in gleichem Umfang auf Verschwiegenheit zu verpflichten. 2. Dies gilt nicht für Tatsachen, die eine Partei in gesetzlich zulässiger Weise von dritter Seite erfahren hat oder die offenkundig sind. Ferner gilt dies nicht für Tatsachen, die eine Partei zur Geltendmachung von Ansprüchen oder zur Verteidigung gegen Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung, dem Mediator- und Schiedsvertrag oder einer in der Mediation erzielten Einigung oder der Entscheidung des Schiedsrichters vortragen muss. 3. Die Parteien dürfen den neutralen Dritten in einem etwa nachfolgenden Gerichtsverfahren nicht als Zeugen für die nach vorstehenden Absätzen vertraulich zu behandelnden Tatsachen benennen, die ihm während des Mediations- und Schiedsverfahrens in seiner Eigenschaft als neutraler Dritter bekannt geworden sind. …, den … (Unterschriften der Beteiligten)
Anmerkungen zu Muster M 7.1 Vorbemerkung und Verweisung: Das Muster basiert auf der Mediationsvereinbarung, die 23 Bülow in M 6.1 (Kap. 6 Rz. 34) und auf der Schiedsvereinbarung, die Bandel in M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) vorstellt. Dort finden sich auch weiterführende Anmerkungen. Falls sich an die gescheiterte Meditation kein Schiedsgerichtsverfahren, sondern ein Schiedsgutachterverfahren anschließen soll, sind die Muster und die Anmerkungen hierzu heranzuziehen (vgl. Schwarzmann, Kap. 22 Rz. 1 ff.; M 22.1 [Kap. 22 Rz. 22]). Behandelt werden im Folgenden daher nur die Besonderheiten des Med-Arb-Verfahrens. A1 Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über einen Sachverhalt, der von einem Schieds- 24 richter entschieden werden soll, falls die zunächst durchgeführte Mediation scheitert. Der Vertragsgestalter steht an dieser Stelle vor der Aufgabe, zu entscheiden, ob für den Konflikt und die Parteien ein Schiedsgutachten oder die Einsetzung eines Schiedsgerichts passender ist. Im Unterschied zum Schiedsrichter entscheidet der Schiedsgutachter keinen (umfassenden) Rechtsstreit, sondern stellt für die Parteien und eventuell auch für das Gericht ein rechtliches oder tatsächliches Element fest, insbesondere kann er eine Leistungsbestimmung treffen. Da jedoch auch die rechtliche Einschätzung eines Sachverhalts dem Schiedsgutachter übertragen werden kann, ist die Grenze zur Schiedsgerichtsbarkeit nicht immer eindeutig zu ziehen. Der Wortlaut der Vereinbarung allein ist nicht ausschlaggebend. Maßgebend ist vielmehr der Inhalt der dem Dritten gestellten Aufgabe. Entscheidend ist, ob sich aus der Klausel ein Vorbehalt ergibt, der die gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung des oder der Dritten ermöglicht (§ 319 BGB). Wenn dies der Fall ist, liegt ein Schiedsgutachten vor. Soll die Bestimmung des Dritten dagegen endgültig und verbindlich sein, spricht dies für eine Schiedsgerichtsvereinbarung. Schwarzmann
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Kap. 7 Rz. 25
Mediation – Wirtschaftsmediation
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Falls sich an die Mediation ein Schiedsgutachterverfahren anschließen soll, vgl. die Ausführungen von Schwarzmann, Kap. 22 Rz. 1 ff. Vorstellbar sind auch andere Verknüpfungen mit der Mediation. Zu den wichtigsten Modellen vgl. die Ausführungen zu den Varianten der Mediation (z.B. nonbinding med-arb, med-arb show case, medaloa usw.) in Abschnitt C. (Rz. 48 ff.). 25
A2 Neutraler Dritter als Mediator und Schiedsrichter: Die allgemeine Mediationsvereinbarung wird bereits in der Vorbemerkung insofern abgewandelt, als der neutrale Dritte sowohl als Mediator als auch als Schiedsrichter tätig wird. Aus dem Vermittler wird der Drittentscheider. Die Übernahme beider Rollen entspricht der traditionellen Vorstellung von Med-Arb. Zu den damit verbundenen Vor- und Nachteilen vgl. oben die Einführung (Rz. 10 ff.). Die Parteien können auch vereinbaren, dass Mediator und Schiedsrichter verschiedene Personen sind. Dieses Verfahren, das als Med-then-Arb bezeichnet wird, wurde entwickelt, um die Bedenken gegen die Rollenidentität (z.B. mangelnde Neutralität, zumindest in den Augen der Beteiligten) auszuräumen. Bei diesem Verfahren ist der Mediator nicht gleichzeitig der Schiedsrichter, sondern ein zweiter Neutraler. Allerdings gehen dadurch Synergieeffekte verloren, da der Schiedsrichter sich in den Streitgegenstand neu einarbeiten muss. Die Bestimmung der Person(en) kann entweder in der Vereinbarung erfolgen oder die Parteien legen ein Bestimmungsverfahren fest.
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A3 Mediatorvertrag/Schiedsrichtervertrag: Begleitend zur Einigung der Beteiligten auf das Verfahren der Med-Arb ist mit dem Neutralen eine Mediator- und Schiedsrichtervereinbarung zu treffen. Dabei sollte auf die Med-Arb-Vereinbarung der Beteiligten Bezug genommen werden. Muster und Anmerkungen finden sich zum Mediatorvertrag in Kap. 6 Rz. 98 ff. und in M 6.5 (Kap. 6 Rz. 104) und zum Schiedsrichtervertrag in M 24.1 (Kap. 24 Rz. 18). Falls für die sich anschließende Drittentscheidung eine Schiedsgutachtenvereinbarung an die Stelle der Schiedsgerichtsabrede treten soll, vgl. das Muster und die Anmerkungen in M 22.5 (Kap. 22 Rz. 38) und Kap. 22 Rz. 35 ff.
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A4 Teileinigung: Med-Arb wird so verstanden, dass die Drittentscheidung nur für die Themen durchgeführt wird, über die in der Mediation keine Einigung erzielt wurde. Sofern die Parteien sich über bestimmte Punkte einig sind, werden diese in die Entscheidung des Drittentscheiders zwingend aufgenommen. Eine eigene Entscheidungsbefugnis steht dem Drittentscheider nicht zu. Es drängt sich die Frage auf, ob dies die Chancen zur gütlichen Beilegung von Teilbereichen in der Mediation nicht mindert. Die Teileinigungen müssen jedenfalls so beschaffen sein, dass jede Partei mit ihnen leben kann, egal wie die Entscheidung des Drittentscheiders für den restlichen Streit ausfällt. Andernfalls ist es für den Beteiligten vernünftig, die Teileinigung aufzukündigen und dem Drittentscheider den Streit als Gesamtpaket vorzulegen. Da die Parteien das Verfahren an dieser Weichenstellung steuern können, sollte man die Entscheidung, ob sie in einigen Bereichen vorab Kompromisse schließen wollen, ihnen überlassen. Nach der Teileinigung offene Punkte sind zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung bestimmte Rechtsverhältnisse im Sinne des § 1029 Abs. 1 ZPO. Vorsorglich sind diese schriftlich festzuhalten.
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A5 Schiedsvereinbarung: Die Schiedsvereinbarung greift in Umsetzung des Med-ArbKonzepts nur, wenn die Mediation gescheitert ist. Sie ist kurz gefasst und enthält nur das gesetzlich Notwendige. Ein ausführliches Muster mit fakultativen Vereinbarungen unter Ausnutzung der dispositiven Regelungen der ZPO findet sich in M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42).
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Hybride Mediationsverfahren
Rz. 31 Kap. 7
Nach § 1029 Abs. 1 ZPO muss die Schiedsvereinbarung zumindest folgende Punkte enthalten: – die Vereinbarung, Streitigkeiten der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen – die bestimmte Festlegung zumindest eines Rechtsverhältnisses, aus dem die Streitigkeit entstanden ist oder entstehen könnte – die Festlegung der Streitigkeiten, die von der Vereinbarung erfasst sein sollen. Auf die genaue Beschreibung des Rechtsverhältnisses, das der Entscheidung des Schiedsgerichts unterliegen soll, ist besonders zu achten. Eine pauschale Vereinbarung über alle gegenwärtigen und/oder künftigen Ansprüche gegeneinander ist unwirksam. Die ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist Wesen des Schiedsverfahrens. Vgl. §§ 1032, 1040 ZPO zu den Einzelheiten. A6 Überleitung in das Schiedsverfahren: Der Kerngedanke der Med-Arb ist der auto- 29 matische Übergang von der freiwilligen Mediation in das kontradiktorische Verfahren der Drittentscheidung. Es ist sicherlich auch möglich, zwischen dem Scheitern der Mediation und der Einleitung des Schiedsverfahrens eine gewisse Zeit vergehen zu lassen, um den Parteien eine Chance zur „Abkühlung“ zu gewähren. In der Regel dürfte sich aber das Schiedsverfahren unmittelbar anschließen, um den Konflikt zu entscheiden. Mit Abschluss der Vereinbarung ist sichergestellt, dass der Streit entweder einvernehmlich durch Mediation beigelegt oder von einem Dritten entschieden wird. Die Parteien sind ab diesem Zeitpunkt und erst recht mit Scheitern des Verfahrens nicht mehr die Herren des Verfahrens; der Stein kommt ins Rollen. Ein Einspruchsrecht steht ihnen deshalb nicht mehr zu. A7 Schiedsort und Verfahrensregeln: Vgl. § 1043 Abs. 1 ZPO. Die Lage des Schiedsorts 30 hat auch Bedeutung für die anzuwendende Rechtsordnung (§ 1025 Abs. 1 ZPO) und die Zuständigkeit der Gerichte, § 1062 Abs. 1 ZPO. Soweit die gesetzlichen Bestimmungen der ZPO für anwendbar erklärt sind, erfolgt dies nur klarstellend. Nach den allgemeinen Regeln sollte sich aus der Verweisung ergeben, ob sie sich statisch auf die bei Abschluss der Vereinbarung geltende Gesetzeslage oder dynamisch auf diejenige bezieht, die in einem bestimmten Zeitpunkt der Zukunft gilt (z.B. der Einleitung des Verfahrens oder bei der Entscheidung des Schiedsgerichts). Die Vereinbarungen in der Urkunde gehen den §§ 1025 ZPO vor. Bei Abweichungen ist darauf zu achten, dass die Norm, von der abgewichen wird, dispositiv ist. A8 Kosten: Die Kosten für die Mediation und das schiedsgerichtliche Verfahren fallen ku- 31 muliert an, wenn beide durchgeführt werden. Die Höhe hängt von der Vereinbarung mit dem Neutralen ab. Es sollte klargestellt werden, dass für das schiedsgerichtliche Verfahren keine Kosten anfallen, wenn bereits die Mediation zum Erfolg führt. Wer befürchtet, dadurch dem Neutralen einen Anreiz zum Schiedsspruch zu schaffen, kann mit einer Einigungsgebühr oder, soweit möglich, einer pauschalen Abgeltung des gesamten Verfahrens entgegenwirken. Zu den Kosten der Mediation vgl. insbesondere M 6.1 Anm. A37 (Kap. 6 Rz. 69) zu den Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens vgl. Kap. 24 Rz. 11 ff.
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Kap. 7 Rz. 32
Mediation – Wirtschaftsmediation
B. Schiedsgutachtenverfahren mit anschließender Mediation (Arb-Med) I. Einführung Literatur: Vgl. die Literatur zum Verfahren der Med-Arb vor Rz. 1.
1. Merkmale und Abgrenzung zu anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren 32
„Arb-Med“ ist ein sog. hybrides Verfahren, d.h. es setzt sich zusammen aus verschiedenen Grundmodellen zur Lösung außergerichtlicher Streitfälle. Bei der Arb-Med wird die arbitration mit der mediation kombiniert und verknüpft. Das umgekehrte Verfahren, bei dem die arbitration der mediation nachfolgt, wird als „Med-Arb“ (vgl. hierzu Rz. 1 ff.) bezeichnet. Daneben wurden noch weitere hybride Modelle bzw. Varianten entwickelt (vgl. hierzu Rz. 48 ff.). Das Modell der Arb-Med wird von den Beteiligten seltener gewählt als das der Med-Arb, da es als zeitintensiver gilt und in jedem Fall die Kosten für Drittentscheidung sowie Mediation kumuliert anfallen. Nicht auszuschließen ist auch, dass das anfängliche nicht-kooperative Verfahren der Drittentscheidung die Atmosphäre verschlechtert und die Einigungsbereitschaft in der Mediation absenkt. Auch hier gilt es deshalb, die Vorteile der Arb-Med gegen die Nachteile abzuwägen. 2. Verfahren
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Bei Arb-Med findet zunächst die Drittentscheidung statt, die regelmäßig entweder in einem Schiedsgerichtsverfahren oder einem Schiedsgutachten besteht. Das Wesentliche an der ArbMed ist, dass das Ergebnis der Drittentscheidung den Beteiligten zunächst nicht mitgeteilt wird. In der zweiten Phase wird vielmehr eine Mediation durchgeführt, um die Einigungsbereitschaft der Kontrahenten ein letztes Mal auszuloten. Gelingt die Einigung, so ist die Drittentscheidung gegenstandslos. Scheitert die einvernehmliche Konfliktbereinigung, wird die Drittentscheidung offen gelegt. Sie ist dann verbindlich und durchsetzbar. Die Beteiligten haben die Wahl, ob sie als Schiedsgutachter und Mediator dieselbe Person benennen oder ob sie diese Aufgaben verschiedenen Personen übertragen. Das folgende Muster geht von verschiedenen Personen aus. 3. Eignung des Verfahrens zur Konfliktlösung (Vor- und Nachteile) – Verhaltensanreize
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Mit der Vereinbarung von Arb-Med ist auch verfahrenssteuernde Entscheidung verbunden. Die Mediation betont die Eigenverantwortlichkeit der Suche nach einer Einigung. Soweit dieses Verfahren nicht erfolgreich ist, wird auf die Drittentscheidung zurückgegriffen. Die Lösung des Konflikts wird aus den Händen gegeben. Zu den allgemeinen Vor- und Nachteilen der Mediation und des schiedsgutachterlichen Verfahrens vgl. die Ausführungen in Kap. 6 Rz. 4 ff. (Mediation) und in Kap. 22 Rz. 6 ff. (Schiedsgutachtenvereinbarung). a) Vorteile der Arb-Med
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Vorteile der Arb-Med sind insbesondere: – Geringer Verhaltensanreiz zur Einflussnahme auf den Neutralen – Einigungsdruck – Effizienz 86
Schwarzmann
Hybride Mediationsverfahren
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Rz. 38 Kap. 7
Vollzugsautomatismus Zeitersparnis Kostenreduzierung Vertraulichkeit Realitätstest
Ein Nachteil der Med-Arb kann darin bestehen, dass die Beteiligten versucht sind, den 36 Neutralen bereits während der Mediation in ihrem Sinne positiv zu beeinflussen. Sie versprechen sich davon eine für sie positive Drittentscheidung. Diesem taktischen Verhalten wird bei der hier vorgestellten Arb-Med der Boden entzogen, selbst wenn der Neutrale sowohl als Mediator als auch als Drittentscheider tätig ist, denn die Drittentscheidung liegt bereits fest, bevor die Mediation begonnen wird. Nicht ausgeschlossen sind jedoch Versuche der Beteiligten, den Neutralen „auszuforschen“, um Hinweise auf die festgelegte Drittentscheidung zu erhalten. Im Übrigen entsprechen die Vorteile der Arb-Med im Wesentlichen denen der Med-Arb (vgl. auch Rz. 10 ff.). Sie sind daher im Folgenden nur kurz zusammengefasst: Die Beteiligten stehen bei der Arb-Med, anders als bei der reinen Meditation, unter einem erhöhten Einigungsdruck. Scheitert die Mediation, wird die Drittentscheidung offen gelegt und verbindlich.
37
Ist als Mediator und Drittentscheider die gleiche Person benannt, kommt es zu Synergieeffekten, da der Streitstoff nicht ein zweites Mal aufbereitet werden muss (Effizienz). Ist dies nicht möglich, z.B. weil kein Neutraler gefunden wird, der beide Kompetenzen auf sich vereinigt, oder die Beteiligten den Rollenwechsel als problematisch erachten, müssen verschiedene Personen um den Preis einer verringerten Effizienz benannt werden. Arb-Med erfordert keine Vollzugstreue der Beteiligten, da sie sich der Drittentscheidung unterwerfen, falls die Mediation scheitert (Vollzugsautomatismus). Die Zeitersparnis ist im Verhältnis zu einem Gerichtsverfahren, das möglicherweise über mehrere Jahre und Instanzen geführt wird, groß. Im Vergleich zur reinen Mediation oder Drittentscheidung ist Arb-Med jedoch das aufwendigere Verfahren.
37a
Ähnlich wie die Med-Arb wird auch die Arb-Med in der Regel im Vergleich zum Gerichtsverfahren deutlich günstiger sein (Kostenreduzierung). Die konkreten ökonomischen Vorteile hängen natürlich immer vom Einzelfall ab (Höhe der Vergütung des/der Neutralen als Pauschale, je nach Streitwert oder auf Stundenbasis; Dauer des Verfahrens) und bergen die Unsicherheit hypothetischer Annahmen über (fiktive) Gerichtskosten in sich.
37b
Die Parteien können vereinbaren, dass die gewonnenen Informationen vertraulich behandelt werden. Mediation lebt bekanntlich davon, vom Positionsdenken abzurücken und die Interessen in den Vordergrund zu stellen. Nur dadurch lassen sich Kooperationsgewinne erkennen und nutzen. Vertraulichkeit ist ein Vorteil gegenüber dem Gerichtsverfahren, das nach § 169 Satz 1 GVG grundsätzlich öffentlich ist.
37c
Parteien neigen zu Überoptimismus. Der Realitätstest durch (mehr oder weniger deutliche) Hinweise des neutralen Dritten vermag oft, die Beteiligten zur Besonnenheit zu rufen.
37d
Die genannten Vorteile setzen teilweise voraus, dass der außergerichtlichen Streitbeilegung kein Gerichtsverfahren nachfolgt. Wird als Verfahren der Drittentscheidung z.B. das Schiedsgutachten gewählt, ist die Überprüfung des Gutachtens nach § 319 BGB möglich. Der Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung nach § 319 BGB durch Parteivereinbarung ist zwar grundsätzlich denkbar. In diesem Fall ist jedoch besonders zu prüfen, ob die Regelung ohne Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB getroffen wurde. In AGB oder Verbraucherver-
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Kap. 7 Rz. 39
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 7.2
trägen wäre der Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung hingegen nach § 307 BGB unzulässig. Auch ein nur vorübergehender Klageverzicht wäre nach § 309 Nr. 14 BGB unwirksam. b) Nachteile der Arb-Med 39
Nachteile der Arb-Med sind insbesondere: – Rollenwechsel des Neutralen – Höhere Kosten im Vergleich zur reinen Mediation oder Drittentscheidung
39a
Den Vorteilen, die sich ergeben, wenn ein und dieselbe Person Mediator und Drittentscheider ist, stehen als Kehrseite der Medaille mögliche Rollenkonflikte gegenüber: Als Mediator vermittelt der Neutrale lediglich, zu Entscheidungen ist er nicht befugt; umgekehrt verhält es sich in der Rolle des Drittentscheiders. Die beiden Rollen sind zwar durchaus kompatibel, jedoch kann die Akzeptanz des Neutralen während der Mediation oder der Entscheidung darunter leiden. Letztlich geht es um die Frage der „äußeren“ Neutralität, d.h. die Unparteilichkeit des Mediators/Drittentscheiders aus Sicht der Beteiligten. Die Einigung auf das Verfahren der Arb-Med und einen konkreten Mediator/Drittentscheider ist sicher ein Indiz für deren Akzeptanz durch die Beteiligten.
39b
Wollen die Beteiligten diese Rollenkonflikte vermeiden, müssen sie verschiedene Personen als Mediator und Drittentscheider benennen. In diesem Fall gehen allerdings die Vorteile aus der Personenidentität (s.o.) wieder verloren. In dem folgenden Muster werden verschiedene Personen als Mediator und Drittentscheider benannt. Die Kombination von zwei Verfahren kann zu höheren Kosten führen als bei einer Konfliktlösung allein durch Mediation oder Drittentscheidung.
II. Muster 40
M 7.2 Schiedsgutachten- und Mediationsvereinbarung VorbemerkungA1 1. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob … (Anspruchsteller) gegen … (Anspruchsgegner) aus … (genauer Lebenssachverhalt, z.B. Vertrag) ein Anspruch auf … zusteht. Der Streitgegenstand dieser Vereinbarung bezieht sich auf alle Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit diesem Lebenssachverhalt stehen. 2. Die Parteien sind sich einig, den Versuch zu unternehmen, ihren Konflikt über den Streitgegenstand mit Unterstützung eines neutralen Dritten, der als Mediator tätig wird, in konstruktiver Weise zu lösen. Sie werden sich bemühen, den Konflikt eigenverantwortlich mit Unterstützung des Mediators zu lösen. Sie sind davon überzeugt, dass dieser Versuch geeignet ist, interessengerechte Einigungsoptionen aufzufinden und so den Konflikt kostengünstig und zeitsparend mit einer abschließenden Einigung beizulegen. Sie treffen deshalb die in dieser Urkunde niedergelegte Schiedsgutachten- und Mediationsvereinbarung. 3. Falls die Mediation scheitert, entscheidet das Gutachten des Schiedsgutachters, das vor Beginn der Mediation vorliegen muss.A2 4. Als Mediator und Schiedsgutachter benennen die Beteiligten verschiedene Personen. Mit diesen ist jeweils ein Mediator- bzw. Schiedsgutachtervertrag abzuschließen.A3
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Hybride Mediationsverfahren
Rz. 40 Kap. 7
I. SchiedsgutachtenvereinbarungA4 1. Über den in § 1 Ziff. 1 dieser Vereinbarung genannten Streitgegenstand entscheidet das Schiedsgutachten eines amtlich vereidigten oder gerichtlich anerkannten Schätzgutachters, der von den Beteiligten unabhängig und unparteilich ist. 2. Können sich die Beteiligten über die Bestellung dieses Gutachters nicht innerhalb eines Monats einigen, so ist dieser von dem Präsidenten des örtlich zuständigen Landgerichts zu bestimmen. Der Antrag auf Benennung durch den Dritten kann von jedem Beteiligten gestellt werden. 3. Der zu benennende Schiedsgutachter muss folgende Qualifikationen erfüllen: … 4. Der Schiedsgutachter entscheidet nach billigem Ermessen. Er hat bei der Bestimmung jedoch folgende Bewertungsmethode anzuwenden: … 5. Hinsichtlich des Verfahrens, das vom Schiedsgutachter bis zur Erstellung des Gutachtens einzuhalten ist, gilt, was folgt: Den Beteiligten ist vor Niederlegung des Schiedsgutachtens rechtliches Gehör zu gewähren. Der Schiedsgutachter gibt beiden Beteiligten bei einer mündlichen Erörterung Gelegenheit zur Stellungnahme. Den Zeitpunkt der Erörterung bestimmt der Schiedsgutachter nach billigem Ermessen. Soweit es der Schiedsgutachter für erforderlich hält, führt er mit beiden Beteiligten eine Ortsbesichtigung durch. Die Beteiligten sind hiervon zwei Wochen vorher schriftlich zu verständigen. Die Beteiligten können jederzeit vom Schiedsgutachter Auskunft über den Stand des Verfahrens, die entstandenen und zu erwartenden Aufwendungen und den Fertigstellungstermin des Schiedsgutachtens verlangen. Hiervon ausgenommen ist ausdrücklich das zu erwartende Ergebnis. Das Schiedsgutachten ist schriftlich bis spätestens zum … abzufassen, zu begründen und vom Schiedsgutachter zu unterzeichnen. Eine Abschrift erhält bis zum Ende der Mediation nur der von den Beteiligten benannte Mediator. Bis zu diesem Zeitpunkt sind an die Beteiligten keine Abschriften zu übersenden.A5 6. Durch die Schiedsgutachtenvereinbarung wird der Rechtsweg nicht ausgeschlossen. Im gerichtlichen Verfahren ist das Schiedsgutachten nach § 319 BGB überprüfbar. II. MediationsvereinbarungA6 §1 Mediator Als Mediator benennen die Parteien Herrn/Frau … (neutraler Dritter). §2 Zuständigkeit und Befugnisse des Mediators 1. Der Mediator bestimmt und leitet das Mediationsverfahren. Er kann insbesondere mit den Parteien einzeln und vertraulich verhandeln. 2. Wenn keine Partei widerspricht, kann der Mediator a) den Parteien seine Einschätzung einer Streitfrage und seine Vorstellungen einer angemessenen Lösung des Konflikts mitteilen sowie b) einen Einigungsvorschlag unterbreiten und eine entsprechende Vereinbarung formulieren und c) den Vollzug und die Überwachung des Vollzugs einer schriftlich niedergelegten Einigung übernehmen. 3. Der Mediator ist nicht zuständig, über den Konflikt verbindlich zu entscheiden. Schwarzmann
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Kap. 7 Rz. 40
Mediation – Wirtschaftsmediation
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§3 Verpflichtung zur vorbehaltlosen Mediation 1. Die Parteien verpflichten sich, alles Erforderliche zu tun, um den Erfolg der Mediation zu fördern und alles zu unterlassen, was den Erfolg gefährden oder das Verfahren verzögern könnte. 2. Die Mediationssitzungen finden in … (Ort) statt. Den genauen Ort der Sitzungen bestimmt der Mediator. 3. An den Sitzungen hat jede Partei persönlich oder in gesetzlich (organschaftlich) vertretener Weise teilzunehmen, wenn und soweit der Mediator schriftlich mit einer Frist von mindestens vierzehn Tagen zum persönlichen Erscheinen einlädt. Der Mediator beurteilt, ob der für eine Partei Erschienene den vorstehenden Anforderungen im Hinblick auf seine Verhandlungsund Abschlussbefugnis genügt. Bei der Berechnung der Frist werden der Tag der Absendung der Einladung und der Tag der Sitzung nicht mitgerechnet. 4. Ist eine Partei am persönlichen Erscheinen verhindert, so entfällt die Pflicht zur Teilnahme, wenn sie dies unverzüglich schriftlich und unter Angabe des Grundes der Verhinderung gegenüber dem Mediator anzeigt (Entschuldigung). Der Mediator benachrichtigt die andere Partei und übersendet ihr eine Abschrift der Anzeige. 5. Das Recht zur Kündigung bleibt unberührt; eine Pflicht zur Einigung besteht nicht. §4 Dauer des Mediationsverfahrens 1. Das Mediationsverfahren beginnt mit Eingang des vereinbarten Kostenvorschusses beim Mediator. Weiter muss dem Mediator das Schiedsgutachten vorliegen. 2. Das Mediationsverfahren endet, wenn a) die Parteien sich über den Streitgegenstand geeinigt haben oder b) die Parteien sich über die Beendigung des Verfahrens geeinigt haben, wobei diese Einigung möglichst in Schriftform zu erfolgen hat oder c) der Mediator beiden Parteien schriftlich mitteilt, dass die Mediation gescheitert ist oder d) eine Partei durch schriftliche Erklärung gegenüber der anderen Partei die Kündigung erklärt hat, wozu nach der ersten Mediationssitzung jede Partei ohne Wahrung einer Frist berechtigt ist oder e) ein Mediatorvertrag nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Wirksamkeit diese Vereinbarung zustande kommt oder durch Kündigung oder in sonstiger Weise später wegfällt. 3. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die erste Mediationssitzung nicht innerhalb eines Monats ab Wirksamwerden dieser Vereinbarung stattfindet. Die Kündigungserklärung bedarf auch in diesem Fall der Schriftform. §5 Einigung im Mediationsverfahren 1. Einigen sich die Parteien im Mediationsverfahren, so soll ihre Einigung klar und unzweideutig und, wenn nicht das Gesetz eine andere Form erfordert, schriftlich niedergelegt und von beiden Parteien und dem Mediator unterschrieben werden. Die Urkunde soll in drei von beiden Parteien und dem Mediator unterschriebenen Urschriften errichtet werden, wovon jede Partei und der Mediator ein Exemplar erhalten. 2. Die Vereinbarung soll auch eine Einigung der Parteien über die Kosten der Mediation enthalten. Etwaige Erstattungsansprüche sollen der Höhe nach ausgewiesen werden. War bei Beginn des Mediationsverfahrens Klage bereits erhoben, so erklären die Parteien den Rechts90
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Hybride Mediationsverfahren
Rz. 40 Kap. 7
streit übereinstimmend für erledigt; die Vereinbarung soll in diesem Fall auch eine Einigung der Parteien über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens enthalten. 3. Die in der Vereinbarung bestimmten Leistungspflichten der Parteien sollen möglichst vollstreckbar sein. III. Allgemeine Bestimmungen §1 Hinzuziehung von Beiständen 1. Jede Partei kann im Mediationsverfahren und im schiedsgutachterlichen Verfahren eine zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Person hinzuziehen; Abschnitt II. § 3 Abs. 3 bleibt unberührt. 2. Dies gilt nur, wenn der Vertreter sich schriftlich gegenüber der anderen Partei in gleicher Weise wie der Vertretene gemäß § 5 dieses Abschnittes zur Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet hat. §2 Gerichtliche Geltendmachung 1. Eine Anrufung der ordentlichen Gerichte ist für die Dauer des Mediations- und des Schiedsgutachtenverfahrens unzulässig (dilatorischer Klageverzicht). Für den Fall, dass bei Abschluss dieser Vereinbarung bereits in zulässiger Weise Klage erhoben wurde, vereinbaren die Parteien, das Ruhen des Verfahrens herbeizuführen. 2. Das Recht, vorläufige oder sichernde gerichtliche Maßnahmen in Bezug auf den Streitgegenstand zu beantragen, bleibt unberührt. §3 Verzug; Verjährung 1. Während der Dauer des Mediations- und des Schiedsgutachtenverfahrens ist die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs gehemmt. 2. Der Anspruchsgegner ist berechtigt, die Leistung bis zur Beendigung des Mediations- und des Schiedsgutachtenverfahrens zu verweigern. Ein Anerkenntnis ist hiermit nicht verbunden. 3. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. 4. Durch vorstehende Regelung wird die Verjährung nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn erschwert. §4 KostenA7 1. Die Beteiligten haben die vereinbarten Kostenvorschüsse an die neutralen Dritten zu gleichen Teilen zu zahlen. 2. Die Kosten des Schiedsgutachtens, einschließlich der etwaigen Kosten für die Benennung des Schiedsgutachters, tragen die Beteiligten zu gleichen Teilen. 3. Erzielen die Parteien während der Mediation keine abweichende Einigung, so trägt jede Partei ihre Aufwendungen selbst; die Vergütung des Mediators und den ihm zustehenden Aufwendungsersatz tragen die Parteien je zur Hälfte. 4. Erscheint eine Partei ohne Entschuldigung gemäß Abschnitt II. § 3 Abs. 4 dieses Vertrages zu einer Sitzung nicht und kommt es zu keiner Einigung, so gilt vorstehender Absatz entsprechend mit der Maßgabe, dass diese Partei die Vergütung des Mediators und den ihm zustehenden Aufwendungsersatz allein trägt.
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Kap. 7 Rz. 40a
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§5 Vertraulichkeit 1. Die Parteien verpflichten sich, über sämtliche Tatsachen, die ihnen im Zusammenhang mit der Durchführung des Mediations- und Schiedsgutachtenverfahrens bekannt geworden sind, gegenüber Personen, die nicht am Verfahren beteiligt waren, Stillschweigen zu bewahren. Sie dürfen solche Informationen nicht zu anderen Zwecken als zur Erreichung einer Einigung im Mediationsverfahren oder zum Vortrag vor dem Schiedsgutachter verwenden, insbesondere nicht in einem etwa nachfolgenden Gerichtsverfahren. Sie dürfen ferner hinsichtlich tatsächlicher Vorgänge im Mediations- und Schiedsgutachtenverfahren keine Beweisanträge stellen. Die Verpflichtung zur Vertraulichkeit umfasst auch den Inhalt einer erzielten Einigung oder des Schiedsgutachtens. Sämtliche Personen, die die Parteien während des Verfahrens einschalten, sind in gleichem Umfang auf Verschwiegenheit zu verpflichten. 2. Dies gilt nicht für Tatsachen, die eine Partei in gesetzlich zulässiger Weise von dritter Seite erfahren hat oder die offenkundig sind. Ferner gilt dies nicht für Tatsachen, die eine Partei zur Geltendmachung von Ansprüchen oder zur Verteidigung gegen Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung, dem Mediator- und Schiedsgutachtenvertrag oder einer in der Mediation erzielten Einigung oder der Entscheidung des Schiedsgutachters vortragen muss. 3. Die Parteien dürfen die neutralen Dritten in einem etwa nachfolgenden Gerichtsverfahren nicht als Zeugen für die nach vorstehenden Absätzen vertraulich zu behandelnden Tatsachen benennen, die ihnen während des Mediations- und Schiedsgutachtenverfahrens in ihrer Eigenschaft als neutrale Dritte bekannt geworden sind. …, den … (Unterschriften der Beteiligten)
Anmerkungen zu Muster M 7.2 40a
Vorbemerkung und Verweisung: Das Muster basiert auf der Mediationsvereinbarung, die Bülow in M 6.1 (Kap. 6 Rz. 34) und auf der Schiedsgutachtenvereinbarung, die Schwarzmann in M 22.1 (Kap. 22 Rz. 22) vorstellen. Dort finden sich auch weiterführende Anmerkungen. Falls sich an die gescheiterte Meditation kein Schiedsgutachterverfahren, sondern ein Schiedsgerichtsverfahren anschließen soll, sind die entsprechenden Muster und Anmerkungen hierzu heranzuziehen (vgl. Kap. 23). Behandelt werden im Folgenden daher nur die Besonderheiten des Arb-Med-Verfahrens.
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A1 Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über einen Sachverhalt, der von einem Schiedsgutachter entschieden werden soll, falls die durchgeführte Mediation scheitert. Der Vertragsgestalter steht – ähnlich wie beim Verfahren der Med-Arb – vor der Aufgabe, zu entscheiden, ob für den Konflikt und die Parteien ein Schiedsgutachten oder die Einsetzung eines Schiedsgerichts passender ist.
41a
Im Unterschied zum Schiedsrichter entscheidet der Schiedsgutachter keinen (umfassenden) Rechtsstreit, sondern stellt für die Parteien und eventuell auch für das Gericht ein rechtliches oder tatsächliches Element fest, insbesondere kann er eine Leistungsbestimmung treffen. Da jedoch auch die rechtliche Einschätzung eines Sachverhalts dem Schiedsgutachter übertragen werden kann, ist die Grenze zur Schiedsgerichtsbarkeit nicht immer eindeutig zu ziehen. Der Wortlaut der Vereinbarung allein ist nicht ausschlaggebend. Maßgebend ist vielmehr der Inhalt der dem Dritten gestellten Aufgabe. Entscheidend ist, ob sich aus der Klausel ein Vorbehalt ergibt, der die gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung des oder der Dritten ermöglicht (§ 319 BGB). Wenn dies der Fall ist, liegt ein Schiedsgutachten vor. 92
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Hybride Mediationsverfahren
Rz. 47 Kap. 7
Soll die Bestimmung des Dritten dagegen endgültig und verbindlich sein, spricht dies für eine Schiedsgerichtsvereinbarung. Denkbar sind auch andere Verknüpfungen mit der Mediation. Zu den wichtigsten Model- 41b len vgl. die Ausführungen zu den Varianten der Mediation (z.B. nonbinding med-arb, medarb show case, medaloa usw.) in Abschnitt C (Rz. 48 ff.). A2 Verhältnis Schiedsgutachten/Mediation: Die Mediation ist das hauptsächliche Verfahren. Mit ihrer Hilfe sollen die Einigungschancen ausgelotet und eine einvernehmliche Einigung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen gefunden werden. Durch die Wahl des Arb-Med-Verfahrens zeigen die Beteiligten, dass auch beim Scheitern der Meditation ihre Streitigkeit in jedem Fall entschieden werden soll. Dies wird durch das Schiedsgutachten gesichert, das – sozusagen im Hintergrund der Mediation – nur dann zum Tragen kommt, wenn die Mediation nicht erfolgreich beendet wird.
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A3 Mediator/Schiedsgutachter: Die Beteiligten müssen sich entscheiden, ob sie für das 43 Verfahren der Arb-Med nur eine neutrale Person benennen, die sowohl als Mediator als auch als Schiedsgutachter tätig wird, oder ob sie die Aufgaben verschiedenen Personen übertragen. Für die erste Alternative sprechen vor allem die Synergieeffekte und das effizientere Verfahren, für die zweite die Vermeidung von etwaigen Rollenkonflikten (vgl. zu diesen Aspekten oben: Einführung Rz. 32 ff.). Begleitend zur Einigung der Beteiligten auf das Verfahren der Arb-Med ist mit den Neutralen ein Mediator- und Schiedsrichtervereinbarung zu treffen. Dabei sollte auf die Arb-MedVereinbarung der Beteiligten Bezug genommen werden. Muster und Anmerkungen finden sich zum Mediatorvertrag in Kap. 6 Rz. 98 ff. und zum Schiedsgutachtervertrag in Kap. 22 Rz. 35 ff. Falls für die sich anschließende Drittentscheidung eine Schiedsgerichtsabrede an die Stelle der Schiedsgutachtenvereinbarung treten soll, s. Kap. 23. A4 Schiedsgutachtenvereinbarung: Näheres zur Schiedsgutachtenvereinbarung findet sich in Kap. 22 Rz. 1 ff.
44
A5 Eröffnung der Drittentscheidung erst nach gescheiterter Mediation: Die Drittent- 45 scheidung (hier: Schiedsgutachten, möglich aber auch Schiedsspruch) soll bei der Arb-Med nur dann eröffnet und verbindlich werden, wenn die Mediation scheitert. Die Beteiligten wollen zwar einerseits die Chancen, die Mediation bietet, nicht ungenutzt lassen, aber andererseits sicher sein, dass ihr Konflikt zeitnah und kostengünstig entschieden wird, wenn eine einvernehmliche Einigung fehlschlägt. Aus diesem Grund muss die Drittentscheidung bereits vor Beginn der Mediation vorliegen. Es ist sicherzustellen, dass die Entscheidung den Beteiligten während der Mediation nicht mitgeteilt wird, um dort taktisches Verhalten auszuschließen. Die Beteiligten erhalten daher vorerst keine Abschriften. Nach dem Formulierungsvorschlag erhält nur der Mediator eine Abschrift der Drittentscheidung. Wenn die Beteiligten verhindern wollen, dass der Mediator – bewusst oder unbewusst – seine Kenntnis der Entscheidung in die Mediation einfließen lässt, können sie auch eine andere Regelung vereinbaren. Denkbar ist z.B., dass der Mediator vom Schiedsgutachter nur eine Bestätigung erhält, wonach die Drittentscheidung getroffen ist und die Mediation daher beginnen kann. Dies wäre dann bei der Formulierung in Abschnitt II. § 4 Abs. 1 des Musters zu berücksichtigen. A6 Mediationsvereinbarung: Näheres zur Mediationsvereinbarung findet sich in Kap. 6 46 Rz. 1 ff. A7 Kosten: Die Kosten für die Mediation und das schiedsgutachterliche Verfahren fallen 47 immer kumuliert an, da nach dem Muster verschiedene Personen als Neutrale beauftragt Schwarzmann
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Kap. 7 Rz. 48
Mediation – Wirtschaftsmediation
werden. Die Höhe der Kosten hängt von der jeweiligen Vereinbarung mit den Neutralen ab. Zu den Kosten der Mediation vgl. insbesondere M 6.1 Anm. A37 (Kap. 6 Rz. 69); zu den Kosten des schiedsgutachterlichen Verfahrens M 22.1 Anm. A10 (Kap. 22 Rz. 31).
C. Varianten I. Einführung Literatur: Brown/Mariott, ADR Principles and Practice, 1999; Eidenmüller, Hybride ADR-Verfahren bei internationalen Wirtschaftskonflikten, RIW 2002, 1 ff.; Goldberg/Sander/Rogers, Dispute Resolution, Negotiation, Mediation and Other Processes, 1992; Risse, Neue Wege der Konfliktbewältigung: Last-Offer-Schiedsverfahren, High/Low-Arbitration und Michigan-Mediation, BB 2001 (Beilage Mediation & Recht), 16 ff.
1. Varianten als „hybride“ Verfahren 48
Das (häufigere) Modell der Med-Arb und das (etwas seltenere) der Arb-Med sind sog. hybride Verfahren, da sie die Konzepte von verschiedenen Möglichkeiten der außergerichtlichen Konfliktlösung in der Weise miteinander kombinieren, dass die Gestaltung auf die Bedürfnisse der Beteiligten möglichst individuell zugeschnitten ist.
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Im Zusammenhang mit der Mediation wurden, neben der Med-Arb und der Arb-Med, weitere Modelle entwickelt, deren bekannteste Folgende sind: – Nonbinding Med-Arb – Med-Arb Show Cause – Medaloa (Mediation und Last-Offer-Arbitration) – Med-then-Arb – Shadow-Mediation – Co-Med-Arb – Med-Rec 2. Verfahren/Vor- und Nachteile
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Die folgende Sammlung an Varianten mag dem Vertragsgestalter als Anregung dienen. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob Elemente der Varianten nützlich sein können. Vorstellbar ist auch ein Verfahrensdesign, das sich der Elemente bekannter Verfahren bedient, im Ergebnis aber ein neues, auf die Bedürfnisse der Beteiligten zugeschnittenes Modell ergibt.
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Nonbinding Med-Arb: Sowohl das Mediations- als auch das Drittentscheidungsverfahren sind nicht bindend. Ein eher seltenes Verfahren, da die Parteien kaum bereit sind, Zeit und Geld zu investieren, wenn die Beilegung des Streits nicht sicher ist. Die Entscheidung des Drittentscheiders mag jedoch als Realitätstest dienen und dadurch die Einigungschancen erhöhen.
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Med-Arb Show Cause: Während der Drittentscheidung wird den Beteiligten eine (vorläufige) Entscheidung eröffnet. Die Beteiligten haben dann die Gelegenheit, die Stichhaltigkeit der Entscheidung zu widerlegen oder Gründe anzuführen („show cause“), warum sie nicht auf diese Weise getroffen werden sollte. Der Drittentscheider kann diesen Bedenken Rech-
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Schwarzmann
M 7.3
Hybride Mediationsverfahren
Rz. 57 Kap. 7
nung tragen, wenn sie ihm nachvollziehbar erscheinen. Dieses Verfahren führt zu einer höheren Transparenz und zu einem größeren Mitspracherecht der Beteiligten. Medaloa (Mediation and Last-Offer-Arbitration): Das Verfahren setzt sich zusammen aus Mediation („Med“) und („a“) der sog. Last-Offer-Arbitration („loa“). Bei der Last-OfferArbitration reicht jede Partei einen Entscheidungsvorschlag ein. Der Drittentscheider muss einen von beiden annehmen. Dieses Verfahren schließt sich im Rahmen der Medaloa an die Mediation an, falls diese nicht zur Einigung führt. Zur Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote vgl. Kap. 20.
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Med-then-Arb: Das Verfahren wird wie bei Med-Arb durchgeführt mit dem Unterschied, dass für die Drittentscheidung ein anderer Neutraler eingesetzt wird als für die Mediation. Diese Variante wurde entwickelt, um den Kritikern von Med-Arb, die die Unvereinbarkeit der beiden Rollen anführten, entgegenzukommen.
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Shadow-Mediation: Auch dieses Verfahren sieht zwei verschiedene neutrale Personen für 55 die Mediation und die Drittentscheidung vor. Der Mediator begleitet in dieser Variante die Drittentscheidung und steht „auf Abruf“ zur Verfügung, wenn zumindest eine Partei die Drittentscheidung unterbrechen will, um einen bestimmten Punkt zu mediieren. Co-Med-Arb: Dieses Verfahren kombiniert Elemente von Mediation, Shadow-Mediation, Drittentscheidung und Mini-Trial. Es werden zwar zwei unterschiedliche Neutrale eingeschaltet, aber die aufwendige Information des Drittentscheiders über den Verfahrensstand wird dadurch vermieden, dass er von Anfang an bei den gemeinsamen Mediationssitzungen anwesend ist. Das Gleiche gilt für Vertreter der Geschäftsführung der Beteiligten (Element des Mini-Trial). An den separaten Sitzungen (caucus) nimmt der Drittentscheider jedoch nicht teil. Geht das Verfahren in die Drittentscheidung über, bleibt der Mediator verfügbar, wenn die Parteien doch wieder zur Mediation zurückkehren wollen (Element der Shadow-Mediation).
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Med-Rec: Dieses Verfahren ist eher der reinen Mediation zuzuordnen, da Drittentschei- 56a dung nicht vorgesehen ist. Aus der Drittentscheidung wird nur die Idee übernommen, dass der Mediator auch Entscheidungen trifft, die allerdings nicht bindend sind, sondern nur den Charakter von Empfehlungen haben (recommendation). Man könnte dieses Verfahren auch als reine Mediation mit besonderen Befugnissen für den Neutralen begreifen, in die Verhandlungen einzugreifen (evaluative approach).
II. Muster Die folgenden Formulierungsvorschläge stellen als Bausteine nur die Besonderheiten der Varianten vor. Im Übrigen sind die Muster der Verfahren heranzuziehen, aus denen sich die hybriden Modelle zusammensetzen. Die Mustertexte gehen davon aus, dass als Verfahren der Drittentscheidung das Schiedsgutachten gewählt wurde. Wurde hingegen ein Schiedsgericht eingesetzt, ist besonders auf etwaige zwingende Regelungen des Gesetzes zu achten.
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M 7.3 Varianten der hybriden Mediationsverfahren
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1. Nonbinding Med-Arb Die Entscheidung des Schiedsgutachters ist nur dann verbindlich, wenn sie von den Beteiligten in einer gesonderten Vereinbarung ausdrücklich bestätigt wird. Diese Vereinbarung ist wiederum
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Kap. 7 Rz. 57
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 7.3
nur dann wirksam, wenn sie nach Bekanntgabe der Entscheidung des Schiedsgerichts/Schiedsgutachters getroffen wurde.A1 2. Med-Arb Show Cause Den Beteiligten ist vor Niederlegung des Schiedsgutachtens rechtliches Gehör zu gewähren. Der Schiedsgutachter gibt beiden Beteiligten bei einer mündlichen Erörterung Gelegenheit zur Stellungnahme. Den Zeitpunkt der Erörterung bestimmt der Schiedsgutachter nach billigem Ermessen. Soweit es der Schiedsgutachter für erforderlich hält, führt er mit beiden Beteiligten eine Ortsbesichtigung durch. Die Beteiligten sind hiervon zwei Wochen vorher schriftlich zu verständigen. Die Beteiligten können jederzeit vom Schiedsgutachter Auskunft über den Stand des Verfahrens, die entstandenen und zu erwartenden Aufwendungen und den Fertigstellungstermin des Schiedsgutachtens verlangen. Das vorläufige Schiedsgutachten ist schriftlich bis spätestens zum … abzufassen, zu begründen und vom Schiedsgutachter zu unterzeichnen. Den Beteiligten sind Abschriften zu übersenden. Innerhalb von einem Monat nach Zugang der Abschriften können die Beteiligten Gründe vortragen, die für eine andere Entscheidung des Schiedsgutachters sprechen. Sie sind dem Schiedsgutachter und der anderen Partei schriftlich in einer Stellungnahme zu übersenden. Der Schiedsgutachter hat die Stellungnahmen der Beteiligten zu prüfen. Er kann aufgrund der Stellungnahmen seine Entscheidung korrigieren, sie jedoch auch unverändert belassen. Das endgültige schriftliche Schiedsgutachten ist vom Schiedsgutachter zu unterzeichnen und zu begründen. Dabei ist insbesondere auf die Stellungnahmen der Beteiligten einzugehen. Den Beteiligten sind Abschriften des endgültigen Schiedsgutachtens zu übersenden.A2 3. Medaloa Jeder Beteiligte hat dem Schiedsgutachter einen schriftlichen Wertvorschlag zu unterbreiten, der beim Schiedsgutachter innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung durch den Schiedsgutachter eingehen muss. Der Schiedsgutachter teilt den Beteiligten sodann die Wertvorschläge mit. Einigen sich die Beteiligten innerhalb einer weiteren Frist von vier Wochen, gerechnet ab der Mitteilung des Schiedsgutachters über die Wertvorschläge, nicht einvernehmlich, entscheidet der Schiedsgutachter. Er hat dabei einen der beiden Wertvorschläge auszuwählen, den er sodann seiner Entscheidung zugrunde legt. Die Kosten des Schiedsgutachtens, einschließlich der Kosten für die Benennung des Schiedsgutachters, trägt der Beteiligte, dessen Wertvorschlag vom Schiedsgutachter abgelehnt wurde.A3 4. Abgeschwächte Form der Medaloa Jeder Beteiligte hat dem Schiedsgutachter einen schriftlichen Wertvorschlag zu unterbreiten, der beim Schiedsgutachter innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung durch den Schiedsgutachter eingehen muss. Der Schiedsgutachter teilt den Beteiligten sodann die Wertvorschläge mit. Einigen sich die Beteiligten innerhalb einer weiteren Frist von vier Wochen, gerechnet ab der Mitteilung des Schiedsgutachters über die Wertvorschläge, nicht einvernehmlich, entscheidet der Schiedsgutachter ohne Bindung an die Wertvorschläge. Die Kosten des Schiedsgutachtens, einschließlich der Kosten für die Benennung des Schiedsgutachters, trägt der Beteiligte, dessen Wertvorschlag weiter vom durch Schiedsgutachten festgesetzten Wert abweicht. Gibt nur einer der Beteiligten keinen Wertvorschlag ab, so hat dieser die Kosten ebenfalls allein zu tragen. Weichen die Wertvorschläge der Beteiligten im Verhältnis zum durch Schiedsgutachten festgesetzten Wert nur um jeweils 10 % ab, so tragen die Beteiligten die Kosten je zur Hälfte. Das Gleiche gilt, wenn keiner der Beteiligten innerhalb der Frist einen Wertvorschlag abgibt.A4
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Hybride Mediationsverfahren
Rz. 57 Kap. 7
5. Med-then-Arb Die Beteiligten benennen verschiedene Personen als Mediator und als Schiedsgutachter.A5 6. Shadow-Mediation Die Beteiligten benennen verschiedene Personen als Mediator und als Schiedsgutachter. Den Beteiligten ist vor Niederlegung des Schiedsgutachtens rechtliches Gehör zu gewähren. Der Schiedsgutachter gibt beiden Beteiligten bei einer mündlichen Erörterung Gelegenheit zur Stellungnahme. Den Zeitpunkt der Erörterung bestimmt der Schiedsgutachter nach billigem Ermessen. Soweit es der Schiedsgutachter für erforderlich hält, führt er mit beiden Beteiligten eine Ortsbesichtigung durch. Die Beteiligten sind hiervon zwei Wochen vorher schriftlich zu verständigen. Zu den Erörterungen und einer etwaigen Ortsbesichtigung ist der Mediator auf Antrag auch nur eines Beteiligten hinzuziehen. Die Beteiligten können jederzeit vom Schiedsgutachter Auskunft über den Stand des Verfahrens, die entstandenen und zu erwartenden Aufwendungen und den Fertigstellungstermin des Schiedsgutachtens verlangen. Das Schiedsgutachten ist schriftlich bis spätestens zum … abzufassen, zu begründen und vom Schiedsgutachter zu unterzeichnen. Den Beteiligten sind Abschriften zu übersenden. Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Beteiligte verlangen, dass das schiedsgutachtliche Verfahren unterbrochen und die Mediation weitergeführt wird. Insgesamt darf die weitergeführte Mediation jedoch nur bis zum … andauern. Nach diesem Zeitpunkt entscheidet das Schiedsgutachten, wenn sich die Beteiligten nicht vorher einvernehmlich geeinigt haben.A6 7. Co-Med-Arb Die Beteiligten benennen verschiedene Personen als Mediator und als Schiedsgutachter. Der Schiedsgutachter ist zu den Mediationssitzungen hinzuzuziehen. Das Gleiche gilt für Mitglieder der Geschäftsführung in vertretungsberechtigter Zahl. Der Schiedsgutachter ist jedoch nicht befugt, an vertraulichen Einzelgesprächen teilzunehmen. Erzielen die Beteiligten bis zum … in der Mediation keine einvernehmliche Einigung, ist das Schiedsgutachten schriftlich bis spätestens zum … abzufassen, zu begründen und vom Schiedsgutachter zu unterzeichnen. Den Beteiligten sind Abschriften zu übersenden. Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Beteiligte verlangen, dass das schiedsgutachterliche Verfahren unterbrochen und die Mediation weitergeführt wird. Insgesamt darf die weitergeführte Mediation jedoch nur bis zum … andauern. Nach diesem Zeitpunkt entscheidet das Schiedsgutachten, wenn sich die Beteiligten nicht vorher einvernehmlich geeinigt haben.A7 8. Med-Rec Der Mediator bestimmt und leitet das Mediationsverfahren. Er kann insbesondere mit den Parteien einzeln und vertraulich verhandeln. Er ist weiter befugt, – den Parteien seine Einschätzung einer Streitfrage und seine Vorstellungen einer angemessenen Lösung des Konflikts mitzuteilen, insbesondere Empfehlungen auszusprechen, sowie – einen Einigungsvorschlag zu unterbreiten und eine entsprechende Vereinbarung zu formulieren und – den Vollzug und die Überwachung des Vollzugs einer schriftlich niedergelegten Einigung zu übernehmen. Der Mediator ist nicht zuständig, über den Konflikt verbindlich zu entscheiden.A8
Schwarzmann
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Kap. 7 Rz. 58
Mediation – Wirtschaftsmediation
M 7.3
Anmerkungen zu Muster M 7.3 58
A1 Nonbinding Med-Arb: Die gesetzlichen Vorgaben der §§ 317 ff. BGB sind weitgehend dispositiv. Die Beteiligten können deshalb auch vereinbaren, dass das Schiedsgutachten nur dann verbindlich ist, wenn sie es in einer gesonderten Erklärung bestätigen. Das Schiedsgutachten hat vor der Bestätigung durch die Parteien nur den Charakter einer Orientierungshilfe und die Funktion eines Realitätstests. Eine echte Drittentscheidung, die ohne Mitwirkung der Beteiligten verbindlich wird (Vollzugsautomatismus), ist damit nicht mehr gegeben.
59
A2 Med-Arb Show Cause: Durch dieses Verfahren soll die Mitwirkung der Beteiligten gesichert und ihnen ein gewisser Einfluss auf die Entscheidung eingeräumt werden. Bei den nach dem deutschen Rechtssystem üblichen Verfahren der Drittentscheidung (Schiedsgericht und Schiedsgutachten) wird die Entscheidung in der Regel ohnehin begründet und die Beteiligten werden vorher angehört. Im Gesetz finden sich zwar nur beim schiedsgerichtlichen Verfahren entsprechende Bestimmungen (§§ 1042 Abs. 1 Satz 2, 1054 Abs. 2 ZPO). Die Anhörung und Begründung werden aber meist auch in der Schiedsgutachtenvereinbarung vertraglich festgelegt.
60
A3 Medaloa: Die Entscheidungsbefugnis des Schiedsgutachters wird bei der Medaloa auf die Wahl zwischen den beiden Vorschlägen der Beteiligten beschränkt. Durch die Koppelung der Kostentragungspflicht an die Wahl des Schiedsgutachters erhält jeder Beteiligte einen Anreiz, einen möglichst angemessenen Vorschlag zu unterbreiten. Idealerweise wird durch die Bekanntgabe der Vorschläge offensichtlich, dass die Vorstellungen der Beteiligten nicht allzu weit auseinander liegen. Es bietet sich deshalb an, vor der endgültigen Entscheidung des Schiedsgutachters eine Mediation anzubieten, um auf Grundlage der Vorschläge zu einer einvernehmlichen Einigung zu gelangen.
61
A4 Abgeschwächte Medaloa: Bei diesem Modell ist der Schiedsgutachter nicht an die Wertvorschläge der Beteiligten gebunden. Die Wertvorschläge dienen auch hier durch die Koppelung mit der Kostentragungspflicht dazu, die Beteiligten einander anzunähern.
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A5 Med-then-Arb: Durch die Benennung von verschiedenen Personen als Schiedsgutachter und Mediator sollen etwaige Rollenkonflikte vermieden werden. Ein Beispiel für den umgekehrten Fall – Arb-then-Med – findet sich in M 7.2 (Rz. 40) (Arb-Med mit verschiedenen Personen als Schiedsgutachter und Mediator).
63
A6 Shadow-Mediation: Die Beteiligten wollen einerseits sicher sein, dass der Konflikt durch das Schiedsgutachten entschieden wird. Anderseits soll die Mediation als Streitbeilegungsverfahren so lange wie möglich, also auch während des schiedsgutachterlichen Verfahrens, zur Verfügung stehen. Damit die Mediation nicht zu einer unabsehbaren Verzögerung führt, ist ein Endtermin zu bestimmen.
64
A7 Co-Med-Arb: Die Teilnahme des Schiedsgutachters an den Mediationssitzungen erlaubt ihm die vertiefte Kenntnis des Sachverhalts sowie der Positionen, Interessen und der Argumente der Beteiligten. Die kombinierten Verfahren sind durchlässig, so dass die Beteiligten auch wieder zur Mediation zurückkehren können, wenn dies die Situation erfordert.
65
A8 Med-Rec: Die Befugnisse des Mediators werden von den Beteiligten bestimmt. Sie können daher dem Mediator auch gestatten, in die Verhandlungen aktiv einzugreifen. Wenn dies vor der Mediation vereinbart ist, dürften Zweifel an der (äußeren) Neutralität des Mediators, die ansonsten durch die Eingriffe begründet werden könnten, minimiert werden. Die Beteiligten sollten allerdings vor der Wahl des Mediators sicherstellen, dass dessen Rollenverständnis als Vermittler mit dieser Form der Mediation im Einklang steht.
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Schwarzmann
Vierter Teil
Kapitel 8
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO
A. Überblick und Anforderung des Kostenvorschusses I. Einführung 1. § 15a EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ländergesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 8.1 Anforderung Kostenvorschuss im Schlichtungsverfahren . . . . . . . M 8.2 Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens . . . . . . . . . B. Ladungsschreiben an den Antragsteller (Bayern) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 8.3 Ladungsschreiben an den Antragsteller im Schlichtungsverfahren
1 3 7 11 12 20
21 22 22
C. Ladungsschreiben an den Antragsgegner I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 8.4 Ladungsschreiben an den Antragsgegner im Schlichtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . D. Negativzeugnis I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 8.5 Zeugnis über einen erfolglosen Schlichtungsversuch . . . . . . . . . . . E. Einigung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 8.6 Schlichtungsvereinbarung . . . . . .
28 29
29 35 36 36 55 56 56
Literatur: Beunings, Die obligatorische Streitschlichtung im Zivilprozess, AnwBl 2004, 82 ff.; Birnstiel, Empfehlungen des Schlichtungsausschusses der Landesnotarkammer Bayern zur Handhabung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens, MittBayNot, Sonderheft zur Ausgabe 4, 2000, 8 ff.; Bitter, Die Crux mit der obligatorischen Streitschlichtung nach § 15a EGZPO – Zulässige und unzulässige Strategien zur Vermeidung des Schlichtungsverfahrens; Böhm, Obligatorische Streitschlichtung in Nordrhein-Westfalen, AnwBl. 2000, 596 ff.; Deckenbrock/Jordans, Die obligatorische Streitschlichtung nach § 15a EGZPO, Eine aktuelle Bestandsaufnahme, MDR 2013, 945 ff.; Deckers, Umgehung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens – AG Rosenheim, NJW 2001, 2030; Diekmann, Das nordrhein-westfälische Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO, NJW 2000, 2802; Enders, Anwaltsgebühren im Güteverfahren nach dem neuen Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung, JurBüro 2000, 113 ff.; Fricke, Geschlichtet und verfristet? – Probleme im Güteverfahren nach § 15a EGZPO mit Verjährung und Leistungsfreiheit nach § 12 Abs 3 VVG, VersR 2000, 1194 ff.; Friedrich, Verjährungshemmung durch Güteverfahren, NJW 2003, 1781; Friedrich, Die Anerkennung der alternativen Streitbeilegung durch die neuere Gesetzgebung im Zivil- und Zivilprozessrecht, JR 2002, 397 ff.; Friedrich, Zum Nachholen des obligatorischen außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens gem. § 15a EGZPO nach Klageerhebung, NJW 2002, 798; Friedrich, Aktuelle Entscheidungen zu § 15a EGZPO, NJW 2002, 3223 ff.; Greger, Stand und Perspektiven der außergerichtlichen Streitbeilegung in Bayern, ZKM 2004, 196 ff.; Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch Notare, 2001; Haecker, Zum Landesschlichtungsgesetz, SchlHA 2002, 125 ff.; Hartmann, Das neue Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung, NJW 1999, 3745; Heck, Obligatorische Streitschlichtung in Baden-Württemberg, AnwBl 2000, 596; Heßler, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, MittBayNot, Sonderheft zur Ausgabe 4, 2000, 2 ff.; Hofmann, Das Hessische Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO, SchAZtg 2000, 97 ff.; Hofmann, Die Neuregelung des Hessischen Schiedsamtsgesetzes im Bereich der obligatorischen Streitschlichtung, SchsZtg 2002, 25 ff.; Katzenmeier, Zivilprozess und außergerichtliche Streitbeilegung, ZZP 115 (2002), 51 ff.; Lauer, Erfahrungen mit der außergerichtlichen
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Kap. 8 Rz. 1
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
Streitbeilegung in Ausführung des § 15a EGZPO, NJW 2004, 1280 ff.; Mankowski, Zum Erfordernis eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens bei der Forderungsfeststellungsklage, EWiR 2002, 347 ff.; Ponschab/Brinkmann, Das Bayerische Schlichtungsgesetz aus Anwaltssicht, MittBayNot, Sonderheft zur Ausgabe 4, 2000, 29 ff.; Prütting, Richterliche Gestaltungsspielräume für alternative Streitbehandlung, AnwBl 2000, 273 ff.; Prütting (Hrsg.), Außergerichtliche Streitschlichtung (Ein Handbuch für die Praxis), 2003; Rüssel, Das Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung – ein Weg zu einer neuen Streitkultur, NJW 2000, 2800; Röhl, Obligatorische Streitschlichtung vor dem Zivilprozess – Eine neue Aufgabe für das Schiedsamt, SchsZtg 2000, 317 ff.; Schläger, Wie wirken sich § 15a EGZPO und das Bayerische Schlichtungsgesetz auf Wohnraummiet- und Wohnungseigentumssachen aus?, ZMR 2000, 503; Schmidt, Die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung, DAR 2001, 481; Schmidt, Persönliches Erscheinen, Vertretung und anwaltlicher Beistand, Anmerkungen zur Änderung des Schiedsamtsgesetzes in Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit der Einführung der obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung, SchsZtg 2001, 272 ff.; Schneider, Kosten und Gebühren im obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahren nach den Ausführungsgesetzen zu § 15a EGZPO, AnwBl 2001, 327; Schneider, Kostenerstattung im obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahren nach den Ausführungsgesetzen zu § 15a EGZPO, BRAGOreport 2001, 83 ff.; Schütt, Anwaltsgebühren bei außergerichtlichen Güteverfahren, MDR 2002, 68; Schulte, Der Entwurf eines hessischen Ausführungsgesetzes zu § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung, SchsZtg 2001, 8–16, 32–39, 54 ff.; Schulte, Das schleswig-holsteinische Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO, SchsZtg 2002, 165 ff.; Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz (Kommentar und Leitfaden zur Verhandlungsführung für den Schlichter), 2000; Staudinger/Eidenmüller, Verjährungshemmung leicht gemacht: Prospekthaftung der Telekom vor der Gütestelle, NJW 2004, 23 ff.; Stickelbrock, Gütliche Streitbeilegung, JZ 2002, 633 ff.; Unberath, Keine „vorschnelle“ Abweisung der Klage wegen Fehlens der obligatorischen Streitschlichtung, JR 2001, 355; Wesche, Zwangsschlichtung oder Schlichtungsanreiz?, ZRP 2004, 49 ff.; Wesche, Obligatorische Streitschlichtung für kleine Streitwerte – Eine kritische Zwischenbilanz aus der Praxis, MDR 2003, 1029 ff.; Wetekamp, Obligatorische Streitschlichtung in Bayern und ihre Folgen für den Mietprozess, NZM 2001, 614; Zietsch/Roschmann, Die Umsetzung des § 15a EGZPO in den Ländern, NJW 2001, Beilage zu Heft 51 (Gesetzestexte und Übersicht).
A. Überblick und Anforderung des Kostenvorschusses I. Einführung 1. § 15a EGZPO 1
§ 15a EGZPO als Bundesgesetz ermöglicht es den Bundesländern seit dem Jahr 2000, durch Landesgesetz ein Vorschaltverfahren der Schlichtung zum Zivilprozess einzuführen. Die Öffnungsklausel gibt den Rahmen für dieses Schlichtungsverfahren vor, überlässt die Einzelheiten jedoch den Ländern, die den Anwendungsbereich des Verfahrens zum Teil auch ausweiten oder/und einschränken können (§ 15a Abs. 5 EGZPO). Das Schlichtungsverfahren soll zur Entlastung der Justiz und zur Verankerung außergerichtlicher Konfliktlösungsmechanismen beitragen (zu weiteren Zielen vgl. Rz. 7).
2
Die Verpflichtung zur Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens vor Erhebung einer Klage vor den Zivilgerichten verstößt weder gegen Art. 19 Abs. 4 GG noch gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch.1
1 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 14.2.2007 – 1 BvR 1351/01, NJW-RR 2007, 1073 ff. = ZKM 2007, 128.
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Schwarzmann
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 8 Kap. 8
2. Ländergesetze In folgenden Bundesländern besteht aufgrund der Ermächtigung in § 15a EGZPO ein obligatorisches Verfahren zur Streitschlichtung: – Bayern – Brandenburg – Hessen – Mecklenburg-Vorpommern – Niedersachsen – Nordrhein-Westfalen – Rheinland-Pfalz – Saarland – Sachsen-Anhalt – Schleswig-Holstein.
3
In Baden-Württemberg wurde das Schlichtungsgesetz durch Aufhebungsgesetz vom 16.4.2013 aufgehoben, nachdem die Ziele, insbesondere die Entlastung der Justiz, dort nicht erreicht worden seien. Im Vergleich zur Vorauflage neu in Kraft getreten sind Gesetze zur obligatorischen Schlichtung in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz.
4
Die Ländergesetze unterscheiden sich teilweise erheblich. Insbesondere die Person des 5 Schlichters wurde je nach den vorhandenen Strukturen von Schlichtungs- und Gütestellen ausgestaltet. In Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein wurde die obligatorische Schlichtung den Schiedsämtern übertragen; insofern spricht man auch von den sog. Schiedsamtsländern. In Bayern sind in erster Linie Notare und von der Rechtsanwaltskammer zugelassene Rechtsanwälte Gütestellen. Die Zersplitterung in unterschiedliches Landesrecht mag man beklagen; sie ist jedoch durchaus gewollt, um die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen und einen Wettbewerb der Verfahrensarten zu initiieren. Gesetzestexte der einzelnen Landesgesetze finden sich z.B. im Schönfelder Ergänzungsband unter Nrn. 104 ff. Online bietet auch das Schlichtungs-Forum unter www.schlichtungs-fo rum.de/grundlagen/landesrecht eine erste Übersicht und Zugriff auf die einzelnen Regelungen.
6
3. Ziele Vorrangiges Ziel des obligatorischen Schlichtungsverfahrens ist es, den Gedanken der außergerichtlichen Streitbeilegung als Alternative zum Zivilprozess im Bewusstsein der Rechtssuchenden zu stärken. Daneben soll auch die Justiz entlastet werden. Durch die Schlichtung werden Konflikte idealerweise schneller und kostengünstiger beigelegt als durch ein Gerichtsverfahren. Während das Gerichtsurteil nur einen genau definierten Streitgegenstand behandelt, können im Zuge der Schlichtung auch andere Konflikte gelöst werden, die u.U. nicht justiziabel, sondern eher emotionaler Natur sind. Daher kann durch außergerichtliche Konfliktlösung dauerhafterer Rechtsfrieden erzielt werden als bei einem Gerichtsverfahren.
7
Ein Vorteil der außergerichtlichen Schlichtung ist auch die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens. Geschäftsgeheimnisse können gewahrt werden, zudem sind auch etwaige künftige Be-
8
Schwarzmann 101
Kap. 8 Rz. 9
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.1
ziehungen zwischen den Beteiligten, seien diese geschäftlicher oder privater Art, nicht von einem Gerichtsverfahren belastet. 9
Den Vorteilen des Schlichtungsverfahrens stehen jedoch als andere Seite der Medaille auch mögliche Nachteile gegenüber. Das Ziel der Verfahrensbeschleunigung etwa wird verfehlt, wenn in der Schlichtung keine Einigung gelingt und später doch Klage eingereicht werden muss. In diesem Fall tritt auch keine Kostenersparnis ein, vielmehr verteuert sich das Gesamtverfahren um die Kosten der Schlichtung.
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Nicht übersehen werden darf, dass auch schlichtungsuntaugliche Streitigkeiten in das obligatorische Verfahren gezwungen werden. So betrifft § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO pauschal alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht bis zu einem Betrag von 750 Euro. Anders als etwa bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten oder Ehrverletzungen im privaten Bereich geht es hier im Regelfall nicht um eine zukunftsorientierte Konfliktlösung, sondern um einmalige Forderungen, die kein Potential für eine umfassende Lösung bieten. In der Praxis führte dies dazu, dass viele Beteiligte bei einfachen Geldforderungen in das Mahnverfahren ausgewichen sind. Die Bundesländer, in denen das obligatorische Schlichtungsverfahren umgesetzt ist, haben darauf reagiert und flächendeckend aus den Landesgesetzen vermögensrechtliche Streitigkeiten bis 750 Euro wieder ausgenommen. Die Ermächtigung zur Einschränkung findet sich in § 15a Abs. 5 2. HS EGZPO.
II. Muster 11
Die folgenden Formlierungsvorschläge basieren auf den Mustern, die die Landesnotarkammer Bayern für den Anwendungsbereich des BaySchlG entwickelt hat. Die Formulierungsvorschläge beziehen sich deshalb auf Bayern. In den Anmerkungen sind jeweils Hinweise auf die Rechtslage in anderen Bundesländern enthalten.
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M 8.1 Anforderung Kostenvorschuss im SchlichtungsverfahrenA1 An Herrn/Frau … Ihr Antrag auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens vom … Hier: Einzahlung des Kostenvorschusses SRNr. …/20… (bei Zahlung bitte unbedingt angeben) Sehr geehrte …, Ihr im Betreff genannter Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ist am … bei mir eingegangen.A2-A7 Ich bin gerne bereit, das von Ihnen beantragte Schlichtungsverfahren durchzuführen, und darf Sie daher bitten, hierfür einen Kostenvorschuss in Höhe von 120 Euro zzgl. USt., insgesamt also 142,80 Euro inkl. USt. unter Angabe der im Betreff genannten Schlichtungsregisternummer innerhalb von zwei Wochen ab heute auf folgendes Konto einzuzahlen: Bank: … Konto-Nr.: … BLZ: … Vorsorglich weise ich darauf hin, – dass ich weitere Verfahrensmaßnahmen erst nach fristgerechtem Eingang dieses Kostenvorschusses vornehmen werde und
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Schwarzmann
M 8.1
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 12 Kap. 8
– dass Ihr Antrag auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens als zurückgenommen gilt, wenn dieser Kostenvorschuss nicht innerhalb der vorstehenden Frist eingegangen ist; in diesem Fall kann Ihr Antrag höchstens dann verjährungshemmende Wirkung haben, wenn Sie selbst dafür sorgen, dass er dem Antragsgegner zur Kenntnis gebracht wird. Weitere Informationen können Sie dem beigefügten Informationsblatt entnehmen. Außerdem stehe ich Ihnen für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Anlage: Informationsblatt (Abdruck mit freundlicher Zustimmung der Landesnotarkammer Bayern) Hinweise zum Schlichtungsverfahren nach dem BaySchlG 1. Warum bestimmt der Gesetzgeber, dass ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden soll? Durch das Schlichtungsverfahren soll den Beteiligten die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst freiwillig und eigenverantwortlich auf eine Lösung des Konflikts zu einigen, anstatt sofort Klage zu erheben und sich dann dem Richterspruch zu unterwerfen. Der Versuch einer gütlichen Einigung kann mehr Raum für kreative, dauerhafte und zukunftsorientierte Lösungen schaffen als ein Gerichtsurteil und kann nebenbei auch die Prozesskosten ersparen. Ob im Schlichtungsverfahren tatsächlich eine gütliche Einigung erzielt wird, liegt allerdings bei den Beteiligten selbst, die Gütestelle wirkt hierbei lediglich als neutraler Vermittler bei einem persönlichen Schlichtungsgespräch zwischen den Beteiligten mit. Kommt eine gütliche Einigung nicht innerhalb von drei Monaten – gerechnet ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Kostenvorschusses bei der Gütestelle – zustande, kann anschließend bei Gericht geklagt werden. 2. Wann ist die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens erforderlich? Nach dem Bayerischen Schlichtungsgesetz muss vor Klageerhebung vor dem Amtsgericht in Bayern ab dem 1.9.2000 ein obligatorisches Schlichtungsverfahren grundsätzlich durchgeführt werden, wenn a) eine nachbarrechtliche Streitigkeit mit einem Streitwert bis zu 5000 Euro vorliegt oder Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, bis zu einem Streitwert von 5000 Euro geltend gemacht werden oder eine Streitigkeit über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorliegt und b) dieser Anspruch nicht bereits im Mahnverfahren geltend gemacht wurde und c) beide Parteien ihren Wohnsitz/Sitz/Niederlassung im selben bayerischen Landgerichtsbezirk haben. Die Landgerichtsbezirke München I und München II gelten hierbei als einheitlicher Landgerichtsbezirk. Die Durchführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens ist nicht erforderlich, wenn sich beide Parteien gemeinsam einvernehmlich für einen Schlichtungsversuch an eine dauerhaft eingerichtete Schlichtungsstelle der Kammern, Innungen, Berufsverbände oder ähnlicher Institutionen wenden. 3. Wer ist für die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zuständig? Für die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens sind zuständig: – jeder bayerische Notar,
Schwarzmann 103
Kap. 8 Rz. 13
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.1
– jeder bayerische Rechtsanwalt, der von der Rechtsanwaltskammer als Gütestelle zugelassen ist, – vom Präsidenten des Oberlandesgerichts München anerkannte weitere Gütestellen. Die angerufene Gütestelle muss sich jedoch in demjenigen Amtsgerichtsbezirk befinden, in dem der Antragsgegner seinen Wohnsitz/Sitz/Niederlassung hat. Der Antragsteller hat unter mehreren zuständigen Gütestellen die freie Auswahl. 4. Wie muss der Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gestellt werden? Ein wirksamer Antrag liegt nur dann vor, wenn Namen und ladungsfähige Anschriften der Parteien sowie eine kurze Darstellung der Streitsache und der Gegenstand des Begehrens vollständig angegeben werden. Der Antrag ist zu unterschreiben und bei der zuständigen Gütestelle in dreifacher Ausfertigung einzureichen. Der Antrag kann auch direkt zu Protokoll der Gütestelle gegeben werden. 5. Wann erteilt die Gütestelle ein Zeugnis über die Erfolglosigkeit des Schlichtungsversuches? Die Gütestelle stellt ein Zeugnis über die Erfolglosigkeit des Schlichtungsverfahrens aus, das zur Klage berechtigt, wenn – im Schlichtungstermin keine Einigung erzielt wurde, – der Antragsgegner im Schlichtungstermin unentschuldigt fehlte, – der Antragsteller nach Ablauf der dreimonatigen Verfahrensfrist die Erteilung des Zeugnisses gesondert beantragt, – die Gütestelle den sachlichen und/oder örtlichen Anwendungsbereich des BaySchlG für nicht eröffnet erachtet oder – die Gütestelle die Angelegenheit aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für eine Schlichtung von vornherein für ungeeignet erachtet. 6. Wer erteilt weitere Informationen? Weitere Informationen zum Schlichtungsverfahren nach dem BaySchlG sowie über die anerkannten Gütestellen erhalten Sie – am Schlichtungstelefon der Landesnotarkammer Bayern unter der gebührenfreien Nummer 0800-NOTARIUS (08 00–6 68 27 48) – im Internet unter www.notare.bayern.de (Notarsuche), – bei jeder anerkannten Gütestelle in Bayern, also jedem Notar und besonders hierfür zugelassenen Rechtsanwälten, – in der Broschüre des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz „Schlichten statt Prozessieren“; diese liegt bei den örtlichen Gerichten aus. Die Broschüre können Sie auch unter www.justiz.bayern.de als pdf abrufen, dort unter Service/Broschüren.
Anmerkungen zu Muster M 8.1 13
A1 Sachverhalt: Das Schlichtungsverfahren wurde beantragt, der Kostenvorschuss aber nicht einbezahlt. Bevor er den Kostenvorschuss anfordert, sollte der Schlichter zweckmäßigerweise prüfen, ob das Schlichtungsverfahren von ihm überhaupt durchzuführen ist. Dazu gehören insbesondere die Eröffnung des sachlichen, örtlichen und des zeitlichen Anwendungsbereichs. Daneben ist zu prüfen, ob ein geeigneter Schlichtungsantrag vor der zuständigen Gütestelle eingereicht wurde. 104
Schwarzmann
M 8.1
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 15b Kap. 8
A2 Kostenvorschuss: Aufgrund der Ermächtigung in § 15a Abs. 5 2. HS Alt. 3 EGZPO ist 14 in allen Ländern die Durchführung des Schlichtungsverfahrens vor den nach § 15a Abs. 6 EGZPO anerkannten Gütestellen grundsätzlich von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig. Der Schlichter soll nicht tätig werden müssen, bevor der Eingang der Gebühren sichergestellt ist. In den meisten Ländern ist die Anforderung des Kostenvorschusses als Regelfall ausgestaltet (Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein). In Bayern ist die Anforderung des Kostenvorschusses obligatorisch. Der Kostenvorschuss ist nicht anzufordern, wenn der Antragsteller von den Gebühren und Kosten befreit ist. Die Regelungen in den Ländern sind hier sehr unterschiedlich. Da die Gebühren und Auslagen in den Ländern unterschiedlich festgelegt sind, gilt dies auch für die Höhe des Kostenvorschusses. In Bayern beträgt der Kostenvorschuss z.B. 139,20 Euro, inklusive Umsatzsteuer. Zahlt der Antragsteller den Kostenvorschuss nicht fristgemäß, knüpfen die Länder daran verschiedene Rechtsfolgen: – Bayern: Fiktion der Rücknahme des Antrags, – Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein: keine Pflicht zur weiteren Tätigkeit des Schlichters, – Saarland: ggf. Ruhen des Verfahrens und jederzeitige Wiederaufnahme, jedoch Fiktion der Rücknahme sechs Monate nach Antragstellung. A3 Sachlicher Anwendungsbereich: Die Frage, ob der sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist, lässt sich nur durch eine Zusammenschau von Bundes- und Landesrecht beantworten. Die Grundregel ergibt sich aus § 15a Abs. 1 EGZPO. Schlagwortartig umrissen sind dort vier Fallgruppen genannt: – vermögensrechtliche Streitigkeit vor dem Amtsgericht bis zu 750 Euro – Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach §§ 906, 910, 911, 923 BGB sowie den Landesvorschriften aufgrund von Art. 124 EGBGB (Ausnahme: Einwirkung von einem gewerblichen Betrieb) – Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre (Ausnahme: Presse oder Rundfunk) – Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) Die Länder können nach § 15a Abs. 5 2. HS 1. Alt. EGZPO die genannten Fallgruppen zwar nicht erweitern, aber einschränken. So wurden z.B. in einigen Bundesländern die Fallgruppen der §§ 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 EGZPO auf die Zuständigkeit der Amtsgerichte beschränkt (vgl. dazu sogleich).
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Von der Möglichkeit, vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu 750 Euro der obligatorischen Schlichtung zu unterwerfen, haben inzwischen alle Bundesländer Abstand genommen. Die entsprechenden Regelungen wurden in den jeweiligen Landesgesetzen aufgehoben. Eine Wiedereinführung wäre möglich, ist jedoch nicht zu erwarten.
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Nachbarrecht: Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO besteht keine Bindung an einen be- 15b stimmten Streitwert oder die Zuständigkeit des Amtsgerichts. Bayern, Brandenburg und Niedersachsen beschränken den Anwendungsbereich jedoch auf Klagen vor dem Amtsgericht, die anderen Bundesländer nicht. Der Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO ist zu eng gefasst, da die genannten Normen größtenteils keine „Ansprüche“ regeln. In den LänSchwarzmann 105
Kap. 8 Rz. 15c
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.1
dern (mit Ausnahme von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) ist dagegen die Formulierung weiter gefasst („Ansprüchen wegen …“); diese weite Auslegung ist richtig (Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 43 f., Rz. 121 ff.; Schwarzmann/Walz, Art. 2 BaySchlG, Anm. 9). 15c
Verletzung der persönlichen Ehre: § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO enthält keine Beschränkung auf die Zuständigkeit der Amtsgerichte. In Bayern, Brandenburg und Niedersachsen wurde jedoch eine entsprechende Einschränkung durch das Landesgesetz verankert. Umfasst sind Unterlassungsansprüche bei Beleidigungen und unwahren Tatsachenbehauptungen, Widerrufsansprüche bei unwahren Tatsachenbehauptungen sowie Ansprüche auf Schadensersatz, insbesondere Schmerzensgeld.
15d
Ansprüche nach Abschnitt 3 des AGG: § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGZPO wurde nachträglich eingefügt. Das AGG normiert in § 19 das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot, wonach eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität im Rahmen von zivilrechtlichen Schuldverhältnissen grundsätzlich unzulässig ist. In § 21 AGG finden sich Ansprüche bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungverbot. Folgende Bundesländer haben von der neuen Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht und § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGZPO umgesetzt: Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Nicht umgesetzt wurde die Norm bislang in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Sachsen-Anhalt.
15e
Ausnahmetatbestände: § 15a Abs. 2 Satz 1 EGZPO schließt in folgenden Fällen die Schlichtung aus: – Nr. 1: Klagen nach §§ 323, 323a, 328 ZPO, Widerklagen, befristete Klagen – Nr. 2: (Familiensachen) wurde aufgehoben – Nr. 3: Wiederaufnahmeverfahren – Nr. 4: Urkunden- und Wechselprozess – Nr. 5: Streitiges Verfahren nach Mahnverfahren – Nr. 6: Vollstreckungsrechtliche Klagen Diese Ausschließungsgründe können nach § 15a Abs. 5 2. HS 2. Alt. EGZPO durch Landesrecht erweitert, aber nicht eingeschränkt werden.
16
A4 Örtlicher Anwendungsbereich: Nach § 15a Abs. 2 Satz 2 EGZPO ist das Bundesgesetz nicht anzuwenden, wenn die Parteien nicht in demselben Land wohnen oder ihren Sitz oder eine Niederlassung haben. Die Länder können diesen Ausschließungsgrund nach § 15a Abs. 5 2. HS 2. Alt. EGZPO auch erweitern, also das Regionalprinzip enger fassen. In Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ist der örtliche Anwendungsbereich auf Personen im selben Landgerichtsbezirk beschränkt. In Bayern gelten nach Art. 2 Satz 2 BaySchlG die Landgerichtsbezirke München I und München II als einheitlicher Landgerichtsbezirk. Niedersachsen lässt neben demselben Landgerichtsbezirk auch angrenzende Amtsgerichtsbezirke genügen, Rheinland-Pfalz benachbarte Landgerichtsbezirke. Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und Sachsen-Anhalt lassen es bei der Grundregel des § 15a Abs. 2 Satz 2 EGZPO bewenden. In Mecklenburg-Vorpommern ist es erforderlich, dass die zuständige Gemeinde über eine Schiedsstelle verfügt. Der Begriff „wohnen“ umfasst sowohl den Wohnsitz (§ 13 ZPO entsprechend i.V.m. §§ 7 ff. BGB) als auch den gewöhnlichen Aufenthalt (§ 20 ZPO entsprechend). Für die Begriffe „Sitz“ und „Niederlassung“ ist auf §§ 17 ff., 21 ZPO entsprechend zurückzugreifen. Gemeint sind sowohl Haupt- als auch Zweigniederlassungen (vgl. für Bayern: Schwarzmann/Walz, Art. 2 BaySchlG, Anm. 2). 106
Schwarzmann
M 8.1
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 19 Kap. 8
A5 Sachliche Zuständigkeit als Gütestelle: § 15a EGZPO unterscheidet in seinen Absät- 17 zen mehrere Arten von Gütestellen: – Abs. 1 Satz 1: durch die Landesjustizverwaltung eingerichtete oder anerkannte Gütestellen – Abs. 3: sonstige Gütestellen – Abs. 6: durch Landesrecht anerkannte Gütestellen Die Ländergesetze beziehen sich dabei in der Regel auf die letztgenannten Gütestellen, auf die die jeweiligen Verfahrensregelungen zugeschnitten sind. Die ersten beiden Fallgruppen bleiben daneben gleichwohl bestehen (mit ihren jeweiligen Verfahrensordnungen). Die sog. Schiedsamtsländer (Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und SchleswigHolstein) konnten sich bei der Umsetzung des § 15a EGZPO auf die weit zurückreichende Tradition ihrer Schiedsämter bzw. Schiedsstellen stützen, die auf Gemeindeebene angesiedelt sind. Das Verfahren und die Kosten sind in den jeweiligen Schiedsamtsgesetzen normiert. Daneben sind durch Landesgesetz auch weitere Gütestellen anerkannt (z.B. in Sachsen-Anhalt Notare und Rechtsanwälte, die sich in einer Liste der Rechtsanwaltskammer eintragen lassen). In Bayern sind Schlichtungen in erster Linie vor Notaren und Rechtsanwälten als den landesrechtlich anerkannten Gütestellen durchzuführen. Einigen sich beide Parteien einvernehmlich auf eine Schlichtungsstelle (z.B. eine branchenspezifische Einrichtung), ist diese zuständig („sonstige Gütestelle i.S.d. § 15a Abs. 3 EGZPO). Nach einem Beschluss des BGH erfordert die Anerkennung als Gütestelle eine gesetzliche Grundlage. Existiert in dem Bundesland, in dem die Anerkennung als Gütestelle begehrt wird, kein entsprechendes Gesetz, so kommt eine Anerkennung nicht in Betracht (BGH, Beschl. v. 29.5.2013 – IV AR [VZ] 3/12, ZKM 2013, 131). A6 Örtliche Zuständigkeit als Gütestelle: In Bayern hat der Antragsteller grundsätzlich 18 unter mehreren Gütestellen im Landgerichtsbezirk die Wahl. Die Auswahlmöglichkeit ist jedoch eingeschränkt, wenn in dem Amtsgerichtsbezirk, in dem der Antragsgegner seinen Wohnsitz bzw. Sitz oder seine Niederlassung hat, Gütestellen bestehen: Nur unter diesen kann gewählt werden. In den Schiedsamtsländern (Brandenburg, Hessen, Mecklenburg- Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und SchleswigHolstein) ist grundsätzlich das Schiedsamt zuständig, in dessen Bezirk der Antragsgegner wohnt bzw. seinen Sitz oder seine Niederlassung hat. Die Beteiligten können allerdings auch die Zuständigkeit eines anderen Schiedsamts vereinbaren. In Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist ausdrücklich bestimmt, dass diese Vereinbarung erst nach dem Entstehen der Streitigkeit getroffen werden kann. Entsprechendes dürfte wohl auch für die anderen Schiedsamtsländern gelten, zumindest wenn man § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entsprechend anwendet. In Mecklenburg-Vorpommern besteht bei Nachbarschaftsstreitigkeiten die Besonderheit, dass die Schiedsstelle örtlich zuständig ist, in dessen Gemeindegebiet das Nachbarschaftsverhältnis besteht. A7 Kosten: Für die Anforderung des Kostenvorschusses ist kein eigener Gebühren- oder 19 Auslagentatbestand vorgesehen. Sie ist mit der Gesamtgebühr bzw. den Gesamtauslagen abgegolten.
Schwarzmann 107
Kap. 8 Rz. 20
20
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.2
M 8.2 AntragA1 auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens I. Gütestelle … (Name) … (Postanschrift) … (Telefonnummer) II. Personalangaben AntragstellerA2
1. … (Name) … (Geburtsdatum) … (Adresse) … (LG-Bezirk) 2. Antragsgegner … (Name) … (Geburtsdatum) … (Adresse) … (LG-Bezirk) III. SchlichtungsgegenstandA3 1. Behaupteter Anspruch … (z.B. Nachbarrechtliche Ansprüche, Widerruf ehrverletzender Äußerungen, Verstoß gegen Gleichbehandlung) 2. Begründung/Kurze Sachverhaltsdarstellung … IV. Verfahrenskosten Dem Antragsteller ist bekannt, dass er gem. Art. 13, 14 BaySchlG für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens einen Kostenvorschuss in Höhe von 120 Euro zzgl. 19 % MWSt, insgesamt also 142,80 Euro an die Gütestelle zahlen muss (Kontoverbindung: …), sofern der Antragsteller nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz erfüllt. Hierzu erklärt der Antragsteller (Zutreffendes bitte ankreuzen): l Der Kostenvorschuss für das Schlichtungsverfahren wird bei Antragstellung in bar/per Scheck beglichen. l Der Kostenvorschuss für das Schlichtungsverfahren wird nach gesonderter Aufforderung unverzüglich an die Gütestelle überwiesen. Dem Antragsteller ist bekannt, dass sein Antrag auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens als zurückgenommen gilt, wenn der Kostenvorschuss nicht innerhalb der von der Gütestelle gesetzten Zahlungsfrist beglichen wird. l Ein Berechtigungsschein für Beratungshilfe des Amtsgerichts wird diesem Antrag beigefügt*/ unverzüglich nachgereicht* (Unzutreffendes bitte streichen). Dem Antragsteller ist bekannt, dass weitere Verfahrensmaßnahmen durch die Gütestelle erst nach fristgerechtem Zahlungseingang des Kostenvorschusses bzw. Vorlage des Berechtigungsscheins über die Beratungshilfe erfolgen. Dem Antragsteller ist ferner bekannt, dass nur ein Teilbetrag eines eingezahlten Kostenvorschusses, nämlich nur 50 Euro zzgl. 19 % MWSt. zurück108
Schwarzmann
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 21 Kap. 8
erstattet werden, wenn entweder das Verfahren ohne Schlichtungsgespräch endet oder dieser Antrag zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt. Eine evtl. teilweise Erstattung des Kostenvorschusses ist auf folgendes Konto des Antragstellers zu leisten: Bank: … Konto-Nr.: … BLZ: … Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei der in Abschnitt I. bezeichneten Gütestelle zwischen den in Abschnitt II. genannten Beteiligten wegen des in Abschnitt III. bezeichneten Schlichtungsgegenstandes wird hiermit gem. Art. 9 BaySchlG beantragt. … (Ort, Datum, Unterschrift)
Anmerkungen zum Muster M 8.2 A1 Bei der obligatorischen Schlichtung handelt es sich um ein Antragsverfahren. Der An- 20a trag ist bei den durch Landesgesetz bestimmten Schlichtungsstellen einzureichen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Antragstellung bei nach § 15a Abs. 6 EGZPO durch Landesrecht anerkannten Gütestellen. Bei den Gütestellen im Sinne der §§ 15a Abs. 1 und Abs. 3 EGZPO richtet sich das Verfahren nach deren jeweiliger Verfahrensordnung. A2 Antragsteller ist derjenige, der Klage erheben könnte. Das Schlichtungsverfahren ist 20b lediglich ein Vorverfahren; hinsichtlich der persönlichen Verfahrensvoraussetzungen sind daher die Grundsätze des Zivilprozesses entsprechend heranzuziehen, insbesondere die §§ 50 ff. ZPO (Partei- und Prozessfähigkeit sowie gesetzliche Vertretungsmacht bzw. Ermächtigung zur Prozessführung). Dies ist vom Schlichter entsprechend § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, jedoch ohne Amtsermittlung (Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 66/67, Rz. 187). Auch wenn in Teilbereichen der Schlichtung im Prozess § 78 Abs. 1 ZPO anzuwenden wäre, besteht im Vorverfahren nach dessen Sinn und Zweck kein Anwaltszwang. Hinsichtlich der Form des Schlichtungsantrags gilt: Der Antrag ist bei den Gütestellen im Sinne des § 15a Abs. 6 EGZPO nach allen Ländergesetzen schriftlich (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO entsprechend) oder zu Protokoll einzureichen und zwar zu den üblichen Geschäftszeiten (vgl. insbesondere Art. 7 Satz 1 BaySchlG). In den meisten Ländern sind dem Antrag zwingend die erforderlichen Abschriften für die Zustellung an den Antragsgegner beizufügen. A3 Inhaltlich muss der Antrag die Namen und die Anschriften aller Beteiligter enthalten. 20c Fehlen diese, kann das Verfahren nicht eingeleitet werden. Daneben sind der Antragsgegenstand und das Antragsbegehren zu konkretisieren. Dies gilt wohl trotz unterschiedlicher Terminologie in allen Ländern, da das Negativzeugnis (Erfolglosigkeitsbescheinigung) nur dann vor Gericht verwendet werden kann, und auch die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4a) BGB nur dann gesichert ist. So auch der BGH: Der Anspruch muss in dem Antrag ausreichend indivdualisiert sein, um die Hemmung der Verjährung zu erreichen (BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 405/14, MDR 2015, 1421 = ZKM 2016, 31). Die Gütestelle sollte daher ggf. auf eine Klarstellung oder Ergänzung hinwirken.
B. Ladungsschreiben an den Antragsteller (Bayern) I. Einführung Vgl. Rz. 1 ff. und Rz. 13 ff.
21 Schwarzmann 109
Kap. 8 Rz. 22
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.3
II. Muster 22
M 8.3 Ladungsschreiben an den Antragsteller im SchlichtungsverfahrenA1 Einschreiben An Herrn/Frau … Durchführung eines Schlichtungsverfahrens Ihr Antrag vom … Sehr geehrte …, gerne bin ich bereit, das von Ihnen beantrage Schlichtungsverfahren durchzuführen. Als Termin für ein gemeinsames Schlichtungsgespräch zwischen Ihnen und dem Antragsgegner schlage ich …, den …, um … UhrA2 vor und bitte Sie hierzu persönlich in meine Geschäftsräume zu kommen.A3 Den Antragsgegner habe ich mit Schreiben vom heutigen Tag unter Mitteilung Ihres Schlichtungsantrags ebenfalls zu diesem Termin gebeten. Sie können sich zum Schlichtungstermin von einem Beistand oder Rechtsanwalt begleiten lassen. Sollten Sie in der streitgegenständlichen Angelegenheit bereits anwaltlich vertreten sein, empfehle ich Ihnen, Ihren Anwalt zum Schlichtungstermin hinzuzuziehen. Ich weise Sie darauf hin, dass Ihr Antrag auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens (kostenpflichtig) als zurückgenommen gilt, wenn Sie zum vorbenannten Schlichtungstermin nicht kommen und Sie Ihr Fernbleiben nicht innerhalb von 14 Tagen nach dem anberaumten Schlichtungstermin entschuldigen.A4 Den für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens erforderlichen KostenvorschussA5 habe ich am … dankend erhalten. Sollte das Schlichtungsverfahren nicht innerhalb von drei Monaten seit Eingang des Kostenvorschusses abgeschlossen sein, erteile ich Ihnen auf gesonderten Antrag ein Zeugnis über die Erfolglosigkeit des Schlichtungsversuchs. Weitere Informationen zum Schlichtungsverfahren können Sie dem beigefügten Informationsblatt entnehmen. Außerdem stehe ich Ihnen für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Anlage
Anmerkungen zu Muster M 8.3 23
A1 Sachverhalt: Bei der Gütestelle ist der Schlichtungsantrag eingegangen. Der Anwendungsbereich des obligatorischen Schlichtungsverfahrens ist eröffnet. Der Kostenvorschuss ist einbezahlt. Die Gütestelle lädt nun sowohl den Antragsteller als auch den Antragsgegner (dazu unter C. [Rz. 28 ff.]) zum Termin.
24
A2 Schlichtungstermin: Die Gütestelle bestimmt den Termin für die Verhandlung – genauso wie für das übrige Verfahren – nach freiem Ermessen. Zweckmäßigerweise sollte der Termin bald nach Eingang des Schlichtungsantrags liegen. Teilweise bestimmt das Landesgesetz auch eine zeitliche Obergrenze, nach deren Ablauf das Verfahren als erfolglos beendet gilt (in Bayern z.B. frühestens drei Monate nach Einzahlung des Vorschusses, sofern ein gesonderter Antrag auf Zeugniserteilung gestellt wurde: Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BaySchlG). Ähnliche Regelungen finden sich auch in den Schiedsamtsländern. Damit wird der Bestimmung des § 15a Abs. 1 Satz 3 EGZPO Rechnung getragen: Der Zugang zum Gericht soll nicht auf unabsehbare Zeit verhindert werden. 110
Schwarzmann
M 8.4
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 29 Kap. 8
A3 Persönliches Erscheinen/Vertretung: Die Schlichtung kann ihren Zweck in der Regel 25 nur erreichen, wenn ein persönliches Gespräch zwischen den Beteiligten stattfindet. Es ist deshalb konsequent, dass die Parteien nach den Landesgesetzen persönlich erscheinen müssen (vgl. etwa Art. 11 Abs. 1 BaySchlG). In den Schiedsamtsländern finden sich entsprechende Regelungen. Wird eine Partei gesetzlich vertreten, gilt die Pflicht zum persönlichen Erscheinen für den gesetzlichen Vertreter. Eine Vertretung durch einen Bevollmächtigten, also nicht durch einen gesetzlichen Vertreter, ist nur eingeschränkt möglich. In Bayern ist sie nach Art. 11 Abs. 2 BaySchlG z.B. nur zulässig, wenn er zur Aufklärung des Sachverhalts in der Lage ist und zu einem unbedingten Vergleichsabschluss schriftlich ermächtigt ist. Weitere Voraussetzung ist, dass der Schlichter der Vertretung zugestimmt hat. Einen Beistand oder Rechtsanwalt kann der Beteiligte jedoch nach Art. 11 Abs. 3 BaySchlG jederzeit zum Verfahren hinzuziehen. A4 Ladung und Säumnis: In der Ladung ist der Antragsteller auf die Folgen seines Aus- 26 bleibens beim Schlichtungstermin hinzuweisen, Art. 11 Abs. 4 Satz 4 BaySchlG. Erscheint der Antragsteller nicht zum Termin und bringt er nicht innerhalb von 14 Tagen eine hinreichende Entschuldigung vor, gilt der Antrag als zurückgenommen, Art. 11 Abs. 4 Satz 1 HS 1 BaySchlG. Bei Entschuldigung ist ein neuer Schlichtungstermin anzusetzen. Die Entschuldigung muss objektiv nachvollziehbar sein; auf Verschulden oder Glaubhaftmachung kommt es nicht an. Erscheint weder der Antragsteller noch der Antragsgegner, ist zunächst abzuwarten, ob und von wem eine hinreichende Entschuldigung vorgebracht wird. Entschuldigt sich keine Seite, ist der Rücknahmefiktion der Vorrang einzuräumen (Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 159, Rz. 500; Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, 2000, 121, Art. 11, Rz. 4). In den übrigen Bundesländern finden sich weitgehend entsprechende Bestimmungen. A5 Kosten: Für das Ladungsschreiben fallen grundsätzlich keine gesonderten Gebühren oder Auslagen an. Insbesondere Arbeitsaufwand und Porto sind mit der Gesamtgebühr bzw. den Gesamtauslagen abgegolten.
27
C. Ladungsschreiben an den Antragsgegner I. Einführung Vgl. Rz. 1 ff. und Rz. 13 ff.
28
II. Muster M 8.4 Ladungsschreiben an den Antragsgegner im SchlichtungsverfahrenA1 Einschreiben An Herrn/Frau … Durchführung eines Schlichtungsverfahrens Sehr geehrte/r …, seit dem 1.9.2000 kann aufgrund der neuen gesetzlichen Vorschriften des § 15a EGZPO i.V.m. dem BaySchlG wegen bestimmter Rechtsstreitigkeiten nur noch dann Klage zum Amtsgericht erhoben werden, wenn der Kläger nachweist, dass er zuvor versucht hat, sich mit dem Beklagten Schwarzmann 111
29
Kap. 8 Rz. 30
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.4
in einem sog. „Schlichtungsverfahren“ über den Streitgegenstand gütlich zu einigen. Solche Schlichtungsverfahren können bei jedem bayerischen Notar als Gütestelle durchgeführt werden. Am … hat/haben Herr/Frau … die Durchführung eines solchen Schlichtungsverfahrens bei mir beantragt. Den Antrag füge ich diesem Schreiben zur Kenntnisnahme bei.A2 Auf die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB (Hemmung der Verjährung) weise ich hin.A3 Ich bin gerne bereit, das beantragte Schlichtungsverfahren durchzuführen, und schlage als Termin für ein gemeinsames Schlichtungsgespräch zwischen Ihnen und dem Antragsteller …, den …, um … Uhr vor. Ich bitte Sie, hierzu persönlich in meine Geschäftsräume zu kommen. Den Antragsteller habe ich mit Schreiben vom heutigen Tag ebenfalls zu diesem Termin gebeten. Sie können sich zum Schlichtungstermin von einem Beistand oder Rechtsanwalt begleiten lassen. Sollten Sie in der streitgegenständlichen Angelegenheit bereits anwaltlich vertreten sein, empfehle ich Ihnen, Ihren Anwalt zum Schlichtungstermin hinzuzuziehen.A4 Ich weise Sie darauf hin, dass ich dem Antragsteller ein Zeugnis über die Erfolglosigkeit des Schlichtungsversuchs ausstellen muss, wenn Sie zum vorbenannten Schlichtungstermin nicht kommen und Ihr Fernbleiben nicht innerhalb von 14 Tagen nach dem anberaumten Schlichtungstermin entschuldigen. Mit diesem Zeugnis kann der Antragsteller den behaupteten Anspruch vor Gericht geltend machen. Im Falle Ihres Unterliegens im gerichtlichen Verfahren werden Ihnen dann auch die Kosten des Schlichtungsverfahrens auferlegt. Weitere Informationen zum Schlichtungsverfahren können Sie dem beigefügten Informationsblatt entnehmen. Außerdem stehe ich Ihnen für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung.A5 Mit freundlichen Grüßen
Anmerkungen zu Muster M 8.4 30
A1 Sachverhalt: Nach Antragstellung ist neben dem Antragsteller auch der Antragsgegner zum Schlichtungstermin zu laden.
31
A2 Anlagen: Der Antrag auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist dem Ladungsschreiben an den Antragsgegner beizufügen. Sinnvoll ist es, zusätzlich ein Merkblatt zum Hintergrund und zum Ablauf des Schlichtungsverfahrens zu übersenden. Ein Beispiel für ein solches Informationsblatt findet sich in M 8.1 (Rz. 12).
32
A3 Hemmung der Verjährung: Durch die „Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird“ tritt nach § 204 Abs. 1 Nr. 4a) BGB die Hemmung der Verjährung ein, wenn dieser bei einer staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle eingereicht wurde. Ausreichend ist es auch, den Antrag bei einer anderen Streitbeilegungsstelle einzureichen, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird, § 204 Abs. 1 Nr. 4b) BGB.
32a
Nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endet die Hemmung sechs Monate nach Beendigung des Schlichtungsverfahrens. Die Art der Beendigung ist bedeutungslos. Für den Stillstand des Verfahrens sehen §§ 204 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BGB Spezialregelungen vor. Der Hemmungszeitraum ist gemäß § 209 BGB nicht in die Verjährungsfrist einzurechnen. Wird die Bekanntgabe „demnächst“ nach der Einreichung des Antrags veranlasst, tritt die Hemmungswirkung bereits mit dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags ein, § 204 Abs. 1 Nr. 4 2. HS BGB, wobei die zu § 167 ZPO geltenden Maßstäbe anzulegen sind. Notwendig, aber auch ausreichend für die Hemmungswirkung ist die „Veranlassung der Bekanntgabe“ des Güteantrags. Einer förmlichen Zustellung bedarf es ebenso wenig wie 112
Schwarzmann
M 8.4
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 34 Kap. 8
des tatsächlichen Zugangs beim Antragsgegner. Abzustellen ist allein auf die Veranlassung, denn diese wird von der Gütestelle zum Beweis regelmäßig dokumentiert. Der Antragsgegner hat hinzunehmen, dass die Verjährung sogar dann gehemmt wird, wenn er tatsächlich keine Kenntnis von dem Antrag hatte, etwa wegen falscher Adressangabe (Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 76/77, Rz. 214). Der Antrag muss die nach den Ländergesetzen erforderlichen Formalien erfüllen (Ellenber- 32b ger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 204 Rz. 19). Der Anspruch muss in dem Antrag ausreichend individualisiert sein, um die Hemmung der Verjährung zu erreichen (BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 405/14, MDR 2015, 1421 = ZKM 2016, 31). Die Hemmungswirkung umfasst den Streitgegenstand insgesamt und somit alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören (BGH, Urt. v. 18.6.2015 – III ZR 303/14, MDR 2015, 941). Die Hemmungswirkung tritt nach dem Gesetzeswortlaut auch dann ein, wenn das Schlichtungsverfahren nicht Prozessvoraussetzung war, es sich also um eine freiwillige und nicht eine obligatorische Schlichtung handelt (Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 204 Rz. 19). § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gilt deshalb auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 15a EGZPO in Verbindung mit den Ländergesetzen. Hemmung tritt auch dann ein, wenn die Gütestelle örtlich unzuständig ist (BGH, Urt. v. 6.7.1993 – VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337 = MDR 1994, 95). Dies gilt auch bei sachlicher Unzuständigkeit, es sei denn, der Gläubiger handelt wider besseres Wissen (so Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 204 Rz. 19). Die Anrufung der Gütestelle ist jedoch rechtsmissbräuchlich, wenn schon vor Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und er dies dem Antragsteller im Vorfeld eindeutig mitgeteilt hat, § 242 BGB (BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526/14, MDR 2015, 1422 = ZKM 2016, 32). Unberührt vom Tatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB bleiben andere Handlungen, die die Verjährung hemmen oder neu beginnen lassen. Schon vor Einreichung des Güteantrags kann die Verjährung beispielsweise wegen Verhandlungen der Beteiligten gehemmt sein, § 203 BGB. Erkennt der Schuldner während des laufenden Verfahrens den Anspruch an, beginnt die Verjährung sogar neu, § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
32c
A4 Ladung und Säumnis: In der Ladung ist der Antragsgegner auf die Folgen seines Aus- 33 bleibens beim Schlichtungstermin hinzuweisen, Art. 11 Abs. 4 Satz 4 BaySchlG. Erscheint der Antragsgegner nicht zum Termin und bringt er nicht innerhalb von 14 Tagen eine hinreichende Entschuldigung vor, ist ohne weiteren Antrag ein Negativzeugnis auszustellen. Bei Entschuldigung ist ein neuer Schlichtungstermin anzusetzen. Die Entschuldigung muss objektiv nachvollziehbar sein; auf Verschulden oder Glaubhaftmachung kommt es nicht an. Erscheint weder der Antragsgegner noch der Antragsteller, ist zunächst abzuwarten, ob und von wem eine hinreichende Entschuldigung vorgebracht wird. Entschuldigt sich keine Seite, ist der Rücknahmefiktion der Vorrang einzuräumen (Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 159, Rz. 500; Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, 2000, 121, Art. 11, Rz. 4). Die Gesetze in den anderen Bundesländern sehen weitgehend entsprechende Regelungen vor. A5 Kosten: Für das Ladungsschreiben fallen grundsätzlich keine gesonderten Gebühren oder Auslagen an. Insbesondere Arbeitsaufwand und Porto sind mit der Gesamtgebühr bzw. den Gesamtauslagen abgegolten.
Schwarzmann 113
34
Kap. 8 Rz. 35
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.5
D. Negativzeugnis I. Einführung 35
Vgl. Rz. 1 ff. und Rz. 13 ff.
II. Muster 36
M 8.5 Zeugnis über einen erfolglosen SchlichtungsversuchA1–A7 In dem auf Antrag des/der … vom … eingeleiteten Schlichtungsverfahren zwischen Herrn/Frau …, wohnhaft in …, Landgerichtsbezirk … (Antragsteller) und Herrn/Frau …, wohnhaft in …, Landgerichtsbezirk … (Antragsgegner) wird hiermit gemäß Art. 4 BaySchlG dem Antragsteller zur Vorlage beim Prozessgericht die Erfolglosigkeit des Schlichtungsversuchs bescheinigt. Begründung (Alternativen; Nichtzutreffendes streichen): – Eine Einigung im Schlichtungstermin war nicht erzielbar. – Unentschuldigte Säumnis des Antragsgegners im Schlichtungstermin (Art. 11 Abs. 4 Satz 3 BaySchlG). – Antrag des Antragstellers, nachdem das Schlichtungsverfahren innerhalb von drei Monaten ab fristgerechter Einzahlung des Kostenvorschusses nicht durchgeführt worden ist (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BaySchlG). – Der sachliche/örtliche Umfang des Art. 1 BaySchlG/Art. 1 BaySchlG wird von der Gütestelle als nicht eröffnet erachtet (Art. 4 Abs. 2 BaySchlG). – Die Angelegenheit wird von der Gütestelle gemäß Art. 4 Abs. 2 BaySchlG für eine Schlichtung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für ungeeignet erachtet, weil … . Darstellung des vorgetragenen Streitstandes: Der Antragsteller begehrte … Aufgrund des wie folgt vorgetragenen Sachverhalts: … Der Streitwert des Schlichtungsverfahrens beträgt … Euro. Der gemäß Art. 13, Art. 14 eingeforderte Kostenvorschuss wurde fristgerecht bezahlt. Die Schlichtungsvergütung wurde/wird durch die Staatskasse bezahlt, Art. 15 BaySchlG. Das Schlichtungsverfahren wurde am … beendet. (Ort, Datum, Unterschrift und ggf. Siegel)
Anmerkungen zu Muster M 8.5 37
A1 Sachverhalt: Das Schlichtungsverfahren wurde ohne Vereinbarung beendet. Die Gütestelle erteilt daraufhin eine Erfolglosigkeitsbescheinigung (Negativzeugnis), das dem Gericht bei Klageerhebung vorzulegen ist (vgl. etwa Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BaySchlG). Mit der 114
Schwarzmann
M 8.5
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 43 Kap. 8
Erfolglosigkeitsbescheinigung wird die Prozessvoraussetzung der (erfolglosen) Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nachgewiesen. A2 Gründe für die Erteilung des Zeugnisses: Die (erfolglose) Beendigung des Schlich- 38 tungsverfahrens kann auf verschiedenen Gründen beruhen. In Bayern kommen nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 BaySchlG insbesondere in Betracht: – Erfolgloser Einigungsversuch – Fristüberschreitung (3-Monats-Frist) – Nichteröffnung des sachlichen bzw. örtlichen Anwendungsbereichs – Ungeeignetheit Die Bescheinigung ist auch zu erteilen, wenn der Antragsgegner unentschuldigt den Schlichtungstermin nicht wahrgenommen hat, Art. 11 Abs. 4 Satz 4 BaySchlG. Die unentschuldigte Säumnis des Antragstellers gilt nach Art. 11 Abs. 4 Satz 1 HS. 1 BaySchlG als Rücknahme; dies führt zwar zur Beendigung des Verfahrens, aber nicht zur Erteilung eines Zeugnisses. Entsprechendes gilt bei der „echten“ Rücknahme des Antrags. Die Schlichtung kann als Verfahren aus rechtlichen (z.B. Komplexität) oder tatsächlichen Gründen (z.B. die kategorische Ablehnung einer gütlichen Einigung oder eine Vielzahl von Beteiligten) ungeeignet sein, Art. 4 Abs. 2 BaySchlG. Die Beurteilung liegt im Ermessen des Schlichters. Denkbar sind weitere Fälle, in denen das Verfahren erfolglos abgeschlossen wird. Ist beispielsweise die notarielle Beurkundung erforderlich, kann die Einigung nur von einem Notar protokolliert werden. In den anderen Bundesländern gilt im Wesentlichen Entsprechendes. A3 Antrag: Die Erteilung des Zeugnisses erfolgt grundsätzlich ohne weiteren Antrag. Eine 39 Ausnahme gilt für den Ablauf der Dreimonatsfrist des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BaySchlG; hier ist ein gesonderter Antrag des Antragstellers erforderlich. A4 Form und Inhalt des Zeugnisses: Das Zeugnis ist schriftlich zu erteilen. Nur dadurch 40 kann dem Gericht die Erfüllung der Prozessvoraussetzung nachgewiesen werden. Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 BaySchlG hat das Zeugnis in Bayern folgende Angaben zu enthalten: Die Namen und Anschriften des Antragstellers und des Antragsgegners, eine kurze Darstellung des Streitgegenstandes, Angaben zum Streitwert sowie den Zeitpunkt, zu dem das Verfahren beendet ist. Je nach Fallgestaltung sind weitere Umstände in das Zeugnis aufzunehmen. Bei Ungeeignetheit des Verfahrens sind vom Schlichter etwa die Gründe hierfür aufzuführen, Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BaySchlG. In den anderen Bundesländern gilt im Wesentlichen Entsprechendes. A5 Adressat: Das Zeugnis ist grundsätzlich nur dem Antragsteller zu erteilen. Es ist seine 41 Aufgabe, das Zeugnis ggf. dem Gericht vorzulegen. Der Antragsgegner kann ebenfalls ein Zeugnis verlangen, wenn er ein Interesse daran hat. A6 Erfolglosigkeitsbescheinigung als Prozessvoraussetzung: Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 42 EGZPO ist die Erhebung einer Klage erst zulässig (Prozessvoraussetzung), wenn die obligatorische Schlichtung durch Landesgesetz eingeführt ist und der Versuch der einvernehmlichen Streitbeilegung vor der Gütestelle gescheitert ist. Als Nachweis ist gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 EGZPO eine von der Gütestelle ausgestellte Bescheinigung über den erfolglosen Einigungsversuch vorzulegen. Die Verpflichtung zur Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens vor 43 Erhebung einer Klage vor den Zivilgerichten verstößt weder gegen Art. 19 Abs. 4 GG noch Schwarzmann 115
Kap. 8 Rz. 44
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.5
gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch (BVerfG, Beschl. v. 14.2.2007 – 1 BvR 1351/01, NJW-RR 2007, 1073 = ZKM 2007, 128). 44
Der Richter hat zumindest die formellen Voraussetzungen zu prüfen, also insbesondere die Vorlage des Zeugnisses als solches und die gesetzlichen Mindestangaben, wobei Letztere auch nachgebessert werden können. Dem Richter steht nach der Rechtsprechung des BGH jedoch kein Prüfungsrecht dahingehend zu, ob die Gütestelle das Zeugnis materiell zu Recht ausgestellt hat: Das Prozessgericht ist bei der Prüfung der Prozessvorausetzung an die vorgelegte Bescheinigung gebunden (BGH, Urt. v. 20.11.2009 – V ZR 94/09, MDR 2010, 225). Die Erteilung der Bescheinigung unterliegt dem Ermessen der Gütestelle, das als wesentlicher Verfahrensgrundsatz das obligatorische Schlichtungsverfahren prägt. Einzelheiten zu diesen Fragen finden sich bei Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, 36 ff., Art. 1, Rz. 4 f.
45
Die bislang kontrovers diskutierte Frage, ob die Streitschlichtung im Prozess nachgeholt werden kann, ist durch den BGH verneint worden (BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, NJW 2005, 437 = MDR 2005, 285 = ZKM 2005, 137).
46
In einem weiteren Urteil hat der V. Zivilsenat des BGH entschieden, dass nach einem erfolglos durchgeführten Schlichtungsverfahren der Prozess nach den allgemeinen Vorschriften durchzuführen ist. Insbesondere eine Klageerweiterung oder Klageänderung führe nicht zu einer Unzulässigkeit der Klage oder einer erneuten Durchführung des Schlichtungsverfahrens (BGH, Urt. v. 22.10.2004 – V ZR 47/04, MDR 2005, 265 = NJW-RR 2005, 501). Dies gelte auch für einen Parteiwechsel auf Klägerseite, wenn vor der Klageerhebung vom früheren Kläger bereits ein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden war (BGH, Urt. v. 18.6.2010 – V ZR 9/10, MDR 2010, 1075). In eine andere Richtung gehen jedoch Urteile des VI. Zivilsenats des BGH. Die Verbindung eines schlichtungspflichtigen mit einem nicht schlichtungspflichtigen Klageantrag (objektive Klagehäufung) führt dazu, dass die Klage hinsichtlich des schlichtungsbedürftigen Antrags als unzulässig abzuweisen ist, wenn das Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden ist (BGH, Urt. v. 7.7.2009 – VI ZR 278/08, MDR 2009, 1127; anders noch die frühere unterinstanzliche Rechtsprechung, z.B. LG Aachen, Beschl. v. 11.3.2002 – 6 T 6/02, NJW-RR 2002, 1439 = MDR 2002, 906; AG Halle, Urt. v. 3.4.2001 – 7 C 538/00, NJW 2001, 2099). Nach Ansicht des VI. Zivilsenats des BGH sei auch bei einer subjektiven Klagehäufung die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens grundsätzlich erforderlich, weil zu den verschiedenen Beklagten jeweils ein gesondertes Prozessverhältnis bestehe (BGH, Urt. v. 13.7.2010 – VI ZR 111/09, MDR 2010, 1143).
47
Wird eine Klage, die an sich der obligatorischen Schlichtung unterliegt, eingereicht, ohne das Vorverfahren durchzuführen und sodann zur Vermeidung des Schlichtungsverfahrens die Klage in der Weise erhöht, dass § 15a EGZPO nicht mehr anwendbar ist, führte dies nach überwiegender Rechtsprechung nicht zur Unzulässigkeit der Klage (so das LG München I, Urt. v. 9.7.2003 – 15 S 2004/03, MDR 2003, 1313; LG Baden-Baden, Urt. v. 28.6.2001 – 3 S 24/01, NJW-RR 2002, 935; LG Kassel, Urt. v. 18.4.2002 – 1 S 640/01, NJW 2002, 2256 = ZKM 2003, 43; dagegen die Vorinstanz des LG München I: AG München, Urt. v. 30.9.2002 – 453 C 7515/02, NJW-RR 2003, 515 = ZKM 2003, 278). Diese Frage dürfte sich derzeit nicht mehr stellen, nachdem die Länder vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem Anwendungsbereich der obligatorischen Schlichtung ausgeklammert haben.
48
Die Prorogation an ein Gericht eines Landes, das von der Ermächtigung des § 15a EGZPO noch keinen Gebrauch gemacht hat, könnte als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn kein schützenswertes Interesse vorliegt (vgl. auch LG Berlin, Urt. v. 17.9.1996 – 36 O 504/95, NJW-RR 1997, 378). Verweist ein Gericht ohne obligatorische Schlichtung nach 116
Schwarzmann
M 8.5
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 52 Kap. 8
§ 281 ZPO an ein Gericht mit obligatorischer Schlichtung, kann das Gerichtsverfahren ohne Nachholung der Schlichtung fortgesetzt werden (Heßler in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 15a EGZPO Rz. 18; a.A. Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 15a EGZPO Rz. 12). Der dies begründende Grundsatz der Verfahrenseinheit gilt allerdings nicht, wenn das Verfahren nicht nach § 281 ZPO, sondern formlos abgegeben wird. Eine allgemeine Grenze ist in all diesen Fällen wohl dort zu ziehen, wo der Kläger seine prozessualen Möglichkeiten missbraucht, sie also ohne sonstige Grundlage allein dem Zweck dienen, die Schlichtung zu umgehen (vgl. hierzu insbesondere Bitter, NJW 2005, 1235 ff.) A7 Kosten: 49 Kosten der Parteien: Jede Partei hat ihre eigenen Kosten selbst zu tragen, Art. 17 BaySchlG. In Betracht kommen insbesondere Fahrtkosten, Porto, Telefon und Kosten für den Beistand bzw. Rechtsanwalt. Kosten bei der Gütestelle: Die Kosten für die Gütestelle sind in den Ländern unterschied- 50 lich geregelt. In Bayern gelten die kostenrechtlichen Bestimmungen des Art. 13 BaySchlG nur für das obligatorische Schlichtungsverfahren vor den nach Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 BaySchlG anerkannten Gütestellen (Notare und zugelassene Rechtsanwälte). Art. 13 BaySchlG ist dabei grundsätzlich abschließend. Kosten vor den anderen Stellen im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 2 BaySchlG und des Art. 3 BaySchlG sind nach der jeweiligen Verfahrens- bzw. Gebührenverordnung abzurechnen. Bei einvernehmlicher Antragstellung ist daher bei Notaren das GNotKG und bei Rechtsanwälten das RVG maßgebend. Nach Art. 13 Abs. 2 BaySchlG richten sich die Gebühren für die Erteilung des Zeugnisses 51 danach, ob ein Schlichtungsgespräch stattgefunden hat (100 Euro) oder nicht (50 Euro). Ein Schlichtungsgespräch in diesem Sinn liegt nur vor, wenn im Schlichtungstermin beide Parteien anwesend waren, es also zur Verhandlung gekommen ist. Weitere Einzelfälle finden sich bei Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 206/207, Rz. 651 ff. In der Gebühr sind die allgemeinen Geschäftskosten enthalten, Art. 13 Abs. 4 Satz 1 BaySchlG. Für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen kann der Schlichter pauschal 20 Euro fordern. Die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer wird von den Beteiligten ersetzt, Art. 13 Abs. 1 Satz 2 BaySchlG. Eine Partei, in deren Person die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe erfüllt sind, ist nach Art. 15 BaySchlG von der Pflicht zur Zahlung der Vergütung befreit. In den Schiedsamtsländern wird allgemein zwischen drei Gebührentatbeständen unter- 52 schieden: Verfahrensgebühr, Vergleichsgebühr (dazu unten E.) und Erhöhungsgebühr. Die Verfahrensgebühr wird für das Verfahren im Allgemeinen erhoben (Brandenburg und Nordrhein-Westfalen: je 10 Euro; Hessen: mindestens 20 Euro; Mecklenburg-Vorpommern: 11 Euro, Niedersachsen: 15 Euro; Rheinland-Pfalz: 10 Euro; Saarland: je 10 Euro für die Antragstellung und die Durchführung des Verfahrens; Sachsen-Anhalt: 25 Euro; SchleswigHolstein: 20 Euro). Schließen die Beteiligten einen Vergleich ab, tritt die Vergleichsgebühr an die Stelle der Verfahrensgebühr (Brandenburg: 20 Euro; Hessen: 21 Euro; MecklenburgVorpommern: 21 Euro, Niedersachsen: 25 Euro; Nordrhein-Westfalen: 25 Euro; RheinlandPfalz: 20 Euro; Saarland: 15 Euro; Sachsen-Anhalt: 50 Euro; Schleswig-Holstein: zusätzlich zur Verfahrensgebühr 20 Euro). In allen Ländern kann eine Erhöhungsgebühr anfallen, wenn besondere Verhältnisse vorliegen oder der Sachverhalt mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist (Brandenburg: 40 Euro; Hessen: 50 Euro; Mecklenburg-Vorpommern: 36 Euro, Niedersachsen: 50 Euro; Nordrhein-Westfalen: 40 Euro; Rheinland-Pfalz: 40 Euro; Saarland: 20 bis 30 Euro; Sachsen-Anhalt: 75 Euro; Schleswig-Holstein: 75 Euro). In allen Schiedsamtsländern sind die Auslagen (Schreibauslagen und bare Auslagen) zu erstatten.
Schwarzmann 117
Kap. 8 Rz. 53
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.6
53
Wird in Schleswig-Holstein das Schlichtungsverfahren nicht vor dem Schiedsamt, sondern vor einer anwaltlichen Gütestelle durchgeführt, fallen höhere Gebühren an. Die Verfahrensgebühr beträgt 65 Euro und die Vergleichsgebühr 130 Euro. Zusätzlich ist eine Auslagenpauschale von 15 Euro anzusetzen.
54
Kosten der Schlichtung im Gerichtsverfahren: Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der §§ 91 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO gehören nach § 15a Abs. 4 EGZPO nur die Kosten der Gütestelle, die durch das Einigungsverfahren entstanden sind. Nach § 91 Abs. 3 ZPO gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, zu den Kosten des Rechtsstreits. Dies allerdings nur, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist. Beratungs- und Vertretungskosten (etwa durch einen Rechtsanwalt) zählen nach diesen Normen nicht dazu (OLG Hamm, Beschl. v. 23.2.2007 – 23 W 23/07; Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 206/207, Rz. 651 ff.; a.A.: Heßler in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 15a EGZPO Rz. 26; Deckenbrock/Jordans, MDR 2013, 948; Heck in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 191, Rz. 599 ff.: Erstattung der Kosten möglich, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren).
E. Einigung I. Einführung 55
Vgl. Rz. 1 ff. und Rz. 13 ff.
II. Muster 56
M 8.6 SchlichtungsvereinbarungA1 URNr. …/200… Schlichtungsvereinbarung Heute, den … –…– erschienen vor mir, …, Notar mit dem Amtsitz in …, in der Geschäftsstelle in …: 1. Herr … A., geboren am …, wohnhaft in …, …, nach Angabe im Güterstand der … lebend; 2. Herr … B., geboren am …, wohnhaft in …, …, nach Angabe im Güterstand der … lebend. Der Notar hat das Grundbuch eingesehen. Die Erschienenen wiesen sich aus durch Vorlage ihrer amtlichen Lichtbildausweise und erklärten bei gleichzeitiger Anwesenheit, was folgt:
118
Schwarzmann
M 8.6
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 56 Kap. 8
I. Vorbemerkung 1. Herr … A. – im Folgenden auch als „Antragsteller“ bezeichnet – hat mit Schreiben vom … beim beurkundenden Notar ein Schlichtungsverfahren beantragt. Der Schlichtungsantrag ist dieser Urkunde zu Beweiszwecken beigefügt. Der Kostenvorschuss ist eingegangen. Mit Schreiben vom … hat der beurkundende Notar Herrn … B. – im Folgenden auch als „Antragsgegner“ bezeichnet – den Schlichtungsantrag und die Ladung zum heutigen Schlichtungstermin übersandt. 2. Grundbuchstand a) Im Grundbuch des Amtsgerichts … für … ist Herr A. als Alleineigentümer folgenden Grundbesitzes eingetragen: Gemarkung … Fl.Nr. 1 Gebäude und Freifläche zu … qm. b) Im Grundbuch des Amtsgerichts … für … ist Herr B. als Alleineigentümer folgenden Grundbesitzes eingetragen: Gemarkung … Fl.Nr. 2 Gebäude und Freifläche zu … qm. c) Im Grundbuch sind jeweils keine Belastungen eingetragen. II. EinigungA2 Die Beteiligten vereinbaren, was folgt: 1. Der Antragsgegner verpflichtet sich, die Hecke, die sich an der gemeinsamen Grenze zwischen den beiden Grundstücken der Beteiligten befindet, auf eine Höhe von 2 Metern zurückzuschneiden. 2. Der Antragsgegner verpflichtet sich weiter, die Hecke künftig einmal jährlich auf die Höhe von 2 Metern zurückzuschneiden. 3. Der Antragsteller unterwirft sich hinsichtlich seiner in 1. und 2. genannten Verpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Der Notar kann jederzeit vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilen.A3-4 4. Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrtrecht): Der Antragsteller als Eigentümer der Grundstücks Fl.Nr. 1 der Gemarkung … – im Folgenden auch als „dienendes Grundstück“ bezeichnet – räumt hiermit dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 2 der Gemarkung … – im Folgenden auch als „herrschendes Grundstück“ bezeichnet – das immer währende und unentgeltliche Recht ein, auf dem auf seinem Grundstück befindlichen ca. drei Meter breiten Weg zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren, um so von der öffentlichen Straße zum herrschenden Grundstück zu gelangen. Der Verlauf des Weges ist in dem beigefügten Plan in gelber Farbe eingezeichnet. Auf den Plan, der zur Durchsicht vorgelegt wurde, wird verwiesen. Maßgebend für die Art und den Umfang der Benutzung des Weges ist die Nutzung des herrschenden Grundstücks als Wohngebäudegrundstück. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks ist befugt, den Weg mitzubenutzen. Die Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht obliegen dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks. Zur Sicherung des Geh- und Fahrtrechts bestellt der Eigentümer des dienenden Grundstücks zugunsten des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks eine Grunddienstbarkeit.
Schwarzmann 119
Kap. 8 Rz. 57
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.6
Herr A. als Eigentümer des dienenden Grundstücks unterwirft sich gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks wegen der Duldungspflicht aus der Dienstbarkeit der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Der Notar kann jederzeit auf Verlangen des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilen. Der Eigentümer des dienenden Grundstücks bewilligt und beantragt hiermit die Eintragung der vorstehend bestellten Dienstbarkeit an erster Rangstelle in das Grundbuch. III. Kosten, AbschriftenA5, A6 Die Kosten des Schlichtungsverfahrens in Höhe von … Euro tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Die Kosten für die anwaltliche Beratung tragen die Beteiligten jeweils selbst. Von dieser Urkunde erhalten die Beteiligten und das Grundbuchamt je eine beglaubigte Abschrift. Vorgelesen vom Notar, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben wie folgt:
Anmerkungen zu Muster M 8.6 57
A1 Sachverhalt: Die Beteiligten haben sich aufgrund des Schlichtungsgesprächs auf eine einvernehmliche Beilegung ihrer Streitigkeit geeinigt. Der Antragsteller räumt dem Antragsgegner zusätzlich ein Geh- und Fahrtrecht ein, das im Grundbuch gesichert wird.
58
A2 Schlichtungsvereinbarung: Die Einigung der Beteiligten ist in Bayern in einer Vereinbarung zur Konfliktbeilegung niederzulegen, Art. 12 BaySchlG. Die Vereinbarung stellt zugleich einen Vergleich dar (Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 175, Rz. 543). Durch die Vereinbarung bzw. den Vergleich wird die materielle Rechtslage neu geordnet. Ansprüche aus dem Vergleich, der bei einer anerkannten Gütestelle geschlossen wird, verjähren daher nach § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB in 30 Jahren, auch wenn sie ansonsten einer kürzeren Verjährung unterliegen.
59
Die Vereinbarung ist mit Angabe des Tages schriftlich niederzulegen und von den Parteien zu unterschreiben. Die Unterschrift des Schlichters hat nur deklaratorische Bedeutung. Bestehen nach dem materiellen Recht andere Formvorschriften, insbesondere die notarielle Beurkundung, sind diese einzuhalten, da dem Landesgesetzgeber insoweit die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Die landesrechtliche Formpflicht hat daher nur Bedeutung für die verfahrensbeendende Wirkung der Vereinbarung (Kompetenz nach § 15a Abs. 5 EGZPO).
60
Die Beteiligten sind grundsätzlich frei, welchen Inhalt sie der Vereinbarung geben wollen. Sie können daher den Regelungsinhalt auch im Verhältnis zum Schlichtungsantrag erweitern. Oft ist dies auch geboten, da eine „Vergrößerung des Kuchens“ die Einigungsbereitschaft erhöhen kann. Die Einigung muss sich nach Art. 12 Satz 3 BaySchlG jedoch auf die Kosten des Schlichtungsverfahrens erstrecken. Gemeint sind die für die Gütestelle anfallenden Gebühren, nicht die eigenen Kosten der Parteien. Über Letztere können sie aber auch eine Regelung treffen.
61
Wird die Schriftform nicht eingehalten oder keine Einigung über die Kosten bei der Gütestelle gefunden, wird das Verfahren nicht nach Art. 12 BaySchlG beendet, sondern ggf. durch die Erteilung eines Negativzeugnisses. Einigen sich die Beteiligten nur mündlich, ist die Vereinbarung zwar formell im Sinne des BaySchlG unwirksam, kann jedoch u.U. ent120
Schwarzmann
M 8.6
Verfahren nach § 15a EGZPO
Rz. 67 Kap. 8
sprechend § 140 BGB materiell-rechtliche Wirkung entfalten. Dies gilt auch, wenn die protokollierte Vereinbarung keine Einigung über die Kosten bei der Gütestelle enthält (Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 176, Rz. 546; Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, 2000, 123 ff., Art. 12, Rz. 2 f.). In den Schiedsamtsländern (Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersa- 62 chen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) muss der Vergleich von der Schlichtungsperson im Wortlaut in Protokollform niedergelegt und von den Beteiligten unterschrieben werden. A3 Vollstreckungstitel: Die Vereinbarung oder Einigung im Güteverfahren ist nach § 794 63 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Vollstreckungstitel, wenn sie einen Vergleich im Sinne dieser Vorschrift beinhaltet und vor einer anerkannten oder eingerichteten Gütestelle abgeschlossen wurde. Die im Vergleich geregelten Ansprüche müssen ausreichend bestimmt sein, um vollstreckbar zu sein. Dies gilt insbesondere für eine etwaige Kostenerstattungspflicht. In Bayern sind nach Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 BaySchlG Notare und zugelassene Rechtsanwälte landesrechtlich anerkannte Gütestellen und damit die dort geschlossenen Vergleiche gem. § 15a Abs. 6 EGZPO Vollstreckungstitel. Schlichtungsstellen nach Art. 3 BaySchlG („sonstige Gütestellen“ gemäß § 15a Abs. 3 EGZPO) können die Vergleiche hingegen nicht titulieren. Notare können zudem, auch wenn sie als Schlichtungsstelle im Sinne des Art. 3 BaySchlG tätig werden, über § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO vollstreckbare Titel errichten. In den Schiedsamtsländern (Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) sind die Schiedsämter anerkannte Gütestellen. A4 Erteilung der Vollstreckungsklausel: In Bayern richtet sich die Erteilung der Vollstre- 64 ckungsklausel nach Art. 19 BaySchlG. Wurde ein Notar als Schlichter tätig, erteilt er gemäß Art. 19 Abs. 1 BaySchlG die Vollstreckungsklausel selbst. Dies gilt jedoch nicht für die in § 797a Abs. 4 Satz 2 ZPO aufgeführten Fälle. Hier ist der Urkundsbeamte des Amtsgerichts zuständig, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat. Bei Vergleichen vor anderen Gütestellen (Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 BaySchlG) erteilt nach Art. 19 Abs. 2 BaySchlG der Rechtspfleger des Amtsgerichts die Vollstreckungsklausel, in dessen Bezirk die Gütestelle eingerichtet ist. Diese landesrechtliche Regelung verstößt jedoch gegen § 797a Abs. 1 ZPO: Zuständig ist demnach der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (Krafka in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, 220/221, Rz. 705; Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, 2000, 143/144, Art. 19, Rz. 5). In den Schiedsamtsländern (Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) ist der Urkundsbeamte des Amtsgerichts zuständig, in dessen Bezirk das Schiedsamt seinen Sitz hat. A5 Abschriften: Abschriften sind zweckmäßigerweise an die Beteiligten zu übersenden. 65 Weitere Abschriften sind je nach dem Inhalt der Vereinbarung ggf. zu übersenden, z.B. an das Grundbuchamt oder andere Stellen für eine etwaige Genehmigung. A6 Kosten: 66 Kosten der Parteien: Jede Partei hat ihre eigenen Kosten selbst zu tragen, Art. 17 Satz 1 BaySchlG. In Betracht kommen insbesondere Fahrtkosten, Porto, Telefon und Kosten für den Beistand bzw. Rechtsanwalt. In der Gütevereinbarung kann jedoch Abweichendes geregelt werden, Art. 17 Satz 2 BaySchlG. Kosten bei der Schlichtungs-/Gütestelle: In Bayern gelten die kostenrechtlichen Bestim- 67 mungen des Art. 13 BaySchlG nur für das obligatorische Schlichtungsverfahren vor den Schwarzmann 121
Kap. 8 Rz. 67a
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 8.6
nach Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 BaySchlG anerkannten Gütestellen (Notare und zugelassene Rechtsanwälte). Art. 13 BaySchlG ist dabei grundsätzlich abschließend. Kosten vor den anderen Stellen im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 2 BaySchlG und des Art. 3 BaySchlG sind nach der jeweiligen Verfahrens- bzw. Gebührenverordnung abzurechnen. Bei einvernehmlicher Antragstellung ist daher bei Notaren das GNotKG und bei Rechtsanwälten das RVG maßgebend. 67a
Nach Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 BaySchlG beträgt die Gebühr 100 Euro, da die erfolgreiche Einigung ein Schlichtungsgespräch voraussetzt. In der Gebühr sind die allgemeinen Geschäftskosten enthalten, Art. 13 Abs. 4 Satz 1 BaySchlG. Daneben fällt nach Art. 13 Abs. 3 BaySchlG ggf. eine Gebühr von 50 Euro für eine Vollzugstätigkeit des Schlichters im Auftrag beider Parteien an (etwa die Einholung von Genehmigungen oder der Grundbuchvollzug). Für Postund Telekommunikationsdienstleistungen kann der Schlichter pauschal 20 Euro fordern. Die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer wird von den Beteiligten ersetzt, Art. 13 Abs. 1 Satz 2 BaySchlG.
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Schließen die Beteiligten einen Vergleich ab, tritt die Vergleichsgebühr an die Stelle der Verfahrensgebühr (Brandenburg: 20 Euro; Hessen: 21 Euro; Mecklenburg-Vorpommern: 21 Euro, Niedersachsen: 25 Euro; Nordrhein-Westfalen: 25 Euro; Rheinland-Pfalz: 20 Euro; Saarland: 15 Euro; Sachsen-Anhalt: 50 Euro; Schleswig-Holstein: zusätzlich zur Verfahrensgebühr 20 Euro). In allen Ländern kann eine Erhöhungsgebühr anfallen, wenn besondere Verhältnisse vorliegen oder der Sachverhalt mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist (Brandenburg: 40 Euro; Hessen: 50 Euro; Mecklenburg-Vorpommern: 36 Euro, Niedersachsen: 50 Euro; Nordrhein-Westfalen: 40 Euro; Rheinland-Pfalz: 40 Euro; Saarland: 20 bis 30 Euro; Sachsen-Anhalt: 75 Euro; Schleswig-Holstein: 75 Euro). In allen Schiedsamtsländern sind die Auslagen (Schreibauslagen und bare Auslagen) zu erstatten.
68a
Wird in Schleswig-Holstein das Schlichtungsverfahren nicht vor dem Schiedsamt, sondern vor einer anwaltlichen Gütestelle durchgeführt, fallen höhere Gebühren an. Die Vergleichsgebühr beträgt 130 Euro. Zusätzlich ist eine Auslagenpauschale von 15 Euro anzusetzen.
122
Schwarzmann
Kapitel 9 A. Schlichtungsvereinbarung I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 9.1 Schlichtungsvereinbarung nach SOBau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vertrag mit dem Schlichter I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 9.2 Schlichtervertrag nach SOBau . . . C. Antrag auf Einleitung des Schlichtungsverfahrens I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 9.3 Antrag auf Einleitung der Schlichtung nach SOBau . . . . . . .
Schlichtung nach der SOBau 7 11 11 18 20 20
24 28
D. Antrag auf Schlichterbenennung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 9.4 Antrag auf Schlichterbestellung nach SOBau . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Antrag auf Durchführung eines isolierten Beweisverfahrens I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 9.5 Antrag auf Einleitung des isolierten Beweisverfahrens. . . . . . . . . . . F. Exkurs: Streitbeilegung nach der SLBau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 33 33
35 38 38 44
28
Literatur: Ax/Schneider, Außergerichtliche Streitbeilegung im Bauwesen, 2004; Eberl/Friedrich, Alternative Streitbeilegung im zivilen Baurecht, BauR 2002, 250 ff.; Fischer, Zurückhaltende Anwendung außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren in der Bauwirtschaft – Versuch einer Erklärung, BauR 2016, 20 ff.; Kniffka/Köble, Außergerichtliche Streitbeilegung und schiedsgerichtliche Verfahren, in Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, 1. Teil; Lembcke, Aktuelle Entwicklungen bei der Alternativen Streitbeilegung im Baurecht, NJW 2013, 1704; Lembcke, Handbuch Baukonfliktmanagement, 2013; Moehren in Korbion (Hrsg.), Baurecht, 2005, Teil 24, Rz. 64 ff.; Papier, Rechtsgutachten zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Adjudikation in Bausachen, Mai 2013; Riemann in Jacob/Ring/ Wolf, Freiberger Handbuch zum BauR, 3. Aufl. 2008, § 11; Wagner, Schiedsgerichtsbarkeit, Schiedsgutachten, Schlichtung, Disput Adjudication, Mediation – Möglichkeiten der alternativen Konfliktlösung im Baurecht, NZBau 2001, 169 ff.; Wirth/Wiesel, Handbuch der Vertragsgestaltung, Vertragsabwicklung und Prozessführung im privaten und öffentlichen Baurecht, 1. Buch, XIV Teil, Rz. 113 ff.; Zerhusen, Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der ARGE-Baurecht im DeutschenAnwaltVerein, BauR 1998, 849 ff.
Die Arbeitsgemeinschaft für privates Bau- und Architektenrecht im Deutschen Anwaltverein 1 – ARGE-Baurecht – hat im Jahr 1998 mit der Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) eine Verfahrensordnung für die außergerichtliche Beilegung baurechtlicher Streitigkeiten aufgestellt,1 die den speziellen Problemstellungen und Bedürfnissen der Bauvertragsparteien zur schnellen, kostengünstigen und fachkundigen Lösung bauvertraglicher Konfliktsituationen Rechnung tragen soll. Zielsetzung der SOBau ist es, den Baubeteiligten eine zeitgemäße Verfahrensregelung zur möglichst gütlichen und zügigen Beilegung von bauvertraglichen Konflikten zur Verfügung zu stellen. Hierzu enthält die SOBau verschiedene Verfahrensstadien, die unter Beachtung der Grundsätze der Vertraulichkeit und Konzentration möglichst ohne streitige Entschei-
1 Der Text der SOBau ist in der jeweils aktuellen Fassung im Internet abrufbar unter www.arge-bau recht.com. Die Ursprungsfassung aus dem Jahr 1998 findet sich etwa bei Joussen in Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 19. Aufl. 2015, Anhang 4 Rz. 124.
Jung 123
2
Kap. 9 Rz. 3
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
dung bereits baubegleitend zur Problembereinigung zwischen den Beteiligten beitragen sollen.1 3
Die Verfahrensordnung trägt spezifisch bauvertraglichen Problemlagen, die sich während der Ausführung von Bauvorhaben stellen können, Rechnung und ist damit in besonderer Weise als außergerichtliches Regularium zur Schlichtung bauvertraglicher Streitigkeiten geeignet. So sind häufig (etwa im Zusammenhang mit Baumängeln und Bauablaufstörungen) zeitnahe Sachverhaltsfeststellungen und -dokumentationen erforderlich, denen insbesondere durch die Möglichkeit der Durchführung eines isolierten Beweisverfahrens (§§ 11–13 SOBau) im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens Rechnung getragen wird. Einer geradezu als klassisch zu bezeichnenden Konfrontationssituation der Bauvertragsparteien im Zusammenhang mit Vergütungsfragen bei geänderten/zusätzlichen Leistungen begegnet zudem die Möglichkeit zu vorläufigen Feststellungen zur Vergütung und Vorschlägen zu deren Absicherung gemäß § 9 Abs. 3 SOBau. Die häufig während der Bauausführung bestehende Terminkritizität wird durch den Beschleunigungsgrundsatz (§ 4 SOBau) berücksichtigt, der auf zügige Verfahrensdurchführung abzielt und sich auch in anderen Bestimmungen des Regelwerks niederschlägt.2
4
Der mehrstufige Aufbau der SOBau mit einem Schlichtungs-, Beweisverfahrens- und Schiedsgerichtsteil untergliedert sich in fünf Teile. Teil I enthält allgemeine Verfahrensbestimmungen. Teil II befasst sich mit der vorgeschalteten Schlichtung, die gütlichen Einigungsbemühungen ohne Formal-/Verfahrenszwänge möglichst viel Raum lassen soll. Teil III regelt das isolierte Beweisverfahren, mittels welchem kurzfristig für ein späteres Schiedsgerichtsverfahren bindende Tatsachenfeststellungen getroffen werden können. Teil IV enthält Regelungen zum Schiedsgerichtsverfahren, welche die entsprechenden Vorschriften der §§ 1025 f. ZPO ergänzen. Teil V trifft Bestimmungen zur Kostenentscheidung sowie zu Honoraren und Auslagen.
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Wird das Ziel der Schlichtung, aufgetretene Streitigkeiten unkompliziert in eigener Verantwortung und zügig auf gütliche Weise zu erledigen, nicht erreicht, so bietet sich im schiedsrichterlichen Verfahren gemäß § 14 ff. SOBau die Möglichkeit der Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht. Für dieses schiedsrichterliche Verfahren verweist § 16 Abs. 5 SOBau ergänzend auf die §§ 1025 ff. ZPO, so dass sich das schiedsrichterliche Verfahren der SOBau nicht wesentlich von dem schiedsrichterlichen Verfahren gemäß §§ 1025 ff. ZPO unterscheidet.3
6
Die SOBau enthält somit zwei dem schiedsrichterlichen Verfahren vorgeschaltete Verfahren, deren einigende und gleichwohl beweissichernde Funktion bereits dann zum Tragen kommen kann, wenn sich die Parteien im Einzelfall noch nicht zur Einleitung des formalisierten schiedsgerichtlichen Verfahrens entschließen konnten. Dieses Instrumentarium zur Streitbeilegung bietet sich als spezifisch auf Bauverträge abgestimmtes Regularium zur schnellen, fachkundigen und kostengünstigen Konfliktlösung an. Als besonders flexibel zu handhabende Verfahrensart ist das Schlichtungsverfahren nach §§ 8 ff. SOBau (mit ggf. integriertem Beweisverfahren nach §§ 11 ff. SOBau) auf eine Durchführung bereits während der Phase der Bauausführung angelegt. 1 Hierzu Vorwort der ARGE-Baurecht zur Erstveröffentlichung der SOBau vom Februar 1998, abgedruckt in NZBau 2001, 191. 2 Etwa § 9 Abs. 2 SOBau, wonach der Schlichter das Streitverhältnis mit den Parteien unverzüglich erörtern soll. 3 Bei den von der ZPO abweichenden Vorschriften des schiedsrichterlichen Verfahrens der SOBau handelt es sich im Wesentlichen um die im Interesse einer zügigen Abwicklung getroffenen Regelungen im Zusammenhang mit der Konstituierung des Schiedsgerichts sowie durchgängig kürzere Fristenregelungen, hierzu Zerhusen, BauR 1998, 849 (853 ff.).
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M 9.1
Schlichtung nach der SOBau
Rz. 11 Kap. 9
A. Schlichtungsvereinbarung I. Einführung Die SOBau als Verfahrensregelung gilt nicht automatisch, sondern bedarf einer dahingehenden Vereinbarung der Vertragsparteien.
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Der Zeitpunkt der Vereinbarung steht den Vertragsparteien frei. Häufig wird es sich an- 8 bieten, die Schlichtungsvereinbarung bereits mit Abschluss des Bauvertrages zu treffen bzw. in diesen zu integrieren. Dies hat den Vorteil, dass im Fall des Auftretens eines Streitfalles nicht zunächst eine Verständigung über das Verfahren zur Streitbeilegung getroffen werden muss. Diese Verständigung ist nach Auftreten eines Streitfalles häufig schwerer zu erzielen, als vorab im Zusammenhang mit dem Abschluss des Bauvertrages und damit in einer Phase, die in der Regel noch von beiderseitigem Willen nach möglichst effizienter Deeskalation etwaiger künftiger Konflikte geprägt ist. Der Umfang der Vereinbarung steht den Vertragsparteien frei. So können insbesondere das Schlichtungsverfahren gemäß Teil II der SOBau und das schiedsrichterliche Verfahren gemäß Teil IV SOBau getrennt voneinander vereinbart werden.
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Zu beachten ist, dass die Vereinbarung des schiedsrichterlichen Verfahrens der Form gemäß 10 § 1031 ZPO bedarf.1 Danach muss die Schiedsvereinbarung entweder in einem von den Parteien unterzeichneten Schriftstück oder in zwischen ihnen gewechselten Schreiben oder anderen Formen der Nachrichtenübermittlung enthalten sein. Auch eine isolierte Schlichtungsvereinbarung sollte – bereits aus Beweisgründen – schriftlich getroffen werden.
II. Muster M 9.1 Schlichtungsvereinbarung nach SOBau
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Schlichtungsvereinbarung Die Firma … als Auftraggeber und die Firma … als Auftragnehmer haben einen Bauvertrag vom … zur Errichtung des Bauvorhabens … in … geschlossen.A1 Beide Vertragsparteien streben an, etwaige Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Bauvertrag nach Möglichkeit außergerichtlich und gütlich zu erledigen. Vor diesem Hintergrund treffen die Vertragsparteien nachfolgende Schlichtungsvereinbarung: §1 Schlichtungsvereinbarung Die Vertragsparteien sind sich einig, dass zur gütlichen Beilegung sämtlicher während und nach der Vertragsdurchführung auftretender Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Bauvertrag vom … ein SchlichtungsverfahrenA2 unter Berücksichtigung der Regelungen der Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten der Arbeitsgemeinschaft für privates Bau- und Architektenrecht im Deutschen Anwaltsverein (nachfolgend SOBau genannt) durchgeführt wird.
1 Hierzu Moehren in Korbion, Baurecht, 2005, Teil 24 Rz. 87.
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Kap. 9 Rz. 11a
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 9.1
§2 Verfahren Das Verfahren der Schlichtung richtet sich nach den Regelungen der §§ 2–5 und §§ 7–10 SOBau.A3 §3 Schlichter Die Vertragsparteien benennen folgende Personen als Schlichter:A4 1. Herr … (Jurist) 2. Herr … (Dipl.-Ing.) Bei Bedarf können sich die Vertragsparteien nach Abschluss dieser Vereinbarung auf weitere Schlichter einigen. §4 Begutachtung durch Sachverständigen Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Schlichter auf Antrag einer Vertragspartei im Rahmen eines etwaigen Schlichtungsverfahrens die Begutachtung durch einen Sachverständigen anordnen können. In diesem Fall gelten die Regelungen über das isolierte Beweisverfahren gemäß §§ 11–13 SOBau. §5 Scheitern der Schlichtung Im Fall des Scheiterns der Schlichtung (§ 10 Abs. 3 SOBau) steht, sofern die Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß §§ 14–16 SOBau von den Vertragsparteien nicht vereinbart wird, den Vertragsparteien der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen.A5 §6 SOBau Eine Textausgabe der SOBau, Stand …, ist dieser Schlichtungsvereinbarung als Anlage beigefügt.A6 §7 Kosten Hinsichtlich der Kosten und Gebühren gelten die Regelungen der § 17 Abs. 1 und 3, § 18 Abs. 1 und Abs. 4–7 SOBau. Jede Partei trägt die Kosten der von ihr beigezogenen Vertreter, insbesondere etwaiger anwaltlicher Bevollmächtigter, selbst.A7 (Unterschriften Vertragsparteien)
Anmerkungen zu Muster M 9.1 11a
A1 Sachverhalt: Die Schlichtungsvereinbarung gemäß des Musters wird im Zusammenhang mit dem Abschluss des Bauvertrages geschlossen. Selbstverständlich kann die Schlichtung auch erst später, etwa aus Anlass eines konkreten Streitfalles, vereinbart werden.
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A2 Regelungsumfang: Der Mustertext bezieht sich lediglich auf die Vereinbarung des Schlichtungsverfahrens gemäß Teil II SOBau mit der Möglichkeit der Durchführung eines 126
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Schlichtung nach der SOBau
Rz. 18 Kap. 9
isolierten Beweisverfahrens im Rahmen des Schlichtungsverfahrens gemäß Teil III SOBau. Die Durchführung eines schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß Teil IV SOBau müsste somit, sofern die Vertragsparteien dies nach Scheitern der Schlichtung wünschen, gesondert vereinbart werden. A3 Bezugnahmen auf Verfahrensregelungen: Die ausdrückliche Benennung der einschlägigen Verfahrensregelungen ist nicht zwingend erforderlich, dient aber der Rechtsklarheit.
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A4 Person des Schlichters: Vereinbarungen zur Person des Schlichters können auch noch nachträglich getroffen werden. Hierdurch kann der besonderen (insbesondere technischen) Eigenart der jeweiligen Streitigkeit Rechnung getragen werden. Gerade in der Möglichkeit der frühzeitigen Einschaltung fachtechnisch kompetenter Schlichter liegt ein wesentlicher Vorteil gegenüber der streitigen Auseinandersetzung vor einem staatlichen Gericht, das bauvertragliche Streitigkeiten häufig nicht ohne die kostenintensive und zeitaufwendige Einschaltung von Sachverständigen wird entscheiden können. Wird der Schlichter weder in der Schlichtungsvereinbarung noch nachträglich von den Parteien benannt, kommt gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SOBau auf Antrag einer Vertragspartei die Bestimmung durch den Präsidenten des deutschen Anwaltvereins in Betracht (hierzu nachstehenden M 9.4 [Rz. 33]).
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A5 Rechtsweg: Um keine nachträglichen Zweifel aufkommen zu lassen, sollte in der Schlichtungsvereinbarung geregelt werden, welcher weitere Rechtsweg den Vertragsparteien nach Scheitern der Schlichtung offen steht.
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A6 Textausgabe SOBau: Die Beifügung einer Textausgabe der SOBau als Anlage zur Schlichtungsvereinbarung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Schlichtungsvereinbarung, bietet sich jedoch insbesondere bei mit diesem Verfahren bislang nicht vertrauten Vertragsparteien an.
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A7 Kosten: Die SOBau geht von grundsätzlich hälftiger Kostentragungslast der Parteien 17 für das Schlichtungsverfahren unter Einschluss der Kosten für ein etwaiges isoliertes Beweisverfahren aus, § 17 Abs. 1 und 3 SOBau. Die Höhe der Kosten richtet sich nach der mit dem Schlichter getroffenen Vereinbarung. In der Regel werden Stundenhonorare mit dem Schlichter vereinbart. Um Missverständnisse und Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich die Klarstellung zur Kostentragungslast hinsichtlich der beigezogenen Vertreter/Bevollmächtigten der Parteien. Als Rechtsanwaltsgebühren kommen – sofern keine abweichende Vergütungsvereinbarung getroffen wurde – die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) und ggf. die Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) in Betracht.
B. Vertrag mit dem Schlichter I. Einführung Neben der Schlichtungsvereinbarung erfordert die Durchführung eines Schlichtungsverfah- 18 rens auch den Abschluss eines Schlichtervertrages. Dieser ist die Grundlage der Tätigkeit des Schlichters im Verhältnis zu den Parteien und regelt dessen Rechte und Pflichten den Parteien gegenüber. Ein Schlichtervertrag kann relativ schlank ausgestaltet werden, nachdem die SOBau auch an den Schlichter gerichtete Vorschriften enthält. Die inhaltliche Konsistenz des Schlichtervertrages mit den Regelungen der SOBau und insbesondere der Schlichtungsvereinbarung sollte im Schlichtervertrag durch Bezugnahme auf diese sichergestellt werden.
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Kap. 9 Rz. 19 19
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 9.2
Die Person des Schlichters kann bereits in der Schlichtungsvereinbarung, anderenfalls aber auch nachträglich vereinbart werden. Wird erwogen, den Schlichter im Anschluss an das Schlichtungsverfahren auch mit der Durchführung eines schiedsrichterlichen Verfahrens zu beauftragen, so ist zu beachten, dass als Einzelschiedsrichter oder Vorsitzender eines DreierSchiedsgerichts nach § 15 Abs. 2 SOBau nur Volljuristen in Betracht kommen.
II. Muster 20
M 9.2 Schlichtervertrag nach SOBau Zwischen Firma … und Firma … – nachfolgend Parteien genannt – und Herrn/Frau … – nachfolgend Schlichter genannt – wird der nachfolgende Schlichtervertrag abgeschlossen: §1 Schlichtungsvereinbarung der Parteien Die Parteien haben die Schlichtungsvereinbarung vom … abgeschlossen.A1 Gemäß der Schlichtungsvereinbarung sind die Parteien überein gekommen, bei allen Streitigkeiten während oder nach der Durchführung des Bauvertrages vom … in Bezug auf das Bauvorhaben … ein Schlichtungsverfahren mit ggf. eingeschlossenem Beweisverfahren nach den Regelungen der Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der Arbeitsgemeinschaft für privates Bau- und Architektenrecht im Deutschen Anwaltsverein durchzuführen. Die in der Schlichtungsvereinbarung vom … und den dort in Bezug genommenen Regelungen der SOBau getroffenen Vereinbarungen und Regelungen sind für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens auch für den Schlichter verbindlich. Diese Schlichtungsvereinbarung ist diesem Schlichtervertrag als Anlage beigefügt.A2 §2 Auftrag an den Schlichter Der Schlichter wird hiermit von den Parteien beauftragt, auf Antrag einer Partei ein Schlichtungsverfahren mit dem Ziel einer gütlichen Einigung durchzuführen. Grundlage dieses Schlichtungsverfahrens sind die Schlichtungsvereinbarungen der Parteien vom … sowie die in der Schlichtungsvereinbarung vom … in Bezug genommenen Bestimmungen der SOBau. Der Schlichter wird ferner beauftragt, auf Antrag einer Partei die Begutachtung durch einen Sachverständigen gemäß § 11 Abs. 1 SOBau anzuordnen. Der Schlichter wird hiermit bevollmächtigt, zu diesem Zweck Sachverständige auf Kosten und für Rechnung der Parteien zu beauftragen, wobei die Höhe der Kosten vorab mit den Parteien abzustimmen ist. §3 Nachfolgendes Schiedsgerichtsverfahren Der Schlichter verpflichtet sich, in einem etwaigen dem Schlichtungsverfahren nachfolgenden Schiedsgerichtsverfahren nur nach vorheriger ausdrücklicher Zustimmung beider Parteien tätig zu werden.A3 Der Schlichter kann in einem späteren Schiedsgerichtverfahren nicht Zeuge für Tatsachen sein, die ihm während des Schlichtungsverfahrens offenbart werden.
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M 9.2
Schlichtung nach der SOBau
Rz. 20a Kap. 9
§4 Verschwiegenheit, Unparteilichkeit Der Schlichter ist zur Verschwiegenheit über die ihm im Verfahren bekannt gewordenen Tatsachen sowie gegenüber den Parteien zur Unparteilichkeit und Unabhängigkeit verpflichtet. §5 Beschleunigung Der Schlichter verpflichtet sich auf Antrag einer Partei zur zügigen Durchführung des Schlichtungsverfahrens. Der Schlichter ist zur unverzüglichen Mitteilung verpflichtet, sofern er sein Amt nicht in diesem Sinn wahrnehmen kann. §6 Mehrere Schlichter Sofern die Parteien mehrere Schlichter bestellen sollten, sind diese verpflichtet, ihre Aufgaben untereinander umfassend zu koordinieren, um Verzögerungen des Schlichtungsverfahrens zu vermeiden. §7 Honorar 1. Die Tätigkeit des Schlichters auf der Grundlage dieses Schlichtervertrages wird zeitabhängig zu einem Honorar von … Euro je angefangener Stunde zuzüglich Mehrwertsteuer in gesetzlicher Höhe vergütet. 2. Die Parteien tragen alle notwendigen Auslagen des Schlichters sowie die durch eine etwaige Beweisaufnahme entstehenden Kosten. Der Schlichter kann in jedem Stadium des Verfahrens zur Deckung voraussichtlicher Kosten und Auslagen Vorschüsse anfordern. 3. Die Parteien haften dem Schlichter hinsichtlich seines Honorars sowie der notwendigen Auslagen und Kosten als Gesamtschuldner.A4 §8 Kündigung Der Schlichter darf diesen Schlichtervertrag nur dann kündigen, wenn sichergestellt ist, dass den Parteien eine andere Person rechtzeitig zur Verfügung steht, so dass hierdurch die Durchführung eines etwaigen Schlichtungsverfahrens nicht verzögert wird. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt. Die Parteien können den Schlichtervertrag jederzeit kündigen. §9 Haftung Der Schlichter haftet gegenüber den Parteien wie ein staatlicher Richter. (Unterschriften Parteien und Schlichter)
Anmerkungen zu Muster M 9.2 A1 Sachverhalt: Das Muster legt einen im Zusammenhang mit dem Abschluss der Schlich- 20a tungsvereinbarung abzuschließenden Schlichtervertrag zugrunde. Alternativ hierzu kann der Schlichter auch erst nachträglich, etwa im Zusammenhang mit dem Entstehen einer Streitigkeit benannt werden.
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Kap. 9 Rz. 21
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 9.2
21
A2 Grundlage der Tätigkeit: Die Beauftragung des Schlichters sollte ausdrücklich auf der Grundlage der getroffenen Schlichtungsvereinbarung und den dort in Bezug genommenen Bestimmungen der SOBau erfolgen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Schlichter die zwischen den Parteien getroffenen Verfahrensbestimmungen im Rahmen seiner Tätigkeit beachtet.
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A3 Pflichten des Schlichters: Die in den §§ 3–6 des Musters enthaltenen Regelungen legen in Übernahme entsprechender Regelungen der SOBau Pflichten des Schlichters fest. Hervorzuheben ist die Regelung in § 3 des Vereinbarungsentwurfs zum Erfordernis des Einverständnisses der Vertragsparteien zu einer nachfolgenden schiedsrichterlichen Tätigkeit des Schlichters. Die Regelung im Vereinbarungsmuster unterwirft eine solche schiedsrichterliche Tätigkeit zwingend dem vorherigen Einverständnis der Parteien, um ihnen weitest möglichen Einfluss auf die Gewährleistung einer unbefangenen schiedsrichterlichen Tätigkeit zu ermöglichen. § 8 Abs. 5 SOBau enthält insoweit lediglich eine Soll-Regelung (kritisch zu der Doppelrolle als Schlichter und Schiedsrichter Wagner, NZBau 2001, 169 [171]).
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A4 Kosten: Die Regelung zu der Vergütung des Schlichters korrespondiert mit den Bestimmungen der SOBau (dort § 18).
C. Antrag auf Einleitung des Schlichtungsverfahrens I. Einführung 24
Spezifische Verfahrensregelungen zur Schlichtung, welche durch die allgemeinen Verfahrensbestimmungen der §§ 1–7 SOBau ergänzt werden, finden sich in § 9 SOBau. Hiernach findet die Schlichtung auf Antrag einer Partei mit dem Ziel einer gütlichen Einigung statt. Der Schlichter erörtert unverzüglich das Streitverhältnis mit den Parteien und kann zur Aufklärung des Sachverhalts alle Handlungen vornehmen, die dem Ziel der zügigen Streitbeilegung dienen. So können insbesondere die Parteien befragt, das Bauvorhaben in Augenschein genommen sowie sachkundige Personen oder Sachverständige hinzugezogen werden. Sofern dies zur Förderung des Baufortschritts angezeigt ist, kann der Schlichter zudem vorläufige Feststellungen in Bezug auf die Vergütung treffen und Absicherungsvorschläge hinsichtlich streitiger Vergütungsansprüche unterbreiten.
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Diese spezifischen Verfahrensregelungen werden ergänzt durch die allgemeinen Bestimmungen zum Verfahren der §§ 1 ff. SOBau. Gemäß § 2 SOBau kann jede Partei im Verfahren selbst auftreten oder sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen. § 3 SOBau enthält Grundsätze zur Vertraulichkeit des Verfahrens. Gemäß der in § 4 SOBau geregelten Konzentrationsmaxime soll das Verfahren so gefördert werden, dass es möglichst nach einem Termin abgeschlossen werden kann. Den Gedanken der gütlichen Streitbeilegung als verfahrensbestimmendes Element regelt § 5 SOBau. § 7 SOBau schließlich enthält Vorschriften zu Zustellungen.
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Als Ergebnis des Schlichtungsverfahrens kann eine Einigung der Parteien zustande kommen. Ist dies nicht der Fall, so unterbreitet der Schlichter gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 SOBau einen Schlichtungsvorschlag, der als abgelehnt gilt, wenn er nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung angenommen wird. Die Schlichtung gilt gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 SOBau als gescheitert, wenn eine Partei die Schlichtung ablehnt, eine Partei nicht zur Schlichtungsverhandlung erscheint oder wenn der Schlichtungsvorschlag abgelehnt wird. Das Ergebnis der Schlichtung sowie die getroffenen Parteivereinbarungen sind gemäß § 10 Abs. 1 SOBau in einem vom Schlichter und den Parteien zu unterzeichnenden Protokoll festzuhalten.
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M 9.3
Schlichtung nach der SOBau
Rz. 31 Kap. 9
War die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zwischen den Parteien vereinbart, so ist das Scheitern des Schlichtungsverfahrens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SOBau Voraussetzung für die Einleitung des schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß § 14 ff. SOBau.
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Die wenigen Verfahrensregeln belassen dem Schlichter einen weitgehenden Spielraum bei der Gestaltung des Schlichtungsverfahrens.1
27a
II. Muster M 9.3 Antrag auf Einleitung der Schlichtung nach SOBau
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Herrn/Frau … (Anschrift des Schlichters) Schlichtungsvereinbarung vom … zwischen … und Schlichtervertrag vom … zwischen … Sehr geehrter Herr …, hiermit beantragen wir gemäß § 9 Abs. 1 SOBau für die Partei … als Auftragnehmerin des Bauvertrages vom … die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens auf der Grundlage der Schlichtungsvereinbarung vom … und des Schlichtervertrages vom …A1 Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens muss unseres Erachtens das Bauvorhaben in Augenschein genommen werden. Wir bitten daher um möglichst zeitnahe Anberaumung einer Schlichtungsverhandlung am Ort des Bauvorhabens in …A2 Gegenstand der Streitigkeit sind auftraggeberseits behauptete Mängel der von uns erbrachten Werkleistung und hierauf gestützte Einbehalte des Auftraggebers gegenüber unseren Abschlagsrechnungen. Den Sach- und Streitstand werden wir kurzfristig in einem gesonderten Schreiben ergänzend darstellen.A3 Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift Auftragnehmer)
Anmerkungen zu Muster M 9.3 A1 Sachverhalt: Das Musterschreiben wird vom Auftragnehmer eines Bauvertrages in einer Situation verfasst, in der der Auftraggeber Mängel der Bauleistung geltend macht. Das Schlichtungsverfahren soll der Klärung der Berechtigung der Mängelbehauptungen dienen.
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A2 Verfahrensanregungen: Nachdem auftraggeberseits Mängel der Bauleistung des Auftragnehmers geltend gemacht werden, bietet es sich aus Sicht des Auftragnehmers an, den Schlichter zu veranlassen, von seiner Befugnis gemäß § 9 Abs. 2 Satz 4 SOBau Gebrauch zu machen, die Schlichtungsverhandlung am Ort des Bauvorhabens anzuberaumen und das Bauvorhaben hierbei in Augenschein zu nehmen. Hierdurch können Verzögerungen des Schlichtungsverfahrens vermieden werden.
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A3 Darstellung Streitverhältnis: Der Antrag gemäß § 9 Abs. 1 SOBau muss nicht zwin- 31 gend bereits eine Darstellung des Streitverhältnisses beinhalten. Da das Schlichtungsverfah1 Hinsichtlich der einzelnen im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens in Betracht kommenden Verfahrensabschnitte wird verwiesen auf die Darstellungen bei Moehren in Korbion, Baurecht, Teil 24, Rz. 110–118; ferner Wiesel in Wirth/Wiesel, Handbuch zur Vertragsgestaltung, Vertragsabwicklung und Prozessführung im Privaten und öffentlichen Baurecht, 2001, 1. Buch, XIV Rz. 137 ff.
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Kap. 9 Rz. 32
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 9.4
ren jedoch auf zügige Durchführung angelegt ist, empfiehlt es sich, sofern möglich, diese Darstellung bereits in das Antragsschreiben aufzunehmen. Anderenfalls sollte eine Darstellung des Streitverhältnisses kurzfristig nachgereicht werden.
D. Antrag auf Schlichterbenennung I. Einführung 32
Die auf das Schlichtungsverfahren bezogenen Regelungen in den §§ 8–10 SOBau befassen sich in § 8 SOBau mit der Person des Schlichters. Dieser soll die Befähigung zum Richteramt haben und hat sich gegenüber den Parteien schriftlich zur Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und umfassenden Verschwiegenheit zu verpflichten. Einigen sich die Parteien nicht bereits in der Schlichtungsvereinbarung und auch nicht nachträglich auf einen Schlichter, so kann der Schlichter auf Antrag einer Partei vom Präsidenten des deutschen Anwaltvereins benannt werden, § 8 Abs. 1 Satz 2 SOBau.
II. Muster 33
M 9.4 Antrag auf Schlichterbestellung nach SOBau An den Präsidenten des deutschen Anwaltvereins … Benennung Schlichter gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SOBau Sehr geehrter Herr Präsident, hiermit beantragen wir namens der Firma … die Benennung eines Schlichters gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SOBau durch Sie.A1 Wir haben einen Bauvertrag mit der Firma … in Bezug auf das Bauvorhaben … sowie eine Schlichtungsvereinbarung mit der Firma … vom … abgeschlossen. Hiernach soll bei Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Bauvertrag ein Schlichtungsverfahren gemäß §§ 8 ff. SOBau durchgeführt werden. Zwischen den Vertragsparteien des Bauvertrages vom … besteht Streit über die Frage, ob die Dacheindeckung des Bauvorhabens mit Ziegeln vertragsgemäß erbracht wurde und ob dem Auftraggeber diesbezüglich Zurückbehaltungsrechte hinsichtlich der Vergütung zustehen.A2 Es ist beabsichtigt, zu dieser Streitfrage ein Schlichtungsverfahren gemäß §§ 8 ff. SOBau durchzuführen. Die Parteien haben sich nicht auf einen Schlichter einigen können, weshalb die Benennung des Schlichters durch Sie notwendig ist. Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift)
Anmerkungen zu Muster M 9.4 33a
A1 Benennungsausschuss; Schlichterliste: Bei der ARGE-Baurecht des deutschen Anwaltvereins existiert ein Benennungsausschuss, welcher aus fünf Mitgliedern der ARGE-Baurecht besteht, die von der Mitgliederversammlung gewählt wurden. Dieser Benennungsaus132
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M 9.5
Schlichtung nach der SOBau
Rz. 38 Kap. 9
schuss führt eine Schlichter- und Schiedsrichterliste, in welcher als Schlichter/Schiedsrichter aufgenommene Rechtsanwälte geführt werden (abrufbar im Internet unter www.arge-bau recht.com/index2htm, auch zu den Aufnahmevoraussetzungen in die Schlichter- und Schiedsrichterliste). A2 Streitgegenstand: Eine kurze Angabe des Streitgegenstandes im Antragsschreiben kann dem Präsidenten des deutschen Anwaltvereins eine sachgemäße Auswahl des Schlichters für den einzelnen Streitfall ggf. erleichtern, ist daher empfehlenswert.
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E. Antrag auf Durchführung eines isolierten Beweisverfahrens I. Einführung Ein weiterer Baustein im Rahmen der zügigen und umfassenden Streitbeilegung ist das in Teil III SOBau geregelte isolierte Beweisverfahren. Mittels dieses Verfahrens können Beweise zügig erhoben und gleichzeitig der Verlust von Beweismitteln verhindert werden. Dies ist gerade im Rahmen der Ausführung von Bauvorhaben im Interesse des Baufortschritts von entscheidender Bedeutung.
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Neben der beweissichernden Funktion ist die verjährungshemmende Wirkung zu erwäh- 36 nen. Gemäß § 11 Abs. 4 SOBau wird mit Zugang des Antrags auf Einleitung des isolierten Beweisverfahrens beim Schlichter die Verjährung wie im selbstständigen Beweisverfahren der §§ 485 ff. ZPO entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB gehemmt. Das Verfahren kann auf Antrag einer Partei sowohl im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens 37 als auch während eines schiedsrichterlichen Verfahrens eingeleitet werden. Hierdurch wird ein im Interesse der Verfahrensbeschleunigung grundsätzlich abträgliches Nebeneinander von Schlichtungs-/Schiedsgerichtsverfahren einerseits und gerichtlichem selbstständigen Beweisverfahren andererseits vermieden. Nachdem die Feststellungen des im isolierten Beweisverfahren beauftragten Sachverständigen für ein späteres schiedsrichterliches Verfahren gemäß § 13 Abs. 2 SOBau bindend im Sinne der §§ 412, 493 ZPO sind, wird über den Antrag einer Partei auf Begutachtung durch einen Sachverständigen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SOBau erst nach Anhörung der anderen Partei entschieden.
II. Muster M 9.5 Antrag auf Einleitung des isolierten BeweisverfahrensA1
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Einschreiben/RückscheinA2 Herrn …A3 Schlichtungsverfahren zwischen … und … gemäß Schlichtungsvereinbarung vom … und Schlichtervertrag vom … Sehr geehrter Herr …, im Rahmen des derzeit geführten Schlichtungsverfahrens stellen wir hiermit den Antrag, die Begutachtung durch einen Sachverständigen zu folgenden Fragen anzuordnen:A4
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Kap. 9 Rz. 38a
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 9.5
1. Die Aufzugsanlage im Bauteil … des Bauvorhabens … weist folgende Mängel auf: – Die Türen schließen nicht vollständig beim Einfahren in die Geschosse. – Die Aufzugskabine kommt beim Einfahren in die Geschosse nicht niveaugleich mit dem angrenzenden Geschossfußboden zum Stehen. 2. Die Ursache dieser Mangelerscheinungen liegt in einem Defekt der Steuerungsanlage der Aufzugsanlage begründet. 3. Der Mangel kann nur durch einen Austausch der Steuerungsanlage behoben werden. Der Sachverständige wird gebeten, den hierfür erforderlichen Aufwand anzugeben. Als Gutachter wird der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige … vorgeschlagen. Antragsgegner ist die Firma … als Auftragnehmerin des Gewerks Aufzuganlagen in Bezug auf das gegenständliche Bauvorhaben4. Ein selbstständiges Beweisverfahren vor einem ordentlichen Gericht zu den Beweisfragen ist nicht beantragt. Eine Begutachtung in einem schiedsrichterlichen Verfahren wurde nicht angeordnet.A5, A6 Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift)
Anmerkungen zu Muster M 9.5 38a
A1 Sachverhalt: Dem Mustertext liegt ein auftraggeberseitiger Antrag auf Einleitung des isolierten Beweisverfahrens zugrunde. Der Auftraggeber behauptet Mängel der vom Auftragnehmer eingebauten Aufzugsanlage und will die Mangelerscheinungen einschließlich Mangelursache und Mangelbeseitigungsaufwand festgestellt wissen. Selbstverständlich kann der Antrag auf Einleitung des isolierten Beweisverfahrens auch seitens des Auftragnehmers gestellt werden, wobei Zielrichtung neben der Feststellung des Zustandes der Bauleistung insbesondere auch die Feststellung von Ursache und Auswirkung einer Bauablaufstörung und einer hieraus resultierenden Behinderung sein kann.
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A2 Dokumentation Antragszugang: Im Hinblick auf die verjährungshemmende Wirkung (§ 11 Abs. 4 SOBau) des Antrages auf Einleitung des isolierten Beweisverfahrens ist sicherzustellen, dass der Zugang des Antrags beim Schlichter beweiskräftig dokumentiert wird.
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A3 Antragsadressat: Der Antrag muss gemäß § 11 Abs. 3 SOBau schriftlich bei dem Schlichter gestellt werden.
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A4 Antragsinhalt: Der Antrag muss die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, sowie den Antragsgegner bezeichnen, § 11 Abs. 3 Satz 1 SOBau.
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A5 Zulässigkeit: Als Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags gemäß § 11 Abs. 2 SOBau ist anzugeben, dass ein selbstständiges Beweisverfahren bei einem ordentlichen Gericht nicht anhängig ist und in einem schiedsrichterlichen Verfahren eine Begutachtung nicht angeordnet wurde.
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A6 Kosten: Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 SOBau sind die Kosten des isolierten Beweisverfahrens Kosten des Schlichtungsverfahrens oder schiedsrichterlichen Verfahrens. § 17 Abs. 3 Satz 2 SOBau stellt klar, dass den Parteien wegen der Kosten des Beweisverfahrens der ordentliche Rechtsweg zusteht, sofern es nicht zur Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens kommt.
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Schlichtung nach der SOBau
Rz. 46 Kap. 9
F. Exkurs: Streitbeilegung nach der SLBau Auch das von der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. und dem Deutschen Beton- 44 und Bautechnik-Verein e.V. neu herausgegebene Regelwerk, die SLBau (Streitlösungsordnung für das Bauwesen),1 beinhaltet Regelwerke zu Verfahren außergerichtlicher Streitlösung. Die SLBau löste zum 1.1.2010 die SGOBau (Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen) ab. Sie beinhaltet neben allgemeinen Verfahrensbestimmungen Regelungen zu Mediations(§ 11 ff.), Schlichtungs- (§ 15 ff.), Adjudikations- (§ 22 ff.) sowie Schiedsgerichtsverfahren (§ 30 ff.). Mithin wird nunmehr auch das Adjudikationsverfahren als Streitlösungsmodell erstmals implementiert. Damit bietet die SLBau gegenüber der SOBau ein größeres Spektrum an möglichen Verfahrensarten an, was auch deren erheblich größeren Umfang erklärt. Die Schlichtungsverfahren nach SOBau und SLBau unterscheiden sich in signifikanten 45 Einzelheiten. Nach § 15 Abs. 2 SLBau soll der im Verfahren eingesetzte Schlichter über besondere Kenntnisse in bautechnischen, baubetriebswirtschaftlichen und/oder in baurechtlichen Fragen sowie in der außergerichtlichen Streitbeilegung verfügen. Nach § 8 Abs. 2 SOBau soll der Schlichter hingegen die Befähigung zum Richteramt haben. Eine Regelung zur Förderung des Baufortschritts, wie in § 9 Abs. 3 SOBau vorgesehen, ist in der SLBau nicht enthalten. Der Schlichtungsvorschlag muss nach § 10 Abs. 2 SOBau von den Parteien binnen einer 2-Wochen-Frist angenommen werden, ansonsten gilt er als abgelehnt, während der Schlichterspruch nach § 18 Abs. 3 SLBau verbindlich ist, wenn nicht eine Partei binnen 2 Wochen nach Zustellung widerspricht. Gemeinsam ist beiden Verfahrensordnungen die Regelung des Rechts des Schlichters, das Bauvorhaben in Augenschein zu nehmen und hierzu die Baustelle zu betreten, sowie im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung fachkundige Dritte heranzuziehen.
1 Der Text sowie Mustervereinbarungen hierzu im Internet abrufbar unter: http://www.betonverein. de/upload/pdf/Fachthemen/SL_Bau_Fassung_1._Juli_2013_mit_Korrektur_September_2013.pdf
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46
Kapitel 10
Streitbeilegung in Verbrauchersachen nach dem VSBG
A. I. 1. 2. 3.
Streitbeilegungsstellen nach dem VSBG Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unionsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . Regelung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . Vorteile einer Tätigkeit als Streitmittler und einer branchenspezifischen Streitbeilegungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Überblick über ADR-Verfahren und ADR-Stellen i.S.d. Gesetzes . . . . . . . . . . . a) Das Anerkennungsverfahren . . . . . . . . b) Der Streitmittler und Hilfspersonal. . . c) Anwendungsbereich des VSBG und Verhältnis zu anderen ADR-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anforderungen an die Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwingende Ablehnungsgründe . . . . . . c) Fakultative Ablehnungsgründe . . . . . . d) Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verfahrensform . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anwaltliche Vertretung . . . . . . . . . . . . h) Verfahrensergebnis und (mangelnde) Vollstreckbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Kosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 10.1 Verfahrensordnung einer Verbraucherstreitbeilegungsstelle . . . M 10.2 Kostenordnung einer Verbraucherstreitbeilegungsstelle . . . . . . .
1 2 5 8 14 15 18 20 24 25 27 30 34 35 36 37 38 39 40 40 49
B. Vertragsbeziehungen, Verjährungshemmung und Informationspflichten I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsbeziehungen – Überblick a) Hauptvertrag Unternehmer – Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligungsvertrag Unternehmer – Streitbeilegungsstelle . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahrensvereinbarung Parteien – VSBG-Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Streitbeilegungsklausel Verbraucher – Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Abschlussvereinbarung Verbraucher – Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten beim Verfahren nach dem VSBG: Verjährungshemmung . . . . . 3. Informationspflichten der Unternehmer a) Vor Entstehung einer Streitigkeit. . . . . b) Nach Entstehung einer Streitigkeit . . .
62 63 65 68
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 10.3 Beteiligungsbereitschaft . . . . . . . .
69 69
C. I. 1. 2. 3.
Sonderfall: Schlichtungsvorschlag Einführung Schlichtung und Rechtsbindung . . . . . . . Maßstab „Ausrichten am Recht“ . . . . . . . Problem: Grenzüberschreitende Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
55 56 57 59 61
72 73 74
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 M 10.4 Schlichtungsvorschlag nach VSBG 81
A. Streitbeilegungsstellen nach dem VSBG Literatur: Berlin, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherkonflikten. Qualitätskriterien, Interessen, Best Practice, 2014; Braun/Klinder, Die neue ODR-VO, ZKM 2016, 17; de Palo/Branon u.a., ‚Rebooting‘ the Mediation Directive, Assessing the limited impact of its implementation and proposing measures to increase the number of mediations in the EU, 2014; Engel, Außergerichtliche Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten – Mehr Zugang zu weniger Recht, NJW 2015, 1633; Gössl, Ablehnungsgründe für das Verfahren, in Schmidt-Kessel (Hrsg.), Alternative: Streitschlichtung. Die Umsetzung der ADR-Richtlinie in Deutschland, 2015; Gössl, Das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen – Chancen und Risiken, NJW 2016, 838; Gössl, Verbraucherschlichtung im Handel mit ausländischen Verbrauchern gemäß § 19 VSBG, RIW 2016, 473-480; Greger, Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, MDR 2016, 365; Greger, Alternative Streitschlichtung: Die Umsetzung der ADR-Richtlinie in Deutschland, 7. Forum für Verbraucherrechtswissenschaft an der Universität Bayreuth am 12./13.3.2015, VuR 2015, 216; Greger, Infrastruktur der künftigen Verbraucherstreitbeilegung: Zugang und Organisation, ZZP (128) 2015, 137; Grupp, Auf dem Weg zu einer Privatjustiz: Eine neue europäische Streitkultur?, AnwBl. 2015, 186; Hakenberg, ADR und ODR – neue Vorgaben der
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 1 Kap. 10
Europäischen Union zur alternativen Streitbeilegung in Verbrauchersachen, EWS 2014, 181; Hilbig-Lugani, Die Auswirkung unerfüllter Schlichtungs- und Mediationsvereinbarungen auf die Zulässigkeit im Zivilprozess, ZZP (126) 2013, 463; Hirsch, Außergerichtliche Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten – ein alternativer Zugang zum Recht entsteht, NJW 2013, 2088; Hodges, Consumer Redress: Ideology and Empiricism, in Purnhagen/Rott (Hrsg.), Varieties of European economic law and regulation. Liber amicorum for Hans Micklitz, 2014; Klaes, Alternative Streitbeilegung für Verbraucher in der Telekommunikation, MMR 2015, 299; Kotzur, Der Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten – Fortschritt oder Rückschritt, VuR 2015, 243; Lederer, Grenzüberschreitender E-Commerce und internetbasierte Streibeilegung, Zusätzliche Informationspflichten für Online-Händler, CR 2015, 380; Löer, Erklärungsgebot zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung in der Klageschrift, ZKM 2015, 111; Niewisch-Lennartz, ADR-RL und Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – alternative Therapie ohne Diagnose?, ZKM 2015, 136; Nölting, Mediatorenverträge, 2003; Pelzer, Verbraucherschutz durch Schlichtung?, „Berücksichtigung des geltenden Rechts“ nach dem geplanten Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, ZKM 2015, 43; Pera, The European Union policies on access to justice and ADRs, Good intentions are not enough as „the way to hell is paved with …“, in Miranda (Hrsg.), Mediation in Europe at the cross-road of different legal cultures, 2014; Prütting, Alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten – Bindungswirkung und Vollstreckung, in Schmidt-Kessel, (Hrsg.), Alternative: Streitschlichtung. Die Umsetzung der ADR-Richtlinie in Deutschland, 2015; Rühl, Alternative und Online-Streitbeilegung in Verbrauchersachen – Neues aus Brüssel, ZRP 2014, 8; Schmidt-Kessel, Schlußwort, in BMELV (Hrsg.), Alternative Streitbeilegung – Reden statt Klagen, 2013; Schmitt, Branchenschlichtungsverfahren (Ombudsmann der öff. Banken) – (k)eine Alternative: keine Verbesserung durch ADR-Richtlinie RL 2013/11/EU, VuR 2015, 134; Schüttel, Streitbeilegung im Internet – Zukunft oder Irrweg?, 2014; Thole, Das neue Mediationsgesetz, Mediation im und an der Schnittstelle zum Zivilprozess, ZZP (127) 2014, 339; Wiemers, Die Umsetzung der so genannten ADR-Richtlinie in nationales Recht, WiVerw 2014, 291.
I. Einführung Seit dem 1.4.2016 gilt in Deutschland das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in 1 Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG). Das Gesetz geht auf die EU-Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ADRRichtlinie)1 zurück. Die Richtlinie soll zusammen mit der EU-Verordnung über die OnlineBeilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ODR-Verordnung)2 bestimmte ADR-Verfahren im Unternehmer-Verbraucher-Verhältnis koordinieren und stärken. Bei der Umsetzung im Vordergrund steht aus Sicht des deutschen Gesetzgebers das Schlichtungsverfahren, d.h. ein Verfahren, in dem ein unabhängiger Dritter den Parteien einen Lösungsvorschlag zur Beilegung der Streitigkeit macht und die Parteien diesen annehmen können. Auch die Praxis bevorzugt zurzeit vor allem Schlichtermodelle. Es wird deswegen hier das Gesetz mit Fokus auf diese Verfahrensform vorgestellt. In einigen Branchen ist die Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren obligatorisch.3 Im Übrigen sind die Unternehmen frei darin, sich an den Verfahren zu beteiligen.4
1 RiLi 2013/11/EU v. 21.5.2013, ABl. EU L 165 v. 18.6.2013, 63, über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten). 2 VO (EU) Nr. 524/2013 v. 21.5.2013, ABl. EU L 165 v. 18.6.2013, 1, über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten). 3 Z.B. gem. § 191f BRAO, § 57a LuftVG, § 111b EnWG. 4 Greger, MDR 2016, 365 (365); Hirsch, NJW 2013, 2088 (2090).
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Kap. 10 Rz. 2
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
1. Unionsrechtlicher Hintergrund 2
Das VSBG geht auf die Bemühungen der EU zurück, den Verbraucher darin zu stärken, seine Rechte tatsächlich zu verfolgen, insbesondere in grenzüberschreitenden Fällen und im elektronischen Geschäftsverkehr. Eine effektive Durchsetzung des unionsrechtlichen Verbraucherrechts scheiterte daran, dass viele Verbraucher vor Verfahren mit geringem Streitwert und verhältnismäßig hohem Aufwand oder großer Unsicherheit bezüglich des Ausgangs zurückschreckten. Eine gerichtliche Verfolgung scheiterte an psychologischen und emotionalen Hürden.1 Diese Hürden sollen die EU-Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ADR-Richtlinie) und die EU-Verordnung über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ODR-Verordnung), welche das VSBG ins deutsche Recht umsetzt, verringern.2 Sie sollen neben den Gerichtsverfahren Alternativen etablieren, in denen der Verbraucher durch ein unbürokratisches, kosten- und zeitgünstiges Verfahren seine Rechte verfolgen kann.3 Damit soll das Vertrauen des Verbrauchers gestärkt werden, auch vor Distanzgeschäften (z.B. im EU-Ausland aber auch deutschlandweit) und einem möglichen Rechtsstreit nicht zurückzuschrecken.4
3
Die ODR-Verordnung ergänzt die ADR-Richtlinie im Bereich des E-Commerce. Sie etabliert auf EU-Ebene eine Plattform, die grenzüberschreitende Online-Streitbeilegungsverfahren im E-Commerce koordiniert, indem sie eine Liste mit Stellen vorhält, welche die Qualitätsanforderungen der Richtlinie erfüllen. Eine anerkannte ADR-Stelle muss zudem einen Link auf die Webseite der Plattform setzen.5
4
Die EU-Plattform findet sich unter https://webgate.ec.europa.eu/odr/ und ist seit Mitte Februar 2016 operationsfähig. 2. Regelung in Deutschland
5
Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass für jedes Unternehmen mit Sitz in ihrem Territorium ein ausreichendes Angebot an Streitbeilegungsstellen besteht, bei denen Verfahren i.S.d. ADR-RL durchgeführt werden.6 Das VSBG setzt diese Vorgabe dergestalt um, dass mangels einer sonstigen privaten Stelle die Unternehmer subsidiär auf die „Universalschlichtungsstellen“ (§§ 29 ff. VSBG) zurückgreifen können. Jedenfalls von 2016 bis 2019 ist eine bundesfinanzierte Allgemeine Schlichtungsstelle beim Zentrum für Schlichtung e.V. in Kehl angesiedelt. Die Webseite der Schlichtungsstelle findet sich unter https:// www.verbraucher-schlichter.de. Bereits vorher nahm ebenfalls in Kehl der „Online-Schlichter“ am Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V.7 im E-Commerce die Funktion einer freiwilligen Schlichtungsstelle wahr, die von einer Reihe von Bundesländern und Wirt-
1 Laut Hodges in Purnhagen/Rott (Hrsg.), Varieties of European economic law and regulation, 2014, 798, und Europäische Kommission, Special Eurobarometer 395 „European Small Claims Procedure“, 2013, 37 ff., gaben Verbraucher folgende Minimalbeträge an, um in ihrem Heimatland vor Gericht zu gehen: 726 Euro im EU-Durchschnitt, 657 Euro in Deutschland. Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten erhöhte dieser Wert sich noch deutlich. Typischerweise nicht vor Gericht gingen ältere Menschen (. 55 Jahre), Personen ohne Schulabschluss und solche, die keinen Computer nutzen. 2 Schüttel, Streitbeilegung im Internet – Zukunft oder Irrweg?, 2014, S. 285 ff. 3 Pera in Miranda (Hrsg.), Mediation in Europe, 2014, 99; Engel, NJW 2015, 1633 ff.; Hirsch, NJW 2013, 2088 (2088 ff.); Rühl, ZRP 2014, 8 (11). 4 Gössl, NJW 2016, 838 (838). 5 Ausführlich: Braun/Klinder, ZKM 2016, 17 (17 f.). 6 Greger, MDR 2016, 365 (365 ff.). 7 http://www.cec-zev.eu/.
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 10 Kap. 10
schaftsakteuren gefördert wird.1 Nach Ablauf dieser Anlaufphase soll es Ländersache sein, für ihr jeweiliges Territorium eine Universalschlichtungsstelle bereitzuhalten. Die von der ADR-RL und dem VSBG verlangten Qualitätsanforderungen werden dadurch 6 gewährleistet, dass eine Stelle sich nur als „Verbraucherstreitbeilegungsstelle“ bezeichnen darf und auf die EU-Liste gelangen kann, wenn sie vorher ein mitgliedstaatliches Anerkennungsverfahren, in Deutschland beim Bundesamt für Justiz, durchlaufen hat.2 Andere ADR-Stellen, welche die Anerkennung nicht beantragen, bleiben unberührt. Sie dürfen nur die Bezeichnung nicht führen und sind auf der offiziellen Liste3 nicht auffindbar, was einen Wettbewerbsnachteil darstellen kann. In grenzüberschreitenden Fällen erleichtert die ODR-Plattform darüber hinaus die 7 Durchführung der (nationalen) Verfahren sowohl sprachlich als auch organisatorisch.4 In Deutschland wird diese Koordinierung gespiegelt durch das Bundesamt für Justiz, welches „Zentrale Anlaufstelle“ und Kontaktstelle innerhalb Deutschlands ist und Verfahren in Deutschland, später auch die Zuständigkeiten in den einzelnen Bundesländern, mit der EU-Plattform koordiniert (§§ 32 ff. VSBG). Darüber hinaus kontrolliert das Bundesamt, ob die Stellen die Vorgaben des VSBG einhalten. 3. Vorteile einer Tätigkeit als Streitmittler und einer branchenspezifischen Streitbeilegungsstelle Es bietet Vorteile, an einer Schlichtungsstelle mitzuwirken, sowohl für Anwälte mit Erfah- 8 rung in ADR als auch für Unternehmen, die ihre Wahrnehmung als kundenfreundlich erhöhen möchten, als auch für Verbraucher. Die Einrichtung einer eigenen Stelle ist aber mit viel Aufwand verbunden. Aus Sicht eines Anwalts mit Schwerpunkt in ADR-Fragen stellt sich die Überlegung, selbst 9 bei einer Stelle als Streitmittler mitzuwirken, denn der Streitmittler muss Volljurist oder zertifizierter Mediator nach § 6 MediationsG i.V.m. ZMediatAusbV5 sein und Kenntnisse im Verbraucherrecht und der Streitbeilegung nachweisen (§ 6 Abs. 2 VSBG).6 Jede Stelle muss mindestens einen Streitmittler und einen gleichermaßen qualifizierten Vertreter vorhalten (§ 6 Abs. 1 VSBG). Dieser soll auf mindestens drei Jahre berufen werden und kann nur aus Gründen krasser Verfehlung oder Verhinderung abberufen werden (§ 8 VSBG). Darüber hinaus ist es für Unternehmen oder Vertreter bestimmter Wirtschaftszweige über- 10 legenswert, eine branchenspezifische Streitbeilegungsstelle einzurichten oder sich bereits bestehenden Einrichtungen anzuschließen, wie diese zum Beispiel bei einigen Handwerkskammern7 oder in anderen Bereichen8 existieren. Dadurch, dass die Unternehmen eine 1 https://www.online-schlichter.de. 2 Greger, MDR 2016, 365 (365 f.); Klaes, MMR 2015, 299 (299). 3 https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen/Verbraucherschutz/Liste_Verbraucher schlichtungsstellen.pdf?__blob=publicationFile&v=10. 4 Hakenberg, EWS 2014, 181 (189 f.); Lederer, CR 2015, 380 (381 f.). 5 Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungs-Verordnung – ZMediatAusbV) v. 21.8.2016, BGBl. I 2016, 1994, Inkrafttreten: 1.9.2017. 6 Grupp, AnwBl 2015, 186 (195). 7 http://www.hwk-aachen.de/beratung/rechtsberatung/schlichtungsstelle.html; https://www.muen chen.ihk.de/de/recht/Mediation__Schiedsgericht/IHK-MediationsZentrum. 8 Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern: http://www.nord deutsche-schlichtungsstelle.de/; Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. (söp): http://www.soep-online.de/; Schlichtungsstelle Energie: https://www.schlichtungsstelle-energie.de/ oder der Versicherungsombudsmann: http://www.versicherungsombudsmann.de/home.html.
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Kap. 10 Rz. 11
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
Stelle wählen können, die sich in der Branche auskennt und die Interessen beider Parteien nachvollziehen kann, können sie zugleich sicherstellen, dass ihre Interessen nicht ignoriert oder fehlverstanden werden. 11
Für Verbraucher empfiehlt sich eine Teilnahme, solange der Unternehmer Kooperationsbereitschaft signalisiert, es sei denn, der Verbraucher will zugleich die Klärung einer grundlegenden Rechtsfrage erreichen oder hat Interesse an einer endgültigen Entscheidung bei klarer Rechtslage.1 Schlichtung als Verfahrensart bietet einen weiteren Vorteil: Selbst wenn das Verfahren im Ergebnis erfolglos bleibt, enthält der Schlichtungsvorschlag eine objektive Beurteilung des Sachverhalts, die Hinweise auf den Erfolg eines späteren Prozesses geben kann.2
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Die Beteiligung an einem Verfahren oder auch insgesamt an einer Streitbeilegungsstelle bietet eine Reihe von Vorteilen, insbesondere Zeit-, Kosten- und Ressourcenersparnis,3 selbst wenn das Verfahren (abhängig von der jeweiligen Stelle) nicht kostenlos ist. Hierbei lässt sich auf die Ausführungen zu Schiedsverfahren, Schiedsgutachten und Mediation verweisen (ausführlich etwa Kap. 22 Rz. 15). In der Regel liegen die Verfahrenskosten deutlich unter denen eines Gerichts- oder Schiedsverfahrens. Typischerweise ist die beidseitige Akzeptanz einer gemeinsam erzielten Lösung deutlich höher als bei einer gerichtlichen Entscheidung. Hinzu kommen „weiche“ wirtschaftliche Faktoren: Eine Schlichtungsstelle und die Bereitschaft, gemeinsam eine Lösung zu suchen, statt vor Gericht zu ziehen oder Marktmacht auszunutzen, verbessern die Reputation und erhöhen Kundenbindung und Kundenvertrauen. Das Hinarbeiten auf eine einvernehmliche Konfliktlösung stellt sich als Teil eines guten Kundenservices dar, wodurch auch negative Publizität verringert wird.4 Laut verschiedener Studien5 rentieren sich außergerichtliche Konfliktlösungsverfahren für Unternehmen bereits, wenn (unterste Schätzungen) 25-30 % der anhängigen Streitigkeiten einer Einigung zugeführt werden.
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Bei der Einrichtung einer solchen Stelle ist zu beachten, dass eine Stelle, die von einem Verband getragen wird, der Unternehmerinteressen wahrnimmt, oder von einem solchen Verband finanziert wird, einen Verbraucherverband i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG bei der Einrichtung der Stelle, ihrer Verfahrensordnung und der Bestellung des Streitmittlers beteiligen muss (§ 9 VSBG). 4. Überblick über ADR-Verfahren und ADR-Stellen i.S.d. Gesetzes
14
Primäre Quelle, um nachzuvollziehen, ob eine Streitbeilegungsstelle die Voraussetzungen des VSBG erfüllt, ist ihre (obligatorische) Verfahrensordnung. Darüber hinaus muss die Stelle in regelmäßigen Abständen Berichte über ihre Tätigkeit verfassen, welche im Nachhinein ebenfalls Auskunft darüber geben können, ob die Vorschriften des VSBG eingehalten wurden und in welcher Weise die Verfahrensordnung angewendet wurde. Auch kann die anerkennende Behörde anlassbezogen Überprüfungen durchführen.
1 2 3 4 5
Greger, MDR 2016, 365 (367 f.); Löer, ZKM 2015, 111 (112). Dazu Engel, NJW 2015, 1633 (1636). Greger, MDR 2016, 365 (366 f.); Klaes, MMR 2015, 299 (299). Greger, VuR 2015, 216 (219); Kotzur, VuR 2015, 243 (251); Schmitt, VuR 2015, 134 (138 f.). De Palo/Branon/D’Urso/Trevor/Canessa/Cawyer/Florence, ‚Rebooting‘ the Mediation Directive, 2014, 119 m.w.N.; die Studien zeigen eine ADR-freundliche Tendenz und sind daher vorsichtig zu lesen.
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 19 Kap. 10
a) Das Anerkennungsverfahren Primär regelt das VSBG, unter welchen Voraussetzungen eine Stelle sich „Verbraucher- 15 streitbeilegungsstelle“ nennen darf, nämlich wenn sie Verfahren i.S.d. VSBG durchführt und behördlich anerkannt oder beauftragt oder durch Gesetz eingerichtet wurde (§ 1 Abs. 1 VSBG). Die Anerkennungsentscheidung stellt einen gebundenen Verwaltungsakt dar (§ 24 VSBG), der auch unter Auflagen erfolgen und widerrufen werden kann, wenn die Eignung der Stelle entfällt und Änderungsauflagen durch die Behörde erfolglos geblieben sind (§ 26 VSBG).
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Für die Anerkennung zuständig ist, solange keine speziellen Regelungen vorhanden sind, das Bundesamt für Justiz (§ 27 VSBG). Es prüft im Anerkennungsverfahren, ob die Stelle, die Personen, welche die konkreten Verfahren durchführen (Streitmittler) und insbesondere die zwingend erforderliche Verfahrensordnung den rechtsstaatlichen und inhaltlichen Anforderungen des VSBG genügen. Dadurch regelt das VSBG zugleich, welche rechtsstaatlichen Anforderungen notwendig sind. Dies sind insbesondere Neutralität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Stelle und Streitmittler (§§ 3 ff. VSBG).1
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b) Der Streitmittler und Hilfspersonal Der Streitmittler muss Volljurist oder zertifizierter Mediator nach § 6 MediationsG 18 i.V.m. ZMediatAusbV2 sein und Kenntnisse im Verbraucherrecht und der Streitbeilegung haben (§ 6 Abs. 2 VSBG). Hinzu kommt, dass hohe Anforderungen an seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gestellt werden:3 Er darf in den letzten drei Jahren vor seiner Bestellung weder für ein Unternehmen, noch einen Unternehmensverband, noch ein mit einem Unternehmen verbundenes Unternehmen, noch einen Verbraucherinteressenverband in dem konkreten Wirtschaftsbereich der Stelle tätig gewesen sein (§ 6 Abs. 3 VSBG). Alternativ kann ein Gremium bestellt werden, welches dann paritätisch von Unternehmer- und Verbraucherinteressenvertretern besetzt sein muss (§ 6 Abs. 5 VSBG). Sollten sich darüber hinaus konkrete Befangenheitsgründe ergeben, muss dies, vergleichbar einem Schiedsrichter nach § 1036 f. ZPO, den Parteien offengelegt werden und diese können seine Tätigkeit ablehnen (§ 6 Abs. 4 VSBG). Unklar ist, ob auch Hilfspersonal diesen Anforderungen genügen muss (z.B. Referendare, 19 Praktikanten oder Sekretariatsmitarbeiter).4 Die Richtlinie stellt nicht nur auf die Streitmittler, sondern auf alle natürlichen Personen ab, die mit der Streitbeilegung „betraut“ sind, das heißt inhaltlich an der Entscheidung mitwirken. Diese Personen müssen Interessenkonflikte offenlegen und bei Interessenkonflikten vom Fall Abstand nehmen (Art. 6 ADR-RL).
Û
Hinweis: Eine Verfahrensordnung sollte eine interne Offenlegungspflicht auch für Hilfspersonen vorsehen und diese dazu verpflichten, bei Interessenkonflikten vom Fall Abstand zu nehmen.5
1 Klaes, MMR 2015, 299 (300). 2 Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-MediatorenAusbildungs-Verordnung – ZMediatAusbV) v. 21.8.2016, BGBl. I 2016, 1994, Inkrafttreten: 1.9.2017. 3 Greger, MDR 2016, 365 (365 f.). 4 BT-Drs. 18/5089, 55; Berlin, Alternative Streitbeilegung, 2014, 137; vgl. auch 287. 5 Vgl. Gössl, NJW 2016, 838 (840).
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Kap. 10 Rz. 20
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
c) Anwendungsbereich des VSBG und Verhältnis zu anderen ADR-Verfahren 20
Die ADR-RL erfasst zivilrechtliche Streitigkeiten aus Kauf- und Dienstleistungsverträgen im B2C-Bereich (Business-to-Consumer), in denen der Verbraucher Antragsteller ist.1 „Dienstleistungen“ ist dabei unionsautonom und weit zu verstehen und erfasst auch Werkverträge oder Geschäftsbesorgungsverträge nach deutschem Recht.2 Das VSBG erlaubt eine Ausweitung auf andere Vertragstypen, Arbeitsverträge ausgenommen (§ 4 Abs. 1 VSBG a.E.). Auch kann die Stelle Verfahren zulassen, welche vom Unternehmer beantragt werden.
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Umgekehrt können die Stellen ihre Zuständigkeit auch auf bestimmte Branchen oder Rechtsbereiche beschränken, oder auch ausweiten auf Streitigkeiten im B2B- (Business-toBusiness) oder C2C-(Consumer-to-Consumer) Bereich oder solche, in denen der Unternehmer Antragsteller ist (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 3 VSBG).3 Fälle der Ausweitung oder Beschränkung der Zuständigkeit muss die Stelle in ihrer Verfahrensordnung angeben.
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Das VSBG ergänzt die bestehende ADR-Landschaft: Die Mediation ist ein Unterfall der erfassten ADR-Verfahren, wobei die Mediations-Richtlinie4 der ADR-Richtlinie vorgeht (Art. 3 Abs. 2 ADR-RL).5 Parallel hierzu ergänzen die Vorschriften des MediationsG, mit Ausnahme von § 2 Abs. 1, das VSBG und gehen als Spezialvorschriften vor (§ 18 VSBG). Der Richter kann i.R.d. § 278a ZPO (auch) die Durchführung eines Verfahrens nach dem VSBG anregen. Auch gilt ein Verfahren nach dem VSBG als Einigungsverfahren i.S.d. § 15a Abs. 3 Satz 1 EGZPO (ausführlich hierzu Schwarzmann, Kap. 8).
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Nicht erfasst werden Verfahren, die dem Verbraucher eine verbindliche Entscheidung auferlegen oder ihn davon abhalten, die staatliche Gerichtsbarkeit anzurufen, d.h. Schiedsverfahren (vgl. §§ 1026, 1031 ZPO). Nur der Unternehmer kann sich bereits im Vorfeld verpflichten, einen späteren Schlichtungsvorschlag als bindend zu akzeptieren (§ 19 Abs. 4 VSBG). Ebenso sind unternehmensinterne Streitbeilegungsverfahren oder Kundenserviceanfragen (§ 1 Abs. 2 VSBG) nicht vom VSBG erfasst (§ 5 Abs. 2 VSBG). 5. Anforderungen an die Verfahrensgestaltung
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Das Verfahren soll einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten und effektiv, transparent, fair und zügig vonstattengehen (Art. 1 ADR-RL). Den Stellen wird in der konkreten Ausgestaltung viel Freiraum zugestanden. Einige Eckpunkte sind gesetzlich vorgegeben. Es bestehen weitgehend Parallelen zwischen der Universalschlichtungsstelle und den privaten Schlichtungsstellen. a) Antragstellung
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Wie auch beim Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO handelt es sich um ein Antragsverfahren, typischerweise durch den Verbraucher. Die Schlichtungsordnung muss ansonsten ausdrücklich vorsehen, dass auch der Unternehmer Antragsteller sein darf.6 Der Antrag bei der zuständigen Stelle hemmt die Verjährung.
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Hirsch, NJW 2013, 2088 (2089); Wiemers, WiVerw 2014, 291 (301 f.). Gössl, RIW 2016, 473 (474). Greger, MDR 2016, 365 (366). RiLi 2008/52/EG v. 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (Mediations-RL). 5 Z.B. Thole, ZZP 2014, 339 (342). 6 Greger, MDR 2016, 365 (367 f.).
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
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Rz. 29 Kap. 10
Hinweis: Die Streitbeilegungsstelle muss das Verfahren grundsätzlich durchführen. Etwas anderes gilt nur, wenn einer der enumerativ genannten, zwingenden Ablehnungsgründe vorliegt oder die Stelle ausdrücklich in ihrer Verfahrensordnung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, zusätzliche, ebenfalls enumerativ aufgelistete, fakultative Ablehnungsgründe vorzusehen.
Kosten, welche durch eine fehlerhafte Ablehnung entstehen, etwa weitere Anwaltskosten, 26 können bei der privaten Stelle als Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB) oder bei der Universalschlichtungsstelle aus Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 30 Abs. 3 VSBG) und öffentlich-rechtlichem Schuldverhältnis (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB analog) geltend gemacht werden. b) Zwingende Ablehnungsgründe – Unzuständigkeit (§§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 1 VSBG): Zwingender Ablehnungs- 27 grund ist die Unzuständigkeit der Stelle, sei es aus sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit. Beides ergibt sich jeweils aus der Verfahrensordnung, da die Stellen die Möglichkeit haben, ihre Zuständigkeit gegenüber den Vorgaben der Richtlinie oder des VSBG auszuweiten. Subsidiär ist die Universalschlichtungsstelle zuständig, aber nur, wenn der Anwendungsbereich der ADR-RL berührt ist, d.h. der Antrag vom Verbraucher gestellt wurde und es sich um Ansprüche aus einem Vertrag über Warenkauf oder Dienstleistungen handelt. Wird die Universalschlichtungsstelle angerufen, obwohl eine andere Stelle zuständig ist, teilt erstere mit ihrer Ablehnung dem Verbraucher gem. § 30 Abs. 3 VSBG mit, welche Stelle zuständig ist. Dies stellt keine bindende Verweisung für die private Stelle dar, denn § 30 Abs. 3 VSBG betrifft nur das Verhältnis zwischen Antragsteller und Stelle. Ignoriert die Stelle aber die Einschätzung der Universalschlichtungsstelle, kann dies auf die Dauer mit dem Risiko behaftet sein, die Anerkennung als „Verbraucherschlichtungsstelle“ zu verlieren. Im Moment stellt sich das Problem noch nicht, weil statt der Universalschlichtungsstelle eine allgemeine Schlichtungsstelle existiert, die die Auffangfunktion wahrnimmt. – Vorherige Geltendmachung des Anspruchs (§§ 14 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5, 30 Abs. 1 Nr. 5 28 VSBG): Der Anspruch muss gegenüber dem Anspruchsgegner geltend gemacht worden sein und diesem muss ein Zeitraum von zwei Monaten zum Anerkennen gewährt werden. Gegebenenfalls kann die Stelle das Verfahren hierzu – verjährungshemmend1 – aussetzen. Bei der Universalschlichtungsstelle führt die Anerkennung im Verfahren zu einer Gebührenreduzierung für den Unternehmer (§ 31 Abs. 2 VSBG). – Offensichtliche Erfolglosigkeit/Mutwilligkeit (§§ 14 Abs. 1 Nr. 3, 30 Abs. 1 Nr. 6 29 VSBG): Ist der Antrag „offensichtlich erfolglos“ oder erscheint „mutwillig“ wird das Verfahren ebenfalls zwingend nicht durchgeführt. Dies kann der Fall sein, wenn der Unternehmer sich (zu Recht) auf Verjährung beruft, die Streitigkeit beigelegt ist oder ein Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen Erfolglosigkeit in der Sache zurückgewiesen wurde. Der Ablehnungsgrund, der relativ viele Wertungen enthält und generell gefasst ist, muss restriktiv ausgelegt werden, damit er von der ADR-RL gedeckt ist: Art. 5 Abs. 4b) ADR-RL, auf den die Regelung zurückgeht, begrenzt die Ablehnung auf „mutwillige“ oder „schikanöse“ Anträge. Er enthält also ein vorwerfbares Element. Da die Ablehnungsgründe enumerativ und abschließend in Art. 5 Abs. 4 ADR-RL aufgeführt sind, darf das VSBG keine zusätzlichen, weiteren Gründe einführen. Das in § 14 Abs. 1 Nr. 3a) VSBG genannte Regelbeispiel zur Verjährung muss daher richtlinienkonform als zusätzlich „schikanös“ 1 BT-Drs. 18/6904, 81.
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Kap. 10 Rz. 30
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
gelesen werden. War etwa für den Antragsteller die Verjährung nicht erkennbar, etwa in einem unklaren Verjährungsfall, muss dies nicht zwangsläufig zur Ablehnung führen.1 c) Fakultative Ablehnungsgründe Die ADR-RL gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den Stellen fakultative Ablehnungsgründe zu erlauben. Davon wurde im VSBG teilweise Gebrauch gemacht in §§ 14 Abs. 2, 30 Abs. 2 VSBG. Diese Gründe müssen in der Verfahrensordnung deutlich genannt werden. 31 – Anderweitige Anhängigkeit: Zulässig ist eine Ablehnung, wenn bereits ein Verfahren in der Sache vor einer Streitbeilegungsstelle oder einem Gericht anhängig war oder ist. Eine Ablehnung ist allerdings nicht mit dieser Begründung zulässig, wenn ein Gericht ein bei ihm anhängiges Verfahren gem. § 278a Abs. 2 ZPO zur Schlichtung verwiesen hat (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VSBG). 32 – Schwellenwerte: Ebenfalls darf die Stelle Schwellenwerte zur Durchführung des Verfahrens festlegen, sowohl nach oben als auch nach unten (Mindest- oder Höchststreitwert). Da es vor allem Ziel des Gesetzes ist, geringwertige Streitigkeiten einem Verfahren zuzuführen (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 und 3 VSBG), müssen diese Schwellenwerte berücksichtigen, welche Streitwerte in den Verbraucherverfahren, die in ihrem sachlichen Zuständigkeitsbereich liegen, branchentypisch sind. Auf keinen Fall darf ein Schwellenwert dazu führen, dass der Großteil der typischen Verfahren hierdurch vom Verfahren ausgeschlossen wird. Minimalwerte sollten daher nur äußerst zurückhaltend festgelegt werden.2 Die Regelung zur Universalschlichtungsstelle legt gesetzlich fest, dass nur Streitigkeiten zwischen 10 und 5000 Euro geltend gemacht werden dürfen (§ 30 Abs. 2 Nr. 4 VSBG), sodass allgemeine Verbraucherstreitigkeiten jedenfalls auch in diesem Bereich anzusiedeln sind. Die anerkennende Behörde wiederum kann die Verfahrensordnung (und die spätere Ablehnungspraxis) darauf überprüfen, ob die Schwellenwerte angemessen sind oder gerade typische Streitigkeiten vom Verfahren ausschließt. 33 – Beeinträchtigung des effektiven Betriebs: Ein weiterer fakultativer Ablehnungsgrund ist der, dass die Durchführung des Verfahrens den effektiven Betrieb der Stelle ernsthaft beeinträchtigt. Als Regelbeispiele werden genannt, dass etwa die Rechts- oder Tatsachenlage nur mit erheblichem Aufwand geklärt werden könnten oder eine entscheidungserhebliche grundsätzliche Rechtsfrage zu klären ist. Ein Tatbestand wie der letzte (grundsätzliche Rechtsfrage) ist in der ADR-RL nicht vorgesehen. Auch hier gilt das oben Ausgeführte: Die Ablehnungsgründe sind in der Richtlinie enumerativ vorgegeben. In den letzteren Ablehnungsgrund muss daher richtlinienkonform hineingelesen werden, dass die Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage erheblichen Mehraufwand bei der Verfahrensdurchführung schaffen würde, denn eine klärungsbedürftige grundsätzliche Rechtsfrage beeinträchtigt nicht stets die effektive Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens (sondern kann dieses sogar fördern). Auch der Tatbestand eines sonstigen von der ADRRL vorgegebenen Ablehnungsgrunds ist nicht ersichtlich.3 30
d) Verfahrensdauer 34
Das Verfahren soll maximal 90 Tage dauern, nachdem die „vollständige Beschwerdeakte“ vorliegt (§ 20 Abs. 2 VSBG). Liegen besondere Gründe vor, etwa eine besondere Schwierigkeit der Streitigkeit, kann das Verfahren verlängert werden. Die Streitbeilegungsstelle hat dies dann den Parteien mitzuteilen. 1 Vgl. Gössl in Schmidt-Kessel (Hrsg.), Alternative: Streitschlichtung, 2015, 67 (80). 2 Schmidt-Kessel in BMELV (Hrsg.), Alternative Streitbeilegung – Reden statt Klagen, 2013, 59 (60). 3 Hirsch, NJW 2013, 2088 (2092).
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 38 Kap. 10
e) Verfahrensform Viele Fragen sollen vom Off- auf den Online-Bereich verlagert werden, parallel zum zuneh- 35 menden Einsatz von Online-Medien für den täglichen Konsum.1 Eine Stelle, welche nur ODR-Verfahren anbietet, erfüllt aber die Voraussetzungen des VSBG nicht: Zugang muss auf beiden Wegen gewährt werden (Art. 8 lit. a) ADR-RL), sodass die „Non-Liner“ nicht vom Verfahren ausgeschlossen werden.2 f) Rechtliches Gehör Rechtliches Gehör muss gewährt werden, allerdings reicht der Online- oder Offline-Schrift- 36 verkehr zur Wahrung aus. Eine mündliche Erörterung ist also nicht notwendig. Dies kann der Verfahrensbeschleunigung dienen, insbesondere wenn das Verfahren online abläuft. Aus § 19 Abs. 1 VSBG lässt sich entnehmen, dass das Verfahren nur im Fall der Schlichtung (s.u.) am geltenden Recht ausgerichtet sein muss.3 g) Anwaltliche Vertretung Die Parteien können sich nach dem RDG vertreten lassen (§ 13 Abs. 1 VSBG), nicht aber 37 durch einen sonstigen Dritten.4 § 13 VSBG verdrängt hier §§ 164 ff. BGB. Ob dies den Anforderungen der Richtlinie genügt, ist zweifelhaft. Die Richtlinie lässt auch die Vertretung durch einen Dritten zu. Es stellt einen Zugangsnachteil für den Verbraucher dar, wenn dieser zwingend einen Anwalt vergüten oder selbst tätig werden muss. Auch tritt nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB die Verjährungshemmung bei Einlegung eines wirksamen Antrags ein, was nach der h.M. bei § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB Postulationsfähigkeit voraussetzt.5 Lässt sich also ein Verbraucher vertreten, muss die Vertretung nach dem VSBG den Maßgaben des RDG entsprechen, nach der ADR-RL ist dies gerade nicht erforderlich.
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Hinweis: Bis diese Frage höchstrichterlich geklärt ist, ist es für einen Verbraucher empfehlenswert, es nicht darauf ankommen zu lassen und, sollte die Verjährung im Raum stehen, persönlich den Antrag zu stellen oder sich nach dem RDG vertreten zu lassen. Für eine Stelle im Sinne des VSBG ist ratsam, das Vertretungserfordernis großzügig zu handhaben. Relevant werden kann die Vertretungsfrage etwa in Fällen, in denen eine Person parallele Ansprüche von Mehreren geltend macht, und es sich nicht um eine nach § 6 RDG zulässige Vertretung handelt.
h) Verfahrensergebnis und (mangelnde) Vollstreckbarkeit Endet das Verfahren in einem Schlichtungsvorschlag, den beide Parteien annehmen, ist dies als materiell-rechtliche Einigung und damit als Vertrag i.S.d. § 311 Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Das Verfahren schafft grundsätzlich keinen Vollstreckungstitel,6 es sei denn, die 1 Vgl. Figure 1 Eurostat: E-commerce statistics (Dezember 2014)., abrufbar unter http://ec.euro pa.eu/eurostat/documents/341889/7086793/e-commerce+statistics+December+2014.pdf. 2 BT-Drs. 18/5089, 58 f.; Hakenberg, EWS 2014, 181 (184). 3 Ähnlich Schmidt-Kessel laut Greger, VuR 2015, 216 (217). 4 BT-Drs. 18/5089, 59. 5 OLG Braunschweig, Entsch. v. 8.10.1956 – 2 UH 17/56, MDR 1957, 425 f.; Grothe in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2015, § 204 BGB Rz. 22 m.w.N.; vgl. BGH, Urt. v. 3.7.1980 – IV a ZR 38/80, MDR 1980, 1006 = NJW 1980, 2461 (2462); Urt. v. 8.1.2014 – XII ZR 12/13, MDR 2014, 454 = NJW 2014, 920 (921). 6 Hilbig-Lugani, ZZP 2013, 463 (464); Prütting in Schmidt-Kessel (Hrsg.), Alternative: Streitschlichtung, 2015, 157 (166).
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Kap. 10 Rz. 39
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
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Parteien suchen nachträglich einen Notar auf und lassen durch diesen eine vollstreckbare Urkunde aufsetzen oder sind beide anwaltlich vertreten und schließen zugleich einen Anwaltsvergleich i.S.d. § 796a ff. ZPO ab, der anschließend für vollstreckbar erklärt wird. i) Kosten 39
Für den Verbraucher soll das Verfahren kostenlos oder nahezu kostenlos sein. Die Gebühren für den Unternehmer können variieren, je nach konkreter Vereinbarung und konkreter Streitbeilegungsstelle (s.u.). Die Universalschlichtungsstelle darf allerdings Gebühren nur nach den in §§ 23, 31 VSBG festgelegten Maßstäben erheben.
II. Muster 40
M 10.1 Verfahrensordnung einer VerbraucherstreitbeilegungsstelleA1 §1 Zuständigkeit 1. Die Verbraucherschlichtungsstelle führt auf Antrag eines Verbrauchers Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten aus einem Verbrauchervertrag nach § 310 Abs. 3 BGB oder über das Bestehen eines solchen Vertragsverhältnisses durch.A2 2. Die Verbraucherschlichtungsstelle ist sachlich nicht zuständig für a) Streitigkeiten aus Verträgen über nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, b) Streitigkeiten aus Verträgen über Gesundheitsdienstleistungen, c) Streitigkeiten aus Verträgen über Weiter- und Hochschulbildung durch staatliche Einrichtungen, d) arbeitsvertragliche Streitigkeiten, e) Streitigkeiten, für deren Beilegung Verbraucherschlichtungsstellen nach anderen Rechtsvorschriften als denen des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes anerkannt, beauftragt oder eingerichtet werden, f) Streitigkeiten zwischen Unternehmern, zwischen Verbrauchern oder zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, sofern der Unternehmer der Antragsteller ist. 3. Antragsberechtigt sind Verbraucher gemäß § 13 BGB mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der Europäischen Union sowie den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Antragsteller), wenn Antragsgegner ein Unternehmen gemäß § 14 BGB mit Niederlassung in Deutschland ist.A3 §2 Ablehnungsgründe 1. Der Streitmittler lehnt die Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens ab, wenn a) die Streitigkeit nicht in die Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle fällt, b) der streitige Anspruch nicht zuvor gegenüber dem Antragsgegner geltend gemacht worden ist, c) der Antrag offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist oder mutwillig erscheint, insbesondere weil aa) der streitige Anspruch bei Antragstellung bereits verjährt war und der Unternehmer sich auf die Verjährung beruft, 146
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 40 Kap. 10
bb) die Streitigkeit bereits beigelegt ist, cc) zu der Streitigkeit ein Antrag auf Prozesskostenhilfe bereits mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint,A4 d) eine Verbraucherschlichtungsstelle bereits ein Verfahren zur Beilegung der Streitigkeit durchgeführt hat, e) die Streitigkeit bei einer anderen Verbraucherschlichtungsstelle anhängig ist, f) ein Gericht zu der Streitigkeit bereits eine Sachentscheidung getroffen hat oder die Streitigkeit bei einem Gericht anhängig ist, es sei denn, das Gericht ordnet nach § 278a Abs. 2 ZPO im Hinblick auf das Verfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle das Ruhen des Verfahrens an, g) der Streitwert einen Betrag in Höhe von 10 Euro unterschreitet oder 50 000 Euro überschreitet,A5 oder h) die Behandlung der Streitigkeit den effektiven Betrieb der Verbraucherschlichtungsstelle ernsthaft beeinträchtigen würde, insbesondere weil aa) die Verbraucherschlichtungsstelle den Sachverhalt oder rechtliche Fragen nur mit einem unangemessenen Aufwand klären kann, bb) eine grundsätzliche Rechtsfrage, die für die Bewertung der Streitigkeit erheblich ist, nicht geklärt ist.A6 2. Dem Antragssteller wird die Ablehnung in Textform und unter Angabe der Gründe mitgeteilt; wenn der Antragsgegner bereits kontaktiert wurde, erfolgt die Mitteilung auch an diesen. Die Verbraucherschlichtungsstelle soll die Ablehnungsentscheidung innerhalb von drei Wochen nach Eingang des vollständigen Antrags übermitteln.A7 3. Der Streitmittler kann die weitere Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens aus den in § 2.1 genannten Gründen ablehnen, wenn der Ablehnungsgrund erst während des Verfahrens eintritt oder bekannt wird. Der Ablehnungsgrund nach § 2.1.b greift nicht, wenn der Antragsgegner in die Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens einwilligt oder Erklärungen zur Sache abgibt. Die Ablehnung durch die Verbraucherschlichtungsstelle erfolgt in Textform unter Angabe der Gründe an die Parteien. 4. Der Streitmittler setzt das Streitbeilegungsverfahren aus, wenn der Antragsgegner geltend macht, dass seit der Geltendmachung des streitigen Anspruchs durch den Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner nicht mehr als zwei Monate vergangen sind, und der Antragsgegner den streitigen Anspruch in dieser Zeit weder anerkannt noch abgelehnt hat. Der Streitmittler lehnt die weitere Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens ab, wenn der Antragsgegner den streitigen Anspruch innerhalb von zwei Monaten seit dessen Geltendmachung vollständig anerkennt. Antragsteller und Antragsgegner werden hierüber in Textform informiert. Erkennt der Antragsgegner den streitigen Anspruch nicht innerhalb von zwei Monaten seit dessen Geltendmachung vollständig an, so setzt der Streitmittler das Verfahren nach Ablauf von zwei Monaten ab Geltendmachung des streitigen Anspruchs fort. Das Verfahren kann vor Ablauf dieser Frist fortgesetzt werden, wenn der Antragsgegner vorher in die Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren einwilligt. §3 Organisation der Verbraucherschlichtungsstelle, Streitmittler 1. Die Verbraucherschlichtungsstelle ist mit mindestens zwei Streitmittlern besetzt, welche als Einzelstreitmittler entscheiden. Die Verbraucherschlichtungsstelle verfügt ferner über eine Geschäftsstelle. Diese unterstützt die Streitmittler bei ihrer Tätigkeit. Die Streitmittler regeln für das Kalenderjahr die Geschäftsverteilung einschließlich einer Vertretungsregelung. 2. Die Streitmittler sind neutral, unabhängig und keinen Weisungen unterworfen. Sie sind für eine unparteiische und faire Verfahrensführung verantwortlich. Die Streitmittler verfügen über Gössl
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Kap. 10 Rz. 40
3.
4.
5.
6.
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 10.1
die Rechtskenntnisse, insbesondere im Verbraucherrecht, das Fachwissen und die Fähigkeiten, die für die Beilegung von Streitigkeiten erforderlich sind; sie besitzen die Fähigkeit zum Richteramt oder sind zertifizierter Mediator. Die Streitmittler werden für eine Dauer von drei Jahren durch den Vorstand des Vereins „Zentrum für Schlichtung“ bestellt. Vor einer Bestellung der Streitmittler ist der Beirat zu hören (mit Ausnahme der Bestellung der ersten beiden Streitmittler). Nach Ablauf seiner Amtszeit bleibt der Streitmittler bis zur Bestellung des Nachfolgers im Amt. Wiederbestellung ist zulässig. Ein Streitmittler kann nur abberufen werden, wenn Tatsachen vorliegen, die eine unabhängige und unparteiische Ausübung der Tätigkeit als Streitmittler nicht mehr erwarten lassen, der Streitmittler nicht nur vorübergehend an der Ausübung der Tätigkeit als Streitmittler gehindert ist oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt. Die Abberufung erfolgt durch den Vorstand mit Zustimmung des Verwaltungsrates nach Anhörung des Beirates. Die Streitmittler und die weiteren in die Durchführung des Streitbelegungsverfahrens eingebundenen Mitarbeiter der Verbraucherschlichtungsstelle sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes geregelt ist. Der Streitmittler ist verpflichtet, Umstände, die seine Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit beeinträchtigen können, dem Vorstand des Vereins „Zentrum für Schlichtung“, unverzüglich offenzulegen. Der Streitmittler hat den Parteien alle Umstände offenzulegen, die seine Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit beeinträchtigen können. Der Streitmittler darf bei Vorliegen solcher Umstände nur dann tätig werden, wenn die Parteien seiner Tätigkeit als Streitmittler ausdrücklich zustimmen. Andernfalls wird sein Vertreter in diesem Verfahren tätig. Wird ein Streitmittler von einer der Parteien wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, entscheidet sein Vertreter über diese Ablehnung. §4 Verfahrensgrundsätze
1. Die Verfahrenssprache ist Deutsch. 2. Vor Einschaltung der Verbraucherschlichtungsstelle hat der Antragsteller bereits den streitigen Anspruch gegenüber dem Antragsgegner geltend zu machen. Dies ist in geeigneter Weise im Antrag nachzuweisen. 3. Parteien des Streitbelegungsverfahrens sind Antragsteller und Antragsgegner. Jede Partei kann sich im Streitbeilegungsverfahren durch einen Rechtsanwalt oder durch eine andere Person, soweit diese zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen befugt ist, vertreten lassen. Die Vertretungsbefugnis ist nachzuweisen. 4. Es gilt der Beibringungsgrundsatz durch die Parteien. 5. Die Verbraucherschlichtungsstelle erhebt keinen Beweis. 6. Die Kommunikation zwischen der Verbraucherschlichtungsstelle und den Parteien soll grundsätzlich in Textform erfolgen. 7. Den Parteien steht in jeder Lage des Verfahrens der Weg zu den Gerichten offen. 8. Ergänzend gilt das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. §5 Antragstellung 1. Die Verbraucherschlichtungsstelle wird auf Antrag des Verbrauchers tätig. Der Antrag auf Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens muss in Textform (§ 126b BGB) erfolgen. 2. Der Antragsteller hat neben Name und Anschrift der Parteien eine präzise Sachverhaltsschilderung anzugeben und klar zum Ausdruck zu bringen, was sein Begehr ist. Dokumente, die den Sachverhalt belegen, können in Textform beigebracht werden. Es sollen entweder das 148
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 40 Kap. 10
Online-Formular direkt auf der Website der Verbraucherschlichtungsstelle oder ein von der Verbraucherschlichtungsstelle bereitgestelltes Formular verwendet werden. §6 Vorverfahren 1. Die Verbraucherschlichtungsstelle übersendet an den Antragsgegner a) den Antrag des Antragsstellers gemäß § 5 und b) die Aufforderung, zu erklären, ob er an einem Streitbeilegungsverfahren teilnehmen werde. Dies gilt nicht, wenn der Antrag offensichtlich nicht in den Zuständigkeitsbereich der Verbraucherschlichtungsstelle fällt oder unzulässig ist, weil er offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist. § 2.2 bleibt unberührt. 2. Die Verbraucherschlichtungsstelle muss den Antragsteller unverzüglich nach Eingang des Antrags auf Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens und den Antragsgegner zugleich mit der Übersendung des Antrags unterrichten, a) dass das Verfahren nach der Verfahrensordnung durchgeführt wird und dass deren Wortlaut auf der Webseite der Verbraucherschlichtungsstelle verfügbar ist und auf Anfrage in Textform übermittelt wird, b) dass die Parteien mit ihrer Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren der Verfahrensordnung der Verbraucherschlichtungsstelle zustimmen, c) dass das Ergebnis des Streitbeilegungsverfahrens von dem Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens abweichen kann, d) dass sich die Parteien im Streitbeilegungsverfahren von einem Rechtsanwalt oder einer anderen Person, soweit diese zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen befugt ist, beraten oder vertreten lassen können, e) dass die Parteien im Streitbeilegungsverfahren nicht durch einen Rechtsanwalt oder durch eine andere Person vertreten sein müssen, f) dass nach § 204 Abs. 1 Nr. 4a) BGB die Verjährung schon durch den Eingang des Antrags bei der Verbraucherschlichtungsstelle gehemmt wird, wenn dieser demnächst bekannt gegeben wird (siehe § 12), g) über die Möglichkeit einer Beendigung des Streitbeilegungsverfahrens nach § 9, h) über die Kosten des Verfahrens und i) über den Umfang der Verschwiegenheitspflicht des Streitmittlers und der weiteren in die Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens eingebundenen Personen. 3. Von der wiederholten Unterrichtung über die Informationen nach § 6.2 gegenüber einem Unternehmer, der regelmäßig an Streitbeilegungsverfahren der Verbraucherschlichtungsstelle teilnimmt und auf weitere Unterrichtungen verzichtet hat, kann abgesehen werden. 4. Die Verbraucherschlichtungsstelle stellt dem Antragsgegner, sobald dieser seine Bereitschaft erklärt hat, an dem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen, das Entgelt nach §§ 2.2, 2.3 der Kostenordnung in Rechnung und fordert ihn auf, den Betrag binnen vier Wochen zu zahlen. 5. Leistet der Antragsgegner auf die Aufforderung nach § 6.4 keine Zahlung, so setzt die Verbraucherschlichtungsstelle ihm eine Nachfrist von zwei Wochen. Erfolgt auch innerhalb der Nachfrist keine Zahlung, so gilt dies als Erklärung des Antragsgegners, das Streitbeilegungsverfahren nicht fortsetzen zu wollen. Der Antragsgegner ist mit der Nachfristsetzung auf die Folge nach § 6.5 Satz 2 hinzuweisen.
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Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
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§7 Hauptverfahren 1. Die Parteien erhalten rechtliches Gehör und können Tatsachen und Bewertungen vorbringen. Die Verbraucherschlichtungsstelle kann den Parteien eine angemessene Frist zur Stellungnahme setzen. Die Frist beträgt in der Regel drei Wochen und kann auf Antrag verlängert werden. 2. Den weiteren Gang des Verfahrens bestimmt die Verbraucherschlichtungsstelle nach freiem Ermessen unter Beachtung der Grundsätze der Unparteilichkeit und Billigkeit. Die Verbraucherschlichtungsstelle wirkt dabei so bald wie möglich auf eine gütliche Einigung der Parteien hin. Erzielen die Parteien eine solche, so übermittelt der Streitmittler den Parteien den Inhalt der Einigung über die Beilegung der Streitigkeit. §8 Schlichtungsvorschlag 1. Kommt eine gütliche Einigung der Parteien nicht zustande, unterbreitet der Streitmittler den Parteien einen Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit (Schlichtungsvorschlag). Der Schlichtungsvorschlag beruht auf der sich aus dem Streitbeilegungsverfahren ergebenden Sachlage. Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht ausgerichtet sein und soll insbesondere die zwingenden Verbraucherschutzgesetze beachten. Der Schlichtungsvorschlag ist mit einer Begründung zu versehen, aus der sich der zugrunde gelegte Sachverhalt und die rechtliche Bewertung des Streitmittlers ergeben. 2. Die Verbraucherschlichtungsstelle übermittelt den Parteien den Schlichtungsvorschlag in Textform. 3. Die Verbraucherschlichtungsstelle unterrichtet die Parteien mit der Übermittlung des Schlichtungsvorschlags über die rechtlichen Folgen einer Annahme des Vorschlags und darüber, dass der Vorschlag von dem Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens abweichen kann. Sie weist auf die Möglichkeit hin, den Vorschlag nicht anzunehmen und die Gerichte anzurufen. Die Verbraucherschlichtungsstelle setzt den Parteien eine angemessene Frist zur Annahme des Vorschlags. 4. Nach Annahme des Schlichtungsvorschlags durch die Parteien übermittelt die Verbraucherschlichtungsstelle den Parteien das Ergebnis des Streitbeilegungsverfahrens in Textform mit den erforderlichen Erläuterungen. 5. Nimmt eine oder nehmen beide Parteien den Schlichtungsvorschlag nicht an, stellt die Verbraucherschlichtungsstelle eine Mitteilung über die erfolglose Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens aus. Diese gilt als Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch nach § 15a Abs. 3 Satz 3 EGZPO. §9 Beendigung des Verfahrens Das Streitbeilegungsverfahren endet a) wenn der Antragsteller seinen Antrag zurücknimmt oder der weiteren Durchführung des Verfahrens widerspricht, b) wenn der Streitmittler es beendet, nachdem der Antragsgegner erklärt hat, an dem Streitbeilegungsverfahren nicht teilnehmen oder es nicht fortsetzen zu wollen, es sei denn, Rechtsvorschriften, Satzungen oder vertragliche Abreden bestimmen etwas anderes; entsprechendes gilt, wenn der Antragsgegner sich nach Aufforderung der Verbraucherschlichtungsstelle binnen angemessener Frist nicht dazu erklärt, ob er an dem Streitbelegungsverfahren teilnehmen werde, c) wenn der Streitmittler die weitere Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens nach § 2 Abs. 3 ablehnt, wenn ein Ablehnungsgrund erst während des Verfahrens eintritt oder bekannt wird, 150
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 43 Kap. 10
d) mit Übermittlung des Inhalts der Einigung über die Beilegung der Streitigkeit nach § 7 Abs. 2 e) mit Übermittlung des Ergebnisses des Streitbeilegungsverfahrens nach § 8 Abs. 4 oder f) mit Mitteilung über die erfolglose Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens nach § 8 Abs. 5. § 10 Verfahrensdauer 1. Die Verbraucherschlichtungsstelle benachrichtigt die Parteien, sobald sie keine weiteren Unterlagen und Informationen mehr benötigt (Eingang der vollständigen Beschwerdeakte). Der Eingang der vollständigen Beschwerdeakte ist in der Regel anzunehmen, wenn die Parteien nach § 7.1 Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. 2. Die Verbraucherschlichtungsstelle übermittelt den Parteien den Schlichtungsvorschlag oder, sofern kein Schlichtungsvorschlag zu unterbreiten ist, den Inhalt der Einigung über die Beilegung der Streitigkeit oder den Hinweis auf die Nichteinigung innerhalb von 90 Tagen nach Eingang der vollständigen Beschwerdeakte. 3. Die Verbraucherschlichtungsstelle kann die Frist von 90 Tagen bei besonders schwierigen Streitigkeiten oder mit Zustimmung der Parteien verlängern. Sie unterrichtet die Parteien über die Verlängerung der Frist. § 11 Kosten Es gilt die zum Zeitpunkt des Eingangs der Antragsstellung geltende Kostenordnung, welche gesondert erlassen wird. Für Verbraucher ist das Verfahren, von einer Missbrauchsgebühr abgesehen, kostenlos. Auslagen werden nicht erstattet. Sofern sich eine Partei in dem Verfahren vertreten lässt, trägt sie die Kosten ihres Vertreters selbst. § 12 Verjährung Die Verjährung wird nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gehemmt durch die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags im Sinne von § 5, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird. Die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Verbraucherschlichtungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird.
Anmerkungen zu Muster M 10.1 A1 Verfahrensordnung der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für 41 Schlichtung e.V. Abgedruckt mit freundlicher Zustimmung der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle (Stand: 1.4.2016, abrufbar unter https://www.verbraucher-schlichter.de/ schlichtungsverfahren/verfahrensordnung). Da das Gesetz erst am 1.4.2016 in Kraft getreten ist, existieren noch nicht viele Streitbeilegungsstellen, welche das Anerkennungsverfahren beim Bundesamt für Justiz wirksam durchlaufen haben und deren Verfahrensordnungen als Muster dienen können. A2 Eine Schlichtungsstelle muss ausdrücklich in ihrer Verfahrensordnung vorsehen, ob auch Unternehmer antragsbefugt sind.
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A3 Die Verfahrensordnung setzt die Minimalanforderungen des VSBG um und geht nicht über diese hinaus. Die Stelle muss ausdrücklich angeben, ob sie auch Verfahren zwischen Unternehmern untereinander (B2B) oder Verbrauchern untereinander (C2C) oder auch Verfahren zulässt, welche vom Unternehmer beantragt werden. Auch die Arten der Streitig-
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Kap. 10 Rz. 44
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
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keiten können auf die hier ausdrücklich ausgeschlossenen ausgedehnt werden, mit Ausnahme der arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. 44
A4 Diese drei Ablehnungsgründe (sachliche Unzuständigkeit, kein Geltendmachen des Anspruchs, offensichtliche Erfolglosigkeit oder Mutwilligkeit) sind zwingende Ablehnungsgründe. Die übrigen Ablehnungsgründe sind fakultativ, d.h. es steht im Belieben der Stelle, diese Gründe überhaupt einzuführen und wenn, sie als Ermessensvorschriften auszuformulieren.
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Da die Gründe enumerativ aufgeführt sind, sind keine weiteren Ablehnungsgründe zulässig.
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A5 Bei der Festlegung der Schwellenwerte ist darauf zu achten, dass branchentypische Streitigkeiten nicht von vorneherein ausgeschlossen werden.
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A6 Diese Norm ist restriktiv auszulegen dergestalt, dass die Entscheidung dieser Rechtsfrage besonderen Mehraufwand erfordert.
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A7 Die Möglichkeit, das Verfahren „offline“ durchzuführen und allen Beteiligten Gelegenheit zu rechtlichem Gehör zu bieten, muss stets gewährleistet sein.
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M 10.2 Kostenordnung einer Verbraucherstreitbeilegungsstelle Kostenordnung für die Inanspruchnahme der vom Zentrum für Schlichtung e.V. betriebenen Allgemeinen VerbraucherschlichtungsstelleA1 §1 Geltungsbereich Die Kostenordnung regelt die zu zahlenden Entgelte für die Inanspruchnahme der vom Zentrum für Schlichtung e.V. betriebenen Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle entsprechend der Satzung und der Verfahrensordnung. §2 Kostentragung 1. Von dem Unternehmer erhebt die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e.V. ein Entgelt.A2 2. Es beträgt: – 50 Euro bei Streitwerten bis einschließlich 100 Euro, – 75 Euro bei Streitwerten von 100,01 Euro bis einschließlich 200 Euro, – 150 Euro bei Streitwerten von 200,01 Euro bis einschließlich 500 Euro, – 300 Euro bei Streitwerten von 500,01 Euro bis einschließlich 2000 Euro, – 380 Euro bei Streitwerten von 2000,01 Euro bis einschließlich 5000 Euro, – 600 Euro bei Streitwerten von über 5000 Euro. 3. Erkennt der Unternehmer den geltend gemachten Anspruch sofort vollständig an, so ermäßigt sich das Entgelt bei Streitwerten von über 200 Euro auf 75 Euro, bei Streitwerten von 100,01 Euro bis einschließlich 200 Euro auf 50 Euro und bei Streitwerten bis einschließlich 100 Euro auf 40 Euro. 4. Die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle kann ein niedrigeres Entgelt verlangen oder von der Entgelterhebung ganz absehen, wenn die Erhebung des nach §§ 2.2, 2.3 bestimmten Entgelts nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig erscheint. Die Erhebung 152
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 54 Kap. 10
des Entgelts erscheint insbesondere dann unbillig, wenn die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle die Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens nach § 2.1c) der Verfahrensordnung ablehnt, nachdem der Unternehmer sich in der Sache geäußert hat.A3 5. Von dem Verbraucher kann ein Entgelt nur erhoben werden, wenn der Antrag des Verbrauchers unter Berücksichtigung der gesamten Umstände als missbräuchlich anzusehen ist; in diesem Fall beträgt das Entgelt 30 Euro.A4 §3 Entstehen der Zahlungsverpflichtung 1. Die Pflicht zur Zahlung des Entgeltes für den Unternehmer entsteht, sobald sich der Unternehmer nach der Aufforderung nach § 6.1 der Verfahrensordnung dazu bereit erklärt, an dem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Die Zahlungspflicht entfällt nicht dadurch, dass der Unternehmer das Verfahren später nicht fortsetzen will. 2. Die Pflicht zur Zahlung des Entgeltes nach § 2.5 der Kostenordnung entsteht für den Verbraucher mit der Feststellung der Missbräuchlichkeit des Antrags durch die Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle.
Anmerkungen zu Muster M 10.2 A1 Abgedruckt mit freundlicher Zustimmung der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle e.V., Stand: 1.4.2016, abrufbar unter https://www.verbraucher-schlichter.de/schlich tungsverfahren/kostenordnung.
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A2 Nach § 23 VSBG kann ein Entgelt in einem Verfahren zwischen Verbraucher und Unternehmer nur vom Unternehmer verlangt werden, es sei denn, der Verbraucherantrag ist als missbräuchlich anzusehen. Ist kein Unternehmer beteiligt, muss die Stelle darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe ein Entgelt fällig wird und der Verbraucher muss sich ausdrücklich zur Teilnahme bereit erklären (im Beispiel nicht relevant, da die Stelle keine Verfahren nur zwischen Verbrauchern durchführt).
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A3 Gegenüber dem Unternehmer steht es im Belieben der Stelle, ob und in welcher Höhe 52 sie ein Entgelt festlegt, dementsprechend kann sie das Entgelt nach Streitwerten staffeln oder auch Nachlässe gewähren, je nach konkretem Verfahrensablauf oder konkreter Vereinbarung zwischen ihr und dem Unternehmer. A4 Im Fall eines missbräuchlichen Antrags darf dem Verbraucher ein Entgelt auferlegt werden, dieses aber nur bis maximal 30 Euro (§ 23 Abs. 1 Satz 1 VSBG).
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B. Vertragsbeziehungen, Verjährungshemmung und Informationspflichten I. Einführung Das Schlichtungs- oder andere ADR-Verfahren führt zu einer Reihe von vertraglichen Ver- 54 einbarungen zwischen den drei Beteiligten, d.h. Verbraucher, Unternehmer und der Stelle i.S.d. VSBG. Im Grunde unterscheiden diese sich aber nicht von den übrigen ADR-Verfahren, sodass auf die allgemeinen Ausführungen zu Schlichtungs- oder Mediationsverein-
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Kap. 10 Rz. 55
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
barung verwiesen wird. Der Vertrag darf den Verbraucher nicht davon abhalten, die Gerichte anzurufen,1 auch wird kein Vollstreckungstitel geschaffen.2 1. Vertragsbeziehungen – Überblick a) Hauptvertrag Unternehmer – Verbraucher 55
Zwischen Verbraucher und Unternehmer besteht der ursprüngliche Hauptvertrag aus dem die spätere Streitigkeit resultiert. b) Beteiligungsvertrag Unternehmer – Streitbeilegungsstelle
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Darüber hinaus kann ein Vertrag zwischen dem Unternehmer und der Streitbeilegungsstelle existieren, nach dem ersterer sich an letzterer beteiligt, insbesondere finanziell (Beteiligungsvertrag). Als Gegenleistung verpflichtet die Stelle sich dazu, im Fall einer Streitigkeit die Durchführung des Verfahrens anzubieten. Es werden zurzeit verschiedene Modelle praktiziert, etwa dass der Unternehmer eine Rahmensumme zahlt, die nach der Kalkulation der Stelle alle anfallenden Streitigkeiten abdecken soll, oder auch dass er eine (niedrigere) Rahmensumme zahlen und separat pro Streitigkeiten einen Extrabetrag leistet oder auch pro konkretem Streitbeilegungsverfahren einen konkreten Betrag zahlt. Alternativ kann ein Vertrag über die Finanzierung einer konkreten Streitigkeit ad hoc, d.h. nachdem der Verbraucher die Stelle angerufen hat, geschlossen werden, nämlich wenn der Unternehmer sich erst danach entschlossen hat, an dem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen und die Finanzierung nach den Konditionen des Streitbeilegungsstelle zu übernehmen. c) Verfahrensvereinbarung Parteien – VSBG-Stelle
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Nach Beginn der Streitigkeit führen die Parteien ein Verfahren gemäß der Verfahrensordnung bei der VSBG-Stelle durch. Ähnlich wie bei Schieds- oder Mediationsverfahren ist der Vertrag, in dem Unternehmer und Verbraucher sich auf die Durchführung des Verfahrens einigen, von dem Vertrag zu trennen, den Unternehmer, Verbraucher und die Stelle über die Durchführung des Verfahrens schließen.
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Der Vertrag zwischen der VSBG-Stelle und den Parteien ist typischerweise ein einheitlicher Vertrag mit der Stelle auf der einen und den Parteien auf der anderen Seite. Erstere verpflichtet sich letzteren gegenüber zur Durchführung des Verfahrens nach dem VSBG und ihrer Verfahrensordnung. Der Vertrag weist, je nach konkreter Vereinbarung, dienst-, werk- oder geschäftsbesorgungsvertragliche Elemente auf.3
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Hinweis: Die Verfahrensordnung muss ihrerseits bestimmte Mindestanforderungen nach dem VSBG erfüllen und greift, soweit privatautonome Gestaltung möglich ist.
d) Streitbeilegungsklausel Verbraucher – Unternehmer 59
Davon zu trennen ist die Vereinbarung zwischen den Parteien, das Verfahren durchzuführen. Eine dahingehende Vereinbarung kann auf zwei Wegen zustande kommen: Hat der Unternehmer sich bereits im Hauptvertrag und Beteiligungsvertrag verbindlich zur 1 § 5 Abs. 2 Var. 2 VSBG; ausführlich Prütting in Schmidt-Kessel (Hrsg.), Alternative: Streitschlichtung, 2015, 157 (162 ff.). 2 Prütting in Schmidt-Kessel (Hrsg.), Alternative: Streitschlichtung, 2015, 157 (166 f.). 3 Z.B. Nölting, Mediatorenverträge, 2003, Rz. 24-29; AG Lübeck, Urt. v. 29.9.2006 – 24 C 1853/06, NJW 2007, 3789.
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 64 Kap. 10
Durchführung des Verfahrens bereit erklärt, stellt dies bereits ein Angebot. Der Verbraucher nimmt dieses dann durch seinen Antrag gegenüber der Schlichtungsstelle an, die zugleich aufgrund des Beteiligungsvertrags als Erklärungsempfänger agiert. Ansonsten agiert sie als Erklärungsbote, die dem Unternehmer das Angebot des Verbrauchers übermittelt, das Verfahren durchzuführen, und umgekehrt dessen Annahme an den Verbraucher weitergibt. Gem. § 309 Nr. 14 BGB darf in AGB nicht vereinbart werden, dass der Verbraucher ein gerichtliches Verfahren erst beginnen darf, wenn zuvor ein gütliches Verfahren auf Beilegung der Streitigkeit versucht wurde.1
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e) Abschlussvereinbarung Verbraucher – Unternehmer Bei erfolgreichem Abschluss des Verfahrens kommt ein Vertrag zwischen Unternehmer und 61 Verbraucher zustande, typischerweise ein Vergleichsvertrag i.S.d. § 779 BGB.2 Es kann sich aber auch um eine Novation handeln. Die Frage, welcher der beiden Fälle vorliegt, kann insbesondere Einfluss auf die Verjährung haben.
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Hinweis: Der Streitbeilegungsstelle, die die Formulierung begleitet, sollte daher darauf achten, durch eindeutige Formulierungen Klarheit darüber zu schaffen, ob das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nur geordnet oder neu begründet werden soll.
2. Besonderheiten beim Verfahren nach dem VSBG: Verjährungshemmung Der Antrag bei der Stelle auf Durchführung eines Verfahrens hemmt die Verjährung, wenn 62 er der anderen Seite (demnächst) bekannt gegeben wird, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Im Unterschied zur Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) kann die Verjährung eintreten, wenn die Stelle ihre Zuständigkeit verneint und den Antrag ablehnt, ohne ihn der anderen Seite bekannt zu geben, oder umgekehrt ihre Zuständigkeit bejaht, obwohl sie nicht zuständig ist. Die Regelung stellt eine Parallele zum Anrufen einer Gütestelle her. Die Rechtsprechung zu letzterem kann wohl übertragen werden. Hiernach ist die Anrufung zum Zwecke der Verjährungshemmung missbräuchlich (§ 242 BGB), wenn der Unternehmer im Vorfeld ausdrücklich klargestellt hat, dass er nicht bereit ist, an dem Verfahren teilzunehmen.3 Die Informationen des Unternehmens zur Bereitschaft (dazu sofort) und bezüglich der zuständigen Stelle sind hier auch für den gegnerischen Anwalt relevant. 3. Informationspflichten der Unternehmer Ein Unternehmer hat zukünftig verschiedene Informationspflichten bezogen auf die Streit- 63 beilegungsverfahren, teils aufgrund der ODR-VO, teils darüber hinausgehend aufgrund des VSBG. Wer diesen Pflichten nicht nachkommt, gerät in die Gefahr, nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 UKlaG abgemahnt und auch an seinem Schweigen festgehalten zu werden.4 Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der Verbraucher den Unternehmer wegen (vor-) 64 vertraglicher Pflichtverletzung in Anspruch nimmt,5 wobei der Schaden, der darin liegt, dass kein ADR-Verfahren begonnen wurde, schwierig zu beziffern ist.6 1 2 3 4
Ausführlich Gössl, NJW 2016, 838 (839). Z.B. Nölting, Mediatorenverträge, 2003, Rz. 12. BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526/14, MDR 2015, 1422 = BeckRS 2015, 18766. Lederer, CR 2015, 380 (383); vgl. bereits LG Bochum, Beschl. v. 9.2.2016 – I-14 O 21/16, BeckRS 2016, 04236, und Urt. v. 31.3.2016 – 14 O 21/16, BeckRS 2016, 08110. 5 BT-Drs. 18/5089, 74. 6 Ausführlich: Greger, ZZP 2015, 137 (143 f.).
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Kap. 10 Rz. 65
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 10.3
a) Vor Entstehung einer Streitigkeit 65
Alle in der EU ansässigen Unternehmen, die online, d.h. auf einer Webseite, per E-Mail oder auf sonstigem elektronischen Weg EU-Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anbieten und der Verbraucher die Bestellung dann online ausführt, müssen den Verbraucher deutlich sichtbar und verständlich über den Link zur Plattform der Kommission informieren (Art. 14 ODR-VO). „Dienstleistungen“ ist dabei weit zu verstehen und erfasst auch Werkverträge oder Geschäftsbesorgungsverträge nach deutschem Recht.1 Irrelevant ist, ob der Unternehmer die Webseite selbst betreibt oder nur als Plattform benutzt, z.B. sind gewerbliche Verkäufer über Ebay oder Amazon auch betroffen.
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In einigen Branchen ist die Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren obligatorisch.2 Im Übrigen sind die Unternehmen frei darin, sich an den Verfahren zu beteiligen.3 Allerdings müssen die Verbraucher in deutlich erkennbarer Weise darauf hingewiesen werden, ob die Unternehmer sich an einem ADR-Verfahren i.S.d. ADR-RL beteiligen.4 Beteiligt sich ein Unternehmer, freiwillig oder aufgrund einer gesetzlichen Pflicht, muss er ebenso im Vorfeld und bei Konflikt darüber informieren und die Informationen beifügen, die die Kontaktierung der Stelle ermöglichen.5
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Darüber hinaus sieht das VSBG vor, dass jedes Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten, das eine Webseite unterhält oder AGB i.S.v. § 305 BGB in Verbraucherverträgen verwendet, nach § 36 VSBG die Pflicht hat, auf der Webseite und zusätzlich den AGB beigefügt „leicht zugänglich, klar und verständlich“ darüber aufzuklären, ob er sich an einem VSBG-Verfahren beteiligt.6 Erklärt er sich bereit, ein Verfahren vor einer Universalschlichtungsstelle des Landes durchzuführen, wird im konkreten Fall seine Bereitschaft vermutet, sodass nicht mehr eine separate Erklärung notwendig ist (§ 30 Abs. 5 Satz 1 VSBG). b) Nach Entstehung einer Streitigkeit
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Kommt es zu einer Streitigkeit aus dem online geschlossenen Verbrauchervertrag und kann diese nicht gütlich intern beigelegt werden, muss der Unternehmer dem Verbraucher eine zuständige Streitbeilegungsstelle nennen und angeben, ob er zur Durchführung eines Verfahrens bereit ist (§ 37 VSBG). Unterlässt er dies, und ist eine Universalschlichtungsstelle des Landes angerufen worden, wird nach drei Wochen Untätigkeit seine Bereitschaft, am Verfahren teilzunehmen, unterstellt (§ 30 Abs. 5 Satz 2 VSBG).
II. Muster 69
M 10.3 Beteiligungsbereitschaft 1. Hinweis auf der Webseite im Fall der Beteiligung an einem VSBG-VerfahrenA1 Die Plattform der EU-Kommission zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten finden Sie unter: www. ec.europa.eu/consumers/odr. Unser Unternehmen beteiligt sich an Streitbeilegungsverfahren der [Name der Stelle]. 1 2 3 4 5 6
Gössl, NJW 2016, 838 (839). Z.B. gem. § 191f BRAO, § 57a LuftVG, § 111b EnWG. Hirsch, NJW 2013, 2088 (2090). Kritisch hierzu Greger, ZZP 2015, 137 (142 f.). Lederer, CR 2015, 380 (382 f.). Greger, MDR 2016, 365 (368).
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M 10.3
Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 70 Kap. 10
Wir bitten Sie, im Fall einer Streitigkeit erst Kontakt mit uns aufzunehmen, damit wir den Fall gütlich beilegen könnten. Sollten diese Bemühungen scheitern, können Sie Kontakt mit [Name der Stelle] aufnehmen über die Webseite www.[namederstelle.de] oder unter [offline-Kontaktmöglichkeit]. 2. Hinweis auf der Webseite im Fall keiner Beteiligung an einem VSBG-VerfahrenA2 Die Plattform der EU-Kommission zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten finden Sie unter: www. ec.europa.eu/consumers/odr. Unser Unternehmen beteiligt sich nicht an Streitbeilegungsverfahren im Sinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes. 3. Vereinbarung eines VSBG-Verfahrens in AGB §… Verfahren im Konfliktfall Im Fall einer Meinungsverschiedenheit, die nicht intern ausgeräumt werden kann, vereinbaren die Vertragspartner, eine neutrale Stelle anzurufen, die ein gütliches Verfahren auf Beilegung der Streitigkeit versucht. Die Teilnahme am Verfahren ist freiwillig. Auch können beide Vertragspartner jederzeit ein Gericht anrufen.A3 4. Nachträgliche Bereitschaftsanzeige für ein VSBG-Verfahren im Konfliktfall Leider ist es uns nicht gelungen, unsere Meinungsverschiedenheit gütlich intern beizulegen. Es gibt allerdings die Möglichkeit, eine neutrale Streitbeilegungsstelle im Sinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes anzurufen. Wir beteiligen uns an Streitbeilegungsverfahren der [Name der Stelle und Kontaktmöglichkeit] und würden uns freuen, wenn Sie sich an diese wenden, damit wir unsere Meinungsverschiedenheit gütlich beilegen können. Als zuständige Stelle käme etwa die [Name der Stelle und Kontaktmöglichkeit] in Betracht. 5. Nachträglicher Hinweis auf ein VSBG-Verfahren bei grundsätzlicher Teilnahmebereitschaft Leider ist es uns nicht gelungen, unsere Meinungsverschiedenheit gütlich intern beizulegen. Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, eine neutrale Streitbeilegungsstelle im Sinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes anzurufen. Als zuständige Stelle käme etwa die [Name der Stelle] in Betracht. 6. Nachträglicher Hinweis auf ein VSBG-Verfahren ohne Teilnahmebereitschaft Leider ist es uns nicht gelungen, unsere Meinungsverschiedenheit gütlich intern beizulegen. Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, eine neutrale Streitbeilegungsstelle im Sinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes anzurufen. Als zuständige Stelle käme etwa die [Name der Stelle] in Betracht. Wir weisen aber bereits jetzt darauf hin, dass wir nicht bereit sind, an einem solchen Verfahren teilzunehmen, sodass Ihr Antrag nicht zur Durchführung eines Verfahrens führen würde.
Anmerkungen zu Muster M 10.3 A1 Der Hinweis muss auf der Webseite, z.B. im Impressum, angeben werden. Sollten AGB verwendet werden, ist er darüber hinaus den AGB beizufügen. Gössl
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Kap. 10 Rz. 70a 70a 71
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 10.3
A2 Siehe Anm. A1 (Rz. 70). A3 Gem. § 309 Nr. 14 BGB darf in AGB nicht vereinbart werden, dass der Verbraucher ein gerichtliches Verfahren erst beginnen darf, wenn zuvor ein gütliches Verfahren auf Beilegung der Streitigkeit versucht wurde. Die Klausel muss erkennen lassen, dass der Verbraucher nicht gehindert wird, ein Gericht anzurufen. Der Unternehmer kann sich seinerseits verpflichten, durch die Klausel gebunden zu werden.
C. Sonderfall: Schlichtungsvorschlag I. Einführung 1. Schlichtung und Rechtsbindung 72
Gesondert geregelt ist das Schlichtungsverfahren, d.h. ein Verfahren, in dem der „Schlichter“ eine Empfehlung zur Beilegung des Rechtsstreits vorschlägt, die von den Parteien angenommen werden kann (§ 19 VSBG). Da der Schlichter besonderes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit seiner Entscheidung in Anspruch nimmt und gegenüber dem Verbraucher eine faktische Bindungswirkung erzielen könnte,1 gilt eine strengere Rechtsbindung: Der Schlichtungsvorschlag „soll“ am geltenden Recht „ausgerichtet“ sein und die zwingenden Verbraucherschutzgesetze beachten (§ 19 Abs. 1 Satz 2 VSBG). Weiterhin müssen die Parteien darüber unterrichtet werden, dass der Vorschlag vom Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens abweichen kann (§ 19 Abs. 3 VSBG). Im Gegensatz dazu besteht in anderen Verfahren, insbesondere nach dem MediationsG, keine Rechtsbindung (so auch Art. 7 Abs. 1i) ADR-RL).2 2. Maßstab „Ausrichten am Recht“
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Der Maßstab „Ausrichten am Recht“ ist unklar. Dies ist misslich, denn wenn der Schlichter seine Pflicht leicht fahrlässig verletzt, haftet die Schlichtungsstelle mangels Haftungsprivilegierung3 aus dem Schlichtungsvertrag nach §§ 280 Abs. 1, 276, 278 BGB. In der aktuellen Schlichtungspraxis4 referiert der Schlichter den Sachverhalt wie er sich ihm durch den Parteivortrag darstellt und die sich daraus ergebende Rechtslage. Er legt hierbei offen, welche Tatsachen- oder Rechtsfragen streitig sind. Auf dieser Grundlage trägt er den Schlichtungsvorschlag vor und dabei den Beweisunsicherheiten oder Risiken eines gerichtlichen Verfahrens Rechnung.5
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Hinweis: Der Gesetzgeber hatte diese und ähnliche Verfahren vor Augen. Schlichtungsstellen mit ähnlicher Vorgehensweise müssten daher vor der anerkennenden Behörde Bestand haben.
3. Problem: Grenzüberschreitende Schlichtung 74
In grenzüberschreitenden Fällen ist „geltendes Recht“ i.S.d. § 19 Abs. 1 VSBG das Recht, welches auf den am Ende zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichsvertrag anwend1 2 3 4
Kotzur, VuR 2015, 243 (246); Pelzer, ZKM 2015, 43 (43). Hakenberg, EWS 2014, 181 (187). Pelzer, ZKM 2015, 43 (46). Z.B. laut Einsichten der Autorin bei dem Online-Schlichter, der Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz und der SÖP gem. söp_Jahresbericht 2014, 24 ff. 5 Ähnlich Niewisch-Lennartz, ZKM 2015, 136 (139).
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Streitbeilegung in Verbrauchersachen
Rz. 80 Kap. 10
bar ist, dessen Inhalt wiederum vom Schlichter vorgeschlagen wird. Auf diesen Vertrag ist, wenn die Parteien keine abweichende Rechtswahl treffen, aufgrund akzessorischer Anknüpfung im Rahmen von Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO das Recht anwendbar, welches auf den ursprünglichen Vertrag, aus dem die Streitigkeit entsprang, anwendbar ist. Im grenzüberschreitenden Handel kann dies das nach Art. 6 Rom I-VO anwendbare ausländische Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers sein.1 Die Zuständigkeit der Stellen richtet sich primär nach der Niederlassung des Unternehmens (§ 29 Abs. 2 Satz 2 VSBG, Art. 5 Abs. 1 ADR-RL).2 Somit kann vor einer deutschen Stelle schnell ausländisches Verbraucherrecht anwendbar sein.3
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Daneben verlangt § 19 Abs. 1 Satz 2 VSBG eine besondere Beachtung der zwingenden 76 Verbraucherschutzgesetze. Auch hier ist unklar, welche Gesetze dies bezeichnet, allerdings ist die Norm (wohl) so zu interpretieren, dass die nach deutschem Recht zwingenden Verbraucherschutzregelungen in grenzüberschreitenden Konstellationen immer (gegebenenfalls zusätzlich) gelten, also im Rahmen des Schlichtungsvorschlags zu international zwingenden Normen erhoben werden. An ihnen ist der Schlichtungsvorschlag daher immer „auszurichten“, d.h. ihm zugrunde zu legen.4 Schlichtungsstellen, welche in typischerweise grenzüberschreitenden Branchen tätig sind, stellt dies vor praktische Probleme: Sie müssen ausländisches Recht ermitteln, ohne über die Möglichkeiten eines Gerichts nach § 293 ZPO zu verfügen und zusätzlich das deutsche Verbraucherschutzrecht anwenden, ohne widersprüchliche Ergebnisse zu erlangen.
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Das Netz der europäischen Verbraucherzentren5 und die aufgrund der ODR-VO ein- 78 gerichtete Plattform der Kommission sollen hier helfen.6 In der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, dass EU-Plattformen häufig nicht aktuell sind, was das nationale Recht in den verschiedenen Mitgliedstaaten betrifft und Kommunikationen zwischen nationalen Verbraucherzentren bergen das Risiko, bei unklarer Rechtslage nicht neutral zu sein.7 Es bleibt die Möglichkeit, die Parteien auf die Geltung und Nichtermittelbarkeit ausländischen Rechts sowie die darüber hinaus verpflichtende Geltung deutschen zwingenden Rechts hinzuweisen und eine Rechtswahl der (aus Sicht der Schlichtungsstelle) lex fori, also deutschem Recht, anzuraten. In Folge kann dem Schlichtungsvorschlag einheitlich inländisches Recht zugrunde gelegt werden.
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Ansonsten kann eine Schlichtungsstelle ebenfalls ihren Schlichtungsvorschlag mit einem ausdrücklichen Hinweis über die Abweichung von eigentlich geltendem ausländischem Recht an die Parteien nach inländischem Recht vorschlagen. „Ausrichten“ verlangt ja gerade keine strikte Rechtsbindung. Auch wurde in der EU eine gewisse Harmonisierung des Verbraucherrechts erreicht, sodass ein grenzüberschreitender Mindeststandard gewahrt bleibt.8
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1 2 3 4 5
Ausführlich: Gössl, RIW 2016, 473 (475-478); BT-Drs. 18/5089, 62 f. Kotzur, VuR 2015, 243 (248 f.). Gössl, RIW 2016, 473 (478 f.). Ausführlich Gössl, RIW 2016, 473 (479 f.). European Consumer Centres Network (ECC-Net) http://ec.europa.eu/consumers/solving_consu mer_disputes/non-judicial_redress/ecc-net/. 6 Kotzur, VuR 2015, 243 (245). 7 Gössl, NJW 2016, 838 (841 f.). 8 Ähnlich Pelzer, ZKM 2015, 43 (45); Gössl, NJW 2016, 838 (842).
Gössl
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Kap. 10 Rz. 81
Schlichtungsverfahren, Verbraucherverfahren
M 10.4
II. Muster 81
M 10.4 Schlichtungsvorschlag nach VSBG Sehr geehrte Frau …, sehr geehrter Herr …, in der Angelegenheit …, zu der Sie unsere Schlichtungsstelle angerufen haben, stellt sich mir, nachdem Sie beide mir mit Schreiben vom … und vom … mitgeteilt haben, die Lage folgendermaßen dar: … (Schilderung des Sachverhalts)A1 Aufgrund dieser Sachlage stellt sich mir die Rechtslage folgendermaßen dar: … (Schilderung der Rechtsansicht des Schlichters)A2 Bevor ich zu einem Vorschlag komme, möchte ich Ihnen kurz meine Überlegungen zum Erfolg oder Misserfolg eines Rechtsstreits mitteilen: … (Schilderung Beweisprobleme, unklare Rechtslage)A3 Zusammenfassend schlage ich daher vor, dass … (Vorschlag). Dieser Vorschlag ist vorerst nicht bindend. Bitte teilen Sie mir bis zum … (Datum)A4 mit, ob Sie den Vorschlag annehmen möchten. In diesem Fall kommt zwischen Ihnen beiden ein privatrechtlicher, bindender Vertrag mit dem Inhalt des Schlichtungsvorschlags zustande. Dabei möchte ich Sie darauf hinweisen, dass dieser Vorschlag von der Entscheidung eines Gerichts abweichen kann. Es steht Ihnen frei, den Vorschlag nicht anzunehmen und stattdessen ein Gericht anzurufen.A5 Mit freundlichen Grüßen … (Schlichter)
Anmerkungen zu Muster M 10.4 82
A1 Dies bezieht sich auf den Sachverhalt, wie er sich nach der Aktenlage darstellt. Er kann in etwa dem Tatbestand eines Urteils entsprechen, sollte aber für Laien verständlich formuliert werden. Der Vorschlag muss der Textform i.S.d. BGB (§ 127 BGB) entsprechen.
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A2 Dies stellt eine rechtliche Würdigung dar, ähnlich den Entscheidungsgründen eines Gerichts, aber ebenfalls für Laien formuliert.
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A3 Hier sollte der Schlichter darauf eingehen, welche Risiken ein Gerichtsprozess bergen kann, d.h. insbesondere wenn Fragen umstritten sind oder Beweisprobleme bestehen.
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A4 Gemäß § 19 Abs. 3 Satz 3 VSBG muss die Verbraucherschlichtungsstelle den Parteien eine angemessene Frist zur Annahme des Vorschlags setzen.
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A5 Gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 VSBG muss die Verbraucherschlichtungsstelle die Parteien mit der Übermittlung des Schlichtungsvorschlags über die rechtlichen Folgen einer Annahme des Vorschlags unterrichten und darüber, dass der Vorschlag von dem Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens abweichen kann. Weiterhin muss sie darauf hinweisen, dass der Vorschlag nicht angenommen und stattdessen ein Gericht angerufen werden kann.
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Gössl
Fünfter Teil
Evaluative Verfahren
Kapitel 11
Vereinbarung über eine Prozesssimulation („Mini-Trial“)
I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Einordnung des Verfahrens . . . . . . . . 2. Abgrenzung zu anderen Verfahren, insbesondere der Mediation und der Early Neutral Evaluation . . . . . . . . . . a) Mini-Trial und Mediation . . . . . . . . . . b) Mini-Trial und Early Neutral Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entwicklung des Verfahrens. . . . . . . . 4. Der Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 9 10 12 15 18
5. Die Eignung des Verfahrens, insbesondere die Vor- und Nachteile der Prozesssimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vorteile einer Prozesssimulation. . b) Die Nachteile einer Prozesssimulation 6. Verhaltensanreiz; Zeitpunkt der Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36 38 50 61
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 M 11.1 Vereinbarung über die Durchführung einer Prozesssimulation . . . 64
I. Einführung Literatur: Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 3. Aufl. 2011; Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011; Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, 2015 (insbesondere Kap. 11); Goldberg/Sander/Rogers/Cole, Dispute Resolution, 6. Aufl. 2012; Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997; Heussen/Pischel (Hrsg.), Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014 (insbesondere Teil 7: Außergerichtliche Konfliktbeilegung); Mackie/ Miles/Marsh/Allen, The ADR Practice Guide, 2000 (insbesondere Chapter 13); Risse, Wirtschaftsmediation, 2003 (insbesondere § 15 VII., Rz. 43 ff.); Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016; Walz (Hrsg.), Verhandlungstechnik für Notare, 2003; Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016.
Bei den in diesem Kapitel vorgestellten Vereinbarungen handelt es sich um sog. evaluative 1 Verfahren. Während der sog. „Facilitative Approach“ charakteristisch für die Mediation im engeren Sinne ist, geht es beim „Evaluative Approach“ vor allem darum, die Position der Parteien zu bewerten und ihnen dabei in deutlicher Weise die Stärken und Schwächen ihres Standpunktes aufzuzeigen (vgl. speziell zur Mediation Kap. 6 Rz. 1, 25a; allgemein Kap. 3 Rz. 5, 57). Da die hier vorgestellten Verfahren im amerikanischen Rechtsraum entwickelt wurden, ist ein Großteil der Terminologie und Literatur englischsprachig. Um die Verständlichkeit zu erleichtern, wird nachfolgend versucht, deutsche Begrifflichkeiten zu verwenden und zu prägen. Sie stellen nicht immer eine exakte Übersetzung dar. 1. Die Einordnung des Verfahrens Das sog. Mini-Trial-Verfahren, das nachfolgend auch als „Prozesssimulation“ bezeichnet 2 wird, kann als Methode der kooperativen Konfliktlösung zum Einsatz kommen und ist als solche dem Bereich der ADR (Alternative Dispute Resolution) zuzurechnen.1 Alternativ werden Prozesssimulationen auch einseitig eingesetzt, um die Verhandlungsstrategie der 1 Der englische Begriff der „Alternative Dispute Resolution“ (ADR) kann mit informeller Streitbeilegung, außergerichtlicher Konfliktbeilegung (AKB) übersetzt werden, vgl. Ponschab in Heussen/Pi-
Siegler/Fries 161
Kap. 11 Rz. 3
Evaluative Verfahren
Gegenseite und die Entscheidungstreiber eines neutralen Dritten zu antizipieren und die eigene Verhandlungsstrategie vor diesem Hintergrund zu optimieren.1 Eine klare Definition oder allgemein verbindliche Beschreibung des Verfahrens gibt es nicht. Im Kern lässt es sich auf folgende Grundstruktur zurückführen: 3
Die Parteien tragen den aktuellen Konflikt einem Gremium, bestehend aus abschlussbefugten Parteivertretern und einem neutralen Dritten, vor.
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Der Dritte ist dabei regelmäßig nicht unbedingt mit Entscheidungsgewalt ausgestattet. Vielmehr soll durch die konzentrierte mündliche Darstellung des Sachverhalts und der unterschiedlichen Standpunkte durch die Beteiligten in einem außergerichtlichen Forum unter der Moderation des neutralen Dritten eine kommunikative und kooperative Konfliktlösung gelingen.
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In der ursprünglichen Idee und Ausprägung des Verfahrens2 spielt die Präsentation durch die Anwälte oder Rechtsvertreter des jeweiligen Unternehmens vor Mitgliedern der höchsten Entscheidungsebene des Unternehmens eine besondere Rolle: In der Idealvorstellung soll an die Stelle der zielgerichteten Rechtsverfolgung durch Vertreter die großzügige Verhandlungslösung des obersten Managements treten.3
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Diese Grundidee bildet eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner einer Vielzahl von Verfahrensvarianten, die unter dem Oberbegriff „Mini-Trial“ zusammengefasst werden, jedoch im Einzelnen erheblich voneinander abweichen.
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So wird teilweise sogar die Zuziehung eines neutralen Dritten für nicht erforderlich gehalten. Nach der hier vertretenen Ansicht sollte jedoch, um eine wirkliche Prozesssimulation zu erreichen und den Parteien die Stärken und Schwächen ihrer Position deutlich vor Augen zu führen, in keinem Fall auf die Zuziehung eines neutralen Dritten verzichtet werden.4 Selbstverständlich kann dessen Rolle variiert, insbesondere stärker oder schwächer ausgestaltet werden. Er sollte zumindest eine Gewähr für die Einhaltung der vereinbarten Verfahrensordnung und überhaupt ein faires Verfahren bieten.
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Gerade die Variationsmöglichkeiten im Verfahrensablauf, den die Parteien autonom festlegen können, machen den Reiz der Prozesssimulation aus: Das Verfahren steht für ein flexibles außergerichtliches Verfahren zur Konfliktlösung. Dieses soll gerade offen für Vereinbarungen der Parteien und deren Vorstellung vom Prozedere sein. 2. Abgrenzung zu anderen Verfahren, insbesondere der Mediation und der Early Neutral Evaluation
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Von anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung lässt sich die Prozesssimulation nicht immer scharf abgrenzen, insbesondere wenn die Verfahrensvereinbarung der
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schel, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014, Teil 7 Rz. 1 m.w.N. Eidenmüller/Wagner in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 1 Rz. 41. Vgl. Mackie/Miles/Marsh/Allen, The ADR Practice Guide, 2000, 241 f. Risse betont zu Recht, das Verfahren sei für große Konflikte zwischen Unternehmen entworfen und habe in den USA dort auch heute noch seinen wichtigsten Anwendungsbereich (vgl. Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, § 15 Rz. 44). Hier spielen also insbesondere Gesichtspunkte des „Escalation to the Top“ bzw. „Step Clause“ eine Rolle, d.h. die Rückführung des Streits auf die oberste Entscheidungsebene eines Unternehmens (vgl. Kap. 3 Rz. 46, Kap. 6 Rz. 27). Siehe auch Engel in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 11 Rz. 15 m.w.N. In diese Richtung auch Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 3. Aufl. 2011, Rz. 16-046.
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Siegler/Fries
Prozesssimulation
Rz. 12 Kap. 11
Parteien Variationen der Grundidee vorsieht. Im Wesentlichen ergeben sich jedoch zu den am nächsten verwandten Verfahren der Mediation und der Early Neutral Evaluation folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede: a) Mini-Trial und Mediation Mit der Mediation im eigentlichen Sinne hat die Prozesssimulation gemeinsam, dass ein 10 neutraler Dritter ohne Entscheidungsgewalt zur Lösung eines aktuellen Konflikts in einem außergerichtlichen Verfahren zugezogen wird (vgl. Kap. 6). Allerdings unterscheidet sich die Prozesssimulation in wesentlichen Punkten von der Mediation: – Zunächst handelt es sich bei der Prozesssimulation um ein evaluatives Verfahren. An- 11 satzpunkt bei der Prozesssimulation ist eine Bewertung der Standpunkte, durch die letztlich auf die Verhandlung und deren Ergebnis eingewirkt wird und werden soll. Dies unterscheidet sich vom sog. „Facilitative Approach“, wie er der Mediation nach europäischem Verständnis in der Regel zugrunde liegt.1 – Auch die Basis der Entscheidung unterscheidet sich bei der Prozesssimulation erheblich von der Basis der Mediation: Während sich die Mediation vor allem darauf konzentriert, die Interessen der Parteien zu ermitteln und auf dieser Grundlage einen Konsens zu erreichen, geht es bei der Prozesssimulation um eine im Wesentlichen juristische Vorbewertung. Während die Mediation also ein interessenorientiertes Verfahren darstellt, orientiert sich die Prozesssimulation vorrangig an der Rechtslage.2 Teilweise wird argumentiert, die Akzeptanz des Verfahrens sei deshalb, vor allem bei der Einschaltung von Rechtsanwälten, höher als bei der Mediation.3 b) Mini-Trial und Early Neutral Evaluation Mit der Early Neutral Evaluation (dem „Frühevaluationsverfahren“)4 hat die Prozesssimula- 12 tion wesentliche Gemeinsamkeiten sowohl hinsichtlich der Zielsetzung als auch mit Blick auf das konkrete Verfahren. Beide Verfahren versuchen, das mögliche Einigungspotenzial insbesondere durch folgende wesentlichen Schritte auszuloten und ggf. zu vergrößern: – Die zunächst individuell gefassten Standpunkte der an dem Konflikt beteiligten Parteien sollen offen zutage treten. – Durch die – nach Ablauf und Zeit reglementierte – Präsentation gegenüber der anderen Partei und einem neutralen Dritten soll jeder Konfliktpartner zu intensiver Beschäftigung mit seinem Standpunkt und seinen Interessen sowie stringenter Gedankenführung und Argumentation gezwungen werden. – Etwaige Schwächen der jeweiligen Überzeugung der einzelnen Partei, Recht zu haben und dies in einem etwaigen Gerichtsverfahren auch bestätigt zu bekommen, sollen aufgedeckt und Überoptimismus abgebaut werden. Damit soll eine realistische Prognose hinsichtlich eines etwaigen Obsiegens oder Unterliegens in einem realen Gerichtsprozess ermöglicht und verdeutlicht werden. Dieser für beide Verfahren sehr wichtige Aspekt wird unter dem Stichwort „Realitätscheck“ zusammengefasst (vgl. hierzu und zu dem 1 Vgl. Schwarzmann in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 123; Schwarzmann in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 154 f. Weiterführend Eidenmüller/Wagner in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 1 Rz. 66 f. 2 Vgl. Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, § 15 Rz. 45. 3 Vgl. Mackie/Miles/Marsh/Allen, The ADR Practice Guide, 2000, 245. 4 Zu dieser deutschen Begrifflichkeit Engel in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 11 Rz. 16 Fn. 5; ausführlich Kap. 12 Rz. 1.
Siegler/Fries 163
Kap. 11 Rz. 13
Evaluative Verfahren
häufig verbreiteten Überoptimismus beider Seiten eines Rechtsstreits Kap. 3 Rz. 57). Die Präsentation des Standpunkts der anderen Partei und die Demonstration deren Stärken und der eigenen Schwächen sollen jede Partei befleißigen, eine gütliche Einigung zu ermöglichen. Die zunächst individuell vertretene Position soll in eine kollektive Rationalität überführt werden. 13
Beide Verfahren machen sich dabei idealerweise die Rückgängigmachung jeder Art von Delegation zu eigen: Nicht nur um eine rechtssichere, sofortige Einigung durch die gesetzlichen Vertreter der Parteien oder diese selbst erlangen zu können, ist deren persönliche Anwesenheit im „Haupttermin“ des Verfahrens zwingend erforderlich. Hierdurch soll der Blick der Parteien auch zurück auf das Wesentliche gelenkt werden. Zugleich geht es darum, den Lästigkeitsfaktor eines Rechtsstreits für die Entscheidungsebene gerade größerer Unternehmen zu nutzen. Denn höherrangige Entscheider sind häufig mit der Austragung eines Rechtsstreits nicht direkt befasst.
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Im Vergleich zum Frühevaluationsverfahren bestehen jedoch auch Unterschiede:1 – Dieses Verfahren scheint vor allem geeignet, wenn durch Sachverständige bzw. sachverständige Zeugen zu klärende Fragen im Vordergrund stehen. Während bei der Prozesssimulation das neutrale Entscheidungsgremium im Vordergrund steht, soll beim Frühevaluationsverfahren dieser mit seiner sachverständigen Meinung den Einigungsprozess fördern. Von der Tendenz her handelt es sich mehr um eine außergerichtliche Begutachtung als um eine juristische Vorbewertung.2 – Während das Frühevaluationsverfahren eher den autonomen Verfahren zugerechnet wird, wird die Prozesssimulation in der Regel als hybrides Verfahren bezeichnet, da es eine Mischform zwischen den autonomen und den heteronomen Verfahren darstellt.3 3. Die Entwicklung des Verfahrens
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Das Mini-Trial wurde im amerikanischen Rechtsraum entwickelt. Dort ist eine sog. „pretrial discovery“ (eine Art Vorverfahren zur Beweisaufnahme) vorgesehen, die sehr zeit- und kostenintensiv ist, so dass man verstärkt nach Alternativlösungen gesucht hat. Als einer dieser alternativen Wege hat sich das Mini-Trial entwickelt.
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Es kam wohl erstmals im Fall „Telecredit/TRW“ zur Anwendung – zumindest handelt es sich dabei um das erste bekannt gewordene Mini-Trial. Es wurde 1977 in einer komplexen Patentverletzungsstreitigkeit zwischen zwei amerikanischen Unternehmen geführt. Das Vorverfahren dauerte damals bereits über zweieinhalb Jahre seit der Erhebung der Klage, die einen Gegenstandswert von rund sechs Millionen US-Dollar hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Situation festgefahren und die Verhandlungen zwischenzeitlich abgebrochen. In dieser Lage entwickelten die Anwälte von TRW ein Informationsaustauschverfahren mit dem Austausch von Schriftsätzen und Dokumenten und anschließender zweitägiger münd1 Je nachdem, wie die beiden Verfahren akzentuiert werden, können sich abweichende Betrachtungsweisen der wesentlichen Verfahrensunterschiede ergeben, vgl. näher Rz. 23, Kap. 12 Rz. 4. 2 Diesen Akzent setzt z.B. auch Ponschab in Heussen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014, Teil 7 Rz. 65, 72. Etwas anders sieht den Schwerpunkt der Verfahren Risse: Er fokussiert das Verfahren der Early Neutral Evaluation ganz auf die juristischen Aspekte des Konflikts, als wesentlichen Verfahrensgrundsatz des Mini-Trials benennt er den Rollenwechsel des parteiischen Unternehmensvertreters zum „unparteiischen“ Mitglied des Panels (Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, § 15 Rz. 47, 49) – vgl. hierzu Kap. 12 Rz. 4. 3 Vgl. Ponschab in Heussen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014, Teil 7 Rz. 65, 72. Auch in Goldberg/Sander/Rogers/Cole, Dispute Resolution, 6. Aufl. 2012, 3, wird das Mini-Trial als hybrides Verfahren eingeordnet.
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Siegler/Fries
Prozesssimulation
Rz. 20 Kap. 11
licher Verhandlung. Der hinzugezogene neutrale Dritte, hier ein ehemaliger Richter, sollte nicht versuchen, einen Kompromiss zu fördern, sondern lediglich den Ablauf der Verhandlungen überschauen und eine unvoreingenommene Prognose erstellen.1 Der Begriff „MiniTrial“ soll in der Folge dieses Verfahrens von der New York Times geprägt worden sein.2 Das Verfahren wurde in den europäischen Rechtsraum erst ab ca. 1985 und selbst dann 17 nur langsam und schrittweise tradiert.3 Die Ursache für die zögerliche Annahme durch den europäischen und auch den deutschen Rechtsraum, in dem das Verfahren bisher – soweit ersichtlich – kaum praktische Bedeutung entfaltet hat, ist wohl besonders in einigen Unterschieden zwischen den Rechtsordnungen zu sehen: Graduell bestehen bei der amerikanischen Gerichtsbarkeit unterliegenden Rechtsstreitigkeiten, insbesondere soweit zeit- und kostenintensive Vorverfahren vorgesehen sind, größere Anreize zur alternativen, außergerichtlichen Konfliktbeilegung. 4. Der Verfahrensablauf Für die Prozesssimulation gibt es keine einheitliche Verfahrensordnung.4 Charakteristisch für dieses Verfahren ist gerade, dass die Beteiligten den Ablauf des Verfahrens selbst festlegen und dabei flexibel den Erfordernissen des jeweiligen Konflikts und betroffenen Fachgebiets anpassen können. Gleichwohl lässt sich das Verfahren auf folgende wesentlichen Strukturelemente zurückführen:
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1. Phase: Die Einigung über die Verfahrensordnung/Verfahrenssteuerung Erste und grundsätzliche Voraussetzung für die Durchführung einer Prozesssimulation ist die Einigung der Parteien auf das Ob und Wie eines solchen Verfahrens. Dieser Konsens kann bereits in der dem Konflikt zugrunde liegenden Vereinbarung als Teil einer etwaigen Konfliktlösungsstrategie verankert sein. Häufiger wird die Vereinbarung nach Auftreten eines zu lösenden Problems unmittelbar und konkret zwischen den Parteien getroffen.
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2. Phase: Die Auswahl des neutralen Dritten 20 Der neutrale Dritte ist eine der Schlüsselfiguren der Prozesssimulation. Er sollte: – vor allem fundierte rechtliche Kenntnisse haben5 (um die Erfolgsaussichten einer etwaigen Klage beurteilen und ggf. eine gelungene Einigung auch rechtssicher niederlegen zu können) und – ausreichende fachliche Kompetenzen aufweisen (um einen eigenen Entscheidungsvorschlag formulieren zu können und eine sonst erforderliche fachliche Einarbeitung seiner Person obsolet zu machen). 1 Vgl. Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, § 15 Rz. 44; ausführlich Bühring-Uhle, Arbitration and Mediation in International Business, 1996, 305 ff. 2 Vgl. Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, § 15 Rz. 44 m.w.N. 3 Meist wird hier als erster Anwendungsfall ein komplexer Streit aus dem Jahre 1987 in England angeführt, bei dem es um konstruktionsbedingte Mängel an einer Pipeline ging. In diesem Konflikt wurde ein Mini-Trial zwar durchgeführt, führte jedoch nicht direkt zur Befriedung. Die Einigung gelang zwar später noch gütlich, nicht aber unmittelbar durch oder im Mini-Trial (vgl. Czopka, Das MiniTrial: Struktur, Anwendungsfelder und Bewertung als Instrument privaten Konfliktmanagements, 20 f.; vgl. auch Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 233). 4 Allerdings gibt es unzählige Publikationen zum Thema „Mini-Trial“ und dessen möglichem Verfahrensablauf. Anschaulich zeigt dies die Zahl der Treffer, die bei der Suche mit einer Internet-Suchmaschine („Google“) mit der Suchkombination „Mini-Trial“ erzielt wird: immerhin 153 000 an der Zahl! 5 So auch Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 232.
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Kap. 11 Rz. 21
Evaluative Verfahren
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Wie der Dritte ausgewählt wird, ist deshalb einer der wesentlichen Punkte der Vereinbarung. Je weniger der Eindruck der Parteilichkeit des Dritten entsteht und je mehr dieser (rechtliche und fachliche) Kompetenz, Praxisnähe und Autorität auszustrahlen vermag, desto besser sind die Chancen, dass seine abschließende Äußerung als maßgeblich erachtet und ggf. sein Entscheidungsvorschlag von den Parteien angenommen wird.1
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Welche Rolle dem Dritten im konkreten Verfahren zukommt, hängt von der Vereinbarung der Parteien ab: Ein eigener Entscheidungsvorschlag ist nicht zwingend Bestandteil der Prozesssimulation, teilweise wird der Dritte mehr als Moderator und Garant eines fairen Verfahrens verstanden (vgl. hierzu bereits Rz. 7). Fast durchweg besteht Einigkeit, dass der Dritte weder Schiedsrichter mit eigener Entscheidungskompetenz noch Mediator im engeren Sinne ist.
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Vorliegend wird die Zuziehung eines neutralen Dritten als stets charakteristisch für die Prozesssimulation erachtet. Nicht alle Mini-Trials sehen die Zuziehung eines neutralen Dritten vor (vgl. Rz. 7).2 Es wird jedoch angenommen, dass die Konfliktlösungsquote sinkt, wenn kein Dritter zugezogen wird.3
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3. Phase: Die Vorbereitung Als Vorbereitung der eigentlichen Prozesssimulation im Gremium wird häufig der Austausch von Schriftsätzen innerhalb bestimmter Fristen vorgesehen. Diese sollen in den Streitstand einführen und den Konflikt strukturieren helfen, insbesondere wenn an der Präsentation Anwälte bzw. Rechtsvertreter beteiligt sein sollen und/oder es sich um besonders komplexe Problemstellungen handelt.
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4. Phase: Die eigentliche Prozesssimulation im Gremium – zunächst die Präsentation des eigenen Standpunkts Die für die Prozesssimulation charakteristische mündliche Präsentation der Standpunkte in einem Gremium, bestehend aus Beteiligten und dem neutralen Dritten, ist das Kernstück des Verfahrens. Ablauf und Zeitrahmen sollten dabei zur Wahrung der Chancengleichheit vorher festgelegt werden – auch, welche Partei ihren Standpunkt als Erste präsentieren darf.
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Grundsätzlich zwingend erforderlich ist die Anwesenheit der Parteien selbst oder deren abschlussbefugter Vertreter. Ansonsten kann die Grundidee des Verfahrens nicht greifen, dass – insbesondere in Streitigkeiten zwischen Unternehmen – das obere Management in der Regel bis zu diesem Zeitpunkt nicht in das Problem involviert war und sich Konflikte übergreifend und eingebunden in die jeweilige Unternehmensstrategie lösen lassen, wenn sie auf höchster Ebene (auch) wirtschaftlich betrachtet werden.4 Zudem wird das bei Verhandlungen ansonsten hemmende Problem der nicht entscheidungs- und abschlussbefugten Vertreter vermieden (vgl. Kap. 3 Rz. 46). 1 Vgl. Goldberg/Sander/Rogers/Cole, Dispute Resolution, 6. Aufl. 2012, 431. 2 Ponschab in Heussen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014, Teil 7 Rz. 72. 3 Vgl. Mackie/Miles/Marsh/Allen, The ADR Practice Guide, 2000, 241; Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 3. Aufl. 2011, Rz. 16-046. 4 Teilweise wird, um diesen Aspekt noch zu betonen und seinen Effekt zu verstärken, bei Prozesssimulationen von Unternehmen vorgeschlagen, das Management bzw. die Entscheidungsträger am Tisch des neutralen Dritten (ähnlich einer Jury) zu platzieren. Durch die räumliche Trennung der Entscheidungskompetenz von den Unternehmensvertretern, die in den Konflikt bisher fachlich eingebunden waren und ihn im Gremium vortragen, erhofft man sich eine besonders realistische Einschätzung eigener Schwächen durch die Entscheidungsträger (vgl. Mackie/Miles/Marsh/Allen, The ADR Practice Guide, 2000, 243, mit anschaulichen Skizzen).
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Prozesssimulation
Rz. 32 Kap. 11
Üblich ist neben der Zuziehung abschlussbefugter, bisher in den Konflikt am besten nicht 27 involvierter Personen der jeweiligen Partei die Teilnahme fachnaher und bereits direkt befasster bzw. betroffener Personen. So kann bereits gebildete Fachkompetenz genutzt und können sich im Fortgang stellende fachliche Fragen (etwa nach der Umsetzbarkeit einer Regelung in der Zukunft) unmittelbar gelöst werden. Bei komplexen Prozesssimulationen großer Konzerne führt dies zur Anwesenheit eines ganzen Mitarbeiterstabes aus den jeweiligen Fach- und Rechtsabteilungen.1 5. Phase: Die Erwiderung durch den Gegner Nach der Darstellung des Standpunkts der einen Partei darf die andere Partei ihren – gegensätzlichen – Standpunkt darlegen sowie auf die Erstausführungen erwidern. Zwischenfragen werden in der Regel nicht oder nur als Verständnisfragen zugelassen; dies können die Parteien allerdings auch anders vereinbaren.
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6. Phase: Die Replik und weitere Erwiderungen 29 Meist darf die erste Partei auf den Standpunkt der zweiten nochmals erwidern. Wie viele Erwiderungen der Parteien zugelassen werden, hängt von der individuellen und autonomen Festlegung im Vorfeld ab. Da Endziel eine gütliche Einigung ist, sollte ein allzu häufiger Schlagabtausch eher vermieden werden. 7. Phase: Die Erhebung von Beweisen 30 Da die Prozesssimulation gerade kein Gerichtsverfahren im eigentlichen Sinne sein will, sondern im Gegenteil gerade zur Vermeidung langwieriger und kostspieliger Beweisaufnahmeverfahren entwickelt wurde, findet grundsätzlich keine Beweisaufnahme statt. Sinnvoll kann sich im Einzelfall jedoch die Beiziehung von Sachverständigen oder anderen Personen zur Klärung einzelner Aspekte erweisen, die sonst eine Einigung oder Durchdringung der Materie verhindern würden. Zeitlich wird dies üblicherweise parallel zur bzw. innerhalb der Präsentationsphase erfolgen. Nicht üblich und dem Ziel des Verfahrens eher abträglich ist wegen der dann entstehenden zeitlichen Verzögerung die Erhebung nicht präsenter Beweise. 8. Phase: Der Entscheidungsvorschlag des neutralen Dritten Im Anschluss an die Darlegung der Standpunkte wird normalerweise eine Art „Abkühlungsphase“ eingeplant. Nicht zwingend schließt sich daran ein eigener konkreter Konfliktlösungsvorschlag des neutralen Dritten an. Unter Umständen kann er jedoch besonders konstruktive und kreative Vorschläge entwickeln – vor allem weil er als bisher Nichtbeteiligter und künftig Nichtbetroffener den nötigen Abstand zum Konflikt hat. Deshalb sehen viele Varianten der Prozesssimulation einen eigenen (nicht bindenden) Lösungsvorschlag des neutralen Dritten vor. Zeitlich kann dieser vor oder nach der Beurteilung (Phase 9, vgl. Rz. 32) und den parteiautonomen Einigungsversuchen (Phase 10, vgl. Rz. 33) vorgesehen werden. Je überzeugter die Parteien von der Autorität und Neutralität des Dritten sind, umso mehr werden sie bereit sein, sich dessen Lösungsvorschlag zu eigen zu machen.
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9. Phase: Die Beurteilung durch den neutralen Dritten Die Beurteilung durch den neutralen Dritten ist einer der zentralen Punkte der Prozesssimulation: Der neutrale Dritte äußert vor dem versammelten Gremium die Meinung, die
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1 (Auch) in dieser Hinsicht ist der Begriff des „Mini-Trials“ angesichts der Anzahl der involvierten Personen eher irreführend. Zudem ist der Dritte gerade nicht (wie ein Richter in einem realen „Trial“) mit Entscheidungskompetenz ausgestattet.
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Kap. 11 Rz. 33
Evaluative Verfahren
er sich aufgrund der Darlegungen des Sachverhalts gebildet hat. Er soll dabei insbesondere Schwächen der Argumentation, Lücken in der Darstellung und Beweiskette aufdecken und zu den Erfolgsaussichten einer etwaigen Klage Stellung nehmen. Seine Aufgabe ist in der Regel eine vor allem rechtliche Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts. Während diese in einer Mediation den Parteien überlassen wird und der Mediator allenfalls durch offene Fragen und häufig nur in Einzelgesprächen ein Überdenken der subjektiven Einschätzung der Prozessrisiken anregt, bewertet der neutrale Dritte in einer Prozesssimulation von sich aus die Rechtslage. Die Beurteilung durch den neutralen Dritten kann (soweit ein solcher überhaupt vorgesehen ist) vor oder nach dem konkreten Lösungsvorschlag (Phase 8, vgl. Rz. 31) vorgesehen werden. Teilweise werden die Einigungsversuche der Parteien zeitlich auch zwischen dem gütlichen Einigungsvorschlag des neutralen Dritten und dessen Beurteilung des Sachverhalts eingeordnet. Die Parteien sind auch hier frei in der konkreten Verfahrensabfolge und können den Ablauf wählen, der ihnen am erfolgversprechendsten erscheint. 33
10. Phase: Die Konfliktlösung Beim Mini-Trial in seiner reinen Form ist ein Vorschlag des Dritten zur Konfliktlösung (Phase 8, vgl. Rz. 31) nicht zwingend vorgesehen. Nach der Struktur des Verfahrens sind jedenfalls weder er noch die Beurteilung des Dritten, die oft auch den Abschluss des Verfahrens bildet, bindend. Die Einigung obliegt vielmehr den Parteien selbst und deren Autonomie.
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Bevor die eigentlichen Verhandlungen beginnen, kann sich unter Umständen nochmals eine kurze Pause empfehlen – insbesondere wenn die Präsentation und das Verfahren zuvor von großer Emotionalität geprägt waren. Die Gemüter können sich so wieder beruhigen und alle Beteiligten zu einer möglichst rationalen Grundhaltung zurückkehren. Das Verfahren setzt darauf, dass durch die vorherige Prozesssimulation die Einigung erst ermöglicht bzw. jedenfalls erleichtert wird, indem – die Parteien Informationen ausgetauscht haben, – nicht nur der Konflikt, sondern auch die jeweils dahinter stehenden Interessen beleuchtet wurden und – der eigene Standpunkt kritisch überdacht und Schwächen offenbart wurden. Bei der Konfliktlösung setzt das Verfahren u.a. auf den Lästigkeitsfaktor für die Entscheidungsträger der Parteien, sich mit dem Konflikt beschäftigen zu müssen.1 Zeitlich können die eigentlichen Parteiverhandlungen je nach konkreter Verfahrensvereinbarung vor der Beurteilung durch den neutralen Dritten (Phase 9, vgl. Rz. 32) oder an diese anschließend stattfinden. Häufig wird dabei zunächst eine Verhandlungsrunde nur der abschlussbefugten Parteivertreter gemeinsam mit dem Dritten vorgesehen.2
1 Anders als in einem Gerichtsverfahren, in dem sie häufig nicht persönlich anwesend sind (vgl. Ponschab in Heussen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014, Teil 7 Rz. 72). Risse sieht hierin den besonderen Clou des Verfahrens: Der Erwartungs- und Einigungsdruck wird dadurch gesteigert, dass die Unternehmensvertreter zu „unparteiischen Mitgliedern des Panels“ umfunktioniert werden und so praktisch (ggf. mit dem neutralen Dritten) das „Richtergremium“ bilden (vgl. Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, § 15, Rz. 47 f.). 2 So z.B. das Modell von Ponschab in Heussen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014, Teil 7 Rz. 72.
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Rz. 41 Kap. 11
Prozesssimulation
Für den Einigungsversuch sollte es ein zeitliches Limit geben. In jedem Fall sollte festgehalten werden, ob es zu einer (teilweisen) Einigung kam und wie die Parteien weiter verfahren wollen.1
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5. Die Eignung des Verfahrens, insbesondere die Vor- und Nachteile der Prozesssimulation Aus den wesentlichen Vor- und Nachteilen des Verfahrens ergeben sich auch die entspre- 36 chenden Verhaltensanreize für die Beteiligten, ein solches Verfahren durchzuführen (vgl. Rz. 38 ff.). Grundsätzlich ist es, wie sämtliche Methoden der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, nur geeignet, wenn die Parteien an sich Kooperationsbereitschaft und den Willen zur gütlichen Einigung aufweisen. Ein Zwang, das Verfahren durchzuführen oder fortzusetzen, stünde dessen Grundidee diametral entgegen. Kommt die Prozesssimulation infrage, sollte sie möglichst frühzeitig, jedenfalls vor Be- 37 schreitung des Rechtswegs, durchgeführt werden. Allerdings ist die Durchführung auch zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere zur Meidung einer umfangreichen Beweisaufnahme, noch möglich und ggf. sinnvoll. Ausgangspunkt für die nachstehenden Ausführungen ist die Grundform der Prozesssimulation unter mündlicher Präsentation der Standpunkte im Gremium durch die Parteien selbst oder deren abschlussbefugte Vertreter und unter Beiziehung eines neutralen Dritten, der abschließend seine Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits mitteilt. a) Die Vorteile einer Prozesssimulation Das Verfahren macht sich zunächst die Vorteile jeder außergerichtlichen und gütlichen Konfliktlösung zu eigen: – Der Konflikt wird gütlich und ohne Schaden für zukünftige Beziehungen zwischen den Beteiligten beigelegt. Anders als in einem gerichtlichen Urteil gibt es in aller Regel kein „Alles oder Nichts“, sondern steuert das Verfahren auf die Schaffung einer „WinWin-Situation“ hin. – Durch die – häufig erstmals konstruktive – Kommunikation der Parteien können Kooperationsgewinne entdeckt und Synergieeffekte genutzt werden.2 So ergeben sich durch die gütliche Einigung oft Vorteile für beide Parteien. Damit Hand in Hand geht die Verbesserung bzw. Initialisierung des Informationsflusses zwischen den Beteiligten, der Grundvoraussetzung für das Zustandekommen einer gütlichen Einigung ist. – Die gegenüber einem Gerichtsverfahren möglichen Zeit- und Kostenvorteile bilden einen starken Anreiz für die Beteiligten, eine Prozesssimulation als Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung durchzuführen.3 Vorteile ergeben sich insbesondere daraus, dass keine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt wird, sondern allenfalls in sehr gro-
1 So kann vermieden werden, dass die Parteien sich mit dem weiteren Prozedere nach der Prozesssimulation allein gelassen fühlen. 2 Zur möglichen Quelle von Kooperationsgewinnen vgl. Kapfer in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 7 ff. 3 Hierzu bereits ausführlich im Hinblick auf die Mediation, Kap. 6 Rz. 6, 12.
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Kap. 11 Rz. 42
Evaluative Verfahren
ßen Prozesssimulationen Sachverständige oder sonstige Dritte zur Klärung einzelner Punkte gehört werden.1 42 – Die Verhandlungen können unter Ausschluss der Öffentlichkeit2 stattfinden und bieten so unter anderem die Möglichkeit, „schlechte Presse“ etc. zu vermeiden. 43 – Da das Verfahren grundsätzlich autonom von den Parteien bestimmt wird, können sie auch entscheiden, welche Themen eingeführt und zur Konfliktlösung herangezogen werden. Anders als im gerichtlichen Verfahren gibt es keine strikte Begrenzung auf einen bestimmten Streitgegenstand. Zusätzlich weist die Prozesssimulation in der hier vorgestellten Ausprägung verfahrensspezifische Vorteile auf: 45 – Das Verfahren ist von der Grundidee her sehr informell – so gibt es i.d.R. keinen Anwaltszwang, keine Verpflichtung zur Einreichung von Schriftsätzen o.Ä. Den Parteien steht es frei, das Verfahren autonom nach ihren eigenen formalen Kriterien ablaufen zu lassen. Je komplexer allerdings die Streitigkeiten sind, desto weniger informell wird das Verfahren tatsächlich gestaltet werden können. 46 – Die Prozesssimulation bezieht die wirtschaftliche Beurteilung und ggf. künftige Entwicklung ein, während sich ein echtes Gerichtsverfahren allein auf die rechtliche Betrachtung konzentriert. Allerdings liegt der Schwerpunkt der Prozesssimulation3 ebenfalls eher auf der rechtlichen Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts. 47 – Das Verfahren setzt auf eine Bündelung von fachlicher Kompetenz mit Entscheidungsträgern der jeweiligen Partei: Die gerade in Unternehmen vorhandene bzw. bereits gebildete Fachkompetenz soll genutzt werden. Deshalb fordert das Verfahren i.d.R. die Anwesenheit von fachkompetenten Mitarbeitern oder sonst in die Materie Involvierten. 44
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Gleichzeitig setzt die Prozesssimulation auf eine persönliche Anwesenheit der Parteien bzw. deren abschlussbefugter Entscheidungsträger im Gremium.4 Dies dient im Ideal der Prozesssimulation in zweierlei Hinsicht: 1. Das sich sonst gerade in der Schlussphase von Verhandlungen herauskristallisierende, manchmal auch strategisch bzw. manipulativ eingesetzte Problem mangelnder Abschlusskompetenz tritt nicht auf. 2. Zudem setzt das Verfahren zur Konfliktlösung besonders auf den Mechanismus des „Escalation to the Top“ (vgl. Rz. 5): Durch die häufig erstmalige Einschaltung der maßgeblichen Entscheidungsträger in den Konflikt soll die möglichst unbürokratische „große“ Lösung erleichtert werden (vgl. bereits Rz. 26).
1 Dieser Vorteil ist insbesondere im amerikanischen Rechtsraum relevant, wenn dort ein sog. PreTrail-Discovery durchgeführt würde. 2 Grundsätzlich anders der im deutschen Prozessrecht geltende Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung (§ 169 Satz 1 GVG), der jedoch bereits durch das Gesetz selbst eingeschränkt ist: Verhandlungen in Familiensachen sind bspw. gemäß § 170 Satz 1 GVG regelmäßig nicht öffentlich (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 170 GVG Rz. 2; Lückemann in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 170 GVG Rz. 1). 3 Anders als das Frühevaluationsverfahren, das seinen Schwerpunkt eher auf eine sachverständige Begutachtung durch einen neutralen Dritten setzt, vgl. Rz. 14. 4 Zu den kommunikationstheoretischen Hintergründen von Verhandlungen mit Vertretern vgl. Bülow in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 99 ff.
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Rz. 52 Kap. 11
– Das Ergebnis der Prozesssimulation wird häufig mit der Auswahl des Dritten und seinen 48 Rechts-, Fach- und sonstigen Kenntnissen und Fähigkeiten stehen und fallen.1 Der Vorteil des Verfahrens liegt insoweit in der Reduktion auf eine von beiden Parteien autonom auszuwählende Vertrauensperson, die durch ihre neutrale Beurteilung das Einigungspotenzial erhöhen und neue Lösungswege aufzeigen kann. – Vor allem werden durch die abschließende Einschätzung des neutralen Dritten eigene 49 überhöhte Erwartungen reduziert und Schwächen der Argumentation oder Beweisführung offenbar. Hierdurch kann sich eine erhöhte oder erstmalige Bereitschaft zum Nachgeben und zur kreativen Konfliktlösung entwickeln.2 b) Die Nachteile einer Prozesssimulation Den Vorteilen stehen – wie bei jeder Methode – Nachteile gegenüber.3 Durch die kritische 50 Prüfung im Vorfeld, ob der Konflikt und die Parteien sich für eine Prozesssimulation eignen, können diese minimiert, aber nicht ganz beseitigt werden: – Das größte Problem auch bei der Prozesssimulation – wie grundsätzlich bei praktisch 51 allen Methoden zur außergerichtlichen Streitbeilegung – ist das Spannungsverhältnis zwischen der erforderlichen Offenheit unter den Beteiligten und der Gefahr des Preisgebens von später noch benötigten Informationen und Beweismitteln, insbesondere wenn es im Zuge der Prozesssimulation nicht zu einer Einigung der Parteien gekommen ist. Praktisch zwingend müssen die Parteien ihren Standpunkt und ihre mögliche Argumentation in einem etwa später tatsächlich angestrengten Rechtsstreit offenbaren, wenn das Verfahren überhaupt Sinn machen soll und die Idee des Verfahrens ausgeschöpft wird. Die Vertraulichkeit ist dabei nicht nur ein rechtliches, sondern auch ein tatsächliches Problem.4 Mit der Vertraulichkeitsabrede korreliert der Ausschluss der Verwertbarkeit von Beweis- 52 mitteln. Während eine solche Vereinbarung im amerikanischen Rechtsraum als fester Bestandteil des Mini-Trials vorausgesetzt wird, stößt eine solche Ausschlussvereinbarung im deutschen Rechtsraum auf prozessrechtliche Hindernisse. Ob und wie die Verwertung von Informationen, die in einem vorgeschalteten und parteiautonomen Verfahren wie der Prozesssimulation gewonnen wurden, in einem späteren Prozess verhindert werden kann, gilt letztlich als nicht befriedigend und rechtssicher gelöst (vgl. Kap. 5 Rz. 4 f.).5 Auf der anderen Seite dürfen Vertraulichkeitsabreden und Verwertungsverbote auch nicht zu weit gehen: Ansonsten könnten sie Parteien aus strategischen Überlegungen geradezu in Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung treiben, um bestimmte Informationen später als unverwertbar bezeichnen zu können. 1 Gerade in den USA wird eine entsprechende Fachkompetenz des Dritten als großer Vorteil gegenüber einer Verhandlung mit oder vor einer Jury gesehen, die erst langwierig in die fachliche Problematik selbst eingeführt werden muss. 2 So weist Walz zutreffend darauf hin, dass in der Regel beide Parteien zu optimistisch in der Beurteilung ihrer Gewinnchancen sind (vgl. Walz in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 29). 3 Hierzu auch Eidenmüller, Hybride ADR-Verfahren bei internationalen Wirtschaftskonflikten, RIW 2002, 1 ff. (insb. 3–5 m.w.N.). 4 Vgl. ausführlich Kap. 5 Rz. 5 f. Dort wird zu Recht darauf hingewiesen, dass selbst alle Arten von Vertraulichkeitsvereinbarungen nicht die Gefahr des faktischen Missbrauchs von in der Verhandlung erlangten Kenntnissen zu beseitigen vermögen. Anders als in der Mediation kann in der Prozesssimulation nicht auf vertrauliche Einzelgespräche mit dem Mediator ausgewichen werden. Sinn und Zweck des Verfahrens ist ja gerade die offene Präsentation im Gremium. 5 Walz in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 48–50; Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011, 272 f. (insbesondere zu internationalen Verfahren).
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Evaluative Verfahren
– Verhält sich zumindest ein Beteiligter manipulativ, könnte er die Prozesssimulation zur Ausforschung der anderen Partei missbrauchen. Jede Partei gibt mit den Informationen stets Anhaltspunkte zur Suche nach weiteren Beweismitteln für ein späteres Gerichtsverfahren preis und offenbart nach dem Sinn und Zweck des Verfahrens gerade die Schwächen der eigenen Argumentation. Letztlich kann es so zu einer gewollten Verschleppung der Konfliktlösung kommen, wenn zumindest eine Partei in Wahrheit gar nicht einigungsbereit ist. In diesen Fällen ist das Verfahren grundsätzlich nicht geeignet – allerdings ist der geheime Vorbehalt einer Seite schwer zu erkennen. – Das Verfahren erfordert eine Einigung der Parteien über die Verfahrensordnung, somit eine „Verhandlung über die Verhandlung“. Diese muss auch die unter Umständen sehr schwierige Einigung auf einen neutralen Dritten umfassen. – Wie bei vielen Methoden, die eine Konfliktlösung durch Verhandlung versuchen, kann eine Benachteiligung einer Partei eintreten, wenn die andere Partei sehr redegewandt und argumentationsstark ist. Aufgabe des neutralen Dritten kann hier auch ein entsprechender Ausgleich und die Gewähr eines fairen Verfahrens sein. – Der neutrale Dritte ist weder Schiedsrichter noch Mediator. Selbst wenn er einen (nicht bindenden) Einigungsvorschlag macht, hat er keine Entscheidungskompetenz in der Sache und soll nicht vorrangig versuchen, von sich aus die Interessen der Verhandlungspartner zu erforschen. Mit dem Ablauf des Verfahrens und der Konfliktlösung selbst werden die Parteien also in der Regel alleine gelassen. – Obwohl das Verfahren in der Regel billiger ist als die Durchführung eines Gerichtsverfahrens, ergibt sich manchmal ein Hemmnis aus der Kostentragungsvereinbarung: Diese sieht regelmäßig eine hälftige Teilung der Kosten unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor. Dies kann zu einem Kostennachteil gegenüber einem tatsächlichen Obsiegen in einem Gerichtsverfahren führen.1 – Bei wenig komplexen Streitigkeiten spielen zunehmend beschleunigte Verfahren eine Rolle – etwa für die Geltendmachung von Forderungen die Einleitung eines Mahnbescheidsverfahrens statt der Erhebung einer Klage.2 – Charakteristisch für das Verfahren ist nicht nur, dass der Entscheidungsvorschlag des Dritten die Parteien nicht bindet und nicht angenommen werden muss, auch kann nicht direkt aus einer Parteieinigung nach einer Prozesssimulation vollstreckt werden. Hierzu ist eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung bzw. Vollstreckbarerklärung erforderlich.3 Leider wird die Prozesssimulation häufig nur zur Stufe eines mehrteiligen Konfliktlösungsverfahrens degradiert. Dann dient sie nur noch einer „Klarwerdung“ der Parteien zur Vorbereitung einer Mediation und die besonderen Chancen des Verfahrens bleiben ungenutzt. Im Einzelfall kann sich jedoch die Überleitung z.B. in eine Mediation (mit dem damit einhergehenden Rollenwechsel des neutralen Dritten) durchaus empfehlen. Allerdings nehmen
1 Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. 2 Vgl. §§ 688 ff. ZPO. Nach Hüßtege stellt das Mahnverfahren einen einfachen und billigen Weg zum Vollstreckungstitel (Vollstreckungsbescheid, § 699 ZPO) dar, indem es das langwierigere und teure Urteilsverfahren erspart (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Vor § 688 Rz. 1; ähnlich Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor § 688 Rz. 2). 3 Etwa durch Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in notarieller Urkunde gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Weitere Formen sind Vergleiche vor einer anerkannten Gütestelle gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO oder der für vollstreckbar erklärte Anwaltsvergleich, § 796a Abs. 1 ZPO.
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M 11.1
Prozesssimulation
Rz. 64 Kap. 11
mit zunehmender Komplexität des Verfahrens die Zeit- und Kostenvorteile gegenüber herkömmlichen (Klage-)Verfahren ab. 6. Verhaltensanreiz; Zeitpunkt der Durchführung Der Verhaltensanreiz, eine Prozesssimulation durchzuführen, ergibt sich im Wesentlichen 61 aus den Vorteilen des Verfahrens, die bereits unter Rz. 44 ff. dargestellt wurden. Besonders ausgeprägt ist der Anreiz, eine Prozesssimulation durchzuführen, bei komplexen Streitigkeiten, in denen ansonsten der Rechtsweg beschritten würde – vor allem, wenn bisher die Entscheidungsträger der jeweiligen Partei noch nicht in die Konfliktlösung eingebunden waren. Die Prozesssimulation ermöglicht eine realistische Bewertung der möglichen Erfolgsaussichten einer Klage und kann dabei insbesondere überhöhte Vorstellungen hinsichtlich des eigenen Standpunkts dämpfen. In diesen Fallkonstellationen kann sich durch die frühzeitige Durchführung einer Prozess- 62 simulation ein erheblicher Zeit- und Kostenvorteil ergeben – mit den positiven Nebeneffekten des Ausschlusses der Öffentlichkeit und der Bewahrung etwaiger weiterer Geschäftsbeziehungen der Vertragsteile. Wie die bisherige Praxis der Mini-Trials zeigt, hat sich diese Methode der außergerichtlichen Streitbeilegung aber auch bewährt, wenn bereits Gerichtsverfahren anhängig sind, besonders zur Vermeidung einer umfangreichen, zeitintensiven und kostenträchtigen Beweisaufnahme. Der Anreiz, eine Prozesssimulation durchzuführen, kann durch die Sicherung der sofortigen Vollstreckbarkeit einer gefundenen Einigung der Parteien noch gesteigert werden.1
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II. Muster M 11.1 Vereinbarung über die Durchführung einer Prozesssimulation §1 VorbemerkungA1 1. Definition des StreitgegenstandesA2 Die ParteienA3 streiten über folgenden Sachverhalt: … (es folgt eine kurze und prägnante Schilderung des konkreten Lebenssachverhalts, aus dem die Ansprüche hergeleitet werden). Demgemäß begehrt … (es folgt eine genaue Parteibezeichnung des Anspruchstellers, ggf. mit Angabe des gesetzlichen Vertreters) – nachfolgend „Anspruchsteller“ genannt – von … (es folgt eine genaue Parteibezeichnung des Anspruchsgegners, ggf. wiederum mit Angabe des gesetzlichen Vertreters) – nachfolgend „Anspruchsgegner“ genannt – … (es folgt eine genaue Bezeichnung des behaupteten Anspruchs, zum Beispiel: Zahlung von … Euro)A4 1 Vgl. zu dem sonst bestehenden Nachteil einer im Rahmen einer Prozesssimulation erzielten, aus sich heraus i.d.R. nicht sofort vollstreckbaren Einigung Rz. 59.
Siegler/Fries 173
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Kap. 11 Rz. 64
Evaluative Verfahren
M 11.1
2. Wille zur gütlichen EinigungA5 Die Parteien wollen den zwischen ihnen über den vorstehenden Streitgegenstand bestehenden Konflikt außergerichtlich durch die Durchführung einer Prozesssimulation lösen. Sie haben den Wunsch, ihren Konflikt durch dieses freiwillig von ihnen gewählte Verfahren in eigener Verantwortung rasch und kostengünstig zu lösen. Vor diesem Hintergrund treffen sie die hier niedergelegten Vereinbarungen. Dabei gehen sie davon aus, dass durch die Präsentation der beiderseitigen Standpunkte und deren Beurteilung durch einen neutralen Dritten, dem beide Parteien ihr Vertrauen schenken, eine gütliche Einigung erreicht werden kann. §2 Die Besetzung des Gremiums; insbesondere die Auswahl des neutralen DrittenA6 1. Bestellung und Auswahl des neutralen Dritten Als neutralen Dritten benennen die Parteien Frau/Herrn … (es folgt die Bezeichnung der benannten Person, ggf. mit Anschrift), ersatzweise für den Fall deren/dessen tatsächlicher Verhinderung Frau/Herrn …A7 (Alternativ kann bei Nichteinigung ein BenennungsverfahrenA8 vorgesehen werden, etwa wie folgt: a) Die Parteien werden sich innerhalb einer Woche ab Abschluss dieser Vereinbarung auf die Person eines neutralen Dritten einigen. b) Kommt eine Einigung innerhalb dieser Frist nicht zustande, so ernennt der Direktor des örtlich zuständigen Amtsgerichts … [es folgt die Angabe des Ortes, z.B. Hof/Saale] auf Antrag zumindest einer Partei nach billigem Ermessen einen qualifizierten Volljuristen als neutralen Dritten.A9 Dieser soll im Sinne von Ziff. 2. geeignet sein. c) Der gemäß b) Ernannte kann von jeder Partei durch Erklärung gegenüber der anderen Partei abgelehnt werden – wegen der Besorgnis der Befangenheit, – wenn er die von den Parteien vorausgesetzten fachlichen Anforderungen gemäß Ziff. 2. nicht erfüllt. Die Ablehnung ist der anderen Partei innerhalb einer Woche ab Kenntnis des Ablehnungsgrundes schriftlich an die in dieser Vereinbarung genannte Adresse mitzuteilen. Der Ablehnungsgrund ist dabei anzugeben, muss jedoch nicht glaubhaft gemacht oder bewiesen werden. d) Im Falle der Ablehnung hat ein erneutes Auswahlverfahren gemäß a) und b) zu erfolgen. Liegen auch in der Person des dann Benannten Ablehnungsgründe vor, so gilt das Verfahren als gescheitert, wenn zumindest eine der Parteien wiederum die Ablehnung erklärt.A10 Ansonsten ist das Verfahren mit dem nun Benannten als neutralem Dritten durchzuführen.) 2. Eignung des neutralen DrittenA11 a) Der neutrale Dritte muss qualifizierter Jurist sein (Jurist mit Befähigung zum Richteramt). Er soll überdies mit dem im streitigen Rechtsverhältnis maßgeblichen materiellen Recht vertraut sein. b) Der neutrale Dritte soll darüber hinaus eine besondere fachliche Qualifikation oder Kompetenz im Hinblick auf den streitigen Sachverhalt besitzen. c) Von vorstehenden Voraussetzungen können die Parteien jederzeit übereinstimmend abweichen, insbesondere durch die gemeinsame Benennung eines neutralen Dritten.A12
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Prozesssimulation
Rz. 64 Kap. 11
3. Rolle des neutralen Dritten; Verpflichtung zur Neutralität und Verschwiegenheit a) Der neutrale Dritte bestimmt und leitet die Prozesssimulation. Ihm obliegt auch die Leitung der mündlichen Verhandlung gemäß § 4 Ziff. 2. b) Er kann insbesondere – in jedem Stadium des Verfahrens jeder Partei Fragen zur Klärung des dem Konflikt zugrunde liegenden Sachverhalts stellen und hierzu nach seinem Ermessen Beweis erheben, – in jedem Stadium des Verfahrens einen Einigungsvorschlag unterbreiten und eine entsprechende Vereinbarung formulieren, – den Vollzug und die Überwachung des Vollzugs einer von den Parteien niedergelegten Einigung übernehmen. c) Der neutrale Dritte soll für einen zügigen Verfahrensablauf sorgen und ungebührlichen Verzögerungsversuchen einzelner Parteien entgegenwirken. d) Der neutrale Dritte hat nicht verbindlich über den vorgebrachten Konflikt zu entscheiden. Ihm obliegt keine eigene Entscheidungskompetenz in der Sache.A13 e) Der Dritte hat seine Neutralität zu wahren. Er hat dafür zu sorgen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien beachtet wird, insbesondere beiden Parteien gleichmäßig Gehör gewährt wird.A14 f) Wünschen die Parteien übereinstimmend eine Abweichung von der hier vereinbarten Verfahrensordnung, hat der Dritte dies zu berücksichtigen. Die Änderung der Verfahrensweise ist schriftlich niederzulegen. g) Der neutrale Dritte ist zur Vertraulichkeit entsprechend § 3 Ziff. 2. zu verpflichten.A15 4. Besetzung des Gremiums a) Die mündliche Verhandlung gemäß § 4 Ziff. 2. findet im Gremium vor dem neutralen Dritten als Vorsitzenden statt. b) In das Gremium haben die Parteien jeweils bis zu drei, zur Vertraulichkeit gemäß § 3 Ziff. 2. zu verpflichtende Mitglieder zu entsenden. Diese haben die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen:A16 – Mindestens ein Mitglied muss umfassende Entscheidungs- und Abschlusskompetenz für die entsendende Partei haben und diese auf Verlangen auch nachweisen können. – Mindestens ein Mitglied muss mit dem Konflikt in fachlicher Hinsicht vertraut sein und Sachkompetenz zur Klärung aller fachlichen und technischen Fragen, die sich im Gremium stellen könnten, aufweisen. c) Die in das Gremium zu entsendenden Mitglieder hat jede Partei der anderen unverzüglich nach Bekanntgabe des Termins zur mündlichen Verhandlung namentlich mitzuteilen. Ein Ablehnungsrecht steht der anderen Partei nicht zu, sie kann aber den Nachweis der Eignung im obigen Sinne verlangen. d) Eine Vertretung der Gremiumsmitglieder aufgrund schriftlicher Vollmacht ist zulässig, wenn der Vertreter über die gleiche Eignung wie das benannte Gremiumsmitglied verfügt. Auch der Vertreter hat sich zur Verschwiegenheit zu verpflichten. e) Die Zuziehung von Beiständen und rechtlichen Beratern ist nur im Rahmen der festgelegten Zahl von Gremiumsmitgliedern zulässig.A17 §3 Allgemeine Verfahrensgrundsätze 1. Freiwilligkeit; Beendigung des Verfahrens a) Die Prozesssimulation wird von den Parteien freiwillig in der Überzeugung einer möglichen außergerichtlichen Konfliktlösung durchgeführt. Siegler/Fries 175
Kap. 11 Rz. 64
Evaluative Verfahren
M 11.1
b) Jede Partei kann durch Erklärung gegenüber der anderen Partei oder dem Dritten jederzeit die vorliegende Vereinbarung zur Durchführung einer Prozesssimulation kündigen. Die Kündigung soll schriftlich erfolgen; die Angabe von Gründen ist nicht erforderlich.A18 In diesem Fall ist das Verfahren beendet; dies soll der Dritte den Parteien schriftlich mitteilen. 2. VertraulichkeitA19 a) Jede Partei verpflichtet sich, sämtliche Tatsachen, die ihr im Zusammenhang mit der Durchführung der Prozesssimulation bekannt geworden sind, vertraulich zu behandeln und Dritten gegenüber nicht zu offenbaren, soweit dem nicht zwingende gesetzliche Offenbarungspflichten entgegenstehen. Dies umfasst auch die Tatsache, dass ein Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung anhängig ist. Die Verwertung von Informationen, die im Zusammenhang mit der Prozesssimulation gewonnen wurden, ist zu anderen Zwecken, insbesondere in nachfolgenden Gerichts- oder Schiedsverfahren, verboten. Die Verpflichtung zur Vertraulichkeit umfasst auch den Inhalt einer im Rahmen der Prozesssimulation erzielten Einigung der Parteien. b) Jede Partei verpflichtet sich, keine Beweisanträge für Vorgänge aus der Prozesssimulation zu stellen, insbesondere – keine Urkunden als Beweismittel vorzulegen, von denen sie im Zusammenhang mit der Prozesssimulation Kenntnis erlangt hat, – Beteiligte der Prozesssimulation oder mit dieser sonst im Zusammenhang stehende Personen nicht als Zeugen oder zur parteiverantwortlichen Einvernahme zu benennen, – den neutralen Dritten nicht als Zeugen für Tatsachen im Zusammenhang mit der Prozesssimulation zu benennen, insbesondere solchen, die ihm in seiner Eigenschaft als neutraler Dritter und Leiter der mündlichen Verhandlung bekannt geworden sind. c) Das Verbot der Verwertung von Informationen umfasst nicht Tatsachen, – die eine Partei in gesetzlich zulässiger Weise von nicht am Verfahren Beteiligten erfahren hat, – die offenkundig sind, – die eine Partei bei Streitigkeiten aus der vorliegenden Verfahrensvereinbarung oder zu ihrer Auslegung vorträgt oder – die eine Partei bei Streitigkeiten aus einer im Rahmen der Prozesssimulation erzielten Einigung zur Durchsetzung ihrer behaupteten Rechte hieraus vorträgt. – Für in diesem Sinne nicht vertrauliche Tatsachen gilt auch die vorstehende Beweismittelbeschränkung nicht. 3. Anderweitige RechtshängigkeitA20 Für die Dauer der Prozesssimulation, das heißt ab der Unterzeichnung dieser Verfahrensvereinbarung bis zur Beendigung des Verfahrens gemäß § 5, ist die Anrufung der ordentlichen Gerichte unzulässig. Ist zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung der Rechtsstreit bereits rechtshängig, verpflichten sich die Parteien, unverzüglich das Ruhen des Verfahrens herbeizuführen. Das Recht, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu ergreifen, bleibt unberührt. Anträge, die eine Vorwegnahme der Hauptsache nach sich ziehen würden, sollen jedoch auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig sein.
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Prozesssimulation
Rz. 64 Kap. 11
4. Verjährung; Stundung a) Die Parteien vereinbaren, dass die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs von der Unterzeichnung dieser Verfahrensvereinbarung bis zur Beendigung des Verfahrens gemäß § 5 gehemmt ist.A21 – § 203 Satz 2 BGB bleibt dabei unberührt. – Die Verjährung tritt jedoch spätestens 30 Jahre nach dem gesetzlichen Verjährungsbeginn ein. b) Für den Zeitraum der vereinbarten Hemmung ist der Anspruchsgegner berechtigt, die Leistung zu verweigern, ohne dass hiermit ein Anerkenntnis verbunden wäre. Wird die Prozesssimulation ohne Einigung der Parteien beendet, so entfällt das Leistungsverweigerungsrecht mit Wirkung ex nunc.A22 §4 Der Ablauf des VerfahrensA23 1. Das schriftliche Vorverfahren Widerspricht keine der Parteien, so kann der Dritte zur Klärung des Sachverhalts und Einführung in den Streitstand ein schriftliches Vorverfahren anordnen. Die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens hat unverzüglich nach Bestellung des Dritten durch diesen schriftlich an beide Parteien zu erfolgen. Sie kann Vorgaben zum Umfang der – in zweifacher Ausfertigung einzureichenden – Schriftsätze machen und Fristen zu deren Einreichung setzen. In der Regel soll zunächst der Anspruchsteller sein Begehren darlegen und begründen und hierauf der Antragsgegner erwidern. Dem Dritten obliegt die Entscheidung über die Zulassung weiterer Erwiderungen. 2. Die mündliche Verhandlung a) Nach Abschluss eines etwaigen schriftlichen Vorverfahrens, ansonsten nach Bestellung des neutralen Dritten, ordnet dieser den Termin zur mündlichen Verhandlung an, in dem jede der Parteien ihre Position mündlich vortragen und erläutern soll. b) Die Ladung ist an die Parteien mittels eingeschriebenen Briefes an die in dieser Vereinbarung niedergelegte Adresse mit einer Frist von mindestens zwei Wochen ab Absendung der Ladung zu richten. Dabei werden der Tag der Absendung und der Tag der mündlichen Verhandlung nicht mitgerechnet. c) Mit der Ladung legt der neutrale Dritte den Zeitplan für den Tag der mündlichen Verhandlung fest. Er legt hierbei insbesondere fest, wie lange jede Partei mündlich ausführen darf und wie viele Erwiderungen auf die Darstellung der jeweils anderen Partei zugelassen sind. In der Regel soll dabei zunächst der Antragsteller seinen Standpunkt erläutern und sodann der Antragsteller ebenso lange auf diesen Standpunkt erwidern können. Dem Antragsteller ist in der Regel die Möglichkeit zu einer kurzen Erwiderung auf den Standpunkt des Antragsgegners einzuräumen. Weitere Erwiderungen kann der Vorsitzende nach seinem Ermessen vorsehen. d) Die mündliche Verhandlung findet in … (es folgen der Ort und ggf. die Anschrift des Verhandlungsraums) statt. e) An der mündlichen Verhandlung nehmen der neutrale Dritte als Vorsitzender des Gremiums sowie das nach § 2 Ziff. 4. besetzte Gremium der Parteien teil. Ist das Gremium einer Partei – ganz oder teilweise – am Erscheinen gehindert, wird ein neuer Termin zur Verhandlung anberaumt, wenn die Partei dem neutralen Dritten unverzüglich schriftlich hinreichende Gründe für das Nichterscheinen mitteilt. Ansonsten gilt das Verfahren als gescheitert (vgl. § 5 Ziff. 2. b). Hiervon hat der Vorsitzende die andere Partei zu unterrichten. Siegler/Fries 177
Kap. 11 Rz. 64
Evaluative Verfahren
M 11.1
f) Die mündliche Verhandlung wird vom neutralen Dritten eröffnet, der in den Sach- und Streitstand einführen soll. Sodann erläutert zunächst die erste, in der Regel die antragstellende Partei ihren Standpunkt. Die Präsentation erfolgt mündlich und darf durch die Hinzuziehung technischer Präsentationsmittel (z.B. Overheadprojektor o.Ä.) unterstützt werden. Der Vortrag ist beschränkt auf die in der Ladung angegebene Redezeit; auf deren Einhaltung hat der neutrale Dritte besonders zu achten. Nunmehr erfolgt die Erwiderung der anderen Partei, in der Regel des Antragsgegners. Hierbei gelten vorstehende Regelungen entsprechend. Weitere Erwiderungen sind, wie in der Ladung angegeben, zuzulassen. g) Widerspricht keine der Parteien, kann der Vorsitzende von dem in der Ladung angegebenen Ablauf der mündlichen Verhandlung abweichen, insbesondere weitere Erwiderungen zulassen. h) Nach Abschluss der mündlichen Ausführungen der Parteien soll der Vorsitzende einen konkreten Einigungsvorschlag unterbreiten. Er soll den Parteien im Anschluss Gelegenheit geben, sich über den Streitgegenstand (jedoch ohne Beschränkung hierauf) gütlich zu einigen. Für den Einigungsversuch soll der neutrale Dritte eine zeitliche Vorgabe machen; er kann vorsehen, dass zunächst ein Einigungsversuch nur unter Zuziehung der abschlussbefugten Parteivertreter stattfindet.A24 i) Führen die Verhandlungen der Parteien innerhalb des Zeitlimits nicht zu einer Einigung, äußert der neutrale Dritte im Gremium den Parteien gegenüber mündlich seine subjektive Überzeugung, wie er den Streit zwischen den Parteien entscheiden würde. Er hat dabei insbesondere auf die rechtliche Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts sowie die Erfolgsaussichten einer etwaigen Klage einzugehen.A25 j) Mit der Beurteilung des Sachverhalts durch den Vorsitzenden sind die mündliche Verhandlung und die Prozesssimulation beendet. Eine verbindliche Entscheidung obliegt dem neutralen Dritten ausdrücklich nicht. 3. Die Erhebung von BeweisenA26 a) Ein Anspruch der Parteien auf Erhebung von Beweisen im Rahmen der Prozesssimulation besteht nicht. Die Entscheidung über die Erhebung einzelner Beweise und die Zulassung von Beweismitteln liegt bei dem neutralen Dritten. b) In der mündlichen Verhandlung präsente Beweismittel sollen jedoch in der Regel zugelassen werden. §5 Abschluss des Verfahrens; Beendigung 1. Einigung der Parteien a) Wird im Rahmen der Prozesssimulation eine – auch teilweise – Einigung der Parteien erzielt, so ist sie, soweit nicht das Gesetz zwingend die Einhaltung einer anderen Form vorschreibt, schriftlich niederzulegen und von dem Dritten sowie den Parteien zu unterzeichnen. Von der Einigung sollen drei Urschriften errichtet werden: Je eine wird den Parteien ausgehändigt, eine ist für den neutralen Dritten bestimmt. Erfolgt eine lediglich teilweise Einigung, soll festgehalten werden, ob die Prozesssimulation im Übrigen beendet ist oder weitergeführt werden soll. b) Die Einigung soll auch eine Einigung über die Kosten der Prozesssimulation umfassen.A27
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M 11.1
Prozesssimulation
Rz. 65 Kap. 11
c) War zum Zeitpunkt der Einigung bereits ein Rechtsstreit rechtshängig, so verpflichten sich die Parteien, sämtliche Erklärungen abzugeben bzw. Handlungen vorzunehmen, um diesen übereinstimmend für erledigt zu erklären.A28 In diesem Fall soll die Einigung auch eine Einigung über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens einschließlich der jeweiligen außergerichtlichen Kosten der Parteien enthalten. d) Auf Verlangen einer Partei soll die Vollstreckbarkeit der in der Einigung niedergelegten Leistungspflichten der Parteien sichergestellt werden.A29 2. Sonstige Beendigung des Verfahrens a) Das Verfahren ist auch beendet – mit der Beurteilung des Konflikts durch den neutralen Dritten gemäß § 4 Ziff. 2. j), – wenn zumindest eine Partei dies erklärt, vgl. § 3 Ziff. 1. b), – wenn der neutrale Dritte die Prozesssimulation als gescheitert erklärt. Diese Entscheidung hat er nach billigem Ermessen zu treffen und den Parteien schriftlich mitzuteilen. b) Die Prozesssimulation soll regelmäßig für gescheitert erklärt werden, wenn – eine der Parteien eine ihr gesetzte Frist zur Einreichung von Schriftsätzen in einem schriftlichen Vorverfahren missachtet oder – eine der Parteien ohne hinreichende Entschuldigung nicht oder nicht in vorgeschriebener Besetzung zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint.A30 §6 Sonstiges 1. Kosten Kann über die Tragung der Kosten keine Einigung erzielt werden, trägt jede Partei die ihr entstandenen Aufwendungen selbst.A31 Die Kosten, die durch die Hinzuziehung des neutralen Dritten und ggf. die Abhaltung der mündlichen Verhandlung entstehen (insbesondere durch die Raummiete), tragen die Parteien je zur Hälfte. 2. Zustellungsanschriften Zum Zwecke der Übersendung von Erklärungen im Rahmen der Prozesssimulation geben die Parteien ihre Zustellungsanschrift bekannt wie folgt: – Der Antragsteller: – … (es folgt die vollständige ladungsfähige Anschrift des Antragstellers). – Der Antragsgegner: – … (es folgt die vollständige ladungsfähige Anschrift des Antragsgegners). Änderungen während der Dauer des Verfahrens sind dem Dritten und der anderen Partei unverzüglich mitzuteilen.A32 …, den … (Unterschrift Antragsteller) (Unterschrift Antragsgegner)A33
Anmerkungen zu Muster M 11.1 A1 Sachverhalt: Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über den von einer Partei behaupteten Anspruch gegen die andere auf Leistung (etwa Zahlung). Ein Klageverfahren Siegler/Fries 179
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Kap. 11 Rz. 66
Evaluative Verfahren
M 11.1
ist zwischen den Beteiligten noch nicht anhängig, wurde jedoch vom Anspruchsteller für den Fall des Scheiterns des Verfahrens bereits angekündigt. Da der Anspruchsteller schlechte Erfahrungen mit Gerichtsverfahren, insbesondere deren Dauer und erforderlichen Kostenvorschüssen für Sachverständige gemacht hat, möchte er sich gütlich einigen. Für den Rechtsstreit wäre der ordentliche Rechtsweg zu einem Zivilgericht eröffnet, das heißt die Prozesssimulation versucht, einen nach den Regeln der ZPO durchzuführenden Rechtsstreit zwischen den Parteien zu verhindern. Grundsätzlich ist die Verfahrensvereinbarung auch für Rechtsstreitigkeit aus anderen Rechtsgebieten geeignet, jedoch muss stets darauf geachtet werden, ob hierfür materiellrechtliche oder prozessrechtliche Besonderheiten gelten, die zu berücksichtigen sind. Der Mustertext geht hierauf nicht gesondert ein. 66
A2 Streitgegenstand: Der aus dem Zivilprozessrecht übernommene Begriff des Streitgegenstandes (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) definiert sich durch die Angabe des Klagegegenstandes, also der geltend gemachten Forderung, und des zugrunde liegenden konkreten Lebenssachverhaltes, auf den sich das Begehren stützt (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Einl. II., Rz. 1 ff.; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Einl. Rz. 60 ff.). Der Streitgegenstand sollte insbesondere dann sorgfältig formuliert werden, wenn – wie im Mustertext – prozessual wirkende Vereinbarungen vorgesehen werden, etwa ein dilatorischer Klageverzicht o.Ä.
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A3 Vertragstypus: Individualvereinbarung, kein Verbrauchervertrag. Die Verfahrensvereinbarung geht davon aus, dass kein Verbrauchervertrag vorliegt, sich also nicht ein Unternehmer (vgl. § 14 BGB) und ein Verbraucher (vgl. § 13 BGB) gegenüberstehen. Ansonsten sind weitere Einschränkungen der Parteiautonomie im Hinblick auf den Schutz des Verbrauchers zu berücksichtigen: So kann sich bspw. gem. § 475 Abs. 1 BGB der Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf auch dann nicht auf eine Abbedingung oder Beschränkung der Mängelrechte des Käufers berufen, wenn diese individualvertraglich vereinbart ist. Zudem gelten die Klauselverbote der §§ 307–309 BGB im Verbrauchervertrag grundsätzlich auch dann, wenn die Bestimmungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind (vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, zum Ganzen vgl. ausführlich Amann/Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, 2. Aufl. 2003, 200 ff., 346 ff., 607). Liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, können sich aus den §§ 307 ff. BGB, insbesondere den Klauselverboten der §§ 308 und 309 BGB, ebenfalls zu beachtende Einschränkungen der Vertragsfreiheit ergeben (vgl. Amann/Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, 2. Aufl. 2003, 346 f., 361 ff.). Oftmals wird es sich aber – wie hier – um eine einmalig ausgehandelte Verfahrensvereinbarung für einen konkreten Konflikt der Parteien handeln.
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A4 Aktueller Konflikt der Parteien: Wie in Anm. A1 (Rz. 65) ausgeführt, liegt der hier vorgestellten Verfahrensvereinbarung ein aktueller Konflikt der Parteien zugrunde. Selbstverständlich ist es auch möglich, in einer sonstigen Vereinbarung, zum Beispiel in einem Kauf- oder Werkvertrag der Beteiligten, bereits vorsorgliche Regelungen über die Einleitung einer Prozesssimulation im Fall des Auftauchens eines künftigen Konflikts zu treffen. Eine solche vorbeugende Vereinbarung sollte vorsehen, wie die Prozesssimulation ggf. eingeleitet wird, also zum Beispiel Formalia zur Einreichung einer Antragsschrift. Hierbei kann ein bestimmter Mindestinhalt vorgesehen werden, insbesondere die vollständige Bezeichnung und Anschrift der Parteien, die Beschreibung des dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalts und die Angabe des rechtlichen Begehrens sowie ggf. der Vorschlag eines neutralen Dritten.
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M 11.1
Prozesssimulation
Rz. 73 Kap. 11
A5 Die Dokumentation des Willens zur gütlichen Einigung: Diese Vorbemerkung soll 69 gleich einer Präambel die Freiwilligkeit und eigenverantwortliche Wahl des Verfahrens durch die Beteiligten betonen. Zugleich wird möglichen rechtlichen Bedenken der Rechtsprechung Rechnung getragen: Danach soll die Beschränkung der Klagbarkeit durch eine Vereinbarung der Vertragsteile, vor Anrufung des ordentlichen Gerichts habe ein Güteversuch (z.B. vor einer Schiedsstelle) stattzufinden, jedenfalls dann keine unangemessene Beschränkung des Rechtswegs darstellen, wenn die Vertragspartner an der Anrufung der Gütestelle ein berechtigtes Interesse haben (so BGH, Urt. v. 23.111983 – VIII ZR 197/82, NJW 1984, 669, mit der Aussage, es brauche hier nicht entschieden werden, ob es den Vertragsparteien allgemein frei stehe, den Ausschluss oder die Beschränkung der Klagbarkeit zu vereinbaren, hierzu bereits ausführlich und im Sinne der Parteiautonomie M 6.1 Anm. A4 [Kap. 6 Rz. 37] m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist die Angabe der Interessenlage und Motive der Parteien in der Verfahrensvereinbarung zu empfehlen. A6 Die Zuziehung eines neutralen Dritten: Einige Varianten der Prozesssimulation ver- 70 zichten gänzlich auf die Zuziehung eines neutralen Dritten. Sie setzen alleine auf die kommunikative Kraft eines Forums der Parteien. Der Erfolg eines solchen Verfahrens wird jedoch regelmäßig nicht an den eines Verfahrens unter Zuziehung eines neutralen Dritten heranreichen können (vgl. Rz. 23 m.w.N.). Ausschlaggebender Anreiz zur Parteieinigung ist bei der Prozesssimulation gerade, dass der neutrale Dritte durch seine Einschätzung den Überoptimismus der Parteien dämpft und so die Einigungsbereitschaft fördert. Ohne ihn geht dieser Effekt verloren, weshalb auf Varianten, die einen neutralen Dritten für verzichtbar halten, nicht näher eingegangen wird. A7 Übereinstimmende Benennung eines neutralen Dritten: Können sich die Parteien 71 von sich aus auf einen neutralen Dritten einigen, spricht dies zumindest für einen Einigungswillen und Konsensfähigkeit hinsichtlich der Verfahrensweise selbst. Zudem kann der Dritte in diesem Fall von einer beidseitigen Akzeptanz seiner Person ausgehen, was das Verfahrensergebnis regelmäßig günstig beeinflussen wird. Die Benennung einer Ersatzperson für den Fall der tatsächlichen Verhinderung, etwa durch Krankheit, kann aufgenommen werden, ist jedoch keinesfalls zwingend. Häufig wird es schon schwer genug für die Parteien sein, sich überhaupt auf einen neutralen Dritten zu einigen. Bei ihrer Benennung sollten die Beteiligten berücksichtigen, dass der neutrale Dritte über ausreichende Rechts- und Fachkenntnisse verfügen sollte (vgl. Rz. 20, 75). A8 Die Auswahl des neutralen Dritten im Fall der Nichteinigung der Parteien: Ist eine 72 Einigung auf einen neutralen Dritten nicht möglich, können die Beteiligten entweder ein internes Auswahlverfahren installieren oder die Auswahl des Dritten an eine professionelle Institution delegieren. Je mehr die Parteien dem Auswahlverfahren vertrauen, desto größer wird das spätere Vertrauen in den neutralen Dritten und die Bereitschaft zur Akzeptanz seiner Einschätzung sein. A9 Die Installation eines Benennungsverfahrens: Da mit der Akzeptanz des neutralen 73 Dritten die Einigungswahrscheinlichkeit der Parteien steht und fällt, ist auf dessen Auswahl besonderes Augenmerk zu richten. Häufig wird dem Vorschlag einer unabhängigen Organisation bzw. Institution besonderes Gewicht beigemessen. Dabei kommen je nach Sachverhalt verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Neben der im Mustertext vorgesehenen könnten insbesondere vereinbart werden: – der Präsident des örtlich zuständigen Landgerichts, – der Präsident der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer, – der Präsident der örtlich zuständigen Landesnotarkammer, Siegler/Fries 181
Kap. 11 Rz. 74
Evaluative Verfahren
M 11.1
– sonstige Organe von berufsständischen Organisationen o.Ä., zum Beispiel der Wirtschaftsprüfer-/Steuerberaterkammer. Besteht Gefahr, dass über die örtliche Zuständigkeit der betreffenden Institution Unklarheiten auftreten, sollte diese in der Vereinbarung möglichst konkret festgehalten werden (zum Beispiel die IHK für Oberfranken-Bayreuth). Ggf. sollte im Vorfeld mit der ausgewählten Institution geklärt werden, dass diese zur Benennung und Bestimmung des Dritten bereit ist. 74
A10 Meidung zu großer Formalia bei der Bestimmung des neutralen Dritten: Das Verfahren wird im Mustertext für gescheitert erklärt, wenn die Benennung des neutralen Dritten nicht beim zweiten Mal gelingt. Die Ablehnung ist dabei ausdrücklich nur an die Behauptung eines Ablehnungsgrundes gebunden. Dies erscheint auf den ersten Blick als relativ schnell und großzügig. Ein bereits bei der Bestimmung des neutralen Dritten endender Einigungswille der Parteien lässt aber ohnehin keine Erfolg versprechende Prognose für den Ausgang eines gütlichen Verfahrens zu. Scheint die Akzeptanz des Dritten durch die Parteien fraglich, muss die Eignung der Prozesssimulation grundsätzlich bezweifelt werden. Da das Verfahren stets freiwillig bleibt, sind deshalb keinerlei Zwangsmittel bei der Bestellung des neutralen Dritten vorgesehen.
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A11 Die Eignung des neutralen Dritten: Grundsätzlich sollte der neutrale Dritte zwei wesentlichen Anforderungen genügen: Neben entsprechenden Rechtskenntnissen sollte er über entsprechende Fachkenntnisse verfügen. Nur dann kann der Dritte sowohl in seiner abschließenden Beurteilung zu den Erfolgsaussichten einer etwaigen Klage kompetent Stellung nehmen bzw. eine gefundene Einigung der Parteien rechtssicher niederlegen als auch ohne große fachliche Einarbeitung die zugrunde liegenden Sachfragen verstehen und beurteilen. Häufig wird diese Eignung durch ein Amt vermittelt werden, das der Dritte innehat oder früher innehatte, wie dies insbesondere bei Notaren, (ggf. pensionierten) Richtern oder Rechtsanwälten der Fall ist. Im Idealfall verfügt der Dritte auch über Erfahrung speziell im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung und Verhandlungsführung. Jedenfalls sollte er eine gewisse Autorität mitbringen, damit die Parteien ausreichendes Vertrauen in seine Urteilsfähigkeit und abgegebene Bewertung entwickeln können.
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A12 Die Parteiautonomie des Verfahrens: Idealerweise sollte der neutrale Dritte auch bei übereinstimmender Benennung durch die Parteien die in Anm. A11 (Rz. 75) genannten Fähigkeiten besitzen. Da es sich jedoch um ein parteiautonomes Verfahren handelt, sind die Parteien frei in ihrer Entscheidung und können von (vielleicht wünschenswerten) Prämissen jederzeit einverständlich abweichen.
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A13 Keine Entscheidungskompetenz des neutralen Dritten: Dem Dritten obliegt in der Prozesssimulation keine eigene Entscheidungskompetenz in der Sache, ein vorgebrachter Lösungsvorschlag ist stets unverbindlich (vgl. bereits Rz. 56).
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A14 Die Neutralität des Dritten: Die Neutralität des Dritten ist wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz seiner Bewertung. Die Neutralität soll sich dabei auch in der konkreten Gestaltung des Verfahrens niederschlagen, insbesondere durch Gewährung gleichmäßigen – nicht nur rechtlichen – Gehörs für beide Parteien.
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A15 Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit: Soweit sich die Verpflichtung zur Verschwiegenheit nicht bereits aus dem Berufsrecht des neutralen Dritten ergibt (so zum Beispiel für Notare aus § 18 Abs. 1 BNotO), muss die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besonders begründet werden. Deshalb ist ein Vertrag mit dem neutralen Dritten über dessen Aufgaben und Verpflichtungen in der Regel unabdingbar. In diesem sollte die Verpflichtung 182
Siegler/Fries
M 11.1
Prozesssimulation
Rz. 84 Kap. 11
zur Neutralität und Verschwiegenheit, der Vergütungsanspruch und die Haftung des neutralen Dritten ausdrücklich geregelt sein. Anhaltspunkte für die Gestaltung dieses Vertrages bietet der hinsichtlich der Regelungspunkte vergleichbare Mediatorvertrag (vgl. Kap. 6 Rz. 98 ff.). A16 Die Besetzung des Gremiums: Für die Besetzung des Gremiums sollte eine bestimm- 80 te Personenzahl festgelegt werden. Daneben sollten die Voraussetzungen der in das Gremium zu entsendenden Mitglieder definiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl die Abschlusskompetenz als auch die fachliche Kompetenz vertreten sein müssen, um eine sofortige Einigung überhaupt zu ermöglichen (vgl. hierzu bereits ausführlich unter Rz. 26 f., 47). A17 Die Zuziehung von Beiständen und rechtlichen Beratern: Üblicherweise ist die 81 Zuziehung von Rechtsberatern und sonstigen Beiständen, die der Verschwiegenheit unterliegen oder sich ihr vertraglich unterwerfen, zulässig. Vorliegend soll jedoch im Rahmen der mündlichen Verhandlung einem zahlenmäßigen Ungleichgewicht zwischen den Parteien von vornherein vorgebeugt werden. Deshalb ist die gewählte Zahl von Gremiumsmitgliedern auch für die Rechtsbeistände maßgeblich. Keine Partei kann also zusätzlich einen eigenen „Beraterstab“ beiziehen. A18 Jederzeitige Kündigung der Verfahrensvereinbarung: Da die Prozesssimulation ein 82 freiwilliges Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung ist, hat es keinen Sinn, auch nur eine Partei gegen ihren Willen in dem Verfahren festzuhalten. Eine gütliche Einigung könnte dann ohnehin nicht mehr erzielt werden. Erscheint also das Verfahren einer Partei als gescheitert oder möchte sie es nicht mehr weiterführen, steht ihr der jederzeitige Ausstieg aus dem Verfahren offen. A19 Das Problem der Vertraulichkeit und deren Absicherung: Die nötige Vertraulich- 83 keit stellt eine der größten Herausforderungen sämtlicher konsensualer Konfliktlösungsmethoden dar, die insgesamt auf möglichst großer Offenheit der Parteien untereinander beruhen. In der Regel ermöglicht nur eine Offenlegung der Interessen die Schaffung einer „Win-Win-Situation“, in der mögliche Einigungsoptionen und Kooperationsgewinne entdeckt werden können. Insbesondere wenn sich eine Partei unter geheimem Vorbehalt auf das Verfahren einlässt und dieses letztlich zur „Ausforschung“ des Gegners missbraucht, kehrt sich der Vorteil des Verfahrens in einen Nachteil für den tatsächlich kooperativen Teil um (vgl. ausführlich Kap. 5 Rz. 3 f. m.w.N.). Mittel der Wahl ist eine prozessvertraglich gestützte Vertraulichkeitsvereinbarung, die sich aus einer Vortrags- und einer Beweismittelbeschränkung zusammensetzt. Eine solche in einem Prozessvertrag getroffene Parteivereinbarung soll zulässig und vom Gericht unmittelbar zu beachten sein – jedenfalls wenn sie keine Verfahren betrifft, in denen der Untersuchungsgrundsatz gilt (vgl. ausführlich Kap. 5 Rz. 1 ff.; so auch Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Vor § 284 ZPO Rz. 41, Einl. III. Rz. 6 ff.; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor § 284 Rz. 2b). Zu Recht weist Reichold in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 48 ff., darauf hin, dass Einschränkungen der Vertraulichkeit vorgesehen werden sollten, soweit es um die Auslegung von Vereinbarungen oder um Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Vereinbarungen geht, die die Beteiligten im Rahmen des außergerichtlichen Verfahrens selbst erzielt haben. Ansonsten würde die Rechtsdurchsetzung einer gefundenen Einigung praktisch unmöglich und damit der Verhaltensanreiz für die Durchführung des Verfahrens herabgesetzt. A20 Dilatorischer Klageverzicht: Für die Dauer des Verfahrens soll die Beschreitung des 84 ordentlichen Rechtswegs ausgeschlossen sein. Ggf. steht jeder Partei das Recht zur jederSiegler/Fries 183
Kap. 11 Rz. 85
Evaluative Verfahren
M 11.1
zeitigen fristlosen Kündigung der Verfahrensvereinbarung zu. Deshalb tritt in der Praxis nur eine geringe zeitliche Verzögerung ein, wenn sich ein Vertragsteil doch zur Klageerhebung entschließen sollte. Im Rahmen eines dilatorischen Klageverzichts sollte die Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes stets besonders behandelt werden. Dabei können Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes für die Dauer des Verfahrens ausgeschlossen oder – wie hier – lediglich beschränkt werden. Offen bleibt immer die Möglichkeit, die Verfahrensvereinbarung ggf. zu kündigen. Grundsätzlich handelt es sich bei Prozessverträgen um Vereinbarungen, die von den Parteien eines – auch zukünftigen – Rechtsstreits abgeschlossen werden und auf den Rechtsstreit einwirken. Sie werden grundsätzlich als zulässig erachtet, sind jedoch dem Gericht gegenüber besonders geltend zu machen (einredeweise bzw. durch Widerklage, vgl. Reichold in Thomas/ Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Einl. III. Rz. 8; vgl. speziell zur Rücknahmeverpflichtung Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 269 Rz. 2, zu teilweise geäußerten Bedenken der Rechtsprechung bereits ablehnend Anm. A5 [Rz. 69]). Durch Prozessvertrag können sich die Vertragsteile außergerichtlich auch wirksam verpflichten, das Ruhen des Verfahrens herbeizuführen (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 251 Rz. 1 m.w.N.). Gemäß § 251 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass diese Anordnung (explizit wegen des Schwebens von Vergleichsverhandlungen) zweckmäßig ist (zum Anwendungsbereich der Norm vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Vor § 239 Rz. 1 f.; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor §§ 239 Rz. 4, § 251 Rz. 2). 85
A21 Verjährungsverlängernde Vereinbarung: Anders als noch unter der Geltung von § 225 BGB in seiner alten Fassung sind seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I, 3138) gemäß § 202 BGB verjährungsverlängernde Vereinbarungen grundsätzlich zulässig. Möglich ist dabei neben der Verlängerung der Verjährung auch die Erweiterung von gesetzlichen Hemmungsgründen (Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 202 Rz. 4). Bei verjährungsverlängernden Vereinbarungen ist die absolute Grenze des § 202 Abs. 2 BGB zu beachten. Das Verbot erfasst grundsätzlich alle Abreden, die zu einer längeren Frist als 30 Jahre führen können – auch Vereinbarungen, die Hemmungsgründe erweitern (Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 202 Rz. 4). Die Verjährungsvereinbarung im Mustertext erweitert den allgemeinen Hemmungstatbestand von Verhandlungen gemäß § 203 BGB, lässt jedoch § 203 Satz 2 BGB unberührt, wonach die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt.
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A22 Stundungsvereinbarung: Wegen § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sollte vorsorglich klargestellt werden, dass mit der Stundungsvereinbarung kein Anerkenntnis verbunden ist, das zu einem Neubeginn der Verjährung führen würde (vgl. hierzu M 6.1 Anm. A21 [Kap. 6 Rz. 53 ff.]). Geregelt werden sollte, ob das Leistungsverweigerungsrecht bei Beendigung des Verfahrens ohne Einigung nur für die Zukunft (ex nunc) wegfällt oder rückwirkend (ex tunc) Verzugswirkung eintreten soll. Da die Folgen des Verzugs, insbesondere im Hinblick auf die möglichen Rechtsfolgen des Rücktritts und Schadensersatzes, in der Regel schwer überblickbar sein werden und durch die Befürchtung, rückwirkend in Verzug zu geraten, der Abschluss der Verfahrensvereinbarung erschwert werden könnte, wurde im Mustertext lediglich ein Fortfall des Leistungsverweigerungsrechts für die Zukunft vorgesehen. Eine alternative Formulierung findet sich in M 6.1 (Kap. 6 Rz. 34) unter § 7 Ziff. 2.
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Siegler/Fries
M 11.1
Prozesssimulation
Rz. 93 Kap. 11
A23 Der Ablauf des Verfahrens: Der mögliche Ablauf einer Prozesssimulation ist bereits unter Rz. 18 ff. dargestellt. Ein schriftliches Vorverfahren wird sich bei komplexeren Sachverhalten anbieten bzw. zur Einführung in den Sach- und Streitstand und zur Strukturierung des Konflikts sogar empfehlenswert sein. Selbstverständlich handelt es sich nur um einen Verfahrensvorschlag; die Parteien können das Verfahren autonom gestalten.
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A24 Der Einigungsversuch: Die autonome Einigung ist das Ziel des Verfahrens der Pro- 88 zesssimulation. Um den Aspekt des „Escalation to the Top“ zu verstärken (vgl. Rz. 13, 26), kann zunächst (besonders bei Streitigkeiten von Unternehmen) ein Einigungsversuch lediglich des „Managements“ unter Zuziehung des neutralen Dritten vorgesehen werden. Hierdurch kann der Erwartungs- und Einigungsdruck erhöht und der Lästigkeitsfaktor für die i.d.R. erstmals mit dem Konflikt befassten Führungskräfte ausgenutzt werden. Die Verhandlungstheorie des Mini-Trials basiert u.a. auf der Erwartung, diesen Personen werde die „große Lösung“ am einfachsten gelingen. A25 Die Beurteilung durch den neutralen Dritten: Dreh- und Angelpunkt des Verfah- 89 rens ist die Beurteilung des neutralen Dritten, wie ggf. eine angestrengte Klage ausgehen würde. Charakteristisch für die Prozesssimulation ist, dass es sich um eine subjektive Äußerung des neutralen Dritten handelt, die vor allem auf der mündlichen Präsentation im Gremium beruht. Seine (vor allem juristische) Beurteilung ist nicht verbindlich und lediglich eine Prognose aufgrund der konkreten Parteipräsentationen. Da es sich also um eine Art Meinungsäußerung des neutralen Dritten handelt, sollte in dem mit ihm abzuschließenden Vertrag (vgl. Anm. A15 [Rz. 79]) in den Grenzen des rechtlich Zulässigen ein entsprechender Haftungsmaßstab vereinbart werden: Der neutrale Dritte kann keine Gewähr dafür übernehmen, wie ein später tatsächlich angestrengter Rechtsstreit ausgeht. A26 Die Erhebung von Beweisen: Die Entscheidung über die Erhebung von Beweisen 90 sollte dem neutralen Dritten obliegen. Um zeitliche Verzögerungen zu vermeiden, werden in der Regel nur präsente Beweismittel in Betracht kommen (vgl. bereits Rz. 30). A27 Die Einigung über die Kosten: Die Frage über die Kostentragung gefährdet am Ende 91 einer Verhandlung häufig den Verhandlungserfolg (hierauf weist Selbherr in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 110, zu Recht hin). Wird keine Einigung erzielt, trägt jede Partei ihre Aufwendungen selbst, sonstige Kosten werden geteilt (vgl. M 11 [Rz. 64] § 6 Ziff. 1 und Rz. 57). A28 Prozessuale Vereinbarungen: Zu möglichen Prozessverträgen vgl. bereits Rz. 84. Im Fall einer Einigung muss das Ruhen eines Rechtsstreits in dessen Beendigung überführt werden. Die Parteien können den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären (vgl. § 91a Abs. 1 ZPO, zum Anwendungsbereich der Norm vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 91a Rz. 7 f.; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 91a Rz. 7 ff.). In diesem Fall wird vom Zivilgericht nicht mehr geprüft, ob und wann sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hat (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 91a Rz. 22; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 91 Rz. 12). Eine gerichtliche Kostenentscheidung unterbleibt, wenn die Parteien sich auch über die Kostentragung verglichen haben oder auf eine Kostenentscheidung verzichten (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 91a Rz. 20, 26; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 91 Rz. 22). Deshalb sollte eine Einigung der Parteien auch eine Aussage über die Kostentragung umfassen, insbesondere wenn bereits Verfahren rechtshängig waren.
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A29 Die Vollstreckbarkeit von Leistungspflichten: Die Wertigkeit einer Einigung wird 93 wesentlich gesteigert, wenn die vereinbarten Leistungspflichten rasch durchsetzbar sind, insbesondere ohne erneute Beschreitung des ordentlichen Rechtswegs. Hierfür ist eine voll-
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Kap. 11 Rz. 94
Evaluative Verfahren
M 11.1
streckbare Vereinbarung abzuschließen, die einer besonderen Form bedarf (vgl. §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5 und 796a Abs. 1 ZPO, hierzu bereits Rz. 63). 94
A30 Das Scheitern des Verfahrens: Im Mustertext sind einige Fälle erwähnt, in denen der neutrale Dritte das Verfahren für gescheitert erklären kann. Sie greifen lediglich besonders deutliche Fälle fehlender Mitwirkungsbereitschaft heraus. In einem solchen Fall hat die Durchführung einer Prozesssimulation keinen Sinn (mehr).
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A31 Die Kostenvereinbarung: Vgl. hierzu bereits Anm. A27 [Rz. 91]. Ggf. kann – insbesondere im Hinblick auf eine vereinbarte Vergütung des neutralen Dritten – die Entrichtung von Kostenvorschüssen und deren spätere Abrechnung vorgesehen werden.
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A32 Die Angabe der Anschrift für Zustellungen im Verfahren: Wird in der Verfahrensvereinbarung selbst die vollständige Anschrift jeder Partei angegeben, erleichtert dies Zustellungen im Verfahren (z.B. im Rahmen eines etwaigen schriftlichen Vorverfahrens). Ggf. können Sanktionen an einen Verstoß gegen die Verpflichtung, Adressänderungen unverzüglich mitzuteilen, geknüpft werden (etwa die Möglichkeit für den neutralen Dritten, das Verfahren für gescheitert zu erklären, vgl. § 5 Ziff. 2b) des Vertrages, evtl. auch Zugangsfiktionen im Rahmen des rechtlich Zulässigen).
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A33 Anforderungen an eine Unterschrift: An eine Unterschrift werden von der Rechtsprechung bestimmte Grundanforderungen gestellt, insbesondere wenn es sich nicht um Unterschriften im Rahmen einer notariellen Beurkundung handelt, die gemäß § 13 BeurkG in Gegenwart des Notars erfolgen müssen (vgl. Bernhard in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, G, Rz. 210). Kosten: Welche Kosten konkret für eine Prozesssimulation anfallen, hängt stark von der Komplexität des Sachverhalts und dem angesetzten Zeitrahmen ab. Nachfolgend kann deshalb nur eine grobe Einschätzung der Kosten gegeben werden. Wird ein Notar oder Rechtsanwalt als neutraler Dritter hinzugezogen, kann wegen der hierfür anfallenden Kosten auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Mediation verwiesen werden (vgl. Kap. 6 Rz. 6). Ansonsten ist mit dem neutralen Dritten ggf. ein entsprechender Stundensatz auszuhandeln. Bei der Prozesssimulation fällt neben den Kosten für den neutralen Dritten vor allem folgender Aufwand an: – Raummiete für die Abhaltung der mündlichen Verhandlung, – ggf. Kosten für die Beiziehung eigener Rechtsberater als Gremiumsmitglieder (vgl. Anm. A17 [Rz. 81]), – Zeitaufwand für die Parteien bzw. Parteivertreter, die an der mündlichen Verhandlung zwingend teilnehmen müssen, sowie die sonstigen in das Gremium entsandten Vertreter bzw. Mitarbeiter, – soweit nach der konkreten Verfahrensvereinbarung vorgesehen: evtl. zusätzliche Kosten für ein schriftliches Vorverfahren oder eine Beweisaufnahme.
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Siegler/Fries
Kapitel 12
I. Einführung 1. Die Einordnung des Verfahrens . . . . . . . . 2. Abgrenzung zu anderen Verfahren, insbesondere der Mediation und dem Mini-Trial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Early Neutral Evaluation und Mediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Early Neutral Evaluation und Mini-Trial. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entwicklung des Verfahrens. . . . . . . . 4. Der Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vor- und Nachteile des Frühevaluationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . .
Frühevaluationsverfahren („Early Neutral Evaluation“) 1 8 9 10 11 12
a) Die Vorteile eines Frühevaluationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Nachteile des Frühevaluationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verhaltensanreiz; Zeitpunkt der Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 12.1 Vereinbarung über die Durchführung eines Frühevaluationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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24
16
I. Einführung Literatur: Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 3. Aufl. 2011; Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011; Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, 2015 (insbesondere Kap. 11); Goldberg/Sander/Rogers/Cole, Dispute Resolution, 6. Aufl. 2012; Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997; Heussen/Pischel (Hrsg.), Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014 (insbesondere Teil 7: Außergerichtliche Konfliktbeilegung); Hilber, Alternative Konfliktbeilegung: Early Neutral Evaluation und das selbstständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO, Betriebs-Berater 2001, Beilage 2 zu Heft 16, 22 ff.; Risse, Wirtschaftsmediation, 2003 (insbesondere § 15 VIII., Rz. 49 ff.); Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016; Walz (Hrsg.), Verhandlungstechnik für Notare, 2003; Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016.
1. Die Einordnung des Verfahrens Die so genannte Early Neutral Evaluation, die nachfolgend als Frühevaluationsverfahren1 1 bezeichnet wird, ist eine Methode der kooperativen Konfliktlösung und als solche – wie die Prozesssimulation – dem Bereich der ADR (Alternative Dispute Resolution) zuzurechnen.2 Eine klare Definition oder allgemein verbindliche Beschreibung des Verfahrens gibt es nicht. Im Kern lässt es sich auf folgende Grundstruktur zurückführen: Die Parteien oder deren abschlussbefugte Vertreter tragen den aktuellen Konflikt einem neutralen Experten vor.
1 Engel in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 11 Rz. 16 Fn. 5. Hilber übersetzt die Early Neutral Evaluation mit „Früher Neutraler Bewertung“, Hilber, Alternative Konfliktbeilegung: Early Neutral Evaluation und das selbstständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO, Supplement Mediation & Recht, 22 ff. Allerdings kann die Durchführung des Verfahrens auch zu einem relativ späten Zeitpunkt nach Erhebung einer Klage, z.B. zur Meidung umfangreicher Beweisaufnahmen, durchaus sinnvoll sein, vgl. Rz. 17. 2 Der englische Begriff der „Alternative Dispute Resolution“ (ADR) kann mit informeller Streitbeilegung, außergerichtlicher Konfliktbeilegung (AKB) übersetzt werden, vgl. Ponschab in Heussen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014, Teil 7 Rz. 1.
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2
Kap. 12 Rz. 3
Evaluative Verfahren
3
Dieser ist regelmäßig mit keinerlei Entscheidungsgewalt ausgestattet. Vielmehr soll durch die konzentrierte mündliche Darstellung des Sachverhalts und der unterschiedlichen Standpunkte durch die Beteiligten in einem außergerichtlichen Forum unter der Moderation eines neutralen Experten eine kommunikative und kooperative Konfliktlösung gelingen.
4
Dabei wird die Rolle des Neutralen in der Early Neutral Evaluation im Wesentlichen über seinen Sachverstand1 definiert: Er soll vor allem bei der Klärung einer sachverständig zu beurteilenden Frage helfen, die bisher die Einigung der Parteien und somit eine Konfliktlösung verhindert hat. In dieser Ausprägung des Verfahrens scheint das Frühevaluationsverfahren besonders geeignet für Konflikte, zu deren Beilegung in einem eventuellen Gerichtsverfahren ohnehin ein Sachverständigengutachten erholt werden müsste. Dieses nimmt das Verfahren – idealerweise in einem möglichst frühen Stadium – vorweg. Während also das Mini-Trial in der hier dargestellten Ausprägung (vgl. Kap. 11 Rz. 2, 14, 61) vorrangig den Ausgang eines Prozesses in einem eher komplexen Sachverhalt simulieren soll, setzt das Frühevaluationsverfahren hauptsächlich auf die Beurteilung eines konkreten Sachproblems durch einen neutralen Sachverständigen. Er soll etwa eine Einschätzung äußern, ob eine gelieferte Ware mangelhaft ist oder den technischen Anforderungen, der einschlägigen DIN etc. entspricht.
5
Diese Grundidee bildet eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner einer Vielzahl von Verfahrensvarianten, die unter dem Oberbegriff „Early Neutral Evaluation“ zusammengefasst werden, jedoch im Einzelnen teilweise erheblich voneinander abweichen.
6
Anders als in der Prozesssimulation (vgl. Kap. 11 Rz. 7) wird die Zuziehung eines neutralen Dritten – soweit ersichtlich – nirgends für verzichtbar gehalten, macht sie doch den Kern des Verfahrens aus. Seine Rolle variiert jedoch durchaus, sie kann stärker oder schwächer ausgestaltet werden.
7
Gerade die Variationsmöglichkeiten im Verfahrensablauf, den die Parteien autonom festlegen können, machen den Reiz des Frühevaluationsverfahrens aus: Das Verfahren steht für eine flexible außergerichtliche Methode der Konfliktlösung. Es soll gerade offen für Vereinbarungen der Parteien und deren Vorstellung vom Prozedere sein. 2. Abgrenzung zu anderen Verfahren, insbesondere der Mediation und dem Mini-Trial
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Von anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung lässt sich das Frühevaluationsverfahren nicht immer scharf abgrenzen, insbesondere wenn die Verfahrensvereinbarung der Parteien Variationen der Grundidee vorsieht. Im Wesentlichen ergeben sich jedoch zu den am nächsten verwandten Verfahren der Mediation und des Mini-Trials folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede: a) Early Neutral Evaluation und Mediation
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Mit der Mediation im eigentlichen Sinne hat die Early Neutral Evaluation gemeinsam, dass ein neutraler Dritter ohne Entscheidungsgewalt zur Lösung eines aktuellen Konflikts in einem außergerichtlichen Verfahren zugezogen wird (vgl. Kap. 6). Allerdings unterscheidet sich das Frühevaluationsverfahren auch in wesentlichen Punkten von der Mediation: 1 So auch Hilber, der ebenfalls die Fachkenntnisse des Neutralen in den Vordergrund rückt, vgl. Hilber, Alternative Konfliktbeilegung: Early Neutral Evaluation und das selbstständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO, Supplement Mediation & Recht, 22 ff. (24). In der ursprünglichen Entstehungsform handelte es sich bei der Early Neutral Evaluation allerdings um eine frühe Bewertung der Erfolgsaussichten durch einen Richter, vgl. Rz. 11 ff.
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Siegler/Fries
Frühevaluationsverfahren
Rz. 10a Kap. 12
– Zunächst handelt es sich beim Frühevaluationsverfahren um ein bewertendes Verfahren. Ansatzpunkt hier ist eine (vor allem sachverständige) Bewertung der Standpunkte, durch die letztlich auf die Verhandlung und deren Ergebnis eingewirkt wird und werden soll. Dies unterscheidet sich essenziell vom so genannten „Facilitative Approach“, wie er der Mediation nach europäischem Verständnis in der Regel zugrunde liegt.1 – Auch die Basis der Entscheidung unterscheidet sich im Frühevaluationsverfahren erheblich von der Basis der Mediation: Während die Mediation sich im Wesentlichen darauf konzentriert, die Interessen der Parteien zu ermitteln und zu einem Konsens zu führen, geht es im Frühevaluationsverfahren um eine im Wesentlichen sachverständige Vorbewertung. Während die Mediation also „interest-based“ ist, ist die Early Neutral Evaluation „right-based“ bzw. „fact-based“ (zu diesem Aspekt vgl. bereits Rz. 4, Kap. 11 Rz. 11). b) Early Neutral Evaluation und Mini-Trial Mit der in Kap. 11 vorgestellten Prozesssimulation („Mini-Trial“) hat das Frühevaluations- 10 verfahren wesentliche Gemeinsamkeiten sowohl hinsichtlich der Zielsetzung als auch des konkreten Verfahrens. Beide Verfahren versuchen, das mögliche Einigungspotenzial auszuloten und ggf. zu vergrößern. Dabei machen sich beide Verfahrensarten die in Kap. 11 Rz. 12 f. bereits im Einzelnen dargestellten Aspekte zu Eigen. Die Early Neutral Evaluation unterscheidet sich vom Mini-Trial lediglich graduell – je nach 10a dem konkreten Ansatz der jeweils parteiautonom gestaltbaren und deshalb in vielen Ausprägungen angewandten Verfahrensordnung: – Einige sehen den Unterschied hauptsächlich in der Besetzung des Gremiums, dem der Konflikt vorgetragen wird. Das oberste Management spielt in dieser Betrachtung die entscheidende Rolle bei der Konfliktlösung: Indem es erstmals in den Konflikt eingebunden wird und diesen quasi von höchster Ebene und vor dem Hintergrund größerer Zusammenhänge (etwa künftiger Geschäftsbeziehungen) betrachtet, gelingt die Konfliktlösung.2 – Zum Teil wird nach der Aufgabe und Bedeutung des neutralen Dritten (der in den Grundformen beider Verfahrensarten eine entscheidende Rolle spielt) differenziert: Während er in der Prozesssimulation vor allem auch eine juristische Einschätzung über den Ausgang eines eventuellen Gerichtsverfahrens geben soll, hat er im Frühevaluationsverfahren eher die Bedeutung eines Sachverständigen.3 Von der Tendenz her handelt es sich hier mehr um eine außergerichtliche Begutachtung als um eine juristische Vorbewertung. Das Frühevaluationsverfahren erscheint deshalb vor allem geeignet, wenn durch Sachverständige bzw. sachverständige Zeugen zu klärende Fragen im Vordergrund stehen. – Einigkeit besteht fast durchweg, dass die Prozesssimulation als Mischform zwischen autonomen und heteronomen Verfahrensarten eher ein hybrides Modell darstellt, das Frühevaluationsverfahren dagegen den autonomen Verfahren zuzurechnen ist.4
1 Vgl. Schwarzmann in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 123; Schwarzmann in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 154 f. Weiterführend Eidenmüller/Wagner in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 1 Rz. 66 f. 2 Dabei spielt also der Aspekt des „Escalation to the Top“ die entscheidende Rolle, vgl. bereits Kap. 11 Rz. 5, 13. Dieser Aspekt kann durch die Wahl der Sitzordnung im Gremium, getrennte Verhandlungsrunden o.Ä. noch betont werden. 3 Vgl. Hilber, Alternative Konfliktbeilegung: Early Neutral Evaluation und das selbstständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO, Supplement Mediation & Recht, 22 ff. (24). 4 Vgl. Ponschab in Heussen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014, Teil 7 Rz. 65, 72.
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Kap. 12 Rz. 11
Evaluative Verfahren
3. Die Entwicklung des Verfahrens 11
Die Early Neutral Evaluation entstammt dem amerikanischen Rechtsraum. Sie wurde ab dem Jahre 1983 von einer Arbeitsgruppe entwickelt, die Chief Judge Robert F. Peckham vom United States District Court for the Northern District of California einsetzte, um durch alternative Konfliktbeilegung eine Justizentlastung zu erreichen.1 1985 wurde die Early Neutral Evaluation im Northern District of California Pflicht im Anfangsstadium gerichtlicher Verfahren und erzielte dort erste Erfolge.2
11a
Seit ca. 1990 ist die Early Neutral Evaluation als möglicher Bestandteil von ADR-Programmen und -Methoden nicht nur an den Bundesgerichten der USA anerkannt.3 In seiner ursprünglichen Ausprägung handelt es sich um eine frühe Bewertung der Erfolgsaussichten eines Anspruchs.4 Teilweise wird dies immer noch als hauptsächliches Charakteristikum des Verfahrens angesehen, während andere Modelle (in Abgrenzung zum Mini-Trial) die Sachkunde und Fachkenntnisse des Neutralen in den Vordergrund rücken (vgl. Rz. 4, 10 f.).
11b
Dass das Verfahren – wie das des Mini-Trials – in den europäischen Verfahrensordnungen noch kaum praktische Bedeutung entfaltet, mag an den bereits in Kap. 11 Rz. 17 dargestellten Systemunterschieden liegen. Es handelt sich jedoch um ein ebenfalls äußerst effektives alternatives Modell zur außergerichtlichen Streitbeilegung. 4. Der Verfahrensablauf
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Für das Frühevaluationsverfahren gibt es keine einheitliche Verfahrensordnung.5 Vielmehr sollen die Beteiligten den Ablauf des Verfahrens selbst festlegen und dabei flexibel den Erfordernissen des jeweiligen Konflikts und betroffenen Fachgebiets anpassen können. Es lassen sich jedoch folgende Verfahrensphasen als strukturelle Hauptelemente des Verfahrens herauskristallisieren:
12a
1. Phase: Die Einigung über die Verfahrensordnung/Verfahrenssteuerung Erste und grundsätzliche Voraussetzung für die Durchführung eines Frühevaluationsverfahrens ist die Einigung der Parteien auf das Ob und Wie eines solchen Verfahrens. Die Verfahrensvereinbarung kann bereits als vorsorgendes Konfliktlösungsmodell in einer sonstigen Vereinbarung der Parteien (etwa einem Kauf- oder Werkvertrag) enthalten sein oder – häufiger – konkret für einen aufgetretenen Streit getroffen werden.
12b
2. Phase: Die Auswahl des neutralen Experten Die Beiziehung eines neutralen Experten und dessen nach der Präsentation der Parteistandpunkte geäußerte Bewertung des Konflikts sind dem Verfahren immanent und machen es gerade aus. Die Auswahl des neutralen Experten ist deshalb zentraler Punkt des Verfahrens. Er sollte insbesondere ausreichende fachliche Kompetenzen aufweisen, um überhaupt eine sach1 Vgl. Hilber, Alternative Konfliktbeilegung: Early Neutral Evaluation und das selbstständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO, Supplement Mediation & Recht, 22 ff. (23); Goldberg/Sander/Rogers/Cole, Dispute Resolution, 6. Aufl. 2012, 436. 2 Vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 3. Aufl. 2011, Rz. 16-083. 3 Vgl. Hilber, Alternative Konfliktbeilegung: Early Neutral Evaluation und das selbstständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO, Supplement Mediation & Recht, 22 ff. (23). 4 So für England Kiesselbach/Smith, Neutral Evaluation und andere Methoden der alternativen Konfliktbeilegung in England, 52. Deutscher Anwaltstag, 24. bis 26.5.2001, Ausschuss Außergerichtliche Konfliktbeilegung, 3. 5 Dieser Aspekt gilt in gleicher Weise auch für die Prozesssimulation, vgl. Kap. 11 Rz. 18, und betont die Gemeinsamkeit beider Verfahren durch parteiautonomen Spielraum.
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Frühevaluationsverfahren
Rz. 14b Kap. 12
verständige Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts leisten und einen eigenen Entscheidungsvorschlag formulieren zu können. Es sollte – aus Gründen der Zeitersparnis und Verfahrenseffektivität – nicht erforderlich sein, seine Person fachlich einzuarbeiten. Rechtliche Kenntnisse sind von Vorteil, stehen aber nach der hier dargestellten Verfahrensweise – anders als in der Prozesssimulation (vgl. Kap. 11 Rz. 20) – nicht im Vordergrund. Die Auswahl des Experten und der hierzu ggf. vereinbarte Mechanismus ist einer der wesent- 12c lichen Punkte der Vereinbarung. Je weniger der Eindruck der Parteilichkeit des Dritten entsteht und je mehr dieser (Fach-)Kompetenz, Praxisnähe und Autorität auszustrahlen vermag, desto besser sind die Chancen, dass seine abschließende Äußerung als maßgeblich erachtet und ggf. sein Entscheidungsvorschlag von den Parteien angenommen wird.1 Welche Rolle dem Experten im konkreten Verfahren zukommt, hängt von der Vereinbarung 12d der Parteien ab: Ein eigener Entscheidungsvorschlag ist nicht zwingend Bestandteil dieses Verfahrens, teilweise wird der Dritte mehr als Moderator und Garant eines fairen Verfahrens verstanden (vgl. hierzu bereits Kap. 11 Rz. 22). Einig ist man sich jedoch fast durchweg, dass der Dritte weder Schiedsrichter mit eigener Entscheidungskompetenz noch Mediator im engeren Sinne ist. 3. Phase: Die Vorbereitung 13 Als Vorbereitung des eigentlichen Hauptverfahrens wird teilweise der Austausch von Schriftsätzen innerhalb bestimmter Fristen vorgesehen. Diese sollen in den Streitstand einführen und den Konflikt strukturieren helfen. Sie können auch helfen, dem neutralen Experten die Vorbereitung auf den sachverständig zu beurteilenden Sachverhalt zu erleichtern. Anders als in der Prozesssimulation, die sich zumeist mit komplexeren Fragestellungen be- 13a schäftigt, scheint jedoch ein schriftliches Vorverfahren beim Frühevaluationsverfahren häufiger entbehrlich zu sein: Je einfacher der zugrunde liegende Sachverhalt ist, desto weniger bedarf es eines formalen Vorverfahrens. Als Vorbereitung des eigentlichen Bewertungsverfahrens sind auf jeden Fall Ort und Zeit sowie die Verfahrensgrundsätze des eigentlichen Haupttermins (i.d.R. vom neutralen Experten) festzulegen. 4. Phase: Das Hauptverfahren – zunächst die Präsentation der jeweiligen Standpunkte Theoretisch könnte eine rein sachverständige Beurteilung auch ausschließlich in einem schriftlichen Verfahren vorgenommen werden. Manche Verfahrensvereinbarungen sehen dies bei einfach gelagerten, sachverständig zu beurteilenden Fragen vor.
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Charakteristisch ist jedoch auch für das Frühevaluationsverfahren ein mündlicher Haupttermin, in dem die Parteien (wie in der Prozesssimulation) ihren Standpunkt vortragen, der dann vom neutralen Experten bewertet wird. Ohne Haupttermin, in dem die Parteien unmittelbar persönlichen Kontakt haben und ihre Standpunkte selbst mündlich präsentieren, können wesentliche Elemente des Verfahrens nicht genutzt werden (vgl. Rz. 3). Deshalb wird auf Varianten des Frühevaluationsverfahrens ohne mündlichen Haupttermin nicht weiter eingegangen.
14a
Vom Ablauf und den wesentlichen Verfahrensgrundsätzen her ähnelt der Haupttermin der Early Neutral Evaluation stark der mündlichen Verhandlung des Mini-Trials; auf die Ausführungen dort kann verwiesen werden (vgl. Kap. 11 Rz. 25 ff.). Wesentlich sind:
14b
1 In diesem Punkt unterscheidet sich das Frühevaluationsverfahren nicht von der Prozesssimulation, vgl. Kap. 11 Rz. 21. Dass die Parteien dem Neutralen vertrauen müssen, betont Goodpaster, A Guide to Negotiation and Mediation, 1997, 231, zu Recht.
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Kap. 12 Rz. 14c
Evaluative Verfahren
– Ablauf und Zeitrahmen sollten zur Wahrung der Chancengleichheit vorher festgelegt werden – auch, welche Partei ihren Standpunkt als Erste präsentieren darf und wie viele Erwiderungen der jeweils anderen Partei zugelassen werden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt bereits Kap. 11 Rz. 25, 28 f.). – Grundsätzlich zwingend erforderlich ist die Anwesenheit der Parteien selbst oder deren abschlussbefugter Vertreter.1 14c
Auch hier gilt bei der Präsentation der Standpunkte (wie in der Prozesssimulation): – Ein allzu häufiger Schlagabtausch sollte (zur Förderung der Deeskalation und aus Zeitgründen) vermieden werden. – Unterbrechungen der Präsentation der anderen Partei sollten reglementiert sein: Regelmäßig sind allenfalls Verständnisfragen zugelassen. – Nach der Präsentation sollte eine kurze Pause vorgesehen werden, damit sich die Gemüter wieder „beruhigen“ können.
14d
5. Phase: Die Erhebung von Beweisen Da das Frühevaluationsverfahren gerade kein Gerichtsverfahren im eigentlichen Sinne sein will, sondern im Gegenteil gerade zur Vermeidung langwieriger und kostspieliger Beweisaufnahmeverfahren entwickelt wurde, findet grundsätzlich keine Beweisaufnahme statt. Sinnvoll kann sich im Einzelfall jedoch die Beiziehung von Sachverständigen oder anderen Personen zur Klärung einzelner Aspekte erweisen, die sonst eine Einigung oder Durchdringung der Materie verhindern würden. Zeitlich wird dies üblicherweise parallel zur bzw. innerhalb der Präsentationsphase erfolgen. Allerdings sind die Parteien gut beraten, durch die überlegte Auswahl eines sachkundigen Experten möglichst jede Hinzuziehung zusätzlicher Sachverständiger o.Ä. obsolet zu machen. Das Verfahren setzt ja gerade auf den Sachverstand des neutralen Experten.
14e
Nicht üblich ist wegen der zeitlichen Verzögerung die Erhebung nicht präsenter Beweise – dies würde dem Zweck des Verfahrens zuwiderlaufen.
15
6. Phase: Der Entscheidungsvorschlag des neutralen Experten Ob der neutrale Experte überhaupt einen eigenen Entscheidungsvorschlag äußert, hängt von der konkreten Verfahrensvereinbarung der Parteien ab: Ein solcher Vorschlag zur Konfliktlösung ist nicht zwingender Bestandteil des Bewertungsverfahrens und jedenfalls nicht bindend (vgl. hierzu bereits die Ausführungen zum Mini-Trial in Kap. 11 Rz. 31). Zeitlich kann ein eigener Vorschlag des neutralen Experten zur Konfliktlösung vor oder nach der Bewertung durch ihn (Phase 7, Rz. 15a) und den eigenen Verhandlungen der Beteiligten (Phase 8, Rz. 15b f.) stehen.
15a
7. Phase: Die eigentliche Bewertung durch den neutralen Dritten Die Bewertung durch den neutralen Dritten stellt den Kernpunkt des Verfahrens dar: Der neutrale Experte äußert vor den versammelten Parteien bzw. Parteivertretern die Meinung, die er sich aufgrund der mündlichen Präsentationen gebildet hat. Er soll dabei insbesondere Schwächen der Argumentation und Lücken in der Darstellung aufdecken und Stellung nehmen, wie seiner Ansicht nach der Fall zu beurteilen wäre. Dabei erfolgt in der Regel insbesondere eine sachverständige Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts.
1 Nicht nur um den Gesichtspunkt des „Escalation to the Top“ auszunutzen, sondern auch, um Kompetenzschwierigkeiten beim Abschluss einer gefundenen Einigung zu vermeiden, vgl. bereits Kap. 11 Rz. 26.
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Frühevaluationsverfahren
Rz. 18 Kap. 12
Das Verfahren ist deshalb besonders gut für Konflikte geeignet, die sich im Wesentlichen um eine Frage drehen, die in einem Prozess durch die Erholung eines Sachverständigengutachtens entschieden würde (etwa die Qualität einer Lieferung oder Leistung). 8. Phase: Die Konfliktlösung 15b Bei der Early Neutral Evaluation in seiner reinen Form ist ein eigener Konfliktlösungsvorschlag des neutralen Dritten nicht zwingend. Die Einigung selbst obliegt vielmehr den Parteien selbst und deren Autonomie. Der Neutrale soll lediglich mit Hilfe eines Verfahrens, das die Schwächen der eigenen Argumentation aufdeckt und den Kommunikationsfluss verbessert, günstig auf den Einigungsprozess einwirken. Teilweise wird er hier auch zusätzlich und stärker als der neutrale Dritte im Mini-Trial als Verhandlungshelfer eingebunden.1 Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur Prozesssimulation verwiesen werden – auch 15c zur möglichen Änderung der zeitlichen Abfolge des Verfahrens (Vgl. Kap. 11 Rz. 32, 34 a.E.). Ggf. kann es sich durchaus empfehlen, einen Einigungsversuch vor der Bewertung durch den neutralen Experten (Phase 7, Rz. 15a) zu unternehmen: Je nach dem Ergebnis der Bewertung können sich die Bedingungen für eine Einigung durch die Äußerung des Experten im Einzelfall auch verschlechtern.2 5. Vor- und Nachteile des Frühevaluationsverfahrens Aus den wesentlichen Vor- und Nachteilen des Verfahrens ergeben sich auch die entsprechen- 16 den Verhaltensanreize für die Beteiligten, ein solches Verfahren durchzuführen (vgl. zusammenfassend Rz. 18 ff.). Grundsätzlich ist es, wie sämtliche Methoden der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, nur geeignet, wenn die Parteien an sich Kooperationsbereitschaft und den Willen zur gütlichen Einigung aufweisen. Ein Zwang, das Verfahren durchzuführen oder fortzusetzen, stünde dessen Grundidee diametral entgegen. Kommt das Frühevaluationsverfahren in Frage, sollte es möglichst frühzeitig, jedenfalls vor Beschreitung des Rechtswegs, durchgeführt werden. Allerdings ist die Durchführung auch zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere zur Meidung einer umfangreichen Beweisaufnahme, noch möglich und ggf. sinnvoll.
17
Ausgangspunkt für die nachstehenden Ausführungen ist die hier dargestellte Verfahrensform der Präsentation der Standpunkte in einem mündlichen Verhandlungstermin durch die Parteien selbst oder deren abschlussbefugte Vertreter und unter Beiziehung eines neutralen Experten, der abschließend seine (v.a. sachverständige) Bewertung der dargelegten Standpunkte äußert.
17a
a) Die Vorteile eines Frühevaluationsverfahrens Das Verfahren macht sich zunächst die Vorteile jeder außergerichtlichen und gütlichen Konfliktlösung zu eigen, wie sie bereits in Kap. 11 Rz. 38 ff. ausführlich dargestellt wurden: – Vermeidung von Schaden für künftige (Geschäfts-)Beziehungen; nichtöffentliche Verhandlung und Einigung,
1 Vgl. Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 3. Aufl. 2011, Rz. 16-084. 2 Darauf weist Hilber zutreffend hin, vgl. Hilber, Alternative Konfliktbeilegung: Early Neutral Evaluation und das selbstständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO, Supplement Mediation & Recht, 22 ff. (25).
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18
Kap. 12 Rz. 19
Evaluative Verfahren
– Schaffung von Kooperationsgewinnen durch die Erforschung von Interessen anstelle des Beharrens auf Positionen, – parteiautonome, schnelle und kostengünstige Problemlösung. 19
Speziell in der hier vorgestellten Ausprägung bietet das Frühevaluationsverfahren auch verfahrensspezifische Vorteile: – Das Verfahren ist von der Grundidee her sehr informell – beispielsweise besteht kein Anwaltszwang. In der Regel wird das Verfahren aufgrund der geringeren Komplexität des Konflikts sogar noch informeller ablaufen können als die Prozesssimulation. – Das Frühevaluationsverfahren bezieht die fachliche und wirtschaftliche Beurteilung ein, während sich ein echtes Gerichtsverfahren allein auf die rechtliche Betrachtung konzentriert. Noch deutlicher als in der Prozesssimulation, die v.a. eine rechtliche Beurteilung des Sachverhalts vorsieht (vgl. Kap. 11 Rz. 46), liegt der Schwerpunkt hier bei der sachverständigen Durchdringung der Materie und der fachlichen und wirtschaftlichen Seite des Konflikts (z.B. vor dem Hintergrund einer bereits langjährigen und für die Zukunft weiter geplanten Geschäftsbeziehung). – Das Verfahren setzt auf eine Bündelung von fachlicher Kompetenz mit Entscheidungsträgern der jeweiligen Partei.1 – Es konzentriert die Verhandlungen dabei auf eine von beiden Parteien autonom auszuwählende, sachverständige Vertrauensperson, die durch ihre neutrale Bewertung das Einigungspotenzial erhöhen und ggf. neue Lösungswege aufzeigen kann. – Vor allem werden durch die abschließende Bewertung des neutralen Experten eigene überhöhte Erwartungen reduziert und Schwächen der Argumentation oder Beweisführung offenbar. Hierdurch kann sich eine erhöhte oder erstmalige Bereitschaft zum Nachgeben und zur kreativen Konfliktlösung entwickeln.2 b) Die Nachteile des Frühevaluationsverfahrens
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Den Vorteilen stehen – wie bei jeder Methode – Nachteile gegenüber. Durch die kritische Prüfung im Vorfeld, ob der Konflikt und die Parteien sich für ein Frühevaluationsverfahren eignen, können diese minimiert, aber nicht ganz beseitigt werden. Sie ähneln im Wesentlichen den bei der Prozesssimulation beschriebenen Risiken und Nachteilen (vgl. bereits ausführlich Kap. 11 Rz. 50): – Die Vertraulichkeit und Nichtverwertbarkeit gewonnener Informationen ist problematisch, insbesondere wenn das Frühevaluationsverfahren nicht zu einer Einigung geführt hat oder sich zumindest eine Seite nur zum Schein auf das Verfahren einlässt (vgl. hierzu bereits Kap. 11 Rz. 53).3 – Die Einigung der Parteien über die Verfahrensordnung, die „Verhandlung über die Verhandlung“, kann schwierig sein und muss eine Verständigung auf einen neutralen Experten umfassen. – Ein rhetorisches oder sonstiges Ungleichgewicht einer Partei kann einer fairen Einigung abträglich sein; der Experte kann hier allerdings ggf. ausgleichend einwirken. 1 Insofern unterscheidet sich das Frühevaluationsverfahren grundsätzlich nicht von der Prozesssimulation. Allerdings soll im Mini-Trial teilweise ein besonderer Effekt durch den „Rollentausch“ der Managementvertreter erzielt werden, vgl. Kap. 11 Rz. 13 f. Fn. 11. 2 So weist Walz zutreffend darauf hin, dass in der Regel beide Parteien zu optimistisch in der Beurteilung ihrer Gewinnchancen sind, vgl. Walz in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 29). 3 S.a. Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2003, 272 f., zu internationalen Verfahren.
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M 12.1
Frühevaluationsverfahren
Rz. 24 Kap. 12
– Der neutrale Experte ist weder Schiedsrichter noch Mediator (weder „arbitrator“ noch „mediator“). Mit der Konfliktlösung selbst werden die Parteien also alleine gelassen. – Auch kann i.d.R. nicht direkt aus einer gelungenen Einigung vollstreckt werden. – Die Argumente der Schnelligkeit und Kosteneinsparung verlieren angesichts beschleunigter gerichtlicher Verfahren1 an Bedeutung. Zudem sieht die Verfahrensordnung des Frühevaluationsverfahrens regelmäßig eine hälftige Teilung der Kosten unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor, während im Rahmen eines Klageverfahrens der Obsiegende einen Kostenerstattungsanspruch hat.2 – Als bloße Stufe eines mehrteiligen Konfliktlösungsverfahrens gehen manchmal spezifische Effekte des Frühevaluationsverfahrens verloren. Unter Umständen kann sich der Übergang in ein Mediationsverfahren aber im Einzelfall anbieten.3 6. Verhaltensanreiz; Zeitpunkt der Durchführung Der Verhaltensanreiz, ein Frühevaluationsverfahren durchzuführen, ergibt sich im Wesent- 21 lichen aus den Vorteilen des Verfahrens (vgl. Rz. 18 f.). Er ist besonders groß bei Konflikten, deren Lösung sich um eine Frage dreht, – die einer sachverständigen Beurteilung offen steht und – die in einem Gerichtsverfahren4 ohnehin durch die Erholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden müsste. Vor allem in diesen Fallkonstellationen kann sich durch die frühzeitige Durchführung ein 22 erheblicher Zeit- und Kostenvorteil ergeben – mit den positiven Nebeneffekten des Ausschlusses der Öffentlichkeit und der Bewahrung etwaiger weiterer Geschäftsbeziehungen der Vertragsteile. Der Anreiz, ein Frühevaluationsverfahren durchzuführen, kann durch die Sicherung der sofortigen Vollstreckbarkeit einer gefundenen Einigung der Parteien noch gesteigert werden.5
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II. Muster M 12.1 Vereinbarung über die Durchführung eines Frühevaluationsverfahrens §1 VorbemerkungA1 1. Definition des StreitgegenstandesA2 Die ParteienA3 streiten über folgenden Sachverhalt: … (es folgt eine kurze und prägnante Schilderung des konkreten Lebenssachverhalts, aus dem die Ansprüche hergeleitet werden). 1 2 3 4
Bspw. dem Mahnverfahren gemäß §§ 688 ff. ZPO. Vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Vgl. Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, § 15 Rz. 52. Der Frage nach der Integration eines Frühevaluationsverfahrens in das geltende deutsche Prozessrecht geht Prütting nach, Prütting, Richterliche Gestaltungsspielräume für alternative Streitbehandlung, AnwBl 2000, 273 ff. (277). 5 Vgl. zu dem sonst bestehenden Nachteil einer in einem Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung erzielten, nicht sofort vollstreckbaren Einigung Kap. 11 Rz. 59.
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Kap. 12 Rz. 24
Evaluative Verfahren
M 12.1
Demgemäß begehrt … (es folgt eine genaue Parteibezeichnung des Anspruchstellers, ggf. mit Angabe des gesetzlichen Vertreters) – nachfolgend „Anspruchsteller“ genannt – von … (es folgt eine genaue Parteibezeichnung des Anspruchsgegners, ggf. wiederum mit Angabe des gesetzlichen Vertreters) – nachfolgend „Anspruchsgegner“ genannt – … (es folgt eine genaue Bezeichnung des behaupteten Anspruchs, zum Beispiel: Lieferung von … mangelfreien Werkstücken gemäß Auftrag und technischer Vorgabe vom …, Zug um Zug gegen Rückgewähr der am … gelieferten, mangelbehafteten Werkstücke).A4 2. Wille zur gütlichen Einigung5 Die Parteien wollen den zwischen ihnen über den vorstehenden Streitgegenstand bestehenden Konflikt außergerichtlich durch die Durchführung eines Frühevaluationsverfahrens lösen. Sie haben den Wunsch, ihren Konflikt durch dieses freiwillig von ihnen gewählte Verfahren in eigener Verantwortung rasch und kostengünstig zu lösen. Vor diesem Hintergrund treffen sie die hier niedergelegten Vereinbarungen. Dabei gehen sie davon aus, dass durch die Präsentation der beiderseitigen Standpunkte und deren Bewertung durch einen neutralen Experten, dem beide Parteien ihr Vertrauen schenken, eine gütliche Einigung erreicht werden kann. §2 Die Besetzung des Gremiums; insbesondere die Auswahl des neutralen ExpertenA6 1. Bestellung und Auswahl des neutralen Experten Als neutralen Experten benennen die Parteien Frau/Herrn … (es folgt die Bezeichnung der benannten Person, ggf. mit Anschrift), ersatzweise für den Fall deren/dessen tatsächlicher Verhinderung Frau/Herrn …A7 (Alternativ kann bei Nichteinigung ein BenennungsverfahrenA8 vorgesehen werden, etwa wie folgt: a) Die Parteien werden sich innerhalb einer Woche ab Abschluss dieser Vereinbarung auf die Person eines neutralen Experten einigen. b) Kommt eine Einigung innerhalb dieser Frist nicht zustande, so ernennt der Präsident der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer … [es folgt ggf. die genaue örtliche Bezeichnung, z.B. „für Oberfranken-Bayreuth“] auf Antrag zumindest einer Partei nach billigem Ermessen einen unabhängigen Sachverständigen als neutralen Experten.A9 Dieser soll im Sinne von Ziff. 2. geeignet sein. c) Der gemäß b) Ernannte kann von jeder Partei durch Erklärung gegenüber der anderen Partei abgelehnt werden – wegen der Besorgnis der Befangenheit, – wenn er die von den Parteien vorausgesetzten fachlichen Anforderungen gemäß Ziff. 2. nicht erfüllt. Die Ablehnung ist der anderen Partei innerhalb einer Woche ab Kenntnis des Ablehnungsgrundes schriftlich an die in dieser Vereinbarung genannte Adresse mitzuteilen. Der Ablehnungsgrund ist dabei anzugeben, muss jedoch nicht glaubhaft gemacht oder bewiesen werden. d) Im Falle der Ablehnung hat ein erneutes Auswahlverfahren gemäß a) und b) zu erfolgen. Liegen auch in der Person des dann Benannten Ablehnungsgründe vor, so gilt das Verfahren als
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Frühevaluationsverfahren
Rz. 24 Kap. 12
gescheitert, wenn zumindest eine der Parteien wiederum die Ablehnung erklärt.A10 Ansonsten ist das Verfahren mit dem nun Benannten als neutralem Experten durchzuführen.) 2. Eignung des neutralen ExpertenA11 a) Der neutrale Experte muss eine besondere fachliche Qualifikation und Kompetenz im Hinblick auf den streitigen Sachverhalt aufweisen. Er muss deshalb … (z.B. öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für …) sein. b) Er soll darüber hinaus über Rechtskenntnisse verfügen, die ihm ein Urteil über den Sachvortrag der Parteien im Hinblick auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis erlauben. c) Von vorstehenden Voraussetzungen können die Parteien jederzeit übereinstimmend abweichen, insbesondere durch die gemeinsame Benennung eines neutralen Experten.A12 3. Rolle des neutralen Experten; Verpflichtung zur Neutralität und Verschwiegenheit a) Der neutrale Experte bestimmt und leitet das Verfahren. Ihm obliegt auch die Leitung des Haupttermins gemäß § 4 Ziff. 2. b) Er kann insbesondere – in jedem Stadium des Verfahrens jeder Partei Fragen zur Klärung des dem Konflikt zugrunde liegenden Sachverhalts stellen und hierzu nach seinem Ermessen Beweis erheben, – in jedem Stadium des Verfahrens einen Einigungsvorschlag unterbreiten und eine entsprechende Vereinbarung formulieren, – den Vollzug und die Überwachung des Vollzugs einer von den Parteien niedergelegten Einigung übernehmen. c) Der neutrale Experte soll für einen zügigen Verfahrensablauf sorgen und ungebührlichen Verzögerungsversuchen einzelner Parteien entgegenwirken. d) Der neutrale Experte hat nicht verbindlich über den vorgebrachten Konflikt zu entscheiden. Ihm obliegt keine eigene Entscheidungskompetenz in der Sache.A13 e) Der Experte hat seine Neutralität zu wahren. Er hat dafür zu sorgen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien beachtet wird, insbesondere beiden Parteien gleichmäßig Gehör gewährt wird.A14 f) Wünschen die Parteien übereinstimmend eine Abweichung von der hier vereinbarten Verfahrensordnung, hat der neutrale Experte dies zu berücksichtigen. Die Änderung der Verfahrensweise ist schriftlich niederzulegen. g) Der neutrale Experte ist zur Vertraulichkeit entsprechend § 3 Ziff. 2. zu verpflichten.A15 4. Besetzung des Gremiums a) Der Haupttermin gemäß § 4 Ziff. 2. findet im Gremium vor dem neutralen Experten als Vorsitzenden statt. b) In das Gremium haben die Parteien jeweils bis zu drei, zur Vertraulichkeit gemäß § 3 Ziff. 2. zu verpflichtende Mitglieder zu entsenden. Diese haben die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen:A16 – Mindestens ein Mitglied muss umfassende Entscheidungs- und Abschlusskompetenz für die entsendende Partei haben und diese auf Verlangen auch nachweisen können. – Mindestens ein Mitglied muss mit dem Konflikt in fachlicher Hinsicht vertraut sein und Sachkompetenz zur Klärung aller fachlichen und technischen Fragen, die sich im Gremium stellen könnten, aufweisen. c) Die in das Gremium zu entsendenden Mitglieder hat jede Partei der anderen unverzüglich nach Bekanntgabe des Termins zur mündlichen Verhandlung namentlich mitzuteilen. Ein Ab-
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Evaluative Verfahren
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lehnungsrecht steht der anderen Partei nicht zu, sie kann aber den Nachweis der Eignung im obigen Sinne verlangen. d) Eine Vertretung der Gremiumsmitglieder aufgrund schriftlicher Vollmacht ist zulässig, wenn der Vertreter über die gleiche Eignung wie das benannte Gremiumsmitglied verfügt. Auch der Vertreter hat sich zur Verschwiegenheit zu verpflichten. e) Die Zuziehung von Beiständen und rechtlichen Beratern ist nur im Rahmen der festgelegten Zahl von Gremiumsmitgliedern zulässig.A17 §3 Allgemeine Verfahrensgrundsätze 1. Freiwilligkeit; Beendigung des Verfahrens a) Das Frühevaluationsverfahren wird von den Parteien freiwillig in der Überzeugung einer möglichen außergerichtlichen Konfliktlösung durchgeführt. b) Jede Partei kann durch Erklärung gegenüber der anderen Partei oder dem Experten jederzeit die vorliegende Verfahrensvereinbarung kündigen. Die Kündigung soll schriftlich erfolgen; die Angabe von Gründen ist nicht erforderlich.A18 In diesem Fall ist das Verfahren beendet; dies soll der neutrale Experte den Parteien schriftlich mitteilen. 2. VertraulichkeitA19 a) Jede Partei verpflichtet sich, sämtliche Tatsachen, die ihr im Zusammenhang mit der Durchführung des vorliegenden Verfahrens bekannt geworden sind, vertraulich zu behandeln und Dritten gegenüber nicht zu offenbaren, soweit dem nicht zwingende gesetzliche Offenbarungspflichten entgegenstehen. Dies umfasst auch die Tatsache, dass ein Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung anhängig ist. Die Verwertung von Informationen, die im Zusammenhang mit dem Frühevaluationsverfahren gewonnen wurden, ist zu anderen Zwecken, insbesondere in nachfolgenden Gerichtsoder Schiedsverfahren, verboten. Die Verpflichtung zur Vertraulichkeit umfasst auch den Inhalt einer im Rahmen des Verfahrens erzielten Einigung der Parteien. b) Jede Partei verpflichtet sich, keine Beweisanträge für Vorgänge aus der Bewertung durch den neutralen Experten zu stellen, insbesondere – keine Urkunden als Beweismittel vorzulegen, von denen sie im Zusammenhang mit der Bewertung durch den neutralen Experten Kenntnis erlangt hat, – Beteiligte des Verfahrens oder mit diesem sonst im Zusammenhang stehende Personen nicht als Zeugen oder zur parteiverantwortlichen Einvernahme zu benennen, – den neutralen Experten nicht als Zeugen für Tatsachen im Zusammenhang mit diesem Verfahren zu benennen, insbesondere solchen, die ihm in seiner Eigenschaft als neutraler Experte und Leiter des Haupttermins bekannt geworden sind. c) Das Verbot der Verwertung von Informationen umfasst nicht Tatsachen, – die eine Partei in gesetzlich zulässiger Weise von nicht am Verfahren Beteiligten erfahren hat, – die offenkundig sind, – die eine Partei bei Streitigkeiten aus der vorliegenden Verfahrensvereinbarung oder zu ihrer Auslegung vorträgt oder – die eine Partei bei Streitigkeiten aus einer im Rahmen dieses Verfahrens erzielten Einigung zur Durchsetzung ihrer behaupteten Rechte hieraus vorträgt. Für in diesem Sinne nicht vertrauliche Tatsachen gilt auch die vorstehende Beweismittelbeschränkung nicht. 198
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Frühevaluationsverfahren
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3. Anderweitige RechtshängigkeitA20 Für die Verfahrensdauer der Bewertung durch den neutralen Experten, das heißt ab der Unterzeichnung dieser Verfahrensvereinbarung bis zur Beendigung des Verfahrens gemäß § 5, ist die Anrufung der ordentlichen Gerichte unzulässig. Ist zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung der Rechtsstreit bereits rechtshängig, verpflichten sich die Parteien, unverzüglich das Ruhen des Verfahrens herbeizuführen. Das Recht, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu ergreifen, bleibt unberührt. Anträge, die eine Vorwegnahme der Hauptsache nach sich ziehen würden, sollen jedoch auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig sein. 4. Verjährung; Stundung a) Die Parteien vereinbaren, dass die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs von der Unterzeichnung dieser Verfahrensvereinbarung bis zur Beendigung des Verfahrens gemäß § 5 gehemmt ist.A21 § 203 Satz 2 BGB bleibt dabei unberührt. Die Verjährung tritt jedoch spätestens 30 Jahre nach dem gesetzlichen Verjährungsbeginn ein. b) Für den Zeitraum der vereinbarten Hemmung ist der Anspruchsgegner berechtigt, die Leistung zu verweigern, ohne dass hiermit ein Anerkenntnis verbunden wäre. Wird das Frühevaluationsverfahren ohne Einigung der Parteien beendet, so entfällt das Leistungsverweigerungsrecht mit Wirkung ex nunc.A22 §4 Der Ablauf des VerfahrensA23 1. Das schriftliche Vorverfahren Widerspricht keine der Parteien, so kann der neutrale Experte zur Klärung des Sachverhalts und Einführung in den Streitstand ein schriftliches Vorverfahren anordnen. Er soll dies nur bei komplexen Streitigkeiten und zur Einführung in den Sach- und Streitstand anordnen. Die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens hat unverzüglich nach Bestellung des Experten durch diesen schriftlich an beide Parteien zu erfolgen. Sie kann Vorgaben zum Umfang der – in zweifacher Ausfertigung einzureichenden – Schriftsätze machen und Fristen zu deren Einreichung setzen. In der Regel soll zunächst der Anspruchsteller sein Begehren darlegen und begründen und hierauf der Antragsgegner erwidern. Dem Experten obliegt die Entscheidung über die Zulassung weiterer Erwiderungen. 2. Der Haupttermin a) Nach Abschluss eines etwaigen schriftlichen Vorverfahrens, ansonsten nach Bestellung des neutralen Experten, ordnet dieser den mündlichen Haupttermin an, in dem jede der Parteien ihre Position mündlich vortragen und erläutern soll. b) Die Ladung ist an die Parteien mittels eingeschriebenen Briefes an die in dieser Vereinbarung niedergelegte Adresse mit einer Frist von mindestens zwei Wochen ab Absendung der Ladung zu richten. Dabei werden der Tag der Absendung und der Tag des Haupttermins nicht mitgerechnet. c) Mit der Ladung legt der neutrale Experte den Zeitplan für den Haupttermin fest. Er legt hierbei insbesondere fest, wie lange jede Partei mündlich ausführen darf und wie viele Erwiderungen auf die Darstellung der jeweils anderen Partei zugelassen sind.
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d) e)
f)
g) h)
i)
j)
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In der Regel soll dabei zunächst der Antragsteller seinen Standpunkt erläutern und sodann der Antragsteller ebenso lange auf diesen Standpunkt erwidern können. Dem Antragsteller ist in der Regel die Möglichkeit zu einer kurzen Erwiderung auf den Standpunkt des Antragsgegners einzuräumen. Weitere Erwiderungen kann der Vorsitzende nach seinem Ermessen vorsehen. Der Haupttermin findet in … (es folgen der Ort und ggf. die Anschrift des Verhandlungsraums) statt. Am Haupttermin nehmen der neutrale Experte als Vorsitzender des Gremiums sowie das nach § 2 Ziff. 4. besetzte Gremium der Parteien teil. Ist das Gremium einer Partei – ganz oder teilweise – am Erscheinen gehindert, wird ein neuer Haupttermin anberaumt, wenn die Partei dem neutralen Experten unverzüglich schriftlich hinreichende Gründe für das Nichterscheinen mitteilt. Ansonsten gilt das Verfahren als gescheitert (vgl. § 5 Ziff. 2. b). Hiervon hat der Vorsitzende die andere Partei zu unterrichten. Der Haupttermin wird vom neutralen Experten eröffnet, der in den Sach- und Streitstand einführen soll. Sodann erläutert zunächst die erste, in der Regel die antragstellende Partei ihren Standpunkt. Die Präsentation erfolgt mündlich und darf durch die Hinzuziehung technischer Präsentationsmittel (z.B. Overheadprojektor o.Ä.) unterstützt werden. Der Vortrag ist beschränkt auf die in der Ladung angegebene Redezeit; auf deren Einhaltung hat der Vorsitzende besonders zu achten. Nunmehr erfolgt die Erwiderung der anderen Partei, in der Regel des Antragsgegners. Hierbei gelten vorstehende Regelungen entsprechend. Weitere Erwiderungen sind, wie in der Ladung angegeben, zuzulassen. Widerspricht keine der Parteien, kann der Vorsitzende von dem in der Ladung angegebenen Ablauf des Haupttermins abweichen, insbesondere weitere Erwiderungen zulassen. Nach Abschluss der mündlichen Ausführungen der Parteien soll der Vorsitzende einen konkreten Einigungsvorschlag unterbreiten. Er soll den Parteien im Anschluss Gelegenheit geben, sich über den Streitgegenstand (jedoch ohne Beschränkung hierauf) gütlich zu einigen. Für den Einigungsversuch soll der neutrale Experte eine zeitliche Vorgabe machen. Führen die Verhandlungen der Parteien innerhalb des Zeitlimits nicht zu einer Einigung, äußert der neutrale Experte im Gremium den Parteien gegenüber mündlich seine subjektive Bewertung des Streits zwischen den Parteien. Er soll dabei insbesondere darauf eingehen, wie er den vorgetragenen Sachverhalt beurteilen würde, wenn ihm dieser zur sachverständigen Beurteilung im Rahmen eines etwaigen Zivilprozesses vorgelegt würde.A24 Mit der Bewertung des Sachverhalts durch den Vorsitzenden sind der Haupttermin und das Verfahren beendet. Eine verbindliche Entscheidung obliegt dem neutralen Experten ausdrücklich nicht. 3. Die Erhebung von BeweisenA25
a) Ein Anspruch der Parteien auf Erhebung von Beweisen im Rahmen des Verfahrens besteht nicht. Die Entscheidung über die Erhebung einzelner Beweise und die Zulassung von Beweismitteln liegt bei dem neutralen Experten. b) Im Haupttermin präsente Beweismittel sollen jedoch in der Regel zugelassen werden.
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§5 Abschluss des Verfahrens; Beendigung 1. Einigung der Parteien a) Wird im Rahmen des Verfahrens eine – auch teilweise – Einigung der Parteien erzielt, so ist sie, soweit nicht das Gesetz zwingend die Einhaltung einer anderen Form vorschreibt, schriftlich niederzulegen und von dem Experten sowie den Parteien zu unterzeichnen. – Von der Einigung sollen drei Urschriften errichtet werden: Je eine wird den Parteien ausgehändigt, eine ist für den neutralen Experten bestimmt. – Erfolgt eine lediglich teilweise Einigung, soll festgehalten werden, ob das Verfahren im Übrigen beendet ist oder weitergeführt werden soll. b) Die Einigung soll auch eine Einigung über die Kosten des Verfahrens umfassen.A26 c) War zum Zeitpunkt der Einigung bereits ein Rechtsstreit rechtshängig, so verpflichten sich die Parteien, sämtliche Erklärungen abzugeben bzw. Handlungen vorzunehmen, um diesen übereinstimmend für erledigt zu erklären.A27 In diesem Fall soll die Einigung auch eine Einigung über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens einschließlich der jeweiligen außergerichtlichen Kosten der Parteien enthalten. d) Auf Verlangen einer Partei soll die Vollstreckbarkeit der in der Einigung niedergelegten Leistungspflichten der Parteien sichergestellt werden.A28 2. Sonstige Beendigung des Verfahrens a) Das Verfahren ist auch beendet – mit der Bewertung des Konflikts durch den neutralen Experten gemäß § 4 Ziff. 2. j), – wenn zumindest eine Partei dies erklärt, vgl. § 3 Ziff. 1. b), – wenn der neutrale Experte das Verfahren als gescheitert erklärt. Diese Entscheidung hat er nach billigem Ermessen zu treffen und den Parteien schriftlich mitzuteilen. b) Das Verfahren der Bewertung durch den neutralen Experten soll von ihm regelmäßig für gescheitert erklärt werden, wenn – eine der Parteien eine ihr gesetzte Frist zur Einreichung von Schriftsätzen in einem schriftlichen Vorverfahren missachtet oder – eine der Parteien ohne hinreichende Entschuldigung nicht oder nicht in vorgeschriebener Besetzung zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint.A29 §6 Sonstiges 1. Kosten Kann über die Tragung der Kosten keine Einigung erzielt werden, trägt jede Partei die ihr entstandenen Aufwendungen selbst.A30 Die Kosten, die durch die Hinzuziehung des neutralen Experten und ggf. die Abhaltung des mündlichen Haupttermins entstehen (insbesondere durch die Raummiete), tragen die Parteien je zur Hälfte. 2. Zustellungsanschrift Zum Zwecke der Übersendung von Erklärungen im Rahmen des vorliegend vereinbarten Verfahrens geben die Parteien ihre Zustellungsanschrift bekannt wie folgt:
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Evaluative Verfahren
M 12.1
– Der Antragsteller: … (es folgt die vollständige ladungsfähige Anschrift des Antragstellers). – Der Antragsgegner: … (es folgt die vollständige ladungsfähige Anschrift des Antragsgegners). Änderungen während der Dauer des Verfahrens sind dem neutralen Experten und der anderen Partei unverzüglich mitzuteilen.A31 …, den … (Unterschrift Antragsteller) (Unterschrift Antragsgegner)A32
Anmerkungen zu Muster M 12.1 24a
A1 Sachverhalt: Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über den von einer Partei behaupteten Anspruch gegen die andere auf Leistung (hier auf Nacherfüllung durch die Lieferung mangelfreier Werkstücke gegen Rückgewähr der bereits gelieferten, nach dem Vortrag des Anspruchstellers mangelhaften Werkstücke). Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit darüber, ob die Werkstücke tatsächlich mangelhaft sind: Während der Anspruchsteller davon ausgeht, dass die erste Lieferung nicht seinen technischen Vorgaben entspricht und die Stücke damit mangelhaft sind, bestreitet der Anspruchsgegner dies und verweigert eine erneute Lieferung. Ein Klageverfahren ist zwischen den Beteiligten noch nicht anhängig, wurde jedoch vom Anspruchsteller für den Fall des Scheiterns des Verfahrens bereits angekündigt. Da der Anspruchsteller schlechte Erfahrungen mit Gerichtsverfahren und insbesondere der Dauer und den Kosten eines im Rahmen des Prozesses zu erholenden Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Mangelhaftigkeit der Ware gemacht hat, möchte er sich gütlich einigen. Ihm kommt es vor allem auf den Zeitfaktor an, da er die bestellten Werkstücke rasch benötigt. Für den Rechtsstreit wäre der ordentliche Rechtsweg zu einem Zivilgericht eröffnet, d.h. das Frühevaluationsverfahren versucht, einen nach den Regeln der ZPO durchzuführenden Rechtsstreit zwischen den Parteien zu verhindern. Grundsätzlich ist die Verfahrensvereinbarung auch für Rechtsstreitigkeit aus anderen Rechtsgebieten geeignet, jedoch muss stets darauf geachtet werden, ob hierfür materiellrechtliche oder prozessrechtliche Besonderheiten gelten, die zu berücksichtigen sind. Der Mustertext geht hierauf nicht gesondert ein.
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A2 Streitgegenstand: Der aus dem Zivilprozessrecht übernommene Begriff des Streitgegenstandes (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) definiert sich durch die Angabe des Klagegegenstandes, also der geltend gemachten Forderung, und des zugrunde liegenden konkreten Lebenssachverhaltes, auf den sich das Begehr stützt (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Einl. II Rz. 1 ff.; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Einl. Rz. 60 ff.). Der Streitgegenstand sollte insbesondere dann sorgfältig formuliert werden, wenn – wie im Mustertext – prozessual wirkende Vereinbarungen vorgesehen werden, etwa ein dilatorischer Klageverzicht o.Ä.
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A3 Vertragstypus: Individualvereinbarung, kein Verbrauchervertrag: Die Verfahrensvereinbarung geht davon aus, dass kein Verbrauchervertrag vorliegt, sich also nicht ein Unternehmer (vgl. § 14 BGB) und ein Verbraucher (vgl. § 13 BGB) gegenüberstehen. Ansonsten sind weitere Einschränkungen der Parteiautonomie im Hinblick auf den Schutz des Verbrauchers zu berücksichtigen: So kann sich bspw. gem. § 475 Abs. 1 BGB der Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf auch dann nicht auf eine Abbedingung oder Beschränkung der Mängelrechte des Käufers berufen, wenn diese individualvertraglich vereinbart ist. Zudem gelten die Klauselverbote der §§ 307–309 BGB im Verbrauchervertrag 202
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Frühevaluationsverfahren
Rz. 30 Kap. 12
grundsätzlich auch dann, wenn die Bestimmungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind (vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB; zum Ganzen vgl. ausführlich Amann/Brambring/ Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, 2. Aufl. 2003, 200 ff., 346 ff., 607). Liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, können sich aus den §§ 307 ff. BGB, insbesondere den Klauselverboten der §§ 308 und 309 BGB, ebenfalls zu beachtende Einschränkungen der Vertragsfreiheit ergeben (vgl. Amann/ Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, 2. Aufl. 2003, 346 f., 361 ff.). Oftmals wird es sich aber – wie hier – um eine einmalig ausgehandelte Verfahrensvereinbarung für einen konkreten Konflikt der Parteien handeln. A4 Aktueller Konflikt der Parteien: Wie in Anm. A1 (Rz. 24a) ausgeführt, liegt der hier 27 vorgestellten Verfahrensvereinbarung ein aktueller Konflikt der Parteien zugrunde. Selbstverständlich ist es auch möglich, in einer sonstigen Vereinbarung, zum Beispiel in einem Kauf- oder Werkvertrag der Beteiligten, bereits vorsorgliche Regelungen über die Einleitung eines Frühevaluationsverfahrens im Fall des Auftauchens eines künftigen Konflikts zu treffen. Eine solche vorbeugende Vereinbarung sollte vorsehen, wie das Verfahren ggf. eingeleitet wird, also zum Beispiel Formalia zur Einreichung einer Antragsschrift. Hierbei kann ein bestimmter Mindestinhalt vorgesehen werden, insbesondere die vollständige Bezeichnung und Anschrift der Parteien, die Beschreibung des dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalts und die Angabe des rechtlichen Begehrens sowie ggf. der Vorschlag eines neutralen Experten. A5 Die Dokumentation des Willens zur gütlichen Einigung: Diese Vorbemerkung soll 28 gleich einer Präambel die Freiwilligkeit und eigenverantwortliche Wahl des Verfahrens durch die Beteiligten betonen. Zugleich wird möglichen rechtlichen Bedenken der Rechtsprechung Rechnung getragen: Danach soll die Beschränkung der Klagbarkeit durch eine Vereinbarung der Vertragsteile, vor Anrufung des ordentlichen Gerichts habe ein Güteversuch (z.B. vor einer Schiedsstelle) stattzufinden, jedenfalls dann keine unangemessene Beschränkung des Rechtswegs darstellen, wenn die Vertragspartner an der Anrufung der Gütestelle ein berechtigtes Interesse haben (so BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 197/82, NJW 1984, 669, mit der Aussage, es brauche hier nicht entschieden zu werden, ob es den Vertragsparteien allgemein frei stehe, den Ausschluss oder die Beschränkung der Klagbarkeit zu vereinbaren, hierzu bereits ausführlich und im Sinne der Parteiautonomie M 6.1 Anm. A4 (Kap. 6 Rz. 37). Vor diesem Hintergrund ist die Angabe der Interessenlage und Motive der Parteien in der Verfahrensvereinbarung zu empfehlen. A6 Die Zuziehung eines neutralen Experten: Die Einschaltung eines neutralen Experten 29 ist dem vorgestellten Verfahren der Early Neutral Evaluation immanent. Lediglich in der konkreten Ausgestaltung seiner Rolle und seiner Befugnisse sowie in der Frage, wie das Verfahren im Einzelnen abläuft (insbesondere ob ein mündlicher Haupttermin stattfindet, vgl. Rz. 14), unterscheiden sich die Vorschläge zur Gestaltung dieses Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktlösung. A7 Übereinstimmende Benennung eines neutralen Experten: Können sich die Parteien 30 von sich aus auf einen neutralen Experten einigen, spricht dies bereits für einen Einigungswillen und Konsensfähigkeit hinsichtlich der Verfahrensweise selbst. Zudem kann der neutrale Experte in diesem Fall von einer beidseitigen Akzeptanz seiner Person ausgehen, was das Verfahrensergebnis regelmäßig günstig beeinflussen wird. Die Benennung einer Ersatzperson für den Fall der tatsächlichen Verhinderung, etwa durch Krankheit, kann aufgenommen werden, ist jedoch keinesfalls zwingend. Häufig wird es schon schwer genug für die Parteien sein, sich überhaupt auf einen neutralen Experten zu einigen. Siegler/Fries 203
Kap. 12 Rz. 31
Evaluative Verfahren
M 12.1
Bei ihrer Benennung sollten die Beteiligten berücksichtigen, dass der neutrale Experte über ausreichende Fach- und ggf. auch Rechtskenntnisse verfügen sollte (vgl. Rz. 12b und Anm. A11 [Rz. 34]). 31
A8 Die Auswahl des neutralen Experten im Fall der Nichteinigung der Parteien: Ist eine Einigung auf einen neutralen Experten nicht möglich, können die Beteiligten entweder ein internes Auswahlverfahren installieren oder die Auswahl des Experten an eine professionelle Institution delegieren. Je mehr die Parteien dem Auswahlverfahren vertrauen, desto größer wird das spätere Vertrauen in den neutralen Experten und die Bereitschaft zur Akzeptanz seiner Einschätzung sein.
32
A9 Die Installation eines Benennungsverfahrens: Da mit der Akzeptanz des neutralen Experten die Einigungswahrscheinlichkeit der Parteien steht und fällt, ist auf dessen Auswahl besonderes Augenmerk zu richten. Häufig wird dem Vorschlag durch eine unabhängige Organisation bzw. Institution besonderes Gewicht beigemessen. Dabei kommen je nach Sachverhalt verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Neben der im Mustertext vorgesehenen könnten insbesondere vereinbart werden: – der Direktor des örtlich zuständigen Amtsgerichts, – der Präsident des örtlich zuständigen Landgerichts, – der Präsident der örtlich zuständigen Landesnotarkammer, – sonstige Organe von berufsständischen Organisationen o.Ä., zum Beispiel der Wirtschaftsprüfer- oder Steuerberaterkammer. Besteht Gefahr, dass über die örtliche Zuständigkeit der betreffenden Institution Unklarheiten auftreten, sollte diese in der Vereinbarung möglichst konkret festgehalten werden (zum Beispiel die IHK für Oberfranken-Bayreuth). Ggf. sollte im Vorfeld mit der ausgewählten Institution geklärt werden, dass diese zur Benennung und Bestimmung des Experten bereit ist.
33
A10 Meidung zu großer Formalia bei der Bestimmung des neutralen Experten: Das Verfahren wird im Mustertext für gescheitert erklärt, wenn die Benennung des neutralen Experten nicht beim zweiten Mal gelingt. Die Ablehnung ist dabei ausdrücklich nur an die Behauptung eines Ablehnungsgrundes gebunden. Dies erscheint auf den ersten Blick als relativ schnell und großzügig. Ein bereits bei der Bestimmung des neutralen Experten endender Einigungswille der Parteien lässt aber ohnehin keine erfolgversprechende Prognose für den Ausgang eines gütlichen Verfahrens zu. Scheint die Akzeptanz des Experten durch die Parteien fraglich, muss die Eignung des Verfahrens grundsätzlich bezweifelt werden. Da das Verfahren stets freiwillig bleibt, sind deshalb keinerlei Zwangsmittel bei der Bestellung des neutralen Experten vorgesehen.
34
A11 Die Eignung des neutralen Experten: Grundsätzlich sollte der neutrale Experte zwei wesentlichen Anforderungen genügen: In erster Linie sollte er über entsprechende Fachkenntnisse verfügen, um die aufgeworfene Frage ohne größere Einarbeitung etc. beurteilen zu können. Daneben sind Rechtskenntnisse erforderlich, um den Vortrag der Parteien auch im Hinblick auf eine im Fall der Nichteinigung etwa erhobene Klage beurteilen zu können, insbesondere im Hinblick auf mögliche Beweislastverteilungen in einem Zivilprozess. Zudem kann sonst die rechtlich einwandfreie Fixierung einer gefundenen Einigung (vgl. § 2 Nr. 3. b) des Vertrages) nicht gewährleistet werden. Allerdings spielen die rechtlichen Kenntnisse – anders als bei der Prozesssimulation in der hier vertretenen Ausprägung, vgl. M 11 Anm. A11 (Kap. 11 Rz. 75) – eine untergeordnete Rolle. Im Idealfall verfügt der Dritte auch über Erfahrung speziell im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung und Verhandlungsführung. Jedenfalls sollte er eine gewisse Autorität 204
Siegler/Fries
M 12.1
Frühevaluationsverfahren
Rz. 42 Kap. 12
mitbringen, damit die Parteien ausreichendes Vertrauen in seine Urteilsfähigkeit und abgegebene Bewertung entwickeln können. Häufig wird sich die Eignung des Experten durch seinen Beruf ergeben. A12 Die Parteiautonomie des Verfahrens: Idealerweise sollte der neutrale Experte auch bei übereinstimmender Benennung durch die Parteien die in Anm. A11 (Rz. 34) genannten Fähigkeiten besitzen. Da es sich jedoch um ein parteiautonomes Verfahren handelt, sind die Parteien frei in ihrer Entscheidung und können von (vielleicht wünschenswerten) Prämissen jederzeit einverständlich abweichen.
35
A13 Keine Entscheidungskompetenz des neutralen Experten: Dem Experten obliegt im 36 Verfahren keine eigene Entscheidungskompetenz in der Sache, ein vorgebrachter Lösungsvorschlag ist stets unverbindlich (vgl. bereits Rz. 15). A14 Die Neutralität des Experten: Die Neutralität des Experten ist wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz seiner Bewertung. Die Neutralität soll sich dabei auch in der konkreten Gestaltung des Verfahrens niederschlagen, insbesondere durch Gewährung gleichmäßigen – nicht nur rechtlichen – Gehörs für beide Parteien.
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A15 Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit: Soweit sich die Verpflichtung zur Ver- 38 schwiegenheit nicht bereits aus dem Berufsrecht des neutralen Experten ergibt (so zum Beispiel für Notare aus § 18 Abs. 1 BNotO), muss die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besonders begründet werden. Deshalb ist ein Vertrag mit dem neutralen Experten über dessen Aufgaben und Verpflichtungen in der Regel unabdingbar. In diesem sollte die Verpflichtung zur Neutralität und Verschwiegenheit, der Vergütungsanspruch und die Haftung des neutralen Experten ausdrücklich geregelt sein. Anhaltspunkte für die Gestaltung dieses Vertrages bietet der insoweit vergleichbare Mediatorvertrag (vgl. Kap. 6 Rz. 98). A16 Die Besetzung des Gremiums: Für die Besetzung des Gremiums sollte eine bestimm- 39 te Personenzahl festgelegt werden. Daneben sollten die Voraussetzungen der in das Gremium zu entsendenden Mitglieder definiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl die Abschlusskompetenz als auch die fachliche Kompetenz vertreten sein müssen, um eine sofortige Einigung überhaupt zu ermöglichen (vgl. Rz. 19). A17 Die Zuziehung von Beiständen und rechtlichen Beratern: Üblicherweise ist die Zu- 40 ziehung von Rechtsberatern und sonstigen Beiständen, die der Verschwiegenheit unterliegen oder sich ihr vertraglich unterwerfen, zulässig. Vorliegend soll jedoch im Rahmen der mündlichen Verhandlung einem zahlenmäßigen Ungleichgewicht zwischen den Parteien von vornherein vorgebeugt werden. Deshalb ist die gewählte Zahl von Gremiumsmitgliedern auch für die Rechtsbeistände maßgeblich. Keine Partei kann also zusätzlich einen eigenen „Beraterstab“ beiziehen. A18 Jederzeitige Kündigung der Verfahrensvereinbarung: Da das Frühevaluationsver- 41 fahren ein freiwilliges Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung ist, hat es keinen Sinn, auch nur eine Partei gegen ihren Willen in dem Verfahren festzuhalten. Eine gütliche Einigung könnte dann ohnehin nicht mehr erzielt werden. Erscheint also das Verfahren einer Partei als gescheitert oder möchte sie es nicht mehr weiterführen, steht ihr der jederzeitige Ausstieg aus dem Verfahren offen. A19 Das Problem der Vertraulichkeit und deren Absicherung: Die nötige Vertraulich- 42 keit stellt eine der größten Herausforderungen sämtlicher konsensualer Konfliktlösungsmethoden dar, die insgesamt auf möglichst großer Offenheit der Parteien untereinander beruhen. In der Regel ermöglicht nur eine Offenlegung der Interessen die Schaffung einer „Win-Win-Situation“, in der mögliche Einigungsoptionen und Kooperationsgewinne entdeckt werden können. Insbesondere wenn sich eine Partei unter geheimem Vorbehalt auf Siegler/Fries 205
Kap. 12 Rz. 43
Evaluative Verfahren
M 12.1
das Verfahren einlässt und dieses letztlich zur „Ausforschung“ des Gegners missbraucht, kehrt sich der Vorteil des Verfahrens in einen Nachteil für den tatsächlich kooperativen Teil um (vgl. ausführlich Kap. 5 Rz. 3 f. m.w.N.). Mittel der Wahl ist eine prozessvertraglich gestützte Vertraulichkeitsvereinbarung, die sich aus einer Vortrags- und einer Beweismittelbeschränkung zusammensetzt. Eine solche in einem Prozessvertrag getroffene Parteivereinbarung soll zulässig und vom Gericht unmittelbar zu beachten sein – jedenfalls wenn sie keine Verfahren betrifft, in denen der Untersuchungsgrundsatz gilt (vgl. ausführlich Kap. 5 Rz. 1 ff.; so auch Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Vor § 284 Rz. 41, Einl. III. Rz. 6 ff.; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor § 284 Rz. 2b). Zu Recht weist Walz in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 48 ff., darauf hin, dass Einschränkungen der Vertraulichkeit vorgesehen werden sollten, soweit es um die Auslegung von Vereinbarungen oder um Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Vereinbarungen geht, die die Beteiligten im Rahmen des außergerichtlichen Verfahrens selbst erzielt haben. Ansonsten würde die Rechtsdurchsetzung einer gefundenen Einigung praktisch unmöglich und damit der Verhaltensanreiz für die Durchführung des Verfahrens herabgesetzt. 43
A20 Dilatorischer Klageverzicht: Für die Dauer des Verfahrens soll die Beschreitung des ordentlichen Rechtswegs ausgeschlossen sein. Ggf. steht jeder Partei das Recht zur jederzeitigen fristlosen Kündigung der Verfahrensvereinbarung zu. Deshalb tritt in der Praxis nur eine geringe zeitliche Verzögerung ein, wenn sich ein Vertragsteil doch zur Klageerhebung entschließen sollte. Im Rahmen eines dilatorischen Klageverzichts sollte die Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes stets besonders behandelt werden. Dabei können Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes für die Dauer des Verfahrens ausgeschlossen oder – wie hier – lediglich beschränkt werden. Offen bleibt immer die Möglichkeit, die Verfahrensvereinbarung ggf. zu kündigen. Grundsätzlich handelt es sich bei Prozessverträgen um Vereinbarungen, die von den Parteien eines – auch zukünftigen – Rechtsstreits abgeschlossen werden und auf den Rechtsstreit einwirken. Sie werden grundsätzlich als zulässig erachtet, sind jedoch dem Gericht gegenüber besonders geltend zu machen (einredeweise bzw. durch Widerklage, vgl. Reichold in Thomas/ Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Einl. III. Rz. 8; vgl. speziell zur Rücknahmeverpflichtung Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 269 Rz. 2; zu teilweise geäußerten Bedenken der Rechtsprechung bereits ablehnend Rz. 28; s.a. Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 128 Rz. 26 ff.). Durch Prozessvertrag können sich die Vertragsteile außergerichtlich auch wirksam verpflichten, das Ruhen des Verfahrens herbeizuführen (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 251 Rz. 1 m.w.N.). Gemäß § 251 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass diese Anordnung (explizit wegen des Schwebens von Vergleichsverhandlungen) zweckmäßig ist (zum Anwendungsbereich der Norm vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Vor § 239 Rz. 1 f.; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor §§ 239 Rz. 4, § 251 Rz. 2).
44
A21 Verjährungsverlängernde Vereinbarung: Anders als noch unter der Geltung von § 225 BGB in seiner alten Fassung sind seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I, 3138) gemäß § 202 BGB verjährungsverlängernde Vereinbarungen grundsätzlich zulässig. Möglich ist dabei neben der Verlängerung der Verjährung insbesondere die Erweiterung von gesetzlichen Hemmungsgründen (Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 202 Rz. 4).
206
Siegler/Fries
M 12.1
Frühevaluationsverfahren
Rz. 49 Kap. 12
Bei verjährungsverlängernden Vereinbarungen ist die absolute Grenze des § 202 Abs. 2 BGB zu beachten. Das Verbot erfasst grundsätzlich alle Abreden, die zu einer längeren Frist als 30 Jahre führen können – auch Vereinbarungen, die Hemmungsgründe erweitern (Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 202 Rz. 4). Die Verjährungsvereinbarung im Mustertext erweitert den allgemeinen Hemmungstatbestand von Verhandlungen gemäß § 203 BGB, lässt jedoch § 203 Satz 2 BGB unberührt, wonach die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt. A22 Stundungsvereinbarung: Wegen § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sollte vorsorglich klargestellt 45 werden, dass mit der Stundungsvereinbarung kein Anerkenntnis verbunden ist, das zu einem Neubeginn der Verjährung führen würde (vgl. hierzu Kap. 6 Rz. 53). Geregelt werden sollte, ob das Leistungsverweigerungsrecht bei Beendigung des Verfahrens ohne Einigung nur für die Zukunft (ex nunc) wegfällt oder rückwirkend (ex tunc) Verzugswirkung eintreten soll. Da die Folgen des Verzugs, insbesondere im Hinblick auf die möglichen Rechtsfolgen des Rücktritts und Schadensersatzes, in der Regel schwer überblickbar sein werden, und durch die Befürchtung, rückwirkend in Verzug zu geraten, der Abschluss der Verfahrensvereinbarung erschwert werden könnte, wurde im Mustertext lediglich ein Fortfall des Leistungsverweigerungsrechts für die Zukunft vorgesehen. Eine alternative Formulierung findet sich in M 6.1 (Kap. 6 Rz. 34) unter § 7 Ziff. 2. A23 Der Ablauf des Verfahrens: Der mögliche Ablauf eines Frühevaluationsverfahrens ist 46 bereits unter Rz. 12 ff. dargestellt. Ein schriftliches Vorverfahren wird sich nur bei komplizierten Sachverhalten anbieten, die ggf. trotz dessen vorausgesetzter Sachkenntnis eine besondere Vorbereitung des Experten erfordern könnten. Ansonsten sollte, um das Verfahren möglichst effektiv und schnell zu gestalten, eher auf ein Vorverfahren verzichtet werden. Selbstverständlich handelt es sich nur um einen Verfahrensvorschlag; die Parteien können das Verfahren autonom gestalten. A24 Die Bewertung durch den neutralen Experten: Dreh- und Angelpunkt des Verfah- 47 rens ist die Bewertung durch den neutralen Experten. Schwerpunkt seiner Äußerung ist die sachverständige Einschätzung des vorgetragenen Sachverhalts, vorliegend etwa der Frage, ob die zunächst gelieferten Werkstücke tatsächlich mangelhaft waren und den technischen Anforderungen des Antragstellers nicht entsprachen. Charakteristisch für das Verfahren ist, dass es sich um eine subjektive Äußerung des neutralen Experten handelt, die vor allem auf der mündlichen Präsentation im Gremium beruht. Seine Entscheidung ist nicht verbindlich. Da es sich um eine Meinungsäußerung des neutralen Experten handelt, sollte in dem mit ihm abzuschließenden Vertrag (vgl. Anm. A15 [Rz. 38]) ein entsprechender Haftungsmaßstab in den Grenzen des rechtlich Zulässigen vereinbart werden: Der neutrale Experte kann keine Gewähr dafür übernehmen, wie ein später tatsächlich angestrengter Rechtsstreit ausgeht. A25 Die Erhebung von Beweisen: Die Entscheidung über die Erhebung von Beweisen 48 sollte dem neutralen Experten obliegen. Um zeitliche Verzögerungen zu vermeiden, werden in der Regel nur präsente Beweismittel in Betracht kommen (vgl. bereits Rz. 14e). Vorliegend käme vor allem eine Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Werkstücke in Betracht. A26 Die Einigung über die Kosten: Die Frage über die Kostentragung gefährdet am Ende 49 einer Verhandlung häufig den Verhandlungserfolg (hierauf weist Selbherr in Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 110, zu Recht hin). Wird keine Einigung erzielt, trägt jede Partei ihre Aufwendungen selbst, sonstige Kosten werden geteilt (vgl. M 12 [Rz. 24] § 6 Ziff. 1 und Rz. 20). Siegler/Fries 207
Kap. 12 Rz. 50
Evaluative Verfahren
M 12.1
50
A27 Prozessuale Vereinbarungen: Zu möglichen Prozessverträgen vgl. bereits Anm. A20 (Rz. 43). Im Fall einer Einigung muss das Ruhen eines Rechtsstreits in dessen Beendigung überführt werden. Die Parteien können den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären (vgl. § 91a Abs. 1 ZPO, zum Anwendungsbereich der Norm vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 91a Rz. 7 f.; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 91a Rz. 7 ff.). In diesem Fall wird vom Zivilgericht nicht mehr geprüft, ob und wann sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hat (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 91a Rz. 22; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 91 Rz. 12). Eine gerichtliche Kostenentscheidung unterbleibt, wenn die Parteien sich auch über die Kostentragung verglichen haben oder auf eine Kostenentscheidung verzichten (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 91a Rz. 20, 26; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 91 Rz. 22). Deshalb sollte eine Einigung der Parteien auch eine Aussage über die Kostentragung umfassen, insbesondere wenn bereits Verfahren rechtshängig waren.
51
A28 Die Vollstreckbarkeit von Leistungspflichten: Die Wertigkeit einer Einigung wird wesentlich gesteigert, wenn die vereinbarten Leistungspflichten rasch durchsetzbar sind, insbesondere ohne erneute Beschreitung des ordentlichen Rechtswegs. Hierfür ist eine vollstreckbare Vereinbarung abzuschließen, die einer besonderen Form bedarf (vgl. §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5 und 796a Abs. 1 ZPO, hierzu bereits Rz. 23).
52
A29 Das Scheitern des Verfahrens: Im Muster sind einige Fälle erwähnt, in denen der neutrale Experte das Verfahren für gescheitert erklären kann. Sie greifen lediglich besonders deutliche Fälle fehlender Mitwirkungsbereitschaft heraus. In einem solchen Fall hat die Durchführung des Verfahrens keinen Sinn (mehr).
53
A30 Die Kostenvereinbarung: Vgl. hierzu bereits Rz. 49. Ggf. kann – insbesondere im Hinblick auf eine vereinbarte Vergütung des neutralen Experten – die Entrichtung von Kostenvorschüssen und deren spätere Abrechnung vorgesehen werden.
54
A31 Die Angabe der Anschrift für Zustellungen im Verfahren: Wird in der Verfahrensvereinbarung selbst die vollständige Anschrift jeder Partei angegeben, erleichtert dies Zustellungen im Verfahren (z.B. im Rahmen eines etwaigen schriftlichen Vorverfahrens). Ggf. können Sanktionen an einen Verstoß gegen die Verpflichtung, Adressänderungen unverzüglich mitzuteilen, geknüpft werden (etwa die Möglichkeit für den neutralen Experten, das Verfahren für gescheitert zu erklären, vgl. M 12 [Rz. 24] § 5 Ziff. 2b), evtl. auch Zugangsfiktionen im Rahmen des rechtlich Zulässigen).
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A32 Anforderungen an eine Unterschrift: An eine Unterschrift werden von der Rechtsprechung bestimmte Grundanforderungen gestellt, insbesondere wenn es sich nicht um Unterschriften im Rahmen einer notariellen Beurkundung handelt, die gemäß § 13 BeurkG in Gegenwart des Notars erfolgen müssen (vgl. Bernhard in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, G, Rz. 210). Kosten: Welche Kosten konkret für ein Frühevaluationsverfahren anfallen, hängt stark von der Komplexität des Sachverhalts und dem angesetzten Zeitrahmen ab. Nachfolgend kann deshalb nur eine grobe Einschätzung der Kosten gegeben werden. In der Regel wird es sich aber um weniger komplexe Streitigkeiten handeln als bei der Prozesssimulation (vgl. Kap. 11 Rz. 61), so dass die Gesamtkosten (im Zuge eines weniger komplexen und aufwendigen Verfahrens) etwas niedriger liegen dürften als bei der Prozesssimulation. Wird ein Notar oder Rechtsanwalt als neutraler Experte hinzugezogen, kann wegen der hierfür anfallenden Kosten auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Mediation verwiesen werden (vgl. Kap. 6 Rz. 6). Da im Frühevaluationsverfahren jedoch nicht die juristische Bewertung im Vordergrund steht, wird häufig ein Sachverständiger oder eine 208
Siegler/Fries
M 12.1
Frühevaluationsverfahren
Rz. 55 Kap. 12
sonst mit der Materie vertraute Person als neutraler Experte zugezogen werden. Ggf. sind mit ihm dann entsprechende Honorar- bzw. Stundensätze zu vereinbaren. Neben den Kosten für den neutralen Experten fällt vor allem folgender Aufwand an: – Raummiete für die Abhaltung des mündlichen Haupttermins, – ggf. Kosten für die Beiziehung eigener Rechtsberater als Gremiumsmitglieder (vgl. Anm. A17 [Rz. 40]), – Zeitaufwand für die Parteien bzw. Parteivertreter, die an der mündlichen Verhandlung zwingend teilnehmen müssen, sowie die sonstigen in das Gremium entsandten Vertreter bzw. Mitarbeiter. Seltener als in der Prozesssimulation wird zusätzlicher Aufwand durch ein schriftliches Vorverfahren oder eine Beweisaufnahme im Haupttermin entstehen: Je weniger komplex der Sachverhalt, desto entbehrlicher ein Vorverfahren. Der neutrale Experte sollte von den Parteien so ausgewählt werden, dass seine Zuziehung die Einschaltung weiterer Sachverständiger gerade entbehrlich macht.
Siegler/Fries 209
Sechster Teil
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
Kapitel 13
A. Antragstellung I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeiten und Voraussetzungen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensablauf im Überblick . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.1 Antrag auf Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung nach §§ 342 Abs. 2, 363 ff. FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ladungsschreiben I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.2 Ladungsschreiben bei Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . C. Vereinbarung über vorbereitende Maßnahmen I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.3 Vorbereitung der Nachlassauseinandersetzung . . . . . . . . . . . D. Bekanntgabe der vorbereitenden Vereinbarung an nicht erschienene Beteiligte („Säumnisverfahren“) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.4 Bekanntgabe der Beurkundung vorbereitender Vereinbarungen. .
Das Verfahren in Teilungssachen (§§ 342 Abs. 2, 363 ff. FamFG) 1
7 9 10
10 22 23 23
31 32 32
40 41
E. Bestätigung der vorbereitenden Vereinbarungen I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.5 Bestätigung vorbereitender Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . F. Beurkundung des Auseinandersetzungsplans I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.6 Plan zur Nachlassauseinandersetzung mit Zustimmung der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Bekanntgabe des Auseinandersetzungsplans an nicht erschienene Beteiligte („Säumnisverfahren“) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.7 Bekanntgabe der Beurkundung des Auseinandersetzungsplans. . . H. Notarielle Bestätigung des Auseinandersetzungsplans I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13.8 Bestätigung des Auseinandersetzungsplans . . . . . . . . . . . . . . . .
47 51 51
55 56
56
61 62 62
66 67 67
41
A. Antragstellung I. Einführung Literatur: Beisel in Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 20; Bracker, Die amtliche Vermittlung der Nachlassauseinandersetzung, MittBayNot 1984, 114 ff.; Bumiller/Harders/ Schwamb, FamFG – Freiwillige Gerichtsbarkeit, 11. Aufl. 2015; Firsching/Graf, Nachlassrecht, 10. Aufl.
Sorge
211
Kap. 13 Rz. 1
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
2014, Rz. 4.867 ff.; Heinemann, Aufgabenübertragung auf Notare, FGPrax 2013, 139; Holzer, Das Verfahren zur Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem FamFG, ZEV 2013, 656; Ihrig, Vermittlung der Auseinandersetzung des Nachlasses durch den Notar, MittBayNot 2012, 353; Keidel, FamFG, 18. Aufl. 2014; Klinger in Beck’sches Prozessformularbuch, 13. Aufl. 2016 II L 17; Sorge in Walz, Formularbuch Außergerichtliche Streitbeilegung, 1. Aufl. 2006, Kapitel 6 (alter Rechtsstand); Stritter, Das notarielle Verfahren zur Vermittlung der Erbauseinandersetzung nach den §§ 363 ff. FamFG, ZErb 2016, 57 ff.; Wegmann in Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016, § 117 Rz. 27 ff. (alter Rechtsstand); Westphal, Vermittlung der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, Rechtspfleger Jahrbuch 1981, 345 (346 ff.); Zimmermann, Vermittlung der Erbauseinandersetzung durch das Nachlassgericht ZEV 2009, 374 (alter Rechtsstand).
1
Teilungssachen im Sinne des § 342 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind die Auseinandersetzung eines Nachlasses sowie die Auseinandersetzung eines Gesamtgutes nach Beendigung einer ehelichen, lebenspartnerschaftlichen oder fortgesetzten Gütergemeinschaft. Das aus Sicht des Mediators überaus moderne Vermittlungsverfahren nach §§ 363 ff. FamFG1 führt in der Beratungs- und Gerichtspraxis leider ein Schattendasein.2 Hierfür sind im Wesentlichen drei Ursachen auszumachen: Das Verfahren ist wie jedes mediative Verfahren auszusetzen, wenn ein beteiligter Erbe widerspricht oder sich im Verfahren ein Streitpunkt ergibt.3 Vielen Rechtsanwälten ist das Verfahren gänzlich unbekannt,4 weil die Freiwillige Gerichtsbarkeit in der Juristenausbildung vernachlässigt wird. Und schließlich weisen die Nachlassgerichte, die im Rahmen einer Testamentseröffnung und/oder des Erbscheinsverfahrens den „Erstkontakt“ mit den streitigen Erben haben, kaum auf die Möglichkeit dieses Verfahrens hin. Auch nach § 278a ZPO könnte ein Gericht, bei dem eine Klage auf Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft anhängig ist, auf das alternative Verfahren hinweisen. Seit dem 1.9.2013 sind nun für die Durchführung bundesweit ausschließlich die Notare zuständig; die originäre Zuständigkeit der Amtsgerichte ist durch das Gesetz zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare5 entfallen.6 Die Zukunft wird zeigen, ob diese Zuständigkeitsänderung dem Verfahren eine größere Bedeutung verschaffen wird. Da der Güterstand der Gütergemeinschaft in der Rechtspraxis immer bedeutungsloser wird, konzentriert sich die nachstehende Darstellung auf die Nachlassauseinandersetzung.7 1 Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zum 1.9.2009 fanden sich die Regelungen in den §§ 86 ff. FGG. 2 Wilke, Schlichten statt Prozessieren – Der Beitrag des Notars, MittBayNot 1998, 1 (6); Holzer, Das Verfahren zur Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem FamFG, ZEV 2013, 656; Heinemann, FGPrax 2013, 139 (140); Zimmermann, ZEV 2009, 374 (379). 3 § 370 Abs. 1 FamFG. 4 Heinemann, Aufgabenübertragung auf Notare, FGPrax 2013, 139 (140). 5 Gesetz zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare v. 26.6.2013, BGBl. I, 1800, geändert durch das 2. KostRMoG v. 23.7.2013, BGBl. I, 2586. Zur Rollenverteilung zwischen Amtsgericht und Notar unter Geltung des früheren Rechtsstandes s. die 1. Auflage. 6 § 487 FamFG lässt landesrechtliche Vorschriften unberührt, nach denen die Auseinandersetzung eines Nachlasses von Amts wegen zu vermitteln ist, wenn diese nicht innerhalb einer bestimmten Frist erfolgt. Von dieser Möglichkeit macht aktuell aber kein Bundesland Gebrauch (Bumiller in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, § 487 Rz. 2-3). Nach § 487 FamFG ist es für Baden-Württemberg zulässig, wenn dort anstelle der Notare oder neben diesen andere Stellen die Auseinandersetzung vermitteln. § 488 FamFG sieht einen Vorbehalt für das Landesrecht vor, der die Zuständigkeit anderer Behörden vorsehen kann. 7 Die Gütergemeinschaft ist weithin aus der Gestaltungspraxis verschwunden. Es sind kaum noch Rechtsberater und Richter zu finden, die mit ihr umzugehen verstehen. Für eine planende Nachlassgestaltung kann die fortgesetzte Gütergemeinschaft im Einzelfall aber ein hilfreiches Instrument
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Sorge
Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 6 Kap. 13
Für den eine Erbauseinandersetzung begleitenden Rechtsanwalt bietet das Vermittlungsver- 2 fahren einige Vorteile gegenüber der „klassischen“ Mediation: Das FamFG und das GNotKG geben einen Verfahrens- und Kostenrahmen vor, der – jedenfalls zunächst – eine Mediationsvereinbarung und zum Teil auch eine Vergütungsvereinbarung überflüssig macht. Zugleich bietet das Vermittlungsverfahren auch potentielle Vorteile gegenüber dem Zivil- 3 prozess: Als FamFG-Verfahren vor dem Notar kann es kostengünstiger und schneller geführt werden als ein Prozess. Gerade in Verfahren, in denen ein Vergleich möglich erscheint, ist es gegenüber der Streitlösung in der Güteverhandlung nach § 278 ZPO der billigere Weg für den Mandanten, um zu einem vollstreckbaren Titel zu kommen.1 Das Vermittlungsverfahren kann auch eine preiswerte Alternative zu einer streitigen Auseinandersetzung zwischen Miterben sein, wenn mit der Säumnis einer Partei zu rechnen ist (§§ 366 Abs. 3, 368 Abs. 2 Satz 1 FamFG).2 Das Verfahren selbst ist, wie die Mediation, geprägt von der Freiwilligkeit.3 Der Notar wird 4 als Organ der vorsorgenden Rechtspflege, also nicht im streitigen Zivilprozess tätig.4 Notare werden in unstreitigen Fällen von Erbengemeinschaften häufig mit der Beurkun- 5 dung von (Teil-)Erbauseinandersetzungen, Vermächtniserfüllungen oder zum Vollzug von Teilungsanordnungen beauftragt. In diesen Fällen müssen sie jedoch nicht auf die Verfahrensvorschriften des FamFG zurückgreifen.5 Dies ist nur der Fall, wenn der Antrag i.S.d. § 363 FamFG ausdrücklich gestellt wird. Das „normale“ Beurkundungsverfahren nach §§ 9 ff. BeurkG ist mit einer Gebühr zwischen 2,0 (KV 21100 Anl. 1 GNotKG) und 1,0 (KV 21102 Anl.1 GNotKG Vermächtniserfüllung a.G. notariellen Testaments) billiger. Die mediativen Elemente des im Gesetz beschriebenen Verfahrens sind erstaunlich weit 6 ausgeprägt. Hinsichtlich streitiger Punkte sieht § 370 FamFG die Aussetzung des Verfahrens bis zur Erledigung derselben vor. Der Notar kann jedoch im Verfahren selbst streitschlichtend oder nach Aussetzung des Verfahrens in einer abgesonderten Mediation als Mediator tätig werden. Die Streitentscheidung durch das Prozessgericht ist also nicht zwingend.
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sein, um Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten zu vermeiden, z.B. wenn diese dazu führen würden, dass der erbende Ehegatte die eheliche Wohnung als Existenzgrundlage veräußern müsste (s. § 2331a BGB). Durch die Vereinbarung der fortgesetzten Gütergemeinschaft wird dies verhindert, da der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut der Gütergemeinschaft nicht zum Nachlass gehört (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB). § 2325 BGB steht jedoch einem Gestaltungsmissbrauch im Wege (s.a. Müller in Schlitt/Müller, PflichtteilsR, 2010, § 11 Rz. 102 – 105). Beisel in Haft/Schlieffen (Hrsg.), Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 20 Rz. 17. Allerdings muss beachtet werden, dass im Vermittlungsverfahren die Ladung durch öffentliche Zustellung unzulässig ist (§ 365 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Im Säumnisverfahren ist die öffentliche Zustellung hingegen zulässig (§ 366 Abs. 3 FamFG). Vom Vorbehalt zugunsten des Landesgesetzgebers, die Nachlassauseinandersetzung von Amts wegen durchzuführen, hatten ohnehin nur Bayern und Baden-Württemberg Gebrauch gemacht (§ 487 FamFG). Auch diese Länder haben zwischenzeitlich hiervon abgelassen, vgl. Wilke, MittBayNot 1998, 1 ff. Das FamFG-Verfahren ist auch von der in den Zivilprozess eingegliederten Güteverhandlung (§ 278 Abs. 2 ZPO) zu unterscheiden. Ist der Notar nur als Urkundsperson mit der Auseinandersetzung befasst, ohne dass ein Antrag auf amtliche Vermittlung gestellt war, so kann der von ihm beurkundete Auseinandersetzungsvertrag nicht nach § 372 FamFG durch die Beschwerde angefochten werden.
Sorge
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Kap. 13 Rz. 7
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
1. Möglichkeiten und Voraussetzungen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft 7
Die Möglichkeiten der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft sind vielfältig. Der Erblasser selbst kann etwa bei lebzeitigen Vermögenszuwendungen Bestimmungen zur Ausgleichung bzw. Anrechnung des Zugewendeten im Erbfall machen, er kann durch Teilungsanordnung und (Voraus-)Vermächtnisse die gegenständliche Aufteilung seines Nachlasses vorherbestimmen oder er kann gemäß § 2044 BGB seinen Erben zeitliche Vorgaben bzw. Beschränkungen auferlegen, bis hin zum völligen Ausschluss des Rechts eines Miterben, die Auseinandersetzung verlangen zu können. Auch testamentarisch verfügte bzw. erbvertraglich vereinbarte Schiedsabreden können für den Erblasser Mittel zur Steuerung der Nachlassauseinandersetzung sein.1 Durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung2 ist es möglich, das Verfahren der Auseinandersetzung bis ins Detail und im Wesentlichen unter Ausschluss der Einwirkung durch die Erbengemeinschaft vorherzubestimmen.
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Der statistisch3 häufigste Fall ist jedoch, dass der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen und damit auch keine rechtlich verbindliche Vorstellung über die Auseinandersetzung seines Nachlasses hinterlassen hat. Die gesetzlichen Erben müssen daher selbst einen Weg finden, um die kraft gesetzlicher Erbfolge entstandene Erbengemeinschaft abzuwickeln. Nur im Ausnahmefall, nämlich in der Nachlassinsolvenz, sieht das Gesetz ein zwingendes Verfahren zur Nachlassabwicklung vor. Ist ein Landgut Nachlassgegenstand, kann die Hofnachfolge im Zuweisungsverfahren des Grundstücksverkehrsgesetzes (§§ 13 ff.) vor dem Landgericht durchgesetzt werden. Der einzelne Miterbe kann seinen Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auch im streitigen Verfahren geltend machen.
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Die Lebenswirklichkeit zeigt, dass die Erben in der Regel in der Lage sind, aus eigenen Kräften eine einvernehmliche Lösung zu erzielen. Andererseits ist auch in Fällen einvernehmlicher Auseinandersetzungen häufig zu beobachten, dass die familiären Beziehungen durch eine Erbauseinandersetzung erheblich belastet oder gar dauerhaft beschädigt werden. Für jeden Miterben stellt die Nachlassauseinandersetzung eine Gratwanderung zwischen Trauerarbeit und Rücksichtnahme einerseits und der Wahrung eigener Interessen andererseits dar, wie z.B. die Sicherung der materiellen Existenz oder Bedenken, selbst übervorteilt zu werden. Besteht die Erbengemeinschaft aus mehreren Generationen, verkompliziert sich die Situation dadurch, dass sich einzelne Familienmitglieder auch als Sachwalter der Interessen anderer Mitglieder der Erbengemeinschaft betrachten. Hinzu treten mitunter strukturelle Ungleichgewichte in der Verhandlungsstärke der beteiligten Familienmitglieder, bedingt z.B. durch Alter, Lebenserfahrung und Ausbildung. 2. Verfahrensablauf im Überblick
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Das Vermittlungsverfahren ist Antragsverfahren. Nach § 363 Abs. 1 FamFG erfolgt die Vermittlung der Erbauseinandersetzung auf Antrag. Seit 1.9.2013 gehört diese Zuständigkeit zum Aufgabenkatalog des Notars (§ 20 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Die Amtsgerichte als Nachlassgerichte sind nicht mehr zuständig. Zuvor hatten bereits die Länder Bayern,4 Hessen,5
1 § 1048 ZPO. S. hierzu Bandel, Schiedsklauseln in Testamenten und Erbverträgen, Kap. 25. 2 §§ 2204, 2042–2056 BGB. 3 Metternich, Verfügungsverhalten von Erblassern, Diss. 2009, 32, hat aufgrund einer Auswertung von Nachlassakten im Raum Potsdam in Relation zu den dortigen Sterbefällen eine Testierhäufigkeit von unter 25 % ermittelt. 4 Bayern: Art. 138 AGGVG v. 23.6.1981 (GVBl. 188). 5 Hessen: Art. 24–30 HessFGG v. 12.4.1954 (GVBl. 59).
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Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 9a Kap. 13
Niedersachsen1 sowie Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen2 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Notare neben den Amtsgerichten für zuständig zu erklären. Der Notar übernimmt funktionell die Rolle des Nachlassgerichts.3 Verweisungsnorm für den Notar ist § 492 Abs. 1 FamFG, in dem auf die für das Amtsgericht geltenden Vorschriften verwiesen wird. Dem Notar kommen die Aufgaben sowohl des Richters, des Rechtspflegers als auch des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu; Geschäftsstelle sind seine Geschäftsräume (= Geschäftsstelle gemäß § 10 Abs. 2 BNotO). In Baden-Württemberg sind die Notariate bis zum 31.12.2017 ohnehin noch als Nachlassgerichte zuständig.4
Antrag Ladung Verhandlungstermin
Vollständiges Erscheinen
Überleitung in ADR-Verfahren, z.B. „Aufteilungs- und Auswahlverfahren“
Überleitung in freies Mediationsverfahren
Unvollständiges Erscheinen
förmliches Vermittlungsverfahren
„aktive“ Verweigerung → gescheitert
„Säumnisverfahren“ nach §§ 366 III, 368 II FamFG
1 Niedersachsen: Art. 14–20 NdsFGG v. 14.5.1958 (GVBl. 43). 2 Berlin Art. 21 bis 28 PrFGG v. 21.9.1899, GS. 1899, S. 249 (Berliner Rechtsvorschriften – Amtliche Sammlung 3212–1), Nordrhein-Westfalen (PrGS NW, S. 88, zuletzt geändert GV NRW, S. 248), Schleswig-Holstein (GVOBl. 1971, S. 182), weitere Nachweise Jansen/Baronin von König, FGGKommentar, 2006, Dritter Band (§§ 71–200), § 193. 3 BayObLG, Beschl. v. 22.4.1983 – BReg. 1 Z 22 und 23/83, BayObLGZ 1983, 101 (104) = MittBayNot 1983, 136. 4 Baden-Württemberg: § 38 LFGG: „Nachlassgericht ist das Notariat“. Aufgehoben mit Wirkung zum 1.1.2018 durch Gesetz v. 29.7.2010 (GBl. 2010, S. 555).
Sorge
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9a
Kap. 13 Rz. 10
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.1
II. Muster 10
M 13.1 Antrag auf Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung nach §§ 342 Abs. 2, 363 ff. FamFGA1 Rechtsanwältin … (Name) … (Anschrift) … (Datum) An Herrn NotarA2 … (Name) … (Anschrift) Az. … (Aktenzeichen) Antrag auf Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung nach §§ 363 ff. FamFG Sehr geehrter Herr Notar, namens meines Mandanten … (Name) beantrage ich, die Erbauseinandersetzung nach dem am … (Datum) in … (Ort) – seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt –A3 verstorbenen … (Name des Erblassers) zu vermitteln. Eine schriftliche Verfahrensvollmacht liegt bei.A4 Der Antragsteller ist ErbeA5 des Erblassers. Weitere MiterbenA6 sind: – … (Name, Personalien)A7 – … (Name, Personalien) Dies ergibt sich aus dem Erbschein des Amtsgerichts … (Ort) – Nachlassgericht – vom … (Datum), Az. … (Aktenzeichen), der in AbschriftA8 beiliegt. Aus dem Erbschein ergeben sich die Erbanteile. Der Nachlass ist noch nicht vollständig auseinander gesetzt.A9 Testamentsvollstreckung ist nicht angeordnet. Ein anderes Verfahren über die Auseinandersetzung ist nicht anhängig. Ein Nachlassinsolvenzverfahren oder ein Nachlassverwaltungsverfahren sind ebenfalls nicht anhängig.A10 Die Teilungsmasse ergibt sich aus dem in Kopie beigefügten Nachlassverzeichnis, das sich bei den NachlassaktenA11 befindet. Die dort aufgelisteten Hausratsgegenstände und das Bargeld wurden bereits unter den Miterben verteilt bzw. zur Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten aufgebraucht.A12 Mit freundlichen kollegialen Grüßen (Unterschrift Rechtsanwältin) Anlagen
Anmerkungen Muster M 13.1 10a
A1 Sachverhalt: Die Beteiligten zu 1. bis 3. bilden eine Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Erblasser. Der Beteiligte zu 1. möchte ein Vermittlungsverfahren gemäß §§ 363 ff. FamFG durchführen lassen.
11
A2 Sachliche Zuständigkeit, Form: Der Notar ist sachlich zuständig (§ 363 Abs. 1 FamFG). Für den verfahrenseinleitenden Antrag gelten die Regelungen der §§ 23 ff. FamFG, d.h. der Antrag kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Notars gestellt werden.
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Sorge
M 13.1
Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 17 Kap. 13
A3 Örtliche Zuständigkeit: Die örtliche Zuständigkeit bestimmt der letzte gewöhnliche 12 Aufenthalt des Erblassers (§ 344 Abs. 4a Satz 1 FamFG). Zuständig ist jeder Notar, der seinen Amtssitz (§ 10 Abs. 1 BNotO) in demjenigen Amtsgerichtsbezirk (Internet-Suche: http:// www.justiz.de/OrtsGerichtsverzeichnis/index.php) hat, in dem der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers (vgl. Art. 21 Abs. 1 EUErbVO) war (zu Abgrenzungsproblemen des gewöhnlichen Aufenthalts aktuell Zimmer/Oppermann, Geschäftsunfähigkeit, „Demenztourismus“ und gewöhnlicher Aufenthalt nach der EuErbVO am Beispiel der Schweiz, ZEV 2016, 126). Bei mehreren örtlich zuständigen Notaren ist derjenige berufen, bei dem zuerst ein Antrag eingeht (§ 344 Abs. 4a Satz 3 FamFG). Die Beteiligten können sich jedoch auch auf einen an sich nicht zuständigen Notar einigen (§ 344 Abs. 4a Satz 4 FamFG). Hatte der Erblasser zuletzt keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Vorhandensein von Nachlassgegenständen (§ 344 Abs. 4a Satz 2 FamFG). A4 Vollmacht: §§ 10, 11 FamFG regeln die Bevollmächtigung im Verfahren der Freiwil- 13 ligen Gerichtsbarkeit. Für die spätere Ladung des Beteiligten ist darauf zu achten, ob die Vollmacht ausreichend ist, um die Ladung gegenüber dem Bevollmächtigten bekannt zu geben, z.B. durch Empfangsbekenntnis gemäß §§ 172, 174 ZPO i.V.m § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG. A5 Antragsberechtigung: Nur Miterben, Erbteilserwerber sowie Pfandgläubiger und Nieß- 14 brauchsberechtigte an einem Erbteil sind antragsberechtigt (§ 363 Abs. 2 Abs. 2 FamFG); nicht dagegen Nachlassgläubiger oder Berechtigte an einzelnen Nachlassgegenständen. Die verfahrensrechtliche Antragsberechtigung korrespondiert mit der materiellen Rechtslage. Jeder Erbe hat einen Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft: § 2042 Abs. 1 BGB. Erbteilserwerber (Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 5), Pfandgläubiger (entsprechend § 1258 Abs. 2 BGB) und Nießbraucher (am Erbteil: §§ 1068, 1066 Abs. 2 BGB) können ebenfalls die Auseinandersetzung verlangen. Ein Testamentsvollstrecker, der nur für den Erbteil eines Miterben zuständig ist, ist ebenfalls antragsberechtigt (so Bumiller/Harders in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, § 363 Rz. 3). A6 Erbengemeinschaft: Das Vermittlungsverfahren ist nur zulässig zur Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Die Vermittlung der Vermächtniserfüllung des Alleinerben mit mehreren Vermächtnisnehmern kann also nicht im Rahmen dieses Verfahrens erfolgen.
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A7 Bezeichnung der Verfahrensbeteiligten: Die Verfahrensbeteiligten sollen bezeichnet 16 werden. Dies sind die Mitglieder der Erbengemeinschaft, also die Miterben bzw. deren Rechtsnachfolger bzw. Insolvenzverwalter und diejenigen Personen, denen an Erbteilen Rechte zustehen. Personalien: Vorname, Zuname, Geburtsname, Familienstand, Wohnort, ggf. ges. Vertreter. Ist ein Grundstück Gegenstand der Auseinandersetzung sollten dem Notar auch die steuerlichen Identifikationsnummern der Erben gemäß § 139b AO mitgeteilt werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). A8 Vorausgehendes Erbscheinsverfahren, Anspruch auf Auseinandersetzung: Das Erb- 17 scheinsverfahren soll dem Vermittlungsverfahren vorausgehen (vgl. zur früheren Rechtslage: Art. 38 Abs. 3 BayAGGVG). Da die Nachlassauseinandersetzung durch den Notar nur im Weg einer gütlichen Einigung herbeigeführt werden kann, scheidet sie aus, wenn und solange das Erbrecht eines Beteiligten oder seine Antragsberechtigung bestritten ist, und solange die Erbteile nicht bestimmt sind (Bumiller/Harders in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, § 363 Rz. 4). Vom Notar können aber auch im Termin die Erklärungen zur Beantragung des Erbscheines beurkundet werden. Da der Notar die Nachlassakten beiziehen wird, ist der Nachweis des Erbscheins durch Vorlage der Ausfertigung nicht erforderlich. Durch den Verweis auf den Erbschein ist die Wiederholung der Erbquoten im Antrag entbehrlich. In irgendeiner Form sind die Angaben jedoch erforderlich. Sorge
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Kap. 13 Rz. 18
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.1
Der Auseinandersetzungsanspruch der Miterben ist ausgeschlossen, solange die Erbteile unbestimmt sind wegen des möglichen Hinzutretens eines nasciturus, also bis zu dessen Geburt bzw. Totgeburt (das Gesetz spricht von der „Hebung der Unbestimmtheit“, §§ 2043, 1923 BGB). Der Auseinandersetzungsanspruch ist ebenfalls ausgeschlossen (§ 2043 Abs. 2 BGB) bis zur Entscheidung über eine Ehelicherklärung eines potentiellen Erben, über den Antrag auf Annahme als Kind des Erblassers (sofern der Adoptionsantrag noch über den Tod des Erblassers als Annehmenden hinaus Bestand hat: § 1753 Abs. 2 BGB), über die Aufhebung des Annahmeverhältnisses (§ 1764 Abs. 2 BGB: Bei Antrag auf Aufhebung der Adoption durch den Erblassers) und über die Genehmigung einer vom Erblasser errichteten Stiftung (§§ 83, 84 BGB). 18
A9 Teilerbauseinandersetzung: Da die Erbengemeinschaft erst nach der vollständigen Erbauseinandersetzung aufgehoben ist, hindert eine vorausgegangene Teilerbauseinandersetzung die Durchführung des Vermittlungsverfahrens nicht.
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A10 Verfügungsbefugnis der Erbengemeinschaft: Das Vorhandensein eines zur Auseinandersetzung berechtigten Testamentsvollstreckers nennt § 363 Abs. 1 FamFG als ausdrückliches Hindernis für die Zulässigkeit des Antrags. Daraus ist zu folgern, dass die Erbengemeinschaft während des Vermittlungsverfahrens befugt sein muss, über den Nachlass zu verfügen. Dies ist nicht der Fall, wenn eine Nachlassverwaltung angeordnet ist oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist. Ist ein streitiges Verfahren zur Auseinandersetzung des Nachlasses anhängig, unterbleibt die Vermittlung ebenso (§ 370 FamFG).
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A11 Bezeichnung der Teilungsmasse: Die Teilungsmasse ist gemäß § 363 Abs. 3 FamFG zu bezeichnen. Die Teilungsmasse enthält im Unterschied zum Nachlass nur diejenigen Nachlassgegenstände, die noch unter den Miterben verteilt werden können (Ihrig, Vermittlung der Auseinandersetzung des Nachlasses durch den Notar, MittBayNot 2012, 353). Im Muster erfolgt dies durch Verweis auf ein bereits errichtetes und bei den Nachlassakten befindliches Nachlassinventar (§ 1993 ff. BGB). Die Beibringung eines Verzeichnisses der sämtlichen Nachlassbestandteile oder eines Inventars ist bei Antragstellung weder erforderlich, noch kann sie verlangt werden (zur alten Rechtslage des FGG: Winkler in Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, Rz. 2 zu § 87 FGG). Die Kompetenz des Notars zur Verfahrensleitung (§§ 492, 28 FamFG) ermöglicht ihm allerdings, den Antragsteller und die weiteren Beteiligten, die zur Mitwirkung verpflichtet sind (§ 27 FamFG), den Sachverhalt, insbesondere hinsichtlich der Teilungsmasse, zu ergänzen (Bumiller/Harders in Harders/Bumiller/Schwamb, FamFG, § 363 Rz. 9).
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A12 Kosten: Geschäftswert in Teilungssachen nach § 342 Abs. 2 Nr. 1 des GNotKG ist der Wert des den Gegenstand der Auseinandersetzung bildenden Nachlasses oder Gesamtguts oder des von der Auseinandersetzung betroffenen Teils davon (§ 118a GNotKG). Nach dem Kostenverzeichnis des GNotKG (KV) fallen folgende Notargebühren an: – KV 23900 Verfahrensgebühr 6,0. – KV 23901 Soweit das Verfahren vor Eintritt in die Verhandlung durch Zurücknahme oder auf andere Weise endet, ermäßigt sich die Gebühr KV 23900 auf 1,5. – KV 23902 Soweit der Notar das Verfahren vor Eintritt in die Verhandlung wegen Unzuständigkeit an einen anderen Notar verweist, ermäßigt sich die Gebühr KV 23900 auf 1,5 (höchstens 100 Euro). – KV 23903 Das Verfahren wird nach Eintritt in die Verhandlung 1. ohne Bestätigung der Auseinandersetzung abgeschlossen oder
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Sorge
M 13.2
Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 23 Kap. 13
2. wegen einer Vereinbarung der Beteiligten über die Zuständigkeit an einen anderen Notar verwiesen: Die Gebühr KV 23900 ermäßigt sich auf 3,0. Gesonderte Gebühren können gemäß der Vorbemerkungen zu 2.3.9 des KV anfallen, wenn weitere Tätigkeiten des Notars beantragt werden, für 1. die Aufnahme von Vermögensverzeichnissen und Schätzungen, 2. Versteigerungen und 3. das Beurkundungsverfahren, jedoch nur, wenn Gegenstand ein Vertrag ist, der mit einem Dritten zum Zweck der Auseinandersetzung geschlossen wird.
B. Ladungsschreiben I. Einführung Nachdem der Notar seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit des Antrages auf Durchfüh- 22 rung des Verfahrens der Auseinandersetzung geprüft hat, sind die Beteiligten zu einem Verhandlungstermin zu laden (§ 365 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die Ladung durch öffentliche Zustellung ist unzulässig.
II. Muster M 13.2 Ladungsschreiben bei ErbauseinandersetzungA1
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Notar … (Name) … (Anschrift der Geschäftsstelle) … (Datum) Einschreiben gegen RückscheinA2 Herrn/Frau … (Beteiligter) Vermittlung der Erbauseinandersetzung nach … (Erblasser) hier: Ladung zum Termin am … (DatumA3), … (Uhrzeit) Sehr geehrte/r Frau/Herr … (Beteiligter), Herr … (Antragsteller) – vertreten durch Frau Rechtsanwältin … (Name) – hat bei mir am … (Datum) den Antrag gestellt, die Auseinandersetzung des Nachlasses zwischen den Erben des am … (Datum) in … (Ort) verstorbenen … (Erblasser) zu vermitteln. Der Antrag liegt in beglaubigter Abschrift bei.A4 Als Notar bin ich zuständig für die Durchführung des Verfahrens gemäß §§ 363 ff. des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Meine örtliche Zuständigkeit folgt daraus, dass ich meinen Amtssitz im Bezirk des Amtsgerichts habe, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Als Notar bin ich ebenso wie ein staatliches Gericht unparteilich und nicht etwa Interessenvertreter des Antragstellers. Sie sind nach Angaben des Antragstellers Miterbe und daher Verfahrensbeteiligter.A5 Ich bitte Sie zum o.g. Termin in meiner Geschäftsstelle persönlich zu erscheinen. Sie können sich auch
Sorge
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Kap. 13 Rz. 23a
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.2
durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen oder mit einem Verfahrensbevollmächtigten gemeinsam erscheinen. Über die Nachlassauseinandersetzung wird nach den gesetzlichen Vorschriften im Termin auch dann verhandelt, wenn Sie oder ein anderer Beteiligter nicht erscheinen und sich auch nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (Ausbleiben). In diesem Falle kann die Ladung zu einem neuen Termin unterbleiben, wenn der Termin vertagt oder ein neuer Termin zur Fortsetzung anberaumt werden sollte.A6 Die hier vorhandenen Unterlagen für die Auseinandersetzung können Sie schon vor dem Termin auf meiner Geschäftsstelle einsehen.A7 Bisher liegen hier folgende Unterlagen vor: Ablichtung des Erbscheins, Ablichtung des Nachlassinventars. Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift Notar) Anlage: Beglaubigte Abschrift des AntragsA8
Anmerkungen zu Muster M 13.2 23a
A1 Sachverhalt: Die Beteiligten zu 1. bis 3. bilden eine Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Erblasser. Der Beteiligte zu 1. möchte ein Vermittlungsverfahren gemäß §§ 363 ff. FamFG durchführen lassen. Nach Prüfung des Antrags ist der Notar zum Ergebnis gekommen, sachlich und örtlich zuständig für die Durchführung des Verfahrens aufgrund des zulässigen Antrags zu sein. Ein Muster für einen Abweisungsbeschluss des Notars wegen der Unzulässigkeit des Verfahrensantrags findet sich bei Ihrig, MittBayNot 2012, 353 (359).
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A2 Ladung: Die Ladung zum Termin (§ 365 FamFG) ist gemäß § 15 Abs. 1 FamFG bekannt zu geben und erfolgt gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG nach den Vorschriften der ZPO (§§ 165 bis 195 ZPO). Die öffentliche Zustellung ist jedoch nicht möglich (§ 365 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die Ladung kann auch gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 durch Aufgabe zur Post erfolgen. Im letzteren Fall gilt die Ladung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 FamFG drei Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, es sei denn, der Beteiligte macht glaubhaft, dass ihm die Ladung erst später zugegangen sei. Anstelle einer öffentlichen Zustellung muss eine Abwesenheitspflegschaft nach § 1911 BGB eingeleitet werden (Bumiller/Harders in Harders/Bumiller/ Schwamb, FamFG, § 365 Rz. 2). Die Ladung hat auch gegenüber dem Antragsteller zu erfolgen. Hier erfolgt sie – aufgrund ausreichender Verfahrensbevollmächtigung gemäß § 15 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 174 ZPO gegen Empfangsbekenntnis der bevollmächtigten Rechtsanwältin. Die Zustellung kann seit dem 1.7.2002 auch durch Einschreiben gegen Rückschein bewirkt werden, nicht jedoch durch Einwurf-Einschreiben! Nachteil der Zustellung durch Einschreiben gegen Rückschein ist, dass eine auf der Post niedergelegte Einschreibesendung erst mit deren Abholung zugestellt ist. Daher sollte die Ladungsfrist großzügig bemessen sein.
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A3 Terminbestimmung: Die Frist zwischen der Ladung und dem Termin muss angemessen sein (§ 32 Abs. 2 FamFG). Eine Mindestfrist, wie im früheren FGG, ist nicht mehr vorgesehen.
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A4 Verfahrensantrag: Der Antrag selbst ist den Beteiligten, die nicht Antragsteller sind, zu übermitteln (§ 23 Abs. 2 FamFG).
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A5 Vollständigkeit: Sämtliche Verfahrensbeteiligte sind zu laden. Die Möglichkeit, im Verfahren selbst nach § 364 FamFG (früher § 88 FGG) für abwesende Beteiligte einen Abwesenheitspfleger zu bestellen, ist entfallen. Falls erforderlich, kann das Betreuungsgericht eine Abwesenheitspflegschaft nach § 1911 BGB anordnen, nicht aber der Notar (so Holzer, 220
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Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 31b Kap. 13
Das Verfahren zur Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem FamFG, ZEV 2013, 656, unter Hinweis auf die Begründung zu Art. 8 Nr. 4 des Entwurfs eines Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare, BT-Drs. 17/1469, 21). A6 Hinweis auf Folgen einer Säumnis: Gemäß § 365 Abs. 2 Satz 1 FamFG ist auf die Folgen der Säumnis hinzuweisen.
28
A7 Hinweis auf Einsichtsmöglichkeit: Gemäß § 365 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist auf die 29 Möglichkeit der Einsicht hinzuweisen. A8 Kosten: S. M 13.1 Anm. A12 (Rz. 21).
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C. Vereinbarung über vorbereitende Maßnahmen I. Einführung Das Gesetz geht von einer Zweiteilung des Vermittlungsverfahrens aus. In einer Vorstufe 31 können die Beteiligten Vereinbarungen zur Durchführung der Auseinandersetzung vereinbaren bzw. verhandeln. Erst in einem zweiten Schritt wird dann vom Notar ein Auseinandersetzungsplan ausgearbeitet und u.U. mit den Beteiligten nachverhandelt. Selbstverständlich kann das Verfahren insoweit zusammengelegt und in einem Termin erledigt werden.1 Außergerichtliche Vereinbarungen2 i.S.d. § 366 FamFG können z.B. sein: – Vereinbarungen der Miterben über gegenständlich oder zeitlich begrenzten Ausschluss der Auseinandersetzung, – Durchführung des Aufgebotsverfahrens zur Ermittlung der Nachlassgläubiger, – Auftrag zu Vergleichsverhandlungen mit Nachlassgläubigern, – Durchsetzung von Nachlassforderungen, – Bewertung einzelner Nachlassgegenstände, – Feststellung von Ansprüchen gegen den Nachlass (z.B. der rechnerische Zugewinn des Ehegatten, Ausgleichsansprüche, Anrechnungen), – Vereinbarungen über ein Losverfahren (§ 369 FamFG), – Vereinbarung über die Kosten des Verfahrens. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Erbrechts liefern eine Fülle von Beispielen für solche 31a außergerichtlichen Vereinbarungen. Um eine sichere Grundlage zur Ermittlung der Nachlassverbindlichkeiten vor der Erbauseinandersetzung schaffen zu können, gewährt § 2045 BGB jedem Miterben das Recht, den Aufschub der Auseinandersetzung bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens (§ 1970 BGB) oder des Privataufgebots (§ 2061 BGB) zu verlangen. Schließlich können die Miterben selbst den Ausschluss der Auseinandersetzung vereinbaren oder dieselbe von der Einhaltung einer Kündigungsfrist abhängig machen.3 Erscheint nur ein einziger Beteiligter zum Verhandlungstermin, können auch dessen Vor- 31b schläge zum Gegenstand der Beurkundung einer vorbereitenden Maßnahme gemacht werden (§ 366 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Auch wenn zwischen den Beteiligten Streit besteht und das Verfahren deshalb ausgesetzt wird, können zu einzelnen unstreitigen Punkten Vereinbarungen über vorbereitende Maßnahmen beurkundet werden (§ 370 Satz 2 FamFG), die 1 Bracker, Die amtliche Vermittlung der Nachlassauseinandersetzung, MittBayNot 1984, 114 ff. 2 Das FGG sprach noch von „vorbereitenden Maßregeln“ (§ 91). 3 §§ 2042 Abs. 2, 749 Abs. 2, 3 BGB.
Sorge
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Kap. 13 Rz. 32
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.3
nach ihrer Bestätigung durch den Notar für die Beteiligten verbindlich werden (§ 371 Abs. 1 FamFG).
II. Muster 32
M 13.3 Vorbereitung der NachlassauseinandersetzungA1 Urkunden-Rolle Nr. … (URNr.) vom … (Datum) Vorbereitung der Nachlassauseinandersetzung Vor mir … (Vorname, Zuname) Notar in … (Amtssitz), erschienen heute, … (Datum), in meinen Amtsräumen … (Anschrift) 1. Herr … (Personalien) – Antragsteller – 2. Frau … (Personalien)A2 Der Erschienene zu 1. handelt heute nicht nur im eigenen Namen, sondern auch als Vertreter ohne Vertretungsmacht des nicht erschienenen Miterben: 3. Herrn … (Personalien) Die Erschienenen beauftragen den Notar, dem heute nicht erschienenen Beteiligten zu 3. die Beurkundung bekannt zu machen.A3 Die Erschienenen erklären zur Vorbereitung der Auseinandersetzung der zwischen ihnen bestehenden Erbengemeinschaft Folgendes: I. Vorbemerkungen Die Beteiligten zu 1. bis 3. bilden eine Erbengemeinschaft nach dem am … (Datum) in … (Ort) verstorbenen … (Erblasser). Der ErbscheinA4 des Amtsgerichts … (Ort) – Nachlassgericht – vom … (Datum), Gz. … (Geschäftszeichen) liegt in Ausfertigung vor und ist dieser Urkunde in beglaubigter Abschrift beigefügt. Der Beteiligte zu 1. hat mit Antrag vom … (Datum) beim beurkundenden NotarA5 den Antrag auf Vermittlung der Nachlassauseinandersetzung gemäß §§ 363 ff. FamFG gestellt. Die Ladung zur Verhandlung über die Nachlassvermittlung durch den Notar erfolgte mit Einschreiben gegen Rückschein vom … (Datum). Die Erschienenen bestätigen den Empfang und erheben keine Einwendungen gegen die heutige Terminierung.A6 Ausweislich des beim Notar eingegangenen Rückscheins ist dem heute nicht erschienenen Beteiligten zu 3 die Ladung ebenfalls mit angemessener Frist zugestellt worden. Der Antragsteller hat die Teilungsmasse im Antrag bezeichnet, der Antrag ist dieser Urkunde in Abschrift beigefügt, auf ihn wird verwiesen. Die Erschienenen bestätigen, dass die Teilungsmasse vom Antragsteller richtig bezeichnet worden ist. Der beurkundende NotarA7 hatte dem Antragsteller aufgegeben, den Wert des zum Nachlass gehörigen Wertpapierdepots … (Nr.) bei der … (Bank) durch Vorlage je eines Depotauszuges der Bank zum Todestag des Erblassers und zum gestrigen Tag zu ermitteln. Die Erschienenen stellen fest, dass der Depotwert am Todestag 326 560,17 Euro und zum gestrigen Tag nur noch 275 923,00 Euro betragen hat. Ebenfalls vorgelegt hat der Antragsteller ein Wertgutachten des 222
Sorge
M 13.3
Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 33 Kap. 13
Gutachterausschusses für das zum Nachlass gehörige Grundstück der Gemarkung Vorstadt, Flurstraße 14, Wohnhaus, Garten zu 765 m2, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Ort, Blatt 14678, das mit einem Mietshaus mit acht Wohnungen bebaut ist. Der Gutachterausschuss hat einen Wert von 595 000 Euro zum Todestag angesetzt. II. Vereinbarungen zur Vorbereitung der Auseinandersetzung 1. Wertpapierdepot Die Beteiligten beauftragen und bevollmächtigen die Erschienene zu 2, Frau … (Name), sämtliche Wertpapiere des vorbezeichneten Depots unverzüglich zu veräußern und den Gegenwert dem ebenfalls bei der … (Bank) geführten Konto der Erbengemeinschaft gutschreiben zu lassen. Die Barmittel sollen bis auf weiteres als monatliches Festgeld angelegt und jeweils zu den marktüblichen Zinsen prolongiert werden. Auch hierzu wird die Erschienene zu 2. von den Miterben beauftragt und bevollmächtigt. 2. Vorbereitung der Aufteilung der Immobilie in Wohnungseigentum Die Beteiligte zu 2. schlägt vor, die in Abschnitt I beschriebene Immobilie zur Vorbereitung einer Auseinandersetzung in Wohnungs– und Teileigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufzuteilen und ab sofort die Fa. … (Hausverwaltung) mit der Vermietung und Verwaltung der Immobilie zu betrauen. Der Beteiligte zu 1. stimmt diesem Vorschlag – auch im Namen des Beteiligten zu 3. als Vertreter ohne Vertretungsmacht – zu. Über die Zuweisung des zu bildenden Wohnungseigentums, den Inhalt der Gemeinschaftsordnung und etwaiger Veräußerungsbeschränkungen oder die Einräumung (gegenseitiger) Vorkaufsrechte soll heute keine Vereinbarung getroffen werden. Die Beteiligte zu 2. wird beauftragt und bevollmächtigt, alle zur Aufteilung in Wohnungseigentum erforderlichen Unterlagen, insbesondere Aufteilungspläne und die Bescheinigung der Baubehörde nach § 7 Abs. 4 WEG, auf Kosten der Erbengemeinschaft beizubringen. III. Sonstiges Von dieser Urkunde erhalten – beglaubigte Abschriften die Beteiligten zu 1. und 3. – Ausfertigung die Beteiligte zu 2. Die Kosten des Verfahrens zur Vermittlung der Auseinandersetzung des Nachlasses trägt die Erbengemeinschaft. Die Kosten seiner anwaltlichen Vertretung trägt jeder Beteiligte selbst.A8 … Vorgelesen vom Notar (Unterschriften)
Anmerkungen zu Muster M 13.3 A1 Sachverhalt: Der noch nicht auseinandergesetzte Nachlass besteht aus einem Wertpapierdepot und einem Mehrfamilienwohnhaus. Das Depot droht an Wert zu verlieren. Das Wohnhaus soll aufgeteilt werden.
32a
A2 Geldwäschegesetz: Die Beteiligte zu 2. wird nachfolgend zum Handeln gegenüber ei- 33 nem Kreditinstitut beauftragt und bevollmächtigt. Es kann sich empfehlen, die Beteiligten deshalb nach den Anforderungen des Geldwäschegesetzes zu identifizieren, insbesondere wenn die Bevollmächtigte für Rechnung der Erbengemeinschaft – wie im vorliegenden Fall – u.U. auch Konten und Depots eröffnen muss. Sorge
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Kap. 13 Rz. 34
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.4
34
A3 Nicht erschienener Beteiligter: Die Benachrichtigung im Säumnisverfahren wird im nachfolgenden Muster vorgestellt.
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A4 Vorliegen eines Erbscheins: Der Notar ist nicht zuständig für die Feststellung der Erben und deren Erbquoten.
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A5 Antragstellung beim Notar: Wegen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit siehe M 13.1 Anm. A2 (Rz. 11) und Anm. A3 (Rz. 12).
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A6 Dokumentation des Verfahrens: Einzig Verfahrensfehler eröffnen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Notars über die Bestätigung der Vereinbarung gemäß § 372 Abs. 2 FamFG. Die Dokumentation des ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs kann sich also empfehlen.
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A7 Aufgaben zur Verhandlungsvorbereitung: Nach seinem Ermessen kann der Notar dem Antragsteller aufgeben, Unterlagen beizubringen, die zur Sachverhaltsaufklärung beitragen, den Antrag zu ergänzen, weitere Angaben zu den Beteiligten zu machen, insbesondere in Ansehung von deren Ansprüchen (§ 28 FamFG). Die Unterlagen sollen dazu beitragen, dass bereits im ersten Termin ein Teilungsplan aufgestellt werden kann.
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A8 Kosten des Verfahrens: S. M 13.1 Anm. A12 (Rz. 21).
D. Bekanntgabe der vorbereitenden Vereinbarung an nicht erschienene Beteiligte („Säumnisverfahren“) I. Einführung 40
Die Bekanntgabe der Beurkundung einer vorbereitenden Vereinbarung an nicht erschienene Beteiligte regelt § 366 Abs. 3 FamFG. Die Bekanntgabe ist nicht erforderlich, wenn ein zum Verhandlungstermin nicht erschienener Beteiligter der Vereinbarung zur Niederschrift des Notars1 oder einer öffentlich beglaubigten Urkunde zustimmt: § 366 Abs. 2 Satz 2 FamFG.
II. Muster 41
M 13.4 Bekanntgabe der Beurkundung vorbereitender VereinbarungenA1 Notar … (Name) … (Anschrift) … (Datum) Bekanntgabe durch öffentliche Herrn/Frau … (Beteiligter)
ZustellungA2
Vermittlung der Erbauseinandersetzung nach … (Erblasser) hier: Bekanntgabe der Beurkundung vorbereitender Maßnahmen, URNr. … (Urkundenrollennummer)
1 Das Gesetz spricht noch von der „gerichtlichen“ Niederschrift. Das dürfte ein Redaktionsversehen sein. Über § 492 Abs. 1 FamFG ist aber dennoch der Notar zuständig.
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Sorge
M 13.4
Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 42 Kap. 13
Sehr geehrte/r Frau/Herr … (Beteiligter), zu dem von mir mit Ladung vom … (Datum) für … (Datum) um … (Uhrzeit) anberaumten Termin sind Sie nicht erschienen. Die zu diesem Termin erschienenen Beteiligten … (Name) und … (Name) haben in dem Termin Vereinbarungen zur Vorbereitung der Nachlassauseinandersetzung getroffen, die ich beurkundet habe. Die beurkundeten vorbereitenden Vereinbarungen zu meiner Urkunde URNr. … (Urkundenrollennummer) gebe ich Ihnen hiermit bekannt. Da Sie einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abschrift haben, lege ich diesem Schreiben eine beglaubigte Abschrift der Urkunde bei.A3 Die Urschrift können Sie auf meiner Geschäftsstelle einsehen.A4 Sie können die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins bei mir beantragen. Hierzu ergeht hiermit Beschluss gemäß § 366 Abs. 3 Satz 2 FamFG, dass der Antrag auf Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins innerhalb von 14 Tagen nach der Bekanntgabe dieses Beschlusses schriftlich oder zur Niederschrift meiner Geschäftsstelle zu stellen ist. Wenn Sie es unterlassen, innerhalb der gesetzten Frist, die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins zu beantragen, wird gemäß § 366 Abs. 3 Satz 2 FamFG Ihr Einverständnis mit den in der Urkunde enthaltenen vorbereitenden Vereinbarungen angenommen. Das gilt auch, wenn Sie einen neuen Termin rechtzeitig beantragen, zu diesem jedoch erneut nicht erscheinen. In diesen Fällen habe ich die in der Urkunde getroffenen Vereinbarungen zu bestätigen (§ 366 Abs. 4 FamFG). Wenn Sie innerhalb der Frist die Anberaumung eines Termins beantragen und zu diesem Termin erscheinen, wird die Verhandlung fortgesetzt, ohne dass die beurkundeten Vereinbarungen rechtswirksam werden (§ 366 Abs. 4 FamFG). Ich weise vorsorglich und ausdrücklich darauf hin, dass Ihre bloße Mitteilung, mit der Vereinbarung nicht einverstanden zu sein, die beschriebenen Versäumnisfolgen nicht abwenden kann.A5 Rechtsmittelbelehrung: Der Beschluss über die Fristsetzung für die Antragstellung zur Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins ist gemäß § 372 Abs. 1 FamFG durch das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landgericht … (Bezeichnung des Gerichts und Anschrift). Die sofortige Beschwerde ist durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle entweder bei mir oder beim Beschwerdegericht selbst einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde; sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die sofortige Beschwerde ist in deutscher Sprache abzufassen. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen. Die Notfrist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses. Fällt das Fristende auf einen Sonntag, allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.A5 Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift Notar) Anlage: Beglaubigte Abschrift der Urkunde über die vorbereitenden VereinbarungenA3
Anmerkungen zu Muster M 13.4 A1 Sachverhalt: Die dreigliedrige Erbengemeinschaft hat eine Vereinbarung über vor- 42 bereitende Maßnahmen beim Notar beurkundet. Der Beteiligte zu 3. war jedoch zu diesem Sorge
225
Kap. 13 Rz. 43
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.4
Termin nicht erschienen. Nun muss der Notar nach § 366 Abs. 3 Satz 1 FamFG die Vereinbarung dem Beteiligten zu 3. bekannt geben. 43
A2 Form der Bekanntgabe: Im Säumnisverfahren ist die öffentliche Zustellung möglich, da in § 366 Abs. 2 FamFG ein dem § 365 Abs. 1 Satz 2 FamFG entsprechendes Verbot fehlt (Bumiller/Harders in Schwamb/Bumiller/Harders, FamFG, § 366 Rz. 12). Die Ausführung der vom Notar bewilligten öffentlichen Zustellung erfolgt auf dessen Ersuchen durch das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Amtssitz des Notars befindet (§ 492 Abs. 1 Satz 3 FamFG).
44
A3 Recht auf Abschrift: Die Übersendung einer Urkundsabschrift wird vom Gesetz nicht verlangt, erscheint jedoch sinnvoll. Wird hierauf verzichtet, muss jedenfalls darauf hingewiesen werden, dass der Beteiligte eine Abschrift der Urkunde fordern kann (§ 366 Abs. 3 Satz 1 FamFG).
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A4 Recht auf Einsicht: § 366 Abs. 3 Satz 1 FamFG.
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A5 Belehrungshinweise und Rechtsmittelbelehrung: Der Belehrungshinweis auf die Folgen einer Säumnis ist gesetzlich vorgeschrieben (§ 366 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Nicht zwingend erforderlich ist der erläuternde Hinweis, dass eine bloße Mitteilung des Ausgebliebenen, dass er mit der Vereinbarung nicht einverstanden sei, die Versäumnisfolgen nicht abwendet, Bumiller/Harders in Schwamb/Bumiller/Harders, FamFG, § 366 Rz. 13. Die Fristsetzung gemäß § 366 Abs. 3 FamFG ergeht als Beschluss (§ 372 Abs. 1 FamFG.). Jeder Beschluss ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen (§ 39 FamFG). Zum gleichen Ergebnis führt § 232 ZPO für die sofortige Beschwerde aufgrund der Verweisung in § 372 Abs. 1 FamFG auf die ZPO-Vorschriften (a.A. Ihrig, MittBayNot 2012, 353 [364], eine Rechtsbehelfsbelehrung sei nicht erforderlich, da es sich um keine Endentscheidung handle).
E. Bestätigung der vorbereitenden Vereinbarungen I. Einführung 47
Sind alle Beteiligten zum Termin der Beurkundung vorbereitender Vereinbarungen erschienen oder haben die nicht erschienenen Beteiligten ihre Zustimmung zur Niederschrift des Notars oder in öffentlich beglaubigter Urkunde erteilt, bestätigt der Notar die Vereinbarung. Wenn für einen oder mehrere Beteiligte zur vorbereitenden Vereinbarung materiell-rechtlich eine Genehmigung erforderlich ist (z.B. bei Minderjährigen oder Betreuten), muss diese vor der Bestätigung vorliegen. Entsprechendes gilt für andere zivilrechtliche (z.B. § 12 WEG) oder öffentlich-rechtliche Genehmigungen (z.B. § 144 BauGB), die für die Wirksamkeit eines in der vorbereitenden Vereinbarung enthaltenen Rechtsgeschäfts erforderlich sind. Nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses werden die beurkundeten vorbereitenden Vereinbarungen verbindlich (§ 371 Abs. 1 FamFG). Aus der Urkunde findet auch die Zwangsvollstreckung statt (§ 371 Abs. 2 FamFG).
48
Eine Besonderheit des Vermittlungsverfahrens nach §§ 363 ff. FamFG sind die Wirkungen der Säumnis. Bleibt ein Miterbe passiv, also nimmt er weder am Vermittlungsverfahren persönlich oder durch einen Bevollmächtigten teil, und reagiert er auch nicht auf die Bekanntgabe der vorbereitenden Vereinbarungen, bestätigt der Notar nach Ablauf einer angemessenen Frist an seiner Stelle die Vereinbarung (§ 366 Abs. 4 FamFG). Das gilt auch, wenn der säumige Beteiligte zunächst einen neuen Termin beantragt hatte, aber zu diesem trotz Ladung ebenfalls nicht erschienen war. 226
Sorge
M 13.5
Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 51a Kap. 13
Wenn ein im Termin anwesender Beteiligter der vorgeschlagenen Vereinbarung vorberei- 49 tender Maßnahmen nicht zustimmt, so ist das Verfahren nach § 370 FamFG bis zur Erledigung der Streitpunkte auszusetzen. Die Bestätigung der Vereinbarung kommt außerdem nicht in Betracht, wenn ein nicht erschienener Beteiligter wegen der Versäumnis, einen neuen Termin zu beantragen oder in dem neuen Termin zu erscheinen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen kann (§ 367 FamFG).
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II. Muster M 13.5 Bestätigung vorbereitender Vereinbarungen
51
Bestätigung vorbereitender Vereinbarungen im Verfahren nach §§ 363 ff. FamFGA1 Zu meiner Urkunde URNr. … (Urkundenrollennummer) vom … (Datum) haben die Beteiligten … (Name) und … (Name) vorbereitende Vereinbarungen zur Auseinandersetzung des Nachlasses nach … (Erblasser) getroffen. Den Vereinbarungen haben alle Verfahrensbeteiligten zugestimmt. Der Beteiligte … (Name) war zum Termin nicht erschienen, hat jedoch zu meiner Urkunde URNr. … (Urkundenrollennummer) vom … (Datum) den Vereinbarungen zugestimmt.A2 (Alternativ: Der Beteiligte … (Name) war zum Termin nicht erschienen. Mit Schreiben vom … (Datum), zugestellt am … (Datum) habe ich ihn gemäß § 366 Abs. 3 FamFG von den Vereinbarungen unterrichtet. Innerhalb der gesetzten Frist hat der Beteiligte … (Name) nicht die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins beantragt [Alternativ: hatte der Beteiligte … (Name) zwar die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins beantragt, war zum angesetzten Termin, zu dem er ordnungsgemäß geladen war, jedoch wiederum nicht erschienen.]). Es ergeht folgender Beschluss:A3 Die Vereinbarungen werden gemäß § 366 Abs. 4 FamFG bestätigt. Diese Bestätigung wird mit der Urschrift der Vereinbarung verbunden und den Beteiligten in Ausfertigung zugestellt. Rechtsmittelbelehrung: Gegen den Beschluss über die Bestätigung der vorbereitenden Vereinbarungen ist gemäß §§ 58 ff., 372 Abs. 2 FamFG die Beschwerde zulässig. Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht … (Bezeichnung des Gerichts). Die Beschwerde ist durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei mir oder zur Niederschrift meiner Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde; sie muss vom Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Die Beschwerde ist in deutscher Sprache abzufassen. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses. Fällt das Fristende auf einen Sonntag, allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.A4 … (Ort), … (Datum) (Unterschrift Notar) (Siegel)
Anmerkungen zu Muster M 13.5 A1 Sachverhalt: Ein Beteiligter hat an der Vereinbarung der vorbereitenden Maßnahmen 51a nicht mitgewirkt. Das Muster berücksichtigt alternativ auch die Varianten, dass alle BeteiSorge
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Kap. 13 Rz. 52
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.6
ligten im Termin zur Beurkundung der Vereinbarung erschienen waren und zugestimmt haben, dass einer erst nachträglich zugestimmt hat, und dass ein nicht erschienener Beteiligter passiv geblieben ist. 52
A2 Nachträgliche Zustimmung: Nicht erschienene Beteiligte können auch nachträglich ihre Zustimmung zu den beurkundeten Vereinbarungen zu öffentlich beglaubigter Urkunde des Notars erklären (§ 366 Abs. 2 Satz 2 FamFG).
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A3 Bestätigungsbeschluss: Die Bestätigung erfolgt durch Beschluss, § 366 Abs. 4 HS 2 FamFG. Die Bestätigung ist gemäß § 41 FamFG sämtlichen Beteiligten bekannt zu geben. Gegen den Beschluss findet die Beschwerde statt (§ 58 FamFG). Die Beschwerde kann nur darauf gegründet werden, dass die Vorschriften über das Verfahren nicht beachtet worden seien (§ 372 Abs. 2 FamFG).
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A4 Rechtsmittelbelehrung: Gegen den Bestätigungsbeschluss (§ 372 Abs. 2 FamFG) findet die Beschwerde statt (§§ 58 ff., 492 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Gegen die Verweigerung der Bestätigung findet ebenfalls die Beschwerde statt (§§ 58 ff. FamFG), Bumiller/Harders/ Schwamb, FamFG, 11. Aufl. 2015, § 366 Rz. 15. Der Beschluss ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen (§ 39 FamFG). Über das Rechtsmittel der Sprungrechtsbeschwerde muss nicht belehrt werden (§ 39 Satz 2 FamFG). Die Beschwerde gegen den Bestätigungsbeschluss kann nur darauf gegründet werden, dass die Vorschriften über das Verfahren nicht beachtet wurden (§ 372 Abs. 2 FamFG).
F. Beurkundung des Auseinandersetzungsplans I. Einführung 55
Bei der Anfertigung des Auseinandersetzungsplans wirkt der Notar nach der Vorstellung des Gesetzgebers aktiv mit. Ein Vorschlag eines neutralen Dritten hat größere Chancen auf Akzeptanz. Er birgt aber zugleich die Gefahr des Verlusts der Neutralität aus der Sicht der Beteiligten. Eine sehr sorgfältige Sachverhaltsermittlung ist erforderlich, um aus Sicht von möglichst allen Beteiligten einen gerechten Aufteilungsplan vorschlagen zu können. Im nachfolgenden Beispiel hat der Notar darauf verzichtet, einen eigenen Aufteilungsplan vorzuschlagen, weil nur der Antragsteller erschienen ist. Die nicht erschienenen Beteiligten würden einem Vorschlag, der für sie unter nicht transparenten Umständen zustande gekommen ist, kaum zustimmen. Der Notar würde Gefahr laufen, seine Vermittlerrolle zu verlieren.
II. Muster 56
M 13.6 Plan zur Nachlassauseinandersetzung mit Zustimmung der BeteiligtenA1 Urkundenrolle Nr. … (URNr.) vom … (Datum) Plan zur Nachlassauseinandersetzung mit Zustimmung der BeteiligtenA2 Vor mir … (Vorname, Zuname) Notar in … (Amtssitz), 228
Sorge
M 13.6
Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 56 Kap. 13
erschien heute, … (Datum), in meinen Amtsräumen … (Anschrift) Herr … (Personalien) – Antragsteller – I. Sachstand Ich, … Notar, stelle fest, dass die Beteiligten … (Name) (Beteiligte zu 2.) und … (Name) (Beteiligter zu 3.) zum heutigen Verhandlungstermin mit Schreiben vom … (Datum), jeweils zugegangen am … (Datum), geladen wurden, jedoch nicht erschienen sind. Zu meiner Urkunde URNr. … (Urkundenrollennummer) vom … (Datum) (Vorurkunde) wurden vorbereitende Vereinbarungen zur Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem am … (Datum) in … (Ort) verstorbenen … (Erblasser) vereinbart. Die Beteiligte zu 2. hatte dieser Vereinbarung zugestimmt. Der Beteiligte zu 3. war säumig. Mit Beschluss vom … (Datum) habe ich die Vereinbarungen gemäß § 366 Abs. 4 FamFG bestätigt. Die Vereinbarungen wurden zwischenzeitlich vollzogen. II. AuseinandersetzungsplanA2 Der Erschienene hat dem Notar den nachfolgenden Plan zur Auseinandersetzung des Nachlasses inhaltlich vorgeschlagen, der Notar hat auf dieser Grundlage den Auseinandersetzungsplan angefertigt und wie folgt beurkundet: Die Teilungsmasse besteht nur noch aus den in der Vorurkunde bezeichneten Gegenständen. Diese werden zum Zweck der vollständigen Auseinandersetzung wie folgt verteilt:A3 1. Wertpapierdepot … 2. Immobilie a) Aufteilung in Wohnungseigentum … Auf die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung in der Anlage, die mitverlesen wurde, wird verwiesen. … b) Zuordnung einzelner Sondereigentumseinheiten zum Alleineigentum … III. Einverständnis mit dem Plan Der Antragsteller ist mit dem vorgängigen Auseinandersetzungsplan einverstanden.A4 IV. Vollzug des Plans Nachfolgend handelt der Antragsteller im eigenen Namen und zugleich im Namen der Beteiligten zu 2. und 3. als Vertreter ohne Vertretungsmacht vorbehaltlich deren Zustimmung gemäß § 368 Abs. 1 Satz 3 FamFG bzw. der Bestätigung des Auseinandersetzungsplans durch den Notar gemäß §§ 368 Abs. 2, 366 Abs. 3, 4 FamFG.A4 1. Auflassung mit Grundbucherklärungen … 2. Übertragung des Wertpapierdepots mit Vollzugsvollmacht … Sorge
229
Kap. 13 Rz. 56a
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.6
V. Sonstiges … Der Notar hat darauf hingewiesen, dass der Auseinandersetzungsplan durch Bestätigung des Notars wirksam wird. Die Bestätigung erteilt der Notar durch Beschluss, wenn entweder die heute nicht erschienenen Beteiligten dem Plan in öffentlich beglaubigter Urkunde zustimmen oder ihre Zustimmung aufgrund Säumnis entbehrlich wird … Für die Kosten des Verfahrens gilt die vorbereitende Vereinbarung. Für die Kosten des (Grundbuch-) Vollzugs gilt die Regelungen des Auseinandersetzungsplanes in Ziffer II.A5 Vorgelesen vom Notar (Unterschriften)
Anmerkungen zu Muster M 13.6 56a
A1 Sachverhalt: Der Sachverhalt weist die Besonderheit auf, dass aus der dreigliedrigen Erbengemeinschaft nur ein Miterbe, der Antragsteller, zum Termin erschienen ist, in dem der Auseinandersetzungsplan angefertigt werden soll.
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A2 Anfertigung des Auseinandersetzungsplans: Im Zusammenhang mit der Antragstellung und der Ladung sollte der Sachverhalt bereits möglichst umfassend erforscht, Streitpunkte herausgefiltert, „Koalitionen“ und „Frontlinien“ erkannt werden. Bei großen Erbengemeinschaften kann zur Förderung eines effizienten Verhandlungsklimas die Bestellung von Verhandlungsbevollmächtigten angeregt werden. Der Auseinandersetzungsplan kann auch beim Scheitern der Vermittlung als Grundlage für einen späteren Teilungsplan im streitigen Zivilprozess der Erbauseinandersetzung dienen und ist deshalb auch nicht nutzlos, wenn die Zustimmung bzw. Säumnis der Beteiligten zu 2) und 3) unwahrscheinlich ist (Muster für eine Klageerhebung im streitigen Verfahren bei Klinger in Beck’sches Prozessformularbuch, 13. Aufl. 2016, II L 17).
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A3 Inhalt des Auseinandersetzungsplans: Im vorliegenden Fall wird darauf verzichtet, die Einzelheiten des vorgeschlagenen Aufteilungsplanes auszuformulieren, da sie für die Darstellung des Vermittlungsverfahrens ohne Interesse sind. Die Aufteilung in Wohnungseigentum macht die Urkunde komplex. Die Einigung muss sich auch auf die Aufteilungspläne, die zu bildenden Miteigentumsanteile und Sondernutzungsrechte sowie die Gemeinschaftsordnung beziehen. Hinzu kommen die Vollzugserklärungen. Der Auseinandersetzungsplan selbst kann als Vorschlag des Notars noch keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen zur Auseinandersetzung, zu den hierfür erforderlichen Erfüllungsgeschäften und den Grundbucherklärungen enthalten. Diese müssen unter Abschnitt IV. der Urkunde aufgenommen werden.
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A4 Einverständnis der Erschienenen: Die Beurkundung des Auseinandersetzungsplanes konnte erfolgen, weil das Gesetz lediglich das Einverständnis der im Termin Erschienenen voraussetzt. Die rechtsgeschäftlichen Erklärungen der nicht erschienenen Beteiligten müssen vom Antragsteller hingegen schon im Hinblick auf das Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit der die Auflassung Erklärenden vor der zuständigen Stelle auch in deren Namen abgegeben werden (§ 925 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Belehrungshinweis gründet darauf, dass sich der amtlich bestätigte Auseinandersetzungsplan nach der Säumnis eines der Beteiligten auch auf die vertraglichen Erklärungen, insbesondere die Erfüllungsgeschäfte bezieht, und insoweit die Zwangsvollstreckung aus dem bestätigten Plan nicht erforderlich ist (Bumiller/Harders in Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Aufl. 2015, § 371 Rz. 6).
230
Sorge
M 13.7
Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 62 Kap. 13
A5 Verfahrenskosten: S. M 13.1 Anm. A12 (Rz. 21). Die Grundbuch- und sonstigen Vollzugskosten sind entweder schon als vorbereitende Vereinbarung oder im Rahmen des Auseinandersetzungsplans zu berücksichtigen.
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G. Bekanntgabe des Auseinandersetzungsplans an nicht erschienene Beteiligte („Säumnisverfahren“) I. Einführung Die Bekanntgabe der Beurkundung des Auseinandersetzungsplanes erfolgt entsprechend der Bekanntgabe einer vorbereitenden Vereinbarung auch an die im Termin nicht erschienenen Beteiligten. § 368 Abs. 2 FamFG verweist auf § 366 Abs. 3 FamFG. Insoweit können die Ausführungen zu Muster M 13.4 (Rz. 41 ff.)in Bezug genommen werden.
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II. Muster M 13.7 Bekanntgabe der Beurkundung des AuseinandersetzungsplansA1
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Notar … (Name) … (Anschrift) … (Datum) Bekanntgabe durch öffentliche Herrn/Frau … (Beteiligter)
ZustellungA2
Vermittlung der Erbauseinandersetzung nach … (Erblasser) hier: Bekanntgabe der Beurkundung des Auseinandersetzungsplans Sehr geehrte/r Frau/Herr … (Beteiligter), zu dem für … (Datum) anberaumten Termin sind Sie nicht erschienen. Nur der Antragsteller war erschienen. Deshalb habe ich keinen Vorschlag für einen Auseinandersetzungsplan angefertigt, sondern aufgrund der vom Antragsteller gemachten Vorschläge einen Plan zur Auseinandersetzung des Nachlasses beurkundet.A3 Die beurkundeten Erklärungen zur Urkunde vom … (Datum) URNr. … (Urkundenrollennummer) gebe ich Ihnen hiermit bekannt.A4 Da Sie einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abschrift haben, lege ich diesem Schreiben eine beglaubigte Abschrift der Urkunde bei. Die Urschrift können Sie auf meiner Geschäftsstelle einsehen. Sie können die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins bei mir beantragen. Hierzu ergeht hiermit Beschluss gemäß §§ 368 Abs. 2, 366 Abs. 3 Satz 2 FamFG, dass der Antrag auf Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins innerhalb von 14 Tagen nach der Bekanntgabe dieses Beschlusses schriftlich oder zur Niederschrift meiner Geschäftsstelle zu stellen ist. Wenn Sie es unterlassen, innerhalb der gesetzten Frist die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins zu beantragen, wird gemäß §§ 368 Abs. 2, 366 Abs. 3 Satz 2 FamFG Ihr EinverSorge
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Kap. 13 Rz. 62a
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.7
ständnis mit dem in der Urkunde enthaltenen Auseinandersetzungsplan angenommen. Das gilt auch, wenn Sie einen neuen Termin rechtzeitig beantragen, zu diesem jedoch erneut nicht erscheinen. In diesen Fällen habe ich den in der Urkunde enthaltenen Auseinandersetzungsplan zu bestätigen (§§ 368 Abs. 2, 366 Abs. 4 FamFG). Wenn Sie innerhalb der Frist die Anberaumung eines Termins beantragen und zu diesem Termin erscheinen, wird die Verhandlung fortgesetzt, ohne dass der beurkundete Auseinandersetzungsplan rechtswirksam wird (§§ 368 Abs. 2, 366 Abs. 4 FamFG). Ich weise vorsorglich und ausdrücklich darauf hin, dass Ihre bloße Mitteilung, mit dem Auseinandersetzungsplan nicht einverstanden zu sein, die beschriebenen Versäumnisfolgen nicht abwenden kann. Rechtsmittelbelehrung: Der Beschluss über die Fristsetzung für die Antragstellung zur Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins ist gemäß § 372 Abs. 1 FamFG durch das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landgericht … (Bezeichnung des Gerichts und Anschrift). Die sofortige Beschwerde ist durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle entweder bei mir oder beim Beschwerdegericht selbst einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde; sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die sofortige Beschwerde ist in deutscher Sprache abzufassen. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen. Die Notfrist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses. Fällt das Fristende auf einen Sonntag, allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.A5 Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift Notar) Anlage: Beglaubigte Abschrift der Urkunde
Anmerkungen zu Muster M 13.7 62a
A1 Sachverhalt: Der Mustertext knüpft an den Sachverhalt an, der dem beurkundeten Auseinandersetzungsplan zugrunde liegt. Lediglich der Antragsteller war im Termin erschienen.
63
A2 Bekanntgabe: Die Bekanntgabe der Beurkundung eines Auseinandersetzungsplans an nicht erschienene Beteiligte regelt § 368 Abs. 2 i.V.m § 366 Abs. 3 FamFG. Die Bekanntgabe ist nicht erforderlich, wenn ein zum Verhandlungstermin nicht erschienener Beteiligter der Vereinbarung zu öffentlich beglaubigter Urkunde zustimmt, § 368 Abs. 1 FamFG. Im Säumnisverfahren ist die öffentliche Zustellung möglich, da in § 366 Abs. 2 FamFG ein dem § 365 Abs. 1 Satz 2 FamFG entsprechendes Verbot fehlt (Bumiller/Harders in Bumiller/Harders/ Schwamb, FamFG, 11. Aufl. 2015, § 366 Rz. 12). Die Ausführung der vom Notar bewilligten öffentlichen Zustellung erfolgt auf dessen Ersuchen durch das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Amtssitz des Notars befindet (§ 492 Abs. 1 Satz 3 FamFG).
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A3 Auseinandersetzungsplan auf Vorschlag des Antragstellers: Die Klarstellung ist angezeigt, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sich der Notar die Vorschläge des Antragstellers zu Eigen macht und sie als billig und gerecht wertet. Damit riskierte er einen Vertrauensverlust der nicht erschienenen Beteiligten und damit die Erfolgschancen des Verfahrens. Im Unterschied zu § 366 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei der Beurkundung vorbereitender Maßnahmen erwähnt das Gesetz die Möglichkeit der Beurkundung des Planes nach den alleinigen Vorschlägen eines Beteiligten, insbesondere des Antragstellers in § 368 Abs. 1 FamFG, nicht ausdrücklich. Dass dies dennoch möglich ist, ergibt sich aber aus § 368 Abs. 1 Satz 3 FamFG.
232
Sorge
M 13.8
Verfahren in Teilungssachen nach FamFG
Rz. 67 Kap. 13
A4 S. Anm. A2 (Rz. 63).
64a
A5 Rechtsmittelbelehrung: S. M 13.4 Anm. A5 (Rz. 46).
65
H. Notarielle Bestätigung des Auseinandersetzungsplans I. Einführung Sind alle Beteiligten zum Termin der Beurkundung des Auseinandersetzungsplans erschie- 66 nen oder haben die nicht erschienenen Beteiligten ihre Zustimmung zum Protokoll des Notars oder in öffentlich beglaubigter Urkunde erteilt, bestätigt der Notar den Plan. Im Falle der Säumnis eines nicht erschienenen oder nicht zustimmenden Beteiligten erfolgt die Bestätigung gemäß §§ 368 Abs. 2, 366 Abs. 4 HS 2 FamFG. Nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses wird die beurkundete Auseinandersetzung verbindlich (§ 371 Abs. 1 FamFG). Aus ihr findet auch die Zwangsvollstreckung statt (§ 371 Abs. 2 FamFG). Das Bestätigungsverfahren des § 368 FamFG entspricht dem in M 13.5 (Rz. 47) dargestellten Verfahren. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.
II. Muster M 13.8 Bestätigung des AuseinandersetzungsplansA1
67
Bestätigung des Auseinandersetzungsplans im Verfahren nach §§ 363 ff. FamFG Zu meiner Urkunde URNr. … (Urkundenrollennummer) vom … (Datum) hat der Antragsteller … (Name) einen Plan zur Auseinandersetzung des Nachlasses nach … (Erblasser) von mir beurkunden lassen. Dem Auseinandersetzungsplan hat die im Termin nicht erschienene Beteiligte zu 2. … (Name) zu meiner Urkunde URNr. … (Urkundenrollenummer) vom … (Datum der Vereinbarung) zugestimmt.A2 Der Beteiligte zu 3. … (Name) war zum Termin nicht erschienen. Mit Schreiben vom … (Datum), zugestellt am … (Datum), habe ich ihn gemäß §§ 368 Abs. 2, 366 Abs. 3 FamFG von dem Auseinandersetzungsplan unterrichtet. Innerhalb der gesetzten Frist hat der Beteiligte zu 3. … (Name) nicht die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins beantragt.A2 Es ergeht folgender Beschluss:A3 Die Vereinbarung wird gemäß § 368 Abs. 2 i.V.m. § 366 Abs. 4 FamFG bestätigt. Die Bestätigung wird mit der Urschrift der Vereinbarung verbunden und den Beteiligten in Ausfertigung zugestellt. Rechtsmittelbelehrung: Gegen den Beschluss über die Bestätigung des Auseinandersetzungsplans ist gemäß §§ 58 ff., 372 Abs. 2 FamFG die Beschwerde zulässig. Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht … (Bezeichnung des Gerichts). Die Beschwerde ist durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei mir oder zur Niederschrift meiner Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde; sie muss vom Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Die Beschwerde ist in deutscher Sprache abzufassen. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses. Fällt das Fristende auf einen
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Kap. 13 Rz. 67a
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 13.8
Sonntag, allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.A4 … (Ort), … (Datum) (Unterschrift Notar) (Siegel)
Anmerkungen zu Muster M 13.8 67a
A1 Sachverhalt: Im Termin zur Beurkundung des Auseinandersetzungsplans war lediglich der Antragsteller erschienen. Die Beteiligte zu 2. stimmte nachträglich gemäß § 368 Abs. 1 Satz 3 HS 2 FamFG in öffentlich beglaubigter Urkunde zu. Der Beteiligte zu 3. hat auf die Bekanntgabe des Auseinandersetzungsplanes nicht reagiert.
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A2 Nachträgliche Zustimmung: Nicht erschienene Beteiligte können auch nachträglich ihre Zustimmung zu den beurkundeten Vereinbarungen zur Niederschrift des Notars oder in öffentlich beglaubigter Urkunde erklären (§ 368 Abs. 1 Satz 3 HS 2 FamFG).
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A3 Bestätigung durch Beschluss: Die Bestätigung erfolgt durch Beschluss des Notars.
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A4 Rechtsmittelbelehrung: Gegen den Bestätigungsbeschluss (§ 372 Abs. 2 FamFG) findet die Beschwerde statt (§§ 58 ff., 492 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Der Beschluss ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen (§ 39 FamFG). Über das Rechtsmittel der Sprungrechtsbeschwerde muss nicht belehrt werden (§ 39 Satz 2 FamFG). Die Beschwerde gegen den Bestätigungsbeschluss kann nur darauf gegründet werden, dass die Vorschriften über das Verfahren nicht beachtet wurden (§ 372 Abs. 2 FamFG).
234
Sorge
Kapitel 14
Aussetzung des Verfahrens und Überleitung in ein Mediationsverfahren
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 14.1 Protokoll mit Aussetzungsbeschluss und Vereinbarung über ein Verfahren zur Lösung der Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
I. Einführung Literatur: Siehe Kap. 13 vor Rz. 1. Brandt, Mediation in der Erbauseinandersetzung – Eine Falldarstellung, ZEV 2010, 133.
Ergeben sich in der Verhandlung Streitpunkte, so ist vom Notar ein Protokoll darüber aufzunehmen und das Verfahren bis zur Erledigung der Streitpunkte auszusetzen. Der Aussetzungsbeschluss nach § 370 FamFG muss jedoch nicht Schlusspunkt des Vermittlungsverfahrens sein.
1
In solchen Konstellationen kann das förmliche Verfahren auch in ein Mediationsverfahren 2 oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung („ADR“) übergeleitet werden, wie es an anderen Stellen dieses Werkes dargestellt ist. Der historische Gesetzgeber hat mit der Vereinbarung des Losverfahrens im früheren § 94 FGG (jetzt § 369 FamFG) selbst bereits eine unkonventionelle Form der Streitbeilegung vorgeschlagen. Solche Verfahren können ohne weiteres durch den bisherigen Verhandlungsleiter geführt werden.
II. Muster M 14.1 Protokoll mit Aussetzungsbeschluss und Vereinbarung über ein Verfahren zur Lösung der Streitigkeit
3
Urkundenrolle Nr. (URNr.) vom (Datum) Protokoll mit Aussetzungsbeschluss und Vereinbarung über ein Verfahren zur Lösung der StreitigkeitA1 Vor mir (Vorname, Zuname) Notar in (Amtssitz), erschienen heute, (Datum), in meinen Amtsräumen (Anschrift) 1. Herr (Personalien) – Antragsteller 2. Frau (Personalien) – Beteiligte zu 2
Sorge
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Kap. 14 Rz. 3
Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung
M 14.1
3. Herr (Personalien) – Beteiligter zu 3 I. Sachverhalt Zu diesamtlicher Urkunde URNr. (Urkundenrollennummer) vom (Datum) wurde im Verfahren zur Vermittlung der Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem am (Datum) in (Ort) verstorbenen (Erblasser) ein Auseinandersetzungsplan in Anwesenheit des Antragstellers beurkundet. Die Beteiligte zu 2. stimmte diesem zu diesamtlicher Urkunde URNr. (Urkundenrollennummer) vom (Datum) zu. Der Beteiligte zu 3. beantragte aufgrund der Benachrichtigung von der Beurkundung des Planes durch den Notar fristgerecht die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins. Zu diesem erfolgte Ladung der Beteiligten zum heutigen Tag. II. VerhandlungsprotokollA2 Nach Verhandlung des Auseinandersetzungsplanes stellt der Notar die folgenden Streitpunkte unter den Beteiligten fest: – Der vom Gutacherausschuss mit Gutachten vom (Datum) festgestellte Grundstückswert wird vom Beteiligten zu 3. als zu niedrig erachtet. – Daher beansprucht er neben der quotalen Übertragung der aus dem Wertpapierverkauf erlösten Gelder auch die Übertragung der im genehmigten Aufteilungsplan der Stadt (Name), Gz. (Aktenzeichen), vom (Datum) mit Wohnung Nr. 1 bezeichneten Einheit. – Mit den Nutzungsbeschränkungen dieser Wohnungseigentumseinheit in der vorgeschlagenen Gemeinschaftsordnung besteht kein Einverständnis seitens des Beteiligten zu 3. – Der Beteiligte zu 3. besteht auf die Einräumung von gegenseitigen Vorkaufsrechten für jeden Verkaufsfall hinsichtlich der zu bildenden Wohnungs- und Teileigentumseinheiten. – An den Kosten des Verfahrens, des Vollzugs der Nachlassauseinandersetzung im Grundbuch und den Gutachterkosten will sich der Beteiligte zu 3. nicht beteiligen. Sie sollen auch nicht aus dem Nachlassvermögen beglichen werden. Weitere Streitpunkte konnten nicht festgestellt werden. III. Beschluss Es ergeht folgender Beschluss: Die unstreitigen Punkte sind ohne Erledigung der streitigen Punkte nicht ausführbar.A3 Daher wird das gesamte Vermittlungsverfahren bis zur Erledigung der vorstehenden Streitpunkte ausgesetzt. IV. Vereinbarung über ein Verfahren zur Lösung der bestehenden StreitpunkteA4 Die Beteiligten sind sich darüber einig, die vorliegenden Streitpunkte durch ein Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung zu lösen. Daher vereinbaren sie Folgendes: 1. … 2. Zu den Kosten des Verfahrens der außergerichtlichen Streitbeilegung vereinbaren die Beteiligten Folgendes: …A5 Vorgelesen vom Notar (Unterschriften)
236
Sorge
M 14.1
Aussetzung/Überleitung in Mediationsverfahren
Rz. 8 Kap. 14
Anmerkungen zu Muster M 14.1 A1 Sachverhalt: In Abwandlung des in M 13.8 (Kap. 13 Rz. 67) vorgestellten Falles ist der 4 Beteiligte zu 3. auf die Bekanntgabe des Auseinandersetzungsplanes nicht passiv geblieben. Vielmehr hat er die Anberaumung eines neuen Termins beantragt und ist zu diesem auch erschienen. A2 Protokoll über die Streitpunkte: Nachdem der Beteiligte zu 3 in dieser Fallalternative 5 die Neuverhandlung erreicht hat, hat der Notar gemäß § 370 FamFG sämtliche Streitpunkte zu verhandeln und ein Protokoll hierüber aufzunehmen. Der Aussetzungsbeschluss wird von ihm selbst gefasst. A3 Ausführung unstreitiger Punkte: Soweit bezüglich unstreitiger Punkte ein Auseinandersetzungsplan vereinbart werden kann, kann auch eine teilweise Auseinandersetzung vermittelt und das Verfahren nur im Übrigen ausgesetzt werden (§ 370 Satz 2 FamFG). In der vorliegenden Konstellation ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass eine Dreiteilung der Barmittel vereinbart werden kann, ohne die Thematik des Mietshauses zu lösen.
6
A4 Verfahrensüberleitung: Vgl. hierzu die in Teil 3, 5 und 7 dargestellten Verfahren.
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A5 Kosten: Kosten des Mediationsverfahrens werden aufgrund Vereinbarung gesondert erhoben. Wird der oder ein anderer Notar als Mediator oder Schlichter tätig, können diese Kosten nach § 126 GNotKG schriftlich im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrags vereinbart werden. Wegen der bis zu diesem Verfahrensstand aufgelaufenen Kosten des Teilungsverfahrens s. M 13.1 Anm. A12 (Kap. 13 Rz. 21). Die Kosten des FamFG-Teilungsverfahrens nach dem GNotKG sind nicht unmittelbar einer Vereinbarung zugänglich (§ 125 GNotKG); sie können aber schuldrechtlich unter den Beteiligten als Ergebnis der Mediation verteilt werden.
8
Sorge
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Siebter Teil Kapitel 15
Verfahren zur Teilung Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht
I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . a) Sachliche Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönliche Eignung . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelprobleme des Verfahrens a) Schaffung sinnvoller Teilmassen . . . . .
1 2 6 7 8 9 10 11
b) Problem des ersten Zugriffs . . . . . . . . . c) Bewertung der Einzelgegenstände . . . . aa) Objektive Bewertung . . . . . . . . . . . bb) Subjektive Bewertung . . . . . . . . . . d) Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 M 15.1 Auswahlverfahren mit alternierendem Wahlrecht. . . . . . . . . . . . . . . 20
I. Einführung Das einfachste Verteilungsverfahren ist das der Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht. 1 Dieses ist wegen seiner Einfachheit ein von den meisten Menschen in den vielfältigsten Situationen bereits praktiziertes Modell und kann deshalb auch als „Standardverfahren“ bezeichnet werden. Ausgangssituation für die Anwendung des sog. „Auswahlverfahrens mit alternierendem Wahlrecht“ ist ganz allgemein Folgende: Es existiert eine Mehrheit von Gegenständen, um welche mindestens zwei Personen konkurrieren. Die Bewertung der einzelnen Gegenstände ist offen, entweder weil von vornherein kein objektiver Wert existiert oder weil die subjektive Einschätzung des Wertes differiert. Die „Prätendenten“ sind grundsätzlich einigungsbereit und suchen lediglich nach einem geeigneten Verfahren, welches eine möglichst wertgleiche Aufteilung ermöglicht. Hierbei sollen möglichst wenig Kosten entstehen. 1. Grundprinzip Dem „Auswahlverfahren mit alternierendem Wahlrecht“ liegt ein archaisches Prinzip zugrunde: Eine größere Anzahl von Gegenständen wird in Einzelschritten unter den Beteiligten verteilt, indem sich jeder Beteiligte abwechselnd einen Gegenstand aussucht, bis sämtliche Gegenstände verteilt sind.
2
Beispiel: A und B teilen ihre gemeinsame Münzsammlung auf: A beginnt, indem er sich eine Münze aussucht, danach sucht sich B eine Münze aus, dann wieder A usw., bis alle Münzen verteilt sind. Das Verfahren der Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht setzt ausschließlich am Pro- 3 blem des Verteilungsprozesses an: Es nimmt keine Wertung der individuellen Präferenzen vor, sondern regelt nur, in welcher Abfolge die beteiligten Personen sich aus einer Mehrzahl von Gegenständen einen Gegenstand ihrer Wahl aussuchen können. Der Verteilungsprozess an sich ist von vornherein dem Einfluss einzelner Beteiligter entzogen: Hat man sich einmal auf das Verfahren geeinigt, läuft dieses mechanisch wie ein Uhrwerk ab; das Ergebnis des Verteilungsverfahrens ist durch das Verfahren vorgegeben. Schneeweiß
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Kap. 15 Rz. 4
Verfahren zur Teilung
4
Dieser mechanische Ablauf birgt dabei für alle Beteiligten die gleichen Chancen und Risiken. Die Chance des Verfahrens liegt darin, dass jeder Beteiligte, wenn er am Zug ist, freie Auswahl unter allen (noch) vorhandenen Gegenständen hat, ohne sein Interesse an dem von ihm ausgewählten Gegenstand gegen die Argumente der übrigen Beteiligten verteidigen zu müssen. Die Gefahr einer mehr oder weniger zufälligen und damit willkürlichen Zuordnung der jeweiligen Gegenstände steht dem gegenüber.
5
Der streitvermeidende Effekt dieses Verfahrens liegt in der Unbeeinflussbarkeit seines Ablaufes: Jeder Beteiligte kann – wenn er am Zug ist – die für ihn beste Wahl treffen. Wann er am Zug ist, entscheidet sich nach objektiven Kriterien. Gleichzeitig wird die Befriedigung seines Gesamtinteresses in Raten erfüllt: Es werden bei der Aufteilung nicht schlicht zwei Hälften gebildet. Vielmehr kann jeder Beteiligte Stück für Stück die für ihn beste Wahl treffen. 2. Eignung des Verfahrens
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Das Auswahlverfahren mit alternierendem Wahlrecht eignet sich bei den sog. „klassischen Verteilungssituationen“: Mehrere Beteiligte suchen einen möglichst einfachen Weg, um eine Vielzahl von Gegenständen untereinander zu verteilen. Beispielhaft können dies sein – Hausratsteilung im Rahmen eines Scheidungsverfahrens – Verteilung des Inventars einer Bürogemeinschaft – Nachlassauseinandersetzung – Aufteilung einer Kundenkartei – Aufteilung einer Kunstsammlung – Zuordnung von Mitarbeitern bei Teilung eines Gesamtbetriebes – Einigung über Benutzungszeiten einer Gemeinschaftseinrichtung – Festlegung von Anwesenheitspflichten für bestimmte „Service-Zeiten“ Im Detail lässt sich die Frage der Eignung weiter in eine sachliche und eine persönliche Komponente unterteilen. a) Sachliche Eignung
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Sachlich muss eine objektiv teilbare Gesamtheit mehrerer Gegenstände vorliegen. Es kommt somit im Einzelfall auf die Klärung des Begriffes „Gegenstand“ und den Begriff der „Teilbarkeit“ an. aa) Gegenstand
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Der Begriff des Gegenstandes ist für das „Auswahlverfahren mit alternierendem Wahlrecht“ im weitesten Sinne zu verstehen und somit nicht auf Sachen i.S.v. § 90 BGB beschränkt. Vielmehr lässt sich letztlich alles, was Gegenstand einer schuldrechtlichen Vereinbarung sein kann, in das Auswahlverfahren einbeziehen. Somit können selbstverständlich auch Rechte, wie z.B. Kundenforderungen oder Gewinnbezugsrechte, Gegenstand des Auswahlverfahrens sein.
8a
Aber auch über die rein materiellen Gegenstände hinaus kann das Aufteilungsverfahren mit alternierendem Wahlrecht Anwendung finden: Können sich zum Beispiel geschiedene Eltern nicht über die Zeiten des Umgangsrechtes mit den gemeinsamen Kindern einigen, können insoweit einzelne Zeitgruppen gebildet und zur wechselseitigen Auswahl angeboten werden. 240
Schneeweiß
Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht
Rz. 14 Kap. 15
Ebenso kann das Auswahlverfahren bei der Zuordnung von Personen zu einer von den 8b „Prätendenten“ festgelegten Gruppe Anwendung finden, so z.B. bei der Aufteilung einer Patientenkartei im Rahmen der Auseinandersetzung einer medizinischen Gemeinschaftspraxis. bb) Teilbarkeit Grundvoraussetzung für eine Verteilung unter Anwendung des Auswahlverfahrens mit al- 9 ternierendem Wahlrecht ist somit die Teilbarkeit der Sachgesamtheit: Eine Aufteilung der einzelnen Gegenstände darf nicht von vornherein zu einer Wertvernichtung der einzelnen Gegenstände führen. So macht es z.B. keinen Sinn, bei einem Klavier die Tasten, Saiten und Pedale abwechselnd von den Beteiligten aussuchen zu lassen: Hier hätte jeder Einzelne am Ende nur wertlose Einzelteile in seinen Händen. Insofern muss die Sachgesamtheit unter grundsätzlicher Beibehaltung des Wertes jedes einzelnen Gegenstandes teilbar sein. Tatsächlich dürfte das Kriterium der generellen Teilbarkeit in den wenigsten Fällen ein Problem darstellen: Schließlich lässt sich z.B. auch ein einzelnes Grundstück entweder rechtlich durch die Bildung von Miteigentumsanteilen oder real im Wege der Vermessung in zwei Hälften teilen. b) Persönliche Eignung Persönlich müssen die Beteiligten ausreichende Kompetenz besitzen, um überhaupt eine 10 an ihren eigenen (wirklichen) Interessen orientierte Auswahl treffen zu können. Ist dies bei einem Beteiligten nicht der Fall (z.B. weil er den Wert der zu verteilenden Gegenstände überhaupt nicht einzuschätzen vermag), kann diese strukturelle Unterlegenheit von vornherein zu ungerechten Ergebnissen führen. Lässt sich dieses strukturelle Ungleichgewicht nicht durch entsprechende Aufklärung oder Beratung bei der Verteilungssituation ausgleichen, lässt sich mit dem Aufteilungsverfahren mit alternierendem Wahlrecht nur schwer ein befriedigendes Ergebnis erzielen. 3. Einzelprobleme des Verfahrens a) Schaffung sinnvoller Teilmassen Am Beginn des eigentlichen Verteilungsverfahrens sollte stets die Einigung über die einzelnen zu verteilenden Gegenstände stehen, um spätere Streitigkeiten – und damit ein Infragestellen auch des bis zu diesem Zeitpunkt erreichten Verteilungsergebnisses – zu vermeiden.
11
Somit ist im Vorfeld des eigentlichen Verteilungsverfahrens eine sachkundige Analyse der 12 Verteilungsmasse erforderlich: Lässt sich die gesamte Verteilungsmasse überhaupt in einzelne zu verteilende Gegenstände untergliedern und wenn ja – welche Untergliederung ist die Beste? Entscheidend ist in jedem Fall die Sinnfälligkeit einer Teilung: So würde es z.B. wenig Sinn machen, im Rahmen der Aufteilung einer Bibliothek eine Lexikonsammlung in Einzelbänden zur Verteilung anzubieten, auch wenn dies physisch problemlos möglich wäre. Umgekehrt problematisch kann auch die Frage sein, ob ein Wertpapierdepot als ganzes oder in mehreren Teilen für die Beteiligten zur Auswahl stehen sollte.
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Das Verfahren erfordert also regelmäßig zuvor eine Verständigung der Beteiligten über entsprechend zusammengehörende und sinnvolle Untergliederungen der gesamten Verteilungsmasse: Ist diese Verständigung der Beteiligten untereinander – aus welchen Gründen
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Schneeweiß
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Kap. 15 Rz. 15
Verfahren zur Teilung
auch immer – nicht möglich, sollten sich die Beteiligten zumindest darauf verständigen können, dass diese vorbereitende Unterteilung von einem unabhängigen Dritten vorgenommen werden soll. b) Problem des ersten Zugriffs 15
Haben sich die Beteiligten auf die Unterteilung der gesamten Teilungsmasse in konkret zu verteilende Untereinheiten geeinigt, verbleibt nur noch das Problem des ersten Zugriffs zu klären. Es leuchtet ein, dass derjenige im Vorteil ist, welcher als Erster seine Auswahl treffen kann: Enthält eine Kunstsammlung nur ein Werk eines bedeutenden Malers und ansonsten nur Werke hoffnungsvoller, aber unbekannter regionaler Künstler, kann sich allein an der Frage, wer als Erster seine Auswahl treffen darf, ein nachhaltiger Streit entfachen. Zur Überwindung dieses möglichen Streitpunktes bietet sich entweder das Losverfahren (vgl. hierzu Kap. 16). oder eine Abwandlung des Auswahlverfahrens an: Derjenige, welcher den Nachteil des nachrangigen Auswahlrechtes hat, kann diesen z.B. durch eine Vergrößerung seines Zugriffsrechtes ausgleichen, indem er bei seiner ersten Auswahl statt nur einem Gegenstand gleich zwei Gegenstände aussuchen kann. c) Bewertung der Einzelgegenstände
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Jedes Teilungsverfahren sollte zu einer – zumindest in der Vorstellung der Beteiligten – wertgleichen Verteilung sämtlicher Gegenstände führen, denn kein Beteiligter will am Ende wertmäßig weniger erhalten als der andere. Ist dieses Grundprinzip nicht gewahrt, lässt sich ein Folgestreit selten vermeiden. Hier stellt sich jedoch ein Grundproblem jeglicher Bewertung: Nach welchen Kriterien bestimmt sich der Wert eines Gegenstandes? Ist dieser objektiv zu ermitteln? Lässt sich dieser überhaupt objektiv bestimmen, wenn ja, nach welcher Bewertungsmethode? Und stimmt der objektive Wert auch mit der subjektiven Bewertung der einzelnen Gegenstände überein? aa) Objektive Bewertung
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Regelmäßig wird man versuchen, die zu verteilenden Gegenstände nach objektiven Kriterien, z.B. anhand der ursprünglichen Anschaffungskosten, eines erzielbaren Veräußerungserlöses oder anderweitiger preisbildender Faktoren zu bewerten: Dies erfolgt – mangels Einigung der Beteiligten – häufig über die Einbeziehung sachkundiger und unabhängiger Dritter als Schiedsgutachter (zur Schiedsgutachterlösung allgemein vgl. Kap. 22 Rz. 1 ff.), welche anhand mehr oder weniger klarer Vorgaben den Wert für alle Beteiligten bindend festzustellen haben. Die Schwäche der Schiedsgutachterlösung liegt gleichwohl häufig darin, dass dessen Wertfeststellung (zumindest von einem Beteiligten) gleichwohl als ungerecht (weil zu hoch oder zu niedrig) empfunden wird. Maßgebend für das Gefühl einer „gerechten“ Verteilung dürfte damit letztlich die subjektive Bewertung durch die jeweiligen Beteiligten sein: So kann z.B. bei der Auseinandersetzung eines Nachlasses eine objektiv völlig wertlose Vase für einen Erben einen besonderen Wert haben, weil er diese dem Erblasser vor Jahren selbst geschenkt hatte. bb) Subjektive Bewertung
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Die subjektive Bewertung eines Gegenstandes setzt sich jeweils aus einer Einschätzung des objektiven Wertes als auch zugleich aus einem wertunabhängigen Interesse der Beteiligten am Erhalt bestimmter Gegenstände (sog. Affektionsinteresse) zusammen. 242
Schneeweiß
Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht
Rz. 19c Kap. 15
Diese Affektionsinteressen werden sich nicht immer am tatsächlichen Wert orientieren. Sie können sogar von dem objektiven Wert eines Gegenstandes völlig abgekoppelt sein und gleichwohl in Verteilungssituationen eine viel größere Dynamik als rein wertorientierte Erwägungen entfalten. Für die Akzeptanz des Verteilungsergebnisses ist damit neben der objektiven Gleichwertigkeit der verteilten Gegenstände auch die ausreichende Berücksichtigung des jeweiligen Affektionsinteresses von entscheidender Bedeutung:
18a
Die Ursache für ein bestimmtes, wertunabhängiges Affektionsinteresse ist grundsätzlich un- 18b erheblich. Es muss lediglich Einverständnis zwischen den Beteiligten bestehen, dass im Rahmen des Verfahrens einzelne Gegenstände trotz eines vielleicht größeren eigenen Affektionsinteresses einem anderen Beteiligten zufallen. Im Rahmen des Auswahlverfahrens mit alternierendem Wahlrecht kommt nun die subjektive Bewertung durch die Priorität der Auswahl zum Ausdruck. Jeder Beteiligte wird den ihm am wertvollsten erscheinenden oder für ihn aus sonstigen Gründen wichtigsten Gegenstand zu Beginn, und den am geringsten geschätzten Gegenstand zuletzt auswählen. Überwiegen jedoch die subjektiven Wertfaktoren die objektive Bewertung oder herrscht auf 18c einer Seite schlicht Unkenntnis über den Wert der einzelnen Gegenstände, kann das Verteilungsergebnis zu krassen Wertunterschieden führen. Auf diese Gefahr sollte jeder Berater hinweisen. Gegebenenfalls sollte vor Durchführung des eigentlichen Verteilungsverfahrens auch eine übereinstimmende Wertfestlegung der einzelnen Gegenstände erfolgen. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass etwaige streitvermeidende Vorteile des Auswahlverfahrens durch das vorgeschaltete Bewertungsverfahren nicht wieder zunichte gemacht werden. d) Transaktionskosten Die Kosten einer Aufteilung im Wege des „Auswahlverfahrens mit alternierendem Wahlrecht“ sind abhängig davon, ob ein (unabhängiger) Dritter zur Verfahrensüberwachung eingebunden wird oder ob die Beteiligten dieses Verfahren autonom betreiben. Die Mitwirkung eines unabhängigen Dritten kann jedoch sinnvoll sein, wenn es den Beteiligten besonders auf die Korrektheit des Verfahrensablaufes ankommt. Etwaige damit zusammenhängende Kosten dürften dann im Regelfall von allen Beteiligten aufzubringen sein.
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Weiter können, abhängig von den zu verteilenden Gegenständen im Rahmen der rechtlichen 19a Umsetzung des bei der Verteilung gefundenen Ergebnisses, Kosten entstehen, z.B. bei der Auseinandersetzung von Immobilienvermögen Grunderwerbsteuer, Notar- und Grundbuchkosten etc. Hier sollte ebenfalls bereits im Vorfeld des eigentlichen Verfahrens geklärt werden, von wem 19b diese Kosten zu tragen sind. Denkbar wäre sowohl eine gleichmäßige Verteilung sämtlicher Kosten auf alle Beteiligten, als auch eine Regelung, wonach jeder die Kosten für die Übertragung der von ihm ausgewählten Gegenstände selbst zu tragen hätte. Zu einer gleichmäßigen Verteilung aller Gegenstände kommt man wohl eher, wenn die Verteilung der einzelnen Gegenstände möglichst unbeeinflusst von externen Faktoren wie den Kosten ihrer Übertragung bleiben soll. Sieht man die Transaktionskosten dagegen als dem einzelnen Gegenstand immanente Last, spricht dies für eine Zuordnung der Kosten zum jeweiligen Erwerber; dies setzt jedoch bei den Beteiligten zumindest eine gewisse Vorstellung über deren Höhe voraus. Soweit Kosten im Vorfeld der eigentlichen Verteilung entstehen (z.B. die Aufteilung einer Immobilie in Wohnungs- und Teileigentum), muss man sich auch bezüglich dieser Kosten einigen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass genau über diese Frage späterer Streit entsteht. Schneeweiß
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19c
Kap. 15 Rz. 20
Verfahren zur Teilung
M 15.1
II. Muster 20
M 15.1 Auswahlverfahren mit alternierendem WahlrechtA1 A und B sind sich einig, dass sie ihren gesamten Hausrat im Wege des sog. Auswahlverfahrens mit alternierendem Wahlrecht zwischen sich verteilen. Zu diesem Zweck vereinbaren sie Folgendes: 1. Soweit sie sich nicht bis zum Ablauf des (Datum) anderweitig über die Verteilung des Hausrates geeinigt haben,A2werden sie den gesamten noch nicht verteilten vorhandenen Hausrat in einzelne Lose aufteilen.A3 Ein Los kann aus einem oder mehreren Einzelgegenständen bestehen, aber auch aus einem Teil eines einzelnen Haushaltsgegenstandes.A4 Mangels anderweitiger Einigung ist jedes Los unter Angabe des von ihm vertretenen Gegenstandes auf einem gesonderten Zettel zu vermerken.A5 2. Soweit sich die Beteiligten über die Bildung einzelner Lose nicht einigen können, sind diese unter Beiziehung eines von beiden einvernehmlich bestimmten, mangels Einigung durch Los ermittelten Dritten zu bilden.A6 3. Sämtliche Lose sind während des gesamten Verteilungsverfahrens für alle Beteiligten offen erkennbar zu halten.A7 4. Die nach Ziff.1. gebildeten Lose werden sodann zwischen A und B verteilt. Dies erfolgt in der Weise, dass zunächst einer von ihnen ein Los auswählt. Sodann wählt der andere ebenfalls ein Los aus, worauf wieder der Erste ein Los auswählt und so fort.A8 5. Können sich die Beteiligten nicht einigen, wer von ihnen als Erster wählt, ist die Person des Ersten durch Werfen einer Münze zwischen ihnen zu bestimmen.A9 6. Das Verteilungsverfahren ist beendet, sobald alle Lose verteilt sind oder kein Beteiligter zu einer weiteren Ziehung eines Loses bereit ist.A10 7. Nach Beendigung des Verteilungsverfahrens sind sämtliche Gegenstände entsprechend der getroffenen Auswahl zu übertragen.A11 8. Die Kosten der Übertragung der verteilten Gegenstände und der Entsorgung der nicht verteilten Gegenstände sind von beiden Beteiligten zu gleichen Teilen zu tragen.A12
Anmerkungen zu Muster M 15.1 20a
A1 Sachverhalt: A und B sind verheiratet und können sich über die Auseinandersetzung hinsichtlich zahlreicher Gegenstände des während vieler Ehejahre angeschafften Haushaltes nicht einigen. Sie suchen ein kostengünstiges und effizientes Verfahren, um weiteren Streit und Diskussionen zu vermeiden.
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A2 Vorrang der Einigung: Soweit sich die Beteiligten einvernehmlich einigen können, sollte das Verfahren dieser Einigung auch nicht vorgreifen oder diese ausschließen. Insoweit besteht sozusagen eine letzte Frist zur freiwilligen Einigung. Das Auswahlverfahren wirkt also lediglich subsidiär, soweit eine Einigung nicht erzielbar ist. Die Frist für die Einigung sollte nicht zu lang bemessen sein, hängt aber im Einzelfall von den konkreten Gegebenheiten und Wünschen der Beteiligten ab.
22
A3 Form der Lose: Die Lose können entweder körperlich gebildet werden, indem auf einen Zettel der betreffende Gegenstand notiert wird. Es ist aber auch möglich, lediglich eine Auflistung der Gegenstände zu machen, aus der die Beteiligten dann ihre Auswahl treffen. Hier sollten Praktikabilitätspunkte im Vordergrund stehen.
244
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M 15.1
Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht
Rz. 31 Kap. 15
A4 Bildung der Lose: Die Bildung der Lose erfordert mitunter gründliche Überlegungen 23 und Übereinkünfte der Beteiligten: Hier kann es strategische Vorteile und Nachteile geben. In jedem Fall sollte der Grundsatz vorherrschen, dass die Teilung des Hausrates nicht dessen Zerschlagung dienen sollte. Insoweit sollten entsprechend zusammengehörige Gruppen (z.B. Teeservice, Lexikon-Sammlung) auch ein einziges Los bilden. Ebenso kann aber auch ein zwölfteiliges Ess-Service in zwei sechsteilige Gruppen aufgeteilt werden. A5 S. Anm. A3 (Rz. 22).
24
A6 Beiziehung von Dritten: Die Beiziehung des Dritten dient auch hier der schnellen 25 und effizienten Entscheidung. Auch hier ist an eine mögliche Uneinigkeit hinsichtlich der Person des Drittentscheiders zu denken. Am sinnvollsten erscheint hier das Ziehen eines Loses, Werfen einer Münze o.Ä. A7 Transparenzgebot: Bei den meisten Verfahren ist Transparenz wichtig, weil nur die jederzeitige Kontrollmöglichkeit durch alle Beteiligten entsprechendes Vertrauen in die Objektivität des Verfahrens ermöglicht.
26
A8 Ziehungsverfahren: Hier sind auch Varianten in der Weise denkbar, dass z.B. der Erste 27 ein Los zieht, der Zweite jedoch zwei Lose auf einmal, der Erste nunmehr ebenfalls zwei und der Zweite wieder nur ein Los und so fort. Dies ist vor allem dann denkbar, wenn einer Beteiligter (oder alle) allein durch das starre Abwechseln einen Vor- oder Nachteil bei der Auswahl befürchtet. A9 Recht des ersten Zugriffs: Insbesondere bei einer Teilungsmasse mit sehr heterogener Attraktivität kann dem Recht der ersten Auswahl große Bedeutung zukommen. Hier hilft wieder nur das Werfen einer Münze oder ein anderes Zufallsverfahren, um das Verfahren in Gang zu bringen.
28
A10 Ende des Verteilungsverfahrens: Mindestens genauso wichtig wie der Beginn ist auch das Ende des Verfahrens. Dieses kann auch dann eintreten, wenn an den verbleibenden Gegenständen kein Interesse mehr besteht. Ein Zwang zur Verteilung macht nur dann Sinn, wenn die Gegenstände aus anderen Gründen einer Person zugeordnet werden müssen.
29
A11 Vollzug der Einigung: Hier kommt zum Ausdruck, dass das Auswahlverfahren lediglich eine vorbereitende Maßnahme zur Zuordnung ist. Abhängig von den zu verteilenden Gegenständen sind an den Vollzug erhöhte Anforderungen zu stellen, insbesondere wenn eine Formbedürftigkeit bei der Übertragung gesetzlich vorgeschrieben ist (z.B. Übertragung einer Immobilie, GmbH-Anteil o.Ä.). Hier sind auch etwaige Fragen des Vollzugsautomatismus anzusiedeln (vgl. hierzu Kap. 38 Rz. 3 ff.).
30
A12 Kosten: Anwaltliche Kosten nach den allgemeinen Grundsätzen. Notarielle Beurkun- 31 dung erforderlich, sofern auch Gegenstände zu verteilen sind, deren Übertragung entsprechend formbedürftig ist (also z.B. Grundstücke, GmbH-Anteile, Erbteil etc.). Bei notarieller Beurkundung: Geschäftswert i.H.d. Verkehrswertes der gesamten zu verteilenden Gegenstände ohne Abzug etwaiger Verbindlichkeiten (§§ 97 Abs. 1, 38 GNotKG). Hieraus ist nach KV 21100 eine 2,0-Gebühr zu erheben.
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245
Kapitel 16 I. Einführung 1. Grundprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignung des Verfahrens a) Sachliche Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönliche Eignung . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelaspekte
Losverfahren a) Abgrenzung zu Spiel/Wette . . . . . . . . . b) Verfahrensleitung durch unabhängige Dritte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
1 3 5
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 16.1 Losverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . .
11 11
9
I. Einführung 1. Grundprinzip 1
Bei dem Losverfahren handelt es sich um ein weiteres archaisches Verteilungsverfahren mit einfachem Grundprinzip, welches jedoch auch in § 369 FamFG im Rahmen des notariell vermittelten Verfahrens zur Nachlassauseinandersetzung (vgl. hierzu im Einzelnen Kap. 13 Rz. 1 ff.) als zulässiges Verfahren vorausgesetzt wird. Hier entscheidet letztlich nicht eine individuelle Präferenz, sondern der Zufall über die Verteilung der Gegenstände. Das Verfahren ist bewusst abgekoppelt von jeglichen Bewertungsmöglichkeiten durch einzelne Beteiligte und verläuft sozusagen anonym. Im Zeitpunkt der Auswahl weiß kein Beteiligter, welchen Gegenstand er konkret erhält.
2
Bei dem Losverfahren handelt sich um ein einfaches und schnelles Verfahren, bei welchem sich Risiko und Chance die Waage halten. Das Risiko rückt jedoch das Losverfahren in die Nähe von Spiel und Wette i.S.v. § 762 BGB (vgl. hierzu nachfolgend Rz. 6 ff.). Wer sich auf ein derartiges Verfahren einlässt, muss sich damit sowohl der Unverbindlichkeit des Verfahrens als auch der mit dem Verteilungsergebnis verbundenen Risiken bewusst sein. Für Berater dürfte dies eine entsprechende Hinweispflicht begründen. 2. Eignung des Verfahrens a) Sachliche Eignung
3
3a
Hinsichtlich der sachlichen Eignung des Verfahrens ergeben sich gegenüber dem Auswahlverfahren mit alternierendem Wahlrecht (vgl. hierzu im Einzelnen Kap. 15) grundsätzlich keine Besonderheiten. Dies gilt zumindest, wenn mehrere Gegenstände zur Verteilung anstehen. Darüber hinaus ist das Losverfahren auch in den Fällen durchaus geeignet, in denen es um die Zuteilung eines einzelnen Gegenstandes an einen von mehreren Beteiligten oder um die Auswahl eines einzigen von mehreren Gegenständen durch mehrere Beteiligte geht. Das Losverfahren kommt damit insbesondere in folgenden Situationen in Frage: – Hausratsteilung im Rahmen eines Scheidungsverfahrens – Verteilung des Inventars einer Bürogemeinschaft – Nachlassauseinandersetzung – Aufteilung einer Kundenkartei – Aufteilung einer Kunstsammlung – Auswahl eines Sachverständigen zur Klärung einer strittigen Frage – Entscheidung über den Vortritt eines Beteiligten bei weiterer Auswahl
246
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Losverfahren
Rz. 8 Kap. 16
Im Regelfall setzt die Anwendbarkeit des Losverfahrens eine (annähernde) Homogenität 4 der zu verteilenden Gegenstände voraus. Die Homogenität muss hier sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht bestehen: Sind zwei Gegenstände zu verteilen, von denen der eine einen deutlich höheren Verkehrswert als der andere aufweist oder bei welchem beide Beteiligten an einem Gegenstand ein sehr hohes, am anderen Gegenstand ein sehr niedriges Affektionsinteresse haben, ist das Losverfahren ungeeignet, es sei denn, beide Beteiligte sind mit der Zufälligkeit des Ergebnisses von vornherein einverstanden und nehmen die wegen § 762 BGB anzunehmende rechtliche Unverbindlichkeit des Verteilungsplans bewusst in Kauf (vgl. zur Anwendbarkeit von § 762 BGB unten Rz. 7 f.). b) Persönliche Eignung Im Vergleich zum Auswahlverfahren mit alternierendem Wahlrecht wird das Losverfahren 5 einem Wunsch der Beteiligten nach einer schnellen und unkomplizierten Verteilung eher gerecht. Hierin liegt die eigentliche Attraktivität des Losverfahrens. Gleichwohl erscheint es für komplexe Verteilungsvorgänge nur dann empfehlenswert, wenn andere Verfahren von den Beteiligten nicht gewünscht oder nicht möglich sind. Ihm kommt damit letztlich nur der Charakter eines „Auffangverfahrens“ zu. Ferner müssen die Beteiligten die mit der Zufälligkeit des Verteilungsergebnisses verbundenen Risiken des Verfahrens kennen und bewusst in Kauf nehmen. 3. Einzelaspekte a) Abgrenzung zu Spiel/Wette Charakteristisch für das Losverfahren ist dessen Anonymität: Im Zeitpunkt der Zuordnung 6 der einzelnen Gegenstände weiß kein Beteiligter, welchen Gegenstand er mit dem Los erhält. Somit ist die Verteilung von den konkreten objektiven oder subjektiven Bewertungen der Gegenstände durch die Beteiligten völlig abgekoppelt. Dieser aleatorische Charakter rückt das Losverfahren jedoch auch in unmittelbare Nähe zu 7 Spiel und Wette i.S.v. § 762 BGB. Sofern diese Vorschrift anwendbar ist, kann durch das Losverfahren keine wirksame Verpflichtung zur Übertragung der einzelnen Gegenstände begründet werden. Wird die Einigung gleichwohl durchgeführt und vollzogen, so hat diese jedoch dauerhaften Bestand: Sind die jeweiligen Gegenstände erst einmal verteilt, ist eine Rückforderung ausgeschlossen.1 Gesetzlich verboten ist ein derartiges Verfahren damit grundsätzlich nicht.2 Die Anwendbarkeit von § 762 BGB ist jedoch wegen des fehlenden Wagnischarakters nicht 8 mehr gegeben, wenn die von den einzelnen Losen verkörperten Werte objektiv zumindest annähernd gleiche Werte verkörpern: Hier besteht für die Beteiligten kein Risiko, im Zuge des Verteilungsverfahrens einen wirtschaftlichen Nachteil zu erleiden. Ist jedoch ein deutliches Missverhältnis des jeweiligen Wertes der Lose gegeben, kann im Wege des Losverfahrens wohl keine wirksame und durchsetzbare Verbindlichkeit des Verteilungsergebnisses erreicht werden.
1 Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 762 Rz. 6. 2 Vgl. jedoch zu den verbotenen Spielen Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 762 Rz. 9.
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247
Kap. 16 Rz. 9
Verfahren zur Teilung
M 16.1
b) Verfahrensleitung durch unabhängige Dritte 9
Bei entsprechender Bedeutung des Verteilungsvorganges bietet sich auch beim Losverfahren die Einbindung eines unabhängigen Dritten zur Verfahrensleitung an: Die (bewusst) fehlende Transparenz der gegenständlichen Zuordnung setzt in deutlich größerem Maß ein Vertrauen der Beteiligten in die Integrität des Verfahrens voraus.
10
Sobald Manipulationsmöglichkeiten bei der Auswahl durch einen Beteiligten im Raum stehen, kann ein unparteilicher Dritter durch entsprechende Gestaltung des Losverfahrens und Überwachung der vorgegebenen Bedingungen eine vom Willen eines Beteiligten unabhängige und damit zufällige Verteilung der einzelnen Gegenstände gewährleisten. Ob der Dritte hierbei selber die Ziehung der Lose durchführt oder diese lediglich überwacht, müssen die Beteiligten im Einzelfall entscheiden.
II. Muster 11
M 16.1 LosverfahrenA1 A und B sind sich einig, dass sie ihre gemeinsame Bibliothek im Wege des sog. Losverfahrens zwischen sich aufteilen. Zu diesem Zweck vereinbaren sie Folgendes: 1. Soweit sie sich bis zum Ablauf des (Datum) nicht anderweitig über die Verteilung der Bibliothek geeinigt haben, werden sie die dann noch verbleibenden Bestände der Bibliothek in einzelne Lose aufteilen.A2 2. Ein Los kann aus einem oder mehreren Einzelgegenständen oder aus dem Teil eines Gegenstandes bestehen. Bei der Bildung der Lose ist nach Möglichkeit darauf zu achten, dass die jeweils von ihnen vertretenen Gegenstände einen objektiv annähernd gleichen Wert aufweisen.A3 3. Mangels anderweitiger Einigung ist auf jedem Los der von ihm vertretene Gegenstand zu vermerken.A4 Bei einzelnen Gegenständen können sich die Beteiligten auch einigen, dass dessen Zuordnung mit einer Verpflichtung zur Auszahlung eines bestimmten Geldbetrages an den jeweils anderen verknüpft ist.A5 4. Soweit sich die Beteiligten über die Bildung einzelner Lose nicht einigen können, sind diese unter Beiziehung eines von beiden einvernehmlich bestimmten, mangels Einigung wiederum durch Los ermittelten Dritten, zu bilden.A6 5. Die Lose sind gleichartig zu gestalten und nach Bildung aller Lose gleichförmig zu verschließen, so dass die Lose äußerlich nicht unterscheidbar sind. Die Verlosung kann erst beginnen, wenn sämtliche Beteiligte die Einhaltung der vorstehenden Regeln bestätigt oder auf deren Einhaltung ausdrücklich verzichtet haben.A7 6. Sämtliche Lose sind sodann in ein von außen nicht einsehbares Behältnis zu geben und von beiden Beteiligten nacheinander gründlich zu mischen. 7. Sämtliche Lose werden sodann einzeln und abwechselnd von A und B gezogen. Können sich die Beteiligten nicht einigen, wer von ihnen als Erster wählt, ist die Person des Ersten durch Wurf einer Münze zwischen ihnen zu bestimmen.A8 8. Das Verteilungsverfahren ist beendet, sobald alle Lose verteilt sind.A9
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M 16.1
Losverfahren
Rz. 18 Kap. 16
9. Nach Beendigung des Verteilungsverfahrens sind sämtliche Gegenstände entsprechend der getroffenen Auswahl zu übertragen. Etwaige auf dem Los vermerkte Auszahlungspflichten sind Zug um Zug gegen Übertragung des Gegenstandes zu erfüllen.A10 10. Die Kosten der Übertragung der verteilten Gegenstände und der Entsorgung der nicht verteilten Gegenstände sind von beiden Beteiligten zu gleichen Teilen zu tragen.A11
Anmerkungen zu Muster M 16.1 A1 Ausgangssituation: Vgl. hierzu den oben unter Kap. 15 Rz. 2 ff. geschilderten Sachver- 12 halt. A2 Vorrang der Einigung: S. hierzu M 15 Anm. A2 (Kap. 15 Rz. 21).
13
A3 Verfahrensleitung: Der Wahl eines Verfahrensleiters kommt in Anbetracht der Kompliziertheit und Komplexität des Verfahrens besondere Bedeutung zu.
14
A4 Verfahrensgestaltung: Wegen der Unvorhersehbarkeit und Kompliziertheit des Verfahrens ist es sinnvoll, dem Verfahrensleiter als unabhängiger Instanz das Recht zu geben, im Einzelfall die Verfahrensregeln auszulegen oder zu ergänzen.
15
A5 Bildung der zu verteilenden Gegenstände: S. hierzu M 15 Anm. A4 (Kap. 15 Rz. 23).
16
A6 Transparenz: Die einheitliche Gestaltung des Verfahrens dient der Transparenz und 17 Klarheit der getroffenen Wahl und kann somit etwaigen Versuchen der Manipulation oder einem nachträglichen Infragestellen des Ergebnisses vorbeugen. A7 Kosten: Anwaltliche Kosten nach den allgemeinen Grundsätzen. Notarielle Beurkun- 18 dung erforderlich, sofern auch Gegenstände zu verteilen sind, deren Übertragung entsprechend formbedürftig ist (also z.B. Grundstücke, GmbH-Anteile, Erbteil etc.). Bei notarieller Beurkundung: Geschäftswert i.H.d. Verkehrswertes der gesamten zu verteilenden Gegenstände ohne Abzug etwaiger Verbindlichkeiten (§§ 97 Abs. 1, 38 GNotKG). Hieraus ist nach KV 21100 eine 2,0-Gebühr zu erheben.
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Kapitel 17
Adjusted-Winner-Verfahren
I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignung a) Sachliche Eignung . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 4
b) Persönliche Eignung. . . . . . . . . . . . . . .
5
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 17.1 Adjusted-Winner-Verfahren . . . .
6 6
Literatur: Brams/Taylor, Fair Division. From Cake-Cutting to Dispute Resolution, 1996; Brams/Taylor, The Win-Win Solution: Guaranteeing Fair Shares to Everybody, 1999; Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011.
I. Einführung 1
Das sog. Adjusted-Winner-Verfahren ist ein von Steven J. Brams und Alan D. Taylor entwickeltes mathematisches Verfahren zur Verteilung einer Sachgesamtheit auf zwei Personen.1 Es handelt sich dementsprechend – anders als das Losverfahren – nicht um ein allgemein bekanntes Verfahren. Vielmehr erscheint es auf den ersten Blick als sehr konstruiert und kompliziert. Gleichwohl ähnelt es im Ansatz dem Auktionsverfahren, indem es über eine entsprechende Zuordnung von Punkten die individuellen Präferenzen der Beteiligten in ein objektivierbares Verhältnis zueinander setzt. 1. Grundprinzip
2
Ähnlich wie beim Auktionsverfahren2 müssen alle Beteiligten ihre Präferenzen hinsichtlich der zur Verteilung anstehenden Gegenstände anhand eines Punkteschemas gewichten. Zur Verteilung steht jedem Beteiligten eine gleich hohe Anzahl von Punkten offen. Im Prinzip wird sodann jeder Gegenstand dem Beteiligten zugewiesen, welcher für ihn anhand einer höheren Punktevergabe eine größere Präferenz als der andere Beteiligte zu erkennen gegeben hat.
3
Am besten lässt sich dies anhand des folgenden Beispiels verdeutlichen: A und B sind Miterben zu gleichen Teilen. Sie haben den Nachlass einvernehmlich in drei zur Verteilung anstehende Gruppen aufgeteilt: ein Porsche, ein Aktienpaket sowie die gesamte Gemäldesammlung. In einem ersten Schritt verteilen A und B nun jeder für sich 100 verfügbare Punkte auf diese drei Gruppen. Das Ergebnis wird sodann aufgedeckt. Dieses kann sich z.B. wie folgt darstellen: Vermögensgruppe
A
B
Porsche
50
20
Aktienpaket
20
20
Gemäldesammlung
30
60
Summe
100
100
1 Grundlegend hierzu Brams/Taylor, Fair Division. From Cake-Cutting to Dispute Resolution, 1996; Brams/Taylor, The Win-Win Solution: Guaranteeing Fair Shares to Everybody, 1999; vgl. hierzu auch Eidenmüller in Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011, 229 ff. 2 Vgl. nachfolgend Kap. 18 Rz. 4 ff.
250
Schneeweiß
Adjusted-Winner-Verfahren
Rz. 5a Kap. 17
Aufgrund dieser gewichteten Punktevergabe werden in einem zweiten Schritt jedem Beteiligten die Gegenstände mit einer höheren Präferenz zugewiesen. Danach erhält A den Porsche; B erhält die Gemäldesammlung. In der Summe hat A nun 50 Punkte und B 60 Punkte realisiert. In einem dritten Schritt wird nun die Differenz durch Zuweisung der wegen Punktegleichheit noch nicht zugeordneten Gegenstände zu dem Beteiligten mit dem geringeren Punktegesamtwert. Dies ist im konkreten Fall der A: Dieser erhält das Aktienpaket und hat damit nun insgesamt 70 Punkte. Die nunmehr bestehende Differenz zwischen A und B von 10 Punkten ist nun in einem letzten Schritt auszugleichen. Da am Ende beide Seiten ihre Präferenzen in gleichem Umfang realisieren sollen, müssen sowohl A als auch B nach dem Ausgleich über jeweils 65 Punkte verfügen. Das bedeutet, das A wieder 5 Punkte an B abgeben muss: Hierbei kann man es zunächst dem A überlassen, welche Vermögensgruppe er mit B teilen möchte. Entscheidet er sich z.B. für das Aktienpaket, würde dies angesichts der von A hierfür vergebenen 20 Punkte bedeuten, dass A ein Viertel des Wertes des Aktienpaketes in Aktien an B abgeben muss. In der Summe haben damit von 100 maximal erreichbaren Punkten (bei optimaler Befriedigung aller Präferenzen eines Beteiligten) beide Beteiligten jeweils 65 Punkte realisiert. Da ein gleichförmiges Verfahren (auf jede Vermögensgruppe verteilt jeder Beteiligte gleich hohe Punktsummen) nur zu einem realisierten Punktwert von 50 führen kann, führt das Adjusted-Winner-Verfahren bei unterschiedlichen Präferenzen (zumindest rechnerisch) zu einer besseren Befriedigung aller Präferenzen.
2. Eignung a) Sachliche Eignung Das Adjusted-Winner-Verfahren eignet sich grundsätzlich – ähnlich den anderen distributiven 4 Verfahren – zur Aufteilung komplexer Sachgesamtheiten, wie z.B. bei der Nachlassauseinandersetzung oder Hausratsverteilung. Es kann jedoch darüber hinaus auch in Situationen Anwendung finden, bei welchen es um die Zuteilung verschiedener Verhandlungsthemen kommt, so z.B. in Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern (Lohnerhöhung, einmalige Sonderzahlung, Urlaub, Arbeitszeitverkürzung etc.). Ungeeignet ist es in Situationen, bei denen es lediglich um die Verteilung eines einzelnen Gegenstandes geht. Hier bietet sich eher das Los- oder Auktionsverfahren an. b) Persönliche Eignung In persönlicher Hinsicht erfordert das Verfahren ein erhöhtes Verständnis der Beteiligten für strategisches Vorgehen und einen gewissen Hang zu konstruierten Abläufen. Es verlangt den Beteiligten deutlich mehr Verfahrenstreue und Verständnis ab als die sonstigen Verteilungsverfahren. Insoweit dürfte der Anwendungsbereich letztlich auf Spielernaturen und Strategen begrenzt bleiben, welche am Verfahren der Teilung stärker als am Ergebnis der Verteilung interessiert sein dürften.
5
Problematisch erscheint das Verfahren auch insoweit, als es der Manipulation durch die 5a Beteiligten offen steht: Täuscht ein Beteiligter bewusst über seine eigenen Präferenzen, kann er hierdurch das Wahlverhalten der übrigen Beteiligten beeinflussen und sich, insbesondere wenn er die Präferenzen der anderen Beteiligten kennt, hierdurch unbillige Vorteile verschaffen.
Schneeweiß
251
Kap. 17 Rz. 6
Verfahren zur Teilung
M 17.1
II. Muster 6
M 17.1 Adjusted-Winner-VerfahrenA1 A und B sind sich einig, den Nachlass nach dem am 19.7.2015 verstorbenen Erblasser E im Wege des sog. Adjusted-Winner-Verfahrens auseinander zu setzen.A2 Zu diesem Zweck treffen sie folgende Vereinbarungen: 1. A und B bestimmen im Wege der einvernehmlichen Einigung, mangels Einigung im Wege des Losverfahrens, einen Verfahrensleiter.A3 Dieser ist für die ordnungsgemäße Durchführung des nachfolgenden Verfahrens zuständig. Er kann jedoch – mit Einverständnis der Beteiligten stets, im Übrigen nur in besonders begründeten Fällen und nur ohne Widerspruch eines Beteiligten – von den nachfolgenden Vorgaben für das Verfahren nach seinem freien Ermessen abweichen.A4 2. Soweit sich A und B bis zum Ablauf des … nicht anderweitig über die Aufteilung des Nachlasses geeinigt haben, werden sie den gesamten noch nicht verteilten Nachlass in einzelne zu verteilende Nachlassbestandteile aufteilen.A5 Diese können aus einzelnen oder mehreren Gegenständen oder aus dem Teil eines einzelnen Gegenstandes bestehen. Die so gebildeten Vermögensbestandteile sind schriftlich festzuhalten und von allen Beteiligten zu unterzeichnen. 3. Sodann wird jeder Beteiligte jedem nach Ziff. 2. gebildeten Nachlassbestandteil Punkte von 1-100 zuordnen, indem er auf einem vom Verfahrensleiter ausgehändigten einheitlich gestalteten Bewertungsbogen neben dem jeweiligen Nachlassbestandteil eine entsprechende Zahl notiert.A6 Die Höhe der Punktzahl entspricht der Attraktivität des Nachlassbestandteils für den Beteiligten. Die Summe der insgesamt von jedem Beteiligten vergebenen Punkte darf 100 nicht übersteigen. Diese Auswahl hat geheim zu erfolgen. Für die Vergabe der Punkte steht jedem Beteiligten eine Frist von [zwei] Wochen ab Bildung der Nachlassbestandteile nach Ziff. 2. zur Verfügung. Bis dahin sind sämtliche Bewertungsbögen der Beteiligten bei dem Verfahrensleiter einzureichen. 4. Nach Ablauf der Frist werden die auf den eingereichten Bewertungsbögen vergebenen Punkte für jeden Nachlassbestandteil vom Verfahrensleiter verglichen. Dieser notiert die jeweils vergebenen Punkte unter Angabe des jeweiligen Beteiligten in einer Tabelle auf einem offen sichtbaren Zettel. Sodann stellt er fest, welcher Beteiligte für den jeweiligen Nachlassbestandteil eine höhere Punktzahl vergeben hat. 5. Jeder Nachlassbestandteil wird in einer ersten Stufe demjenigen Beteiligten zugewiesen, welcher für diesen die höchste Punktzahl notiert hatte. Anschließend werden für jeden Beteiligten die von ihm für die ihm zugewiesenen Nachlassbestandteile vergebenen Punkte addiert und das Ergebnis vom Verfahrensleiter als „Summe Stufe 1“ notiert. 6. Nachlassbestandteile, für welche beide Beteiligte die gleiche Punktzahl vergeben haben, werden in einer zweiten Stufe sodann demjenigen Beteiligten zugewiesen, dessen nach Ziff. 5 ermittelte „Summe Stufe 1“ geringer ist als die des anderen. Sodann werden die Punkte, welche der betreffende Beteiligte den ihm hiernach zugewiesenen Nachlassbestandteil zugeordnet hatte, seiner „Summe Stufe 1“ hinzugezählt und das Ergebnis als „Summe Stufe 2“ vom Verfahrensleiter notiert. 7. Soweit die jeweilige „Summe Stufe 2“ immer noch voneinander abweicht, ist das arithmetische Mittel zwischen den jeweiligen „Summen Stufe 2“ zu bilden. 8. Sodann hat derjenige Beteiligte mit der höheren „Summe Stufe 2“ die Differenz zu dem nach Ziff. 7. ermittelten arithmetischen Mittel durch Übereignung eines Teils der ihm bereits zugewiesenen Nachlassbestandteile auszugleichen, so dass alle Beteiligten im Ergebnis über gleiche Punktsummen verfügen. Wird die Bestimmung nicht binnen der vom Verfahrensleiter festzulegenden Frist getroffen, geht das Wahlrecht auf den anderen Beteiligen über. 252
Schneeweiß
M 17.1
Adjusted-Winner-Verfahren
Rz. 12 Kap. 17
9. Können sich die Beteiligten über den Wert der nach Ziff. 8. zu übertragenden Gegenstände nicht einigen, hat der Verfahrensleiter diesen verbindlich festzulegen. 10. Nach Beendigung des Verteilungsverfahrens sind sämtliche Gegenstände entsprechend der getroffenen Zuordnung zu übertragen. Die Kosten der Übertragung trägt jeder für seinen Erwerb.A7
Anmerkungen zu Muster M 17.1 A1 Ausgangssituation: Vgl. hierzu den oben unter Rz. 3 ff. geschilderten Sachverhalt.
6a
A2 Vorrang der Einigung: S. hierzu M 15 Anm. A2 (Kap. 15 Rz. 21).
7
A3 Verfahrensleitung: Der Wahl eines Verfahrensleiters kommt in Anbetracht der Kompliziertheit und Komplexität des Verfahrens besondere Bedeutung zu.
8
A4 Verfahrensgestaltung: Wegen der Unvorhersehbarkeit und Kompliziertheit des Verfahrens ist es sinnvoll, dem Verfahrensleiter als unabhängiger Instanz das Recht zu geben, im Einzelfall die Verfahrensregeln auszulegen oder zu ergänzen.
9
A5 Bildung der zu verteilenden Gegenstände: S. hierzu M 15 Anm. A2 (Kap. 15 Rz. 23).
10
A6 Transparenz: Die einheitliche Gestaltung des Verfahrens dient der Transparenz und 11 Klarheit der getroffenen Wahl und kann somit etwaigen Versuchen der Manipulation oder einem nachträglichen Infragestellen des Ergebnisses vorbeugen. A7 Kosten: Anwaltliche Kosten nach den allgemeinen Grundsätzen. Notarielle Beurkun- 12 dung erforderlich, sofern auch Gegenstände zu verteilen sind, deren Übertragung entsprechend formbedürftig ist (also z.B. Grundstücke, GmbH-Anteile, Erbteil etc.). Bei notarieller Beurkundung: Geschäftswert i.H.d. Verkehrswertes der gesamten zu verteilenden Gegenstände ohne Abzug etwaiger Verbindlichkeiten (§§ 97 Abs. 1, 38 GNotKG). Hieraus ist nach KV 21100 eine 2,0-Gebühr zu erheben.
Schneeweiß
253
Kapitel 18 I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignung des Verfahrens a) Verteilungssituationen . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensleitung durch unabhängige Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auktionsverfahren 1 2 7
c) Finanzielle Leistungskraft . . . . . . . . . .
9
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 18.1 Auktionsverfahren . . . . . . . . . . . .
12 12
8
I. Einführung 1
Die Ausgangssituation beim Auktionsverfahren ist grundsätzlich der beim Los- oder Auswahlverfahren (vgl. Kap. 16) vergleichbar. Im Unterschied zu den letztgenannten Verfahren müssen hier jedoch alle Beteiligten mit der Kommerzialisierung ihrer Interessen am Erhalt eines bestimmten Gegenstandes, also der Umwandlung aller Motive für den Erwerb eines bestimmten Gegenstandes in Geldbeträge, einverstanden sein. 1. Grundprinzip
2
Die Verteilung und Zuordnung von Gegenständen geschieht beim Auktionsverfahren im Wege der Versteigerung eines jeden Gegenstandes. Derjenige Beteiligte, der den höchsten Preis bietet, erhält den Gegenstand zugewiesen und muss – zumindest rechnerisch – den von ihm gebotenen Betrag in eine gemeinsame Kasse zahlen.
3
Nach Beendigung der Auktion wird diese Kasse im Verhältnis der ursprünglichen Berechtigungsanteile an der verteilten Sachgesamtheit (im Zweifel zu gleichen Teilen) aufgeteilt, so dass am Ende jeder Beteiligte wertmäßig den gleichen Anteil in Händen hält, sei es in Form der von ihm ersteigerten Gegenstände, sei es durch Ausschüttung des Versteigerungserlöses.
4
Die konfliktvermindernde Strategie des Auktionsverfahren besteht dabei in der Umwandlung sämtlicher beteiligter Interessen in quantifizierbare und damit leichter teilbare Geldwerte. Zu diesem Zweck ist jeder Beteiligte letztlich gezwungen, sein – wie auch immer geartetes – Interesse am Erhalt eines bestimmten Gegenstandes über ein konkretes Gebot in Geldwert auszudrücken. Der Wert wird folglich – im Unterschied zur Einbindung eines Dritten als Schiedsgutachter – durch die Beteiligten selber in autonomer Weise bestimmt: Jeder Gegenstand erhält so den Wert, den einer der Beteiligten ihm – egal aus welchen Gründen auch immer – maximal zumisst.
5
Die Motive für die jeweilige Wertfestsetzung sind dabei grundsätzlich egal: Entweder meinen die Beteiligten, den objektiven Wert eines Gegenstandes zu kennen, und bieten deshalb bis zu dessen (subjektiv vermuteter) Höhe mit, oder einer der Beteiligten hat ein besonderes Affektionsinteresse an dem konkreten Gegenstand und ist deshalb bereit, auch über einen möglichen (Weiter-) Veräußerungspreis hinaus zu bieten.
6
Im Idealfall führt das Auktionsverfahren zu einer Zuordnung jedes einzelnen Gegenstandes an denjenigen Beteiligten, welcher das größte Interesse an ihm hat und deshalb am meisten für den Gegenstand zu bieten bereit ist. Der „unterlegene“ Teil hat zwar die Frustration über den Verlust des begehrten Gegenstandes, ihm bleibt jedoch wenigstens der wirtschaftliche Vorteil, einen teilweise über den Verkehrswert hinausgehenden anteiligen Veräuße-
254
Schneeweiß
Auktionsverfahren
Rz. 11 Kap. 18
rungserlös erzielt zu haben. Insoweit dürften alle Beteiligten mit dem Ergebnis der Auseinandersetzung zufrieden sein. 2. Eignung des Verfahrens a) Verteilungssituationen Das Auktionsverfahren eignet sich grundsätzlich für sämtliche Verteilungssituationen und bildet eine echte Alternative zum Los- oder Auswahlverfahren (Kap. 16). Es kommt somit ebenfalls z.B. in folgenden Situationen in Betracht: – Hausratsteilung im Rahmen eines Scheidungsverfahrens – Verteilung des Inventars einer Bürogemeinschaft – Nachlassauseinandersetzung – Aufteilung einer Kundenkartei – Aufteilung einer Kunstsammlung
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b) Verfahrensleitung durch unabhängige Dritte Das Auktionsverfahren setzt gegenüber den anderen Verteilungsverfahren eine größere Verfahrenstreue der Beteiligten voraus. Deshalb empfiehlt es sich in der Regel, die Durchführung der Auktion und Verfahrensleitung einem unabhängigen Dritten zu übertragen.
8
c) Finanzielle Leistungskraft Weiter setzt das Auktionsverfahren voraus, dass allen Beteiligten eine Quantifizierung ih- 9 rer Interessen in Geldwerte in gleicher Weise in finanzieller und intellektueller Hinsicht möglich ist. Dies bedeutet, dass einerseits jeder bereit und imstande sein muss, bis zur Höhe seines subjektiven Interesses auf Erwerb des Gegenstandes geldwerte Gebote abzugeben und andererseits zugleich in der Lage ist, sein Affektionsinteresse zu erkennen und entsprechend quantifizieren zu können. Damit hier eine gewisse Chancengleichheit besteht, müssen alle Beteiligten ungefähr glei- 10 che finanzielle Leistungskraft aufweisen. Ist dies nicht der Fall, setzt sich dann letztlich der von Anfang an finanziell Leistungsstärkere durch; dies umso leichter, je mehr sich der finanziell schwächere Beteiligte bereits im Anfangsstadium der Auktion „verausgabt“ hat und sein „Auktionsguthaben“ auch nicht durch strategisches Mitbieten im weiteren Verlauf der Auktion ausreichend angestiegen ist. Die erwünschte Ausgeglichenheit der jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit aller Be- 11 teiligter lässt sich ggf. auch durch eine (einvernehmliche oder angeordnete) Festlegung eines bestimmten Guthabens zu Beginn der Auktion erreichen. Die Höhe des anfänglichen Auktionsguthabens sollte jedoch aus psychologischen Gründen die Höhe des bei vorsichtiger Schätzung jedem Beteiligten zustehenden Anteils am Gesamterlös der Auktion (d.h. den prognostizierten Wert aller Gegenstände) nicht übersteigen.
Schneeweiß
255
Kap. 18 Rz. 12
Verfahren zur Teilung
M 18.1
II. Muster 12
M 18.1 AuktionsverfahrenA1 Die Beteiligten sind sich einig, das gesamte Inventar ihres gemeinsam betriebenen Architekturbüros im Wege eines internen Auktionsverfahrens auseinanderzusetzen.A2 Zu diesem Zweck vereinbaren sie Folgendes: 1. Jeder einzelne Gegenstand, über dessen Zuordnung sich die Beteiligten nicht [bis zum Ablauf von zwei Wochen ab heute] schon im Vorfeld geeinigt haben,A3 wird unter den Beteiligten versteigert; ferner ist jeder Gegenstand ohne weitere Verteilungsverhandlung in das Auktionsverfahren einzubeziehen, sobald dies einer der Beteiligten verlangt.A4 2. Die Versteigerung ist von einem unabhängigen Dritten als Auktionsleiter durchzuführen. Können sich die Beteiligten nicht gemeinsam auf eine Person verständigen, kann jeder einen Auktionator seiner Wahl vorschlagen: Diese leiten dann die Auktion gemeinsam (alternativ: Unter diesen ist der Auktionsleiter durch Los zu ermitteln).A5 3. Die Auktion wird durchgeführt, indem jeder einzelne Gegenstand zum Meistgebot den Beteiligten angeboten wird. Beide Beteiligten sind unbeschränkt zur Abgabe von Geboten berechtigt.A6 Jedem Beteiligten steht ein fiktives „Auktionsguthaben“ von 10 000 Euro zu.A7 Derjenige, welcher das höchste Gebot abgegeben hat, erhält den ausgebotenen Gegenstand. Der von ihm gebotene Preis ist als seine Zahlschuld an die Auktionskasse zu notieren und am Ende mit dessen Auseinandersetzungsanspruch hinsichtlich des Gesamtguthabens in der Auktionskasse zu verrechnen.A8 4. Die Auktion ist zu beenden, sobald entweder sämtliche Gegenstände versteigert sind oder für die verbleibenden Gegenstände keine Gebote mehr abgegeben werden.A9 Gegenstände, für welche keinerlei Gebot abgegeben worden ist, sind – mangels anderweitiger Einigung der Beteiligten – auf Kosten der AuktionskasseA10 zu entsorgen. 5. Die Summe der abgegebenen Gebote bildet den Auktionserlös. Der Auktionserlös ist sodann wie folgt zu verteilen: Grundsätzlich steht jedem Beteiligten ein gleich hoher AnteilA11 am Auktionserlös zu. Dieser Anteil ist jedoch für jeden Beteiligten zu verrechnen mit der Summe der einzelnen vom jeweiligen Beteiligten abgegebenen Höchstgebote. Sofern sich hiernach ein negativer Betrag ergibt, ist dieser als Zahlschuld an die Auktionskasse zu entrichten. Bleibt die Summe der Höchstgebote eines Beteiligten unter seinem rechnerischen Anteil am Auktionserlös, steht ihm ein Zahlanspruch gegen die Auktionskasse in Höhe der Differenz zu.A12
Anmerkungen zu Muster M 18.1 12a
A1 Ausgangssituation: Die Beteiligten sind Partner eines Architekturbüros und haben sich entschieden, künftig getrennte Wege zu gehen. Im Laufe ihrer gemeinsamen Tätigkeit ist unter anderem eine stattliche Bibliothek angeschafft worden und sind viele gemeinsame Architekturmodelle und -entwürfe entstanden. Da beide gleiche Rechte für sich in Anspruch nehmen, suchen sie nach einem Weg, möglichst konfliktfrei das gesamte Inventar ihres Büros untereinander zu verteilen. Den Zufälligkeiten des Losverfahrens wollen sie die Verteilung jedoch nicht überlassen.
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A2 Einigung über Verfahren: Das Auktionsverfahren setzt – wie sämtliche Distributionsmechanismen – zu Beginn eine grundsätzliche Verständigung der Beteiligten über das Verfahren voraus, um einen dauerhaften Erfolg im Sinne einer von sämtlichen Beteiligten akzeptierten Auseinandersetzung zu gewährleisten. Widersetzt sich z.B. einer der Beteiligten – 256
Schneeweiß
M 18.1
Auktionsverfahren
Rz. 18 Kap. 18
z.B. wegen der von ihm geltend gemachten Bevorzugung des finanziell leistungsstärkeren Beteiligten – grundsätzlich gegen das Verfahren, sollte entweder nach einem anderen Verfahren (z.B. strenge Realteilung durch Wertfestsetzung mittels Schiedsgutachter) oder nach Modifikationen der Auktionsregeln (Einigung über ein anfängliches Auktionsguthaben, Stundung einer etwaigen Zahllast oder Verrechnung mit anderen Ansprüchen etc.) gesucht werden. A3 Vorrang der einvernehmlichen Zuordnung: Soweit sich die Beteiligten über die Zuordnung einig sind, bedarf es keines gesonderten Verteilungsverfahrens. Auf diese Weise kann z.B. auch das Problem des von allen Beteiligten anerkannten subjektiven Affektionsinteresses eines Beteiligten (z.B. bzgl. eines evtl. objektiv wertlosen Erinnerungsstückes) bereits im Vorfeld einvernehmlich gelöst werden: Hier steht jedem Beteiligten auch das (durchaus legitime) Feld für argumentative Klimmzüge zur Überzeugung oder Überredung der anderen Beteiligten offen. Um jedoch der dadurch eröffneten Streitmöglichkeit der Beteiligten nicht unbegrenzt Raum zu bieten, sollte eine Frist für diesen freien Einigungsversuch gesetzt werden.
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A4 Streitvermeidung: Das Verlangen der Einbeziehung in das Auktionsverfahren soll ei- 15 nen möglichen aufkommenden Streit der Beteiligten im Keim ersticken helfen: Sind sich die Beteiligten (über Zuordnung oder Wert eines Gegenstandes) nicht einig, kann jeder von ihnen die Auseinandersetzung dadurch beenden, dass er verlangt, den betroffenen Gegenstand durch Versteigerung zu verteilen. So kann keiner der Beteiligten gegen seinen Willen in eine zeitraubende oder psychisch belastende Auseinandersetzung gezwungen werden. A5 Verfahrensleitung: Jedes Verfahren sollte eine Entscheidung über den Verfahrensleiter 16 treffen. Sofern kein Beteiligter Bedenken äußert, könnte dies auch einer der Beteiligten selbst sein. Da dessen Aufgaben für alle Beteiligten uneingeschränkt transparent sind, besteht auch kein besonderes Missbrauchsrisiko. Gleichwohl bietet es sich aus Praktikabilitätsgründen an, eine unabhängige (Vertrauens-)Person als Auktionsleiter hinzuzuziehen, weil anderenfalls der Auktionsleiter für seine eigenen Gebote den Zuschlag erteilen müsste und dessen Schnelligkeit durchaus zu Streit der Beteiligten führen könnte. A6 Recht zur Abgabe von Geboten: Jedem Beteiligten sollte es freistehen, auch über seine 17 ursprüngliche Beteiligung hinaus Gebote abgeben und Gegenstände ersteigern zu dürfen. Damit kann im Extremfall die gesamte Verteilungsmasse einem Beteiligten allein zugewiesen werden und der andere lediglich einen Geldbetrag in Höhe der Hälfte des durch Auktion ermittelten Gesamtwertes erhalten. Ob dies – bei Überschreitung des quotalen Berechtigungsverhältnisses durch einen Beteiligten – nur nach entsprechender Stellung einer Sicherheit (z.B. Barzahlung für jedes weitere Gebot) zulässig sein sollte, muss im Einzelfall geklärt werden. Die genaue Ermittlung der Kongruenz von Summe des Wertes der ersteigerten Gegenstände und quotalem Berechtigungsverhältnis stellt jedoch an den Auktionsleiter eine sich mit jedem Gebot aufs Neue stellende mathematische Herausforderung dar und sollte deshalb nur in Fällen mit extrem misstrauischen oder zerstrittenen Beteiligten in Erwägung gezogen werden. A7 Fiktives Auktionsguthaben: Die Festlegung eines Auktionsguthabens verschafft jedem 18 Beteiligten eine für das Mitbieten um jeden Gegenstand erforderliche Liquidität und dient letztlich der Chancengleichheit aller Beteiligter. Die Höhe des Auktionsguthabens sollte sich an dem zu erwartenden Gesamterlös orientieren: Ist – bei vorsichtiger Schätzung – ein Gesamterlös der Auktion i.H.v. 20 000 Euro zu erwarten, kann z.B. bei zwei Beteiligten jedem ein Auktionsguthaben i.H.v. 10 000 Euro, bei vier Beteiligten jedem ein Auktionsguthaben i.H.v. 5000 Euro eingeräumt werden. Dieses Auktionsguthaben wird am Ende mit der Zahllast jedes Beteiligten an die Auktionskasse verrechnet und muss damit nicht in bar gestellt werden, wenn nicht die Beteiligten auf Barzahlung für jedes einzelne Gebot bestehen. Schneeweiß
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Kap. 18 Rz. 19
Verfahren zur Teilung
M 18.1
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A8 Verrechnungsabrede: Die Bareinzahlung für jeden einzelnen Gegenstand dürfte die Ausnahme bilden, weil sie auch die Liquidität jedes einzelnen Beteiligten – zumindest für die Dauer des Auktionsverfahrens – unnötig belastet. Schwerer wiegt jedoch der Umstand, dass ein Barzahlungsgebot auch prohibitiven Charakter entfalten kann, wenn einem einzelnen Beteiligten die Vorfinanzierung sämtlicher von ihm abgegebener Gebote nicht möglich ist. Deshalb dürfte die Möglichkeit der Behandlung der erfolgreichen Gebote als reine Rechnungsposten zur endgültigen Verrechnung mit dem Auseinandersetzungsguthaben am Gesamterlös im Regelfall vorzugswürdig sein. Nur wenn ein Beteiligter ersichtlich über seine Gesamtquote hinaus Gebote abgibt und berechtigte Zweifel daran bestehen, dass er die so entstehende Verpflichtung zum finanziellen Ausgleich seines Mehrerwerbs erfüllen kann, sollte m.E. an eine Barzahlungspflicht gedacht werden.
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A9 Auktionsende: Die Beendigung durch vollständige Auseinandersetzung ist der (seltene) Idealfall. Häufiger wird ein erheblicher Teil der Gegenstände keinerlei Interessenten finden, auch wenn das Gebot noch so gering zu sein bräuchte. Diese Gegenstände sind dann sofort auszusondern und im Anschluss an die Auktion zu entsorgen.
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A10 Restverteilung: Dies verhindert einen weiteren Streit über die Verantwortlichkeit für die Beseitigung des „Restmülls“.
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A11 Verteilungsquoten: Sollte an der auseinander zu setzenden Sachgesamtheit ein anderes Berechtigungsverhältnis bestehen, ist auch das Auktionsguthaben entsprechend aufzuteilen.
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A12 Verteilungsmodus: Der Verteilungsmodus funktioniert immer nach dem gleichen Grundschema. Zunächst werden alle Höchstgebote addiert. Das ergibt das gesamte Auktionsguthaben. An diesem sind die Beteiligten entsprechend ihres ursprünglichen Anteils an der zu versteigernden Verteilungsmasse berechtigt. Wer im Rahmen der Auktion in der Summe weniger Gebote abgegeben hat, als seinem Anteil entspricht, bekommt die Differenz in Geld. Wer in der Summe höhere Gebote abgeben hat, als seinem Anteil entspricht, muss die Differenz „nachzahlen“. Ob hierbei ein fiktives Anfangsguthaben eingeräumt wird oder nicht, spielt hierfür keine Rolle: Dieses dient nur der anfänglichen „Kreditierung“ der einzelnen Beteiligten. Ausgleichspflichtig sind lediglich die am Ende errechneten Differenzen zwischen dem Anteil am gesamten Auktionserlös und dem Wert (Höchstgebot) der vom einzelnen Beteiligten im Rahmen der Auktion erworbenen Gegenstände. Beispiel: A und B haben jeweils ein Auktionsguthaben i.H.v. 10 000 Euro. B hat Gegenstände im Gesamtbetrag von 25 000 Euro, A Gegenstände im Gesamtbetrag von 7000 Euro ersteigert. Die Summe der Höchstgebote beträgt somit 32 000 Euro. Hieran stehen A und B jeweils 16 000 Euro zu. Da B Gegenstände im Wert von 25 000 Euro ersteigert hat, muss er an die Auktionskasse nun 9000 Euro zahlen. Umgekehrt hat A gegen die Auktionskasse einen Zahlanspruch von 9000 Euro. Somit haben A und B per Saldo als Ergebnis der Auktion Vermögenswerte i.H.v. jeweils 16 000 Euro erhalten. Dieses Ergebnis entspricht der Hälfte der Summe aller bei der Auktion abgegebenen Höchstgebote. Das anfängliche Auktionsguthaben spielt keine weitere Rolle mehr.
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Kapitel 19
Aufteilungs- und Auswahlverfahren
A. Aufteilungs- und Auswahlverfahren I. Einführung 1. Das Verfahren: Einer teilt, der andere sucht aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhaltensanreize innerhalb des Verfahrens a) Idee des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Auswählende . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Aufteilende . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Versuche, das Verfahren scheitern zu lassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Eignung des Verfahrens a) Bloße Teilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschaffenheit der zu teilenden Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Leistungsfähigkeit der Beteiligten . . . . d) Mehrere Beteiligte, ungleiche Quoten
1 3 4 5 7 9 10 14 15
4. Mögliche Anwendungsgebiete . . . . . . . . . 5. Rechtliche Ausgestaltung a) Vorvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedingte Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufwand und Nutzen. . . . . . . . . . . . . .
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II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 19.1 Verfahrenssteuernder Vorvertrag
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B. Aufteilungs- und Auswahlverfahren über eine GmbH (Abspaltung zur Neugründung und Tausch von Geschäftsanteilen) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 19.2 Vereinbarung über ein Aufteilungs- und Auswahlverfahren . . .
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Literatur: Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011, 228 ff.; Raiffa, The Art & Science of Negotiation, 1982, 297 ff.; Risse, Wirtschaftsmediation, 2003, 372 f.
A. Aufteilungs- und Auswahlverfahren I. Einführung 1. Das Verfahren: Einer teilt, der andere sucht aus Das Verfahren leuchtet unmittelbar ein. Es dient nicht selten Kindern zur gerechten Teilung – etwa von Kuchenstücken. Schon Abraham und sein Neffe Lot legten so ihren Streit bei: Abraham überließ Lot die Wahl zwischen dem Land nach Osten und dem nach Westen und zog selbst dorthin, wo Lot nicht hinzugehen wünschte.1
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Abraham konnte Lot die Wahl zwischen zwei natürlichen Hälften überlassen. Für die au- 2 ßergerichtliche Streitbeilegung muss das Verfahren enger gefasst und optimiert werden. Der Ablauf wird in einer verfahrenssteuernden Vereinbarung niedergelegt, um Rechtssicherheit und Vollzugsautomatismus zu erreichen. Die Parteien ermitteln, wer als aufteilender und wer als auswählender Teil agiert. Hat der Aufteilende die Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechtes durch Bildung von Teilmassen geschaffen, so ist der Auswählende verpflichtet, von seinem Wahlrecht binnen einer Frist Gebrauch zu machen, andernfalls das Wahlrecht auf den Aufteilenden übergeht. Eine faire Teilung wird dem Aufteilenden in vielen Fällen erleichtert werden, wenn sein Aufteilungsvorschlag auch Ausgleichsleistungen in Geld enthalten darf.2
1 S. Das erste Buch Mose 13, 6 bis 12. 2 S.a. Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011, 228.
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Kap. 19 Rz. 3
Verfahren zur Teilung
2. Verhaltensanreize innerhalb des Verfahrens a) Idee des Verfahrens 3
Das Verfahren beruht auf einer einfachen Idee: Weil der Aufteilende damit rechnen muss, dass der Auswählende sich eigennützig verhält und die bessere Teilmasse auswählen wird, sieht er sich gezwungen, zwei möglichst gleichwertige Hälften zu bilden. Auf diese Weise wird das Wissen der Beteiligten für eine gerechte Lösung des Verteilungskonfliktes genutzt. Dass beide Parteien das Ergebnis später für einigermaßen fair halten können, setzt allerdings einen wenigstens ungefähren Gleichlauf der Interessen und Einschätzungen voraus. b) Der Auswählende
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Der Auswählende muss die beiden Wahlmöglichkeiten bewerten und sich zwischen diesen entscheiden. Für strategisches Verhalten bleibt wenig Raum. Im Einzelfall könnte er feststellen, dass ihm beide Wahlmöglichkeiten weniger attraktiv erscheinen als seine außerhalb des Verfahrens liegenden Alternativen. In diesem Fall hat er ein Interesse, das Verfahren scheitern zu lassen. Die verfahrenssteuernde Vereinbarung sollte ihn daher verpflichten, eine Wahl zu treffen. Trifft er gleichwohl keine Wahl, so kann vorgesehen sein, dass das Wahlrecht auf den Aufteilenden übergeht, der aber auch dann an seine beiden ursprünglich gebildeten Wahlmöglichkeiten gebunden bleibt. c) Der Aufteilende
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Die Rolle des Aufteilenden kann als nachteilig empfunden werden, weil der andere die für ihn bessere Hälfte auswählen darf. Diese Einschätzung ist aber nicht in jedem Fall zutreffend. Der Aufteilende kann nämlich versuchen, die zwischen den Parteien bestehenden Unterschiede zu nutzen, um ein für ihn günstiges Ergebnis zu erzielen. Je unterschiedlicher die Interessen und Ressourcen der Parteien und je größer die Kenntnis des Aufteilenden von den Präferenzen der anderen Seite, desto eher wird ihm dies gelingen. Wenn etwa eine Erbmasse mit Immobilienvermögen und einem risikobehafteten Aktiendepot zu verteilen ist und wenn der Aufteilende dann weiß, dass der Auswählende – anders als er selbst – als risikoscheu einzuschätzen ist, kann er dieses Wissen strategisch nutzen. Er kann die für ihn attraktiven Immobilien mit dem riskanten Aktiendepot in einer Wahlmöglichkeit verbinden und hoffen, der andere möge die eigentlich schlechtere, aber risikofreie Möglichkeit wählen. Je besser der Aufteilende die von seinen eigenen abweichenden Interessen und Präferenzen der anderen Seite kennt, desto eher kann er das Verhalten der anderen Seite vorhersagen. Seine Unsicherheit über die Wahl des anderen, die ihn ja erst zu einer gerechten Teilung drängt, verringert sich. Es drohen einseitige Ergebnisse. Die Rolle des Aufteilenden wird daher vor allem für den attraktiv sein, der – relativ zu dem Auswählenden – risikofreudiger ist und der die Präferenzen des Auswählenden einzuschätzen vermag.1
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In vielen Fällen aber wird ihn die drohende Wahl der anderen Seite zu einem vergleichsweise gerechten Vorschlag veranlassen. Denn die Vermutungen des Aufteilenden über die Präferenzen und Interessen der anderen Seite bleiben in aller Regel spekulativ. Vor allem derjenige Aufteilende, der nicht risikofreudig ist, wird daher zu aus seiner Sicht gerechten Vorschlägen neigen.
1 S. Raiffa, The Art & Science of Negotiation, 1982, 297 ff. und Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011, 229.
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Aufteilungs- und Auswahlverfahren
Rz. 10 Kap. 19
d) Versuche, das Verfahren scheitern zu lassen Hat sich der risikofreudige Aufteilende strategisch verhalten, weil er glaubte, den Auswäh- 7 lenden einschätzen zu können, so kann es zu Überraschungen kommen. In einem Fall aus der Praxis des Verfassers entschied sich der vermeintlich risikoscheue Auswählende dann doch für die attraktivere, aber mit Risiken behaftete Möglichkeit. Der Aufteilende hatte sich verrechnet und unternahm verschiedene (erfolglose) Anstrengungen, die rechtliche Wirksamkeit der Teilung und die Verbindlichkeit des Verfahrens infrage zu stellen. Denn auch der risikofreudige Aufteilende sieht das sich verwirklichende Risiko nicht gerne. Wie bei allen Verfahren, die einen gewissen Spielcharakter aufweisen, kann auch bei einem Aufteilungs- und Auswahlverfahren eine Seite glauben, verloren zu haben, etwa infolge einer unerwarteten Auswahl des anderen. Ab diesem Zeitpunkt verfügt sie über ein Interesse an der Nichtdurchführung des Verfahrens. Sie unterliegt dem Verhaltensanreiz, den weiteren Fortgang zu behindern, ihre Verfahrenstreue sinkt. Vor diesem Hintergrund sollte die verfahrenssteuernde Vereinbarung mit einem möglichst hohen Vollzugsautomatismus versehen sein. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts sollten keine tatsächlichen oder rechtlichen Mitwirkungshandlungen der Beteiligten mehr erforderlich sein.
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3. Die Eignung des Verfahrens a) Bloße Teilung Das Verfahren dient der Teilung. Es ist, wie alle distributiven Verfahren, nicht auf die Erzie- 9 lung von Kooperationsgewinnen angelegt. Die Ergebnisse werden, im Vergleich zu verhandelten Einigungen, nicht selten suboptimal bleiben.1 Das Verfahren bietet sich daher an, wo Verhandlungen und Mediation, aus welchen Gründen auch immer, keinen Erfolg (mehr) versprechen, und den Beteiligten vor allem an einer kosteneffizienten und zeitnahen Einigung gelegen ist. b) Beschaffenheit der zu teilenden Gegenstände Zunächst muss eine Teilung überhaupt möglich sein. Diese Teilbarkeit wird erleichtert, 10 wenn der Aufteilende in seinem Teilungsvorschlag Ausgleichszahlungen vorsehen darf. Ist deren Zulässigkeit nicht eingeschränkt, so könnte es im Einzelfall dazu kommen, dass der eine lediglich eine Zahlung erhält, während dem anderen alle Gegenstände, also etwa alle Sachwerte, verbleiben. Das Verfahren würde sich dann dem aus dem Bereich des Gesellschaftsrechtes bekannten Übernahmeverfahren annähern, bei dem ein Partner eines Joint Ventures dem anderen ein Angebot für dessen Gesellschaftsanteile machen darf mit der Wirkung, dass für den anderen die Pflicht zur Wahl entsteht, ob er seine Anteile zu diesem Preis verkaufen oder die Anteile des anderen zu einem entsprechenden Preis erwerben will (s. Kap. 21 Rz. 6 ff.). In der Regel wird das Aufteilungs- und Aufteilungsverfahren aber nur dann Anwendung finden, wenn die zu verteilenden Gegenstände dergestalt kleinteilig sind, dass eine abgestufte und wertgenaue Teilung überhaupt denkbar ist.
1 Dies sei an dem bekannten Orangenbeispiel (in dem die erste Schwester das Fruchtfleisch der Orange essen will, während die zweite nur die Schale verbacken will) erläutert: Selbst bei Kenntnis der Interessen würde die aufteilende erste Schwester die optimale Lösung wohl nicht vorschlagen; denn sie würde sich im Falle einer Fehleinschätzung oder Willensänderung dem Risiko aussetzen, mit der für sie völlig nutzlosen Schale vorlieb nehmen zu müssen. Dass bei fehlender Kenntnis der Interessen (also ohne Verhandlungen) ein suboptimales Ergebnis droht, liegt ohnehin auf der Hand.
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Kap. 19 Rz. 11
Verfahren zur Teilung
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Zudem sollte es um Gegenstände gehen, an denen beide Seiten Interesse haben. Will man etwa Sachwerte verteilen, müssen diese für beide Seiten Wert aufweisen. Andernfalls kann der Aufteilende versuchen, die Unterschiede zwischen den Beteiligten zu nutzen, um sich einseitige Vorteile zu verschaffen. Sollen etwa ein Familienunternehmen sowie Grundbesitz im Privatvermögen zwischen verfeindeten Gesellschafterstämmen aufgeteilt werden, so wird das Verfahren nur in Betracht kommen, wenn sich beide Familienstämme vorstellen können, das Unternehmen fortzuführen.
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Der Streitgegenstand bzw. die aufzuteilenden Gegenstände sollten in der Regel auch so beschaffen sein, dass die gebildeten Teilmassen – voraussichtlich – vergleichbar sein werden. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn homogene Maßstäbe zur Beurteilung der Fairness des Teilungsvorschlages verwendet werden können, wie etwa Wertverhältnisse, Gewinnerwartungen oder Prozessrisiken. Notwendig ist solche Vergleichbarkeit aber nicht. Das Verfahren kann auch dazu dienen, einen Tausch ganz unterschiedlicher Gegenstände und/oder Handlungen, gewissermaßen im Wege des Kuhhandels, zu organisieren. Je weniger sich die gebildeten Teilmassen aber vergleichen lassen, desto stärker wird der Spielcharakter des Verfahrens in den Vordergrund treten.
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Da der Aufteilende Unterschiede zwischen den Beteiligten für strategisches Verhalten nutzen kann, sollte die Eignung des Verfahrens dort kritisch hinterfragt werden, wo wenigstens eine Seite ein auf einzelne Gegenstände gerichtetes Affektionsinteresse mitbringt. Wenn die andere Seite hiervon Kenntnis hat, kann sich der Aufteilende dieses Affektionsinteresse durch geschickte Gestaltung der Teilmassen vergüten lassen. Der betroffene Auswählende wird dies vielfach als unbefriedigend empfinden, was auf der Wertung beruht, dass Geschäfte, die wirtschaftliches Interesse und Affektionsinteresse in Austausch bringen, moralisch fragwürdig sind. c) Leistungsfähigkeit der Beteiligten
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Das Verfahren kommt nur in Betracht, wenn beide Seiten in der Weise ausreichend leistungsfähig sind, dass sie jeden der aufgrund der verfahrenssteuernden Vereinbarung denkbaren Teilungsvorschläge auch annehmen können, ohne in eine wirtschaftliche Notlage zu geraten. Ausgleichszahlungen etwa müssen erbracht werden können. Andernfalls könnte die leistungsfähigere Partei versuchen, sich strategisch zu verhalten und die andere Seite durch hohe Geldzahlungen zu einer ungünstigen Wahl zu zwingen. Überhaupt wird der Berater das Verfahren nur soweit anraten können, als die Fähigkeit seiner Mandanten reicht, allenfalls denkbare Verluste zu verkraften. Wie bei allen Verfahren, die auch Spielcharakter aufweisen, sollte das im schlechtesten Fall sich ergebende Szenario durchdacht werden und wirtschaftlich notfalls hinnehmbar sein. d) Mehrere Beteiligte, ungleiche Quoten
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Eine Mehrzahl von Beteiligten schließt die Anwendbarkeit des Verfahrens nicht unbedingt aus. Denkbar wäre etwa ein mehrstufiges Verfahren, in dem zuerst eine Partei sich mit allen anderen auseinander setzt und sodann in jeder Runde ein weiterer Beteiligter ausscheidet, indem er mit allen anderen in ein erneutes Aufteilungs- und Auswahlverfahren eintritt. Meist aber wird sich bei einer Mehrzahl von Beteiligten eher ein Auktionsverfahren empfehlen, wie es an anderer Stelle dargestellt ist (s. Kap. 18).
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Ähnliches gilt für abweichende Beteiligungsquoten. Sind etwa zwei Miterben mit Quoten zu 1/3 und 2/3 beteiligt, so kann der Aufteilende verpflichtet werden, drei Teilmassen zu bil-
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Aufteilungs- und Auswahlverfahren
Rz. 19 Kap. 19
den, aus denen der Auswählende seinen oder seine Anteile auswählen darf.1 Damit verbessern sich aber die Möglichkeiten des Auswählenden passgenau auszuwählen, was seiner Entscheidung einen auch aufteilenden Charakter verleiht. Im Einzelfall könnte er damit einseitig Vorteile erwerben. Wenn etwa bei einer Beteiligungsquote von 1/5 und 4/5 der mit 4/5 Beteiligte auswählen darf, so könnte es dazu kommen, dass der Aufteilende mit dem ihm verbleibenden 1/5 relativ gesehen schlechter fährt. Die notwendig sich ergebenden Schwankungen bei der Bildung vieler Teilmassen gingen auf seine Kosten. Auch hier kann alternativ an das schon erwähnte Auktionsverfahren gedacht werden. 4. Mögliche Anwendungsgebiete Die vorstellbaren Anwendungen des Aufteilungs- und Auswahlverfahrens reichen weit und 17 können nur beispielhaft genannt werden. Zu denken ist vor allem an die Auseinandersetzung von Sachgesamtheiten, von Familiengesellschaften und Erbengemeinschaften. Überall da, wo Personen um die Verteilung von Gegenständen ringen, kann in dieser Weise geteilt werden. Voraussetzung ist stets, dass alle Seiten an den sich ergebenden Teilmassen Interesse haben. Vorliegend wird zunächst unter M 19.1 (Rz. 24 ff.) ein einfaches Beispiel zur Teilung einer 18 Reihe von Kunstwerken mit einem Muster vorgestellt. Unter M 19.2 (Rz. 32 ff.) wird dann eine anspruchsvollere Gestaltung zur Aufspaltung einer GmbH durch einen Umwandlungsvorgang erläutert. 5. Rechtliche Ausgestaltung a) Vorvertrag Die einfachste Möglichkeit der rechtlichen Ausgestaltung besteht darin, den Inhalt des Ver- 19 fahrens zu schildern und die Beteiligten zu verpflichten, an diesem Verfahren mitzuwirken und eine Auseinandersetzungsvereinbarung mit dem Inhalt zu treffen, wie er sich aus dem Verfahren ergeben wird. Rechtlich wäre dies im Sinne eines Vorvertrages zu verstehen, der zum Abschluss eines Vertrages verpflichtet, dessen Inhalt in dem Verfahren erst noch ermittelt werden muss. Eine solche rein schuldrechtliche Abrede wird hier zunächst vorgestellt. Die Nachteile einer solchen Gestaltung liegen auf der Hand: Sie widerspricht wichtigen Grundsätzen der Vertragsgestaltung. Das Problem der Dokumentation des Inhaltes und des Ergebnisses des Verfahrens kann noch gelöst werden; entweder durch Zuziehung einer neutralen Person, die über den Ablauf des Verfahrens Aufzeichnungen führt, oder aber durch die Vereinbarung eines Schriftformerfordernisses für den Teilungsvorschlag des Aufteilenden. Gewichtigere Bedenken ergeben sich aber unter dem Gesichtspunkt der Verfahrenstreue. In der Regel wird Verfahrenstreue bei beiden Seiten solange gegeben sein, als sich das Ergebnis des Verfahrens noch nicht abzeichnet. Ist dies aber erst der Fall, kann eine Seite enttäuscht sein und glauben, verloren zu haben. Sie hat dann das Interesse, den Fortgang des Verfahrens zu behindern und dieses, wenn möglich, scheitern zu lassen. Weitere rechtliche und tatsächliche Handlungen, die zur Niederlegung und zum Vollzug der Teilung erforderlich sind, werden dann unter Umständen zögerlich oder auch gar nicht vorgenommen, so dass neuer Konflikt ins Haus stehen kann.
1 S. Duve/Eidenmüller/Hacke, Mediation in der Wirtschaft, 2. Aufl. 2011, 228 f.
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Kap. 19 Rz. 20
Verfahren zur Teilung
b) Bedingte Angebote 20
Vertragsgestalter, vor allem neutrale Vertragsgestalter, streben daher stets Vereinbarungen an, die aus sich selbst heraus wirksam und durchführbar sind.1 Dem Problem der fehlenden Verfahrenstreue wird durch einen möglichst hohen Vollzugsautomatismus entgegengewirkt. Entscheidend ist, ab welchem Zeitpunkt sich das Verfahren von der Mitarbeit der Beteiligten löst und ohne diese zu Ende geführt werden kann. Dieser Zeitpunkt sollte dabei demjenigen Zeitpunkt entsprechen oder vorgehen, zu dem typischerweise die Verfahrenstreue der Beteiligten ins Wanken geraten kann. Das Aufteilungs- und Auswahlverfahren etwa sollte ab dem Zeitpunkt vollzugsautomatisch verlaufen, ab dem der Auswählende Kenntnis von dem Teilungsvorschlag des Aufteilenden erhalten hat.
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Rechtlich ist dies zu bewerkstelligen, indem der Aufteilende in einer verfahrenssteuernden Vereinbarung verpflichtet wird, seinen Teilungsvorschlag in die Form rechtsverbindlicher Angebote zu kleiden, die – soweit möglich – bereits alle notwendigen dinglichen und sonstigen Erklärungen enthalten. Dabei handelt es sich genau genommen um zwei Angebote, die in der Weise bedingt sind, dass nur eines von beiden angenommen werden kann. Die Kautelen der Angebote und deren Text sollten in der verfahrenssteuernden Vereinbarung vorgegeben werden, um bewusst manipulative Angebote auszuschließen und das Verfahren im Voraus berechenbar zu machen. Sollte der Auswählende von seinem Wahlrecht innerhalb einer vorgegebenen Frist keinen Gebrauch machen, geht das Wahlrecht auf den Aufteilenden über, der dann entscheiden kann, wer welche Teilungsmasse erhält.2 Damit ist weitgehender Vollzugsautomatismus erreicht, sobald der Teilungsvorschlag niedergelegt ist. Flankierende Vollzugsvollmachten an neutrale Dritte können weitere Sicherheit geben. c) Aufwand und Nutzen
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Ob eine solche aufwendige Vertragsgestaltung im Einzelfall geboten ist, muss abgewogen werden. Geht es um geringe Werte, vertrauen die Beteiligten einander oder darf nach der Interessenlage oder der Natur der zu verteilenden Gegenstände auf ausreichende Verfahrenstreue gerechnet werden, so wird sich die einfache, vorvertragliche Lösung empfehlen. Diese Situation greift der erste der nachfolgenden beiden Muster auf.
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In komplexeren Situationen und dann, wenn es um hohe Werte geht, wird sich die Vertragsgestaltung mithilfe von Angeboten empfehlen. Das zweite hier vorgestellte Muster soll anhand eines rechtlich schwieriger liegenden Falles die Möglichkeiten einer solchen anspruchsvolleren Vertragsgestaltung demonstrieren.
1 Den Notaren als derzeit hauptsächlichen neutralen Vertragsgestaltern droht Haftung, weil sich bei Durchführungsproblemen stets die Frage stellt, ob nicht eine sicherere Vertragsgestaltung möglich gewesen wäre. Auch werden sie pro Vorgang vergütet, so dass Durchführungsprobleme zusätzlichen Aufwand, aber keinen zusätzlichen Verdienst mit sich bringen. Zur möglichen Sicht des Parteivertreters s. Zankl, Die anwaltliche Praxis in Vertragssachen, 1990, Rz. 148: „Im Allgemeinen ist die anwaltliche Aufgabe beendet, wenn der Vertrag unterschrieben und die Urkunden ausgetauscht sind. Der Auftraggeber erwartet von seinem Anwalt regelmäßig nicht, dass dieser sich um die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages kümmert. Gibt es bei der Vertragsdurchführung Probleme, um deren Lösung sich der Anwalt bemühen soll, dann ist dies regelmäßig ein neues Mandat.“ (Hervorhebung im Original). 2 Die Einzelheiten dieses Vorganges und die denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten werden in den Anmerkungen zu dem Muster dargestellt, der das umfassendere Muster für ein Aufteilungs- und Auswahlverfahren vorstellt.
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M 19.1
Aufteilungs- und Auswahlverfahren
Rz. 24 Kap. 19
II. Muster M 19.1 Verfahrenssteuernder Vorvertrag
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I. Sachverhalt Herr A ist Alleinerbe nach Herrn C, der am 10.11.2016 verstorben ist. Frau B ist Alleinerbin nach ihrer Mutter, Frau D, die am 7.7. dieses Jahres verstorben ist. Herr C und Frau B unterhielten seit dem Jahr 1998 ein gemeinsames Kunstatelier in der Amalienstraße 97 in München. Über die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der von C und D stammenden Kunstwerke besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten, und zwar dahingehend, dass A Alleineigentümer der von C stammenden und signierten Kunstwerke durch Erbfolge wurde und B Alleineigentümer der von D stammenden und signierten Kunstwerke, ebenfalls durch Erbfolge, wurde. In dem gemeinsamen Atelier fanden sich auch 41 Werke anderer Künstler. Über die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich dieser Kunstwerke besteht Uneinigkeit zwischen Herrn A und Frau B.A1 II. Zielsetzung Das hier niedergelegte Verfahren dient dazu, eine Aufteilung dieser 41 Kunstwerke herbeizuführen. Dazu soll einer der Beteiligten die Aufteilung in zwei Teilmassen vornehmen. Der anderen Person steht dann das Wahlrecht zu, welche der Teilmassen an A und welche der beiden Teilmassen an B zum Alleineigentum übertragen wird. Die Einzelheiten des Verfahrens werden im nachfolgenden Abschnitt geregelt. III. Aufteilungs- und Auswahlverfahren 1. Festlegung der Rollen innerhalb des Verfahrens Die Beteiligten werden zunächst durch Werfen einer geeigneten Münze auf eine ebene Fläche ermitteln, wer von ihnen die Aufteilung in zwei Teilmassen vornimmt und wem sodann das Auswahlrecht zwischen diesen beiden Teilmassen zusteht. Erscheint das Kopfbild der Münze, wird A die Aufteilung vornehmen und es wird B das Auswahlrecht zustehen. Erscheint die Zahlenabbildung, so wird B die Aufteilung vornehmen und es wird A das Auswahlrecht zustehen. Derjenige, der die Aufteilung danach vornimmt, wird nachstehend als „Aufteilender“ und derjenige, dem danach das Auswahlrecht zusteht, wird nachstehend als „Auswählender“ bezeichnet. Das Ergebnis des Münzwurfes ist unmittelbar im Anschluss an den Münzwurf schriftlich in zweifacher Ausfertigung niederzulegen. Die beiden Schriftstücke hierüber sind durch beide Seiten zu unterzeichnen. Jeder Beteiligte erhält ein Exemplar. Der Wurf der Münze hat unmittelbar im Anschluss an die Unterzeichnung dieser Vereinbarung zu erfolgen.A2 2. Niederlegung der Teilungsmassen Der Aufteilende wird die 41 Kunstwerke, welche sich derzeit noch in dem unter Abschnitt I. genannten Atelier befinden, in einem Teilungsvorschlag insgesamt zwischen den Beteiligten aufteilen. Der Teilungsvorschlag muss dem unter Abschnitt III.4. dieses Vertrages vorgegebenen Text entsprechen. Er darf keine Zusätze enthalten. Ein Teilungsvorschlag, der dem nicht entspricht, gilt als nicht abgegeben.A3 Der Aufteilende darf eine Ausgleichszahlung vorsehen, um eine wertgleiche Zuordnung zu erreichen. Die Zahlungsverpflichtung darf den Betrag von 10 000 Euro (i.W. zehntausend) nicht übersteigen. Ein solcher Zahlungsanspruch wird in diesem Fall Bestandteil einer der Teilmassen.A4 Die Bildung der beiden Teilmassen und die Übersendung des rechtsverbindlichen Teilungsvorschlages an den Auswählenden muss innerhalb von 14 Tagen, gerechnet ab heute, erfolgen, wobei es auf den Zugang beim Auswählenden ankommt. Für den Fall der Nichtübersendung des Teilungsvorschlages verpflichtet sich der Aufteilende zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe Walz
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Kap. 19 Rz. 24
Verfahren zur Teilung
M 19.1
von 1000 Euro für jede angefangene Woche, innerhalb derer er seinen Teilungsvorschlag nicht vorlegt.A5 Nach Zugang des Teilungsvorschlages muss der Auswählende zwischen den beiden Teilmassen auswählen. Welche der Teilmasse er für sich wählt, muss er dem Aufteilenden bis zum Ablauf von vier Wochen, gerechnet ab heute, mitteilen, wobei es auf den Zugang beim Aufteilenden ankommt. Übersendet der Aufteilende seinen Teilungsvorschlag verspätet, so verlängert sich diese Frist um die Zeit, die der Aufteilende seiner Verpflichtung zur Übersendung verspätet nachkam. 3. Niederlegung der Auseinandersetzungsvereinbarung und Eigentumsübergänge Sodann werden sich die Beteiligten in dem Atelier treffen, etwaige Zahlungen bar leisten und Besitz und Eigentum jeweils übergehen lassen. Auf Verlangen auch nur einer Seite ist die Auseinandersetzung nochmals schriftlich zu bestätigen.A6 4. Text des TeilungsvorschlagesA7 „Teilungsvorschlag Erste Teilmasse: Künstler … Bild … (Optional: Demjenigen, der diese Teilmasse erhält, steht zudem ein Zahlungsanspruch in Höhe von … Euro gegen den anderen Beteiligten zu.) Zweite Teilmasse: Künstler … Bild … (Optional: Demjenigen, der diese Teilmasse erhält, steht zudem ein Zahlungsanspruch in Höhe von … Euro gegen den anderen Beteiligten zu.) Dieser Teilungsvorschlag ist rechtsverbindlich im Sinne des verfahrenssteuernden Vorvertrages vom … München, den …“ IV. Schlussbestimmungen 1. Mitwirkung Alle Beteiligten verpflichten sich, an diesem Verfahren nach bestem Wissen und Gewissen mitzuwirken und – nach Aufforderung durch die andere Seite unverzüglich – alles ihnen Zumutbare zu unternehmen, um eine möglichst reibungslose Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen. Sie haften ihrem heutigen Vertragspartner für alle Schäden, die aus der Nichterfüllung dieser Verpflichtungen resultieren. 2. Kostenregelungen, Abschriften Für die Kosten der anwaltlichen Beratung gilt, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.A7 Von diesem Vertrag existieren zwei Originale, von denen jede Seite eines erhält. 3. Die Beteiligten sind bereits heute darüber einig, dass mit vollständiger Durchführung dieses Verfahrens weitere Ansprüche im Zusammenhang mit dem Atelier in der Amalienstraße 97 in München zwischen den Beteiligten nicht mehr bestehen und verzichten vorsorglich auf etwaige weitere solche Ansprüche.A8 München, den …
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Aufteilungs- und Auswahlverfahren
Rz. 32 Kap. 19
Anmerkungen zu Muster M 19.1 A1 Sachverhalt: Der zugrunde gelegte Sachverhalt betrifft die Zuordnung von Gegenstän- 24a den, wobei streitig ist, ob und inwieweit überhaupt eine Miteigentümergemeinschaft vorliegt. Ein wesentliches Affektionsinteresse besteht nicht oder ist jedenfalls nicht bekannt, so dass das Verfahren infrage kommt (s. Rz. 13). A2 Festlegung der Rollen: Die Festlegung der Rollen erfolgt hier möglichst einfach. Das 25 Muster geht davon aus, dass die Beteiligten einander soweit vertrauen, dass hierüber ohne rechtliche Regelung Einvernehmen erzielt werden kann. Weiter gehende Regelungen sind denkbar. A3 Text des Teilungsvorschlages: Modifikationen des Teilungsvorschlages sollen ausgeschlossen sein, um Manipulation und unerwartete Ergebnisse zu vermeiden.
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A4 Ausgleichszahlung: Die Möglichkeit einer Ausgleichszahlung soll eine wertgenaue Aufteilung erlauben. Die Höhe der möglichen Ausgleichszahlung muss begrenzt sein, um strategisches Verhalten des Aufteilenden gegenüber einem weniger zahlungskräftigen Auswählenden auszuschließen. Wären beide Teile unbeschränkt leistungsfähig, so könnte diese Einschränkung entfallen.
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A5 Vertragsstrafe: Ein Vertragsstrafenversprechen unterliegt den gesetzlichen Beschränkungen des § 343 BGB und in allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrollen nach §§ 306 Nr. 9, 307 BGB. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist gleichwohl ratsam, weil der Auswählende wenige Möglichkeiten hätte, den Fortgang des Verfahrens zu erzwingen, wenn der Aufteilende seiner Verpflichtung zur Abgabe des Teilungsvorschlages nicht nachkommt. Ein Schadensersatz könnte nur unter Schwierigkeiten geltend gemacht werden, da eine bestimmte Schadenshöhe nicht nachzuweisen wäre.
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A6 Leistungsaustausch: Das Muster bemüht sich um ein einfaches Verfahren und verzichtet daher auf die nochmalige schriftliche Niederlegung der vergleichsweisen Auseinandersetzung.
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A7 Kosten: Es fallen Kosten der anwaltlichen Vertretung nach allgemeinen Grundsätzen an.
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A8 Abgeltungsklausel: Die Vereinbarung einer Abgeltungsklausel setzt in der Regel vo- 31 raus, dass das Auftauchen weiterer, bislang nicht bedachter Ansprüche ausgeschlossen werden kann.
B. Aufteilungs- und Auswahlverfahren über eine GmbH (Abspaltung zur Neugründung und Tausch von Geschäftsanteilen) I. Einführung Das Verfahren ist unter Rz. 1 ff. beschrieben. Auf diese Ausführungen kann insgesamt verwiesen werden. Es handelt sich bei dem nachfolgenden Muster um das vorstehend unter Rz. 20 f. beschriebene Verfahren, welches hohen Vollzugsautomatismus anstrebt.
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Verfahren zur Teilung
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II. Muster 33
M 19.2 Vereinbarung über ein Aufteilungs- und Auswahlverfahren Heute, am – 10.10. … – erschienen vor mir, N, Notar in M, in der Geschäftsstelle in … 1. Herr A, … 2. Herr B, … Die Erschienenen wiesen sich aus durch Vorlage ihrer amtlichen Lichtbildausweise. Auf Befragen bestätigen die Erschienenen: Weder der Notar noch sein Sozius waren für die Beteiligten in dieser Angelegenheit außerhalb des Notaramtes tätig. Auf Ansuchen der Beteiligten beurkunde ich ihren vor mir abgegebenen Erklärungen gemäß was folgt: I. Sachverhalt 1. Gesellschaftsverhältnisse Die X-GmbH mit dem Sitz in M ist derzeit im Handelsregister des Amtsgerichts M unter HRB 100 000 eingetragen. A und B sind an der X-GmbH mit dem Sitz in M mit einem Stammkapital von 100 000 Euro mit je einem Geschäftsanteil in Höhe von 50 000 Euro beteiligt. Die Geschäftsanteile wurden bei Gründung der Gesellschaft zu Urkunde des Notars N in M, URNr. 1000 vom 10.10.2010 übernommen. A und B sind als stets einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der X-GmbH im Handelsregister eingetragen. 2. Zielsetzung, Mitwirkung Die vorstehend genannten Gesellschafter wünschen, die Gesellschaft auseinander zu setzen. Die Auseinandersetzung soll im Wege der Abspaltung zur Neugründung nach § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG erfolgen, wobei jeder Gesellschafter alle Geschäftsanteile jeweils einer der beteiligten Gesellschaften übernehmen wird. Die Gesellschafter sind sich derzeit über die Zuordnung der Vermögensbestandteile der Gesellschaft und über die Zuordnung der Gesellschaften nicht einig. Die nähere Festlegung soll in dem nachstehend beschriebenen Verfahren erfolgen. Alle Beteiligten verpflichten sich, an diesem Verfahren nach bestem Wissen und Gewissen mitzuwirken und alles ihnen Zumutbare zu tun, um die reibungslose Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen. II. AuseinandersetzungsverfahrenA1 1. Überblick Es wird durch Los ermittelt werden, welcher Gesellschafter die Zuordnung der Vermögensbestandteile der X-GmbH zu entweder der X-GmbH oder der durch Abspaltung zur Neugründung entstehenden Y-GmbH vornehmen wird. Dem anderen Gesellschafter steht sodann das Recht zu festzulegen, welcher Beteiligter die eine und welcher Gesellschafter die andere der beiden entstehenden Gesellschaften mit allen Geschäftsanteilen übernimmt. Neben dieser Rahmenurkunde wird daher eine Abspaltung zur Neugründung und ein Tausch von Geschäftsanteilen niederge268
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Aufteilungs- und Auswahlverfahren
Rz. 33 Kap. 19
legt werden. Derjenige Gesellschafter, der den Inhalt des Abspaltungsplanes vorgibt, wird nachstehend auch als „aufteilender Gesellschafter“, der andere Gesellschafter als „auswählender Gesellschafter“ bezeichnet. 2. Losverfahren Der Inhalt des Spaltungsplans der X-GmbH soll durch den aufteilenden Gesellschafter bestimmt werden. Der jeweils andere Gesellschafter (auswählender Gesellschafter) ist schuldrechtlich verpflichtet, alle zur Wirksamkeit und zur Durchführung des Spaltungsplanes erforderlichen Erklärungen abzugeben, insbesondere als Gesellschafter der X-GmbH einen entsprechenden Zustimmungsbeschluss zur Abspaltung zu fassen. Welcher Gesellschafter die Festlegung des Inhaltes vornehmen wird, entscheidet das Los. Dazu wird ein unbeteiligter Dritter eine geeignete Münze werfen. Erscheint als nach oben zeigende Seite das Kopfbild, so wird der Gesellschafter A die Aufteilung vornehmen (aufteilender Gesellschafter), erscheint als nach oben zeigende Seite die Zahlenabbildung, so wird der Gesellschafter B die Aufteilung vornehmen (aufteilender Gesellschafter). Die Beteiligten beauftragen die Notarangestellte Z, die Münze auf eine ebene Fläche im Anschluss an diese Beurkundung in Anwesenheit beider Beteiligter zu werfen. Der Notar soll das Ergebnis in einer Niederschrift festhalten, falls sich die Beteiligten nicht unverzüglich auf eine schriftliche Fixierung des Ergebnisses einigen können.A2 3. Spaltungsplan Der aufgrund dieses Vorganges mit der Festlegung des Inhalts des Spaltungsplanes beauftragte Gesellschafter (aufteilender Gesellschafter) wird innerhalb von 20 Tagen einen Entwurf des Vertrages vorlegen. a) Dieser Entwurf muss den folgenden Anforderungen gerecht werden:A3 aa) Der Abspaltungsvertrag muss der Anlage I zu dieser Urkunde entsprechen, soweit diese inhaltliche Vorgaben macht, und im Übrigen den Vorschriften des UmwG genügen, um den Rechtsübergang der abzuspaltenden Vermögensgegenstände zu ermöglichen. bb) An der durch Abspaltung neu zu gründenden Y-GmbH sind die Gesellschafter A und B mit jeweils gleich hohen Geschäftsanteilen beteiligt. Das Stammkapital der Y-GmbH wird 50 000 Euro betragen. cc) Es sind zwei Teilbetriebe zu bilden, von denen ein jeder eine im Wesentlichen funktionsfähige Einheit bilden muss. Für die Beschaffenheit dieser Teilbetriebe gilt: …A4 dd) Der Abspaltungsvorgang soll nicht zur Realisierung stiller Reserven und sonstigen Gewinnrealisierungen führen.A5 Dies ist wie folgt abzusichern: Zu den steuerlichen Folgen ist auf Kosten der X-GmbH ein verbindliches Gutachten einzuholen, mit dessen Erstellung bereits heute Wirtschaftsprüfer/Steuerberater WS beauftragt wird. Dem Gutachter ist die Verwendung des Gutachtens offen zu legen, die Schutzwirkung ist sowohl auf A als auch auf B zu erstrecken (§ 328 BGB). Das Gutachten soll innerhalb von 10 Tagen nach Vorliegen des Spaltungsentwurfes den Gesellschaftern übersandt werden. b) Kommt es zu Änderungen des Inhaltes des Spaltungsplanes, so ist das steuerliche Gutachten insoweit zu ergänzen. Sodann ist ein als endgültig zu bezeichnender Entwurf zu übersenden. c) Der auswählende Gesellschafter verpflichtet sich, innerhalb von 10 Tagen nach Vorliegen des steuerlichen Gutachtens an der Beurkundung des Spaltungsplanes mitzuwirken und alle Erklärungen abzugeben, die hierzu und zum Vollzug des Umwandlungsvorganges erforderlich sind, insbesondere den erforderlichen Zustimmungsbeschluss der X-GmbH zu fassen und diejenigen Neben- und Verzichtserklärungen abzugeben, die in der Anlage II zu dieser Urkunde enthalten sind. Die Bestellung des Geschäftsführers der entstehenden Y-GmbH und die Abberufung eines der bisherigen Geschäftsführer der X-GmbH erfolgen zu diesem Zeitpunkt noch nicht (s. unten Abschnitt II.5.).
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4. Tausch von GeschäftsanteilenA6 Gleichzeitig mit der Beurkundung des vorgenannten Abspaltungsplanes samt Unterzeichnung erforderlicher Nebenerklärungen wird eine von beiden Parteien zu unterzeichnende Urkunde über den Tausch von Geschäftsanteilen errichtet. Diese Urkunde enthält zwei Angebote an den auswählenden Gesellschafter, wobei nur eines dieser beiden Angebote durch den auswählenden Gesellschafter angenommen werden kann. Aufgrund dieser Abtretung soll im Ergebnis erreicht werden, dass einer der beiden Gesellschafter sämtliche Anteile an der X-GmbH erwirbt, während der andere Gesellschafter sämtliche Anteile an der Y-GmbH erwirbt. Dabei steht dem auswählenden Gesellschafter das Auswahlrecht darüber zu, welche Anteile er selbst und welche Anteile der weitere Gesellschafter erhält. Dieses Wahlrecht übt er durch Annahme eines der beiden Angebote aus. Die Beteiligten verpflichten sich in diesem Sinne bereits heute zur Abtretung bzw. zum Erwerb entsprechender Geschäftsanteile. Der zur Auswahl berechtigte Gesellschafter wird sodann innerhalb von 10 Tagen eines der beiden Angebote annehmen. Der Inhalt dieses Vertrages über den Tausch von Geschäftsanteilen muss im Einzelnen wie folgt lauten: „I. 1. An der im Handelsregister des Amtsgerichts M unter HRB 1000 eingetragenen Gesellschaft unter der Firma X-GmbH mit einem Stammkapital zu 100 000 Euro sind beteiligt a) Herr A mit einem Geschäftsanteil von 50 000 Euro, übernommen bei Gründung der Gesellschaft zur Urkunde des Notars N in M vom 10.10.2001, URNr. 1000; b) Herr B mit einem Geschäftsanteil von 50 000 Euro, übernommen bei Gründung der Gesellschaft – wie vor –. Die Geschäftsanteile sind vollständig einbezahlt. 2. Die Beteiligten haben am vor dem Notar N in M, URNr. … eine GmbH unter der Firma Y-GmbH mit einem Stammkapital zu 50 000 Euro gegründet. An dieser Gesellschaft sind beteiligt a) Herr A mit einem Geschäftsanteil von 25 000 Euro, b) Herr B mit einem Geschäftsanteil von 25 000 Euro. Die Gründung erfolgte durch Abspaltung zur Neugründung. II. Der aufteilende Gesellschafter macht hiermit dem auswählenden Gesellschafter zwei Angebote („Erstes Angebot“ und „Zweites Angebot“), die jedoch in der Weise bedingt sind, dass nur eines dieser beiden Angebote angenommen werden kann. 1. Erstes Angebot Herr A veräußert und überträgt hiermit seinen in Abschnitt I.1.a) bezeichneten Geschäftsanteil an Herrn B. 270
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Aufteilungs- und Auswahlverfahren
Rz. 33 Kap. 19
Herr B veräußert und überträgt hiermit seinen in Abschnitt I.2.b) bezeichneten Geschäftsanteil an Herrn A. Mitveräußert und übertragen an Herrn A werden alle der Y-GmbH von Herrn B gewährten Gesellschafterdarlehen und an Herrn B alle von Herrn A der X-GmbH gewährten Gesellschafterdarlehen.A7 Die Übertragungen sind jeweils aufschiebend bedingt durch die abschließende Eintragung der Abspaltung der Y-GmbH in das Handelsregister. Die Übertragungen erfolgen mit allen Rechten und Pflichten, insbesondere mit dem damit verbundenen Gewinnbezugsrecht für alle künftig beschlossenen Gewinne. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass für die vorausgehende Zeit keine gegenseitigen Gewinnansprüche mehr bestehen. Die Erwerber nehmen die Übertragungen an. 2. Zweites Angebot Herr B veräußert und überträgt hiermit seinen in Abschnitt I.1.b) bezeichneten Geschäftsanteil an Herrn A. Herr A veräußert und überträgt hiermit seinen in Abschnitt I.2.a) bezeichneten Geschäftsanteil an Herrn B. Mitveräußert und übertragen an Herrn B werden alle der Y-GmbH von Herrn A gewährten Gesellschafterdarlehen und an Herrn A alle von Herrn B der X-GmbH gewährten Gesellschafterdarlehen.A8 Die Übertragungen sind jeweils aufschiebend bedingt durch die abschließende Eintragung der Abspaltung der Y-GmbH in das Handelsregister. Die Übertragungen erfolgen mit allen Rechten und Pflichten, insbesondere mit dem damit verbundenen Gewinnbezugsrecht für alle künftig beschlossenen Gewinne. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass für die vorausgehende Zeit keine gegenseitigen Gewinnansprüche mehr bestehen. Die Erwerber nehmen die Übertragungen an. 3. Verpflichtung zur Annahme Der auswählende Gesellschafter ist verpflichtet, eines der beiden vorgenannten Angebote zu notarieller Urkunde des amtierenden Notars innerhalb von 10 Tagen anzunehmen. Sollte keine Annahme innerhalb dieser Frist erklärt werden, so geht das Auswahlrecht auf den aufteilenden Gesellschafter über. Im Einzelnen gilt das Folgende:A9 Aufschiebend bedingt durch den Eintritt dieses Umstandes bietet bereits heute der auswählende Gesellschafter dem aufteilenden Gesellschafter den Abschluss der beiden vorstehend sowie nachstehend genannten Verträge an („Erstes Angebot“ und „Zweites Angebot“). Dabei sind die Angebote jedoch in der Weise bedingt, dass nur eines dieser beiden Angebote angenommen werden kann. Die Annahme kann abermals nur zu Urkunde des amtierenden Notars erfolgen. Sie kann nicht erfolgen, bevor nicht die 10-Tagesfrist zur Annahme durch den auswählenden Gesellschafter abgelaufen ist. Die aufschiebend bedingten Angebote von Seiten des auswählenden Gesellschafters erlöschen mit Annahme eines Angebots durch den auswählenden Gesellschafter. 4. Bindung Sämtliche vorgenannten Angebote sind bindend nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Urkunde.
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III. Die Veräußerungen erfolgen im Wege des Tauschs. Ein Tauschaufgeld wird nicht geschuldet.A10 IV. Die Vertragsteile erklären als Gesellschafter und als Geschäftsführer die Zustimmung zur Übertragung der Geschäftsanteile. Unter Verzicht auf alle Formvorschriften treten die Gesellschafter zu einer Gesellschafterversammlung zusammen und beschließen was folgt: „Der vorstehenden Geschäftsanteilsübertragung wird zugestimmt.“ Damit ist die Gesellschafterversammlung beendet. V. Die Veräußerer haften jeweils dafür, dass die übertragenen Geschäftsanteile ihnen frei von allen Rechten Dritter zustehen, sie über diese Geschäftsanteile uneingeschränkt verfügen können und die Stammeinlagen vollständig entrichtet sind, sonst jedoch für nichts. VI. Die Gesellschaft hat keinen Grundbesitz. VII. Die Kosten dieser Urkunde tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Soweit eine Bestimmung unwirksam oder undurchführbar sein sollte, soll dies die Gültigkeit dieses Vertrages im Übrigen nicht berühren. Die Beteiligten werden dann einverständlich eine Regelung treffen, die dem wirtschaftlichen Ergebnis der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung möglichst nahe kommt. VIII. Von dieser Urkunde erhält jeder Vertragsteil eine beglaubigte Abschrift, ebenso Finanzamt M – Körperschaftsteuerstelle – IX. Abgeltungsklausel Die Beteiligten vereinbaren, dass mit Vollzug dieser Urkunde keine gegenseitigen Ansprüche mehr bestehen, mit Ausnahme solcher, die in dieser Urkunde oder in den sonstigen, am heutigen Tage sowie am … und am … unterzeichneten Urkunden des Notars N in M geregelt sind oder aus diesen hervorgehen.“ (Ende des Textes des künftigen Tauschvertrages) 5. GeschäftsführungA11 Die Beteiligten verpflichten sich weiterhin, unverzüglich nach Annahme eines der vorstehenden Angebote folgende Gesellschafterbeschlüsse zu fassen: a) Abberufung von jeweils einem der beiden Geschäftsführer der X-GmbH und Befreiung des anderen Gesellschafter-Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB. Abzuberufen ist dabei derjenige Gesellschafter, der sämtliche Geschäftsanteile der Y-GmbH erwerben wird. b) Bestellung des stets einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführers der Y-GmbH. Zu bestellen ist derjenige Gesellschafter, der sämtliche Geschäftsanteile der Y-GmbH erwerben wird. Der andere Gesellschafter-Geschäftsführer ist abzuberufen.
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Rz. 33a Kap. 19
c) Der Beschluss zu vorstehend a) soll mit sofortiger Wirksamkeit gefasst werden. Der Beschluss zu vorstehend b) soll so gefasst werden, dass er erst mit abschließendem Vollzug der Abspaltung im Handelsregister wirksam wird. Registeranmeldungen sind sogleich zu unterzeichnen und hinsichtlich des Beschlusses zu a) so bald als möglich zum Registervollzug zu bringen. Hinsichtlich des Beschlusses zu b) ist dem Notar der Treuhandauftrag zu erteilen, den Vollzug erst nach abschließendem Vollzug der Abspaltung im Handelsregister zu betreiben. III. Schlussbestimmungen 1. Hinweise Der Notar hat alle Bestimmungen dieser Urkunde ausführlich erörtert. Die Beteiligten wurden im Zuge der Ausgestaltung dieser Einigung jeweils anwaltlich und steuerlich beraten. Der Notar selbst hat nicht steuerlich beraten. Jeder Beteiligte erklärt, das hier gewählte Verfahren in seinen Vor- und Nachteilen sorgfältig erwogen zu haben. Der Notar hat darauf hingewiesen, dass das Verfahren auf dem Willen der Beteiligten zur Zusammenarbeit beruht und das Verfahren ins Stocken geraten kann, wenn einer der Beteiligten hieran nicht vorbehaltlos mitwirkt.A12 2. Abschriften Von dieser Urkunde erhält jeder Vertragsteil eine beglaubigte Abschrift, Finanzamt M – Körperschaftsteuerstelle – Wirtschaftsprüfer/Steuerberater WS 3. Kosten Die Kosten dieser Urkunde tragen die Beteiligten je zur Hälfte.A13 4. Zusammenstellung der AnlagenA14 Anlage I: vorläufiger Entwurf des Spaltungsplanes Anlage II: vorläufiger Entwurf des Zustimmungsbeschlusses der X-GmbH Samt Anlagen I und II vorgelesen, genehmigt und unterschrieben:“
Anmerkungen zu Muster M 19.2 A1 Sachverhalt: Zwei Gesellschafter, die an der X-GmbH zu je 50 % beteiligt sind, wollen 33a diese GmbH aufteilen, und zwar im Wege der Abspaltung zur Neugründung der Y-GmbH. Sodann soll jeder der beiden Gesellschafter alle Anteile an einer der beiden Gesellschaften erhalten und alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft werden. Um den Abspaltungsvorgang nicht zu behindern, darf die Abtretung erst mit Wirkung zum Zeitpunkt der abschließenden Eintragung der Abspaltung im Handelsregister erfolgen. Wer welche Gesellschaft erhalten soll und welche Bilanzposten auf die neu entstehende Y-GmbH übergehen sollen, wird durch ein Aufteilungs- und Auswahlverfahren entschieden. Der durch Losverfahren ermittelte aufteilende Gesellschafter muss einen Spaltungsplan niederlegen, an dessen Beurkundung der andere Gesellschafter mitwirken muss. Zwischen der Vorlage des Spaltungsplanes und dessen Beurkundung wird durch ein Gutachten die steuerliche Unbedenklichkeit des Vorganges festgestellt. Zugleich mit der Beurkundung des Spaltungsplanes wird die eigentliche Auseinandersetzung in Gestalt bedingter Angebote zum Tausch der Geschäftsanteile an den Gesellschaften niedergelegt. Diese künftige Urkunde bildet den Kern der Auseinandersetzung. Ihr Wortlaut ist in der verfahrenssteuernden Vereinbarung über das Verfahren bereits vollständig enthalten, ebenso der Wortlaut des Abspaltungsplanes (ohne Zuordnung der Vermögensbestandteile) und der Wortlaut des nötigen Zustimmungsbeschlusses. Walz
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Verfahren zur Teilung
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Die Verfahrensschritte laufen danach zeitlich wie folgt ab: 1. Verfahrenssteuernde Vereinbarung über das Aufteilungs- und Auswahlverfahren, in dem der weitere Ablauf festgeschrieben wird. 2. Losverfahren zur Zuordnung der Rollen innerhalb des Verfahrens. 3. Entwurf eines Spaltungsplanes zur Neugründung der Y-GmbH durch den aufteilenden Gesellschafter. Der rechtliche, nicht der wirtschaftliche Inhalt dieses Spaltungsplanes ist dem aufteilenden Gesellschafter weitgehend vorgegeben. 4. Erstellung eines steuerlichen Gutachtens über die Auswirkungen dieser Abspaltung. 5. Beurkundung des Spaltungsplanes und des Zustimmungsbeschlusses der X-GmbH. 6. Zeitgleich mit dem zuletzt genannten Vorgang: Urkunde über zwei Angebote auf Abtretung bzw. Erwerb der Geschäftsanteile im Wege des Tausches, die zugleich die Frage regelt, wie das Verfahren verläuft, wenn sich der auswählende Gesellschafter weigert, sein Wahlrecht auszuüben (Übergang des Wahlrechtes auf den aufteilenden Gesellschafter). 7. Annahme eines der Angebote durch den auswählenden Gesellschafter. 8. Unmittelbar im Anschluss hieran: Abberufung des einen Beteiligten als Geschäftsführer der X-GmbH und Bestellung des anderen Beteiligten als Geschäftsführer der Y-GmbH je nach der getroffenen Wahl des auswählenden Gesellschafters. 9. Mit Vollzug im Handelsregister: Wirksamwerden der Abtretungen. Die Trennung der Gesellschafter ist vollzogen. 34
A2 Losverfahren: Das Losverfahren ist ausführlich geregelt. Sein Ergebnis wird nur notfalls in einer Tatsachenniederschrift des Notars festgelegt.
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A3 Spaltungsplan: Der Inhalt des Spaltungsplanes wird in der verfahrenssteuernden Vereinbarung weitgehend niedergelegt. Dies dient dazu, den Fortgang des Verfahrens möglichst berechenbar zu machen und vor allem dazu, Manipulation und strategisches Verhalten durch den aufteilenden Gesellschafter auszuschließen. Dieser darf keine Erklärungen aufnehmen, die nicht in der verfahrenssteuernden Vereinbarung, insbesondere in deren Anlage I, niederlegt sind. Auf den Abdruck des Inhaltes des weniger problematischen Spaltungsplanes (und Zustimmungsbeschlusses der X-GmbH) wird hier verzichtet. Verwiesen sei etwa auf die Muster von Heidenhain, Münchener Vertragshandbuch, Band 1, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011, 1658 ff.
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A4 Teilbetriebe: Um welche beiden Teilbetriebe es sich handelt, sollte näher beschrieben werden.
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A5 Steuerliche Prüfung: Das eingeschaltete steuerliche Gutachten wird in vielen Fällen entfallen können. Dieser Verfahrensschritt wird der Vollständigkeit halber hier wiedergegeben. Drohen steuerliche Komplikationen, so wird sich das Aufteilungs- und Auswahlverfahren vielfach verbieten, weil in Verhandlungen oder Mediation eher Kooperationsgewinne (nicht selten auf Kosten des Fiskus) erzielt werden können.
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A6 Angebot: Die Angebotsurkunde über den Tausch enthält genau genommen zwei Angebote des aufteilenden Gesellschafters, jeweils auf Abtretung der Anteile an der einen Gesellschaft und Erwerb der Anteile an der anderen Gesellschaft. Auch insoweit sollte der Text dieser Angebotsurkunde bereits in der verfahrenssteuernden Vereinbarung niedergelegt werden, um Manipulation und strategisches Verhalten auszuschließen.
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A7 Gesellschafterdarlehen: Ob überhaupt Gesellschafterdarlehen gewährt wurden, ist zu prüfen. Falls dies der Fall ist, muss dies in der Urkunde über die Abtretung mit geregelt werden.
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Aufteilungs- und Auswahlverfahren
Rz. 46 Kap. 19
A8 Gesellschafterdarlehen: S. Anm. A7 (Rz. 39).
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A9 Wechsel des Wahlrechtes: Die folgende Klausel will den Vollzugsautomatismus für 41 den Fall wahren, dass der auswählende Gesellschafter sich weigert, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. A10 Ausgleichszahlung: Hier wäre es auch möglich, eine Ausgleichszahlung bis zu einer bestimmten Höhe vorzusehen. Voraussetzung ist die Leistungsfähigkeit beider Beteiligter. Die Möglichkeit einer Ausgleichszahlung kann die Feinsteuerung des Wertausgleiches erleichtern.
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A11 Wechsel der Geschäftsführung: Hinsichtlich der Abberufung und Neubestellung der 43 Geschäftsführer wurde auf eine vollzugsautomatische Regelung verzichtet, die hier etwa durch – für die Dauer des Verfahrens unwiderrufliche – Vollmachten möglich wäre. Mit Eintragung der Abspaltung im Handelsregister hat ohnehin jeder Beteiligte die Möglichkeit, in seiner Gesellschaft Geschäftsführer zu berufen oder abzubestellen, ohne dass er der Mitwirkung des anderen bedarf. A12 Hinweise: Ein komplexes Aufteilungs- und Auswahlverfahren, wie es hier beschrie- 44 ben ist, wird kaum ohne umfassende Beratung vereinbart werden können. Umfassende Belehrungsvermerke sollten dokumentieren, wie es zu der Entscheidung für das Verfahren kam. A13 Kosten: Für die Beurkundung der verfahrenssteuernden Vereinbarung fällt eine 2,0-Gebühr nach Nr. 21100 Kostenverzeichnis zum GNotKG an. Die Kosten für den späteren Umwandlungsvorgang richten sich nach allgemeinen Grundsätzen.
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A14 Spaltungsplan und Zustimmungsbeschluss: Die Anlagen sind hier nicht wiedergegeben. Es handelt sich um konventionelle Gestaltungen, wie sie in den gängigen Formularbüchern zu finden sind.
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Kapitel 20
Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote (Final-Offer-Arbitration)
I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung 2. Varianten der rechtlichen Ausgestaltung a) Modifizierte Schiedsvereinbarung . . . . b) Prozessvertragliche und rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, Bindung durch Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Modifizierte Schiedsgutachterabrede d) Beauftragungs- und Vollmachtlösung 3. Eignung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . .
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4. Verhaltensanreize innerhalb des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spieltheoretische Erwägungen, empirische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . b) Leitlinien für die Praxis . . . . . . . . . . . .
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II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 M 20.1 Verfahrenssteuernde Vereinbarung über eine Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote 33
Literatur: Burgess/Marburger, Do Negotiated and Arbitrated Salaries Differ under Final-Offer-Arbitration?, Industrial and Labor Relations Review 1993 (Vol. 46), 548 ff.; Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, 2. Aufl. 2006, 200 f.; Duve, Was ist eigentlich Alternative Dispute Resolution (ADR)? Überblick über die außergerichtliche Streitbeilegung in den USA, BB 1998 (Beilage 9), 15 ff.; Eidenmüller, Hybride ADR-Verfahren bei internationalen Wirtschaftskonflikten, RIW 2002, 1 ff.; Faurot/McAllister, Salary Arbitration und Pre-Arbitration Negotiation in Major League Baseball, Industrial and Labor Relations Review 1992 (Vol. 45), 697 ff.; Risse, Neue Wege der Konfliktbewältigung: Last-Offer-Schiedsverfahren, High/Low-Arbitration und Michigan-Mediation, BB 2001 (Beilage Mediation & Recht), 16 ff.
I. Einführung 1
Unter der Überschrift Final-Offer-Arbitration1 erörtert die Literatur zur außergerichtlichen Streitbeilegung eine der Möglichkeiten, durch eine verfahrenssteuernde Vereinbarung Interessengegensätze einer Lösung zuzuführen. Die Beteiligten einer Verhandlungssituation legen fest, dass ein Dritter, etwa ein Schiedsrichter, eine abschließende Entscheidung trifft. Dessen Auswahlmöglichkeiten schränken sie jedoch ein. Er darf lediglich zwischen den beiden verbindlichen Vorschlägen oder Angeboten der Parteien auswählen. Der Kompromiss zwischen diesen ist ihm verwehrt. Nachdem ein integrer Dritter den aus seiner Sicht vernünftigeren Vorschlag auswählen wird, darf erwartet werden, dass die Parteien auch vernünftigere Angebote vorlegen, als dies ansonsten der Fall wäre.2
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Um solche Konstellationen zu bezeichnen, wird hier von Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote (DAVA) gesprochen. Begriffe wie Final-Offer-Arbitration oder LastOffer-Schiedsgerichtsbarkeit3 unterstellen einen notwendigen Zusammenhang mit Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne des Prozessrechtes. Tatsächlich könnte das Verfahren rechtsgeschäftlich ohne Prozessbezug als Schiedsgutachterabrede und auch als Schiedsgerichtsabrede ausgestaltet werden. Das an dieser Stelle vorgestellte Vertragsmuster etwa weist keinen prozessualen Bezug auf.
1 Im Englischen auch Last-Offer-Arbitration, Flip-Flop-Arbitration, abgekürzt FOA, Double-BlindBidding oder Pendulum Arbitration genannt. 2 S. Goldberg/Sander/Rogers/Cole, Dispute Resolution, Negotiation, Mediation, and Other Processes, 6. Aufl. 2012, Chapter 11, B. 1. (418 ff.). 3 So Risse, BB 2001 (Beilage Mediation & Recht), 16 (17).
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Final-Offer-Arbitration
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Verfahren mit Drittentscheidungen anhand verbindlicher Angebote zielen nicht darauf ab, 3 eine Lösung herbeizuführen, die einem beauftragten Dritten oder außenstehenden Betrachter als möglichst angemessen erscheint und möglichst weitgehend der Rechtslage bzw. wirtschaftlichen Situation entspricht. Die dem beauftragten Dritten vorschwebende Entscheidung wird sich kaum je in einem der Angebote wiederfinden. Konventionelle Drittentscheidungen, etwa im Rahmen von Schiedsgerichtsbarkeit, leisten insoweit mehr. Vielmehr geht es um diejenigen ökonomischen Verhaltensanreize, die unter den Bedingungen des Verfahrens entstehen. 1. Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung Nachdem sich die Beteiligten über die Durchführung des Verfahrens geeinigt haben, müssen beide Seiten ihr Angebot dem beauftragten Dritten bekannt geben. Für das sich daran anschließende und dem vorausgehende Verfahren erörtert die Literatur eine Reihe von Varianten:
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Eine erste Unterscheidung betrifft die Frage, ob der entscheidende Dritte die Angebote der 5 Parteien zur Kenntnis nimmt, bevor er seine eigene Entscheidung trifft. Die Kenntnis des Dritten von den Angeboten der Parteien kann dessen Einschätzung davon, was das richtige Ergebnis wäre, beeinflussen. Nachdem dies die Parteien wissen, kann es zu strategischem Verhalten auch gegenüber dem Dritten kommen, was dem Zwang zur Vernünftigkeit entgegenwirken kann. Trifft dieser seine Entscheidung vorab und nimmt erst dann die Angebote zur Kenntnis, so ist dem vorgebeugt und die Unparteilichkeit des Schiedsrichters bestmöglich gewährleistet. Man spricht von einem Envelope-Verfahren,1 in dessen Reinform die Lösung des Dritten und die Vorschläge der Beteiligten gemeinsam offen gelegt werden und alle Beteiligten gemeinsam aus diesen ablesen, welches Angebot dieser Festlegung näher kommt und folglich gilt. Danach würde der Spruch des Dritten gar nicht verbindlich werden. Es bliebe nur noch festzustellen, welches Angebot zum Zuge kommt. Diese Vorgehensweise wird sich nur empfehlen, wenn es um die Festlegung eines Geldbetrages geht. Andernfalls wird es an dem homogenen Maßstab fehlen, anhand dessen entschieden werden kann, welches der Angebote der Lösung des Dritten näher kommt. Neuer Rechtsstreit läge dann nahe. Eine weitere Variante sieht vor, den Parteien mehrfache Angebote zu erlauben, also etwa zwei oder drei Bietrunden vorzusehen (multi-round-FOA). Damit soll ein wiederholter und verstärkter Anreiz geschaffen werden, in Kenntnis des gegnerischen Angebotes vernünftige, einander angenäherte Angebote vorzulegen.
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Ein weiterer Aspekt betrifft die Einbeziehung und Ermöglichung von Verhandlungsrunden. Soweit keine vorbeugende Vereinbarung vorliegt, werden in aller Regel zunächst Verhandlungen über das Ob und Wie des Verfahrens stattfinden. Die Effizienz des Verfahrens selbst kann durch Verhandlungsrunden innerhalb des Verfahrens gesteigert werden. So kann die verfahrenssteuernde Vereinbarung vorsehen, dass nach Einreichen der Angebote diese offen gelegt werden und sodann erneute Verhandlungen stattfinden. Nur falls diese nicht zum Erfolg führen, entscheidet der beauftragte Dritte. Sofern diese Verhandlungen von einem beauftragten Dritten moderiert werden, ergänzen diese mediativen Elemente das Verfahren. Es mag dann allerdings die Gefahr bestehen, dass die Beteiligten miteinander nur halbherzig verhandeln und stattdessen sich an den beauftragten Dritten richten, um diesen im Hinblick auf die bevorstehende Entscheidung zu beeinflussen. Auch andere Formen des strategischen Verhaltens gegenüber dem Dritten wären denkbar.
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1 S. Eidenmüller, RIW 2002, 1 (8).
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Sieht die Verfahrensgestaltung solche Verhandlungsrunden vor, so geht es darum, zum einen die in den Angeboten zum Ausdruck kommende Kompromissbereitschaft als Ausgangspunkt für weitere Vergleichsverhandlungen zu nutzen. Zum anderen darf ein erhöhter Druck zur Einigung vermutet werden, der aus der Gewissheit der unmittelbar bevorstehenden Entscheidung resultiert. Von MEDALOA1 spricht man, wenn Mediation und Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote kombiniert werden und Mediation bereits vor Einreichung der Angebote stattfindet: Schon die Perspektive des bevorstehenden Drittentscheidungsverfahrens mag die Kompromissbereitschaft erhöhen. Zudem kommt „ein in der Mediation erreichter Verhandlungserfolg im Sinne einer jedenfalls teilweisen Annäherung der Standpunkte … in letzten Angeboten zum Ausdruck und bleibt in diesem Sinne erhalten“.2 2. Varianten der rechtlichen Ausgestaltung a) Modifizierte Schiedsvereinbarung
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Der Begriff Arbitration legt die Ausgestaltung als Schiedsvereinbarung nahe. Danach müsste der Schiedsvertrag das Gericht an den Entscheidungsmechanismus des Drittentscheidungsverfahrens binden. Mag es auch auf den ersten Blick erstaunen, dass damit vermutlich ein Schiedsspruch im Gegensatz zur Rechtslage erlassen wird, so besteht doch die Möglichkeit entsprechender Vereinbarungen. Nach § 1042 Abs. 3 ZPO können die Parteien das Verfahren selbst regeln, § 1051 Abs. 3 ZPO erlaubt die Vereinbarung einer Billigkeitsentscheidung, also in Abweichung von der Rechtslage. Mit der Vereinbarung einer Entweder-oder-Entscheidung legen die Parteien fest, wie die Billigkeitsentscheidung in diesem Fall zu treffen ist.3 Solche Vereinbarungen sind auch dann noch möglich, wenn ein Schiedsverfahren bereits begonnen hat. b) Prozessvertragliche und rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, Bindung durch Antragstellung
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Innerhalb eines laufenden Schiedsverfahrens sowie innerhalb eines ordentlichen Gerichtsverfahrens wäre auch an eine teils rechtsgeschäftliche, teils prozessvertragliche Vereinbarung zu denken. So könnte sich etwa jede Seite verpflichten, dem näher an der Gerichtsentscheidung liegenden Angebot Wirksamkeit zu verleihen. Dabei kann dies entweder durch eine novierende Vereinbarung erfolgen, die den titulierten Anspruch aufhebt und sogleich neu begründet, oder dadurch, dass eine Verpflichtung begründet wird, das obsiegende Angebot zu erfüllen, auch falls der Richterspruch hinter diesem zurückbleibt. Soweit das Urteil über das obsiegende Angebot hinausgeht, könnte ein Verzicht auf die titulierte Forderung oder eine Verpflichtung zum Verzicht vereinbart werden. Auch an eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung wäre insoweit zu denken.4 Kritisch kann insoweit zunächst die Kompliziertheit dieser Lösungen angemerkt werden. Zudem fehlt der aus der Sicht des Vertragsgestalters wichtige Vollzugsautomatismus. Zuletzt besteht die Gefahr neuer Rechtsstreitigkeiten: Welches der Angebote näher an dem Urteil liegt, mag nämlich im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein. Der zugrunde liegende Anspruch müsste in jeder Hinsicht homogen sein, sich 1 S. Coulson, Journal of International Arbitration 1994, 111 ff. und Eidenmüller, RIW 2002, 1 (9) und Risse, High/Low-Arbitration und Michigan-Mediation, BB 2001 (Beilage Mediation & Recht), 16 (19 f.). 2 Eidenmüller, RIW 2002, 1 (9); s.a. Risse, BB 2001 (Beilage Mediation & Recht), 16 (18). 3 So auch Risse, BB 2001 (Beilage Mediation & Recht), 16 (18). 4 So Risse, BB 2001 (Beilage Mediation & Recht), 16 (17); Aufrechnung bliebe danach aber möglich, so dass eine Verzichtsvereinbarung eher überzeugt.
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Rz. 14 Kap. 20
also nur auf Geld oder eine zu liefernde Menge beziehen, damit die Parteien ohne neues Gerichtsverfahren entscheiden können, welches der Angebote dem Urteil näher kommt. Der Streitgegenstand müsste letztlich so beschaffen sein, dass jede Seite lediglich eine Zahl auf ein Blatt Papier zu schreiben braucht, um ihr letztes Angebot anzugeben. Insgesamt scheint also Vorsicht geboten. Als weitere Lösung wurde angedacht, durch geschickte Antragstellung eine Bindung des Ge- 11 richts herbeizuführen etwa in der Form, dass die Anträge der Parteien mit Teilanerkenntnissen und Teilverzichten verbunden werden. Solche Lösungen erscheinen jedoch „künstlich und kompliziert“.1 c) Modifizierte Schiedsgutachterabrede Ebenso wie eine Schiedsgerichtsvereinbarung kann auch eine Schiedsgutachterabrede 12 (§ 317 ff. BGB) im Sinne des Drittentscheidungsverfahrens modifiziert werden. Praxisbeispiele könnten etwa die Bewertung eines Gesellschaftsanteiles oder einer Immobilie sein. Problematisch erscheint insoweit die Vorschrift des § 319 Abs. 1 BGB, wonach eine gerichtliche Überprüfung mit der Folge möglich ist, dass das gerichtliche Urteil an die Stelle der Entscheidung des Schiedsgutachters tritt, wenn sie dem Gericht offenbar unrichtig zu sein scheint. Dabei geht es nicht um Fragen des Verfahrens. Die Überprüfung betrifft das Ergebnis selbst, das anhand eines objektiven Maßstabes überprüft wird. Nachdem das Drittentscheidungsverfahren anhand verbindlicher Angebote gerade dadurch einen Zwang zur Vernünftigkeit erzeugt, dass es der überambitionierten Partei mit ungünstigen, also unter Umständen auch unbilligen Ergebnissen droht, gefährdet diese Überprüfungsmöglichkeit den wesentlichen Mechanismus des Verfahrens. Denkbar wäre allerdings die Aufgabe des Schiedsgutachters dahingehend zu formulieren, er 13 habe nur über die Frage zu entscheiden, welches der beiden Angebote das vernünftigere sei. Auf diese Weise könnte möglicherweise die Überprüfung anhand eines außerhalb des Verfahrens liegenden Maßstabes umgangen werden. Die Überprüfung beträfe dann lediglich die Entscheidung zwischen diesen beiden Angeboten, so dass nur diese auf ihre offensichtliche Unbilligkeit zu überprüfen wäre. Ob staatliche Gerichte die Einschränkung ihres Prüfungsrechtes durch eine solche Ausgestaltung des Auftrages des Schiedsgutachters unkritisch nachvollziehen würden, bliebe allerdings offen, so dass eine gewisse Rechtsunsicherheit nicht von der Hand gewiesen werden kann. d) Beauftragungs- und Vollmachtlösung Eine weitere Möglichkeit, Verfahren dieser Art unter den Bedingungen des deutschen 14 Rechts auszugestalten, vermeidet die Formen des Prozessrechts durch eine rechtsgeschäftliche Lösung. Jede Seite muss danach ein Angebot im Sinne des deutschen Vertragsrechts vorlegen. Der die Entscheidung treffende Dritte wird in der vorab unterzeichneten verfahrenssteuernden Vereinbarung durch beide Seiten beauftragt und bevollmächtigt, dasjenige Angebot anzunehmen, welches ihm als das angemessenere erscheint. Die Angebote enthalten Bedingungen dahingehend, dass nur eines von beiden angenommen werden kann, dass das eine erlischt, falls das andere angenommen wurde, und dass die Angebote nur durch den bevollmächtigten Dritten, nicht jedoch von der anderen Partei selbst angenommen werden können. Versäumt es eine Partei, ein Angebot innerhalb der zu vereinbarenden Frist abzugeben, so muss der neutrale Dritte dem Angebot der anderen Seite Wirksamkeit verleihen. 1 Risse, BB 2001 (Beilage Mediation & Recht), 16 (18).
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Kap. 20 Rz. 15
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Die Kautelen der Angebote sollten in der verfahrenssteuernden Vereinbarung weitgehend festgelegt werden, um die Vergleichbarkeit des wirtschaftlichen Gehalts der Angebote zu gewährleisten. Dies ermöglicht auch, den mit der Annahme zustande kommenden Vertrag mit hohem Vollzugsautomatismus zu versehen. Modifikationen der Angebotstexte, die deren Vergleichbarkeit erschweren oder gar ausschließen, werden also unterbunden. Ein Angebot gilt daher nur als abgegeben, wenn es vertragsgemäß ist, also den Vorgaben der verfahrenssteuernden Vereinbarung entspricht.
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Probleme können sich schließlich aus § 146 BGB ergeben, wonach ein Angebot erlischt, wenn es durch den Angebotsempfänger abgelehnt wurde. Zunächst wäre daran zu denken, diese Wirkung für die Zeit des Verfahrens abzubedingen.1 Die verfahrenssteuernde Vereinbarung sollte eine solche Ablehnung des Angebots jedenfalls als Vertragsbruch mit einer negativen Sanktion belegen. Ansonsten könnte eine Vertragsseite das Verfahren dadurch zu behindern suchen, dass sie dem Dritten vorgreift und das Angebot der anderen Seite ablehnt. Die Regelung könnte etwa vorsehen, dass der nicht vertragsbrüchigen Seite sodann das Auswahlrecht zusteht, welches Angebot wirksam werden soll.
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Die Ausgestaltung des Verfahrens im Sinne einer Beauftragungs- und Vollmachtlösung wird jedenfalls in bestimmten Fällen das Verfahren der Wahl darstellen. Wenn es etwa um die Auseinandersetzung einer Gemeinschaft geht, bietet es eine interessante Möglichkeit, umgehend zu einer Einigung zu kommen. Das nachfolgende Muster greift diese Gestaltungsvariante anhand der Auseinandersetzung einer Miteigentümergemeinschaft auf. 3. Eignung des Verfahrens
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Hinsichtlich der grundsätzlichen Eignung des Verfahrens können folgende Erwägungen angestellt werden: Der Streitgegenstand sollte zunächst so beschaffen sein, dass eine gewisse Vergleichbarkeit der Angebote zu erwarten ist. Es bedarf also eines wenigstens einigermaßen homogenen Maßstabes, um dem beauftragten Dritten eine rationale Entscheidung zu ermöglichen. Geht es etwa um die Festlegung des Wertes eines Gesellschaftsanteiles, so dürften insoweit keine Probleme bestehen. Komplexere Streitgegenstände, bei denen neben Bewertungsfragen auch künftige Zusammenarbeit und Details der Abwicklung eine Rolle spielen, werden demgegenüber wenig geeignet sein, durch eine Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote erledigt zu werden.
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Das Verfahren zielt nicht auf die Erarbeitung von Kooperationsgewinnen. Sieht man von den begleitenden Verhandlungen ab, weist das Verfahren distributiven Charakter auf. In aller Regel wird es lediglich um die Verteilung eines vorgegebenen Wertes gehen oder um die Feststellung der Höhe eines Anspruches. Das Drittentscheidungsverfahren wird sich daher vor allem dort anbieten, wo die Erarbeitung von Kooperationsgewinnen aus sachlichen Gründen ausscheidet, etwa weil Zeit- und Kostenvorteile im Vordergrund stehen und längere Verhandlungen ineffizient erscheinen. Ebenso kann der Streitgegenstand seiner Eigenart nach weitere Kooperationsgewinne ausschließen oder es können weitere Verhandlungen im Hinblick auf den zugrunde liegenden Konflikt und die erreichte Eskalationsstufe ausscheiden. Im Einzelfall mag es auch darum gehen, die Bandbreite der möglichen Ergebnisse
1 Dass § 146 BGB dispositiv ist, wurde bislang wohl nicht erörtert, erscheint aber nicht ausgeschlossen. Die Parteien können in einem Rahmenvertrag Regelungen darüber treffen, wie künftige Verträge zustande kommen. Auf den Zugang eines Angebots etwa kann verzichtet werden; s. Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 130 Rz. 19.
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Final-Offer-Arbitration
Rz. 24 Kap. 20
auf die Angebote der beiden Seiten zu verengen, was – für eine oder beide Parteien – das Risiko noch ungünstigerer Ergebnisse vermindern kann.1 Stets sollte der Vertragsgestalter versuchen, das Ergebnis des Verfahrens mit möglichst gro- 20 ßem Vollzugsautomatismus zu versehen. Das Drittentscheidungsverfahren kann zu Ergebnissen führen, die wenigstens einer Partei den Eindruck vermitteln, verloren zu haben. Dementsprechend muss mit späterer Vertrags- oder, wie man hier wohl sagen müsste, Verfahrensreue gerechnet werden. Das Ergebnis des Verfahrens sollte sich daher regelmäßig nicht in schuldrechtlichen Vereinbarungen erschöpfen, die noch der Erfüllung und des Vollzuges bedürfen. Zudem muss gewährleistet sein, dass jede Seite hinsichtlich möglicher Ergebnisse des Verfahrens leistungs- und zahlungsfähig ist. Da das Ergebnis vorab nicht bekannt ist, bedarf dies der besonderen Prüfung. Zur Beurteilung der Eignung des Verfahrens müssen auch die durch das Verfahren erzeugten Verhaltensanreize untersucht werden. Hierauf gilt es nunmehr einzugehen.
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4. Verhaltensanreize innerhalb des Verfahrens Eingangs wurde bereits angedeutet, dass es bei dem Verfahren der Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote weniger um absolute Ergebnisgerechtigkeit geht als vielmehr um diejenigen ökonomischen Verhaltensanreize, die unter den Bedingungen des Verfahrens für die Beteiligten entstehen.
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Nachdem Final-Offer-Arbitration (unter bestimmten Bedingungen) im Rahmen von Ge- 23 haltsverhandlungen in der amerikanischen Baseballliga Anwendung findet, liegt eine Reihe von Untersuchungen vor, die das aus dem Verfahren resultierende Verhalten nicht nur spieltheoretisch untersuchen, sondern auch empirisch erfassen und bewerten.2 Allerdings muss insoweit vor Verallgemeinerungen gewarnt werden. Erst die Betrachtung der konkreten Situation verschafft dem Berater die wesentliche Entscheidungsgrundlage. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen hier gleichwohl angedeutet werden. a) Spieltheoretische Erwägungen, empirische Ergebnisse Konventioneller Schiedsgerichtsbarkeit wird nachgesagt, sie wirke sich negativ auf die Effi- 24 zienz der Verhandlungen zwischen den Parteien aus. Dieser Effekt beruht auf Folgendem: Glaubt man den Ökonomen, so unterliegen konventionelle Schiedsrichter dem Verhaltensanreiz, ihre Entscheidung dadurch festzulegen, dass schlicht der Mittelwert zwischen den Vorschlägen beider Seiten errechnet wird (split the difference).3 Die Beteiligten antizipieren dies und werden daher dazu neigen, durch gesteigerte Forderungen die Einschätzung des Schiedsrichters beeinflussen zu wollen. Solches strategisches Verhalten gegenüber dem Schiedsrichter wiederum lässt die Chancen auf eine Einigung in den vorausgehenden Verhandlungen schrumpfen. Dieser negative Effekt auf die Verhandlungen wird als Chilling 1 S. Bühring-Uhle/Kirchhoff/Scherer, Arbitration and Mediation in International Business, 2. Aufl. 2006, 200 f. 2 Baseball stellt eine Sportart dar, die wie kaum eine andere erlaubt, die Leistung von Sportlern durch statistische Erhebungen zu bewerten. Deshalb kann insbesondere die Qualität der Verfahrensergebnisse im Vergleich zu denen konventioneller Schiedsgerichtsbarkeit und verhandelter Einigungen beurteilt werden; vgl. Kahn, Free Agency, Long-Term Contracts and Compensation in Major League Baseball: Estimates from Panel Data, The Review of Economics and Statistics 1993, 157 ff. 3 Empirische Daten zu dieser Frage finden sich bei Bühring-Uhle, Arbitration and Mediation in International Business, 1996, 160 ff.
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Kap. 20 Rz. 25
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Effect bezeichnet. Final-Offer-Arbitration sollte hier Abhilfe schaffen.1 Es wurde unterstellt, jede Seite würde sich bemühen, ein marginal vernünftigeres Angebot als die andere Seite vorzulegen. Das Verfahren wurde und wird also als eines beschrieben, das Verhaltensanreize hinsichtlich der begleitenden Verhandlungen erzeugen soll.2 Weil es um die vorausgehenden und begleitenden Verhandlungen geht, spricht auch die wiederholt festgestellte niedrige Qualität von Entscheidungen im Rahmen der Final-Offer-Arbitration3 nicht notwendig für eine negative Bewertung dieses Verfahrens. Wenn – wie fast stets – Verhandlungen vorausgehen, wird Final-Offer-Arbitration vor allem dort stattfinden, wo risikofreudige Beteiligte, die einseitig vorteilhafte Ergebnisse anstreben, Verhandlungen haben scheitern lassen. Es liegt auf der Hand, dass diese Beteiligten dann auch innerhalb des Verfahrens durch einseitig vorteilhafte Angebote die Wahrscheinlichkeit polarisierter Ergebnisse erhöhen. Danach müssen die begleitenden Verhandlungen untersucht werden, um das Verfahren bewerten zu können.4 25
Aus dem Zusammenspiel zwischen Verhandlungen und Final-Offer-Arbitration lassen sich zudem einige strategische Erwägungen ableiten, die zugleich die zugrunde liegenden Verhaltensanreize deutlich machen: Unterstellt man, der Schiedsrichter entscheide nach der Sachlage (und nicht aufgrund anderer Verhaltensanreize), wird jeder Beteiligte sein Gebot an der vermuteten Entscheidung des Dritten festmachen (Target Salary Approach).5 Er wird also abschätzen, welche Entscheidung der Dritte treffen würde, und anhand dieser Hypothese sein Angebot formulieren. Ein risikoneutraler Spieler wird eben diese Entscheidung seinem letzten Angebot zugrunde legen, ein risikoscheuer wird weniger, ein risikofreudiger Teilnehmer mehr fordern. Falls aber (wie in der fraglichen Baseballliga) nach der Offenlegung der Angebote noch Verhandlungen stattfinden, hätte der risikoscheue Spieler durch sein unter dem Target Salary bleibendes Angebot der anderen Seite seine Risikopräferenz enthüllt. Damit schwächt er seine Stellung in der Verhandlung, nachdem die andere Seite unterstellen darf, dass sich eine risikoscheue Partei zu weitergehenderen Kompromissen bereitfindet als eine risikoneutral agierende. Um in den Verhandlungen beste Ergebnisse zu erzielen, empfiehlt es sich also auch für risikoscheue Teilnehmer, in den vorausgehenden Verhandlungen risikoneutrales Verhalten an den Tag zu legen. Sowohl risikoscheue also auch risikoneutrale Spieler müssten danach ihrem Angebot stets das Target Salary zugrunde legen. Nur für risikofreudige Teilnehmer wird sich eine andere Herangehensweise empfehlen.6
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Betrachtet man demgegenüber nur die Ergebnisse der Final-Offer-Arbitration – nicht aber diejenigen des begleitenden Verhandlungsprozesses – so lassen sich auch andere Erwägungen anstellen: Eine dominante Strategie wird sich danach umso mehr empfehlen, je weniger 1 S. Burgess/Marburger, Do Negotiated and Arbitrated Salaries Differ under Final-Offer-Arbitration?, Industrial und Labor Relations Review 1993 (Vol. 46), 548 (549) m.w.N.; Bühring-Uhle, Arbitration and Mediation in International Business, 1996, 327 und Duve, BB 1998 (Beilage 9), 15 (29). 2 S. etwa Faurot/McAllister, Salary Arbitration und Pre-Arbitration Negotiation in Major League Baseball, Industrial and Labor Relations Review 1992 (Vol. 45), 697 (701). 3 D.h., die Ergebnisse liegen häufiger außerhalb des Bereiches, in dem üblicherweise die Einigung bzw. das Urteil des konventionellen Schiedsgerichts hätte liegen müssen; s. Burgess/Marburger, Do Negotiated and Arbitrated Salaries Differ under Final-Offer-Arbitration?, Industrial und Labor Relations Review 1993 (Vol. 46), 548 (557). 4 S. Faurot/McAllister, Salary Arbitration und Pre-Arbitration Negotiation in Major League Baseball, Industrial and Labor Relations Review 1992 (Vol. 45), 697 ff. zu dem Zusammenhang zwischen Final-Offer-Arbitration und vorausgehenden Verhandlungen. 5 S. Erekson/Moser/Schwartz, Evenhandedness in Arbitration: The Case of Major League Baseball, Eastern Economic Journal 1989 (Vol. XV), 83 (120 und 123). 6 S. Faurot/McAllister, Salary Arbitration und Pre-Arbitration Negotiation in Major League Baseball, Industrial and Labor Relations Review 1992 (Vol. 45), 697 (709 f.).
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Final-Offer-Arbitration
Rz. 31 Kap. 20
die Entscheidung des Dritten vorausgesagt werden kann. Trifft dann eine risikofreudige Partei auf eine erkennbar(!) risikoscheue, so „wird die risikoscheue vorsichtig (moderat) bieten und die risikofreudige demgegenüber sehr ambitioniert und das regelmäßig mit Erfolg“.1 Insgesamt scheinen Teilnehmer stets gut beraten, ihre etwaige risikoscheue Herangehensweise der anderen Seite nicht zu offenbaren. Die positiven Effekte von Final-Offer-Arbitration im Vergleich zu normalen Verhandlungslösungen scheinen sich mehr auf den begleitenden Verhandlungsprozess als auf die Ergebnisse des eigentlichen Drittentscheidungsverfahrens zu beziehen.
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b) Leitlinien für die Praxis Für die Praxis lassen sich einige Leitlinien zusammenfassen: Als Vorteil des Verfahrens kön- 28 nen zunächst diejenigen Verhaltensanreize genannt werden, die das Verfahren hinsichtlich der begleitenden Verhandlungen entwickelt. Hieraus folgt, dass solche begleitenden Verhandlungen von Vorteil sein können. Daneben geht es aber vor allem um Zeit- und Kostenvorteile, die in den erwähnten empirischen Untersuchungen nicht zum Ausdruck kommen. Etwa im Rahmen streitiger Erbauseinandersetzungen mögen die Beteiligten ihr Interesse an einer zeitnahen Einigung höher bewerten als ihr Interesse, optimale Ergebnisgerechtigkeit zu erreichen. Das Argument der im Vergleich zu Verhandlungslösungen geringeren Ergebnisgerechtig- 29 keit des Verfahrens darf nicht überschätzt werden. Unter den Bedingungen der Baseball-Arbitration werden nur diejenigen Fälle durch den beauftragten Dritten entschieden und dann auch empirisch erfasst, in denen die Verhandlungen scheiterten, was auf risikofreudige Beteiligte hinweist. Zum anderen fehlt es ja nicht wenigen Beteiligten auch an Vertrauen in die Ergebnisgerechtigkeit gerichtlicher Entscheidungen. Es liegen wohl keine Untersuchungen vor, die Ergebnisse gerichtlicher Entscheidungen mit denen von Final-Offer-Verfahren oder Verhandlungslösungen vergleichen, zumal dann offen bliebe, anhand welchen Maßstabes die jeweilige Ergebnisgerechtigkeit zu bestimmen wäre.2 Im Blick auf das Entweder-Oder des Bestehens rechtlicher Ansprüche darf vermutet werden, dass Gerichtsverfahren – mehr noch als Final-Offer-Verfahren – zu extremen Ergebnissen neigen, sofern man diese mit Verhandlungslösungen kontrastiert. Für die vorausgehenden und begleitenden Verhandlungen kann folgende Leitlinie formuliert werden: Es sollte regelmäßig keine risikoscheue Herangehensweise offenbart werden. Beteiligte, die sich selbst als risikoscheu einordnen, sollten das Verfahren möglicherweise gänzlich meiden.
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Das Drittentscheidungsverfahren anhand verbindlicher Angebote weist Wagnischarakter 31 auf. Nicht selten wird am Ende eine Seite das Verfahren ein wenig verloren, die andere Seite entsprechend gewonnen haben. Der rechtliche Berater wird das Verfahren daher nur Mandanten anraten, die über die Fähigkeit verfügen, Vor- und Nachteile nüchtern einzuschätzen, und die den maximal drohenden finanziellen Verlust notfalls verkraften können. Auch muss derjenige, der mit diesem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren Neuland be-
1 Eidenmüller, RIW 2002, 1 (9) unter Verweis auf Raiffa, The Art & Science of Negotiation, 1982, 118. 2 Gerichtlichen Entscheidungen ohne weiteres vollkommene Ergebnisgerechtigkeit zuzubilligen, käme wohl einer Fiktion gleich und würde auch der Wahrnehmung der Mehrzahl der Parteien nicht entsprechen.
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Kap. 20 Rz. 32
Verfahren zur Teilung
M 20.1
tritt,1 Risiken und Chancen besonders sorgsam abwägen. In diesem Sinne sollte die Anwendbarkeit des nachfolgend vorgeschlagenen Mustertextes stets anhand des konkreten Sachverhaltes geprüft und überdacht werden. 32
Gleichwohl bietet die Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote auch Vorteile. Sie verändert die ökonomischen Verhaltensanreize der Beteiligten und vermag kosten- und zeitsparend Lösungen herbeizuführen. Vereinnahmt die Praxis die volle Bandbreite der außergerichtlichen Streitbeilegung, so wird auch das Drittentscheidungsverfahren anhand verbindlicher Angebote seinen Anwendungsbereich finden.
II. Muster 33
M 20.1 Verfahrenssteuernde Vereinbarung über eine Drittentscheidung anhand verbindlicher AngeboteA1 Heute am … … erscheinen gleichzeitig vor mir … Notar in … 1. Herr A 2. Herr B 3. Herr D Die Erschienenen wiesen sich durch ihre amtlichen Lichtbildausweise aus. Auf Befragen bestätigen die Erschienenen: Weder der Notar noch sein Sozius waren für die Beteiligten in dieser Angelegenheit außerhalb des Notaramtes tätig. Auf Ansuchen der Erschienenen beurkunde ich nach Grundbucheinsicht was folgt: I. Vorbemerkung A und B sind Miteigentümer zu je ein halb 50 % – fünfzig vom Hundert – hinsichtlich von insgesamt fünf, teilweise bebauten Grundstücken. Gesellschaftsvertragliche Abreden bestehen nicht. 1. Grundbuchstand Folgender Grundbesitz steht im Eigentum der Miteigentümer: … 2. Zielsetzung, Mitwirkung Die Erschienenen als Miteigentümer wünschen sich über den vorstehend genannten Grundbesitz auseinander zu setzen. Über die Zuordnung der Immobilien und die Höhe etwaiger Ausgleichszahlungen konnte keine Einigung erzielt werden. Die Beteiligten haben sich daher geeinigt, die Auseinandersetzung in dem nachstehend beschriebenen Verfahren durch Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote vorzunehmen. Die vorliegende Urkunde dient der Regelung dieses 1 Praxiserfahrungen im deutschen, wenn nicht europäischen Rechtsraum dürften bislang die Ausnahme sein; vgl. etwa aus britischer Sicht Brown/Marriott, ADR Principles and Practice, 2. Aufl. 1999, 4–65 (63): „primarily American“ (und in der 3. Aufl. 2011 nicht mehr erörtert).
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Final-Offer-Arbitration
Rz. 33 Kap. 20
Verfahrens. Alle Beteiligten verpflichten sich, an diesem Verfahren nach bestem Wissen und Gewissen mitzuwirken und alles ihnen Zumutbare zu tun, um die reibungslose und unverzügliche Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen. II. Drittentscheidungsverfahren Die Beteiligten haben sich auf die Durchführung eines Verfahrens zur Auseinandersetzung des Miteigentums geeinigt, das wie folgt stattfinden wird: Jede Seite, also sowohl A als auch B, werden ein rechtsverbindliches Angebot vorlegen. Der von beiden Seiten hierzu beauftragte und bevollmächtigte Dritte wird sodann dasjenige Angebot im Namen einer Partei annehmen, das ihm nach den Wertverhältnissen als das angemessenere erscheint. Sodann wird die damit zustande gekommene Auseinandersetzungsvereinbarung vom Notar vollzogen werden. Die Einzelheiten werden im Folgenden geregelt: 1. Angebote Jede Vertragsseite verpflichtet sich, bis zum 15.9. dieses Jahres der anderen Vertragsseite ein notariell beurkundetes, rechtsverbindliches Angebot zu machen. Der Text des Angebotes muss sich nach den Vorgaben richten, die in Abschnitt V. dieser Urkunde enthalten sind, und muss alle in Abschnitt I.1. genannten Grundstücke in das Alleineigentum eines der Miteigentümer überführen. Abweichungen von dem unter V. vorgegebenen Text sind nur an denjenigen Stellen zulässig, die hierfür vorgesehen sind. Der beurkundende Notar darf redaktionelle Änderungen vornehmen und Schreibversehen berichtigen. Jedes der Angebote muss vor dem beurkundenden Notar, seinem Sozius, deren Vertretern oder Nachfolgern im Amt abgegeben werden und ist auch nur dann vertragsgemäß im Sinne dieser Urkunde.A2 Der beurkundende Notar wird bereits heute unwiderruflich beauftragt, dem beauftragten Dritten Ausfertigungen der Angebotsurkunden zu übermitteln.A3 2. Verhandlungen Der beauftragte Dritte ist sodann befugt, aber nicht verpflichtet, jedem Beteiligten den Inhalt des jeweils anderen Angebotes bekannt zu geben und den Beteiligten Zeit für erneute Vergleichsverhandlungen zu geben. An diesen wird der beauftragte Dritte nicht teilnehmen, und zwar weder als Vermittler noch als Zuhörer. Falls der beauftragte Dritte hiervon Gebrauch macht, muss er den Beteiligten eine Zeitspanne von wenigstens zehn Tagen einräumen. Während der Laufzeit der von ihm bestimmten Verhandlungsphase darf der beauftragte Dritte keines der Angebote annehmen.A4 3. AnnahmeA5 Der beauftragte Dritte wird dasjenige Angebot namens und in Vertretung der jeweils anderen Seite annehmen, das ihm als das angemessenere erscheint. Dabei wird er die Erwägung zugrunde legen, dass jede Vertragsseite einen möglichst gleich hohen wirtschaftlichen Wert erhalten soll. Maßgebend ist dabei ausschließlich der Verkehrswert, nicht der ideelle oder subjektive Wert. Für die Bewertung von Grundstücken kann er sachverständigen Rat einholen, wobei seine Auslagen bis zu einem Höchstbetrag von 5000 Euro von den Beteiligten auf Rechnungsstellung hin unverzüglich je zur Hälfte zu erstatten sind. In dieser Höhe darf er auch einen Vorschuss einfordern. Der beauftragte Dritte ist nicht verpflichtet, die Grundlagen seiner Entscheidung zu dokumentieren oder Unterlagen solcher Art aufzubewahren oder herauszugeben. Soweit sich aus dieser Vereinbarung nichts anderes ergibt, ist der beauftragte Dritte verpflichtet, eines der beiden Angebote bis spätestens zum 15.12. dieses Jahres anzunehmen. Der beauftragte Dritte kann die Parteien vor seiner Entscheidung anhören und zu einer Stellungnahme auffordern. Er ist hierzu nicht verpflichtet. Hat eine Vertragsseite entgegen der vorstehenden Verpflichtung das von ihr abzugebende Angebot nicht rechtzeitig oder nicht vertragsgemäß abgegeben, so wird der beauftragte Dritte mit Walz
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Ablauf des 15.9. dieses Jahres das andere Angebot annehmen. Hat keine Vertragsseite bis zum 15.9. dieses Jahres ein vertragsgemäßes Angebot vorgelegt, so endet das Verfahren. Der beauftragte Dritte wird ggf. entscheiden, ob ein Angebot als vertragsgemäß im Sinne dieser Urkunde gilt.A6 Die Vertragsteile verpflichten sich gegenseitig, die gemachten Angebote selbst weder anzunehmen noch abzulehnen. Eine Ablehnung eines Angebotes ist ausgeschlossen, solange das hier geregelte Verfahren nicht beendet ist. Die Anwendung des § 146 BGB wird insoweit ausgeschlossen. Sollte ein Vertragsteil das Angebot der anderen Seite im Rechtssinne ablehnen oder die Unwirksamkeit des Angebotes infolge seiner behaupteten Ablehnung auch nur geltend machen, so ist bereits heute vereinbart, dass derjenigen Seite, deren Angebot abgelehnt wurde, ein Anspruch auf Neuvereinbarung eines Vertrages mit dem Inhalt des abgelehnten Angebotes zusteht. Der beauftragte Dritte wird für diesen Fall bereits heute beauftragt und – befreit von § 181 BGB – bevollmächtigt, diesen Vertrag mit der anderen Seite zu vereinbaren und alle zu dessen Vollzug erforderlichen Erklärungen abzugeben. Sofern die Vertragsseite, deren Angebot entgegen den Bestimmungen dieses Vertrages abgelehnt wurde, dies verlangt, muss der beauftragte Dritte das andere, noch wirksame Angebot annehmen.A7 4. Vollzug Der amtierende Notar wird bereits heute angewiesen, die durch Annahme zustande kommende Auseinandersetzungsvereinbarung dem Grundbuch vorzulegen und zu vollziehen. 5. Aussetzung und Beendigung des Verfahrens Das Verfahren endet, wenn – beide Vertragsteile den beauftragten Dritten schriftlich anweisen, das Verfahren nicht mehr fortzuführen; – mit Ablauf des 15.9. dieses Jahres keines der beiden vorstehend genannten Angebote abgegeben wurde. Das Verfahren wird durch den beauftragten Dritten ausgesetzt, wenn beide Vertragsteile ihm insoweit eine übereinstimmende schriftliche Weisung geben, das Verfahren ruhen zu lassen, etwa weil die Vertragsteile Vergleichsverhandlungen zu führen wünschen. Ruht das Verfahren danach für mehr als sechs Monate, so ist das Verfahren beendet und der beauftragte Dritte wird nicht mehr tätig werden.A8 6. Ausschluss der Billigkeitsprüfung Eine Anwendung des § 319 Abs. 1 BGB soll in jedem Fall ausgeschlossen sein. Über den Inhalt der gesetzlichen Vorschrift des § 319 Abs. 1 BGB hat der Notar eingehend belehrt.A9 III. Benennung des beauftragten Dritten Die Vertragsteile benennen hiermit übereinstimmend Herrn D – vor- und nachstehend „beauftragter Dritter“ genannt – als beauftragten Dritten im Sinne dieser Urkunde. Dieser erhält eine Vergütung in Höhe von … Euro zuzüglich gesetzlicher USt. …A10 IV. Auftrag und Vollmacht 1. Vollmacht Beide Vertragsteile bevollmächtigen hiermit jeweils unwiderruflich den beauftragten Dritten mit Wirkung über den Tod hinaus, in ihrem Namen das jeweilige Angebot der anderen Vertragsseite 286
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anzunehmen und alle Erklärungen abzugeben, insbesondere Grundbuchanträge zu stellen, die zum Vollzug der Auseinandersetzung des Miteigentums erforderlich oder zweckdienlich sein können. Er ist insbesondere bevollmächtigt, Angebote im Sinne dieses Verfahrens und Annahmeerklärungen im Sinne dieses Verfahrens entgegenzunehmen. Er ist weiterhin bevollmächtigt, die zum Vollzug erforderliche Auflassung mit der Annahme eines Angebotes zu erklären und entgegenzunehmen. Die Vollmacht ist gegenüber dem Grundbuchamt unbeschränkt und kann hinsichtlich beurkundungspflichtiger Vorgänge nur beim amtierenden Notar, seinem Sozius und deren Vertretern und Nachfolgern im Amt ausgeübt werden.A11 Der Bevollmächtigte ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Der Notar hat über die Rechtsprechung belehrt, wonach ein Widerruf der Vollmacht aus wichtigem Grund auch bei unwiderruflich erteilten Vollmachten möglich sein kann.A12 2. AuftragA13 Beide Vertragsteile beauftragen hiermit gemeinsam und einseitig unwiderruflich den beauftragten Dritten mit Wirkung über den Tod hinaus, dasjenige der beiden Angebote nach Maßgabe der Regelungen in dieser Urkunde anzunehmen, das ihm nach seinem Ermessen als das angemessenere erscheint. Er soll die erteilten Angebote entgegennehmen und die von ihm abgegebene Annahmeerklärung namens der anderen Vertragsseite entgegennehmen. Der beauftragte Dritte ist nicht verpflichtet, das Zustandekommen seiner Entscheidung zu dokumentieren oder zu begründen. Er soll alle Erklärungen abgeben und Handlungen vornehmen, die zum Vollzug der zustande kommenden Auseinandersetzungsvereinbarung erforderlich sind, insbesondere die Auflassung(en) vereinbaren und/oder entgegennehmen. Die Beteiligten und der beauftragte Dritte vereinbaren, dass der beauftragte Dritte für die von ihm zu treffende Ermessensentscheidung in keiner Weise haftbar gemacht werden kann, es sei denn für vorsätzliches Fehlverhalten. Die Vertragsteile verpflichten sich zudem gegenseitig, keine nicht auf vorsätzlichem Fehlverhalten beruhenden Haftungsansprüche gegen den beauftragten Dritten geltend zu machen.A14 Jede Vertragsseite verpflichtet sich im Wege des Vertrages zugunsten des beauftragten Dritten, diesen von allen Haftungsansprüchen, die von der anderen Vertragsseite gegen den beauftragten Dritten unter Verstoß gegen diese Verpflichtung geltend gemacht werden, freizustellen.A15 Über das Zustandekommen seiner Entscheidung muss der beauftragte Dritte keine Auskunft geben, er ist nicht zur Herausgabe irgendwelcher Unterlagen verpflichtet, das Auftragsverhältnis kann nur nach II. 5. dieser Urkunde beendet, im Übrigen aber von Seiten der Auftraggeber nicht gekündigt werden.A16 3. Aufrechterhaltung von Vollmacht und Auftrag Die Vertragsteile verpflichten sich hiermit gegenseitig, für die Dauer des hier geregelten Verfahrens weder das vorstehende Auftragsverhältnis zu beenden noch die hier erteilten Vollmachten zu widerrufen oder einzuschränken.A17 V. Inhalt der abzugebenden Angebote Jedes der abzugebenden Angebote gilt nur dann als vertragsgemäß im Sinne dieser Urkunde, wenn es den folgenden Text inhaltlich unverändert übernimmt. Der amtierende Notar sowie dessen etwaiger Nachfolger im Amt und deren amtlich bestellter Vertreter dürfen redaktionelle Änderungen zulassen und Schreibversehen berichtigen. Änderungen gelten als vertragsgemäß, wenn der Notar (oder dessen etwaiger Nachfolger im Amt oder deren amtlich bestellter Vertreter) bestätigt, dass diese auf seinen Vorschlag zurückgehen oder dass diese lediglich redaktionelle Änderungen und Schreibversehen darstellen.A18 (Beginn Muster der Angebotsurkunde)
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„Angebot auf Abschluss einer Auseinandersetzungsvereinbarung Urkundeneingang … A. Angebot Vorbemerkung 1. Grundbuchstand (wie I.1.) 2. Die Beteiligten haben sich zu Urkunde des amtierenden Notars, URNr. … vom …, auf die Durchführung eines Drittentscheidungsverfahrens zur Auseinandersetzung des zwischen ihnen bestehenden Miteigentums geeinigt. Diese Urkunde ist dem Erschienenen genau bekannt und lag heute im Original vor. Auf erneutes Verlesen, Beifügen und Vorlage zur Durchsicht wird verzichtet. Auf diese Urkunde – nachstehend „verfahrenssteuernde Vereinbarung“ genannt – wird verwiesen.A19 I. Herr/Frau … – im Folgenden „der Anbieter“ genannt – bietet hiermit Herrn/Frau … – im Folgenden „der Angebotsempfänger“ genannt – den Abschluss einer Auseinandersetzungsvereinbarung an. II. Der Anbieter hält sich an dieses Angebot bis zum 15.12. dieses Jahres gebunden.A20 Nach diesem Termin kann der Anbieter das Angebot widerrufen, und zwar sowohl gegenüber dem Angebotsempfänger als auch gegenüber dem beauftragten Dritten als Bevollmächtigtem des Angebotsempfängers. Beauftragter Dritter im Sinne dieser Urkunde ist Herr D. Das Angebot kann nur vor dem beurkundenden Notar, seinem Sozius und deren Vertretern und Nachfolgern im Amt angenommen werden. Die Annahme kann nur durch Herrn D als beauftragtem Dritten in Ausübung der Vollmacht für den Angebotsempfänger erfolgen. Eine Annahme durch den Angebotsempfänger selbst ist ausgeschlossen. Das Angebot ist in der Weise auflösend bedingt, dass es erlischt, falls es vom Angebotsempfänger selbst und nicht vom beauftragten Dritten in Vertretung des Angebotsempfängers angenommen wird.A21 Das Angebot erlischt zudem, wenn und sobald dasjenige Angebot angenommen wurde, das der Angebotsempfänger abgegeben hat oder abgeben wird, und ist in der Weise auflösend bedingt, dass nur eines der beiden Angebote, die aufgrund der verfahrenssteuernden Vereinbarung abgegeben werden sollen, angenommen werden kann.A22 Für die Wirksamkeit der Annahme genügt es, wenn die Annahme vor dem amtierenden Notar beurkundet ist. Auf den Zugang der Annahmeerklärung kommt es nicht an. Der amtierende Notar wird jedoch angewiesen, den Vertragsteilen unverzüglich eine Ausfertigung der Annahmeerklärung zu übersenden. III. Hinsichtlich von Auflassungen und Ausgleichszahlungen gilt das Folgende: Auflassungen sind in die Annahmeurkunde aufzunehmen. Dabei ist der Notar anzuweisen, die Eigentumsumschreibungen erst herbeizuführen, wenn die Erbringung einer etwaigen Ausgleichszahlung durch den Zahlungsempfänger bestätigt wurde oder der Zahlungspflichtige dem Notar die Zahlung nachgewiesen hat. Bis dahin sind Auflassungen nicht in beglaubigte Abschriften und Ausfertigungen der Annahmeurkunde aufzunehmen.A23 IV. Die Kosten dieser Urkunde trägt der Anbieter. 288
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Von der Urkunde erhalten: Ausfertigungen – der beauftragte Dritte Abschriften – der Anbieter – das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – Die im Text des angebotenen Vertrages vorgesehenen Abschriften sind zu erteilen, sobald die Annahme erfolgt ist. B. AuseinandersetzungsvereinbarungA24 I. Grundbuchstand 1. Grundstück Flur-Nr. … 2. Grundstück Flur-Nr. … 3. Grundstück Flur-Nr. … II. Auseinandersetzung Die Eigentümer setzen sich hiermit über den vorstehend unter I. genannten Grundbesitz wie folgt auseinander: Der Anbieter überlässt hiermit seinen Miteigentumshälfteanteil an den folgenden Grundstücken an den Angebotsempfänger: … Der Angebotsempfänger überlässt hiermit seinen Miteigentumshälfteanteil an den folgenden Grundstücken an den Anbieter: … Als Wertausgleich hat der Anbieter/Angebotsempfänger an den Anbieter/Angebotsempfänger einen baren Geldbetrag in Höhe von … Euro – i.W.: … – zu leisten. (Es folgen Regelungen zur Fälligkeitsmitteilung des Notars etc.)A25 III. Übernahme von Belastungen (Falls Belastungen vorhanden sind, müssen diese zugeordnet werden.)A26 IV. Übergabe, Erschließungskosten V. SachmängelhaftungA27 VI. Vollzugsvollmacht Notar VII. Grundbucherklärungen (ohne Auflassung)A28 VIII. Finanzierungsvollmacht u.Ä. C. Schlussbestimmungen (Ende Muster der Angebotsurkunde) VI. Schlussbestimmungen Der Notar wird von allen Beteiligten angewiesen, dem beauftragten Dritten alle Auskünfte zu erteilen und Einsicht in alle Unterlagen gewähren, die mit dieser Urkunde und dem Drittentscheidungsverfahren in Zusammenhang stehen. Von der Urkunde erhalten: Ausfertigungen – der beauftragte Dritte
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Kap. 20 Rz. 33a
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Abschriften – beide Vertragsteile – das Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – Die Kosten dieser Urkunde tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Die Kosten der noch abzugebenden Angebote trägt die jeweils anbietende Partei.A31 VII. HinweiseA29 Der Notar hat vorsorglich andere Möglichkeiten der Auseinandersetzung von Miteigentümergemeinschaften (insbesondere einvernehmliche Auseinandersetzung, einvernehmlicher Verkauf und anschließende Teilung des Erlöses, Teilungsversteigerung) sowie die dabei möglichen Sicherungsmaßnahmen erläutert. Er hat auf die Risiken hingewiesen, die demgegenüber aufgrund der vorliegenden Gestaltung entstehen. Der Notar hat die Eigenarten des gewählten Verfahrens ausführlich erläutert. Jeder Beteiligte hat sich für das Verfahren nach und aufgrund eingehender anwaltlicher Beratung und Beratung durch den Steuerberater entschieden. Der Notar hat insbesondere nochmals darauf hingewiesen, dass das Verfahren in der Regel zum Wirksamwerden einer Auseinandersetzungsvereinbarung führen wird, die die Wünsche jedenfalls einer Vertragsseite nicht oder nicht voll erfüllt. Er hat den Wagnischarakter der Vereinbarung und die daraus folgenden Risiken nochmals abschließend erläutert. Die Beteiligten nehmen diese bewusst in Kauf. Weitere Belehrungen: …A30 vorgelesen, genehmigt, unterschrieben: …
Anmerkungen zu Muster M 20.1 33a
A1 Sachverhalt: Es handelt sich um eine Miteigentümergemeinschaft, in deren Eigentum fünf Grundstücke stehen. Die Auseinandersetzung soll durch Zuordnung von Grundstücken und Leistung von Ausgleichszahlungen erfolgen. Der zugrunde gelegte Fall ist damit möglichst einfach strukturiert, um die Besonderheiten des Drittentscheidungsverfahrens anhand verbindlicher Angebote vor Augen zu führen. Das Muster kann in modifizierter Form auch auf die Auseinandersetzung von sonstigen Gemeinschaften angewandt werden. Eine gründliche und genaue Vertragsgestaltung im Einzelfall ist von Bedeutung, nachdem Notar und beauftragter Dritten erhebliche Verantwortung tragen, die nur vor dem Hintergrund eindeutiger Verfahrensvorschriften hinnehmbar ist. Letztlich wirken hier zwei Neutrale an der Auseinandersetzung mit, der Notar als vermittelnder und beratender Vertragsgestalter und der beauftragte Dritte als zur Entscheidung berufene Person.
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A2 Text der Angebote: Von besonderer Wichtigkeit ist es, Modifikationen der Angebotstexte zu unterbinden, die die Vergleichbarkeit der Angebote erschweren oder gar ausschließen. Ein Angebot gilt daher nur als abgegeben, wenn es vertragsgemäß ist. Unter Abschnitt V. des Musters finden sich genaue, formularähnliche Vorgaben für den zulässigen Inhalt des jeweiligen Angebotes.
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A3 Zugang: Das jeweilige Angebot wird erst dann wirksam, wenn es dem Angebotsempfänger zugeht (§ 130 BGB). Dazu ist es bei beurkundeten Erklärungen erforderlich, dass eine Ausfertigung der Urkunde zugeht. Eine beglaubigte oder einfache Abschrift reicht nicht aus, es sei denn, dies ist ausdrücklich vereinbart (s. Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 130 Rz. 10). Die Vollmacht an den beauftragten Dritten unter Abschnitt IV. 1. des Musters erstreckt sich daher auf die Entgegennahme von Angeboten.
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A4 Verhandlungen: S. unter Rz. 28 ff. der Einführung zu diesem Muster zu der Bedeutung von Verhandlungen innerhalb des Drittentscheidungsverfahrens anhand verbindlicher 290
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Angebote. Statt der gewählten fakultativen Verhandlungsrunde im Ermessen des Dritten kann auch eine obligatorische vorgesehen werden oder ohne vorhergehende Verhandlungen entschieden werden. A5 Annahme: Mit der Annahme kommt ein rechtswirksamer Vertrag zustande (§ 152 BGB).
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A6 Vergleichbarkeit: Das Abstellen auf das Vorliegen eines vertragsgemäßen Angebotes soll 38 die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleisten und vor manipulativen Angeboten schützen. A7 § 146 BGB: Nach § 146 BGB erlischt ein Angebot zwingend dann, wenn es durch den 39 Angebotsempfänger abgelehnt wurde. Deshalb ist die Anwendung des § 146 BGB insoweit ausgeschlossen (s. zur Zulässigkeit einer solchen Abrede oben unter Rz. 14 ff. der Einführung zu diesem Text). Die Regelung enthält eine Sanktion für den Fall, dass eine Vertragsseite das Verfahren dadurch zu behindern sucht, dass sie das Angebot der anderen Seite ablehnt. Die Regelung sieht vor, dass der nicht vertragsbrüchigen Seite sodann das Auswahlrecht zusteht, welche Vereinbarung wirksam werden soll. A8 Ende und Ruhen des Verfahrens: Die Beteiligten bleiben Herren des Verfahrens und 40 können dieses insbesondere aussetzen oder beenden. Dem beauftragten Dritten soll Planungssicherheit durch die Frist von sechs Monaten verschafft werden. A9 § 319 BGB: Rechtsunsicherheit könnte aus der an sich nicht anwendbaren Vorschrift 41 des § 319 Abs. 1 BGB resultieren, falls man die Entscheidung des beauftragten Dritten der eines Schiedsgutachters gleichstellen wollte. Nach der genannten Vorschrift können Entscheidungen eines Schiedsgutachters durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden, wenn das Gericht die Entscheidung für offenbar unbillig hält (s.a. oben die Einführung unter Rz. 12 f.). Eine analoge Anwendung von § 319 Abs. 1 BGB wäre von vornherein ausgeschlossen, wenn die Entscheidung in das freie Belieben des Dritten gestellt würde. Eine solches freies Belieben ist aber nicht gewollt. Richtig ist es daher, die Anwendung der Vorschrift auszuschließen (s. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 319 Rz. 9 und 10 m.w.N.). A10 Auftrag: Hier können weitere Einzelheiten aus dem Auftragsverhältnis zu dem Dritten geregelt werden.
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A11 Vollmacht: Durch die in vielen Bereichen übliche Beschränkung der Ausübung der Vollmacht auf das Büro des beurkundenden Notars soll diesem eine gewisse Kontrolle der Verfahrensabläufe ermöglicht und eine gesicherte Abwicklung gewährleistet werden.
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A12 S. Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 168 Rz. 6 m.w.N.
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A13 Das Auftragsverhältnis bedarf einer eingehenden Regelung, um den beauftragten Dritten vor Haftung zu schützen.
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A14 Ermessen des Dritten: Das Ermessen des beauftragten Dritten soll möglichst frei 46 ausgestaltet sein. Ansonsten könnte die Rationalität seiner Auswahlentscheidung einer zu engen gerichtlichen Prüfung unterzogen sein. Es soll verhindert werden, dass ein Gericht die Entscheidung des Dritten durch seine eigene ersetzt und sodann den Dritten für die von ihm verursachte Abweichung haftbar macht. A15 Die Kuchenvergrößerung zulasten des beauftragten Dritten soll in jedem Fall aus- 47 geschlossen sein. A16 S. §§ 666, 667, 671 BGB.
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A17 Verfahrenstreue: Diese schuldrechtliche Verpflichtung zwischen den Vertragsteilen ist nicht mit der Unwiderruflichkeit der Vollmacht und des Auftragsverhältnisses identisch, sondern tritt verstärkend neben diese.
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A18 Redaktionelle Änderungen: S. Anm. 2 und 6 zu den Gründen, Form und Inhalt der Angebote vorab weitgehend festzulegen. Gewisse Abweichungen, wie redaktionelle Änderungen und berichtigte Schreibversehen, müssen allerdings möglich bleiben. Durch das Abstellen auf die Stellungnahme des Notars soll hier Streit vermieden werden.
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A19 Verweisung: Unter Abschnitt II. der vorgegebenen Angebotsurkunde wird die verfahrenssteuernde Vereinbarung erwähnt, so dass eine Verweisung erforderlich ist, um dem Beurkundungserfordernis gerecht zu werden.
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A20 Der 15.12. des Jahres ist in dem vorliegenden Beispiel der Tag, an dem spätestens eines der Angebote angenommen sein soll.
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A21 Damit soll verhindert werden, dass einer der Vertragsteile eigenmächtig das Angebot der anderen Seite annimmt. Dies erscheint allerdings ohnehin unwahrscheinlich, nachdem dies in der Regel wirtschaftlich nicht sinnvoll sein wird.
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A22 In jedem Fall muss die theoretisch denkbare Situation vermieden werden, dass zwei einander widersprechende Auseinandersetzungsverträge wirksam werden. Durch die formulierte Bedingung kann im Ergebnis nur ein Angebot angenommen werden. Da die verfahrenssteuernde Vereinbarung in die Bedingung einbezogen ist, musste auf diese zu Beginn des Angebotstextes verwiesen werden (§ 13a Abs. 1 BeurkG).
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A23 Auflassung: Die Auflassungen muss der beauftragte Dritte in der Annahmeurkunde erklären. Im Hinblick auf die Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung und weil diese bei gleichzeitiger Anwesenheit erklärt werden muss, ist dies nicht zu umgehen und entspricht der Üblichkeit.
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A24 Auseinandersetzungsvereinbarung: Die hier aus Platzgründen nur abgekürzt wiedergegebene Auseinandersetzungsvereinbarung muss in der tatsächlichen Urkunde genau vorgegeben werden. Ansonsten erscheint Manipulation möglich und leidet die Vergleichbarkeit der Angebote. Wie etwa sollte der beauftragte Dritte vorgehen, wenn eine Vertragsseite der anderen in ihrem Angebot eine umfassende Altlastenhaftung aufgeben würde, das zweite Angebot aber einen Haftungsausschluss vorsähe? Insgesamt wird die verfahrenssteuernde Vereinbarung umso besser sein, je detailgenauer der Inhalt der Auseinandersetzungsvereinbarung vorgegeben ist.
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A25 Leistungsaustausch, Schutz vor Vorausleistung: Die Gestaltung muss den auch sonst gestellten Anforderungen an Austauschverträge gerecht werden, insbesondere sind einseitige und ungesicherte Vorausleistungen zu vermeiden. Üblicherweise werden Zahlungen erst nach Eintragung von Auflassungsvormerkungen und Fälligkeitsmitteilung durch den Notar fällig, d.h. dann, wenn dem allseitigen Vollzug der Urkunde nichts mehr entgegensteht.
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A26 Grundbuchlasten: Auch insoweit gelten die Erwägungen aus der vorhergehenden Anmerkung hinsichtlich der Notwendigkeit einer gesicherten Abwicklung. Eine befreiende Schuldübernahme sollte nur dann möglich sein, wenn die das Angebot abgebende betreffende Partei dem Notar eine Bestätigung des oder der Gläubiger vorlegt, wonach diese sich bereits vorab – aufschiebend bedingt durch die Annahme des Angebotes – mit der Schuldübernahme einverstanden erklären. Ansonsten droht der Vollzug der Auseinandersetzung stecken zu bleiben, falls Zustimmungen zu Schuldübernahmen nicht zu erhalten sind. Jedenfalls muss die Eigentumsumschreibung von der erfolgreichen Durchführung der befreienden Schuldübernahme abhängig gemacht werden. 292
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A27 Auch hier muss eine detaillierte, für beide Angebote identische Regelung vorgegeben werden, um die Vergleichbarkeit der Angebote zu gewährleisten und der Manipulation vorzubeugen.
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A28 Vorlageanweisung: Die Sicherung der Abwicklung wird in der Regel durch eine verzögerte Eigentumsumschreibung erreicht. Der Notar erhält die Weisung, die Eigentumsumschreibung erst nach Zahlung etwaiger Ausgleichsbeträge und im Falle von befreienden Schuldübernahmen auch erst nach deren Durchführung vorzunehmen (sog. Vorlageanweisung); s. den Vertragstext bei Anm. 23.
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A29 Wagnischarakter: Da das Verfahren Risiken in sich trägt und – auch – Wagnischa- 61 rakter aufweist, wird der Notar eine solche Vertragsgestaltung nicht von sich aus vorschlagen. Das Verfahren kommt nur für wirtschaftlich leistungsfähige und in Geschäftsdingen erfahrene Personen in Betracht, die Nutzen und Risiken abschätzen können. Die Beteiligten sollten in der Regel anwaltlich beraten sein, um eine einseitig parteiliche Hilfestellung zu ermöglichen, die besser als die unparteiliche Beratung des Notars Fragen der Strategie behandeln kann. Gleichwohl sollte der Notar die Risiken des Verfahrens nochmals erläutern. A30 Weitere Hinweise: Weitere, vorstehend noch nicht umfasste Risiken aufgrund des konkreten Sachverhalts sollten hier noch ausdrücklich und erschöpfend aufgeführt werden, ebenso bedürfen die insoweit möglichen Sicherungen einer abschließenden Aufzählung.
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A31 Kosten: Die verfahrenssteuernde Vereinbarung löst eine 2,0-Gebühr nach Nr. 21100 KV GNotKG aus, wobei der Geschäftswert dem einer Auseinandersetzungsvereinbarung entsprechen dürfte. Für die beiden Angebote fällt die gleiche Gebühr an, für die Annahme eine 0,5-Gebühr nach Nr. 21101 KV GNotKG an. Die Kosten des Vollzugs im Grundbuch entsprechen denen, die infolge einer normalen Auseinandersetzungsvereinbarung anfallen.
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Kapitel 21
A. I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
7.
Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern („shoot out“)
Grundform Einführung Regelung im Gesellschaftsvertrag . . . . . . . Möglichkeiten, sich aus einer Gesellschaft zu lösen . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eignung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhaltensanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varianten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwei Gesellschafter mit ungleichen Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehr als zwei Gesellschafter . . . . . . . . Wegweiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.1 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung – ausführliche Fassung . . . . . . . . . . M 21.2 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung – kurze schuldrechtliche Vereinbarung . . M 21.3 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung – wechselseitige Veräußerungs- oder Erwerbsverpflichtung als Zwischenlösung . . . . . . . . . . . . . .
1 3 6 9 13 17 18 20 22 25
25
48
B. Mehrstufiges Verfahren durch alternative Preisbestimmung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.4 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung . . . . . C. Vorschaltverfahren zur Übernahmeregelung: Eskalation auf eine höhere Hierarchiestufe („Escalation to the Top“) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.5 Satzungsregelung: „Escalation to the Top“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vorschaltverfahren zur Übernahmeregelung: Stichentscheid I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.6 Satzungsregelung: Stichentscheid
62 68
68
74 75 75
79 81 81
55
Literatur: Kallrath, Pattsituationen unter Gesellschaftern – mögliche Lösungswege, notar 2014, 75; Schroeder/Welpot, High Noon in Nürnberg, NZG 2014, 609; Schulte/Sieger, „Russian Roulette“ und „Texan Shoot Out“ – Zur Gestaltung von radikalen Ausstiegsklauseln in Gesellschaftsverträgen von Joint-Venture-Gesellschaften (GmbH & Co. KG), NZG 2005, 24.
A. Grundform I. Einführung 1. Regelung im Gesellschaftsvertrag 1
Gesellschaftsverträge regeln die Zusammenarbeit bei der Verwirklichung eines gemeinsamen Ziels der Gesellschafter. Regelmäßig sehen sie aber auch Lösungsmöglichkeiten vor für den Fall, dass die Kooperation nicht mehr sinnvoll fortgeführt werden kann. Derartige Regelungen sind häufig sogar die Basis dafür, dass Partner in eine Kooperation in der Form einer Gesellschaft überhaupt einwilligen. Sie stehen im Gegensatz zu ad-hoc getroffenen Regelungen über die Auseinandersetzung einer Gemeinschaft (vgl. Kap. 38 Rz. 1 ff.), die dann geschlossen werden, wenn die Gesellschafter gemeinsam beschlossen haben, eine be294
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Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 5 Kap. 21
stehende Kooperation nicht fortzusetzen. Häufig werden sie flankiert von Maßnahmen, die den letzten Schritt der endgültigen Trennung vermeiden sollen (vgl. zu mehrstufigen Verfahren bei einer Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern, unten B. (Rz. 62 ff.), haben aber in der letzten Konsequenz das gleiche Ziel wie die ad hoc getroffene Auseinandersetzungs-/Trennungsvereinbarung und weisen mit dieser Parallelen auf. Da die Gesellschafter bei Eingehen der Gesellschaft von einer gemeinsamen Zielsetzung ausgehen, ist es in diesem Stadium leichter, eine ausgewogene und sachgerechte Regelung für eine Trennung zu treffen. Einigungen über Ad-hoc-Regelungen sind möglicherweise deshalb schwer zu erreichen, weil Zerwürfnisse der Parteien in diesem Stadium dazu geführt haben, dass eine Trennung erforderlich wird und das dann bestehende Misstrauen sachgerechten Lösungen entgegensteht. Aus diesen Gründen ist es dringend zu empfehlen, Regelungen zur Trennung bereits in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Die Auseinandersetzungsregelungen eines Gesellschaftsvertrags sind daher in zweierlei Hin- 2 sicht Elemente einer außergerichtlichen Streitbeilegung. Da sie einerseits bereits die Folgen einer Auseinandersetzung aufzeigen, werden sich die Parteien bemühen, den Konflikt, in einer Weise zu lösen, der letztendlich die Auseinandersetzung vermeidet. Wenn das nicht möglich und die Trennung nicht zu vermeiden ist, dann ist andererseits bereits eine ausgewogene Regelung getroffen, die zu einer schnellen Auseinandersetzung führt und die Gesellschaft und die Gesellschafter deutlich weniger belastet, als eine jahrelange gerichtliche Auseinandersetzung. 2. Möglichkeiten, sich aus einer Gesellschaft zu lösen Die Kündigung ist die „klassische“ Möglichkeit, sich aus einer Gesellschaft zu lösen. Soweit 3 sie nicht aus wichtigem Grund erklärt wird, muss der Gesellschaftsvertrag ihre Zulässigkeit und Rechtsfolgen regeln. Wenn sie (1.) die Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft zur Folge hat, geht dies häufig zu weit, wenn eine Zerschlagung des gewachsenen Geschäftsbetriebs unwirtschaftlich ist. Aber auch (2.) eine Kündigung, die nur das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zur Folge hat, ist problematisch, vor allem wegen der geschuldeten Abfindung. Diese richtig zu bemessen, führt immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Ein Bewertungsabschlag gegenüber dem Verkehrswert wird zwar akzeptiert, um die Gesellschaft nicht unbillig zu belasten und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass bei einer Zerschlagung nicht der volle Wert der Gesamtheit realisiert werden könnte. Andererseits darf dieser Abschlag nicht so groß sein, dass dadurch der Ausscheidende praktisch bestraft wird. Auch die „richtig“ bemessene Abfindung führt daneben zu einer wirtschaftlichen Belastung der Gesellschaft. Daneben kann der Gesellschafter (3.) seine Beteiligung veräußern (vgl. Kap. 36 Rz. 1 ff.). 4 Ohne Vinkulierung der Anteile sehen sich die verbleibenden Gesellschafter allerdings mit einem neuen Partner konfrontiert, den sie sich nicht selbst aussuchen konnten. Ist die Veräußerung dagegen an die Zustimmung der anderen Gesellschafter gebunden, ist der Veräußerungswillige von der Zustimmung der anderen abhängig. Eine (4.) Veräußerungsberechtigung mit Vorkaufsrecht der verbleibenden Gesellschafter 5 kann diesen Gegensatz mildern, ebenso ein (5.) Andienungsrecht eines Gesellschafters mit Übernahmeverpflichtung der anderen („put option“). In allen diesen Fällen geht die Initiative vom Ausscheidenswilligen aus. Bei einem (6.) Erwerbsrecht („call option“) der übrigen Gesellschafter oder der (7.) Einziehung dagegen kann ein Gesellschafter gegen seinen Willen ausgeschlossen werden (vgl. zur Einziehung mit Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters Kap. 36 Rz. 35 ff.). Neben den erwähnten Bewertungsproblemen ist hier cha-
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Kap. 21 Rz. 6
Verfahren zur Teilung
rakteristisch, dass es sich um Sonderrechte des einen oder anderen Gesellschafters handelt und damit naturgemäß eine Ungleichbehandlung vorliegt. Hier bietet die im Folgenden dargestellte Übernahmeregelung eine Alternative. 3. Funktionsweise 6
Diese Übernahmeregelung eignet sich für die Auseinandersetzung einer gleichberechtigt zweigliedrigen Gesellschaft, also einer Gesellschaft mit zwei Gesellschaftern mit gleich großen Beteiligungen. Die vorgeschlagene Übernahmeregelung beinhaltet kein Sonderrecht eines Gesellschafters, sondern steht beiden gleichermaßen zu. Sie bietet eine Möglichkeit, die Kooperation der Gesellschafter zu beenden, beteiligt aber beide Gesellschafter an dem Verfahren.
Anders als bei den zuvor beschriebenen Put- oder Call-Optionen enthält die hier vorgeschlagene Regelung eine Kombination beider Rechte, die so ausgestaltet ist, dass ein Gesellschafter einen angemessenen Preis für die Beteiligung festsetzt und der andere Gesellschafter entscheidet, ob er zu diesem Preis kaufen oder verkaufen will. Dieser Gesellschafter hat also sowohl eine Put- als auch eine Call-option. Jeder der Gesellschafter hat wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der Bedingungen und des Verfahrens der Auseinandersetzung und damit das Interesse, eine angemessene Lösung zu finden. Derjenige, der das Verfahren auslöst, kann nicht sicher sein, ob er derjenige sein wird, der die Gesellschaft fortführt, oder derjenige, der abgefunden wird. Er hat das Recht, den Preis festzusetzen, und muss daher versuchen, einen Preis zu finden, den er sowohl als Käufer als auch als Verkäufer angemessen fände. Aber der andere Gesellschafter entscheidet, wer die Gesellschaft fortführt und wer ausscheidet. In der amerikanischen Literatur wird daher plastisch von „shoot out“ gesprochen. Die Unsicherheit über den Ausgang wirkt dabei als Anreiz, die Kooperation nicht leichfertig zu beenden und sich vielmehr im Vorfeld ernsthaft um eine einvernehmliche Lösung zu bemühen. Durch flankierende Maßnahmen, die unter B. bis D. unten angesprochen werden, kann dieser Prozess noch unterstützt werden. Hier geht es zunächst um den zugrundliegenden Mechanismus. Dabei ist folgender Ablauf zu beachten: 8 (1.) Ist die Entscheidung über eine Trennung gefallen, haben die Parteien die Möglichkeit, über alle damit zusammenhängenden Fragen zu verhandeln, insbesondere den Preis für das Ausscheiden eines Gesellschafters einvernehmlich festzulegen. Verweigert sich hier eine Seite, kann jede Partei den shoot out als ultima ratio wählen. (2.) Dabei setzt der Gesellschafter, der die Initiative ergreift – im Folgenden und in den Mustern „Gesellschafter A“ genannt – einen Preis für die jeweilige Gesellschaftsbeteiligung fest. Infolge der 50 %-Beteiligung jedes Gesellschafters ist dieser Preis für beide Anteile gleich hoch. Gleichzeitig gibt Gesellschafter A zwei Angebote ab, eines zum Kauf der Beteiligung des anderen Gesellschafters, eines zum Verkauf der eigenen Anteile an den anderen. (3.) Der andere Gesellschafter – im Folgenden und in den Mustern „Gesellschafter B“ genannt – kann nunmehr frei wählen und eines der Angebote annehmen. (4.) Trifft Gesellschafter B als wahlberechtigter Angebotsempfänger keine Wahl bzw. äußert er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Frist, kann der anbietende Gesellschafter A selbst die Wahl treffen und zu dem von ihm bestimmten Preis kaufen oder verkaufen. 7
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Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 14 Kap. 21
4. Eignung Bei der Übernahmeregelung handelt es sich um ein typisches Aufteilungs- und Auswahlverfahren („You cut – I choose“-Verfahren). Die Rollenverteilung zwischen den beiden Beteiligten und die Offenheit des Ausgangs erhöht die Wahrscheinlichkeit eines objektiv angemessenen Ergebnisses.
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Das Verfahren ist dabei streng formalisiert. Es kann daher nicht in erster Linie auf Koope- 10 rationsgewinne angelegt sein. Die Kooperationsgewinne lassen sich am ehesten durch Verhandlungen mit offenem Ausgang erzielen, in denen beide Seiten offen für die Interessen der anderen sind. So kann etwa eine Trennung in der Weise möglich sein, dass aufgrund unterschiedlicher Interessenlage eine bestimmte Aufteilung der zu trennenden Gesellschaft den Interessen beider Gesellschafter in höherem Maße gerecht wird. Ein Beispiel für eine solche Regelung wäre, wenn einer der Gesellschafter höheres Interesse am Firmengrundstück hat und der andere an bestimmtem technischen Know-how und Patenten interessiert ist. Derartige Interessenlagen sollten in jedem Fall vorrangig ermittelt werden. Typischerweise werden sie durch Ad-hoc-Regelungen abgedeckt werden, da solche Interessenlagen wohl nicht über eine unabsehbare Dauer bestehen bleiben (z.B. Patente laufen aus oder werden technisch überholt). Selbstverständlich sollte im Vorfeld und ggf. begleitend zu dem eigentlichen Übernahmeverfahren die Chance zu Verhandlungen genutzt werden. Das hier vorgeschlagene Übernahmeverfahren „Shoot-Out“ an sich hat rein distributiven 11 Charakter. Im Hinblick auf die bereits getroffene Entscheidung, die Kooperation zu beenden und sich endgültig zu trennen, geht es um deren effiziente Abwicklung. Hier erweist sich ein möglichst hoher Vollzugsautomatismus und eine große Regelungstiefe von Vorteil. Ist das Verfahren bereits bei Beginn der Kooperation vereinbart, kann es im Krisenfall von einer Partei einseitig ausgelöst werden. Es kann dann auch unabhängig von der Mitwirkung der anderen Partei zu Ende geführt werden. Dieser Vollzugsautomatismus wird bei der Vertragsgestaltung dadurch erreicht, dass die 12 Beteiligten nicht bloß schuldrechtliche Abreden treffen, sondern die einzelnen Verfahrensschritte bereits vorzeichnen und flankierende Vollmachten erteilen. Dadurch besteht von vornherein eine große Regelungstiefe. Statt die Trennung schlimmstenfalls im Klagewege durchsetzen zu müssen, liegen vollzugsfähige notarielle Urkunden vor. Die Umsetzung bedarf daher nicht einer so hohen Verfahrenstreue wie in anderen Verfahren. Eine solche Absicherung ist insbesondere bei Zerwürfnissen der Gesellschafter hilfreich, wenn einer der Gesellschafter wesentliche und dringende Entscheidungen blockiert und bei einer länger andauernden Auseinandersetzung Schaden für die Gesellschaft zu befürchten ist. 5. Verhaltensanreize Im Einzelnen sind bei der Wahl des Verfahrens die folgenden Verhaltensanreize von Bedeutung: Das Übernahmeverfahren bietet eine scharfe Sanktion für den Fall, dass eine einvernehmliche Einigung in Sachfragen oder auch über eine Beendigung der Kooperation nicht erzielt werden kann. Allein die Möglichkeit, die Trennung einseitig herbeiführen zu können, wirkt einer Totalverweigerung der anderen Seite entgegen und erhöht im Vorfeld die Einigungsbereitschaft. Im Rahmen der Übernahme wird der wirtschaftliche Organismus nicht zerschlagen, sondern bleibt die Gesellschaft bzw. ihr Unternehmen als organisatorische Einheit erhalten.
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Das Übernahmeverfahren liegt ganz in der Hand der Parteien. Keine der Parteien hat da- 14 bei ein Vorrecht und die Rollenverteilung steht nicht vorab fest. Der Ausgang des VerfahSchwarz 297
Kap. 21 Rz. 15
Verfahren zur Teilung
rens kann von keiner Seite allein bestimmt oder mit Sicherheit vorhergesehen werden. Von der Mitwirkung Dritter sind die Parteien weitgehend unabhängig. So liegt etwa die Bewertung der Geschäftsanteile allein bei den Gesellschaftern, nicht in der Hand eines Dritten, etwa Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers, an dessen Neutralität eine Seite Zweifel haben mag. Für die Bewertung sind daher keine vorab bestimmten, starren Kriterien vorgegeben, die den aktuellen Gegebenheiten zur Zeit der Trennung möglicherweise nicht mehr gerecht werden. Anhand der aktuellen Gegebenheiten, ihrer genauen Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse und ihrer subjektiven Einschätzung können die Parteien vielmehr die Bewertung selbst vornehmen. Selbstverständlich können sie sich dabei fachkundiger Hilfe Dritter bedienen. Dass derjenige, der die Initiative ergreift, nicht weiß, ob er später kaufen oder verkaufen muss, wird ihn veranlassen, einen fairen Preis zu bieten. 15
Für die praktische Handhabung muss aber vorausgesetzt werden, dass beide Gesellschafter tatsächlich annähernd gleich „stark“ sind, d.h. über ähnliche wirtschaftliche Ressourcen verfügen und gleichen Zugang zu Informationen haben. Beides spielt für die Bemessung und Zahlung der Abfindung eine entscheidende Rolle. Der finanzstärkere Partner kann ansonsten etwa den Preis weniger an der fairen Bewertung des Anteils orientieren als an der Finanzlage der anderen Seite, wobei natürlich bei einem sehr günstigen Preis auch die finanzschwache Seite möglicherweise eine Fremdfinanzierung erlangen oder einen ihr genehmen Partner in das Unternehmen einbinden kann, so dass auch hier die Möglichkeiten, die Situation zu missbrauchen, eingeschränkt sind.
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Schließlich lässt sich das Verfahren in einem klar umgrenzten zeitlichen Rahmen abwickeln. Und es entstehen keine Kosten über die ohnehin (für eine Geschäftsanteilsabtretung) anfallenden Kosten hinaus. 6. Varianten
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Den vorstehenden Ausführungen und dem nachfolgenden Muster liegt die Annahme zugrunde, dass zwei Gesellschafter je zur Hälfte an der Gesellschaft beteiligt sind. Für andere Gesellschafterkonstellationen müssten die bisherigen Überlegungen variiert werden. a) Zwei Gesellschafter mit ungleichen Anteilen
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Wenn etwa zwei Gesellschafter nicht mit gleichen Anteilen an der Gesellschaft beteiligt sind, lässt sich die Übernahmeregelung gleichwohl einsetzen. Sinnvoll wäre dies z.B., wenn dem Minderheitsgesellschafter eine Möglichkeit zur Lösung aus der Gesellschaft gegeben werden soll, wenn er mit der Entscheidung des Mehrheitsgesellschafters nicht einverstanden ist. Für den Mehrheitsgesellschafter wäre die Übernahmeregelung interessant, wenn dem Minderheitsgesellschafter ein Vetorecht zusteht. Es handelt sich also auch hier um Sachverhalte, in denen eine Kooperation nicht weiter möglich erscheint. Für diesen Fall ungleicher Beteiligungsverhältnisse ist die Übernahmeregelung dahingehend anzupassen, dass vom Gesellschafter A zwei unterschiedliche Preise für die unterschiedlich großen Beteiligungsverhältnisse festzusetzen sind. Die Preise können für beide Anteile nicht frei festgesetzt werden, sondern müssen proportional zueinander und zu den Geschäftsanteilen sein; bei GmbHGeschäftsanteilen also derselbe Preis pro 1 Euro Nennbetrag jedes Geschäftsanteils. Anderenfalls würde Gesellschafter A seinen Geschäftsanteil unverhältnismäßig hoch und den Geschäftsanteil des Gesellschafters B unverhältnismäßig niedrig bewerten. Beispiel: Gesellschafter A ist mit 40 %, Gesellschafter B mit 60 % an der Gesellschaft beteiligt. A setzt für seinen 40 %-Anteil einen Preis x und für den 60 %-Anteil des B einen Preis y. Der Preis 298
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Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 24 Kap. 21
y muss dabei eineinhalbmal so hoch sein wie der Preis x. B kann sodann wiederum entscheiden, ob er zum Preis x kaufen oder zum Preis y verkaufen möchte. A kann für B handeln, wenn sich B nicht fristgerecht äußert. Falls die Beteiligungen allerdings in sehr hohem Maße abweichen (z.B. 95 % und 5 %), erscheint eine Auseinandersetzung wie hier vorgeschlagen nur in Ausnahmefällen sachgerecht, da hier die wirtschaftliche Situation so stark abweicht, dass das hier vorgeschlagene Verfahren keine taugliche Lösung für eine Auseinandersetzung darstellt.
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b) Mehr als zwei Gesellschafter Sind mehr als zwei Gesellschafter beteiligt, lassen sich die Überlegungen für zwei Gesell- 20 schafter übertragen, wenn sich zwei Gruppen bilden lassen und innerhalb einer Gruppe eine einheitliche Willensbildung gewährleistet ist. Die einheitliche Willensbildung könnte z.B. auf Gesellschaftervereinbarung (Stimmbindung, Stichentscheid durch ein Mitglied der Gruppe) beruhen. Sind beide Gruppen gleich stark (beispielsweise in einer Dreierkonstellation, in der A mit 50 % und B und C gemeinsam mit 50 % beteiligt sind), gelten die für zwei je zur Hälfte beteiligte Gesellschafter angestellten Überlegungen. Bestehen unterschiedliche Beteiligungsverhältnisse, gilt das unter a) Gesagte. Ist eine einheitliche Willensbildung in der Gruppe nicht gewährleistet, werden andere Instrumentarien leichter zu handhaben und damit vorzuziehen sein.
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7. Wegweiser In den unter II. folgenden Mustern bietet M 21.1 (Rz. 25) eine ausführliche Fassung mit 22 großer Regelungstiefe und hohem Vollzugsautomatismus. Die Muster unter B., M 21.4 ff. (Rz. 62 ff.) gestatten mit vorgeschalteten Verfahrensschritten eine noch differenziertere Ausgestaltung. Der redaktionelle Aufwand ist allerdings nicht unerheblich. Wer ihn scheut mag sich mit M 21.2 (Rz. 49) auf die Regelung des grundsätzlichen Verfah- 23 rensablaufs gemäß 3. oben (Rz. 8) beschränken. Sie beinhaltet nur die schuldrechtliche Verpflichtung zu den weiteren Verfahrensschritten mit Preisbestimmung und Call- oder Put-Option in verteilten Rollen, bedarf also im Falle der tatsächlichen Trennung der Gesellschafter noch der Ausgestaltung im Detail und – bei der GmbH – der notariellen Beurkundung. Für diese können wiederum die Texte unter Ziff. 2 ff. in M 21.1 (Rz. 25) genutzt werden. Da sie dann aber erst ausgehandelt werden müssen, wenn in der Regel bereits ein nicht zu überbrückender Streit zwischen den Gesellschaftern besteht, birgt die Vereinfachung bei der verfahrenssteuernden Vereinbarung das Risiko des Streits bei der Umsetzung im Detail. Gegenüber herkömmlichen Trennungsverfahren bleibt aber der Vorteil, dass der Preis autonom durch die beteiligten Gesellschafter bestimmt wird und die drohende Sanktion die Einigungsbereitschaft im Vorfeld erhöht. Zwischenlösungen hinsichtlich der Regelungstiefe sind denkbar. M 21.3 (Rz. 55) bietet eine 24 solche, indem wechselseitige Veräußerungs- oder Erwerbsverpflichtungen begründet und deren Umsetzung zu notarieller Urkunde bereits vorgezeichnet, wenn auch nicht im Detail ausformuliert werden. Die Regelungstiefe ist damit größer (Anm. A4 zu M 21.3 [Rz. 59]: Die Regelungstiefe kann durch die Einschaltung eines Dritten ergänzt werden). Auf Vollzugsautomatismus wird allerdings verzichtet, insbesondere für den Fall, dass Gesellschafter B auf die Initiative des Gesellschafters A nicht reagiert.
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Kap. 21 Rz. 25
Verfahren zur Teilung
M 21.1
II. Muster 25
M 21.1 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder GesellschaftervereinbarungA1 – ausführliche Fassung 1. Grundtext: Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung § …A2 Ausstieg aus der GesellschaftA3 1. Um den Ausstieg eines Gesellschafters aus der Gesellschaft einzuleiten, erklärt ein Gesellschafter schriftlich gegenüber dem anderen, dass er die Übernahme aller Geschäftsanteile an der Gesellschaft durch einen der Gesellschafter verhandeln möchte. Die Gesellschafter sind daraufhin gehalten, innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen ab Zugang der schriftlichen Erklärung nach Satz 1 über diese Übernahme zu verhandeln.A4 2. Kommt eine Einigung in dieser Zeit nicht zustande, kann jeder Gesellschafter (nachfolgend „Gesellschafter A“ genannt) innerhalb einer FristA5 von 30 Tagen nach Ablauf der Frist gemäß Absatz 1 ein Angebot gegenüber dem anderen Gesellschafter (nachfolgend „Gesellschafter B“ genannt) abgeben.A6 In diesem Angebot hat Gesellschafter A a) einen Preis festzusetzen und b) dem Gesellschafter B anzubieten, nach dessen Wahl entweder aa) seine (des Gesellschafters A) gesamten Geschäftsanteile zu diesem Preis an Gesellschafter B zu verkaufen oder bb) die gesamten Geschäftsanteile des Gesellschafters B zu diesem Preis zu kaufen. Das Angebot ist zur Urkunde eines am Sitz der Gesellschaft zuständigen NotarsA7 und mit den weiteren Bestimmungen des Angebots gemäß Anlage I abzugeben. Eine Ausfertigung der Angebotsurkunde ist dem Gesellschafter B unter der von ihm zuletzt der Gesellschaft bekannt gegebenen Adresse förmlich zuzustellen.A8 Wenn beide Gesellschafter ein Angebot abgeben, kann nur dasjenige angenommen werden, das als Erstes dem Empfänger zugeht, bei gleichzeitigem Zugang das früher beurkundete Angebot.A9 3. Innerhalb von 60 Tagen nach dem Zugang des Angebots kann Gesellschafter B die Wahl gemäß Absatz 2.b) ausüben und entweder das Kauf- oder das Verkaufangebot annehmen. Diese Erklärung ist zu notarieller Urkunde gemäß Anlage II abzugeben. Zur Einhaltung der vorgenannten Frist genügt die rechtzeitige Beurkundung dieser Erklärung unbeschadet der Verpflichtung, unverzüglich für den Zugang der Erklärung beim Gesellschafter A zu sorgen. Die Beurkundung hat bei demselben Notar – oder dessen Vertreter oder Amtsnachfolger – zu erfolgen, der das Angebot beurkundet hat. 4. Gibt Gesellschafter B die Erklärung gemäß Absatz 3 nicht fristgerecht ab, kann Gesellschafter A diese Erklärung für ihn abgeben.
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M 21.1
Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 25 Kap. 21
Beide Gesellschafter erteilen sich bereits heute hierzu unwiderrufliche Vollmacht, die sich auch auf die in Anlage II enthaltene Zwangsvollstreckungsunterwerfung erstreckt. Jeder Gesellschafter hat dafür Sorge zu tragen, dass seine Rechtsnachfolger eine entsprechende Vollmacht erteilen.A10 Der Bevollmächtigte ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und befugt, Untervollmacht zu erteilen. Diese Vollmacht kann nur bei dem Notar – oder dessen Vertreter oder Amtsnachfolger – ausgeübt werden, der das Angebot beurkundet hat. Die Vollmacht kann nur ausgeübt werden, wenn Gesellschafter A den Beginn der Frist gemäß Absatz 3 durch Vorlage der Zustellungsurkunde für sein Angebot an Gesellschafter B dem Notar nachweist. Die Parteien sind sich einig, dass die Vorlage dieser Zustellungsurkunde als Nachweis für den Beginn der Frist ausreichend ist. 5. Für die Abtretung von Geschäftsanteilen nach diesem Paragraphen bedarf es nicht der für Geschäftsanteilsabtretungen in sonstigen Fällen durch die Satzung vorgeschriebenen Zustimmung der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter. 6. Die Texte gemäß den Anlagen können vom amtierenden Notar redaktionell angepasst und bei offensichtlichen Schreibversehen entsprechend berichtigt werden. Insbesondere sind die erforderlichen DatenA11 und allgemeinen BestimmungenA12 zu ergänzen und die Regelungen den zur Zeit der Durchführung des Übernahmeverfahrens gegebenen Umständen anzupassen.A13 Es dürfen jedoch keine Änderungen vorgenommen werden, die über die Dokumentation von Tatsachen hinausgehen, die wirtschaftliche Bedeutung für die Übernahmeentscheidung der Gesellschafter haben oder dem Gesamtkonzept des Übernahmeverfahrens zuwiderlaufen. 2. Anlage I zum Grundtext gemäß vorstehend 1.: Angebotsurkunde Anlage I Angebot zum Erwerb oder zur Veräußerung von Geschäftsanteilen (Urkundeneingang) I. 1. Im Handelsregister des Amtsgerichts … S-Stadt ist unter HRB Nr. … 1234 folgende Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingetragen: … XY-GmbH – im Folgenden „die Gesellschaft“ genannt – Der Sitz der Gesellschaft ist … S-Stadt. Am Stammkapital der Gesellschaft zu … Euro sind beteiligt: Gesellschafter: Geschäftsanteil im Nennbetrag von: 1. Herr X … Euro 2. Herr Y … Euro 3. … … Euro Darauf sind jeweils 100 % einbezahlt. Vorgenannte Beteiligungen sind weder mit einem Pfandrecht noch einem Nießbrauch noch mit einem sonstigen Recht Dritter belastet. Klargestellt wird, dass sämtliche Geschäftsanteile des jeweiligen Gesellschafters an der Gesellschaft von dem folgenden Angebot betroffen sind, auch wenn sie vorstehend nicht richtig oder vollständig aufgeführt sein sollten. 2. Gemäß § … der Satzung/der Gesellschaftervereinbarung vom … wurde das Verfahren zum Ausstieg eines Gesellschafters aus der Gesellschaft geregelt. Schwarz 301
Kap. 21 Rz. 25
Verfahren zur Teilung
M 21.1
Mit schriftlicher Erklärung vom … hat Gesellschafter … gegenüber dem anderen Gesellschafter erklärt, dass er die Übernahme aller Geschäftsanteile an der Gesellschaft durch einen der Gesellschafter verhandeln möchte. Seither ist eine Einigung hierzu nicht zustande gekommen. Die Frist von 30 Tagen gemäß § … Absatz 1 ist seither verstrichen, nicht aber die weitere 30-Tage-Frist gemäß § … Absatz 2. Gesellschafter … – im Folgenden Gesellschafter A genannt – bestimmt daher gegenüber Gesellschafter … – im Folgenden Gesellschafter B genannt – gemäß § … Absatz 2 der Satzung/ Gesellschaftervereinbarung, was folgt: II. Der Preis für sämtliche Geschäftsanteile des Gesellschafters A wird mit insgesamt … Euro festgesetzt. Derselbe Preis gilt für sämtliche Geschäftsanteile des Gesellschafters B. III. Gesellschafter A unterbreitet Gesellschafter B hiermit die folgenden beiden Angebote, von denen Gesellschafter B nur entweder das eine oder das andere annehmen kann: 1. Angebot Gesellschafter A tritt seine in Ziff. I. genannten Geschäftsanteile im Nennbetrag von … an Gesellschafter B mit allen Rechten und Pflichten ab. 2. Angebot Gesellschafter B tritt seine in Ziff. I. genannten Geschäftsanteile im Nennbetrag von … an Gesellschafter A mit allen Rechten und Pflichten ab. IV. Für die mit der Annahme eines der Angebote zustande kommende Geschäftsanteilsabtretung gelten die folgenden Bedingungen: 1. Die Geschäftsanteilsabtretung steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Veräußerer den Preis gemäß Ziff. II dieser Urkunde vollständig an den Erwerber bezahlt hat. 2. Das Gewinnbezugsrecht geht auf den Erwerber über ab Beginn des bei Abgabe dieses Angebots laufenden Geschäftsjahres. 3. Die Geschäftsanteilsabtretung erfolgt im Wege des Kaufvertrages zu dem in Ziff. II festgesetzten Preis. 4. Der Veräußerer garantiert, dass er weder durch Gesetz noch durch Vertrag und/oder Satzung an der Veräußerung und der Abtretung der übertragenen Geschäftsanteile gehindert ist, ihm die übertragenen Geschäftsanteile zustehen, diese nicht mit Rechten Dritter belastet sind, die Stammeinlagen wie eingangs aufgeführt, eingezahlt sind und ein Vorkaufsrecht oder sonstiges Erwerbsrecht Dritter nicht besteht bzw. nicht ausgeübt wird. Darüber hinaus ist jede Haftung ausgeschlossen, insbesondere auch für Mängel des Unternehmens, an dem die übertragenen Beteiligungen bestehen. 302
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M 21.1
Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 25 Kap. 21
V. Sollten Darlehen des Veräußerers an die Gesellschaft bestehen oder Bürgschaften, Garantien oder sonstige Sicherheiten für die Gesellschaft übernommen worden sein, sind diese zeitgleich mit der Bezahlung des Kaufpreises durch den Erwerber abzulösen. Darlehen werden in der Form abgelöst, dass die Darlehensforderung zum Nominalbetrag der Darlehensvaluta und der bis zum Übergangszeitpunkt aufgelaufenen Zinsen erworben wird. Die Bürgschaften, Garantien und sonstigen Sicherheiten sind dadurch abzulösen, dass der Erwerber entsprechende gleichwertige Sicherheiten bestellt und der Sicherungsnehmer im Austausch hierfür die vom Veräußerer gewährten Sicherheiten freigibt. Sollte der Sicherungsnehmer die Ablösung nicht akzeptieren,A14 muss der Erwerber den Veräußerer in vollem Umfang freistellen und den Freistellungsanspruch durch das Stellen angemessener und werthaltiger SicherheitenA15 besichern. Der Übergang der Gesellschaftsanteile ist in diesen Fällen neben Ziff. IV.1. dieser Urkunde auch aufschiebend bedingt durch die Ablösung der Darlehen, Bürgschaften, Garantien und sonstigen Sicherheiten oder die entsprechende Freistellung mit Sicherheitsleistung.A16 VI. Für den Fall der Annahme des Angebotes in Ziff. III.2. unterwirft sich Gesellschafter A wegen seiner Verpflichtung zu Zahlung des Preises gemäß Ziff. II der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Das Angebot gemäß vorstehender Ziff. III.1. kann von Gesellschafter B nur angenommen werden, wenn er sich in der Annahmeurkunde wegen der Zahlung des Preises gemäß Ziff. II der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft.A17 VII. (Kosten, Abschriften, Hinweise) (Urkundenabschluss mit Schlussvermerk und Unterschriften) 3. Anlage II zum Grundtext: Annahmeerklärung a) Variante 1: Gesellschafter B erklärt sich Anlage II Annahme eines Angebots zur Geschäftsanteilsabtretung (Urkundeneingang, Beteiligter: Gesellschafter B) I. Gemäß § … der Satzung/Gesellschaftervereinbarung vom …A18 wurde das Verfahren zum Ausstieg eines Gesellschafters aus der Gesellschaft geregelt. Auf dieser Grundlage hat Gesellschafter … – im Folgenden „Gesellschafter A“ genannt – zur Urkunde des Notars … vom …, URNr. …/…A19 – im Folgenden „Angebotsurkunde“ genannt – den Preis für die jeweilige Beteiligung festgesetzt und dem Beteiligten – im Folgenden „Gesellschafter B“ genannt – nach dessen Wahl den Verkauf oder Kauf aller Geschäftsanteile angeboten. Der Beteiligte bestätigt, dass er seinerseits kein entsprechendes Angebot abgegeben hat,A20 er die Angebotsurkunde am … (Datum) erhalten hat und damit am heutigen Beurkundungstag die 60-Tage-Frist gem. § … der Satzung noch nicht abgelaufen ist.
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Kap. 21 Rz. 26
Verfahren zur Teilung
M 21.1
II. Entweder Gesellschafter B nimmt hiermit das Angebot gemäß Ziff. III.1. der Angebotsurkunde an. Er erwirbt somit alle Geschäftsanteile des Gesellschafters A an der Gesellschaft zu den in der Angebotsurkunde festgesetzten Bestimmungen. Gesellschafter B unterwirft sich wegen der Zahlung des in Ziff. II. der Angebotsurkunde genannten Preises an Gesellschafter A der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Oder Gesellschafter B nimmt hiermit das Angebot gemäß Ziff. III.2. der Angebotsurkunde an. Er veräußert somit alle seine Geschäftsanteile an der Gesellschaft an Gesellschafter A zu den in der Angebotsurkunde festgesetzten Bestimmungen. III. (Kosten, Abschriften, Hinweise) (Urkundenabschluss mit Schlussvermerk und Unterschriften) b) Variante 2: Gesellschafter A gibt die Erklärungen für Gesellschafter B ab Anlage II Urkundeneingang, Beteiligter: Gesellschafter A) I. Gemäß § … der Satzung/Gesellschaftervereinbarung vom … wurde das Verfahren zum Ausstieg eines Gesellschafters aus der Gesellschaft geregelt. Zur Urkunde … des Notars … vom …, URNr. …/… – im Folgenden „Angebotsurkunde“ genannt – hat demgemäß der Beteiligte – im Folgenden „Gesellschafter A“ genannt – den Preis für die jeweilige Beteiligung festgesetzt und dem anderen Gesellschafter – im Folgenden „Gesellschafter B“ genannt – nach dessen Wahl den Verkauf oder Kauf aller Geschäftsanteile angeboten. Die Zustellung der Angebotsurkunde am … an Gesellschafter B ist durch Vorlage der Zustellungsurkunde nachgewiesen. Gesellschafter B hat sich innerhalb der 60-Tage-Frist seit dem Zugang des Angebots nicht erklärt. Gesellschafter A gibt daher diese Erklärung für Gesellschafter B aufgrund der in § … Absatz 4 der Satzung/Gesellschaftervereinbarung erteilten Vollmacht ab. II. (Entspricht Variante 1, vorstehend a) III. (Kosten,A21
Abschriften) (Urkundenabschluss mit Schlussvermerk und Unterschriften)
Anmerkungen zu Muster M 21.1 26
A1 Sachverhalt: Bei einer GmbH mit zwei gleichberechtigten Gesellschaftern soll eine Regelung für die Beendigung der Zusammenarbeit getroffen werden, bei der beide Gesellschafter die Initiative ergreifen können und bei der nicht von vorneherein feststeht, welcher 304
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M 21.1
Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 32 Kap. 21
Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und zu welcher Abfindung. Die Regelung wird vorbeugend bei Beginn oder während der Zusammenarbeit geschlossen, also nicht aus Anlass eines bereits konkreten Wunsches einer Seite, die Kooperation zu beenden. Typisch ist die Reglung z.B. für 50/50-Joint Venture-Verträge. A2 Regelungsort kann die Satzung der Gesellschaft sein oder eine Gesellschafterverein- 27 barung. Die Regelung in der Satzung bietet den Vorteil, dass sie ohne weitere Vereinbarung auch gegenüber einem Sonderrechtsnachfolger des ursprünglichen Gesellschafters wirkt. Wird die Gesellschaftervereinbarung gewählt, muss diese beurkundet werden, soweit dies wie bei GmbH-Geschäftsanteilen für die Veräußerungsverpflichtung vorgeschrieben ist, § 15 Abs. 3 GmbHG. Außerdem ist bei der Gesellschaftervereinbarung sicherzustellen, dass die Regelung bei einem Gesellschafterwechsel vom Nachfolger übernommen wird. A3 Bezeichnung: Eine neutrale Bezeichnung der Übernahmeregelung erscheint gegenüber 28 den meist anglo-amerikanischen Alternativen vorzugswürdig. „Texan Shoot Out“ oder „Russian Roulet“ mögen einprägsam sein, betonen aber einseitig die Radikalität der Ausstiegsklauseln (vgl. Schulte/Sieger, NZG 2005, 24), dramatisieren damit das Szenario und steigern die Skepsis der damit unerfahrenen Rechtsanwender und der Rechtsprechung unnötig. Denn bei sachgerechter Ausgestaltung bieten derartige Übernahmeregelungen die eingangs geschilderten Vorteile als ultima ratio nach Ausschöpfung aller streitschlichtenden Maßnahmen, bis hin zu einer autonomen Trennung zweier gleichberechtigter Gesellschafter. Sowohl die Skepsis als auch die am Ende richtige Einordnung werden deutlich, wenn als erstes deutsches Gericht das OLG Nürnberg derartige Klauseln als jedenfalls „nicht per se unwirksam“ beurteilt, OLG Nürnberg, Urt. v. 20.12.2013 – 12 U 49/13. A4 Vorgeschaltete Verhandlung: Durch die vorgeschaltete Verhandlung wird gewährleis- 29 tet, dass das Übernahmeverfahren nur als ultima ratio ausgelöst wird. Im mehrstufigen Verfahren können in dieser Vorstufe weitere Schritte zwischengeschaltet sein, vgl. unten Abschnitt C. (Rz. 74 ff.). Hier besteht die letzte Möglichkeit, die zugrundeliegenden Sachfragen zu lösen. Wenn dennoch eine Trennung unvermeidlich ist, können hier weiterhin deren Modalitäten verhandelt werden. Erst wenn dies nicht zum Erfolg führt, wird das bis auf den Preis und die Rollenverteilung der Gesellschafter im Detail vorgezeichnete Übernahmeverfahren („shoot out“) ausgelöst. A5 Frist: Die Möglichkeit, das Ausstiegsverfahren einzuleiten, ist befristet, um zu vermei- 30 den, dass nach einmaliger Übernahmeverhandlung zu jedem beliebigen späteren Zeitpunkt das Verfahren eingeleitet werden kann, obwohl die damalige Meinungsverschiedenheit bereits bereinigt ist. A6 Verteilung der Rollen: Die Verteilung der Rollen zwischen den beiden Gesellschaftern im Übernahmeverfahren ist nicht vorab bestimmt und auch nicht davon abhängig, welcher Gesellschafter das Verhandlungsverlangen nach Absatz 1 stellt. Sie richtet sich allein danach, wer das erste Angebot abgibt.
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A7 Form: Für die GmbH ist die notarielle Beurkundung vorgeschrieben, § 15 Abs. 2 32 GmbHG. Für andere Gesellschaftsformen empfiehlt sie sich zu Beweiszwecken. Die Bezeichnung des Kreises der zuständigen Notare empfiehlt sich, da auch die weitere Abwicklung in einer Hand liegen sollte, u.a. um die Voraussetzungen der Vollmacht gemäß Absatz 4 prüfen zu können. Selbstverständlich kann auch ein konkreter Notar benannt werden. Um sicherzustellen, dass die Regelung auch durchführbar ist, wenn dieser nach längerer Zeit unter Umständen nicht mehr im Amt sein sollte, können hilfsweise andere Notare vorgesehen werden, im Beispielsfall neben dem Amtsnachfolger auch andere örtlich zuständige Notare am Sitz der Gesellschaft.
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Kap. 21 Rz. 33
Verfahren zur Teilung
M 21.1
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A8 Zweck: Nachweis des Fristablaufs für den Fall der „Selbstannahme“ durch Gesellschafter A. Sonst – wenn Annahme zustande kommt – entbehrlich. Ebenso Beachtung der Fristen.
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A9 Überschneidende Angebote: Das Frühere genießt Priorität. Alternativ: Wenn beide Gesellschafter ein Angebot abgeben und sich beide Angebote überschneiden, ist für das Ausstiegsverfahren nur dasjenige maßgeblich, in dem der höhere Preis festgelegt wird.
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A10 Vollmacht: Die durch einen Gründungsgesellschafter erteilte Vollmacht ginge ins Leere, wenn der Geschäftsanteil vor dem Übernahmeverfahren abgetreten würde. Dem beugt eine Vinkulierung der Geschäftsanteile vor. Bei einer zweigliedrigen Gesellschaft wird sich die Vinkulierung auch aus anderen Gründen regelmäßig empfehlen. Die Zustimmung zur Geschäftsanteilsabtretung sollte dann davon abhängig gemacht werden, dass der Erwerber ebenfalls diese Vollmacht erteilt. Je nachdem, wie die Vinkulierung ausgestaltet ist, ist dies bei der Beschlussfassung der Gesellschafter zu beachten oder es kann dem Geschäftsführer für eine im Namen der Gesellschaft erteilte Zustimmung zur Geschäftsanteilsabtretung im Innenverhältnis auferlegt werden, die Vollmachtserteilung zu überprüfen. Weniger geeignet erscheint es, die Wirksamkeit einer Geschäftsanteilsabtretung durch eine Bedingung an die Vollmachtserteilung zu knüpfen („Der Geschäftsanteil kann nur abgetreten werden, wenn eine entsprechende Vollmacht erteilt wird“). Das Risiko ist zu groß, dass die gesamte Geschäftsanteilsabtretung unwirksam ist, wenn die Vollmachtserteilung übersehen wird.
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A11 Zum Beispiel Namen, Geburtsdaten, Anschriften, Handelsregisternummern, Bezeichnung der einschlägigen Paragraphen.
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A12 Zum Beispiel Kosten, Abschriften.
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A13 Zum Beispiel Vorhandensein von Grundbesitz, Übernahme von Darlehen.
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A14 Bürgschaften, Garantien und sonstige Sicherheiten: Da Bürgschaften und Garantien gegenüber Dritten ausgestellt werden, liegt es nicht in der Hand der Parteien, ob diese Dritten die Ablösung akzeptieren. Insbesondere können sich leicht Streitigkeiten ergeben, ob die Bürgschaft einer Partei wirklich ebenso werthaltig ist wie die Bürgschaft einer anderen Partei. Zwar wird das Stellen einer Bankbürgschaft oder Bankgarantie einer Bank mit guter Bonität für den Dritten akzeptabel sein. Je nach Bonität des Auftraggebers muss sich aber eine Bank erst einmal bereit erklären, eine solche Sicherheit zu stellen und dafür fallen natürlich auch Kosten an. Herausgelegte Bürgschaften und Garantien erfordern daher in diesem Zusammenhang eine differenzierte Regelung.
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A15 Gegebenenfalls kann zu diesen Sicherheiten in entsprechender Höhe ein Sicherheitszuschlag vorgesehen werden.
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A16 Vgl. demgemäß Anlage II Ziff. II.
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A17 Weitere Regelungen können nach den Umständen des Einzelfalls die Niederlegung der Ämter des ausscheidenden Gesellschafters und die Beendigung seines Anstellungsverhältnisses (OLG Nürnberg, Urt. v. 20.12.2013 – 12 U 49/13, NotBZ 2014, 186), die Übertragung von Know-How und Markenrechten, Wettbewerbsverbote oder – bei größeren Unternehmen – Genehmigungsvorbehalte zur Fusionskontrolle beinhalten (vgl. auch Schulte/Sieger NZG 2005, 24).
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A18 Grundtext.
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A19 Anlage I.
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M 21.2
Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 48 Kap. 21
A20 Vgl. Grundtext unter Ziff. 2 a.E. Die Regelung ist anzupassen, wenn beide Gesellschafter ein Übernahmeangebot formuliert haben sollten. Dabei ist danach zu differenzieren, wann diese Übernahmeangebote zugingen:
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Alternative 1: Nach Angabe des Beteiligten haben beide Gesellschafter ein Übernahmeangebot abgegeben. Die vorbezeichnete Angebotsurkunde ist jedoch ausweislich der Zustellungsurkunde vor dem anderen Angebot zugegangen. Alternative 2: Nach Angabe des Beteiligten haben beide Gesellschafter ein Übernahmeangebot abgegeben, die gleichzeitig zugingen. Die vorbezeichnete Angebotsurkunde wurde jedoch vor dem anderen Angebot beurkundet.
A21 Kosten: Für die Regelungen des Grundtextes einschließlich der Anlagen fallen keine 46 gesonderten Kosten an, wenn sie als Bestandteil einer Satzung beurkundet werden. Die Gründungskosten einer GmbH richten sich stets nach dem Stammkapital und betragen z.B. bei einer Mehrpersonengesellschaft dem Mindeststammkapital von 25 000 Euro für den Gesellschaftsvertrag 230 Euro, bei einem Stammkapital von 250 000 Euro 1070 Euro, jeweils unabhängig von Umfang und Komplexität der Satzungsregelungen. Hinzu kommen Gebühren für den Beschluss zur Bestellung des ersten Geschäftsführers, die Handelsregisteranmeldung und Auslagen sowie die Umsatzsteuer. Die Gebühren für die Beurkundung bei der tatsächlichen Ausübung der Übernahmerege- 47 lung richten sich nach dem Wert des Geschäftsanteils in diesem Zeitpunkt, also nach dem vom Gesellschafter A bestimmten Preis. Aus diesem Geschäftswert wird eine 2,0-Gebühr gemäß KV 21100 für das Angebot erhoben und gemäß KV 21101 eine 0,5-Gebühr für die Annahme, z.B. bei einem Preis von 100 000 Euro für die Beurkundung des Angebots 546 Euro und für die Beurkundung der Annahme 136,50 Euro, jeweils zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer.
M 21.2 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung – kurze schuldrechtliche Vereinbarung § … Ausstieg aus der GesellschaftA1 Jeder von zwei Gesellschaftern mit gleichgroßer Beteiligung an der Gesellschaft ist innerhalb eines Monats nach erfolgloser Mediation gemäß § … dieser Satzung/VereinbarungA2 berechtigt, ein und denselben Preis für jede dieser beiden Beteiligungen zu bestimmenA3 und gleichzeitig den anderenA4 zu der Erklärung aufzufordern, ob dieser zu diesem Preis a) seine Beteiligung dem ersten Gesellschafter veräußert oder b) dessen Beteiligung übernimmt. Die Bestimmung des Preises und die Aufforderung an den anderen Gesellschafter hat ausdrücklich auf diese Satzungsbestimmung Bezug zu nehmen und ebenso wie die Erklärung des anderen Gesellschafters in Textform zu erfolgen.A5 Bei widerstreitenden Erklärungen gilt nur die zuerst dem anderen Gesellschafter zugegangene. Erklärt sich der andere Gesellschafter nicht innerhalb eines Monats ab Zugang der Aufforderung an ihn, kann der auffordernde Gesellschafter seinerseits in Textform gegenüber dem anderen Gesellschafter bestimmen, ob er zu dem von ihm bestimmten Preis seine Anteile an den anderen Gesellschafter veräußert oder dessen Anteile erwirbt. Nach der Erklärung sind beide Gesellschafter verpflichtet, unverzüglich alle für die entsprechende Geschäftsanteilsabtretung erforderlichen Erklärungen zu notarieller Urkunde abzugeben.A6
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Kap. 21 Rz. 49
Verfahren zur Teilung
M 21.3
Anmerkungen zu Muster M 21.2 49
A1 Bezeichnung: Vgl. M 21.1 Anm. A1 (Rz. 26).
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A2 Triggerevent bzw. Vorschaltverfahren um eine überraschende Ausübung der Option und damit die Gefahr einer unzulässigen „Hinauskündigung“ im Sinne der Rechtsprechung zu vermeiden. Vgl. auch M 21.1 (Rz. 25) Grundtext Ziff. 1 und 2 mit Anmerkungen. Variante des Triggerevents auch in M 21.3 (Rz. 55): Rechtshängigkeit eines Rechtsstreits.
51
A3 Rollen der Beteiligten: Der Gesellschafter, der die Initiative ergreift und die erste Erklärung abgibt, ist Gesellschafter A im Sinne der Rz. 8 und der anderen Muster.
52
A4 Gesellschafter B.
53
A5 Minimale Anforderungen: Rechtsgrundlage nennen und zumindest Textform vorsehen zur Beweissicherung.
54
A6 Umsetzung: Geschäftsanteilsabtretung zu dem von Gesellschafter A bestimmten Preis und im Übrigen mit den üblichen und im Einzelfall erforderlichen Regelungen. Notarielle Form bei GmbH zwingend, bei anderen Gesellschaftsformen jedenfalls hinreichende Dokumentation dringend zu empfehlen. Da alle weiteren Regelungen offen bleiben, ist dieses Muster nur in einfach gelagerten Fällen geeignet.
55
M 21.3 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung – wechselseitige Veräußerungs- oder Erwerbsverpflichtung als Zwischenlösung § … Call- oder Put-OptionA1 Jeder von zwei Gesellschaftern mit gleichgroßer Beteiligung an der Gesellschaft ist innerhalb eines Monats ab Rechtshängigkeit eines Gesellschafterstreits zwischen ihnenA2 berechtigt, dem anderen Gesellschafter (nachfolgende „Gesellschafter B“) zu notarieller Urkunde anzubieten, alle Geschäftsanteile des Anbietenden (nachfolgend „Gesellschafter A“) zu einem vom Anbietenden festgesetzten Preis zu erwerben (nachfolgend „erstes Angebot“).A3 Dieses Angebot kann die Geschäftsanteilsabtretung unter die aufschiebende Bedingung der Zahlung dieses Preises stellen, die Annahme von der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen des Erwerbers wegen dieser Zahlungsverpflichtung abhängig machen und die Haftung des Veräußerers auf den lastenfreien Übergang des Geschäftsanteils auf den Erwerber beschränken. Weitergehende Bedingungen und Regelungen sind nicht zulässig.A4 Bei widerstreitenden Angeboten gilt nur das zuerst dem anderen Gesellschafter zugegangene. Der Gesellschafter B ist verpflichtet,A5 innerhalb von zwei Monaten ab Zugang des Angebots bei ihm das Angebot zu notarieller Urkunde anzunehmen oder seinerseits dem Gesellschafter A den Erwerb aller Geschäftsanteile des Gesellschafters B zu denselben Bedingungen anzubieten. Im letztgenannten Fall erlischt das Angebot des Gesellschafters A und ist Gesellschafter A verpflichtet, dieses Angebot des Gesellschafters B unverzüglich zu notarieller Urkunde anzunehmen. Erklärt sich Gesellschafter B auf das Angebot des Gesellschafters A nicht binnen der vorgenannten Zwei-Monats-Frist, bestimmt Gesellschafter A, ob er die Geschäftsanteile des Gesellschafters B erwirbt oder Gesellschafter B die Geschäftsanteile des Gesellschafters A. Mit der Bestimmung durch Gesellschafter A zu notarieller Urkunde wird die entsprechende Geschäftsanteilsabtretung im Übrigen mit den von A mit seinem ersten Angebot unterbreiteten Bedingungen wirksam.A6
308
Schwarz
Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 63 Kap. 21
Anmerkungen zu Muster M 21.3 A1 Bezeichnung: Vgl. M 21.1 Anm. A1 (Rz. 26). Hier aber näher ausgerichtet an herkömmlichen Kauf- oder Verkaufsoptionen.
56
A2 Triggerevent bzw. Vorschaltverfahren um eine überraschende Ausübung der Option und damit die Gefahr einer unzulässigen „Hinauskündigung“ im Sinne der Rechtsprechung zu vermeiden, vgl. M 21.2 Anm. A2 (Rz. 50).
57
A3 Verkaufsangebot: Erster Schritt des Verfahrens ist im Sinne eines Verkaufsangebots 58 konkretisiert, aber wie in M 21.1 (Rz. 25) und M 21.2 (Rz. 48) letztlich ergebnisoffen, da erst die Reaktion von Gesellschafter B darüber entscheidet, wer kauft oder verkauft. A4 Regelungsdichte: Die zulässigen Regelungen werden beschränkt, um so die Gefahr ei- 59 nes Missbrauchs durch den anbietenden Gesellschafter durch nur ihm nützliche Angebotsbedingungen auszuschließen. Die Beschränkung erfüllt insoweit dieselbe Funktion wie M 21.1 (Rz. 25), erreicht aber nicht dessen hohe Regelungsdichte. Wird diese Beschränkung der Komplexität des Regelungsbedarfs im Einzelfall nicht gerecht, kann die Detailregelung auch einem neutralen Dritten analog § 317 BGB anvertraut werden mit folgender Variante: „Weitergehende Regelungen sind nur nach Bestimmung durch Herrn/Frau … (Person des Vertrauens beider Gesellschafter konkret benennen, alternativ: den bei der Beurkundung des Angebots des Gesellschafters A amtierenden Notar oder: einen vom Präsidenten des am Sitz der Gesellschaft zuständigen Landgerichts bestimmten Juristen mit der Befähigung zum Richteramt) zulässig.“
A5 Verpflichtung bedarf der Umsetzung und erreicht damit nicht den Vollzugsautomatismus von M 21.1 (Rz. 25).
60
A6 Geschäftsanteilsabtretung liegt bereits in dieser Regelung und ist aufschiebend bedingt 61 durch die entsprechende Erklärung des Gesellschafters A. Die Klausel ist daher gemäß § 5 Abs. 3 GmbHG beurkundungspflichtig, ebenso wegen der damit verbundenen Verpflichtung gemäß § 15 Abs. 4 GmbHG.
B. Mehrstufiges Verfahren durch alternative Preisbestimmung I. Einführung Die unter A. (Rz. 1 ff.) oben dargestellte Grundform lässt sich variieren, indem das Verfah- 62 ren um weitere Verfahrensschritte ergänzt wird. So kann dem anderen Gesellschafter eine zusätzliche Möglichkeit gegeben werden, den Preis des Geschäftsanteils festzusetzen (vgl. nachfolgend M 21.4 [Rz. 68]), oder es werden Verfahrensschritte vorgeschaltet, die das Bemühen um eine einvernehmliche Regelung unterstützen, bevor das „Shoot-Out“ als ultima ratio stattfindet (C. Eskalation auf eine höhere Hierarchieebene siehe unten Rz. 74 ff. und D. Stichentscheid unten Rz. 79 ff.). Bei einer Übernahmeregelung durch ein mehrstufiges Verfahren mit alternativer Preis- 63 bestimmung durch die beteiligten Gesellschafter ist der Gesellschafter, der sich mit dem Übernahmeverlangen seines Mitgesellschafters (im Folgenden und in den Mustern „Gesellschafter A“ genannt) konfrontiert sieht, nicht auf den von dem Mitgesellschafter festgesetzten Preis beschränkt. Zwar kann er (im Folgenden und in den Mustern „Gesellschafter B“ genannt) diesen akzeptieren und die Wahl treffen, ob er zu diesem Preis kaufen oder verkaufen möchte. Insofern unterscheidet sich die mehrstufige Übernahmeregelung nicht von der Grundform. Er kann stattdessen aber zusätzlich einen neuen Preis festsetzen und wiederum seinem Mitgesellschafter die Entscheidung überlassen, wer die Gesellschaft zu dieSchwarz 309
Kap. 21 Rz. 64
Verfahren zur Teilung
M 21.4
sem Preis künftig fortführt. In diesem Punkt erweitert sich der oben in Rz. 8 geschilderte Ablauf unter (3.). Die weiteren Schritte bleiben gegenüber der Grundform unverändert. 64
Diese zusätzliche Möglichkeit, einen neuen Preis zu bestimmen, erlaubt eine Korrektur der Wertfeststellung und verfeinert dadurch das Aufteilungs- und Auswahlverfahren („You cut – I choose“). Der durch den Gesellschafter B neu festgesetzte Preis kann gegenüber dem vom Gesellschafter A zunächst vorgeschlagenen Preis nach oben oder unten abweichen. Dadurch dass beide Gesellschafter ein Gebot abgeben können, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, einen aus der Sicht beider Gesellschafter angemessenen Preis zu erzielen. Andererseits ergeben sich aber auch mehr Ansatzpunkte für ein taktisches Verhalten beider Gesellschafter.
65
Hat Gesellschafter A – etwa im Vertrauen auf seine überlegene Finanzkraft – den Preis zunächst überhöht, kann Gesellschafter B diesen Preis nach unten korrigieren, wenn auch um das Risiko, dass dann A zu dem günstigeren Preis selbst zugreift. Auch kann A den Preis überhöht haben, ohne selbst an einer Übernahme interessiert zu sein, weil er annimmt, dass B besonders an einer Übernahme interessiert und daher bereit ist, einen hohen Preis zu zahlen. Hier kann B den Preis nach unten korrigieren, wenn er davon ausgeht, dass das Interesse des A so gering ist, dass er auch dann nicht zugreifen wird.
66
Andererseits kann Gesellschafter B einen von Gesellschafter A zunächst niedrig angesetzten Preis erhöhen, wenn er hofft, dass A den Preis nur deshalb niedrig festgesetzt hat, weil er von dem fehlenden Interesse des B an der Übernahme weiß, und hofft, dass er (A) selbst zu diesem Preis kaufen kann.
67
Geht allerdings B in diesen Erwägungen fehl oder pokert er bei der Neufestsetzung des Preises, läuft er Gefahr, selbst zu diesem Preis übernehmen oder verkaufen zu müssen.
II. Muster 68
M 21.4 Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung 1. Grundtext: Verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung oder Gesellschaftervereinbarung §… Ausstieg aus der Gesellschaft 1. Um den Ausstieg eines Gesellschafters aus der Gesellschaft einzuleiten, erklärt ein Gesellschafter gegenüber dem anderen schriftlich, dass er die Übernahme aller Geschäftsanteile an der Gesellschaft durch einen der Gesellschafter verhandeln möchte. Die Gesellschafter sind daraufhin gehalten, innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen über diese Übernahme zu verhandeln. 2. Kommt eine Einigung in dieser Zeit nicht zustande, kann jeder Gesellschafter (Gesellschafter A) innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Ablauf der Frist gemäß Absatz 1 ein Angebot (erstes Angebot) gegenüber dem anderen Gesellschafter (Gesellschafter B) abgeben. In diesem Angebot hat Gesellschafter A a) einen Preis festzusetzen und b) dem Gesellschafter B anzubieten, nach dessen Wahl entweder aa) seine (des Gesellschafters A) gesamten Geschäftsanteile zu diesem Preis an Gesellschafter B zu verkaufen oder bb) die gesamten Geschäftsanteile des Gesellschafters B zu diesem Preis zu kaufen. 310
Schwarz
M 21.4
3.
4.
5.
6.
7.
8. 9.
Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 68 Kap. 21
Das Angebot ist in notarieller Form und mit dem weiteren Bedingungen des Angebots gemäß Anlage I abzugeben. Eine Ausfertigung der Angebotsurkunde ist dem Gesellschafter B förmlich zuzustellen. Die für die Zustellung maßgebliche Adresse jedes Gesellschafters lautet: 1. … 2. … Wenn beide Gesellschafter ein erstes Angebot abgeben, ist für das Ausstiegsverfahren nur dasjenige maßgeblich, das als Erstes dem Empfänger zugeht. Innerhalb von 60 Tagen nach dem Zugang des ersten Angebots kann Gesellschafter B entweder a) die Wahl gemäß Absatz 2. b) ausüben und entweder das Kauf- oder das Verkaufangebot annehmen. Diese Erklärung ist zu notarieller Urkunde gemäß Anlage II abzugeben. Oder Gesellschafter B kann b) das erste Angebot ablehnen und seinerseits ein Angebot (zweites Angebot) abgeben. Für dieses Angebot gilt Absatz 2 entsprechend mit der Maßgabe, dass der von dem Gesellschafter B bestimmte Preis mindestens 10 %A1 über oder unter dem des ersten Angebotes liegen muss. Mit der Abgabe des zweiten Angebots gilt das erste Angebot als abgelehnt, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wird. Verfährt Gesellschafter B nach Absatz 3 b), kann Gesellschafter A innerhalb von 15 Tagen nach dem Zugang des zweiten Angebots die Wahl ausüben und entweder das Kauf- oder das Verkaufangebot annehmen. Diese Erklärung ist zu notarieller Urkunde gemäß Anlage II abzugeben. Zur Einhaltung der Frist gemäß Absatz 3 bzw. 4 genügt jeweils die rechtzeitige Beurkundung der Annahmeerklärung bzw. des zweiten Angebots unbeschadet der Verpflichtung, unverzüglich für den Zugang der Erklärung beim Gesellschafter A zu sorgen. Die Beurkundung hat bei demselben Notar – oder dessen Vertreter oder Amtsnachfolger – zu erfolgen, der das erste Angebot beurkundet hat. Gibt Gesellschafter B eine Erklärung gemäß Absatz 3 a) oder b) nicht fristgerecht ab, kann Gesellschafter A die Wahl ausüben und entweder das Kauf- oder das Verkaufangebot für Gesellschafter B annehmen. Gibt Gesellschafter A die Erklärung gemäß Absatz 4 nicht fristgerecht ab, kann Gesellschafter B diese Erklärung für ihn abgeben. Nach dem zweiten Angebot können weitere Angebote nicht abgegeben werden. Beide Gesellschafter erteilen sich gegenseitig bereits heute Vollmacht zur Abgabe der Erklärungen gemäß Absatz 6. Diese Vollmachten sind unwiderruflich. Rechtsnachfolger eines Gesellschafters haben eine entsprechende Vollmacht zu erteilen. Der Bevollmächtigte ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und befugt, Untervollmacht zu erteilen. Diese Vollmacht kann nur bei dem Notar – oder dessen Vertreter oder Amtsnachfolger – ausgeübt werden, der das Angebot beurkundet hat. Zum Nachweis seiner Vollmacht hat der Bevollmächtigte den Beginn der Frist, innerhalb derer sich der andere Gesellschafter hätte erklären müssen, durch Vorlage der Zustellungsurkunde für sein Angebot dem Notar vorzulegen. Die Parteien sind sich einig, dass die Vorlage dieser Zustellungsurkunde als Nachweis für den Beginn der Frist ausreichend ist. Für die Abtretung von Geschäftsanteilen nach diesem Paragraphen bedarf es nicht der für Geschäftsanteilsabtretungen in sonstigen Fällen vorgeschriebenen Zustimmung. Die Texte gemäß den Anlagen können vom amtierenden Notar redaktionell angepasst und bei offensichtlichen Schreibversehen entsprechend berichtigt werden. Insbesondere sind die Schwarz 311
Kap. 21 Rz. 69
Verfahren zur Teilung
M 21.4
erforderlichen DatenA2 und allgemeinen BestimmungenA3 zu ergänzen und die Regelungen den zur Zeit der Durchführung des Übernahmeverfahrens gegebenen Umständen anzupassen.A4 Es dürfen jedoch keine Änderungen vorgenommen werden, die wirtschaftliche Bedeutung für die Übernahmeentscheidung der Gesellschafter haben oder dem Gesamtkonzept des Übernahmeverfahrens zuwiderlaufen. 2. Anlage I Anlage I entspricht der in M 21.1 (Rz. 25) Ziff. 2 (Anlage I) dargestellten Grundform. 3. Anlage II Für Anlage II ist die in M 21.1 (Rz. 25) Ziff 3. a) dargestellte Fassung (Variante 1 für den Fall, dass Gesellschafter B sich erklärt), am Schluss der Ziff. II zu ergänzen um eine dritte Option wie folgt: … zu den in der Angebotsurkunde festgesetzten Bestimmungen. Oder Gesellschafter B nimmt keines der Angebote gemäß Ziff. III. der Angebotsurkunde an, sondern bestimmt den Preis für den Erwerb seiner sämtlichen Geschäftsanteile durch Gesellschafter A bzw. den Preis für seinen Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile von Gesellschafter A mit jeweils … Euro.A5 Gesellschafter B unterbreitet Gesellschafter A hiermit die folgenden beiden Angebote, von denen Gesellschafter A nur entweder das eine oder das andere annehmen kann: (1.) Angebot Gesellschafter A tritt seine in Ziff. I. der ersten Angebotsurkunde genannten Geschäftsanteile im Nennbetrag von … Euro an Gesellschafter B mit allen Rechten und Pflichten ab. (2.) Angebot Gesellschafter B tritt seine in Ziff. I. der ersten Angebotsurkunde genannten Geschäftsanteile im Nennbetrag von … Euro an Gesellschafter A mit allen Rechten und Pflichten ab. Für diese Angebote gelten die in der ersten Angebotsurkunde genannten weiteren Bedingungen (Ziff.n IV. ff.). 4. Anlage III Der Text der Anlage III lautet wie Anlage II in den in M 21.1 (Rz. 25) Ziff. 3 dargestellten beiden Varianten, hier aber mit der Maßgabe, dass in Ziff. I. der Urkunde die zweite Angebotsurkunde erwähnt wird und in Ziff. II. Gesellschafter A das Angebot gemäß der zweiten Angebotsurkunde annimmt oder ablehnt oder – in der Variante 2 – der Gesellschafter B dies für ihn tut.
Anmerkungen zu Muster M 21.4 69
A1 Eine Mindestgröße empfiehlt sich, um Bagatelländerungen und die damit verbundene weitere Verzögerung des Verfahrens auszuschließen.
70
A2 Zum Beispiel Namen, Bezeichnung der einschlägigen Paragraphen. 312
Schwarz
M 21.5
Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 76 Kap. 21
A3 Zum Beispiel Kosten, Abschriften.
71
A4 Zum Beispiel Vorhandensein von Grundbesitz, Übernahme von Darlehen.
72
A5 Dieser Betrag liegt mindestens 10 % über oder unter dem von Gesellschafter A in Ziff. II. der Angebotsurkunde bezeichneten.
73
C. Vorschaltverfahren zur Übernahmeregelung: Eskalation auf eine höhere Hierarchiestufe („Escalation to the Top“) I. Einführung Mehrstufig kann das Verfahren auch in anderer Hinsicht sein, wenn die Einleitung des Über- 74 nahmeverfahrens nicht jedem Mitgesellschafter freigestellt wird, sondern Vorstufen vor dem Eintritt in das eigentliche Übernahmeverfahren ergänzt werden. Exemplarisch ist im folgenden Muster eine „Eskalation“ der Verhandlung im Sinne einer Escalation to the Top aufgenommen. Sie kommt zum Tragen, wenn beide Gesellschafter nicht natürliche Personen oder einfach strukturierte Unternehmen sind, sondern komplexere, mit verschiedenen Hierarchieebenen ausgestattete Gebilde, insbesondere Konzerne. Soweit die Verhandlungen auf der Arbeitsebene nicht zum Erfolg führen, kann es hilfreich sein, die Vorgesetzten einzuschalten, um im Interesse der umfassenderen Kooperation Meinungsverschiedenheiten im Detail zu überwinden.
II. Muster M 21.5 Satzungsregelung: „Escalation to the Top“
75
§… Eskalation Jeder Gesellschafter kann verlangen,A1 dass die GeschäftsführungA2 beider Gesellschafter mit einer Angelegenheit befasst wird, bei der nach der Auffassung auch nur eines Gesellschafters eine Meinungsverschiedenheit die künftige Zusammenarbeit bedroht. Das Verlangen ist per Einschreiben/Rückschein von der Geschäftsführung des einen Gesellschafters gegenüber der Geschäftsführung des anderen Gesellschafters zu stellen (Eskalationsverlangen). Mitglieder der Geschäftsführung jedes Gesellschafters haben sich daraufhin innerhalb von sieben Tagen zur Lösung der Meinungsverschiedenheit zu treffen. Kommt innerhalb eines Monats ab Zugang des Eskalationsverlangens ein solches Treffen nicht zustande oder wird dabei eine Lösung nicht erreicht, kann jeder Gesellschafter das Übernahmeverfahren gemäß § … der Satzung einleiten.A3
Anmerkungen zu Muster M 21.5 A1 Die Eskalation kann bei jeder Angelegenheit verlangt werden, die von einem Gesell- 76 schafter als entsprechend wichtig eingeschätzt wird. Besondere Voraussetzungen bestehen daher nicht. Das beiderseitige Interesse an einer reibungslosen Zusammenarbeit wird in der Regel einem übermäßig häufigen Eskalationsverlangen entgegenwirken. Wer darauf nicht vertrauen will, kann einen Katalog derjenigen Angelegenheiten zusammenstellen, die die Befassung der höheren Hierarchieebene rechtfertigen. Vgl. dazu auch den Katalog der Beschlussgegenstände bei nachfolgenden Rz. 79 (Stichentscheid). Schwarz 313
Kap. 21 Rz. 77
Verfahren zur Teilung
M 21.5
77
A2 Je nach der Struktur der beteiligten Gesellschafter können andere Hierarchieebenen zwischengeschaltet werden, wie Bezirks- oder Abteilungsleiter, Bereichsvorstände oder die Geschäftsführer der jeweiligen Tochtergesellschaften.
78
A3 Bei dem Vorschaltverfahren handelt es sich um ein stärker formalisiertes Verfahren, das über die relativ informelle Zusammenarbeit im Alltag hinausgeht, um die besondere Bedeutung der Angelegenheit zu unterstreichen. Seine Durchführung leitet zu der schärfsten Sanktion mit dem Übernahmeverfahren über. Dem wird hier mit besonderen Formund Fristerfordernissen entsprochen. Deren Beachtung sollte dann auch bei der Einleitung des eigentlichen Übernahmeverfahrens vorausgesetzt werden. Absatz 1 des Grundtextes des Übernahmeverfahrens ist also dahingehend zu ergänzen, dass das Übernahmeverlangen erst nach form- und fristgerechter Durchführung des Eskalationsverfahrens gestellt werden soll. Andererseits ist das eigentliche Übernahmeverfahren hinreichend formalisiert und bietet weiterhin in jedem Stadium die Möglichkeit, einvernehmlich die Kooperation fortzusetzen, so dass Fehler bei der Durchführung der Vorschaltverfahren, die erst nachträglich festgestellt oder geltend gemacht werden, nicht mit der Unwirksamkeit des gesamten Übernahmeverfahrens sanktioniert werden müssen.
D. Vorschaltverfahren zur Übernahmeregelung: Stichentscheid I. Einleitung 79
Als eine weitere Möglichkeit für ein dem Übernahmeverfahren vorgeschaltetes Verfahren kommt es gerade bei Gesellschaften mit zwei gleichberechtigten Gesellschaftern in Betracht, einem Gesellschafter in Pattsituationen die Befugnis zum Stichentscheid einzuräumen. Durch die Kombination von Stichentscheidsbefugnis und Übernahmeregelung soll gewährleistet werden, dass einerseits die Gesellschaft in wesentlichen Punkten handlungsfähig bleibt und andererseits keine der Parteien eine Machtstellung ausnutzt. Denn die Stichentscheidung eröffnet der anderen Partei den Weg in das Übernahmeverfahren, das eine so gravierende Sanktionsmöglichkeit beinhaltet, dass es nur im Extremfall genutzt werden wird. Falls sich die Gesellschafter in einer Sache nicht einigen können, wird entweder kein Beschluss gefasst und der bisherige Status quo bleibt bestehen oder aber die Seite, die das Recht auf den Stichentscheid hat, übt dieses Recht aus und setzt ihre Meinung gegen den Willen der anderen Seite durch, hat aber das Risiko, aufgrund dieser Rechtsausübung entweder den Anteil der anderen Seite erwerben zu müssen oder den eigenen Anteil veräußern zu müssen.
80
Bei gleichen Stimmrechten zweier Gesellschafter muss jede Entscheidung einstimmig getroffen werden. Um nicht bei jeder Uneinigkeit Gefahr zu laufen, die Gesellschaft zu sprengen, kann ein Katalog von Beschlussgegenständen definiert werden, bei denen durch einen der Gesellschafter ein Stichentscheid getroffen werden kann. Wenn ein Stichentscheid bei allen Pattsituationen zugestanden wird und dies nicht immer das Übernahmeverfahren eröffnen soll, kann ein Katalog von Beschlussgegenständen definiert werden, bei denen der nicht stichentscheidungsbefugte Gesellschafter das Übernahmeverfahren einleiten kann.
314
Schwarz
M 21.6
Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern
Rz. 82 Kap. 21
II. Muster M 21.6 Satzungsregelung: Stichentscheid
81
§… Gesellschafterbeschlüsse Die Gesellschafter treffen ihre Entscheidung durch einstimmigen Beschluss. Kommt ein Beschluss nicht zustande, kann Gesellschafter A einen Stichentscheid herbeiführen bei den folgenden Beschlussgegenständen: …A1 Falls Gesellschafter A von seinem Recht, einen Stichentscheid herbeizuführen, Gebrauch macht, hat Gesellschafter B das Recht, innerhalb von zwei Wochen nach Treffen des Stichentscheids ein Verfahren gem. § … Übernahmeverfahren einzuleiten.
Anmerkung zu Muster M 21.6 A1 Beispiele: Budgetentscheidungen, Aufnahme von Krediten (ggf. ab einem bestimmten Betrag), Aufstellung eines Businessplans, Investitionen ab einem bestimmten Volumen, Eröffnung von Filialen, Verabschiedung des Jahresabschlusses, Ernennung von Geschäftsführern, Vorständen, Prokuristen.
Schwarz 315
82
Achter Teil
Schiedsgerichtsbarkeit, Schiedsgutachten und weitere ADR-Verfahren
Kapitel 22
A. Schiedsgutachtenvereinbarung I. Einführung 1. Einteilung des Typus „Schiedsgutachten“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten a) Abgrenzung zum Schiedsgerichtsverfahren (§§ 1025 ff. ZPO) . . . . . . . . b) Abgrenzung zum Sachverständigengutachten im Zivilprozess . . . . . . . . . . c) Abgrenzung zu Neuverhandlungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich und Eignung . . . . . . 4. Anforderungen an die Verfahrenstreue der Parteien und Verhaltensanreize . . . . . 5. Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.1 Ausführliche Schiedsgutachtenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.2 Kurzfassung Schiedsgutachtenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.3 Schiedsgutachtenvereinbarung Erbrecht: Sanktionierung der Weiterveräußerung . . . . . . . . . . .
Schiedsgutachten- und Schiedsgutachtervereinbarung M 22.4 Schiedsgutachtenvereinbarung Gesellschaftsrecht: Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . 1
2 4
B. Vertrag mit dem Schiedsgutachter I. Einführung 1. Rechtsnatur der Schiedsgutachtervereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Form der Schiedsgutachtervereinbarung 3. Verhältnis zur Schiedsgutachtenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 6
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.5 Schiedsgutachtervereinbarung. . .
15
C. Bewertung durch den Schiedsgutachter und Kostenentscheidung anhand des letzten Angebots – Last Offer Arbitration (Schwarz) I. Einführung 1. Bewertung durch den Schiedsgutachter . . 2. Funktionsweise der Drittentscheidung anhand des letzten Angebots . . . . . . . . . .
18 22 22 32 33
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.6 Satzungstext zur Anteilsbewertung durch Schiedsgutachter . . . .
34
35 36 37 38 38
52 56 59 59
A. Schiedsgutachtenvereinbarung I. Einführung Literatur: Acker/Konopka, Schiedsgutachten im Bau- und Anlagenbauvertrag: Grenzen und Möglichkeiten, SchiedsVZ 2003, 256; Bachmann, Der Schiedsgutachter, 1949; von Bernuth, Schiedsgutachtenabreden und die Durchführung selbständiger Beweisverfahren, ZIP 1998, 2081; Bleutge in Institut für Sachverständigenwesen, Sachverständige als Schiedsgutachter – Leistungsbestimmungsrecht durch Dritte, 2014; Bulla, Gerichtliche Nachprüfbarkeit von Schiedsgutachten, NJW 1978, 397 ff.; Döbereiner, Anfechtung und Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Schiedsgutachtens durch den Schiedsgutachter, VersR 1983, 712; Gehrlein, Wirksamkeitsmängel von Schiedsgutachten, VersR 1994, 1009 ff.; Greger, Schiedsgutachten: Konfliktmanagement mit Sachverstand, ZKM 2013, 43 ff.; Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, 2007; Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch
Schwarzmann 317
Kap. 22 Rz. 1
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
Notare, 2001; Habscheid, Das Schiedsgutachten, in FS Lehmann, Bd. 2, 1956, 789 ff.; Habscheid, Zur Frage der rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Schiedsgutachtenverfahrens, in FS Laufke, 1971, 303 ff.; Kraus, Gestaltung von Schiedsgutachtenabreden bei Nachträgen, ZfBR 2004, 118; Kornblum, Die Rechtsnatur der Bestimmung der Leistung in den §§ 315–319 BGB, AcP 168 (1968), 450 ff.; Kronke, Zu Funktion und Dogmatik der Leistungsbestimmung nach § 315 BGB, AcP 183 (1983), 114 ff.; Laule, Zur Bestimmung einer Summe durch mehrere Dritte nach billigem Ermessen, Betrieb 1966, 769 ff.; Meyer, Der Schiedsgutachtervertrag, 1995; Nicklisch, Gutachter-, Schieds- und Schlichtungsstellen – rechtliche Einordnung und erforderliche Verfahrensgarantien, in FS Bülow, 1981, 159 ff.; Meyer, Der Ingenieur als Schiedsgutachter und Quasi-Schiedsrichter bei internationalen Bau- und Anlageprojekten, in FS Habscheid, 1989, 217 ff.; Raeschke-Kessler, Die neuere Rechtsprechung zum Schiedsgutachten, BB 1993, Beilage Nr. 17, 19 ff.; Rudolph, Schiedsgutachten und Beweissicherungsgutachten als Wege zur Beilegung von Baustreitigkeiten, in FS Locher, 1990, 215 ff.; Sessler, Schiedsgutachten in Post-M&A-Streitigkeiten, DIS-Schriftenreihe Bd. 21, 97; Stubbe, Schiedsgutachten als modernes ADRInstrument, SchiedsVZ 2006, 150; Theisinger, Der Sachverständige als Schiedsgutachter, AgrarR 1973, 36 ff.; Volmer, Das Schiedsgutachtenrecht – Bestandsaufnahme und Fragen der Praxis, BB 1984, 1010 ff.; Wagner/Wiegand, Schiedsgutachtenregelungen in Bauverträgen?, BTR 2004, 69; Wedemeyer, Zum Leistungsvorbehalt und zur Schiedsgutachterklausel, Betrieb 1969, 1925 ff.; Weismann, Das Schiedsgutachten, AcP 72, 269 ff.; Wiesel, Schiedsgutachterklauseln in Bauverträgen zulässig?, IBR 2004, 427; Wittmann, Struktur und Grundprobleme des Schiedsgutachtenvertrages, 1978.
1. Einteilung des Typus „Schiedsgutachten“ 1
Der Ausdruck „Schiedsgutachten“ wird im Gesetz in den §§ 317 ff. BGB nicht ausdrücklich gebraucht. Es werden drei Typen von Schiedsgutachten unterschieden: – Die Klarstellung einer zweifelhaften Rechtslage oder einer einzelnen tatsächlichen Frage, – die Beschaffung und Feststellung von Unterlagen und Tatsachen für in sich noch unvollständige Parteivereinbarungen, – die rechtsgestaltende Vervollständigung des Vertragswillens der Parteien.
1a
Die Typen 1 und 2 werden als „Schiedsgutachten im engeren Sinn“ bezeichnet; die §§ 317 ff. BGB gelten lediglich entsprechend. Beispiele sind die Schiedsgutachten zur Wertermittlung von Grundstückswerten oder Gesellschaftsanteilen. Typ 3 stellt ein „Schiedsgutachten im weiteren Sinn“ dar; §§ 317 ff. BGB gelten direkt.1 2. Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten a) Abgrenzung zum Schiedsgerichtsverfahren (§§ 1025 ff. ZPO)
2
Das Schiedsgericht ist ein auf Rechtsgeschäft (Vertrag) beruhendes Privatgericht und tritt an die Stelle des staatlichen Gerichts. Das Schiedsgerichtsverfahren ist zulässig, wenn der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist, dieser wirksam durch eine Schiedsvereinbarung ersetzt wurde und öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Wird die Schiedsgerichtsklausel von einer Partei nicht beachtet und sofort der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten beschritten, so kann die Gegenpartei die Einrede der Schiedsvereinbarung erheben (§ 1032 ZPO). Der Schiedsspruch ist ein Rechtsprechungsakt; die Vollstreckbarkeit wird nicht vom Schiedsgericht selbst, sondern vom zuständigen Oberlandesgericht angeordnet. Der Schiedsspruch steht einem Urteil gleich und kann für vollstreckbar erklärt werden. Schiedsgutachten können hingegen nicht für vollstreckbar erklärt werden. Falls ein Beteiligter seine Pflicht, die aus dem Schiedsgutachten resultiert, nicht erfüllt, ist er auf den Rechtsweg verwiesen. Erst dadurch kann die Vollstreckbarkeit erreicht werden. Eine nochmalige gerichtliche Überprüfung des Schiedsspruchs kommt grundsätzlich nicht in Betracht; nur hinsichtlich des Ver1 Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 317 Rz. 3.
318
Schwarzmann
Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 6 Kap. 22
fahrens existiert ein eingeschränktes Kontrollrecht. Zu Einzelheiten zum schiedsgerichtlichen Verfahren vgl. Kap. 23. Im Unterschied zum Schiedsrichter entscheidet der Schiedsgutachter keinen (umfassenden) Rechtsstreit, sondern stellt für die Parteien und eventuell auch für das Gericht ein rechtliches oder tatsächliches Element fest, insbesondere kann er eine Leistungsbestimmung treffen. Da jedoch auch die rechtliche Einschätzung eines Sachverhalts dem Schiedsgutachter übertragen werden kann, ist die Grenze zur Schiedsgerichtsbarkeit nicht immer eindeutig zu ziehen. Der Wortlaut der Vereinbarung allein ist nicht ausschlaggebend. Maßgebend ist vielmehr der Inhalt der dem Dritten gestellten Aufgabe. Entscheidend ist, ob sich aus der Klausel ein Vorbehalt ergibt, der die gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung des oder der Dritten ermöglicht (§ 319 BGB). Wenn dies der Fall ist, liegt ein Schiedsgutachten vor. Soll die Bestimmung des Dritten dagegen endgültig und verbindlich sein, spricht dies für eine Schiedsgerichtsvereinbarung.
3
b) Abgrenzung zum Sachverständigengutachten im Zivilprozess Im Rahmen des Zivilprozesses spielen Sachverständige eine unterschiedliche Rolle, die davon abhängt, von wem sie beauftragt wurden. Zum einen können sie als „Privatgutachter“ für eine Partei (wenn auch nicht auf deren Weisung) agieren, um ihr den Antritt eines Beweises zu ermöglichen. Zum anderen werden Sachverständige vom Gericht bestellt, da dieses nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, um sich eine Überzeugung von einem Sachverhalt oder (seltener) einer Rechtslage zu bilden. Der Schiedsgutachter hingegen gestaltet den vom Gericht u.U. später zu prüfenden Sachverhalt neu.
4
c) Abgrenzung zu Neuverhandlungsklauseln Neuverhandlungsklauseln werden vor allem dann eingesetzt, wenn die Beteiligten Änderungen in den Umständen oder Lücken im Vertrag für möglich halten. Durch die spätere Verhandlung soll der Vertrag an die veränderten Umstände angepasst werden. Zu Einzelheiten zu Neuverhandlungsklauseln vgl. Kap. 4. Im Gegensatz zum Schiedsgutachten erfordern Neuverhandlungsklauseln eine fortbestehende Einigungsbereitschaft der Beteiligten. Das schiedsgutachterliche Verfahren kann hingegen von jedem Beteiligten einseitig in Gang gesetzt werden; das Schiedsgutachten ist dann als Drittentscheidung grundsätzlich verbindlich. Beide Verfahren können auch kombiniert werden, insbesondere um etwaige Kooperationsgewinne zu ermöglichen, die nur bei einer neuen Verhandlung entstehen. Üblicherweise geschieht dies dadurch, dass der Schiedsgutachter erst entscheidet, wenn die Beteiligten sich vorher nicht einvernehmlich über die offene Frage einigen konnten.
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3. Anwendungsbereich und Eignung Sind sich die Parteien grundsätzlich über einen Vertrag einig (Abgrenzung zum Dissens: 6 §§ 154, 155 BGB), können oder wollen sie aber einzelne Punkte noch nicht im Einzelnen festlegen, so bietet es sich an, die Lücke durch einen Dritten schließen zu lassen, der das Vertrauen beider Seiten genießt oder von einer neutralen Stelle benannt wird. Neben dieser Leistungsbestimmung durch den Schiedsgutachter können die Beteiligten in geeigneten Fällen auch vereinbaren, dass der Gutachter den Vertragsinhalt an veränderte Umstände anpasst. Beide Varianten sind Gutachten mit gestaltender Wirkung (Leistungsbestimmung oder –anpassung).
Schwarzmann 319
Kap. 22 Rz. 7
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
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Die Schiedsgutachtenklausel muss nicht zwingend als vorsorgende Regelung in den Vertrag aufgenommen werden. Sie ist genauso verwendbar, wenn die Beteiligten sich erst, nachdem die Streitfrage aufgekommen ist, auf ein Schiedsgutachten verständigen. Dies setzt allerdings eine in diesem späteren Zeitpunkt bestehende Einigung und Kooperationsbereitschaft voraus. In diesen Fällen handelt es sich um Schiedsgutachten mit Feststellungswirkung. Anders als bei Schiedsgutachten mit gestaltender Wirkung (s.o.) geht es dabei nicht um die Vervollständigung oder Anpassung eines Vertrags, sondern um die Klärung einer zwischen den Beteiligten aufgetretenen Streitfrage.
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Hinsichtlich des Gegenstandes des Schiedsgutachtens ist zu unterscheiden: – Rechtsgutachten – Tatsachengutachten – Leistungsbestimmung durch einen Dritten (§ 317 BGB)
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Die Schiedsgutachtenvereinbarung lässt sich in verschiedenen Bereichen des Vertragsrechts einsetzen. Die folgende Auswahl, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit ist, soll einen Überblick über mögliche und übliche Einsatzgebiete geben. a) Erbbaurecht/Kaufvertrag: – Erbbauzinserhöhungsklauseln (wenn nicht an einen Lebenshaltungsindex gekoppelt) – Erbbaurecht: Höhe des Zahlungsanspruchs bei Heimfall – Wiederkaufsrecht (z.B. bei sog. Einheimischenmodellen) – Ankaufsrecht (wenn noch keine Festlegung auf einen bestimmten Kaufpreis gewollt ist) b) Übergabe/Überlassung: – Anpassung von Übernehmerleistungen – Gleichstellungsgelder mit Geschwistern – Umfang der Freistellung von Unterhaltsansprüchen (insbesondere zugunsten der Geschwister des Übernehmers; z.B. bei Pflegekosten, wenn und soweit die Pflegeversicherung diese nicht deckt) – Weiterveräußerungsklausel (z.B. Erlösbeteiligung der Eltern oder Geschwister bei Weiterveräußerung innerhalb einer bestimmten Frist) c) Familienrecht: – Anpassung von Unterhaltszahlungen(wenn z.B. § 323a ZPO bzw. § 239 FamFG ausgeschlossen werden soll) – Vereinbarung eines periodischen Zugewinnausgleichs – Gegenleistung für die Mitarbeit eines Ehegatten im Geschäft des anderen – Ausgleich des Zugewinns durch Ratenzahlungen (insbesondere bei einem Unternehmer, damit die Existenz des Betriebs nicht gefährdet wird) d) Erbrecht: – Allgemein bei Vermächtnissen (bei Erbeinsetzung steht § 2065 BGB entgegen) – Unternehmensnachfolge über Vermächtnislösung – Auslegungsprobleme bei Verfügungen von Todes wegen (Anordnung durch den Erblasser oder Einigung der Miterben) – Pflichtteils- und Erbverzicht (z.B. bei Abfindungszahlungen, deren Höhe noch nicht bestimmt werden kann)
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Schwarzmann
Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 19 Kap. 22
e) Gesellschaftsrecht: – Unternehmenskaufvertrag – Abfindungsklauseln im Gesellschaftsvertrag – Unternehmensbewertung allgemein.
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4. Anforderungen an die Verfahrenstreue der Parteien und Verhaltensanreize Für die Beteiligten steht die schnelle Klärung der offenen Frage im Vordergrund. Durch das Schiedsgutachten soll ein zeit- und kostenaufwendiges Gerichtsverfahren vermieden werden. Dennoch soll ihnen – im Unterschied zum schiedsgerichtlichen Verfahren – in Ausnahmefällen der Gang zum Gericht nicht verschlossen sein. Der Zeit- und Kostenvorteil gegenüber dem Gerichtsverfahren bietet den Beteiligten einen Anreiz, das Schiedsgutachten zu akzeptieren. Die Kosten für das Schiedsgutachten und der damit verbundene Zeitaufwand lassen sich wiederum vermeiden, wenn sich die Beteiligten selbst vorher auf eine einvernehmliche Lösung verständigen.
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Selbst wenn das schiedsgutachterliche Verfahren in Gang gesetzt wurde, können noch be- 16 sondere Regelungen zu einer Erhöhung der Einigungsbereitschaft führen. Die Beteiligten können z.B. vereinbaren, dass jeder dem Schiedsgutachter Entscheidungsvorschläge unterbreiten muss, die anschließend bekannt zu geben sind. Die Angemessenheit der Vorschläge wird durch eine Kopplung mit der Kostentragungspflicht gesichert. Wird dabei offenkundig, dass die Vorstellungen der Beteiligten nicht so weit auseinander liegen, kann dies die Einigung fördern. Eine entsprechende Formulierung ist in dem ausführlichen Formulierungsvorschlag aufgenommen (M 22.1 [Rz. 22]). Bei der anfänglichen Schiedsgutachtervereinbarung unterliegen die Beteiligten einem Vollzugsautomatismus, der von jedem der Beteiligten in Gang gesetzt werden kann – auch ohne den Willen des anderen; Verfahrenstreue ist daher nicht erforderlich. Eine nachträgliche Schiedsgutachtervereinbarung kommt hingegen nur zustande, wenn sich die Beteiligten nach Vertragsschluss darauf einigen.
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5. Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen Parteien können aufgrund der Vertragsfreiheit Regelungen vereinbaren, wonach ein be- 18 stimmter Gegenstand des Vertragsverhältnisses (z.B. eine Leistungsbestimmung oder die Klärung einer rechtlichen oder tatsächlichen Frage, über die Streit entsteht) der Klärung durch einen Dritten unterworfen wird. Welche Regelung die Beteiligten im Einzelnen treffen, bleibt ihnen überlassen. Das Gesetz bietet in den §§ 317 bis 319 BGB teils Auslegungsregelungen, die im Zweifel gelten, teils Vorgaben zur Anfechtbarkeit, zur Unwirksamkeit oder zur gerichtlichen Überprüfung. Die Normen sind weitgehend dispositiv, können also von den Beteiligten bzw. dem Kautelarjuristen auf die jeweilige Situation zugeschnitten werden. In jeder Schiedsgutachtenklausel finden sich Elemente, die als abstrakte Bausteine wiederkehren. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Elemente, die auch als Checkliste dienen können: – Beschreibung des offenen oder (potentiell) streitigen Sachverhalts – Benennung eines bestimmten Schiedsgutachters – Zuständigkeit bzw. Verfahren zur Bestimmung eines Schiedsgutachters, evtl. Ersatzbenennung
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Kap. 22 Rz. 20
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 22.1
– Formelle Kriterien für die Entscheidungsfindung (Verfahren) – Materielle Kriterien für die Entscheidungsfindung (Entscheidungsmaßstab) – Wirkung der schiedsgutachterlichen Entscheidung (Reichweite der Bindung) – Rechtsmittel – Kosten des schiedsgutachterlichen Verfahrens. Um die Punkte der Checkliste in einen konkreten Vertrag umzusetzen, sind diese Bausteine je nach der geforderten Gestaltung zu formulieren, wobei jedoch vor einer schematischen Aufnahme von Schiedsgutachtenklauseln in bestimmte Vertragstypen gewarnt werden muss. Jeder Fall ist anders. Den Beteiligten sollte kein Schiedsgutachter aufgedrängt werden. Dem Vertragsgestalter kann nur empfohlen werden, nicht gleich in die einzelne Formulierung einzusteigen (Frage nach dem „Wie“), sondern zunächst die Notwendigkeit einer Schiedsgutachterklausel zu eruieren (Frage nach dem „Ob“). 20
Ihre Grenzen findet die Parteiautonomie in gesetzlichen Beschränkungen, insbesondere §§ 134, 138 BGB, aber auch z.B. durch § 2065 BGB (keine Bestimmung durch Dritte bei Erbeinsetzung). § 2048 BGB übernimmt inhaltlich die Regelung des § 317 BGB, nach § 2156 BGB ist § 317 BGB entsprechend anzuwenden. Sonderregelungen zum Schiedsgutachten finden sich z.B. in §§ 64, 184 VVG.
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Bei der Vertragsgestaltung immer im Blick zu behalten sind daneben die Bestimmungen bei AGB und Verbraucherverträgen. Im Einzelnen müssen bei ABG bzw. Verbraucherverträgen folgende Anforderungen erfüllt sein, damit die Schiedsgutachtenklausel nach § 307 BGB wirksam ist, wobei nun auch § 309 Nr. 14 BGB zu beachten ist:1 – Sicherstellung der Unparteilichkeit des Schiedsgutachters (Auswahl durch eine aus Sicht des Verwendungsgegners vertrauenswürdige Institution oder Ablehnungsrecht) – Anspruch auf rechtliches Gehör für den Verwendungsgegner – Keine Einschränkung des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB – Keine unverhältnismäßigen Nachteile für den Verwendungsgegner aus einem u.U. unrichtigen Gutachten.
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Bisweilen sind jedoch auch Beziehungen der Parteien zu Dritten zu beachten, die nicht an das Ergebnis des Schiedsgutachtens gebunden sind. Dadurch kann sich das Problem ergeben, dass ein Beteiligter zwar zu einer bestimmten Leistung verpflichtet ist oder z.B. bestimmte Mängel nach dem Schiedsgutachten als Tatsache feststehen, ein Rückgriff (etwa gegen Handwerker) aber gleichwohl nicht möglich ist, da diese nicht an das Ergebnis des Schiedsgutachtens gebunden sind.
II. Muster 22
M 22.1 Ausführliche Schiedsgutachtenvereinbarung § …A1, A2 Schiedsgutachtenvereinbarung 1. Können sich die Beteiligten über den Wert des/der … nicht einigen, so entscheidet das Schiedsgutachten eines amtlich vereidigten oder gerichtlich anerkannten Schätzgutachters, der von den Beteiligten unabhängig und unparteilich ist.A3 1 Vgl. hierzu Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. § 307 Rz. 130.
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Schwarzmann
M 22.1
Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 23 Kap. 22
2. Können sich die Beteiligten auch über die Bestellung dieses Gutachters nicht innerhalb eines Monats einigen, so ist dieser von dem Präsidenten des örtlich zuständigen Landgerichts zu bestimmen. Den Antrag auf Benennung durch den Dritten kann von jedem Beteiligten gestellt werden.A4 3. Der zu benennende Schiedsgutachter muss folgende Qualifikationen erfüllen: …A5 4. Der Schiedsgutachter entscheidet nach billigem Ermessen. Er hat bei der Bestimmung jedoch folgende Bewertungsmethode anzuwenden: …A6 5. Hinsichtlich des Verfahrens, das vom Schiedsgutachter bis zur Erstellung des Gutachtens einzuhalten ist, gilt, was folgt, sofern die Beteiligten in der Schiedsgutachtervereinbarung nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbaren: Den Beteiligten ist vor Niederlegung des Schiedsgutachtens rechtliches Gehör zu gewähren. Der Schiedsgutachter gibt beiden Beteiligten bei einer mündlichen Erörterung Gelegenheit zur Stellungnahme. Den Zeitpunkt der Erörterung bestimmt der Schiedsgutachter nach billigem Ermessen. Soweit es der Schiedsgutachter für erforderlich hält, führt er mit beiden Beteiligten eine Ortsbesichtigung durch. Die Beteiligten sind hiervon zwei Wochen vorher schriftlich zu verständigen. Die Beteiligten können jederzeit vom Schiedsgutachter Auskunft über den Stand des Verfahrens, die entstandenen und zu erwartenden Aufwendungen und den Fertigstellungstermin des Schiedsgutachtens verlangen. Das Schiedsgutachten ist schriftlich bis spätestens zum … abzufassen, zu begründen und vom Schiedsgutachter zu unterzeichnen. Den Beteiligten sind Abschriften zu übersenden.A7 6. Jeder Beteiligte hat dem Schiedsgutachter einen schriftlichen Wertvorschlag zu unterbreiten, der beim Schiedsgutachter innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung durch den Schiedsgutachter eingehen muss. Der Schiedsgutachter teilt den Beteiligten sodann die Wertvorschläge mit. Einigen sich die Beteiligten innerhalb einer weiteren Frist von vier Wochen, gerechnet ab der Mitteilung des Schiedsgutachters über die Wertvorschläge, nicht einvernehmlich, entscheidet der Schiedsgutachter ohne Bindung an die Wertvorschläge.A8 7. Durch die Schiedsgutachtenvereinbarung wird der Rechtsweg nicht ausgeschlossen. Im gerichtlichen Verfahren ist das Schiedsgutachten nach § 319 BGB überprüfbar.A9 8. Die Kosten des Schiedsgutachtens, einschließlich der Kosten für die Benennung des Schiedsgutachters, trägt der Beteiligte, dessen Wertvorschlag weiter vom durch Schiedsgutachten festgesetzten Wert abweicht. Gibt nur einer der Beteiligten keinen Wertvorschlag, so hat dieser die Kosten ebenfalls allein zu tragen. Weichen die Wertvorschläge der Beteiligten im Verhältnis zum durch Schiedsgutachten festgesetzten Wert nur um jeweils 10 % ab, so tragen die Beteiligten die Kosten je zur Hälfte. Das Gleiche gilt, wenn keiner der Beteiligten innerhalb der Frist einen Wertvorschlag abgibt.A10
Anmerkungen zu Muster M 22.1 A1 Sachverhalt: Die Beteiligten schließen einen Vertrag ab, in den sie eine Schiedsgutach- 22a tenvereinbarung aufnehmen. Dadurch soll eine bestimmte Frage tatsächlicher oder rechtlicher Art schnell von einem Dritten entschieden werden. Durch die Wahl der Schiedsgutachtenklausel soll der Zugang zu den ordentlichen Gerichten, im Gegensatz zu einer Schiedsgerichtsvereinbarung, grundsätzlich offen bleiben. A2 Form: Die Vereinbarung einer Schiedsgutachterklausel ist für sich formfrei möglich. 23 Ausnahmen gelten nur dann, wenn die Klausel als Nebenabrede in eine umfassendere Vereinbarung aufgenommen wird, für die eine Formvorschrift eingreift (z.B. § 311b Abs. 1 BGB). Schwarzmann 323
Kap. 22 Rz. 24
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 22.1
Die Vorschriften der ZPO über das Schiedsgericht, hier insbesondere die Formvorschrift des § 1031 ZPO, sind für das Schiedsgutachterverfahren weder direkt noch analog anwendbar. 24
A3 Schiedsgutachten erst bei Uneinigkeit: Die Möglichkeit des Schiedsgutachtens soll den Beteiligten erst dann offen stehen, wenn sie vorher keine Einigung in dem fraglichen Punkt erzielen konnten. Mit dieser Formulierung haben die Beteiligten eine letzte Chance, ihren Konflikt gütlich zu lösen ohne einen Dritten beiziehen zu müssen. Es können an dieser Stelle auch Gedanken der sog. hybriden Verfahren herangezogen werden. Vor der Bestimmung des Schiedsgutachters ist beispielsweise eine Mediation oder allgemeiner eine Güteverhandlung durchzuführen, die bei Erfolg an die Stelle der Entscheidung des Schiedsgutachters tritt. Die Bestimmung durch den Schiedsgutachter wird dabei den Beteiligten vorher grundsätzlich nicht bekannt gegeben werden. Durch die anschließend „drohende“ Drittentscheidung kann der Einigungsdruck unter den Beteiligten erhöht werden. Materiell-rechtlich ist die Hintereinanderschaltung möglich, da die Bestimmung durch den Schiedsgutachter zwar unwiderruflich ist, dies aber erst dann, wenn sie zugeht im Sinn von § 130 BGB. Zu Einzelheiten zu den hybriden Verfahren vgl. Kap. 7.
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A4 Benennung des Schiedsgutachters: Für die Benennung bestehen nach dem Formulierungsvorschlag zwei Möglichkeiten, die zeitlich aufeinander folgen. In einem ersten Schritt haben die Beteiligten die Gelegenheit, sich einvernehmlich auf einen Schiedsgutachter zu verständigen. Gelingt dies nicht, kann jeder der Beteiligten den Schiedsgutachter durch einen Dritten benennen lassen. In der Schiedsgutachtenklausel kann die sachliche und örtliche Zuständigkeit für das Benennungs- bzw. Bestimmungsrecht für den konkreten Schiedsgutachter festgelegt werden. In Betracht kommen insbesondere folgende Institutionen, wobei die Benennung in der Regel durch den jeweiligen Präsidenten bzw. Direktor erfolgt: – Amtsgericht/Landgericht – Industrie- und Handelskammer – Steuerberaterkammer – Wirtschaftsprüferkammer – Architektenkammer etc. Die Möglichkeit der Ablehnung eines Schiedsgutachters kann zusätzlich in der Vereinbarung vorgesehen werden. Selbst wenn eine solche Bestimmung fehlt, ist den Beteiligten wohl ein Ablehnungsrecht zuzugestehen, da der Schiedsgutachter unabhängig und unparteilich sein soll. §§ 1032, 1045 ZPO sind jedoch nicht, auch nicht entsprechend, anzuwenden.
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A5 Qualifikation des Schiedsgutachters: Die Beteiligten können an die Fachkenntnisse und Befähigungen des Schiedsgutachters bestimmte Anforderungen stellen, etwa die Befähigung zum Richteramt oder die Zulassung als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für ein bestimmtes Fachgebiet, als Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder als Architekt. Umgekehrt ist auch eine negative Umschreibung möglich, so dass bestimmte Schiedsgutachter nicht benannt werden dürfen. Dies bietet sich z.B. an, wenn die Abfindungszahlung zugunsten eines ausscheidenden Gesellschafters gerade nicht durch den Steuerberater der Gesellschaft erfolgen soll, da dieser u.U. eher ein Interesse an der künftigen Beratung der Gesellschaft als an der des ausscheidenden Gesellschafters haben könnte (potentieller Interessenkonflikt).
27
A6 Entscheidungsmaßstab für den Schiedsgutachter: Das Gesetz sieht zwei mögliche Entscheidungsmaßstäbe des Schiedsgutachters vor: zum einen das billige Ermessen (§ 317 324
Schwarzmann
M 22.1
Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 30a Kap. 22
Abs. 1 BGB), zum anderen das freie Belieben (§ 319 Abs. 2 BGB). Dies allein zeigt schon, dass die Vorschriften dispositiv sind; die Beteiligten können die Vorgaben für den Schiedsgutachter an ihre Bedürfnisse anpassen. Im Zweifel entscheidet der Schiedsgutachter nach billigem Ermessen, § 317 Abs. 1 BGB. Anzumerken ist, dass auch bei einer Entscheidung nach „freiem Belieben“ ein willkürliches Schiedsgutachten nicht gestattet ist. Die Beteiligten können den Entscheidungsmaßstab des Schiedsgutachters durch Verweis auf geeignete Richtlinien konkretisieren. In der Praxis wird insbesondere auf folgende Verfahren zurückgegriffen: – Verfahren nach der Wertermittlungsverordnung (Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren, Sachwertverfahren oder Mischung) – DCF-Verfahren (Discounted cash flow) – Ertragswertverfahren – Substanzwertverfahren – Buchwert – Stuttgarter Verfahren (für Anteile an Kapitalgesellschaften) A7 Verfahren: Das Gesetz gibt in den §§ 317 ff. BGB und auch in der ZPO keinen Rah- 28 men für das eigentliche Verfahren vor. Letzteres nicht, da die Regelung zum Schiedsgericht nicht anwendbar sind. Die Beteiligten sind frei, das Verfahren ggf. in Abstimmung mit dem Schiedsgutachter zu bestimmen. In der eigentlichen Schiedsgutachtenvereinbarung sind die Verfahrensgrundsätze oft nicht niedergelegt, auch wenn dies durchaus möglich wäre und hier bei dem ausführlichen Formulierungsvorschlag berücksichtigt wurde. Soweit die Beteiligten Verfahrensregelungen in der Schiedsgutachtenvereinbarung getroffen haben, sollte in der Schiedsgutachtervereinbarung darauf Bezug genommen werden, um die Regelungen entweder zu inkorporieren oder einvernehmlich zu modifizieren. Zu den Einzelheiten des Verfahrens vgl. M 22.5 Anm. A5 ff. (Rz. 42 ff.). A8 Wertvorschläge: Diese Vereinbarung erfüllt eine doppelte Funktion. Zum einen steigt 29 möglicherweise die Einigungsbereitschaft der Beteiligten, wenn ihnen klar wird, dass ihre Positionen nicht allzu weit auseinander liegen. Durch die Koppelung der Wertvorschläge an die Kostentragungspflicht (vgl. Ziff. 8. der Vereinbarung) wiederum sind die Beteiligten zu einer realistischen Einschätzung des Wertes gezwungen, die regelmäßig zu einem angemessenen Wertvorschlag führt. A9 Gerichtliche Überprüfung: Das wirksame Schiedsgutachen bindet materiell-rechtlich nicht nur die Parteien, sondern auch die Gerichte (BGH, Urt. v. 25.6.1952 – II ZR 104/51, BGHZ 6, 335). Eine Überprüfung durch das Gericht erfolgt nur im Rahmen des § 319 Abs. 1 BGB und grundsätzlich nur hinsichtlich des Ergebnisses. Danach tritt das gerichtliche Urteil an die Stelle der Bestimmung des Schiedsgutachters, wenn sie offenbar unbillig ist (insofern gilt ein anderer Maßstab als im Rahmen des § 315 Abs. 3), der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder wenn er sie verzögert. Bei den Schiedsgutachten im engeren Sinn gilt § 319 BGB entsprechend. Es kommt hier darauf an, ob das Schiedsgutachten offenbar unrichtig ist.
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Die Beteiligten können zur gerichtlichen Überprüfung auch anderes vereinbaren, z.B. dass 30a in einem gerichtlichen Verfahren das Schiedsgutachten nicht nur im Umfang des § 319 BGB überprüfbar ist, sondern der Rechtsstreit so geführt wird, als ob die Schiedsgutachtenabrede nicht getroffen worden wäre. Umgekehrt ist auch der Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung durch Parteivereinbarung grundsätzlich denkbar. In diesem Fall ist jedoch besonders zu prüfen, ob die Regelung ohne Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB getroffen wurde. In AGB oder Verbraucherverträgen wäre der Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung Schwarzmann 325
Kap. 22 Rz. 30b
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 22.1
hingegen nach § 307 BGB unzulässig (BGH, Urt. v. 23.2.1972 – VIII ZR 115/70, NJW 1972, 827 = MDR 1972, 511). Dies ergibt sich nun auch aus § 309 Nr. 14 BGB. Auch Zwischenstufen sind denkbar, z.B. dass schon die bloße Unbilligkeit des Schiedsgutachtens ausreicht, damit das Schiedsgutachten unverbindlich ist. 30b
Offenbare Unbilligkeit (Maßstab für Schiedsgutachten im weiteren Sinne) nach § 319 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die Bestimmung in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich die Unbilligkeit, wenn auch nicht für jedermann, so doch einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter sofort aufdrängt (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. § 319 Rz. 3; BGH, Urt. v. 26.4.1991 – V ZR 61/90, NJW 1991, 2761 = MDR 1991, 1169). Offenbare Unrichtigkeit (Maßstab für Schiedsgutachten im engeren Sinne) nach § 319 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung liegt vor, wenn sich die Unrichtigkeit dem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch möglicherweise erst nach gründlicher Prüfung, aufdrängt (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. § 319 Rz. 4; BGH, Urt. v. 17.1.2013 – III ZR 10/12, NJW 2013, 1296 = MDR 2013, 336). Dabei bedeutet „offenbar“ nicht offenkundig: Eine Beweiserhebung ist daher nicht ausgeschlossen. Nach h.M. kommt es dabei nur auf das Ergebnis, nicht dagegen auf die Elemente der Ermittlung oder ihrer Begründung an. Leidet die Entscheidung des Schiedsgutachters unter schwerwiegenden Begründungsmängeln oder ist sie gar überhaupt nicht begründet, ist sie, unabhängig vom Ergebnis, ebenfalls offenbar unrichtig und unverbindlich (BGH, Urt. v. 25.1.1979 – X ZR 40/77, NJW 1979, 1885 = MDR 1979, 577).
30c
Das Verfahren des Dritten bis zur Bestimmung wird dagegen grundsätzlich vom Gericht nicht überprüft. Die rechtsstaatlichen Verfahrensmaximen sind nicht anzuwenden, insbesondere ist den Parteien kein rechtliches Gehör vor Bekanntgabe der Entscheidung zu gewähren (ständige Rechtsprechung: vgl. etwa: BGH, Urt. v. 18.2.1955 – V ZR 110/53, NJW 1955, 665; jedoch strittig) – anders jedoch, wenn AGB oder Verbraucherverträge vorliegen (dazu oben unter Rz. 20). Wenn die Parteien sicher sein wollen, mit ihrer Sichtweise des zu prüfenden Sachverhalts zum Gutachter durchzudringen, empfiehlt es sich, eine entsprechende Pflicht des Dritten ausdrücklich in die Schiedsgutachtenklausel oder in die Schiedsgutachtervereinbarung aufzunehmen.
30d
Im Gegensatz zur Einrede der Schiedsgerichtsvereinbarung, § 1032 ZPO, existiert eine „Einrede der Schiedsgutachterabrede“ nicht. Soll dies anders sein, müssen die Parteien eine ausdrückliche Vereinbarung treffen. Allerdings ist die strittige Forderung in ihrer Durchsetzbarkeit für die Dauer des Schiedsgutachenverfahrens gehemmt (BGH, Urt. v. 8.6.1988 – VIII ZR 105/87, NJW-RR 1988, 1405 = MDR 1988, 1053)
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A10 Kosten: Die Kosten der Beteiligten bestehen in der eigentlichen Vergütung des Schiedsgutachters und in der Erstattung seiner Auslagen. Daneben können Kosten entstehen, wenn die Benennung des Schiedsgutachters durch einen Dritten erfolgt. Die IHK Frankfurt beispielsweise erhebt grundsätzlich ein Entgelt von 60 Euro und für die förmliche Benennung durch den Präsidenten ein Entgelt von 120 Euro. In der Schiedsgutachtenvereinbarung wird hinsichtlich der Kosten das Innenverhältnis unter den Beteiligten geregelt. Die Kostentragungspflicht im Außenverhältnis gegenüber dem Schiedsgutachter findet ihren Platz hingegen in der Schiedsgutachtervereinbarung. Die Kostentragungspflicht wird in dem Formulierungsvorschlag an die Wertvorschläge gemäß Ziff. 6. der Vereinbarung gekoppelt, die die Beteiligten gegenüber dem Schiedsgutachter abzugeben haben. Die Kosten werden dann in einem zweiten Schritt in der Relation verteilt, wie sich die Vorschläge zum Ergebnis des Gutachtens verhalten. Dies zwingt zu realistischen Vorschlägen, die bei großer Annäherung sogar zu einer gütlichen Einigung führen können.
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Schwarzmann
M 22.3
Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 33a Kap. 22
Die Beteiligten können aber auch einfach eine Kostentragung zu gleichen Teilen vereinbaren oder beispielsweise in Anlehnung an § 91 ZPO eine Verteilung nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens.
M 22.2 Kurzfassung Schiedsgutachtenvereinbarung
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Können sich die Beteiligten über … nicht einigen, wird dieser durch ein Schiedsgutachten festgelegt. Einigen sich die Parteien nicht auf einen Schiedsgutachter, wird ein unabhängiger Sachverständiger vom Präsidenten der Industrie- und Handelskammer/Präsidenten des Landgerichts/… auf Antrag einer Partei als Schiedsgutachter bestellt. Der Schiedsgutachter entscheidet nach billigem Ermessen schiedsgutachterlich. Die Kosten für das Gutachten und ggf. für die Benennung durch den Dritten tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Durch die Schiedsgutachtenvereinbarung wird der Rechtsweg nicht ausgeschlossen; in einem gerichtlichen Verfahren kann das Schiedsgutachten daher im Umfang des § 319 BGB überprüft werden.A1
Anmerkung zu Muster M 22.2 A1 Vgl. oben Rz. 1 ff. (und M 22.1 [Rz. 22]) zu den Einzelheiten und Ergänzungsmöglich- 32a keiten.
M 22.3 Schiedsgutachtenvereinbarung Erbrecht: Sanktionierung der Weiterveräußerung
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Der Überlebende von uns bleibt zur Verfügung über den eigenen und den ererbten Grundbesitz zu Lebzeiten ausdrücklich befugt. Als Alleinerbe des Erstversterbenden wird er jedoch mit folgendem Vermächtnis beschwert: Veräußert er an andere Personen als an gemeinschaftliche Abkömmlinge, gleichgültig aus welchem Grund, hat er an die gemeinsamen Kinder zu gleichen Bruchteilen die Hälfte des Veräußerungserlöses nach Abzug etwaiger Veräußerungskosten und solcher Verbindlichkeiten, die mit Verwendungen und Investitionen auf das Haus zusammenhängen, hinauszuzahlen. Unschädlich sind folgende Veräußerungen: … (z.B. bei bloßen Straßengrundabtretungen an die Gemeinde oder andere Gebietskörperschaften).A1 Wird ein Erlös bei der Veräußerung nicht erzielt oder bleibt dieser hinter dem Verkehrswert eindeutig zurück, so ist anstelle des Veräußerungserlöses der Verkehrswert anzusetzen. Können sich die Beteiligten in diesem Fall über die Höhe des Verkehrswertes nicht einigen, so entscheidet das Gutachten eines amtlich vereidigten oder gerichtlich anerkannten Schätzgutachters.A2 Können sich die Beteiligten auch über die Bestellung dieses Gutachters nicht innerhalb eines Monats einigen, so ist dieser von der örtlich zuständigen Architektenkammer zu bestimmen. Die Kosten der Schätzung tragen der Überlebende von uns zur einen Hälfte und die berechtigten Vermächtnisnehmer im Verhältnis ihrer Anteile zur anderen Hälfte. Dingliche Sicherung in Höhe der aufschiebend bedingten Hinauszahlungsverpflichtung kann nach dem Tode des Erstversterbenden nicht verlangt werden.
Anmerkungen zu Muster M 22.3 A1 Sachverhalt: Ehegatten vereinbaren im Erbvertrag häufig für den ersten Todesfall die gegenseitige Alleinerbeneinsetzung und für den zweiten Todesfall die SchlusserbeneinsetSchwarzmann 327
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Kap. 22 Rz. 33b
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 22.4
zung der gemeinsamen Abkömmlinge (sog. Berliner Testament). Da diese Bestimmungen grundsätzlich bindend sind, werden häufig Abänderungsbefugnisse vorgesehen. Meist wird dabei dem Überlebenden die Möglichkeit eingeräumt, die Erbeinsetzung noch zu ändern (mit der Anordnung von Vermächtnissen, Testamentsvollstreckung, Vor- und Nacherbschaft usw.), jedoch nur innerhalb des Kreises der gemeinsamen Abkömmlinge. Dies räumt dem Überlebenden einerseits eine gewisse Flexibilität ein und dient andererseits dem Schutz der nächsten Generationen. Im vorliegenden Fall soll dem Überlebenden jedoch eine weite Abänderungsmöglichkeit vorbehalten bleiben, die sich nicht auf den Kreis der gemeinschaftlichen Abkömmlinge beschränkt. Die Absicherung der nächsten Generation wird über das im Formulierungsvorschlag vorgestellte Vermächtnis erreicht. Die Weiterveräußerung an andere Personen bleibt demnach zwar möglich, löst aber die Sanktion der Herausgabe des Erlöses aus. Da es dabei zum Streit über den Verkehrswert kommen kann, ist eine Schiedsgutachterklausel im Mustertext vorgesehen. 33b
A2 Schiedsgutachten: Im Rahmen der §§ 2048 Satz 2, 2151, 2153, 2154 Abs. 1 Satz 2, 2155 Abs. 2, 2156, 2193 und 2198 BGB kann durch Verfügung von Todes wegen einem Dritten ein Bestimmungsrecht eingeräumt werden. Relevant ist hier vor allem die Anordnung eines Schiedsgutachtens oder einer Schiedsklausel. Beispiele aus der Praxis: Unternehmensnachfolge über Vermächtnislösung, da bei Erbeinsetzung § 2065 BGB entgegensteht (keine Bestimmung durch einen Dritten, sondern nur die „Bezeichnung“ nach objektiven Kriterien), während §§ 2151–2156 BGB hier mehr Freiraum bieten. Zu nennen ist insbesondere das Zweckvermächtnis: § 2156 BGB verweist explizit auf die §§ 315 ff. BGB. Hier muss allerdings der Zweck genau bezeichnet werden. Auslegungsprobleme bei Verfügungen von Todes wegen, insbesondere über die Person des Unternehmensnachfolgers: Anordnung durch den Erblasser oder Einigung der Miterben über die Einsetzung eines Schiedsgutachters bei einer Meinungsstreitigkeit
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M 22.4 Schiedsgutachtenvereinbarung Gesellschaftsrecht: Unternehmensbewertung In allen Fällen, in denen nach diesem Gesellschaftsvertrag eine Bewertung von Geschäftsanteilen stattzufinden hat, ist der auf den Zeitpunkt des Ausscheidens des betreffenden Gesellschafters festgestellte Wert des Geschäftsanteils maßgebend. Dieser ist nach der Ertragswertmethode zu ermitteln; hiervon ist ein Abschlag von 25 % zu machen.A1 Kommt eine Einigung über den Wert unter den Beteiligten nicht zustande, so ist die Bewertung von einem Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter im Sinne des § 317 BGB für alle Parteien verbindlich vorzunehmen. Der Schiedsgutachter soll sich bei der Unternehmensbewertung möglichst an den Richtlinien orientieren, die das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., Düsseldorf, oder sein Nachfolger seinen Mitgliedern am Tag des Ausscheidens des Gesellschafters empfiehlt. Wird der Wirtschaftsprüfer im Einvernehmen zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und der Gesellschaft bzw. dem Erwerber bestellt, so sind die Kosten für das Sachverständigengutachten je zur Hälfte vom ausscheidenden Gesellschafter einerseits und der Gesellschaft bzw. dem Erwerber andererseits zu tragen. Anderenfalls trägt diese Kosten der ausscheidende Gesellschafter, sofern ihm binnen drei Monaten ab dem Tage des Ausscheidens ein Abfindungsangebot unterbreitet worden ist und der angebotene Abfindungsbetrag um weniger als 15 % unter dem Be328
Schwarzmann
Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 35 Kap. 22
trag liegt, den der Wirtschaftsprüfer als Abfindungsentgelt ermittelt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so sind die Kosten für das Sachverständigengutachten zuzüglich zum Abfindungsbetrag im Falle der Einziehung von der Gesellschaft zu tragen und im Falle der Abtretung des Geschäftsanteils vom Erwerber. Kommt über die Person des als Schiedsgutachter zu bestellenden Wirtschaftsprüfers eine Einigung zwischen den Parteien nicht zustande, so soll dieser für beide Teile verbindlich von der örtlich zuständigen Wirtschaftsprüferkammer bestimmt werden. Als Tag des Ausscheidens gilt der Tag, an dem mit Ausnahme der Zahlung des Abfindungsentgelts alle gesellschaftsvertraglichen bzw. gesetzlichen Voraussetzungen für das Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters erfüllt sind.A2
Anmerkungen zu Muster M 22.4 A1 Sachverhalt: Bei dem Formulierungsvorschlag handelt es sich um eine Bestimmung aus dem Gesellschaftsvertrag einer GmbH (Satzung). Wenn die Gründung nicht im vereinfachten Verfahren nach Musterprotokoll vereinbart wird, sind ausführliche Satzungen empfehlenswert. Dort werden regelmäßig auch die Bereiche Vererbung von Geschäftsanteilen, deren Einziehung, Vinkulierung (Abtretungsbeschränkungen) oder, wie hier, Bewertungsfragen verankert, auch wenn dies nicht zu den notwendigen Satzungsbestandteilen gehört.
34a
A2 Schiedsgutachten: Gerade Fragen der Unternehmensbewertung sind sehr streitanfällig. 34b Üblicherweise wird daher schon bei Gründung der Gesellschaft ein Verfahren festgelegt, durch das eine sachgerechte Lösung ohne Einschaltung der Gerichte sichergestellt werden soll. Der Formulierungsvorschlag fördert die Anreize, jeweils eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. So ist der Schiedsgutachter erstens grundsätzlich gemeinsam zu benennen. Nur wenn dies nicht gelingt, kommt es zur Ersatzbenennung durch die örtlich zuständige Wirtschaftsprüferkammer. Die Kosten für die Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers werden dann in Regel deutlich höher sein als bei einer einvernehmlichen Benennung. Zweitens werden die Beteiligten durch die Koppelung der Wertvorschläge an die Kostentragungspflicht bei nicht einvernehmlicher Benennung zu einer realistischen Einschätzung des Wertes gezwungen, die regelmäßig zu einem angemessenen Wertvorschlag führt. Werden diese Wertvorschläge bereits vor Einschaltung des Schiedsgutachters abgegeben, ist es zudem durchaus möglich, dass die Parteien die Differenz bereits im Verhandlungsweg überbrücken können.
B. Vertrag mit dem Schiedsgutachter I. Einführung Literatur: Vgl. zunächst die vor Rz. 1 (Schiedsgutachtenvereinbarung) aufgeführte Literatur, insbesondere: Meyer, Der Schiedsgutachtervertrag: eine Untersuchung des rechtlichen Verhältnisses zwischen Schiedsgutachtern und Parteien mit vergleichenden Ausführungen zum Schiedsrichtervertrag, 1995, und Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, 2007 (dort finden sich auch sehr ausführliche Verfahrensordnungen samt Anmerkungen, Rz. 369 ff.).
1. Rechtsnatur der Schiedsgutachtervereinbarung Wird keine ausdrückliche Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten und 35 dem Schiedsgutachter getroffen, kommen je nach Auslegung verschiedene Möglichkeiten Schwarzmann 329
Kap. 22 Rz. 36
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 22.5
in Betracht: insbesondere bloße Gefälligkeit, Dienstvertrag, Werkvertrag und die Geschäftsbesorgung (entgeltlich und unentgeltlich). Um hier von vornherein Klarheit zu schaffen, welche gesetzlichen Bestimmungen ergänzend anzuwenden sind, sollte der Vertragstyp ausdrücklich in der Schiedsgutachtervereinbarung enthalten sein. 2. Form der Schiedsgutachtervereinbarung 36
Der Schiedsgutachtervertrag kann grundsätzlich formfrei geschlossen werden. Aus Beweisgründen empfiehlt sich die Schriftform. Weitergehende Formvorschriften sind ggf. zu beachten (z.B. § 311b Abs. 1 BGB, §§ 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG). 3. Verhältnis zur Schiedsgutachtenvereinbarung
37
Zwischen Schiedsgutachtenvereinbarung und Schiedsgutachtervereinbarung besteht ein notwendiger Zusammenhang. Die Einigung der Parteien zur Klärung der Tatsachen- oder Rechtsfrage durch ein Schiedsgutachten geht zeitlich der Abrede mit dem Gutachter voraus. Die Schiedsgutachtenklausel bestimmt dabei in der Regel das Verfahren zur Benennung des Gutachters, während vertragliche Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien und dem Gutachter erst durch die Schiedsgutachtervereinbarung entstehen. Die Verfahrensregeln für die Erstattung des Gutachtens können schon in der Schiedsgutachtenvereinbarung vorgegeben sein, meist finden sie sich aber in der Schiedsgutachtervereinbarung.1
II. Muster 38
M 22.5 SchiedsgutachtervereinbarungA1 §1 Vorbemerkung 1. Zwischen … und … – im Folgenden auch als „Beteiligte“ bezeichnet – besteht Uneinigkeit über folgenden Gegenstand: … Sie haben zur Klärung dieser Frage die in Abschrift beigefügte Schiedsgutachtenvereinbarung abgeschlossen. (Alternativ: Zur Klärung dieser Frage kommt die in Abschrift beigefügte, in § … des Vertrages vom … vereinbarte Schiedsgutachterklausel zur Anwendung.A2) 2. Die Beteiligten haben sich auf … als Schiedsgutachter im Sinne des § 317 Abs. 1 BGB geeinigt.
1 Zu den Fragen der Fehleridentität, der rechtlichen Einheit i.S. des § 139 BGB und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vgl. Meyer, Der Schiedsgutachtervertrag, 1995, 42 ff.
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Schwarzmann
M 22.5
Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 38 Kap. 22
(Alternativ: … wurde von … als Schiedsgutachter im Sinne des § 317 Abs. 1 BGB benannt.A3) 3. Das Verhältnis zwischen den Beteiligten einerseits sowie den Beteiligten und dem Schiedsgutachter andererseits ist Gegenstand dieser Schiedsgutachtervereinbarung. §2 Verhältnis zur Schiedsgutachtenvereinbarung Die Bestimmungen der Schiedsgutachtenvereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Schiedsgutachtenverfahrens und der darin enthaltenen Bewertungsmethoden, gelten auch im Verhältnis zwischen den Beteiligten und dem Schiedsgutachter, soweit hier nichts anderes bestimmt ist. Im Übrigen gelten die Bestimmungen über den entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 Abs. 1 BGB.A4 §3 Pflichten des Schiedsgutachters; NeutralitätA5 1. Der Schiedsgutachter entscheidet über den in § 1 Abs. 1 dieser Schiedsgutachtervereinbarung bezeichneten Gegenstand verbindlich. § 319 BGB bleibt jedoch unberührt. Der Rechtsweg steht insoweit offen.A6 2. Der Schiedsgutachter erfüllt seine Verpflichtungen höchstpersönlich. Hilfstätigkeiten kann er auch durch Dritte vornehmen lassen.A7 3. Der Schiedsgutachter ist nicht Vertreter eines Beteiligten, sondern unabhängig und unparteilich. Er hat jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit erzeugt. Er versichert, dass er in der Angelegenheit, die Gegenstand des Schiedsgutachtens ist, außer im Auftrag sämtlicher Beteiligter nicht tätig war. Er verpflichtet sich in dieser Angelegenheit auch nach Abschluss des Verfahrens nicht tätig zu werden.A8 4. Die Verpflichtung des Schiedsgutachters zur Verschwiegenheit bestimmt sich nach § 4 dieses Vertrages. 5. Den Beteiligten ist vor Niederlegung des Schiedsgutachtens rechtliches Gehör zu gewähren. Der Schiedsgutachter gibt beiden Beteiligten bei einer mündlichen Erörterung Gelegenheit zur Stellungnahme. Den Zeitpunkt der Erörterung bestimmt der Schiedsgutachter nach billigem Ermessen.A9 6. Soweit es der Schiedsgutachter für erforderlich hält, führt er mit beiden Beteiligten eine Ortsbesichtigung durch. Die Beteiligten sind hiervon zwei Wochen vorher schriftlich zu verständigen. 7. Die Beteiligten können jederzeit vom Schiedsgutachter Auskunft über den Stand des Verfahrens, die entstandenen und zu erwartenden Aufwendungen und den Fertigstellungstermin des Schiedsgutachtens verlangen. 8. Das Schiedsgutachten ist schriftlich bis spätestens zum … abzufassen, zu begründen und vom Schiedsgutachter zu unterzeichnen. Den Beteiligten sind Abschriften zu übersenden. Danach kann das Schiedsgutachten nur zur Korrektur von Schreibfehlern geändert werden.A10 9. Im Übrigen bestimmen sich die Pflichten und Zuständigkeiten des Schiedsgutachters nach der Schiedsgutachtenvereinbarung und etwa besonderen Berufspflichten des Schiedsgutachters. §4 Verschwiegenheit 1. Der Schiedsgutachter ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Pflicht zur Verschwiegenheit bleibt auch nach Ende des Verfahrens bestehen.A11
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Kap. 22 Rz. 38a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 22.5
2. Vorstehendes gilt nicht für Tatsachen, die der Schiedsgutachter in gesetzlich zulässiger Weise von dritter Seite erfahren hat oder die offenkundig sind, sowie für Tatsachen, die der Schiedsgutachter zur Geltendmachung von Ansprüchen oder zur Verteidigung gegen Ansprüche im Zusammenhang mit dieser Schiedsgutachtervereinbarung vortragen muss. 3. Die Pflicht zur Verschwiegenheit entfällt, wenn beide Beteiligten hiervon Befreiung erteilen. 4. Die Beteiligten verpflichten sich untereinander zur Verschwiegenheit über das Schiedsgutachtenverfahren und das Schiedsgutachten. Ziff. 2 oben gilt entsprechend. §5 Haftung Der Schiedsgutachter haftet für die Erfüllung seiner Verpflichtungen nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.A12 §6 Beginn und Ende des Verfahrens 1. Das schiedsgutachterliche Verfahren beginnt mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung. 2. Das Verfahren endet mit der Erstattung des Schiedsgutachtens gemäß den Anforderungen des § 3 Abs. 8 dieser Vereinbarung. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt. §7 Vergütung und Kostentragung 1. Der Schiedsgutachter erhält für die Erstattung des Schiedsgutachtens eine Vergütung in Höhe von … Euro zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer.Dieser Betrag ist zur Hälfte sofort und zur Hälfte zwei Wochen nach Zugang des Gutachtens bei den Beteiligten zur Zahlung fällig. Nachgewiesene Auslagen sind unverzüglich zu ersetzen.A13 2. Die Beteiligten haften für die Vergütung und die Auslagen gegenüber dem Schiedsgutachter gesamtschuldnerisch. Im Innenverhältnis tragen die Beteiligten die Vergütung und die weiteren Kosten, insbesondere die der Benennung des Schiedsgutachters durch einen Dritten, zu gleichen Teilen.A14 …, den … (Unterschriften der Beteiligten und des Schiedsgutachters)
Anmerkungen zu Muster M 22.5 38a
A1 Sachverhalt: Die Beteiligten hatten sich auf eine Schiedsgutachtenvereinbarung geeinigt (vgl. dazu Rz. 1 ff.). Sie schließen daraufhin mit dem Schiedsgutachter eine Schiedsgutachtervereinbarung, die die Rechtsbeziehungen der Beteiligten mit dem Schiedsgutachter regelt.
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A2 Gegenstand des Schiedsgutachtens: Der Gegenstand des Schiedsgutachtens und damit der Auftrag an den Schiedsgutachter sollte möglichst genau umrissen werden. Dies kann erfolgen entweder durch eine Beschreibung im Schiedsgutachtervertrag oder (auch ergänzend) unter Bezugnahme auf die Schiedsgutachtenabrede. Ist Letzteres der Fall, sollte der Grundvertrag bzw. die entsprechende Schiedsgutachterklausel in Abschrift beigefügt werden.
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A3 Benennung des Schiedsgutachters: Die Beteiligten können den Schiedsgutachter entweder selbst benennen (ggf. auch einen Ersatz-Schiedsgutachter) oder, wenn sie sich nicht einigen können, ein Benennungsverfahren durch einen Dritten vorschalten. Der Dritte oder 332
Schwarzmann
M 22.5
Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 42 Kap. 22
die Institution sollte in dem Bereich, den das Schiedsgutachten klären soll, tätig sein. Typische Beispiele sind die zuständige Industrie- und Handelskammer oder die Kammern der einschlägigen Freiberufler (Architekten, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer etc.). Auch wenn die Benennung des Schiedsgutachters durch einen Dritten erfolgt, entstehen rechtliche Beziehungen zwischen ihm und dem Schiedsgutachter erst mit der Schiedsgutachtervereinbarung. Das Muster legt offen, durch welches Verfahren es zu der Vereinbarung mit dem Schiedsgutachter gekommen ist. Sie bestätigen damit entweder ihre Einigung oder die Entscheidung des Dritten. Möglich ist auch die Benennung von mehreren Schiedsgutachtern. Die höheren Kosten las- 40a sen sich bei höheren Streitwerten oder bei Schiedsgutachten, bei denen Experten aus verschiedenen Bereichen zusammen wirken müssen, um ein fundiertes Schiedsgutachten zu erstellen, z.B. ein Jurist und ein Ingenieur, rechtfertigen. Abgesehen von der letztgenannten Konstellation mit verschiedenen Aufgabenbereichen der Schiedsgutachter wird die Besetzung mit zwei Schiedsgutachtern jedoch die Ausnahme sein. Bei Benennung eines Gutachtergremiums von drei Schiedsgutachtern sollte die Mehrheitsentscheidung im Schiedsgutachtervertrag verankert werden, da ansonsten die Vermutungsregelungen des § 317 Abs. 2 BGB greifen (Einstimmigkeit bzw. Durchschnittsumme). A4 Verhältnis zur Schiedsgutachtenvereinbarung: Durch die Schiedsgutachtenabrede 41 entstehen Rechtsbeziehungen nur zwischen den Beteiligten. Erst durch die Schiedsgutachtervereinbarung wird die Dreiecksbeziehung zwischen den Beteiligten und dem Schiedsgutachter geregelt. Vgl. im Übrigen auch oben die Einführung unter 3. (Rz. 6 ff.), insbesondere zur Einordnung des Vertragstyps. A5 Schiedsgutachtenverfahren: Das Gesetz gibt in den §§ 317 ff. BGB und auch in der 42 ZPO keinen Rahmen für das eigentliche Verfahren vor. Die Beteiligten sind frei, das Verfahren ggf. in Abstimmung mit dem Schiedsgutachter zu bestimmen. In der eigentlichen Schiedsgutachtenvereinbarung sind die Verfahrensgrundsätze oft nicht niedergelegt, auch wenn dies durchaus möglich wäre. Geregelt sind dort meist nur die Bewertungsmethoden, die der Schiedsgutachter anzuwenden hat. Der Prüfungsmaßstab des Schiedsgutachters ist sicherlich die Kernbestimmung. In Betracht kommt ein weites Spektrum, das vom freien Belieben (vgl. § 319 Abs. 2 BGB), über das billige Ermessen (vgl. § 317 Abs. 1 BGB) bis hin zu sonstigen konkreten Vorgaben der Beteiligten, insbesondere Wertermittlungsmethoden (z.B. Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren, Sachwertverfahren oder Mischung nach der Wertermittlungsverordnung), reicht. Soweit die Beteiligten Verfahrensregelungen in der Schiedsgutachtenvereinbarung getroffen haben, ist zu unterscheiden: Werden die Regelungen aufrechterhalten, sind sie durch einen Verweis in die Schiedsgutachtervereinbarung zu inkorporieren; sollen die Regelungen hingegen modifiziert werden, ist dies ausdrücklich zu vereinbaren. In beiden Fällen empfiehlt sich eine entsprechende Klarstellung, damit keine Zweifel bei einem etwaigen Widerspruch entstehen. Denkbar sind in geeigneten Fällen auch weitere Vereinbarungen zum Verfahren, beispielsweise wie sich die Parteien gegenüber den Schiedsgutachtern äußern (schriftlich oder mündlich), ggf. kombiniert mit Fristsetzung. Bei einem schriftlichen Verfahren könnte geregelt werden, ob es zulässig ist, Schriftsätze ohne Rücksicht auf die Gegenseite jederzeit innerhalb der gesetzten Fristen einzureichen. Empfehlenswert ist eher, Schriftsätze nacheinander einzureichen, also zunächst die Antragsbegründung und danach die Erwiderung, ggf. ergänzt um eine zweite Runde von nacheinander einzureichenden Schriftsätzen. Zu überlegen wäre auch, verspätetes oder in der ersten Schriftsatzrunde nicht vollständiges Vorbringen zu sanktionieren. Schwarzmann 333
Kap. 22 Rz. 43
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 22.5
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A6 Bindung an das Schiedsgutachten: Durch das Schiedsgutachten als Verfahren der Drittentscheidung soll eine Lösung der Streitfrage erfolgen, die die Klärung dieses Punktes vor Gericht vermeiden soll. Die Bestimmung durch den Schiedsgutachter gestaltet den Sachverhalt; er ist insoweit auch bei einem etwaigen Zivilprozess zu beachten. Das Schiedsgutachten entfaltet daher Bindungswirkung, außer es ist z.B. nach § 319 BGB unverbindlich. Die Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens ist daher vorsorglich ausdrücklich klarzustellen. Nach § 319 Abs. 1 BGB erfolgt die Bestimmung durch Urteil, wenn der Schiedsgutachter nach billigem Ermessen entscheiden soll und die Bestimmung offenbar unbillig bzw. offenbar unrichtig ist. Zu Einzelheiten zur gerichtlichen Überprüfung vgl. M 22.1 Anm. A9 (Rz. 30 ff.).
43a
Modifikationen der Bindungswirkung sind möglich. Die Parteien können sogar vereinbaren, dass das Schiedsgutachten nicht bindend ist, es also höchstens faktische Bindung entfaltet. In diesem Fall bleibt dem Verfahren des „Schiedsgutachtens“ aber nur noch der Name; inhaltlich handelt es sich eher um eine nicht bindende Schlichtung oder Empfehlung. Zwischen den beiden Polen bindend und nicht-bindend sind weitere Gestaltungen denkbar, insbesondere über aufschiebende oder auflösende Bedingungen. Die Parteien können sich etwa auf eine bloß vorläufige Bindung an das Schiedsgutachten verständigen, so dass es seine Bindungswirkung verliert, wenn bestimmte Umstände eintreten (auflösende Bedingung). Anknüpfungspunkt für die auflösende Bedingung könnte eine abändernde Entscheidung im Gerichtsverfahren sein. Um keinen Anreiz zu schaffen, alle Rechtsbehelfe im Sinne einer Verzögerungstaktik auszuschöpfen, bietet sich die erstinstanzliche Entscheidung und nicht die Rechtskraft als maßgebende Bedingung an. Möglich ist auch, die Bindungswirkung des Schiedsgutachtens auszusetzen, bis eine aufschiebende Bedingung eingetreten ist, z.B. eine Nichtanerkennungserklärung innerhalb einer bestimmten Frist. Als Gestaltungselement denkbar wäre zudem in geeigneten Fällen eine nur einseitige Bindungswirkung.
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A7 Höchstpersönlichkeit: Der Schiedsgutachter wird von den Beteiligten oder einem Dritten deshalb benannt, weil er eine gewisse Sachkunde gewährleistet oder bestimmte Qualifikationen erfüllt. Er sollte daher (mit Ausnahme von reinen Hilfstätigkeiten) selbst zur Erfüllung seiner Aufgaben verpflichtet sein.
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A8 Unparteilichkeit und Unabhängigkeit: Dass der Schiedsgutachter neutral und unabhängig über die vorgelegte Frage entscheidet, ist an sich eine Selbstverständlichkeit, die dennoch im Vertrag festgehalten werden sollte. Bei manchen Schiedsgutachtenabreden ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zugunsten eines gewissen Näheverhältnisses zu einem Beteiligten modifiziert. Dies gilt etwa für den Fall, dass der Steuerberater der Gesellschaft die Abfindung für den ausscheidenden Gesellschafter festlegen soll. Da er in der Regel die Gesellschaft weiter betreut, besteht für den Steuerberater u.U. ein Interesse zu einer niedrigeren Abfindung zu tendieren. Dieser Umstand ist bei der Bestimmung des Schiedsgutachters zu bedenken. Zulässig ist die Benennung des für die Gesellschaft tätigten Steuerberaters jedoch bei Einigung der Gesellschafter in jedem Fall. Ergänzend zu den vertraglichen Vorgaben gelten etwaige berufsrechtlichen Vorgaben für den Schiedsgutachter.
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A9 Rechtliches Gehör: Beim Schiedsgerichtsverfahren ist den Parteien nach der zwingenden Regelung des § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO rechtliches Gehör zu gewähren; eine solche Bestimmung trifft das Gesetz für das Schiedsgutachtenverfahren nicht. Rechtliches Gehör sollte jedoch vereinbart werden.
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A10 Form und Begründung des Schiedsgutachtens: Nach § 318 Abs. 1 BGB erfolgt die Bestimmung durch Erklärung gegenüber einem der Vertragsschließenden. Eine besondere Form ist nicht vorgesehen, muss also vertraglich vereinbart werden. In der Regel werden
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Schwarzmann
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Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 51 Kap. 22
die Beteiligten darauf bestehen, dass das Gutachten schriftlich abgefasst ist und Abschriften an alle übersandt werden. Nach der Rechtsprechung muss das Gutachten nicht begründet sein (OLG Celle, Urt. v. 7.6.1962 – 10 U 177/61, MDR 1962, 900). Da es regelmäßig dem Parteiwillen entspricht, dass das Gutachten begründet ist, sollte auch dies vertraglich vereinbart werden. Anders mag dies in einfach gelagerten Fällen sein. Die Bestimmung durch den Schiedsgutachter ist eine Willenserklärung. Sie muss nach § 318 Abs. 1 BGB nur gegenüber einem der Beteiligten abgeben werden. Sie ist grundsätzlich formfrei. Die Beteiligten können allerdings, wie hier in dem Formulierungsvorschlag, eine andere Regelung vorsehen (Bekanntgabe an alle Beteiligten, Schriftform). Die Bestimmung durch den Schiedsgutachter ist nicht widerrufbar. Schreibfehlerkorrekturen sollten jedoch aus Praktikabilitätsgründen noch möglich sein. Zur Anfechtung des Schiedsgutachtens vgl. § 318 Abs. 2 BGB. A11 Verschwiegenheitspflicht: Das Schiedsgutachtenverfahren ist anders als etwa die Me- 48 diation nicht davon abhängig, dass die Beteiligten offen über ihre Positionen und Interessen verhandeln. Die Pflicht zur Verschwiegenheit ist dennoch flankierend in den Vertrag aufzunehmen, da der Schiedsgutachter ggf. sensible Informationen aus dem privaten oder geschäftlichen Bereich erhält. Ergänzend kann je nach Situation auch eine Vertraulichkeitsabrede unter den Beteiligten aufgenommen werden. Da die Verschwiegenheitspflicht ausschließlich dem Interesse der Beteiligten dient, können sie darüber frei disponieren, z.B. gemeinsam Befreiung erteilen. Neben die vertragliche Verschwiegenheitspflicht kann auch eine berufsrechtliche treten, ergänzt durch Zeugnisverweigerungsrechte. In die Vereinbarung können auch weitere Nebenpflichten des Schiedsgutachters aufgenommen werden. In Betracht kommen: Mitwirkungspflicht, Auskunfts- bzw. Rechenschafts-, Aufklärungs-, Hinweis-, Herausgabe- und Aufbewahrungspflicht. A12 Haftung: Die Haftung für Vorsatz kann dem Schiedsgutachter nicht im Voraus erlas- 49 sen werden, § 276 Abs. 3 BGB. Insofern wiederholt die Abrede nur den Gesetzeswortlaut. Bei AGB oder Verbraucherverträgen ist § 309 Nr. 7 BGB zu beachten. Der Haftungsmaßstab kann auch von dem Entscheidungsspielraum, der dem Schiedsgutachter eingeräumt ist, abhängig sein. Die Haftung des Schiedsgutachters für grobe Fahrlässigkeit ist im Formulierungsvorschlag vorgesehen, um eine sorgfältige Arbeit zu sichern. A13 Vergütung: Der Formulierungsvorschlag enthält eine feste Pauschalvergütung. Üblich 50 ist auch eine stundenweise Abrechnung, die wiederum aufgeschlüsselt wird in Sachverständigenstunden und Hilfskraftstunden, kombiniert mit einer entweder pauschalen Abgeltung der Nebenaufwendungen oder nachzuweisenden Posten (Kopien, Telefon, Reisekosen etc.). Die Höhe der Vergütung kann frei vereinbart werden. Das JVEG ist in der Regel nicht einschlägig, da es nur für Sachverständige vor Gericht und anderen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG genannten Behörden gilt. Zu beachten sind jedoch die Sätze der HOAI. Die Sachverständigenkosten sind auch bei späterem Rechtsstreit keine Prozesskosten (BGH, Beschl. v. 24.11.2005 – VII ZB 76/05, NJW-RR 2006, 212 = MDR 2006, 657). A14 Kostentragung unter den Beteiligten: Die Kosten der Beteiligten bestehen in der ei- 51 gentlichen Vergütung des Schiedsgutachters und in der Erstattung seiner Auslagen. Daneben können Kosten entstehen, wenn die Benennung des Schiedsgutachters durch einen Dritten erfolgt. Die IHK Frankfurt beispielsweise erhebt grundsätzlich ein Entgelt von 60 Euro und für die förmliche Benennung durch den Präsidenten ein Entgelt von 120 Euro. Schwarzmann 335
Kap. 22 Rz. 51a 51a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 22.5
Zur Absicherung des Schiedsgutachters haften die Beteiligten im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch. Wer die tatsächliche finanzielle Last trägt, bestimmt sich nach dem Innenverhältnis. Die Beteiligten können hier eine Kostentragung zu gleichen Teilen vereinbaren oder beispielsweise in Anlehnung an § 91 ZPO eine Verteilung nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens. Möglich ist auch, dass die Beteiligten in einem ersten Schritt jeweils einen Entscheidungsvorschlag unterbreiten. Die Kosten werden dann in einem zweiten Schritt in der Relation verteilt, wie sich die Vorschläge zum Ergebnis des Gutachtens verhalten. Dies zwingt zu realistischen Vorschlägen, die bei großer Annäherung sogar zu einer gütlichen Einigung führen können.
C. Bewertung durch den Schiedsgutachter und Kostenentscheidung anhand des letzten Angebots – Last Offer Arbitration (Schwarz) I. Einführung 1. Bewertung durch den Schiedsgutachter 52
Klauseln zur Bewertung von Geschäftsanteilen sind regelmäßig Bestandteil von Gesellschaftsverträgen. Soweit ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft ausscheidet und eine Abfindung für seinen Anteil erhält, ist der Geschäftsanteil zu bewerten. Dabei sollte im Interesse der Parteiautonomie vorrangig derjenige Betrag maßgeblich sein, auf den sich die Beteiligten einigen.
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Soweit eine Einigung nicht zustande kommt, kann die Entscheidung eines Schiedsgutachters vorgesehen werden. Eine gerichtliche Entscheidung über die Abfindung wird dadurch vermieden. Die Gerichte können allenfalls zur Überprüfung der schiedsgutachterlichen Feststellung angerufen werden, § 319 BGB. Auch über die Person des Schiedsgutachters und das anzuwendende Verfahren können die Beteiligten eine einvernehmliche Wahl treffen, ggf. bereits in der Schiedsgutachterklausel, spätestens jedoch wenn die Entscheidung des Schiedsgutachters gesucht wird. Kommt diese Einigung über die Person des Schiedsgutachters nicht zustande, kann die Wahl einem Dritten übertragen werden.
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Dabei kann dem Schiedsgutachter ein Maßstab für seine Bewertung zur Orientierung vorgegeben oder ihm freie Hand bei der Wahl des Bewertungsmaßstabs gelassen werden. Auch die Grundsätze der Drittentscheidung anhand des letzten Angebotes können für die Entscheidung des Gutachters nützlich gemacht werden (vgl. unten Rz. 56 ff.).
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Schließlich sind die Kosten des Schiedsgutachters zu verteilen. Herkömmlicherweise werden diese von vorneherein einer bestimmten Person (z.B. dem ausscheidenden Gesellschafter, bzw. der Gesellschaft) auferlegt oder geteilt (etwa nach bestimmten Quoten oder den Beteiligungsverhältnissen). Oder der Schiedsgutachter soll die Kosten analog §§ 91 ff. ZPO verteilen. Hier bieten die Grundsätze der Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote (Last Offer Arbitration) eine interessante Alternative.
55a
Schiedsgutachterklauseln und die Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote (Last Offer Arbitration) sind Gegenstand eingehender Erörterung in Abschnitt A. (Rz. 1 ff.) und Kap. 20. Im Folgenden wird eine Klausel zur Bewertung von Geschäftsanteilen angeboten. 2. Funktionsweise der Drittentscheidung anhand des letzten Angebots
56
Die Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote (Last Offer Arbitration) beinhaltet die Entscheidung eines Dritten, bei der dieser aber nicht frei ist, sondern an die Vorschläge 336
Schwarz
M 22.6
Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 59 Kap. 22
der unmittelbar Beteiligten gebunden ist. Er kann nur zwischen den zwei zuletzt von den Beteiligten angebotenen Beträgen wählen. Dies soll er anhand objektiver Kriterien tun. In der strengeren Variante der Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote gibt der Gutachter sein eigenes Votum in Unkenntnis der Vorschläge der Beteiligten ab. Zum Zuge kommt wiederum nicht sein Votum, sondern einer der Bewertungsvorschläge der Beteiligten, und zwar derjenige, der demjenigen des Gutachters am nächsten kommt. Damit liegt die Bewertung letztlich in der Hand der Beteiligten. Diese werden zu realistischen Vorschlägen motiviert, da ihr Vorschlag umso größere Erfolgschancen hat, je näher er an den objektiven des Gutachters herankommt. Dieses Grundprinzip kann auch nutzbar gemacht werden bei der Wahl des Schiedsgutach- 57 ters zwischen zwei konkurrierenden Vorschlägen für die Bemessung des Abfindungsbetrages eines ausscheidenden Gesellschafters. Damit kann der schiedsgutachterlichen Bewertung ein Rahmen gesetzt werden; der Schiedsgutachter darf sich nur innerhalb der letztverbindlichen Wertvorschläge der Gesellschafter selbst bewegen (vgl. M 22.6 [Rz. 59] Ziff. 4 Variante 1). Darüber hinaus würde die Reinform der Last Offer Arbitration dem Schiedsgutachter nur die Wahl zwischen den beiden letztverbindlichen Wertvorschlägen lassen (vgl. M 22.6 [Rz. 59] Ziff. 4 Variante 2). In einer weiteren Spielart der Last Offer Arbitration hätte der Schiedsgutachter in Unkenntnis der letztverbindlichen Wertvorschläge der Gesellschafter zu entscheiden, für die Bewertung maßgeblich wäre dann derjenige letztverbindliche Wertvorschlag, der der Entscheidung des Schiedsgutachters am nächsten kommt (vgl. M 22.6 [Rz. 59] Ziff. 4 Variante 3). Auch die Person des ausscheidenden Gesellschafters kann sich danach bestimmen, wessen letztes Angebot zur Abfindung des anderen Gesellschafters dem Wertvorschlag des Schiedsgutachters am nächsten kommt. Sie stellt damit auch eine Alternative zu den in Kap. 21 dargestellten Übernahmeregelungen bei zwei Gesellschaftern dar, wenn an dem Verfahren ein Schiedsgutachter beteiligt werden soll. Die Drittentscheidung anhand des letzten Angebots eignet sich jedenfalls für die Verteilung der Kosten für das Schiedsgutachten (M 22.6 [Rz. 59] Ziff. 5). Dabei trägt diejenige Partei die Kosten, deren Wertvorschlag weiter von der letztlich vom Gutachter getroffenen Bewertung entfernt liegt. Schon bei herkömmlichen Schiedsgutachterklauseln sollten die potentiellen Gutachterkosten die Parteien zu einer einvernehmlichen Lösung motivieren, da diese kostenlos erhältlich ist. Ist eine Einigung aber nicht erzielbar, soll das Kostenrisiko die Parteien zumindest motivieren, realistische Bewertungsvorschläge abzugeben. Je realistischer die Vorschläge sind, umso näher werden sie an dem (objektiven) Ergebnis des Schiedsgutachters liegen. Andererseits zeigt die praktische Erfahrung, dass die Entscheidungsfindung des Schiedsgutachters sich zwar um Objektivität bemühen kann, letztlich aber an den Vorschlägen der Beteiligten orientiert sein wird, sei es dass diese die sachnächsten Informationen haben, sei es dass der Schiedsgutachter daran interessiert ist, keinen der Beteiligten zu brüskieren. Realistische Vorschläge der Beteiligten begünstigen daher eine objektive Entscheidung des Schiedsgutachters.
58
II. Muster M 22.6 Satzungstext zur Anteilsbewertung durch Schiedsgutachter §… BewertungA1 1. Soweit nach diesem Gesellschaftsvertrag eine Bewertung von Geschäftsanteilen stattzufinden hat, bestimmt sich diese nach dem Verkehrswert des Geschäftsanteils.A2 Die Bewertung erSchwarz 337
59
Kap. 22 Rz. 59a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 22.6
folgt auf den Zeitpunkt, zu dem der Inhaber dieses Geschäftsanteils ausscheidet (Bewertungsstichtag). 2. Maßgeblich ist dabei vorrangig der Wert, auf den sich die Beteiligten einigen. Dabei haben der Inhaber des Geschäftsanteils einerseits und die übrigen Gesellschafter gemeinsam andererseits spätestens einen Monat nach dem Bewertungsstichtag (Einigungsfrist) jeweils einen letztverbindlichen Wertvorschlag schriftlich zu unterbreiten. Der gemeinsame letztverbindliche Wertvorschlag der übrigen Gesellschafter wird durch einen mit einfacher Mehrheit zu fassenden BeschlussA3 dieser Gesellschafter bestimmt.A4 3. Kommt innerhalb der Einigungsfrist eine Einigung über den Verkehrswert des Geschäftsanteils nicht zustande, wird dieser durch einen Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter verbindlich festgestellt. Können sich die Beteiligten nicht innerhalb eines Monats nach Ablauf der Einigungsfrist über die Person des Schiedsgutachters einigen, wird dieser auf Antrag eines Beteiligten von der für die Gesellschaft zuständigen Industrie- und Handelskammer benannt.A5 4. Die Bewertung nimmt der Schiedsgutachter nach billigem ErmessenA6 vor und bestimmt dabei auch das Bewertungsverfahren.A7 Variante 1: Gesellschafter bestimmen Rahmen der Bewertung Die Bewertung des Schiedsgutachters hat sich dabei innerhalb der letztverbindlichen Wertvorschläge des Inhabers des Geschäftsanteils einerseits und der übrigen Gesellschafter andererseits zu halten. Im Übrigen entscheidet der Schiedsgutachter nach billigem Ermessen und bestimmt dabei auch das Bewertungsverfahren. Variante 2: Auswahl zwischen den letzten Angeboten Der Schiedsgutachter hat dabei entweder den letztverbindlichen Wertvorschlag des Inhabers des Geschäftsanteils einerseits oder der übrigen Gesellschafter andererseits zu wählen. Variante 3: Stichentscheid in Unkenntnis der letzten Angebote Die letztverbindlichen Wertvorschläge sollen dem Schiedsgutachter nicht mitgeteilt werden. Der Schiedsgutachter bewertet den Geschäftsanteil nach dem von ihm gewählten Bewertungsverfahren, im Übrigen nach billigem Ermessen. Für die endgültige Bewertung maßgeblich ist derjenige letztverbindliche Wertvorschlag des Inhabers des Geschäftsanteils einerseits oder der übrigen Gesellschafter andererseits, der der Bewertung durch den Schiedsgutachter am nächsten kommt. 5. Die Kosten des Schiedsgutachtens trägt a) wenn sowohl der betroffene Gesellschafter als auch die übrigen Gesellschafter innerhalb der Einigungsfrist einen Wertvorschlag abgegeben haben, derjenige Beteiligte, dessen letztverbindlicher Wertvorschlag am stärksten von dem von dem Schiedsgutachter festgestellten Wert abweicht, b) wenn nur ein Beteiligter einen schriftlichen Wertvorschlag abgegeben hat, der andere Beteiligte oder c) wenn kein Beteiligter einen schriftlichen Wertvorschlag abgegeben hat, jeder Beteiligte zur Hälfte.
Anmerkungen zu Muster M 22.6 59a
A1 Sachverhalt: Eine Bewertungsregelung sollte der Gesellschaftsvertrag für alle Fälle des Ausscheidens eines Gesellschafters beinhalten, insbesondere bei Kündigung und Einziehung eines Geschäftsanteils. 338
Schwarz
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Schiedsgutachten/Schiedsgutachter
Rz. 65 Kap. 22
A2 Abfindungsvertrag: Für verschiedene Fälle des Ausscheidens kann der Abfindungsbetrag auch unterschiedlich festgelegt werden. Ein Abschlag vom Verkehrswert kann nur eingeschränkt vorgesehen werden und unterliegt der gerichtlichen Überprüfung. Bei neu gegründeten Gesellschaften kann der Verkehrswert unter Umständen auch unter dem Buchwert liegen.
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A3 Beschlussfassung: Ein einstimmiger Vorschlag der übrigen Gesellschafter wäre unzweckmäßig, da er durch einen oder wenige blockiert werden könnte. Statt der Beschlussfassung könnte der gemeinsame Wertvorschlag der übrigen Gesellschafter auch aus dem Durchschnittswert der verschiedenen Vorschläge bestimmt werden, wobei dann allerdings die Gefahr besteht, dass missbräuchlich unrealistische Vorschläge die gemeinsame Position verzerren.
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A4 Stimmrecht: Da es sich dabei um den gemeinsamen Gegenvorschlag zu dem Vorschlag 62 des Inhabers des abzufindenden Geschäftsanteils handelt, ist Letzterer dabei nicht stimmberechtigt. A5 Benennung des Schiedsgutachters: Eine andere Möglichkeit wäre, jede Seite einen 63 Schiedsgutachter benennen zu lassen, und, wenn sich diese nicht auf eine übereinstimmende Bewertung einigen können, den Mittelwert zugrunde zu legen. Allerdings wird das Ergebnis verzerrt, wenn ein Schiedsgutachter parteiisch bewertet. Eine weitere Möglichkeit wäre, die beiden Schiedsgutachter im Falle ihrer Uneinigkeit einen dritten Gutachter benennen zu lassen, der letztverbindlich zwischen den beiden Vorschlägen entscheidet, allerdings um den Preis zusätzlicher Kosten. A6 Bewertungsgrundsätze: §§ 317 Abs. 1, 318 Abs. 1, 319 BGB. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 319 Rz. 10.
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A7 Bewertungsverfahren: Das Bewertungsverfahren kann auch bereits in der Satzung 65 festgeschrieben werden. Dabei kommt u.a. die Orientierung an den steuerlichen Vorschriften in Frage. Das verbreitet genannte „Stuttgarter Verfahren“ (R 98 der ErbSt-Richtlinien 2003 zur Ermittlung des gemeinen Wertes von Geschäftsanteilen mangels Ableitbarkeit aus Verkäufen) gilt steuerrechtlich jedoch nicht mehr und wurde ersetzt durch das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 11, 199 ff. BewG). Der darin vorgesehene Kapitalisierungsfaktor wird praktisch häufig zu hoch liegen und sollte dann durch einen betriebswirtschaftlich angemessenen ersetzt werden. Für komplexere Bewertungen wird verbreitet auf die Bewertungsgrundsätze des Instituts der Wirtschaftsprüfer – IDW –, näherhin den Standard IDW S1 in der jeweils geltenden Fassung, verwiesen. Die dynamische Verweisung vermeidet die Beurkundungspflicht für die gewählten Maßstäbe.
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Kapitel 23 A. Ausführliche Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarung I. Einführung 1. Gesetzliche Grundlagen und Ziel des Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kompetenzgrundlage der Schiedsgerichte a) Die Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die „Schiedsverfügung“ . . . . . . . . . . . . 3. Der Ablauf eines Schiedsverfahrens und Schiedsverfahrensvereinbarungen a) Ablauf des Schiedsverfahrens. . . . . . . . b) Schiedsverfahrensvereinbarungen . . . . 4. Schiedsspruch als Mittel der Rechtsdurchsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abgrenzung zu anderen Verfahrensarten, insbesondere zum Schiedsgutachten . . . . 6. Generelle Motivation der Beteiligten . . . . a) Internationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geheimhaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anpassung des Schiedsverfahrens an Parteibedürfnisse und Auswahl der Schiedsrichter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kosten und Verfahrensdauer . . . . . . . . e) Ausdehnung der Schiedsgerichtsbarkeit über die klassischen Felder hinaus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vertragliche Vereinbarungen im Zusammenhang mit Schiedsverfahren . . . . . . . . a) Definition der Schiedsvereinbarung . . b) Auf die Vereinbarung anwendbares Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . d) Genehmigungspflicht. . . . . . . . . . . . . . e) Objektive Schiedsfähigkeit. . . . . . . . . .
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f) Subjektive Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . g) Formfragen aa) Regelung des § 1031 ZPO . . . . . . . bb) Eigenständigkeit des § 1031 ZPO cc) Schiedsklausel als Teil eines formbedürftigen Hauptvertrags . . . . . . 8. Verfahrensvereinbarungen a) Inhalt sonstiger Vereinbarungen, die das Schiedsverfahren betreffen. . . . . . . b) Zustandekommen und Wirksamkeit. . 9. Mehrparteienverfahren . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 M 23.1 Ad-hoc-Schiedsvereinbarung anlässlich einer bestimmten Streitigkeit aus einem zu einem früheren Zeitpunkt geschlossenen Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B. Einfache Schiedsvereinbarung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 M 23.2 Einfache Schiedsvereinbarung . . . 140 C. Verwendung vorformulierter Schiedsordnungen I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. UNCITRAL Arbitration Rules (UNCITRAL-AR) und IBA Rules of Evidence . . 177 2. Baustreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 M 23.3 Schiedsklausel zur Vereinbarung der UNCITRAL-SchiedsgerichtsOrdnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
A. Ausführliche Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarung I. Einführung Literatur: Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000; Basedow, Vertragsstatut und Arbitrage nach neuem IPR, JPS Bd. 1 (1987), 3; Berger, Entstehungsgeschichte und Leitlinien des neuen deutschen Schiedsverfahrensrechts, in Berger (Hrsg.), Das neue Recht der Schiedsgerichtsbarkeit/ The New German Arbitration Law, 1998, 1; Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992; Bosch, Rechtshängigkeit und Rechtskraft im Schiedsverfahren, 1991; Bredow, Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut – Form und Inhalt, SchiedsVZ 2010, 295; Calavros, Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1988; Elsing, Streitverkündung im Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2004, 88; Gottwald/Adolphsen, Das neue deutsche Schiedsverfahrensrecht, DStR 1998, 1017; Granzow, Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handels-
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Bandel
Schiedsvereinbarung
Rz. 1 Kap. 23
schiedsgerichtsbarkeit von 1985, 1988; Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch Notare, 2001; Hanefeld/Wittinghofer, Schiedsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, SchiedsVZ 2005, 217; Hantke, Die Bildung des Schiedsgerichts, SchiedsVZ 2003, 269; Henn, Schiedsverfahrensrecht, Handbuch für die Praxis, 3. Aufl. 2000 (zit.: Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000); Hobeck/Stubbe, Genese einer Schiedsklausel, SchiedsVZ 2003, 15; Husslein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1990; Karrer, „Schiedsverfahrensrecht“ – Bitte differenzieren, in FS für Reinhold Geimer zum 65. Geburtstag, 2002, 383; Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016 (zit.: Bearbeiter in Kersten/Bühling, 25. Aufl. 2016); Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. 2008 (zit.: Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008); Lachmann, Klippen für die Schiedsvereinbarung, SchiedsVZ 2003, 28; Lionnet/Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit: Systematische Darstellung der privaten Handelsschiedsgerichtsbarkeit für die Praxis der Parteien, 3. Aufl. 2004 (zit.: Lionnet, Handbuch, 3. Aufl. 2004); Loritz, Probleme der Rechtskraft von Schiedssprüchen im deutschen Zivilprozessrecht, ZZP 105 (1992), 1; Markfort, MehrparteienSchiedsgerichtsbarkeit im deutschen und ausländischen Recht, 1994; Quinke, Säumnis in Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2013, 129; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999; Risse/Altenkirch, Kostenerstattung im Schiedsverfahren: fünf Probleme aus der Praxis, SchiedsVZ 2012, 5; Risse/Frohloff, Schadensersatzansprüche nach einstweiligen Verfügungen in Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2011, 239; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010; Schlosser, Befugnisse und Pflichten des Schiedsgerichtsobmanns, SchiedsVZ 2003, 1; Schlosser, Schiedsrichterliches Verfahrensermessen und Beiladung von Nebenparteien, in FS für Reinhold Geimer zum 65. Geburtstag, 2002, 947; Schmidt, Der Schiedsspruch, SchiedsVZ 2013, 32; Schmidt-Diemitz, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit – eine empirische Untersuchung; DB 1999, 369; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012; Schroth, Einstweiliger Rechtsschutz im deutschen Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2003, 102; Schütze, Kollisionsrechtliche Probleme der Schiedsvereinbarung, insbesondere der Erstreckung ihrer Bindungswirkung auf Dritte, SchiedsVZ 2014, 274 (275); Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens – Praxis der deutschen und internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1990 (zit.: Schütze/Tscherning/Wais, Hdb. des Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 1990); Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit – Systematischer Kommentar zu den Vorschriften der Zivilprozessordnung, des Arbeitsgerichtsgesetzes, der Staatsverträge und der Kostengesetze über das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, 7. Aufl. 2005 (zit.: Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005); Seeger, Die „einseitige Abhängigkeit“ – zum Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit zusammengesetzter Grundstücksgeschäfte, MittBayNot 2003, 11; Voit, Die Entscheidung des Schiedsgerichts über die eigene Unzuständigkeit als Prüfstein der dogmatischen Grundlagen des Schiedsverfahrens, in FS für Hans-Joachim Musielak zum 70. Geburtstag, 2004, 595; Wagner, Prozessverträge – Privatautonomie im Verfahrensrecht, 1998; Wagner, Der Notar als Schiedsrichter, DNotZ 2000, 421; Walter, Die Vollstreckbarerklärung als Voraussetzung bestimmter Wirkungen des Schiedsspruchs, in FS für Karl Heinz Schwab zum 70. Geburtstag, 1991, 539; Wiegand, Die „neue“ Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2003, 52; Wolf, „Summarische Verfahren“ im neuen Schiedsverfahrensrecht, DB 1999, 1101.
1. Gesetzliche Grundlagen und Ziel des Schiedsverfahrens Schiedsgerichtsbarkeit ist private Gerichtsbarkeit.1 die aufgrund einer freiwilligen rechts- 1 geschäftlichen Entscheidung die staatliche Gerichtsbarkeit ersetzt. Die gesetzliche Grundlage für Schiedsverfahren in Deutschland findet sich im 10. Buch der ZPO, das durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (SchiedsVfG) vom 22.12.1997 (BGBl. I, 3224), in Kraft seit 1.1.1998,2 vollständig neu gefasst wurde.3 Dieses basiert weitgehend auf dem Modellgesetz über internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (Modell1 Vgl. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 7. 2 Ausführlich zur Gesetzgebungsgeschichte Berger in Das neue Recht der Schiedsgerichtsbarkeit/The New German Arbitration Law, 1 ff.; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025 Rz. 124-152. 3 Gemäß Art. 4 § 1 SchiedsVfG gilt das alte Recht nur noch für die Frage der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen, die vor dem 1.1.1998 geschlossen worden sind, und für die Durchführung
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Kap. 23 Rz. 2
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
gesetz), das die Kommission für internationales Handelsrecht der Vereinten Nationen von 1978–1985 erarbeitet hat.1 Die Vollversammlung der UN hat mit einer Resolution vom 11.12.1985 allen Mitgliedsstaaten die Berücksichtigung des Modellgesetzes bei der Neugestaltung des Schiedsverfahrensrechts empfohlen. Da zahlreiche Staaten dieser Empfehlung gefolgt sind, hat sich hierdurch ein internationaler Standard gebildet, dem das deutsche Schiedsverfahrensrecht in seiner jetzigen Fassung gerecht wird. Um die mit dem Modellgesetz bezweckte Vereinheitlichung nicht zu gefährden, ist dieses mit seinen Quellen unbedingt bei der Auslegung der Vorschriften zu berücksichtigen.2 2
Das Schiedsverfahren zielt nicht darauf, den zwischen den Parteien bestehenden Streit durch Förderung einer Verhandlungslösung oder durch Schaffung materiell-rechtlicher Streitlösungsmechanismen zu beenden. Vielmehr ist Ergebnis des Schiedsverfahrens der streitentscheidende Schiedsspruch, der gemäß § 1055 ZPO einem rechtskräftigen Urteil gleichgestellt ist. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass eine einvernehmliche Lösung des Rechtsstreits zwischen den Beteiligten innerhalb des Schiedsverfahrens nicht gefördert wird. Deutsches Verfahrensrecht weist dem Richter schon seit jeher auch die Rolle eines Vermittlers zu. Diese Rolle wird durch die heutige Fassung der §§ 278 ff. ZPO noch unterstrichen.3 Auch wenn das Zehnte Buch der ZPO vergleichbare Bestimmungen für das Schiedsverfahren nicht kennt, gilt für dieses nichts anderes.4 Ein Vergleich der Parteien während des schiedsrichterlichen Verfahrens wird durch die Bestimmung des § 1053 ZPO gegenüber dem Prozessvergleich im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sogar dadurch privilegiert, dass er der materiellen Rechtskraft fähig ist.5 Auch in Bezug auf sonstige Wirkungen und Vollstreckbarkeit ist der als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut geschlossene Vergleich dem streitigen Schiedsspruch gemäß § 1053 Abs. 2 Satz 2 ZPO gleichgestellt. 2. Die Kompetenzgrundlage der Schiedsgerichte a) Die Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 ZPO
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Im gesetzlich angenommenen Regelfall ist Grundlage eines jeden Schiedsverfahrens die Schiedsvereinbarung, d.h. gemäß § 1029 ZPO eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen.6 Prozessuale Wirkung dieser Verein-
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von Verfahren, die vor diesem Zeitpunkt begonnen haben und noch nicht beendet sind. Im Übrigen ist allein das neue Recht maßgeblich, § 33 EGZPO. Hierzu weiterführend in deutscher Sprache Calavros, Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit; Granzow, Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1985; Husslein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Vgl. Berger, Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit Fn. 2, 1, 33 f.; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025 Rz. 151. Vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 278 Rz. 1. Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1053 Rz. 2; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 803; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 23 Rz. 1. Kritisch hierzu Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1055 Rz. 8; allerdings genügt der bloße Vergleich der Parteien im Schiedsverfahren nicht, solange er nicht als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut i.S.v. § 1053 ZPO erlassen wird, vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 14.3.2003 – 20 Sch 01/02, SchiedsVZ 2003, 288. Zum Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut näher Bredow, SchiedsVZ 2010, 295. Die Privatautonomie ist die Grundlage der privaten Schiedsgerichtsbarkeit und zugleich Rechtfertigung der Einschränkung der staatlichen Justizgewährung, vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 2; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor § 1025 Rz. 3 f.
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Schiedsvereinbarung
Rz. 5a Kap. 23
barung ist gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO, dass staatliche Gerichte Klagen als unzulässig abweisen müssen, die in einer Angelegenheit erhoben werden, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sind, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt.1 Die staatlichen Gerichte übernehmen in Bezug auf ein solches Schiedsverfahren (nur) unterstützende Funktion, z.B. – durch die Anordnung einstweiliger gerichtlicher Maßnahmen, die gemäß § 1033 ZPO durch die Schiedsvereinbarung nicht ausgeschlossen sind, – durch Vornahme von Handlungen, zu denen das Schiedsgericht nicht befugt ist, insbesondere bei der Beweisaufnahme (§ 1050 ZPO), – durch Unterstützung und Kontrolle bei der Bildung des Schiedsgerichts gemäß §§ 1034 Abs. 2, 1035 Abs. 3–5, 1037 Abs. 3 und 1038 Abs. 1 Satz 2 ZPO und – selbstverständlich im Zusammenhang mit der Kontrolle und der Vollstreckbarerklärung erlassener Schiedssprüche und einstweiliger Maßnahmen des Schiedsgerichts gemäß §§ 1059–1061 und 1041 Abs. 2 und 3 ZPO.2 b) Die „Schiedsverfügung“ Neben der Schiedsvereinbarung i.S.v. § 1029 ZPO kann gemäß § 1066 ZPO auch eine letzt- 4 willige Verfügung (s. hierzu Kap. 25 Rz. 8–24a) oder eine andere nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügung, z.B. ein Stiftungsgeschäft oder eine Satzung, Grundlage eines Schiedsverfahrens sein. Für diese Schiedsverfahren gelten die Regeln des vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens entsprechend.3 Allerdings kann zumindest international nicht mit gleicher Akzeptanz gerechnet werden, da die Regelung im Modellgesetz kein Vorbild hat und Art. II UNÜ nur die Anerkennung von Schiedsvereinbarungen vorschreibt, woraus zu folgern ist, dass auch die sonstigen Vorschriften dieses Übereinkommens nur für Schiedsverfahren gelten, die ihre Grundlage in einer Schiedsvereinbarung haben.4 3. Der Ablauf eines Schiedsverfahrens und Schiedsverfahrensvereinbarungen a) Ablauf des Schiedsverfahrens Der Ablauf eines Schiedsverfahrens lässt sich in folgende grobe Abschnitte einteilen: 5 – Beginn des Schiedsverfahrens durch den einleitenden Schriftsatz des Klägers; – Benennung des oder der Schiedsrichter; – Abschluss der Schiedsrichterverträge; – Festlegung der Verfahrensordnung durch die gewählten Schiedsrichter, soweit die Parteien hierzu keine Vorgaben machen bzw. gemacht haben, § 1042 Abs. 4 Satz 1 ZPO; – Durchführung des Rechtsstreits gemäß dieser Verfahrensordnung; – Beendigung des Rechtsstreits durch Schiedsspruch oder Beschluss des Schiedsgerichts; zusätzliche Entscheidung über die Kosten des Schiedsverfahrens. Wird der Schiedsspruch nicht anerkannt und freiwillig befolgt, schließt sich das Verfahren zum Schiedsspruch vor staatlichen Gerichten an. Die obsiegende Partei betreibt das Voll1 2 3 4
Vgl. näher Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1032 Rz. 4, 16 f. Vgl. näher Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 166-171. Vgl. hierzu im Einzelnen Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 23 f. Ebenso Art. I des Genfer Europäischen Übereinkommens über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit v. 21.4.1961 (BGBl. 1964 II, S. 426). A.A. nun Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (9 f.), und SchiedsVZ 2011, 289 (291); Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 26.
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5a
Kap. 23 Rz. 6
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
streckbarerklärungsverfahren gemäß § 1060 ZPO, falls der Schiedsspruch mittels Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden muss oder sonstige Zwangswirkungen gegen den Verurteilten entfalten sollen. Die unterlegene Partei kann ihrerseits im Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs wegen bestimmter Fehler stellen. b) Schiedsverfahrensvereinbarungen 6
Alle vorgenannten Abschnitte können, soweit sie nicht das Verfahren vor staatlichen Gerichten betreffen, für das eigene Regeln gelten,1 im vom 10. Buch der ZPO eröffneten Umfang rechtsgeschäftlich geregelt werden. Vereinbarungen hierzu werden als Verfahrensvereinbarungen bezeichnet und vom Gesetz von der Schiedsvereinbarung gesondert,2 was nicht nur technischer Natur ist, sondern sich konkret auswirken kann, z.B. bei Fragen der internationalen Anknüpfung,3 der Form des Rechtsgeschäfts4 und der Bedeutung von Schweigen.5 Die in der Praxis verwendeten Schiedsvereinbarungen vollziehen diese Trennung allerdings nicht nach, sondern kombinieren in einem Text regelmäßig Schiedsvereinbarung und Verfahrensvereinbarungen, was auch völlig unschädlich ist. Für die Beurteilung von Verfahrensfragen ist nach § 1042 ZPO folgende Normhierarchie6 zu beachten: – zwingende gesetzliche Regelungen, – Parteivereinbarungen, – sonstige – dispositive – gesetzliche Regelungen, – Verfahrensgestaltung aufgrund schiedsrichterlichen Ermessens. In den nachfolgenden Mustern zu Schiedsvereinbarungen und Schiedsverfahrensvereinbarungen wird in den Anmerkungen stets ein Bezug zwischen der Parteivereinbarung des Musters und den sie betreffenden zwingenden und dispositiven Gesetzesregelungen hergestellt. 4. Schiedsspruch als Mittel der Rechtsdurchsetzung
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Das planmäßige Ende des Schiedsverfahrens ist gemäß § 1056 Abs. 1 1. Alt. ZPO der Schiedsspruch. Dieser hat, auch wenn er (nur) einen Vergleich der Parteien in der Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut wiedergibt, unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils, § 1055 ZPO.7 Diese Gleichstellung endet allerdings dort, wo zur Rechtsdurchsetzung bzw. zum Vollzug ein Titel benötigt wird, d.h. in der Zwangs1 Zu den Prozessverträgen, die nicht Gegenstand dieses Buches sind, sei hier auf die einschlägigen Kommentierungen verwiesen; s. grundlegend Wagner, Prozessverträge – Privatautonomie im Verfahrensrecht, 1998. 2 Vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016 § 1029 Rz. 11. 3 Vgl. hierzu Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1029 Rz. 27-43. 4 § 1031 ZPO gilt nur für die Schiedsvereinbarung, nicht aber für Verfahrensvereinbarungen. 5 Gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO muss die Unzulässigkeit einer Klage vor den staatlichen Gerichten aufgrund einer Schiedsvereinbarung ebenso gerügt werden wie die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts im Schiedsverfahren gemäß § 1040 Abs. 2 ZPO. Die Verletzung von Verfahrensregeln löst hingegen keine Rügeobliegenheit aus. Wird sie bis zum Schiedsspruch nicht behoben, so hat der durch die Verletzung nachteilig Betroffene nur die eingeschränkten Einwendungen des Verfahrens zur Aufhebung bzw. zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gemäß §§ 1059 f. ZPO, für deren Geltendmachung teilweise die 3-Monats-Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO gilt. 6 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1042 Rz. 6 ff. 7 Zum Umfang der Gleichstellung im Einzelnen Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1055 Rz. 3-19; zur Frage, welche Entscheidungen Schiedssprüche sind Schmidt, SchiedsVZ 2013, 32.
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Rz. 9 Kap. 23
vollstreckung und bei Gestaltungs- und Tatbestandswirkungen, die von einem vollstreckbaren Titel abhängen. Darüber, bei welchen Gestaltungs- und Tatbestandswirkungen dies der Fall ist, gehen die Meinungen weit auseinander.1 In der Praxis wird man dort, wo es darauf ankommt, den sicheren Weg beschreiten und die Vollstreckbarerklärung bei Gericht beantragen. Wird ein Leistungsschiedsspruch nicht freiwillig erfüllt, was allerdings nach Einschätzung zahlreicher Autoren die Ausnahme ist,2 bedarf es ohnehin einer Rechtsdurchsetzung mittels Zwangsvollstreckung. Über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung, der nicht nur durch einen zugelassenen 8 Rechtsanwalt gemäß § 78 Abs. 1 ZPO sondern auch ohne Anwaltszwang zu Protokoll der Geschäftsstelle eines beliebigen Amtsgerichts (§§ 1063 Abs. 4, 129a Abs. 1 ZPO) gestellt werden kann, entscheidet das gemäß § 1062 ZPO zuständige Oberlandesgericht3 durch Beschluss. Dieser ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären, gemäß § 1065 Abs. 1 mit der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof anfechtbar und deshalb nach § 329 Abs. 3 ZPO stets zuzustellen. Der Beschluss selbst, nicht der Schiedsspruch, ist Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO.4 5. Abgrenzung zu anderen Verfahrensarten, insbesondere zum Schiedsgutachten Die Abgrenzung des Schiedsverfahrens von den anderen in diesem Buch beschriebenen 9 Verfahren ist nicht immer einfach, angesichts der sehr divergenten Rechtsfolgen jedoch unverzichtbar.5 Dies gilt auch dann, wenn verschiedene Verfahrensarten kombiniert oder gemischt werden. Die Abgrenzung kann nur dadurch geleistet werden, dass durch Auslegung der jeweiligen Vereinbarung ermittelt wird, ob von den Parteien die spezifischen Rechtsfolgen der Schiedsgerichtsbarkeit gewollt sind, nämlich – der (dauernde) Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit für die Entscheidung eines bestimmten Rechtsstreits gemäß § 1032 ZPO und – die Begründung der Zuständigkeit einer Privatperson, diesen Rechtsstreit für die Parteien verbindlich mit den Wirkungen eines Urteils gemäß § 1055 ZPO durch einen Schiedsspruch zu entscheiden, der nur sehr eingeschränkt gemäß §§ 1059 f. ZPO einer Kontrolle staatlicher Gerichte unterliegt und der für vollstreckbar erklärt werden kann.
1 Die Rechtsprechung und ihr folgend Teile der Kommentarliteratur haben bei Einzelfragen das Vorliegen einer Vollstreckbarerklärung gefordert, s. BGH, Urt. v. 22.12.1960 – VII ZR 92/59, KTS 1961, 31 = BB 1961, 264; BayObLG, Beschl. v. 24.2.1984 – BReg. 3 Z 197/83 = BayObLGZ 1984, 45, 48 = BB 1984, 746 = MDR 1984, 494 = WM 1984, 809 (zur Eintragung aufgrund Schiedsspruchs in das Handelsregister gem. § 16 Abs. 1 HGB); Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1055 Rz. 32, § 1060 Rz. 5. Zum Problem näher Bosch, Rechtshängigkeit und Rechtskraft im Schiedsverfahren, Tübingen 1991; Loritz, ZZP 105 (1992), 1; Walter, FS Schwab, 539. 2 Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, München 2000, 134 f. m.w.N. in Fn. 764; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1041 Rz. 12; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 51. 3 Sonderregeln zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte i.S.v. § 1062 Abs. 5 ZPO sind erlassen worden vom Freistaat Bayern (§ 1 Nr. 3 VO zur Änderung der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz v. 15.6.1998 i.V.m. §§ 8, 46 GZVJu v. 16.11.2004 [BayGuVOBl. 2004, 471 ff.]), der ausschließlich das Oberlandesgericht München für zuständig erklärt hat, und von Rheinland Pfalz, das dem Oberlandesgericht Koblenz die Zuständigkeit für die Bezirke der Oberlandesgerichte Koblenz und Zweibrücken zugewiesen hat (§ 14 LandesVO über die gerichtliche Zuständigkeit und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). 4 Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1064 Rz. 3. 5 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025 Rz. 20 ff., insbesondere 58 f. zu Abgrenzungsfragen.
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Unproblematisch ist damit die Abgrenzung zu allen Verfahren, in denen der einbezogene Dritte keine Entscheidung über den Rechtsstreit trifft, sondern (nur) eine Verhandlungslösung fördert (s. Teil 3–5).1 Trifft hingegen ein Dritter eine für die Parteien verbindliche Entscheidung (s. Kap. 22, insbesondere im Schiedsgutachtenverfahren nach §§ 317–319 BGB), muss genau ermittelt werden, in welchem Umfang damit zum einen der Rechtsstreit und zum anderen die Entscheidung des Dritten der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen sein soll.2 Ein erster Anhaltspunkt ist hier der Umfang der eingeräumten Entscheidungsbefugnis, denn wenn nur Einzelaspekte, z.B. bestimmte Tatbestandsmerkmale eines Rechtsstreits, von dem Dritten verbindlich entschieden werden, so scheidet die Annahme einer Schiedsvereinbarung für den Rechtsstreit sicher aus. Es kann aber auch Schiedsgutachtern zukommen, neben tatsächlichen auch rechtliche Entscheidungen zu treffen und damit solche, die sich im Ergebnis mit einem Schiedsspruch decken.3 In diesen Fällen bleibt nur die Abgrenzung danach, welche Rechtsfolgen die Parteien in Bezug auf diese Entscheidung gewollt haben, nämlich entweder die beiden oben genannten oder stattdessen die materielle Einwirkung des Dritten auf das bestehende Rechtsverhältnis, die selbst nur gemäß oder analog § 319 BGB einer gerichtlichen Prüfung unterliegt. Die Entscheidung des Dritten hat in diesem Fall keine Urteilswirkung und kann jedenfalls nicht gemäß § 1060 ZPO für vollstreckbar erklärt werden. Vielmehr sind Rechte und Ansprüche, die durch eine solche Entscheidung begründet werden, entweder einzuklagen oder nach Beschaffung eines anderen Titels i.S.v. § 794 Abs. 1 ZPO durchzusetzen. Deshalb ist auch der Weg zu den Gerichten durch eine solche Vereinbarung nicht gemäß § 1032 ZPO versperrt, sondern höchstens vorübergehend, bis der Schiedsgutachter seine Entscheidung getroffen hat.
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Während die Vereinbarung des dauernden Ausschlusses der staatlichen Gerichtsbarkeit ein erhebliches Indiz für eine Schiedsvereinbarung ist, lässt das Fehlen einer solchen Vereinbarung leider keinen entsprechend eindeutigen Umkehrschluss zu, da das Schiedsverfahren auch fakultativ neben dem staatlichen Gerichtsverfahren vereinbart werden kann.4 Es ist Aufgabe des Kautelarjuristen, diese Abgrenzung durch seine Formulierung zu leisten, wozu die Nennung der einschlägigen Normen beiträgt.5 Dem versuchen die Muster in diesem Buch Rechnung zu tragen. 6. Generelle Motivation der Beteiligten
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In einer im Jahre 1999 veröffentlichten rechtstatsächlichen Studie, in der eine Reihe von Unternehmen in Bezug auf Schiedsgerichtsbarkeit befragt wurden, tritt eine sehr hohe Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit bei den befragten Personen zu Tage.6 Die dort ebenso wie in der sonstigen einschlägigen Literatur genannten Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit7 sind allerdings nicht in jedem Fall gleichermaßen evident. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Hauptmotivation für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung stets die Erwartung
1 Vgl. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 12, 15 f. 2 Vgl. zu angeblichen Schiedsgutachtenvereinbarungen, die als Schiedsklausel ausgelegt werden, Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28. 3 Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025 Rz. 56; zur Umdeutung einer Satzungsbestimmung, die auf einen nicht abgeschlossene Schiedsvereinbarung verweist, in eine Schiedsgutachervereinbarung OLG Hamm, Urt. v. 22.1.2001 – 8 U 66/00, NZG 2001, 652 f. 4 Vgl. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 7. 5 Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025 Rz. 24 a.E. 6 Schmidt-Diemitz, DB 1999, 369 ff. 7 Besonders eindringlich die Aufzählung von 13 Vorteilen bei Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 16–58.
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Rz. 14 Kap. 23
von Vorteilen ist, die man sich von der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber den staatlichen Gerichten verspricht.1 a) Internationalität Recht offenkundig sind diese Vorteile bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten. Hier kann 12 mit dem Schiedsgericht eine neutrale Entscheidungsinstanz berufen werden, die keiner der Rechtsordnungen besonders verbunden ist, in der eine der streitenden Parteien beheimatet ist. Freie Orts- und Sprachwahl sowie die Reduzierung von Zustellungshindernissen sind weitere Pluspunkte. Und schließlich ist der Schiedsspruch bei der internationalen Anerkennung und Vollstreckbarkeit dem staatlichen Urteil insoweit überlegen, als diese in derzeit 156 Staaten vergleichsweise einfach und effizient nach den Regeln des UNÜ2 gewährt werden. Dieser Vorteil entfällt allerdings, wenn für das staatliche Urteil die EuVTVO,3 die EuGVVO,4 das EuGVÜ5 oder das Lugano-Übereinkommen (LÜ)6 eingreifen. Vielmehr sind in diesem Fall staatliche Entscheidungen gemäß Art. 34–36 EuGVVO weniger denkbaren Einwendungen ausgesetzt als Schiedssprüche gemäß Art. V und VI UNÜ. Für den Europäischen Vollstreckungstitel entfällt gemäß Art. 5 EuVTVO sogar das Vollstreckbarerklärungsverfahren. b) Geheimhaltung Ein weiterer Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit, auf den es oft ankommt, ist die gegenüber der 13 staatlichen Gerichtsbarkeit erheblich erleichterte vollständige Geheimhaltung des Rechtsstreits im Schiedsverfahren. Die Erhaltung dieses Vorteils setzt allerdings ein kooperatives Schiedsverfahren voraus, da destruktive Parteien durchaus in der Lage sind, den Streit auch vor staatliche Gerichte zu bringen. c) Anpassung des Schiedsverfahrens an Parteibedürfnisse und Auswahl der Schiedsrichter Das liberale SchiedsVfG ermöglicht es den Parteien, sich ihr Schiedsgericht und das Schiedsverfahren maßzuschneidern, z.B. den Ort des Schiedsverfahrens festzulegen, die Sprache des Schiedsverfahrens und als Beweismittel geeigneter Dokumente vorzugeben, den Gang des Verfahrens zu vereinbaren, Parteivertretung durch andere Personen als zugelassene Rechtsanwälte zu ermöglichen und die Kosten des Schiedsverfahrens ohne Bindung an gesetzliche Gebühren festzulegen. Insoweit liegt es aber an den Parteien, diese Möglichkeit positiv zu 1 Vgl. Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 4. 2 UN-Übereinkommen v. 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1962 II, S. 121), gilt im Verhältnis zu 156 Staaten (Stand Sept. 2015) und wird von Deutschland auch im Verhältnis zu Nicht-Mitgliedsstaaten angewendet. 3 VO (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen v. 21.4.2004, für alle Mitgliedsstaaten der EG mit Ausnahme Dänemarks in Kraft seit 21.1.2005. 4 VO (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 22.12.2000, gemäß deren Art. 76 Satz 1 in Kraft seit 1.3.2002 für alle Mitgliedsstaaten der EU mit Ausnahme von Dänemark. 5 Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen v. 27.9.1968 (ABl. EG 1972 L 299; BGBl. 1972 II, 773), gemäß dessen Art. 62 in Kraft seit 1.2.1973, seit 1.3.2002 nur noch im Verhältnis zu Dänemark anwendbar. 6 Übereinkommen von Lugano v. 30.10.2007, mit Beschl. 2009/430/EG von der Europäischen Gemeinschaft genehmigt, (Vorgängerübereinkommen v. 16.9.1988 [BGBl. 1994 II, 2660]), gilt nur noch im Verhältnis zu den Staaten Schweiz, Island und Norwegen.
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Kap. 23 Rz. 15
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
nutzen und sich entsprechend zu einigen, wie überhaupt die große Flexibilität des Schiedsverfahrens Chance und Risiko für die Beteiligten zugleich ist. 15
Ein weiterer Vorteil ist sicherlich die Möglichkeit, einen Vertrauens- oder Fachmann mit besonderen Kenntnissen, z.B. technischen Kenntnissen oder besonderer Fremdsprachenkenntnis, zum Schiedsrichter zu berufen. Dies ermöglicht die kompetente Erledigung des Rechtsstreits und fördert die Akzeptanz des Schiedsspruchs auch durch den unterlegenen Teil. d) Kosten und Verfahrensdauer
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Das im Übrigen oft genannte Motiv kürzerer Verfahrensdauer und geringerer Verfahrenskosten gegenüber dem Verfahren vor den staatlichen Gerichten lässt sich nicht generell belegen.1 Bleibt das Verfahren vor staatlichen Gerichten in der ersten Instanz, dürfte es in der Regel günstiger sein als das Schiedsverfahren.2 Auch das Schiedsverfahren kann von einer destruktiven Partei gerade in der Phase der Ernennung des Schiedsgerichts nicht unerheblich verzögert werden. Zudem bedarf ein Schiedsspruch, der nicht freiwillig befolgt wird, eines nachgeschalteten staatlichen Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung. Diese zeitlichen Nachteile des Schiedsverfahrens treten aber dann zurück, wenn sich ein Rechtsstreit vor staatlichen Gerichten über mehrere Instanzen erstreckt und wenn andererseits der Schiedsspruch von der unterlegenen Partei freiwillig erfüllt wird, was ganz überwiegend der Fall sein soll.3 e) Ausdehnung der Schiedsgerichtsbarkeit über die klassischen Felder hinaus?
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Alle vorgenannten Vorteile dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Ausdehnung der Schiedsgerichtsbarkeit über die bisherigen Tätigkeitsfelder hinaus Gefahren und Probleme birgt. Das Schiedsverfahren ist weit mehr als das staatliche Verfahren auf eine Mindestkooperation der Beteiligten angewiesen. Schiedsrichter, deren Qualitäten gleich oder gar höher einzuschätzen sind als diejenigen der sonst zuständigen staatlichen Richter, sind nicht im Überfluss vorhanden und haben deshalb ihren Preis, der erst ab einer gewissen Höhe des Streitwertes seinen Sinn macht und finanzschwache Parteien schnell überfordert.4 Die Parteien und ihre Berater sollten deshalb in jedem Fall gut überlegen, ob sie ihr Rechtsverhältnis einem Schiedsgericht unterwerfen, und die möglichen Vor- und Nachteile genau abwägen. 7. Vertragliche Vereinbarungen im Zusammenhang mit Schiedsverfahren
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Im Zusammenhang mit einem Schiedsverfahren kommt es zu zahlreichen vertraglichen Vereinbarungen, die untereinander abgegrenzt werden müssen, da ihnen das Gesetz unterschiedliche Regelungen zuordnet. Außerdem sind alle Vereinbarungen von den Verträgen, die das streitige Rechtsverhältnis bestimmen, zu trennen.
1 Der ausführliche Kostenvergleich von Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4682 ff., belegt eher im Gegenteil, dass Verfahren vor den Schiedsgerichten, die nach gängigen Gebührenordnungen abgerechnet werden, deutlich höhere Kosten verursachen. 2 Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28 (31), spricht gar von der „Legende“ des kostengünstigen Schiedsverfahrens. 3 Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 51. 4 Vgl. die Warnung von Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28 (31).
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Schiedsvereinbarung
Rz. 20a Kap. 23
a) Definition der Schiedsvereinbarung § 1029 ZPO definiert den Begriff Schiedsvereinbarung als Vereinbarung der Parteien, alle 19 oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nicht vertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen (Abs. 1). Diese Vereinbarung kann gemäß Abs. 2 in der Form einer selbstständigen Vereinbarung (Schiedsabrede) oder in Form einer Klausel in einem Vertrag (Schiedsklausel) geschlossen werden. Zur Schiedsvereinbarung gehört nur dieser Inhalt,1 d.h. die genügend bestimmte Bezeichnung eines Rechtsverhältnisses2 sowie die diesbezügliche Vereinbarung, dass ein Rechtsstreit der Entscheidung eines Schiedsgerichts unterworfen wird. Jede weitere Abrede zum Schiedsverfahren ist hiervon zu trennen.3 Zum wirksamen Abschluss einer Schiedsvereinbarung ist Folgendes zu beachten: b) Auf die Vereinbarung anwendbares Recht Unabhängig davon, welche Rechtsnatur man der Schiedsvereinbarung zubilligt,4 sind Zustandekommen und Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen, wie sie in Deutschland im BGB kodifiziert sind, zu beurteilen, soweit nicht spezielle Sonderregeln der ZPO eingreifen.
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Für die internationale Anknüpfung der Schiedsvereinbarung (Schiedsvereinbarungsstatut) 20a kann aus § 1059 Abs. 2 Nr. 1a und aus Art. V Abs. 1 lit. a, 2. Var. UNÜ ein Vorrang der frei eröffneten Rechtswahl, die freilich selten explizit erfolgen dürfte, und subsidiär die Geltung des Rechts des Schiedsorts, d.h. bei deutschem Schiedsort die Geltung deutschen Sachrechts (keine Gesamtrechtsverweisung), gefolgert werden. Fehlt eine Rechtswahl und ist auch noch kein Schiedsort bestimmt, so muss entsprechend Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO (früher Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) die objektiv engste Verbindung aufgespürt werden, z.B. der gemeinsame Aufenthaltsort der Beteiligten, der Sitz der mit der Verwaltung des Schiedsverfahrens betrauten Schiedsorganisation oder ggf., bei Verträgen, auch das auf den Hauptsachevertrag anzuwendende Recht.5 1 „Zwingender Inhalt“, vgl. Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 38–43, und Wais in Schütze/Tscherning/Wais, Hdb. des Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 1990, mit Mustern; a.A. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 265, der gleichzeitige Vereinbarungen zum Verfahren auch zur Schiedsvereinbarung zählt; dass schon dieser Mindestinhalt oft nicht erfüllt oder durch unklare weitere Regelungen entwertet wird, berichtet Kröll, SchiedsVZ 2013, 185 (187 f.). Der zwingende Inhalt genügt sogar, wenn in der Klausel auf weitere Vereinbarungen verwiesen wird, die selbst nie getroffen wurden, OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.2.2012 – 17 U 72/11, MDR 2012, 996 = NJOZ 2012, 809. 2 S. hierzu näher Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1029, Rz. 69-75, 110. 3 S. schon oben Rz. 6. 4 Standardformel der Rechtsprechung war der „materiell-rechtliche Vertrag über prozessuale Beziehungen“, z.B. BGH, Urt. v. 29.2.1968 – VII ZR 102/67, BGHZ 49, 384 (386 f.); diese Doppelnatur betonen z.B. auch Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 266; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 3, und Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 180. Daneben dominiert die Einordnung als Prozessvertrag, vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 9; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 15 und auch BGH, Urt. v. 3.12.1986 – IVb ZR 80/85, BGHZ 99, 143 (147). Zur Bedeutungslosigkeit der Bestimmung der Rechtsnatur für die Beantwortung von Einzelfragen vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1029 Rz. 12 ff. 5 Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1029 Rz. 37 f. Beispielhaft für eine internationale Schiedsvereinbarung in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben OLG Hamburg, Beschl. v. 24.1.2003 – 11 Sch 06/01, SchiedsVZ 2003, 284 ff.; das OLG Hamm, Urt. v. 9.7.2013 – 21 U 16/13,
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Kap. 23 Rz. 21 21
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
Kommt deutsches Recht zur Anwendung, so gelten für den Abschluss der Vereinbarungen grundsätzlich die Regelungen des BGB zur Einigung (§§ 145 ff., 305 ff.), Willensmängeln (§§ 116 ff., 142 ff.), Stellvertretung (§§ 164 ff.) und Wirksamkeit (§§ 134, 138, 307), wobei es verschiedentlich zu einer Überlagerung mit ZPO-Vorschriften kommt.1 c) Verbraucherschutz
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Selbst eine gesonderte Schiedsabrede oder notariell beurkundete Schiedsklausel,2 die ein Unternehmer gegenüber dem Verbraucher verwendet, ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB per se unwirksam, was Nr. 1q) des Anhangs zur Klauselrichtlinie mittelbar bestätigt.3 Allerdings ist in diesem Fall eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, z.B. in Form des Schiedsorts, drohender Kosten, fehlender Deckung durch Rechtsschutzversicherung oder Zeitverzögerung, schnell gefunden, so dass hiervon grundsätzlich abzuraten ist.4 Denkbar erscheint hingegen eine fakultative Schiedsklausel, die dem Verbraucher die Wahl lässt, ob er sein Recht vor einem Schiedsgericht oder vor einem staatlichen Gericht sucht, bzw. eine nach Entstehung des Rechtsstreits getroffene Schiedsvereinbarung. d) Genehmigungspflicht
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Eine durch Vormund, Betreuer oder Pfleger i.S.v. §§ 1909 BGB getroffene Schiedsvereinbarung bedarf gemäß § 1822 Nr. 12 BGB (ggf. i.V.m. §§ 1908i BGB oder 1915 Abs. 1 BGB) der Genehmigung des Familien- oder Betreuungsgerichts, was insbesondere dann Bedeutung erlangt, wenn Eltern, deren Vertreterhandeln gemäß § 1643 Abs. 1 BGB insoweit nicht genehmigungspflichtig wäre, gemäß §§ 1795, 181 BGB von der Vertretung minderjähriger Kinder ausgeschlossen sind (s. hierzu M 26.3 mit Anm. A5 [Kap. 26 Rz. 66, 75]). Nach einer Entscheidung des OLG Hamm ist bei der Genehmigungsentscheidung auch der Inhalt des sonst genehmigungsfreien Hauptvertrags zu berücksichtigen.5 e) Objektive Schiedsfähigkeit
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§ 1030 ZPO legt fest, welche Gegenstände der Entscheidung durch ein Schiedsgericht wirksam unterstellt werden können, und definiert damit die objektive Schiedsfähigkeit. Deren Fehlen ist gemäß §§ 1059 Abs. 2 Nr. 2a), Abs. 3, 1060 Abs. 2 Sätze 1 u. 3 ZPO im Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen, es sei denn, die 3-Monats-Frist zur Stellung des Aufhebungsantrags ist abgelaufen. Diese Vor-
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SchiedsVZ 2014, 38 (42), geht vielmehr unmittelbar vom deutschen IPR, im konkreten Fall den Artt. 27 ff. EGBGB aus, was i.d.R. zum gleichen Ergebnis führt. Vgl. zum Ganzen überzeugend Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1029 Rz. 17-26. Schiedsklauseln in sonstiger Form können der Vorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO nicht genügen. BGH, Urt. v. 13.1.2005 – III ZR 265/03, MDR 2005, 706 = NJW 2005, 1125; vgl. Wurmnest in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2016, § 307 Rz. 262; Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 307 Rz. 129, § 310 Rz. 46. Eingehend gegen eine solche Verwendung Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 257–261; eine ausführliche Inhaltskontrolle einzelner Klauseln leisten Hanefeld/Wittinghofer, SchiedsVZ 2005, 217 (223 ff.), und Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 553-581. Keine Bedenken gegen Verwendung in allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Unternehmern hat das OLG Hamm, Urt. v. 9.7.2013 – 21 U 16/13, SchiedsVZ 2014, 38 (44). OLG Hamm, Beschl. v. 10.7.2000 – 15 W 229/00, FamRZ 2001, 373 = BtPrax 2000, 261 = FGPrax 2000, 228.
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Schiedsvereinbarung
Rz. 27 Kap. 23
schrift gilt auch bei internationalen Sachverhalten immer dann zwingend, wenn der Schiedsort in Deutschland liegt, § 1025 Abs. 1 ZPO. Objektiv schiedsfähig sind grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Ansprüche und da- 25 rüber hinaus auch nicht vermögensrechtliche Ansprüche, über die von den Parteien ein Vergleich geschlossen werden kann. Dies eröffnet einen weiten Anwendungsbereich für Schiedsverfahren, da letztlich nur Statusverfahren wie Scheidung, Eheaufhebungs- und -feststellungsklage, Abstammungs-, Sorge- und Umgangsrechtsverfahren als sicher nicht vergleichsfähige und nicht vermögensrechtliche Streitgegenstände verbleiben. Bedeutsame punktuelle Einschränkungen erfährt diese Grundregel nur durch die Ausschlusstatbestände des § 1030 Abs. 2 und 3 ZPO, wonach Rechtsstreitigkeiten, die den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum im Inland betreffen, nicht schiedsfähig sind und spezialgesetzliche Vorgaben für Schiedsverfahren zu beachten sind. Letztere betreffen insbesondere Bank- und Börsenschiedsgerichte, §§ 53 Abs. 3 KWG, 28, 53, 61 BörsG, 37 WpHG, Arbeitsstreitigkeiten zwischen Tarifpartnern, Art. 101 Abs. 1 ArbGG sowie Streitigkeiten um Patente und Zwangslizenzen, § 81 PatG. Die gesetzliche Begründung einer ausschließlichen gerichtlichen Zuständigkeit ist für sich 26 genommen hingegen nie ein Hindernis eines Schiedsverfahrens und schon gar nicht ein Fall der fehlenden objektiven Schiedsfähigkeit, doch gibt es andere Vorschriften, durch die die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung stark reduziert wird, wie z.B. die zwingende Anordnung des Scheidungsverbunds gemäß § 623 ZPO1 oder die von § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG angeordnete Wirkung inter omnes von Entscheidungen über Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen, die ein Schiedsspruch als Entscheidung inter partes gemäß § 1055 ZPO nicht ohne weiteres entfalten kann.2 f) Subjektive Schiedsfähigkeit Neben der gesetzlich definierten objektiven Schiedsfähigkeit hat sich in Literatur und Rechtsprechung der nicht normierte Begriff3 der subjektiven Schiedsfähigkeit herausgebildet. Als Pendant zur Prozessfähigkeit des § 52 ZPO steht er für die Frage, welche Voraussetzungen eine Person erfüllen muss, um selbst eine Schiedsvereinbarung wirksam abschließen zu können. Gefordert werden Rechts- und Geschäftsfähigkeit (§§ 1, 104 ff. BGB, 124 HGB),4 in internationalen Fällen bestimmt durch das jeweils maßgebliche Personalstatut entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 1, 5 EGBGB.5 Aus der Rechtsprechung des BGH6 ist die Schiedsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu folgern.7
1 Ob diese Vorschrift die Einrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO verdrängt, verdient allerdings für die objektiv schiedsfähigen Folgesachen, insbesondere den nachehelichen Unterhalt, eine nähere Erörterung. Für einen Vorrang des Scheidungsverbunds Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1030 Rz. 18. 2 Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1030 Rz. 35-39; näher hierzu unten, Kap. 26 Rz. 4 f. 3 § 1059 Abs. 2 Nr. 1a) formuliert dies wie folgt: „… eine der Parteien, die eine Schiedsvereinbarung … geschlossen haben, nach dem Recht, das für sie persönlich maßgebend ist, hierzu nicht fähig war, …“ (Hervorhebung vom Verfasser). 4 Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 210; zusätzlich wird Prozessfähigkeit gefordert von Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 5; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 4 Rz. 4. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 19. 5 Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 23. 6 BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = MDR 2001, 459. 7 Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 5; ausführlich zu den Konsequenzen Wiegand, SchiedsVZ 2003, 52 ff.
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Kap. 23 Rz. 28
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
g) Formfragen aa) Regelung des § 1031 ZPO 28
Die bei Abschluss einer Schiedsvereinbarung zu beachtende Form hängt davon ab, ob an der Vereinbarung ein Verbraucher beteiligt ist (dann § 1031 Abs. 5 und 6 ZPO) oder nicht (dann § 1031 Abs. 1–4 und 6 ZPO).
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Verbraucher können eine wirksame Schiedsvereinbarung nur abschließen durch eine von allen Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnete Urkunde, die ausschließlich Vereinbarungen enthält, die das Schiedsverfahren betreffen. Rechtsprechung und Literatur sehen Letzteres auch dann als gewahrt an, wenn die Schiedsvereinbarung zwar mit sonstigen Bestimmungen auf demselben Blatt steht, jedoch räumlich abgesetzt und gesondert unterschrieben ist.1 Für die elektronische Form des § 126a BGB, die vorstehende Schriftform gemäß § 1031 Abs. 5 Satz 2 ersetzt, bedeutet dies, dass der Schiedsvereinbarung und eventuellen diesbezüglichen weiteren Vereinbarungen in gleich lautenden Dokumenten, die keine sonstigen Vereinbarungen enthalten, von jeder Partei ihr Name und die qualifizierte Signatur nach dem Signaturgesetz beigefügt werden müssen, wobei ein von allen Parteien derart gekennzeichnetes Dokument genügt.2 Liegt ein solches nicht vor, muss jede Partei gleich lautende elektronisch signierte Dokumente aller anderen Parteien erhalten.
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Eine notarielle Beurkundung der Schiedsvereinbarung ersetzt nicht nur gemäß § 126 Abs. 3 BGB die Schriftform, sondern erlaubt zugleich, die Schiedsvereinbarung mit sonstigen Vereinbarungen, insbesondere dem Hauptvertrag, ungetrennt in eine Urkunde aufzunehmen, § 1031 Abs. 5 Satz 3 2. Halbs. ZPO.
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Ist kein Verbraucher beteiligt, genügt gemäß § 1031 Abs. 1 hingegen eine dem deutschen Recht bisher unbekannte abgeschwächte „Schriftform“, definiert als jede Form der Nachrichtenübermittlung, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellt und damit eigentlich nur die rein mündliche Abrede ausschließt. Dem genügt jedenfalls auch die Kommunikation durch E-Mail.3 Diese Vorgabe wird in den Absätzen 2–4 konkretisiert für besondere Arten des Zustandekommens von Vereinbarungen aufgrund Verkehrssitte, Bezugnahme auf Schriftstücke oder Begebung von Konnossementen.4
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Mangelt es der Schiedsvereinbarung an der vorgeschriebenen Form, so entfaltet sie keine Wirkung, d.h. sie führt nicht zum Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO, beschränkt die Kompetenz eines dennoch konstituierten Schiedsgerichts darauf, (negativ) über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu entscheiden und begründet andernfalls die Aufhebung eines dennoch ergangenen Schiedsspruchs gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1a) ZPO. Gemäß § 1031 Abs. 6 ZPO wird jeder Formmangel allerdings durch rügelose Einlassung auf die schiedsrichterliche Verhandlung zur Hauptsache – nicht aber durch Erhebung der Schiedseinrede des § 1032 Abs. 1 ZPO oder Mitwirkung bei der Schiedsrichter-
1 Vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1031 Rz. 11; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1031 Rz. 59. 2 Vgl. Einsele in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2015, § 126a Rz. 26; Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 126a Rz. 10. 3 Vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1031 Rz. 4 m.w.N.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 5 Rz. 4; a.A. scheinbar Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 55 f., nach dem stets eine Unterschrift i.S.v. § 126 BGB erforderlich ist. 4 Wirksam ist eine Schiedsvereinbarung durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben, Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 25.1.2008 – 6 Sch 07/07, SchiedsVZ 2009, 71 (72).
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Schiedsvereinbarung
Rz. 33 Kap. 23
bestellung1 – auch dann geheilt, wenn sich die Parteien dieser Wirkung nicht bewusst sind.2 bb) Eigenständigkeit des § 1031 ZPO Die Form der Schiedsvereinbarung richtet sich allein nach § 1031 ZPO. Strengere Form- 32 vorschriften des Hauptvertrags, insbesondere z.B. die notarielle Beurkundung gemäß §§ 311b BGB, 15 GmbHG, erfassen die Schiedsvereinbarung nicht, da § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO insoweit die Regelung des § 139 BGB verdrängt.3 Die Form des Hauptvertrags richtet sich allein nach den für diesen Vertrag gültigen Bestimmungen, z.B. §§ 311b, 518, 766, 1410, 2276 Abs. 1, 2371 BGB, 2, 15 GmbHG. Eine Ungültigkeit des Schiedsvertrags dürfte die Gültigkeit des Hauptvertrags analog § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.d.R. ebenfalls nicht berühren. Diese für die Schiedsvereinbarung aufgestellte Selbstständigkeitsregel wird man auf die an sich formfreie Verfahrensvereinbarung jedenfalls dann ausdehnen können, wenn sie gemeinsam mit der Schiedsvereinbarung unter Beachtung der Form des § 1031 ZPO getroffen wird. cc) Schiedsklausel als Teil eines formbedürftigen Hauptvertrags Möglich ist es aber im Einzelfall, dass es für die Gültigkeit des Hauptvertrags erforderlich 33 ist, die Schiedsklausel in der Form des Hauptvertrags zu dessen Teil zu machen.4 Dies bestimmt sich allein nach der Reichweite der für den Hauptvertrag geltenden Formvorschrift und damit z.B. gemäß §§ 311b BGB, 15 GmbHG nach dem Willen der Parteien, der entscheidet, welche Regelungen mit der originär beurkundungsbedürftigen Regelung in einem so engen Zusammenhang stehen, dass diese miteinander „stehen und fallen“.5 Dies ist dann der Fall, wenn das beurkundungsbedürftige Rechtsgeschäft von dem an sich nicht beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäft (hier von der Schiedsvereinbarung) abhängt.6 Sollte in einem solchen Fall die Schiedsklausel samt etwaiger Verfahrensvereinbarungen nicht mitbeurkundet worden sein, so wird das aufgrund wirksamer Schiedsvereinbarung entscheidungsbefugte Schiedsgericht im Schiedsverfahren die Unwirksamkeit des Hauptvertrags gemäß § 125 Satz 1 BGB feststellen und in der Hauptsache demgemäß entscheiden. Das Problem stellt sich naturgemäß nicht, wenn erst nach Abschluss des vollständigen Hauptvertrags und ohne Zusammenhang mit dessen Abschluss später eine Schiedsabrede i.S.v. 1 Vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1031 Rz. 13. 2 BGH, Urt. v. 22.5.1967 – VII ZR 188/64, BGHZ 48, 35 (45); Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1031 Rz. 13. 3 Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1031 Rz. 11 f. 4 Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1031 Rz. 11; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1031 Rz. 10; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 264; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1031 Rz. 48; vermutlich a.A. BGH, Urt. v. 22.9.1977 – III ZR 144/76, BGHZ 69, 260 ff. = NJW 1978, 212 (213), allerdings obiter dictum, da nur die Wirksamkeit des Schiedsvertrags selbst gemäß § 1027 Abs. 1 ZPO zu entscheiden war. 5 Vgl. Kanzleiter in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2016, § 311b Rz. 54 f.; Seibt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 15 Rz. 66 f. 6 Vgl. ausführlich zur Beurkundungsbedürftigkeit zusammengesetzter Grundstücksgeschäfte Seeger, MittBayNot 2003, 11 ff., aus Anlass von BGH, Urt. v. 13.6.2002 – VII ZR 321/00, BB 2002, 1564 = MDR 2002, 1187 = MittBayNot 2003, 46 ff., wobei der Beitrag wie die Entscheidung nur das Problem zusammengesetzter materieller Rechtsgeschäfte betreffen. Der maßgebliche Gesichtspunkt des „Verknüpfungswillens“ gilt aber in Bezug auf eine Schiedsvereinbarung in identischer Weise. Nur wird man bezüglich einer Schiedsvereinbarung seltener einen Verknüpfungswillen feststellen können als bezüglich materieller Abreden, die das Vertragsobjekt betreffen. Gegen jede Beurkundungspflicht Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28 (33).
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Kap. 23 Rz. 34
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
§ 1029 Abs. 2 1. Alt. abgeschlossen wird. Der zeitlichen Nähe der Vereinbarungen wird man wohl indizielle Bedeutung für einen Verknüpfungswillen beimessen dürfen. 34
Vorstehendes gilt ohne Einschränkung auch für die Einbeziehung sonstiger im Zusammenhang mit einem Schiedsverfahren zu treffender Vereinbarungen, insbesondere der Verfahrensvereinbarungen i.S.v. § 1042 Abs. 3 ZPO.1 Sollen nach dem Willen der Vertragsteile die Rechte und Pflichten aus dem beurkundungsbedürftigen Hauptvertrag mit der gleichzeitigen Vereinbarung dieser Nebenabreden stehen oder fallen, so müssen diese gemeinsam mit dem Hauptvertrag beurkundet werden, damit dieser wirksam ist. Hier stellt sich dann das Folgeproblem, inwieweit es möglich ist, anderswo veröffentliche Schiedsordnungen durch Verweis auf diese in die Urkunde einzubeziehen. Wenn nach dem Willen der Beteiligten die Geltung bestimmter Verfahrensnormen entscheidend ist, kann von deren Aufnahme in die Niederschrift nur abgesehen werden, wenn eine förmliche Verweisung gemäß § 13a Abs. 1–3 BeurkG erfolgt. Kommt es den Beteiligten hingegen nicht auf die Geltung bestimmter Normen an, sondern auf eine Durchführung des Schiedsverfahrens nach den Regeln, die zum Zeitpunkt des Rechtsstreits für die Schiedsrichter „aktuell“ sind, so ist eine Aufnahme bestimmter Verfahrensnormen nicht denkbar, sondern es muss nur dieser Wille zum Vertragsinhalt gemacht werden. In diesem Sinne werden in der Regel Schiedsklauseln zu verstehen sein, durch die sich die Beteiligten zu von privaten Schiedsorganisationen administrierten Schiedsverfahren verpflichten oder auf die Schiedsordnung einer solchen Schiedsorganisation verweisen.2 Dieses Verständnis entspricht der Regelung des Art. 4 § 1 SchiedsVfG betreffend den zeitlichen Anwendungsbereich des neuen Gesetzes, die den Beteiligten alter Schiedsvereinbarungen in allen Fällen, in denen noch kein Schiedsverfahren begonnen wurde, die Geltung der neuen Vorschriften vorschreibt. Hingegen wird man nicht davon ausgehen können, dass es sich bei solchen Schiedsordnungen um allgemein bekannte und in zugänglicher Form publizierte Regelungswerke wie DIN-Normen handelt, die außerhalb des Beurkundungsverfahrens in Bezug genommen werden können.3 8. Verfahrensvereinbarungen a) Inhalt sonstiger Vereinbarungen, die das Schiedsverfahren betreffen
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Folgt man der Ordnung des Gesetzes, so können Vereinbarungen4 betreffen: – die Bildung des Schiedsgerichts5 (Zahl der Schiedsrichter, § 1034 Abs. 1 Satz 1 ZPO; Verfahren zur Schiedsrichterbestellung, § 1035 Abs. 1, 2, 4 a.E. ZPO; Voraussetzungen, 1 Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1031 Rz. 10; gegen jede Beurkundungspflicht Broichmann/ Matthäus, SchiedsVZ 2008, 274 (277 f.). 2 Vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1985 – III ZR 180/84, WM 1986, 688 (680); OLG München, Beschl. v. 10.9.2013 – 34 SchH 10/13, SchiedsVZ 2013, 287 (291); Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1042 Rz. 90; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1043 Rz. 33; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 625–629; a.A. in einem Sonderfall OLG Hamburg, Urt. v. 29.9.1982 – 6 U 4/81, KTS 1983, 499 (503); Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1042 Rz. 25; Kindler, NZG 2014, 961 (966 f.). 3 Vgl. Limmer in Eylmann/Vaasen, 3. Aufl. 2011, BeurkG, § 9 Rz. 16 a.E. 4 Vgl. allgemein zum Schiedsverfahrensrecht und Abgrenzungsfragen insbesondere aus der Sicht des schweizerischen Rechts Karrer, FS Geimer, 383 ff. 5 Auch dieser Teil ist Verfahrensvereinbarung, nicht etwa Schiedsvereinbarung, vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1034 Rz. 2, obwohl dies auch anders gesehen wird, vgl. zur Form der Vereinbarung z.B. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1034 Rz. 4 mit Fn. 9. § 1034 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist insoweit terminologisch unzutreffend. Sind diesbezügliche Vereinbarungen unwirksam, führt dies im Zweifel nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1034 Rz. 13.
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Schiedsvereinbarung
Rz. 38 Kap. 23
die ein Schiedsrichter zu erfüllen hat, § 1036 Abs. 2 Satz 1 letzte Var. ZPO; Verfahren für die Ablehnung eines Schiedsrichters, § 1037 Abs. 1; Einigung über Beendigung eines Schiedsrichteramts, §§ 1038 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, 1039 Abs. 1 Satz 1 Letzte Var. ZPO; Vereinbarung zu Ersatzschiedsrichtern, § 1039 Abs. 2 ZPO); – die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (betreffend Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und der Entscheidung über Schadensersatz im Zusammenhang mit solchen Maßnahmen, § 1041 Abs. 1 u. 4 Satz 2; möglicherweise auch Einschränkung der Kompetenz, über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden, § 1040 Abs. 1 ZPO);1 – die Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß der Grundregel des § 1042 Abs. 3 ZPO; dazu gehören so bedeutende Vereinbarungen wie z.B. die Festlegung des Orts des Schiedsverfahrens und der Verfahrenssprache; – die Entscheidungsfindung des Schiedsgerichts und die Beendigung des Verfahrens (Bestimmung des anwendbaren Rechts und Ermächtigung zur Billigkeitsentscheidung, § 1051 Abs. 1 u. 3 ZPO; Entscheidungsfindung durch mehrere Schiedsrichter, § 1052 Abs. 1 u. 2 ZPO und Ermächtigung des Vorsitzenden zu Verfahrensentscheidungen, Abs. 3; Begründungspflicht, § 1054 Abs. 2 ZPO; Beendigung des Verfahrens, § 1056 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; Kostenentscheidung, § 1057 Abs. 1 Satz 1 ZPO; Frist zur Berichtigung, Auslegung oder Ergänzung des Schiedsspruchs, § 1058 Abs. 2 ZPO). b) Zustandekommen und Wirksamkeit In Bezug auf das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Verfahrensvereinbarung gilt grundsätzlich das zur Schiedsvereinbarung Gesagte mit folgenden Ergänzungen und Modifikationen:
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Für die Vereinbarung selbst gilt die Formvorschrift des § 1031 ZPO nicht, sie ist also man- 37 gels sonst einschlägiger Normen grundsätzlich2 formfrei möglich.3 Sie bedarf auch nach Beginn des Schiedsverfahrens keiner Zustimmung der Schiedsrichter, doch können nachträgliche Änderungen diese zur Kündigung des Schiedsrichtervertrags berechtigten.4 Das SchiedsVfG enthält diesbezüglich kein Kollisionsrecht, § 1059 Abs. 2 Nr. 1a) ZPO be- 38 trifft nur die Schiedsvereinbarung. Schiedsvereinbarung und Verfahrensvereinbarung unterliegen auch nicht notwendig derselben staatlichen Rechtsordnung.5 Über die Zulässigkeit von Verfahrensvereinbarungen entscheidet allein das 10. Buch der ZPO, nämlich dadurch, ob es Regelungen zwingender oder dispositiver Art trifft.6 Ansonsten gilt vorrangig das von den Parteien allerdings selten explizit hierfür gewählte Recht, bei fehlender Rechtswahl
1 Die Begründung einer abschließenden Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts, wie diese für das alte Recht für zulässig gehalten wurde, ist jedoch nicht zulässig, § 1040 ZPO ist insoweit vielmehr zwingend, BGH, Beschl. v. 13.1.2005 – III ZR 265/03, MDR 2005, 706 = NJW 2005, 1125 f.; vgl. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 691-694; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1040 Rz. 47, 51-53; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 6 Rz. 9 a.E.; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1040 Rz. 1. 2 Formbedürftigkeit kann sich aber ergeben, wenn die Verfahrensvereinbarung notwendiger Teil einer anderen Vereinbarung sein soll, die ihrerseits z.B. gemäß §§ 311b BGB, 15 GmbHG zwingend formbedürftig ist, s.o. Rz. 33–34. 3 Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1031 Rz. 15. 4 Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1042 Rz. 33; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1042 Rz. 22. 5 Vgl. Österr. OGH, Urt. v. 9.9.1987, IPRax 1989, 302, m. Anm. Heller, a.a.O., 315 f.; Basedow, JPS Bd. 1 (1987), 3 (13); Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1025 Rz. 9. 6 Hervorragende Übersicht hierzu bei Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1042 Rz. 6-18.
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Kap. 23 Rz. 39
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
Art. 3 ff. Rom I-VO1 (früher Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) entsprechend, was zumindest dann, wenn man den Schiedsort für ein Indiz enger Verbindung hält,2 zu einem Gleichklang mit dem Schiedsvereinbarungsstatut führt. 39
Ein Verstoß des Schiedsgerichts gegen wirksam gewähltes Verfahrensrecht ist Grund für die Aufhebung eines Schiedsspruchs gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1d) 2. Alt. ZPO, wenn anzunehmen ist, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat, wenn nicht die Geltendmachung des Mangels gemäß § 1027 ZPO oder aufgrund Sondervorschriften bereits präkludiert ist.3 9. Mehrparteienverfahren
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Grundlage des Schiedsverfahrens ist die Schiedsvereinbarung. Folglich sind auch nur solche Personen berechtigt und verpflichtet, an einem Schiedsverfahren teilzunehmen, die miteinander eine Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 ZPO abgeschlossen haben,4 einer Schiedsverfügung gemäß § 1066 ZPO unterworfen sind oder sich gemäß § 1040 Abs. 2 ZPO auf das Schiedsverfahren eingelassen haben. Auch die Schiedsrichter sind nur zur Durchführung eines Schiedsverfahrens in Bezug auf das Rechtsverhältnis und die Parteien verantwortlich, welche bei ihrer Bestellung und im Schiedsrichtervertrag vereinbart sind.5 Die Vorschriften der Hauptintervention (§§ 64 f. ZPO), Nebenintervention (§§ 66 ff. ZPO) und Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO)6 sind deshalb in Schiedsverfahren nicht unmittelbar anzuwenden,7 was jedoch nicht ausschließt, diese Rechtsfolgen durch Vereinbarung aller Parteien – d.h. auch des betroffenen Dritten8 – mit allen Schiedsrichtern – ggf. auch durch eine entsprechende Regelung in der Schiedsordnung9 – herbeizuführen. Auch eine Verbindung mehrerer Schiedsverfahren ist nur im Einverständnis aller Beteiligten (Parteien und Schiedsrichter) zulässig.10 Eine einfache Streitgenossenschaft i.S.v. §§ 59–61 ZPO ist wegen der Einzelwirkung des § 61 ZPO für das Schiedsverfahren unproblematisch, wobei natürlich nur solche Parteien Streitgenossen in einem Schiedsverfahren sein können, die aus den vorgenannten Gründen dem Schiedsverfahren unterworfen sind.11 Besteht eine notwendige Streitgenossenschaft i.S.v. 1 VO (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I). 2 BGH, Urt. v. 8.6.2010 – XI ZR 349/08, MDR 2010, 1384 = SchiedsVZ 2011, 46 (48 f.); Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1042 Rz. 32; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1025 Rz. 10. 3 Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1059 Rz. 30-37. 4 Vgl. Schlosser, FS Geimer, 2002, 947 (953 ff.); dies kann auch durch einvernehmlichen Beitritt in ein laufendes Schiedsverfahren erfolgen, vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1029, Rz. 44. 5 Vgl. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 2811 ff.; teilw. abweichend vgl. Schlosser, FS Geimer, 2002, 947 (955 f.); Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1042 Rz. 95. 6 Nach zahlreich vertretener Meinung soll die Streitverkündung auch an einen nicht schiedsunterworfenen Dritten gemäß/analog § 204 Nr. 6 ZPO die Verjährung hemmen, vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1042 Rz. 11; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 16 Rz. 19. Mir leuchtet das nicht ein. 7 Vgl. Elsing, SchiedsVZ 2004, 88 (91); Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 2826-2833; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1029 Rz. 55 ff.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 16 Rz. 18 f.; weitergehend Markfort, Mehrparteien-Schiedsgerichtsbarkeit, 60 ff. 8 Elsing, SchiedsVZ 2004, 88 (92), mit Formulierungsvorschlag für die Einbeziehung des Dritten, 93. 9 S. hierzu Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 16 Rz. 20; vgl. zur Zulässigkeit aufgrund zumindest stillschweigender Zustimmung OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.7.2002 – 1 Sch 8/02, SchiedsVZ 2003, 84 (86). 10 Vgl. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 2834-2837. 11 Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1042 Rz. 10; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 151.
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M 23.1
Schiedsvereinbarung
Rz. 42 Kap. 23
§ 62 ZPO, so ist ein Schiedsverfahren nur zulässig, wenn alle notwendigen Streitgenossen dem Schiedsverfahren unterworfen sind.1 Zulässig, aber nicht klagweise als Primäranspruch durchsetzbar, ist die vertragliche Ver- 40a pflichtung, mit dritten Personen, z.B. Subunternehmern, die Einbeziehung in die Schiedsvereinbarung zu vereinbaren.2 Sind mehrere Personen auf der Seite des Klägers und/oder des Beklagten am Schiedsverfah- 41 ren bzw. am streitigen Rechtsverhältnis beteiligt, so bedeutet dies noch lange nicht, dass diese in allen Punkten gleiche Interessen verfolgen oder sich gleich verhalten. Dies hat Auswirkungen auf das Verfahren zur Besetzung des Schiedsgerichts, das keinen Beteiligten benachteiligen darf3 und auf die Gewährung rechtlichen Gehörs, die möglicherweise auch solchen Dritten gegenüber zu erfolgen hat, die nicht formell am Schiedsverfahren beteiligt sind. Diese Probleme, die sich insbesondere bei Beschlussmängelstreitigkeiten im Vereins- und Gesellschaftsrecht stellen, müssen durch passende Verfahrensvereinbarungen gelöst werden (vgl. hierzu unten Kap. 26 Rz. 6 und M 26.1 [Kap. 26 Rz. 14] Anlage II §§ 2 u. 3).
II. Muster M 23.1 Ad-hoc-Schiedsvereinbarung anlässlich einer bestimmten Streitigkeit aus einem zu einem früheren Zeitpunkt geschlossenen Vertrag Ausführlicher Schiedsvertrag A-GmbH (genaue Bezeichnung) – A-Partei – und B (genaue Bezeichnung) – B-Partei – schließen bezüglich der in § 1 näher bezeichneten Streitigkeit folgende Vereinbarung: I. Schiedsvereinbarung §1 Streitiges RechtsverhältnisA1 Sachverhalt 1 (konkreter streitiger Anspruch):A2 A-GmbH und B haben am … einen Vertrag über den Bau eines Supermarktgebäudes geschlossen, in dem sich A-GmbH gegenüber B verpflichtet hat, auf dessen Grundstück das Gebäude samt Außenanlagen, insbesondere Parkplatzbereich, nach den Plänen des von B beauftragten C
1 Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1029 Rz. 67, Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 9, Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 43; teilweise a.A. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 7 Rz. 27 u. Kap. 16 Rz. 16 f.; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rz. 99. 2 So z.B. Ziff. IV. der Schlichtungs- und Schiedsgerichtsvereinbarung SOBau, vgl. hierzu unten Rz. 178 und Kap. 9. 3 Vgl. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 2846 ff. (für Beschlussmängelstreitigkeiten); Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rz. 27; ausführlich zu den verschiedenen Lösungsmöglichkeiten und den damit verbundenen Problemen Markfort, Mehrparteien-Schiedsgerichtsbarkeit, 92 ff. u. 97 ff.
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Kap. 23 Rz. 42
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.1
bis zum 31.8.2014 vollständig herzustellen und zu übergeben. Als Gegenleistung wurde ein Gesamtpreis von 1 887 000 Euro zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Der Kaufpreis wurde bis heute nicht bezahlt. A-GmbH verlangt von B Zahlung des gesamten Kaufpreises zuzüglich Zinsen i.H.v. 8 % jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dieser Summe seit dem 2.10.2014. Sachverhalt 2 (Konfliktsituation, in der noch kein konkreter Anspruch geltend gemacht wird):A3 A-GmbH und B haben am … einen Vertrag über den Bau eines Supermarktgebäudes geschlossen, in dem sich A-GmbH gegenüber B verpflichtet hat, auf dessen Grundstück das Gebäude samt Außenanlagen, insbesondere Parkplatzbereich, nach den Plänen des von B beauftragten C bis zum 31.8.2014 vollständig herzustellen und zu übergeben. Als Gegenleistung wurde ein Gesamtpreis von 1 887 000 Euro zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Bei den Aufgrabungsarbeiten stießen Arbeiter der A-GmbH auf festes Mauerwerk von möglicherweise historischer Bedeutung. Das Landratsamt ordnete daraufhin den Stopp der Baustelle an, um wissenschaftliche Untersuchungen zu ermöglichen. Die Baustelle ruht seitdem. §2 Schiedsvereinbarung Zu Sachverhalt 1: Über die vorgenannte Streitigkeit entscheidet ausschließlich ein Schiedsgericht. Zu Sachverhalt 2: Über Streitigkeiten aus dem vorbezeichneten Rechtsverhältnis einschließlich der Wirksamkeit des Vertrags, eventueller Streitigkeiten aus diesbezüglichen Schuldverhältnissen i.S.v. § 311 Abs. 2 und 3 BGB und einschließlich hiermit zusammenhängender deliktischer Streitigkeiten entscheidet ausschließlich ein Schiedsgericht.A4 Zu Sachverhalt 1 und 2: Das Schiedsgericht entscheidet die Streitigkeit umfassend. Variante 1: Soweit eine Partei gegen Ansprüche aus dem streitigen Rechtsverhältnis mit Forderungen aufrechnet, die diesem Rechtsverhältnis nicht zuzurechnen sind, entscheidet das Schiedsgericht im Umfang der Aufrechnung auch über solche Ansprüche, wenn sie ihren Grund in vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten haben, die bis heute entstanden sind.A5 Variante 2: Das Schiedsgericht ist nicht befugt, über aufgerechnete Gegenforderungen zu entscheiden, die diesem Rechtsverhältnis nicht zuzurechnen sind, es sei denn, die Gegenforderung ist zwischen den Parteien unstreitig oder über die Gegenforderung wurde bereits anderweitig rechtskräftig entschieden.A6 II. Bildung des Schiedsgerichts §3 Zusammensetzung des Schiedsgerichts Variante 1: Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern.A7 Variante 2: Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern, soweit nicht die Parteien Abweichendes vereinbaren oder aufgrund der nachfolgenden Vorschriften nur ein Einzelschiedsrichter bestellt wird.A8
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M 23.1
Schiedsvereinbarung
Rz. 42 Kap. 23
§4 BestellungA9 der Schiedsrichter (1) Variante 1: Zum Schiedsrichter bestellt A-Partei Herrn Rechtsanwalt …, B-Partei Herrn Rechtsanwalt … Beide Parteien versichern, dass die jeweils benannten Schiedsrichter bereit sind, das Amt anzunehmen, und dass ihnen keine Umstände bekannt sind, die zur Ablehnung des von ihnen jeweils benannten Schiedsrichters berechtigen. Diese beiden Schiedsrichter bestellen innerhalb von einem Monat ab heute den dritten Schiedsrichter, der als Vorsitzender des Schiedsgerichts tätig wird. Variante 2: Jede Partei bestellt bis zum … einen Schiedsrichter und teilt die Bestellung der anderen Partei mit.A10 Diese beiden Schiedsrichter bestellen innerhalb von vierzehn Tagen nach Zugang der letzten Mitteilung den dritten Schiedsrichter, der als Vorsitzender des Schiedsgerichts tätig wird. Variante 3: Jede Partei bestellt bis spätestens einen Monat nach Beginn des Schiedsverfahrens einen Schiedsrichter und teilt die Bestellung der anderen Partei mit. Diese beiden Schiedsrichter bestellen innerhalb von einem Monat nach Zugang der letzten Mitteilung den dritten Schiedsrichter, der als Vorsitzender des Schiedsgerichts tätig wird. Variante 4 (wie Variante 2 oder 3 mit folgender Ergänzung): Der jeweilige Besteller trägt der als Schiedsrichter ausgewählten Person durch schriftliche Erklärung/Erklärung in Textform das Amt an. Der Erklärung ist eine Kopie dieser Schiedsvereinbarung samt Anlage (Schiedsrichtervertrag) beizufügen. In der Erklärung ist der Schiedsrichter aufzufordern, mit der Annahme des Amtes – alle Umstände offen zu legen, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken könnten oder die aus anderen Gründen zur Ablehnung des Schiedsrichters gemäß § 6 dieses Schiedsvertrages berechtigen; liegen keine solchen Umstände vor, so ist dies zu erklären; – sein Einverständnis mit der Schiedsvereinbarung zu erklären; – sich zum Abschluss des Schiedsvertrages zu verpflichten. Die Obliegenheit zur Bestellung ist erst erfüllt, wenn der Schiedsrichter die Annahme in der vorstehenden Form schriftlich/in Textform erklärt hat, eine Partei ihre Bestellung der anderen Partei schriftlich/in Textform mitgeteilt hat und der anderen Partei bzw. bei Bestellung des Vorsitzenden beiden Parteien Antrag und Annahme durch (beglaubigte) Abschrift/in Textform nachgewiesen sind.A11 (2) Kann ein durch eine Partei bestellter Schiedsrichter das Amt nicht antreten oder fällt er nachträglich weg, so hat die Partei innerhalb von vierzehn Tagen nach entsprechender Aufforderung der Gegenpartei einen neuen Schiedsrichter zu bestellen.A12 Variante 1: Hat eine Partei ihren Schiedsrichter nicht fristgemäß bestellt oder übernimmt der bestellte Schiedsrichter ohne Grund sein Amt nicht, so wird dieser Schiedsrichter auf Antrag der Gegenpartei durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts … (Ort) bestellt.A13 Der nachträgliche Wegfall eines Schiedsrichters berührt die durch ihn erfolgte Bestellung des Vorsitzenden nicht.A14 Variante 2 (nach Rechtspr. zum alten Recht zweifelhaft!): Hat eine Partei ihren Schiedsrichter nicht fristgemäß bestellt oder übernimmt der bestellte Schiedsrichter ohne Grund sein Amt nicht, so entscheidet der von der anderen Partei bestellte Schiedsrichter als Einzelschiedsrichter, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, die für den Vorsitzenden vorgeschrieben sind und nicht das Amt des Einzelschiedsrichters ablehnt.A15
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Kap. 23 Rz. 42
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.1
Kommt es hierdurch nicht zur wirksamen Bestellung eines Einzelschiedsrichters, so ist jede Partei berechtigt, die Bestellung eines Einzelschiedsrichters durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts … (Ort) bei Gericht zu beantragen. (3) (Nur bei Variante 1) Kann der Vorsitzende sein Amt nicht antreten oder fällt er nachträglich weg, so verständigen sich die Schiedsrichter innerhalb von vierzehn Tagen auf einen neuen Vorsitzenden. Erfolgt keine Einigung, wird der Vorsitzende auf Antrag eines Beteiligten oder eines Schiedsrichters durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts … (Ort) bestellt. (4) (Nur bei Variante 1) Sobald das Schiedsgericht vollständig bestellt ist, hat der Vorsitzende des Schiedsgerichts dies den Parteien mitzuteilen. Die Ablehnung eines oder mehrerer Schiedsrichter durch eine oder beide Parteien steht der Mitteilung nicht entgegen, wenn im Zeitpunkt der Mitteilung alle Schiedsrichter im Amt sind und die Voraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 und 2 dieses Schiedsvertrages erfüllen.A16 (5) Mit jedem Schiedsrichter ist bei dessen Bestellung der diesem Vertrag als Anlage beigefügte Schiedsrichtervertrag abzuschließen.A17 Jede Partei ist bei der Bestellung ihres Schiedsrichters bevollmächtigt, den Schiedsrichtervertrag auch im Namen der anderen Partei abzuschließen. Die Parteischiedsrichter sind bei der Bestellung des Vorsitzenden bevollmächtigt, den Schiedsrichtervertrag im Namen der Parteien abzuschließen.A18 Weicht der Bevollmächtigte beim Abschluss des Schiedsrichtervertrags von der Anlage zum Nachteil der Parteien ab, so haftet er bis zur Genehmigung durch die vertretene Partei dem Schiedsrichter gegenüber für die Abweichung allein. Der Schiedsrichtervertrag ist auch in diesem Fall im übrigen für die Parteien wirksam. §5 Anforderungen an die SchiedsrichterA19 (1) Variante 1: Der Vorsitzende des Schiedsgerichts muss die Befähigung zum Richteramt haben.A20 Variante 2: Alle Schiedsrichter müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Der Vorsitzende muss zudem aktiver oder ehemaliger Richter oder Rechtsanwalt sein und über hinreichende Erfahrung in Bausachen verfügen. (2) Bei keinem Schiedsrichter dürfen Tatsachen vorliegen, die einen staatlichen Richter gemäß § 41 ZPO von der Ausübung des Richteramts ausschließen.A21 (3) Eine Person, der ein Schiedsrichteramt angetragen wird, hat neben den vorgenannten Umständen auch alle sonstigen Umstände offen zu legen, die Zweifel an ihrer Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken können. Ein Schiedsrichter ist auch nach seiner Bestellung bis zum Ende des schiedsrichterlichen Verfahrens verpflichtet, solche Umstände den Parteien unverzüglich offen zu legen, wenn er sie ihnen nicht schon vorher mitgeteilt hat.A22 §6 Ablehnung eines Schiedsrichters (1) Ein Schiedsrichter kann nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen, oder wenn er die in § 5 Abs. 1 und 2 dieses Schiedsvertrages vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt. (2) Eine Partei kann einen Schiedsrichter, den sie bestellt hat, nur aus Gründen ablehnen, die ihr erst nach der Bestellung bekannt geworden sind.A23 Außerdem kann eine Partei einen Schiedsrichter nicht mehr ablehnen, wenn sie sich, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, vor dem Schiedsrichter in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.A24
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Schiedsvereinbarung
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§7 AblehnungsverfahrenA25 (1) Die Ablehnung des von der Gegenpartei bestellten Schiedsrichters kann eine Partei nur innerhalb von zwei Wochen, nachdem die Person des Schiedsrichters oder ein Umstand im Sinne von § 6 Abs. 1 dieses Schiedsvertrages bekannt geworden ist, gegenüber der anderen Partei erklären.A26 Verweigert die Gegenpartei die Aufhebung des Amts des von ihr bestellten Schiedsrichters, so hat die Partei ihre Ablehnungsgründe dem Schiedsgericht innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Empfang der Erklärung der Gegenpartei schriftlich darzulegen. (2) Im Übrigen gilt § 1037 ZPO mit der Maßgabe, dass die Frist zur Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung über die Ablehnung auf zwei WochenA27 verkürzt wird. (3) Versäumt eine Partei (schuldhaft)A28 für einen Ablehnungsgrund eine der vorgenannten oder vom Gesetz angeordneten Fristen, kann sie den Ablehnungsgrund weder im Schiedsverfahren noch vor dem staatlichen Gericht geltend machen.A29 §8 Vorzeitige Beendigung des Schiedsrichteramtes (1) Das Amt eines Schiedsrichters endet, wenn er zurücktritt oder die Parteien die Beendigung seines Amtes vereinbaren.A30 (2) Ist ein Schiedsrichter außerstande, seine Aufgaben zu erfüllen, oder kommt er aus anderen Gründen seinen Aufgaben in angemessener Frist nicht nach, so ist jede Partei berechtigt, vom Schiedsrichter die Erklärung seines Rücktritts und von der anderen Partei die Vereinbarung der Beendigung seines Amtes zu verlangen. Das Verlangen muss schriftlich erklärt werden, um die nachfolgende Frist auszulösen. Hat der Schiedsrichter innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Rücktrittsverlangens den Rücktritt nicht erklärt und können sich die Parteien auch nicht innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Verlangens, die Beendigung zu vereinbaren, über die Beendigung des Schiedsrichteramts einigen, so kann jede Partei bei Gericht eine Entscheidung über die Beendigung des Amtes beantragen.A31 §9 Reichweite von Erklärungen Tritt ein Schiedsrichter zurück oder stimmt eine Partei der Beendigung des Schiedsrichteramtes zu, so bedeutet dies nicht die Anerkennung geltend gemachter Rücktrittsgründe.A32 § 10 Bestellung eines Ersatzschiedsrichters Endet das Amt eines Schiedsrichters vorzeitig,A33 so ist ein Ersatzschiedsrichter zu bestellen. Die Bestellung erfolgt nach den Regeln, die auf die Bestellung des zu ersetzenden Schiedsrichters anzuwenden waren.A34 III. Zuständigkeit des Schiedsgerichts § 11 Eigene Zuständigkeit (1) Zu Sachverhalt 1: Das Schiedsgericht entscheidet gemäß § 1040 ZPO nicht nur über den Streitgegenstand gemäß §§ 1 und 2 dieses Schiedsvertrags, sondern auch über die eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit dieses Schiedsvertrags.A35 Zu Sachverhalt 2: Das Schiedsgericht entscheidet gemäß § 1040 ZPO nicht nur über Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis gemäß §§ 1 und 2 dieses Schiedsvertrags, sondern auch über die eigene ZuständigBandel 361
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Schieds- und weitere ADR-Verfahren
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keit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit dieses Schiedsvertrags.A36 (2) Variante 1: Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 12 Abs. 4 dieses Schiedsvertrags sowie Ansprüche auf Rückgewähr von auf Anordnung des Schiedsgerichts geleisteten Sicherheiten können entsprechend § 1041 Abs. 4 Satz 2 ZPO im anhängigen schiedsrichterlichen Verfahren geltend gemacht werden.A37 Variante 2: Das Schiedsgericht entscheidet außerdem ausschließlich über Schadensersatzansprüche gemäß § 1041 Abs. 4 Satz 1 ZPO und gemäß § 12 Abs. 4 dieses Schiedsvertrags.A38 § 12 Einstweiliger RechtsschutzA39 (1) Der vorsitzende Schiedsrichter oder auf sein Verlangen das SchiedsgerichtA40 kann auf Antrag einer Partei vorläufige oder sichernde Maßnahmen treffen, die er/es in Bezug auf den Streitgegenstand für erforderlich hält. Er/Es kann die Anordnung einer solchen Maßnahme oder deren Vollziehbarkeit von der Stellung einer Sicherheit abhängig machen oder eine Sicherheit festlegen, durch deren Stellung die Gegenpartei die Anordnung der Maßnahme oder deren Vollziehung abwenden kann.A41 (2) Es dürfen auch Maßnahmen getroffen werden, die staatliche Gerichte nach den §§ 916 ff. ZPO nicht anordnen dürfen.A42 Die Maßnahmen dürfen die Hauptsache ganz oder teilweise auch zugunsten eines Anspruchstellers vorwegnehmen, wenn das Schiedsgericht dies zum Schutz der Rechte dieser Partei für erforderlich hält.A43 (Ggf.: Bei Anordnung der Maßnahme kann auch festgelegt werden, welche Folgen die Nichtbeachtung der getroffenen Maßnahmen in Bezug auf die Hauptsacheentscheidung auslöst.A44) (3) Die Vollziehung einstweiliger Maßnahmen erfolgt gemäß § 1041 Abs. 2 u. 3 ZPO. (4) Erweist sich die Anordnung einer einstweiligen Maßnahme als von Anfang an ungerechtfertigt, so ist die Partei, die diese Maßnahme beantragt hat, über § 1041 Abs. 4 Satz 1 ZPO hinaus verpflichtet, dem Gegner auch den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass er die Anordnung freiwillig befolgt, nachdem er diese vom Schiedsgericht oder der Partei empfangen hat.A45 (5) Variante 1: Die Zuständigkeit staatlicher Gerichte zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im In- und Ausland ist bis zur Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens auch dann vollständig ausgeschlossen, wenn es das Schiedsgericht ablehnt, selbst einstweilige Maßnahmen zu treffen.A46 Der Ausschluss wird für die Zeit ab dem … bis zur vollständigen Konstituierung des Schiedsgerichts vorübergehend unwirksam.A47 Variante 2: Diese Schiedsvereinbarung lässt die Kompetenz staatlicher Gerichte, vorläufige oder sichernde Maßnahmen anzuordnen, unberührt. Das Gericht am Ort des Schiedsverfahrens ist örtlich zuständiges „Gericht der Hauptsache“ für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß §§ 916 ff. ZPO.A48 Solange vor dem staatlichen Gericht ein Verfahren über solche Maßnahmen anhängig ist, ist ein Verfahren zu einem gleichen Antrag vor dem Schiedsgericht ausgeschlossen.A49
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Schiedsvereinbarung
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IV. Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens § 13 Allgemeine Verfahrensvereinbarung (1) Für das schiedsrichterliche Verfahren gelten unbeschadet zwingender gesetzlicher Vorschriften vorrangig die in diesem Schiedsvertrag getroffenen Vereinbarungen und ergänzend die §§ 1042–1058 ZPO in der heute gültigen Fassung.A50 (2) Im Übrigen entscheidet das Schiedsgericht nach freiem Ermessen über die Verfahrensregeln. Der Vorsitzende kann alleine entscheiden über a) die Anberaumung von Terminen und die Festsetzung von Fristen, b) die Art und Weise der Vorbereitung von Terminen und Beweiserhebungen, c) die Wahl zwischen schriftlichem und mündlichem Verfahren, d) die Zurückweisung schriftlicher Beweismittel gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 dieses Schiedsvertrags und e) die Zuziehung von Sachverständigen.A51 § 14 Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens (1) Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist … (genaue Bezeichnung eines Ortes in Deutschland).A52 (2) Die mündliche Verhandlung und Vernehmungen der Parteien sind am vorgenannten Ort durchzuführen. Alle übrigen Teile des Verfahrens einschließlich Beweisaufnahmen kann das Schiedsgericht an jedem ihm geeignet erscheinenden Ort vornehmen.A53 § 15 Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens Variante zu Sachverhalt 1: Das schiedsrichterliche Verfahren beginnt mit dem Abschluss dieses Schiedsvertrags; der Abschluss dieses Schiedsvertrags ist zugleich Antrag der A-GmbH, die Streitigkeit über den gemäß § 1 bezeichneten Streitgegenstand dem Schiedsgericht dieses Schiedsvertrags vorzulegen.A54 Variante 2: (1) Das schiedsrichterliche Verfahren beginnt mit dem Tag, an dem der Beklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat. (2) Der Antrag ist schriftlich zu stellen. Wird der Antrag von einem bevollmächtigten Vertreter gestellt, so ist dem Antrag schriftliche Vollmacht beizufügen. (3) Der Antrag muss enthalten: – die Bezeichnung der Parteien; – die Angabe des Streitgegenstands durch Benennung der Ansprüche, die geltend gemacht werden, und Beschreibung des Sachverhalts, soweit dies zur Individualisierung der Ansprüche erforderlich ist; – einen Hinweis auf diesen Schiedsvertrag; – die Benennung eines zur Annahme des Amtes bereiten Schiedsrichters;A55 – die Aufforderung an die beklagte Partei, innerhalb … ihrerseits einen Schiedsrichter zu bestellen;A56 – wenn kein Geldbetrag gefordert wird, die Angabe des vom Kläger geschätzten Streitwerts.A57
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§ 16 Verfahrenssprache (1) Die Verfahrenssprache ist deutsch.A58 (2) Schriftliche Beweismittel, die in einer anderen Sprache als deutsch oder englisch verfasst sind, müssen von einem amtlich vereidigten Übersetzer auf deutsch oder englisch übersetzt werden. Das Schiedsgericht kann angebotene Beweismittel, die dieser Anforderung nicht genügen, als unzulässig zurückweisen. Die Kosten der Übersetzung trägt die Partei, die das Beweismittel in das Verfahren einbringt. Wird das Beweismittel vom Schiedsgericht angefordert, sind die Kosten als Teil der Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens zu verteilen.A59 § 17 Klage- und Klagebeantwortung (1) Der Kläger hat seinen Anspruch und die Tatsachen, auf die sich dieser Anspruch stützt, darzulegen. (2) Der Beklagte hat hierzu Stellung zu nehmen. (3) Die Parteien können dabei alle Beweismittel, derer sie sich bedienen wollen, vorlegen oder bezeichnen.A60 (4) Die Darlegung gemäß Abs. 1 muss dem Schiedsgericht spätestens einen Monat nach dem Zeitpunkt zugehen, zu dem der Kläger die Mitteilung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts gemäß § 4 Abs. 4 dieses Schiedsvertrags empfangen hat. Die Stellungnahme des Beklagten gemäß Abs. 2 sowie Stellungnahmen der Parteien zum Vorbringen der Gegenpartei müssen spätestens einen Monat nach dem Zeitpunkt zugehen, zu dem die Partei das Vorbringen der Gegenpartei empfangen hat. Das Schiedsgericht kann diese Fristen abkürzen oder verlängern sowie einen Zeitpunkt festlegen, ab welchem kein Parteivorbringen mehr berücksichtigt wird. (5) Jede Partei kann im Laufe des schiedsrichterlichen Verfahrens ihre Klage oder ihre Angriffsund Verteidigungsmittel ändern oder ergänzen, es sei denn, das Schiedsgericht lässt dies wegen Verspätung, die nicht genügend entschuldigt wird, nicht zu.A61 (6) Absätze 1 bis 4 gelten für die Widerklage entsprechend. § 18 Gütliche Streitbeilegung (1) Das Schiedsgericht soll zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Es kann zu diesem Zweck alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen und ggf. eine mündliche Güteverhandlung anordnen.A62 (2) Vergleichen sich die Parteien ganz oder teilweise, so verfährt das Schiedsgericht gemäß § 1053 ZPO. § 19 Mündliche Verhandlung (1) Vor Erlass des Schiedsspruchs findet eine mündliche Verhandlung statt, wenn die Parteien hierauf nicht ausdrücklich verzichtet haben.A63 (2) Über jede mündliche Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Es ist von dem Vorsitzenden zu unterschreiben. Die Parteien erhalten Kopien des Protokolls.A64 § 20 Rechtliches Gehör, Mitteilungen (1) Den Parteien ist in jedem Stand des Verfahrens rechtliches Gehör zu gewähren.A65
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Schiedsvereinbarung
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(2) Die Parteien sind von jeder Verhandlung und jedem Zusammentreffen des Schiedsgerichts zu Zwecken der Beweisaufnahme rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.A66 (3) Alle Schriftsätze, Schriftstücke und sonstigen Mitteilungen, die dem Schiedsgericht von einer Partei vorgelegt werden, sind der anderen Partei, Gutachten und andere Beweismittel, auf die sich das Schiedsgericht bei seiner Entscheidung stützen kann, beiden Parteien rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen.A67 (4) Ist es für den wirksamen Rechtsschutz einer Partei erforderlich, dass die von ihr beantragte einstweilige Maßnahme gemäß § 12 dieses Schiedsvertrags bzw. § 1041 ZPO ohne Vorwarnung der Gegenpartei angeordnet und vollzogen wird, so genügt das Schiedsgericht den Bestimmungen von Abs. 1 bis 3 auch dann, wenn die Dokumente und Beweismittel innerhalb einer Woche nach der Vollziehung der Gegenpartei zur Kenntnis gebracht werden und das Schiedsgericht bereit und in der Lage ist, auf Antrag der Gegenpartei unverzüglich eine Entscheidung über die Aufhebung oder den Fortbestand der Anordnung zu treffen.A68 § 21 Säumnis einer Partei (1) Variante 1: Versäumt es der Kläger, seine Klage nach § 17 dieses Schiedsvertrags einzureichen, so fordert das Schiedsgericht den Beklagten unter Setzung einer angemessenen Frist auf zu erklären, ob er seinerseits Klage zum Streitgegenstand erheben möchte. Erklärt der Beklagte, keine Klage erheben zu wollen, oder versäumt er seinerseits, die Klage einzureichen, und hat auch der Kläger in der Zwischenzeit seine Klage nicht eingereicht, so beendet das Schiedsgericht das Verfahren. Variante 2: Versäumt es der Kläger, seine Klage nach § 17 dieses Schiedsvertrags einzureichen, so kann das Schiedsgericht das Verfahren beenden.A69 (2) Versäumt es die Gegenpartei, die Klage zu beantworten, so setzt das Schiedsgericht das Verfahren fort, ohne die Säumnis als solche als Zugeständnis der Behauptungen des Klägers zu behandeln.A70 (3) Versäumt es eine Partei, zu einer mündlichen Verhandlung zu erscheinen oder sich innerhalb einer festgelegten Frist zu äußern oder ein angebotenes Beweismittel beizubringen, so setzt das Schiedsgericht das Verfahren fort und erlässt den Schiedsspruch nach den vorliegenden Erkenntnissen.A71 (4) Wird die Säumnis genügend entschuldigt, greifen die Rechtsfolgen der Abs. 1–3 nicht ein; die Säumnis bleibt dann auch im Übrigen sanktionslos.A72 § 22 Sachverständige (1) Bedarf es zur Klärung der Frage, ob eine oder mehrere Werkleistungen ordnungsgemäß erbracht wurden, fachspezifischer Kenntnisse, so kann das Schiedsgericht einen Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens bestellen. Es kann jede Partei auffordern, dem Sachverständigen jede sachdienliche Auskunft zu erteilen oder alle für das Verfahren erheblichen Gegenstände vorzulegen oder zugänglich zu machen.A73 (2) Das Schiedsgericht hat den Sachverständigen bei der Bestellung zu verpflichten, nach Erstattung seines Gutachtens an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen und Fragen der Parteien oder des Schiedsgerichts zu beantworten. (3) Der Sachverständige kann von den Parteien abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Die Partei, die den Sachverständigen ablehnen will, hat den Ablehnungsgrund innerhalb von zwei Wochen, nachdem er ihr bekannt wurde, dem Schiedsgericht darzulegen. Über die Ablehnung entscheidet das Schiedsgericht durch Beschluss. Bandel 365
Kap. 23 Rz. 42
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(4) Die Kosten des so bestellten Sachverständigen sind notwendige Kosten des Verfahrens. Die Parteien sind berechtigt, auf eigene Kosten die Aussagen eigener Sachverständiger als Beweis anzubieten. V. Schiedsspruch und Beendigung des Verfahrens § 23 Anwendbares Recht Das Schiedsgericht entscheidet die Streitigkeit nach den Sachvorschriften des deutschen Rechts.A74 Zu einer Entscheidung nach Billigkeit ist das Schiedsgericht nicht ermächtigt.A75 § 24 Entscheidungsfindung (1) Soweit nicht der Vorsitzende allein entscheidet, trifft das Schiedsgericht jede Entscheidung mit der Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder. Die Entscheidung über die Ablehnung eines Schiedsrichters hat einstimmig zu erfolgen; der abgelehnte Schiedsrichter ist hierbei nicht stimmberechtigt. (2) Verweigert ein Schiedsrichter die Teilnahme an einer Abstimmung, können die übrigen Schiedsrichter ohne ihn entscheiden. Die Absicht, ohne den verweigernden Schiedsrichter über den Schiedsspruch abzustimmen, ist den Parteien vorher mitzuteilen. Bei anderen Entscheidungen sind die Parteien vom Abstimmungsverhalten nachträglich in Kenntnis zu setzen.A76 § 25 Schiedsspruch (1) Der Schiedsspruch ist schriftlich zu erlassen und durch die Schiedsrichter zu unterschreiben. Die Unterschrift der Mehrheit der Schiedsrichter genügt, sofern der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben wird. (2) Variante 1: Der Schiedsspruch muss nicht begründet werden. Variante 2: Der Schiedsspruch ist schriftlich zu begründen. Kein Schiedsrichter ist berechtigt, seine von der Mehrheitsmeinung abweichende Meinung bekannt zu geben und zu begründen (kein Recht zu einem Minderheitsvotum).A77 Variante 3: Der Schiedsspruch ist schriftlich zu begründen. Ein überstimmter Schiedsrichter ist berechtigt, seine von der Mehrheitsmeinung abweichende Meinung im Anschluss an die Begründung bekannt zu geben und zu begründen (Recht zu einem Minderheitsvotum).A78 (3) Im Schiedsspruch sind der Tag, an dem er erlassen wurde, und der in § 14 Abs. 1 dieses Schiedsvertrags genannte Ort anzugeben. (4) Jeder Partei ist ein von den Schiedsrichtern unterschriebener Schiedsspruch zu übersenden. § 26 Ende des Schiedsverfahrens (1) Das schiedsrichterliche Verfahren wird beendet durch den Schiedsspruch, der über das oder die Klagebegehren entscheidet, oder durch Beschluss gemäß Abs. 2.A79 (2) Das Schiedsgericht stellt durch Beschluss die Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens fest, a) im Fall des § 21 Abs. 1 dieses Schiedsvertrags; oder
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b) wenn der Kläger seine Klage zurücknimmt, es sei denn, dass der Beklagte dem widerspricht und das Schiedsgericht ein berechtigtes Interesse des Beklagten an der endgültigen Beilegung der Streitigkeit anerkennt; oder c) wenn die Parteien die Beendigung des Verfahrens vereinbaren; oder d) wenn die Parteien das schiedsrichterliche Verfahren trotz Aufforderung des Schiedsgerichts nicht weiter betreiben oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem anderen Grund unmöglich geworden ist. § 27 Entscheidung über Kosten (1) Das Schiedsgericht hat in einem Schiedsspruch darüber zu entscheiden, zu welchem Anteil die Parteien die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens zu tragen haben. In gleicher Weise entscheidet es über die Erstattung der den Parteien erwachsenen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten.A80 (2) Die Entscheidung hat entsprechend §§ 91 ff., 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu erfolgen.A81 Variante 1: Honorare und Auslagen von Prozessbevollmächtigten werden nur bis zu einem Betrag von … Euro zuzüglich einer ggf. hierauf anfallenden Umsatzsteuer ersetzt. Variante 2: Von den außergerichtlichen Kosten sind ausschließlich die Anwaltsgebühren sowie die hierauf ggf. anfallende Umsatzsteuer bis maximal zu den nach RVG geschuldeten Sätzen zu erstatten.A82 Variante 3: Erstattungsfähig sind auch Anwaltskosten, die auf der Basis von berufsrechtlich zulässigen Honorarvereinbarungen in Rechnung gestellt werden, jedoch nur bis zu einem Stundensatz von … Euro zuzüglich Umsatzsteuer und nur, soweit der abgerechnete Zeitaufwand nachvollziehbar schriftlich dargelegt wird.A83 (3) Soweit die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens feststehen, hat das Schiedsgericht auch darüber im Schiedsspruch oder nach Beendigung des Verfahrens unverzüglich in einem gesonderten Schiedsspruch zu entscheiden.A84 Die Entscheidung ändert nichts an der gesamtschuldnerischen Haftung der Parteien für die Vergütung der Schiedsrichter. § 28 Vorschüsse (1) Das Schiedsgericht kann die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens und etwaige Beweisaufnahmen davon abhängig machen, dass Vorschüsse auf die zu erwartenden Kosten des Schiedsgerichts gezahlt werden. Es soll vom Kläger und Beklagten jeweils die Hälfte des Vorschusses anfordern. Als Vorschuss kann das volleA85 Schiedsrichterhonorar und voraussichtliche Auslagen zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer angesetzt werden.A86 Die Parteien sind verpflichtet, angeforderte Vorschüsse zu zahlen. (2) Zur Anforderung und Entgegennahme der Vorschusszahlung sowie zur Abrechnung über diese ist der Vorsitzende berechtigt und verpflichtet.A87 (3) Kommt eine Partei mit der Zahlung des angeforderten Kostenvorschusses in Verzug, so kann die andere Partei die Schiedsvereinbarung kündigen,A88 wenn – das Schiedsgericht die Fortsetzung des Schiedsverfahrens aus diesem Grund verweigert, – der in Verzug befindlichen Partei unter Androhung der Kündigung schriftlich eine Nachfrist von mindestens zehn Tagen gesetzt wurde, den offenen Vorschuss zu leisten, und – der Vorschuss bis zum Ablauf der gesetzten Frist nicht vollständig geleistet wurde. Bandel 367
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– Zahlt die andere Partei stattdessen den Vorschuss der in Verzug befindlichen Partei, ist ihr der gezahlte Betrag von dieser ab dem Tag der Zahlung jährlich mit 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins der EZB zu verzinsen.A89 Das Recht der Parteien, die Zahlung des angeforderten Vorschusses vor dem ordentlichen Gericht einzuklagen, bleibt unberührt.A90 § 29 Berichtigung, Auslegung und Ergänzung des Schiedsspruchs (1) Jede Partei kann beim Schiedsgericht beantragen: a) Rechen-, Schreib- und Druckfehler oder Fehler ähnlicher Art im Schiedsspruch zu berichtigen; b) bestimmte Teile des Schiedsspruchs auszulegen; c) einen ergänzenden Ausspruch über solche Ansprüche zu erlassen, die im schiedsrichterlichen Verfahren zwar geltend gemacht, im Schiedsspruch aber nicht behandelt worden sind.A91 (2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Empfang des Schiedsspruchs zu stellen. Das Schiedsgericht kann auch einen später gestellten Antrag zur Entscheidung annehmen, wenn der Antragsteller die Verspätung genügend entschuldigt und die Annahme der endgültigen Beilegung des Streits dient.A92 (3) Das Schiedsgericht soll über die Berichtigung oder Auslegung des Schiedsspruchs innerhalb eines Monats und über die Ergänzung des Schiedsspruchs innerhalb von zwei Monaten entscheiden. (4) Eine Berichtigung des Schiedsspruchs kann das Schiedsgericht jederzeit auch ohne Antrag vornehmen. (5) § 25 dieses Schiedsvertrags ist auf die Berichtigung, Auslegung oder Ergänzung des Schiedsspruchs anzuwenden.A93 VI. Verfahren vor staatlichen Gerichten § 30 Zuständiges staatliches Gericht Zuständiges Gericht gemäß § 1062 Abs. 1 ZPO ist das Oberlandesgericht …A94 § 31 Aufhebung des Schiedsspruchs Wird der Schiedsspruch aufgehoben, lebt die Schiedsvereinbarung wegen des Streitgegenstands wieder auf.A95 VII. Allgemeine Bestimmungen § 32 Verschwiegenheitspflicht Die Parteien des Schiedsverfahrens und alle Schiedsrichter sind verpflichtet, über das gesamte Schiedsverfahren und das diesem Schiedsvertrag unterworfene Rechtsverhältnis Verschwiegenheit zu wahren und sämtliche Personen, die sie in diesem Zusammenhang einschalten, ebenfalls auf umfassende Verschwiegenheit zu verpflichten.A96 § 33 Empfangsfiktion Ist der Aufenthalt einer Partei oder einer zur Entgegennahme berechtigten Person unbekannt, gelten im schiedsrichterlichen Verfahren schriftliche Mitteilungen an dem Tag als empfangen, an dem sie bei ordnungsgemäßer Übermittlung durch Einschreiben gegen Rückschein oder auf eine andere Weise, welche den Zugang an der letztbekannten Postanschrift oder Niederlassung 368
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oder dem letztbekannten Aufenthalt des Adressaten belegt, dort hätten empfangen werden können.A97 § 34 Salvatorische Klausel Sollten einzelne Bestimmungen dieses Schiedsvertrags unwirksam sein oder werden, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Lücken sind vorrangig im Sinne der wirksamen Regelungen zu schließen, ergänzend gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Anlage: Schiedsrichtervertrag (S. M 24.1 [Kap. 24 Rz. 18])
Anmerkungen zu Muster M 23.1 Das Muster eignet sich schon wegen seiner Ausführlichkeit nicht zur unkritischen Übernahme. Bei vielen Details genügt im Regelfall das gesetzliche Modell. Der Mustertext sollte deshalb als Baukasten verwendet werden, der zu jedem Regelungsbereich Anregungen gibt.
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A1 Dem Schiedsvertrag liegt in beiden Sachverhalten ein Bauvertrag zugrunde, der bereits 42b mit zeitlichem Abstand vor dem Schiedsvertrag geschlossen wurde. Die Qualität des beteiligten Auftraggebers B bleibt offen, es kann sich um einen Unternehmer oder Verbraucher (private Vermögensanlage) i.S.v. §§ 13 f. BGB, 1031 Abs. 5 ZPO handeln. Anlass des Vertragsschlusses ist in beiden Sachverhalten das Auftreten einer Vertragsstörung, über die nicht ein staatliches Gericht, sondern das Schiedsgericht entscheiden soll. Beiderseitiges Motiv zum Abschluss der Vereinbarung könnte, wie oft in Fällen ohne Auslandsbezug, der Wunsch nach Geheimhaltung oder der Einsatz selbst ausgewählter, besonders qualifizierter Personen als Schiedsrichter sein. A2 Bei Sachverhalt 1 hat sich der Konflikt schon derart konkretisiert, dass der Kläger gegen den Beklagten einen bestimmten Anspruch geltend macht, hier ein Anspruch auf Zahlung.
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A3 Bei Sachverhalt 2 ist die beabsichtigte Vertragsabwicklung durch ein unvorhergesehenes Ereignis gestört. Das streitige Rechtsverhältnis ist bereits klar, doch ist noch offen, in welcher Weise die Vertragsteile auf die Störung reagieren und welche Ansprüche sie an die andere Seite stellen.
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A4 Vgl. zu Problemen der Reichweite einer Schiedsvereinbarung Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28 (29). Die Formulierung unterstellt das Rechtsverhältnis umfassend der Schiedsvereinbarung.
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A5 Die Behandlung von Ansprüchen, die in einem Schiedsverfahren zur Aufrechnung ge- 46 stellt werden, ist ein auch nach neuem Recht ungelöstes Problem. Unstreitig ist nur, dass das Schiedsgericht selbstverständlich dann über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung und die Wirksamkeit der Aufrechnung umfassend entscheidet, wenn die Gegenforderung dem streitigen Rechtsverhältnis angehört, das der Schiedsvereinbarung unterfällt. Letzteres soll im Wege großzügiger Auslegung ermittelt werden (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 9). Deshalb wird eine diesbezügliche Regelung angeraten (Schütze/ Tscherning/Wais, Hdb. des Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 1990, Rz. 95). Hier wird versucht, den Streitgegenstand um bereits begründete Ansprüche aus dem Verhältnis zwischen den Beteiligten, nicht hingegen z.B. um an eine Partei abgetretene Ansprüche gegen die Gegenpartei, zu erweitern (im Sinne einer ausdrücklichen Kompetenzvereinbarung gemäß Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 709 Nr. 3). Diese Klausel Bandel 369
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ist nicht ohne Risiko, da Zweifel bleiben, ob die Gegenforderungen damit hinreichend bestimmt sind (vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 24 Fn. 182). Unterfällt die Gegenforderung nicht der Schiedsvereinbarung, so gilt Folgendes: Das Schiedsgericht ist nach wohl h.M. nicht befugt, über die geltend gemachte Aufrechnung zu entscheiden (vgl. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 497 f.; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1046 Rz. 36; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1029 Rz. 24; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 707; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 9; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 85; a.A. allerdings Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 22; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 3 Rz. 12), kann die entsprechende Zuständigkeit aber gemäß § 1040 Abs. 2 Sätze 3 u. 4 erlangen, wenn diese Überschreitung der Befugnisse von der Gegenpartei nicht oder unentschuldigt zu spät gerügt wird. Ist eine Entscheidung des Schiedsgerichts über die Gegenforderung selbst nicht erforderlich, weil diese unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist, so soll das Schiedsgericht in jedem Fall befugt sein, über die Aufrechnung mit dieser Forderung zu entscheiden. Nach OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.1.2005 – I-26 Sch 5/03, OLGReport Düsseldorf 2005, 254 (255), ist zumindest die Aufrechnung mit einer rechtskräftig festgestellten Gegenforderung gegen einen Schiedsspruch auch noch im Exequaturverfahren nach § 1060 ZPO zu berücksichtigen. 47
A6 Zum Problem vgl. vorstehende Erläuterung. Hier wird nur klargestellt, was nach h.M. ohnehin gelten soll.
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A7 Üblich sind Einzelschiedsgerichte oder Spruchkörper aus drei Schiedsrichtern. Letzterer ist gemäß § 1034 Abs. 1 Satz 2 ZPO der gesetzliche Regelfall.
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A8 Wegen der nicht unerheblichen Kosten eines Dreierschiedsgerichts wird zu flexiblen Lösungen geraten (vgl. Hantke, SchiedsVZ 2003, 269; Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28 [31]).
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A9 Das Gesetz verwendet den Begriff der „Bestellung“ des Schiedsrichters, ohne ihn zu definieren. Häufig werden daneben oder alternativ die Begriffe „Ernennung“ oder „Benennung“ gebraucht. Zur Begrifflichkeit ausführlich Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1035 Rz. 10-13. Zu unterscheiden ist erstens die prozessuale Bestellung des Schiedsrichters, d.h. die personelle Festlegung der Person, die schiedsrichterliche Kompetenz erhält, zweitens die Bindung einer Partei an ihre Festlegung durch Mitteilung derselben an die andere, § 1035 Abs. 2 ZPO, und drittens der Abschluss des rein materiell-rechtlich einzuordnenden Schiedsrichtervertrags. Die ZPO regelt nur die ersten beiden Punkte und bezeichnet den ersten als Bestellung, weshalb auch das Muster nur diesen Begriff verwendet.
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A10 Diese Mitteilung löst gemäß § 1035 Abs. 2 ZPO die Bindungswirkung aus, da hier nichts anderes vereinbart ist. Das Schiedsrichteramt kann dem Bestimmten damit nur noch einvernehmlich entzogen werden, vgl. § 1039 Abs. 1 Satz 1 3. Var. ZPO (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1035 Rz. 10).
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A11 Diese ausführliche Variante formalisiert den Bestellungsakt und dessen Mitteilung und ermöglicht auf diese Weise eine genaue Dokumentation sowie einen klaren Beweis der Fristwahrung.
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A12 Die dispositive Regelung des § 1039 Abs. 1 ZPO wird durch die Fristsetzung im Muster konkretisiert.
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A13 Dieser Satz geht der Regelung des § 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO vor. Geändert wird hier nicht nur die Frist, sondern auch das Organ der Ersatzbestellung, was gemäß § 1035 Abs. 1 ZPO zulässig ist. Dieses Organ muss hinreichend bestimmt sein, sei es namentlich oder durch seine Funktion. Der hier gewählte Präsident des Oberlandesgerichts als geeignete neutrale Stelle ist nur ein Beispiel wie auch der Präsident einer Industrie- und Handels370
Bandel
M 23.1
Schiedsvereinbarung
Rz. 61 Kap. 23
kammer oder der gesetzliche Vertreter eines Verbandes. Der Schiedsvertrag begründet jedoch keine Verpflichtung des Organs, die Benennung auch vorzunehmen (Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 809), weshalb die Bereitschaft hierzu vorab geklärt werden sollte. Sollte das Organ die Benennung ablehnen, hilft § 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO. Danach erfolgt die Ersatzbestellung durch das gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuständige Oberlandesgericht in voller Besetzung durch Beschluss, § 1063 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bis zur Bestellung durch die ernennende Stelle ist die säumige Partei auch noch nach Fristablauf berechtigt, ihren Parteischiedsrichter zu benennen (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 19.5.2003 – 10 SchH 01/03, SchiedsVZ 2003, 235 [236]). A14 Der Fall ist gesetzlich nicht geregelt, weshalb hier entsprechende Klarstellung erfolgt.
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A15 Die Wirksamkeit dieser Variante ist zweifelhaft wegen BGH, Urt. v. 5.11.1970 – VII 56 ZR 31/69, BGHZ 54, 392, wonach es unwirksam ist, einen Parteischiedsrichter zum Einzelschiedsrichter zu machen, wenn die Gegenpartei keinen Schiedsrichter ernennt. Fraglich ist, ob dies auch gilt, wenn wie hier der durch eine Partei bestellte Schiedsrichter nach § 5 Abs. 3 des Musters unparteilich und unabhängig sein muss. Die Variante hätte jedenfalls den Vorteil, das Bestellungsverfahren bei Untätigkeit einer Partei zu beschleunigen. Das OLG Naumburg hat mit Beschl. v. 21.5.2004 – 10 Sch 6/03, besprochen von Kröll, SchiedsVZ 2005, 139 (145), eine Regelung für unbedenklich gehalten, in der eine Partei bei Säumnis der anderen beide Parteischiedsrichter bestellen durfte. A16 Die Mitteilung setzt die Frist des § 14 Abs. 3 des Schiedsvertrags in Lauf und dient außerdem der Information der Parteien. Da eine Schiedsrichterablehnung das Verfahren möglichst wenig verzögern soll, ist die Konstituierung auch im Fall eines Ablehnungsverfahrens mitzuteilen, wenn der abgelehnte Schiedsrichter nicht das Amt von sich aus niederlegt, sein Amt anderweitig beendet wurde oder seine Bestellung erkennbar den Vorgaben des Schiedsvertrags widerspricht.
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A17 Die Vertragsbedingungen mit den Schiedsrichtern, insbesondere die vereinbarte Vergütung, sind für die Kosten des Schiedsverfahrens von erheblicher Bedeutung. Es spricht deshalb einiges dafür, diese Frage auch zusammen mit der Schiedsvereinbarung zu regeln. Allerdings müssen die Konditionen so gewählt werden, dass sie der Findung geeigneter Schiedsrichter nicht entgegenstehen. Für die Anlage wird auf M 24.1 (Kap. 24 Rz. 18) verwiesen.
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A18 Der Schiedsrichtervertrag ist Vertrag aller Parteien mit dem Schiedsrichter. Weit- 59 gehend Einigkeit besteht, dass die Bestellung eines Schiedsrichters durch eine Partei deren Kompetenz umfasst, mit Wirkung für die andere Partei auch den Schiedsrichtervertrag zu schließen, wobei die rechtliche Konstruktion unklar und umstritten ist (vgl. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4113 ff.; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1035 Rz. 22; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 11 Rz. 2–6). Um diesbezügliche Unklarheiten und Unsicherheiten zu beseitigen, enthält die Schiedsvereinbarung ausdrückliche diesbezügliche Vollmachten mit Vorgaben zum Vertragsinhalt. A19 Schon in der Schiedsvereinbarung ist unbedingt zu beachten, dass aktive Richter 60 nicht Parteischiedsrichter sein können, § 40 Abs. 1 Satz 1 DRiG. Eine entsprechende Bestimmung macht die Schiedsvereinbarung undurchführbar und bringt sie damit vollständig zum Scheitern (vgl. KG, Beschl. v. 6.5.2002 – 23 Sch 01/02, SchiedsVZ 2003, 185 f. mit Anm. Mecklenbrauck, 186 f.; nicht beachtet von OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.7.2002 – 1 Sch 8/02, SchiedsVZ 2003, 84 [87]). A20 Das Gesetz verlangt vom Schiedsrichter Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Weite- 61 re Anforderungen stellt es nicht, ermöglicht aber den Parteien die Vereinbarung weiterer Vorgaben, § 1036 Abs. 2 Satz 1, 2. Var. ZPO. Bandel 371
Kap. 23 Rz. 62
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.1
62
A21 Der Verzicht des Gesetzgebers, auf diese Norm zu verweisen, dient nur der Anwenderfreundlichkeit für ausländische Benutzer (BT-Drucks. 13/5274, S. 40 r. Sp.). Der klarstellende Verweis soll die Verpflichtung der Parteien zur Auswahl geeigneter Schiedsrichter unterstreichen.
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A22 Dieser Absatz entspricht § 1036 Abs. 1 ZPO.
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A23 § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Musters geben nur die geeignete gesetzliche Regelung des § 1036 Abs. 2 ZPO wieder, verkürzt um die hier nicht einschlägige Variante der Mitwirkung bei der Schiedsrichterbestellung.
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A24 Soll die Beteiligten dazu anhalten, relevante Ablehnungsgründe stets sofort vorzutragen.
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A25 Verfahrensvereinbarungen sind, soweit sie das Verfahren vor dem Schiedsgericht betreffen, gemäß § 1037 Abs. 1 ZPO ohne Einschränkungen zulässig.
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A26 Abs. 1 Satz 1 des Musters soll die engere Beziehung der Partei zu dem von ihr bestellten Schiedsrichter berücksichtigen.
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A27 Gemäß § 1037 Abs. 3 Satz 1 ZPO gilt sonst eine Frist von einem Monat. Die Frist darf nicht so kurz bemessen werden, dass die gerichtliche Kontrolle faktisch leer läuft (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1037 Rz. 23).
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A28 Das Gesetz kennt in § 1037 ZPO bezüglich der Fristversäumnis weder ein Verschuldenskriterium noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Beides kann jedoch vereinbart werden.
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A29 Gilt nicht schon gemäß § 1027 ZPO, da es sich bei den Ablehnungsgründen nicht um dispositive Verfahrensbestimmungen handelt. Allgemein wird jedoch von Präklusion auch in Bezug auf die staatlichen Kontrollverfahren ausgegangen (OLG München, Beschl. v. 10.7.2013 – 34 SchH 8/12, NJOZ 2014, 1779 [1780 f.]; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1037 Rz. 30 ff.; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1037 Rz. 3; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1037 Rz. 6). Wegen der einschneidenden Bedeutung wird sie hier ausdrücklich in den Text aufgenommen. Schwere Fehler bei der richterlichen Unabhängigkeit/Unparteilichkeit können allerdings auch nach Fristablauf gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b) ZPO die Aufhebung eines Schiedsspruchs rechtfertigen (BGH, Urt. v. 4.3.1999 – III ZR 72/98, MDR 1999, 755 [756]; vgl. die Überprüfung des Schiedsverfahrens bei OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 29.10.2009 – 26 Sch 12/09, SchiedsVZ 2010, 52; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1037 Rz. 39 f.; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1037 Rz. 7). Sie rechtfertigen im Interesse an rascher Erledigung deshalb auch die Durchführung eines gerichtlichen Ablehnungsverfahrens gemäß § 1037 Abs. 3 ZPO trotz Verfristung.
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A30 Die Regelung stellt gegenüber § 1038 Abs. 1 Satz 1 ZPO klar, dass das Amt des Schiedsrichters stets durch dessen Rücktritt oder durch Vereinbarung der Parteien beendet werden kann, ohne dass hierfür ein Grund vorliegen muss (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1038 Rz. 4).
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A31 Auch § 1038 ZPO enthält dispositives Recht, obwohl in der Norm die Zulässigkeit abweichender Vereinbarungen nicht ausdrücklich erwähnt ist (Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1038 Rz. 5; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1038 Rz. 4; zu den Grenzen vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1038 Rz. 12). Hier wird die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung aus Gründen der Klarheit von einer jeweiligen vorherigen schriftlichen Aufforderung nebst Fristablauf abhängig gemacht. Die Frist kann der Schiedsrichter auch zum Abstellen von Fehlern und Verzögerungen nutzen.
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Bandel
M 23.1
Schiedsvereinbarung
Rz. 80 Kap. 23
A32 Entspricht § 1038 Abs. 2 ZPO und verfolgt wie dieser den Zweck, der Entscheidung 73 des Schiedsrichters zum Rücktritt oder der Parteivereinbarung über die Beendigung des Schiedsrichteramtes jede Präjudizwirkung für Vergütungs- und Schadensersatzstreitigkeiten zu nehmen und damit eine rasche Entscheidung zu erleichtern (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1038 Rz. 27 f.; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1038 Rz. 11: „… soll den Beteiligten helfen, im Falle des Nachgebens das Gesicht zu wahren.“). A33 Anders als in § 1039 Abs. 1 ZPO wird darauf verzichtet, die Gründe des vorzeitigen Endes des Amtes aufzulisten. Der Fortgang des Prozesses mit einem Ersatzschiedsrichter soll in jedem Fall gesichert sein.
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A34 Entspricht § 1039 Abs. 1 ZPO und bezweckt, den Prozess „am Leben zu erhalten“. Die gegenteilige Vereinbarung ist sinnvoll, wenn das Schiedsverfahren mit der Person eines Schiedsrichters „stehen und fallen“ soll.
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A35 Die Bestimmung bestätigt die gesetzliche Zuständigkeit gemäß § 1040 ZPO, ohne 76 diese Regelung zu ändern. Anders als unter Geltung der Kompetenz-Kompetenz-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach altem Recht unterliegt die Entscheidung des Schiedsgerichts der Endkontrolle der staatlichen Gerichte gemäß § 1040 Abs. 3 ZPO, die nicht abbedungen werden kann. Die Entscheidung erfolgt auch im Fall der Unzuständigkeitserklärung durch Prozessschiedsspruch (vgl. BGH, Beschl. v. 6.6.2002 – III ZB 44/01, BGHZ 151, 79 = BB 2002, Beilage Nr. 7, 40 = NJW 2002, 3031; ausführlich zu diesem Komplex m.w.N. Voit, FS Musielak, 595 ff.). A36 Die Bestimmung bestätigt die gesetzliche Zuständigkeit gemäß § 1040 ZPO, ohne 77 diese Regelung zu ändern (s. näher Anm. A35). A37 Umfassend zu § 1041 Abs. 4 Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239. Das Wahlrecht ge- 78 mäß § 1041 Abs. 4 Satz 2 ZPO stellt es dem Geschädigten frei, Schadensersatz im laufenden Schiedsverfahren geltend zu machen oder vor dem staatlichen Gericht einzuklagen (vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 13 Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 4; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 5). Hält man dies für eine zutreffende Regelung, so liegt es nahe, diese auch auf vertraglich erweiterte Schadensersatzansprüche für diesen Sachverhalt zu erstrecken. Für die Rückgewähr von in diesem Zusammenhang angeordneten Sicherheiten kann m.E. nichts anderes gelten (Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 108 f. [111]). Beides stellt die Musterformulierung klar. A38 Möglich ist es auch (so Variante 2), das Wahlrecht durch Ausweitung der Schiedsver- 79 einbarung zu beseitigen und der Gegenpartei die Einrede des § 1032 ZPO zu gestatten (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1041 Rz. 58). Hingegen soll das Recht der Partei, den Anspruch im anhängigen Schiedsverfahren geltend zu machen, nicht abdingbar sein (Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 13), was nicht recht einleuchtet, weil es sich um einen eigenen Streitgegenstand handelt und jede Sachentscheidungskompetenz des Schiedsgerichts ihre Grundlage in der Vereinbarung der Parteien hat. A39 Die Kompetenz, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes anzuordnen, hat das 80 Schiedsgericht erst seit Inkrafttreten (1.1.1998) des SchiedsVfG vom 22.12.1997. Nutzen und Effizienz dieser Kompetenz sind umstritten (kritisch z.B. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 2889, 2933 ff.; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 1; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 1). Jedenfalls in den Fällen, in denen die Parteien den Weg zum staatlichen Gericht gänzlich meiden wollen, und deshalb mit einer freiwilligen Befolgung solcher Anordnungen gerechnet werden kann, ist die neue Kompetenz jedoch eine hilfreiche Ergänzung. Bandel 373
Kap. 23 Rz. 81
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.1
81
A40 Nach der gesetzlichen Regelung ist allein das Schiedsgericht in voller Besetzung zuständig und kann diese Kompetenz auch nicht auf den vorsitzenden Schiedsrichter delegieren, da es sich um keine Verfahrensfrage i.S.v. § 1052 Abs. 3, 2. Var. ZPO handelt (a.A. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 17a Rz. 17). Jedoch können die Beteiligten durch Vereinbarung die Einzelkompetenz des vorsitzenden Richters begründen (vgl. Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 80 f.; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 3).
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A41 Die Regelung entspricht § 1041 Abs. 1 ZPO und wurde nur in Bezug auf die Stellung von Sicherheiten etwas präzisiert. Ist kein einstweiliger Rechtsschutz durch das Schiedsgericht gewünscht, kann stattdessen formuliert werden: „Die Parteien schließen jede Kompetenz des Schiedsgerichts, vorläufige oder sichernde Maßnahmen anzuordnen, aus.“
Die Ausschlussvereinbarung ist grundsätzlich formlos möglich (Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 25; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 1). 83
A42 Diese Kompetenz wird allgemein anerkannt, vgl. nur Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 3; Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 2890; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 2 Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 1. Zu einzelnen Alternativen zum Arrest und deren Vollziehung näher Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 141.
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A43 Zur Zulässigkeit sog. Leistungs- oder Befriedigungsverfügungen im staatlichen einstweiligen Rechtsschutz haben sich bei allem Streit im Einzelnen feste Kriterien und Fallgruppen herausgebildet (vgl. nur Huber in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 940 Rz. 12–26; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 940 Rz. 17; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 940 Rz. 6; für den Fall der befristeten Wohnungsverweisung im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren BVerfG, Beschl. v. 22.2.2002 – 1 BvR 300/02, FamRZ 2002, 735). Diese dienen dem Schiedsgericht als gute Orientierung bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Maßnahme, doch ist es daran nicht gebunden. Vielmehr kommt die Leistungsverfügung in weiterem Umfang in Betracht (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1041 Rz. 18 f.). Da dies mit dem Hinweis auf ein angebliches Verbot der Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung bisweilen in Zweifel gezogen wird (vgl. nur Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 17a Rz. 9), stellt die Musterformulierung die weite Kompetenz ausdrücklich klar.
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A44 Eine Wirkungsverstärkung einstweiliger Maßnahmen durch indirekte Sanktionen in Bezug auf das Hauptsacheverfahren oder selbständige Schadensersatzansprüche wird teilweise unter Hinweis auf die mit der Schiedsvereinbarung verbundenen Loyalitäts- und Mitwirkungspflichten befürwortet (Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992, 233 Fn. 632; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1041 Rz. 19). Ich selbst sehe dies kritisch (vgl. Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 49). Wenn überhaupt, sollte dies nur gelten, wenn die Parteien das Schiedsgericht hierzu ausdrücklich ermächtigen (vgl. hierzu mit Vertragsstrafeversprechen Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 2940).
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A45 Schadensersatz nach § 1041 Abs. 4 Satz 1 ZPO setzt die Erwirkung der Vollziehung durch die ersatzpflichtige Partei voraus (Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 6; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 14). Dies ist insbesondere in den Fällen, in denen auf die freiwillige Erfüllung der vom Schiedsgericht angeordneten Maßnahmen spekuliert oder sogar mittelbaren Sanktionen das Wort geredet wird (vgl. vorstehend Nr. 44), unbefriedigend (deshalb soll nach Risse/Frohloff, SchiedsVZ 2011, 239 374
Bandel
M 23.1
Schiedsvereinbarung
Rz. 90 Kap. 23
[244 f.], faktischer Vollstreckungsdruck genügen). Ohne besondere Vereinbarungen wird ein Schadensersatzanspruch auch aus anderen Rechtsgrundlagen kaum begründet werden können (vgl. Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 260). Die vorgeschlagene Formulierung löst dieses Dilemma zulasten des Antragstellers durch Erweiterung der verschuldensunabhängigen Haftung und macht die Antragstellung gemäß § 1041 Abs. 1 ZPO damit riskanter. A46 Ob die Kompetenz staatlicher Gerichte zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes 87 ganz oder teilweise durch Vereinbarung ausgeschlossen werden kann, ist äußerst umstritten (dafür, allerdings ohne Entscheidungserheblichkeit, OLG Frankfurt, Urt. v. 18.5.2000 – 13 W 29/00, OLGReport Frankfurt 2000, 248 = NJW-RR 2000, 1117 [1119]); ausführlich, im Ergebnis mit Einschränkungen Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 309 ff.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 478, Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 17a Rz. 24; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1033 Rz. 6; dagegen u.a.: OLG Hamm, Urt. v. 14.3.2000 – 27 U 102/99, GmbHR 2001, 346 = NJW-RR 2001, 105, Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2014, § 1033 Rz. 4; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1033 Rz. 18 m.w.N.; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1033 Rz. 3 m.w.N.; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1033 Rz. 2). Der Wortlaut des § 1033 ZPO gibt für die Lösung dieser Frage nichts her, da es in der Sache um eine ausdrückliche Ausschlussvereinbarung in der Art eines pactum de non petendo handelt (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1033 Rz. 17). Das Muster folgt der Auffassung des Autors, dass eine solche Vereinbarung zumindest dann zulässig ist, wenn ihre Folgen für die Beteiligten überschaubar sind (Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 326), was bei einer Schiedsvereinbarung in Bezug auf eine bereits bestehende Streitigkeit (m.E. beide Sachverhalte, aber insbesondere natürlich Sachverhalt 1) sicher der Fall ist. A47 Diese Ergänzung soll sicherstellen, dass bei einer Verzögerung der Konstituierung des Schiedsgerichts einstweiliger Rechtsschutz von staatlichen Gerichten verlangt werden kann.
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A48 Der Alternativvorschlag zu Abs. 5 entspricht der gesetzlichen Regelung des § 1033 89 ZPO. Satz 2 dieses Vorschlags enthält ergänzend eine Zuständigkeitsvereinbarung bezüglich der örtlichen Zuständigkeit deutscher staatlicher Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz, die nach h.M. ohnehin konkludent in der Wahl des Schiedsorts enthalten ist (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 6.5.1996 – 6 W 32/96, NJW 1997, 749; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1033 Rz. 2), was natürlich nur für Konstellationen zulässig ist, die die Prorogationsvoraussetzungen der §§ 38 und 40 ZPO erfüllen (vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1033 Rz. 15; eine Derogation deutscher Gerichtsbarkeit durch Wahl des eines Schiedsorts in der Schweiz sieht OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.11.2004 – 12 U 2881/04, SchiedsVZ 2005, 50 mit krit. Anm. Geimer). Sachlich zuständiges Gericht der Hauptsache für einstweiligen Rechtsschutz nach §§ 916 ff. ZPO ist das hypothetische Hauptsachegericht, d.h. dasjenige Gericht, das in der Hauptsache zuständig wäre, wenn keine Schiedsvereinbarung vorläge (vgl. Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 282; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1033 Rz. 20). Wer den streitigen Bereich des Ausschlusses staatlicher Gerichtsbarkeit meiden will, sollte stets die hier der Variante 2 zugeordnete Formulierung wählen. A49 Der letzte Satz soll vermeiden, dass gleichzeitig zwei Verfahren zum einstweiligen 90 Rechtsschutz betrieben werden. Ob dies zulässig ist, ist umstritten, vgl. hierzu Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 293 ff., einerseits und Schroth, SchiedsVZ 2003, 102 (104–106) andererseits; Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 2859 ff.
Bandel 375
Kap. 23 Rz. 91
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.1
91
A50 § 10 Abs. 1 gibt nur die Rechtslage wieder, die nach § 1042 ZPO ohnehin gilt. Da die Vereinbarung einen aktuellen Streit befrieden soll, wird statisch auf das zum Tag der Vereinbarung geltende Recht verwiesen.
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A51 § 10 Abs. 2 entspricht § 1042 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Einer generellen Zuweisung dieser Befugnis an den Vorsitzenden dürfte § 1052 Abs. 3 ZPO entgegenstehen, der nur die Übertragung „einzelner“ Verfahrensfragen zulässt (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 19 Rz. 7). Leider sind die gesetzlichen Befugnisse des Vorsitzenden ebenso ungeklärt wie der Umfang der Ermächtigungsmöglichkeit, was eine vorsichtige und exakte Behandlung des Problems geraten sein lässt (vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1052 Rz. 10-14; ausführlich Schlosser, SchiedsVZ 2003, 1). Derzeit besteht folgendes Meinungsbild: – Unabhängig von jeder Ermächtigung leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Schiedsgerichts (äußerer Verfahrensablauf), führt z.B. den Schriftwechsel mit den Parteien, wählt die Räumlichkeiten für die Zusammenkunft des Schiedsgerichts und leitet die mündliche Verhandlung (Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 8; Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 1217 ff.; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 10; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 7). Die Terminierung wird mehrheitlich als eine Frage des äußeren Verfahrensablaufs angesehen (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 4; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 7; a.A. jedoch Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 8: Fall des § 1052 Abs. 3 ZPO). – Ermächtigungen des § 1052 Abs. 3 ZPO betreffen hingegen Fragen des sog. inneren Verfahrensablaufs, was eindeutig klingt, jedoch auf Einzelfragen keine einheitliche Antwort bringt. Hierzu folgende Beispiele: Einheitlich werden die Verfahrensweise, insbesondere im Zusammenhang mit der Terminsvorbereitung und bei der Beweiserhebung dem inneren Verfahrensablauf zugeordnet (wie vorstehend und Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1052 Rz. 10 ff.). Hingegen wird die von der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/5274, S. 54) gegebene Zuordnung der Entscheidung über die Verfahrenssprache gemäß § 1045 Abs. 1 ZPO, die Wahl zwischen schriftlichem und mündlichem Verfahren oder die Zuziehung von Sachverständigen zum inneren Verfahrensablauf zwar überwiegend akzeptiert, vereinzelt jedoch auch bestritten (Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 8, der hier stets eine Kollegialentscheidung verlangt). – Wohl unstreitig außerhalb der Ermächtigung des § 1052 Abs. 3 ZPO liegt wegen ihrer großen Bedeutung für das Verfahren die Festlegung des Schiedsorts gemäß § 1043 Abs. 1 ZPO (Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 1231; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 10; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 7).
93
A52 Der Ort des Schiedsverfahrens sollte immer von den Parteien festgelegt werden, da er vielfältige Bedeutung hat (vgl. Hobeck/Stubbe, SchiedsVZ 2003, 15 [19 u. 21]; Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28 [31]). Die Hauptbedeutung des Orts des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt darin, dass er gemäß § 1025 Abs. 1 ZPO darüber entscheidet, ob es sich um ein inländisches Schiedsverfahren handelt, für das die Vorschriften des 10. Buchs der ZPO uneingeschränkt gelten und das mit einem inländischen Schiedsspruch abgeschlossen wird, oder um ein ausländisches Schiedsverfahren (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1043 Rz. 1). Daneben hat der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß § 1062 Abs. 1, 2. Var. ZPO auch Auswirkung auf die örtliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren und, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens von den Parteien bestimmt wird, nach h.M. auch auf die örtliche Zustän376
Bandel
M 23.1
Schiedsvereinbarung
Rz. 98 Kap. 23
digkeit staatlicher Gerichte für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß §§ 916 ff. ZPO (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1033 Rz. 2 zum alten Recht OLG Hamburg, Beschl. v. 6.5.1996 – 6 W 32/96, NJW 1997, 749 = RIW 1996, 857 mit zust. Anm. Trappe). Nach Schütze, SchiedsVZ 2014, 274 (275), ist die Schiedsvereinbarung bis zur Bestimmung des Schiedsortes schwebend unwirksam, wenn erst über den Schiedsort das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht bestimmt werden kann. A53 Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist vom faktischen Gerichtsplatz zu un- 94 terscheiden und kann deshalb als „virtuell“ bezeichnet werden (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1043 Rz. 4). Die für die Beteiligten und das Schiedsgericht nicht minder bedeutsame Frage, an welchem Ort einzelne Verfahrensschritte stattfinden, unterliegt unabhängig von der Bestimmung des Ersteren der Parteiautonomie, mangels Parteivereinbarung dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, § 1043 Abs. 2 ZPO. Dies ermöglicht es auch, ein deutsches Schiedsverfahren komplett außerhalb Deutschlands durchzuführen. § 11 Abs. 2 des Musters regelt den faktischen Gerichtsplatz für Verfahrensteile, bei denen es auf die Präsenz der Parteien ankommt. A54 Die starke Abweichung zu § 1044 ZPO erklärt sich aus der Tatsache, dass der Ab- 95 schluss dieses Schiedsvertrags im Sachverhalt 1 bereits der erste Schritt zur Beilegung des konkret bestehenden Rechtsstreits ist und im Anschluss an die Unterschrift auch die Konstituierung des Schiedsgerichts beginnt. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB ist damit für Ansprüche, die nach deutschem Sachrecht verjähren, die Verjährung gehemmt (vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1044 Rz. 5). Leider wird zu § 1044 ZPO die Meinung vertreten, dass nur der Zeitpunkt des Beginns des Schiedsverfahrens dispositiv ist, nicht aber das Erfordernis, einen Antrag mit dem Mindestinhalt der Vorschrift der Gegenpartei zu übermitteln (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1044 Rz. 1, 3 u. 8 ff.). Ausreichend müsste es auch sein, wenn der Mindestinhalt zwischen den Parteien feststeht, ohne dass eine von ihnen den entsprechenden Antrag gestellt hat. Die Schiedsvereinbarung zur Beilegung der konkreten Streitigkeit enthält bereits alle diese Angaben, so dass ein zusätzlicher Antrag entbehrlich sein sollte. Um solche Zweifel auszuschließen, wird hier klargestellt, dass mit der Unterzeichnung des Schiedsvertrags der Kläger zugleich auch seinen Antrag stellt. Beachte auch die nachfolgende Anmerkung. A55 Dieses Erfordernis gilt in erster Linie beim Dreier-Schiedsgericht. Beim Einzelschieds- 96 richter kann ein Vorschlag für dessen Person vorgeschrieben sein. Eine Abstimmung des Erfordernisses mit den in § 4 Abs. 1 genannten Varianten ist unerlässlich. A56 Eine Abstimmung des Erfordernisses (Frist) mit den in § 4 Abs. 1 genannten Varianten ist unerlässlich.
97
A57 Die Variante 2 lehnt sich eng an die gesetzlichen Vorgaben des § 1044 ZPO an. Diese 98 werden verschärft durch das Erfordernis der Schriftform, die § 1044 ZPO nicht verlangt (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1044 Rz. 6; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1044 Rz. 2; a.A. Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1044 Rz. 2) und die Vorgabe einer Streitwertschätzung, die der Gegenpartei und dem Schiedsgericht die Einschätzung der wirtschaftlichen Bedeutung erleichtern soll, während die Anforderungen an die Angaben zum Streitgegenstand eher das ohnehin notwendige Minimum zu beschreiben suchen (vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1044 Rz. 10–12; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1044 Rz. 1; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1044 Rz. 2). Streitig ist insoweit, ob ein bestimmter Antrag zur Sachentscheidung erforderlich ist (dafür Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1044 Rz. 12; dagegen m.E. zu Recht Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1044 Rz. 2). Das Muster sieht eine solches Erfordernis nicht explizit vor. Bandel 377
Kap. 23 Rz. 99
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.1
99
A58 Auch die Vereinbarung mehrerer Verfahrenssprachen ist zulässig. Fehlt eine entsprechende Abrede, bestimmt das Schiedsgericht die Verfahrenssprache, § 1045 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 ZPO.
100
A59 § 1045 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 ZPO regeln die Reichweite der vereinbarten Verfahrenssprache. Schriftliche Beweismittel sind von ihr nicht unmittelbar erfasst, weil es zuerst auf ihre Authentizität und Originalität ankommt (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1045 Rz. 8). Die gesetzliche Regel stellt Ob und Wie einer Übersetzung schriftlicher Beweismittel in das Ermessen des Schiedsgerichts, das seine Entscheidung allerdings nicht nur am eigenen Verständnis sondern auch am Gebot der Gleichbehandlung und des rechtlichen Gehörs beider Parteien (§ 1042 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 ZPO) auszurichten hat (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1045 Rz. 8). Die Kosten der Übersetzung sind notwendige Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens und deshalb grundsätzlich nach § 1057 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1045 Rz. 2). Die Musterformulierung soll die Möglichkeiten andeuten, wie die Parteien von der dispositiven Regelung abweichen können (Festlegung einer zweiten Sprache, Anforderungen an Übersetzer, differenzierte Kostenregelung).
101
A60 Abs. 1–3 entsprechen der gesetzlichen Regelung des § 1046 Abs. 1 ZPO. Hält eine Partei die Verpflichtung nicht ein, ergibt sich die Rechtsfolge aus der Säumnisregelung (§ 1048 ZPO, hier § 21) ergänzt um möglicherweise zusätzliche Kostenfolgen.
102
A61 Entspricht wörtlich § 1046 Abs. 2 ZPO.
103
A62 Die Regelung ist § 278 Abs. 1 und 2 ZPO nachempfunden. Das 10. Buch der ZPO sagt nichts über Schlichtungsbemühungen des Schiedsgerichts aus, da das ihm zugrunde liegende Modellgesetz mit Blick auf das unterschiedliche Verständnis des Schiedsrichteramts in den verschiedenen Rechtsordnungen diese Frage ausgeklammert hat. Es steht jedoch Schlichtungsbemühungen offen gegenüber und erlaubt damit auch entsprechende Parteivereinbarungen.
104
A63 Anders als § 1047 Abs. 1 ZPO, der die Entscheidung über mündliche Verhandlung oder schriftliches Verfahren in das Ermessen des Gerichts stellt, solange keine Partei die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt, ist hier die mündliche Verhandlung vorgeschrieben. Die Befugnis der Beteiligten, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung einvernehmlich zu verzichten, ist nur klarstellend beigefügt.
105
A64 Im Gesetz ist die Protokollierung nicht vorgesehen, wohl aber in einigen Musterschiedsordnungen, vgl. nur § 29 DIS-SchO.
106
A65 Nach § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO zwingend.
107
A66 Entspricht wörtlich § 1047 Abs. 2 ZPO.
108
A67 Entspricht § 1047 Abs. 2 ZPO mit der Abweichung, dass auch andere als schriftliche Beweismittel beiden Parteien zur Kenntnis zu bringen sind. Dies hat eher klarstellende Funktion, da sich dies auch aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO, ergibt (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1047 Rz. 11).
109
A68 Die Zulässigkeit einstweiliger Maßnahmen ohne vorherige Anhörung der Gegenpartei und damit auch einer solchen Parteivereinbarung ist streitig. Ihr Ziel ist es, den durch das Schiedsgericht möglichen einstweiligen Rechtsschutz in seiner Wirksamkeit dem einstweiligen Rechtsschutz staatlicher Gerichte etwas anzunähern, indem auch überraschende Maßnahmen ermöglicht werden (für die Zulässigkeit solcher Maßnahmen, wenn der Gegenpartei unverzüglich nach Vollzug rechtliches Gehör gewährt wird Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 99; Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, 378
Bandel
M 23.1
Schiedsvereinbarung
Rz. 113 Kap. 23
Rz. 2904-2907; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 3; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 598; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 17a Rz. 20; bei entsprechender Parteivereinbarung auch Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 2; Wolf, DB 1999, 1101 [1102]; dagegen Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1041 Rz. 2, der jedoch eine Ausnahme bei besonderer Eilbedürftigkeit erwägt; Gottwald/Adolphsen, DStR 1998, 1017 [1020]; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1041 Rz. 25; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 483). Der Verweis der Gegenmeinung auf § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist kein überzeugendes Argument, da diese Vorschrift nichts anderes anordnet als Art. 103 Abs. 1 GG für alle staatlichen Gerichte. Danach sind in Ausnahmefällen auch Maßnahmen ohne vorherige Anhörung zulässig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959 – 1 BvR 396/55, BVerfGE 9, 89 [98]; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Einl. I Rz. 17; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor § 916 Rz. 1a; näher Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 2000, 92 f.). Eher schon ergibt sich das Verbot aus § 1047 Abs. 2 und 3 ZPO, der zwingende Verfahrensvorschriften enthält, doch verbietet auch diese Vorschrift keine Auslegung dahin, dass in den Fällen, in denen dem Gehörsgrundsatz ausnahmsweise durch nachträgliche Gehörsgewährung genügt werden kann, das Schiedsgericht die Gegenpartei auch dann „rechtzeitig in Kenntnis setzt“, wenn dies nachträglich erfolgt. Letztlich werden die Exequaturgerichte im Verfahren gemäß § 1041 Abs. 2 ZPO diese Frage verbindlich klären. A69 Die Rechtsfolgen der Säumnis beider Parteien sind im Rahmen der Vorgabe des 110 § 1048 Abs. 4 ZPO regelbar (vgl. zu § 1048 ZPO Quinke, SchiedsVZ 2013, 129). Die gesetzliche Regelung des § 1048 Abs. 1 ZPO motiviert mit ihrer klaren, nicht in das Ermessen des Schiedsgerichts gestellten Sanktion der Verfahrensbeendigung den Kläger zu fristgemäßer Klageeinreichung. Die Beendigung des Verfahrens in diesem Stadium widerspricht aber andererseits der Intention der Schiedsvereinbarung, die dann nämlich außer erheblichen Kosten nichts gebracht hat (vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1048 Rz. 2). Die Textvorschläge versuchen dieses unerfreuliche Ergebnis hinauszuschieben, ohne andererseits ein endloses Verfahren ohne Parteiaktivität auszulösen. Variante 1 im Fall der bereits aktuellen Streitigkeit (Sachverhalt 1) eröffnet dem Beklagten die Möglichkeit, aktiv zu werden, z.B. durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage. Der dadurch verlängerte Verfahrenszeitraum steht auch dem Kläger zur Nachholung seiner Klage offen. Variante 2 entschärft die gesetzliche Regelung, indem sie dem Schiedsrichter Ermessen einräumt, das Verfahren bei Säumnis zu beenden, was auch bei nicht hinreichend entschuldigter Säumnis eine Nachholung in angemessener Frist ermöglicht. A70 Entspricht § 1048 Abs. 2 ZPO und erscheint als Sanktion ausreichend, um eine Pro- 111 zessverschleppung durch den Beklagten zu unterbinden. Auch hier sind Abmilderungen oder Verschärfungen zulässig (vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1048 Rz. 49), z.B. durch Vereinbarung, dass bei Säumnis die Behauptungen des Klägers zugestanden sind (Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 719). A71 Entspricht § 1048 Abs. 3 ZPO, jedoch ohne Beschränkung auf Schriftstücke.
112
A72 Aus entschuldigter Säumnis darf dem Säumigen nach § 1048 Abs. 4 Satz 1 ZPO kein 113 Nachteil entstehen, was wohl auch eine negative Kostenfolge verbietet. Dies wird hier klargestellt, während auf die eher verwirrende Wendung (vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1048 Rz. 42-44), dass die Entschuldigung „nach Überzeugung des Schiedsgerichts“ genügt, verzichtet wird.
Bandel 379
Kap. 23 Rz. 114
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.1
114
A73 Abweichend von § 1049 Abs. 1 ZPO, der die Hinzuziehung von Sachverständigen in das Ermessen des Schiedsgerichts stellt, wird hier durch Parteivereinbarung der Gegenstand des Sachverständigengutachtens auf Fragen der Werkleistung eingeengt. Auch ein vollständiger Ausschluss des Sachverständigenbeweises durch Parteivereinbarung wäre zulässig.
115
A74 § 1051 Abs. 1 u. 2 ZPO enthalten für Schiedsverfahren ein eigenes Kollisionsrecht, das inhaltlich den Grundregeln (Vorrang der Rechtswahl, sonst das Recht der engsten Verbindung) des EG-Übereinkommens v. 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (BGBl. 1986 II, S. 809), nunmehr Art. 3 ff. Rom I-VO, nachgebildet ist (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1051 Rz. 2). Die dem Wortlaut der Vorschrift nach schrankenlose Rechtswahlfreiheit geht über vertragliche Schuldverhältnisse hinaus, wird aber durch zwingende Normen z.B. des Sachenrechts oder zum Schutz bestimmter Personen (Arbeitnehmer, Verbraucher) eingeschränkt (vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1051 Rz. 19 f.; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1051 Rz. 8). Da Verträge mit internationalem Bezug oft selbst eine Rechtswahlklausel enthalten, ist darauf zu achten, dass diese einer Rechtswahl in der Schiedsverfahrensvereinbarung nicht widerspricht.
116
A75 Nach Billigkeit darf das Schiedsgericht gemäß § 1051 Abs. 3 ZPO nur entscheiden, wenn es hierzu ausdrücklich ermächtigt ist. Das Muster stellt nur klar, dass dies hier nicht der Fall ist. Umstritten ist, ob eine Ermächtigung zur Entscheidung nach Billigkeit das Schiedsgericht vollständig von der Beachtung der sonst maßgeblichen materiellen Regelungen freistellt (dafür Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 400; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1051 Rz. 24, nach dessen Ansicht die Vorschrift überhaupt nur diesen Fall regelt; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1051 Rz. 4; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1051 Rz. 6; dagegen Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1051 Rz. 55-57). Da sich die staatliche Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit des Schiedsspruchs stets gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2a) ZPO auf die Einhaltungs des ordre public beschränkt, dieser aber auch bei Billigkeitsentscheidungen zu beachten ist, verlagert sich dieser Streit eigentlich auf die Frage, was zum Inhalt des ordre public im Sinne dieser Vorschrift gehört. Da es Billigkeitsentscheidungen an der Vorhersehbarkeit mangelt, sollte von der Ermächtigung nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Ein solcher könnte vor allem dann gegeben sein, wenn ein Schiedsgericht nicht mit rechtskundigen Personen besetzt wird.
117
A76 Entspricht § 1052 Abs. 2 ZPO. Die Mitteilung, ohne den sich verweigernden Schiedsrichter über den Schiedsspruch abstimmen zu wollen, muss so rechtzeitig erfolgen, dass die Parteien Gelegenheit haben, auf den sich verweigernden Schiedsrichter einzuwirken oder ihn abzuberufen. Das Unterbleiben der Mitteilung oder eine verspätete Mitteilung können zur Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d) ZPO berechtigen (vgl. Saarländisches OLG, Beschl. v. 29.10.2002 – 4 Sch 2/02, SchiedsVZ 2003, 92 [93]).
118
A77 Es ist umstritten, ob ein überstimmter Schiedsrichter berechtigt ist, ein Sondervotum abzugeben, oder ob dies das Beratungsgeheimnis verletzt (für ein solches Recht RaeschkeKessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 878, bezogen auf internationale Schiedsverfahren; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1054 Rz. 20; dagegen Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 1774 f. [zulässig aber mit Zustimmung der Parteien]; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1054 Rz. 22 f. m.w.N. [nur zulässig, wenn alle Schiedsrichter zustimmen und – wenn Vertraulichkeit betroffen ist – auch die Parteien]; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 436 f.). Die Variante verbietet das Sondervotum ausdrücklich, um Zweifel zu beseitigen. Nach richtiger Ansicht berechtigt ein Verstoß nicht zur Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs, sondern begründet ggf. Ansprüche gegen den oder die Schiedsrichter (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl.
380
Bandel
M 23.1
Schiedsvereinbarung
Rz. 130 Kap. 23
2013, § 1054 Rz. 22; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1052 Rz. 3; a.A. Schütze, wie vorstehend). A78 Vgl. vorstehende Anmerkung. Da alle Schiedsrichter mit dem Schiedsrichtervertrag 119 auch der Schiedsvereinbarung zustimmen, bestehen gegen eine solche Regelung nach keiner Ansicht rechtliche Bedenken. A79 § 1056 Abs. 1 ZPO regelt das Gleiche, spricht aber vom „endgültigen Schiedsspruch“, was mehr verdunkelt als erhellt (vgl. zur Endgültigkeit Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1056 Rz. 4 ff.).
120
A80 Nach § 1057 Abs. 1 ZPO ist das Schiedsgericht zwar verpflichtet, eine Entscheidung über die Verteilung der Kosten zu treffen. Inhaltlich ist diese Entscheidung jedoch nicht an die Vorgaben der §§ 91 ff. ZPO gebunden (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 33 Rz. 16 f.; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1057 Rz. 7). Die Parteien können jedoch klarere Vorgaben vereinbaren, vgl. auch folgende Anm. A81 (Rz. 122). Die streitige Frage, ob das Schiedsgericht bei der Festsetzung des Streitwerts unzulässigerweise Richter in eigener Sache ist, hat der BGH zugunsten einer entsprechenden Kompetenz des Schiedsgerichts entschieden, BGH, Beschl. v. 28.3.2012 – III ZB 63/10, BGHZ 193, 38 = SchiedsVZ 2012, 154 = NJW 2012, 1811 = MDR 2012, 739, die allerdings nur die Parteien untereinander bindet, nicht jedoch den Anspruch des Schiedsrichters verbindlich feststellt oder gar tituliert.
121
A81 Durch Parteivereinbarung kann dem Schiedsgericht auch die Entscheidungskompetenz über die Kosten entzogen werden, was aber nicht zweckmäßig ist. Der Entscheidungsmaßstab des § 1057 Abs. 1 ist dispositiv (Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1057 Rz. 2; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1057 Rz. 3; zu Einzelfragen Risse/ Altenkirch, SchiedsVZ 2012, 5). Das Muster macht hiervon Gebrauch, indem es die Anwendung der §§ 91 ff. ZPO bzw. die nachfolgenden Varianten vorschreibt.
122
A82 Vorschlag von Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 1998, um das Schiedsgericht nicht mit den vielen strittigen Details der Erstattungsfähigkeit zu belasten.
123
A83 Die Nachprüfbarkeit von zeitbezogenen Abrechnungen ist beim Anwalt der Gegenpartei noch problematischer als beim Schiedsgericht (vgl. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 1997).
124
A84 Entspricht § 1057 Abs. 2 ZPO. Das Schiedsgericht entscheidet über die Höhe der erstattungsfähigen Kosten, die insbesondere dann feststehen, wenn sie als Vorschuss bezahlt wurden (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 1057 Rz. 6).
125
A85 Zu Möglichkeiten der gestaffelten Vorschussberechtigung vgl. M 24.1 (Kap. 24 Rz. 18).
126
A86 Entspricht § 25 DIS-SchO. Eine gesetzliche Regelung besteht nicht. Soweit eine entsprechende Regelung fehlt, kann sie bezüglich des Schiedsrichterhonorars auch im Schiedsrichtervertrag festgelegt werden, woran jeder Schiedsrichter ein Interesse haben dürfte.
127
A87 Entspricht der Praxis bei Dreierschiedsgerichten.
128
A88 Dieses Kündigungsrecht ist dem in Art. 30 Abs. 2 des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit (CH) enthaltenen Recht, seit 1.1.2011 ersetzt durch Art. 378 Abs. 2 ZPOCH, nachgebildet, das der anderen Partei bei Nichtzahlung des Vorschusses durch den Gegner das Recht gewährt, auf das Schiedsverfahren zu verzichten.
129
A89 Diese Regelung darf gegenüber Verbrauchern wegen § 309 Nr. 4–6 BGB nicht verwendet werden.
130
Bandel 381
Kap. 23 Rz. 131
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.1
131
A90 Ob der Schiedsrichter den Vorschuss selbst einklagen kann, ist streitig (dagegen Schwab/Walter, Kap. 12 Rz. 19; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, Vor § 1025 Rz. 27; dafür Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034 Rz. 44). Den Parteien steht jedenfalls das Recht auf Klage an das staatliche Gericht zu (a.A. Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, Vor § 1025 Rz. 27, der regelmäßig das Schiedsgericht für zuständig hält. M.E. müsste dies in der Schiedsvereinbarung gesondert erwähnt werden).
132
A91 Abs. 1 entspricht wörtlich § 1058 Abs. 1 ZPO.
133
A92 Die dispositive Monatsfrist wurde übernommen, doch wurde dem Schiedsgericht eine Möglichkeit eröffnet, auch später gestellte Anträge zu entscheiden. Dies ist zulässig.
134
A93 Abs. 3–5 entsprechen § 1058 Abs. 3–5 ZPO.
135
A94 Die sachliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte ist zwingend, ebenso die Zuständigkeiten gemäß § 1062 Abs. 3 bis 5 ZPO. Zu beachten ist die Zuständigkeit des OLG Koblenz für die OLG Bezirke Koblenz und Zweibrücken (VO v. 28.4.1998, GVBl. 1998, 134) sowie seit 1.1.2005 alleinige Zuständigkeit des OLG München für ganz Bayern, das diese vom BayObLG übernommen hat.
136
A95 Macht die Vermutungsregel von § 1059 Abs. 5 ZPO zum Vertragsinhalt.
137
A96 Die gegenüber staatlichen Gerichtsverfahren gesteigerte Möglichkeit, das Verfahren vertraulich zu gestalten, gilt als ein wesentlicher Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit (vgl. Lionnet, Handbuch, 2. Aufl. 2003, 235; Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 27 u. 683; s. schon oben Rz. 13). Auch ohne entsprechende Vereinbarung sollen jedenfalls die mündliche Verhandlung des Schiedsgerichts nichtöffentlich sein und die Schiedsrichter dem Beratungsgeheimnis unterliegen (vgl. RG, Urt. v. 16.5.1930 – VII 478/29, RGZ 129, 115 [117]; BGH, Urt. v. 23.1.1957 – V ZR 132/55, BGHZ 23, 128 [140 f.]). Zu den Grenzen der Vertraulichkeit s. Lionnet, Handbuch, 2. Aufl. 2003, 237, Raeschke-Kessler/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 686.
138
A97 Die Zugangsfiktion des § 1028 Abs. 1 ZPO wird wegen ihrer Praktikabilität und dem von ihr ausgehenden Druck, empfangsbereit zu bleiben, unverändert übernommen.
B. Einfache Schiedsvereinbarung I. Einführung 139
Das unter Abschnitt A. vorgestellte Muster M 23.1 (Rz. 42) enthält einen Schiedsvertrag, der aus Anlass eines bereits konkretisierten Rechtsstreits oder einer zu Tage tretenden Störung geschlossen wurde. Zu einer solchen Vereinbarung in der Krise kommt es dann nicht, wenn sich ein Beteiligter im konkreten Streitfall Vorteile von der Durchführung bzw. der vermuteten Nichtdurchführung eines staatlichen Gerichtsverfahrens erwartet. Nur wenn für beide Beteiligten auch im konkreten Streit die Vorteile eines Schiedsverfahrens überwiegen, besteht die Bereitschaft zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung.
139a
Häufiger werden Schiedsvereinbarungen hingegen gleich bei Vertragsschluss getroffen. Damit soll ein Streitentscheidungsmechanismus für das zu diesem Zeitpunkt völlig intakte Rechtsverhältnis vorgegeben werden. Da zu einem solchen Zeitpunkt die Freude des Vertragsschlusses die Angst vor hoffentlich ohnehin nicht auftretenden späteren Problemen deutlich überwiegt und auch sonst die Energie der Beteiligten für die aktuellen Sachfragen des Rechtsgeschäfts und weniger für Fragen eines späteren Rechtsstreits verwendet wird, 382
Bandel
M 23.2
Schiedsvereinbarung
Rz. 140 Kap. 23
führen solche Schiedsklauseln oft das Dasein eines ungeliebten Anhängsels.1 Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Regelungsbedarf im Umfang nicht davon abhängt, ob ein Streit bereits entstanden ist oder nicht. Alle zu Abschnitt A gemachten Erwägungen gelten deshalb auch für die folgenden Muster, deren Verkürzung eher dem eingeschränkten Interesse und den zeitlichen Bedürfnissen der Mandanten geschuldet ist als sachlichen Unterschieden gegenüber der Situation in Abschnitt A.
II. Muster M 23.2 Einfache Schiedsvereinbarung
140
Variante 1: Schiedsklausel als Bestandteil eines Hauptvertrages I. SchiedsvereinbarungA1 §1 Ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts Über alle Streitigkeiten, die aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehen, entscheidet ausschließlich ein Schiedsgericht.A2 Hiervon umfasst sind insbesondere auch alle Streitigkeiten in Bezug auf die Wirksamkeit des Vertrags, eventuelle Streitigkeiten aus diesbezüglichen Schuldverhältnissen i.S.v. § 311 Abs. 2 und 3 BGB und mit diesen Streitigkeiten zusammenhängende deliktische Streitigkeiten.A3 Soweit … (ggf. Regelung zur Aufrechung wie M 23.1 [Rz. 42] § 2 Variante 1). Variante 1a): Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bleibt erhalten für Streitigkeiten, deren Streitwert in der Hauptsache … Euro nicht übersteigt. Wird ein Anspruch durch Teilklage geltend gemacht, ist für die Zuständigkeit der Streitwert des gesamten Anspruchs maßgeblich. Wird nach Klageerhebung vor dem ordentlichen Gericht der Streitgegenstand durch den Kläger so verändert oder erweitert, dass der vorgenannte Streitwert überschritten wird, so ist ausschließlich das Schiedsgericht zur Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand zuständig. Der Kläger trägt in diesem Fall alle Gerichts- und Anwaltskosten allein, die durch das Verfahren vor dem staatlichen Gericht verursacht wurden.A4, A5 Variante 1b): Jeder Partei bleibt das Recht vorbehalten, Ansprüche im Wechsel- oder Scheckprozess gemäß §§ 602 ff. ZPO geltend zu machen. Für das Nachverfahren nach § 600 ZPO und den Urkundenprozess nach § 592 ff. ZPO ist jedoch ausschließlich das Schiedsgericht zuständig.A6 Variante 2: Gesonderte (!) Schiedsabrede bei Beteiligung eines Verbrauchers §1 Zuständigkeit des Schiedsgerichts Über alle Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Vertrag … (genaue Bezeichnung)A7 entstehen, sowie über die Gültigkeit dieses Vertrags entscheidet ausschließlich/grundsätzlich unter Ausschluss des ordentlichen RechtswegsA8 ein Schiedsgericht. (Ggf. zusätzlich Einschränkung durch Variante 1a)
1 Vgl. zu den Problemen, eine Schiedsklausel einzuführen, Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28; instruktiv für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit das Fallbeispiel von Hobeck/Stubbe, SchiedsVZ 2003, 15.
Bandel 383
Kap. 23 Rz. 140
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.2
Variante 2a): Der Rechtsstreit ist jedoch im ordentlichen Rechtsweg von den staatlichen Gerichten zu entscheiden, wenn – … (Verbraucher) selbst Klage zum staatlichen Gericht erhebt oder – der Durchführung des Schiedsverfahrens widerspricht. Die Widerspruchsfrist beträgt vierzehn Tage. Sie beginnt mit Empfang des Antrags, die Streitigkeit dem Schiedsgericht vorzulegen, wenn im Antrag auf das Widerspruchsrecht hingewiesen wurde. Fehlt der Hinweis im Antrag, beginnt die Widerspruchsfrist erst, wenn der Hinweis gesondert schriftlich erteilt worden ist. (Zusätzlich bei Dreierschiedsgericht): Das Widerspruchsrecht endet jedoch in jedem Fall mit der Benennung eines Schiedsrichters durch … (Verbraucher).A9 Variante 3: Schiedsklausel in einem notariell beurkundeten VertragA10 §1 Ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts Über alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit der Urkunde des Notars … URNr. … vom … nebst etwaigen Nachträgen und Ergänzungen ergeben, sowie über die Gültigkeit aller vertraglicher Vereinbarungen entscheidet ausschließlich unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht. Dies gilt auch für nicht-vermögensrechtliche Streitigkeiten, soweit sie schiedsfähig sind.A11 Das Schiedsgericht entscheidet auch über die Wirksamkeit dieser Schiedsvereinbarung sowie der sonstigen Vereinbarungen zum Schiedsverfahren.A12 (Weiter ggf. wie Variante 1 oder 2) II. Verfahrensvereinbarung § 2A13 Besetzung des Schiedsgerichts Variante 1: Das Schiedsgericht besteht aus einem Einzelschiedsrichter.A14 Variante 2:A15 Das Schiedsgericht besteht aus einem Einzelschiedsrichter. Der Kläger kann jedoch mit seinem Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, den Beklagten unter Benennung eines weiteren Schiedsrichters auffordern, seinerseits einen weiteren Schiedsrichter zu benennen. Der Beklagte kann seinerseits innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Antrags den Kläger unter Benennung eines weiteren Schiedsrichters auffordern, seinerseits einen weiteren Schiedsrichter zu benennen. In diesen Fällen besteht das Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern, der Einzelschiedsrichter wird Vorsitzender des Schiedsgerichts. Variante 3:A16 Das Schiedsgericht besteht aus einem Einzelschiedsrichter. Dieser hat jedoch nach Annahme seines Amtes eine Frist zu setzen, innerhalb derer jede Partei die Bestellung zweier weiterer Schiedsrichter als Beisitzer verlangen kann, indem sie die andere Partei unter Benennung eines weiteren Schiedsrichters auffordert, ihrerseits einen weiteren Schiedsrichter zu benennen. In diesem Fall besteht das Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern, der Einzelschiedsrichter wird Vorsitzender des Schiedsgerichts.
384
Bandel
M 23.2
Schiedsvereinbarung
Rz. 140 Kap. 23
§3 Ort des Schiedsverfahrens Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist …A17 Zu einer mündlichen Verhandlung und zur Vernehmung der Parteien darf das Schiedsgericht nur an diesem Ort zusammentreten.A18 Den Ort, an dem das Schiedsgericht zur Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, zur Beratung zwischen seinen Mitgliedern, zur Besichtigung von Sachen oder zur Einsichtnahme in Schriftstücke zusammentritt, bestimmt (Alternative 1:) das Schiedsgericht (Alternative 2:) der VorsitzendeA19 nach Zweckmäßigkeit.A20 §4 Verfahrenssprache Die Verfahrenssprache ist deutsch.A21 §5 Durchführung des Verfahrens Variante 1: Eine mündliche Verhandlung ist ausgeschlossen.A22 Variante 2: (1) Vor Erlass des Schiedsspruchs findet eine mündliche Verhandlung statt, wenn die Parteien hierauf nicht ausdrücklich verzichtet haben. (2) Über jede mündliche Verhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Es ist von dem Vorsitzenden zu unterschreiben. Die Parteien erhalten Kopien des Protokolls. §6 Anwendbares Recht (1) Das Schiedsgericht entscheidet den Rechtsstreit nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Internationalen Privatrechts. Die Anwendung des Wiener UNÜbereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) vom 11.4.1980 ist jedoch ausgeschlossen.A23 (2) Das Schiedsgericht ist auch ermächtigt, nach Billigkeit zu entscheiden.A24 §7 Einstweiliger Rechtsschutz durch das Schiedsgericht Variante 1: Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, vorläufige oder sichernde Maßnahmen in Bezug auf den Streitgegenstand anzuordnen, wird ausgeschlossen.A25 Variante 2: Das Schiedsgericht darf vorläufige oder sichernde Maßnahmen (Alternative 1) nur nach vorheriger Anhörung des Antragsgegners anordnen.A26 (Alternative 2) nur nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung anordnen, zu der mit einer Frist von mindestens zwei Wochen geladen worden ist.A27 Variante 3 (nur bei Dreierschiedsgericht): Über die Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen und das hierbei zu beachtende Verfahren entscheidet der Vorsitzende als Einzelschiedsrichter.A28
Bandel 385
Kap. 23 Rz. 140
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.2
III. Kosten, Vorschüsse §8 Entscheidung über KostenA29 Das Schiedsgericht hat in einem Schiedsspruch darüber zu entscheiden, zu welchem Anteil die Parteien die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens zu tragen haben. In gleicher Weise entscheidet es über die Erstattung der den Parteien erwachsenen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten. Die Entscheidung hat entsprechend §§ 91 ff., 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu erfolgen. §9 Vorschüsse Das Schiedsgericht kann die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens und etwaige Beweisaufnahmen vom Eingang ausreichender Kostenvorschüsse abhängig machen.A30 IV. Bestimmungen zum SchiedsrichtervertragA31 § 10 Schiedsrichtervertrag Mit jedem Schiedsrichter ist schriftlich ein Schiedsrichtervertrag zu schließen, in dem der Schiedsrichter diese Schiedsvereinbarungen als für ihn verbindlich anerkennt. Im Schiedsrichtervertrag muss Folgendes vereinbart sein: 1. Vergütung:A32 Variante 1: Einzelschiedsrichter Der Einzelschiedsrichter erhält für das gesamte Verfahren eine Vergütung von 3,3 Gebühren nach § 13 RVG. Diese ermäßigt sich bei einer Beendigung des Verfahrens ohne Schiedsspruch oder Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut auf 2,0 Gebühren. Variante 2: Dreierschiedsgericht Die Schiedsrichter erhalten für das gesamte Verfahren entsprechend dem RVG die Gebühren eines Berufungsverfahrens nach VV 3200–3202. Für die Mitwirkung an einer Einigung der Parteien durch Vergleich fällt keine zusätzliche Gebühr nach VV 1003 an. 2. Vorschüsse:A33 Der/Die Schiedsrichter ist/sind berechtigt, einen Vorschuss anzufordern, der die gesamte Höhe seiner/ihrer voraussichtlichen Vergütung und Auslagen abdeckt. 3. Haftung:A34 Der/Die Schiedsrichter haftet/haften für Vorsatz sowie für jede Verletzung seiner/ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit. In diesem Umfang sind sie auch für Hilfspersonen, derer sie sich zur Durchführung des Schiedsverfahrens bedienen, haftbar. Im Übrigen ist ihre Haftung ausgeschlossen. Ergänzung im Verbrauchervertrag: Die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit bleibt unberührt. V. SchlussbestimmungenA35 § 11 Maßgebliche Rechtsordnung Das Schiedsgericht verfährt im Übrigen nach den Regeln der ZPO. 386
Bandel
M 23.2
Schiedsvereinbarung
Rz. 146 Kap. 23
§ 12 Vollständigkeit, Schriftform Nebenabreden zu dieser Schiedsvereinbarung sind nicht getroffen. Künftige Änderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform, soweit das Gesetz keine strengere Form vorschreibt. Dies gilt auch für die Änderung dieser Vereinbarung zur Form. § 13 Salvatorische Klausel Sollten einzelne Bestimmungen dieser Schiedsvereinbarung unwirksam sein oder werden, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Lücken sind vorrangig im Sinne der wirksamen Regelungen zu schließen, ergänzend gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
Anmerkungen zu Muster M 23.2 A1 Der Schiedsklausel liegt ein zweiseitiger Vertrag zugrunde. Vertragsinhalt kann alles 140a sein, was schiedsfähig ist. Vgl. zur Schiedsfähigkeit Rz. 24–26. A2 Dieser Satz enthält alle Erfordernisse einer Schiedsklausel und führt bereits zum Aus- 141 schluss der staatlichen Gerichtsbarkeit durch Schiedsverfahren. Wird weiter nichts vereinbart, richtet sich das gesamte Schiedsverfahren nach den Regeln im 10. Buch der ZPO. Vgl. hierzu auch Rz. 19. A3 Vgl. zu Problemen der Reichweite einer Schiedsvereinbarung Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28 (29). Die Formulierung unterstellt das Rechtsverhältnis umfassend der Schiedsvereinbarung.
142
A4 Bagatellklausel, die einerseits versucht, geringwertige Ansprüche vom hierfür zu kost- 143 spieligen Schiedsverfahren fern zu halten, andererseits Vorsorge trifft, dass nicht durch geschickte Klageerhebung die eigentliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts umgangen wird (vgl. hierzu auch Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 406). A5 Ein Mahnverfahren bleibt immer zulässig. Auf Widerspruch oder Einspruch kann nach 144 Abgabe an das Streitgericht die Schiedseinrede erhoben werden (Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1032 Rz. 12). A6 Die Regelung entspricht der von der Rechtsprechung zum Wechselprozess (BGH, Urt. 145 v. 12.1.2006 – III ZR 214/05, BGHZ 165, 376 ff. = MDR 2006, 646 = NJW 2006, 779, 780 = SchiedsVZ 2006, 101 ff.; Urt. v. 28.10.1993 – III ZR 175/92, NJW 1994, 136 = WM 1993, 2227 [2228 f.]; OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.5.1995 – 6 U 175/94, WM 1995, 1488 [1490 f.]) in Zweifelsfällen vertretenen Auslegung, stellt insoweit also nur klar, was im Zweifel ohnehin gilt (vgl. zum Meinungsstand Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 7 Rz. 16 f.). Für den Urkundenprozess war diese Lösung umstritten (vgl. OLG Köln, Urt. v. 9.11.2000 – 18 U 83/00, OLGReport Köln 2001, 227; Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 495 f. und Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1032 Rz. 11 einerseits und OLG Düsseldorf [wie vorstehend] WM 1995, 1488 [1491] andererseits), wurde aber vom BGH, Urt. v. 12.1.2006 – III ZR 214/05, (s.o.) dahin entschieden, dass dieser durch die Schiedsvereinbarung komplett ausgeschlossen ist. Eine kautelarjuristische Lösung des Problems wird von Schütze/Tscherning/Wais, Hdb. des Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 1990, Rz. 95, angemahnt. A7 Eine Schiedsklausel i.S.v. § 1029 Abs. 2 Fall 2 ZPO ist in einem Verbrauchervertrag nur 146 zulässig, wenn dieser Vertrag samt Schiedsklausel notariell beurkundet wird. Ohne notarielle Beurkundung ist eine Schiedsvereinbarung mit einem Verbraucher nur als Schiedsabrede Bandel 387
Kap. 23 Rz. 147
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.2
i.S.v. § 1029 Abs. 2 Fall 1 ZPO möglich. Diese ist gemäß § 1031 Abs. 5 ZPO zudem nur formwirksam, wenn die Urkunde ausschließlich Vereinbarungen enthält, die sich auf das schiedsrichterliche Verfahren beziehen. Diese Urkunde muss von den Parteien eigenhändig unterschrieben sein oder der elektronischen Form des § 126a BGB genügen. Vgl. hierzu auch oben Rz. 28–34. Wegen der generellen Bedenken gegen die Wirksamkeit ist eine Schiedsklausel in Verbraucherverträgen nur in Ausnahmefällen ratsam. Vgl. hierzu auch oben Rz. 22. 147
A8 Die Worte „unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs“ sind, da nur die Rechtsfolge der Schiedsvereinbarung bezeichnet wird, neben dem Wort „ausschließlich“ sicher überflüssig. In Bezug auf den als weniger geschäftserfahren eingestuften Verbraucher kann es aber nicht schaden, diese Rechtsfolge transparent zu machen und so dem Gebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB besonders Rechnung zu tragen. Zu Schiedsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vgl. ausführlich Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 546-588.
148
A9 Die Einschränkung soll nur dem Verbraucher, nicht aber dem Unternehmer die Möglichkeit einräumen, das Schiedsverfahren zu vermeiden. Damit könnten Bedenken gegen Schiedsvereinbarungen zu Verbraucherverträgen ggf. abgemildert werden.
149
A10 Diese Schiedsklausel ist angelehnt an Abschnitt I. § 1 Abs. 1 der Empfehlung der Bundesnotarkammer für eine Schiedsvereinbarung mit Verfahrens- und Vergütungsvereinbarung, abgedruckt mit Erläuterungen in DNotZ 2000, 401, außerdem bei M. Wachter in Kersten/Bühling, 24. Aufl. 2014, § 129 Rz. 29 M, und Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch Notare, 2001, 297 ff. (Rz. 495). S. hierzu auch die Erläuterungen von Wagner, DNotZ 2000, 421 ff. Mit Wirkung zum 1.1.2016 wurden Statut, Kostenordnung und Muster-Schiedsklauseln des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare – SGH aktualisiert, abrufbar unter dnotv.de. Die Musterklauseln verweisen nun sämtlich auf den SGH.
150
A11 Dieser Satz der empfohlenen Schiedsklausel dient nur der Klarstellung dessen, was § 1030 Abs. 1 Satz 2 ZPO ohnehin zur Schiedsfähigkeit regelt. Er kann m.E. auch weggelassen werden.
151
A12 Entspricht § 1040 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
152
A13 Alle nachfolgenden Vereinbarungen sind möglich, aber weder vorgeschrieben noch notwendig. Soweit eine Vereinbarung fehlt, greift das jeweilige Recht der ZPO.
153
A14 § 1034 Abs. 1 ZPO. Können sich die Parteien über die Bestellung des Einzelschiedsrichters nicht einigen, entscheidet gemäß § 1035 Abs. 3 Satz 1 ZPO auf Antrag einer Partei das gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 1 zuständige Oberlandesgericht durch Beschluss, § 1063 Abs. 1 ZPO. Zum dreigliedrigen Schiedsgericht vgl. M 23.1 (Rz. 42).
154
A15 Variante 2 gibt jeder Partei die Möglichkeit, zu Beginn des Verfahrens das Einzelschiedsgericht zu einem Dreierschiedsgericht zu erweitern. Damit dies nicht zu Verzögerungstaktiken missbraucht werden kann, kann dieses Recht nur bei gleichzeitiger Benennung eines Beisitzers wahrgenommen werden.
155
A16 Variante 3 entspricht Abschnitt I. § 2 Abs. 1 Alternative 3 der Empfehlungen der Bundesnotarkammer. Vgl. hierzu oben Anm. A10 (Rz. 149). Die dort auch noch aufgeführte Alternative 2 eignet sich nur in Verfahren, in denen der Vorsitzende nicht von den Beisitzern bestellt wird, wie dies § 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO vorsieht. Die Empfehlungen der Bundesnotarkammer enthalten in Abschnitt II. § 2 eine dafür passende Regelung.
156
A17 § 1043 Abs. 1 ZPO. Vgl. zur Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 Anm. A52 (Rz. 93) zu § 14 des Musters.
388
Bandel
M 23.2
Schiedsvereinbarung
Rz. 173 Kap. 23
A18 Satz zwei erübrigt sich, wenn eine mündliche Verhandlung ausgeschlossen wird, vgl. nachfolgend Anm. A22 (Rz. 161) zu § 5 des Musters.
157
A19 Ermächtigung gemäß § 1052 Abs. 3 ZPO im Falle des Dreierschiedsgerichts, die zu- 158 lässig ist (vgl. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1043 Rz. 5). A20 § 1043 Abs. 2 ZPO. Vgl. zum faktischen Gerichtsplatz auch M 23.1 Anm. A53 (Rz. 95) zu § 14 des Musters.
159
A21 § 1045 ZPO. Ausführlicher M 23.1 Anm. 58 f. (Rz. 99 f.) zu § 16 des Musters.
160
A22 § 1047 Abs. 1 ZPO. Ausführlicher M 23.1 Anm. A63 f. (Rz. 104 f.) zu § 19 des Musters. Variante 2 entspricht M 23.1 (Rz. 42) § 19.
161
A23 § 1051 Abs. 1 ZPO. Die Einbeziehung der Vorschriften des IPR kann insbesondere dann Sinn machen, wenn das Schiedsgericht auch zwingende Vorschriften des ausländischen Rechts beachten soll. S.a. M 23.1 (Rz. 42) § 23 mit Anm. A74 (Rz. 115).
162
A24 § 1051 Abs. 3 ZPO. Diese Ermächtigung kann die Vorhersehbarkeit der Entscheidun- 163 gen beeinträchtigen. Sollte ein Schiedsrichter keine ausgewiesene Rechtskunde haben, dürfte die Ermächtigung zwingend erforderlich sein. Näher hierzu M 23.1 (Rz. 42) § 23 mit Anm. 75 (Rz. 116). A25 Der Ausschluss der Kompetenz des Schiedsgerichts im einstweiligen Rechtsschutzes ist gemäß § 1041 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig und vermeidet die sonst bestehende Parallelkompetenz mit den staatlichen Gerichten gemäß § 1033 ZPO in eindeutiger Weise. Zu Alternativen vgl. M 23.1 (Rz. 42) § 12 Mit Anm. A39 ff. (Rz. 80 ff.).
164
A26 Zur Zulässigkeit einstweiliger Maßnahmen des Schiedsgerichts ohne Anhörung der 165 Gegenpartei vgl. M 23.1 (Rz. 42) § 20 Abs. 4 mit Anm. 68 (Rz. 109). Der Formulierungsvorschlag geht den sicheren Weg, reduziert damit allerdings die Wirksamkeit des schiedsrichterlichen Rechtsschutzes durch einstweilige Maßnahmen. A27 Die Variante folgt dem Vorschlag von Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4734 166 Nr. I.2.e). Da aber nach § 1047 Abs. 1 ZPO nicht einmal in der Hauptsache mündlich verhandelt werden muss, ist diese Vorgabe nur zu empfehlen, wenn die Parteien auch für die Hauptsache die mündliche Verhandlung zwingend vereinbaren (so § 5 Variante 2). A28 Diese Kompetenz des Vorsitzenden findet sich auch in den Empfehlungen der Bun- 167 desnotarkammer, Abschnitt I § 2 Abs. 1. Vgl. hierzu Anm. A10 (Rz. 149). Zur Zulässigkeit einer solchen Kompetenz s. oben M 23.1 (Rz. 42) § 12 mit Anm. A40 (Rz. 81). A29 Ausführlicher s. M 23.1 (Rz. 42) § 27 mit Anm. A80 ff. (Rz. 121 ff.).
168
A30 Ausführlicher s. M 23.1 (Rz. 42) § 28 mit Anm. 85 ff. (Rz. 126 ff.).
169
A31 Ausführlich s. M 24.1 (Kap. 24 Rz. 18) welches auch als Anlage zur Schiedsverein- 170 barung verwendet werden kann. A32 Vgl. ausführlich die Vergütungsmodelle in M 24.1 (Kap. 24 Rz. 18) § 7 sowie die Anm. dazu. Zum Sinn der Regelung der Vergütung in der Schiedsvereinbarung vgl. Lachmann, SchiedsVZ 2003, 28 (32).
171
A33 Vgl. insbesondere für Dreierschiedsgerichte ausführlich die Regelungen zum Vorschuss in M 24.1 (Kap. 24 Rz. 18) § 9 sowie die Anm. dazu.
172
A34 Vgl. auch die Alternativen in M 24.1 (Kap. 24 Rz. 18) § 5 sowie die Anm. dazu.
173
Bandel 389
Kap. 23 Rz. 174 174
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.2
A35 Zu den Kosten des Schiedsverfahrens vgl. oben Rz. 16 mit Fn. Die Kosten für die Erarbeitung der Schiedsklausel sind hier von den Kosten der Erarbeitung des Hauptvertrags abhängig.
C. Verwendung vorformulierter Schiedsordnungen Literatur: S.a. vor Rz. 1 und Kap. 24 vor Rz. 48. Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 2002; Castello, Uncitral Rules, in Weigand (Hrsg.), Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Edition 2009 (zit.: Castello in Weigand, 2. Ed.); Hök, Die UNCITRAL Schiedsgerichtsregelungen 2010 in baurechtlichen Schiedsverfahren, NZBau 2011, 385; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichsbarkeit, 2003; Patocchi/Niedermaier, UNCITRAL Rules, in Schütze (Hrsg.), Institutional Arbitration, Article-byArticle Commentary, 2013 (zit.: Patocchi/Niedermaier in Schütze, Institutional Arbitration 2013); Pirrung, Das Schiedsverfahren der UNCITRAL, RIW/AWD 1977, 513; Raeschke-Kessler, Die IBA-Rules über die Beweisaufnahme in internationalen Schiedsverfahren, in Böckstiegel, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, Schriftenreihe der DIS Bd. 14, 41; Rau, Die Schieds- und Schlichtungsordnung der UNCITRAL, 1983; Sanders, Commentary on UNCITRAL Arbitration Rules; YCA Vol. II (1977), 172.
I. Einführung 175
National wie international ist es auch in „ad hoc“-Schiedsverfahren nicht selten, dass statt der Erarbeitung eigener Verfahrensvereinbarungen auf eine bereits von dritter Seite erarbeitete Schieds- und Verfahrensordnung Bezug genommen wird. Dies ist in § 1042 Abs. 3 2. Alt. ZPO ausdrücklich vorgesehen, wobei die zwingenden Regeln des 10. Buchs der ZPO den Regeln der Verfahrensordnungen vorgehen und die Bezugnahme formgerecht erfolgen muss (s. hierzu oben Rz. 28–34).
176
Der Vorzug dieses Vorgehens ist neben der damit verbundenen Arbeitsersparnis die Hoffnung oder Gewissheit, auf eine bereits vielfach erprobte und bewährte Gestaltung zurückgreifen zu können, die allseitige Akzeptanz genießt und ggf. den spezifischen Problemen des Streitstoffs angepasst ist. Andererseits sollten solche Schiedsordnungen nie unreflektiert übernommen werden,1 zumal sie oft selbst Gestaltungsspielräume eröffnen. Nicht verwechselt werden darf dieses Vorgehen mit der Vereinbarung eines institutionalisierten Schiedsverfahrens, in dem ein Dritter Parteien und Schiedsrichter (i.d.R.) gegen Entgelt bei der Vorbereitung und Durchführung des Schiedsverfahrens unterstützt (s. hierzu Kap. 24 Rz. 48 ff. sowie Kap. 27 und Kap. 28). Diese Institutionen haben in der Regel auch eigene Schiedsordnungen, die sich jedoch als Schiedsordnungen eines „ad hoc“-Schiedsverfahrens nur eingeschränkt eignen, da zahlreiche Regelungen der jeweiligen administrativen Tätigkeit der Institution Rechnung tragen. Im Folgenden wird beispielhaft2 auf folgende Schiedsordnungen und Regeln hingewiesen: 1. UNCITRAL Arbitration Rules (UNCITRAL-AR) und IBA Rules of Evidence
177
Neben der institutionalisierten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, deren Regelwerk ebenfalls maßgeblich von den UNCITRAL-AR beeinflusst ist,3 hat das von der Generalver1 Vgl. Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch Notare, Rz. 420. 2 Zu weiteren Schiedsregeln internationaler Organisationen s. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025 ff. Rz. 117 ff. 3 Vgl. Berger, International Economic Arbitration, 63; Knoblach, Sachverhaltsermittlung in der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichsbarkeit, 2003, 60 ff.
390
Bandel
Schiedsvereinbarung
Rz. 178 Kap. 23
sammlung der Vereinten Nationen am 15.12.1976 verabschiedete UNCITRAL Arbitration Rules-Regelwerk in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit maßgebliche Bedeutung. Eine überarbeitete Version ist am 15.8.2010 in Kraft getreten. Diese wurde durch Resolution 68/109 (2013) der Generalversammlung um Art. 1 Abs. 4 ergänzt, der die Einbeziehung der Transparenzregeln („Rules on Transparency“) zum Gegenstand hat. Ansonsten blieb die Version des Jahres 2010 unverändert.1 Auf die vielfältigen Besonderheiten, die bei internationalen Schiedsverfahren zu beachten sind, kann hier nicht eingegangen werden. Insoweit sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.2 Ein besonderes Problem dieser Verfahren stellten die Regeln der Beweisaufnahme dar, da 177a diese auf das Engste mit dem anwendbaren Sachrecht verzahnt und je nach Rechtsraum höchst unterschiedlich sind.3 Zur Überwindung dieser Schwierigkeiten hat die International Bar Association – IBA – eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese hat Verfahrensregeln zur Feststellung des Sachverhalts im Schiedsverfahren aufgestellt und später überarbeitet, die am 29.10.2010 vom IBA-Council in ihrer derzeit gültigen Fassung verabschiedet wurden.4 Deren Geltung können die Parteien im Rahmen ihrer Verfahrensvereinbarung ganz oder teilweise anordnen. Ebenso kann das schiedsrichterliche Verfahrensermessen, soweit diesem von den Parteien Raum gelassen wird, zur Anwendung dieser Regeln führen, Art. 2 Abs. 1 IBA-Rules. 2. Baustreitigkeiten Für Baustreitigkeiten hat sich eine spezialisierte Schiedsgerichtsbarkeit entwickelt, für die 178 unter anderem auch mit großer Akzeptanz durch die Parteien die Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der Arbeitsgemeinschaft für privates Bauund Architektenrecht im DeutschenAnwaltVerein – ARGE Baurecht entwickelt wurde.5 Vgl. hierzu im Einzelnen Kap. 9.
1 Die aktuelle wie auch die vorherigen Versionen sind in den Amtssprachen der Vereinten Nationen (nicht deutsch) abrufbar unter uncitral.org. Dort finden sich auch die Musterschiedsklausel und Erläuterungen. 2 Aus dem Literaturverzeichnis zu den UNCITRAL-AR insbesondere Castello in Weigand, 2. Ed., Kap. 16 Rz. 1403 ff.; Hök, NZBau 2011, 385; Patocchi/Niedermaier, in Schütze (Hrsg.), Institutional Arbitration 2013, Chapter 15 Rz. 1007 ff. 3 Raeschke-Kessler, Die IBA-Rules über die Beweisaufnahme in internationalen Schiedsverfahren, in Böckstiegel, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, Schriftenreihe der DIS Bd. 14, 41. 4 Die Regeln sind in vielen Sprachen, auch auf deutsch, unter ibanet.org (über „Media and resurces – Guides and free materials“) abrufbar. Ein Kommentar der Arbeitsgruppe zu diesen IBA-Rules ist abgedruckt bei Weigand, IBA Working Party, Part 2 C Rz. 372 ff. Zur früheren Fassung vgl. Böckstiegel, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, Schriftenreihe der DIS Bd. 14, 137 ff.; s.a. in deutscher Sprache die Erläuterungen von Raeschke-Kessler, Die IBA-Rules über die Beweisaufnahme in internationalen Schiedsverfahren, in Böckstiegel, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, Schriftenreihe der DIS Bd. 14, 41, der selbst Mitarbeiter dieser Arbeitsgruppe war. 5 Vgl. ausführlich hierzu Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 3594 ff.
Bandel 391
Kap. 23 Rz. 179
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.3
II. Muster 179
M 23.3 Schiedsklausel zur Vereinbarung der UNCITRAL-SchiedsgerichtsOrdnungA1, A2 §1 Ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts Jede Streitigkeit, Meinungsverschiedenheit oder jeder Anspruch, die sich aus diesem Vertrag ergeben oder sich auf diesen Vertrag, seine Verletzung, seine Auflösung oder seine Nichtigkeit beziehen, sowie Ansprüche, die, ohne vertraglicher Grundlage zu sein, mit diesem Vertrag und dem aus diesem Vertrag resultierenden Rechtsverhältnis in Zusammenhang stehen,A3 sind unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ausschließlich durch ein Schiedsgericht zu entscheiden.A4 §2 Verfahrensvereinbarung (1) Das Schiedsgericht entscheidet nach den Regeln der UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung in ihrer derzeit gültigen Fassung, soweit sich aus den nachfolgenden Bestimmungen nichts Abweichendes ergibt.A5 In Zweifelsfällen ist maßgeblich die englische Textfassung. (2) Das Schiedsgericht besteht aus einem Einzelschiedsrichter.A6 Können sich die Beteiligten auf die Person des Schiedsrichters nicht einigen, wird dieser vom jeweils amtierenden Präsidenten der … Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main (ernennende Stelle)A7 auf Antrag nur einer Partei verbindlich bestimmt.A8 (3) Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist …A9 Zu einer mündlichen Verhandlung und zur Vernehmung der Parteien darf das Schiedsgericht nur an diesem Ort zusammentreten. Das Schiedsgericht kann an jedem Ort, der ihm unter Berücksichtigung der Umstände des Schiedsverfahrens geeignet erscheint, Zeugen vernehmen, Güter, andere Gegenstände oder Dokumente in Augenschein nehmen und Sitzungen zur Beratung unter seinen Mitgliedern abhalten. Die Parteien sind so rechtzeitig von solchen Beweiserhebungen zu unterrichten, dass sie die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen.A10 (4) Die Verfahrenssprache ist deutsch.A11 (5) Das Schiedsgericht entscheidet den Rechtsstreit nach den materiellen Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschluss der Regeln des Internationalen Privatrechts. Das Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) v. 11.4.1980 ist anwendbar.A12 Das Schiedsgericht ist nicht ermächtigt, nach Billigkeit zu entscheiden.A13 (6) Zur Ermittlung des Sachverhalts und in Bezug auf alle Beweisfragen verfährt das Schiedsgericht nach den IBA Rules of Evidence in der Fassung v. 29.5.2010. Maßgeblich ist die von der IBA veröffentlichte deutsche Übersetzung.A14 (7) Nebenabreden zu dieser Schiedsvereinbarung sind nicht getroffen. Künftige Änderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform, soweit das Gesetz keine strengere Form vorschreibt. Dies gilt auch für die Änderung dieser Vereinbarung zur Form. (8) Sollten einzelne Bestimmungen dieser Schiedsvereinbarung unwirksam sein oder werden, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Lücken sind vorrangig im Sinne der wirksamen Regelungen zu schließen, ergänzend gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
392
Bandel
M 23.3
Schiedsvereinbarung
Rz. 184 Kap. 23
Anmerkungen zu Muster M 23.3 A1 Zum Sachverhalt vgl. M 23.2 Anm. A1 (Rz. 140a). Die Klausel eignet sich für einen in- 179a ternationalen Vertrag, in dem die Anwendung des deutschen Rechts und der deutschen Sprache vereinbart werden konnte. A2 Die aktuelle wie auch die vorherigen Versionen sind in den Amtssprachen der Vereinten Nationen (nicht deutsch) abrufbar unter uncitral.org. Zur Genese einer internationalen Schiedsklausel vgl. Hobeck/Stubbe, SchiedsVZ 2003, 15.
180
A3 Diese Abweichung von der nachfolgenden Musterformulierung der UNCITRAL soll 181 auch Ansprüche aus unerlaubten Handlungen einbeziehen, soweit diese mit dem Rechtsverhältnis in Zusammenhang stehen. Dies ist zulässig (vgl. Rau, UNCITRAL, S. 3; Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 44 Rz. 32; Sanders, YCA II [1977], 172 [179]). Die Neufassung der Schiedsregeln hat daran nichts geändert. A4 Anders die Musterformulierung der UNCITRAL selbst, die lautet:
182
„Any dispute, controversy or claim arising out of or relating to this contract, or the breach, termination or invalidity thereof, shall be settled by arbitration in accordance with the UNCITRAL Arbitration Rules.“ „Jede Streitigkeit, Meinungsverschiedenheit oder jeder Anspruch, die sich aus diesem Vertrag ergeben oder sich auf diesen Vertrag, seine Verletzung, seine Auflösung oder seine Nichtigkeit beziehen, sind durch ein Schiedsverfahren nach der UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung beizulegen (Übersetzung des Autors).“
A5 Die UNCITRAL selbst schlägt den Parteien folgende ergänzenden Regelungen vor 183 (http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/arb-rules-revised/arb-rules-revised2010-e.pdf (Annex, S. 29)): „Note. Parties should consider adding: (a) The appointing authority shall be … (name of institution or person); (b) The number of arbitrators shall be … (one or three); (c) The place of arbitration shall be … (town and country); (d) The language to be used in the arbitral proceedings shall be …“. „Hinweis: Die Parteien sollten erwägen, hinzuzufügen: (a) die ernennende Stelle ist … (Name der Institution oder Person); (b) die Anzahl der Schiedsrichter beträgt … (einen oder drei); (c) der Ort des Schiedsverfahrens ist … (Stadt und Land); (d) die im Schiedsverfahren verwendete(n) Sprache(n) ist (sind) …“ (Übersetzung des Autors).
Wenn dies nicht schon im Hauptvertrag geschehen ist, sollte unbedingt zusätzlich eine Vereinbarung zum anwendbaren Recht getroffen werden, vgl. Abs. 5 mit Anm. A13 (Rz. 191) und Anm. A14 (Rz. 192). A6 Nach Art. 7 Abs. 1 UNCITRAL-SchO sind drei Schiedsrichter zu bestellen, soweit die 184 Parteien nichts anderes über die Anzahl der Schiedsrichter vereinbart haben.
Bandel 393
Kap. 23 Rz. 185
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 23.3
185
A7 Zur Problematik der ernennenden Stelle Aden, Int. Handelsschiedsgerichtsbarkeit, Teil E Einl. Rz. 3 und Art. 6 Rz. 1–7. Bei einem Schiedsort in Deutschland kann das nach § 1062 ZPO zuständige Oberlandesgericht als ernennende Stelle bestimmt werden. Die Internatinale Handelskammer (ICC) mit Sitz in Paris hat sich zum 1.1.2004 eine Verfahrensordnung gegeben, falls sie zur ernennenden Stelle bestimmt wird. Diese ist abrufbar unter http://www.iccwbo.org/court/english/appointing_authority/pdf_documents/rules/rules_appoin ting_english.pdf (auch auf französisch oder spanisch).
186
A8 Nach Art. 8 Abs. 1 UNCITRAL-SchO bestimmt eine von den Parteien vereinbarte ernennende Stelle den Schiedsrichter. Ebenso für nicht bestimmte Schiedsrichter und den Vorsitzenden des Dreierschiedsgerichts Art. 9 Abs. 2 und 3 UNCITRAL-SchO. Der ernennenden Stelle kommt im Streitfall gemäß Art. 41 Abs. 2 bis 4 auch die Aufgabe zu, ein angemessenes Schiedsrichterhonorar zu bestimmen. Fehlt eine ernennende Stelle, so kann der Generalsekretär des Ständigen Schiedsgerichtshofs in Den Haag um die Bestimmung einer solchen ersucht werden.
187
A9 § 1043 Abs. 1 ZPO. Vgl. zur Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 Anm. A52 (Rz. 93) zu § 14 des Musters. Art. 18 Abs. 1 UNCITRAL-SchO überlässt die Bestimmung des Schiedsorts ebenfalls den Parteien und nur bei Fehlen einer Parteiabrede dem Schiedsgericht.
188
A10 Diese Regelung orientiert sich weiterhin an Art. 16 Abs. 2 und 3 UNCITRALSchO a.F. (1976). Der aktuelle Art. 18 Abs. 2 Satz 2 UNCIRAL-SchO gewährt dem Schiedsgericht hier ein weitreichendes Entscheidungsermessen, soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren.
189
A11 Wie § 1045 ZPO bestimmt auch Artikel 19 Abs. 1 Satz 1 UNCITRAL-SchO den Vorrang der Parteivereinbarung.
190
A12 Art. 35 Abs. 1 Satz 1 UNCITRAL-SchO bestimmt auch hier wie § 1051 Abs. 1 ZPO den Vorrang der Parteivereinbarung. Fehlt eine solche, soll das Schiedsgericht das Recht anwenden, das es im betreffenden Fall für geeignet erachtet, Art. 35 Abs. 1 Satz 2 UNCITRAL-SchO.
191
A13 Wie § 1051 Abs. 3 ZPO bestimmt auch Art. 35 Abs. 2 UNCITRAL-SchO, dass das Schiedsgericht nur nach Billigkeit entscheiden darf, wenn es hierzu ausdrücklich ermächtigt wurde. Der Satz dient folglich nur der Klarstellung, dass dem nicht so ist.
192
A14 Vgl. hierzu oben Rz. 178. Zu den Kosten vgl. oben M 23.1 Anm. A35 (Rz. 174).
394
Bandel
Kapitel 24
A. Der Schiedsrichtervertrag I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichten des Schiedsrichters a) Pflicht zur Durchführung des Schiedsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Amtsgerechtes Verhalten und Eignung des Schiedsrichters . . . . . . . . . . . c) Verschwiegenheit des Schiedsrichters d) Durchsetzbarkeit der Pflichten und Haftung des Schiedsrichters . . . . . . . . 2. Rechte des Schiedsrichters . . . . . . . . . . . . a) Vergütung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beratungsgeheimnis, Weisungsbindung und Auskunftsverpflichtung. . . . . . . . . . .
Schiedsrichtervertrag und Schiedsorganisationsvertrag 1
4 5 6 7 10 11 13 14 15 16
II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 M 24.1 Schiedsrichtervertrag . . . . . . . . . . 18 M 24.2 Vereinbarung über die Vergütung der Schiedsrichter . . . . . . . . 47a B. Institutionalisierte Schiedsgerichtsbarkeit und internationales Schiedsverfahren I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schiedsorganisationsvertrag . . . . . . . 2. Schiedsinstitutionen und internationale Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . .
48 51
D. Das Deutsche Ständige Schiedsgericht für Wohnungseigentum (DSGWE) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 24.5 Schiedsvereinbarung des Deutschen Ständigen Schiedsgerichts für Wohnungseigentum. . . . . . . .
79 83
83
E. Ständiges Schiedsgericht der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main (RAKFfM) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 24.6 Schiedsklausel RAK-FfM . . . . . . .
88 89 89
F. Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare (SGH) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 24.7 Schiedsvereinbarung SGH . . . . . .
91 92 92
G. Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 M 24.8 Schiedsvereinbarung DSE . . . . . . 103
C. Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) und Schiedsgerichtsbarkeit der Industrie- und Handelskammern I. Einführung 1. Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) . . . . . . . . . . . . . 64 2. Schiedsgerichtsbarkeit der Industrie- und Handelskammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
H. „Internationale“ Schiedsinstitutionen I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Internationaler Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer mit Sitz in Paris (ICC). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. London Court of International Arbitration (LCIA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. American Arbitration Association (AAA) 4. Schiedsgerichtsinstitut der Stockholmer Handelskammer (AISCC) . . . . . . . . . . . . 5. Internationales Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC – Vienna International Arbitral Centre). . . . . . . 6. World Intellectual Property Organization (WIPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 24.4 Schiedsvereinbarungen DIS. . . . .
II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 M 24.9 Schiedsvereinbarung ICC . . . . . . 115
53
II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 M 24.3 Allgemeines Muster zur Berufung einer Schiedsorganisation . . . . . . 55
66 66
108
109 110 111 112 113 114
Bandel 395
Kap. 24 Rz. 1
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
I. Schiedsgerichte der Handels- und Industriekammern in der Schweiz I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 M 24.10 Empfehlung zur Internationalen Schweizerischen Schiedsordnung der Schweizerischen Handelskammern (Schweizerische Schiedsordnung) . . . . . . . . . . . . 121
A. Der Schiedsrichtervertrag Literatur: S. zunächst die Literatur Kap. 23 vor Rz. 1. Altenkirch, Die Beendigung des Schiedsrichtervertrags durch den Schiedsrichter, SchiedsVZ 2014, 113; Armbrüster, Schiedsrichterhonorar bei vorzeitiger Verfahrensbeendigung, SchiedsVZ 2016, 81; Hantke, Die Bildung des Schiedsgerichts, SchiedsVZ 2003, 269; Lachmann, Die Haftung des Schiedsrichters nach deutschem Recht, AG 1997, 170; Lachmann, Gedanken zur Schiedsrichterablehnung aufgrund Sozietätszugehörigkeit, in Einheit und Vielfalt des Rechts, FS für Reinhold Geimer zum 65. Geburtstag, 2002, 513; Risse/Kuhli, Schiedsrichtervergütung und Umsatzsteuer: Gebrauchsanweisung und Tipps für Fortgeschrittene, SchiedsVZ 2016, 1.
I. Einführung 1
Der Schiedsrichtervertrag ist ein Vertrag zwischen dem Schiedsrichter und allen Parteien des Schiedsgerichts.1 Er ist zu unterscheiden von der kompetenzbegründenden Bestellung i.S.v. § 1035 ZPO und ist von der Schiedsvereinbarung unabhängig.2 Es handelt sich um einen materiell-rechtlichen Vertrag,3 der in nur teilweise klagbarer Weise4 Rechte und Pflichten der Schiedsrichter im Verhältnis zu den Parteien regelt. Der Vertragsschluss erfolgt nach den allgemein für Verträgen gültigen Regeln. Eine Form ist nicht vorgeschrieben.5 Umstritten ist, ob der Abschluss des Schiedsrichtervertrages bereits mit der Bestellung des Schiedsrichters i.S.v. § 1035 ZPO zusammenfällt oder erst später, wenn z.B. ein möglicherweise im Einzelnen ausgehandelter Vertrag unterzeichnet wird.6 In internationalen Fällen richten sich das auf Vertragsschluss und Inhalt des Schiedsrichtervertrages anzuwendende Recht nach Artt. 3 ff. Rom I-VO (früher §§ 27 f. EGBGB).7
1 RG, Urt. v. 3.12.1918 – III 333/18, RGZ 94, 210 (211 f.); BGH, Urt. v. 22.2.1971 – VII ZR 110/69, BGHZ 55, 344 (347). 2 BGH, Urt. v. 29.11.1952 – II ZR 23/52, LM § 1025 a.F. Nr. 5. 3 H.M. BGH, Urt. v. 5.5.1986 – III ZR 233/84, BGHZ 98, 32 (34) = NJW 86, 3077 (3078); Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, Anh. § 1035 Rz. 1; a.A. (auch Prozessvertrag) Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 11 Rz. 9. 4 Vgl. hierzu Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034 Rz. 21-23. 5 Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1035 Rz. 22. 6 Überzeugend hierzu Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4116-4120, 4129; vgl. auch Wais in Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch, 2. Aufl. 1990, Rz. 186, mit Musterkorrespondenz. 7 Altenkirch, SchiedsVZ 2014, 113 (114 f.); Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034 Rz. 9-11; vgl. im Einzelnen noch unter den Vorschriften des EGBGB Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4135-4170.
396
Bandel
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 4 Kap. 24
Der Schiedsrichter kann den Schiedsrichtervertrag nur aus wichtigem Grund kündigen.1 2 Die Parteien des Schiedsverfahrens können dem Schiedsrichter nur gemeinsam kündigen, ein wichtiger Grund ist hier nicht erforderlich.2 Der Vertragstypus des Schiedsrichtervertrags ist umstritten,3 doch sind bei der Beantwor- 3 tung von Einzelfragen Ergebnisunterschiede zwischen den einzelnen Meinungen kaum auszumachen.4 Vielmehr hat der Schiedsrichtervertrag regelmäßig folgenden Vertragsinhalt, auch wenn zu einzelnen Punkten nichts ausdrücklich vereinbart ist: 1. Pflichten des Schiedsrichters a) Pflicht zur Durchführung des Schiedsverfahrens Primärpflicht des Schiedsrichters ist es, das Schiedsverfahren gemäß den hierzu von den 4 Parteien getroffenen Vereinbarungen durchzuführen.5 Für die Beisitzer bedeutet dies zunächst die Pflicht zur zügigen Bestellung eines Obmanns.6 Jeder Schiedsrichter übt sein Amt in allen Stadien des Verfahrens höchstpersönlich aus7 und hat das Schiedsverfahren nach besten Kräften voran und verfahrensgerecht zum Abschluss zu bringen.8 Dies umfasst die Pflicht, an Verhandlungsterminen sowie der Beratung und Abstimmung9 über eine Entscheidung aktiv teilzunehmen und einen Schiedsspruch zu unterzeichnen, zu begründen und bekannt zu machen, auch wenn man bei der Entscheidung überstimmt wurde.10 Alle Tätigkeiten müssen darauf ausgerichtet sein, dass ein Schiedsspruch gefällt werden kann, der wirksam ist und Bestand hat.11 Auch nach Erlass des Schiedsspruchs besteht in den Fällen des § 1058 ZPO eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Berichtigung, Auslegung oder Ergänzung des Schiedsspruchs.
1 RG, Urt. v. 1.5.1921 – VII 349/20, RGZ 101, 392 (395 f.); Urt. v. 20.12.1929 – VII 235/29, RGZ 126, 379 (382); Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1035 Rz. 29; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 133; differenzierend für die Fälle der §§ 1037 und 1038 ZPO Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4369-4380; gänzlich gegen ein Kündigungsrecht Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1035 Rz. 28; wieder a.A. Altenkirch, SchiedsVZ 2014, 113 (116), der für die Kündigung keinen wichtigen Grund verlangt, jedoch bei Kündigung ohne wichtigen Grund für den Schiedsrichter nachteilige Haftungs- und Vergütungsfolgen sieht. 2 Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4368; Voit in Musielak, ZPO 12. Aufl. 2015, § 1035 Rz. 30; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 13 Rz. 8. 3 Vertreten werden die Vertragstypen Auftrag gemäß §§ 662 ff. BGB (bei Unentgeltlichkeit), Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff. BGB oder Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 675, 611 ff. BGB, jeweils mit Modifikationen oder ein Vertrag eigener Art mit Ähnlichkeit zu den vorgenannten Verträgen, vgl. Übersicht bei Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034 Rz. 5, mit zahlreichen Nachweisen. 4 Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1035 Rz. 20. 5 Vgl. Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 144; Wais in Schütze/Tscherning/Wais Handbuch, 2. Aufl. 1990, Rz. 220. 6 Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4277-4279. 7 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 6; vgl. zur Einschaltung qualifizierter Hilfskräfte Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4284–4288. 8 BGH, Urt. v. 5.5.1986 – III ZR 233/84, BGHZ 98, 32 (34) = NJW 86, 3077 (3078). 9 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 1. 10 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034, Rz. 19, 23. 11 BGH, Urt. v. 5.5.1986 – III ZR 233/84, BGHZ 98, 32 (36) = NJW 86, 3077 (3078); Raeschke-Kesser/ Berger, 3. Aufl. 1999, Rz. 519; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, vor § 1025 Rz. 13.
Bandel 397
Kap. 24 Rz. 5
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
b) Amtsgerechtes Verhalten und Eignung des Schiedsrichters 5
Um die vorbezeichneten Pflichten zu erfüllen, muss der Schiedsrichter sachlich und persönlich geeignet sein und sich gemäß seinem Amt verhalten. Schon nach dem Gesetz1 hat deshalb jeder Schiedsrichter sowohl vor als auch während des Verfahrens alle Umstände offen zu legen, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken können, § 1036 Abs. 1 ZPO.2 Ebenso muss er unverzüglich offenbaren, wenn er die geforderte Eignung nicht besitzt3 oder aus anderen Gründen an seiner Pflicht zur Durchführung des Schiedsverfahrens gehindert ist.4 Außerdem ist vom Schiedsrichter jedes Verhalten zu unterlassen, das seine nachträgliche Ablehnung begründen kann.5
5a
Daraus folgt eine über das gesamte Verfahren dauernde Pflicht zur Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, die weit über das Verbot der Vorteilsnahme und der Bestechlichkeit gemäß §§ 331 Abs. 2 und 332 Abs. 2 StGB hinausgeht. c) Verschwiegenheit des Schiedsrichters
6
Die Pflicht der Schiedsrichter zur Verschwiegenheit6 ist umfassend, d.h. sie umfasst in der Regel den gesamten Gegenstand des Verfahrens wie auch das Verfahren selbst.7 Sie umfasst auch das Verbot, im Schiedsverfahren anvertraute oder bekannt gewordene Geheimnisse zu verwerten.8 Es steht den Parteien frei, die Grenzen festzulegen und die Schiedsrichter ganz oder teilweise von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.9 d) Durchsetzbarkeit der Pflichten und Haftung des Schiedsrichters
7
Die einzelnen Mitwirkungs- und Förderungspflichten, z.B. Vornahme verfahrensleitender Handlungen, Aktenstudium und Teilnahme an Beratung und Abstimmung sind unklagbar. Ob auf Unterzeichnung eines bereits erlassenen Schiedsspruchs geklagt und ein entsprechendes Urteil vollstreckt werden kann, ist umstritten, dürfte aber zu bejahen sein,10 da in
1 Zur materiellen und prozessualen Fundierung vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1036, Rz. 14 ff. 2 Die Tätigkeit als Parteivertreter der Gegenpartei in einem früheren Schiedsverfahren ist kein Ablehnungsgrund, vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 11.3.2003 – 6 Sch H 03/02, SchiedsVZ 2003, 191; zu Problemen der Unabhängigkeit von Anwälten in (Groß-)Sozietäten vgl. Lachmann, FS Geimer, 513 ff. 3 Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4273. 4 Zu beachten ist hier insbesondere auch eine eventuelle Zustimmungspflicht der vorgesetzten Behörde für Beamte, § 65 Abs. 1 Nr. 2 BBG und Richter, § 40 Abs. 1 DRiG, vgl. Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 139. Ein aktiver Richter kann nicht Parteischiedsrichter sein. Schiedsvereinbarungen, die dies vorsehen, sind undurchführbar, vgl. KG, Beschl. v. 6.5.2002 – 23 Sch 01/02, SchiedsVZ 2003, 185 f. mit Anm. Mecklenbrauck, 186 f.; eine fehlerhaft erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung macht den Schiedsrichtervertrag nicht nach §§ 134, 138 BGB nichtig, vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.7.2002 – 1 Sch 8/02, SchiedsVZ 2003, 84. 5 Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4292. 6 Für eine Verschwiegenheitspflicht unabhängig von jeder vertraglichen Grundlage Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1035 Rz. 24. 7 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034, Rz. 26. 8 Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4295. 9 Hantke, SchiedsVZ 2003, 269 (273); Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 124. 10 So h.M., vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, Anh § 1035 Rz. 5; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034 Rz. 23 m.w.N.; a.A. Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 146; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 5.
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Bandel
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 10 Kap. 24
diesem Stadium des Verfahrens die Parteien nicht mehr auf die Möglichkeit, das Amt des Schiedsrichters nach § 1038 ZPO zu beenden, verwiesen werden sollten. Klagbar ist hingegen die Einhaltung der Pflicht zur Verschwiegenheit.1 Im Übrigen ist ein pflichtwidrig handelnder Schiedsrichter vorrangig aus seinem Amt zu entfernen, §§ 1036, 1038 ZPO,2 was natürlich auch Einfluss auf den Vergütungsanspruch hat. Daneben haben die Parteien die Möglichkeit, nach Beendigung des Schiedsrichteramtes 8 vom Schiedsrichter wegen Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, ggf. zusätzlich aus Delikt gemäß §§ 823 ff. BGB, Schadensersatz zu verlangen und einzuklagen3 oder gegen einen noch offenen Vergütungsanspruch des Schiedsrichters aufzurechnen.4 Nach vorherrschender Meinung kommt einem Schiedsrichter auch ohne ausdrückliche 9 Vereinbarung das Spruchrichterprivileg i.S.v. § 839 Abs. 2 BGB zugute.5 Dogmatisch lässt sich dies nur als (ungeschriebene) gesetzliche Vorgabe für den Vertragstyp Schiedsrichtervertrag halten, da vertragliche Vereinbarungen ansonsten jedenfalls an den Grenzen der §§ 276 Abs. 2, 309 Nr. 7 BGB zu messen wären. Ob dies auch für Bereiche gelten kann, in denen bisher wenig Schiedsverfahren durchgeführt wurden oder in denen gar Verbraucher beteiligt sind, bleibt abzuwarten. Jenseits der rechtsprechenden Betätigung6 oder im Fall einer Verweigerung oder Verzögerung i.S.v. § 839 Abs. 2 Satz 2 BGB hat ein Schiedsrichter jedoch gemäß § 276 Abs. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Seine Haftung ist der Höhe nach nicht beschränkt. Die Aufnahme haftungsbeschränkender Vereinbarungen in den Schiedsrichtervertrag ist deshalb erwägenswert.7 2. Rechte des Schiedsrichters Vorrangig hat ein Schiedsrichter Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit und Ersatz sei- 10 ner Aufwendungen. Das Schiedsgericht entscheidet niemals selbst über diese Ansprüche.8 Vielmehr können sie – soweit nicht in Bezug auf den Schiedsrichtervertrag eine eigene
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Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034, Rz. 26. Vgl. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4306 f. Vgl. Lachmann, AG 1997, 170 (174 ff.). Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034, Rz. 28 a.E.; weitergehend für Verwirkung bei „bewusster Pflichtverletzung“ Wais in Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch, Rz. 233. Vgl. nur BGH, Urt. v. 22.4.1965 – VII ZR 15/65, BGHZ 12, 15 = NJW 1965, 1523; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034, Rz. 29 m.w.N. in Fn. 57; kritisch dagegen Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4321 ff. Z.B. Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, Missachtung der Offenbarungspflicht gemäß § 1036 Abs. 1 ZPO oder administrativer Pflichten, vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 9. Hantke, SchiedsVZ 2003, 269 (273); a.A. Wais in Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch, 2. Aufl. 1990, Rz. 250, wonach eine Haftungsbeschränkung nicht vereinbart werden sollte. BGH, Urt. v. 25.11.1976 – III ZR 112/74, WM 1977, 319 (320); Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1057 Rz. 1; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1057 Rz. 5; a.A. für den Fall, dass eine Partei die andere auf Vorschussleistung an das Schiedsgericht verklagt Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, vor § 1025 Rz. 27, der dies regelmäßig von der Schiedsvereinbarung erfasst sieht; allerdings kann das Schiedsgericht gemäß § 1057 Abs. 1 ZPO mit Wirkung zwischen den Parteien den Streitwert des Verfahrens festlegen, BGH, Beschl. v. 28.3.2012 – III ZB 63/10, BGHZ 193, 38 = SchiedsVZ 2012, 154 = NJW 2012, 1811 = MDR 2012, 739.
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Kap. 24 Rz. 11
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
Schiedsvereinbarung getroffen wurde1 – nach Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens2 vor den staatlichen Gerichten eingeklagt werden. a) Vergütung 11
Der Schiedsrichter hat in der Regel3 einen Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit, auch wenn dies im Schiedsrichtervertrag nicht ausdrücklich vereinbart sein sollte, §§ 612 Abs. 1 u. 2, 675 BGB. Da jedoch die „übliche Vergütung“ i.S.v. § 612 Abs. 2 BGB wenn überhaupt nur mit großen Schwierigkeiten bestimmt werden kann,4 empfiehlt sich unbedingt eine exakte diesbezügliche Vereinbarung. Fehlt eine solche und lässt sich eine übliche Vergütung nicht feststellen, so bestimmt der Schiedsrichter seine Vergütung gemäß §§ 315 f. BGB nach billigem Ermessen selbst.5 Dies gilt auch für eine vorzeitige Beendigung des Schiedsverfahrens.6
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Wie auch sonst im Rechtsbesorgungsmarkt konkurrieren zwei Vergütungsmodelle, nämlich die wertabhängige Vergütung einerseits und die zeitabhängige Vergütung andererseits, wobei beide Modelle auch modifiziert vorkommen oder miteinander vermischt werden.7 Das GNotKG ist für die Bestimmung der Vergütung auch dann nicht einschlägig, wenn ein Notar das Amt des Schiedsrichters übernimmt. Schuldner der Vergütung sind grundsätzlich sämtliche Parteien des Schiedsverfahrens als Gesamtschuldner gemäß §§ 421, 427 BGB,8 auch wenn der Schiedsrichter nur von einer Partei ernannt wurde. b) Aufwendungsersatz
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Der Schiedsrichter hat Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen im vertraglich vereinbarten Umfang. Schweigt der Vertrag, sind dem Schiedsrichter nach §§ 670, 675 BGB9 diejeni1 Dies ist zulässig, vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1985 – III ZR 169/83, BGHZ 94, 92 (95) = NJW 1985, 1903; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1035 Rz. 26, solange nicht der Schiedsrichter in eigener Sache entscheidet. 2 Während des Verfahrens dürfen die Schiedsrichter ihre Ansprüche (i.d.R. auf Zahlung eines Vorschusses) nicht einklagen, vgl. BGH, Urt. v. 22.2.1971 – VII ZR 110/69, BGHZ 55, 345 (347); Urt. v. 7.3.1985 – III ZR 169/83, BGHZ 94, 92 (95) = NJW 1985, 1903. 3 Natürlich ist auch die unentgeltliche Übernahme des Schiedsrichteramtes, z.B. als Ehrenamt oder Freundschaftsdienst, zulässig. 4 Kritisch schon zu Zeiten der BRAGO und jetzt erst Recht für das RVG Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4213-4216; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 127. Mit der Neuregelung der Rechtsanwaltsvergütung durch das RVG ist zudem unklar, ob die bisher als üblich bezeichneten Vergütungen eins zu eins auf die neuen Vorschriften übertragen werden können. Das RVG selbst regelt die Schiedsrichtervergütung nicht. § 34 RVG gibt für die Tätigkeit als Mediator keine bestimmte Vergütung vor, § 36 RVG regelt nur die Vergütung des im schiedsrichterlichen Verfahren als Parteivertreter tätigen Rechtsanwalts. 5 Raeschke-Kesser/Berger, 3. Aufl. 1999, Rz. 524; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 13. 6 Armbrüster, SchiedsVZ 2016, 81 (82), der auch die Regelungen verschiedener Schiedsordnungen untersucht; § 40.3 DIS-SchO 1998 stellt die Ermäßigung der Vergütung in das Ermessen des Schiedsgerichts. 7 Ausführlich zu den verschiedenen Formen der Vergütung Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4180 ff. 8 RG, Urt. v. 3.12.1918 – III 333/18, RGZ 94, 210 (212); BGH, Urt. v. 22.2.1971 – VII ZR 110/69, BGHZ 55, 344 (347); Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 127; Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 10. 9 S.a. RVG VV 7000, Vorbemerkung 7 Abs. 1, der für die Auslagen des Rechtsanwalts auf diese Vergütung verweist; die DIS hat hierzu eigene Richtlinien (Stand Januar 2005) aufgestellt, s. unter http://www.dis-arb.de/de/16/regeln/uebersicht-id0 (Stand April 2016).
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Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 14 Kap. 24
gen Aufwendungen zu ersetzen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Hierzu gehören z.B. Reisekosten, Kosten für die Anmietung eines Tagungsraumes oder für die spezielle Beschäftigung einer Schreibkraft oder eines Dolmetschers sowie Übermittlungskosten (Post, Telefon, Fax etc.).1 Wird der Vergütung das RVG zugrunde gelegt, sind jedoch die allgemeinen Kosten des Schiedsrichters i.S.v. RVG VV 7000, Vorbemerkung 7 Abs. 1, z.B. seines Büros und seiner Haftpflichtversicherung, nicht erstattungsfähig, sondern mit den Gebühren abgegolten. Nimmt man mit der zum alten Recht h.M.2 an, dass sich der Vergütungsanspruch für einen vom Schiedsgericht bestellten Sachverständigen unmittelbar gegen die Parteien des Schiedsverfahrens richtet, die den entsprechenden Vertrag entweder selbst oder vertreten durch das Schiedsgericht abgeschlossen haben, so ist insoweit für einen Aufwendungsersatz kein Raum.3 c) Vorschuss Auch der Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses richtet sich vorrangig nach den Verein- 14 barungen im Schiedsrichtervertrag. Fehlen solche, gewähren §§ 669, 675 BGB einen Anspruch auf Vorschuss für zu erwartende Auslagen und bei Vereinbarung der Geltung des RVG § 9 RVG4 Anspruch auf Vorschuss für die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen. Auch sonst ist das Recht der Schiedsrichter, entsprechenden Vorschuss von den Parteien zu fordern, gewohnheitsrechtlich anerkannt.5 Soweit nichts Abweichendes vereinbart ist, darf der Vorschuss jedoch nur anteilig von den Parteien gefordert werden.6 Wird ein geschuldeter Vorschuss nicht geleistet, ist das Schiedsgericht berechtigt, die Vornahme der zu bevorschussenden Maßnahme bzw. die Fortsetzung des Verfahrens zu verweigern, was sich für die Vergütung aus §§ 320, 322 BGB und für Auslagen aus § 273 BGB ergibt.7 Nach h.M. darf ein Schiedsrichter während des Schiedsverfahrens den Vorschuss nicht einklagen,8 sondern ist auf diese Zurückbehaltungsrechte beschränkt. Hingegen kann eine Partei die andere vor dem staatlichen Gericht9 auf Leistung des Vorschusses an die Schiedsrichter verklagen.
1 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 21. 2 BGH, Urt. v. 19.11.1964 – VII ZR 8/63, NJW 1965, 298, Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1049 Rz. 8; a.A. nun explizit Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1049, Rz. 22; differenzierend Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1049 Rz. 7. 3 Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 1162-1167. 4 Früher § 17 BRAGO. 5 Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 128; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 16; allgemein zum Vorschuss Buchwitz/Schütt, SchiedsVZ 2015, 1. 6 BGH, Urt. v. 12.11.1987 – III ZR 29/87, BGHZ 102, 199 (202 f.) = NJW 1988, 1215; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1035 Rz. 27; für volle Geltendmachung gegen jede Partei hingegen Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4250. 7 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034, Rz. 44. 8 BGH, Urt. v. 22.2.1971 – VII ZR 110/69, BGHZ 55, 344 (347); Urt. v. 7.3.1985 – III ZR 169/83, BGHZ 94, 92 (95) = NJW 1985, 1903; Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4254; a.A. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034, Rz. 44. 9 BGH, Urt. v. 22.2.1971 – VII ZR 110/69, BGHZ 55, 344 (347 ff.) (inzident); Urt. v. 7.3.1985 – III ZR 169/83, BGHZ 94, 92 (95) = NJW 1985, 1903; AG Düsseldorf, Urt. v. 17.6.2003 – 36 C 19607/02, SchiedsVZ 2003, 240; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, vor § 1034, Rz. 44; Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1035 Rz. 27; a.A. Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, Vor § 1025 Rz. 27: „vor dem Schiedsgericht“.
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Kap. 24 Rz. 15
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.1
d) Umsatzsteuer 15
Der Schiedsrichter erbringt eine sonstige Leistung im umsatzsteuerlichen Sinn, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 9 UStG, so dass sämtliche Entgelte für diese Leistung umsatzsteuerpflichtig sind, §§ 16 Abs. 1, 20 UStG.1 Umsatzsteuerlicher Unternehmer ist nicht das Schiedsgericht, sondern jeder Schiedsrichter selbst. Die Umsatzsteuerpflicht entfällt, wenn der Schiedsrichter Kleinunternehmer i.S.v. § 19 UStG ist und nicht auf die Umsatzsteuerfreiheit verzichtet. 3. Beratungsgeheimnis, Weisungsbindung und Auskunftsverpflichtung
16
Soweit nichts Abweichendes vereinbart ist, gilt auch für das schiedsrichterliche Verfahren das Beratungsgeheimnis.2 Die Parteien des Schiedsverfahrens können dies nicht durch Verfahrensvereinbarung oder dadurch beseitigen, dass sie die Schiedsrichter hiervon entbinden, da das Beratungsgeheimnis auch dem Schutz der Schiedsrichter dient.3 Vielmehr ist die Zustimmung aller Schiedsrichter erforderlich.4 Ansonsten sind auch nachträgliche Vereinbarungen der Parteien zum Schiedsverfahren von den Schiedsrichtern zu beachten.5
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Die Schiedsrichter haben außerdem den Parteien auf Verlangen über den Stand des Verfahrens Auskunft zu geben, über vereinnahmte Geldbeträge abzurechnen, Akten des Schiedsverfahrens aufzubewahren und Akteneinsicht zu gewähren.6
II. Muster 18
M 24.1 Schiedsrichtervertrag Präambel Mit Vertrag vom … haben … (Bezeichnung der ersten Partei) und … (Bezeichnung der zweiten Partei) eine Schiedsvereinbarung getroffen. Die Schiedsrichter Herr/Frau … und Herr/Frau … sowie der/die von ihnen bestimmte Vorsitzende Herr/Frau … haben das Amt angenommen. Hierzu schließt jede der Parteien mit jedem Schiedsrichter folgenden Schiedsrichtervertrag:A1 §1 Eignung und Unabhängigkeit (1) Jeder Schiedsrichter versichert, dass er die in der Schiedsvereinbarung festgelegten Voraussetzungen für sein Amt erfüllt.A2 (2) Jeder Schiedsrichter versichert weiterhin, dass keine Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner persönlichen Unparteilichkeit und Unabhängigkeit wecken können. Er ver-
1 Ausführlich auch zu internationalen Fällen Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4410 ff.; aktuell Risse/Kuhli, SchiedsVZ 2016, 1 ff. 2 Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4093-4095. 3 Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1042 Rz. 121. 4 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1054 Rz. 23. 5 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1042 Rz. 81. 6 Vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 7 und Kap. 16 Rz. 39; einschränkend Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 148.
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M 24.1
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 18 Kap. 24
pflichtet sich, jeden diesbezüglichen Umstand den Parteien unverzüglich offen zu legen und jedes Verhalten zu unterlassen, das einen Grund für berechtigte Zweifel schaffen kann.A3 §2 Durchführung des SchiedsverfahrensA4 Jeder Schiedsrichter verpflichtet sich, das Schiedsverfahren nach der vorbezeichneten Schiedsvereinbarung und den ergänzend geltenden gesetzlichen Bestimmungen zügig durchzuführen. Künftige gemeinsame Weisungen der Parteien des Schiedsverfahrens sind zu beachten. Sämtliche Verpflichtungen sind von jedem Schiedsrichter höchstpersönlich zu erfüllen. Zur Vorbereitung und Unterstützung kann sich ein Schiedsrichter qualifizierter Hilfskräfte bedienen. §3 VerschwiegenheitspflichtA5 (1) Jeder Schiedsrichter ist in Bezug auf das schiedsrichterliche Verfahren, insbesondere dessen Existenz, Inhalt und beteiligte Personen, umfassend gegenüber jedermann zur Verschwiegenheit verpflichtet. Soweit er Hilfspersonen hinzuzieht, hat er diese im gleichen Umfang zur Verschwiegenheit zu verpflichten. (2) Kein Schiedsrichter darf Informationen, die er im Zusammenhang mit der Durchführung des Schiedsverfahrens erworben hat, zu anderen Zwecken verwenden als zur Durchführung des Schiedsverfahrens. (3) Die Verpflichtungen in Abs. 1 und 2 entfallen insoweit, als alle Parteien den Schiedsrichter davon entbinden oder der Schiedsrichter aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zur Auskunft gegenüber Dritten, insbesondere staatlichen Behörden, verpflichtet ist. Sie gelten ferner nicht für Informationen, die der Schiedsrichter in gesetzlich zulässiger Weise von dritter Seite erlangt hat oder die offenkundig sind, sowie für Tatsachen, die der Schiedsrichter zur Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen im Zusammenhang mit diesem Schiedsrichtervertrag vortragen muss.A6 (4) Vorstehende Verpflichtungen bleiben auch nach Beendigung des Schiedsrichteramtes ohne zeitliche Begrenzung bestehen. §4 Auskunft, VerfahrensaktenA7 (1) Die Schiedsrichter sind als Gesamtschuldner verpflichtet, auf schriftliche Anfrage mindestens einer Partei jeweils allen Parteien schriftlich Auskunft über den Stand des Verfahrens zu geben. (2) Die Schiedsrichter sind zu keinem Zeitpunkt verpflichtet, den Parteien Auskunft über ihre Beratungen zu erteilen (Schutz des Beratungsgeheimnisses). Jeder Schiedsrichter ist zu einer solchen Auskunft nur berechtigt, wenn alle übrigen Schiedsrichter zustimmen. Die Verschwiegenheitsverpflichtung aus § 3 bleibt unberührt. (3) Nach Abschluss des schiedsrichterlichen Verfahrens werden alle diesbezüglichen Akten vom Vorsitzenden auf die Dauer von zehn Jahren verwahrt. Soweit sich aus dem Schutz des Beratungsgeheimnisses nichts Abweichendes ergibt, kann jede Partei die Herstellung und Übersendung von Abschriften an sich verlangen. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind die Akten zu vernichten. §5 HaftungA8 (1) Für seine Entscheidungstätigkeit haftet der Schiedsrichter entsprechend § 839 Abs. 2 BGB gleich einem gesetzlichen Richter.A9 Dies gilt auch für Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz.A10
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Kap. 24 Rz. 18
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.1
(2) Für eine sonstige Pflichtverletzung haftet ein Schiedsrichter nur, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.A11 Im gleichen Umfang haftet er für eine Pflichtverletzung durch Hilfskräfte, derer er sich bedient.A12 Variante 1 zu (1) und (2): Für seine Tätigkeit haftet ein Schiedsrichter nur, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt. Im gleichen Umfang haftet er für eine Pflichtverletzung durch Hilfskräfte, derer er sich bedient. Variante 2 (Verbrauchervertrag) zu (1) und (2): Für seine Tätigkeit haftet ein Schiedsrichter nur, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt. Die Haftung wegen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung beruht, wird hierdurch nicht eingeschränkt.A13 Im gleichen Umfang haftet er für eine Pflichtverletzung durch Hilfskräfte, derer er sich bedient. (3) Für eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 3 haftet jeder Schiedsrichter unabhängig vom Maß seines Verschuldens. Ebenso haftet er für eine entsprechende Pflichtverletzung durch Hilfskräfte, derer er sich bedient.A14 §6 Zahlungspflichten der Parteien (1) Jedem Schiedsrichter stehen die Vergütung nach § 7, der Ersatz von Auslagen nach § 8 und Anspruch auf Zahlung von diesbezüglichen Vorschüssen nach § 9 zu. Alle Parteien des Schiedsverfahrens haften für diese Zahlungen den Schiedsrichtern als Gesamtschuldner, soweit nicht nachfolgendA15 etwas Abweichendes bestimmt ist. (2) Soweit sich Zahlungspflichten nach dem Wert des Streitgegenstands berechnen, wird dieser vom Schiedsgericht nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) unter Anwendung der Vorschriften des RVG und des GKG festgesetzt.A16 (3) Anfallende Umsatzsteuern sind zusätzlich zu zahlen.A17 (4) Unbeschadet nachfolgender Fälligkeitsvoraussetzungen werden sämtliche Zahlungspflichten erst vierzehn Tage nach Zugang einer ordnungsgemäßen Rechnung beim Schuldner fällig. (5) Zahlungen erfolgen kosten- und spesenfrei auf das jeweilige vom Schiedsgericht oder vom Schiedsrichter hierfür angegebene Konto. (6) Gegen Zahlungspflichten aus diesem Vertrag kann eine Partei nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufrechnen.A18 (7) Jeder Schiedsrichter ist berechtigt, den Beginn oder die Fortsetzung des Verfahrens und alle hierzu geschuldeten Tätigkeiten solange zu verweigern, bis fällige Zahlungen einschließlich eventueller Verzugszinsen oder -schäden geleistet sind. (8) Wird einem Schiedsrichter grundlos gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 gekündigt, so steht ihm die volle Vergütung sowie der volle Ersatz aller bis dahin angefallenen Auslagen zu.A19 §7 VergütungA20 (1) Variante 1: Die Schiedsrichter erhalten für das gesamte Verfahren jeweils die folgende Vergütung: der Vorsitzende 3.3 Gebühren nach § 13 RVG, jeder weitere Schiedsrichter 2.8 Gebühren nach § 13 RVG. Variante 1a): (a) Endet das Verfahren auf andere Weise als durch Schiedsspruch oder Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, so ermäßigen sich die vorstehenden Gebühren jeweils um 1.3. Die Mit-
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M 24.1
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 18 Kap. 24
wirkung des Schiedsgerichts bei einer Einigung der Parteien durch Vergleich wird nicht gesondert vergütet. (b) Entfällt das schiedsrichterliche Verfahren, bevor das Schiedsgericht sich konstituiert und Verfahrensanordnungen getroffen hat, ermäßigt sich die Vergütung auf 0.8 Gebühren nach RVG.A21 Variante 1b):A22 Diese Vergütung fällt wie folgt an: – Für die Annahme des Amtes erhält der Schiedsrichter 10 % der Vergütung. – Für die Vorbereitung des Schiedsverfahrens bis zum Abschluss der Konstituierung des Schiedsgerichts erhält der Schiedsrichter weitere 10 % der Vergütung. – Für die Durchführung des Schiedsverfahrens erhält der Schiedsrichter weitere 50 % der Vergütung. Dies gilt unabhängig davon, ob mündlich verhandelt wird oder nicht und auf welche Weise das Verfahren beendet wird. – Für den Erlass des verfahrensbeendenden Schiedsspruchs erhält der Schiedsrichter die restlichen 30 % der Vergütung. Die Vergütung reduziert sich um 10 Prozentpunkte, wenn die Parteien auf die Begründung des Schiedsspruchs verzichten. Bei einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut reduziert sich die Vergütung nicht. Variante 2: Die Tätigkeit der Schiedsrichter wird entsprechend dem RVG vergütet wie folgt: – Maßgeblich sind die Gebühren für Berufungsverfahren nach VV 3200–3202.A23 – Wirkt das Schiedsgericht an einer Einigung der Parteien durch Vergleich mit, erhält jeder Schiedsrichter hierfür zusätzlich die Gebühr nach VV 1003. – Für den Vorsitzenden erhöht sich jede dieser Gebühren um 0.2. Entfällt das schiedsrichterliche Verfahren, bevor das Schiedsgericht sich konstituiert und Verfahrensanordnungen getroffen hat, ermäßigt sich die Vergütung auf 0.5 Gebühren nach RVG. Variante 3: Jeder Schiedsrichter erhält eine Vergütung nach Stundensätzen. Der Vorsitzende erhält … Euro, jeder weitere Schiedsrichter … Euro pro Stunde. Aufgewendete Reisezeiten sind mit dem gleichen Stundensatz zu vergüten. Auf Verlangen einer Partei hat der Schiedsrichter eine Aufstellung über die von ihm im Einzelnen geleisteten Stunden vorzulegen, die jedoch keine Angaben zu Inhalten, die dem Beratungsgeheimnis unterliegen, enthalten darf. Variante 4: Die Vergütung der Schiedsrichter richtet sich nach der bei Beginn des Schiedsverfahrens jeweils gültigen Kostentabelle der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), Köln.A24 (2) Wirken die Schiedsrichter in einem Verfahren zur Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen mit, so ist diese Tätigkeit zusätzlich gemäß den Bestimmungen in Absatz 1 zu vergüten. Variante zu Abs. 1 Variante 1: Die Vergütung des Vorsitzenden ermäßigt sich auf 2.0 Gebühren nach § 13 RVG, die der übrigen Schiedsrichter auf 1.5 Gebühren. Ergänzung bei Vergütungen, die vom Streitwert abhängen: Als Streitwert sind … % des jeweiligen Wertes der Hauptsache zugrunde zu legen. (3) Der Anspruch auf Vergütung entfällt für einen Schiedsrichter, der sich unberechtigt weigert, den Schiedsspruch zu unterschreiben. Dies gilt unabhängig davon, ob seine Unterschrift zur Wirksamkeit des Schiedsspruchs erforderlich ist oder nicht.A25 Weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz bleiben hiervon ebenso unberührt wie die Fortdauer der Verpflichtung, die Unterschrift zu leisten. Bandel 405
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Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.1
§8 AuslagenA26 (1) Macht der Schiedsrichter zur Durchführung des Schiedsverfahrens den Umständen nach angemessen Aufwendungen (Reisekosten, Raummiete etc.), so sind die Parteien zum Ersatz verpflichtet. Bei Reisen mit der Bahn ist die Erste Klasse angemessen, bei Flugreisen die sog. Businessklasse. (2) Die Auslagen sind durch Belege nachzuweisen. §9 VorschussA27 (1) Die Schiedsrichter können von den Parteien je zur Hälfte die Zahlung eines Vorschusses für die gesamte voraussichtlich anfallende Vergütung und zu erwartende Auslagen verlangen. Die übrigen Schiedsrichter erteilen dem Vorsitzenden hiermit Vollmacht, den Vorschuss auch für sie festzusetzen, anzufordern, entgegenzunehmen und zu verwahren. Variante (zu § 7 Abs. 1 Variante 1b): Die Schiedsrichter können von den Parteien je zur Hälfte die Zahlung eines Vorschusses für den jeweils voraussichtlich anfallenden Teil der Vergütung und zu erwartende Auslagen verlangen wie folgt: – 20 % der Vergütung unmittelbar nach Annahme des Amtes; – weitere 50 % der Vergütung nach Abschluss der Konstituierung des Schiedsgerichts und – die restlichen 30 % der Vergütung nach Schluss der Verhandlung vor Erlass des verfahrensbeendenden Schiedsspruchs. Die übrigen Schiedsrichter erteilen dem Vorsitzenden hiermit Vollmacht, den Vorschuss auch für sie festzusetzen, anzufordern, entgegenzunehmen und zu verwahren. Variante (zu § 7 Abs. 1 Variante 2): Die Schiedsrichter können von den Parteien je zur Hälfte die Zahlung eines Vorschusses für den jeweils voraussichtlich anfallenden Teil der Vergütung und zu erwartende Auslagen verlangen wie folgt: – für die Gebühr nach VV 3200 unmittelbar nach Annahme des Amtes; – für die Gebühr nach VV 3202 nach Abschluss der Konstituierung des Schiedsgerichts und – für die Gebühr nach VV 1003 vor der Unterbreitung eines Einigungsvorschlags oder dem Ansetzen eines Verhandlungstermins, der zumindest auch dem Zweck dient, eine Einigung der Parteien zu erzielen. Die übrigen Schiedsrichter erteilen dem Vorsitzenden hiermit Vollmacht, den Vorschuss auch für sie festzusetzen, anzufordern, entgegenzunehmen und zu verwahren. (2) Wird beim Schiedsgericht ein Antrag gestellt, vorläufige oder sichernde Maßnahmen anzuordnen, so können die Schiedsrichter vom Antragsteller alleinA28 die Zahlung eines Vorschusses für die gesamte für dieses Verfahren voraussichtlich anfallende Vergütung und zu erwartende Auslagen verlangen. (3) Der Vorschuss darf an die Schiedsrichter insoweit ausgekehrt werden, als die Vergütung angefallen ist und Auslagen nachgewiesen sind. Nach Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens hat der Vorsitzende über den Vorschuss abzurechnen. Beträge, die noch den Schiedsrichtern zustehen, sind an diese zu zahlen. Überzahlungen der Parteien sind diesen in dem Anteilsverhältnis zurückzuzahlen, in dem sie den Vorschuss bezahlt haben.A29 (4) Über einen Vorschuss nach Abs. 2 ist gemäß Abs. 3 bereits gesondert abzurechnen, wenn das Verfahren über den Antrag auf Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen beendet ist.
406
Bandel
M 24.1
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 23 Kap. 24
§ 10 KündigungA30 (1) Die Schiedsrichter können diesen Vertrag nur aus wichtigem Grund kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die Parteien mit geschuldeten Zahlungen mindestens 21 Tage in Verzug sind. (2) Die Parteien können diesen Vertrag jederzeit ohne Angabe von Gründen gemeinsam kündigen. Eine Partei allein kann den Schiedsrichtervertrag nur aus wichtigem Grund kündigen. Ein wichtiger Grund liegt stets vor, wenn das Amt des Schiedsrichters vorzeitig endet oder die Partei den Schiedsrichter wirksam abgelehnt hat. § 11 Anwendbares Recht Auf diesen Vertrag und die damit zusammenhängenden Rechtsbeziehungen der Vertragsteile ist deutsches Recht anzuwenden. § 12 Schlussbestimmungen (1) Nebenabreden zu diesem Schiedsrichtervertrag bestehen nicht. Eventuell zuvor getroffene Abreden werden durch diesen Vertrag vollständig und ersatzlos aufgehoben. (2) Die Änderung, Ergänzung oder Aufhebung dieser Vereinbarung bedarf der Schriftform. Dies gilt insbesondere auch für die Änderung oder Aufhebung dieses Formerfordernisses. (3) Sollten Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden, haben alle Beteiligten eine Regelung zu treffen, die der Bestimmung am nächsten kommt. Eventuelle Lücken sind im Sinne der getroffenen Vereinbarungen zu füllen. Die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen berührt die Wirksamkeit der übrigen Vereinbarungen nicht.
Anmerkungen zu Muster M 24.1 A1 Das Vertragsmuster konkretisiert die Rechtsbeziehung zwischen der jeweiligen Partei 18a und dem bzw. allen Schiedsrichtern, wobei zu jedem Schiedsrichter eine einzelne Vertragsbeziehung besteht. Die Unterzeichnung erfolgt zu Beginn des Schiedsverfahrens, nachdem sich der oder die Schiedsrichter auf Anfrage zur Übernahme des Schiedsrichteramtes bereit erklärt haben. Das Muster ist sehr ausführlich gehalten und in diesem Umfang gewiss nicht üblich. Mit Schiedsverfahren vertraute Beteiligte bzw. deren anwaltliche Vertreter werden sich oft damit begnügen, die Übernahme des Schiedsrichteramtes zu fixieren und sich über die Vergütung zu einigen (vgl. Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4738 a.E.). Da es aber keinen gesetzlich normierten Vertragstypus für den Schiedsrichtervertrag gibt und Ansätze bestehen, die Schiedsgerichtsbarkeit auf neue Anwendungsbereiche auszudehnen, dient das Muster dazu, die in der Literatur und Rechtsprechung gefundene Ausformung des Schiedsrichtervertrags nachzubilden. A2 Vgl. oben Rz. 5 f.
19
A3 Prozessual ergänzt durch § 1036 Abs. 1 ZPO, vgl. oben Rz. 5 f.
20
A4 Vgl. oben Rz. 4.
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A5 Vgl. oben Rz. 6.
22
A6 Dieser Absatz stellt zum einen klar, dass die Pflicht zur Verschwiegenheit nur innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen gilt. Zum anderen belässt er dem Schiedsrichter die
23
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Kap. 24 Rz. 24
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.1
notwendigen Angriffs- und Verteidigungsmittel bei Streitigkeiten aus dem Schiedsrichtervertrag. Für Offenkundigkeit trägt der Schiedsrichter die Beweislast, d.h. in Zweifelsfällen besteht gerade keine Offenkundigkeit. 24
A7 Vgl. oben Rz. 16.
25
A8 Vgl. oben Rz. 8 f.
26
A9 Die Zulässigkeit dieser Klausel ist im Verbrauchervertrag sowie im Fall einer vom Schiedsrichter gestellten Allgemeinen Geschäftsbestimmung zweifelhaft, lässt sich aber mit dem Argument vertreten, dass sie ohnehin nur das abbildet, was gewohnheitsrechtlich gilt (vgl. in diesem Sinne allgemein und vor Geltung des AGBG BGH, Urt. v. 6.10.1954 – II ZR 149/53, BGHZ 15, 12 [15] = NJW 1954, 1763 [1764]; Urt. v. 19.11.1964 – VII ZR 8/63, BGHZ 42, 313 [316]; Raeschke-Kesser/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 534: „Natur des Schiedsvertrags“; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 12 Rz. 9; zu Recht kritisch dagegen Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4333-4343). Rechtlich sicherer ist insoweit die Variante.
27
A10 Dies gilt laut Raeschke-Kesser/Berger, Recht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Aufl. 1999, Rz. 535, angeblich auch ohne entsprechende Vereinbarung. Seit BGH, Urt. v. 9.12.2004 – III ZR 200/04, MDR 2005, 570 = NJW 2005, 436 (437), gilt das Spruchrichterprivileg auch bei Beschlüssen staatlicher Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz.
28
A11 Gegen eine Haftungsbeschränkung außerhalb der Spruchtätigkeit Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 129; differenzierend Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4333 ff.
29
A12 § 278 BGB. Zum Einsatz von Hilfskräften trotz Pflicht zur höchstpersönlichen Leistung Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4284 ff.
30
A13 Formulierung wegen § 309 Nr. 7a) BGB, die in Bezug auf einen Schiedsrichtervertrag etwas seltsam anmutet.
31
A14 Da die Vertraulichkeit einer der wesentlichen Gesichtspunkte des Schiedsverfahrens ist, ist eine Haftungsbeschränkung in diesem Punkt nicht sachgerecht.
32
A15 Abweichung in § 9 Abs. 1 für Vorschüsse.
33
A16 Vgl. oben Rz. 10. Die ermessensgerechte Festsetzung überprüft das staatliche Gericht, das allein auch berechtigt ist, über Ansprüche der Schiedsrichter gegen die Parteien zu entscheiden.
34
A17 Vgl. oben Rz. 15.
35
A18 Die Aufrechnung ist insbesondere denkbar bei Parteischiedsrichtern, die mit der benennenden Partei in ständiger Rechtsbeziehung stehen. Der Aufrechnungsausschluss ist schon wegen sonst möglicher Streitigkeiten um die Vorschusspflicht sinnvoll.
36
A19 Der Vorschlag weicht zugunsten des Schiedsrichters von §§ 627 Abs. 1, 628 Abs. 1 Satz 1 BGB ab, die auf den Schiedsrichtervertrag entsprechend anwendbar sind (vgl. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 132; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 14 Rz. 14 und 16).
37
A20 Vgl. oben Rz. 11 f. Die im Muster enthaltenen Gebührensätze sind nicht als Wertung dahin zu verstehen, dass gerade diese Sätze angemessen sind. Vielmehr können je nach Einzelfall (Zahl der beteiligten Schiedsrichter, Komplexität des Streitstoffs etc.) ganz andere Sätze zutreffend sein. Weitere Formulierungsvorschläge bei Lachmann, Handbuch, 3. Aufl.
408
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M 24.2
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 47a Kap. 24
2008, Rz. 4738 Ziff. I.5. und 6. Zur Schiedsrichtervergütung vergleiche auch das Textmuster des Deutschen Anwaltsvereins, unten M 24.2 (Rz. 47a). A21 Zum Problem der Schiedsrichtergebühren vor Konstituierung des Schiedsgerichts bei Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4177.
38
A22 Diese Variante enthält den Versuch einer Staffelung, die sich mehr am richterlichen Arbeitsaufwand orientiert.
39
A23 Vgl. zu den wichtigsten Aktgebühren Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 4198. 40 Es handelt sich um die Verfahrensgebühr (VV 3100/3200) und die Terminsgebühr (VV 3104/3202) und bei Vergleichen zusätzlich die Einigungsgebühr (VV 1000/1003). A24 Neufassung seit 1.3.2016, s. unter http://www.dis-arb.de, Anlage zu § 40.5 der viel- 41 sprachig abgedruckten „DIS-Schiedsordnung 98“. Zur Orientierung findet sich dort auch ein Gebührenrechner. Natürlich entsteht bei nicht administrierten Ad-hoc-Verfahren keine DIS-Bearbeitungsgebühr. Bei der Verweisung auf eine Gebührenordnung ist es wichtig klarzustellen, welche Fassung bei einer Änderung der Vergütungsordnung maßgeblich ist. A25 Vgl. zur Unterschriftsverweigerung und der Durchsetzung der Unterzeichnung Rz. 7. Das Muster versucht in diesem Punkt, finanziellen Druck aufzubauen.
42
A26 Vgl. hierzu Rz. 13. Ohne Regelung gelten §§ 675, 670 BGB zumindest entsprechend.
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A27 Vgl. hierzu Rz. 14.
44
A28 Die Abweichung von der Pflicht zur hälftigen Vorschusszahlung trägt dem Eilbedürfnis des Antragstellers Rechnung.
45
A29 Dies ist auch bei einer Kostenentscheidung sinnvoll, die einer Partei sämtliche Kosten auferlegt. Die Abrechnung und Durchsetzung der Kostenentscheidung sollte allein der obsiegenden Partei überlassen werden.
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A30 Vgl. hierzu Rz. 2.
47
M 24.2 Vereinbarung über die Vergütung der Schiedsrichter
47a
Ausgearbeitet vom Deutschen Anwaltverein im Einvernehmen mit dem Deutschen Richterbund Stand 10. März 2006A1 Das „Textmuster über die Vereinbarung über die Vergütung der Schiedsrichter“ enthält keine verbindliche Preisregelung. Der Text stellt lediglich modellhaft ein Muster für die Vereinbarung einer Schiedsrichtervergütung dar. Abweichungen vom Textmuster und von den Vergütungssätzen sind ohne weiteres möglich. Die Formulierung dieses Textmusters wurde mit Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. Das Textmuster stellt jedoch lediglich eine Arbeitshilfe für die Vereinbarung einer Schiedsrichtervergütung dar. Die Eigenverantwortung für die rechtlich und tatsächlich korrekte Formulierung einer Vereinbarung zur Schiedsrichtervergütung trägt der Benutzer. Für die Vergütung der Schiedsrichter gelten, soweit die Parteien im Schiedsgerichtsvertrag nichts anderes vereinbart haben, folgende Grundsätze:
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Kap. 24 Rz. 47a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.2
§1 Vergütung (1) Jedes Mitglied des Schiedsgerichts erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung (Gebühren und Auslagen), die derjenigen entspricht, die einem Rechtsanwalt für die Vertretung einer Partei vor den staatlichen Gerichten gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zusteht. Das RVG sieht für gerichtliche Verfahren die Entstehung einer Verfahrensgebühr, einer Terminsgebühr und ggfls. einer Einigungsgebühr vor. Für die Höhe der Gebühren gilt das RVG in der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung geltenden Fassung. (2) Der Vorsitzende des Schiedsgerichts oder der Einzelschiedsrichter erhält für jeden Gebührentatbestand eine Gebühr mit einem Satz von 2,0. Die beisitzenden Schiedsrichter erhalten die Gebühren eines in zweiter Instanz tätigen Rechtsanwalts. Die Mitglieder des Schiedsgerichts können die Gebühren in anderer Weise unter sich aufteilen. (3) Die Parteien haben den Schiedsrichtern alle notwendigen Auslagen ggfls. zzgl. USt. zu erstatten, insbesondere Reisekosten und Tagegelder, Post- und Telekommunikationskosten (evtl. Pauschale nach RVG-VV Nr. 7002) und Aufwendungen, die für die Durchführung des Verfahrens, der Verhandlungen und von Beweisaufnahmen notwendig geworden sind, und zwar nach den Grundsätzen, die für entsprechende Maßnahmen vor den ordentlichen Gerichten gelten. §2 Streitwert Das Schiedsgericht legt der Berechnung der Gebühren einen Streitwert zugrunde, der nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung und des Gerichtskostengesetz zu bemessen ist. Die Bestimmung des Streitwerts erfolgt im Rahmen des § 315 BGB. §3 Fälligkeit Die Fälligkeit der Ansprüche der Schiedsrichter richtet sich nach den Bestimmungen des RVG (§ 8). §4 Haftung der Parteien Die Parteien haften den Schiedsrichtern als Gesamtschuldner. §5 Vorschuss (1) Die Schiedsrichter können von den Parteien je zur Hälfte die Zahlung eines Vorschusses bis zur Höhe der voraussichtlich entstehenden Vergütung verlangen. Ist der geleistete Vorschuss verbraucht, so kann Vorschuss nachgefordert werden. Zahlt eine Partei nicht, kann die andere Partei in Anspruch genommen werden. (2) Das Schiedsgericht kann den Beginn seiner Tätigkeit vom Eingang des Vorschusses abhängig machen. §6 Wegfall eines Schiedsrichters (1) Fällt ein Schiedsrichter ohne sein Verschulden weg, so stehen ihm, im Falle seines Todes seinen Erben, die Gebühren zu, die bis zu seinem Ausscheiden entstanden sind und sofern ihm die Klagebegründung oder die Klageerwiderung bereits zugegangen war. Ohne Zugang von Klagebegründung oder Klageerwiderung fällt die Hälfte der bis zum Ausscheiden entstandenen Gebühren an. 410
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M 24.2
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 47b Kap. 24
(2) Scheidet ein Schiedsrichter aus einem von ihm schuldhaft zu vertretenen Anlass aus einem laufenden Verfahren aus, stehen ihm keine Gebühren zu. §7 Scheitern eines Schiedsverfahrens (1) Endet ein Schiedsverfahren, ohne dass es zu einem Schiedsspruch kommt, kein Schiedsvergleich ergeht oder die Schiedsklage nicht zurückgenommen wird, so gilt die Regelung des § 6 Abs. 1 für alle Schiedsrichter. (2) Endet ein Schiedsverfahren, ohne dass es zu einem Schiedsspruch kommt, kein Schiedsvergleich ergeht oder die Schiedsklage nicht zurückgenommen wird, infolge Verschuldens von Schiedsrichtern, so stehen diesen keine Gebührenansprüche zu. Sie haben bereits erhaltene Vorschüsse zurückzuzahlen. Weitergehende Ansprüche der Parteien bleiben unberührt. §8 Einfordern der Vergütung oder eines Vorschusses (1) Der Vorsitzende des Schiedsgerichts gilt als ermächtigt, die Zahlung der Vergütung sowie eines Vorschusses hierauf für alle Mitglieder des Schiedsgerichts von den Parteien einzufordern und in Empfang zu nehmen. (2) Ein Vorschuss soll auf ein Anderkonto des Schiedsgerichtsvorsitzenden eingefordert werden. Sobald das Schiedsverfahren beendet ist und kein Anspruch auf Rückzahlung von Vorschüssen besteht, darf der Vorsitzende des Schiedsgerichts die Vorschusszahlung in der vereinbarten Höhe an sich und die Beisitzer weiterleiten. §9 Nachweis der Höhe der Vergütung Die Vergütung kann nur aufgrund einer von dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts oder dem Einzelschiedsrichter unterzeichneten Berechnung verlangt werden. § 10 Gerichtsstand Für Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung ist das in dem Schiedsvertrag als zuständiges Gericht bestimmte Oberlandesgericht, in Ermangelung einer solchen Bestimmung das nach § 1062 ZPO bestimmte Oberlandesgericht, zuständig.
Anmerkung zu Muster M 24.2 A1 Abdruck mit freundlicher Zustimmung des Deutschen Anwaltvereins e.V. Der Deutsche Anwaltverein hat dieses Muster im Einvernehmen mit dem Deutschen Richterbund (abrufbar unter http://anwaltverein.de/de/downloads/tipps-und-mustervertraege) für die Vereinbarung der Schiedsrichtervergütung ausgearbeitet, das laut Armbrüster, SchiedsVZ 2016, 81 (89), als übliche Vergütung angesehen werden kann.
B. Institutionalisierte Schiedsgerichtsbarkeit und internationales Schiedsverfahren Literatur zur internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit: Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 2001; Berger, International Economic Arbitration, 1993; rechtsvergleichender Überblick bei Gottwald, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit (Generalbericht), in Gottwald, Interna-
Bandel 411
47b
Kap. 24 Rz. 48
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
tionale Schiedsgerichtsbarkeit, 1997; Lionnet, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit: Systematische Darstellung der privaten Handelsschiedsgerichtsbarkeit für die Praxis der Parteien, 2. Aufl. 2001; Nedden/Herzberg, ICC-SchO DIS-SchO, Praxiskommentar zu den Schiedsgerichtsordnungen, 2014 (zit.: Bearbeiter in Nedden/Herzberg); Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. 1989; Schütze (Hrsg.), Institutional Arbitration, Articleby-Article Commentary, 2013 (zit.: Bearbeiter, in Schütze, Institutional Arbitration, 2013); Weigand, Practitioner’s Handbook on International Commercial Arbitration, 2. Aufl. 2009 (zit.: Bearbeiter in Weigand, 2. Aufl.); Wilske/Markert, Entwicklungen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Jahr 2010 und Ausblick auf 2011, SchiedsVZ 2011, 57; Wolf, Die Institutionelle Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1992. Literatur zu den Schiedsordnungen der einzelnen Schiedsinstitutionen: DIS: Bredow, Die DISSchiedsordnung 1998, DIS-MAT IV (1998), 111; zur Sportschiedsgerichtsordnung Mazza, Die 2016 DIS-Sportschiedsgerichtsordnung, SchiedsVZ 2016, 90, und Hofmann, DIS-Sportschiedsgerichtsordnung am 1.4.2016 mit Verfahrenskostenhilfe und weiteren Neuerungen für effektivere Sportschiedsgerichtsverfahren, SchiedsVZ 2016, 90. ICC: Bühler, Die ICC-Schiedsgerichtsordnung 1998 aus der Sicht der Parteien, DIS-MAT II (1998), 23; Bühler/Jarvin, The Arbitration Rules of the International Chamber of Commerce, in Weigand, Practitioner’s Handbook on International Arbitration, 2. Aufl. 2009 (zit.: Bühler/Jarvin in Weigand, 2. Aufl.); Nedden/Herzberg, ICC-SchO DIS-SchO, Praxiskommentar zu den Schiedsgerichtsordnungen, 2014 (zit.: Bearbeiter in Nedden/Herzberg); Reiner, Handbuch der ICC-Schiedsgerichtsbarkeit. Die Verfahrensordnung des Schiedsgerichtshofes der Internationalen Handelskammer unter Berücksichtigung der am 1.1.1988 in Kraft getretenen Änderungen, 1989; Reiner, Le Règlement d’arbitrage de la CCI, version 1998, Rev. de l’arb. 1998 Nr. 1, 25. SGH: Bietz, Zur Praxis von Schieds- und Schlichtungsverfahren – unter besonderer Berücksichtigung des SGH-Statuts deutscher Notare, MittBayNot 2000, 349 ff.; Schmitz, Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare – SGH – Anregungen für Schiedsklauseln, notar 2002, 64; Wolfsteiner, Der Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof deutscher Notare (SGH), notar 1999, 115; Wiener Regeln: Baier/Hahnkamper: Die Neuen Wiener Regeln, SchiedsVZ 2013, 141.
I. Einführung 48
Im sog. „ad-hoc“-Schiedsverfahren treffen die Parteien die Schiedsvereinbarung nebst Verfahrensvereinbarung selbst, benennen die Schiedsrichter und schließen mit ihnen die Schiedsrichterverträge. Die Schiedsrichter führen dann das Verfahren durch. Kommt es im Vorfeld oder bei der Durchführung des Verfahrens zu Problemen, kann zu deren Überwindung die Hilfe der staatlichen Gerichte in Anspruch genommen werden.
49
Verschiedenste Einrichtungen bieten ihre Mithilfe zur Durchführung von Schiedsverfahren an. Neben schon lange tätigen, national1 oder international2 etablierten Organisationen 1 Zu nennen ist hier insbesondere die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS), die sich aus mehreren Vorgängerorganisationen entwickelt hat (vgl. hierzu Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025, Rz. 81) sowie die Schiedsgerichtsbarkeit der Handelskammer Hamburg, angeboten sowohl als Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit, sog. Hamburger Freundschaftliche Arbitrage, als auch als administrierte Schiedsgerichtsbarkeit, Regulativ des Schiedsgerichts der Handelskammer Hamburg in der Fassung v. 12.12.2003, abrufbar unter http://www.hk24.de (Stand März 2016), zu den Unterschieden https://www.hk24.de/produktmarken/beratung-service/recht_und_steuern/schiedsge richte/hamburger-freundschaftliche-arbitrage/1173042#titleInText1. 2 Zu nennen insbesondere die Internationale Handelskammer (ICC) in Paris, der London Court of Arbitration (LCIA), das Schiedsgericht bei der Wirtschaftskammer Österreich mit Sitz in Wien sowie die wegen der Neutralität des Schiedsplatzes und großer Tradition sehr bedeutenden Schiedsgerichte der Schweizerischen Handelskammern (Basel, Bern, Genf, Tessin, Waadt und Zürich), die seit Juli 2004 einheitlich die Internationale Schiedsordnung der Schweizerischen Handelskammern (Schweizerische Schiedsordnung) verwenden, die zum Juni 2012 aktualisiert wurde; abrufbar unter https://www.swissarbitration.org/files/33/Swiss-Rules/SRIA_german_2012.pdf. Zahlen zu Schiedsver-
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Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 51 Kap. 24
treten auch immer wieder neue Einrichtungen1 in Erscheinung. Allen ist gemeinsam, dass sie bei Vorbereitung und Ablauf des Schiedsverfahrens unterstützend tätig werden, z.B. Schiedsrichterlisten vorhalten, die Benennung von Schiedsrichtern vornehmen, Vorschüsse anfordern, entgegennehmen, verwahren und abrechnen oder Schriftsätze versenden, empfangen und verteilen. Teilweise wird die Tätigkeit auf ein bestimmtes Fachgebiet beschränkt. Gerade in Bezug auf die neueren Anbieter in diesem Bereich gibt es kaum verlässliche Daten darüber, in welchem Umfang diese nachgefragt werden. Die fehlende Aktualität einzelner Schiedsordnungen lässt jedenfalls nicht auf allzu große Nachfrage schließen.2 Für Parteien und Schiedsrichter ergibt sich aus der Einbeziehung der Schiedsorganisation als Vorteil, die mit dem Schiedsverfahren verbundenen organisatorischen Fragen einer mutmaßlich kompetenten, erfahrenen und mit den nötigen Mitteln ausgestatteten Stelle zu übertragen. Auch können Hindernisse, z.B. bei der Schiedsrichterbenennung, ohne Einschaltung eines staatlichen Gerichts überwunden werden. Diese Vorteile wiegen in internationalen Schiedsverfahren umso mehr, als hier gegenüber einer bestimmten staatlichen Gerichtsbarkeit möglicherweise Misstrauen besteht und die zum Teil erheblichen Unterschiede der Rechtsordnungen der streitenden Parteien durch klare, international anerkannte Regeln ausgeglichen werden können.
50
1. Der Schiedsorganisationsvertrag Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien und der Schiedsinstitution werden als 51 Schiedsorganisationsvertrag bezeichnet. Es ist ein materiell-rechtlicher Vertrag, das anwendbare Recht bestimmt sich in internationalen Sachverhalten unmittelbar nach Artt. 3 ff. Rom I-VO (früher Art. 27 ff. EGBGB), was regelmäßig zur Anwendung des Rechts am Tätigkeitsort der Institution führt.3 Wie beim Schiedsrichtervertrag ist die Zuordnung zu einem Vertragstyp (Geschäftsbesorgungsvertrag, Auftrag, Vertrag eigener Art) streitig, für die sachgerechte Beantwortung rechtlicher Probleme aber unbedeutend. Sich stellende Fragen sind i.d.R. nach den gleichen Kriterien zu beantworten wie beim Schiedsrichtervertrag (vgl. hierzu oben Rz. 3).4 Es wird vertreten, dass der Schiedsorganisationsvertrag bereits dadurch zustande kommt, dass die Parteien eine auf das Statut der Organisation Bezug nehmende Schiedsvereinbarung abschließen.5 Dem wird man in dieser Allgemeinheit kaum folgen können, da weder angenommen werden kann, dass die Schiedsinstitution mit jedem, z.B.
1
2
3 4 5
fahren der Schiedsinstitutionen aus den Jahren 2008 – 2010 nennen Wilske/Markert, SchiedsVZ 2011, 57 (Fn. 2). Neueren Datums z.B. das Ständige Schiedsgericht der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, Informationen und Schiedsordnung unter http://www.rechtsanwaltskammer-ffm.de (Stand März 2016), der Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare – SGH mit Sitz in Berlin, Statut und Informationen unter http://www.dnotv.de/Schiedsgerichtshof/Schiedsgerichtshof.html (Stand März 2016), das Ständige Schiedsgericht für Wohnungseigentum mit Sitz in Bonn, Statut und Informationen unter http://www.schiedsgericht-wohnungseigentum.eu/ (Stand März 2016) und die Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE), Schiedsordnung und Informationen und Downloads unter http://www.dse-erbrecht.de (Stand März 2016). So enthält § 19 der SchO des ständigen Schiedsgerichts bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main noch immer Regelungen zum Schiedsvergleich, die durch § 1053 ZPO überholt sind. Außerdem werden dort und in § 24 der SchO die abgeschaffte Niederlegung sowie die Vollstreckung nach §§ 1042 ff. ZPO erwähnt. Nedden/Herzberg, Einleitung Rz. 13; Schütze in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Intro Rz. 46. So auch Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034, Rz. 70. So Lionnet, Handbuch, 2. Aufl. 2001, 152 f.; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, vor § 1025 Rz. 22 unter Verweis auf Ch. Wolf, Die Institutionelle Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 84 ff.
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Kap. 24 Rz. 52
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
auch einer offenkundig insolventen oder bekannt betrügerischen Person, den Vertrag abschließen will,1 noch die Parteien diese Vertragsbindung zur Institution wollen, solange nicht zumindest eine von ihnen bei der Institution die Durchführung des Schiedsverfahrens beantragt hat. Der Vertragsschluss erfolgt deshalb in der Regel durch Einreichung der Schiedsklage bei der Institution als Vertragsantrag, wobei der Kläger durch die Schiedsklausel bevollmächtigt ist, den Schiedsorganisationsvertrag auch für die Gegenpartei abzuschließen, und durch Bestätigung bzw. Bearbeitung der Institution als Annahme.2 Die Vertragspflichten wie auch das zu zahlende Entgelt ergeben sich aus dem jeweiligen Statut bzw. der jeweiligen Schiedsordnung und den damit verbundenen Kostenordnungen. 52
Unterschiede ergeben sich insbesondere auch bei den Vertragsbeziehungen zu den Schiedsrichtern selbst.3 Teilweise verbleibt es materiell-rechtlich bei den unmittelbaren Beziehungen zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern,4 teilweise gehen die Schiedsrichter aber auch keinen Vertrag mit den Parteien ein, sondern kontrahieren nur mit der Institution.5 An der prozessualen Rechtsbeziehung zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern i.S.d. §§ 1034 ff. ZPO ändert dies freilich nichts. 2. Schiedsinstitutionen und internationale Schiedsgerichtsbarkeit
53
Den etablierten Schiedsinstitutionen6 kommt insbesondere auch im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit große praktische Bedeutung zu. Zu beachten ist, dass nach § 1025 Abs. 1 ZPO ein Schiedsverfahren national ist, solange der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Deutschland liegt, hingegen international, wenn der Ort des Schiedsverfahrens im Ausland liegt. Der Sitz der Schiedsinstitution und der Ort des Schiedsverfahrens können sich decken, müssen dies aber nicht. Insbesondere Schiedsverfahren der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris werden in verschiedensten Ländern abgehalten, häufig in der Schweiz. Ebenso könnte ein Verfahren nach den Regeln der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) an einem Ort außerhalb Deutschlands durchgeführt werden mit der Folge, dass dann die ZPO auf dieses Verfahren nur eingeschränkt (vgl. § 1025 Abs. 2 und 4 ZPO) anwendbar wäre.
54
Die Schiedsinstitutionen geben den Parteien ihre Schiedsordnungen vor und empfehlen Schiedsklauseln, die von den Parteien verwendet werden sollen. Abweichungen hiervon sind nur dort nötig, wo zwingendes nationales Recht der Schiedsordnung entgegensteht, und darüber hinaus höchstens dort sinnvoll, wo sich diese Schiedsordnungen selbst dafür öffnen. Die vielgestaltigen Einzelprobleme internationaler Schiedsgerichtsbarkeit können hier weder erörtert noch durch Muster behandelt werden. Deshalb wird insoweit in erster Linie auf die Vorgaben der jeweiligen Schiedsinstitution und im Übrigen auf die zu Beginn des Kapitels angegebene Literatur verwiesen.
1 Ein Anspruch auf Vertragsschluss wird ausdrücklich ausgeschlossen in § 4 Abs. 2 SGH-Statut. 2 So für die DIS Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 3509; außerdem Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1034 Rz. 71. 3 Kritisch zu Unklarheiten in diesem Bereich Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, Vor § 1025 Rz. 17 u. 22.; Schütze in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Intro Rz. 54 ff. 4 So ausdrücklich §§ 12, 14 und 40 DIS-SchO. Die Bestellung des Schiedsrichters erfolgt hingegen gemäß § 17 Abs. 1 DIS-SchO. 5 So z.B. SGH-SchO, vgl. § 4 Abs. 1, § 17 und § 2 SGH-KostO, und DSE-SchO, vgl. § 13 Abs. 8 und 9, jeweils in Bezug auf die Kosten. 6 S. schon oben Fn. 1 und 2 zu Rz. 49, S. 412. Weitere nationale europäische Organisationen bei Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025 Rz. 89 ff.
414
Bandel
M 24.3
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 59 Kap. 24
II. Muster M 24.3 Allgemeines Muster zur Berufung einer Schiedsorganisation
55
SchiedsvereinbarungA1 nach dem Verfahren einer Schiedsorganisation §1 Ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts Über alle Streitigkeiten, die aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehen, sowie über die Gültigkeit dieses Vertrags entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht.A2 § 2A3 Schiedsverfahren nach den Regeln der (Schiedsorganisation) Die Bildung des Schiedsgerichts, dessen Kompetenz, das vom Schiedsgericht anzuwendende Verfahren, dessen Beendigung sowie die Vergütung der Schiedsorganisation und der Schiedsrichter richten sich nach den Regeln der … (Schiedsorganisation) in der zum Zeitpunkt des Beginns des Schiedsverfahrens gültigen Fassung. Jede Partei ist berechtigt, mit der Stellung des Antrags auf Einleitung des Schiedsverfahrens bzw. mit der Klageerwiderung die Anwendung der Schiedsordnung in der heute gültigen Fassung zu verlangen. Diese ist diesem Vertrag als Anlage I beigefügt. §3 Ergänzende VereinbarungenA4 In Ergänzung der anzuwendenden Schiedsordnung wird Folgendes vereinbart: (1) Das Schiedsgericht besteht aus einem Einzelschiedsrichter.A5 (2) Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist …A6 (3) Die Verfahrenssprache ist deutsch.A7 (4) Das Schiedsgericht ist auch ermächtigt, nach Billigkeit zu entscheiden.A8 (5) Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, vorläufige oder sichernde Maßnahmen in Bezug auf den Streitgegenstand anzuordnen, wird ausgeschlossen.A9
Anmerkungen zu Muster M 24.3 A1 Der Schiedsklausel liegt ein zweiseitiger Vertrag zugrunde. Vertragsinhalt kann alles 55a sein, was schiedsfähig ist. Vgl. zur Schiedsfähigkeit Kap. 23 Rz. 24–26. A2 Die Klausel ist die gleiche wie bei M 23.2 (Kap. 23 Rz. 140) § 1 Variante 1. Auch die 56 dortigen Varianten zu § 1 sind grundsätzlich möglich, da auch bei der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit die Parteien den Umfang der Kompetenz des Schiedsgerichts durch Vereinbarung begründen. A3 Diese Bestimmung enthält neben den grundlegenden Verfahrensvereinbarungen auch die Verpflichtung zum Abschluss des Schiedsorganisationsvertrags.
57
A4 Alle folgenden Bestimmungen sollten auf die Schiedsordnung der Schiedsorganisation abgestimmt sein. Vgl. hierzu schon Rz. 54.
58
A5 Die meisten Schiedsordnungen überlassen es den Parteien, die Zahl der Schiedsrichter festzulegen.
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Bandel 415
Kap. 24 Rz. 60
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.3
60
A6 Vgl. zur Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93) zu § 14 des Musters. Die Regelung ist auch bei Einbeziehung einer Schiedsorganisation stets sinnvoll. Vgl. für die Schiedsklausel bei internationalen Verträgen Hobeck/Stubbe, SchiedsVZ 2003, 15 (20 f.).
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A7 Die Sprachvorgabe ist nur bei internationalen Verfahren nötig, wird dann aber von allen Verfahrensordnungen zugelassen.
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A8 § 1051 Abs. 3 ZPO. Näher hierzu M 23.1 Anm. A75 (Kap. 23 Rz. 116) zu § 23 des Musters.
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A9 Diese Vereinbarung wird in der Regel auch von den Verfahrensordnungen zugelassen. Zu Alternativen vgl. M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 12 mit Anmerkungen.
C. Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) und Schiedsgerichtsbarkeit der Industrie- und Handelskammern I. Einführung 1. Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) 64
Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS),1 die sich aus dem Zusammenschluss des Deutschen Ausschusses für das Schiedsgerichtswesen (DAS) und des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtswesen e.V. entwickelt hat,2 ist mit ca. 1 200 Mitgliedern3 die derzeit bedeutendste deutsche Schiedsinstitution. Hierzu trägt auch bei, dass viele Industrie- und Handelskammern zu den Mitgliedern gehören und ihre Schiedsgerichtsbarkeit von der DIS administrieren lassen.4 Die DIS publiziert selbst Fachmaterial, wirkt an der Herausgabe der „Zeitschrift für das Schiedsverfahren“ – SchiedsVZ mit, veranstaltet Schulungen und Fachtagungen und vergibt jährlich einen Förderpreis für wissenschaftliche Leistungen zum Thema Schiedsgerichtsbarkeit.5 Eine Beschränkung auf eine bestimmte Fachrichtung kennt die DIS nicht. Besondere Regelungen zur Schlichtung sind nicht vorgesehen.6 Fachspezifisch wurde das „Deutsche Sportschiedsgericht“ mit einer eigenen Verfahrensordnung eingerichtet und diese gerade mit Wirkung zum 1.4.2016 aktualisiert.7 Gemäß § 42 DIS-SchO ist eine Veröffentlichung des Schiedsspruchs nur mit schriftlicher Zustimmung der Parteien und der DIS zulässig. 2. Schiedsgerichtsbarkeit der Industrie- und Handelskammern
65
Die Industrie- und Handelskammern in Deutschland bieten inzwischen weitgehend einheitlich Schiedsverfahren unter eigenen Schiedsgerichtsordnungen an. Zu einem guten Teil wird dabei Bezug genommen auf die Schiedsordnung der DIS, die dann auch die adminis1 Ein Porträt der DIS findet sich in SchiedsVZ 2003, 178; umfangreich kommentiert ist die DIS-SchO nun in Nedden/Herzberg, sowie von Theune in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Chapter 3 (203 ff.). 2 Vgl. näher Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008 Rz. 3356; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025 Rz. 81. 3 Angabe nach http://www.dis-arb.de/de/64/beitrittserklaerung/uebersicht-id0 (Stand März 2016). 4 Nur beispielhaft seien erwähnt: IHK Berlin, IHK München, IHK Darmstadt und IHK Erfurt. 5 Zu Angebot und Anschriften s. www.dis-arb.de (Stand März 2016). 6 Gemäß § 32.1 DIS-SchO soll das Schiedsgericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine einvernehmliche Beilegung des Streits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. 7 Hierzu Mazza, SchiedsVZ 2016, 90, und Hofmann, SchiedsVZ 2016, 90.
416
Bandel
M 24.4
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 66 Kap. 24
trativen Aufgaben übernimmt, während der IHK in diesen Fällen noch die Funktion der ernennenden Stelle für Schiedsrichter verbleibt.1 Andere Industrie- und Handelskammern betreiben das Schiedsverfahren unabhängig von der DIS nach eigenen Schiedsordnungen, die in Bezug auf Inhalt, Umfang2 und Kosten3 äußerst uneinheitlich sind. Von einem Abdruck und Erläuterungen wird deshalb abgesehen.
II. Muster M 24.4 Schiedsvereinbarungen DIS
66
Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit empfiehlt allen Parteien, die auf die DISSchiedsgerichtsbarkeit in ihren Verträgen Bezug nehmen wollen, folgende Schiedsvereinbarungen:A1 1. Schiedsvereinbarung bzw. Schiedsklausel Alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Vertrag (… Bezeichnung des Vertrages …) oder über seine Gültigkeit ergeben, werden nach der (im Zeitpunkt der Antragstellung gültigen)A2 SchiedsgerichtsordnungA3 (und den ergänzenden Regeln für beschleunigte Verfahren)A4 der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS)A5 unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden. Folgende Punkte sind – insbesondere bei Auslandsberührung – zu beachten:A6 – Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist …A7 – Die Anzahl der Schiedsrichter beträgt …A8 – Die Sprache des schiedsrichterlichen Verfahrens ist … . – Das anwendbare materielle Recht ist …A9 Weiter kann vereinbart werden:A10 – Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, vorläufige oder sichernde Maßnahmen in Bezug auf den Streitgegenstand anzuordnen, wird ausgeschlossen.A11 – Soweit möglich, sind sämtliche Verfahrenshandlungen i.S.v. § 21.2 DIS-SchO am Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens vorzunehmen.A12 2. Weitere SchiedsklauselnA13 Eine besondere Musterklausel für Verbraucherverfahren wird bei der DIS nicht mehr angegeben. Dafür gibt es nun im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit noch die „DIS-Musterklausel für beschleunigte Verfahren 08“ und die „DIS-Musterklausel für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 09“.
1 Z.B. § 5 der SchO der IHK Berlin, Nr. 4 Satz 2 der SchO der IHK Darmstadt. 2 Vgl. die 6 Paragraphen der SchO der IHK zu Düsseldorf (zuletzt geändert am 14.6.2004) einerseits mit den 29 Paragraphen des Regulativs des Schiedsgerichts der Handelskammer Hamburg (zuletzt geändert durch Beschluss v. 12.12.2003) andererseits. 3 In der Regel werden streitwertabhängige Kosten erhoben. Kostengünstig insoweit z.B. die IHK für Niederbayern in Passau, deren SchO (Stand der letzten Fassung: 3.12.2003) in § 10 Abs. 2 eine Höchstgebühr von 5 000 Euro vorsieht, die gemäß Abs. 3 bei überdurchschnittlichem Arbeitsaufwand auf höchstens das Doppelte erhöht werden kann. Ein Dreierschiedsgericht nach DIS-KostO überschreitet den Höchstwert bereits bei Streitwerten von über 8 000 Euro und den doppelten Höchstwert bei Streitwerten über 35 000 Euro.
Bandel 417
Kap. 24 Rz. 66a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.4
Zum Text der „DIS-Musterklausel für beschleunigte Verfahren 08“ siehe bereits oben Ziff. 1. (Klammerzusatz),A14 die „DIS-Musterklausel für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 09“ wird in Kap. 26 Rz. 137 ff. behandelt.
Anmerkungen zu Muster M 24.4 66a
A1 Die nachfolgenden Texte finden sich mit weiteren Informationen unter http://www.disarb.de (Stand April 2016). Abdruck mit freundlicher Zustimmung der DIS.
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A2 Ergänzung des Autors, um klarzustellen, dass es sich um eine dynamische Verweisung handelt. Die Schiedsordnung selbst sieht dies in § 1.2. ebenso vor.
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A3 Seit 1.7.1998 gilt die DIS-Schiedsgerichtsordnung 1998. Die Anlage zu § 40.5 über die Höhe der Honorare und Gebühren wurde mit Wirkung zum 1.3.2016 neu gefasst. Einen Überblick zur SchO gibt Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 3356 ff.; Lionnet, Handbuch, 2. Aufl. 2001, 348; s.a. Bredow, Die DIS-Schiedsordnung 1998, DIS-MAT IV (1998), 111 ff.; umfassende Kommentierung in Nedden/Herzberg und von Theune in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Chapter 3, 203 ff.
68a
A4 Mit diesem Einschub wird die Standard-Musterklausel zur DIS-Musterklausel für beschleunigte Verfahren. Mit Gültigkeit ab April 2008 wurden als Anhang zur DIS-Schiedsgerichtsordnung 1998 ergänzende Regeln für beschleunigte Verfahren eingeführt, die gemäß deren § 1 Abs. 1 nur angewendet werden, wenn die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung auf sie Bezug genommen haben oder sich vor Einreichung der Klage auf ihre Anwendung geeinigt haben. Näher dazu die nachfolgende Anm. A14 (Rz. 78).
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A5 Die DIS übernimmt die Funktion einer „Geschäftsstelle“ des Schiedsgerichts, nimmt gemäß §§ 6, 10 DIS-SchO Klagen und Widerklagen entgegen, übersendet diese gemäß §§ 8, 11.3 DIS-SchO der Gegenpartei, informiert über die Konstituierung des Schiedsgerichts gemäß § 17.3 DIS-SchO und übersendet den Schiedsspruch, § 36 DIS-SchO. Werden Schiedsrichter nicht fristgerecht benannt oder bedarf es in Mehrparteienverfahren einer Benennung der Schiedsrichter durch einen Dritten, so übernimmt die DIS diese Ernennung. Die DIS erhält für ihre Tätigkeit eine streitwertabhängige Bearbeitungsgebühr gemäß § 40.4 DIS-SchO i.V.m. Nr. 18 Anlage. Die DIS-Bearbeitungsgebühr beträgt mindestens 350 Euro, höchstens 25 000 Euro.
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A6 Empfehlung der DIS.
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A7 Vgl. zur großen Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 14 mit Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93).
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A8 Wird keine Anzahl bestimmt, beträgt die Anzahl der Schiedsrichter gemäß § 3 DISSchO drei. § 2.2 der DIS-SchO macht daneben nur die Vorgabe, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts oder der Einzelschiedsrichter Jurist sein muss. Im Übrigen beschränkt sich die DIS auf Anregungen für die Schiedsrichterauswahl, § 2.3 DIS-SchO, und auch dies nur „auf Anfrage“.
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A9 § 23 DIS-SchO bildet § 1051 ZPO weitgehend ab. Fehlt es an einer Rechtswahl, so hat das Schiedsgericht das Recht des Staates anzuwenden, mit dem der Gegenstand des Verfahrens die engsten Verbindungen aufweist.
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A10 Gemäß § 1042 Abs. 2 Nr. 3 ZPO eröffnet auch § 24.1 Satz 1 DIS-SchO weitere Parteivereinbarungen zum Verfahren. Solche sind, abgesehen von den nachgenannten, die einzelne Bestimmungen der DIS-SchO gesondert vorsehen, selten sinnvoll.
418
Bandel
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 80 Kap. 24
A11 § 20.1 DIS-SchO sieht diese Vereinbarungsmöglichkeit ausdrücklich vor. Zu weiteren Möglichkeiten s. M 23.2 (Kap. 23 Rz. 140) § 7.
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A12 Ansonsten kann das Schiedsgericht jeden ihm geeignet erscheinenden Ort wählen.
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A13 Alle Regeln finden sich unter http://www.dis-arb.de/de/16/regeln/uebersicht-id0.
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A14 Bei den ergänzende Regeln für beschleunigte Verfahren (eRbV) geht es nicht um einstweilige Maßnahmen i.S.v. § 1041 ZPO, sondern um ein Schiedsverfahren zur Hauptsache nach der DIS-SchO, das durch bestimmte Besonderheiten schneller (maximal 6 Monate beim Einzelschiedsrichter, maximal 9 beim Dreierschiedsgericht) zum Abschluss kommen soll. Beschleunigungsmaßnahmen sind: – Volle Vorschussleistung bei Einreichung der Klage durch den Kläger, § 2 eRbV; – Einzelschiedsrichter als Regelfall mit besonderen Benennungsregeln, § 3 eRbV; – Schriftsatzübermittlung stets auch an die andere Partei, kurze Fristvorgaben für Schriftsätze, mündliche Verhandlung und Erlass des Schiedsspruchs sowie grundsätzlicher Ausschluss von Widerklage und Aufrechnung, § 4 eRbV; – Beschränkung auf Klage, Klageerwiderung und jeweils einen weiteren Schriftsatz sowie nur eine mündliche Verhandlung, § 5 eRbV; – Pflicht des Schiedsgerichts, Überschreitungen der vorgesehenen Verfahrenszeit zu begründen, § 6 Abs. 2 eRbV, und – Verzicht auf Wiedergabe des Tatbestands im Schiedsspruch als Regel, § 7 eRbV. Zur Zahl der Schiedsrichter, zur Zulässigkeit von Widerklage und Aufrechnung sowie zum Verzicht auf den Tatbestand ist die Möglichkeit abweichender Parteivereinbarungen vorgesehen. Den Parteien, die dieses Verfahren wählen, muss klar sein, dass es in gleicher Weise durch Schiedsspruch zum Abschluss gebracht wird, wie das Schiedsverfahren nach den Standardbestimmungen, und gegenüber dem Standardverfahren auch keinerlei zusätzlicher Rechtsschutz durch staatliche Gerichte oder ein schiedsgerichtliches Nachverfahren gewährt wird.
78
D. Das Deutsche Ständige Schiedsgericht für Wohnungseigentum (DSGWE) I. Einführung Das Statut des Deutschen Ständigen Schiedsgerichts für Wohnungseigentum (DSGWE)1 79 wurde am 3.6.1998 verabschiedet und ist nun in der Fassung vom 15.2.2008, zuletzt geändert am 26.10.2012, in Gebrauch. Nach eigener Angabe der Institution werden der Wohnungswirtschaft und den Wohnungseigentümern mit dem Schiedsgericht Erleichterungen bei wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren angeboten. Träger des Schiedsgerichtes ist inzwischen der Verein „Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentum e.V.“ mit Sitz in Bonn. Die Vereinsgründung erfolgte am 28.10.2004.2 Zur administrativen Tätigkeit des DSGWE gehört die Auswahl des oder der Schiedsrichter, zu denen die Parteien keine unmittelbare vertragliche Beziehung eingehen. Regelfall ist 1 Zur Gründung u.A. Schmidt, MittBayNot 1998, 163; aktuellere Darstellung von Elzer, ZWE 2010, 442. 2 Statut, Satzung des Vereins und Musterklauseln sind abrufbar unter http://www.schiedsgericht-woh nungseigentum.eu/ bzw. http://www.schiedsgericht-wohnungseigentum.eu/verfahren/beispiele-muster/ (jeweils Stand März 2016).
Bandel 419
80
Kap. 24 Rz. 81
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.5
gemäß § 6 Abs. 11 des Statuts des DSGWE das Dreierschiedsgericht, wobei die Parteien gemäß Abs. 2 bei Anrufung des Schiedsgerichts übereinstimmend beantragen können, dass nur der Einzelschiedsrichter verhandeln und entscheiden soll. 81
Die Schiedsrichter werden vom Präsidenten des Ständigen Schiedsgerichts ernannt (§ 6 Abs. 4). Schiedsrichter kann nur sein, wer vom Vorstand des Vereins „Deutsches ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentum e.V.“ in die Schiedsrichterliste des Ständigen Schiedsgerichts aufgenommen ist (§ 5).
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Gemäß § 24 Abs. 2 darf das Ständige Schiedsgericht Schiedssprüche veröffentlichen, muss jedoch auf eine ausreichende Anonymisierung der Parteien achten. Zu entsprechenden Veröffentlichungen ist es auch bereits gekommen.2
II. Muster 83
M 24.5 Schiedsvereinbarung des Deutschen Ständigen Schiedsgerichts für WohnungseigentumA1 Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung Für Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern oder zwischen Wohnungseigentümern mit der Wohnungseigentümergemeinschaft oder zwischen Wohnungseigentümern oder der Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Verwalter gilt Folgendes: §1 SchiedsklauselA2 (1) Streitigkeiten in Wohnungseigentumssachen im Sinne des § 43 Nr. 1, 2 und 4 WEG werden durch ein Schiedsgericht nach dem Statut des Deutschen Ständigen Schiedsgerichts für Wohnungseigentum endgültig entschieden. (2) Für Streitigkeiten im Sinne des § 43 Nr. 3 WEG wird dieses Schiedsgericht nach einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Verwalter zuständig. (3) Für Wohnungseigentümer und Verwalter, die vor Klageerhebung ihre Rechtsstellung verloren haben, bleibt dieses Schiedsgericht zuständig, soweit die Streitigkeiten aus der früheren Rechtsstellung resultieren. §2 Aufhebung und Änderung der Schiedsklausel (1) Die Aufhebung oder Abänderung der Schiedsklausel kann nach Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Vereinbarung durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von drei Viertel der stimmberechtigten Wohnungseigentümer. Die Vorschriften des § 25 Abs. 3, 4 WEG sind in diesem Falle nicht anzuwenden.A3 (2) Eine Aufhebung oder Abänderung der Schiedsklausel wird erst wirksam, wenn sie von diesem Schiedsgericht auf Antrag eines Wohnungseigentümers durch Schiedsspruch festgestellt worden ist. (3) Die Zuständigkeit des Ständigen Schiedsgerichts erlischt mit Wirksamwerden dieses Schiedsspruchs. Für bereits anhängige Verfahren bleibt die bisherige Schiedsklausel maßgebend. 1 Paragraphen ohne Nennung sind in diesem Teil D solche des Statuts des DSGWE. 2 Z.B. Schiedsspruch v. 10.1.2011 – Sch/S/XLIX, ZWE 2011, 291; Schiedsspruch v. 27.2.2013 – SG S/H/XLI. ZWE 2013, 286.
420
Bandel
M 24.5
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 87 Kap. 24
§3 Schiedsvereinbarung mit dem VerwalterA4 (1) Die Wohnungseigentümer können als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung mit Stimmenmehrheit den Abschluss einer Schiedsvereinbarung mit dem Verwalter über Streitigkeiten in Wohnungseigentumssachen gemäß § 43 Nr. 2 – 4 WEG beschließen, soweit der Verwalter betroffen ist. (2) Die Schiedsvereinbarung soll als gesonderte Urkunde vom Vorsitzenden des Verwaltungsbeirates oder einem anderen hierzu Bevollmächtigten als Vertreter der Wohnungseigentümer und der Wohnungseigentümergemeinschaft und vom Verwalter unterzeichnet werden.
Anmerkungen zu Muster M 24.5 A1 Abdruck von Muster 1 übernommen von http://www.schiedsgericht-wohnungseigen tum.eu/verfahren/beispiele-muster/ (jeweils Stand März 2016). Das Ständige Schiedsgericht stellt weitere Muster bereit, damit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die passenden Beschlüsse fassen und die passenden Vereinbarungen untereinander oder mit dem Verwalter treffen kann.
84
A2 Auch wenn die Klausel eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer i.S.v. § 10 Abs. 3 85 WEG darstellt (Einführung durch Mehrheitsbeschluss genügt nicht), handelt es sich auch in dem seltenen Fall, in dem die Schiedsvereinbarung von allen aktuellen Wohnungseigentümern getroffen wurde, nicht um eine solche gemäß § 1029 ZPO, sondern um eine Schiedsverfügung i.S.v. § 1066 ZPO. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist insoweit den Mitgliedern einer juristischen Person gleichzustellen. Die besonderen Verfahrensregeln für Streitigkeiten vor den staatlichen Gerichten gemäß §§ 43 ff. WEG bestätigen diesen Befund. Ansonsten wäre die Schiedsbindung bereits im ersten Fall der Einzelrechtsnachfolge verloren, vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 9, für die Einordnung von Satzungen. Allerdings ist die Fundierung in § 1066 ZPO und damit die Wirksamkeit der Schiedsverfügung streitig (dagegen z.B. Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 7; dafür z.B. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 23). A3 Auffällig ist, dass die Schiedsklausel, die auch in § 4 des Statuts enthalten ist, gemäß 86 ihres Abs. 2 nur aufgehoben oder geändert werden kann, wenn diesbezüglich ein qualifizierter Beschluss (Mehrheit von drei Vierteln der stimmberechtigten Wohnungseigentümer) gefasst und und die Aufhebung oder Änderung vom Ständigen Schiedsgericht auf Antrag eines Wohnungseigentümers durch Schiedsspruch festgestellt worden ist. Letztere Vorgabe dürfte zumindest dann unbeachtlich sein, wenn die Schiedsklausel durch einvernehmliche Vereinbarung aller Wohnungseigentümer aufgehoben oder geändert wird. Eine Bindung an eine externe Entscheidung auch in diesem Fall wird der Grundbedingung der Schiedsgerichtsbarkeit, nämlich ihrer Fundierung auf der Parteiautonomie, nicht gerecht. A4 Den Parteien des Schiedsverfahrens wird in § 8 kein Einfluss auf das Schiedsverfah- 87 rensrecht eingeräumt. § 17 schreibt vor, dass die Verhandlung mit dem Versuch einer gütlichen Einigung zu beginnen hat. Auffällig ist, dass besondere Vorschriften wegen des Mehrparteienverfahrens und der Ähnlichkeit mit Beschlussmängelstreitigkeiten im Gesellschaftsrecht im Statut nicht vorhanden sind, vielmehr wird in § 8 Abs. 2 einfach auf die §§ 43 ff. WEG verwiesen.
Bandel 421
Kap. 24 Rz. 88
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.6
E. Ständiges Schiedsgericht der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main (RAKFfM) I. Einführung 88
Während die Anwaltschaft keine eigene bundesweite Schiedsorganisation ins Leben gerufen hat, hat die Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main schon im Jahre 1995 ein ständiges Schiedsgericht1 eingerichtet. Dieses Schiedsgericht besteht aus Kammern, nämlich für die Fachbereiche Gesellschaftsrecht, Handelsvertreterrecht/Handelsrecht, Baurecht und Architektenrecht und Auseinandersetzung freiberuflicher Sozietäten und Partnerschaften. Wählen die Parteien die Schiedsrichter nicht selbst aus, so werden diese oder einzelne von ihnen von der RAKFfM aus der jeweiligen Kammerliste ausgewählt. Eine Besonderheit besteht gemäß § 4 SchO-RAKFfM darin, dass auf Antrag einer Partei das Schiedsgericht bei Vorliegen besonderer Gründe das Verfahren auf den ordentlichen Rechtsweg verweisen kann. Der Gegenpartei wird damit gleichzeitig im staatlichen Verfahren die Einrede des § 1032 ZPO genommen. Gemäß § 8 SchO-RAKFfM kann jede Partei die Vorschaltung einer Schlichtung verlangen, die unabhängig vom Schiedsgericht durchgeführt wird. Außerdem besteht Zwang zur anwaltlichen Vertretung, § 6 Abs. 2 SchO-RAKFfM. Zur Effektivierung des schiedsrichterlichen einstweiligen Rechtsschutzes sieht § 9 SchO-RAKFfM vor, dass diese Maßnahmen auch schon vor Konstituierung des Schiedsgerichts durch die jeweilige Kammer beim Ständigen Schiedsgericht angeordnet werden können.
II. Muster 89
M 24.6 Schiedsklausel RAK-FfM Denjenigen, die die Schiedsgerichtsbarkeit des Ständigen Schiedsgerichts für etwaige Streitfälle vereinbaren wollen, wird die Aufnahme folgender Schiedsklausel in den Vertrag empfohlen:A1 Entweder: Alle Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Vertrag einschließlich dessen Gültigkeit sowie der Gültigkeit des Schiedsvertrages ergeben, sollen unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch das Ständige Schiedsgericht bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, Bockenheimer Anlage 36, nach Bestellung der Schiedsrichter durch die Parteien endgültig entschieden werden. Oder alternativ: Alle Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Vertrag einschließlich dessen Gültigkeit sowie der Gültigkeit des Schiedsvertrages ergeben, sollen unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch das Ständige Schiedsgericht bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, Bockenheimer Anlage 36, in seiner festgelegten Besetzung endgültig entschieden werden. Wird nach Abschluss eines Vertrages vereinbart, eine bereits entstandene Streitigkeit durch Schiedsspruch zu klären, wird eine dem Absatz 1 sinngemäß entsprechende Formulierung empfohlen.
1 Informationen, Schiedsgerichtsordnung und die Besetzung der Kammern finden sich unter http:// www.rechtsanwaltskammer-ffm.de/mitglieder/vermittlung-und-schlichtung/ (Stand April 2016) unter „Dokumente – Ständiges Schiedsgericht“.
422
Bandel
M 24.7
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 92 Kap. 24
Anmerkung zu Muster M 24.6 A1 Empfehlung gemäß § 5 SchO RAK-FfM. Abdruck mit freundlicher Zustimmung der 90 RAK-FfM.
F. Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare (SGH) I. Einführung Im Jahr 2000 hat der SGH1 seine Tätigkeit aufgenommen und bietet auf der Grundlage sei- 91 nes Statuts ein kombiniertes Schlichtungs- und Schiedsverfahren an.2 Auch wenn dies das Statut nicht vorschreibt, so ist doch davon auszugehen, dass regelmäßig nur notariell beurkundete Vorgänge zum Gegenstand eines Schiedsverfahrens vor dem SGH gemacht werden. Das Schiedsgericht wird vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarungen vom SGH benannt, besteht regelmäßig aus drei Personen und soll zumindest im Vorsitz mit einem Notar besetzt sein.3 Die Parteien stehen nur zum SGH in vertraglicher Beziehung. Dieser wickelt auch alle Zahlungen ab. Die Schlichtung4 erfolgt allein vor dem Vorsitzenden. Bei Scheitern der Schlichtung geht das Verfahren in das streitige Verfahren über. Nach neuem Statut (2016) ist dies kein Grund mehr, den bisherigen Vorsitzenden ohne Angabe von weiteren Gründen für das streitige Schiedsverfahren abzulehnen (so noch § 22 Abs. 1 SGHStatut a.F.).
II. Muster M 24.7 Schiedsvereinbarung SGHA1, A2
92
1. Schiedsklausel allgemein nach § 13a BeurkG Alle schiedsfähigen Streitigkeiten, die in Bezug auf Rechtsverhältnisse entstanden sind oder künftig entstehen, die Grundlage, Gegenstand oder Folge des gegenwärtigen Vertrags sind, werden unter Ausschluss des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten der Entscheidung des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare (SGH)A3 nach Maßgabe des Statuts und der zugehörigen KostenordnungA4 unterworfen, welche in der Urkunde des Notars Dr. Peter Lehmann vom 27. November 2015, URNr. 00691/2015, niedergelegt sind.A5 Die Beteiligten kennen die genannte Urkunde des Notars Dr. Peter Lehmann und verzichten auf deren Verlesung und Beifügung zu dieser Niederschrift; auf sie wird gemäß § 13a BeurkG ausdrücklich verwiesen.
1 Träger und Vertragspartner ist die DNotV GmbH mit Sitz in Berlin, Kronenstr. 73/74, 10117 Berlin, Tel.: 030/20 61 57 40, Fax: 030/20 61 57 50, E-Mail: [email protected]. 2 Ausführlich, auch zum Verfahren Bietz, MittBayNot 2000, 349; Wolfsteiner, notar 1999, 115; s.a. ZNotP Beilage 1/2000 sowie Statut und Kostenordnung unter http://www.dnotv.de/Schiedsgerichts hof/Schiedsgerichtshof.html (Stand März 2016) und in notar 2015, 415 ff. Zum 1.1.2016 ist ein leicht geändertes Statut in Kraft getreten, zu den Änderungen notar 2015, 415. 3 §§ 7–9 SGH-Statut. Werden Schiedsrichter von den Beteiligten benannt, kann der SGH die Durchführung des Schiedsverfahrens ablehnen, §§ 8 Abs. 5 und 9 Abs. 2 SGH-Statut. 4 Zur Schlichtung Wegmann, notar 1999, 122. Die Parteien sollen auch dadurch zur Schlichtung motiviert werden, dass bei einer Beendigung des Schiedsverfahrens in der Schlichtungsphase nur 40 % der Kosten des Schiedsverfahrens erhoben werden.
Bandel 423
Kap. 24 Rz. 93
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.7
[optionell: Die Schiedsrichter werden im Sinne der §§ 7 Abs. 2 und 9 des Statuts von den Parteien selbst benannt.]A6 Folgende Ergänzungen sind empfehlenswert:A7 – Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist …A8 (Bei einfach gelagerten Fällen oder geringem Streitwert:) Das Schiedsgericht besteht aus einem Einzelschiedsrichter.A9 2. Schiedsklausel allgemein für unbestimmte Verfahrensarten Alle schiedsfähigen Streitigkeiten, die in Bezug auf Rechtsverhältnisse entstanden sind oder künftig entstehen, die Grundlage, Gegenstand oder Folge des gegenwärtigen Vertrags sind, werden unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten der Entscheidung des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare (SGH) unterworfen. Der Sekretär des SGH bestimmt entsprechend § 317 BGB das auf das Schiedsverfahren anwendbare Verfahrens-Statut einschließlich Kostenordnung auf Grundlage des bei Einleitung eines Schiedsverfahrens geltenden Statuts nebst Kostenordnung. Die Beteiligten verzichten auf den Zugang der entsprechenden Erklärung des Sekretärs. [optionell: Die Schiedsrichter werden im Sinne der §§ 7 Abs. 2 und 9 des Statuts von den Parteien selbst benannt.]A10 Folgende Ergänzungen sind empfehlenswert: – Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist … (Bei einfach gelagerten Fällen oder geringem Streitwert:) Das Schiedsgericht besteht aus einem Einzelschiedsrichter.
Anmerkungen zu Muster M 24.7 93
A1 Unter http://www.dnotv.de/Schiedsgerichtshof/Schiedsgerichtshof.html (Stand März 2016) befinden sich neben Statut und Kostenordnung des SGH in alter und neuer Fassung (auch als Synopse) auch sechs Musterschiedsklauseln, neben den beiden vorstehend abgedruckten noch spezielle für WEG, Ehevertrag, Gesellschaftsrecht und Testament. Als Verweisungsurkunde findet sich dort eine abrufbare elektronisch beglaubigte Abschrift der Schieds- und Schlichtungsordnung.
94
A2 Musterklausel 1 kann so nur in notariell beurkundete Verträge aufgenommen werden. In diesem Fall bedarf es auch bei Verbraucherbeteiligung gemäß § 1031 Abs. 5 Satz 3 2. Halbs. ZPO keiner Sonderung von den übrigen Bestimmungen. Auch wenn konkret auf das Statut der Verweisungsurkunde Bezug genommen wird, handelt es sich doch um eine dynamische Verweisung, da § 26 SGH-Statut statuiert, dass das Statut in der Fassung Anwendung findet, die im Zeitpunkt des Eingangs des ersten Antrags im Sekretariat in Kraft ist. Den Parteien bleibt es unbenommen, stattdessen statisch zu verweisen. Musterklausel 2 ist ohnehin dynamisch formuliert.
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A3 Die administrative Tätigkeit wird vom Sekretariat des SGH geleistet und umfasst insbesondere jede Unterstützung des Vorsitzenden, die dieser anfordert, § 14 Abs. 3 SGH-Statut. Der SGH übernimmt die Entgegennahme und den Versand der relevanten Schriftstücke, benennt im Regelfall die Schiedsrichter und fungiert als Zahlstelle für alle Kosten. Das Sekretariat des SGH soll stets über einen lückenlosen und aktuellen Satz der Verfahrensakten verfügen, § 14 Abs. 2 SGH-Statut.
96
A4 Die Kosten sind streitwertabhängig und werden prozentual nach Stand des Verfahrens erhoben. Sie liegen etwas unterhalb der von der DIS vorgesehenen Kosten. Die vergleichs424
Bandel
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 102 Kap. 24
weise Einigung in einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut wird mit einer Kostenersparnis von 20 % honoriert, § 10 Abs. 3 KostO-SGH. A5 § 25 Abs. 1 SGH-Statut stellt klar, dass es sich um eine dynamische Verweisung handelt, also die Fassung des Statuts im Zeitpunkt des Eingangs des ersten Antrags gilt. Jede Partei kann jedoch innerhalb einer Woche nach Mitteilung der Personen der Schiedsrichter verlangen, dass das Statut in der Fassung anzuwenden ist, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Schiedsvertrags gegolten hat, § 25 Abs. 2 SGH-Statut.
97
A6 Das Statut geht grundsätzlich davon aus, dass die Schiedsrichter durch den SGH be- 98 nannt werden. Die Benennung durch die Parteien wird jedoch zugelassen. Nach § 7 Abs. 2 SGH-Statut soll, von begründeten Ausnahmen abgesehen, der Vorsitzende des Schiedsgerichts ein Notar sein. A7 Empfehlung des Verfassers.
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A8 Vgl. zur großen Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 14 mit Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93). Das Statut enthält keine Bestimmung zum Schiedsort, § 16 Abs. 1 SGH-Statut gibt dem Vorsitzenden nur das Bestimmungsrecht für den Ort der Verhandlung.
100
A9 §§ 8, 9 SGH-Statut sehen stets ein Dreierschiedsgericht vor. Eine abweichende Verein- 101 barung kann aber vom SGH zugelassen werden. Nach dem Gesetz bestimmen ohnehin die Parteien die Anzahl der Schiedsrichter. A10 Siehe Anm. A6 (Rz. 98).
101a
G. Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE) I. Einführung Die DSE e.V.1 wurde im Jahre 1998 auf Initiative der Deutschen Vereinigung für Erbrecht 102 und Vermögensnachfolge e.V. gegründet. Sie will die Vorteile des Schiedsverfahrens (Zeitersparnis, Kostenersparnis und Ausschluss der Öffentlichkeit; s. hierzu Kap. 23 Rz. 13–16) auch für erbrechtliche Verfahren (zu Sonderproblemen der Schiedsgerichtsbarkeit im Erbrecht Kap. 26 Rz. 1–6) nutzbar machen. Als Schiedsrichter für diese schwierige Aufgabe sind nur Personen zugelassen, die in die Schiedsrichterliste der DSE aufgenommen sind,2 was den Nachweis einer hohen Kompetenz im Erbrecht und im Recht der Vermögensnachfolge voraussetzt. In der Regel entscheidet ein Einzelschiedsrichter, § 5 Abs. 1 SchO-DSE. Der oder die Schiedsrichter werden vom Vorstand der DSE ernannt, § 5 Abs. 3 SchO-DSE.3 Vertragliche Beziehungen bestehen nur zwischen den Parteien und der DSE einerseits und der DSE und den Schiedsrichtern andererseits.4 Das Verfahren richtet sich nun nicht mehr nach den Vorschriften des Verfahrens der 1. Instanz beim Landgericht, sondern ganz im Sinne von § 1042 ZPO nach den Vereinbarungen der Schiedsparteien, dem Statut und an1 Im Internet unter http://www.dse-erbrecht.de (Stand März 2016). Die DSE hat ihren Sitz in Heidelberg, betreibt jedoch im Bundesgebiet (i.d.R. über Anwaltskanzleien) zahlreiche Geschäftsstellen. 2 Laut Internetauftritt stehen regional nach Postleitzahlen geordnet zahlreiche Schiedsrichter zur Verfügung. 3 Die Schiedsrichterbestimmung durch den Erblasser oder die Parteien des Schiedsverfahrens ist jedoch für den DSE-Vorstand bindend, auch wenn diese nicht der Schiedsrichterliste angehören, § 5 Abs. 3 S. 2 SchO-DSE. 4 Vgl. früher § 8.1 und 8.2 SchO-DSE, nun nicht mehr ausdrücklich geregelt. Abläufe und Kompetenzen der DSE (Zustellung, Kostenerhebung, z.B. § 3 Abs. 3, 5 und 7 SchO-DSE) zeigen jedoch, dass sich hieran nichts geändert hat.
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Kap. 24 Rz. 103
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.8
sonsten dem pflichtgemäßen freien Ermessen des Schiedsgerichts. Anwaltszwang besteht nicht.1 Besondere Vorschriften für eine Schlichtung sieht die Schiedsordnung nicht vor, doch soll das Schiedsgericht gemäß § 7.1 SchO-DSE in jeder Lage des Verfahrens auf eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits hinwirken. Diese wird durch Kostenermäßigung begünstigt, § 8.1 Abs. 2 SchO-DSE. Von der Konstruktion her interessant ist, dass es nach § 9.2. Abs. 2 SchO-DSE den Schiedsrichtern obliegt, von ihnen hinzugezogene Mitarbeiter der DSE zur Verschwiegenheit zu verpflichten, eine entsprechende Verpflichtung der DSE selbst aber nirgendwo niedergelegt ist.
II. Muster 103
M 24.8 Schiedsvereinbarung DSEA1 Schiedsvereinbarung Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. Zwischen den Beteiligten 1. … (Name, Vorname, Adresse) 2. … (Name, Vorname, Adresse) 3. … wird folgende Schiedsvereinbarung geschlossen (bitte ankreuzen und ausfüllen): § 1 Gegenstand der Vereinbarung Die Beteiligten erklären zum Gegenstand der Schiedsvereinbarung ( ) alle Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit folgendem/n Erbfall/Erbfällen: 1. … (Name, Vorname, Sterbedatum, Sterbeort) 2. … (Name, Vorname, Sterbedatum, Sterbeort) ( ) alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit folgendem Übergabevertrag/Gesellschaftsvertrag bzw. sonstigen Verträgen: … (Bitte Verträge mit Datum, ggf. Urkundsnummer des Notars etc., genau bezeichnen.) ( ) alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit der/den Vollmacht/en und Patientenverfügung/en folgender Person/Personen: 1. … (Name, Vorname, [letzte] Adresse) 2. … (Name, Vorname, [letzte] Adresse) § 2 Schiedsvereinbarung Die Beteiligten vereinbaren hiermit, dass alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem in § 1 bezeichneten Streitgegenstand nach der derzeit geltendenA2 Schiedsordnung der Deutschen Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden werden. § 3 Sonstige Vereinbarungen (1) Besetzung des Schiedsgerichts Grundsätzlich werden die Schiedsverfahren der DSE durch einen Einzelrichter entschieden. 1 Verfahren nach § 8 Abs. 2-9 SchO-DSE.
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M 24.8
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 104 Kap. 24
Die Beteiligten können hiervon abweichend vereinbaren, dass ein Kollegialgericht, bestehend aus drei Schiedsrichtern, ernannt werden soll. ( ) Ja, es soll ein Einzelrichter entscheiden. ( ) Nein, es soll ein Kollegialgericht entscheiden. (2) Schiedsrichterbenennung Sie können den/die Schiedsrichter aus der Schiedsrichterliste der DSE auswählen oder auch eine andere Person Ihres Vertrauens bestimmen. Ansonsten benennt die DSE den/die Schiedsrichter. Die Schiedsrichterliste ist auf der Homepage der DSE veröffentlicht. ( ) Wir benennen folgende Person/Personen zu Schiedsrichtern: 1. … (Name, Vorname, Adresse) 2. … (Name, Vorname, Adresse) 3. … (Name, Vorname, Adresse) ( ) Die DSE soll den bzw. die Schiedsrichter benennen. (3) Schriftliche Kommunikation ( ) Die Beteiligten vereinbaren hiermit, dass alle schriftlichen Erklärungen im Schiedsverfahren (mit Ausnahme des Schiedsspruchs) nach dem Ermessen des Schiedsgerichts auch per E-Mail übermittelt werden können. ( ) Die Beteiligten vereinbaren hiermit, dass alle schriftlichen Erklärungen auf dem Postweg übermittelt werden sollen. … (Datum, Unterschrift der Beteiligten) Hinweise: Gemäß § 1031 Abs. 5 Zivilprozessordnung müssen Schiedsvereinbarungen, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, von den Parteien eigenhändig unterzeichnet werden. Es reicht daher regelmäßig nicht aus, wenn die Prozessbevollmächtigten diese Vereinbarung unterschreiben. Es ist nicht notwendig, dass bei jeder Partei ein Originalexemplar der Schiedsvereinbarung verbleibt. Bei mehreren Parteien sollte die von allen Parteien zu unterschreibende Schiedsvereinbarung – soweit nicht anders möglich – im Postumlauf unterschrieben und schließlich an die Geschäftsstelle der DSE gesendet werden. Die DSE übersendet jedem Beteiligten (ggf. über dessen Prozessbevollmächtigten) eine Kopie der von allen unterschriebenen Schiedsvereinbarung. Eine Schiedsvereinbarung mit mehr als fünf Parteien kann unter Verwendung des vorstehenden Vertragstextes auch ohne dieses Formular geschlossen werden. Folgende Ergänzung ist empfehlenswert:A3 – Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist …A4
Anmerkungen zu Muster M 24.8 A1 Schiedsvereinbarung der möglichen Erbprätendenten, Vermächtnisnehmer, Auflagen- 104 begünstigten und Pflichtteilsberechtigten, die von der DSE empfohlen wird. Zur empfohlenen Schiedsverfügung in Testamenten und Erbverträgen s. Kap. 25 Rz. 80 ff. Die Musterklausel zeigt insbesondere, dass keine Beschränkung auf das Erbrecht im engeren Sinne erfolgen soll, sondern die gesamte Vermögensnachfolge einschließlich persönlicher Entscheidungen der letzten Lebensphase (Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung)
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Kap. 24 Rz. 105
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.8
zum Kompetenzbereich der DSE gezählt wird. Wegen des Sachzusammenhangs macht dies in Bezug auf Regelungen der vorweggenommenen Erbfolge sicher Sinn. 105
A2 Trotz des Wortlauts wohl eine dynamische Verweisung, da § 1 Abs. 2 dies so vorsieht.
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A3 Empfehlung des Verfassers.
107
A4 Gemäß § 8 Abs. 5 SchO-DSE können die Parteien den Ort des Schiedsverfahrens festlegen. Vgl. zur großen Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 14 Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93).
H. „Internationale“ Schiedsinstitutionen I. Einführung 108
In diesem Abschnitt werden die bekanntesten internationale1 Schiedsorganisatione2 kurz vorgestellt.3 Die wichtigste internationale Schiedsinstitution der Schweiz wird im folgenden Abschnitt vorgestellt. 1. Internationaler Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer mit Sitz in Paris (ICC)
109
Der 1923 unter dem Namen ICC-Schiedsgerichtshof4 gegründete Internationale Schiedsgerichtshof ist wohl derzeit die bedeutendste Institution der internationalen Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit.5 Die Verfahrensordnung6 ist entsprechend der internationalen Aufgabenstellung flexibel und sieht nach Wahl der Parteien gemäß Art. 12 ICC-SchO einen oder drei Schiedsrichter7 vor. Sie ist mehrfach kommentiert.8 Einschneidende Neuerungen 1 Die Bezeichnung „international“ kennzeichnet hier nur, dass die Institutionen ihren Sitz nicht in Deutschland haben. 2 Einen ausführlicheren Überblick gibt Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor § 1025 Rz. 41–44. 3 Breiterer Überblick bei Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 2942 ff. 4 Ein Porträt der ICC mit Anmerkungen von findet sich bei von Schlabrendorff, SchiedsVZ 2003, 34; die neue ICC-SchO ist dargestellt in Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (Hrsg.), Die neue ICC-Schiedsgerichtsordnung, 2013. 5 Umfassende Informationen unter http://www.iccwbo.org/products-and-services/arbitration-and-adr/ arbitration/ (Stand April 2016). Die ICC gibt an, dass seit Gründung mehr als 20 000 Schiedsverfahren mit Parteien und Schiedsrichtern aus ca. 180 Ländern durchgeführt wurden. In 2015 wurden 801 Schiedsverfahren beantragt, die 2 283 Parteien aus 133 verschiedenen Ländern betrafen. 23,1 % der neuen Streitigkeiten hatten einen Streitwert von über einer Million US$. 498 Schiedsverfahren wurden mit Schiedsspruch beendet. 6 Neufassung in Kraft seit 1.1.2012. Authentisch sind nur der englische und der französische Text. Ausführlich zum Verfahren nach der vorhergehenden Schiedsgerichtsordnung Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 3069. 7 Ist die Zahl von den Parteien nicht bestimmt, ist der Einzelschiedsrichter der Regelfall, der Gerichtshof kann jedoch bei entsprechender Bedeutung der Streitigkeit auch ein Dreierschiedsgericht anordnen, Art. 12 Abs. 2 ICC –SchO. 8 Aktuell nun Nedden/Herzberg mit einem Kommentar der neuen ICC-SchO in deutscher Sprache über 631 Seiten und Reiner/Aschauer in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Chapter 2 (178 Seiten), zur vorherigen Fassung der Schiedsordnung. Von Schlabrendorff, SchiedsVZ 2003, 35 f. Das dortige Porträt empfiehlt als Literatur außer den im hiesigen Literaturverzeichnis angegebenen Texten Schäfer/Verbist/Imhoos, Die ICC Schiedsgerichtsordnung in der Praxis, 2000; Derains/Schwarz, A Guide to the New ICC Rules of Arbitration, 1998, und den „Klassiker“ Craig/Park/Paulsson, International Chamber of Commerce Arbitration, 3rd ed., 2000.
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Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 110 Kap. 24
gegenüber der früheren SchO enthalten die Art. 7-10 ICC-SchO, mit denen erstmals umfassendere Regelungen zur Mehrheit von Parteien und zur Gestaltung von Verfahren auf der Basis von mehreren Verträgen aufgenommen wurden.1 Der ICC-Schiedsgerichtshof als Institution hat wie bisher im Vergleich mit anderen internationalen Schiedsordnungen weitreichende Interventions- und Kontrollmöglichkeiten.2 Z.B. entscheidet er gemäß Art. 11 Abs. 4 endgültig3 und ohne Bekanntgabe von Gründen über die Ernennung, Bestätigung, Ablehnung oder Ersetzung eines Schiedsrichters. Zwei wesentliche Besonderheiten des Verfahrens sind die Terms of Reference,4 eine Art Prozessprogramm, das neben notwendigen Angaben zu den Verfahrensbeteiligten auch den Streitgegenstand abgrenzt,5 und die Überprüfung des Schiedsspruchs vor dessen Unterzeichnung durch den Gerichtshof6 in formeller und sachlicher Hinsicht.7 Eine Verpflichtung, auf einvernehmliche Regelungen der Streitigkeiten hinzuwirken, enthält die ICC-SchO nicht, da eine solche Einflussnahme der Schiedsrichter auf die Parteien anderen Rechtsordnungen fremd ist. 2. London Court of International Arbitration (LCIA) Der 1892 gegründete LCIA ist zwar älter als der Internationale Schiedsgerichtshof, liegt 110 aber in der Zahl der Schiedsverfahren trotz kontinuierlicher Steigerung in den letzten Jahren8 deutlich hinter diesem zurück. Die Schiedsordnung (LCIA-Rules),9 in der jetzigen Fassung in Kraft seit 1.10.2014, ist natürlich vom common law geprägt, jedoch flexibel genug, um auch Parteien und Streitigkeiten aus anderen Rechtsräumen zu dienen.10 Terms of Reference und eine Überprüfung des Schiedsspruchs durch den Gerichtshof sind anders als bei der ICC nicht vorgesehen. Die Kosten werden nicht streitwertabhängig, sondern nach Stundensätzen berechnet.
1 Schmidt-Hrends/Nedden in Nedden/Herzberg, vor Art. 7 ff. ICC-SchO Rz. 2. 2 Nedden/Herzberg Vorbemerkung zur ICC-SchO Rz. 2. 3 Dies schließt die Anrufung des staatlichen Gerichts gemäß §§ 1037 Abs. 3, 1038 ZPO nicht aus, vgl. Reiner/Aschauer in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Chapter 2 Rz. 237; Wagner in Nedden/Herzberg, Art. 11 ICC-SchO Rz. 32 u. 36. 4 In der deutschen Übersetzung von Art. 23 ICC-SchO „Schiedsauftrag“ genannt. Hierzu näher Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 3136 mit Muster Rz. 4748, und Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 52 Rz. 3, beide zum alten Recht; die Neufassung der SchO hat in diesem Punkt nichts geändert. 5 Näher zu den Funktionen Bühler/Jarvin, in Weigand, 2. Ed., Chapter 15 Rz. 15.680; Herzberg in Nedden/Herzberg, Art. 23 Rz. 2; Reiner/Aschauer in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Chapter 2 Rz. 473. 6 Art. 33 ICC-SchO. Kritisch hierzu Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1036 Rz. 61; den Wert dieser Regelung für die Parteien betonen hingegen Bühler/Jarvin in Weigand, 2. Ed., Chapter 15 Rz. 15.943. 7 Manner/Nedden in Nedden/Herzberg, Art. 33 Rz. 7 ff.: Formelle Änderungswünsche sind für das Schiedsgericht verbindlich, in Bezug auf den sachlichen Inhalt ist der Gerichtshof nur hinweisberechtigt. 8 In 2015 wurden 326 neue Anträge auf Einleitung eines Schiedsverfahrens gezählt, die höchste je berichtete Jahreszahl. 9 Abrufbar unter http://www.lcia.org//Dispute_Resolution_Services/lcia-arbitration-rules-2014.aspx (Stand April 2016); Kommentierung von Konrad/Hunter in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Chapter VI und Lew/Mistelis/Davies in Weigand, 2. Ed., Chapter 18. 10 Ein ausführlicher Überblick zum Verfahren nach der Schiedsordnung 1998 findet sich bei Lachmann, Handbuch, 3. Aufl., 2008, Rz. 3243.
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Kap. 24 Rz. 111
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
3. American Arbitration Association (AAA) 111
In den Vereinigten Staaten ist es gelungen, weite Bereiche des Schiedsverfahrens auf eine Schiedsgerichtsinstitution, nämlich die AAA, zu konzentrieren.1 Diese bietet abhängig von Sachgebieten und der Art der streitenden Beteiligten verschiedenste Verfahren an, so für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten auch die „Commercial Arbitration Rules“.2 4. Schiedsgerichtsinstitut der Stockholmer Handelskammer (AISCC)
112
Auch nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ hat die AISCC3 noch eine bedeutende Rolle für Schiedsverfahren zwischen westlichen und östlichen Staaten inne.4 Im Jahr 2015 wurden 181 (103 internationale, 78 schwedische) neue Verfahren gezählt, Rekordjahr war 2009 mit 216 neuen Verfahren.5 5. Internationales Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC – Vienna International Arbitral Centre)
113
Nach eigener Angabe hat das VIAC6 seit seiner Gründung im Jahr 1975 1.600 Schiedsverfahren administriert. Die Verfahrensordnung („Wiener Regeln“) wurde mit Wirkung zum 1.7.2013 auf aktuellen Stand gebracht und weist die inzwischen üblichen Regelungen für Mehrparteienverfahren (Art. 14 f., 18 Wiener Regeln), vorläufige und sichernde Maßnahmen (Art. 33 Wiener Regeln) und ein eigenes Beschleunigtes Verfahren (Art. 45 Wiener Regeln) auf. Der in Art. 46 vorgesehene umfassende Haftungsauschluss „soweit gesetzlich zulässig“ dürfte allerdings auch international kaum zu halten sein. 6. World Intellectual Property Organization (WIPO)
114
Die WIPO,7 eine durch Staatsvertrag gegründete und damit sicher nicht private Institution, unterhält seit 1994 ein Center für Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation, das insbesondere bei der Lösung internationaler Streitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums helfen soll.8 Der Materie angemessen wird in Art. 49 WIPO-SchO eine Schiedsordnung für ein beschleunigtes Schiedsverfahren zur Verfügung gestellt, das stets vor einem Einzelschiedsrichter („Dringlichkeitsschiedsrichter“)stattfindet. Im Bereich der Domaine-Streitigkeiten9 wird die außerordentliche Zahl von bereits mehr als 30 000 Fällen genannt, die der Institution vorgelegt wurden. 1 2 3 4 5 6
7 8 9
Ausführliche Informationen sowie Muster unter http://www.adr.org (Stand April 2016). Aktuelle Fassung in Kraft zum 1.10.2013. Abkürzung für „Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce“. Allgemeine Informationen in englischer Sprache unter http://www.sccinstitute.com (Stand April 2016); die derzeitige Schiedsordnung ist in Kraft seit 1.1.2010; Kommentierung von Liebscher in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Chapter IV, allerdings für die Wiener Regeln Stand 2006. Ausführliche Statistik unter http://www.sccinstitute.com/uk/About/Statistics (Stand April 2016). Unter http://www.wko.at/arbitration/de/de_index.htm (Stand April 2016) finden sich Informationen, Schiedsordnung und Musterklauseln; die aktuellen Wiener Regeln sind zum 1.7.2013 in Kraft getreten; ein Überblick hierzu bei Baier/Hahnkamper, SchiedsVZ 2013, 141; Kommentierung von Öhrström in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Chapter XII. Unter http://www.wipo.int/amc/de/arbitration/rules/ (Stand April 2016) finden sich Informationen, Schiedsordnung und Musterklauseln. Abdruck der Schiedsordnung, Fassung v. 1.6.2014, auch in deutscher Sprache. Zum Verfahren nach früherer SchO s. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 52 Rz. 17 ff. Streitlösung unter dem Begriff der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP).
430
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Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 119 Kap. 24
II. Muster M 24.9 Schiedsvereinbarung ICC
115
Aktuelle Muster der Schiedsklauseln sämtlicher vorgestellter Schiedsorganisationen sind an den genannten Stellen im Internet abrufbar. Sie unterscheiden sich nur geringfügig. Deshalb wird im Folgenden nur beispielhaft die Standard-Schiedsklausel der ICC wiedergegeben. Die ICC empfiehlt die folgende Standard-Klausel:A1 Alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer (ICC) von einem oder mehreren gemäß dieser Ordnung ernannten Schiedsrichtern endgültig entschieden. Ferner kann es für die Parteien nützlich sein, in der Schiedsklausel folgende weitere Punkte zu regeln:A2 – das dem Vertrag zugrunde liegende Recht, – die Anzahl der Schiedsrichter, – den Schiedsgerichtsort,A3 – die Sprache des Schiedsgerichtsverfahrens.
Anmerkungen zu Muster M 24.9 A1 Die Klausel ist in zahlreichen Sprachen, auch auf Deutsch, abrufbar unter http:// 116 www.iccwbo.org/Products-and-Services/Arbitration-and-ADR/Arbitration/Standard-ICCArbitration-clauses/Standard-ICC-Arbitration-Clauses-in-several-languages/ (Stand April 2016). A2 Vgl. hierzu die Ergänzungen der DIS-Musterschiedsklausel M 24.4 (Rz. 66); mit Lionnet, Handbuch, 2. Aufl. 2001, 142 ff., wird man die Regelung dieser Punkte in internationalen Schiedsverfahren als zwingend notwendig ansehen müssen.
117
A3 Dieser kann selbstverständlich auch in Deutschland liegen mit der Folge, dass sich das 118 Verfahren nach dem 10. Buch der ZPO richtet und ein nationaler deutscher Schiedsspruch ergeht. Nach Angabe der ICC lagen 2015 die Orte der ICC-Schiedsverfahren in 56 verschiedenen Ländern. Vgl. zur großen Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 14 mit Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93).
I. Schiedsgerichte der Handels- und Industriekammern in der Schweiz I. Einführung Die erste und älteste Organisation, die in der Schweiz ein Schiedsgericht unterhielt, war die 119 Züricher Handelskammer (ZHK). Sie hat bereits 1911, d.h. 12 Jahre vor der ICC, ein Schiedsgericht gegründet, welches vorab für Streitigkeiten unter Mitgliedsfirmen gedacht war. Schon bald, vor allem aber nach dem Zweiten Weltkrieg, entdeckte dann das Ausland den Schiedsplatz Schweiz. Neben der Neutralität des Schiedsplatzes wird die Einfachheit des Ortsrechts sowie der kompetente, erfahrene und diskrete Umgang mit heiklen Streitfällen durch schweizerische Schiedsrichter geschätzt. Im Jahre 2002 wurden in der Schweiz, allein unter den Schiedsregeln der ZHK, der ICC und der Genfer Handelskammer, über 200 neue internationale Fälle registriert. Bandel 431
Kap. 24 Rz. 120 120
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 24.10
Zum 1.7.2004 haben sich die Handels- und Industriekammern von Basel, Bern, Genf, Neuenburg, Tessin, Waadt und Zürich auf einheitliche Regeln1 geeinigt, die im Wesentlichen aus der UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung abgeleitet wurden. Zur kompetenten Administration dieser Schiedsverfahren haben die Kammern die Swiss Chambers’ Arbitration Institution („Gerichtshof“) gegründet. Diese handelt immer dann, wenn die Schiedsordnung den Kammern Aufgaben zuweist.2 Schiedsrichter, welche nicht von der Kommission selbst benannt werden,3 müssen vom Gerichtshof bestätigt werden, Art. 5 Abs. 1 Schweizerische SchO. Art. 6 Schweizerische SchO sieht als Regelfall den Einzelschiedsrichter vor, es sei denn die Schwierigkeit der Streitsache oder der Streitwert rechtfertigen die Zuweisung an ein Dreierschiedsgericht. Als Besonderheit weist die Schiedsordnung in Art. 42 ein beschleunigtes Verfahren auf, das bei entsprechender Vereinbarung der Parteien eine Streitentscheidung innerhalb von sechs Monaten nach Zusendung der Akten ermöglichen soll. Bei Streitwerten unter 1000000 CHF ist dieses Verfahren als Regelverfahren angeordnet.4 Honorare des Schiedsgerichts und Verwaltungskosten der Kammern werden nach einer eigenen Kostenordnung in Abhängigkeit vom Streitwert festgesetzt.5
II. Muster 121
M 24.10 Empfehlung zur Internationalen Schweizerischen Schiedsordnung der Schweizerischen Handelskammern (Schweizerische Schiedsordnung)A1 (1) Alle Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten oder Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag, einschließlich über dessen Gültigkeit, Ungültigkeit, Verletzung oder Auflösung, sind durch ein Schiedsverfahren gemäß der Internationalen Schweizerischen Schiedsordnung der Swiss Chambers’ Arbitration InstitutionA2 zu entscheiden. Es gilt die zur Zeit der Zustellung der Einleitungsanzeige in Kraft stehende Fassung der Schiedsordnung. (2) Das Schiedsgericht soll aus … („einem“, „drei“ „einem oder drei“) Mitglieder(n) bestehen. (3) Der Sitz des Schiedsgerichts ist … (Ort in der Schweiz, es sei denn, die Parteien einigen sich auf einen Sitz in einem anderen Land).A3 (4) Die Sprache des Schiedsverfahrens ist … (gewünschte Sprache einfügen). (5) Das Schiedsverfahren soll gemäß Art. 42 Abs. 1 SchO im Beschleunigten Verfahren durchgeführt werden.A4
Anmerkungen zu Muster M 24.10 122
A1 Abrufbar unter https://www.swissarbitration.org/Arbitration/Arbitration-Rules-andLaws (Stand April 2016)
1 Neufassung der Regeln mit Wirkung zum 1.6.2012, durch die die Regeln von 2004 leicht überarbeitet wurden. Als Original ist die englische Version angegeben; Kommentierung von Karrer, in Schütze, Institutional Arbitration 2013, Chapter V. 2 Vgl. näher Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Anh. B. Einl., 625 f. 3 Art. 7 Abs. 3, 8 Abs. 2, 4 und 5 Schweizerische SchO. 4 Art. 42 Abs. 2, 6 Abs. 4 Schweizerische SchO. 5 Im Sonderfall eines niedrigen Streitwerts vor einem Dreierschiedsgericht ist für die Schiedsrichter gemäß Ziff. 2.8 Appendix B ein Mindesthonorar von 350 CHF pro Stunde vorgesehen.
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M 24.10
Schiedsrichtervertrag/Schiedsorganisationsvertrag
Rz. 125 Kap. 24
A2 So jetzt der Name der einheitlichen Regeln der Handels- und Industriekammern von 123 Basel, Bern, Genf, Neuenburg, Tessin, Waadt und Zürich, vgl. zum Ursprung näher Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Anh. B.6., Einführung (S. 625 f.) und Rz. 108. A3 Dieser kann selbstverständlich auch in Deutschland liegen mit der Folge, dass sich das Verfahren nach dem 10. Buch der ZPO richtet und ein nationaler deutscher Schiedsspruch ergeht. Vgl. zur großen Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 14 mit Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93).
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A4 S. hierzu Rz. 108. Die von den Kammern vorgeschlagene Musterklausel sieht diesen Zusatz nicht vor, die Option sollte aber zumindest erwogen werden.
125
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Kapitel 25
Schiedsklauseln in Testamenten und Erbverträgen
A. Schiedsverfügungen in Testamenten I. Einführung 1. Schiedsgerichtsbarkeit in Erbstreitigkeiten a) Mögliche Anwendungsfälle . . . . . . . . . b) Zweckmäßigkeit des Schiedsverfahrens in Erbstreitigkeiten . . . . . . . . . aa) Erbscheinverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis und Testamentsvollstreckerzeugnis . . . . . . . . . . . . bb) Internationale Erbfälle. . . . . . . . . . c) Spezialisierte Schiedsinstitutionen . . . 2. Die Schiedsverfügung des § 1066 1. Alt. ZPO a) Anordnung des Schiedsgerichts durch letztwillige Verfügung . . . . . . . . . . . . . b) Die Form und Wirksamkeit der Anordnung aa) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Folgen der Unwirksamkeit sonstiger Verfügungen. . . . . . . . . . cc) Anfechtbarkeit einer letztwilligen Verfügung . . . . . . . . . . . . c) Die Reichweite der Anordnung . . . . . . aa) § 2065 BGB (oder richtiger die Bedeutung des § 1051 ZPO im Erbstreit vor dem Schiedsverfahren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausübung zulässiger Bestimmungsrechte/Entscheidung als Schiedsgutachter . . . . . . . . . . . . . . cc) Entscheidung in Pflichtteilsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Entscheidung über die Entlassung des Testamentsvollstreckers. . . . . . ee) Verfahrensvereinbarungen . . . . . . ff) Schiedsrichtervertrag, -vergütung und Schiedsorganisationsvertrag d) Die Anordnung in internationalen Erbfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erbrechtliche Gestaltungsmittel zur Verstärkung der Schiedsbindung . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.1 Schiedsverfügung mit weiteren Bestimmungen in einem Einzel-Testament . . . . . . . . . . . . .
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B. Schiedsverfügungen in Erbverträgen I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterwerfung eines Rechtsverhältnisses unter die Schiedsgerichtsbarkeit a) Streitigkeiten zwischen den am Rechtsgeschäft Beteiligten . . . . . . . . . . b) Streitigkeiten nach dem Tod eines am Rechtsgeschäft Beteiligten, die seinen Nachlass betreffen aa) Maßgebliche Formvorschriften . . . bb) Schiedsverfügungen bei bindenden letztwilligen Verfügungen. . . . c) Streitigkeiten zwischen Überlebenden, die nicht den Nachlass des Verstorbenen betreffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 M 25.2 Schiedsverfügung und Schiedsvereinbarungen mit weiteren Bestimmungen in einem Erbvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 C. Schiedsverfügungen zu gemeinsamen Testamenten I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.3 Schiedsverfügung und Schiedsvereinbarungen mit weiteren Bestimmungen zu einem gemeinschaftlichen Testament. . . . . D. Schiedsverfügung zur Einsetzung eines institutionellen Schiedsgerichts I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.4 Schiedsverfügung zur Einsetzung eines institutionellen Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . E. Musterschiedsverfügung Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.5 Schiedsverfügung für Erbstreitigkeiten nach DSE . . . . . . . . . . . . . .
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Testament und Erbverträge F. Musterschiedsverfügungen des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare – SGH I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25.6 Schiedsverfügungen für Erbstreitigkeiten nach SGH . . . . . . . . . . .
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Kap. 25
G. Schiedsvereinbarung zu einem Erb-, Pflichtteils- oder Zuwendungsverzicht gemäß §§ 2346 ff. BGB I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 M 25.7 Schiedsvereinbarung zwischen dem Erblasser und einem Pflichtteilsberechtigten. . . . . . . . . 101
Literatur: Allgemein s. Kap. 23 vor Rz. 1. Bandel, Schiedsklauseln in Testamenten und Erbverträgen, NotBZ 2005, 381; Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013 (zit.: Bearbeiter in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013); Crezelius, Schiedsgerichte und Erbrecht, Festschrift für Harm Peter Westermann 2008, 161 (zit. Crezelius, FS Westermann); Dawirs, Das letztwillig angeordnete Schiedsverfahren, Gestaltungsmöglichkeiten, 2014 (zit. Dawirs, Gestaltungsmöglichkeiten); Groll (Hrsg.), Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 4. Auflage 2015 (zit.: Bearbeiter in Groll, 4. Aufl. 2015); Haas, Beruhen Schiedsabreden in Gesellschaftsverträgen nicht auf Vereinbarungen i.S. des § 1066 ZPO oder vielleicht doch?, SchiedsVZ 2007, 1; Haas, Letztwillige Schiedsverfügungen i.S. des § 1066 ZPO, ZEV 2007, 49; Haas, Schiedsgerichte in Erbsachen und das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, SchiedsVZ 2011, 289; Happe, Schiedsklauseln durch Testament, in Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftsrechtlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten, 85 ff. (zit.: Happe, Schiedsklauseln); Junker, Deutsche Schiedsgerichte und internationales Privatrecht, Festschrift für Otto Sandrock zum 70. Geburtstag, 2000, 443 ff. (zit.: Junker, FS Sandrock); Kohler, Letztwillige Schiedsklauseln, DNotZ 1962, 125 ff.; Lange/Kuchinke, Erbrecht, Ein Lehrbuch, 5. Aufl. 2001 (zit.: Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001); Mankowski, Erbrechtliche Schiedsgerichte in Fällen mit Auslandsbezug und die EuErbVO, ZEV 2014, 395; Martiny, Die Bestimmung des anwendbaren Sachrechts durch das Schiedsgericht, Festschrift für Rolf A. Schütze zum 65. Geburtstag, München 1999, 529 ff. (zit.: Martiny, FS Schütze); Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 4. Auflage 2015; Mayer, Der beschränkte Pflichtteilsverzicht, ZEV 2000, 263 ff.; Muscheler, Entlassung des Testamentsvollstreckers und letztwillige Schiedsklausel, ZEV 2009, 317; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015 (zit.: Nieder/Kössinger, Handbuch, 5. Aufl. 2015); Otte, Die Zulässigkeit testamentarischer Schiedsgerichte, JubiläumsFestschrift des Rheinischen Notariats, 1998, 241 ff. (zit.: Otte, FS Rheinisches Notariat); Pawlytta, Erbrechtliches Schiedsgericht und Pflichtteilsrecht, ZEV 2003, 89 ff.; Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, Kommentar mit Erläuterungen, Checklisten und Gestaltungsvorschlägen, 6. Aufl. 2015 (zit.: Bearbeiter in Reimann/Bengel/Mayer, 6. Aufl. 2015); Scherer (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2014 (zit.: Bearbeiter in Scherer, Handbuch, 4. Aufl. 2014); Schiffer, Erbrechtliche Gestaltung: Letztwillige Schiedsklauseln – Lösungsmöglichkeiten und Hinweise, BB 1995, Beilage 5, 2 ff.; Schiffer, Erbrechtliche Gestaltung: Möglichkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit, in Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftsrechtlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten, 65 ff. (zit.: Schiffer, Möglichkeiten); Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit und freiwillige Gerichtsbarkeit, in Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftsrechtlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten, 97 ff. (zit.: Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit); Schulze, Letztwillig eingesetzte Schiedsgerichte, MDR 2000, 314 ff.; Tanck/Krug, Anwaltsformulare Testamente, 5. Auflage 2015 (zit. Tanck/Krug, Testamente, 5. Aufl. 2015); Wagner, Rechtswahlfreiheit im Schiedsverfahren, in Festschrift für Ekkehard Schumann zum 70. Geburtstag, Tübingen 2001, 535 ff. (zit.: Wagner, FS Schumann); Walter, Schiedsverträge und Schiedsklauseln in der notariellen Praxis, insbesondere bei letztwilligen Verfügungen, MittRhNotK 1984, 69 ff.; Wegmann, Die Schiedsgerichtsbarkeit in Nachlasssachen, ZEV 2003, 20 ff.; Werner, Das Schiedsverfahren als Instrument zur Lösung erbrechtlicher Streitigkeiten, ZEV 2011, 506. Muster von Schiedsverfügungen oder -vereinbarungen in der Literatur: Bandel, Schiedsklauseln in Testamenten und Erbverträgen, NotBZ 2005, 381 (390–393); Grötsch in Groll, 4. Aufl. 2015, B XIV Rz. 5, 11, 12, 24, 25, 48, 54, 55 u. 58; Happe, Schiedsklauseln durch Testament, in Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftsrechtlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten, 85 ff. (92–94); Klumpp in Bengel/Reimann, 5. Aufl. 2013, Kap. 5 Rz. 485; Kohler, DNotZ 1962, 125 (133 f.); J. Mayer in Mayer/ Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2015, § 14 Rz. 20; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testa-
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Kap. 25 Rz. 1
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
mentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, 15 Rz. 334; Nieder/Otto, in Münchener Vertragshandbuch, 6. Aufl. 2010, Band 6, Ziff. XVI.27; Pawlytta in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2014, § 67 Rz. 52, fasst verschieden Formulierungsvorschläge zusammen; Reimann/Bengel/Mayer, 6. Aufl. 2015, Formularteil B Rz. 98; Wachter in Bonefeld/Wachter, Der Fachanwalt für Erbrecht, 3. Aufl. 2014, § 24 Rz. 119; Wegmann, ZEV 2003, 20 f.
A. Schiedsverfügungen in Testamenten I. Einführung 1. Schiedsgerichtsbarkeit in Erbstreitigkeiten a) Mögliche Anwendungsfälle 1
Nicht anders als sonstige vermögensrechtliche Streitigkeiten sind auch erbrechtliche Streitigkeiten gemäß § 1030 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich schiedsfähig.1 Das 10. Buch der ZPO enthält hierzu in § 1066 1. Alt. ZPO nur eine Sonderregelung insoweit, als dass es die Vorschriften zur Schiedsgerichtsbarkeit für Schiedsgerichte entsprechend anwendet, die nicht durch Parteivereinbarung, sondern „in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige Verfügung angeordnet werden“. Die Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit kann in erbrechtlichen Streitigkeiten in dreifacher Weise erfolgen, nämlich – einseitig durch letztwillige Verfügung des Erblassers, – zwei- oder mehrseitig im Zusammenhang mit gemeinsamen Testamenten, Erbverträgen oder sonstigen Verträgen mit erbrechtlichem Bezug, wie z.B. dem Erb- oder Pflichtteilsverzicht oder – eine Schiedsvereinbarung nach Eintritt des Erbfalls in Bezug auf ein dadurch entstandenes Rechtsverhältnis.
1a
In den ersten beiden Fällen handelt es sich um vorbeugende Vereinbarungen, im dritten Fall hingegen regelmäßig um Vereinbarungen anlässlich bestehender Streitigkeiten. Dieser dritte Fall weist gegenüber sonstigen Schiedsverfahren nur insoweit Besonderheiten auf, als diese durch das Erbrecht als Streitgegenstand begründet sind. In den ersten beiden Fällen geht es hingegen um die „Einflussnahme des Erblassers auf den Nachlass über seinen Tod hinaus“,2 woraus sich weitergehende Fragen ableiten, die mit der insoweit wenig hilfreichen Vorschrift des § 1066 ZPO zusammenhängen. b) Zweckmäßigkeit des Schiedsverfahrens in Erbstreitigkeiten
2
Ob die Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber staatlichen Verfahren in Erbstreitigkeiten vorzugswürdig und damit zweckmäßig ist, wird unterschiedlich beurteilt.3 Die Argumente zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit lauten in diesem Kontext nicht anders als sonst.4 Zwei erhebliche Einschränkungen dürfen hierbei jedoch keinesfalls übersehen werden.
1 2 3 4
Vgl. Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1030 Rz. 2. So treffend die Überschrift von Nieder/Kössinger, Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 15 Rz. 329. Kritisch z.B. Happe, Schiedsklauseln, 85. S.o. § 22 Rz. 11–17; speziell zu erbrechtlichen Streitigkeiten vgl. Grötsch in Groll, 4. Aufl. 2015, B.XIV. Rz. 2; Pawlytta in Scherer, 4. Aufl. 2014, § 67 Rz. 5-13; Schiffer, Möglichkeiten, 65 (69 ff.) = BB 1995, Beilage 5, 2; Schulze, MDR 2000, 314; Utz, MittRhNotK 1984, 69 (77).
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Testament und Erbverträge
Rz. 3a Kap. 25
aa) Erbscheinverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis und Testamentsvollstreckerzeugnis Soweit es sich um Streitigkeiten handelt, die das Erbrecht oder die Stellung des Testaments- 3 vollstreckers betreffen, werden diese in Deutschland überwiegend im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgetragen. Die gleichzeitige Zuständigkeit des Prozessgerichts ist zwar nicht aufgehoben1 und ein anhängiger Rechtsstreit darf auch nicht gemäß § 148 ZPO wegen Anhängigkeit eines Erbschein- oder Testamentsvollstreckerzeugnisverfahrens ausgesetzt werden,2 doch ist es zweifelhaft und gerichtlich noch nicht endgültig geklärt, welche Auswirkungen ein anhängiges Schiedsverfahren auf ein laufendes FGG-Verfahren hat. Für ein noch nicht anhängiges Schiedsverfahren hat das BayObLG entschieden, dass das Nachlassgericht sein Verfahren ohne Verzögerung durchzuführen hat und eine Schiedsklausel daran nichts ändert.3 Aus § 21 Abs. 1 Satz 1 FamFG ergibt sich für das Nachlassgericht das Recht (Ermessens- 3a entscheidung), das Verfahren aus wichtigem Grund auszusetzen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bildet. Bei Rechtshängigkeit einer relevanten Klage vor dem Prozessgericht wird dem Nachlassgericht in der Literatur regelmäßig ein Recht auf Aussetzung zugestanden, eine diesbezügliche Pflicht hingegen nur unter Einschränkungen statuiert.4 In Bezug auf ein anhängiges Schiedsverfahren wird eine Aussetzungspflicht noch fragwürdiger, wenn man mit der herrschenden Meinung einen Schiedsspruch im FGG-Verfahren erst dann für beachtlich hält, wenn er rechtskräftig für vollstreckbar erklärt wurde.5 Die Eignung des Schiedsverfahrens, das staatliche Verfahren und damit auch die Öffentlichkeit vollständig auszuschließen,6 muss zumindest insoweit bezweifelt werden. Schiedsfreundlich, doch angesichts des bisherigen Meinungsstands mehr als erstaunlich ist es, dass das OLG Celle jüngst einen erteilten Erbschein eingezogen hat mit der Begründung, der Streit um das Erbrecht müsse im Schiedsverfahren 1 Vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Überbl. v. § 2353 Rz. 6. 2 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 30.4.1998 – 1Z BR 187/97, FamRZ 1999, 334 (335); Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 39 III (S. 1019). 3 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 19.10.2000 – 1 Z BR 116/99, FamRZ 2001, 873 (874); weitergehend LG Hechingen, Beschl. v. 7.12.2000 – 3 T 15/96, FamRZ 2001, 721 (723), das einer Schiedsklausel im Erbscheinsverfahren jede Bedeutung abspricht. Dessen Argumentation zur fehlenden Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten um die Erbenstellung führt allerdings in die Irre; explizit a.A. Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 2, der verlangt, dem Antragsteller müsse in jedem Fall aufgegeben werden, eine Entscheidung durch das Schiedsgericht herbeizuführen, um sein Erbrecht glaubhaft zu machen. 4 Vgl. Bumiller in Bumiller/Harders/Schwamb/Harders, FamFG, 11. Aufl. 2015, § 21 Rz. 1; Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 39 III (S. 1019); J.Mayer in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2359 Rz. 31; für eine Übertragung dieser Grundsätze Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit, 97 (110); explizit für eine Pflicht zur Aussetzung Lange, Erbrecht, § 78 Rz. 53, und Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 2. 5 Vgl. für das Registerverfahren BayObLG, Beschl. v. 24.2.1984 – BReg. 3 Z 197/83, BayObLGZ 1984, 45 (48) = BB 1984, 746 = MDR 1984, 494 = WM 1984, 809; a.A. eindeutig Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit, 97, (101–108), dessen formelle Gleichstellung von Schiedssprüchen mit staatlichen Urteilen (a.a.O., S. 106 Fn. 32) aber sicher zu weit geht. 6 § 170 Satz 1 GVG bestimmt nunmehr einheitlich für Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass diese nicht öffentlich sind. Satz 2 eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, die Öffentlichkeit zuzulassen und so für privatrechtliche Streitsachen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu beachten. Ob der Streit um die Erbenstellung im Erbscheinsverfahren hierunter fällt, ist noch nicht entschieden. Vgl. allgemein Bumiller in Bumiller/Schwamb, FamFG 11. Aufl. 2015, GVG Rz. 34.
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Kap. 25 Rz. 3b
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
geklärt werden, obwohl ein solches nicht anhängig war.1 Obiter dictum soll dies sogar dann der Fall sein, wenn im Erbscheinsverfahren keine Schiedseinrede erhoben wird. 3b
Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis kann das Schiedsgericht nicht selbst erteilen.2 Soweit ein Schiedsspruch zwischen den Parteien gemäß § 1055 ZPO Rechtskraft wirkt, bindet er allerdings jedenfalls nach rechtskräftiger Vollstreckbarerklärung das Nachlassgericht in seiner Entscheidung.3
3c
Für das Europäische Nachlasszeugnis gelten die vorstehenden Ausführungen in Bezug auf das Erteilungsverfahren in gleicher Weise, da nach § 35 Abs. 1 IntErbRVG auch hier das FamFG anzuwenden ist. Aus der EuErbRVO ergibt sich nichts anderes.
3d
Die EUErbRVO schließt das Tätigwerden von Schiedsgerichten in ihrem Anwendungsbereich nicht aus, jedoch sind Schiedsgerichte keine Gerichte i.S.v. Art. 3 Abs. 2 EUErbRVO,4 eine Schiedsvereinbarung ist auch keine Vereinbarung zu einer einvernehmlichen Regelung i.S.v. Art. 8 EUErbRVO.5 bb) Internationale Erbfälle
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Die bei internationalen Sachverhalten zugestandenen Vorzüge der Schiedsgerichtsbarkeit sind ausgerechnet im Bereich des Erbrechts mit einigen Fragezeichen versehen. Zunächst unterfallen Schiedsverfügungen i.S.v. § 1066 ZPO nicht dem UNÜ von 1958,6 so dass Schiedssprüche, die auf dieser Grundlage ergehen, im Ausland nur selten anerkannt oder vollstreckt werden können. Insoweit nützt es auch nichts, wenn man bei ausländischem Erbstatut die Zulässigkeit einer letztwilligen Schiedsverfügung nach deutschem Prozessrecht beurteilt, sofern das eingesetzte Schiedsgericht seinen Sitz in Deutschland hat.7 Diese These ist zudem zweifelhaft, wenn man die Worte des § 1066 ZPO „in gesetzlich statthafter Weise“ so versteht, dass das jeweilige Sachrecht die einseitige Anordnung nicht verbieten darf.8
5
Außerdem sind vertragliche Vereinbarungen zum Erbrecht einer noch lebenden Person in den meisten Rechtsordnungen mit der Folge ihrer Unwirksamkeit verboten.9 Dieses Verbot wird in diesen Rechtsordnungen vielfach als Teil des ordre public angesehen. Deshalb werden auch Schiedsvereinbarungen in diesem Zusammenhang i.d.R. keine erfolgreiche Einrede gemäß Art. II Abs. 3 UNÜ gewähren, da einem Schiedsspruch in dieser Sache gemäß
1 OLG Celle, Beschl. v. 10.12.2015 – 6 W 204/15, NJW-RR 2016, 331; ablehnend Wendt, ErbR 2016, 248 (249), der diesen Teil der Entscheidung als nicht fundiert und auch im Ergebnis nicht überzeugend bewertet; ebenso ablehnend Bandel, MittBayNot 2016, Heft 6 (im Erscheinen). 2 Dies ist unstreitig, vgl. BayObLG, Beschl. v. 14.2.2001 – 1 Z BR 116/99, FamRZ 2001, 873 (874); LG Hechingen, Beschl. v. 7.12.2000 – 3 T 15/96, FamRZ 2001, 721 (723); Dawirs, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 60; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1937 Rz. 11; Schlosser, Schiedsgerichtsbarkeit, 97 f. 3 Dawirs, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 61 f.; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 2; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 20. 4 Dutta in MüKo, ErbRVO, 6. Aufl. 2015, Art. 3 Rz. 20. 5 Dutta in MüKo, ErbRVO, 6. Aufl. 2015, Art. 8 Rz. 11. 6 Art. I Abs. 2 und Art. II UNÜ sprechen nur von Vereinbarungen, mit denen sich die Parteien dem schiedsrichterlichen Verfahren unterwerfen. Das UNÜ ist auch nicht einer extensiven Auslegung auf nicht geregelte Bereiche zugänglich, vgl. Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 354 f.; Pawlytta in Scherer, 4. Aufl. 2014, § 67 Rz. 42b; a.A. Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (9 f.), und Haas, SchiedsVZ 2011, 289 ff. 7 Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 19. 8 Zutreffend Pawlytta in Scherer, 4. Aufl. 2014, § 67 Rz. 42b; hierzu näher unten Rz. 24. 9 S. die DNotI-Studie Erbrecht, Teil 5 Buchstabe F (S. 114).
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Testament und Erbverträge
Rz. 8 Kap. 25
Art. V Abs. 2 UNÜ die Anerkennung und Vollstreckung versagt wird.1 Allein eine Schiedsvereinbarung nach Eintritt des Erbfalls in Bezug auf ein dadurch entstandenes Rechtsverhältnis ist in dieser Hinsicht unproblematisch und darf, da sie auf einer Einigung der streitenden Parteien selbst beruht, auf freiwillige Beachtung hoffen. Nach alledem dürfte sich die Schiedsgerichtsbarkeit in Erbsachen am ehesten in Fällen eig- 6 nen, in denen die Gefahr von Streitigkeiten nicht in Bezug auf die Erbeinsetzung, sondern auf die Verteilung der Nachlassgegenstände oder einer längeren Verselbstständigung des Nachlasses, z.B. durch verwaltende Testamentsvollstreckung oder Vor- und Nacherbfolge entsteht.2 Insbesondere kann dem für die Verwaltung oder Verteilung verantwortlichen Erben oder Testamentsvollstrecker mit einem kompetenten Schiedsgericht eine kontinuierliche Stütze bei seiner Aufgabe an die Seite gestellt werden. Außerdem eignet sie sich natürlich in allen Fällen, in denen die streitenden Parteien selbst einvernehmlich den Gang zum Schiedsgericht einem staatlichen Verfahren vorziehen. Mit Happe kann aber nicht stark genug betont werden, dass durch den fachgerechten Einsatz der erbrechtlichen Gestaltungsmittel die Gefahr von Streitigkeiten erheblich eingedämmt werden kann und diese Mittel zuvörderst auszuschöpfen sind.3 c) Spezialisierte Schiedsinstitutionen Die in den letzten Jahren zu beobachtenden Bemühungen, der Schiedsgerichtsbarkeit grö- 7 ßere Bedeutung in der Praxis zu verschaffen, machen auch vor dem Erbrecht nicht Halt. Als in diesem Bereich fachkundige Institutionen sind zu nennen: – Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE), Hauptstr. 18, 74918 Angelbachtal, Tel.: 0 72 65/49 37 44/45; Telefax: 0 72 65/49 37 46; Internet: www.dse-erb recht.de; E-Mail: [email protected] – Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS), Berlin – Köln: Hauptgeschäftsstelle: Beethovenstr. 5–13, 50674 Köln, Tel.: 02 21/28 55 20; Telefax: 02 21/28 55 22 22; Büro Berlin: Breite Str. 29, 10178 Berlin, Tel.: 030/41 70 70 700; E-Mail: [email protected]; Internet: www.disarb.org. SGH Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare (Kontakt: Sekretariat SGH), Kronenstr. 73, 10117 Berlin, Tel.: 030/20 61 57 40; Telefax: 030/20 61 57 50; Internet: http://www.dnotv.de/Schiedsgerichtshof/Schiedsgerichts hof.html; E-Mail: [email protected]. Über die Zahl tatsächlich in diesem Bereich durchgeführter Schiedsverfahren ist allerdings nichts publiziert. 2. Die Schiedsverfügung des § 1066 1. Alt. ZPO a) Anordnung des Schiedsgerichts durch letztwillige Verfügung Die vom Gesetz geforderte letztwillige Verfügung als Grundlage des Schiedsverfahrens hat ei- 8 nige Fragen aufgeworfen. Früher wurde aus dieser Formulierung abgeleitet, dass es sich bei der Anordnung des Schiedsgerichts um eine der in §§ 1937–1940 BGB vorgegebenen letztwilligen Verfügungen handeln müsse, weshalb die Anordnung eine Auflage i.S.v. § 1940 BGB
1 Zweifelhaft deshalb auch der Erfolg der Schiedsvereinbarung im Beispiel von Pawlytta in Scherer, 4. Aufl. 2014, § 67 Rz. 13 f. 2 Vgl. Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch Notare, Rz. 467; Happe, Schiedsklauseln, 85 (89 f.). 3 Vgl. Happe, Schiedsklauseln, 85 (86).
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Kap. 25 Rz. 9
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
sei.1 Dies ist aus mehreren Gründen nicht überzeugend.2 Das Gesetz kennt letztwillige Verfügungen des Erblassers auch außerhalb des Katalogs der §§ 1937–19403 BGB und die Vorschriften der §§ 2192–2196 BGB passen auf die Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit äußerst schlecht, da deren Hauptwirkung gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO die prozessuale Einrede im staatlichen Gerichtsverfahren ist, die vom Beklagten erhoben werden muss und nicht von sonstigen in § 2194 Satz 1 BGB genannten Personen erzwungen werden kann. Außerdem können Testamentsvollstrecker und Auflagenbegünstigte nicht mit einer Auflage beschwert werden.4 Allerdings ist die Frage bisher nur einmal vom Reichsgericht höchst gerichtlich entschieden worden,5 so dass die Rechtslage nicht als sicher bezeichnet werden kann. Außerdem werden gemeinsam mit der Schiedsverfügung oft Nebenpflichten begründet, die sich gut durch das erbrechtliche Gestaltungsmittel der Auflage erklären lassen (s. näher unten Rz. 21–23 u. Rz. 25–28). 9
Wegen dieser Unsicherheit empfiehlt sich für die Gestaltungspraxis, immer von der ungünstigsten Lösung auszugehen. Dies bedeutet, dass eine positive Festlegung der Anordnung des Schiedsgerichts als Auflage und insbesondere die Ableitung konkreter Folgen hieraus, wie z.B. möglicher Wechselbezüglichkeit oder erbvertraglicher Bindungswirkung, vermieden werden sollten (s. näher unten Rz. 52). Möchte man die Beteiligten über die Wirkung des § 1032 Abs. 1 ZPO hinaus zur Beachtung der Schiedsverfügung „motivieren“, so lässt sich dies mit erbrechtlichen Mitteln erreichen (s.u. Rz. 25–27).
9a
Andererseits darf man sich auch nicht darauf verlassen, dass der Überlebende Schiedsverfügungen in gemeinsamen Ehegattentestamenten oder Erbverträgen, die sein Ableben betreffen, ohne weiteres aufheben oder ändern kann. Will man hier Sicherheit, ist ein Änderungsvorbehalt sinnvoll (vgl. M 25.2 [Rz. 25] § 2 zum Teil Bindungswirkung). Ebenso ist der Schluss gewagt, mangels Auflageneigenschaft oder mangels konkreter Benennung in § 2306 BGB handele es sich um keine Beschwerung im Sinne der vorgenannten Vorschrift oder des § 2289 BGB.6 Vielmehr muss der vorsichtige Jurist davon ausgehen, dass es sich
1 Vgl. Kohler, DNotZ 1962, 125 (127); J. Mayer in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 38. Aufl., Stand 1.8.2015, § 2306 Rz. 5a (darstellend); a.A. jetzt Nieder/Kössinger, Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 15 Rz. 331; ausführliche Darstellung zur Historie dieser Auffassung bei Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (242–243) und Dawirs, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 36 ff. 2 Eingehend Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (243–245); Dawirs, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 40 ff., bezeichnet die Schiedsverfügung deshalb als Klausel sui generis und misst ihre Zulässigkeit an den Grenzen der Testierfreiheit, ohne dass dadurch die Lösung von Einzelfragen vorhersehbarer würde. 3 Z.B. §§ 83, 1777 Abs. 3, 2048, 2197, 2336, 2338 BGB. 4 Müller-Christmann in Bamberger/Roth, BeckOK BGB, 38. Aufl., Stand 1.8.2015, § 2192 Rz. 4; Otte in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2008, Vorb. zu §§ 1937–1941 Rz. 7. 5 RGZ, Urt. v. 27.9.1920 – IV 2/20, RGZ 100, 76 (77 f.), ihm folgen neben den Vorgenannten Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rz. 25; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 3; Utz, MittRhNotK 1984, 69 (77). 6 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 8.10.1990 – 8 U 38/90, NJW-RR 1991, 455 (456), das ohne Erörterung der Rechtsnatur davon ausgeht, dass die Schiedsverfügung eine i.S.v. § 2289 Abs. 1 BGB beeinträchtigende Verfügung ist; davon geht auch OLG Frankfurt, Urt. v. 4.5.2012 – 8 U 62/11, ZEV 2012, 665 (667 f.) aus, wenn es mit umfangreichen Erwägungen feststellt, dass keine Wechselbezüglichkeit vorliegt und der Erblasser bei Anordnung der Schiedsverfügung nicht gebunden war; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 10.12.2015 – 6 W 204/15, NJW-RR 2016, 331; J. Mayer in Reimann/Bengel/J.Mayer, 6. Aufl. 2015, § 2289 BGB Rz. 47; Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 32 II.4.c) (S. 739); für eine Beschwerung i.S.v. § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 3; J. Mayer in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 38. Aufl., Stand 1.8.2015, § 2306 Rz. 5a.; dagegen Haas in Staudinger, BGB, Bearb. 2006, § 2306 Rz. 30a.
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Bandel
Testament und Erbverträge
Rz. 12 Kap. 25
um eine Beschwerung handelt und die zur Wirksamkeit der Anordnung erforderlichen Anforderungen zu erfüllen suchen.1 b) Die Form und Wirksamkeit der Anordnung aa) Form Die Antwort auf die Frage der bei der letztwilligen Schiedsverfügung zu wahrenden Form wird von § 1066 ZPO nicht nur offen gelassen, sondern sogar verdunkelt, da einerseits § 1031 ZPO entsprechend gelten soll, andererseits im Text verlangt wird, dass die Anordnung in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige Verfügung erfolgt. Es besteht jedoch Einigkeit, dass in Bezug auf die Anordnung letzteres den Ausschlag gibt, weshalb die strengeren erbrechtlichen Formvorschriften § 1031 ZPO vollständig verdrängen.2 Es gelten somit die §§ 2231 ff., 2247 ff. BGB und in internationalen Fällen Art. 27 f. EUErbRVO bzw. das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961.3
10
Fehlt der letztwilligen Verfügung, in der die Schiedsverfügung enthalten ist, die gesetzlich 11 vorgeschriebene Form, so ist auch die Anordnung des Schiedsgerichts unwirksam mit der Folge, dass die Einrede des § 1032 Abs. 1 ZPO nicht durchgreift und sich ein angerufenes Schiedsgericht nach der Regelung des § 1040 ZPO für unzuständig zu erklären hat.4 Letztgenannte Vorschrift ermöglicht es allerdings, dass trotz unwirksamer Anordnung das Schiedsgericht aufgrund rügeloser Einlassung gemäß § 1040 Abs. 2 ZPO zuständig wird. bb) Folgen der Unwirksamkeit sonstiger Verfügungen Sind in einer formwirksamen letztwilligen Verfügung einzelne unwirksame Bestimmungen enthalten, z.B. eine gegen § 2065 BGB verstoßende Drittbestimmung des Erben oder eine sittenwidrige Auflage, oder gehen die Bestimmungen ins Leere, weil die Bedachten vorverstorben sind und Ersatz für sie nicht angeordnet ist, so ist der Wille des Erblassers dafür maßgebend, ob die übrigen Bestimmungen für sich wirksam bleiben sollen oder nicht. Sowohl § 2085 BGB als auch insbesondere § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO lassen in allen Fällen, in denen der Erblasser nicht erkennbar das Gegenteil gewollt hat, den Schluss zu, dass die Schiedsverfügung auch für sich alleine gelten soll.5 Diese ist auch in diesem Fall nicht nutzlos, da das Schiedsgericht nach richtiger Auffassung auch für die Entscheidung über die gesetzliche Erbfolge angeordnet werden kann.6 Diese wird nur selten Streitigkeiten auslösen.
1 Z.B. durch Vereinbarung eines diesbezüglichen Pflichtteilsverzichts. 2 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 5; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 2; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 15. 3 Vgl. zum Verhältnis des Haager Abkommens zu Art. 27 f. EUErbRV Dutta in MüKo, ErbRVO, 6. Aufl. 2015, Art. 27 Rz. 1 ff. 4 Vgl. Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 32 II.4.c) (S. 739); Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 4; Voit in Reimann/Bengel/J. Mayer, 6. Aufl. 2015, Vor § 2229 BGB Rz. 21. Die Entscheidung erfolgt auch im Fall der Unzuständigkeitserklärung durch Prozessschiedsspruch (vgl. allgemein BGH, Beschl. v. 6.6.2002 – III ZB 44/01, BGHZ 151, 79 = BB 2002, Beilage Nr. 7, 40 = NJW 2002, 3031; ausführlich zu diesem Komplex m.w.N. Voit, FS Musielak, 595 ff.); a.A. zur ZPO a.F. noch BGH, Urt. v. 22.1.1964 – V ZR 37/62, NJW 1964, 1316, was aber durch § 1040 ZPO n.F. überholt sein dürfte. 5 Eine ausdrückliche Regelung in diesem Sinne enthält die Musterformulierung von Kohler, DNotZ 1962, 125 (134). 6 Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 32 II.4.c) (S. 739); Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (247); Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 17.
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Kap. 25 Rz. 13
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
cc) Anfechtbarkeit einer letztwilligen Verfügung 13
Aus Vorstehendem beantwortet sich auch die streitige Frage, ob das Schiedsgericht befugt ist, letztwillige Verfügungen wegen deren Anfechtung für nichtig zu erklären.1 Erfasst die Anfechtung auch die Schiedsverfügung,2 was wie vorstehend ausgeführt gemäß §§ 2085 BGB, 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Ausnahme ist, so muss das Schiedsgericht seine fehlende Entscheidungskompetenz nach den Vorgaben des § 1040 ZPO feststellen und hat folglich keine Kompetenz, sonstige Streitfragen, die den Nachlass betreffen, zu entscheiden. Wird die Schiedsverfügung von der Anfechtung nicht erfasst, bleibt das Schiedsgericht im angeordneten Umfang entscheidungsbefugt und kann über die Unwirksamkeit aller übrigen letztwilligen Verfügungen verbindlich entscheiden. Das Schiedsgericht ist in dieser Frage nicht mehr und nicht weniger Schiedsrichter in eigener Sache als bei seiner Zuständigkeitsentscheidung in Schiedsverfahren aufgrund Schiedsvereinbarung. Diese Kompetenz ist vom Gesetz gewollt und wird durch die Möglichkeit der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 1040 Abs. 3 Satz 2 in dieser Frage wirksam begrenzt.3 c) Die Reichweite der Anordnung
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Spätestens mit dem Inkrafttreten des SchiedsVfG wurde als Geltungsgrund der einseitigen Schiedsverfügung zutreffend die Testierfreiheit erkannt.4 Trotz der grundsätzlichen Anerkennung dieses Ausgangspunkts sind einzelne Fragen weiterhin streitig: aa) § 2065 BGB (oder richtiger die Bedeutung des § 1051 ZPO im Erbstreit vor dem Schiedsverfahren)
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Unstreitig darf die Schiedsverfügung nicht dazu führen, die Regelung des § 2065 BGB außer Kraft zu setzen, wonach der Erblasser die Entscheidung darüber, ob sein Testament gelten soll, nicht einem Dritten übertragen kann, und auch grundsätzlich selbst die Person, die eine Zuwendung erhalten soll und den Gegenstand der Zuwendung bestimmen muss.5 Dies hindert das Schiedsgericht jedoch nicht daran, über die Gültigkeit eines Testaments zu
1 Vgl. zur Rechtslage vor dem SchiedsVfG Schiffer, Möglichkeiten, 65 (79 f.); wie dieser für Schiedsfähigkeit auch Happe, Schiedsklauseln, 85 (89); Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 32 II.4.c) (S. 739), und Schulze, MDR 2000, 314 (317); zweifelnd Pawlytta in Scherer, 4. Aufl. 2014, § 67 Rz. 29. 2 Die prozessuale Wirkung der Schiedsverfügung steht einer Anfechtbarkeit grundsätzlich nicht entgegen, vgl. zur Schiedsvereinbarung Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1029 Rz. 11, und Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1029 Rz. 19, die auch Einschränkungen des Anfechtungsrechts erörtern. 3 Ebenso Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 4. 4 Müller-Christmann in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 38. Aufl., Stand 1.8.2015, § 1937 Rz. 8 („Verfügungsmacht des Erblassers“); Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 32 II.4.c) (S. 739); Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (246), mit Nachweisen zu früheren anderen Auffassungen; Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1937 Rz. 33; Schiffer, Möglichkeiten, 65 (77); Otte in Staudinger, BGB, Bearb. 2008 Vorbem. zu §§ 1937–1941 Rz. 8; a.A.Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 16-18, wenn er die Frage der Gerichtspflichtigkeit von der materiell-rechtlichen Befugnis des Erblassers trennt. 5 Vgl. RG, Urt. v. 27.9.1920 – IV 2/20, RGZ 100, 76 (78); Grötsch in Groll, 4. Aufl. 2015, B XIV Rz. 49 ff.; Kohler, DNotZ 1962, 125 (129); Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1937 Rz. 37; Schiffer, Möglichkeiten, 65 (77 f.) und Schiffer, BB 1995, Beilage 5 Satz 2, 5; Schulze, MDR 2000, 314 (315 f.); Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rz. 26; Otte in Staudinger, BGB, Bearb. 2008, Vorbem. zu §§ 1937–1941 Rz. 10; Utz, MittRhNotK 1984, 69 (77 f.).
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Bandel
Testament und Erbverträge
Rz. 16 Kap. 25
entscheiden,1 solange es insoweit nur die Funktion des sonst entscheidungsbefugten staatlichen Prozessgerichts übernimmt.2 Das Problem des § 2065 BGB ist Teil eines allgemeineren Problems, das erst im Ansatz diskutiert ist, nämlich, wie sich die zwingenden Regelungen des Erbrechts zur Regelung des § 1051 Abs. 1 und 3 ZPO verhalten, wonach es dem Erblasser freisteht, das vom Schiedsgericht anzuwendende Sachrecht zu bestimmen und das Schiedsgericht auch zu ermächtigen, nach Billigkeit zu entscheiden. Man ist sich im Grundsatz einig, dass die auf vertragliche Streitigkeiten zugeschnittene Regel des § 1051 ZPO in außervertraglichen Fällen, die zwingendem Recht unterliegen, nicht passt.3 Auf das Erbrecht bezogen bedeutet dies, dass ein dem deutschen Sachrecht unterliegender Erblasser nach § 1051 Abs. 1 u. 3 ZPO keine Bestimmung treffen darf, dass das Schiedsgericht bei Entscheidungen die zwingenden Vorgaben des deutschen Erbrechts (z.B. §§ 2064 f., 2080–2082, 2229 ff. BGB) außer Acht lassen soll. Andererseits wird auch in Erbfällen die Billigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts nicht per se ausgeschlossen,4 so dass eine Abweichung z.B. von Vermutungs- und Auslegungsregelungen wie §§ 2066–2072 und §§ 2087 ff. wohl zulässig sein dürfte. Dem Kautelarjuristen ist jedoch auch hier zur Vorsicht zu raten, d.h. Vorgaben gemäß § 1051 ZPO sollten bei Schiedsverfügungen vermieden werden, soweit sie nicht auch materiell-rechtlich ausdrücklich zugelassen sind.
15a
Sollte eine letztwillige Verfügung das Schiedsgericht zu einer nach § 2065 BGB verbotenen 15b Drittbestimmung ermächtigen, so ist diese Ermächtigung, nicht aber notwendigerweise auch die Schiedsverfügung, unwirksam (s.o. Rz. 12 mit Verweis auf §§ 2085 BGB, 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. hierzu auch unten Rz. 24a für internationale Sachverhalte). bb) Ausübung zulässiger Bestimmungsrechte/Entscheidung als Schiedsgutachter In Abweichung von § 2065 BGB erlaubt das Gesetz in bestimmten Fällen, dass Dritte anstelle des Erblassers entscheiden, z.B. bei der Auseinandersetzung gemäß § 2048 Satz 2 BGB, bei Vermächtnissen (und teilweise auch Auflagen über § 2192 BGB) gemäß §§ 2151 Abs. 1 Fall 2,
1 Vgl. Dawirs, Gestaltungsmöglichkeiten, 46; Otte in Staudinger, BGB, Bearb. 2008, Vorbem. zu §§ 1937–1941 Rz. 9. 2 Stein in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2002, § 1937 Rz. 9; Crezelius, FS Westermann, 161 (170). 3 Ausdrücklich gegen eine Wahl ausländischen Rechts und gegen die Ermächtigung zu Billigkeitsentscheidungen Dawirs, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 179 ff. (nur zur Billigkeitsentscheidung); Nieder/ Kössinger, Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 15 Rz. 330; vgl. allgemein Junker, FS Sandrock, 443 (459 f.); Martiny, FS Schütze, 529 (541 f.); Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1051 Rz. 18 ff.u. 55 ff. m.w.N.; speziell zu § 2065 BGB Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (256), mit Nachweisen zu Fundstellen, die ohne jede nähere Erörterung auch Billigkeitsentscheidungen des Schiedsgerichts im Bereich des Erbrechts für möglich halten; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1051 Rz. 8 u. 11; Wagner, FS Ekkehard Schumann, 535 (552); deutlich liberaler zu den Grenzen der Rechtswahl nach § 1051 Abs. 1 u. 3 ZPO Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1051 Rz. 3. Da dieser aber eine Umgehung des § 2065 BGB auch für ausgeschlossen hält, ist die Konsequenz seiner Lösung, dass mit der Verletzung zwingender erbrechtlicher Vorschriften die Entscheidung des Schiedsgerichts gegen den ordre public verstößt; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil v. 4.5.2012 – 8 U 62/11, ZEV 2012, 665 (666): „Der Wirksamkeit der Klausel steht nicht entgegen, dass die Schiedsrichter nach billigem Ermessen zu entscheiden haben, soweit nicht zwingende prozess- und materiell-rechtliche Bestimmungen (sic.!) entgegenstehen. 4 Vgl. RG, Urt. v. 22.12.1936 – VII 178/36, RGZ 153, 193 (195–197); Happe, Schiedsklausen, 85 (92); Kohler, DNotZ 1962, 125 (132 f.); Utz, MittRhNotK 1984, 69 (79); dafür, dass nach § 1051 Abs. 3 nicht entschieden werden kann, hingegen Mankowski, ZEV 2014, 395 (397 f.); Schulze, MDR 2000, 314 (316); Otte in Staudinger, BGB, Bearb. 2008, vor § 1937 Rz. 10.
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Kap. 25 Rz. 17
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
2153 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, 2154 Abs. 1, 2155 Abs. 1, 2156 Satz 1 Fall 2 BGB oder bei der Ernennung des Testamentsvollstreckers gemäß § 2198 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch außerhalb dieser Regelungen sind Fälle der Drittentscheidung denkbar, z.B. wenn die Höhe eines als Vermächtnis zu zahlenden Betrags von der Bewertung des Nachlasses oder einzelner Nachlassgegenstände durch einen Schiedsgutachter gemäß § 317 BGB abhängig gemacht wird. Das Schiedsgericht kann grundsätzlich zu solchen Drittentscheidungen ermächtigt werden und diese Entscheidungen können dann als Teil eines Schiedsspruchs getroffen werden.1 Unproblematisch ist es auch, wenn die als möglicher Schiedsrichter ausgewählte Person zu einer der vorstehenden Drittentscheidungen berufen ist und diese trifft, ohne dass es zu einem nachfolgenden Schiedsverfahren kommt. Die getroffene Drittentscheidung hat dann die gesetzlich vorgesehene materiell-rechtliche Wirkung, mehr nicht.2 Über die Wirksamkeit der so getroffenen Drittentscheidung darf dieselbe Person als Schiedsrichter jedoch nicht urteilen, da dies dem Verbot, in eigener Sache zu urteilen,3 zuwiderläuft. Für diesen Rechtsstreit muss ein anderer Schiedsrichter berufen werden.4 cc) Entscheidung in Pflichtteilsstreitigkeiten 17
Nach h.M. können Pflichtteilsstreitigkeiten durch Schiedsverfügung gemäß § 1066 ZPO der Schiedsgerichtsbarkeit nicht unterworfen werden.5 Aus der vom Gesetzgeber angeblich mit dem SchiedsVfG hergestellten Gleichwertigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit mit staatlichen Gerichten eine weitergehende Befugnis des Erblassers abzuleiten, den Pflichtteilsberechtigten gegen seinen Willen einem Schiedsgericht zu unterwerfen,6 ist nicht überzeugend, da das Schiedsgericht schon aufgrund des zusätzlich erforderlichen staatlichen Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung Nachteile bietet, die einer Partei, die diese nicht durch Schiedsvereinbarung selbst gewählt hat, nicht ohne besonderen Grund aufgezwungen werden dürfen.
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Möglich ist es hingegen, die Schuldner des Pflichtteils in den Grenzen des § 2306 BGB und der zu ihren Gunsten zwingenden Teile der §§ 2318 ff. BGB durch Schiedsverfügung auch für den Pflichtteilsanspruch der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen und dem Pflicht-
1 S. näher Bandel, NotBZ 2005, 381 (384 f.). Vgl. hierzu außerdem Grötsch in Groll, 4. Aufl. 2015, B.XIV. Rz. 41; Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (256); Schulze, MDR 2000, 314 (316). Auch jenseits des Erbrechts werden solche Entscheidungen durchaus für möglich gehalten, vgl. RG, Urt. v. 22.12.1936 – VII 178/36, RGZ 153, 193 (195 f.); BGH, Urt. v. 25.6.1952 – II ZR 295/91, BGHZ 6, 335 (339) = NJW 1952, 1296; Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 319 Rz. 10; Würdinger in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2016, § 319 Rz. 26. 2 Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (256), sieht hierin eine Tätigkeit als Schiedsgutachter mit der Folge der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Entscheidung. 3 Vgl. zu diesem allgemeinen Grundsatz Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1036 Rz. 9; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 3 u. § 1036 Rz. 4 f. 4 Für eine Überprüfung durch staatliche Gerichte besteht entgegen Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (256), hingegen keine Notwendigkeit. 5 OLG München, Beschl. v. 25.4.2016 – 34 Sch 12/15, ZEV 2016, 334 (335) = SchiedsVZ 2016, 233 (234 f.); LG Heidelberg, Urt. v. 22.10.2013 – 2 O 128/13, ZEV 2014, 310 (311); vgl. Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 32 II.4.; J.Mayer, ZEV 2000, 263 (267); Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1937 Rz. 34; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 3; Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (251); Schulze, MDR 2000, 314 (316); Schiffer, Möglichkeiten, 65 (77, 80); a.A. Crezelius, FS Westermann, 161 (171 f.); Dawirs, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 52 ff.; Pawlytta, ZEV 2003, 89; Wegmann, ZEV 2003, 20; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 18. 6 So die Gegenansicht am Ende der vorstehenden Fn.
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Bandel
Testament und Erbverträge
Rz. 21 Kap. 25
teilsberechtigten somit ein Wahlrecht zu eröffnen, den Pflichtteil vor dem mit dem Erbfall im Übrigen befassten Schiedsgericht oder vor dem staatlichen Gericht einzuklagen.1 dd) Entscheidung über die Entlassung des Testamentsvollstreckers Nach h.M.2 kann die Entscheidung über die Entlassung des Testamentsvollstreckers gemäß 19 § 2227 BGB nicht einem Schiedsgericht übertragen werden, da diese Frage auch nicht der Verfügungsbefugnis des Erblassers unterliegt. ee) Verfahrensvereinbarungen Da gemäß der Rechtsfolge des § 1066 ZPO alle Regelungen des 10. Buchs entsprechend gel- 20 ten,3 kann die Verfügung ohne weiteres Regeln zur Bildung des Schiedsgerichts – auch durch verbindliche Festlegung des oder der Schiedsrichter4 –, die Anordnung von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes durch das Schiedsgericht entsprechend § 1041 ZPO regeln oder ausschließen sowie entsprechend § 1042 Abs. 3 ZPO jenseits der zwingenden Verfahrensvorschriften5 das Verfahren vor dem Schiedsgericht regeln, z.B. durch Festlegung des Schiedsorts, der Verfahrenssprache oder der Folgen von Säumnis (zu den einzelnen Möglichkeiten s.o. M 23.1 [Kap. 23 Rz. 46] §§ 13–22). Ein Ausschluss des staatlichen einstweiligen Rechtsschutzes durch Schiedsverfügung ist nicht möglich, da auch die Schiedsvereinbarung gemäß § 1033 ZPO keine solche Wirkung hat.6 ff) Schiedsrichtervertrag, -vergütung und Schiedsorganisationsvertrag Da die Schiedsverfügung nur soweit reichen kann wie die Verfügungsbefugnis des Erblas- 21 sers, können die für ein Schiedsverfahren notwendigen Verträge mit Dritten, insbesondere mit Schiedsrichtern oder Schiedsorganisationen, nicht über die Schiedsverfügung geregelt werden.7 Ausweichkonstruktionen sind denkbar, aber zumeist nicht praktikabel. So kann 1 Vgl. M 25.1 (Rz. 29) § 1 Abs. 2 (zur Möglichkeit der Unterwerfung von Pflichtteilsansprüchen unter das Schiedsgericht durch Vereinbarung zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigten s. nachfolgend Rz. 97–100 und M 25.7 [Rz. 101]). 2 RG, Urt. v. 23.6.1931 – VII 237/30, RGZ 133 (128, 135 f.); OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.7.2009 – 11 Wx 94/07, ZEV 2009, 466; J.Mayer in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2015, § 13 Rz. 15; Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 32 II.4.c) (S. 739); Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1937 Rz. 35; Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 3; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 4; überzeugend begründet insbesondere von Otte, FS Rheinisches Notariat, 241 (252 f.); Otte in Staudinger, BGB, Bearbeitung 2008, Vorbem. zu §§ 1937–1941 Rz. 11 m.w.N. zur Gegenmeinung; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 3; Werner, ZEV 2011, 506 (510); a.A. Muscheler, ZEV 2009, 317 (320); Schulze, MDR 2000, 314 (317 f.); Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rz. 26. 3 Soweit die Normen nicht zwecknotwendig eine Vereinbarung voraussetzen, vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 16. 4 Teilweise wird vertreten, dass die Bestellung des Schiedsrichters nur durch den Erblasser oder eine dritte Stelle, nicht aber durch den Begünstigten selbst erfolgen kann (so Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 212, anders aber Rz. 214). Ich sehe hierfür keinen Grund. 5 §§ 1042 Abs. 1 u. 2, 1046 Abs. 1 u. 3, 1047 Abs. 2 u. 3, 1048 Abs. 4 Satz 1 ZPO sowie die meisten Vorschriften der §§ 1051 ff. ZPO, vgl. ausführlich Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1042 Rz. 4 ff.; nach Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1042 Rz. 7 auch § 1049 Abs. 3 ZPO. 6 Vgl. zum Streit, ob staatlicher einstweiliger Rechtsschutz überhaupt durch Vereinbarung ausgeschlossen werden kann, Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 309 ff. 7 Vgl. näher hierzu Bandel, NotBZ 2005, 381 (386 f.).
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Kap. 25 Rz. 22
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
der Erblasser noch selbst mit dem Schiedsrichter einen Schiedsrichtervertrag abschließen, in dem sich der Schiedsrichter zur Übernahme des Schiedsrichteramtes in Nachlassstreitigkeiten verpflichtet und seine Vergütung bereits festgelegt wird. Die Erben und der Testamentsvollstrecker sind hieran gemäß §§ 1922, 1967, 2213 BGB gebunden, nicht aber sonstige Streitbeteiligte wie Vermächtnisnehmer. Diese könnten durch Auflage verpflichtet werden, inhaltsgleiche Verträge mit dem Schiedsrichter zu schließen. 22
Einige in der Literatur angebotene Musterformulierungen regeln die Höhe der Vergütung des Schiedsgerichts.1 Nach dem Vorstehenden ist klar, dass eine solche Festlegung den Schiedsrichter nicht dazu verpflichtet, seine Leistung für diesen Preis zu erbringen.2 Auch die durch Schiedsverfügung gebundenen Streitparteien haben über § 1066 ZPO höchstens die Nebenpflicht, alles zur Durchführung des Schiedsverfahrens Erforderliche zu unternehmen3 und somit auch einen Schiedsrichtervertrag zu allgemein üblichen Bedingungen abzuschließen.4 Die Verpflichtung zum Abschluss eines hiervon abweichenden Schiedsrichter- oder Schiedsorganisationsvertrags mit einem vom Erblasser bestimmten Inhalt, insbesondere der Pflicht zur Zahlung einer bestimmten Vergütung, lässt sich dagegen nur mit den üblichen erbrechtlichen Instrumenten begründen, d.h. bezüglich Erben und Vermächtnisnehmern mittels einer Auflage gemäß § 1940 BGB und gegenüber dem Testamentsvollstrecker als Teil von dessen Aufgabenprogramm i.S.v. § 2203 BGB.5 Wird die Erfüllung dieser Verpflichtung verweigert, so muss sie vor dem staatlichen Gericht (!) eingeklagt werden, da das Schiedsgericht nicht in eigener Sache tätig werden kann.6
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Ist der Testamentsvollstrecker selbst zum Schiedsrichter berufen, so ist die Durchführung des Schiedsverfahrens nicht Teil der Testamentsvollstreckung, sondern eine davon unabhängige Tätigkeit. Anordnungen zur Vergütung des Testamentsvollstreckers gemäß § 2221 BGB umfassen deshalb nie die Schiedsrichtervergütung.7 d) Die Anordnung in internationalen Erbfällen
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Es wurde schon angedeutet, dass der Schiedsgerichtsbarkeit in internationalen Erbfällen nicht zwingend die Vorzüge zukommen, die ihr bei internationalen Rechtsstreitigkeiten zugeschrieben werden. Die Schiedsverfügung i.S.d. § 1066 1. Alt. ZPO ist sicher dann zulässig und wirksam, wenn nach Staatsverträgen oder den Regeln der Artt. 21 ff. EuErbRV, deut1 Klumpp in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, Kap. 5 Rz. 485; Happe, Schiedsklauseln, 85 (94); J.Mayer in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2015, § 14 Rz. 18. 2 Missverständlich deshalb Grötsch in Groll, 4. Aufl. 2015, B. XIV. Rz. 5 f. 3 Vgl. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1029 Rz. 117-119; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1029 Rz. 54. 4 Vgl. zur Bedeutung des Ernennungsrechts eines Dritten für den Schiedsrichtervertrag Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, Vor § 1025 Rz. 18. 5 Dies dürfte sich aus der Pflicht, den Nachlass gemäß dem Willen des Erblassers abzuwickeln, ableiten lassen, vgl. hierzu Lange in BeckOK BGB, 38. Aufl., Stand 1.2.2016, § 2203 Rz. 3-5; Zimmermann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2203 Rz. 4 u. 13; denkbar erscheint auch, in einer solchen Regelung eine Anordnung des Erblassers i.S.v. § 2216 Abs. 2 BGB zu sehen, die hierzu genannten Beispiele in der Literatur, z.B. Schaub in Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Aufl. 2013, Kap. 4 Rz. 32–36 u. J. Mayer in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2015, § 9 Rz. 116 ff., sprechen jedoch ebenso wie die Möglichkeit des Nachlassgerichts, die Anordnung außer Kraft zu setzen, gegen eine solche Einordnung; die Frage ist nicht geklärt. 6 Vgl. zu diesem allgemeinen Grundsatz Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1036 Rz. 9; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 3 u. § 1036 Rz. 4 f., speziell zur Entscheidung über die Vergütung § 1057 Rz. 5. 7 Vgl. zur Trennung der beiden Vergütungen Kohler, DNotZ 1962, 125 (135).
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Testament und Erbverträge
Rz. 26 Kap. 25
sches Sachrecht zur Anwendung kommt. Offen und nicht entschieden ist die Frage der Wirksamkeit in Bezug auf Nachlässe oder Teile von diesen, für die ein ausländisches Sachrecht gilt, insbesondere also die Schiedsverfügung von Personen, deren gewöhnlicher Aufenthalt nicht in Deutschland liegt, sowie ausländischer Staatsangehöriger, die nach Art. 22 EuErbRVO ihr Heimatrecht gewählt haben.1 Stellt man jedoch mit der h.M. darauf ab, dass die Schiedsverfügung aus der Verfügungsbefugnis des Erblassers resultiert,2 so muss man sie folgerichtig auch für unwirksam halten, wenn das anwendbare ausländische Recht eine solche Schiedsverfügung verbietet.3 Deutschsprachige Untersuchungen darüber, welche ausländischen Rechtsordnungen – ggf. auch durch Nichtregelung der Frage – solche Verbote enthalten, liegen, soweit ersichtlich, nicht vor. Wer sicher gehen möchte, verzichtet deshalb besser auf eine solche Anordnung. Mit dem Inkrafttreten der EuErbRVO dürften in deren Anwendungsbereich einige Ab- 24a grenzungsprobleme zwischen Erbrecht einerseits und Schiedsrecht andererseits zugunsten eines Vorrangs des Erbrechts entschieden worden sein, da die EuErbRVO nicht durch einfaches deutsches Gesetz verändert werden kann. So gelten für die Zulässigkeit einer Rechtswahl ausschließlich Artt. 22, 25 EuErbRVO und nicht § 1051 Abs. 1 ZPO, d.h. eine Rechtswahl ist nur sehr eingeschränkt möglich. Auch eine Ermächtigung zur Entscheidung nach Billigkeit ist nur insoweit möglich, als diese die zwingenden Rechtsnormen des nach der EuErbRVO anwendbaren Rechts berücksichtigen muss, vgl. hierzu schon oben Rz. 15 f. für das deutsche Recht.4 3. Erbrechtliche Gestaltungsmittel zur Verstärkung der Schiedsbindung Vorstehend wurde bereits erörtert, in welchem Umfang die Verpflichtungen der Parteien 25 zur konstruktiven Durchführung des Schiedsverfahrens durch Auflagen i.S.v. §§ 1940, 2192 ff. BGB verstärkt werden können. Daneben ist es auch denkbar, an ein „Fehlverhalten“ einer Partei, z.B. die Anrufung des staatlichen Gerichts oder die Verweigerung, den Schiedsrichtervertrag abzuschließen oder den Vorschuss zu bezahlen, erbrechtliche Sanktionen zu knüpfen. Eingriffe in die Regelung der Erbfolge sollte man jedoch unbedingt meiden, da solche Bedingungskonstruktionen i.S.v. §§ 2074 f. BGB automatisch in eine Vor- und Nacherbschaft münden. Deren Regelungen beschränken dann selbst einen Erben, der zu keinem Zeitpunkt daran denkt, die Schiedsverfügung und die daraus resultierenden Pflichten zu missachten.
25a
Mögliches und geeignetes Sanktionsmittel gegen Erben ist somit das Vermächtnis, durch das „Strafzahlungen“ an Dritte oder die Herausgabe von Teilen der Erbschaft angeordnet werden kann, wobei bei Letzterem Vorsicht zu walten hat, dass nicht durch die Vermutungs-
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1 Pawlytta in Scherer, 4. Aufl. 2014, § 67 Rz. 19. 2 S.o. Rz. 14 Fn. 3 Bandel, NotBZ 2005, 381 (387); In dieser Richtung, aber nicht explizit Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 5, wenn er die Gültigkeit allein nach Erbrecht beurteilt; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 1; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 1; a. explizit Haas, ZEV 2007, 49 (57); Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 19, der die Zulässigkeit der Schiedsverfügung auch in diesem Fall aus § 1066 ZPO ableitet und sich damit für eine prozessuale Qualifikation dieser Frage ausspricht; Mankowski, ZEV 2014, 395 (398); Pawlytta in Scherer, 4. Aufl. 2014, § 67 Rz. 19, der dennoch vor einer Unwirksamkeit bei der Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts warnt. 4 Mankowski, ZEV 2014, 395 (399 f.).
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Kap. 25 Rz. 27
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 25.1
regel des § 2103 BGB doch eine Vor- und Nacherbschaft begründet wird.1 Gegen Vermächtnisnehmer kann mit einer auflösenden Bedingung oder mit bedingten Untervermächtnissen ein Fehlverhalten sanktioniert werden. 27
Als Sanktionen gegen den Testamentsvollstrecker kommt die Anordnung einer verminderten Vergütung oder die Aufhebung von dessen Stellung durch auflösende Bedingung in Betracht.
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Allerdings fragt sich doch sehr, ob dieser Zwang sinnvoll ist, wenn die Parteien einvernehmlich ihren Streit nicht vor dem Schiedsgericht austragen wollen. Ohne ein solches Einvernehmen bietet nämlich schon die Einrede des § 1032 Abs. 1 ZPO bzw. die Möglichkeit, zum Schiedsgericht Klage zu erheben, ausreichend Schutz.2
II. Muster 29
M 25.1 Schiedsverfügung mit weiteren Bestimmungen in einem Einzel-Testament §1 SchiedsverfügungA1 Über alle Streitigkeiten, die nach meinem Ableben in Bezug auf meinen Nachlass entstehen, sei es in Bezug auf dieses Testament und seine Durchführung, die Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen oder auch in Bezug auf die Feststellung der gesetzlichen Erbfolge,A2 entscheidet ausschließlich ein Schiedsgericht. Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts soll so umfassend wie möglich sein, d.h. für alle Streitigkeiten gelten, für die ein Erblasser gemäß § 1066 ZPO die Entscheidung eines Schiedsgerichts anordnen kann.A3 Soweit die Entscheidungszuständigkeit des Schiedsgerichts nicht zulasten von Pflichtteilsberechtigten wirksam ist, wird sie einseitig jedenfalls gegen die Anspruchsgegner angeordnet, so dass ausschließlich das Schiedsgericht zuständig ist, wenn der Pflichtteilsberechtigte seine Ansprüche freiwillig im Schiedsverfahren geltend macht.A4 §2 Regelungen zum SchiedsverfahrenA5 (1) Zum Schiedsrichter ernenne ich … (genaue Bezeichnung einer bestimmten Person oder des jeweils eingesetzten Testamentsvollstreckers).A6 Ist dieser an der Ausübung des Schiedsrichteramtes gehindert, so ernenne ich ersatzweise … (genaue Bezeichnung) zum Schiedsrichter.A7 Ist auch dieser an der Ausübung gehindert, so ist der Schiedsrichter auf Antrag einer Partei vom zuständigen Gericht zu benennen.A8 Der Schiedsrichter entscheidet als Einzelschiedsrichter.A9 (2) Der Ort des Schiedsverfahrens ist …A10 (3) Das Schiedsgericht darf unter Beachtung der zwingend geltenden materiell-rechtlichen Regelungen nach Billigkeit entscheiden.A11 Es entscheidet verbindlich über den Eintritt von Bedingungen und über die Bewertung des Nachlasses und seiner Bestandteile. An eine außerhalb des Schiedsverfahrens gemäß § 3 getroffene Entscheidung ist es gebunden.A12
1 Vgl. Kohler, DNotZ 1962, 125 (134). 2 Vgl. Happe, Schiedsklauseln, 85 (93 f.).
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M 25.1
Testament und Erbverträge
Rz. 32 Kap. 25
§3 Schiedsgutachter (1) Soweit es nur um die Feststellung einzelner Tatsachen, insbesondere die Bewertung des Nachlasses und seiner Bestandteile, geht, kann der vorbenannte Schiedsrichter auch ohne Schiedsverfahren als Schiedsgutachter eine für alle Parteien verbindliche Feststellung nach billigem Ermessen treffen. Über die Gültigkeit einer solchen Schiedsgutachterentscheidung kann nur eine andere Person als der Schiedsgutachter als Schiedsrichter entscheiden.A13 (2) Wird eine Feststellung nach Abs. 1 oder eine aufgrund letztwilliger Verfügung von der Person des Schiedsrichters zu treffende Entscheidung zur Entscheidung eines bereits anhängigen Schiedsverfahrens erforderlich, kann der Schiedsrichters innerhalb des Schiedsverfahrens die Feststellung oder Entscheidung durch Schiedsspruch treffen. §4 Auflage, Bedingung (1) Allen Erben und Vermächtnisnehmern wird zur Auflage gemacht, Rechtsstreitigkeiten nur in dem vorbezeichneten Schiedsverfahren auszutragen und den Ablauf des Schiedsverfahrens nach besten Kräften zu fördern. Mit dem Schiedsrichter ist der Schiedsrichtervertrag abzuschließen und darin eine VergütungsvereinbarungA14 zu treffen, wonach dieser für jeden Streitfall 1,5 Gebühren gemäß dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zuzüglich entstandener Auslagen und anfallender Umsatzsteuer erhält.A15 Vollziehungsberechtigte der Auflagen sind alle Erben, Vermächtnisnehmer, der jeweilige Testamentsvollstrecker und Pflichtteilsberechtigte. Der Inhalt dieser Anordnung ist zugleich Amtspflicht des Testamentsvollstreckers. (2) Die Vermächtnisse zugunsten von … stehen unter der auflösenden Bedingung, dass der jeweilige Vermächtnisnehmer die Auflage in Abs. 1 dadurch nicht beachtet, dass er im Zusammenhang mit seinem Vermächtnisanspruch Klage zum staatlichen Gericht erhebt. Die Stellung von Anträgen gemäß §§ 1050, 1059 und 1060 ZPO (sowie die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes i.S.v. § 1033 ZPO) und aller Verfahren, die zwingend vor einem staatlichen Gericht durchgeführt werden müssen, wird hierdurch nicht ausgeschlossen.A16
Anmerkungen zu Muster M 25.1 A1 Die Schiedsverfügung kann als Teil eines Testaments oder auch als eigenständiges Dokument errichtet werden. Zur Wirksamkeit muss sie die für das Testament vorgeschriebene Form einhalten, d.h. bei Anwendung deutschen Rechts die §§ 2231 ff., 2247 ff. BGB beachten. Im Regelfall ist somit handschriftliche Errichtung samt Unterschrift oder notarielle Beurkundung erforderlich. Vgl. näher Rz. 10 f.
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A2 Auch wenn es der Erblasser bei der gesetzlichen Erbfolge belässt oder es wegen der Nich- 30 tigkeit von letztwilligen Verfügungen zur gesetzlichen Erbfolge kommt, ist eine diesbezügliche Schiedsverfügung nicht ausgeschlossen (vgl. Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 32 II.4.c) [S. 739]). Abgesehen von Fällen der Anfechtung letztwilliger Verfügungen dürfte diese Konstellation aber eher selten sein. A3 Die Reichweite einer Schiedsverfügung i.S.v. § 1066 1. Alt. ZPO ist nicht bis in die letz- 31 ten Einzelheiten geklärt. Vgl. ausführlich zu den einzelnen Streitpunkten Rz. 14–23 und Wegmann, ZEV 2003, 20. A4 Nach herrschender Meinung kann zulasten eines enterbten Pflichtteilsberechtigten eine Schiedsverfügung nicht getroffen werden, vgl. Rz. 17 f. Vorstehende Formulierung geht weiter davon aus, dass der Erblasser einen enterbten Pflichtteilsberechtigten nicht durch Schiedsverfügung der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen kann. Wohl aber kann er die beBandel 449
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Kap. 25 Rz. 33
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 25.1
günstigten Erben und Vermächtnisnehmer – in den Grenzen der §§ 2306 f., 2318 ff. BGB – auch für Pflichtteilsstreitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen, so dass dem Pflichtteilsberechtigten durch vorstehende Formulierung die Wahl eröffnet ist, ob er seine Ansprüche vor dem Schiedsgericht oder dem staatlichen Gericht einklagt. 33
A5 Vgl. hierzu Rz. 20; die Regelung zum Schiedsverfahren kann bei Bedarf erheblich vertieft werden, was aber bei einem Einzelschiedsrichter, der das Vertrauen des Erblassers genießt, weniger geboten erscheint, da dieser gemäß § 1042 Abs. 4 ZPO Verfahrensermessen hat. Zu den möglichen Einzelregelungen vgl. M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) §§ 13–22 und M 23.2 (Kap. 23 Rz. 140) §§ 3–7.
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A6 Die Einsetzung des Testamentsvollstreckers zum Schiedsrichter durch Schiedsverfügung ist grundsätzlich zulässig, soweit er hierdurch nicht zum Richter in eigener Sache wird. Letzteres ist allerdings immer dann der Fall, wenn seine Stellung als Testamentsvollstrecker oder seine Rechte und Pflichten in dieser Funktion oder als sonst aus dem Nachlass Berechtigter streitig sind (vgl. hierzu J.Mayer in Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, 4. Aufl. 2015, § 14 Rz. 18; Zimmermann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2203 Rz. 18; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 3; Nieder/Kössinger, Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 15 Rz. 332). Deshalb sollte gut überlegt werden, ob die Einsetzung des Testamentsvollstreckers zweckmäßig ist.
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A7 Zumindest dann, wenn besondere Sachkompetenz, Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse oder das Ansehen der Person des Schiedsrichters Grund für die Schiedsverfügung sind, stellt sich die Frage des qualifizierten Ersatzes und, wenn ein solcher nicht benannt werden kann, ob die Schiedsverfügung beim Ausfall des Schiedsrichters überhaupt noch gewollt ist. Da der designierte Schiedsrichter zur Amtsübernahme nicht verpflichtet ist, sollte dessen Bereitschaft ebenso geklärt sein wie mit ihr zusammenhängende Vergütungsfragen.
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A8 Verfahren gemäß § 1035 Abs. 4 u. 5 ZPO, zuständig ist das für den Schiedsort örtlich zuständige Oberlandesgericht, § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 ZPO.
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A9 Festlegung gemäß § 1034 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Fehlt eine solche Festlegung, entscheidet gemäß Satz 2 der Norm ein Dreierschiedsgericht.
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A10 Vereinbarung gemäß § 1043 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die gemäß § 1025 Abs. 1 ZPO den Anwendungsbereich des deutschen SchiedsVfG eröffnet und gemäß § 1062 Abs. 1 2. Alt. ZPO für die örtliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte bestimmend ist. Verfahrenshandlungen kann das Schiedsgericht gemäß § 1043 Abs. 2 ZPO auch an jedem anderen Ort, auch im Ausland, vornehmen.
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A11 Anordnung gemäß § 1051 Abs. 3 ZPO. Selbstverständlich ist es nicht zulässig, dass das Schiedsgericht entgegen § 2065 BGB den Erben auswählt. Es kann aber wie jedes staatliche Gericht letztwillige Verfügungen auslegen und über deren Gültigkeit entscheiden, Letzteres allerdings mit der Einschränkung, dass die Letztentscheidung über die Kompetenz des Schiedsgerichts gemäß § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO beim staatlichen Gericht verbleibt. Vgl. ausführlich hierzu Rz. 15.
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A12 Vgl. hierzu Rz. 16. Ist zwischen den Beteiligten nur eine schiedsgutachterliche Bewertung streitig, so kann gemäß § 3 Abs. 1 unter Verzicht auf ein Schiedsverfahren durch Schiedsgutachten entschieden werden. Von dieser Erleichterung sollte der Schiedsrichter jedoch absehen, wenn ein Streit über das Ergebnis des Schiedsgutachtens droht, da dann der Schiedsrichter in der Entscheidung über seine eigene gutachterliche Entscheidung gesperrt ist. Erfolgt die Entscheidung hingegen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Schiedsverfahrens durch Schiedsspruch, was § 3 Abs. 2 vorsieht, so ist dieser nur noch gemäß §§ 1059 f.
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M 25.1
Testament und Erbverträge
Rz. 43c Kap. 25
ZPO angreifbar, während eine eigentliche Prüfung der Sachentscheidung nicht mehr stattfindet. A13 S. zunächst vorstehende Anmerkung. Für eine gemäß § 3 Abs. 1 getroffene Entschei- 40 dung gelten §§ 317 ff. BGB bzw. die an ihrer Stelle einschlägigen materiellen Spezialvorschriften. Über die Billigkeit der so getroffenen Entscheidung entscheidet wiederum ausschließlich das Schiedsgericht, wegen des Verbots des Richters in eigener Sache aber keinesfalls der Schiedsgutachter selbst. A14 Zu möglichen Inhalten der Schiedsrichtervergütung ausführlich M 23.1 (Kap. 23 41 Rz. 42) §§ 6–9. A15 Zur Rechtsnatur der Schiedsverfügung vgl. Rz. 8 ff. Gemäß dem dort Ausgeführten 42 wird die Schiedsverfügung selbst nicht als Auflage formuliert. Zur Verstärkung der aus der Schiedsverfügung resultierenden Nebenpflichten wird jedoch Erben und Vermächtnisnehmern die Verfahrenstreue sowie die Pflicht zur Verfahrensförderung zur Auflage gemacht. Die Festlegung der Schiedsverfügung bindet nur die Parteien des Schiedsverfahrens und selbstverständlich nicht den Schiedsrichter selbst, vgl. Rz. 21 f. A16 Vgl. generell zu materiell-rechtlichen Sanktionen bei Missachtung der Schiedsver- 43 fügung Rz. 25–28. Von Sanktionen gegen den oder die Erben wird hier abgesehen. Satz 2 des Textes soll klarstellen, dass die Inanspruchnahme von Rechtsschutz, für den nur das staatliche Gericht zur Verfügung steht, die Bedingung nicht eintreten lässt. Da einstweiliger Rechtsschutz gemäß § 1041 ZPO auch vom Schiedsgericht gewährt werden kann, kann der in Klammern gefasste Textteil vermutlich auch weggelassen werden, ohne die Wirksamkeit der Klausel zu gefährden. Sicher ist dies allerdings nicht, da der staatliche einstweilige Rechtsschutz durch Schiedsverfügung nicht ausgeschlossen werden kann. In Abweichung zu § 4 Abs. 2 des Musters hat Kohler, DNotZ 1962, 125 (134), folgende Ver- 43a wirkungsklausel vorgeschlagen. „Beteiligte, welche die ordentlichen Gerichte in anderen als den gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Fällen anrufen oder einstweilige Verfügungen oder Arreste beantragen, haben alles, was sie noch als Vorempfang, Erbteil oder Vermächtnis unmittelbar oder als Surrogat besitzen, als Vermächtnis an die Erben im Verhältnis ihrer Erbteile herauszugeben.“
Eine so weitgehende Klausel ist aus folgenden Gründen nicht zu empfehlen: 43b Ihre Wirksamkeit gegen Erben setzt voraus, dass eine Erbengemeinschaft vorhanden ist. Halten sich alle Erben nicht an die Schiedsverfügung, sind die Rechtsfolgen unklar. Die Rechtsfolgen von Streitigkeiten innerhalb eines Erbscheinsverfahrens sind ebenfalls zweifelhaft, da auch die freiwillige Gerichtsbarkeit Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist. Schließlich ist gerade in Bezug auf den einstweiligen Rechtsschutz umstritten, ob dieser im Voraus mit verbindlicher Wirkung ausgeschlossen werden kann, weshalb jedenfalls einseitige Verfügungen in dieser Richtung, auch wenn sie nur schuldrechtliche Wirkungen haben, vermieden werden sollten. Zumindest gegenüber Erben bzw. unter Miterben sollte die Einrede des § 1032 ZPO Schutz 43c genug sein, um die Schiedsverfügung durchzusetzen, so dass es zusätzlicher materiell-rechtlicher Sanktionen nicht bedarf. Bei Streitigkeiten um das Erbrecht selbst kann ein Ausweichen in das Erbscheinsverfahren, das als solches nicht abdingbar ist, durch materiell-rechtliche Sanktionen ohnehin nicht wirksam unterbunden werden.
Bandel 451
Kap. 25 Rz. 44
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
B. Schiedsverfügungen in Erbverträgen I. Einführung 44
Verträge mit erbrechtlichem Bezug und daraus resultierende Streitigkeiten sind mannigfaltig. Soweit es bei diesen nicht (zumindest auch) um die Einflussnahme des Erblassers über seinen Tod hinaus geht, weisen sie in Bezug auf die Schiedsgerichtsbarkeit keine Besonderheiten auf. Deshalb werden im Folgenden z.B. der Erbschaftsvertrag gemäß § 311b Abs. 5 BGB oder der Erbschaftskauf gemäß §§ 2371 ff. BGB nicht behandelt. Von spezifischem Interesse sind hingegen das gemeinsame Testament, der Erbvertrag, Erb-, Pflichtteils- und Zuwendungsverzicht gemäß §§ 2346 ff. BGB und das Schenkungsversprechen von Todes wegen gemäß § 2301 Abs. 1 BGB. 1. Unterwerfung eines Rechtsverhältnisses unter die Schiedsgerichtsbarkeit a) Streitigkeiten zwischen den am Rechtsgeschäft Beteiligten
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Im Unterschied zu Schiedsverfügungen bei einseitigen Testamenten kann es bei den vorgenannten Rechtsgeschäften noch zu Lebzeiten des Erblassers zu Streitigkeiten mit dem anderen Teil kommen. Zwar sollte die Zahl dieser Fälle nicht überschätzt werden, doch sind zum einen Feststellungsstreitigkeiten denkbar, wenn ein Beteiligter die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts infrage stellt, z.B. wegen der Sittenwidrigkeit eines Verzichts, nach Erklärung von Anfechtung, Widerruf oder Rücktritt oder nach Eintritt eines Ereignisses i.S.v. § 2077 BGB, zum anderen natürlich auch Streitigkeiten um in diesem Zusammenhang versprochene lebzeitige Leistungen. Solche Streitigkeiten können von einer Schiedsverfügung gem. § 1066 1. Alt. ZPO nicht erfasst werden1 und bedürfen folglich, wenn sie der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden sollen, einer Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 ZPO zwischen dem Erblasser und dem oder den weiteren am Rechtsgeschäft Beteiligten. Diese Schiedsvereinbarung muss die Form des § 1031 ZPO beachten. Da man solche Rechtsgeschäfte wohl kaum einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuordnen kann, bedarf es somit zur Wirksamkeit stets der Beachtung der Form des § 1031 Abs. 5 ZPO, d.h. einer Schiedsvereinbarung in einem gesonderten Dokument (vgl. hierzu oben Rz. 28–32) oder einer notariell beurkundeten Schiedsvereinbarung. b) Streitigkeiten nach dem Tod eines am Rechtsgeschäft Beteiligten, die seinen Nachlass betreffen aa) Maßgebliche Formvorschriften
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Nach dem Tod des Erblassers kann es zwischen den sonst am Rechtsgeschäft Beteiligten wie auch zwischen diesen und Dritten zu Streitigkeiten mit Bezug zum Nachlass kommen, die grundsätzlich durch Schiedsverfügung gem. § 1066 1. Alt. ZPO der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden können. Das OLG Hamm hat bezüglich eines Erbvertrags aus der „Vertragssituation“ bei Abschluss des Rechtsgeschäfts gefolgert, dass die Parteien des Erbvertrags auch für solche Streitigkeiten die Form der Schiedsvereinbarung (heute § 1031 ZPO) wahren müssen, während § 1066 ZPO (§ 1048 a.F.) nur am Erbvertrag unbeteiligte Dritte betreffen soll.2
1 Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 15, allerdings nur für die sonstigen Vereinbarungen unter Lebenden. 2 OLG Hamm, Urt. v. 8.10.1990 – 8 U 38/90, NJW-RR 1991, 455 (456).
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Testament und Erbverträge
Rz. 49a Kap. 25
In diesem Teil der Begründung ist das im Ergebnis sicher zutreffende Urteil zwar nicht überzeugend,1 doch wird die Kautelarpraxis vorsichtshalber bis zu einer gegenteiligen Entscheidung sowohl § 1031 ZPO als auch die Formvorschriften des Erbrechts beachten, was in den Fällen notarieller Beurkundung unproblematisch ist. Einer vom Hauptvertrag gesonderten Vereinbarung bedarf es bei notarieller Beurkundung nämlich nicht.2 Ohne notarielle Beurkundung möglich erscheint die Unterwerfung unter die Schieds- 47 gerichtsbarkeit außerdem in einem handschriftlichen Ehegattentestament, wenn diese in einem gesonderten Dokument gemäß § 1031 Abs. 5 Satz 3 1. Halbs. unter Wahrung der Form der §§ 2267, 2247 BGB erfolgt. bb) Schiedsverfügungen bei bindenden letztwilligen Verfügungen Wenn die Testierfreiheit des Erblassers dessen Schiedsvereinbarung zur Wirksamkeit verhilft, so muss in den Fällen, in denen diese Verfügungsbefugnis beschränkt ist, diese Schranke auch der Schiedsverfügung entgegenstehen. Danach sind einseitig angeordnete Schiedsverfügungen unwirksam, – soweit sie wechselbezügliche (wg. § 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder vertraglich bindende Verfügungen erfassen3 oder – Gegenstände, die ohnehin nicht dem Verfügungsrecht unterliegen, betreffen, wie z.B. der Pflichtteil bei Streitigkeiten um die Wirksamkeit eines Pflichtteilsverzichts.4
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Im Umkehrschluss sind Schiedsverfügungen gemäß § 1066 1. Alt. ZPO wirksam in Bezug auf alle letztwilligen Verfügungen, die nicht wechselbezüglich oder erbvertraglich bindend sind, auch wenn sie in gemeinsamen Testamenten oder Erbverträgen enthalten sind.
49
M.E. erfasst die Schiedsverfügung nach dem Tod des Erblassers auch die Frage der Wirk- 49a samkeit von Erbverzichten i.S.v. §§ 2346 ff. BGB, da der Erblasser einseitig über das Erbrecht disponieren kann.5 Weiterhin ist die Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit 1 Unklar insoweit Kohler, DNotZ 1962, 125 (127); dem OLG Hamm folgen wohl Dawirs, Gestaltungsmöglichkeiten, S. 43, auch für den Erbvertrag, Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (4); Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1937 Rz. 30; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 5; Schulze, MDR 2000, 314; dagegen wohl für die Anwendung des § 1066 1. Alt. ZPO und damit der erbrechtlichen Formvorschriften auf Streitigkeiten nach dem Tod des Erblassers Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 4; Pawlytta in Scherer, 4. Aufl. 2014, § 67 Rz. 31; Otte in Staudinger, BGB, Bearb. 2008, Vor §§ 1937–1941 Rz. 6; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 3; Walter, MittRhNotK 1984, 69 (77); Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 15. 2 BT-Drs. 13/5374, 37; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1031 Rz. 11; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1031 Rz. 25; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1031 Rz. 38. 3 Die Frage ist streitig. Nach bisher h.M. beeinträchtigt eine angeordnete Schiedsverfügung den Bedachten i.S.v. § 2289 Abs. 1 BGB, vgl. OLG Hamm, Urt. v. 8.10.1990 – 8 U 38/90, NJW-RR 1991, 455 (456); Litzenburger in BeckOK BGB, 38. Aufl., Stand 1.2.2016, § 2289 Rz. 10b; Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1937 Rz. 30; J. Mayer in BeckOK BGB, 38. Aufl., Stand 1.8.2015, § 2306 Rz. 5a; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 3 zu § 2306 BGB; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2289 Rz. 5; M. Wolf in Soergel, 13. Aufl. 2002, BGB § 2289, Rz. 9; a.A. nun OLG Celle, Beschl. v. 10.12.2015 – 6 W 204/15, NJW-RR 2016, 331; J. Mayer in Reimann/Bengel/J. Mayer, 6. Aufl. 2015, § 2289 BGB Rz. 47; Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 32 II.4.c) (S. 739); zu § 2306 BGB Crezelius, FS Westermann, 161 (171); J. Mayer in Beck OK, BGB, 38. Aufl., Stand 1.8.2015, § 2306 Rz. 5; Otte in Staudinger, BGB, Bearb. 2015, § 2306 Rz. 15 und 19; Werner, ZEV 2011, 506 (508). 4 Zum Pflichtteil s.o. Rz. 17 f. 5 A.A. Grziwotz, Erfolgreiche Verhandlungsführung und Konfliktmanagement durch Notare, Rz. 461.
Bandel 453
Kap. 25 Rz. 50
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
trotz eingeschränkter Verfügungsbefugnis wirksam, wenn die entgegenstehende Bindung formgerecht aufgehoben wird,1 zum Beispiel bei erbvertraglich bindenden Verfügungen in der Form der §§ 2290 f. BGB oder in Bezug auf den Drittbegünstigten in der für den Zuwendungsverzicht gemäß §§ 2352, 2348 BGB vorgeschriebenen Form. 50
Folglich kann in Erbverträgen und gemeinsamen Testamenten die Schiedsverfügung gem. § 1066 1. Alt. ZPO auch in Bezug auf wechselbezügliche oder vertraglich bindende Verfügungen etwa durch folgende Formulierung ermöglicht werden:2 „Die Wechselbezüglichkeit/Bindungswirkung der vorbezeichneten Verfügungen wird dahingehend eingeschränkt, dass jeder Beteiligte berechtigt ist, durch einseitige Schiedsverfügung gem. § 1066 1. Alt. ZPO alle seine Verfügungen betreffenden Rechtsstreitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen.“
Eindrücklich hingewiesen sei jedoch darauf, dass sich eine solche Öffnungsklausel im Verhältnis zu Beteiligten des Erbvertrags mit dem Begründungswortlaut der zitierten Entscheidung des OLG Hamm nicht verträgt, da diese eine Schiedsvereinbarung anstelle der durch die Öffnungsklausel ermöglichten Schiedsverfügung verlangt. Wer hier sichergehen will, muss in der unter Buchstabe aa) aufgezeigten Weise verfahren. c) Streitigkeiten zwischen Überlebenden, die nicht den Nachlass des Verstorbenen betreffen 51
Schließlich ist es auch nicht ausgeschlossen, dass ein Überlebender mit weiteren am Rechtsgeschäft Beteiligten oder Dritten darum streitet, ob er aufgrund des Rechtsgeschäfts selbst in Bezug auf seinen eigenen Nachlass gebunden ist oder nicht. Da diese Frage nicht (nur) der Verfügungsbefugnis des bereits Verstorbenen unterliegt, ist dessen eventuell vorliegende Schiedsverfügung ebenso unbeachtlich wie eine das Rechtsgeschäft betreffende Schiedsverfügung des Überlebenden, da diese erst mit dessen Tod Bedeutung erlangt. Bis dahin kann also nur eine unter Beachtung der §§ 1029–1031 ZPO geschlossene Schiedsvereinbarung die Unterwerfung solcher Rechtsstreitigkeiten unter die Schiedsgerichtsbarkeit bewirken. 2. Bindungswirkung
52
Die Bedeutung der Wechselbezüglichkeit bzw. der Bindungswirkung letztwilliger Verfügungen wurde im vorangehenden Abschnitt bereits insoweit behandelt, als sie einer nachträglichen Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit durch Schiedsverfügung entgegenstehen.
52a
Die umgekehrte Frage, ob eine Schiedsverfügung gem. § 1066 1. Alt. ZPO wechselbezüglich bzw. vertraglich bindend vereinbart werden kann, wird von der h.M. unter Verweis auf §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB mit der Begründung verneint, dass es sich bei der Schiedsverfügung um keine der dort genannten Verfügungen handle.3 Wie vorstehend ausgeführt, lässt sich die Schiedsverfügung selbst zwar nur schwer als Auflage begreifen, doch können mit der Schiedsverfügung begründete Nebenpflichten sehr wohl die Kriterien einer Auflage erfüllen (s.o. Rz. 9). Da auch die Verpflichtung zum Abschluss bestimmter Rechtsgeschäfte 1 Vgl. allgemein zu diesbezüglichen Möglichkeiten Nieder/Kössinger, Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 11 Rz. 93 ff. 2 Änderungsvorbehalt bzw. Freistellungsklausel. Vgl. hierzu allgemein J. Mayer in Reimann/Bengel/J. Mayer, 6. Aufl. 2015, § 2278 BGB Rz. 14 ff.; Nieder/Kössinger, Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 11 Rz. 84–90. 3 Vgl. Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1937 Rz. 30; Otte in Staudinger, BGB, Bearb. 2008, Vor §§ 1937–1941 Rz. 6; die Frage wird vielfach nicht explizit beantwortet. Vgl. zur Frage, ob die Schiedsverfügung eine Auflage ist, oben Rz. 8.
454
Bandel
M 25.2
Testament und Erbverträge
Rz. 53 Kap. 25
Inhalt einer Auflage sein kann,1 ist es zumindest nicht undenkbar, alle am Nachlass Berechtigten per Auflage zu verpflichten, in Bezug auf jede Streitigkeit, für die eine Schiedsverfügung angeordnet werden kann, eine Schiedsvereinbarung gem. §§ 1029 ff. ZPO zu treffen.2 Ob dies geht und ob eine solche Verpflichtung3 ähnlich einer Klagerücknahmevereinbarung im Verfahren vor dem staatlichen Gericht auf Rüge hin zur Abweisung einer erhobenen Klage als unzulässig führt,4 ist natürlich noch nicht entschieden oder ausdiskutiert. Doch sollte man angesichts dieser Möglichkeiten die Entscheidung der Frage nicht darüber zu lösen suchen, ob nun begrifflich eine Auflage vorliegt oder nicht. Da die Möglichkeit bindender letztwilliger Verfügungen gemäß § 2302 BGB die Ausnahme ist, spricht mehr dafür, die Schiedsverfügung nicht dieser vertraglichen Bindung zu unterwerfen. Der Streit um Bindungswirkungen und damit letztlich um die Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen ist keiner, den der Kautelarjurist herausfordern sollte. Deshalb empfiehlt es sich, bei Schiedsverfügungen in gemeinsamen Testamenten oder Erbverträgen ausdrücklich klarzustellen, dass diese einseitig und jederzeit frei widerruflich sind.
II. Muster M 25.2 Schiedsverfügung und Schiedsvereinbarungen mit weiteren Bestimmungen in einem ErbvertragA1 … (Erbvertragliche Bestimmungen und sonstige letztwillige Verfügungen)A2 Teil …: Schiedsgerichtsbarkeit und SchiedsgutachtenA3 §1 SchiedsverfügungA4 Über alle Streitigkeiten, die nach dem Ableben eines jeden von uns in Bezug auf seinen Nachlass entstehen, sei es … (Rest wie M 25.1 [Rz. 29] § 1) §2 Regelungen zum Schiedsverfahren (1) Zum Schiedsrichter ernennt jeder von uns … (genaue Bezeichnung einer bestimmten Person oder den jeweils eingesetzten Testamentsvollstrecker). Ist dieser an der Ausübung des Schiedsrichteramtes gehindert, so ernennt jeder von uns ersatzweise … (Rest wie M 25.1 [Rz. 29] § 2). §3 Schiedsgutachter … (Rest wie M 25.1 [Rz. 29] § 3)
1 Vgl. zu anderen Beispielen Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1940 Rz. 6; Nieder/Kössinger, Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 9 Rz. 112 ff. 2 In diesem Sinne wohl Kohler, DNotZ 1962, 125 (127), und Nieder/Kössinger, Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 15 Rz. 334, wenn sie die Anordnung der ausschließlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts als Auflage benennen, obwohl sie die Schiedsverfügung selbst nicht für eine Auflage halten. 3 Wie das Vermächtnis bewirkt die Auflage keine unmittelbare Rechtsänderung, vgl. Rudy in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2192 Rz. 7. 4 Vgl. zu dieser Wirkung der Klagerücknahmevereinbarung BGH, Beschl. v. 18.12.1963 – IV ZR 263/63, NJW 1964, 549 (550); Urt. v. 14.5.1986 – IVa ZR 146/85, NJW-RR 1987, 307; Urt. v. 13.2.1989 – II ZR 110/88, NJW-RR 1989, 802; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 269 Rz. 3.
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53
Kap. 25 Rz. 53
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 25.2
§4 Auflage, Bedingung … (Rest wie M 25.1 [Rz. 29] § 4) §5 Schiedsvereinbarung zwischen den am Erbvertrag BeteiligtenA5 (1) Außerdem vereinbaren wir, dass für alle Streitigkeiten, die zwischen uns zu Lebzeiten in Bezug auf den heutigen Erbvertrag und dessen Wirksamkeit entstehen, ebenfalls ausschließlich ein Schiedsgericht entscheidet. (2) Weiterhin vereinbaren wir (ehevertraglich und) im Wege eines beschränkten Pflichtteilsverzichts, dass für Streitigkeiten aller Art, die in Bezug auf unsere Nachlässe durch die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten und -ansprüchen oder von Ansprüchen auf Zugewinnausgleich im Todesfall entstehen, ebenfalls ausschließlich ein Schiedsgericht entscheidet.A6 (3) Für die Konstituierung des Schiedsgerichts und das Schiedsverfahren gelten §§ 1 und 2 entsprechend. §6 Geltungsdauer Treffen spätere letztwillige Verfügungen keine eindeutige Bestimmung dazu, ob sie die vorstehenden Vereinbarungen ganz oder teilweise aufheben oder ändern, so sollen sie diese Schiedsvereinbarung und Schiedsverfügung nicht berühren.A7 Teil …: BindungswirkungA8 §1 … (Festlegung vertraglich bindender Verfügungen und eventueller Änderungsvorbehalte) §2 Die in Teil … §§ 1–4 enthaltenen Verfügungen zu Schiedsgerichtsbarkeit und Schiedsgutachten sind einseitig, d.h. von jedem von uns jederzeit frei widerruflich.A9 Die vertraglich bindenden Verfügungen werden hierdurch mit Zustimmung des Vertragspartners in zulässiger Weise eingeschränkt. Diese Einschränkung gilt auch für den Fall, dass diese Verfügungen zwischenzeitlich durch Widerruf aufgehoben wurden und dann durch neue Schiedsverfügung die betreffenden Rechtsstreitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit erneut unterworfen werden, soweit diese neue Schiedsverfügung gegenüber der heutigen keine zusätzlichen rechtlichen Belastungen enthält.A10 §3 Wir nehmen alle vertraglich bindenden Verfügungen mit den dazu vereinbarten Einschränkungen gegenseitig an. Teil …: Kosten,A11 Abschriften …
456
Bandel
M 25.2
Testament und Erbverträge
Rz. 63 Kap. 25
Anmerkungen zu Muster M 25.2 A1 Es handelt sich um einen Erbvertrag zwischen Ehegatten. Die Schiedsverfügung ist ein Teil dieses Erbvertrages und von dessen Inhalt weitgehend unabhängig. Zu den Fällen, in denen die Schiedsvereinbarung zweckmäßig ist, s. oben Rz. 6.
53a
A2 Der Erbvertrag ist gemäß § 2276 BGB zwingend notariell zu beurkunden. Ob dies 54 auch für einseitige Schiedsverfügungen, die erbvertragliche Verfügungen einschränken, gilt, ist nicht geklärt (s.o. Rz. 46–50), doch ist nur die notarielle Beurkundung in Form des Erbvertrags insoweit rechtssicher und deshalb dringend geboten. A3 In diesem Abschnitt werden alle Bestimmungen zusammengefasst, die das Schiedsverfahren bzw. Schiedsgutachten mit Bezug zu den Nachlässen der Beteiligten betreffen.
55
A4 §§ 1–4 entsprechen inhaltlich den gleichen Vorschriften in M 25.1 (Rz. 29). Sie wurden 56 nur in der Formulierung auf mehrere Personen angepasst. A5 Vgl. hierzu oben Rz. 45. Soweit zwischen den am Erbvertrag Beteiligten zu Lebzeiten Streit entsteht, wird dieser von Schiedsverfügungen i.S.v. § 1066 ZPO nicht erfasst, kann jedoch nach allgemeinen Regeln einer Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 ZPO unterworfen werden, für die mit notarieller Beurkundung gemäß § 1031 Abs. 5 in jedem Fall die nötige Form gewahrt ist.
57
A6 Die Schiedsvereinbarung für Pflichtteilsstreitigkeiten in der Form des beschränkten Pflichtteilsverzichts ist nach Literaturmeinung zulässig, vgl. Mayer, ZEV 2000, 263 (267 f.). Rechtsprechung hierzu existiert noch nicht. Streitigkeiten, die aus dem ehelichen Güterrecht resultieren, sind als vermögensrechtliche ebenfalls schiedsfähig. Wichtiger als die hier verwendete Klausel ist es allerdings, durch materiell-rechtliche Regelungen (Erbrecht, Pflichtteilsverzicht, Zugewinn) einen Streit in diesen Punkten von vornherein auszuschließen, sofern die Beteiligten hierzu bereit sind.
58
A7 Da die Schiedsverfügung nicht bindet und spätere Testamente gemäß § 2258 Abs. 1 59 BGB frühere aufheben, ist diese Klausel nicht mehr als ein Versuch, die Auslegung einer späteren, nicht eindeutigen letztwilligen Verfügung dahin zu beeinflussen, dass die Schiedsverfügungen Bestand behalten. A8 Auf die Bindungswirkung sollte unabhängig davon, ob Schiedsverfahren eine Rolle spielen, höchste Sorgfalt verwendet werden.
60
A9 Vgl. oben Rz. 52 f. Es wird der Klarheit halber ausgesprochen, was nach häufig vertre- 61 tener Meinung für die Schiedsverfügung ohnehin gilt, nämlich dass sie nicht vertragsmäßige Verfügung sein kann. Das Widerrufsbedürfnis kann z.B. entstehen, wenn der als geeignet erachtete Schiedsrichter wegfällt. A10 Diese Formulierung soll auch nach Widerruf eine einseitige Neuanordnung bzw. eine Änderung – z.B. des gewählten Schiedsrichters – ermöglichen. Betont sei nochmals, dass auch die Möglichkeit einer solchen Öffnungsklausel nicht zweifelsfrei ist, vgl. oben Rz. 50.
62
A11 Wird eine Schiedsvereinbarung mit dem betroffenen Rechtsgeschäft in die gleiche Ur- 63 kunde aufgenommen, handelt es sich um eine unselbstständige Vertragsabrede im Rahmen des beurkundeten Rechtsverhältnisses mit der Folge, dass diese unbewertet bleibt. Eine gesondert abgeschlossene Schiedsvereinbarung oder eine Schiedsvereinbarung in einem Vertrag zu einem Gegenstand, der ansonsten im Vertrag nicht geregelt ist (der Vertrag enthält z.B. entgegen der Empfehlung keine Regelung des Ehegattenpflichtteils, wohl aber eine Schiedsklausel zum Ehegattenpflichtteil), so ist allerdings die diesbezügliche Schiedsverein-
Bandel 457
Kap. 25 Rz. 64
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 25.3
barung mit 10–20 % des Vertragswerts, zusätzlich zu bewerten. Keinesfalls darf der Wert des Rechtsgeschäftes, auf das sich der Schiedsvertrag bezieht, überschritten werden. Die Gebühr beträgt 2,0 nach KV-Nr. 21100 beim Vertrag und 1,0 nach KV-Nr. 21200.
C. Schiedsverfügungen zu gemeinsamen Testamenten I. Einführung 64
Wird das gemeinsame Testament notariell beurkundet, so ergeben sich in Bezug auf die Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber dem Erbvertrag keine Besonderheiten. Auf Rz. 45 ff. kann insoweit verwiesen werden.
64a
Bei einem gemeinsamen Testament in der Form des § 2267 BGB kann auch die Regelung zur Schiedsgerichtsbarkeit in dieser Form erfolgen, muss aber, wenn sie die Eheleute auch selbst binden soll, sicherheitshalber gemäß § 1031 Abs. 5 Satz 3 ZPO in gesonderter Urkunde erklärt werden (Folge des Urteils des OLG Hamm, Urt. v. 8.10.1990 – 8 U 38/90, NJW-RR 1991, 455 [456] s.o. Rz. 46). Natürlich kann in dieser Form weder eine Regelung zum Zugewinn noch eine Regelung zum Pflichtteil getroffen werden.1 Nimmt man § 1031 ZPO auch insoweit ernst, muss es dennoch möglich sein, auch zu diesen Punkten eine schriftliche Schiedsvereinbarung zu treffen, da die Form des Hauptvertrages gerade nicht einzuhalten ist (s.o. Rz. 46 f.). Da die Frage nicht abschließend geklärt ist,2 werden vorsichtige Vertragsgestalter solche Vereinbarungen aber stets notariell beurkunden.
II. Muster 65
M 25.3 Schiedsverfügung und Schiedsvereinbarungen mit weiteren Bestimmungen zu einem gemeinschaftlichen TestamentA1 Schiedsvereinbarung, Schiedsverfügung und Schiedsgutachten §1 SchiedsverfügungA2 Über alle Streitigkeiten, die nach dem Ableben eines jeden von uns in Bezug auf seinen Nachlass entstehen, sei es … (Rest wie M 25.1 [Rz. 29] § 1). §2 Regelungen zum Schiedsverfahren (1) Zum Schiedsrichter ernennt jeder von uns … (genaue Bezeichnung einer bestimmten Person oder den jeweils eingesetzten Testamentsvollstrecker). Ist dieser an der Ausübung des Schiedsrichteramtes gehindert, so ernennt jeder von uns ersatzweise … (Rest wie M 25.1 [Rz. 29] § 2).
1 §§ 1410, 2348 BGB. 2 Nach J. Mayer, ZEV 2000, 263 (267 f.), ist die Schiedsvereinbarung für Pflichtteilsstreitigkeiten ein beschränkter Pflichtteilsverzicht und bedarf dessen Form. S.a. unten Rz. 99.
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M 25.3
Testament und Erbverträge
Rz. 68 Kap. 25
§3 Schiedsgutachter … (Rest wie M 25.1 [Rz. 29] § 3) §4 Auflage, Bedingung … (Rest wie M 25.1 [Rz. 29] § 4) §5 Schiedsvereinbarung zwischen den EhegattenA3 (1) Außerdem vereinbaren wir, dass für alle Streitigkeiten, die zwischen uns zu Lebzeiten in Bezug auf das heute verfasste gemeinsame Testament und dessen Wirksamkeit entstehen, ebenfalls ausschließlich ein Schiedsgericht entscheidet. (2) Für die Konstituierung des Schiedsgerichts und das Schiedsverfahren gelten §§ 1 und 2 entsprechen. §6 Wechselbezüglichkeit Die in §§ 1–4 enthaltenen Verfügungen zu Schiedsgerichtsbarkeit und Schiedsgutachten sind nicht wechselbezüglich, d.h. von jedem von uns jederzeit frei widerruflichA4. Die wechselbezüglichen Verfügungen unseres gemeinsamen Testaments werden hierdurch in zulässiger Weise eingeschränkt. Diese Einschränkung gilt auch für den Fall, dass diese Verfügungen zwischenzeitlich durch Widerruf aufgehoben wurden und dann durch neue Schiedsverfügung die betreffenden Rechtsstreitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit erneut unterworfen werden, soweit diese neue Schiedsverfügung gegenüber der heutigen keine zusätzlichen rechtlichen Belastungen enthältA5. §7 Geltungsdauer … (Rest wie M 25.2 [Rz. 53] § 6).
Anmerkungen zu Muster M 25.3 A1 Vorausgegangen ist ein gemeinschaftliches Testament i.S.v. §§ 2265 ff. BGB zwischen Ehegatten. Die Schiedsverfügung ist nicht Teil dieses Testaments, sondern nimmt zur Wahrung der Form gemäß § 1031 Abs. 5 Satz 3 ZPO in gesonderter Urkunde auf dieses Bezug. Sie ist von dessen Inhalt weitgehend unabhängig. Zu den Fällen, in denen die Schiedsvereinbarung zweckmäßig ist, s. oben Rz. 2–6.
65a
A2 §§ 1–4 entsprechen inhaltlich den gleichen Vorschriften in M 25.1 (Rz. 29). Sie wurden 66 nur in der Formulierung auf mehrere Personen angepasst. A3 Vgl. hierzu oben Rz. 45. Soweit zwischen den am gemeinsamen Testament Beteiligten zu Lebzeiten Streit entsteht, wird dieser von Schiedsverfügungen i.S.v. § 1066 ZPO nicht erfasst, kann jedoch nach allgemeinen Regeln einer Schiedsvereinbarung gemäß § 1029 ZPO unterworfen werden.
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A4 Vgl. oben Rz. 52 f. Es wird der Klarheit halber ausgesprochen, was nach häufig vertre- 68 tener Meinung für die Schiedsverfügung ohnehin gilt, nämlich dass sie nicht wechselbezügliche Verfügung sein kann. Das Widerrufsbedürfnis kann z.B. entstehen, wenn der als geeignet erachtete Schiedsrichter wegfällt. Bandel 459
Kap. 25 Rz. 69 69
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 25.4
A5 Diese Formulierung soll auch nach Widerruf eine einseitige Neuanordnung bzw. eine Änderung – z.B. des gewählten Schiedsrichters – ermöglichen. Betont sei nochmals, dass auch die Möglichkeit einer solchen Öffnungsklausel nicht zweifelsfrei ist, vgl. oben Rz. 50.
D. Schiedsverfügung zur Einsetzung eines institutionellen Schiedsgerichts I. Einführung 70
Erbrechtliche Streitigkeiten eignen sich grundsätzlich auch für durch Schiedsinstitutionen administrierte Schiedsverfahren (vgl. hierzu grundsätzlich Kap. 24 Rz. 48 ff.).1 Insbesondere dann, wenn zahlreiche Parteien um den Nachlass streiten, können nämlich die Probleme des Mehrparteienschiedsverfahrens auftreten (vgl. hierzu oben Kap. 23 Rz. 40 ff.), die sich mit Unterstützung einer leistungsstarken Schiedsorganisation und deren jeweiligen Sonderregeln in den Verfahrensordnungen gut lösen lassen. Allerdings besteht die Schwierigkeit, die Anrufung der Schiedsinstitution und deren Verfahrensordnung für die streitenden Parteien verbindlich zu machen, da die Wirkungen des § 1066 ZPO hierzu nicht ausreichen. Allen Anordnungen des Erblassers ist nur dann Erfolg beschieden, wenn zumindest eine der streitenden Parteien auf ihre Einhaltung besteht. Gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO unterliegt der Gang zum Schiedsgericht selbst nämlich schon der Disposition der Parteien. Selbst ein erweiterter Kreis von Vollziehungsberechtigten für Auflagen wird dagegen machtlos sein (vgl. näher oben Rz. 21 f. und zu sonstigen Sanktionsmöglichkeiten und deren Nutzen oben Rz. 25–28).
II. Muster 71
M 25.4 Schiedsverfügung zur Einsetzung eines institutionellen SchiedsgerichtsA1 §1 SchiedsverfügungA2 (Wie M 25.1 [Rz. 29]) §2 Regelungen zum Schiedsverfahren (1) Der Schiedsrichter sowie eventuelle Ersatzschiedsrichter werden von der … (Name der Schiedsinstitution) nach den Regeln der zum Zeitpunkt des Rechtsstreits gültigen Schiedsordnung dieser Schiedsinstitution ernannt.A3 (Der Schiedsrichter entscheidet als Einzelschiedsrichter.A4)
1 Schiedsorganisationen schlagen teilweise selbst Musterschiedsklauseln vor, die selbstverständlich, soweit sie im Einzelfall passen, verwendet werden können. Nachfolgend ist die zu I. entwickelte Schiedsverfügung auf die Berufung einer Schiedsorganisation hin angepasst. Bei der Verwendung sollte allerdings geprüft werden, ob die Verfahrensordnungen der Schiedsorganisationen widersprechende Regelungen enthalten, z.B. zwingend ein Dreierschiedsgericht vorsehen. Nachfolgend wird die Kompatibilität solcher Anordnungen mit den Verfahrensordnungen der DIS, der DSE und des SGH erörtert.
460
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M 25.4
Testament und Erbverträge
Rz. 72 Kap. 25
(2) Der Ort des Schiedsverfahrens ist …A5 (3) Das Schiedsgericht darf unter Beachtung der zwingend geltenden materiell-rechtlichen Regelungen nach Billigkeit entscheiden. Es entscheidet verbindlich über den Eintritt von Bedingungen und über die Bewertung des Nachlasses und seiner Bestandteile. An die von einem Schiedsgutachter gemäß § 3 Abs. 1 getroffene Entscheidung ist es gebunden.A6 (4) (nur bei notarieller Beurkundung und Verweisung auf das Statut des SGH): Die Schlichtungsund Schiedsordnung ist in der Urkunde des Notars Dr. Peter Lehmann vom 27. November 2015, URNr. 00691/2015 enthalten. Auf diese wird verwiesen. Eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunde liegt heute vor; der Inhalt ist bekannt. Auf Beiheftung und Vorlesung wird verzichtet.A7 §3 SchiedsgutachterA8 (1) Soweit es nur um die Feststellung einzelner Tatsachen, insbesondere die Bewertung des Nachlasses und seiner Bestandteile, geht, kann der berufene Testamentsvollstrecker (oder ein sonst genau bezeichneter Dritter) als Schiedsgutachter eine für alle Parteien verbindliche Feststellung nach billigem Ermessen treffen. Über die Gültigkeit einer solchen Schiedsgutachterentscheidung entscheidet, soweit eine gerichtliche Überprüfung gesetzlich vorgeschrieben ist, ausschließlich das Schiedsgericht. (2) Wird eine Feststellung nach Abs. 1 oder eine aufgrund letztwilliger Verfügung von einer dritten Person zu treffende Entscheidung zur Entscheidung eines bereits anhängigen Schiedsverfahrens erforderlich, kann das Schiedsgericht innerhalb des Schiedsverfahrens die Feststellung oder Entscheidung durch Schiedsspruch treffen, sofern sie vom Dritten bis dahin nicht getroffen wurde. §4 Auflage, Bedingung (1) Allen Erben und Vermächtnisnehmern wird zur Auflage gemacht, Rechtsstreitigkeiten nur in dem vorbezeichneten Schiedsverfahren auszutragen und den Ablauf des Schiedsverfahrens nach besten Kräften zu fördern. Hierzu ist mit … (Name der Schiedsorganisation) ein Schiedsorganisationsvertrag und, soweit nach diesem Schiedsorganisationsvertrag vorgesehen,A9 mit dem Schiedsrichter der Schiedsrichtervertrag abzuschließen, wobei sich der Inhalt dieser Verträge einschließlich der zu zahlenden Vergütung nach … (Regeln der Schiedsorganisation nennen) zu richten hat. Vollziehungsberechtigte der Auflagen sind alle Erben, Vermächtnisnehmer, der jeweilige Testamentsvollstrecker und Pflichtteilsberechtigte. Der Inhalt dieser Anordnung ist zugleich Amtspflicht des Testamentsvollstreckers. (2) Die Vermächtnisse zugunsten von … (wie M 25.1 [Rz. 29]).
Anmerkungen zu Muster M 25.4 A1 Das Muster geht von einem Einzeltestament aus, das den Bestimmungen des Musters entweder unmittelbar vorangeht oder vorab verfasst wurde. Die Form der §§ 2231, 2247 BGB ist zu wahren. Bei entsprechenden Verfügungen in Erbverträgen sind die Besonderheiten der M 25.2 (Rz. 53) und M 25.3 (Rz. 65) sowie die zugehörigen Anmerkungen zu beachten.
71a
A2 Nur § 1 Abs. 1 DSE-SchO sieht explizit auch Schiedsverfahren aufgrund Schiedsver- 72 fügung vor. § 1.1 DIS-SchO 1998 spricht nur von Schieds- bzw. Parteivereinbarungen, doch ist ihre entsprechende Anwendung auch auf Schiedsverfügungen anzunehmen. § 3 Abs. 1 SGH-SchO unterstellt alle schiedsfähigen Rechtsstreitigkeiten der Zuständigkeit des SGH,
Bandel 461
Kap. 25 Rz. 73
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 25.4
ohne in der Kompetenzbegründung durch Schiedsvereinbarung oder Schiedsverfügung zu differenzieren. 73
A3 Gemäß § 5 Abs. 1 DSE-SchO ist der Einzelschiedsrichter der Regelfall, jedoch kann gemäß Abs. 2 auch ein Kollegialgericht verfügt bzw. vereinbart werden. Die Ernennung des Schiedsrichters erfolgt gemäß Abs. 3 grundsätzlich durch die DSE, doch ist diese an Schiedsrichterbestimmungen des Erblassers oder der Parteien gebunden. § 9 Abs. 1 SGH-SchO sieht auch die Ernennung des Einzelschiedsrichters oder der Schiedsrichter durch die Parteien vor. Bei entsprechender Anwendung auf die Schiedsverfügung müsste damit auch eine Ernennung durch Schiedsverfügung des Erblassers möglich sein. Die DIS-SchO 1998 macht in Hinsicht auf Anzahl und Benennung der Schiedsrichter keine zwingenden Vorgaben, §§ 2 f. DIS-SchO.
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A4 § 8 Abs. 1 SGH-SchO schreibt in der Neufassung 2016 kein Dreierschiedsgericht mehr vor, sondern überlässt die Frage der Disposition der Parteien, was bei der Schiedsverfügung dann auch für den Erblasser entsprechend gilt.
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A5 Haben die Parteien nichts Anderes bestimmt, bestimmt das DSE-Schiedsgericht gemäß § 8 Abs. 5 SchO den Ort des Schiedsverfahrens. Ob § 8 Abs. 2 SGH-SchO ebenfalls den Ort des Schiedsverfahrens oder nur den Ort der Verfahrensdurchführung i.S.v. § 1043 Abs. 2 ZPO, nicht aber den Schiedsort i.S.v. § 1043 Abs. 1 ZPO meint, erscheint mir zweifelhaft. Die Bestimmung trifft hier das Sekretariat, der Vorrang der Parteivereinbarung bzw. Verfügung ergibt sich aus dem Text nicht, dürfte aber durch die Formulierung nicht ausgeschlossen sein. § 21 DIS-SchO 1998 gibt nur § 1043 ZPO inhaltlich wieder, macht also keine zusätzlichen Vorgaben.
76
A6 § 8 Abs. 1 DSE-SchO regelt nun die Frage anwendbaren Rechts und lautet: „Das Schiedsgericht entscheidet die Streitigkeit in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften (Sachvorschriften), die die Schiedsparteien als ausdrücklich oder stillschweigend anwendbar vereinbart haben. Fehlt nach Auffassung des Schiedsgerichts eine solche Vereinbarung, so entscheidet es nach den Sachvorschriften des Staates, zu denen die Streitigkeit nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die engste Verbindung hat. Nur wenn der Erblasser oder die Schiedsparteien das Schiedsgericht ausdrücklich dazu ermächtigt haben, entscheidet es nach Billigkeit.“ § 23 Abs. 1 und 2 SGH-SchO sehen eine Rechtsentscheidung nach dem über das deutsche IPR zu ermittelnden Sachrecht als Regelfall vor und lassen als Ausnahme Billigkeitsentscheidungen nach den Vorschriften der ZPO zu. Eine Rechtswahl soll auch über das deutsche IPR hinaus bis zur Grenze des ordre public beachtet werden. § 23 DISSchO 1998 entspricht § 1051 ZPO SchO. Ausgerechnet die Regelung der DSE dürfte seit Inkrafttreten der EuErbRVO der geltenden Rechtslage widersprechen, ebenso § 24 Abs. 1 Satz 2 SGH-SchO, wobei letztere Regelung ohnehin nicht auf das Erbrecht zugeschnitten ist und dadurch „gerettet“ werden kann, dass man den Vorrang staatsvertraglicher Regelungen zum ordre public zählt. Es gilt das oben zu Rz. 24a Gesagte, d.h. Rechtswahl und Billigkeitsentscheidungen unterliegen den Vorgaben der Artt. 22, 25 EuErbRVO.
77
A7 Eine solche Verweisung ist nur in einem notariell beurkundeten Testament zutreffend. Bei handschriftlichen Testamenten ist eine einfache Bezugnahme ausreichend, die wie folgt lauten könnte: „Für dieses Schiedsverfahren gilt die Schlichtungs- und Schiedsordnung, die in der Urkunde des Notars Dr. Peter Lehmann vom 27. November 2015, URNr. 00691/2015 enthalten ist.“
Auch wenn diese Verweisung statisch erscheint, ist sie gemäß § 26 SGH-SchO doch „dynamisiert“, d.h. die jeweils zum Beginn des Rechtsstreits aktuelle Fassung ist anzuwenden, 462
Bandel
M 25.5
Testament und Erbverträge
Rz. 81 Kap. 25
wenn die Parteien nicht auf die Anwendung des zum Zeitpunkt der Festlegung gültigen Statuts bestehen. A8 Die Frage schiedsgutachterlicher Entscheidungen außerhalb des Schiedsverfahrens re- 78 geln die drei hier behandelten Verfahrensordnungen nicht. Soll ein Dritter außerhalb des Schiedsverfahrens solche Entscheidungen treffen, wie sie § 3 Abs. 1 des Musters vorsieht, muss es sich in jedem Fall um eine vom Schiedsgericht verschiedene Person handeln, zumal bei Benennung durch die Schiedsorganisation ansonsten ja doch das Schiedsverfahren eingeleitet werden müsste. Hat der benannte Dritte bis zum maßgeblichen Zeitpunkt im Schiedsverfahren nicht entschieden, geht gemäß § 3 Abs. 2 diese Entscheidungsbefugnis auf das Schiedsgerichts über, das sich dann selbstverständlich auch anderer sachverständiger Hilfe bedienen kann. Für diese gilt dann wieder die jeweilige Verfahrensordnung. A9 Gemäß § 4 Abs. 1 SGH-SchO bestehen vertragliche Beziehungen nur zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens und der DNotV GmbH, nicht aber zu den einzelnen Schiedsrichtern. Nach Abs. 2 besteht kein Anspruch auf Abschluss eines Vertrags für ein Schlichtungsoder Schiedsverfahren. Gleiches gilt auch für ein Verfahren nach der DSE-SchO, auch wenn dies nicht ausdrücklich normiert ist, vgl. § 5 DSE-SchO. Die DIS-SchO schließt Verträge zwischen Parteien und Schiedsrichtern nicht aus.
79
E. Musterschiedsverfügung Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE) I. Einführung Die DSE als Institution wurde bereits in Kap. 24 Rz. 102 eingeführt. Wie ihr Name sagt, ist sie auf Erbstreitigkeiten spezialisiert und bietet deshalb auch eine Musterschiedsverfügung an.
80
II. Muster M 25.5 Schiedsverfügung für Erbstreitigkeiten nach DSE
81
SchiedsklauselA1 Für das gemeinschaftliche Testament:A2 Wir ordnen an, dass alle Streitigkeiten, die durch unseren ErbfallA3 hervorgerufen werden, unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte der Deutschen Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (Hauptstr. 18, 74918 Angelbachtal/Heidelberg) und ihrer jeweils gültigen Schiedsordnung unterworfen sind.A4, A5 Für das Einzeltestament: Ich ordne an, dass alle Streitigkeiten, die durch meinen Erbfall hervorgerufen werden, unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte der Deutschen Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (Hauptstr. 18, 74918 Angelbachtal/Heidelberg) und ihrer jeweils gültigen Schiedsordnung unterworfen sind.A4, A5, A6
Bandel 463
Kap. 25 Rz. 81a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 25.6
Anmerkungen zu Muster M 25.5 81a
A1 Die Muster werden derzeit von der DSE als Schiedsklauseln vorgeschlagen unter http://www.dse-erbrecht.de (Stand März 2016). Erläuterungen zum Schiedsverfahren der DSE von Rudolf, Tagungsskriptum 5. Deutsches Erbrecht-Symposium, 20.–21. September 2002, Heidelberg. Zu Schiedsinstitutionen vgl. Kap. 24 Rz. 49, zur DSE speziell Kap. 24 Rz. 102.
82
A2 Die wortgleiche Übernahme im Erbvertrag ist unbedenklich.
83
A3 Richtiger müsste es wohl „unsere Erbfälle“ heißen, denn selbst im Fall des gleichzeitigen Ablebens gibt es für jeden Erblasser einen eigenen Erbfall. Für Streitigkeiten zwischen den Parteien des Erbvertrages/gemeinschaftlichen Testaments ist nach dem Wortlaut der Bestimmung keine Schiedsvereinbarung getroffen. Vgl. hierzu oben Rz. 46 ff. sowie jeweils § 5 der M 25.2 (Rz. 53) und M 25.3 (Rz. 65).
84
A4 Gemäß § 1 Abs. 2 DSE-SchO gilt die jeweils aktuelle Schiedsordnung der DSE.
85
A5 Während die Schiedsverfügung gemäß § 1066 ZPO von selbst wirkt, kann die Zuständigkeit der DSE als Institution nur im Wege der Auflage herbeigeführt werden.
86
A6 Außerdem wird eine Schiedsvereinbarung zwischen Nachlassbeteiligten vorgeschlagen, diese ist bereits unter M 24.7 (Kap. 24 Rz. 103).
F. Musterschiedsverfügungen des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare – SGH I. Einführung 87
Neben dem DSE bietet nun auch der SGH für letztwillige Verfügungen eine Schiedsverfügung an. Die Schiedsgerichtsbarkeit des SGH ist nicht exklusiv auf erbrechtliche Streitigkeiten ausgerichtet, sondern bezieht sich auf alle dem Schiedsverfahren zugänglichen Sachverhalte in notariellen Urkunden. Da jedoch zahlreiche Rechtsgeschäfte des Erbrechts, insbesondere der Erbvertrag, der notariellen Beurkundung bedürfen, liegt hier sicher ein möglicher Schwerpunkt der Tätigkeit. Das nachfolgende Muster ist als Anregung zu verstehen, nicht als verbindliche Vorgabe.
II. Muster 88
M 25.6 Schiedsverfügungen für Erbstreitigkeiten nach SGHA1 1. Schiedsklausel in der letztwilligen Verfügung von Todes wegenA2 Alle Streitigkeiten, die die Wirksamkeit, die Auslegung meines Testaments oder die Regelung, Abwicklung oder Auseinandersetzung meines Nachlasses betreffen, werden unter Ausschluss des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten der Entscheidung des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare – SGH (nachstehend der „SGH“) unterworfen. Der Sekretär des SGH bestimmt gemäß § 317 BGB das auf das Schiedsverfahren anwendbare Verfahrens-Statut einschließlich Kostenordnung auf Grundlage des bei Einleitung eines Schieds-
464
Bandel
Testament und Erbverträge
Rz. 97 Kap. 25
verfahrens geltenden Statuts nebst Kostenordnung.A3 Die Beteiligten verzichten auf den Zugang der entsprechenden Erklärung des Sekretärs. Der SGH entscheidet auch über seine eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit dieser Schiedsvereinbarung. Der SGH ist insbesondere auch zuständig für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes in vorgenanntem Bereich. Das Schiedsgericht entscheidet insbesondere über alle Streitigkeiten, die zwischen Erben untereinander, zwischen Erben und Vermächtnisnehmern oder zwischen Erben und meinem Testamentsvollstrecker entstehen. [Streitigkeiten mit Pflichtteilsberechtigten sind eingeschlossen.]A4 Das Schiedsgericht kann nach seinem pflichtgemäßen Ermessen auch die Auseinandersetzung durchführen. Es ist also an die gesetzlichen Teilungsregeln nicht gebunden.A5 Das Schiedsgericht entscheidet verbindlich über den Eintritt einer vom Erblasser angeordneten Bedingung und über die Bewertung des Nachlasses und seiner Bestandteile.
Anmerkungen zu Muster M 25.6 A1 Das Muster ist nicht Teil einer notariellen Urkunde, könnte aber auch hierfür verwen- 88a det werden. Bei einer grundsätzlich möglichen Verwendung in Bezug auf ein gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag sind die Hinweise zu M 25.2 (Rz. 53) und M 25.3 (Rz. 65) zu beachten. Zu Schiedsinstitutionen vgl. Kap. 24 Rz. 48 ff., zum SGH speziell Kap. 24 Rz. 91 ff. A2 Zu einer Klausel in einem notariellen Testament vgl. Geimer, Fortbildungsunterlagen zum Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare – SGH für Nürnberg: 17./18.3.2000, München: 24./25.3.2000, 56 f., veröffentlicht in notar 2004, 65.
89
A3 Führt automatisch zu einer dynamischen Verweisung, wie sie auch § 26 SGH-SchO vorsieht.
90
A4 Ich halte dies für nicht zulässig und würde den Klammerzusatz deshalb streichen, vgl. zur Schiedsfähigkeit von Pflichtteilsstreitigkeiten oben Rz. 17 f. sowie den Formulierungsvorschlag unter M 25.1 (Rz. 29) § 1 Absatz 2.
91
A5 Zu dieser Möglichkeit näher oben Rz. 16.
92
Einstweilen frei.
93–96
G. Schiedsvereinbarung zu einem Erb-, Pflichtteils- oder Zuwendungsverzicht gemäß §§ 2346 ff. BGB I. Einführung Die Notwendigkeit besonderer Schiedsvereinbarungen zum Erb- oder Zuwendungsver- 97 zicht kann man bei isolierten Regelungen dieses Inhalts mit Recht bezweifeln. Schließlich kann der Erblasser gemäß § 1066 ZPO alle Streitigkeiten um die testamentarischen oder gesetzlichen Erbrechte an seinem Nachlass auch ohne Mitwirkung des Verzichtenden der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen.1 Streitigkeiten um die Wirksamkeit von Erb- oder Zuwendungsverzichten sind hiervon notwendigerweise mit erfasst. Ist der Verzicht hingegen Teil eines größeren Vertragswerks und wird dieser mit Gegenleistungen erkauft, die ihrerseits Streitigkeiten auslösen können, so kann eine diesbezügliche Schiedsvereinbarung sinn1 Zur Reichweite der Schiedsverfügung oben Rz. 1 ff.
Bandel 465
Kap. 25 Rz. 98
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 25.7
voll sein, unterscheidet sich aber nicht von sonstigen vorbeugenden Schiedsvereinbarungen unter Lebenden (s. hierzu oben M 23.1 [Kap. 23 Rz. 42] und Rz. 45). 98
Gesonderte Bedeutung kommt hingegen der Schiedsvereinbarung im Zusammenhang mit einem Pflichtteilsverzicht zu, da der Pflichtteilsberechtigte gerade nicht gemäß § 1066 ZPO der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden kann (s. hierzu oben Rz. 1). Eine Schiedsvereinbarung mit dem Pflichtteilsberechtigten würde hier zugunsten der Erben und anderer pflichtteilsbelasteter Personen wirken.1 Da diese, soweit sich nicht ohnehin nach den Regeln der Gesamtrechtsnachfolge gemäß §§ 1922, 1967 BGB, durch Schiedsverfügung auch insoweit der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden können (s. hierzu oben Rz. 17 f.), lässt sich so der gesamte Nachlassstreit dem Schiedsverfahren zuführen.
99
Wird diese Schiedsvereinbarung zusammen mit materiell-rechtlichen Vereinbarungen zum Pflichtteil getroffen, wird man diese gemäß §§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB beurkunden müssen. Die notarielle Beurkundung ist auch für die isolierte Schiedsvereinbarung zwischen dem Erblasser oder künftigen Erben und dem Pflichtteilsberechtigten in Bezug auf dessen künftigen Pflichtteil erforderlich, wenn man diese als einen beschränkten Pflichtteilsverzicht einordnet.2 Da die Regelung des § 1031 ZPO die Form der Schiedsvereinbarung von der Form des Rechtsgeschäfts gerade unabhängig regelt, ist diese Ansicht allerdings zweifelhaft. Natürlich ist auch hier die notarielle Beurkundung der sicherste Weg.
100
Die Schiedsvereinbarung kann alle Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten gegen die Erben erfassen, den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen einen Beschenkten gemäß § 2329 BGB allerdings nur insoweit, als sich auch der Beschenkte selbst an der Schiedsvereinbarung beteiligt.
II. Muster 101
M 25.7 Schiedsvereinbarung zwischen dem Erblasser und einem Pflichtteilsberechtigten … (Notarielle Urkunde mit Urkundeneingang und Vorbemerkungen)A1 §… (Beschränkter) Pflichtteilsverzicht … §… Schiedsvereinbarung mit Verfahrensvereinbarung (1) Über alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dieser Urkunde ergeben, sowie über die Gültigkeit aller vertraglicher Vereinbarungen entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht. Dies gilt ausdrücklich auch für alle Streitigkeiten nach dem Tod des … (Erblasser) in Bezug auf alle eventuellen Ansprüche des … (Verzichtender) aus dessen Stellung als Pflichtteilsberechtigtem sowie aus diesem Vertrag.A2
1 Vgl. hierzu J. Mayer, ZEV 2000, 263 (267 f.); Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 3. 2 So J. Mayer, ZEV 2000, 263 (267 f.); ähnlich ließe sich auch zum Vertrag unter gesetzlichen Erben gemäß § 311b Abs. 5 BGB argumentieren.
466
Bandel
M 25.7
Testament und Erbverträge
Rz. 104 Kap. 25
(2) Hat … (Erblasser) gemäß § 1066 ZPO alle Streitigkeiten in Bezug auf seinen Nachlass der Entscheidung eines Schiedsgerichts unterworfen, so sind die dortigen Bestimmungen zum Schiedsverfahren, insbesondere zur Besetzung des Schiedsgerichts und zur Vergütung des/der Schiedsrichter, auch für das Schiedsverfahren gemäß dieser Vereinbarung anwendbar. … (Verzichtender) ist jedoch berechtigt, einen vom Erblasser benannten Schiedsrichter auch ohne Begründung bis zu vier Wochen nach Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens bzw., wenn die Person des vom Erblasser benannten Schiedsrichters erst später bekannt wird, bis zu vier Wochen nach Kenntnis von der Person des Schiedsrichters abzulehnen.A3 (3) Hat … (Erblasser) nicht gemäß § 1066 ZPO alle Streitigkeiten in Bezug auf seinen Nachlass der Entscheidung eines Schiedsgerichts unterworfen, so ist … (Verzichtender) wahlweise berechtigt, seine Ansprüche auch vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen. Das Wahlrecht erlischt mit dem Zeitpunkt, ab dem die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gemäß § 1040 ZPO ausgeschlossen ist.A4
Anmerkungen zu Muster M 25.7 A1 Die Schiedsvereinbarung wird zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten im Zusammenhang mit einem – ggf. beschränkten – Pflichtteilsverzichtsvertrag zu notarieller Urkunde geschlossen. Denkbar wäre die Vereinbarung auch ohne gleichzeitigen Pflichtteilsverzicht. Absatz 1 müsste dann wie folgt lauten:
101a
„(1) Über alle Streitigkeiten, die sich nach dem Tod des … (Erblasser) in Bezug auf alle eventuellen Ansprüche des … (Verzichtender) aus dessen Stellung als Pflichtteilsberechtigtem ergeben, entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht.“
A2 Die Klarstellung, dass auch gesetzliche Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten der 102 Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen sind, ist m.E. angezeigt, da das Pflichtteilsrecht gerade nicht aus der Vertragsurkunde herrührt. A3 Das lohnende Ziel, alle Nachlassstreitigkeiten vor einem Schiedsgericht auszutragen, 103 ist dadurch gefährdet, dass sowohl das streitige Rechtsverhältnis als auch die Kompetenzgrundlage des Schiedsgerichts unterschiedlich ist. Auch können sich bei einer letztwilligen Schiedsverfügung später noch Änderungen ergeben. Das Muster versucht dem Rechnung zu tragen, gleichzeitig auch aber dem Pflichtteilsberechtigten einen unzumutbaren Schiedsrichter zu ersparen. Wird die Benennung des Schiedsrichters und die Bestimmung des Verfahrensrechts einheitlich einem Dritten, z.B. einer Schiedsinstitution, übertragen, ist dieses Problem entschärft. Ergänzend könnte dann Folgendes vereinbart werden: „Ist wegen Streitigkeiten in Zusammenhang mit dem Nachlass des … (Erblasser) bereits ein Schiedsgericht konstituiert worden, so ist dieses in gleicher Besetzung auch für die Entscheidung aller Streitigkeiten gemäß dieser Vereinbarung zuständig.“
A4 S. schon vorstehend Anm. 3 (Rz. 103). Der Gleichlauf ist allerdings nicht notwendig, 104 da die Erben auch ohne Schiedsverfügung gemäß § 1066 ZPO für die Streitigkeit mit dem Pflichtteilsberechtigten der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen sind. Geht es also nur um die Pflichtteilsstreitigkeit und nicht in erster Linie darum, alle Nachlassstreitigkeiten vor einem Schiedsgericht auszutragen, sollte Abs. 3 entfallen.
Bandel 467
Kapitel 26
Schiedsgerichtsbarkeit im Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
A. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschlussmängelstreitigkeiten . . . . . . . . . 2. Schiedsklausel als Satzungsbestandteil . . . a) Schiedsklausel bei Gründung. . . . . . . . b) Schiedsklausel durch Satzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schiedsklausel und Rechtsnachfolge . . d) Schiedsvereinbarung über nichtkorporative Streitigkeiten . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 26.1 Schiedsvereinbarung GmbH . . . . B. Aktiengesellschaft (AG) und Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschlussmängelstreitigkeiten gemäß §§ 241 ff. AktG a) Statuarische Schiedsklausel . . . . . . . . . b) Schiedsvereinbarung außerhalb der Satzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 26.2 Schiedsvereinbarung AG und KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. OHG, KG, Partnerschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidungen des Schiedsgerichts im Registerverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Form der Schiedsvereinbarung . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 26.3 Schiedsvereinbarung Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Verein Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung von Vereinsgerichten . . . . . . Wirksame Aufnahme in die Vereinssatzung und Schiedsbindung a) Vereinsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bindung von Vereinsmitgliedern ohne ausdrückliche Zustimmung . . . . . . . . . aa) Bindung an Mehrheitsbeschlüsse bb) Erstreckung auf Neumitglieder . . . 3. Inhaltliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . .
90 91 92 93
14 14
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 26.4 Schiedsvereinbarung Verein. . . . .
94 94
52
E. Stiftung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Notwendiger Inhalt und Reichweite der Schiedsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Bestimmungen zum Schiedsverfahren . . . 118b
2 4 9 10 11 12
53 54 55 57 57
67 68 69 71 71
D. I. 1. 2.
85 87 88
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 M 26.5 Schiedsverfügung als Teil eines Stiftungsgeschäfts. . . . . . . . . . . . . 119 F. Musterschiedsverfügungen des Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. – DIS I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 M 26.6 DIS-Musterklausel für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 09 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 G. Musterschiedsvereinbarung des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare – SGH I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 M 26.7 Schiedsklausel Gesellschaftsrecht nach SGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Literatur: Ahlers, Zur Gestaltung von Vereinbarungen für das schiedsrichterliche Verfahren, AnwBl 1999, 308; Albrecht, Offene Fragen zu Schiedsfähigkeit II, NZG 2010, 486; Bayer, Schiedsfähigkeit von GmbH-Streitigkeiten, ZIP 2003, 881; Berger, GmbH-rechtliche Beschlussmängelstreitigkeiten vor Schiedsgerichten, ZHR 164 (2000), 295; Böttcher/Helle, Zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten – Schiedsfähigkeit II, NZG 2009, 700; Bork, Zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten, ZHR 160 (1996), 374; Borris, Die „Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten“ der DIS („DIS-ERGeS“), SchiedsVZ 2009, 299; Borris, Die Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher
468
Bandel
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 2 Kap. 26
Streitigkeiten in der Aktiengesellschaft, NZG 2010, 481; Bredow, Günther M., Die Zukunft der Schiedsklausel für GmbH-Beschlussmängelklagen, DStR 1996, 1653; Bredow, Jens, Das neue 10. Buch der ZPO – Ein Überblick, in DIS-MAT IV (1998),11; Ebbing, Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen, NZG 1998, 281; Goette, Neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes: Beschlussmängelstreitigkeiten im GmbH-Recht sind schiedsfähig, GWR 2009, 103; Habersack, Die Personengesellschaft und ihre Mitglieder in der Schiedsgerichtspraxis, SchiedsVZ 2003, 241; Hauschild/Böttcher, Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen, DNotZ 2012, 577; Haas, Beruhen Schiedsabreden in Gesellschaftsverträgen nicht auf Vereinbarungen i.S. des § 1066 ZPO oder vielleicht doch?, SchiedsVZ 2007, 1; Henze, Zur Schiedsfähigkeit von Gesellschafterbeschlüssen im GmbH-Recht, ZGR 1988, 542; de Lousanoff, Die Wirksamkeit von Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen, in Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftsrechlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten, 1996, 7 (zit.: de Lousanoff, Wirksamkeit); Lüke/Blenske, Die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten, ZGR 1998, 253; Nolting, Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten bei der GmbH, SchiedsVZ 2011, 319; Papmehl, Die Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 2001; Petermann, Die Schiedsfähigkeit von Beschlüssen im Recht der GmbH, BB 1996, 277; Raeschke-Kessler, Gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren und das Recht der EU, SchiedsVZ 2003, 145; Reichert, Beschlussmängelstreitigkeiten und Schiedsgerichtsbarkeit, FS für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag, Berlin 2003, 511; Reichert/Harbarth, Statuarische Schiedsklauseln, NZG 2003, 379; Schlosser, Anmerkung zu BGH, Urteil v. 29.3.1996 – II ZR 124/95, JZ 1996, 1020; Schmidt, Karsten, Neues Schiedsverfahrensrecht und Gesellschaftsrechtspraxis, ZHR 162 (1998), 265; Schmidt, Karsten, Schiedsfähigkeit von GmbH-Beschlüssen, ZGR 1988, 522; Schmidt, Karsten, Schiedsklauseln und Schiedsverfahren im Gesellschaftsrecht als prozessuale Legitimationsprobleme – Ein Beitrag zur Verzahnung von Gesellschafts- und Prozessrecht, BB 2001, 1857; Stumpf, Schiedsgerichtsbarkeit in Stiftungen, SchiedsVZ 2009, 266; Trittmann, Die Auswirkungen des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes auf gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, ZGR 1999, 340; Weber, Die praxisgerechte inhaltliche Ausgestaltung von Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen, in Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftsrechtlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten, 1996, 49 ff. (zit.: Weber, Ausgestaltung); Westermann, Schiedsfähigkeit von gesellschaftsrechtlichen Fragen, in Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftsrechlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten, 1996, 31 (zit.: Westermann, Schiedsgerichtsbarkeit). S. außerdem die Literatur bei Kap. 23 vor Rz. 1.
Neben der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und sonstigen Handelsschiedsgerichten 1 wird vielfach das Gesellschaftsrecht als Hauptanwendungsgebiet der Schiedsgerichtsbarkeit genannt. Von den genannten Gründen für die Schiedsgerichtsbarkeit (s.o. Kap. 23 Rz. 11–16) steht hier insbesondere das Bedürfnis nach Diskretion beim Streit über Interna im Vordergrund. In einzelnen Bereichen ist die Zulässigkeit von Schiedsverfahren umstritten. Zudem spielt die Problematik der Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit bei allen mehr als zweigliedrigen Gesellschaften eine Rolle.1 Im Folgenden werden einzelne Rechtspersonen näher behandelt.
A. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) I. Einführung Schiedsvereinbarungen für Streitigkeiten in GmbH-Angelegenheiten sind grundsätzlich zulässig.2 Es bestehen auch keine Bedenken, die Schiedsvereinbarung zum Inhalt der Satzung der GmbH zu machen, da das GmbH-Gesetz einen dem § 23 Abs. 5 AktG vergleichbaren Grundsatz der Satzungsstrenge nicht kennt. Eine Schiedsklausel, die wirksam zu einem Bestandteil der Satzung der GmbH gemacht wird, wirkt damit in korporativen Streitigkeiten
1 Vgl. Trittmann, ZGR 1999, 340 (355–357). 2 Vgl. allgemein hierzu Trittmann, ZGR 1999, 340 (349 f).
Bandel 469
2
Kap. 26 Rz. 3
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
für und gegen alle Gesellschafter.1 Auch die GmbH selbst und der Geschäftsführer2 als deren Organ sind insoweit gebunden.3 3
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass auch Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit der Aufbringung des Stammkapitals schiedsfähig sind und auch der Insolvenzverwalter an eine diesbezügliche Schiedsklausel in der Satzung der Gesellschaft gebunden ist.4 Schließlich hat er im Jahr 2009 in Abweichung seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 1996 auch die Schiedsfähigkeit der nachgenannten Beschlussmängelstreitigkeiten grundsätzlich anerkannt. Damit dürften alle bei einer GmbH vorkommenden Streitpunkte schiedsfähig sein.5 1. Beschlussmängelstreitigkeiten
4
Umstritten war die Schiedseignung von Streitigkeiten i.S.d. §§ 241 ff. AktG über die Anfechtung bzw. die Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, kurz Beschlussmängelstreitigkeiten. In seinem Grundsatzurteil vom 29.3.1996 („Schiedsfähigkeit I“) zu dieser Frage hat der Bundesgerichtshof die Schiedsbindung in einem entsprechenden Fall verneint und dies im Wesentlichen mit dem Fehlen der notwendigen inter-omnes-Wirkung des Schiedsspruchs nach § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG begründet.6
5
Der Aufforderung des Bundesgerichtshofs an den Gesetzgeber, hierfür eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, wurde bis heute keine Folge geleistet. Als Konsequenz aus dieser Untätigkeit änderte der Bundesgerichtshof seine Ansicht im Urteil vom 6.4.2009 („Schiedsfähigkeit II“) grundsätzlich und erklärte Beschlussmängelstreitigkeiten im Recht der GmbH für schiedsfähig, sofern und soweit das schiedsgerichtliche Verfahren in einer dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gleichwertigen Weise ausgestaltet ist.7 Die Sicherung der Zulässigkeit wird somit zur kautelarjuristischen Gestaltungsaufgabe. Im Anschluss an die Diskussion in der Literatur8 fordert der Bundesgerichtshof unabhängig vom Einzelfall stets die Einhaltung von vier Voraussetzungen, damit diese Gleichwertigkeit gewährleistet ist: 1 Reichert, FS Ulmer, 511 (521, 529 f.); zur sachlichen Reichweite der statuarischen Schiedsklausel s. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016 § 1066 Rz. 4 ff.; zur Schiedsfähigkeit von Auskunfts- und Einsichtsrechten des GmbH-Gesellschafters OLG Hamm, Beschl. v. 7.3.2000 – 15 W 355/99, MittRhNotK 2000, 215 f. 2 Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (302 f.). 3 BGH, Urt. v. 29.3.1996 – II ZR 124/95, JZ 1996, 1017 (1018) (weitere Fundstellen s. unten Rz. 3 und Rz. 5, insbesondere Fn. 6), mit insoweit zustimmender Anmerkung Schlosser, 1020; Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (301 f.). 4 BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 65/03, DNotI-Report 18/2004. 5 Vgl. im Einzelnen Papmehl, Die Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 2001, zu Einlagestreitigkeiten 53 ff. (64 ff., 67), Beschlussmängelstreitigkeiten 69 ff., zum Informationserzwingungsanspruch § 51a Abs. 3 GmbHG, 105 ff. (111 f., 119), zu Verantwortlichkeitsansprüchen gegen Gründer und Leitungsorgane 121 ff. (132 ff., 137), zur Abberufung von Leitungsorganen 139 ff., sei es durch Gesellschafterbeschluss 145 f., gerichtliche Entscheidung oder Aufsichtsratsbeschluss 152 f., zur Ausschließungsklage 157 (161 ff.), zur Auflösungsklage 167 ff., und zwar sowohl bei der Personengesellschaft 173 f., als auch bei der Kapitalgesellschaft 177 ff. und zu Gründungsmängeln 191 (195 ff.). 6 BGH, Urt. v. 29.3.1996 – II ZR 124/95, BGHZ 132 (278, 281 ff.) = NJW 1996, 1753 = AG 1996, 318 = JZ 1996, 1017 ff. = DB 1996, 1172 = BB 1996, 1074 = GmbHR 1996, 437 = MDR 1996, 803 = WM 1996, 856 = ZIP 1996, 830. 7 BGH, Urt. v. 6.4.2009 – II ZR 255/08, BGHZ 180, 221 = MDR 2009, 872 = NJW 2009, 1962 = DNotZ 2009, 938 = NZG 2009, 620 = SchiedsVZ 2009, 233; dem folgend OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 9.9.2010 – 26 SchH 4/10, NotBZ 2011, 177 = NZG 2011, 629 = SchiedsVZ 2010, 334, mit sehr kritischer, aber bedenkenswerter Anmerkung von Nolting, SchiedsVZ 2011, 319. 8 So Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (298 ff.), „Gleichwertigkeitsgebot“; Bredow, DStR 1996, 1653 (1654 f.); Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253 (301 f.); Reichert, FS Ulmer, 511 (519 m.w.N.); K. Schmidt,
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Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 8 Kap. 26
– Die Schiedsabrede muss grundsätzlich mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der 6 Satzung verankert sein; alternativ reicht eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Absprache aus.1 – Jeder Gesellschafter muss – neben den Gesellschaftsorganen – über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten.2 Allgemeiner heißt dies, dass auch Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen, die nicht Parteien des Schiedsverfahrens sind, rechtliches Gehör gewährt werden muss.3 – Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt;4 im Rahmen der Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf einer Seite des Streitverhältnisses kann dabei grundsätzlich das Mehrheitsprinzip zur Anwendung gebracht werden. – Das vereinbarte Verfahren muss verhindern, dass verschiedene Personen mehrere Streitverfahren parallel führen können (Konzentrationsgebot des § 246 Abs. 3 Satz 3 AktG) und auf dieser Grundlage unterschiedliche Entscheidungen ergehen.5 Umstritten bleibt noch Frage, ob ein Schiedsspruch, der einen Beschluss für nichtig erklärt, ipso jure wirkt6 oder seinerseits erst dadurch Wirksamkeit erlangt, dass er gemäß § 1060 ZPO für vollstreckbar erklärt wird.7 Da diese Frage aber nicht der Disposition der Parteien unterliegt, braucht sie hier nicht vertieft zu werden.
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Auch wenn damit die Reichweite von Schiedsklauseln im Recht der GmbH vergrößert und ihre grundsätzliche Wirksamkeit gesichert ist, sollte nicht übersehen werden, dass mit der Verwendung von Schiedsklauseln auch Folgeprobleme verbunden sein können, zu denen es noch keine gesicherte Lösung gibt. Hingewiesen wird z.B. auf die Bedeutung von Schiedsklauseln bei Einwendungen gegen Umwandlungsbeschlüsse.8
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BB 2001, 1857 (1859); noch großzügiger Bender, DB 1998, 1900 (1901 ff.), wonach bereits allgemeine Schiedsvereinbarungen ausreichen, da diese die Parteien dazu verpflichten, an einem wirksamen Verfahren mitzuwirken. Dies reicht nach der Entscheidung des BGH aber gerade nicht aus. BGH, Urt. v. 6.4.2009 – II ZR 255/08, BGHZ 180, 221 – Rz. 20 = MDR 2009, 872 = NJW 2009, 1962 = DNotZ 2009, 938 = NZG 2009, 620 = SchiedsVZ 2009, 233. Zur unabdingbaren Möglichkeit der Nebenintervention vgl. schon Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (315 f.). Vgl. schon Bender, DB 1998, 1900 (1903); zur Informationspflicht des § 246 Abs. 4 AktG Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (314). Vgl. hierzu Bayer, ZIP 2003, 881 (888–890); Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, Anh. § 47 Rz. 101-104; ausführlich Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (304–310); s.a. Ebbing, NZG 1998, 281 (286 f.); Schlosser, JZ 1996, 1020 (1021), und Trittmann, ZGR 1999, 340 (353 f.) („einfachste Lösung“), die als Konsequenz eine Drittbenennung fordern. Hingegen hält es Weber, Schiedsklauseln, 49 (59 f.), für verfehlt, einer Partei ihr Benennungsrecht zu nehmen, wenn die Gegenseite pflichtwidrig nicht in der Lage ist, sich auf einen Schiedsrichter zu einigen. Vgl. hierzu im früher schon Bayer, ZIP 2003, 881 (887 f.), und Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (309), der allerdings das Problem bereits aus den gesetzlichen Vorgaben gelöst sah, was laut BGH nicht der Fall ist. So Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (317), der allerdings auf den Ablauf der Aufhebungsfrist gemäß § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO abstellt; Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 1787 (zur Gestaltungswirkung); Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253 (273 ff.); Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1060 Rz. 2; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1060 Rz. 7; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1055 Rz. 2. So Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 1055 Rz. 7; K. Schmidt, ZGR 198, 523 (536), u. BB 2001, 1857 (1860); dagegen Papmehl, Die Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten, 2001, 190 m.w.N. Böttcher/Helle, NZG 2009, 700 (702).
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Kap. 26 Rz. 9
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
2. Schiedsklausel als Satzungsbestandteil 9
Leider immer noch nicht vollständig geklärt ist die Frage, welche Voraussetzungen zu beachten sind, um eine Schiedsklausel zu einem wirksamen Satzungsbestandteil zu machen. Ein überflüssiges Formproblem hat der Gesetzgeber dadurch erhalten, dass er sich bei der Verfassung des SchiedsVfG einer klärenden Änderung des § 1066 (§ 1048 a.F.) ZPO enthalten hat. Folglich bleibt streitig, ob statuarische Schiedsverfügungen die Form des § 1031 ZPO wahren müssen.1 a) Schiedsklausel bei Gründung
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Bei der Gründung der GmbH, die gemäß § 2 Abs. 1 GmbHG zwingend notariell zu beurkunden ist, ist dies selbst dann kein Problem, wenn Satzung und Schiedsklausel in einer nicht gesondert unterschriebenen Anlage enthalten sind, auf die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG verwiesen wurde. Diese notarielle Beurkundung erfüllt jedenfalls auch die Vorgabe des § 1031 Abs. 3 und 5 ZPO.2 b) Schiedsklausel durch Satzungsänderung
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Wird die Schiedsklausel hingegen nachträglich durch Satzungsänderung eingeführt, beginnen bereits die Probleme. Einem Urteil3 des Bundesgerichtshofs gemäß, das allerdings zum Verein erging, sowie der Begründung zum Urteil („Schiedsfähigkeit II“)4 wird man Gesellschafter nicht gegen ihren Willen durch Mehrheitsbeschluss der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen können.5 Doch selbst bei einer einstimmig beschlossenen Satzungsänderung bleibt das Problem, dass § 1031 ZPO dann nicht gewahrt wird, wenn die gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbH vorgeschriebene notarielle Beurkundung als Niederschrift gemäß §§ 36 ff. BeurkG erfolgt, die nicht von den Beteiligten unterschrieben wird. Wer hier sichergehen6 will, wird 1 So insbesondere Schwab/Walter, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rz. 5 u. 21, a.A. h.M., s. nur mit umfangreichen Nachweisen auch zur älteren Rechtsprechung Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 14. 2 Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (303); Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1031 Rz. 58; Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (4), hält die Schiedsabrede bei der Gründung der Gesellschaft unabhängig von der Rechtsform ohnehin für einen Fall des § 1029 (nicht des § 1066) ZPO, wobei dies wohl klarstellend auf den Fall der Mehrpersonengründungen zu beschränken ist; vgl. zur beurkundungstechnischen Behandlung der Formfrage Hauschild/Böttcher, DNotZ 2012, 577 (590 ff.), und oben Kap. 23 Rz. 32 f.; da das Fehlen der vom BGH aufgestellten Verfahrenserfordernisse für Beschlussmängelstreitigkeiten nach dessen Rechtsprechung gemäß § 138 BGB zur Unwirksamkeit der Schiedsverfügung führen, müssen diese wohl – und sei es durch dynamische Verweisung auf die Schiedsordnung einer Schiedsinstitution – mitbeurkundet werden, teilweise abweichend Borris, SchiedsVZ 2009, 299 (310). 3 Urteil v. 3.4.2000 – II ZR 373/98, BGHZ 144, 146 = NJW 2000, 1713 = NZG 2000, 897. 4 S.o. Rz. 5 Fn. 7 sowie die erste Voraussetzung in Rz. 6. 5 Für die GmbH ganz vorherrschende Meinung, vgl. Bayer, ZIP 2003, 881 (890); Bayer in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, Anh. § 47 Rz. 98; Böttcher/Helle, NZG 2009, 700 (701); Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, 7. Aufl. 2015, § 18 Rz. 125; Reichert/Harbarth, NZG 2003, 379 (380 m.w.N.); Priester in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 53 Rz. 152a; Schwab/Walter, Kap. 32 Rz. 16; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 22 und § 1034 Rz. 44; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 7; a.A. Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (7 f.); Raeschke-Kessler, SchiedsVZ 2003, 145 (153 f.). 6 Diese strenge Einhaltung der Form kann m.E. aus dem vorgenannten Urteil des BGH nicht abgeleitet werden, da er – allerdings obiter dictum – Vereinsmitglieder, die einer solchen Satzungsänderung zugestimmt haben, für schiedsunterworfen hält. So aber weiterhin Schwab/Walter, Kap. 32 Rz. 16 a.E.
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M 26.1
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 14 Kap. 26
also in diesem Fall zusätzlich die neue Satzungsbestimmung von allen Beteiligten unterschreiben lassen, und zwar, falls eine Verbraucherbeteiligung nicht ausgeschlossen werden kann, als gesondertes Dokument i.S.v. § 1031 Abs. 5 ZPO.1 c) Schiedsklausel und Rechtsnachfolge Nach h.M. bindet die statuarische Schiedsklausel gegenwärtige wie zukünftige Gesell- 12 schafter, ohne dass Letztere sich dieser in irgendeiner Form unterwerfen müssen.2 Wer auch hier zweifelt, muss im Abtretungsvertrag bzw. der Übernahmeerklärung gemäß § 55 Abs. 1 GmbHG formgerecht (§ 1031 Abs. 3 ZPO) auf die statuarische Schiedsklausel verweisen oder, bei Beteiligung eines Verbrauchers, die Vereinbarung entweder notariell beurkunden oder in einem gesonderten, vom Verbraucher unterzeichneten Dokument treffen. d) Schiedsvereinbarung über nicht-korporative Streitigkeiten Von selbst versteht sich schließlich, dass Schiedsklauseln, die über korporative Streitigkeiten 13 hinausreichen und z.B. Verträge der Gesellschafter untereinander oder mit der GmbH erfassen sollen, in der Form des § 1031 ZPO vereinbart werden müssen.
II. Muster M 26.1 Schiedsvereinbarung GmbH
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Gründungsurkunde Vor mir … (Eingang einer notariellen Urkunde) I. Gründung der GmbHA1 … II. SchiedsvereinbarungA2 Alle Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der heutigen Gründung der GmbH entstehen, entscheidet unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit ein Schiedsgericht. Dies umfasst insbesondere alle Streitigkeiten zwischen den Gründern sowie den hier bestellten Organen, auch soweit diese nicht aus dem Gesellschaftsvertrag, sondern aus schuldrechtlichen Abreden, ins1 Bayer, ZIP 2003, 881 (891); Ch. Berger, ZHR 2000, 295 (303 f.); zu weiteren Problemen, z.B. der nachträglichen Einführung auf vorhandener Satzungsgrundlage und der nachträglichen Änderung einer statuarischen Schiedsklausel vgl. Reichert/Harbarth, NZG 2003, 379 (381); kritisch zum übermäßigen Verbraucherbegriff in diesem Zusammenhang Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, Anh. zu § 47 Rz. 39. 2 BGH, Urt. v. 29.3.1996 – II ZR 124/95, BGHZ 132, 278 ff. (weitere Fundstellen oben Rz. 4 Fn. 6); Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (8 f.); Hauschild/Böttcher, DNotZ 2012, 577 (596); Lachmann, Handbuch, 3. Aufl. 2008, Rz. 522; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 15 Rz. 19; Priester in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 53 Rz. 152a; Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 9; für den Einzelrechtsnachfolger aus Gründen des Vertrauensschutzes der übrigen Gesellschafter auch Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 24; a.A. wohl Schwab/Walter, Kap. 32 Rz. 21.
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Kap. 26 Rz. 14
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.1
besondere Anstellungsverträgen oder Gesellschafterdarlehensverträgen, resultieren. Die Verfahrensvereinbarungen in § … der als Anlage 1 beigefügten Satzung (und in Anlage 2)A3 sind auch für diese Schiedsvereinbarung vereinbart. III. Schlussbestimmungen … Samt Anlagen 1 (und 2)A3 vorgelesen vom Notar, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben: Anlage 1: Satzung §… Geschäftsführung … Der oder die Geschäftsführer sind verpflichtet, bei einer Klage gegen die Gesellschaft vor staatlichen Gerichten in einem Rechtsstreit, der von der Schiedsklausel in § … abgedeckt ist, die Schiedseinrede des § 1032 ZPO unverzüglich zu erheben, es sei denn, alle Gesellschafter, die nicht als Kläger oder Streithelfer der Kläger an Verfahren beteiligt sind, weisen den oder die Geschäftsführer einstimmig an, die Schiedseinrede nicht zu erheben.A4 … §… Schiedsklausel (1) Über alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis entscheidet unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten ein Schiedsgericht. Dies umfasst insbesondere, aber nicht ausschließlich, alle Streitigkeiten über – die Gründung, die Wirksamkeit, die Auslegung und Ergänzung der Satzung, – die Wirksamkeit, Auslegung, Anfechtung und Ergänzung von Beschlüssen und Wahlen der Gesellschafterversammlung,A5 – alle Handlungen der Organe der Gesellschaft und alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder Organmitgliedern, an denen keine sonstigen Personen beteiligt sind. Ebenfalls umfasst sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Auflösung und Liquidation der Gesellschaft. Soweit gesetzlich zulässig, ergehen Entscheidungen in Beschlussmängelstreitigkeiten i.S.v. §§ 241 ff. AktG mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter und Organe der Gesellschaft (§ 248 Abs. 1 AktG), auch wenn diese nicht Partei eines solchen Verfahrens sind.A6 Für Streitigkeiten aus allen vorgenannten Rechtsverhältnissen gilt die Schiedsvereinbarung auch dann weiter, wenn die Gesellschafter- oder Organstellung eines Beteiligten endet. Die Schiedsvereinbarung gilt auch für und gegen Rechtsnachfolger der Gesellschafter.A7 Sollten einzelne Streitigkeiten, hierdurch nicht wirksam der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden können, wird hiervon die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung im Übrigen nicht berührt. Soweit in diesem Fall gesetzlich zulässig, unterliegen alle schiedsfähigen Vorfragen zu solchen Beschlussmängelstreitigkeiten ebenfalls dieser Schiedsvereinbarung.A8 (2) Variante 1: Für das Verfahren gelten die in der Anlage 2 enthaltenen Bedingungen.
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M 26.1
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 14 Kap. 26
Variante 2: Das Schiedsverfahren richtet sich nach der Schiedsgerichtsordnung sowie den „Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS)“ in ihrer jeweils bei Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens gültigen Fassung.A9 Variante 3: Das Schiedsverfahren richtet sich nach dem Statut des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs deutscher Notare – SGH –. Das Statut ist niedergelegt in der Urkunde des Notars Dr. Peter Lehmann vom 27. November 2015, URNr. 00691/2015, die in beglaubigter Abschrift vorlag. Darauf wird verwiesen. Eine beglaubigte Abschrift hiervon ist dieser Urkunde als Anlage 2 beizufügen. (Nur bei Varianten 2 und 3:) (3) Der Ort des Schiedsverfahrens ist der Sitz der Gesellschaft.A10 (4) Die Anzahl der Schiedsrichter beträgt drei/eins.A11 (Nur bei Variante 3, wenn nicht die Musterschiedsklausel des SGH verwendet wird:A12) (5) Für Beschlussmängelstreitigkeiten i.S.v. §§ 241 ff. AktG wird zusätzlich vereinbart: a) Machen mehrere Personen unabhängig voneinander Mängel von Beschlüssen oder Wahlen der Gesellschafterversammlung geltend, so sind diese Anträge gemeinsam in einem Schiedsverfahren zu behandeln.A13 b) Jede Person, gegen die eine Entscheidung entsprechend § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG wirkt, ist bis zum Ablauf von Klagefristen berechtigt, dem Verfahren auf Seiten des Klägers als weitere Partei beizutreten. Sie ist außerdem jederzeit berechtigt, auf Seiten des Klägers oder des Beklagten als Streithelfer beizutreten.A14 Die Möglichkeit der Ernennung der Schiedsrichter durch die Parteien nach § 9 des Statuts ist ausgeschlossen. Die Konstituierung des Schiedsgerichts sowie Termine zur mündlichen Verhandlung sind diesen Personen unabhängig davon, ob sie beigetreten sind oder nicht, mit gleicher Post wie den Parteien mitzuteilen.A15 In der Mitteilung ist auf die Möglichkeit, dem Verfahren weiterhin als Streithelfer beizutreten, gesondert hinzuweisen.A16 Eine bereits erfolgte Bestellung der Schiedsrichter sowie alle Akte des bis dahin abgelaufenen Verfahrens muss eine später beitretende Person in diesem Fall gegen sich gelten lassen.A17 Ihr Recht auf Ablehnung der Schiedsrichter aus sonstigen Gründen bleibt unberührt. Nimmt eine dieser Personen am Verfahren nicht teil, so ist diese Säumnis nicht als Zugeständnis von Behauptungen einer Partei zu werten. c) Jeder Partei ist ein von den Schiedsrichtern unterschriebener Schiedsspruch zu übersenden. Den i.S.d. vorstehenden Absatzes betroffenen Personen ist mit gleicher Post eine Kopie des Schiedsspruchs zu übersenden.A18 Anlage 2: Schiedsverfahren Über alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis entscheidet gemäß § … der Satzung der Gesellschaft unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten ein Schiedsgericht. Für das Schiedsverfahren gelten die folgenden Bestimmungen. §1 Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens (1) Das schiedsrichterliche Verfahren beginnt mit dem Tag, an dem der Beklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat. (2) Der Antrag ist schriftlich zu stellen. Wird der Antrag von einem bevollmächtigten Vertreter gestellt, so ist dem Antrag schriftliche Vollmacht beizufügen.
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Kap. 26 Rz. 14
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.1
(3) Der Antrag muss enthalten: – die Bezeichnung der Parteien; – die Angabe des Streitgegenstands durch Benennung der Ansprüche, die geltend gemacht werden, und Beschreibung des Sachverhalts, soweit dies zur Individualisierung der Ansprüche erforderlich ist; – einen Hinweis auf diesen Schiedsvertrag; – die Benennung eines zur Annahme des Amtes bereiten Schiedsrichters; (nur in Verbindung mit § 2 Variante 3);A19 – die Aufforderung an die beklagte Partei, innerhalb … ihrerseits einen Schiedsrichter zu bestellen, soweit kein Fall des Abs. 5 gegeben ist; – wenn kein Geldbetrag gefordert wird, die Angabe des vom Kläger geschätzten Streitwerts. (4) Die klagende Partei kann statt der Benennung eines zur Annahme des Amtes bereiten Schiedsrichters erklären, dass die Schiedsrichter für alle Parteien/für die Kläger von … (ernennende Stelle)A20 zu benennen sind. Jede Partei ist dann mit Wirkung für und gegen alle berechtigt, Antrag auf Ernennung der Schiedsrichter bei der zuständigen Stelle zu stellen. Für einen so ernannten Schiedsrichter entfällt das Ernennungsverfahren nach § 2 dieses Schiedsvertrags. (5) Betrifft das streitige Rechtsverhältnis neben klagender und beklagter Partei weitere BeteiligteA21 dieser Schiedsvereinbarung, so ist Variante 1: die klagende Partei verpflichtet, allen weiteren betroffenen Beteiligten gleichzeitig eine Abschrift des Antrags mit der Aufforderung zu übersenden, innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Aufforderung Kläger und Beklagten schriftlich mitzuteilen, ob, in welcher Weise und auf welcher Seite … (Kläger oder Beklagter) diese am Schiedsverfahren teilnehmen. Variante 2: die klagende Partei ist verpflichtet, der GmbH gleichzeitig Abschriften des Antrags für alle weiteren betroffenen Beteiligten zu übersenden. Die Geschäftsführung der GmbH hat diese Abschriften … (unverzüglich/binnen einer Woche) den weiteren betroffenen Beteiligten an deren zuletzt bekannt gegebene Anschrift per Einschreiben/RückscheinA22 mit der Aufforderung zu übersenden, innerhalb von vierzehn Tagen nach Zugang der Aufforderung der GmbH sowie Kläger und Beklagten schriftlich mitzuteilen, ob, in welcher Weise und auf welcher Seite … (Kläger oder Beklagter) diese am Schiedsverfahren teilnehmen. Im Falle einer Anfechtungsklage i.S.v. § 246 AktG darf die gesetzte Frist nicht kürzer sein als die Frist der Klage gemäß § 246 Abs. 1 AktG. Die Pflichten der Geschäftsführung zur Bekanntmachung entsprechend §§ 246 Abs. 4, 248a, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG bleiben unberührt. §2 Zusammensetzung des SchiedsgerichtsA23 (1) Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern. Variante 1:A24 (2) In allen Fällen, in denen auf Seiten des Klägers oder des Beklagten mehrere Personen vorhanden sind, werden sämtliche Schiedsrichter durch … (ernennende Stelle, wie § 1 Abs. 4) bestellt. Gleiches gilt bei einer Verbindung mehrerer Verfahren gemäß § 3. Variante 2:A25 (2) In allen Fällen des § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags werden die beiden Parteischiedsrichter durch … (ernennende Stelle, wie § 1 Abs. 4) bestellt, es sei denn,
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Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 14 Kap. 26
Variante 2.1: alle am Verfahren beteiligten Personen einigen sich innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf der gemäß § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags gesetzten Frist auf die Parteischiedsrichter. Jede beteiligte Partei ist berechtigt, Antrag bei der ernennenden Stelle zu stellen. Variante 2.2: die auf der Seite des Klägers sowie die auf der Seite des Beklagten am Verfahren beteiligten Personen bestimmen jeweils innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf der gemäß § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags gesetzten Frist durch Beschluss die Parteischiedsrichter. Fasst nur eine Seite einen solchen Bestimmungsbeschluss, wird der Schiedsrichter der anderen Seite von der ernennenden Stelle bestimmt. Der Beschluss wird mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Das Stimmrecht richtet sich nach den Nennbeträgen der Geschäftsanteile der abstimmenden Gesellschafter. Die Bestimmung durch Mehrheitsbeschluss ist nur wirksam, wenn alle auf dieser Seite am Verfahren beteiligten Personen, die dagegen oder gar nicht abgestimmt haben, erklären, auf die Anfechtung des Beschlusses zu verzichten. Jede beteiligte Partei ist berechtigt, Antrag bei der ernennenden Stelle zu stellen, sobald die Frist zur Bestimmung für die jeweilige Seite abgelaufen ist. (3) In den übrigen Fällen bestellt die beklagte Partei innerhalb … ab Zugang des Antrags ihrerseits einen Schiedsrichter und teilt die Bestellung der klagenden Partei mit.A26 (4) Die beiden Schiedsrichter bestellen innerhalb von drei Wochen nach ihrer Bestellung den dritten Schiedsrichter, der als Vorsitzender des Schiedsgerichts tätig wird. Können sich die Schiedsrichter nicht fristgemäß auf den Vorsitzenden einigen, so wird dieser auf Antrag einer Partei oder eines Schiedsrichters durch … (ernennende Stelle, wie § 1 Abs. 4) bestellt. (5) Hat eine Partei ihren Schiedsrichter nicht fristgemäß bestellt oder übernimmt der bestellte Schiedsrichter ohne Grund sein Amt nicht, so wird dieser Schiedsrichter auf Antrag der Gegenpartei durch … (ernennende Stelle, wie § 1 Abs. 4) bestellt. In allen Fällen des § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags werden stattdessen alle Parteischiedsrichter auf Antrag einer Partei durch … (ernennende Stelle, wie § 1 Abs. 4) bestellt. Der nachträgliche Wegfall eines Schiedsrichters berührt die durch ihn erfolgte Bestellung des Vorsitzenden nicht.A27 Müssen mehrere Personen gemeinsam einen Schiedsrichter benennen, so gelten sie als eine Partei im Sinne dieser Regelung. (6) Sobald das Schiedsgericht vollständig bestellt ist, hat der Vorsitzende des Schiedsgerichts dies den Parteien mitzuteilen. Die Ablehnung eines oder mehrerer Schiedsrichter durch eine oder mehrere Parteien steht der Mitteilung nicht entgegen. (7) Fällt ein Schiedsrichter nach Konstituierung des Schiedsgerichts weg, so gelten für die Bestellung eines Ersatzschiedsrichters die vorstehenden Bestimmungen entsprechend. Das bis zur Ersetzung durchgeführte Verfahren ist zu wiederholen, soweit dies von einer Partei verlangt wird. Im Übrigen entscheidet das Schiedsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen über das Ob und den Umfang einer Wiederholung. Variante 3:A28 (2) Die beklagte Partei bestellt innerhalb … ab Zugang des Antrags ihrerseits einen Schiedsrichter und teilt die Bestellung der klagenden Partei mit.A29 Bei einem Verfahren gemäß § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags gilt stattdessen Abs. 3. (3) Treten bei einem Verfahren gemäß § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags auf der Seite des Klägers weitere Beteiligte fristgemäß bei oder hat in diesem Fall ein weiterer betroffener Beteiligter als Kläger einen Antrag i.S.v. § 1 dieses Schiedsvertrags gestellt, so entfällt die durch den Kläger erfolgte Benennung des Schiedsrichters, wenn nicht alle beitretenden Beteiligten diesen als gemeinsamen Schiedsrichter bestätigen. Die Bestätigung des Schiedsrichters ist dem oder den Beklagten unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Andernfalls haben alle auf Seiten des Klägers beteiligten Personen innerhalb von vier Wochen ab Ablauf der gemäß § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags gesetzten
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Kap. 26 Rz. 14
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.1
Frist einen gemeinsamen Schiedsrichter durch schriftliche Erklärung gegenüber dem oder den Beklagten zu benennen. (4) Treten bei einem Verfahren gemäß § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags auf der Seite des Beklagten weitere Beteiligte fristgemäß bei, so haben alle auf Seiten der beklagten Partei beteiligten Personen innerhalb von vier Wochen ab Ablauf der gemäß § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags gesetzten Frist einen gemeinsamen Schiedsrichter durch schriftliche Erklärung gegenüber dem oder den Klägern zu benennen.A30 (5)–(8) wie Variante 2 (4)–(7) §3 Verfahrensverbindung und -beteiligung (1) Werden von verschiedenen Personen mehrere Anträge i.S.v. § 1 dieses Schiedsvertrags gestellt, die denselben Streitgegenstand betreffen, insbesondere i.S.v. §§ 241 ff. AktG Mängel von Beschlüssen oder Wahlen der Gesellschafterversammlung geltend machen, so sind diese Anträge gemeinsam in einem Schiedsverfahren zu behandeln. Für die Regeln zur Bildung des Schiedsgerichts steht eine solche Mehrheit von Anträgen dem nachträglichen Beitritt eines Betroffenen auf Klägerseite gleich. (2) Jeder i.S.v. § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags betroffene weitere Beteiligte ist bis zum Ablauf von Klagefristen berechtigt, dem Verfahren auf Seiten des Klägers als weitere Partei beizutreten. Er ist außerdem jederzeit berechtigt, auf Seiten des Klägers oder des Beklagten als Streithelfer beizutreten. Die Konstituierung des Schiedsgerichts sowie Termine zur mündlichen Verhandlung sind ihnen mit gleicher Post wie den Parteien mitzuteilen. In der Mitteilung ist auf die Möglichkeit, dem Verfahren weiterhin als Streithelfer beizutreten, gesondert hinzuweisen.A31 Eine bereits erfolgte Bestellung der Schiedsrichter sowie alle Akte des bis zum Beitritt abgelaufenen Verfahrens muss eine später beitretende Person in diesem Fall gegen sich gelten lassen.A32 Ihr Recht auf Ablehnung der Schiedsrichter aus sonstigen Gründen bleibt unberührt. (3) Nimmt eine i.S.v. § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags betroffene Person am Verfahren nicht teil, so ist diese Säumnis nicht als Zugeständnis von Behauptungen der Gegenpartei zu werten. §4 ZuständigkeitA33 (1) Das Schiedsgericht entscheidet gemäß § 1040 ZPO nicht nur über Streitigkeiten aus den Rechtsverhältnissen gemäß §§ 1 und 2 dieses Schiedsvertrags, sondern auch über die eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit dieses Schiedsvertrags. (2) Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 7 Abs. 4 dieses Schiedsvertrags sowie Ansprüche auf Rückgewähr von auf Anordnung des Schiedsgerichts geleisteten Sicherheiten können entsprechend § 1041 Abs. 4 Satz 2 ZPO im anhängigen schiedsrichterlichen Verfahren geltend gemacht werden. §5 Einstweiliger RechtsschutzA34 (1) Das Schiedsgericht kann auf Antrag einer Partei vorläufige oder sichernde Maßnahmen treffen. Es kann die Anordnung einer solchen Maßnahme oder deren Vollziehbarkeit von der Stellung einer Sicherheit abhängig machen oder eine Sicherheit festlegen, durch deren Stellung die Gegenpartei die Anordnung der Maßnahme oder deren Vollziehung abwenden kann. (2) Es dürfen auch Maßnahmen getroffen werden, die staatliche Gerichte nach den §§ 916 ff. ZPO nicht anordnen dürfen. Die Maßnahmen dürfen die Hauptsache ganz oder teilweise auch zugunsten eines Anspruchstellers vorwegnehmen, wenn das Schiedsgericht dies zum Schutz der Rechte dieser Partei für erforderlich hält. 478
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M 26.1
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 14 Kap. 26
(3) Die Vollziehung einstweiliger Maßnahmen erfolgt gemäß § 1041 Abs. 2 und 3 ZPO. (4) Erweist sich die Anordnung einer einstweiligen Maßnahme als von Anfang an ungerechtfertigt, so ist die Partei, die diese Maßnahme beantragt hat, über § 1041 Abs. 4 Satz 1 ZPO hinaus verpflichtet, dem Gegner auch den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass er die Anordnung freiwillig befolgt, nachdem er diese vom Schiedsgericht oder der Partei empfangen hat. (5) Diese Schiedsvereinbarung lässt die Kompetenz staatlicher Gerichte, vorläufige oder sichernde Maßnahmen anzuordnen, unberührt.A35 Das Gericht am Ort des Schiedsverfahrens ist örtlich zuständiges „Gericht der Hauptsache“ für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß §§ 916 ff. ZPO. §6 Ort des Schiedsverfahrens Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist der Sitz der Gesellschaft.A36 Zu einer mündlichen Verhandlung und zur Vernehmung der Parteien darf das Schiedsgericht nur an diesem Ort zusammentreten. §7 Schiedsspruch (1) Der Schiedsspruch ist schriftlich zu erlassen und durch die Schiedsrichter zu unterschreiben. Die Unterschrift der Mehrheit der Schiedsrichter genügt, sofern der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben wird. Der Schiedsspruch ist schriftlich zu begründen. (2) Jeder Partei und allen i.S.v. § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags betroffenen Personen ist ein von den Schiedsrichtern unterschriebener Schiedsspruch zu übersenden.A37 §8 KostenA38 Das Schiedsgericht hat in einem Schiedsspruch darüber zu entscheiden, zu welchem Anteil die Parteien die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens zu tragen haben. In gleicher Weise entscheidet es über die Erstattung der den Parteien erwachsenen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten. Die Entscheidung hat entsprechend §§ 91 ff., 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu erfolgen. § 247 AktG ist ebenfalls anzuwenden. §9 Vorschüsse Das Schiedsgericht kann die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens und etwaige Beweisaufnahmen vom Eingang ausreichender Kostenvorschüsse abhängig machen.A39 § 10 Maßgebliche Verfahrensordnung Das Schiedsgericht verfährt im Übrigen nach den Regeln der ZPO. § 11 Satzungsmäßigkeit Künftige Änderungen oder Ergänzungen dieser Bestimmungen bedürfen der für Satzungsänderungen vorgeschriebenen Form, soweit das Gesetz keine strengere Form vorschreibt.
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Kap. 26 Rz. 14a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.1
§ 12 Salvatorische Klausel Sollten einzelne Bestimmungen dieser Schiedsverfügung unwirksam sein oder werden, so bleiben alle übrigen Regelungen soweit wie möglich wirksam. Lücken sind vorrangig im Sinne der wirksamen Regelungen zu schließen, ergänzend gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
Anmerkungen zu Muster M 26.1 14a
A1 Das Muster behandelt die Schiedsvereinbarung bei Gründung einer GmbH. Bei der nachträglichen Einführung durch satzungsändernden Beschluss gemäß § 53 GmbHG, der einstimmig erfolgen muss, sollten Schiedsklausel und Verfahrensvereinbarungen von allen Gesellschaftern unterschrieben werden, vgl. oben Rz. 11.Wegen sonstiger Regelungsmöglichkeiten wird auf M 23.1 – M 23.3 (Kap. 23 Rz. 42, 140, 179) verwiesen.
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A2 Rein vorsorglich werden außerhalb der Satzung die Gründung selbst und vertragliche Rechtsbeziehungen zwischen den Gründern, der GmbH i.G. und den Organen gesondert der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen.
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A3 Anlage 2 entfällt jeweils bei Variante 3.
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A4 Die Bestimmung soll sicherstellen, dass die Geschäftsführung nicht durch Unterlassen der Schiedseinrede die Schiedsklausel aushebelt. Sie kann auch außerhalb der Satzung im Rahmen einer Geschäftsordnung beschlossen werden. Für eine entsprechende Verpflichtung z.B. Bredow, DStR 1996 (1653), 1655 und Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253 (300). Die Musterklausel der DIS enthält in Abs. 4 eine vergleichbare Regelung.
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A5 Das Muster folgt der vom Bundesgerichtshof nun bestätigten Ansicht, dass auch Beschlussmängelstreitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden können, wenn das Schiedsverfahren hierfür passend gestaltet ist, vgl. oben Rz. 4 ff.; wegen der nach dem BGH zu erfüllenden Voraussetzungen wird die Klausel umfangreich; vermieden werden kann dies rechtssicher nur durch einen dynamischen Verweis auf passende Regeln einer Schiedsinstitution, z.B. der DIS. Zur Problematik von „Monsterklauseln“ vgl. Borris, SchiedsVZ 2009, 299 (304).
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A6 Vorsorglich wird diese Rechtsmacht dem Schiedsgericht ausdrücklich zugewiesen, so die Empfehlung von Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, 7. Auflage 2015, § 18 Rz. 124; die DIS-Musterschiedsklausel enthält in Abs. 2 in Bezug auf die Gesellschafter die gleiche Regelung, vgl. nachfolgend Anm. A9 (Rz. 22).
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A7 Dies gilt nach h.M. auch ohne entsprechende Anordnung, s.o. Rz. 12; die DIS-Musterschiedsklausel enthält in Abs. 3 in Bezug auf die Gesellschafter die gleiche Regelung, vgl. nachfolgend Anm. A9 (Rz. 22).
21
A8 S. hierzu oben unter Rz. 9 ff. (vgl. hierzu insbesondere Reichert, FS Ulmer, 511 [534 ff.]).
22
A9 Zur Verfahrensordnung der DIS s. schon oben Kap. 24 Rz. 64 f. Zur „DIS-Musterklausel für gesellschaftliche Streitigkeiten“ s.u. Abschnitt F (Rz. 137 ff.).
23
A10 § 1043 Abs. 1 ZPO. Vgl. zur Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93) zu § 14 des Musters.
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A11 Nach § 3 der DIS-SchO ist das Dreierschiedsgericht die Regel, gemäß § 7 Abs. 4 SGH-Statut stattdessen der Einzelschiedsrichter. Die Verfahrensvereinbarung kann dies abweichend regeln. 480
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M 26.1
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 36 Kap. 26
A12 Alternativ zur Schiedsklausel des SGH, vgl. hierzu unten M 26.7 (Rz. 145); dort werden Besonderheiten der Beschlussmängelstreitigkeiten im letzten Absatz geregelt.
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A13 Die Anordnung bindet vor allem den oder die Schiedsrichter, Klagen zum selben 25 Streitstoff mit einzubeziehen. Ob § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vor weiteren Schiedsklagen anderer Parteien schützt (so Ch. Berger, ZHR 2000, 295 [310 f.]), ist nicht sicher geklärt. Prozesse zum selben Streitgegenstand vor dem staatlichen Gericht sind durch die Schiedseinrede des § 1032 ZPO zu verhindern. A14 Die institutionellen Schiedsordnungen sehen eine solche Pflicht zur Beteiligung nicht vor, schließen sie aber auch nicht aus.
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A15 Unabdingbar für die Wahrung des rechtlichen Gehörs.
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A16 Zur Wahrung der Verfahrenstransparenz, vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, Anh. § 47 Rz. 100.
28
A17 So ausdrücklich Bender, DB 1998, 1902; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253 (301).
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A18 Diese Bestimmungen soll denjenigen, gegen die der Schiedsspruch wirken soll, diesen auch zur Kenntnis bringen.
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A19 Bei Beschlussmängelstreitigkeiten soll nach Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 31 18. Aufl. 2012, Anh. § 47 Rz. 103, und Böttcher/Helle, NZG 2009, 700 (701 f.), die Benennung zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgen. Wenn auf Klägerseite aber keine weiteren Beteiligten vorhanden oder zu erwarten sind, z.B. weil nur der klagende Gesellschafter gegen den Beschluss gestimmt hat, steht einer sofortigen Benennung zunächst nichts entgegen. Allerdings muss die Benennung für den Fall eines Beitritts auf Klägerseite unverbindlich werden, wenn sich der Beitretende der Benennung nicht anschließt, sowie dann, wenn sich mehrere Personen auf der Beklagtenseite nicht auf einen Parteischiedsrichter verständigen können. A20 Nach dem Gesetz das gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuständige Oberlandesgericht, hier also das Oberlandesgericht für den Sitz der Gesellschaft.
32
A21 Zur Erfüllung der 2. Voraussetzung der BGH-Entscheidung „Schiedsfähigkeit II“, vgl. 33 oben Rz. 6. Soll der Schiedsspruch gemäß § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG inter omnes wirken, so muss es jedem hiervon Betroffenen auch möglich sein, am Schiedsverfahren als Partei mitzuwirken. Erste Voraussetzung hierfür ist die Information der Betroffenen von diesem Verfahren, die hier je nach Variante einmal durch den Kläger selbst und einmal durch die GmbH sichergestellt wird. Eine Pflicht zur Beteiligung lässt sich nicht begründen (a.A. Bredow, DStR 1996, 1653 [1655]). A22 Als Minimum sind wohl Wochenfrist und Form des § 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu fordern.
34
A23 Zu Varianten beim Verfahren mit zwei Parteien s. M 23.2 (Kap. 23 Rz. 140) § 2 mit 35 Anm. A13 ff. (Kap. 23 Rz. 152 ff.). A24 Die einfachste Methode, ein zulässig besetztes Schiedsgericht zu erhalten, ist dessen 36 komplette Benennung durch einen neutralen Dritten, so z.B. die Musterklausel zum SGHStatut Nur dies für zulässig hält Schlosser, JZ 1996, 1022. In der Variante 1 wird hiervon Gebrauch gemacht. Die Varianten 2.1 und 3 geben in verschieden großem Umfang auch im Mehrparteienverfahren einer Auswahl der Parteischiedsrichter durch die Parteien Raum, wobei auf beiden Seiten jeweils Einstimmigkeit gefordert wird. Laut BGH ist es auch möglich, die Parteischiedsrichter durch Mehrheitsbeschluss zu bestimmen (dagegen z.B. Albrecht, Offene Fragen zu Schiedsfähigkeit II, NZG 2010, 486 (488); Bayer, ZIP 2003, 881 Bandel 481
Kap. 26 Rz. 37
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.1
[889 f.]; für einen Sonderfall dafür Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1034 Rz. 45; dafür Böttcher/Helle, NZG 2009, 700 (701 f.) und Reichert, FS Ulmer, 511 [527 f.]). Die Variante im Muster 2.2 zeigt allerdings, dass hiermit neue Streitfelder und Unsicherheiten eröffnet werden, weshalb hier eine zeitliche Grenze für eine solche Bestimmung sowie ein Anfechtungsverzicht aller Beteiligter vorgesehen ist, was der Einstimmigkeit dann wieder nahekommt. Ein Verweis auf die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Regelungen zu Gesellschafterbeschlüssen ist für die Beschlussfassung zur Schiedsrichterbestimmung problematisch, denn die normalerweise für das Beschlussverfahren (Ladung etc.) zuständige Geschäftsführung kann dafür nicht auf beiden Seiten zuständig sein. Auch löst es nicht die Frage, wer auf welcher Seite an der Schiedsrichterwahl zu beteiligen ist. 37
A25 In dieser Variante werden nur für den Fall des Mehrparteienverfahrens als Regel die Parteischiedsrichter von einem neutralen Dritten ernannt. Dies vereinfacht das Verfahren, allerdings zulasten der Wahlfreiheit der Parteien, die damit möglicherweise den ansonsten wegen besonderer Kompetenz oder besonderen Vertrauens gewünschten Schiedsrichter verlieren.
38
A26 Diese Mitteilung löst gemäß § 1035 Abs. 2 ZPO die Bindungswirkung aus, da hier nichts anderes vereinbart ist. Das Schiedsrichteramt kann dem Bestimmten damit nur noch einvernehmlich entzogen werden, vgl. § 1039 Abs. 1 Satz 1 3. Var. ZPO (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1035 Rz. 20.).
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A27 Der Fall ist gesetzlich nicht geregelt, weshalb hier entsprechende Klarstellung erfolgt.
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A28 Diese Variante versucht, beiden Seiten in angemessener Frist die Möglichkeit zu geben, sich auf einen Schiedsrichter zu einigen. Scheitert dies, erfolgt die Bestimmung der Beisitzer wiederum durch die ernennende Stelle.
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A29 S.o. Anm. A25 (Rz. 38).
42
A30 Nach Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, Anh. § 47 Rz. 104, bestellen bei Beschlussmängelstreitigkeiten bei der GmbH für die beklagte Gesellschaft die Geschäftsführer den Schiedsrichter. Nicht auf Klägerseite beteiligte Gesellschafter können insoweit durch Beschluss mit einfacher Mehrheit den Geschäftsführern Weisung erteilen. Das Muster verlangt stattdessen Einstimmigkeit der Beklagten und ihrer Streithelfer.
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A31 Erfüllung der Informationspflicht, vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, Anh. § 47 Rz. 100.
44
A32 So ausdrücklich Bender, DB 1998, 1902; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253 (301).
45
A33 Vgl. ausführlicher M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 11 mit weiteren Varianten und Anm. 35–38 (Kap. 23 Rz. 76–79).
46
A34 Vgl. ausführlicher M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) mit Anm. 39–49 (Kap. 23 Rz. 121–131).
47
A35 S. hierzu auch OLG Hamm, Urt. v. 14.3.2000 – 27 U 102/99, GmbHR 2001, 346, wonach der Ausschluss nicht möglich ist und es auch unbedenklich ist, dass im staatlichen Verfahren die Hauptsache teilweise vorweggenommen wird.
48
A36 § 1043 Abs. 1 ZPO. Vgl. zur Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93) zu § 14 des Musters.
49
A37 Diese Bestimmungen soll denjenigen, gegen die der Schiedsspruch wirken soll, diesen auch zur Kenntnis bringen.
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Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 54 Kap. 26
A38 Ausführlicher s. M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 27.
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A39 Ausführlicher s. M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 28.
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B. Aktiengesellschaft (AG) und Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) I. Einführung Umfassenden Schiedsvereinbarungen in allen Angelegenheiten einer AG oder KGaA fehlt derzeit eine rechtssichere Grundlage.1 Dies ist insbesondere für Anfechtungsklagen, die nur innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung erhoben werden können, fatal, weshalb der Versuch einer Verlagerung solcher Streitigkeiten auf Schiedsgerichte gut überlegt werden sollte.2
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1. Beschlussmängelstreitigkeiten gemäß §§ 241 ff. AktG a) Statuarische Schiedsklausel Eine Schiedsklausel als Satzungsinhalt scheitert für Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen 53 nach §§ 241 ff. AktG nach herrschender Meinung bereits an § 23 Abs. 5 AktG, da eine ausdrückliche Öffnung dieser Klagen für die Schiedsgerichtsbarkeit im Aktienrecht fehlt und § 1066 ZPO eine solche Zulassung der Schiedsgerichtsbarkeit nicht schafft, sondern voraussetzt.3 Die Richtigkeit dieser Ansicht wird zunehmend bestritten,4 wobei echte Prozessualisten5 konsequenterweise eigentlich davon ausgehen müssten, dass die lex causae diese Frage gar nicht regelt und somit auch § 23 Abs. 5 AktG in diesem Zusammenhang nicht zu beachten ist. I.d.R. wird stattdessen aber die Vorschrift einschränkend dahin ausgelegt, dass sie kein Verbot der Schiedsgerichtsbarkeit ausspricht, oder gar nur zum Ausdruck gebracht, dass die Öffnung der Satzung der Aktiengesellschaft für Schiedsklauseln wünschenswert wäre.6 Hier wird mit der herrschenden Meinung noch davon ausgegangen, dass derzeit Schiedsklauseln in Satzungen nicht zulässig sind. Selbst bei einer Zulässigkeit der statuarischen Schiedsklausel wird sich diese aber nur für personalistische Aktiengesellschaften eignen.7 b) Schiedsvereinbarung außerhalb der Satzung Möglich bleibt insoweit damit allein eine Schiedsvereinbarung außerhalb der Satzung.8 54 Diesbezüglich gelten alle Vorgaben des Bundesgerichtshofs wie die zu Beschlussmängelstreitigkeiten bei der GmbH erörterten (s.o. Rz. 4 f.). 1 Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 246 Rz. 19a; Reichert, FS Ulmer, 511 (522). 2 Reichert, FS Ulmer, 511 (533). 3 Grigoleit, AktG, 1. Aufl. 2013, § 246 Rz. 27; Hauschild/Böttcher, DNotZ 2012, 577 (586 f.); Hüffer/ Koch, AktG, 11. Aufl. 2014, § 246 Rz. 18; Hüffer/Schäfer in MüKo, AktG, 4. Aufl. 2016, § 146 Rz. 33; Reichert, FS Ulmer, 511 (530 f.); Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1031 Rz. 9. 4 A.A. schon Ahlers, AnwBl 1999, 308 (309); Bender, DB 1998, 1900 (1901); Bork, ZHR 160 (1996), 374 (377); Borris, NZG 2010, 481 (482 f.); Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1029 Rz. 9 und § 1066 Rz. 12; Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (8). 5 Vgl. zur erbrechtlichen Schiedsverfügung Kap. 25 Rz. 24, insbesondere Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 19; Mankowski, ZEV 2014, 395 (398). 6 Goette, GWR 2009, 103 (106); Raeschke-Kessler, SchiedsVZ 2003, 145 (152). 7 Borris, NZG 2010, 481 (485 f.). 8 Sog. „satzungsbegleitende Nebenabrede“, vgl. K. Schmidt, BB 2001, 1857 (1861).
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Kap. 26 Rz. 54a 54a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
Weiter muss eine nicht statuarische Schiedsvereinbarung, um eine sichere Grundlage für die notwendige inter-omnes-Wirkung des Anfechtungs- oder Nichtigkeitsschiedsspruchs bilden zu können, von allen Personen abgeschlossen werden, auf die sich diese Wirkung erstreckt, d.h. von der AG bzw. KGaA selbst, allen Aktionären bzw. Gesellschaftern, allen Mitgliedern des Vorstands und allen Mitgliedern des Aufsichtsrats.1 Schon daraus ergibt sich, dass solche Vereinbarungen nur bei einem überschaubaren Aktionärskreis handhabbar sind. Hinzu kommt, dass die so getroffene Schiedsvereinbarung nicht automatisch auf neue Organmitglieder bzw. bei der Übertragung von Aktien auf den Rechtsnachfolger übergeht.2 Natürlich kann jeder Aktionär schuldrechtlich verpflichtet werden, seine Aktien nur an Personen zu übertragen, die ihrerseits der Schiedsvereinbarung beitreten, doch rettet dies bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung das Schiedsverfahren nicht. Wirksam ließe sich die Schiedsvereinbarung bei vinkulierten Namensaktien sichern, wenn gemäß § 68 Abs. 2 Satz 3 AktG in der Satzung bestimmt wird, dass die Zustimmung zur Übertragung verweigert werden kann, wenn der Erwerber der Aktien einer allseits geschlossenen Schiedsvereinbarung nicht beitritt. Zur Zulässigkeit einer solchen Vinkulierung gibt es jedoch bis heute keine Entscheidungen. Ansonsten gilt für den Inhalt der Vereinbarung das zur GmbH Gesagte. 2. Sonstige Streitigkeiten
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Um den mit den Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen verbundenen Unsicherheiten auszuweichen, wird auch empfohlen, Vorfragen solcher Streitigkeiten, z.B. die geltend gemachten Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe, durch positive oder negative Feststellungsklage vor einem Schiedsgericht klären zu lassen.3 Wenn sich alle vom Rechtsstreit betroffenen Personen hierauf einlassen und die Aussetzung des zur Wahrung der Monatsfrist vor dem staatlichen Gericht begonnenen Anfechtungsprozesses gemäß § 148 ZPO beantragen, ist hiergegen sicher nichts einzuwenden. Es erscheint mir jedoch zweifelhaft, ob diese Schiedsgerichtsbarkeit auch als Bestandteil der Satzung der AG vereinbart und damit automatisch für und gegen alle Aktionäre wirksam gemacht werden kann. Das Verbot der Schiedsgerichtsbarkeit durch § 23 Abs. 5 AktG würde damit zur nutzlosen Formalie entwertet, da das vorgeschriebene staatliche Verfahren letztlich durch die Bindung an die Entscheidung des Schiedsgerichts keine Sachentscheidung mehr bringen, sondern nur der Sachentscheidung des Schiedsgerichts die verweigerte inter-omnes-Wirkung verleihen würde.
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Keine besonderen Schwierigkeiten stellen sich hingegen bei einer Schiedsvereinbarung zu sonstigen Streitigkeiten, z.B. für die Schadensersatzklage eines Aktionärs gegen die AG oder der AG gegen ein gegenwärtiges oder früheres Vorstandsmitglied.4 Auch sonstige schuldrechtliche Abreden unter den Aktionären, z.B. Konsortialverträge, sind ohne weiteres schiedsfähig.
1 Tielmann in Happ, § 18.01 Buchst. c) (S. 1733 f.); Reichert, FS Ulmer, 511 (531 f.); K. Schmidt, BB 2001, 1857 (1860). 2 Reichert, FS Ulmer, 511 (531 f.). 3 Umfassend hierzu Reichert, FS Ulmer, 511 (534–539). 4 Zu Einzelfällen vgl. Westermann, Schiedsfähigkeit, 31 (46 f.).
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M 26.2
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 57 Kap. 26
II. Muster M 26.2 Schiedsvereinbarung AG und KGaAA1
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SchiedsvereinbarungA2 A und B, hier handelnd jeweils sowohl im eigenen Namen als auch als einzelvertretungsberechtigte, vom Verbot der Mehrvertretung befreite Mitglieder des Vorstands der Sonnenschein AG (i.G.) mit Sitz in X-Stadt, im Folgenden auch AG genannt, sowie C, D und E, hier handelnd als Mitglieder des ersten gewählten Aufsichtsrats jeweils sowohl im eigenen Namen als auch, soweit eine Vertretung gegenüber dem vorgenannten Vorstand erforderlich ist, als Vertreter dieser AG sowie F und G vereinbaren hiermit Folgendes: §1 Vorbemerkung Zu Urkunde des Notars … in … haben A, C, D, F und G die Sonnenschein AG mit Sitz in X-Stadt gegründet und die Satzung festgestellt. Das Grundkapital der Gesellschaft i.H.v. 50 000 Euro ist laut Satzung eingeteilt in 50 000 auf den Namen der Aktionäre lautende Stückaktien. Hiervon haben A 10 000, C und D je 5000 und F und G je 15 000 Aktien übernommen. In derselben Urkunde wurden C, D und E zum ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft bestellt. Dieser hat im unmittelbaren Anschluss daran seine konstituierende Sitzung abgehalten, C zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats und D zum stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats und A und B zu den ersten, jeweils einzelvertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern gewählt. Alle Gewählten haben die Wahlen angenommen. Für den Vorstand und den Aufsichtsrat wurden Geschäftsordnungen beschlossen. Mit den Vorstandsmitgliedern wurden Vorstandsverträge abgeschlossen.A3 Die AG soll nach Erfüllung aller Gründungsformalitäten unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. §2 Schiedsvereinbarung Über alle Streitigkeiten, die zwischen den vorgenannten Beteiligten aus allen vorbezeichneten Rechtsverhältnissen entstehen, entscheidet unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten ein Schiedsgericht. Dies umfasst insbesondere, aber nicht ausschließlich, alle Streitigkeiten über – die Gründung, die Wirksamkeit, die Auslegung und Ergänzung der Satzung, – die Wirksamkeit, Auslegung, Anfechtung und Ergänzung von Beschlüssen und Wahlen der Hauptversammlung, – alle Handlungen des Aufsichtsrats und des Vorstands und – alle Streitigkeiten zwischen Aktionären oder Organmitgliedern und der AG, an denen keine sonstigen Personen beteiligt sind. Ebenfalls umfasst sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Auflösung und Liquidation der AG. Bandel 485
Kap. 26 Rz. 57
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.2
Soweit gesetzlich zulässig, ergehen Entscheidungen in Beschlussmängelstreitigkeiten i.S.v. §§ 241 ff. AktG mit Wirkung für und gegen alle hiervon betroffenen Personen, auch wenn diese nicht Partei eines solchen Verfahrens sind.A4 Für Streitigkeiten aus allen diesen Rechtsverhältnissen gilt die Schiedsvereinbarung auch dann weiter, wenn die Aktionärs- oder Organstellung eines Beteiligten endet.A5 Sollten einzelne Streitigkeiten, insbesondere Beschlussmängelstreitigkeiten i.S.v. §§ 241 ff. AktG, hierdurch nicht wirksam der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen werden können, wird hiervon die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung im Übrigen nicht berührt. Soweit in diesem Fall gesetzlich zulässig, unterliegen alle schiedsfähigen Vorfragen zu solchen Beschlussmängelstreitigkeiten ebenfalls dieser Schiedsvereinbarung.A6 §3 Beginn des schiedsrichterlichen VerfahrensA7 (1) … (Wie M 26.1 [Rz. 14] Anlage 2 § 1 Abs. 1–4) (5) Betrifft das streitige Rechtsverhältnis neben klagender und beklagter Partei weitere Beteiligte dieser Schiedsvereinbarung, so ist Variante 1: (Wie M 26.1 [Rz. 14] Anlage 2 § 1 Abs. 5 Variante 1) Variante 2: die klagende Partei verpflichtet, der AG gleichzeitig Abschriften des Antrags für alle weiteren betroffenen Beteiligten zu übersenden. Der Vorstand der AG hat diese Abschriften … (unverzüglich/binnen einer Woche) den weiteren betroffenen Beteiligten an deren zuletzt bekannt gegebene Anschrift per Einschreiben/RückscheinA8 mit der Aufforderung zu übersenden, innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Aufforderung der AG sowie Kläger und Beklagten schriftlich mitzuteilen, ob, in welcher Weise und auf welcher Seite (Kläger oder Beklagter) diese am Schiedsverfahren teilnehmen. Im Falle einer Anfechtungsklage i.S.v. § 246 AktG darf die gesetzte Frist nicht kürzer sein als die Frist der Klage gemäß § 246 Abs. 1 AktG. Die Pflichten des Vorstands zur Bekanntmachung gemäß §§ 246 Abs. 4, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG bleiben unberührt. §4 Zusammensetzung des SchiedsgerichtsA9 (Wie M 26.1 [Rz. 14] Anlage 2 § 2) §5 Verfahrensverbindung und -beteiligung (1) Werden von verschiedenen Personen mehrere Anträge i.S.v. § 3 dieses Schiedsvertrags gestellt, die denselben Streitgegenstand betreffen, insbesondere i.S.v. §§ 241 ff. AktG Mängel von Beschlüssen oder Wahlen der Hauptversammlung geltend machen, so sind diese Anträge gemeinsam in einem Schiedsverfahren zu behandeln. Für die Regeln zur Bildung des Schiedsgerichts steht eine solche Mehrheit von Anträgen dem nachträglichen Beitritt eines Betroffenen auf Klägerseite gleich. (2) Jeder i.S.v. § 3 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags betroffene weitere Beteiligte ist auch nach Ablauf der dortigen Erklärungsfrist berechtigt, dem Verfahren auf einer Seite als Partei oder Streithelfer beizutreten. Er ist außerdem jederzeit berechtigt, auf Seiten des Klägers oder des Beklagten als Streithelfer beizutreten. Die Konstituierung des Schiedsgerichts sowie Termine zur mündlichen Verhandlung sind ihnen mit gleicher Post wie den Parteien mitzuteilen. Eine bereits erfolgte Bestellung der Schiedsrichter sowie alle Akte des bis zum Beitritt abgelaufenen Verfahrens muss ei486
Bandel
M 26.2
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 64 Kap. 26
ne später beitretende Person in diesem Fall gegen sich gelten lassen.A10 Ihr Recht auf Ablehnung der Schiedsrichter aus sonstigen Gründen bleibt unberührt. (3) Nimmt eine i.S.v. § 1 Abs. 5 dieses Schiedsvertrags betroffene Person am Verfahren nicht teil, so ist diese Säumnis nicht als Zugeständnis von Behauptungen der Gegenpartei zu werten. (Weiter wie M 26.1 [Rz. 14] Anlage 2 §§ 6–10) § 11 Vollständigkeit, Schriftform Nebenabreden zu dieser Schiedsvereinbarung sind nicht getroffen. Künftige Änderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform, soweit das Gesetz keine strengere Form vorschreibt. Dies gilt auch für die Änderung dieser Vereinbarung der Form. § 12 Salvatorische Klausel Sollten einzelne Bestimmungen dieser Schiedsvereinbarung unwirksam sein oder werden, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Lücken sind vorrangig im Sinne der wirksamen Regelungen zu schließen, ergänzend gelten die gesetzlichen Bestimmungen. (Unterschriften aller Beteiligten)
Anmerkungen zu Muster M 26.2 A1 Das Muster unterwirft alle gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten der Schiedsgerichtsbar- 57a keit. Wegen § 23 Abs. 5 AktG ist die gesamte Schiedsvereinbarung in der Form des § 1031 ZPO außerhalb der Satzung getroffen. Das Muster verweist nicht auf ein administriertes Schiedsverfahren einer Schiedsinstitution. S. hierzu M 26.1 (Rz. 14) Variante 2 u. 3. A2 Der Sachverhalt und die beteiligten Personen ergeben sich aus dem Vorspann bzw. der 58 Vorbemerkung. Die gegründete Gesellschaft ist eine in jeder Hinsicht „kleine“ AG. Die Schiedsvereinbarung wird hier unmittelbar im Anschluss an die Gründungsakte getroffen. Ein späterer Zeitpunkt, z.B. nach Eintragung der AG, ändert nichts. A3 Auch Streitigkeiten aus diesen Verträgen sind schiedsfähig, da die Arbeitsgerichte für solche Streitigkeiten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG keinesfalls zuständig sind.
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A4 Vgl. hierzu Rz. 19.
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A5 Anders als bei korporativen Schiedsklauseln besteht in zeitlicher Hinsicht keine Not- 61 wendigkeit, die Wirkung der Schiedsvereinbarung mit dem Ende der Mitgliedschaft oder der Organstellung enden zu lassen. Die Beschränkung ergibt sich vielmehr daraus, welchem Rechtsverhältnis die Streitigkeit zuzuordnen ist. Dies entspricht im Ergebnis RG, Urt. v. 4.5.1926 – VI 29/26, RGZ 113, 321 (323) (vgl. auch Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 17). A6 S. hierzu unter Rz. 55 (vgl. hierzu insbesondere Reichert, FS Ulmer, 511 [534]).
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A7 Vgl. auch M 26.1 Anm. A18-A21 (Rz. 31–34).
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A8 Wochenfrist und Form des § 51 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wurden früher für die GmbH 64 gefordert. Für die AG wären dann §§ 121 Abs. 4, 123 Abs. 1 AktG heranzuziehen, was für die Rückäußerung die m.E. zu lange Monatsfrist bedeuten würde, da § 246 Abs. 1 AktG für die Klageerhebung selbst nur einen Monat Zeit gibt. Das Muster orientiert sich deshalb auch für die AG an der kurzen Frist.
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Kap. 26 Rz. 65
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.2
65
A9 Zu Varianten beim Verfahren mit zwei Parteien s. M 23.2 (Kap. 23 Rz. 140) § 2 mit Anm. A13–A16 (Kap. 23 Rz. 152–155).
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A10 So ausdrücklich Bender, DB 1998, 1902; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253 (301).
C. OHG, KG, Partnerschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts I. Einführung 67
Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis sind bei Personengesellschaften nach allgemeinen Grundsätzen schiedsfähig.1 Anders als bei den Kapitalgesellschaften gelten für Beschlussmängelstreitigkeiten nach h.M. keinerlei Besonderheiten, da fehlerhafte Beschlüsse ohne weiteres nichtig sind, vor Gericht also nur gemäß § 256 ZPO um die Feststellung der Wirksamkeit bzw. Nichtigkeit gestritten werden kann. Parteien eines solchen Rechtsstreits sind nur die Gesellschafter selbst, nicht hingegen die Gesellschaft oder ihre Organe. Der Schiedsspruch wirkt gemäß § 1055 ZPO wie ein staatliches Urteil nur zwischen den streitenden Parteien.2 Diese sind, z.B. bei Klagen gemäß §§ 117, 127, 133, 140 HGB notwendige Streitgenossen i.S.v. § 62 ZPO.3 1. Entscheidungen des Schiedsgerichts im Registerverfahren
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Da Registeranmeldungen von Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften gemäß §§ 108 Abs. 1, (161 Abs. 2) HGB, 4 Abs. 1 Satz 1 PartGG regelmäßig durch sämtliche Gesellschafter/Partner zu bewirken sind, kommt der Erzwingung bzw. Abwehr von Eintragungen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 HGB, § 5 Abs. 2 PartGG hier eine größere Bedeutung zu. Die Streitfrage, ob Schiedsgerichte in diesem Zusammenhang Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes treffen dürfen, wurde vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 1041 ZPO positiv entschieden.4 Nach einem Beschluss des BayObLG5 müssen Entscheidungen eines Schiedsgerichts für vollstreckbar erklärt worden sein, um Grundlage einer Eintragung gemäß § 16 HGB zu sein. 2. Die Form der Schiedsvereinbarung
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Nach h.M. findet § 1066 ZPO auf eine gesellschaftsvertragliche Schiedsvereinbarung bei Personengesellschaften keine Anwendung.6 Bei Abschluss der Schiedsvereinbarung muss daher die Form des § 1031 ZPO gewahrt werden.7 Bei Verbraucherbeteiligung ist deshalb die Schiedsvereinbarung gemäß § 1031 Abs. 5 in einem gesonderten Text zu treffen und von allen
1 Westermann, Schiedsfähigkeit, 31 (42 f.). 2 Ebbing, NZG 1998, 281 (284). 3 Vgl. Weth in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 62 Rz. 12; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 62 Rz. 19; näher Weber, Ausgestaltung, 49 (55 ff.). 4 Näher Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, 116 ff. 5 BayObLG, Beschl. v. 24.2.1984 – 3 Z 197/83, ObLGZ 1984, 45 (48) = BB 1984, 746 = WM 1984, 809, für Schiedssprüche nach altem Recht. Dies bedeutet für den einstweiligen Rechtsschutz die Notwendigkeit einer Vollziehbarerklärung i.S.v. § 1041 Abs. 2 ZPO. 6 BGH, Urt. v. 11.10.1979 – III ZR 184/78, NJW 1980, 1049; Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016, Einl. v. § 1 Rz. 90; Schütze, BB 1992, 1877; a.A. Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (7), für den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag Änderungen mit Mehrheitsentscheidungen zulässt; Habersack, SchiedsVZ 2003, 241 (242 ff.); K. Schmidt, ZHR 1998, 265 (279), u. BB 2001, 1857 (1862 f.). 7 Ebbing, NZG 1998, 281 (282); Liebscher in Reichert, GmbH & Co. KG, 7. Aufl. 2015, § 18 Rz. 126.
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Bandel
M 26.3
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 71 Kap. 26
Parteien eigenhändig zu unterzeichnen.1 Der Existenzgründer, der eine Schiedsvereinbarung im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit schließt, ist kein Verbraucher i.S.d. § 1031 Abs. 5 ZPO.2 Daraus folgt, dass die Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter einer unternehmerischen Gesellschaft (OHG, KG, PartG und unternehmerische GbR) in aller Regel kein Verbraucherhandeln ist, während ein solches bei nicht unternehmerischen GbR und bei Gesellschaftern vermögensverwaltender Gesellschaften i.S.v. § 105 Abs. 2 HGB immer und bei Kommanditisten3 häufig vorliegen dürfte. Zu beachten ist, dass mit der Beteiligung nur eines Verbrauchers für alle Beteiligten die strengere Form zu wahren ist. Um keine Risiken einzugehen, wird man wie bisher dem Gesellschaftsvertrag eine gesonderte Schiedsvereinbarung hinzufügen, die dann von allen Gesellschaftern unterschrieben wird. Auch bei Personengesellschaften geht die h.M. davon aus, dass die Schiedsbindung bei ei- 70 ner Übertragung des Gesellschaftsanteils automatisch mit diesem übergeht, ohne dass sich der Erwerber der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen müsste.4 Zumindest in Fällen, in denen der Erwerber ein i.S.d. § 1031 Abs. 5 ZPO schutzwürdiger Verbraucher ist, kann dies zu unbefriedigenden Ergebnissen führen.5
II. Muster M 26.3 Schiedsvereinbarung Personengesellschaften
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GesellschaftsvertragA1 … §… Schiedsgerichtsbarkeit Über alle Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern und zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, die diesen Vertrag, das Gesellschaftsverhältnis oder die Gesellschaft betreffen, entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht. Diese Schiedsvereinbarung wird in der diesem Vertrag beigefügten Anlage gesondert getroffen.A2 (Unterschriften aller Gesellschafter bzw. deren Vertreter) Anlage: SchiedsvereinbarungA3 A,A4 hier handelnd im eigenen Namen sowie als einzelvertretungsberechtigter, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der 1 Zur elektronischen Form, der notariellen Beurkundung und weiteren Einzelheiten vgl. Kap. 23 Rz. 22 f., 28–34. 2 BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, MDR 2005, 796. 3 Bredow, DIS-MAT IV (1998), 11 (18); Liebscher, in Reichert, GmbH & Co. KG, 7. Aufl. 2015, § 18 Rz. 126. Für eine Beschränkung nur auf Gesellschafter von Publikumsgesellschaften Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1031 Rz. 9; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 5 Rz. 20; auf Vermögensanlage abstellend Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1031 Rz. 21; für das Instrument der Inhaltskontrolle in diesen Fällen K. Schmidt, BB 2001, 1857 (1862 f.). 4 BGH, Urt. v. 2.3.1978 – III ZR 99/76, BGHZ 71, 162 (165) = NJW 1978, 1585; im Ergebnis auch Ebbing, NZG 1998, 281 (282). 5 Gegen einen Übergang bei Publikums-Personengesellschaften K. Schmidt, ZHR 1998, 265 (282 f.); zweifelnd de Lousanoff, Wirksamkeit, 7 (28).
Bandel 489
Kap. 26 Rz. 71
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.3
Lieb & Treu Verwaltungs GmbH mit dem Sitz in Glückstadt, diese wiederum handelnd im eigenen Namen sowie als einzige persönlich haftende Gesellschafterin für die Lieb & Treu GmbH & Co. KG mit dem Sitz in Glückstadt, B und C, handelnd jeweils im eigenen Namen und E, hier handelnd als Ergänzungspfleger für D, vorbehaltlich der nachträglichen Genehmigung des Amtsgerichts … – Vormundschaftsgerichts –A5 vereinbaren hiermit Folgendes: §1 Vorbemerkung Lieb & Treu Verwaltungs GmbH, A, B, C und D haben soeben die Lieb & Treu GmbH & Co. KG mit dem Sitz in Glückstadt gegründet und den Gesellschaftsvertrag vereinbart. Einzige persönlich haftende Gesellschafterin ist die Lieb & Treu Verwaltungs GmbH, an der A und B mit einem Geschäftsanteil zu jeweils 12 500 Euro beteiligt sind. Beide sind auch einzelvertretungsberechtigte, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführer. Kommanditisten sind A, B, C und D. §2 Schiedsvereinbarung Über alle Streitigkeiten, die zwischen den vorgenannten Beteiligten aus allen vorbezeichneten RechtsverhältnissenA6 entstehen, entscheidet unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten ein Schiedsgericht. Dies umfasst insbesondere, aber nicht ausschließlich, alle Streitigkeiten über – die Gründung der Gesellschaft und die Wirksamkeit, die Auslegung und Ergänzung des Gesellschaftsvertrages, – die Wirksamkeit, Auslegung und Ergänzung von Beschlüssen der Gesellschafter,A7 – alle Handlungen des geschäftsführenden Gesellschafters und – alle Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern, an denen keine sonstigen Personen beteiligt sind, und – zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen, die sich aus dem vorbezeichneten Gesellschaftsverhältnis ergeben. Ebenfalls umfasst sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Auflösung und Liquidation der Gesellschaft.A8 §3 Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn ein Fall der §§ 59, 60 ZPO gegeben ist.A9 In allen Fällen der Streitgenossenschaft gelten mehrere Kläger bzw. mehrere Beklagte als eine Partei. §4 Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens (1) Das schiedsrichterliche Verfahren beginnt mit dem Tag, an dem der Beklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat.
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Bandel
M 26.3
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 71 Kap. 26
(2) Der Antrag ist schriftlich zu stellen. Wird der Antrag von einem bevollmächtigten Vertreter gestellt, so ist dem Antrag schriftliche Vollmacht beizufügen. (3) Der Antrag muss enthalten: – die Bezeichnung der Parteien; – die Angabe des Streitgegenstands durch Benennung der Ansprüche, die geltend gemacht werden, und Beschreibung des Sachverhalts, soweit dies zur Individualisierung der Ansprüche erforderlich ist; – einen Hinweis auf diesen Schiedsvertrag; – die Benennung eines zur Annahme des Amtes bereiten Schiedsrichters; – die Aufforderung an die beklagte Partei, innerhalb … ihrerseits einen Schiedsrichter zu bestellen (entfällt bei § 5 Variante 1); – wenn kein Geldbetrag gefordert wird, die Angabe des vom Kläger geschätzten Streitwerts. (4) (Dieser Abs. 4 entfällt bei § 5 Variante 1) Die klagende Partei kann statt der Benennung eines zur Annahme des Amtes bereiten Schiedsrichters erklären, dass die Schiedsrichter für alle Parteien/für die Kläger von … (ernennende Stelle)A10 zu benennen sind. Jede Partei ist dann mit Wirkung für und gegen alle berechtigt, Antrag auf Ernennung der Schiedsrichter bei der zuständigen Stelle zu stellen. Für einen so ernannten Schiedsrichter entfällt das Ernennungsverfahren nach § 5 Abs. 2 ff. §5 Zusammensetzung des SchiedsgerichtsA11 (1) Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern. Variante 1: (2) In allen Fällen, in denen auf Seiten des Kläger oder des Beklagten mehrere Personen vorhanden sind, werden sämtliche Schiedsrichter durch … (ernennende Stelle, wie § 4 Abs. 4) bestellt. Variante 2: (2) Die beklagte Partei bestellt innerhalb von drei Wochen ab Zugang des Antrags ihrerseits einen Schiedsrichter und teilt die Bestellung der klagenden Partei mit. Ist mehr als eine Person beklagt, so verlängert sich die vorstehende Frist pro Person um eine Woche, maximal jedoch auf sechs Wochen. (3) Die beiden Schiedsrichter bestellen innerhalb von drei Wochen nach ihrer Bestellung den dritten Schiedsrichter, der als Vorsitzender des Schiedsgerichts tätig wird. Können sich die Schiedsrichter nicht fristgemäß auf den Vorsitzenden einigen, so wird dieser auf Antrag einer Partei oder eines Schiedsrichters durch … (ernennende Stelle, wie § 4 Abs. 4) bestellt. (4) Hat eine Partei ihren Schiedsrichter nicht fristgemäß bestellt oder übernimmt der bestellte Schiedsrichter ohne Grund sein Amt nicht, so wird dieser Schiedsrichter auf Antrag der Gegenpartei durch … (ernennende Stelle, wie § 1 Abs. 4) bestellt. Der nachträgliche Wegfall eines Schiedsrichters berührt die durch ihn erfolgte Bestellung des Vorsitzenden nicht.A12 (5) Sobald das Schiedsgericht vollständig bestellt ist, hat der Vorsitzende des Schiedsgerichts dies den Parteien mitzuteilen. Die Ablehnung eines oder mehrerer Schiedsrichter durch eine oder mehrere Parteien steht der Mitteilung nicht entgegen. (6) Fällt ein Schiedsrichter nach Konstituierung des Schiedsgerichts weg, so gelten für die Bestellung eines Ersatzschiedsrichters die vorstehenden Bestimmungen entsprechend. Das bis zur Ersetzung durchgeführte Verfahren ist zu wiederholen, soweit dies von einer Partei verlangt wird. Im Übrigen entscheidet das Schiedsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen über das Ob und den Umfang einer Wiederholung.
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Kap. 26 Rz. 71a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.3
§§ 6, 7 (Wie M 26.1 [Rz. 14] §§ 4 u. 5). §8 Ort des Schiedsverfahrens Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist der Sitz der Gesellschaft.A13 Zu einer mündlichen Verhandlung und zur Vernehmung der Parteien darf das Schiedsgericht nur an diesem Ort zusammentreten. §9 Schiedsspruch Der Schiedsspruch ist schriftlich zu erlassen und durch die Schiedsrichter zu unterschreiben. Die Unterschrift der Mehrheit der Schiedsrichter genügt, sofern der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben wird. Der Schiedsspruch ist schriftlich zu begründen. § 10 KostenA14 Das Schiedsgericht hat in einem Schiedsspruch darüber zu entscheiden, zu welchem Anteil die Parteien die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens zu tragen haben. In gleicher Weise entscheidet es über die Erstattung der den Parteien erwachsenen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten. Die Entscheidung hat entsprechend §§ 91 ff., 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu erfolgen. § 11–12 (Wie M 26.1 [Rz. 14] §§ 9–10) §§ 13–14 (Wie M 26.1 [Rz. 14] §§ 11–12)
Anmerkungen zu Muster M 26.3 71a
A1 Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft (OHG, KG – auch GmbH & Co. KG, PartG, GbR). Besonderheiten ergeben sich nicht aus der Gesellschaftsform, sondern ggf. aus der Art der Gesellschaft (Publikumsgesellschaft, Gesellschaft zur Vermögensanlage) und der Verbrauchereigenschaft (hierzu oben Rz. 69) des Gesellschafters. Das Muster bezieht sich auf eine GmbH & Co. KG, an der auch das minderjährige Kind eines Gesellschafters beteiligt wird.
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A2 Die Sonderung erfolgt zur Wahrung der Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO, dient aber bei einer ausführlichen Verfahrensvereinbarung auch der Übersichtlichkeit.
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A3 Anlage als gesonderter Text i.S.v. § 1031 Abs. 5 ZPO
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A4 Im vorliegenden Sachverhalt gründen Herr A mit seinem Sohn C und Herr B mit seinem minderjährigen Sohn D eine unternehmerische GmbH & Co KG, an der C und D zunächst nur mit geringen Anteilen beteiligt werden. Beide Familien sind im gleichen Umfang beteiligt.
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A5 Wegen § 181 BGB i.V.m. § 1795 Abs. 2 BGB ist B von der Vertretung ausgeschlossen, die nicht beteiligte Mutter ist gemäß § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB ebenfalls von der Vertretung 492
Bandel
M 26.3
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 84 Kap. 26
ausgeschlossen. Deshalb ist gemäß § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB die Bestellung eines Pflegers erforderlich. Die Notwendigkeit der Genehmigung des Familiengerichts ergibt sich aus §§ 1915 Abs. 1, 1822 Nr. 12 BGB. Bei einer wirksamen Vertretung durch die Eltern wäre hingegen keine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich, § 1643 Abs. 1 BGB. Für den Abschluss des Gesellschaftsvertrags ist gleichfalls die Vertretung durch den Pfleger und die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gemäß §§ 1915, 1822 Nr. 3 BGB erforderlich. Damit erübrigt sich für die Schiedsvereinbarung eine Gesamtabwägung, wie sie das OLG Hamm, Beschl. v. 10.7.2000 – 15 W 229/00, FamRZ 2001, 373, bei im Übrigen nicht genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften für die Genehmigung der Schiedsvereinbarung verlangt hat. A6 Trotz der umfassenden Formulierung sollte in der Satzung der GmbH eine gesonderte 76 Schiedsklausel aufgenommen werden. Vgl. hierzu vorstehend M 26.1 (Rz. 14). Solange die GmbH wie hier nur aus zwei Gesellschaftern besteht, sind umfangreiche Regelungen zur Konstituierung des Schiedsgerichts und zur Beteiligung der betroffenen Personen nicht erforderlich. Schon bei der Möglichkeit einer späteren Beteiligung weiterer Personen, die hier nahe liegt, sollten diese aber vorsorglich vereinbart werden. A7 Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern i.S.v. §§ 241 ff. AktG kennt das Recht der Personengesellschaften bisher nicht. Deshalb wird hier auch nichts Dergleichen erwähnt.
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A8 Die gesonderte Erwähnung empfiehlt zur Vermeidung von Auslegungsstreitigkeiten Weber, Ausgestaltung, 49 (52).
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A9 Weber, Ausgestaltung, 49 (59).
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A10 Nach dem Gesetz das gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuständige Oberlandesgericht, hier also das Oberlandesgericht für den Sitz der Gesellschaft.
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A11 Vgl. auch die Varianten in M 26.1 (Rz. 14) § 2, die mit Modifizierungen ebenfalls verwendbar sind. Zu Varianten beim Verfahren mit zwei Parteien s. M 23.2 (Kap. 23 Rz. 140) § 2 mit Anm. A13–A16 (Kap. 23 Rz. 152–155).
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A12 Der Fall ist gesetzlich nicht geregelt, weshalb hier entsprechende Klarstellung erfolgt.
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A13 § 1043 Abs. 1 ZPO. Vgl. zur Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 Anm. A52 (Kap. 23 83 Rz. 93) zu § 14 des Musters. A14 Ausführlicher s. M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 27.
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D. Verein Literatur: Allgemeine Literatur zur Schiedsgerichtsbarkeit bei Kap. 23 vor Rz. 1, im Übrigen s.a. vor Rz. 1. Adolphsen, Grundlagen und Perspektiven der Sportschiedsgerichtsbarkeit, SchiedsVZ 2003, 169; Ebbing, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, NZG 1999, 754; Haas, Zur Einführung von Schiedsklauseln durch Satzungsänderungen in Vereinen, ZGR 2001, 325; Kröll, Das neue deutsche Schiedsrecht vor staatlichen Gerichten: Entwicklungen und Tendenzen 1998–2000, NJW 2001, 1173; Kröll, „Schiedsklauseln“ in Satzungen – zur Abgrenzung von Vereinsgericht und Schiedsgericht, ZIP 2005, 13; van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen – Ein Beitrag zum inneren Vereinsrecht, 1990; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 12. Aufl. 2009; Schmidt, Karsten, Statuarische Schiedsklauseln zwischen prozessualer und verbandsrechtlicher Legitimation, JZ 1989, 1077; Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016; Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände – Eine rechtstatsächliche und rechtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Sportverbände, 1990.
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Kap. 26 Rz. 85
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
I. Einführung 85
Schiedsklauseln bei Vereinen und Verbänden haben eine erhebliche, im nationalen und internationalen Sport sogar eine äußerst große Bedeutung. Ihre Zulässigkeit wird von der herrschenden Meinung schon seit langem angenommen,1 wobei der Entzug der staatlichen Gerichtsbarkeit für Vereinsmaßnahmen, insbesondere -strafen, auch kritisch gesehen wird,2 insbesondere bei Vereinen ohne Aufnahmefreiheit. Allerdings sind Schiedsklauseln für Vereine längst nicht in allen Fällen sinnvoll. Für kleinere Vereine ohne Budget für rechtliche Beratung werden die Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit kaum erschwinglich sein, es sein denn, es finden sich fachlich versierte Schiedsrichter, die bereit sind, ohne Vergütung zu arbeiten.3 Solche mag es geben, wenn die Schiedsrichter der Sache des Vereins verpflichtet sind, doch kann dann gerade wieder deren Neutralität bei Streitigkeiten zwischen dem Verein und deren Mitgliedern infrage stehen. Ist diese jedoch gegeben, dann kann selbst ein ad hoc zu bildendes Schiedsgericht den streitenden Parteien die Förmlichkeiten und Kosten des staatlichen Verfahrens ersparen und so dem Zweck des Vereins und seiner Mitglieder dienen.
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Sehr unterschiedlich sind die Erscheinungsformen der Vereinsschiedsgerichte. Der nationale und internationale Spitzensport hat ständige Schiedsgerichte eingerichtet, in denen fachlich spezialisierte Schiedsrichter in kürzester Zeit verbindlich über Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Sport- und Spielbetrieb entscheiden können.4 Im internationalen Bereich kann hierdurch die einheitliche Anwendung und Auslegung der Reglements gesichert werden.5 Politische Parteien sind nach § 14 PartG verpflichtet, Schiedsgerichte zu bilden, für die eine Schiedsgerichtsordnung zu erlassen ist, die zwingende rechtsstaatliche Mindestgarantien für die Bildung des Schiedsgerichts und für die Verfahrensgestaltung enthalten muss, wobei diese Pflicht sowohl durch eine Schiedsverfügung i.S.d. §§ 1066, 1025 ZPO erfüllt werden kann als auch durch die Schaffung eines Parteiorgans, das die staatliche Gerichtsbarkeit gerade nicht ausschließt.6 Auf solche Spezialbereiche soll hier nicht eingegangen werden. 1. Abgrenzung von Vereinsgerichten
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Weit häufiger als sonst stellt sich bei Regelungen in Vereinssatzungen die Frage, ob tatsächlich der staatliche Rechtsweg ausgeschlossen und Schiedsgerichtsbarkeit i.S.v. §§ 1025 ff. ZPO vereinbart wird, oder ob es sich um eine sonstige Entscheidung eines hierfür per Satzung berufenen Organs („Vereinsgericht“, „Schiedsstelle“) handelt, die keinerlei Urteilswirkungen entfaltet und von staatlichen Gerichten auf ihre Wirksamkeit überprüft werden kann.7 Für die im Einzelfall schwierige Abgrenzung werden – ähnlich wie bei der Abgrenzung zum Schiedsgutachter (vgl. hierzu Kap. 23 Rz. 9 f.) – folgende Kriterien genannt:
1 RG, Urt. v. 5.2.1937 – VII 168/36, RGZ 153, 267 (271); Urt. v. 29.10.1940 – VII 44/40, RGZ 165, 140 (143); BGH, Urt. v. 3.4.2000 – II ZR 373/98, BGHZ 144, 146 = MDR 2000, 777 = NJW 2000, 1713 = NZG 2000, 897 = DStR 2000, 937; Kröll, ZIP 2005, 13 m.w.N. in Fn. 4; K. Schmidt, JZ 1989, 1077 (1079 f.). 2 Reuter in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2015, § 25 Rz. 55 ff. 3 So im Muster von Stöber/Otto, Hdb. z. Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016, Rz. 1060. 4 Vgl. Reichert, Handbuch, 12. Aufl. 2010, Rz. 5283. 5 Vgl. Adolphsen, SchiedsVZ 2004, 169 (170 f.); Haas, ZGR 2001, 325 (337); Reuter in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2015, § 25 Rz. 62. 6 Vgl. Reichert, Handbuch, 12. Aufl. 2010, Rz. 5291 ff. 7 Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 220.
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Bandel
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 88 Kap. 26
– Konstitutiv und begriffsnotwendig für Schiedsgerichtsbarkeit i.S.d. §§ 1025 ff. ZPO ist die Ersetzung der staatlichen Gerichtsbarkeit. Ist eine sachliche Überprüfung der Entscheidung durch ein staatliches Gericht vorgesehen, so schließt dies eine Schiedsgerichtsbarkeit aus.1 – Weiter hält es der Bundesgerichtshof für konstitutiv, dass die Rechtsstreitigkeit der Entscheidung einer unabhängigen und unparteilichen Instanz unterworfen wird.2 Dies ist nicht gegeben bei Schiedsgerichten, die von einem Vereinsorgan, im konkreten Fall der Mitgliederversammlung, ernannt werden.3 – Ein Indiz gegen Schiedsgerichtsbarkeit ist eine Ausgestaltung des Verfahrens, die mit den Grundsätzen der §§ 1042 ff. ZPO nicht in Einklang steht.4 – Der Bundesgerichtshof hat es außerdem als Indiz gegen die Schiedsgerichtsbarkeit angesehen, wenn nicht niedergelegt ist, dass sich die Entscheidung an Recht und Gesetz oder am Grundsatz der Billigkeit auszurichten habe.5 – Schließlich ist es ein Indiz für die Schiedsgerichtsbarkeit, wenn die Entscheidung zur Vollstreckung durch staatliche Instanzen bestimmt ist.6 Die Entscheidung ist aufgrund einer Gesamtschau aller Indizien zu treffen. Für die Kautelarpraxis stellt sich damit vor allem die Schwierigkeit, ein sachnahes und zugleich unparteiliches und unabhängiges Schiedsgericht zu bestimmen. 2. Wirksame Aufnahme in die Vereinssatzung und Schiedsbindung a) Vereinsgründung Nach herrschender, jedoch gerade in Bezug auf den Verein umstrittener Auffassung wird 88 ein Schiedsgericht durch Aufnahme einer Schiedsklausel in eine Vereinssatzung durch nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügung i.S.v. § 1066 2. Alt. ZPO angeordnet, weshalb die für Vereinbarungen geltende Formvorschrift des § 1031 ZPO keine Anwendung findet.7 Darauf sollte man es bei der Neugründung eines Vereins zumindest dann nicht ankommen lassen, wenn eine Unterschrift aller Gründer8 unter der Satzung keine organisatorischen
1 Vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.2004 – III ZB 53/03, NJW 2004, 2226 = ZIP 2005, 46; Kröll, ZIP 2005, 13 (16); Reichert, Handbuch, 12. Aufl. 2010, Rz. 5284. 2 Vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.2004 – III ZB 53/03, NJW 2004, 2226 = ZIP 2005, 46; ebenso Reichert, Handbuch, 12. Aufl. 2010, Rz. 5284; van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, 163 ff. 3 Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 220. Kritisch zur Aufwertung der Unabhängigkeit zu einem konstitutiven Merkmal Kröll, ZIP 2005, 13 (17 f.), mit dem zutreffenden Hinweis auf hierdurch entstehende Rechtsunsicherheit. 4 Vgl. Kröll, ZIP 2005, 13 (18 f.). 5 Vgl. BGH, Beschl. v. 27.5.2004 – III ZB 53/03, NJW 2004, 2226 = ZIP 2005, 46; kritisch zu Recht Kröll, ZIP 2005, 13 (19), da § 1051 ZPO die Entscheidungsgrundlage dispositiv vorgibt. 6 Vgl. BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93 (108 ff.) = NJW 1995, 583 (587). 7 Vgl. BGH, Urt. v. 3.4.2000 – II ZR 373/98, BGHZ 144, 146 ff. = NJW 2000, 1713 f. = MDR 2000, 777 = DStR 2000, 937 = NZG 2000, 897; OLG Hamburg, Beschl. v. 29.1.2004, SchiedsVZ 2004, 266; Ebbing, NZG 1999, 754 f.; Haas, ZGR 2001, 325 (326); Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 64 ff., mit umfangreichen Nachweisen. Sie geht allerdings irrtümlich davon aus, die Satzung müsse aus Gründen des Vereinsrechts bei Gründung von allen Gründern unterschrieben werden; K. Schmidt, JZ 1989, 1077 (1079); a.A. Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (4); van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, 155 f. und 158 ff.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 32 Rz. 5 und 16 a.E mit umfassenden Nachweisen zur h.M. Rz. 4 Fn. 7 u. 8. 8 Zur Anmeldung im Vereinsregister soll ohnehin eine von mindestens sieben Personen unterschriebene Satzung vorgelegt werden, § 59 Abs. 3 BGB.
Bandel 495
Kap. 26 Rz. 89
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
Probleme bereitet. Diese Personen sind dann unzweifelhaft an die Schiedsverfügung gebunden. 89
Missverständlich ist die Aussage, die satzungsmäßige Schiedsgerichtsbestimmung erfordere auch die Regelung der wesentlichen Einzelheiten des Schiedsverfahrens,1 denn außer der Schiedsabrede selbst bedarf es keiner sonstigen Regelungen (s.o. Kap. 23 Rz. 19 und M 23.2 Anm. A2 [Kap. 23 Rz. 141]). Richtig daran ist allerdings, dass Vereinbarungen zum Schiedsverfahren nur dann statuarisch gelten, wenn sie ebenfalls Satzungsinhalt sind und deren Unwirksamkeit, z.B. bei Aufnahme in außerhalb der Satzung liegenden Vereinsordnungen, ggf. auch analog § 139 BGB die Schiedsabrede selbst erfasst. b) Bindung von Vereinsmitgliedern ohne ausdrückliche Zustimmung
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Sehr umstritten ist die Schiedsbindung von Vereinsmitgliedern, die der Schiedsverfügung nicht zugestimmt haben. aa) Bindung an Mehrheitsbeschlüsse
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Das Problem stellt sich zum einen dann, wenn eine Schiedsklausel durch satzungsändernden Beschluss der Mitgliederversammlung in die Satzung aufgenommen wird.2 Der Bundesgerichtshof hat in seiner sog. Körbuch-Entscheidung diesbezüglich festgestellt, dass bei Vereinen, die für die Berufsausübung eines Mitglieds notwendig sind, eine Satzungsänderung durch Mehrheitsbeschluss gegenüber Mitgliedern, die dem nicht zugestimmt haben, nicht wirkt.3 Aus der Entscheidung lässt sich folgern, dass die so eingeführte Satzungsbestimmung zwar wirksam ist, jedoch nur Mitglieder bindet, die für die Schiedsverfügung gestimmt haben. Nicht entschieden wurde, ob dies auch für Vereine gilt, auf deren Mitgliedschaft das Mitglied nicht in dieser Weise angewiesen ist, so dass es dem Mitglied in zumutbarer Weise möglich ist, einer unerwünschten Mehrheitsentscheidung durch Austritt aus dem Verein zu entgehen.4 Um hier nicht in Beweisnot zu geraten, muss also, wenn nicht einstimmig beschlossen wird, das Abstimmungsverhalten aller erschienenen Mitglieder namentlich protokolliert werden.5 Nicht erschienene Mitglieder binden sich jedenfalls dann, wenn sie entsprechend § 33 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BGB schriftlich zustimmen.
1 So BGH, Urt. v. 25.10.1983 – KZR 27/82, BGHZ 88, 314 (316) = NJW 1984, 238; Stöber/Otto, Hdb. z. Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016, Rz. 1055; richtig Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, 17. Aufl. 2010, § 175 Rz. 6 („fakultativer Inhalt“). 2 Für die Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses schon früher Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, (266 f.), für die Notwendigkeit einer Zustimmung aller hingegen van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, 156 f. 3 BGH, Urt. v. 3.4.2000 – II ZR 373/98, BGHZ 144, 146 ff. = NJW 2000, 1713 f. = MDR 2000, 777 = DStR 2000, 937 = NZG 2000, 897. 4 Der Bundesgerichtshof lässt diese Frage für die Schiedsbindung ausdrücklich offen. Zum Meinungsstand Schöpflin in BeckOK, BGB, 38. Aufl., Stand 1.11.2014, § 25 Rz. 84; Für diesen Fall gehen von einer Schiedsbindung aller Vereinsmitglieder aus: Haas, ZGR 2001, 325 (342); Haas, SchiedsVZ 2007, 1 (6 f.), der auf eine Inhaltskontrolle der Mehrheitsentscheidung abzielt, die die Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes durch das Schiedsgericht sicherstellen soll; Habersack, SchiedsVZ 2003, 241 (245); Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 88; grundsätzlich auch Reichert, Handbuch, 12. Aufl. 2010, Rz. 5309; K. Schmidt, JZ 1989, 1077 (1082); a.A. die in Fn. 15 Genannten. 5 Auf diese Probleme weist Kölbl, Schiedsklauseln in Vereinssatzungen, 88, hin, ebenso Kröll, NJW 2001, 1173 (1176).
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Bandel
M 26.4
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 94 Kap. 26
bb) Erstreckung auf Neumitglieder Nach h.M. gilt das Gleiche wie bei der GmbH (s.o. Rz. 1), d.h. bei einem späteren Erwerb der Mitgliedschaft ist das Neumitglied automatisch der statuarischen Schiedsklausel unterworfen.1 Einer diesbezüglichen Erklärung bedarf es ebenso wenig wie der Einhaltung der Form des § 1031 ZPO. Die für Verbraucher vorgeschriebene Form (alle Mitglieder unterschreiben denselben Text) ließe sich bei größeren Vereinen auch nicht realisieren. Nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist es allerdings sehr fraglich, ob diese Erstreckung auch bei Vereinen gilt, die für die Berufsausübung eines Mitglieds notwendig sind.2
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3. Inhaltliche Besonderheiten Inhaltlich kann die statuarische Schiedsklausel grundsätzlich wie bei der GmbH ausgestaltet 93 werden. Es entfällt jedoch die Problematik der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen analog §§ 241 ff. AktG, da diese Regelungen für den Verein nicht gelten. Vielmehr sind fehlerhafte Beschlüsse und Wahlen grundsätzlich nichtig und werden auch nicht durch Eintragung in das Vereinsregister geheilt. Nichtigkeit bzw. Wirksamkeit solcher Akte können durch Klage i.S.v. § 256 ZPO festgestellt werden.3 Parteien eines solchen Verfahrens sind der Verein, vertreten durch den Vorstand einerseits und das oder die Mitglieder, die die Unwirksamkeit des Aktes festgestellt wissen wollen, andererseits. Die Problematik des Mehrparteienverfahrens stellt sich auch in diesem Fall. Das Urteil eines staatlichen Gerichts in dieser Sache wirkt ebenso wie der Schiedsspruch gemäß § 1055 ZPO nur zwischen den Parteien.
II. Muster M 26.4 Schiedsvereinbarung VereinA1
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Niederschrift über die MitgliederversammlungA2 des Vereins Hilfe für Brasilien e.V., Sitz Frankfurt a.M. Versammlungszeit: … Versammlungsort: … Mitgliederstand: … 48 Anwesenheit: 35 (Anlage 1: Unterschriebene Namensliste) Versammlungseröffnung durch den 1. Vorsitzenden Herbert Hilfreich um 19.20 Uhr. Nach Begrüßung der Mitglieder beantragte er, einen Versammlungsleiter vorzuschlagen und durch Handaufheben zu wählen. Einziger Vorschlag der Mitglieder war der 1. Vorsitzende selbst. Dieser wurde durch Handaufheben mit 34 Stimmen bei einer Enthaltung zum Versammlungsleiter gewählt. Er stellte fest, dass die Mitgliederversammlung mit schriftlicher Einladung vom …, die auch die Tagesordnung enthielt, ordnungsgemäß berufen wurde. Laut Satzung ist die Mitgliederversammlung beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder erschienen sind.
1 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 16; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 8, mit einer Ausnahme bei Vereinen mit Aufnahmezwang; K. Schmidt, ZHR 1998, 265 (275 ff.); Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 1066 Rz. 9; a.A. Reichert, Handbuch, 12. Aufl. 2009, Rz. 5330; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1066 Rz. 24; van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, 156. 2 So Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 8; kritisch Kröll, NJW 2001, 1173 (1176). 3 Reichert, Handbuch, 12. Aufl. 2009, Rz. 5321 ff.
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Kap. 26 Rz. 94
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.4
Sodann machte der Versammlungsleiter die Tagesordnung bekannt: 1. … 2. Änderung der Satzung durch Aufnahme eines neuen § 15 (Schiedsgerichtsbarkeit). 3. … Anträge zur Tagesordnung wurden nicht gestellt. Zu Punkt 2: Der 1. Vorsitzende erklärte, dass die geltende Vereinssatzung um einen neuen § 15 und eine zugehörige Schiedsordnung ergänzt werden sollte. Er erläuterte hierzu, dass eine Streitigkeit über die Verwendung von Spendengeldern in der Vergangenheit zu einem zeitaufwändigen und kostspieligen Gerichtsverfahren geführt hätten. Nach einem Gespräch mit Herrn Stadtpfarrer … habe sich dieser bereit erklärt, Streitigkeiten des Vereins ohne Vergütung als Schiedsrichter zu entscheiden oder im Falle eigener Verhinderung eine Person zu benennen, die an seiner Stelle das Amt des Schiedsrichters übernehmen würden. Durch die neue Satzungsbestimmung würde die staatliche Gerichtsbarkeit grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings sei es rechtlich unsicher, ob dies auch für Mitglieder gelte, die gegen die Satzungsänderung stimmen, sich enthalten oder nicht an der Versammlung teilnehmen. Die heute abwesenden Mitglieder würden deshalb bei einem Beschluss der Satzungsergänzung um schriftliche Zustimmung gebeten.A3 Neu eintretende Mitglieder müssten ebenfalls eine schriftliche Erklärung abgeben, dass sie mit der Schiedsgerichtsbarkeit einverstanden seien.A4 Auf sechs Anfragen der Teilnehmer wurden weitere Erläuterungen gegeben. Dann schlug der Versammlungsleiter vor, die Satzungsänderung in namentlicher Abstimmung schriftlich zu beschließen. Hierzu solle jedes Mitglied auf einem vorbereiteten, mit seinem Namen gekennzeichneten Stimmzettel ankreuzen, ob es mit Ja, Nein oder Enthaltung stimmt. Gegen das Verfahren wurden keine Einwände erhoben.A5 Der Versammlungsleiter schlug vor, die Satzung um den in der Anlage 2 zu diesem Protokoll enthaltenen § 15 und die zugehörige Schiedsordnung zu ergänzen. Der Text wurde vom Versammlungsleiter verlesen. Nach Auszählung der Stimmzettel ergaben sich 30 Ja-Stimmen, 2 Enthaltungen und 3 NeinStimmen. Für die Satzungsänderung ist eine Mehrheit von 75 % der in der Versammlung anwesenden Mitglieder erforderlich. Der Versammlungsleiter machte bekannt, dass demgemäß der neue § 15 der Satzung nebst zugehöriger Schiedsordnung mit der notwendigen Mehrheit beschlossen wurde und mit Eintragung in das Vereinsregister Wirksamkeit erlangt. Zu Punkt 3 … Der Versammlungsleiter fragte, ob noch jemand das Wort ergreifen wolle. Dies wurde verneint. Danach wurde die Versammlung um 21.15 Uhr geschlossen. Unterschriften von Versammlungsleiter und Schriftführer Anlage 1: Anwesenheitsliste Anlage 2: … § 15 Schiedsgericht (1) Über alle Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis entscheidet unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten ein Schiedsgericht. Dies umfasst insbesondere, aber nicht ausschließlich alle Streitigkeiten über – die Gründung des Vereins und die Wirksamkeit, die Auslegung und Ergänzung der Satzung, – die Wirksamkeit, Auslegung und Ergänzung von Beschlüssen und Wahlen der Mitgliederversammlung, 498
Bandel
M 26.4
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 94 Kap. 26
– alle Handlungen der Organe des Vereins und – alle Streitigkeiten zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern über Rechte und Pflichten aus der Mitgliedschaft und zwischen den Vereinsmitgliedern untereinander, soweit sie aus der Mitgliedschaft resultieren. Ebenfalls umfasst sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Auflösung und Liquidation des Vereins. (2) Für das Verfahren gelten die in der als Anlage zu dieser Satzung beigefügten Schiedsordnung enthaltenen Bedingungen. Die Schiedsordnung ist Teil dieser Satzungsbestimmung und kann nur wie diese aufgehoben oder geändert werden.A6 (3) Erhebt ein Vereinsmitglied in einer Angelegenheit, auf die diese Bestimmung anwendbar ist, Klage zum staatlichen Gericht, so ist der Vorstand auch dann verpflichtet, die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit zu erheben, wenn das Vereinsmitglied dieser Satzungsänderung nicht zugestimmt hat. Ebenso hat er in solchen Fällen stets Klage zum Schiedsgericht zu erheben.A7 (4) Tritt ein Neumitglied dem Verein bei, so hat es mit dem Aufnahmeantrag schriftlich zu erklären, dass es diese Schiedsverfügung für sich anerkennt.A8 Anlage zu § 15 der Satzung Schiedsordnung Über alle Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis entscheidet gemäß § 15 der Satzung des Vereins unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten ein Schiedsgericht. Für das Schiedsverfahren gelten die folgenden Bestimmungen. §1 Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens (1) Das schiedsrichterliche Verfahren beginnt mit dem Tag, an dem der Beklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat. (2) Der Antrag ist schriftlich zu stellen. Wird der Antrag von einem bevollmächtigten Vertreter gestellt, so ist dem Antrag schriftliche Vollmacht beizufügen. Eine Zweitschrift des Antrags ist dem in § 2 Abs. 1 dieser Schiedsordnung bezeichneten Schiedsrichter zuzusenden. (3) Der Antrag muss enthalten: – die Bezeichnung der Parteien; – die Angabe des Streitgegenstands durch Benennung der Ansprüche, die geltend gemacht werden, und Beschreibung des Sachverhalts, soweit dies zur Individualisierung der Ansprüche erforderlich ist. (4) Betrifft bei einem Streit, an dem der Verein als Kläger oder Beklagter beteiligt ist, das streitige Rechtsverhältnis neben klagender und beklagter Partei weitere BeteiligteA9 dieser Schiedsvereinbarung, so ist der Vorstand des Vereins verpflichtet, allen weiteren betroffenen Beteiligten eine Abschrift des Antrags mit einfachem Brief mit der Aufforderung zu übersenden, innerhalb von vierzehn Tagen nach Zugang der Aufforderung Kläger und Beklagten schriftlich mitzuteilen, ob, in welcher Weise und auf welcher Seite (Kläger oder Beklagter) diese am Schiedsverfahren teilnehmen. Dem Schiedsrichter ist vom Verein eine Liste der weiteren Beteiligten zu übergeben. §2 Zusammensetzung des SchiedsgerichtsA10 (1) Das Schiedsgericht besteht aus einem Einzelschiedsrichter. Schiedsrichter ist der jeweilige Stadtpfarrer der Pfarrgemeinde … (2) Sollte der Schiedsrichter das vorbezeichnete Amt nicht ausüben können, so bestimmt er, im Falle der Verhinderung sein Stellvertreter im Amt, mit Wirkung für alle Parteien eine unabhängige und unparteiliche Person als Schiedsrichter. Bandel 499
Kap. 26 Rz. 94
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.4
(3) Sollte auf diese Weise innerhalb von einem Monat nach Antragstellung kein unabhängiger oder unparteilicher Schiedsrichter gefunden werden, so entfällt die Schiedsverfügung für diesen Rechtsstreit und die staatliche Gerichtsbarkeit wird für diesen Streit ohne Einschränkung zuständig. §3 Verfahrensverbindung und -beteiligungA11 (1) Werden von verschiedenen Personen mehrere Anträge i.S.v. § 1 dieser Schiedsordnung gestellt, die denselben Streitgegenstand betreffen, so sind diese Anträge gemeinsam in einem Schiedsverfahren zu behandeln. (2) Jeder i.S.v. § 1 Abs. 4 dieser Schiedsordnung betroffene weitere Beteiligte ist bis zum Ablauf von Klagefristen berechtigt, dem Verfahren auf Seiten des Klägers als weitere Partei beizutreten. Er ist außerdem jederzeit berechtigt, auf Seiten des Klägers oder des Beklagten als Streithelfer beizutreten. Die Konstituierung des Schiedsgerichts sowie Termine zur mündlichen Verhandlung sind ihnen mit gleicher Post wie den Parteien mitzuteilen. In der Mitteilung ist auf die Möglichkeit, dem Verfahren weiterhin als Streithelfer beizutreten, gesondert hinzuweisen.A12 Alle Akte des bis zum Beitritt abgelaufenen Verfahrens muss eine später beitretende Person in diesem Fall gegen sich gelten lassen.A13 Ihr Recht auf Ablehnung der Schiedsrichter aus sonstigen Gründen bleibt unberührt. §4 Ort des Schiedsverfahrens Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist der Sitz des Vereins.A14 Mündliche Verhandlungen und die Vernehmung der Parteien darf das Schiedsgericht nur an diesem Ort vornehmen. §5 Regelungen zum VerfahrenA15 (1) Die Parteien sind gleich zu behandeln. Jeder Partei ist rechtliches Gehör zu gewähren. (2) Rechtsanwälte dürfen als Bevollmächtigte nicht ausgeschlossen werden. (3) Das Schiedsgericht hat eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Der Schiedsrichter setzt den Termin fest und lädt alle Beteiligten schriftlich per Übergabeeinschreiben oder gegen schriftliche Empfangsbestätigung. In der mündlichen Verhandlung dürfen die Parteien Anträge zum Streitgegenstand mündlich stellen und begründen.A16 (4) Der Schiedsrichter protokolliert die mündliche Verhandlung und unterzeichnet das Protokoll. Er kann sich hierzu einer Hilfsperson bedienen. Das Protokoll ist vertraulich zu behandeln, vom Schiedsrichter nach Abschluss des Schiedsverfahrens auf die Dauer von zehn Jahren zu verwahren und darf nur den i.S.v. § 3 Abs. 2 dieser Schiedsordnung Beteiligten zur Einsicht vorgelegt werden. (5) Versäumt es der Beklagte, die Klage zu beantworten, so setzt das Schiedsgericht das Verfahren fort, ohne die Säumnis als solche als Zugeständnis der Behauptungen des Klägers zu behandeln. Versäumt eine Partei sonstige Verfahrenshandlungen, insbesondere die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, so kann das Schiedsgericht das Verfahren fortsetzen und den Schiedsspruch nach den vorliegenden Erkenntnissen erlassen. Wird eine Säumnis nach Überzeugung des Schiedsgerichts genügend entschuldigt, bleibt sie außer Betracht und der Partei ist Gelegenheit zu geben, die versäumte Handlung nachzuholen.A17
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Bandel
M 26.4
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 98 Kap. 26
§6 Entscheidung nach BilligkeitA18 Das Schiedsgericht ist ausdrücklich ermächtigt, Streitigkeiten unter Berücksichtigung der Satzung des Vereins – insbesondere dessen gemeinnützigen Zwecks – und der Rechtsgrundsätze des deutschen Rechts nach Billigkeit zu entscheiden. §7 Schiedsspruch (1) Der Schiedsspruch ist schriftlich zu erlassen und durch den Schiedsrichter zu unterschreiben. Er ist schriftlich zu begründen. Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils.A19 (2) Jeder Partei und allen i.S.v. § 3 Abs. 2 dieser Schiedsordnung beteiligten Personen ist ein vom Schiedsrichter unterschriebener Schiedsspruch zu übersenden.A20 §8 KostenA21 (1) Der Schiedsrichter erhält für seine Tätigkeit keine Vergütung. Alle durch das Schiedsverfahren verursachten Auslagen sind ihm zur ersetzen und vom Verein vorzuschießen. (2) Das Schiedsgericht entscheidet durch Schiedsspruch, ob und in welchem Umfang eine Partei die durch das Schiedsverfahren verursachten Auslagen zu tragen hat. Jede Partei trägt unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits grundsätzlich ihre Kosten und Auslagen einschließlich eventueller Rechtsanwaltskosten selbst. Ist die Kostentragung durch eine Partei in Ansehung aller Umstände grob unbillig, hat das Schiedsgericht in einem Schiedsspruch darüber zu entscheiden, ob und zu welchem Anteil die andere Partei die Kosten dieser Partei zu tragen hat. §9 Maßgebliche Verfahrensordnung Das Schiedsgericht verfährt im Übrigen nach den Regeln der ZPO.
Anmerkungen zu Muster M 26.4 A1 Es handelt sich bei dem Muster um eine Schiedsverfügung, die nachträglich durch Be- 94a schluss der Mitgliederversammlung in die Satzung eines Vereins aufgenommen wird. Dies ist nur bei einer Vollversammlung aller dem Verein angehörenden Mitglieder unproblematisch. Eine solche Situation ist bei größeren Vereinen aber praktisch ausgeschlossen. Man muss dann mit dem Risiko leben (vgl. oben Rz. 90 f.), dass die Schiedsverfügung gegenüber solchen Altmitgliedern nicht gilt, die nicht für die Satzungsergänzung gestimmt haben, wobei gleichgültig ist, ob sie dagegen gestimmt, sich enthalten oder mangels Anwesenheit gar nicht gestimmt haben. Dies ist nur möglich, wenn das Abstimmungsverhalten namentlich genau erfasst wird. Im konkreten Fall handelt es sich um einen karitativen Verein, der an einem kostengünstigen und möglichst formlosen Streitverfahren interessiert ist. A2 Vgl. das Muster einer Niederschrift bei Stöber/Otto, Hdb. z. Vereinsrecht, 11. Aufl. 95 2016, Rz. 895. A3 § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.
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A4 Vgl. zur Problematik der Geltung für Neumitglieder oben Rz. 92.
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A5 Das Verfahren sollte sicherheitshalber den Nachweis ermöglichen, welche Personen an die Schiedsverfügung gebunden sind und welche nicht (s. oben Rz. 91).
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Bandel 501
Kap. 26 Rz. 99
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.4
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A6 Bekräftigung, dass es sich um eine statuarische Schiedsverfügung und nicht um eine Nebenordnung handelt, die der Disposition anderer Vereinsorgane unterliegt. Vgl. hierzu oben Rz. 87.
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A7 Die Unklarheit der Rechtslage in Bezug auf überstimmte Mitglieder (vgl. oben Rz. 91) bringt den Vorstand in die missliche Situation, selbst eine unsichere Entscheidung treffen zu müssen. Diese wird ihm hier durch die klare Satzungsvorgabe abgenommen.
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A8 Vgl. zur Problematik der Geltung für Neumitglieder oben Rz. 92. Diese Bestimmung könnte auch eine Satzungsbestimmung zur Aufnahme von Neumitgliedern ergänzen.
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A9 Wie bei den Gesellschaften wird auch hier versucht, mehrere Verfahren mit dem gleichen Streitgegenstand zu einem Verfahren zusammenzuführen.
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A10 Wegen der Rechtsprechung zu den konstitutiven Erfordernissen für ein Schiedsgericht in Vereinsangelegenheiten (s. oben Rz. 87) wird hier die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit besonders betont. Natürlich ist auch hier ein Dreierschiedsgericht denkbar, bei dem dann die Bestimmungen zur Besetzung aus M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) und M 23.2 (Kap. 23 Rz. 140) verwendet werden können. Beim kleinen gemeinnützigen Verein sollte der Aufwand jedoch gering gehalten werden.
104
A11 Vgl. hierzu auch M 26.1 (Rz. 14) § 3.
105
A12 Zur Erfüllung des Tranzparenzgebots wie bei der GmbH, vgl. M 26.1 Anm. A15 (Rz. 28).
106
A13 So ausdrücklich Bender, DB 1998, 1902; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253 (301).
107
A14 § 1043 Abs. 1 ZPO. Vgl. zur Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93) zu § 14 des Musters.
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A15 In diesem Abschnitt werden zunächst die Bestimmungen des § 1042 Abs. 1 und 2 ZPO wörtlich wiedergegeben, um auch in Bezug auf das Verfahren zu zeigen, dass ein echtes Schiedsverfahren gewollt ist (vgl. oben Rz. 87).
109
A16 Die Mündlichkeit soll hier ein Verfahren ohne Rechtsanwälte erleichtern und dem Schiedsrichter die Grundlage seiner Billigkeitsentscheidung geben.
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A17 Im Wesentlichen wird § 1048 ZPO wiedergegeben, um dem nicht rechtskundigen Schiedsrichter eine Anleitung für den Fall der Säumnis zu geben.
111
A18 Da vom Schiedsrichter hier keine rechtliche Ausbildung verlangt wird, kann die Entscheidung nur nach Billigkeit erfolgen. Diese Klarstellung ist auch geboten, um das Schiedsgericht als echtes Schiedsgericht zu kennzeichnen (s. oben Rz. 87).
112
A19 Die Formalisierung sowie die wörtliche Übernahme des § 1055 ZPO sollen ebenfalls zeigen, dass es sich um ein echtes Schiedsgericht handelt.
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A20 Diese Bestimmungen soll denjenigen, gegen die der Schiedsspruch wirken soll, diesen auch zur Kenntnis bringen.
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A21 Zu anderen Kostenregelungen s. M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 27 und M 26.1 (Rz. 14) § 8.
502
Bandel
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 118 Kap. 26
E. Stiftung I. Einführung Die Schiedsgerichtsbarkeit in Stiftungen hat in der juristischen Literatur und wohl auch in 115 der Praxis bisher eine geringe Rolle gespielt.1 Sie wird als ein Beispielsfall der Schiedsverfügung gemäß § 1066 ZPO regelmäßig aufgeführt und insoweit unproblematisch für zulässig gehalten.2 Für die Zulässigkeit gleichgültig ist es, ob die Stiftung durch Stiftungsgeschäft unter Leben- 116 den i.S.v. § 81 Abs. 1 BGB oder von Todes wegen i.S.v. § 83 BGB errichtet wird. Dies hat nur Bedeutung für die bei der Schiedsverfügung zu wahrende Form, da diese im Fall des § 1066 ZPO sich nach der Form für das materielle Rechtsgeschäft („in gesetzlich statthafter Weise“) und nicht nach § 1031 ZPO richtet.3 Für die Schiedsverfügung in einem Stiftungsgeschäft von Todes wegen bedeutet dies die Einhaltung der Vorschriften für das Testament, §§ 2231, 2247, 2267 BGB, oder den Erbvertrag, § 2276 BGB.4 In einem Stiftungsgeschäft unter Lebenden genügt gemäß § 81 BGB die Schriftform des § 126 BGB, die auch durch elektronische Form nach §§ 126 Abs. 3, 126a BGB gewahrt wird.5 Daneben bedarf es der staatlichen Anerkennung gemäß § 80 BGB. Möglich ist auch die nachträgliche Aufnahme einer Schiedsverfügung durch Änderung des Stiftungsstatuts. Unterwerfen mehrere Stifter den Vertrag, mit dem sie die Stiftung begründet haben, der 117 Schiedsgerichtsbarkeit, ist dies allerdings eine Schiedsvereinbarung i.S.v. § 1029 BGB, für die die Form des § 1031 BGB einzuhalten ist.6 Auf den Gründungsakt einer unselbstständigen Stiftung lässt sich dies nicht übertragen, da dieser ein Vertrag zwischen Stifter und Treuhänder ist, für den die Schiedsvereinbarung nach § 1025 BGB abzuschließen ist.7
117a
1. Notwendiger Inhalt und Reichweite der Schiedsverfügung Wie auch sonst ist notwendiger Inhalt der Schiedsverfügung nur der Ausschluss staatlicher 118 Gerichtsbarkeit bei Anordnung eines Schiedsgerichts (s.o., Kap. 23 Rz. 3, 19).8 Weitere Bestimmungen zum Schiedsverfahren sind sicher nützlich und unverzichtbar, um die Wünsche des Stifters in Bezug auf das Schiedsverfahren zur Geltung zu bringen, keineswegs aber von Gesetzes wegen vorgeschrieben,9 da die gemäß § 1066 ZPO entsprechend anzuwendenden Vorschriften des 10. Buches der ZPO alle sonst denkbaren Lücken schließen.
1 So Stumpf, SchiedsVZ 2009, 266, der immerhin die Diskussion aufgenommen hat; Hof in von Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch 2014, § 8 Rz. 55, empfiehlt alternativ die Stiftungsaufsichtsbehörde als Streithelfer. 2 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 8; Voit in Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 1066 Rz. 6. 3 Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 14; Stumpf, SchiedsVZ 2009, 266 f. 4 Unklar insoweit Stumpf, SchiedsVZ 2009, 266 (267). 5 Stumpf, SchiedsVZ 2009, 266 (267). 6 Stumpf, SchiedsVZ 2009, 266 (268). 7 Stumpf, SchiedsVZ 2009, 266 (267). 8 S.a. Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 11. 9 A.A. Stumpf, SchiedsVZ 2009, 266 (267).
Bandel 503
Kap. 26 Rz. 118a 118a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.5
Da der Stiftung eine personale Struktur fehlt, empfiehlt es sich, die sachliche und persönliche Reichweite der Schiedsverfügung zu definieren.1 Die sachliche Reichweite bestimmt sich aus dem Stiftungsgeschäft. Persönlich erfasst von der Schiedsverfügung wird jeder, dessen Rechte und Pflichten sich aus dem Stiftungsgeschäft ableiten. Gebunden werden können damit insbesondere – die rechtsfähige Stiftung selbst, – der oder die Stifter, – Destinatäre, soweit es um deren Ansprüche aufgrund des Stiftungsgeschäfts geht, nicht aber um Rechte und Pflichten aus Zuwendungszusagen der Stiftung durch Auslobung oder Schenkung; hierfür müsste gesondert eine Schiedsvereinbarung getroffen werden, – Organe der Stiftung und deren Mitglieder für Interorganstreitigkeiten, – sonstige berechtigte Dritte, z.B. nach dem Statut bestimmungsberechtigte Personen, die nicht Organmitglieder und auch nicht Destinatäre sind. 2. Bestimmungen zum Schiedsverfahren
118b
Für die möglichen weiteren Bestimmungen zum Schiedsverfahren gibt es keine Besonderheiten, die zu Abweichungen von Verfahrensbestimmungen im Gesellschafts- und Vereinsrecht zwingen. Bei der Streitigkeit um die Wirksamkeit von Organbeschlüssen können ähnliche Konstellationen entstehen wie bei den Beschlussmängelstreitigkeiten, wobei es allerdings eine dem § 248 AktG entsprechende Norm insoweit nicht gibt. Natürlich kann auch die Schiedsverfügung bezüglich einer Stiftung durch Verweis auf eine Musterschiedsordnung oder Anordnung eines institutionalisierten Schiedsverfahrens Bestimmungen zum Schiedsverfahren treffen.2
II. Muster 119
M 26.5 Schiedsverfügung als Teil eines Stiftungsgeschäfts Regelung im Anschluss an das Stiftungsstatut. Die Form der Errichtung entspricht grundsätzlich der Form des StiftungsgeschäftsA1 §… Schiedsgericht (1) Über alle Streitigkeiten aus dem Stiftungsgeschäft entscheidet unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten ein Schiedsgericht. Dies umfasst insbesondere, aber nicht ausschließlich, alle Streitigkeiten überA2 – die Errichtung der Stiftung und die Wirksamkeit, die Auslegung und Ergänzung des Stiftungsstatuts, – die Wirksamkeit, Auslegung und Ergänzung von Beschlüssen und Wahlen der Organe der Stiftung, – alle sonstigen Handlungen der Organe der Stiftung
1 Stumpf, SchiedsVZ 2009, 266 (267–270), unter ausführlicher Darstellung der potentiellen Parteien und Streitgegenstände. 2 Stumpf, SchiedsVZ 2009, 266 (267).
504
Bandel
M 26.5
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 119 Kap. 26
– alle Streitigkeiten zwischen der Stiftung und deren Destinatären, die Rechte und Pflichten aus diesem Statut zum Gegenstand haben, und – alle Streitigkeiten zwischen der Stiftung und sonstigen Dritten die Rechte und/oder Pflichten aus diesem Statut zum Gegenstand haben. Ebenfalls umfasst sind Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Auflösung und Liquidation der Stiftung. Soweit vorstehend Organe der Stiftung genannt sind, meint dies auch jedes einzelne Organmitglied. (2) Variante 1: Für das Verfahren gelten die in der als Anlage zu diesem Statut beigefügten Schiedsordnung enthaltenen Bedingungen. Die Schiedsordnung ist Teil dieses Statuts und kann nur wie diese aufgehoben oder geändert werden.A3 Variante 2: Das Schiedsverfahren richtet sich nach der Schiedsgerichtsordnung sowie den „Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS)“ in ihrer jeweils bei Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens gültigen Fassung.A4 Variante 3: Das Schiedsverfahren richtet sich nach dem Statut des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs deutscher Notare (SGH). Das Statut ist niedergelegt in der Urkunde des Notars Dr. Peter Lehmann vom 27. November 2015, URNr. 00691/2015, die in beglaubigter Abschrift vorlag. Darauf wird verwiesen. Eine beglaubigte Abschrift hiervon ist dieser Urkunde als Anlage 2 beizufügen.A5 (3) Erhebt ein Person in einer Angelegenheit, auf die diese Bestimmung anwendbar ist, Klage zum staatlichen Gericht, so ist der Vorstand verpflichtet, die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit zu erheben. Ebenso hat er in solchen Fällen stets Klage zum Schiedsgericht zu erheben.A6 (Nur bei Varianten 2 und 3:) (4) Der Ort des Schiedsverfahrens ist der Sitz der Stiftung.A7 (5) Die Anzahl der Schiedsrichter beträgt drei. (6) ggf.: Die Sprache des Scheidsverfahrens ist deutsch. Nur bei Variante 1: Anlage zu § … des Statuts Schiedsordnung Über alle Streitigkeiten i.S.v. § … des Statuts der Stiftung entscheidet unter Ausschluss des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten ein Schiedsgericht. Für das Schiedsverfahren gelten die folgenden Bestimmungen:A8 §1 Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens (1)-(3) wie beim Verein, vgl. M 26.4 (Rz. 94). (4) Betrifft bei einem Streit, an dem die Stiftung als Kläger oder Beklagter beteiligt ist, das streitige Rechtsverhältnis neben klagender und beklagter Partei weitere BeteiligteA9 dieser Schiedsvereinbarung, so ist der Vorstand der Stiftung verpflichtet, allen weiteren betroffenen Beteiligten eine Abschrift des Antrags in Textform mit der Aufforderung zu übersenden, innerhalb von vierzehn Tagen nach Zugang der Aufforderung Kläger und Beklagten schriftlich mitzuteilen, ob, in welcher Weise und auf welcher Seite (Kläger oder Beklagter) diese am Schiedsverfahren teilnehmen. Dem Schiedsgericht ist von der Stiftung eine Liste der weiteren Beteiligten zu übergeben. (5) (Dieser Abs. 5 entfällt bei § 2 Variante 1) Die klagende Partei kann statt der Benennung eines zur Annahme des Amtes bereiten Schiedsrichters erklären, dass der/die Schiedsrichter für alle Bandel 505
Kap. 26 Rz. 119
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.5
Parteien/für die Kläger von … (ernennende Stelle)A10 zu benennen sind. Jede Partei ist dann mit Wirkung für und gegen alle berechtigt, Antrag auf Ernennung der Schiedsrichter bei der zuständigen Stelle zu stellen. Für einen so ernannten Schiedsrichter entfällt das Ernennungsverfahren nach § 5 Abs. 2 ff. §5 Zusammensetzung des SchiedsgerichtsA11 (1) Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern. Variante 1: (2) In allen Fällen, in denen auf Seiten des Kläger oder des Beklagten mehrere Personen vorhanden sind, werden der/sämtliche Schiedsrichter durch … (ernennende Stelle, wie § 4 Abs. 4) bestellt. Variante 2: (2) Die beklagte Partei bestellt innerhalb von drei Wochen ab Zugang des Antrags ihrerseits einen Schiedsrichter und teilt die Bestellung der klagenden Partei mit. Ist mehr als eine Person beklagt, so verlängert sich die vorstehende Frist pro Person um eine Woche, maximal jedoch auf sechs Wochen. (3) Die beiden Schiedsrichter bestellen innerhalb von drei Wochen nach ihrer Bestellung den dritten Schiedsrichter, der als Vorsitzender des Schiedsgerichts tätig wird. Können sich die Schiedsrichter nicht fristgemäß auf den Vorsitzenden einigen, so wird dieser auf Antrag einer Partei oder eines Schiedsrichters durch … (ernennende Stelle, wie § 1 Abs. 5) bestellt. (4) Hat eine Partei ihren Schiedsrichter nicht fristgemäß bestellt oder übernimmt der bestellte Schiedsrichter ohne Grund sein Amt nicht, so wird dieser Schiedsrichter auf Antrag der Gegenpartei durch … (ernennende Stelle, wie § 1 Abs. 5) bestellt. Der nachträgliche Wegfall eines Schiedsrichters berührt die durch ihn erfolgte Bestellung des Vorsitzenden nicht.A12 (5) Sobald das Schiedsgericht vollständig bestellt ist, hat der Vorsitzende des Schiedsgerichts dies den Parteien mitzuteilen. Die Ablehnung eines oder mehrerer Schiedsrichter durch eine oder mehrere Parteien steht der Mitteilung nicht entgegen. (6) Fällt ein Schiedsrichter nach Konstituierung des Schiedsgerichts weg, so gelten für die Bestellung eines Ersatzschiedsrichters die vorstehenden Bestimmungen entsprechend. Das bis zur Ersetzung durchgeführte Verfahren ist zu wiederholen, soweit dies von einer Partei verlangt wird. Im Übrigen entscheidet das Schiedsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen über das Ob und den Umfang einer Wiederholung. §3 Verfahrensverbindung und -beteiligungA13 (1) Werden von verschiedenen Personen mehrere Anträge i.S.v. § 1 dieser Schiedsordnung gestellt, die denselben Streitgegenstand betreffen, so sind diese Anträge gemeinsam in einem Schiedsverfahren zu behandeln. (2) Jeder i.S.v. § 1 Abs. 4 dieser Schiedsordnung betroffene weitere Beteiligte ist bis zum Ablauf von Klagefristen berechtigt, dem Verfahren auf Seiten des Klägers als weitere Partei beizutreten. Er ist außerdem jederzeit berechtigt, auf Seiten des Klägers oder des Beklagten als Streithelfer beizutreten. Die Konstituierung des Schiedsgerichts sowie Termine zur mündlichen Verhandlung sind ihnen mit gleicher Post wie den Parteien mitzuteilen. In der Mitteilung ist auf die Möglichkeit, dem Verfahren weiterhin als Streithelfer beizutreten, gesondert hinzuweisen.A14 Alle Akte des bis zum Beitritt abgelaufenen Verfahrens muss eine später beitretende Person in diesem Fall gegen sich gelten lassen.A15 Ihr Recht auf Ablehnung der Schiedsrichter aus sonstigen Gründen bleibt unberührt.
506
Bandel
M 26.5
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 122 Kap. 26
§§ 4, 5 (Wie M 26.1 [Rz. 14] §§ 4 und 5) §6 Ort des Schiedsverfahrens Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist der Sitz der Stiftung.A16 Zu einer mündlichen Verhandlung und zur Vernehmung der Parteien darf das Schiedsgericht nur an diesem Ort zusammentreten. §7 Entscheidung nach BilligkeitA17 Das Schiedsgericht ist ausdrücklich ermächtigt, Streitigkeiten unter Berücksichtigung des Statuts der Stiftung – insbesondere deren gemeinnützigen Zwecks – und der Rechtsgrundsätze des deutschen Rechts nach Billigkeit zu entscheiden. §8 Schiedsspruch Der Schiedsspruch ist schriftlich zu erlassen und durch die Schiedsrichter zu unterschreiben. Die Unterschrift der Mehrheit der Schiedsrichter genügt, sofern der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben wird. Der Schiedsspruch ist schriftlich zu begründen. §9 KostenA18 Das Schiedsgericht hat in einem Schiedsspruch darüber zu entscheiden, zu welchem Anteil die Parteien die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens zu tragen haben. In gleicher Weise entscheidet es über die Erstattung der den Parteien erwachsenen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten. Die Entscheidung hat entsprechend §§ 91 ff., 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu erfolgen. § 11–12 (Wie M 26.1 [Rz. 14] §§ 9–10) §§ 13–14 (Wie M 26.1 [Rz. 14] §§ 11–12)
Anmerkungen zu Muster M 26.5 A1 S.o. Rz. 115.
119a
A2 S.o. Rz. 117. Die persönliche Reichweite der Schiedsverfügung wird so weit wie möglich gezogen.
120
A3 Bekräftigung, dass es sich um eine statuarische Schiedsverfügung und nicht um eine Nebenordnung handelt, die der Disposition anderer Stiftungsorgane unterliegt. Vgl. zum Verein oben Rz. 87.
121
A4 Natürlich kann auch die Schiedsklausel der DIS für gesellschaftsrechtliche Streitigkei- 122 ten verwendet werden, mit Anpassungen in der Formulierung, die sich aus dem anderen
Bandel 507
Kap. 26 Rz. 123
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.5
Rechtsverhältnis (Stiftung statt Gesellschaft) ergeben. Dazu näher unten Abschnitt F., Rz. 137 ff. 123
A5 Natürlich kann auch die Schiedsklausel des SGH für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten verwendet werden, mit Anpassungen in der Formulierung, die sich aus dem anderen Rechtsverhältnis (Stiftung statt Gesellschaft) ergeben. Zur Musterklausel des SGH näher unten Abschnitt G., Rz. 144 ff.
124
A6 Stellt die Schiedsbindung der Stiftungsorgane, insbesondere des Stiftungsvorstands sicher und gewährleistet bei Mehrparteienstreitigkeiten die Konzentration auf das Schiedsgericht, vgl. auch die entsprechende Vorschrift in der Musterklausel der DIS für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, M 26.6 (Rz. 138) und Anm. A6 (Rz. 143).
125
A7 § 1043 Abs. 1 ZPO. Vgl. zur Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 Anm. A52 (Kap. 23 Rz. 93) zu § 14 des Musters.
126
A8 Die Anlage als gesonderter Text dient der Übersichtlichkeit. § 1031 Abs. 5 ZPO braucht zumindest beim einseitigen Stiftungsgeschäft nicht beachtet zu werden. Beim Stiftungsgeschäft von Todes wegen durch handschriftliches Testament wäre aber auch die Anlage eigenhändig zu schreiben und zu unterschreiben, um jeden Formzweifel zu vermeiden, vgl. hierzu oben Rz. 115.
127
A9 Wie bei den Gesellschaften wird auch hier versucht, mehrere Verfahren mit dem gleichen Streitgegenstand zu einem Verfahren zusammenzuführen.
128
A10 Nach dem Gesetz das gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuständige Oberlandesgericht, hier also das Oberlandesgericht für den Sitz der Gesellschaft.
129
A11 Vgl. auch die Varianten unter M 26.1 (Rz. 14) § 2, die mit Modifizierungen ebenfalls verwendbar sind. Zu Varianten beim Verfahren mit zwei Parteien s. M 23.2 (Kap. 23 Rz. 140) mit Anm. 13–16 (Kap. 23 Rz. 152–155).
130
A12 Der Fall ist gesetzlich nicht geregelt, weshalb hier entsprechende Klarstellung erfolgt.
131
A13 Vgl. hierzu auch oben M 26.1 (Rz. 14) § 3.
132
A14 Zur Erfüllung des Tranzparenzgebots wie bei der GmbH, vgl. oben Rz. 28.
133
A15 So ausdrücklich Bender, DB 1998, 1902; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253 (301), wiederum in Bezug auf das Gesellschaftsrecht.
134
A16 § 1043 Abs. 1 ZPO. Vgl. zur Bedeutung des Schiedsorts M 23.1 Anm. A52 (Rz. 93) zu § 14 des Musters.
135
A17 § 1051 Abs. 3 ZPO. Die Ermöglichung der Billigkeitsentscheidung soll es dem Schiedsgericht ermöglichen, den Stiftungszweck und die Verpflichtung zur Gemeinnützigkeit besonders zu berücksichtigen, ohne zwingende Regeln des materiellen Rechts außer Acht zu lassen.
136
A18 Ausführlicher s. M 23.1 (Kap. 23 Rz. 42) § 27.
508
Bandel
M 26.6
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 138 Kap. 26
F. Musterschiedsverfügungen des Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. – DIS I. Einführung Mit den „Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (ERGeS)“,1 hat die DIS den Gestaltungsauftrag des Bundesgerichtshofs (S.o. Rz. 4 ff.) unverzüglich aufgegriffen und vorbildlich umgesetzt. Die dort für die Gesellschaftsverträge vorgesehene Schiedsklausel hat folgenden Wortlaut:
137
II. Muster M 26.6 DIS-Musterklausel für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 09A1 §… Schiedsvereinbarung (1) Alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern im Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag oder über seine Gültigkeit werden nach der Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchO) und den Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden.A2 (2) Die Wirkungen des Schiedsspruchs erstrecken sich auch auf die Gesellschafter, die fristgemäß als Betroffene benannt werden, unabhängig davon, ob sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, dem schiedsrichterlichen Verfahren als Partei oder Nebenintervenient beizutreten, Gebrauch gemacht haben (§ 11 DIS-ERGeS).A3 Die fristgemäß als Betroffene benannten Gesellschafter verpflichten sich, die Wirkungen eines nach Maßgabe der Bestimmungen in den DIS-ERGeS ergangenen Schiedsspruchs anzuerkennen.A4 (3) Ausgeschiedene Gesellschafter bleiben an diese Schiedsvereinbarung gebunden.A5 (4) Die Gesellschaft hat gegenüber Klagen, die gegen sie vor einem staatlichen Gericht anhängig gemacht werden und Streitigkeiten betreffen, die gemäß Ziffer 1 der Schiedsvereinbarung unterfallen, stets die Einrede der Schiedsvereinbarung zu erheben.A6 Laut DIS sind folgende Ergänzungen empfehlenswert: (5) Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist … (6) Die Verfahrenssprache ist … (7) Die Anzahl der Schiedsrichter beträgt … Laut DIS empfiehlt es sich ferner, an anderer Stelle im Gesellschaftsvertrag zu regeln, dass jeder Gesellschafter verpflichtet ist, der Gesellschaft eine aktuelle zustellungsfähige Anschrift oder einen Zustellungsbevollmächtigten mitzuteilen, und dass der Zugang eines an diese Adresse übersandten Schriftstücks nach Ablauf einer angemessenen Frist fingiert wird. Dem kann nur beigepflichtet werden.
1 Abrufbar unter http://www.dis-arb.de/de/16/regeln/uebersicht-id0; hierzu Borris, SchiedsVZ 2009, 299.
Bandel 509
138
Kap. 26 Rz. 138a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.6
Anmerkungen zu Muster M 26.6 138a
A1 Die Musterklausel ist auf deutsch oder englisch als pdf-Format abrufbar unter http:// www.dis-arb.de/de/17/klauseln/uebersicht-id0. Die Empfehlung der DIS geht dahin, die Klauseln in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Die Klausel ist bei der GmbH oder einem Verein nach Möglichkeit Satzungsbestandteil, bei der (kleinen) AG jedoch nach h.M. nur als gesonderte Vereinbarung möglich, vgl. Rz. 53. Bei Personengesellschaften ist die Einbeziehung problematisch und die Wirkung für und gegen Rechtsnachfolger nicht unzweifelhaft, vgl. Rz. 69 f. Bei der GmbH ist sie als Satzungsbestandteil Teil einer notariellen Urkunde, wobei die Gründungsurkunde unproblematisch alle Formvorgaben erfüllt, der Beschluss einer Satzungsänderung hingegen nur dann, wenn dieser – eigentlich systemfremd – als Willenserklärung gemäß §§ 8 ff. BeurkG beurkundet wird und nicht als sonstige Beurkundung gemäß §§ 36 – 38 BeurkG, vgl. hierzu Rz. 10 f. Zu Schiedsinstitutionen vgl. Kap. 24 Rz. 48 ff., zur DIS speziell Kap. 24 Rz. 64 f.
139
A2 Die Besonderheit dieses Absatzes liegt allein im Verweis auf die DIS-ERGeS. Diese dienen dann eigentlich dazu, die Vorgaben des BGH für Beschlussmängelstreitigkeiten (vgl. hierzu oben Rz. 6) zu erfüllen. Die Umsetzung des Gebots, rechtliches Gehör und Verfahrensbeteiligung zu gewährleisten, nimmt in den §§ 2 – 6 DIS-ERGeS den breitesten Raum ein. Interessant sind hier insbesondere die Regelungen zum „verspäteten“ Beitritt gemäß § 4 Abs. 3 DIS-ERGeS und zur Erweiterung oder Änderung des Streitgegenstands samt Klagerücknahme in § 6 DIS-ERGeS. Das Gebot, den Beteiligten gleichen Einfluss bei der Benennung der Schiedsrichter einzuräumen, wird jeweils dadurch verwirklicht, dass alle Beteiligten den Einzelschiedsrichter bzw. alle Beteiligten einer Seite ihren Parteischiedsrichter innerhalb von 30 Tagen benennen, §§ 7 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 1 und 2 DIS-ERGeS. Erfolgt die Benennung nicht vollständig fristgerecht, kann jeder Beteiligte beantragen, dass der Einzelschiedsrichter bzw. beide Parteischiedsrichter durch den DIS-Ernennungsausschuss benannt werden, §§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 3 DIS-ERGeS. Mir erscheint das ein guter Kompromiss zur Wahrung des Benennungsrechts der Parteien einerseits und zur Verhinderung von Verzögerungen durch Benennungsstreitigkeiten andererseits. Das Konzentrationsgebot wird in § 9 DIS-ERGeS dadurch verwirklicht, dass zeitlich nachrangige Verfahren zu einem Streitgegenstand, über den nur einheitlich entschieden werden kann und bereits zuvor ein Verfahren (Vorrangverfahren) eingeleitet wurde, unzulässig sind und als Beitritt zum Vorrangverfahren behandelt wird. Über den Vorrang entscheidet die DIS-Geschäftsstelle.
140
A3 Abs. 2 und § 11 DIS-ERGeS regeln zweimal das Gleiche. Eigentlich handelt es sich um die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsfolge für ein Urteil in Beschlussmängelstreitigkeiten, § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG (i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG), so dass dies nicht unbedingt in die Schiedsverfügung aufgenommen werden muss. Da eine entsprechende Wirkung des Schiedsspruchs jedoch gerade zweifelhaft war, schadet es natürlich nichts, dies kompetenzbegründend aufzunehmen. Ohne diese Rechtsfolge wäre das Konzentrationsgebot nicht umsetzbar. In dieser Allgemeinheit ist diese Formulierung allerdings zweifelhaft für vergleichbare Streitigkeiten bei Personengesellschaften, da dort § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht gilt.
141
A4 Satz 2 (ebenso in § 11 DIS-ERGeS) enthält die prozessrechtlich unverständliche Verpflichtung, die Wirkungen des Schiedsspruchs anzuerkennen. Nach § 1055 wirkt der Schiedsspruch ohne Anerkennung, ein Vorabverzicht auf den Aufhebungsrechtsbehelf des § 1059 ZPO ist hiermit sicher nicht gemeint und wäre auch unzulässig (Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1059 Rz. 53 m.w.N.). Es dürfte sich nur um die Betonung der allgemein 510
Bandel
M 26.7
Gesellschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht
Rz. 145 Kap. 26
geltenden materiellrechtlichen Pflichten (Förderungs- und Loyalitätspflicht vgl. nur Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1025 Rz. 117) handeln (Umsetzung des Konzentrationsgebots), vgl. hierzu oben Rz. 6. A5 Entspricht der h.M. für nachwirkende Rechte und Pflichten aus der Mitgliedschaft (vgl. nur Münch in MüKo, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 1066 Rz. 17, auch in Bezug auf Personengesellschaften), hat aber m.E. mehr klarstellende als rechtsbegründende Wirkung.
142
A6 Wichtige Ergänzung zur Verwirklichung des Konzentrationsgebots, da Abs. 2 und § 11 143 DIS-ERGeS das Verfahren vor dem staatlichen Gericht nicht erfassen.
G. Musterschiedsvereinbarung des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare – SGH I. Einführung Die Schiedsgerichtsbarkeit des SGH ist nicht exklusiv auf gesellschaftsrechtliche Streitig- 144 keiten ausgerichtet, sondern bezieht sich auf alle dem Schiedsverfahren zugänglichen Sachverhalte in notariellen Urkunden. Die Besonderheiten der Beschlussmängelstreitigkeiten werden – allerdings nur grob und nicht mit der Detailfreude des DIS – in einer für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten formulierten Schiedsvereinbarung aufgegriffen.
II. Muster M 26.7 Schiedsklausel Gesellschaftsrecht nach SGHA1
145
§… Schiedsvereinbarung (1) Alle Streitigkeiten, die zwischen Gesellschaftern der Gesellschaft oder zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft und/oder ihren Organen in Bezug auf Rechtsverhältnisse entstanden sind oder künftig entstehen, die – Beschlussmängelstreitigkeiten eingeschlossenA2 – im weitesten Sinne das Gesellschaftsverhältnis betreffen, werden unter Ausschluss des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten der Entscheidung des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs Deutscher Notare – SGH (nachstehend der „SGH“) unterworfen. (2) Der Sekretär des SGH bestimmt gemäß § 317 BGB das auf das Schiedsverfahren anwendbare Verfahrens-Statut einschließlich Kostenordnung auf Grundlage des bei Einleitung des Schiedsverfahrens geltenden Statuts nebst Kostenordnung. Die Beteiligten verzichten auf den Zugang der entsprechenden Erklärung des Sekretärs. (3) Der SGH entscheidet auch über seine eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit dieser Schiedsvereinbarung. Der SGH ist insbesondere auch zuständig für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes in vorgenanntem Bereich. (4) Betrifft die Streitigkeit mittelbar oder unmittelbar auch die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen, wird die Möglichkeit der Ernennung der Schiedsrichter durch die Parteien nach § 9 des Statuts ausgeschlossen.A3 Denselben Streitgegenstand betreffende Beschlussmängelstreitigkeiten sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.A4 Der SGH entscheidet mit verbindlicher Wirkung für die Gesellschaft, deren Organe und sämtliche Gesellschafter.A5 Diese Betroffenen sind über Einleitung und Verlauf des Verfahrens zu unterrichten und am Verfahren im Wege der Beiladung zu beteiligen, sofern sie nicht selbst bereits Parteien sind.A6
Bandel 511
Kap. 26 Rz. 145a
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 26.7
Anmerkungen zu Muster M 26.7 145a
A1 Beschlussmängelstreitigkeiten umfassende Schiedsklausel in Gesellschaftsverträgen. Zur Einführung in den Gesellschaftsvertrag vgl. Rz. 9 ff. bei der GmbH, Rz. 69 bei der Personengesellschaft und Rz. 88 ff. beim Verein. Musterklausel deutsch/englisch als im docoder pdf-Format abrufbar unter http://www.dnotv.de/Schiedsgerichtshof/Schiedsgerichts hof.html (Stand April 2016). Ansonsten s. Anm. 1 zum Formular der DIS, vorstehend M 26.6 Anm. A1 (Rz. 138).
146
A2 Die ersten drei Absätze der Klausel enthalten keine Besonderheiten.
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A3 Das Erfordernis, allen Beteiligten gleiches Gewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts einzuräumen, wird hierdurch schnell und sicher erfüllt, allerdings zu dem Preis, dass den Parteien das Auswahlrecht komplett genommen wird.
148
A4 Umsetzung des Konzentrationsgebots, vgl. hierzu oben Rz. 6. Wichtig ist insoweit zusätzlich, dass die juristische Person im staatlichen Verfahren die Schiedseinrede erhebt.
149
A5 Eigentlich ist dies die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsfolge für ein Urteil in Beschlussmängelstreitigkeiten, § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG (i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG) so dass dies nicht unbedingt in die Schiedsverfügung aufgenommen werden muss. Da eine entsprechende Wirkung des Schiedsspruchs jedoch gerade zweifelhaft war, schadet es natürlich nichts, dies kompetenzbegründend aufzunehmen. Ohne diese Rechtsfolge wäre das Konzentrationsgebot nicht umsetzbar.
150
A6 Umsetzung des Gebots, rechtliches Gehör und Verfahrensbeteiligung zu gewährleisten, vgl. hierzu oben Rz. 6.
512
Bandel
Kapitel 27
Die ADR-Verfahrensordnungen der DIS
A. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
B. DIS-Mediationsordnung I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 27.1 Vereinbarung der DIS-MedO . . .
9 25 25
C. DIS-Schlichtungsordnung I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 27.2 Vereinbarung der DIS-SchlO für eine bereits entstandene Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. DIS-Gutachtensordnung I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 47
47 54 64
M 27.3 Vereinbarung der DIS-GO für eine bereits entstandene Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
E. DIS-Schiedsgutachtensordnung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 27.4 Vereinbarung der DIS-SchGO . . .
68 81 81
F. DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 M 27.5 Vereinbarung der DIS-AVO . . . . . 101 G. DIS-Konfliktmanagementordnung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 M 27.6 Vereinbarung der DIS-KMO . . . . 118
Literatur: Breidenbach/Peres, Die DIS-Mediationsordnung, SchiedsVZ 2010, 125; Duve/Eidenmüller/ Hacke, Wirtschaftsmediation, 2. Aufl. 2011; Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, 2015; Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, 2007; Köntges/Mahnken, Die neue DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation (DIS-AVO), SchiedsVZ 2010, 310; Lembcke (Hrsg.), Handbuch Baukonfliktmanagement, 2013; Ostendorf/Kluth (Hrsg.), Internationale Wirtschaftsverträge, 2013; Oelsner, Dispute Boards, 2014; Risse, Wirtschaftsmediation, 2003; Scherer, Die Konfliktmanagementordnung der DIS – eine innovative Verfahrenswahl-Verfahrensordnung, SchiedsVZ 2010, 122; Stubbe, Konfliktmanagement – bedarfsgerechte Streitbeilegungsinstrumente, SchiedsVZ 2009, 321; Stubbe, DIS-Schiedsgutachtensordnung (DISSchGO) und DIS-Gutachtensordnung (DIS-GO), SchiedsVZ 2010, 130.
A. Vorbemerkungen Wenn Parteien nicht in der Lage sind, bilateral eine Lösung in einem rechtlichen Konflikt 1 zu finden, kann jede von ihnen natürlich ein Gerichtsverfahren einleiten. Allerdings dauern Gerichtsverfahren wegen des Instanzenzugs gegebenenfalls mehrere Jahre und können auch recht teuer sein. Zudem sind mündliche Verhandlung, Beweisaufnahme und Urteilsverkündung grundsätzlich öffentlich, woran den Parteien nicht immer gelegen ist. Wurden Schiedsverfahren lange Zeit als eine schnelle und eventuell auch kostengünstige Alternative zu Gerichtsverfahren angesehen und sind sie zudem durch Nichtöffentlichkeit und Flexibilität aufgrund der Parteiautonomie charakterisiert, so ist mittlerweile bei ihnen eine recht starke Verrechtlichung festzustellen mit entsprechenden negativen Folgen hinsichtlich ihrer Kosten und Dauer. Verfahren der alternativen Streitbeilegung sind deshalb eine Option. Typischerweise sind sie erheblich schneller und kostengünstiger als Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren. Wie bei Schiedsgerichtsverfahren ermöglicht auch bei Ihnen die Parteiautonomie Flexibilität hinsichtlich der Verfahrensgestaltung und auch sie sind nicht-öffentlich. Das bedeutet nicht, dass ADR-Verfahren keine Nachteile hätten. Ihr Ergebnis ist nicht 2 rechtskräftig und kann nicht ohne weiteres vollstreckt werden. ADR-Verfahren können auch Mahnken 513
Kap. 27 Rz. 3
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
von einer Partei missbraucht werden, z.B. um Zeit zu gewinnen oder um eine Ausforschung der Gegenseite zu betreiben. Wie Schiedsverfahren bereiten ADR-Verfahren Probleme, wenn ein Dreiergremium aus neutralen Dritten bei Mehrparteienstreitigkeiten eingesetzt werden soll, denn die Benennung eines Dreiergremiums ist auf eine Zweiparteienstreitigkeit zugeschnitten. Zudem tragen ADR-Verfahren ebenso wenig wie Schiedsgerichtsverfahren zur Rechtsfortbildung und zur Bildung von case law bei. 3
In etlichen Fällen sind ADR-Verfahren aber trotz dieser Nachteile sinnvoll. Durch ein ADR-Verfahren wird die Geschäftsbeziehung der Parteien zueinander weniger belastet als durch ein Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren. Ferner ist bei einer Vielzahl von Streitigkeiten eine Vollstreckung am Ende nicht erforderlich, sondern die Parteien erfüllen freiwillig ihre Verpflichtungen.
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Wollen Parteien ein Verfahren der alternativen Streitbeilegung vereinbaren, stellt sich für sie die Frage, ob sie eines individuell „ad-hoc“1 vereinbaren wollen – gewissermaßen die Maßanfertigung – oder auf ein von einer Institution angebotenes administriertes Verfahren – gewissermaßen die Konfektionslösung von der Stange – zurückgreifen wollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verhandlungen der Parteien über eine Streitbeilegungsregelung wesentlich vereinfacht werden, wenn auf Verfahrensordnungen anerkannter Streitbeilegungsinstitutionen zurückgegriffen wird. Sie sind zum einen durch Neutralität und Fairness gekennzeichnet, so dass die Gleichbehandlung beider Parteien sichergestellt ist. Besonders wichtig ist dieser Aspekt der Neutralität, wenn sich Parteien nicht auf den oder die neutralen Dritten einigen können, die für die Streitbeilegung benötigt werden, und die administrierende Institution die Benennung neutraler Dritter vornehmen muss. Zudem ist umfangreiches Verfahrens-Know-how der jeweiligen Institution in die Verfahrensordnung eingeflossen, so dass sie in aller Regel gut funktioniert. Wie nachfolgend dargestellt wird, können Vereinbarungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung auch recht kurz und knapp gehalten werden, wenn mit Verfahrensordnungen anerkannter Institutionen gearbeitet wird, wodurch Verhandlungen ebenfalls vereinfacht werden. Insbesondere wenn Nichtjuristen oder mit außergerichtlicher Streitbeilegung nicht sonderlich vertraute Juristen Regelungen zur Streitbeilegung treffen wollen, sind sie gut beraten, auf die genannten Standardangebote von Institutionen zurückzugreifen, selbst wenn das bei der Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens gewisse Kosten der Institution mit sich bringt, die in der Regel allerdings nicht allzu hoch sind.
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Die Vereinbarung von Ad hoc-Streitbeilegung erschwert dagegen die Verhandlungen, da unter Umständen – z.B. wenn es zu einem Streitbeilegungsverfahren keine gesetzlichen Regelungen gibt – eine Vielzahl von Punkten zu regeln ist und sie ist fehleranfällig, was bei einem sich anschließenden Streitbeilegungsverfahren zu Komplikationen und damit zu Zeitverlust und zusätzlichen Kosten führen kann.
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Streitbeilegungsverfahren lassen sich danach kategorisieren, auf welches Ergebnis sie abzielen: Geht es um eine konsensuale Lösung der Parteien ggf. mit Hilfe eines neutralen Dritten oder um ein Votum eines neutralen Dritten? Falls es um ein Votum geht, kommt es auf den Grad von dessen Verbindlichkeit an, es kann nicht bindend oder bindend sein und – wie nachfolgend gezeigt wird – gibt es bei der Bindung noch Zwischenstufen.2 1 Der Begriff „ad hoc“ wird vorliegend unterschiedlich verwendet. Hier geht es um den Gegensatz zu einem von einer Institution administrierten Streitbeilegungsverfahren. Im Zusammenhang mit Adjudikation und Dispute Boards wird „ad hoc“ verwendet als Gegensatz zu projektbegleitend und dauerhaft für eine Mehrzahl von Streitigkeiten; siehe dazu unter Abschnitt E. (Rz. 68 ff.) und Abschnitt F. (Rz. 92 ff.). 2 Grundlegend Stubbe, SchiedsVZ 2009, 321.
514
Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 12 Kap. 27
Die führende Streitbeilegungsinstitution in Deutschland ist die Deutsche Institution für 7 Schiedsgerichtsbarkeit e.V. mit Sitz in Köln (siehe dazu auch Bandel, Kap. 24 Rz. 64); Mitglieder sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Verbände, Unternehmen, aber auch Einzelpersonen. Lag ihr Fokus ursprünglich auf Schiedsgerichtsbarkeit, so bietet sie seit 2002 eine Schlichtungsordnung an. Im Jahr 2010 sind etliche weitere ADR-Verfahrensordnungen hinzugekommen. Der Schwerpunkt der DIS liegt bei deutschen Verfahren, aber auch internationale Verfahren 8 sind möglich. Vorliegend werden angesichts des Schwerpunktes der DIS vor allem deutschsprachige Verfahren betrachtet, während internationale Aspekte nachfolgend in Kap. 28 berücksichtigt werden. Soll ein internationales Verfahren (in einer ausländischen Sprache) bei der DIS geführt werden, so sind entsprechende Anpassungen der hier vorgeschlagenen Regelungen vorzunehmen.
B. DIS-Mediationsordnung I. Einführung Seit 2010 verfügt die DIS über eine Mediationsordnung (DIS-MedO).1 Da Mediation als ADR-Verfahren auch in Deutschland mittlerweile etabliert ist, war dieser Schritt naheliegend. Die DIS-MedO wird ergänzt durch das MediationsG.2 Nur in sehr wenigen Punkten weicht die DIS-MedO vom MediationsG ab. Da letzteres zumindest zum Teil dispositives Recht darstellt, dürften die Abweichungen kein Problem darstellen. Es gibt ferner die eine oder andere Redundanz, die nicht zu vermeiden war, da die DIS-MedO dem MediationsG zeitlich voranging.
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Das Mediationsverfahren nach der DIS-MedO ist anderen administrierten Mediationsver- 10 fahren sehr ähnlich. Nach § 1 MediationsG ist die Mediation ein „strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.“ Es ist also ein Streitbeilegungsverfahren, bei dem mit Hilfe eines neutralen Dritten, des Mediators, eine Verhandlungslösung zwischen Parteien angestrebt werden soll. Mediationen eignen sich insbesondere bei Konflikten, bei denen es um nicht juristische Themen geht (z.B. Festlegung von Unternehmenszielen oder der Unternehmensstrategie, Budget etc.). Mediation bietet sich vor allem an, wenn eine längerfristige Beziehung zwischen den Parteien erhalten werden soll, z.B. bei Konflikten in Familienunternehmen, in Gemeinschaftsunternehmen, bei langfristigen Kooperationen oder in einer ständigen Geschäftsbeziehung. Mediation eignet sich auch recht gut, wenn Konflikte zwischen mehr als zwei Parteien auftreten, da es in der Regel nur einen Mediator gibt und dessen Benennung auch bei mehr als zwei Parteien praktikabel ist.
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Voraussetzung für ein Mediationsverfahren nach § 1.1 DIS-MedO ist eine entsprechende 12 Mediationsvereinbarung zwischen den Parteien. Eine mündliche Vereinbarung wäre wirksam, doch sollte aus Beweis- und Dokumentationsgründen zumindest die Textform nach § 126b BGB gewahrt werden. 1 http://disarb.org/de/16/regeln/dis-mediationsordnung-10-medo-id19; zum Folgenden auch Breidenbach/Peres, SchiedsVZ 2010, 125. 2 Mediationsgesetz v. 21.7.2012, BGBl. I, 1577; Umsetzung der EU Mediations-Richtlinie Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EU L 136 v. 24.5.2008, 3.
Mahnken 515
Kap. 27 Rz. 13
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
13
Das Mediationsverfahren beginnt mit einem entsprechenden Antrag einer Partei bei der DIS gemäß § 2 DIS-MedO. Als nächstes wird der Mediator (oder werden die Mediatoren) benannt und bestellt; gemäß § 4.1 DIS-MedO findet die Mediation mit einem Mediator statt, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. In bestimmten Konstellationen kann auch eine Co-Mediation sinnvoll sein. Im Grundsatz sollen die Parteien den Mediator gemeinsam benennen;1 die Frist dafür beträgt einen Monat gemäß § 4.2 DIS-MedO. Der Mediator muss gemäß § 3.2 DIS-MedO unabhängig und unparteiisch sein.2 Er kann Jurist sein, muss es aber nicht sein. Wenn der Konflikt eher nichtjuristischer Art ist, kann es sich anbieten, einen Nichtjuristen zum Mediator zu benennen. In jedem Fall sollten die Parteien darauf achten, einen ausreichend qualifizierten Mediator auszuwählen.3
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Gemäß § 4.2 Satz 2 DIS-MedO gibt die DIS-Hauptgeschäftsstelle auf Anfrage Anregungen für die Benennung des Mediators, ohne für diesen Service eine Vergütung zu verlangen. Kommt eine Benennung des Mediators auf diese Weise nicht zustande, kann die Benennung nach § 4.5 DIS-MedO durch den DIS-Ernennungsausschuss erfolgen, wofür eine (geringe) Gebühr anfallen würde.4 Ob eine Mediation, bei der es ja am Ende eine Einigung der Parteien in der Sache geben soll, Erfolg versprechend ist, wenn die Parteien es nicht einmal schaffen, sich auf die Person eines Mediators zu einigen, steht auf einem anderen Blatt.
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Der eigentliche Ablauf der Mediation ist in § 6 DIS-MedO nur rudimentär geregelt, wodurch sie sich aber von Mediationsordnungen anderer Institutionen kaum unterscheidet. Es gibt ein (oder mehrere) Treffen der Parteien mit dem Mediator, für die sich in der Praxis ein bestimmter Ablauf herausgebildet hat. Es geht bei der Mediation darum, die hinter den Positionen der Parteien liegenden Interessen zu eruieren und dann Lösungsoptionen zu finden, so dass eine „Kuchenvergrößerung“ möglich bzw. eine „win-win“-Situation geschaffen wird. Die üblichen Phasen einer Mediationssitzung sind deshalb: – Eröffnungs- und Einleitungsphase mit Vereinbarungen zum Verfahren, soweit noch erforderlich, – Darlegungsphase mit Präsentation der Positionen und Themensammlung, – Vertiefungs- und Erhellungsphase, – Lösungs- und Verhandlungsphase, – Abschlussphase im Idealfall mit Abschlussvereinbarung.5 Ein Mediationsverfahren ist also wesentlich anders strukturiert als ein auf ein Votum des neutralen Dritten ausgerichtetes Verfahren. Der Mediator hat im Rahmen der Mediation die Verfahrensverantwortung, wohingegen die Parteien die Ergebnisverantwortung tragen.
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§ 6.2 DIS-MedO behandelt die Möglichkeit von Ex Parte-Kommunikation (Einzelgesprächen) des Mediators und Treffen von ihm mit nur einer Partei. Die Zulässigkeit dieses sogenannten Caucus ist in der Mediationsszene umstritten und er wird deshalb von Mediatoren nicht einheitlich gehandhabt.6
1 S.a. § 2 Abs. 1 MediationsG. 2 S. § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 3 MediationsG. 3 S. dazu auch § 6 MediationsG i.V.m. der Verordnung über die die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (ZMediatAusbV) vom 31.8.2016 (BGBl. I 1994). Die ZMediatAusbV tritt am 1.9.2017 in Kraft. 4 S. Ziffer 1.2 Kostentabelle für DIS-Mediationsverfahren. 5 S. z.B. Risse, Wirtschaftsmediation, § 5 Rz. 3 ff. 6 § 2 Abs. 3 Satz 3 MediationsG; zu dieser Thematik z.B. Risse, Wirtschaftsmediation, § 7 Rz. 86 ff., und Duve/Eidenmüller/Hacke, Wirtschaftsmediation, S. 179 f. und S. 240 ff.
516
Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 24 Kap. 27
Die Beendigung der Mediation regelt § 8 DIS-MedO. Nach § 8.1 Abs. 2 DIS-MedO ist die 17 Beendigung der Mediation etwas schwieriger als nach § 2 Abs. 5 MediationsG; diese Abweichung dürfte hinnehmbar sein, da bestimmte, recht kurze Fristen gelten. Auch haben die Parteien aufgrund der Parteiautonomie die Möglichkeit, eine Regelung zur Beendigung zu treffen, die der gesetzlichen Regelung entspricht. Die Vertraulichkeit in § 10 DIS-MedO geht weiter als die nach § 4 MediationsG, die primär den Mediator betrifft, und erstreckt sich insbesondere auch auf die Parteien.
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Wie § 3.4 DIS-MedO klarstellt, darf der Mediator Lösungsvorschläge nur mit Zustimmung der Parteien unterbreiten. Ein Votum des Mediators ist die Ausnahme in der Mediation.
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Eine Hemmung der Verjährung wird in § 9 DIS-MedO geregelt, würde sich aber auch bereits aufgrund von §§ 203 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 4b) BGB ergeben.
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Die Kosten des Mediationsverfahrens sind in § 11 DIS-MedO und der Anlage Kostentabelle geregelt. Die DIS-Gebühren sind niedrig. Der Mediator wird nach Zeitaufwand vergütet (§ 11.3 DIS-MedO). Sein Stundensatz von 300 Euro ist zwar nicht allzu hoch,1 allerdings führt er wohl dazu, dass für Mediationen mit sehr geringem Streitwert andere deutsche Institutionen eher in Frage kommen als die DIS. Der Mediator hat zudem Anspruch auf Ersatz von Auslagen. § 11.1 DIS-MedO sieht Kostenteilung zwischen den Parteien vor, was typisch ist für Mediation.
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Bei administrierten Mediationsverfahren gibt es typischerweise keinen schriftlichen Ver- 22 trag der Parteien mit dem Mediator. Der Mediatorvertrag kommt vielmehr konkludent und formlos zustande, indem die Institution für die Parteien auftritt und für sie den Vertrag abschließt. Dies entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsgerichtsverfahren (dazu z.B. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 117 ff.). Juristisch ist die Konstruktion zwar durchaus fragwürdig, doch hat es bisher wohl keine nennenswerten Probleme in der Praxis gegeben – insbesondere auch nicht bei Schiedsgerichtsverfahren. Von daher spricht wenig dafür, beim DIS-Mediationsverfahren von dieser Praxis abzuweichen. Die Parteien schließen außerdem formlos und konkludent einen Vertrag mit der DIS über 23 die Administration des Mediationsverfahrens. Das entspricht wiederum der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsgerichtsverfahren (dazu Bandel, Kap. 24 Rz. 51), die bisher anscheinend nicht zu nennenswerten Problemen in der Praxis geführt hat. Eines schriftlichen Vertrages bedarf es deshalb wohl auch beim DIS-Mediationsverfahren nicht. Laut Statistik der DIS hat es bisher einige Mediationsverfahren nach der DIS-MedO gegeben.2
1 S. Kostentabelle für DIS-Mediationsverfahren, Anlage zu § 11 Abs. 5 DIS-MedO. 2 http://www.disarb.org/de/39/content/statistik-id66.
Mahnken 517
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Kap. 27 Rz. 25
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 27.1
II. Muster 25
M 27.1 Vereinbarung der DIS-MedOA1 1. Im ursprünglichen VertragA2, A3 §… Streitbeilegung (1) Hinsichtlich aller Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, wird ein Mediationsverfahren gemäß der Mediationsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS-MedO“ bzw. „DIS“) durchgeführt. (2) Jede Partei hat das Recht, die Mediation durch einseitige Erklärung gegenüber der anderen Partei jederzeit zu beenden. Die Erklärung bedarf der Text- oder Schriftform.A4 (3) Werden Streitigkeiten durch das Mediationsverfahren nicht beigelegt, werden sie nach der Schiedsgerichtsordnung der DIS endgültig entschieden.A5 2. Nachträgliche Vereinbarung für bereits entstandene StreitigkeitA6 Mediationsvereinbarung (1) Die Parteien vereinbaren, ein Mediationsverfahren nach der Mediationsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS-MedO“ bzw. „DIS“) durchzuführen zur Beilegung folgender Streitigkeit: … (Beschreibung der Streitigkeit) (2) Zum Mediator benennen die Parteien … (Bezeichnung der Person mit den erforderlichen Details)A7 (3) Jede Partei hat das Recht, die Mediation durch einseitige Erklärung gegenüber der anderen Partei jederzeit zu beenden. Die Erklärung bedarf der Text- oder Schriftform.A8
Anmerkungen zu Muster M 27.1 26
A1 Die Regelung entspricht weitgehend dem Mustertext der DIS (siehe http://disarb.org/ de/17/klauseln/uebersicht-id0).
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A2 Die Mediation kann vereinbart werden, nachdem die Streitigkeit bereits entstanden ist. Der Vorteil ist, dass dann gut erkennbar ist, ob eine Mediation aussichtsreich ist und wie sie sinnvollerweise gestaltet werden sollte. Der Nachteil ist, dass die Parteien wegen des Konflikts einander misstrauen und strategische und taktische Gesichtspunkte objektiv sinnvolle Regelungen zur Streitbeilegung verhindern oder zumindest erschweren. Es kann sich deshalb anbieten, bereits im ursprünglichen Vertrag Mediation vorzusehen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die langfristige Beziehung zwischen den Parteien erhalten werden soll und/oder klar ist, dass es bei eventuellen Konflikten vor allem um nichtjuristische Fragen gehen wird. Ist im ursprünglichen Vertrag Mediation vereinbart und entsteht dann ein Konflikt, für den Mediation sich nicht eignet, ist es in aller Regel nicht allzu schwierig und zeitaufwendig für eine Partei, die Mediation scheitern zu lassen, so dass die Mediationsregelung keinen gravierenden Nachteil mit sich bringt.
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A3 Wird die Mediation erst nach Entstehen der Streitigkeit vereinbart, können die Parteien in der Mediationsvereinbarung auch schon die Person des Mediators festlegen. Mit dem entsprechenden Kandidaten sollte allerdings zuvor geklärt werden, ob er zur Verfügung steht und ob kein Interessenkonflikt besteht.
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Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 35 Kap. 27
Wird die Mediationsregelung dagegen bereits im ursprünglichen Vertrag der Parteien getroffen, ist es in aller Regel nicht sinnvoll, die Person des Mediators festzulegen. Es ist in aller Regel nicht absehbar, ob es Streitigkeiten geben wird und wie sie aussehen werden, insbesondere wie umfangreich und komplex sie sein werden. Die Person des Mediators sollte in diesem Fall erst festgelegt werden, nachdem die Streitigkeit entstanden ist, da dann einfacher zu erkennen ist, welche Voraussetzungen der Mediator mitbringen sollte (Erfahrung, juristischer oder nichtjuristischer Hintergrund etc.) A4 Es kommt durchaus in Betracht, eine weitergehende einseitige Beendigungsmöglich- 29 keit vorzusehen als in § 8.1 Abs. 2 DIS-MedO, denn warum soll eine Partei, die eine Mediation im konkreten Fall nicht will, gezwungen sein, mit der Beendigung zu warten, bis die Mediation ein bestimmtes Stadium erreicht hat. Das entspricht auch § 2 Abs. 5 MediationsG. A5 Die Parteien sollten sich überlegen, ob für die abschließende Entscheidung in Bezug auf die Streitigkeit die ordentlichen Gerichte oder ein Schiedsgericht zuständig sein sollen, falls die Mediation scheitert (dazu Bandel, Kap. 23 Rz. 11 ff.). Wird Schiedsgerichtsbarkeit gewählt, ist eine mehrstufige Streitbeilegungsregelung erforderlich.
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A6 S. Anm. A2 (Rz. 27).
31
A7 S. Anm. A3 (Rz. 28).
31a
A8 S. Anm. A4 (Rz. 29)
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C. DIS-Schlichtungsordnung I. Einführung Die Schlichtung ist ein ADR-Verfahren, bei der der neutrale Dritte, der Schlichter, den Par- 33 teien einen (in der Regel nicht bindenden) Vorschlag zur Beilegung der Streitigkeit macht.1 Auch ADR-Verfahren, die auf einen nicht bindenden Vorschlag des neutralen Dritten hinauslaufen, können sinnvoll sein. Da die Parteien den neutralen Dritten gemeinsam auswählen und dieser oft ein erhebliches Standing hat, sollte ihnen die Ablehnung seiner Vorschläge nicht leicht fallen, insbesondere wenn letztere auch noch sorgfältig begründet sind. Ebenso wie bei der Mediation kann der Konflikt bei der Schlichtung nicht nur juristische, 34 sondern auch nicht juristische Fragen betreffen. Selbst wenn es sich um einen juristischen Konflikt handelt, muss der Schlichter seinen Vorschlag nicht anhand juristischer Kriterien entwickeln, es sei denn, die Parteien vereinbaren etwas anderes. Der Schlichter kann Jurist sein, muss es aber nicht sein. Ursprünglich war das Konzept der Schlichtung recht populär, wie sich auch daraus ergibt, 35 dass die UNCITRAL Rules of Conciliation entwickelt hat.2 Mittlerweile dürfte aber die Mediation bekannter sein als die Schlichtung. Die DIS-Schlichtungsordnung (DIS-SchlO)3 ist von 2002; von daher erklären sich auch gewisse Unterschiede gegenüber den anderen aus dem Jahr 2010 stammenden ADR-Verfahrensordnungen der DIS.
1 Wagner/Eidenmüller in Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, Kap. 1 Rz. 36; s.a. § 19 Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, VSBG) v. 19.2.2016 (BGBl. I 254, 1039). 2 http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/conc-rules/conc-rules-e.pdf. 3 http://disarb.org/de/16/regeln/dis-schlichtungsordnung-02-id6.
Mahnken 519
Kap. 27 Rz. 36
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
36
Voraussetzung eines Schlichtungsverfahrens nach der DIS-SchlO ist eine entsprechende Schlichtungsvereinbarung der Parteien gemäß § 1 Abs. 1 DIS-SchlO. Diese Vereinbarung kann, wie § 1 Abs. 2 DIS-SchlO klarstellt, formlos getroffen werden, „soll“ aber schriftlich erfolgen.
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Im Prinzip wird die Schlichtung mit einem Schlichter durchgeführt (§ 4 DIS-SchlO), es sei denn, die Parteien vereinbaren eine Mehrzahl von Schlichtern, was aber wohl nur ausnahmsweise geschehen sollte. Im Grundsatz sollen sich die Parteien auf den Schlichter einigen (§ 7 Abs. 1 DIS-SchlO). Die Benennung von 2 oder 3 Schlichtern regeln § 7 Abs. 2 und 3 DIS-SchlO. Es versteht sich fast von selbst, dass der oder die Schlichter unparteiisch und unabhängig sein müssen (§ 5 Abs. 1 DIS-SchlO). Auf Anfrage der Parteien gibt die DIS – kostenlos – Anregungen für die Auswahl von Schlichtern (§ 7 Abs. 4 DIS-SchlO).
38
Zum Ablauf des Schlichtungsverfahrens selbst trifft § 11 DIS-SchlO nur rudimentäre Aussagen. Insoweit hat vor allem der Schlichter die Verfahrensverantwortung, wobei er danach streben sollte, Einvernehmen mit den Parteien in Bezug auf das Verfahren herzustellen. In der Praxis hat sich bisher wohl auch kein einheitlicher Ablauf einer Schlichtung herausgebildet.
39
Der Schlichter nach der DIS-SchlO hat hinsichtlich seines Votums eine recht schwache Position. Er kann zwar gemäß § 11 Abs. 3 DIS-SchlO in jeder Phase des Verfahrens Lösungsvorschläge machen, allerdings nur, wenn die Parteien es wünschen.1 Allein die Vereinbarung der DIS-SchlO durch die Parteien gibt dem Schlichter also noch nicht das Recht, Vorschläge zur Beilegung des Konflikts zu machen. Dass die Vorschläge „in jeder Phase des Verfahrens“ erfolgen können, ist auch etwas missverständlich. Der Schlichter dürfte gut beraten sein, Lösungsvorschläge erst zu machen, wenn beide Parteien ausreichend Gelegenheit hatten, sich zu äußern, denn sonst würden Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen.
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§ 13 Abs. 1 DIS-SchlO regelt nur die vom Schlichter einzuhaltende Vertraulichkeit. § 13 Abs. 2 DIS-SchlO sieht vor, dass der Schlichter Vorschläge in Bezug auf die von den Parteien einzuhaltende Vertraulichkeit machen kann, womit die Vertraulichkeit seitens der Parteien nicht bereits sichergestellt ist. Die Parteien sollten prüfen, ob die von ihnen zu wahrende Vertraulichkeit ausreichend im zugrunde liegenden Vertrag geregelt ist. Ist das nicht der Fall, können sie für das Schlichtungsverfahren die Vertraulichkeit in der Streitbeilegungsvereinbarung regeln.
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Die Beendigung des Schlichtungsverfahrens regelt § 12 DIS-SchlO. Gemäß § 12 Abs. 1 DIS-SchlO kann jede Partei das Verfahren jederzeit ohne Angabe von Gründen für beendet erklären. § 14 DIS-SchlO regelt die Überleitung des Schlichtungsverfahrens in ein Schiedsverfahren.
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Die Hemmung der Verjährung ist in der DIS-SchlO nicht geregelt, dürfte sich aber aufgrund von § 204 Abs. 1 Nr. 4 b) BGB ergeben.
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Die Kosten der Schlichtung ergeben sich aus § 15 DIS-SchlO und der Kostentabelle. Der Schlichter wird nach Zeitaufwand vergütet, wobei als Stundensatz bei einem einzelnen Schlichter oder einem Zweiergremium ein Rahmen von 200-400 Euro genannt wird, bei einem Gremium von drei oder mehr Schlichtern ein Rahmen von 150-300 Euro. Diese Rahmen sind allerdings nicht zwingend. Eine Einigung der Parteien mit dem Schlichter über den Stundensatz ist erforderlich, da die DIS keine Befugnis hat, den Stundensatz festzulegen. Der Schlichter hat außerdem Anspruch auf Ersatz von Auslagen. Die Gebühren der DIS im Zu-
1 Anders Art. 7 Abs. 4 UNCITRAL Conciliation Rules.
520
Mahnken
M 27.2
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 48 Kap. 27
sammenhang mit der Schlichtung sind ziemlich niedrig. Wie die Kosten der Schlichtung von den Parteien zu tragen sind, wird nicht geregelt. Bei administrierten Schichtungsverfahren gibt es typischerweise keinen schriftlichen Ver- 44 trag der Parteien mit dem Schlichter. Der Schlichtervertrag kommt vielmehr konkludent und formlos zustande, indem die Institution für die Parteien auftritt und für sie den Vertrag abschließt. Dies entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsgerichtsverfahren (dazu z.B. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 117 ff.). Juristisch ist die Konstruktion zwar durchaus fragwürdig, doch hat es bisher wohl keine nennenswerten Probleme in der Praxis gegeben – insbesondere auch nicht bei Schiedsgerichtsverfahren. Es erscheint nicht nötig, beim DIS-Schlichtungsverfahren von dieser Praxis abzuweichen. Die Parteien schließen außerdem formlos und konkludent einen Vertrag mit der DIS über 45 die Administration des Verfahrens. Das entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsverfahren (dazu Bandel, Kap. 24 Rz. 51), wo es bisher anscheinend keine nennenswerten Probleme mit dieser Praxis gegeben hat. Eines schriftlichen Vertrages bedarf es deshalb beim DIS-Schlichtungsverfahren wohl nicht. Die Statistiken der DIS zeigen, dass die Schlichtung weiterhin eine gewisse Popularität genießt.1 Sie ist bisher nicht von der Mediation verdrängt worden.
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II. Muster M 27.2 Vereinbarung der DIS-SchlOA1 für eine bereits entstandene Streitigkeit
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Schlichtungsvereinbarung (1) Die Parteien vereinbaren, ein Schlichtungsverfahren nach der Schlichtungsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS-SchlO“ bzw. „DIS“) durchzuführen im Hinblick auf folgende Streitigkeit: … (Bezeichnung der Streitigkeit) (2) Zum Schlichter benennen die Parteien … (Bezeichnung der Person mit den erforderlichen Details)A2 (3) Der Schlichter darf hinsichtlich der Gegenstände des Schlichtungsverfahrens nicht mit den Parteien getrennt kommunizieren.A3 Der Schlichter macht seinen Lösungsvorschlag in schriftlicher Form und begründet ihn schriftlich, sofern eine Partei es wünscht.A4 Bei seinem Lösungsvorschlag hat der Schlichter deutsches materielles Recht zugrunde zu legen.A5 Die Parteien tragen die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäß 15 DIS-SchlO zu gleichen Teilen.A6
Anmerkungen zu Muster M 27.2 A1 Die DIS bietet auch eine Schlichtungsregelung an, die in den ursprünglichen Vertrag 48 aufgenommen wird und nach der alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Vertrag eine Schlichtung durchlaufen müssen (http://disarb.org/de/17/klauseln/dis-schlichtungsverein barung-02-id5). Sinnvoll scheint ein derartiges Vorgehen nicht zu sein, da sich längst nicht alle Streitigkeiten für eine Schlichtung eignen. 1 S. dazu http://www.dis-arb.de/upload/statistics/DIS-Statistiken%202015.pdf.
Mahnken 521
Kap. 27 Rz. 49
M 27.2
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
49
A2 Wird das Schlichtungsverfahren erst nach Entstehen der Streitigkeit vereinbart, können die Parteien sich auch schon über die Person des Schlichters einigen. Mit dem entsprechenden Kandidaten sollte allerdings zuvor geklärt werden, ob er zur Verfügung steht und ob kein Interessenkonflikt besteht.
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A3 Die DIS-SchlO regelt nicht die Ex Parte-Kommunikation des Schlichters. Da der Schlichter Lösungsvorschläge machen soll, ist Ex Parte-Kommunikation bei der Schlichtung problematischer als bei der Mediation, denn es lässt sich nicht nachprüfen, ob der Schlichter bei seinen Lösungsvorschlägen Informationen ignoriert hat, die er im Rahmen von Ex ParteKommunikation erhalten hat. Es dürfte zweifelhaft sein, ob § 2 Abs. 3 Satz 2 MediationsG insoweit unmittelbar oder analog gilt, da Mediation sich – wie gezeigt – von Schlichtung unterscheidet. Die Parteien können insoweit aber eine Vereinbarung treffen. Dem Gutachter sollte danach Ex Parte-Kommunikation aus den genannten Gründen nicht gestattet sein.
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A4 Nach der DIS-SchlO muss der Vorschlag des Schlichters nicht schriftlich erfolgen und er muss auch nicht begründet werden (s. insbes. § 11 Abs. 3 DIS-SchlO). Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien es vereinbaren. Da die Vorschläge des Schlichters nicht bindend sind, dürfte die Chance, dass sie von den Parteien angenommen werden, steigen, wenn sie (möglichst überzeugend) begründet werden. Die Parteien dürften deshalb gut beraten sein zu vereinbaren, dass der Schlichter etwaige Lösungsvorschläge (schriftlich) begründen muss.
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A5 Nach der DIS-SchlO muss der Schlichtungsvorschlag – auch wenn es sich um einen rechtlichen Konflikt handelt – nicht nach juristischen Kriterien ergehen (s. insbes. § 11 Abs. 3 DIS-SchlO). Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien es vereinbaren. In der Musterklausel wird von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen.
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A6 § 15 DIS-SchlO regelt nicht die Kostentragung der Parteien. Da es sich bei der Schlichtung um kein sehr kontradiktorisches Verfahren handelt, sollten die Kosten des Schlichters und der DIS zwischen den Parteien geteilt werden.
D. DIS-Gutachtensordnung I. Einführung 54
Bei dem Verfahren nach der DIS-Gutachtensordnung (DIS-GO)1 geht es um ein nicht bindendes Gutachten, das der neutrale Dritte, der Gutachter, im Hinblick auf eine Streitfrage erstellt. Die Streitfrage kann nicht-juristischer aber auch juristischer Art sein; für ihre Beantwortung wird es regelmäßig auf besondere Sachkunde (nichtjuristischer oder juristischer Art) ankommen. Oft wird es um einen Teilaspekt eines Konflikts gehen. Das Verfahren ähnelt demnach der DIS-Schiedsgutachtenordnung (dazu unter Abschnitt E., Rz. 68 ff.), ist aber weniger detailliert geregelt. Da das Ergebnis nicht bindend ist, ist eine weniger detaillierte Regelung ausreichend. Ein nicht bindendes Votum dürfte zur Streitbeilegung oft genügen. Dies gilt insbesondere, wenn der neutrale Dritte von den Parteien gemeinsam ausgewählt wird, er über Standing und Fachkompetenz verfügt und sein Votum überzeugend begründet.
55
Voraussetzung für ein DIS-Gutachtenverfahren ist eine entsprechende Vereinbarung der Parteien über seine Durchführung. Sie könnte auch mündlich erfolgen, doch ist auch hier zumindest Textform gemäß § 126b BGB sinnvoll.
1 http://disarb.org/de/16/regeln/dis-gutachtensordnung-10-id21; SchiedsVZ 2010, 130 (135 f.).
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Mahnken
zum
Folgenden
auch
Stubbe,
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 63 Kap. 27
Die Einleitung des Verfahrens ist in § 2 DIS-GO geregelt. Nach § 3 Abs. 1 DIS-GO wird das 56 Verfahren mit einem Gutachter durchgeführt. Der Gutachter muss unabhängig und unparteiisch sein, wie sich aus § 3.3 DIS-GO ergibt. Im Grundsatz sollen sich die Parteien auf die Person des Gutachters einigen. Auf Anfrage gibt die DIS gemäß § 3.2 Satz 2 DIS-GO Anregungen für die Gutachterauswahl, ohne eine Vergütung dafür zu verlangen. Einigen die Parteien sich nicht auf einen Gutachter, kommt eine Benennung durch die DIS gemäß § 4.2 DIS-GO in Betracht; dafür würde eine (geringe) Gebühr gemäß Ziffer 1.2 Kostentabelle für das DIS-Gutachtensverfahren anfallen. Nach Bestellung des Gutachters gibt es eine Antragserwiderung gemäß § 5 DIS-GO und ggf. weitere Schriftsätze gemäß § 6 DIS-GO. Eine mündliche Verhandlung nach § 10 DIS-GO findet statt, wenn eine Partei es beantragt oder der Gutachter es für sinnvoll hält. Die Verfahrensgestaltung liegt ansonsten in erheblichem Umfang im Ermessen des Gutachters gemäß § 11 DIS-GO. Die abschließende Entscheidung des Gutachters ist nach § 13.2 DIS GO nicht bindend. Sie 57 ist schriftlich zu begründen. Das anwendbare materielle Recht ist in § 14 DIS-GO geregelt. Nach § 13.4 DIS-GO hat die Entscheidung regelmäßig innerhalb von vier Wochen nach der mündlichen Verhandlung oder dem letzten Schriftsatz zu ergehen. Nach § 13.4 und § 16.2 DIS GO ist die Höchstfrist für das gesamte Verfahren sechs Monate ab Verfahrensbeginn. Die Hemmung der Verjährung ergibt sich aus § 17 DIS-GO, wobei nach deutschem Recht sonst § 204 Abs. 1 Nr. 4b), Nr. 8 und Abs. 2 BGB zur Anwendung käme.
58
Die für die Parteien, den Gutachter und die DIS geltende Vertraulichkeit wird in § 18 DISGO geregelt.
59
Die Kosten des Verfahrens sind in § 20 DIS-GO und der Anlage Kostentabelle geregelt. Der Gutachter wird nach Zeitaufwand vergütet, wobei ein Stundensatz von 300 Euro vorgesehen ist, sofern nichts anderes vereinbart wird. Die DIS-Gebühren sind gering. § 20.1 DISGO sieht vor, dass die Kosten zu gleichen Teilen von den Parteien getragen werden. Das erscheint überzeugend, da es sich beim DIS-Gutachtenverfahren um kein sehr kontradiktorisches Verfahren handelt.
60
Bei administrierten Gutachtenverfahren gibt es typischerweise keinen schriftlichen Vertrag 61 der Parteien mit dem Gutachter. Der Gutachtervertrag kommt vielmehr konkludent und formlos zustande, indem die Institution für die Parteien auftritt und für sie den Vertrag abschließt. Dies entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsgerichtsverfahren (dazu z.B. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 117 ff.). Juristisch ist die Konstruktion zwar durchaus fragwürdig, doch hat es bisher wohl keine nennenswerten Probleme in der Praxis gegeben, auch nicht bei Schiedsgerichtsverfahren. Von daher erscheint es nicht nötig, beim DIS-Gutachtenverfahren von dieser üblichen Praxis abzuweichen. Die Parteien schließen außerdem formlos und konkludent einen Vertrag mit der DIS über 62 die Administration des Verfahrens. Das entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsverfahren (dazu Bandel, Kap. 24 Rz. 51), wo es bisher keine nennenswerten Probleme mit dieser Praxis gegeben hat. Eines schriftlichen Vertrages bedarf es deshalb beim DISGutachtenverfahren wohl nicht. Gemäß der Statistik der DIS gab es bisher einige Verfahren; die Zahl ist aber noch gering.1
1 http://www.disarb.org/de/39/content/statistik-id66.
Mahnken 523
63
Kap. 27 Rz. 64
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 27.3
II. Muster 64
M 27.3 Vereinbarung der DIS-GO für eine bereits entstandene StreitigkeitA1 Vereinbarung eines neutralen Gutachtens (1) Die Parteien vereinbaren, ein Gutachtenverfahren nach der Gutachtensordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS-GO“ bzw. „DIS“) durchzuführen im Hinblick auf folgende Fragestellung: … (Bezeichnung der Fragestellung) (2) Zum Gutachter benennen die Parteien … (Bezeichnung der Person mit den erforderlichen Details)A2 (3) Der Gutachter darf hinsichtlich der Gegenstände des Gutachtenverfahrens nicht mit den Parteien getrennt kommunizieren.A3
Anmerkungen zu Muster M 27.3 65
A1 Die DIS bietet auch eine Regelung an, die in den ursprünglichen Vertrag der Parteien aufgenommen wird und nach der alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Vertrag ein Gutachtenverfahren durchlaufen müssen (http://disarb.org/de/17/klauseln/dis-gutachtens vereinbarung-10-id15). Sinnvoll scheint ein derartiges Vorgehen nicht zu sein, da sich längst nicht alle Streitigkeiten für ein Gutachtenverfahren eignen und sich Gutachterverfahren in der Regel auch nur auf Teilaspekte einer Streitigkeit beziehen, nicht auf die Lösung des Konflikts insgesamt.
66
A2 Wird das Gutachtenverfahren erst nach Entstehen der Streitigkeit vereinbart, können die Parteien sich auch schon über die Person des Gutachters einigen. Mit dem entsprechenden Kandidaten sollte allerdings zuvor geklärt werden, ob er zur Verfügung steht und ob kein Interessenkonflikt besteht.
67
A3 Dem Gutachter sollte Ex Parte-Kommunikation nicht gestattet sein. Da die Frage in der DIS-GO nicht geregelt ist, bietet sich eine Regelung in der Streitbeilegungsvereinbarung an.
E. DIS-Schiedsgutachtensordnung I. Einführung 68
Die DIS-Schiedsgutachtensordnung (DIS-SchGO)1 ist vom 1.5.2010. Ihre Bezeichnung ist etwas irreführend, denn sie zielt nicht auf eine abschließende Entscheidung des neutralen Dritten im Sinne von §§ 317 ff. BGB ab, sondern „nur“ auf eine vorläufig bindende. Es geht also um Ad-hoc2-Adjudikation. Das Konzept der (Construction) Adjudication stammt aus England, wo es sich zuerst in einigen Musterbauverträgen fand und anschließend gesetzlich geregelt wurde. Jede Partei eines Bauvertrages hat danach das gesetzliche Recht, bei einer Streitigkeit ein Adjudication-Verfahren durchführen zu lassen, worunter ein summari1 http://disarb.org/de/16/regeln/dis-schiedsgutachtensordnung-10-schgo-id20; s. zum Folgenden auch Stubbe, SchiedsVZ 2010, 130, und die Kommentierung zu den Regelungen der DIS-SchGO von Stubbe in Lembcke (Hrsg.), Baukonfliktmanagement, 2013, E. S. 563 ff. 2 Zur Mehrdeutigkeit des Begriffs in diesem Zusammenhang s. oben Rz. 4 Fn. 1.
524
Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 73 Kap. 27
sches, sehr schnelles Verfahren mit einem neutralen Dritten, dem Adjudicator, im Hinblick auf bauvertragliche Ansprüche verstanden wird, das mit einer vorläufig bindenden Entscheidung endet.1 Im Vergleich zum Schiedsgutachten ist ein weiterer Unterschied, dass über „prozessuale“ Ansprüche der Parteien (vorläufig bindend) entschieden wird, nicht nur über Teilaspekte davon. Ob das Konzept in Deutschland populär werden wird, wird sich zeigen. Die Reformkommission Bau von Großprojekten des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hat sich in ihrem Endbericht von 2015 dafür ausgesprochen, bei Infrastrukturprojekten verstärkt auf ADR zu setzen und erwähnt ausdrücklich Adjudikation.2 Voraussetzung eines DIS-Schiedsgutachtenverfahrens ist eine entsprechende Vereinbarung 69 der Parteien, die nicht formbedürftig ist, aber für die aus Beweisgründen Schrift- oder zumindest Textform gemäß § 126b BGB empfehlenswert ist. Die Einleitung des Verfahrens ist in § 2 DIS-SchGO geregelt. Schiedsgutachter ist übli- 70 cherweise eine einzelne Person oder, sofern von den Parteien vereinbart, ein aus drei Personen bestehendes Gremium (§ 4 DIS-SchGO). Jeder Schiedsgutachter muss unparteiisch und unabhängig sein (§ 6.5 DIS-SchGO). Es muss sich beim Schiedsgutachter um eine natürliche Person handeln (§ 5.1 DIS-SchGO). Das Verfahren zur Ablehnung eines Schiedsgutachters ist in § 7 DIS-SchGO geregelt. Dass es ein praktikables Verfahren bei der Ablehnung der Person eines neutralen Dritten durch eine Partei gibt, stellt einen großen Vorteil administrierter Verfahren dar. Die DIS gibt den Parteien auf Anfrage – ohne dafür etwas zu berechnen – Anregungen für die Auswahl von Schiedsgutachtern. Ein Einzelschiedsgutachter soll primär von den Parteien ausgewählt und benannt werden (§ 6.1 DIS-SchGO). Die Benennung durch die DIS, wenn die Parteien sich nicht einigen, ist in § 6.1 Abs. 2 DIS-SchGO geregelt. Bei einem Dreiergremium benennt jede Partei einen Schiedsgutachter (§ 6.2 Abs. 1 und Abs. 2 DIS-SchGO). Die Parteien sollten dabei auf eine interdisziplinäre Zusammensetzung achten. Um den Vorsitzenden zu bestimmen, unterbreiten die parteibenannten Schiedsgutachter den Parteien gemeinsame Vorschläge (§ 6.2 Abs. 5 DIS-SchGO), die der Zustimmung der Parteien bedürfen. Wird auf diese Art der Vorsitzende nicht benannt, kann die Benennung durch die DIS erfolgen (§ 6.2 Abs. 5 DIS-SchGO). Einzelschiedsgutachter und Vorsitzender eines Dreiergremiums „sollen“ Juristen sein (§ 5.2 DIS-SchGO).
71
Die Antragserwiderung ist in § 9 DIS-SchGO geregelt. Weitere Schriftsätze sind nach § 10 DIS-SchGO möglich. Eine mündliche Verhandlung findet statt, wenn eine Partei es beantragt oder wenn der/die Schiedsgutachter sie für sinnvoll halten (§ 14.1 DIS-SchGO). Die Parteien sind gleich zu behandeln und es ist rechtliches Gehör zu gewähren (§ 16 DIS-SchGO). Die Gestaltung des Verfahrens liegt ansonsten weitgehend im Ermessen des/der Schiedsgutachter/s (§ 15.1 DIS-SchGO) und – im Falle eines Schiedsgutachtergremiums – insbesondere des Vorsitzenden. Der Schiedsgutachter hat auch ansonsten recht weitgehende Befugnisse (s. z.B. § 15 und § 20 DIS-SchGO).
72
Entscheidungen des Schiedsgutachters ergehen schriftlich und sind zu begründen (§ 17.2 DIS-SchGO). Das anwendbare Recht ist in § 19 DIS-SchGO geregelt. In einem Schiedsgutachtergremium genügt eine Mehrheitsentscheidung (§ 17.3 DIS-SchGO). Die Entscheidung ist (vorläufig) bindend gemäß § 22.1 DIS-SchGO. Gemäß § 17.5 SchGO kann die Zahlung einer Partei von einer Sicherheitsleistung der begünstigten Partei abhängig gemacht wer-
73
1 Dazu z.B. Harbst, SchiedsVZ 2003, 88; Harbst/Winter, BauR 2007, 1974. 2 BMVI, Reformkommission Bau von Großprojekten, Endbericht, 2015, S. 9, S. 64; abrufbar unter: http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/reformkommission-bau-grossprojekte-endbericht .html.
Mahnken 525
Kap. 27 Rz. 74
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 27.4
den. Erfolgt nach der Entscheidung keine (fristgerechte) Nichtanerkennungserklärung gemäß § 23.2 DIS-SchGO, wird die Entscheidung des Schiedsgutachters endgültig bindend. Nach § 17.6 DIS-SchGO soll eine Entscheidung des Schiedsgutachters innerhalb von vier Wochen nach der mündlichen Verhandlung oder dem Eingang des letzten Schriftsatzes getroffen werden. Die Höchstdauer des Verfahrens nach §§ 17.6, 26.2 DIS-SchGO ist im Grundsatz sechs Monate. 74
§ 20 DIS-SchGO betrifft vorläufige Anordnungen durch den Schiedsgutachter, die noch vor der abschließenden Entscheidung getroffen werden können.
75
§ 27 DIS-SchGO regelt vorsorglich die Hemmung der Verjährung; sonst würden wohl §§ 204 Abs. 1 Nr. 4b), 8 BGB zur Anwendung kommen.
76
Nach § 28 DIS-SchGO sind Schiedsgutachter, Parteien und die DIS zur Vertraulichkeit verpflichtet.
77
Die Kosten des Verfahrens ergeben sich auch § 30 DIS-SchGO und der Anlage Kostentabelle. Der/die Schiedsgutachter werden nach Zeitaufwand vergütet, wobei der – nicht zwingende – Stundensatz 300 Euro beträgt. Der Schiedsgutachter hat zudem Anspruch auf Erstattung von Auslagen. Die Gebühren der DIS sind gering. § 30.1 DIS-SchGO sieht eine Kostenentscheidung vor; grundsätzlich hat die erfolgreiche Partei einen Kostenerstattungsanspruch gegen die unterlegene Partei.
78
Bei administrierten Streitbeilegungsverfahren gibt es typischerweise keinen schriftlichen Vertrag der Parteien mit dem neutralen Dritten. Der Vertrag kommt vielmehr konkludent und formlos zustande, indem die Institution für die Parteien auftritt und für sie den Vertrag abschließt. Dies entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsgerichtsverfahren (dazu z.B. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 117 ff.). Juristisch ist die Konstruktion zwar durchaus fragwürdig, doch hat es bisher wohl keine nennenswerten Probleme in der Praxis gegeben. Von daher erscheint es nicht erforderlich, bei DIS-Schiedsgutachtenverfahren von dieser Praxis abzuweichen.
79
Die Parteien schließen außerdem formlos und konkludent einen Vertrag mit der DIS über die Administration des Verfahrens. Das entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsgerichtsverfahren (zu Schiedsgerichtsbarkeit siehe Bandel, Kap. 24 Rz. 51), wo es mit diesem Vorgehen bisher keine nennenswerten Probleme gegeben hat. Bei einem DISSchiedsgutachtenverfahren kann deshalb wohl auch entsprechend verfahren werden.
80
Lt. Statistik der DIS hat es bisher einige DIS-Schiedsgutachtenverfahren gegeben.1
II. Muster 81
M 27.4 Vereinbarung der DIS-SchGOA1 1. Im ursprünglichen VertragA2 §… Streitbeilegung (1) Hinsichtlich aller Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, wird ein Schiedsgutachtenverfahren gemäß der Schiedsgutachtensordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS-SchGO“ bzw. „DIS“) durchgeführt.A3, A4 Der 1 http://www.disarb.org/de/39/content/statistik-id66.
526
Mahnken
M 27.4
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 86 Kap. 27
Schiedsgutachter darf hinsichtlich der Gegenstände des Schiedsgutachtenverfahrens mit den Parteien nicht getrennt kommunizieren.A5 (2) Werden Streitigkeiten durch das Schiedsgutachtenverfahren nicht beigelegt, werden sie nach der Schiedsgerichtsordnung der DISA6 endgültig entschieden; im Fall der Nichtbeachtung der Bindungswirkung einer nach der DIS-SchGO ergangenen Entscheidung unter Einbeziehung der Ergänzenden Regeln für beschleunigte Verfahren der DIS, wobei in diesem Fall auch der ordentliche Rechtsweg offensteht.A7 2. Nachträgliche Vereinbarung für eine bereits entstandene StreitigkeitA8 Schiedsgutachtenvereinbarung (1) Die Parteien vereinbaren, ein Schiedsgutachtenverfahren nach der Schiedsgutachtensordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS-SchGO“ bzw. „DIS“) durchzuführen im Hinblick auf folgende Streitigkeit: … (Bezeichnung der Streitigkeit).A9 (2) Zum Schiedsgutachter benennen die Parteien … (Bezeichnung der Person mit den erforderlichen Details)A10
Anmerkungen zu Muster M 27.4 A1 Die Regelung orientiert sich an der DIS-Musterklausel (siehe http://disarb.org/de/17/ klauseln/dis-schiedsgutachtens-und-schiedsvereinbarung-10-id16).
82
A2 Auch beim Schiedsgutachtenverfahren stellt sich die Frage, ob es erst vereinbart wer- 83 den sollte, wenn der Konflikt schon entstanden ist oder bereits im ursprünglichen Vertrag für alle sich daraus ergebenden Streitigkeiten. Insbesondere bei Großprojekten des Baus und des Anlagenbaus scheint es sinnvoll, ein DIS-Schiedsgutachtenverfahren und damit Ad-hoc-Adjudikation (hier als Gegensatz zur projektbegleitenden Adjudikation verstanden, die unter Abschnitt F. [Rz. 92 ff.] behandelt wird) im ursprünglichen Vertrag zu vereinbaren, damit eine schnelle Streitbeilegung ermöglicht wird, deren Ergebnisse noch in der Projektabwicklung berücksichtigt werden können. Dies gilt für Konsortial- und Nachunternehmerverträge, aber auch für Verträge des Auftraggebers mit dem Auftragnehmer, sofern bei letzteren kein projektbegleitendes, ständiges Dispute Adjudication Board vereinbart wird, da mit einer größeren Anzahl von Konflikten gerechnet wird (dazu auch Köntges/Mahnken, SchiedsVZ 2010, 310 [315]; siehe außerdem unter Abschnitt F. [Rz. 92 ff.]). A3 Wird die Schiedsgutachtenregelung bereits im ursprünglichen Vertrag der Parteien getroffen, ist es in aller Regel nicht sinnvoll, die Person des Schiedsgutachters festzulegen. Es ist in aller Regel nicht absehbar, ob es Streitigkeiten geben wird und wie sie aussehen werden, insbesondere wie umfangreich und komplex sie sein werden. Die Person des Schiedsgutachters sollte in diesem Fall erst festgelegt werden, nachdem die Streitigkeit entstanden ist, da dann besser zu erkennen ist, welche Voraussetzungen der Schiedsgutachter mitbringen sollte (Erfahrung, juristischer oder nichtjuristischer Hintergrund etc.).
84
A4 Soll ein Dreiergremium gebildet werden, so kann das durch folgende zusätzliche Re- 85 gelung geschehen: „Es wird ein aus drei Schiedsgutachtern bestehendes Schiedsgutachtergremium gebildet“. A5 Dem Schiedsgutachter sollte Ex Parte-Kommunikation nicht gestattet sein. Da die 86 DIS-SchGO diesen Aspekt nicht regelt, erscheint es sinnvoll, den Aspekt vertraglich zu regeln.
Mahnken 527
Kap. 27 Rz. 87
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 27.4
87
A6 Die Parteien sollten sich überlegen, ob für die abschließende Entscheidung in dem Konflikt die ordentlichen Gerichte oder ein Schiedsgericht zuständig sein sollen, falls das DIS-Schiedsgutachtenverfahren scheitert (dazu Bandel, Kap. 22 Rz. 11 ff.). Wird Schiedsgerichtsbarkeit gewählt, ist eine mehrstufige Streitbeilegungsregelung erforderlich.
88
A7 In der DIS-Musterklausel wird bei Nichtbeachtung der Entscheidung des Schiedsgutachters auch die Möglichkeit eingeräumt, zu den ordentlichen Gerichten zu gehen, da es eventuell möglich ist, eine Entscheidung im Urkundenprozess herbeizuführen (Harbst/ Mahnken, SchiedsVZ 2005, 34 [39 f.]).
89
A8 S. Anm. A2 (Rz. 83).
90
A9 Falls durch das Schiedsgutachtenverfahren keine Streitbeilegung erreicht wird, können beide Parteien ein Gerichtsverfahren – oder ein Schiedsgerichtsverfahren, sofern es vereinbart worden ist – einleiten.
91
A10 Wird die Durchführung des Schiedsgutachtenverfahrens erst nach Entstehen der Streitigkeit vereinbart, können die Parteien in der Vereinbarung auch schon die Person des Schiedsgutachters festlegen. Mit dem entsprechenden Kandidaten sollte allerdings zuvor geklärt werden, ob er zur Verfügung steht und ob kein Interessenkonflikt besteht.
F. DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation I. Einführung 92
Die DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation (DIS-AVO), in Kraft seit dem 1.7.2010,1 unterscheidet sich insofern von den anderen Verfahrensordnungen der DIS, als der neutrale Dritte bereits zu Projektbeginn – und damit bevor eine Streitigkeit entstanden ist – langfristig für die Dauer des Projekts benannt wird (§ 2 und § 31 DIS-AVO) und nicht nur für die Beilegung einer konkreten Streitigkeit. Das Konzept, den neutralen Dritten langfristig für die Projektdauer einzusetzen, stammt aus den USA, wo seit einigen Jahrzehnten im Rahmen von großen Infrastrukturvorhaben sogenannte Dispute Review Boards (andere Bezeichnung: Dispute Resolution Boards, Abkürzung für beide: DRB) eingesetzt werden, die im Hinblick auf Streitigkeiten Empfehlungen aussprechen.2 Aus der Kombination des DRB-Ansatzes einer langfristigen Einsetzung des neutralen Dritten „in Bereitschaft“ mit der vorläufigen Verbindlichkeit der Entscheidung des neutralen Dritten gemäß der aus England stammenden (Construction) Adjudication3 ist das Dispute Adjudication Board (abgekürzt: DAB) entstanden, das international eine gewisse Bedeutung vor allem bei Baugroßprojekten erlangt hat. Die Reformkommission Bau von Großprojekten des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hat sich in ihrem Endbericht von 2015 dafür ausgesprochen, bei Infrastrukturprojekten verstärkt auf ADR zu setzen und erwähnt ausdrücklich Adjudikation.4 Die DIS bietet mit der DIS-AVO ein von DAB-Verfahren an, bei dem sie – vor allem in der Anfangsphase – administrative Unterstützung leistet.
1 http://disarb.org/de/16/regeln/dis-verfahrensordnung-f%C3%BCr-adjudikation-10-id26; zum Folgenden auch Köntges/Mahnken, SchiedsVZ 2010, 310. 2 Dazu z.B. Oelsner, Dispute Boards, S. 49 ff., Rz. 93 ff. 3 S. dazu unter Abschnitt E. (Rz. 68 ff.). 4 BMVI, Reformkommission Bau von Großprojekten, Endbericht, 2015, S. 9, S. 64; abrufbar unter: http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/reformkommission-bau-grossprojekte-endbericht .html.
528
Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 99 Kap. 27
Voraussetzung für die Einsetzung eines DAB nach der DIS-AVO ist eine entsprechende Ver- 93 einbarung der Parteien. Eine Form ist dafür nicht vorgeschrieben, doch sollte aus Beweisund Dokumentationsgründen zumindest die Textform gemäß § 126b BGB gewahrt werden. Nach § 3.1 DIS-AVO ist als Normalfall ein aus drei Mitgliedern bestehendes DAB vor- 94 gesehen; insofern gibt es eine Abweichung zur DIS-SchGO (siehe dazu unter Abschnitt E. [Rz. 68 ff.]). Die Parteien haben gemeinsam die ersten beiden DAB-Mitglieder zu benennen. Das dritte DAB-Mitglied wird den Parteien von den beiden zuerst benannten DAB-Mitgliedern vorgeschlagen und bedarf der Zustimmung der Parteien. Benennungen von DAB-Mitgliedern erfolgen auf Antrag einer Partei durch die DIS, falls es zu keiner Einigung der Parteien kommt. Bei der Benennung des Dreiergremiums wird mehr Wert auf eine Konsenslösung gelegt als bei der DIS-SchGO, da die Benennung bei der DIS-AVO zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem es typischerweise noch keine Konflikte zwischen den Parteien und damit auch kein gesteigertes Misstrauen zwischen ihnen gibt. Die Benennung eines (projektbegleitenden) Einzeladjudikators ist in § 4.1 DIS AVO geregelt. § 6.1-6.6 DIS-AVO sehen eine zügige Einarbeitung des DAB vor, bevor es Streitigkeiten zwi- 95 schen den Parteien gibt. § 6.7 DIS-AVO regelt ein vorbeugendes Tätigwerden des DAB zur Vermeidung von Streitigkeiten. Das DAB kann insofern auf Wunsch einer Partei oder auf eigene Initiative handeln. Ein formelles Streitentscheidungsverfahren dauert normalerweise nicht mehr als fünf 96 Monate (§ 17.6 DIS-AVO) und ist damit einen Monat kürzer als das Verfahren nach der DISSchGO. Ansonsten ist es weitgehend identisch mit dem Verfahren nach der DIS-SchGO. Das ist auch daran erkennbar, dass die §§ 8–29 in beiden Verfahrensordnungen nahezu wortgleich sind. Auch ansonsten war es das Konzept der DIS, dass die beiden Verfahrensordnungen möglichst identisch sein sollten und es Abweichungen nur aus zwingenden Gründen geben sollte. Auf die obigen Ausführungen zur DIS-SchGO kann deshalb verwiesen werden, soweit es um Regelungen geht, bei denen es keine Unterschiede zwischen den beiden Verfahrensordnungen gibt. Die Tätigkeit des DAB lässt sich in folgende Etappen unterteilen: 1. Einarbeitung, Vertrautmachen mit dem Projekt. 2. Vermeidung von und Vorbeugung gegen Streitigkeiten. 3. Formelle Entscheidung von Streitigkeiten.
97
Die Adjudikatoren erhalten neben der zeitabhängigen Vergütung eine monatliche Grundvergütung (insbes. wegen ihrer Verfügbarkeit, insoweit anders als DIS-SchGO) sowie Erstattung der erforderlichen Auslagen (§ 30 DIS-AVO und Kostentabelle). Als einheitlicher Stundensatz sind 300 Euro vorgesehen, sofern nichts anderes vereinbart wird (s.a. § 30.3 DIS-AVO). Jede Partei zahlt die Hälfte der Kosten der Adjudikatoren (§ 30.10 DIS-AVO) und trägt die eigenen Kosten (§ 30.12 DIS-AVO). Insoweit gibt es wieder eine Abweichung zur DIS-SchGO, da die projektbegleitende Adjudikation als partnerschaftlicher und weniger kontradiktorisch angesehen wurde.
98
Die Beendigung der Adjudikatorentätigkeit ist in § 31 DIS AVO geregelt. 99 Im Gegensatz zu den anderen DIS-Verfahrensordnungen ist im Rahmen der DIS-AVO vorgesehen, dass die Parteien und DAB-Mitglieder einen schriftlichen Adjudikatorendienstvertrag abschließen „sollen“ (s. § 4.9 DIS-AVO), für den es ein Muster in Anlage 2 zur DISAVO gibt. Die Parteien schließen außerdem formlos und konkludent einen Vertrag mit der DIS über die Administration des Verfahrens. Das entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Mahnken 529
Kap. 27 Rz. 100
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 27.5
Schiedsgerichtsverfahren (zur Schiedsgerichtsbarkeit Bandel, Kap. 24 Rz. 51), wo es mit diesem Vorgehen bisher keine nennenswerten Probleme gegeben hat. Bei einem DIS-Adjudikationsverfahren kann deshalb wohl auch entsprechend verfahren werden. 100
Lt. Statistik der DIS hat es bisher allerdings noch keine Einsetzung eines DAB nach der DIS-AVO gegeben.
II. Muster 101
M 27.5 Vereinbarung der DIS-AVOA1 §… Dispute Adjudication Board (1) Die Parteien vereinbaren, zur Beilegung aller Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, ein Dispute Adjudication Board („DAB“) einzusetzen gemäß der Verfahrensordnung für Adjudikation der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS-AVO“ bzw. „DIS“), die hiermit Bestandteil dieser Vereinbarung wird. (2) Zum Adjudikatoren benennen die Parteien … (Bezeichnung der drei Personen mit den erforderlichen Details), wobei Herr/Frau … den Vorsitz des DAB übernehmen soll.A2 (3) Adjudikatoren dürfen hinsichtlich des Gegenstands einer Meinungsverschiedenheit oder eines formellen Streitverfahrens mit den Parteien nicht getrennt kommunizieren.A3 §… Schiedsgericht Streitigkeiten, die im Rahmen eines formellen Adjudikationsverfahrens nicht beigelegt werden, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der DIS endgültig entschieden;A4 im Fall der Nichtbeachtung der Bindungswirkung einer nach der DIS-AVO ergangenen Entscheidung unter Einbeziehung der Ergänzenden Regeln für beschleunigte Verfahren der DIS, wobei in diesem Fall auch der ordentliche Rechtsweg offensteht.A5
Anmerkungen zu Muster M 27.5 102
A1 Die Regelung orientiert sich am Mustertext der DIS (siehe http://disarb.org/de/17/klau seln/dis-adjudikations-und-schiedsvereinbarung-10-id20).
103
DABs sind – vor allem wegen der Grundvergütung der Adjudikatoren – mit gewissen Kosten verbunden. Sie kommen vor allem bei Großprojekten in Frage, soweit bei ihnen bereits bei Projektbeginn vorauszusehen ist, dass es eine gewisse Anzahl an Konflikten während der Projektabwicklung geben wird, die bilateral nicht (schnell) gelöst werden können, die im Interesse des Projekts aber möglichst schnell beigelegt werden müssen (dazu auch Köntges/Mahnken, SchiedsVZ 2010, 310 [315]). Dies erklärt auch den bisherigen Hauptanwendungsbereich von DABs bei großen Infrastrukturprojekten. Inwieweit auch außerhalb davon ein Bedarf für die Einsetzung von DABs besteht, wird sich zeigen. Handelt es sich um ein Projekt, bei dem die Parteien eher damit rechnen, dass es keine Konflikte geben wird, die sich nicht bilateral lösen lassen, sich insoweit aber nicht sicher sind, bietet sich die Vereinbarung einer Ad hoc-Adjudikation gemäß der DIS-SchGO an (siehe dazu die Ausführungen unter Abschnitt E. [Rz. 68 ff.]). Ein projektbegleitendes Einer-DAB, das von der DIS-AVO als Alternative zum Dreiergremium vorgesehen wird, dürf530
Mahnken
M 27.5
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 109 Kap. 27
te dagegen nur in seltenen Ausnahmefällen sinnvoll sein. Sofern die Parteien ein derartiges Einer-DAB wünschen, könnte die Regelung lauten: „Das DAB besteht aus einer Person. Zum Adjudikator benennen die Parteien … (Bezeichnung der Person mit den erforderlichen Details.) A2 Da das DAB möglichst zügig tätig werden soll, ist es hilfreich, wenn sich die Parteien 104 bereits bei Abschluss der Vereinbarung über das DAB über die Personen einigen, mit denen das DAB besetzt wird. Sie sollten auf Interdisziplinarität des Gremiums achten (in der Regel: ein Jurist als Vorsitzender des DAB und zwei Nichtjuristen als weitere Mitglieder). Die Parteien sollten ferner überlegen, auf welchen Fachgebieten es voraussichtlich Konflikte geben wird und danach insbesondere die Nichtjuristen auswählen. A3 Den Adjudikatoren sollte Ex Parte-Kommunikation nicht gestattet sein. Da die DISAVO diesen Aspekt nicht regelt, ist eine vertragliche Regelung sinnvoll.
105
A4 Die Parteien sollten sich überlegen, ob für die abschließende Entscheidung die or- 106 dentlichen Gerichte oder ein Schiedsgericht zuständig sein sollen, falls das DAB bei der Streitbeilegung nicht erfolgreich ist (siehe dazu Bandel, Kap. 22 Rz. 11 ff.). Wird Schiedsgerichtsbarkeit gewählt, ist eine mehrstufige Streitbeilegungsregelung erforderlich. A5 In der DIS-Musterklausel wird bei Nichtbeachtung der Entscheidung des DABs auch die 107 Möglichkeit eingeräumt, zu den ordentlichen Gerichten zu gehen, da es eventuell möglich ist, eine Entscheidung im Urkundenprozess herbeizuführen (Harbst/Mahnken, SchiedsVZ 2005, 34 [39 f.]).
G. DIS-Konfliktmanagementordnung I. Einführung Die Wahl des optimalen Streitbelegungsverfahrens ist nicht einfach. Es gibt mittlerweile 108 eine größere Zahl unterschiedlicher Streitbeilegungsverfahren. Nicht alle sind bei den potentiellen Nutzern ausreichend bekannt. Es gibt auch nicht ein Streitbeilegungsverfahren, das sich für alle Streitigkeiten eignet. Umgekehrt sollte es aber für jede Streitigkeit ein optimales Streitbeilegungsverfahren geben.1 Oft ist es den Parteien nicht möglich, das passende Verfahren bereits im Ausgangsvertrag festzulegen, da sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehen lässt, ob und welche Streitigkeiten es während der Vertragsabwicklung geben wird. Ist die Streitigkeit entstanden, verhindern oder erschweren oft Misstrauen und taktische Überlegungen der Parteien eine vernünftige Vereinbarung in Bezug auf ein Streitbeilegungsverfahren. Das hat die DIS dazu veranlasst, seit dem 1.5.2010 die DIS-Konfliktmanagementordnung2 anzubieten. In dem DIS-Konfliktmanagementverfahren (DIS-KMO) geht es darum, mit Hilfe eines neutralen Dritten – des Konfliktmanagers – für eine konkrete Streitigkeit das optimale Streitbeilegungsverfahren zu finden (siehe § 2 DIS-KMO). Es handelt sich um ein innovatives Konzept, denn andere Streitbeilegungsinstitutionen, die wie die DIS eine größere Zahl von Streitbeilegungsverfahren anbieten, sehen ein derartiges Verfahren bisher nicht vor. Voraussetzung für ein Konfliktmanagementverfahren ist eine Vereinbarung der Parteien über ein derartiges Verfahren, die mündlich erfolgen kann, aber aus Beweisgründen zumindest in Textform gemäß § 126b BGB getroffen werden sollte. 1 Stubbe, SchiedsVZ 2009, 321 2 http://disarb.org/de/16/regeln/dis-konfliktmanagementordnung-10-kmo-id18; s. zur DIS-KMO auch Scherer, SchiedsVZ 2010, 122.
Mahnken 531
109
Kap. 27 Rz. 110
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
110
Die Einleitung des Konfliktmanagementverfahrens ist in § 3 DIS-KMO geregelt. Benennung und Bestellung des Konfliktmanagers werden in § 4.1 DIS-KMO behandelt. Übereinstimmende Wünsche der Parteien hinsichtlich der Person des Konfliktmanagers sollen berücksichtigt werden. Die Bestellung erfolgt durch den Generalsekretär der DIS. Der Konfliktmanager muss unabhängig und unparteiisch sein (§ 4.1 DIS-KMO).
111
Anschließend findet ein gemeinsamer Erörterungstermin des Konfliktmanagers mit den Parteien statt (§ 6 DIS-KMO), in dem eine Einigung in Bezug auf einen Konfliktmanagementplan (§ 7 DIS-KMO) erzielt werden soll. Der Konfliktmanager berät die Parteien und kann Empfehlungen geben. Eine Entscheidungsbefugnis hat er nicht. Seine Rolle entspricht also in etwa der des neutralen Dritten bei Mediation oder Schlichtung. Der Konfliktmanagementplan hat die in § 7.2 DIS KMO genannten Punkte zu regeln, kann jedoch auch noch weitere in § 7.3 DIS-KMO genannten Punkte umfassen. Denkbar ist auch, dass eine Kopplung mehrerer ADR-Verfahren vereinbart wird, falls das im konkreten Fall sinnvoll ist.
112
Die Beendigung des Konfliktmanagementverfahrens regelt § 8 DIS-KMO. Im Idealfall wird ein Konfliktmanagementplan vereinbart. Ein einseitiges Beendigungsrecht der Parteien ist in § 8.1 Abs. 2 DIS-KMO vorgesehen, das an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Durch § 8 DIS-KMO ist sichergestellt, dass das Konfliktmanagementverfahren von jeder Partei nach wenigen Wochen beendet werden kann, wenn sie mit seinem Verlauf nicht zufrieden ist. Die Gefahr einer längeren Hängepartie ist nicht gegeben.
113
Die Hemmung der Verjährung regelt § 9 DIS-KMO. Die für Parteien, Konfliktmanager und DIS geltende Vertraulichkeit ist in § 10 DIS-KMO geregelt. Eine Hemmung der Verjährung nach §§ 203, 204 BGB würde wohl nicht eintreten.
114
Die Kosten sind in § 11 DIS-KMO und der Anlage Kostentabelle geregelt. Der Konfliktmanager erhält eine pauschale Vergütung von 2500 Euro, sofern es nicht mehr als einen Erörterungstermin gibt. Er hat zudem Anspruch auf Erstattung bestimmter Auslagen. Die DIS-Gebühren sind niedrig. Die Parteien haben die Kosten zu gleichen Teilen zu tragen (§ 11.3 DIS-KMO).
115
Bei administrierten Streitbeilegungsverfahren gibt es typischerweise keinen schriftlichen Vertrag der Parteien mit dem neutralen Dritten. Der Vertrag mit dem neutralen Dritten kommt vielmehr konkludent und formlos zustande, indem die Institution für die Parteien auftritt und für sie den Vertrag abschließt. Dies entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsgerichtsverfahren (dazu z.B. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 117 ff., S. 44 f.). Juristisch erscheint die Konstruktion zwar durchaus fragwürdig, doch hat es bisher wohl keine nennenswerten Probleme in der Praxis gegeben – insbesondere auch nicht bei den Schiedsgerichtsverfahren. Von daher scheint es vertretbar, auch bei einem DIS-Konfliktmanagementverfahren so vorzugehen.
116
Die Parteien schließen außerdem formlos einen Vertrag mit der DIS über die Administration des Verfahrens. Das entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsverfahren (dazu Bandel, Kap. 24 Rz. 51), wo es bisher keine nennenswerten Probleme mit dieser Praxis gegeben hat. Eines schriftlichen Vertrages bedarf es deshalb wohl auch beim DIS-Konfliktmanagementverfahren nicht.
117
In der Praxis war die DIS-KMO bisher (leider) noch nicht sehr populär. Es gab bislang nur ein Verfahren.1
1 http://www.disarb.org/de/39/content/statistik-id66.
532
Mahnken
M 27.6
ADR-Verfahrensordnungen der DIS
Rz. 121 Kap. 27
II. Muster M 27.6 Vereinbarung der DIS-KMOA1
118
1. Im ursprünglichen VertragA2, A3 §… Konfliktmanagementverfahren (1) Hinsichtlich aller Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, wird ein Konfliktmanagementverfahren gemäß der Konfliktmanagementordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS-KMO“ bzw. „DIS“) durchgeführt mit dem Ziel der Festlegung eines Streitbeilegungsverfahrens für die jeweilige Streitigkeit. (2) Getrennte inhaltliche Gespräche des Konfliktmanagers mit nur einer Partei im Hinblick auf den Gegenstand des Konfliktmanagementverfahrens sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung der anderen Partei statthaft.A4 (3) Jede Partei hat jederzeitA5 das Recht, das Konfliktmanagementverfahren durch einseitige Erklärung gegenüber der anderen Partei zu beenden. Die Erklärung bedarf der Text- oder Schriftform. 2. Nachträgliche Vereinbarung für eine bereits entstandene StreitigkeitA6 Vereinbarung eines Konfliktmanagementverfahrens (1) Mit dem Ziel der Festlegung eines Streitbeilegungsverfahrens vereinbaren die Parteien, ein Konfliktmanagementverfahren nach der Konfliktmanagementordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS-KMO“ bzw. „DIS“) durchzuführen im Hinblick auf folgende Streitigkeit: … (Bezeichnung der Streitigkeit) (2) Zum Konfliktmanager benennen die Parteien … (Bezeichnung der Person mit den erforderlichen Details)A3 (3) Getrennte inhaltliche Gespräche des Konfliktmanagers mit nur einer Partei im Hinblick auf den Gegenstand des Konfliktmanagementverfahrens sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung der anderen Partei statthaft.A4 (4) Jede Partei hat jederzeit das Recht, das Konfliktmanagementverfahren durch einseitige Erklärung gegenüber der anderen Partei zu beenden. Die Erklärung bedarf der Text- oder Schriftform.A5
Anmerkungen zu Muster M 27.6 A1 Die Musterklausel orientiert sich an dem Mustertext der DIS. Das DIS-Muster der Konfliktmanagementvereinbarung ist abrufbar unter http://disarb.org/de/17/klauseln/dis-kon fliktmanagementvereinbarung-10-id18.
119
A2 Die Vereinbarung der DIS-KMO kann sowohl im ursprünglichen Vertrag für alle 120 Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag erfolgen als auch nach Auftreten eines Konflikts nur in Bezug auf diesen. A3 Wird das DIS-Konfliktmanagementverfahren erst nach Entstehen der Streitigkeit ver- 121 einbart, können die Parteien sich auch schon über die Person des Konfliktmanagers eini-
Mahnken 533
Kap. 27 Rz. 122
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 27.6
gen. Mit dem entsprechenden Kandidaten sollte allerdings zuvor geklärt werden, ob er zur Verfügung steht und ob kein Interessenkonflikt besteht. Wird die DIS-KMO bereits im ursprünglichen Vertrag der Parteien vereinbart, ist es in aller Regel nicht sinnvoll, die Person des Konfliktmanagers festzulegen. Es ist in aller Regel nicht absehbar, ob es Streitigkeiten geben wird und wie sie aussehen werden, insbesondere wie umfangreich und komplex sie sein werden. Die Person des Konfliktmanagers sollte in diesem Fall erst festgelegt werden, nachdem die Streitigkeit entstanden ist. 122
A4 Dem Konfliktmanager sollte Ex Parte-Kommunikation im Grundsatz nicht gestattet sein. Die DIS-KMO regelt diesen Aspekt nicht, weshalb es in Betracht kommt, den Aspekt in der Streitbeilegungsregelung zu behandeln. Organisationen und Institutionen wie die Dispute Resolution Board Foundation (abgekürzt: DRBF), die sich für eine Verbreitung der Streitvermeidung und –beilegung durch DBS einsetzen, versuchen zwar, die Einhaltung bestimmter ethischer Grundsätze durch DB-Mitglieder zu erreichen (s. dazu DRBF Practices and Procedures Manual http://www.drb.org/manual.htm; zur Unzulässigkeit von Ex ParteKommunikation s. Canon 2 Ziff. 1.6 und 2.10.2); da es sich beim DB aber um eine relativ neue Form der Streitbeilegung handelt, die zudem interdisziplinär ist, erscheint die ausdrückliche Regelung dieses besonders wichtigen Punktes sinnvoll.
123
A5 Es kommt durchaus in Betracht, eine weitergehende einseitige Beendigungsmöglichkeit vorzusehen als in § 8.1 Abs. 2 DIS-KMO geregelt, denn warum soll eine Partei, die eine Konfliktmanagementverfahren im konkreten Fall nicht will, gezwungen sein, mit der Beendigung zu warten, bis es ein bestimmtes Verfahrensstadium erreicht hat.
124
A6 S. Anm. A1 (Rz. 119), Anm. A2 (Rz. 120) und Anm. A3 (Rz. 121).
534
Mahnken
Kapitel 28
Die ADR-Verfahrensordnungen der ICC
A. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. ICC Mediations-Regeln I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 28.1 Vereinbarung der ICC Mediations-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . C. ICC Rules for the Administration of RExpert Proceedings I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 28.2 Nachträgliche Vereinbarung der ICC RAdExPro für eine bereits entstandene Streitigkeit . . . . . . . .
1 4 17 17
25 33
D. ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise (ICC DOCDEX Rules) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 28.3 Nachträgliche Vereinbarung des ICC DOCDEX-Verfahrens. . . . . . E. ICC Dispute Board Rules I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 28.4 Vereinbarungen zum Dispute Adjudication Board . . . . . . . . . . .
38 45 45 48 62 62
33
Literatur: Behme/Probst, Die neuen Mediationsregeln der ICC – ein Meilenstein für die administrierte Mediation?, ZKM 2014, 11; Chern, Chern on Dispute Boards, 3. Aufl. 2015; Greger/Stubbe, Schiedsgutachten, 2007; Harbst/Mahnken, Adjudication und Dispute Review Boards nach den neuen ICC Regeln, SchiedsVZ 2005, 36; Koch, ICC’s New Dispute Board Rules, ICC International Court of Arbitration Bulletin Vol. 15/No. 2, 2004, 10; Mahnken, Die neuen ICC Dispute Board Rules als Schlussetappe der Überarbeitung der ADR-Verfahrensordnungen der ICC, SchiedsVZ 2016, 30; Oelsner, Dispute Boards, 2014; Ostendorf/Kluth (Hrsg.), Internationale Wirtschaftsverträge, 2013; Owen/Totterdill, Dispute Boards, 2007.
A. Vorbemerkungen Wird in einem deutschen Vertrag keine Streitbeilegungsregelung getroffen, sind deutsche 1 Gerichte zur Streitbeilegung zuständig. Das mag gewisse Nachteile haben, es besteht aber kein Zweifel, dass deutsche Gerichte unabhängig und unparteiisch sind und in vertretbarer Zeit eine Entscheidung fällen. Bei ausländischen Gerichten hat man diese Gewissheit oft nicht; schon bei einigen EU- und OECD-Ländern bestehen erhebliche Zweifel. Bei der Gerichtsbarkeit von etlichen Ländern außerhalb von EU und OECD dürften die Zweifel noch wachsen. Bei Verträgen mit internationalem Bezug ist die Regelung zur Streitbeilegung deshalb wichtiger als bei innerdeutschen Verträgen. Bei Verträgen mit internationalem Bezug sollte allerdings die Schiedsgerichtsklausel eine höhere Priorität haben als eine Regelung zu ADR. Da internationale Schiedsgerichtsverfahren aber recht lange dauern können und nicht gerade kostengünstig sind, sollten beide Vertragsparteien nicht nur ein Interesse an einer akzeptablen Schiedsgerichtsklausel als Regelung der ultima ratio haben, sondern auch an einer ADR-Regelung, die meist zu einer schnelleren und kostengünstigeren Streitbeilegung führt und oft ein Schiedsgerichtsverfahren erübrigt.
2
Für die International Chamber of Commerce (ICC, Sitz: Paris) ist die Streitbeilegung ei- 3 nes ihrer Hauptbetätigungsfelder. Bekannt ist sie vor allem als Schiedsgerichtsinstitution (s. dazu Bandel, Kap. 24 Rz. 108 ff.). Sie bietet aber seit den 1970er Jahren auch ADR-Verfahren an. Aktuell gibt es die ICC Mediations-Regeln, die ICC Rules for the Administration of Expert Proceedings, die ICC DOCDEX Rules und die ICC Dispute Board Rules. Im Rah-
Mahnken 535
Kap. 28 Rz. 4
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
men der ADR-Verfahren wird für die ICC das Internationale Zentrum für ADR (International Centre for ADR; nachfolgend „Zentrum“ genannt) tätig.
B. ICC Mediations-Regeln I. Einführung 4
Die ICC Mediations-Regeln1 sind am 1.1.2014 in Kraft getreten. Sie sind an die Stelle der ICC ADR Rules getreten. Die ICC Mediations-Regeln werden ergänzt durch die Mediation Guidance Notes, die eine Empfehlung darstellen und deshalb nicht automatisch zur Anwendung kommen, auch wenn die ICC Mediations-Regeln vereinbart sind. Wollen die Parteien sicherstellen, dass auch nach den Mediation Guidance Notes verfahren wird, müssen sie es vereinbaren. Von den ICC Mediation Guidance Notes liegt eine deutschsprachige Version bisher noch nicht vor.2
5
Die ICC Mediations-Regeln enthalten keine Definition der Mediation und sind etwas nebulös in Bezug auf den Begriff „Mediation“ und damit auf die Frage, welche Verfahren auf ihrer Basis durchgeführt werden können (Art. 1 UA 3 ICC Mediations-Regeln). Nach Fußnote 2 Mediation Guidance Notes soll – neben der eigentlichen Mediation – jedenfalls auch Schlichtung („conciliation“) erfasst sein.3 Immerhin sind die ICC Mediation Guidance Notes hinsichtlich des Begriffs der Mediation konkreter. Nach Ziff. 1 ICC Mediation Guidance Notes stellt die Mediation ein Verfahren dar, bei dem mit Hilfe eines neutralen Dritten, des Mediators, eine Verhandlungslösung zwischen den Parteien erreicht werden soll.
6
Voraussetzung für eine Mediation nach den ICC Mediations-Regeln ist eine entsprechende Vereinbarung der Parteien,4 die wohl im Regelfall schriftlich abgeschlossen worden sein muss.5
7
Die Einleitung des Mediationsverfahrens wird in Art. 2 und 3 ICC Mediations-Regeln behandelt. Der Mediator sollte im Grundsatz von den Parteien ausgewählt werden (Art. 5 UA 1 ICC Mediations-Regeln). Das ICC Zentrum macht ggf. Vorschläge (Art. 5 UA 2 ICC Mediations-Regeln). Wenn die Parteien sich nicht auf eine Person einigen können, kann das Zentrum einen Mediator bestimmen (Art. 5 UA 2 ICC Mediations-Regeln). Eine Mediation, bei der es ja am Ende eine Einigung in der Sache geben soll, dürfte allerdings unter keinem guten Stern stehen, wenn die Parteien sich nicht einmal auf einen Mediator einigen können. Nach Art. 5 UA 6 ICC Mediations-Regeln können auch mehrere Mediatoren benannt werden. Unabhängigkeit und Neutralität des Mediators ergeben sich aus Art. 5 UA 3 ICC Mediations-Regeln.
1 http://www.iccwbo.org/products-and-services/arbitration-and-adr/mediation/rules/; auf Deutsch abrufbar unter: http://www.iccwbo.org/Products-and-Services/Arbitration-and-ADR/Mediation/Rules/ICCMediation-Rules-and-Guidance-Notes-in-several-languages/; s. dazu auch Behme/Probst, ZKM 2014, 11, und Mahnken, SchiedsVZ 2016, 30 (34 f.). 2 http://www.iccwbo.org/Products-and-Services/Arbitration-and-ADR/Mediation/Rules/ICC-MediationRules-and-Guidance-Notes-in-several-languages/. 3 Kritisch zu diesem Vorgehen und dem etwas diffusen Mediationsbegriff in den ICC Mediations-Regeln Mahnken, SchiedsVZ 2016, 30 (34). 4 Art. 2 UA 1 ICC Mediations-Regeln. 5 Art. 2 UA 1 lit. h) ICC Mediations-Regeln; s. aber auch die Variante in Art. 3 ICC Mediations-Regeln.
536
Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der ICC
Rz. 14 Kap. 28
Der Ablauf des Mediationsverfahrens wird in Art. 7 ICC Mediations-Regeln nur rudi- 8 mentär geregelt.1 Die Mediation Guidance Notes gehen insoweit etwas mehr ins Detail (Ziff. 11 ff. Mediation Guidance Notes). Ein separates Treffen des Mediators mit nur einer Partei – ein Caucus – wird z.B. in den ICC Mediations-Regeln nicht behandelt; nach Ziff. 4 u. 12 Mediation Guidance Notes ist ein Caucus möglich; die Zustimmung der anderen Partei(en) wird allerdings nicht zur Voraussetzung gemacht, was bedenklich ist, da der Caucus in der Mediationsszene durchaus umstritten ist.2 Auch stellt sich die Frage, ob der Caucus nicht auch in den ICC Mediations-Regeln hätte geregelt werden sollen. Aus Art. 7 UA 2 ICC Mediations-Regeln ergibt sich, dass der Mediator die Verfahrensverantwortung hat. Zudem hat Mediation mittlerweile einen recht weit vereinheitlichten Ablauf (s. dazu Kap. 27 Rz. 9 ff.), wobei es noch gewisse Unterschiede gibt, die insbesondere auch mit den Präferenzen des jeweiligen Mediators zusammenhängen. Von daher ist es nachvollziehbar, dass die ICC Mediations-Regeln keine detaillierten Vorgaben machen. Auch die Frage, ob der Mediator Lösungsvorschläge machen darf, wird nur in den ICC 9 Mediation Guidance Notes behandelt (Nrn. 40/41). Die Vertraulichkeit regelt Art. 9 ICC Mediations-Regeln (s.a. Art. 10 UA 4 ICC Media- 10 tions-Regeln). Die Beendigung des Mediationsverfahrens wird in Art. 8 ICC Mediations-Regeln behandelt. Danach ist eine Beendigung durch eine Partei erst möglich, wenn das Verfahren bestimmte Phasen durchlaufen hat (s. Art. 8 UA 1b) ICC Mediations-Regeln).
11
Die ICC Mediations-Regeln behandeln nicht die Frage der Hemmung der Verjährung wäh- 12 rende des Mediationsverfahrens. In EU-Ländern, die die EU-Mediationsrichtlinie (RiLi 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EU L 136 v. 24.5.2008, 3) umgesetzt haben, führt die Mediation zu einer Hemmung der Verjährung (s. Art. 8 RiLi 2008/52/EG); in Deutschland gilt insoweit §§ 203 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4b) BGB. Eine vertragliche Regelung dazu ist also in diesen Fällen nicht nötig. Sieht das anzuwendende nationale Recht eine Hemmung nicht vor oder ist die Frage nicht klar und könnte während der Mediation Verjährung eintreten, sollten die Parteien eine entsprechende vertragliche Regelung zur Hemmung treffen. Die Kosten sind in Art. 6 ICC Mediations-Regeln und dem Anhang Honorare und Kosten 13 geregelt. Zur Vergütung des Mediators wird nur gesagt, dass sie sich in der Regel nach Zeitaufwand richten soll. Eine Festsetzung des Stundensatzes erfolgt ggf. durch das Zentrum. Der Mediator hat ferner Anspruch auf Erstattung angemessener Auslagen. Die Verwaltungsgebühren der ICC sind streitwertabhängig; ihre Höhe ist beachtlich (s. Art. 2 ICC Mediations-Regeln und Anhang Honorare und Kosten). Die Kosten des Mediators und die Verwaltungsgebühren der ICC tragen die Parteien je zur Hälfte (s. Art. 6 UA 6 ICC Mediations-Regeln). Im Übrigen trägt jede Partei trägt ihre eigenen Kosten selbst (s. Art. 6 UA 7 ICC Mediations-Regeln). Bei administrierten Mediationsverfahren gibt es typischerweise keinen schriftlichen Ver- 14 trag der Parteien mit dem Mediator. Der Mediatorvertrag kommt vielmehr konkludent und formlos zustande, indem die Institution für die Parteien auftritt und für sie den Vertrag abschließt. Dies entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsgerichtsverfahren (dazu z.B. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 117 ff., S. 1 S.a. Art. 10 UA 3 ICC Mediations-Regeln. 2 S. z.B. Risse, Wirtschaftsmediation, § 7 Rz. 86 ff., und Duve/Eidenmüller/Hacke, Wirtschaftsmediation, S. 179 f. und S. 240 ff.
Mahnken 537
Kap. 28 Rz. 15
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 28.1
44 f.). Juristisch ist die Konstruktion zwar durchaus fragwürdig, doch hat es bisher wohl keine nennenswerten Probleme in der Praxis gegeben – insbesondere auch nicht bei Schiedsgerichtsverfahren. Es scheint deshalb nicht erforderlich, beim ICC Mediationsverfahren anders vorzugehen. 15
Die Parteien schließen formlos und konkludent einen Vertrag mit der ICC über die Administration des Verfahrens. Das entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsverfahren (dazu Bandel, Kap. 23 Rz. 53), wo es bisher keine nennenswerten Probleme mit dieser Praxis gegeben hat. Ein schriftlicher Vertrag erscheint deshalb auch beim ICC Mediationsverfahren nicht erforderlich.
16
Lt. Statistik der ICC wird recht kontinuierlich eine gewisse Zahl von Mediationen durchgeführt.1
II. Muster 17
M 28.1 Vereinbarung der ICC Mediations-RegelnA1 1. Im ursprünglichen Vertrag a) Auf Deutsch: §… Streitbeilegung (1) Die Parteien vereinbaren, im Falle aller Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben, zunächst ein Mediationsverfahren gemäß den Mediations-Regeln der International Chamber of Commerce („ICC“) durchzuführen.A2 Die Sprache des Mediationsverfahrens ist deutsch.A3 Der Mediator darf nur im allseitigen Einverständnis getrennte Gespräche mit den Parteien führen.A4 Jede Partei hat das Recht, die Mediation durch einseitige Erklärung gegenüber der anderen Partei jederzeit zu beenden.A5 Die Erklärung bedarf der schriftlichen Form. (2) Wird die Streitigkeit nicht innerhalb von 45 Tagen ab Einbringung eines Antrags auf ein Mediationsverfahren oder einer anderen von den Parteien schriftlich vereinbarten Frist gemäß den ICC Mediations-Regeln beigelegt, wird sie anschließend gemäß der Schiedsgerichtsordnung der ICC von einem oder mehreren gemäß dieser Ordnung ernannten Schiedsrichtern endgültig entschieden.A6 Der Sitz des Schiedsgerichtsverfahrens ist … (bitte einfügen).A7 Die Sprache des Schiedsverfahrens ist deutsch. (3) Auf den Vertrag findet … (anwendbares materielles Recht einsetzen) Recht Anwendung.A8 b) Auf Englisch:A9 §… Dispute Settlement (1) In the event of any dispute arising out of or in connection with the present contract, the parties shall first refer the dispute to mediation proceedings under the Mediation Rules of the International Chamber of Commerce (ICC). The language of the mediation proceedings shall be English. The mediator may only have a separate meeting or separate communication with one 1 13 Mediationen im Jahr 2015 lt. 2015 ICC Dispute Resolution Statistics, ICC Dispute Resolution Bulletin No. 1 – 2016, S. 13; 15 Mediationen (und 1 Schlichtung) 2014 nach den ICC MediationsRegeln lt. 2014 ICC Dispute Resolution Statistics, ICC Dispute Resolution Bulletin No. 1 – 2015, S. 11.
538
Mahnken
M 28.1
ADR-Verfahrensordnungen der ICC
Rz. 18a Kap. 28
party in respect of the substance of the mediation proceeding provided the other parties agree. Each party shall be entitled to terminate the mediation proceedings at any time through written notification sent to the other party. (2) If the dispute has not been settled pursuant to the said Rules within 45 days following the filing of the Request for Mediation or within such other period as the parties may agree in writing, such dispute shall thereafter be finally settled under the Rules of Arbitration of the ICC by one or more arbitrators appointed in accordance with the said Rules of Arbitration. The seat of arbitration shall be … (gewünschten Ort einsetzen). The language of the arbitration shall be English. (3) This contract shall be subject to … (anwendbares materielles Recht einsetzen) law. 2. Nachträgliche Vereinbarung für eine bereits entstandene Streitigkeit a) Auf Deutsch: Mediationsvereinbarung (1) Die Parteien vereinbaren, zur Beilegung folgender Streitigkeit ein Mediationsverfahren gemäß den ICC Mediations-Regeln durchzuführen: … (Beschreibung der Streitigkeit) (2) Als Mediator benennen die Parteien … (Name der Person und weitere Angaben).A10 b) Auf Englisch: Mediation Agreement (1) The parties agree to refer the following dispute to mediation proceedings under the ICC Mediation Rules: … (Beschreibung der Streitigkeit) (2) The parties nominate as mediator … (Name der Person und weitere Angaben).
Anmerkungen zu Muster M 28.1 A1 Zur deutschen s. Klausel D. ICC Publication 865-0 DEU, S. 92, http://www.iccwbo.org/ 18 Products-and-Services/Arbitration-and-ADR/Mediation/Rules/ICC-Mediation-Rules-and-Gui dance-Notes-in-several-languages/. Die ICC bietet noch weitere Klauseloptionen an (ICC Publication 865-0, S. 88 ff.). Diese begründen aber entweder keine echte Verpflichtung und sind deshalb sehr vage oder sie betreffen in der Praxis nicht sehr relevante Sonderfälle. Auf sie wird deshalb hier nicht weiter eingegangen. Wird die Mediationsregelung bereits im ursprünglichen Vertrag der Parteien getroffen, ist es in aller Regel nicht sinnvoll, die Person des Mediators festzulegen. Es ist meist nicht absehbar, ob es Streitigkeiten geben wird und wie sie aussehen werden, insbesondere wie umfangreich und komplex sie sein werden. Die Person des Mediators sollte in diesem Fall erst festgelegt werden, nachdem die Streitigkeit entstanden ist, da dann einfacher zu erkennen ist, welche Voraussetzungen der Mediator mitbringen sollte (Erfahrung, juristischer oder nichtjuristischer Hintergrund etc.; s.a. nachfolgend Anm. A9 [Rz. 26]). A2 Es dürfte sinnvoll sein, nur Mediationen im eigentlichen Sinne nach den ICC-Mediationsregeln durchzuführen und nicht auch Verfahren, die auf ein Votum eines neutralen Dritten abzielen, wie z.B. Schlichtung, da die Kommunikation bei letzteren anders abläuft als bei ersteren. Geht es bei der Mediation darum, von den Positionen der Parteien wegzukommen und über die Identifizierung von Interessen Lösungsoptionen zu finden, geht es für die Parteien bei der Schlichtung und anderen auf ein Votum ausgerichteten Verfahren darum, die eigene Position möglichst überzeugend zu begründen, um am Ende ein möglichst günstiges Votum des neutralen Dritten zu erhalten. Diese unterschiedlichen Konzepte
Mahnken 539
18a
Kap. 28 Rz. 19
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 28.1
führen auch zu unterschiedlichen Verfahrensstrukturen und bedürfen unterschiedlicher Verfahrensregeln. 19
A3 Im internationalen Kontext ist eine Regelung zur Verfahrenssprache sinnvoll. Sie sollte mit der Vertragssprache und der bei der Kommunikation im Rahmen der Vertragsabwicklung verwendeten Sprache identisch sein.
20
A4 Die Parteien sollten eine ausdrückliche Regelung zu Ex Parte-Kommunikation (Einzelgespräche) des Mediators und der Möglichkeit des Caucus treffen. Sie kann sich am Wortlaut von § 2 Abs. 3 Satz 3 MediationsG orientieren.
20a
A5 Es kommt durchaus in Betracht, eine weitergehende einseitige Beendigungsmöglichkeit zu vereinbaren, als in Art. 8.1b) ICC Mediations-Regeln vorgesehen, denn warum soll eine Partei, die eine Mediation im konkreten Fall nicht will, gezwungen sein, mit der Beendigung zu warten, bis die Mediation ein bestimmtes Stadium erreicht hat.
21
A6 Im internationalen Kontext ist es in aller Regel sinnvoll, zur abschließenden Entscheidung über eine Streitigkeit internationale Schiedsgerichtsbarkeit zu vereinbaren (s. dazu Bandel, Kap. 23 Rz. 11 ff.). Das Ergebnis ist eine mehrstufige Streitbeilegungsregelung (englisch: „multi-tier“). Bei Klauselvariante 2 (nachträgliche Vereinbarung der ICC Mediations-Regeln) wäre für die abschließende Entscheidung, falls die Mediation nicht erfolgreich ist, das Gericht oder Schiedsgericht zuständig, das im ursprünglichen Vertrag der Parteien vereinbart wurde.
22
A7 Während es bei einem Schiedsgerichtsverfahren wichtig ist, einen Ort festzulegen, z.B. um Probleme bei der eventuellen Vollstreckung des Schiedsspruchs zu vermeiden, ist bei einem ADR-Verfahren die Festlegung eines Ortes für die Durchführung des Verfahrens von untergeordneter Bedeutung, da keine rechtlichen Folgen daran geknüpft werden.
23
A8 Vorliegend wurde auch noch eine Regelung zur Rechtswahl getroffen, da das bei Verträgen mit internationalem Bezug sinnvoll ist, auch wenn es sich streng genommen nicht um den Bestandteil der Streitbeilegungsregelung handelt, sondern um eine eigenständige Regelung.
23a
A9 Die englische Klausel orientiert sich an Clause D ICC Publication 865-0 ENG, http:// www.iccwbo.org/Products-and-Services/Arbitration-and-ADR/Mediation/Rules/ICC-MediationRules-and-Guidance-Notes-in-several-languages/. S. im Übrigen Anm. A1-A8 (Rz. 18 ff.)
24
A10 Wird die Mediation erst nach Entstehen der Streitigkeit vereinbart, können die Parteien in der Mediationsvereinbarung auch schon die Person des Mediators festlegen. Mit dem entsprechenden Kandidaten sollte allerdings zuvor geklärt werden, ob er zur Verfügung steht und ob kein Interessenkonflikt besteht.
C. ICC Rules for the Administration of Expert Proceedings I. Einführung 25
Die ICC Rules for the Administration of Expert Proceedings (hier abgekürzt „ICC RAdExPro“) sind am 1.2.2015 in Kraft getreten.1 Die Vorgänger dieser Verfahrensordnung gehen bis in die 1970er Jahre zurück, so dass die Version von 2015 nichts grundlegend Neues dar1 S. ICC Publication 869-1 ENG, die auch noch Verfahren für Proposal of Experts and Neutrals und Appointment of Experts and Neutrals regelt, bei denen es sich nicht um ADR-Verfahren handelt und auf die deshalb vorliegend nicht eingegangen wird; s. http://www.iccwbo.org/products-and-ser
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Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der ICC
Rz. 30 Kap. 28
stellt. Eine deutsche Fassung dieser Version gibt es bislang nicht. Bei dem Verfahren geht es darum, dass ein neutraler Experte ein – in der Regel nicht bindendes – Gutachten erstellt. Voraussetzung für dieses Verfahren ist eine entsprechende Einigung der Parteien, die wohl 26 schriftlich erfolgt sein muss.1 Die Einleitung des Verfahrens ist in Art. 1 ICC RAdExPro geregelt. Die Benennung des Experten ergibt sich aus Art. 3 ICC RAdExPro. Die Parteien können gemäß Art. 3 UA 1 ICC RAdExPro gemeinsam einen Experten auswählen. Sind die Parteien dazu nicht in der Lage, ernennt die ICC den Experten gemäß Art. 3 UA 2 ICC RAdExPro. Der Experte muss neutral und unabhängig sein.2 Es kann sich um eine natürliche, aber auch um eine juristische Person handeln (Art. 14 UA 1 ICC RAdExPro). In Art. 3 UA 6 ICC RAdExPro ist als Alternative vorgesehen, dass mehrere Experten benannt werden. Sobald der Experte ernannt ist, wird seine Aufgabenstellung definiert (Art. 6 ICC RAdEx- 27 Pro). Außerdem wird ein Zeitplan – ein Procedural Timetable – erstellt (Art. 7 ICC RAdExPro). Die Parteien erhalten danach Gelegenheit, ihre Position vorzutragen (Art. 8 UA 1 ICC RAdExPro). Eine mündliche Verhandlung ist möglich (s. Art. 5 UA 1 ICC RAdExPro), aber wohl nicht zwingend. Der Experte erstellt einen schriftlichen Bericht mit Begründung (Art. 8 UA 1 ICC RAdExPro), der normalerweise für die Parteien nicht bindend ist (Art. 8 UA 2 ICC RAdExPro). Die Parteien können auch vereinbaren, dass der Bericht bindend ist. Sie sollten aber beachten, dass es sich nur um ein schnelles summarisches Verfahren handelt, dem eine gewisse Fehleranfälligkeit innewohnt. Eine verbindliche Entscheidung dürfte deshalb wohl nur ausnahmsweise und nur bei kleineren Gegenstandswerten in Betracht kommen. Bevor die Parteien den Bericht erhalten, wird er der ICC zur Prüfung (englisch: „scrutiny“) – vor allem in formeller Hinsicht – vorgelegt (Art. 9 ICC RAdExPro). Das Verfahren soll zügig (s. Art. 6 UA 1 ICC RAdExPro) und auf der Basis des Zeitplans (Art. 7 ICC RAdExPro) durchgeführt werden, doch ist eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung nicht vorgesehen. Die Kosten des Verfahrens ergeben sich aus Art. 12 ICC RAdExPro und Appendix II. Die Vergütung des Experten richtet sich nach Zeitaufwand. Ein Stundensatz ist nicht ausdrücklich erwähnt. Dessen Festsetzung erfolgt ggf. durch das Zentrum. Der Experte hat zudem Anspruch auf Ersatz von Auslagen. Die Verwaltungsgebühren der ICC sind streitwertabhängig und durchaus beachtlich, z.B. höher als die nach den ICC Mediations-Regeln. Die Kosten des Experten und der ICC werden gemäß Art. 12 UA 5 ICC RAdExPro zwischen den Parteien geteilt. Jede Partei trägt außerdem ihre eigenen Kosten.
28
Sowohl der Experte (s. Art. 11 UA 3 ICC RAdExPro) als auch das Zentrum und das Standing Committee – letzteres unterstützt das Zentrum bei der Administration der Expert-Verfahren – sind zur Vertraulichkeit verpflichtet (s. Ziff. 4 Appendix I ICC RAdExPro). Nicht geregelt wird eine von den Parteien zu wahrende Vertraulichkeit. Die Parteien sollten prüfen, ob die von ihnen zu wahrende Vertraulichkeit ausreichend im zugrunde liegenden Vertrag geregelt ist. Ist das nicht der Fall, können sie für das Sachverständigenverfahren eine Regelung zur Vertraulichkeit treffen (s. dazu Bülow, Kap. 5 entsprechend).
29
Bei administrierten Sachverständigenverfahren gibt es typischerweise keinen schriftlichen Vertrag der Parteien mit dem neutralen Sachverständigen. Der Sachverständigenvertrag kommt vielmehr konkludent und formlos zustande, indem die Institution für die Parteien auftritt und für sie den Vertrag abschließt. Dies entspricht der ständigen Praxis bei ad-
30
vices/arbitration-and-adr/experts/#administration; zu den Neuerungen der Version von 2015 s.a. Mahnken, SchiedsVZ 2016, 30 (33 f.). 1 S. Art. 1 UA 1 und UA 2 l) ICC RAdExPro. 2 Art. 3 UA 3, Art. 4 ICC RAdExPro.
Mahnken 541
Kap. 28 Rz. 31
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 28.2
ministrierten Schiedsgerichtsverfahren (dazu z.B. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. 2012, Rz. 117 ff., S. 44 f.). Juristisch ist die Konstruktion zwar durchaus fragwürdig, doch hat es bisher wohl keine nennenswerten Probleme in der Praxis gegeben – insbesondere auch nicht bei Schiedsgerichtsverfahren. Es scheint nicht erforderlich, beim ICC Sachverständigenverfahren anders vorzugehen. 31
Die Parteien schließen formlos einen Vertrag mit der ICC über die Administration des Verfahrens. Das entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsverfahren (dazu Bandel, Kap. 24 Rz. 53), wo es bisher keine nennenswerten Probleme mit dieser Praxis gegeben hat. Eines schriftlichen Vertrages bedarf es deshalb wohl nicht.
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Lt. Statistik der ICC gibt es in fast jedem Jahr eine gewisse Zahl administrierter Sachverständigenverfahren.1
II. Muster 33
M 28.2 Nachträgliche Vereinbarung der ICC RAdExProA1 für eine bereits entstandene Streitigkeit 1. Auf Deutsch: Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens (1) Die Parteien vereinbaren, ein Sachverständigenverfahren nach den Rules for the Administration of Expert Proceedings der International Chamber of Commerce („ICC RAdExPro“ bzw. „ICC“) durchzuführen im Hinblick auf folgende Fragestellung: … (Fragestellung näher beschreiben) (2) Als Sachverständigen benennen die Parteien … (Name der Person und weitere Angaben).A2 (3) Die Sprache des Sachverständigenverfahrens ist Deutsch.A3 Der Sachverständige darf hinsichtlich der Gegenstände des Sachverständigenverfahrens mit den Parteien nicht getrennt kommunizieren.A4 2. Auf Englisch:A5 Agreement on Expert Proceedings (1) The parties agree to submit the following question to expert proceedings in accordance with the Rules for the Administration of Expert Proceedings of the International Chamber of Commerce („ICC RAdExPro“ and „ICC“ respectively): … (Fragestellung näher beschreiben). (2) The parties nominate as expert … (Name der Person und weitere Angaben). (3) The language of the expert proceedings shall be English. The Expert shall not have ex parte communication with one of the parties in respect of any of the issues of the expert proceeding.
Anmerkungen zu Muster M 28.2 34
A1 Die ICC bietet noch weitere Klauseloptionen an (ICC Publication 869-1, S. 31 ff.). Eine Klauseloption sieht z.B. vor, dass die Regelung in den ursprünglichen Vertrag der Parteien aufgenommen wird und dann alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag 1 S. z.B. drei Sachverständigenverfahren gemäß 2014 ICC Dispute Resolution Statistics, ICC Dispute Resolution Bulletin No. 1 – 2015, S. 12, wobei es sich um Verfahren gemäß der Vorgängerfassung der ICC RAdExPro handelte.
542
Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der ICC
Rz. 39 Kap. 28
ein Sachverständigenverfahren durchlaufen müssen. Sinnvoll scheint ein derartiges Vorgehen nicht zu sein, da sich längst nicht alle Streitigkeiten für ein Sachverständigenverfahren eignen. Andere Klauseloptionen begründen entweder keine echte Verpflichtung der Parteien und sind sehr vage oder sie betreffen in der Praxis nicht sehr relevante Sonderfälle. Auf sie wird hier deshalb nicht weiter eingegangen. A2 Wird das Sachverständigenverfahren erst nach Entstehen der Streitigkeit vereinbart, können die Parteien sich auch schon über die Person des Experten einigen. Mit dem entsprechenden Kandidaten sollte allerdings zuvor geklärt werden, ob er zur Verfügung steht und ob kein Interessenkonflikt besteht.
35
A3 Im internationalen Kontext ist eine Regelung zur Verfahrenssprache sinnvoll. Sie sollte mit der Vertragssprache und der bei der Kommunikation im Rahmen der Vertragsabwicklung verwendeten Sprache identisch sein. Anders als bei einem Schiedsgerichtsverfahren ist bei einem ADR-Verfahren die Festlegung eines Ortes für die Durchführung des Verfahrens von untergeordneter Bedeutung, da keine rechtlichen Folgen daran geknüpft werden; eine Regelung ist deshalb nicht nötig (s. ferner Art. 5 UA 1 ICC RAdExPro).
36
A4 Dem Sachverständigen sollte eine Ex Parte-Kommunikation nicht gestattet sein. Da 37 die ICC RAdExPro diesen Aspekt nicht regeln, könnte insoweit eine zusätzliche Regelung aufgenommen werden. A5 S. Anm. A2-A4 (Rz. 35 ff.).
37a
D. ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise (ICC DOCDEX Rules) I. Einführung Der etwas sperrige Titel der ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise (ICC DOCDEX Rules) lässt bereits erahnen, worum es bei diesem Verfahren geht – um ein (in der Regel nicht bindendes) neutrales Gutachten im Hinblick auf bestimmte Bank- und Finanzierungsdokumente. Da Bankgeschäfte betroffen sind, ist bei diesem Verfahren neben dem ICC Zentrum für ADR auch die ICC Banking Commission beteiligt. Die letzte Fassung der ICC DOCDEX Rules ist am 1.5.2015 in Kraft getreten;1 eine Vorgängerfassung gab es seit 1997. Eine deutsche Fassung der aktuellen ICC DOCDEX Rules gibt es nicht.
38
Voraussetzung für ein derartiges ICC DOCDEX-Verfahren ist eine entsprechende Vereinbarung der Parteien. Es kann sich nur auf die Art. 2 UA und 3 ICC DOCDEX Rules aufgeführten Bank- und Finanzierungsdokumente und -transaktionen beziehen. Die Antragstellung regelt Art. 3 ICC DOCDEX Rules. Es wird ein aus drei Experten bestehendes Gremium2 gebildet, das die Entscheidung im konkreten Fall treffen soll. Die Experten müssen neutral und unabhängig sein.3 Die Benennung regelt Art. 7 ICC DOCDEX Rules. Sie
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1 S. http://www.iccwbo.org/products-and-services/arbitration-and-adr/docdex/rules/; zu den Neuerungen der Überarbeitung von 2015 Mahnken, SchiedsVZ 2016, 30 (33). 2 S. die Definition von „Appointed Experts“ in Art. 1 ICC DOCDEX Rules. 3 Art. 7 UA 5, 6 und 7 ICC DOCDEX Rules.
Mahnken 543
Kap. 28 Rz. 40
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
erfolgt nicht durch die Parteien, sondern durch das Zentrum unter Mitwirkung des Technical Advisor.1 Die Parteien erfahren auch nichts über die Identität der Experten (Art. 12 UA 3 ICC DOCDEX Rules). 40
Das Verfahren ist stark standardisiert, was zur Beschleunigung und zur Beschränkung der Kosten beiträgt, wodurch die Parteiautonomie allerdings erheblich eingeschränkt ist. Verfahrenssprache ist Englisch;2 es gibt keine mündliche Verhandlung.3 Für Claim und Answer sind elektronische Formate zu benutzen (s. Art. 3 UA 1 und Art. 4 UA 1 ICC DOCDEX Rules; s. ferner Art. 11 UA 2 ICC DOCDEX Rules). Eine zeitliche Begrenzung des Verfahrens wird durch Art. 8 UA 5 Satz 2 ICC DOCDEX Rules erreicht. Für die Entscheidung ist die Mehrheit im Sachverständigengremium ausreichend (Art. 9 UA 3 ICC DOCDEX Rules). Ein Entwurf der Entscheidung unterliegt einer Prüfung (englisch: scrutiny) – vor allem im Hinblick auf formelle Aspekte – durch den Technical Advisor (Art. 9 UA 2 ICC DOCDEX Rules). Die Entscheidung des Sachverständigengremiums ist nicht bindend – es sei denn, die Parteien vereinbaren etwas anderes.4
41
Die Kosten werden in Art. 10 ICC DOCDEX Rules und Appendix Fees and Cost geregelt. Im Grundsatz gelten pauschale Standard Fees. Sie betragen 5 000 US-Dollar bei einem Streitwert von nicht mehr als 1 000 000 US-Dollar und 10 000 US-Dollar bei einem höheren Streitwert (Ziff. 1 Appendix ICC DOCDEX Rules). Unter besonderen Umständen kann eine höhere Fee berechnet werden, die aber nicht mehr als 50 % der jeweiligen Standard Fee betragen darf (Art. 10 UA 2 ICC DOCDEX Rules und Ziff. 2 Appendix). Diese Beträge sind ausgesprochen günstig, da sie sowohl die Kosten der ICC als auch die Vergütung der Experten beinhalten. Eine Kostenteilung/-erstattung zwischen den Parteien ist in den ICC DOCDEX Rules nicht vorgesehen.
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Art. 12 UA 2 ICC DOCDEX Rules regelt die seitens der Experten zu wahrende Vertraulichkeit. Dass die Parteien zur Vertraulichkeit verpflichtet sind, wird nicht geregelt.
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Da die Parteien die Experten im Rahmen des DOCDEX-Verfahrens nicht benennen und nicht einmal ihre Identität kennen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es zu einem Vertrag zwischen den Parteien und den Experten kommen. Die Parteien schließen aber wie bei einem administrierten Schiedsgerichtsverfahren (dazu Bandel, Kap. 24 Rz. 51) formlos einen Vertrag mit der ICC über die Administration des DOCDEX-Verfahrens. Die Experten dürften Erfüllungsgehilfen der ICC im Rahmen dieses Vertrages sein. Da es bisher mit dieser Konstruktion keine Probleme in der Praxis gegeben zu haben scheint, bedarf es insoweit wohl auch keines schriftlichen Vertrages.
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Laut ICC-Statistik gibt es regelmäßig einige Verfahren nach den ICC DOCDEX-Rules.5
1 2 3 4 5
Art. 7 UA 4 DOCDEX Rules. S. Art. 6 UA 2 und 3 und Art. 9 Abs. 1 ICC DOCDEX Rules. Art. 8 UA 7 ICC DOCDEX Rules. Art. 2 UA 6 ICC DOCDEX Rules. 11 Fälle im Jahr 2014 lt. 2014 ICC Dispute Resolution Statistics, ICC Dispute Resolution Bulletin No. 1 – 2015, S. 13, auf der Basis der Vorgängerfassung der ICC DOCDEX Rules.
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Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der ICC
Rz. 49 Kap. 28
II. Muster M 28.3 Nachträgliche Vereinbarung des ICC DOCDEX-VerfahrensA1
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Agreement on ICC DOCDEX Proceedings (1) The parties agree to submit the following question to proceedings in accordance with the International Chamber of Commerce („ICC“) Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise Proceedings („ICC DOCDEX Rules“) … (Beschreibung der Fragestellung). (2) The cost of the ICC DOCDEX proceeding charged by the ICC shall be borne among the parties in equal shares.A2
Anmerkungen zu Muster M 28.3 A1 Die Musterklausel bezieht sich auf die Vereinbarung eines DOCDEX-Verfahrens nach 46 den ICC DOCDEX Rules für eine bereits entstandene Streitigkeit. Es wird nur eine englische Klausel vorgeschlagen, da das ICC DOCDEX-Verfahren zwingend auf Englisch zu führen ist. A2 Auch wenn es nicht um allzu große Beträge geht, erscheint es sachgerecht, dass die Parteien eine Regelung zur Kostentragung in Bezug auf das Verfahren treffen. Da das Verfahren nicht sehr kontradiktorisch ist, scheint eine Aufteilung der Kosten der ICC zu gleichen Teilen angemessen.
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E. ICC Dispute Board Rules I. Einführung Die ICC Dispute Board Rules (ICC DB Rules) unterscheiden sich insofern von den anderen 48 Verfahrensordnungen der ICC, als der neutrale Dritte langfristig für die Dauer eines Projekts und ggf. für eine Mehrzahl von Streitigkeiten eingesetzt wird (Art. 3 UA 1 und Art. 14 ICC DB Rules) und nicht nur ad hoc1 für eine Streitigkeit. Dieses Konzept stammt aus den USA, wo seit einigen Jahrzehnten im Rahmen von großen Infrastrukturvorhaben sogenannte Dispute Review Boards (andere Bezeichnung: Dispute Resolution Boards) eingesetzt werden, die im Hinblick auf Streitigkeiten Empfehlungen aussprechen.2 Aus der Kombination dieses DRB-Ansatzes einer langfristigen Einsetzung des neutralen Dritten – er hält sich zeitweilig gewissermaßen „in Bereitschaft“ – mit der vorläufigen Verbindlichkeit der Entscheidung des neutralen Dritten gemäß der aus England stammenden Construction Adjudication3 ist das Dispute Adjudication Board entstanden, das in Europa und international eine gewisse Bedeutung vor allem bei Baugroßprojekten erlangt hat. ICC DB Rules gibt es seit 2004, die letzte Überarbeitung ist am 1.10.2015 in Kraft getreten.4 49 Eine deutsche Fassung der Version von 2015 gibt es bisher nicht. Die ICC DB Rules bieten 1 Zu dem Begriff und seiner Mehrdeutigkeit im vorliegenden Zusammenhang s. Kap. 27 Rz. 4 Fn. 1. 2 Dazu z.B. Oelsner, Dispute Boards, S. 49 ff., Rz. 93 ff. 3 S. dazu oben Kap. 27 Rz. 68 ff. 4 http://www.iccwbo.org/products-and-services/arbitration-and-adr/dispute-boards/dispute-board-rules/; zur Neufassung von 2015 z.B. Mahnken, SchiedsVZ 2016, 30.
Mahnken 545
Kap. 28 Rz. 50
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
drei Arten von DBs an, das aus den USA stammende und dort eher übliche Dispute Review Board,1 das Empfehlungen ausspricht, das Dispute Adjudication Board,2 das vorläufig bindende Entscheidungen trifft und – als Mischform – das Combined Dispute Board.3 Der Oberbegriff für die drei Typen ist Dispute Board.4 50
Voraussetzung für die Anwendung der ICC DB Rules im konkreten Falls ist eine entsprechende Vereinbarung der Parteien (Art. 7 UA 1 ICC DB Rules). Eine mündliche Vereinbarung ist möglich, aber nicht zu empfehlen, um Beweisprobleme zu vermeiden. Mindestens Textform entsprechend § 126b BGB sollte gewahrt werden.
51
Im Normalfall besteht das DB aus drei Mitgliedern (Art. 7 UA 2 ICC DB Rules), aber auch ein DB mit nur einem Mitglied ist möglich (Art. 7 UA 3 ICC DB Rules). Charakteristisch ist, dass Einvernehmen zwischen den Parteien bei der Benennung aller DB-Mitglieder bestehen soll (Art. 7 UA 3, 4, 5 ICC DB Rules). Gibt es insoweit kein Einvernehmen, kann die ICC die Benennung des jeweiligen Mitglieds auf Antrag einer Partei vornehmen (Art. 7 UA 3, 4, 5 ICC DB Rules). Alle DB-Mitglieder müssen unabhängig und unparteiisch sein (Art. 8 ICC DB Rules). Die Ablehnung von DB-Mitgliedern regelt Art. 8 UA 4 und 5 ICC DB Rules. Die Möglichkeit der Entscheidung durch die ICC bei diesem Punkt ist ein Vorteil gegenüber DB Rules, bei denen eine Institution in dieser Frage nicht tätig wird.
52
Das Tätigwerden eines DB im Rahmen der ICC DB Rules lässt sich in vier Abschnitte unterteilen: 1. Einarbeitung, Vertrautmachen mit dem Projekt 2. Vermeidung von Meinungsverschiedenheiten (avoidance of disagreements), 3. Vermeidung von Streitigkeiten (informal assistance with disagreements/avoidance of disputes), 4. formelle Streitigkeiten (formal dispute settlement proceedings).
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Zu 1.: Die Einarbeitung besteht für das DB darin, den dem Projekt zugrundeliegenden Vertrag und die Projektdokumentation durchzusehen, gemeinsame Treffen mit den Parteien abzuhalten und Baustellenbesuche vorzunehmen (Art. 11, 12 ICC DB Rules).
54
Zu 2.: Meinungsverschiedenheiten und Konflikten wohnt die Tendenz zur Eskalation inne. DBs haben den Vorteil, diese durch frühzeitige Gegenmaßnahmen vermeiden zu können, da das DB bereits benannt ist, wenn es zu den Meinungsverschiedenheiten und Konflikten kommt. Die ICC DB Rules setzen besonders früh an und sind bestrebt, bereits Meinungsverschiedenheiten (disagreements) zu vermeiden (Art. 16 ICC DB Rules). Das DB kann insoweit auf eigene Initiative hin tätig werden und braucht nicht auf die Anfrage einer Partei zu warten. Welche Maßnahmen es ergreifen kann, ist in Art. 16 ICC DB Rules nicht abschließend beschrieben. Das DB hat insoweit Flexibilität.
55
Zu 3.: Als nächster Schritt ist die Vermeidung von Streitigkeiten (informal assistance with disagreements/avoidance of disputes) vorgesehen (Art. 17 ICC DB Rules). Auch insoweit kann das DB auf Anfrage einer Partei, aber auch auf eigene Initiative hin tätig werden. Eine abschließende Aufzählung, worin die informelle Hilfestellung bestehen kann, gibt es nicht, wodurch das DB flexibel agieren kann. Es wird ausdrücklich gesagt, das Ex Parte-Kommunikation des DBs mit einer Partei in diesem Zusammenhang erlaubt ist, wenn alle Parteien zustimmen. Wenn die Parteien entscheiden, ob sie der Ex Parte-Kommunikation 1 2 3 4
Art. 4 ICC DB Rules; abgekürzt: „DRB“. Art. 5 ICC DB Rules; abgekürzt: „DAB“. Art. 6 ICC DB Rules, abgekürzt: „CDB“. Art. 2 (v) ICC DB Rules, Abgekürzt: „DB“.
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Mahnken
ADR-Verfahrensordnungen der ICC
Rz. 60 Kap. 28
bzw. dem Caucus (zum Begriff s. oben Rz. 8) nach Art. 17 Abs. 2 ICC DB Rules zustimmen, sollten sie berücksichtigen, dass der Inhalt der Ex-parte Kommunikation evtl. später bei einer conclusion des DB einfließt, falls die Bemühungen des DB nach Art. 17 UA 2 ICC DB Rules nicht erfolgreich sind und es zum formellen Streitentscheidungsverfahren nach Art. 18 ff. ICC DB Rules kommt. Zu 4.: Das formelle Streitentscheidungsverfahren regeln die Art. 18 ff. ICC DB Rules. Ty- 56 pischerweise gibt es eine Schriftsatzrunde (Art. 19, 20 ICC DB Rules). Normalerweise findet ein Hearing statt (Art. 21 ICC DB Rules). Das DB hat recht weitgehende Befugnisse (Art. 15 ICC DB Rules). Die zeitliche Begrenzung für das formelle Verfahren sind 90 Tage (Art. 22 ICC DB Rules). Das Verfahren endet mit einer Conclusion (Art. 24 ICC DB Rules), die zu begründen ist. Entscheidungen mit Mehrheit sind möglich, auch wenn einstimmige Entscheidungen des DB bevorzugt werden (Art. 25 ICC DB Rules). Die Parteien können vereinbaren, dass die ICC den Entwurf einer Entscheidung („decision“, nicht den einer „recommendation“), vor allem in Bezug auf formelle Aspekte, überprüft (Art. 23 ICC DB Rules; vgl. auch die Klauselempfehlung in Mustertext ICC Publication 873). Hierfür hat die ICC Anspruch auf Gebühren (Appendix der ICC DB Rules) und die Frist für das Verfahren wird – maßvoll – verlängert (Art. 22 UA 2 ICC DB Rules). Entscheidungen,1 aber auch Empfehlungen(!)2 der DBs werden endgültig bindend, wenn keine (fristgerechte) notice of dissatisfaction einer Partei ergeht. Die Kosten des DBs werden in Art. 31-34 und dem Appendix Schedule of Costs ICC DB 57 Rules geregelt. Die DB Mitglieder haben Anspruch auf eine monthly management fee (Art. 29 ICC DB Rules). Sie beträgt drei Tagessätze, sofern nichts anderes vereinbart wird (Art. 29 UA 2 ICC DB Rules). Ferner haben die DB Mitglieder Anspruch auf daily fees für bestimmte Tätigkeiten (Art. 30 ICC DB Rules) und Auslagenersatz (Art. 31 ICC DB Rules). Sofern es keine Einigung zwischen DB-Mitgliedern und den Parteien über die Höhe der Vergütung gibt, kann die ICC auf Antrag einer Partei eine Entscheidung treffen (Art. 28 UA 4 ICC DB Rules). Die DB Mitglieder sind im Grundsatz gleich zu behandeln (Art. 28 UA 2 und Art. 10 UA 1 ICC DB Rules). Art. 28 UA 1 ICC DB Rules sieht hinsichtlich der Kosten des DBs eine Kostenteilung zwischen den Parteien vor. Parteien und DB-Mitglieder sollen ein schriftliches Dispute Board Member Agreement 58 abschließen (Art. 10 ICC DB Rules). Ein Muster dafür findet sich als Anlage in ICC Publication 873-0. Die Parteien schließen außerdem formlos und konkludent einen Vertrag mit der ICC über die administrative Unterstützung bei dem Verfahren. Das entspricht der ständigen Praxis bei administrierten Schiedsverfahren (dazu Bandel, Kap. 24 Rz. 53), wo es bisher keine nennenswerten Probleme mit dieser Praxis gegeben hat. Eines schriftlichen Vertrages bedarf es deshalb insoweit wohl nicht. Die Beendigung der Tätigkeit von DB-Mitgliedern ist in Art. 10 UA 2 und 3 ICC DB Rules geregelt.
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Art. 9 Abs. 2 ICC DB Rules behandelt die von den DB Mitgliedern zu wahrende Vertraulichkeit. Ferner sind Art. 15 Abs. 3 und Art. 27 ICC DB Rules in diesem Zusammenhang zu beachten. Die Parteien sollten prüfen, ob die von ihnen zu wahrende Vertraulichkeit ausreichend im zugrunde liegenden Vertrag geregelt ist oder ob sie Art. 15 UA 3 ICC DB Rules als ausreichend ansehen. Ist das nicht der Fall, können sie für das Sachverständigenverfahren eine Regelung zur Vertraulichkeit treffen. (s. dazu Bülow, Kap. 5 entsprechend).
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1 Art. 5 UA Abs. 3 ICC DB Rules. 2 Art. 4 UA Abs. 3 ICC DB Rules.
Mahnken 547
Kap. 28 Rz. 61 61
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 28.4
Da es sich nicht um voll von der ICC administrierte Verfahren handelt, lässt sich anhand der jährlichen ICC-Statistik nicht erkennen, wie viele ICC DBs aktuell bestehen und wie viele formelle DB-Verfahren tatsächlich durchgeführt werden. Immerhin gibt es einigermaßen regelmäßig Benennungen von DB Mitgliedern, die in der ICC Statistik erwähnt werden.1 Von einer gewissen Verbreitung der ICC DB Rules kann also ausgegangen werden.
II. Muster 62
M 28.4 Vereinbarungen zum Dispute Adjudication Board 1. Vereinbarung eines (ständigen)A1 Dispute Adjudication Board nach den ICC Dispute Board Rules im ursprünglichen Vertrag a) Auf Deutsch: §… Dispute Adjudication Board (1) Die Parteien vereinbaren, zur Beilegung aller Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, ein Dispute Adjudication Board („DAB“)A2 gemäß den Dispute Board Rules („DB Rules“) der International Chamber of Commerce („ICC“) einzusetzen, die Bestandteil dieser Vereinbarung werden. (2) Das DB besteht aus folgenden drei Mitgliedern:A3 – … (Name und weitere Angaben einfügen), – … (Name und weitere Angaben einfügen), – … (Name und weitere Angaben einfügen), von denen den Vorsitz des DB übernimmt: … (Name einfügen). (3) Die Sprache für die Kommunikation der Parteien mit dem DB ist deutsch.A4 Das DB darf zur Vermeidung von Meinungsverschieden oder Streitigkeiten nur tätig werden, wenn eine Partei es wünscht.A5 Das DAB kann die Anordnung einer Zahlung – im Rahmen einer decision oder von provisional relief – von einer Sicherheitsleistung der begünstigten Partei abhängig machen.A6 §… Schiedsgericht Streitigkeiten, die im Rahmen eines formellen DB-Verfahrens nicht beigelegt werden, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der ICC von einem oder mehreren nach dieser Ordnung ernannten Schiedsrichtern endgültig entschieden.A7 Ort des Schiedsverfahrens ist … (Ort einsetzen). Die Sprache des Schiedsverfahrens ist deutsch. §… Anwendbares Recht Auf den Vertrag ist … (bitte materielles Recht einfügen) Recht anwendbar.A8
1 Drei Benennungen durch die ICC im Jahr 2014 sowie eine Ablehnung eines DB-Mitglieds gemäß 2014 ICC Dispute Resolution Statistics, ICC Dispute Resolution Bulletin No. 1 – 2015, S. 13.
548
Mahnken
M 28.4
ADR-Verfahrensordnungen der ICC
Rz. 62 Kap. 28
b) Auf Englisch:A9 §… Dispute Board (1) In order to settle all disagreements and disputes in connection with the present contract the parties agree to establish a Dispute Adjudication Board („DAB“) in accordance with the Dispute Board Rules (the „DB Rules“) of the International Chamber of Commerce („ICC“), which are incorporated herein by reference. (2) The DB shall consist of the following three members: – … (Name und weitere Angaben einfügen) – … (Name und weitere Angaben einfügen) – … (Name und weitere Angaben einfügen) (3) The chairperson of the DB shall be … (einfügen) (4) The language of the communication between the parties and the DB shall be English. The DB shall only act in order to avoid disagreements or disputes if it is requested by a party to do so. If a decision by the DAB or provisional relief requires a payment by one party to the other party, the DAB may require the payee to provide an appropriate security in respect of the payment. §… Arbitration Disputes which are not finally settled through the DB proceeding mentioned before may be referred to arbitration and shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the ICC by one or more arbitrators appointed in accordance with the said Rules of Arbitration. The seat of arbitration shall be … (Ort einsetzen). The language of the arbitration proceedings shall be English. §… Applicable Law This contract shall be subject to … (bitte materielles Recht einsetzen) law. 2. Vereinbarung eines Ad-hoc Dispute Adjudication Board nach den ICC Dispute Board Rules im ursprünglichen VertragA10 a) Auf Deutsch: §… Dispute Board (1) Die Parteien vereinbaren, zur Beilegung der Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, jeweils ein Dispute Adjudication Board („DAB“)A11 einzusetzen gemäß den Dispute Board Rules („ICC DB Rules“) der International Chamber of Commerce („ICC“), die hiermit Bestandteil dieser Vereinbarung werden, soweit sie nicht nachfolgend modifiziert werden. (2) Das jeweilige DB wird erst gebildet, wenn eine Partei es durch schriftliche Erklärung der anderen Partei gegenüber beantragt und in dem Antrag die konkrete Streitigkeit beschreibt, die beigelegt werden soll.A12 Jede Partei benennt ein DB-Mitglied, ohne dass sie insoweit ein Einvernehmen mit der anderen Partei herstellen muss. Die beantragende Partei benennt ein DB-Mitglied im Antrag auf Durchführung eines DB-Verfahrens. Die andere Partei benennt das DB-Mitglied in schriftlicher Form gegenüber der beantragenden Partei innerhalb von 30 Tagen, nachdem sie den Antrag auf Durchführung eines DB-Verfahrens mit der Benennung des ersten Mitglieds erhalten hat. Im Hinblick auf das dritte DB-Mitglied, das Vorsitzender des DB wird, gilt Art. 7 Abs. 5 ICC DB Rules. Benennt eine Partei innerhalb der zuvor genannten Fristen kein DB Mitglied oder wird Mahnken 549
Kap. 28 Rz. 62
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 28.4
das dritte DB Mitglied nicht innerhalb der in Art. 7 Abs. 5 ICC DB Rules genannten Fristen vorgeschlagen und ernannt, wird das jeweilige Mitglied auf Antrag einer Partei vom International Centre for ADR der ICC benannt. (3) Im Übrigen gelten für das DB-Verfahren die Art. 18 ff. ICC DB Rules, sofern sie nicht hierin modifiziert werden. Art. 7 Abs. 4, 10 Abs. 3, 11, 12, 14 Abs. 3, 16, 17, 23 und 29 ICC DB Rules kommen nicht zur Anwendung.A13 (4) Die Sprache des DB-Verfahrens ist deutsch.A14 Das DAB kann die Anordnung einer Zahlung – im Rahmen einer decision oder von provisional relief – von einer Sicherheitsleistung der begünstigten Partei abhängig machen.A15 §… Schiedsgericht Jede Streitigkeit, die im Rahmen eines formellen DB-Verfahrens nicht beigelegt werden kann, wird nach der Schiedsgerichtsordnung der ICC von einem oder mehreren gemäß dieser Ordnung ernannten Schiedsrichtern endgültig entschieden.A16 Ort des Schiedsverfahrens ist … (Ort einzusetzen). Die Sprache des Schiedsverfahrens ist deutsch. §… Anwendbares Recht Auf den Vertrag ist … (materielles Recht einfügen) Recht anwendbar.A17 b) Auf Englisch:A18 §… Dispute Board (1) In order to settle the disputes in connection with the present contract the parties agree to establish a Dispute Adjudication Board („DAB“) in accordance with the Dispute Board Rules (the „ICC DB Rules“) of the International Chamber of Commerce („ICC“), which are incorporated herein by reference if not modified hereinafter. (2) The DB shall only be constituted once a party requests it from the other party in writing and describes in its written request the specific dispute which it wants to be resolved. Each party shall nominate one DB member without requiring the approval of the other party. The requesting party shall nominate the DB member in its written request. The other party shall nominate the DB member through written notification to the requesting party within 30 days after receiving the request for the DB proceeding (including the nomination of the first DB member). The third DB member who shall preside the DB shall be nominated pursuant to Art. 7 sub-art. 5 ICC DB Rules. Should the third DB member not have been proposed and appointed within the time limits stated in Art. 7 sub-art. 5 ICC DB Rules or should a party not nominate a DB member within the time limits mentioned before, the respective DB member shall be appointed by the ICC International Centre for ADR pursuant to the ICC DB Rules upon written request by a party. (3) In respect of the remainder the ICC DB Rules shall apply to the extent not modified hereinafter. Art. 7 sub-art. 4, 10 sub-art. 3, 11, 12, 14 sub-art. 3, 16, 17, 23 and 29 ICC DB Rules shall not apply. (4) The language of the DB proceeding shall be English. If a decision by the DAB or provisional relief requires a payment by one party to the other party, the DAB may require the payee to provide an appropriate security in respect of the payment.
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Mahnken
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ADR-Verfahrensordnungen der ICC
Rz. 62 Kap. 28
§… Arbitration Disputes which are not finally settled through the DB proceeding mentioned before may be referred to arbitration and shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the ICC by one or more arbitrators appointed in accordance with the said Rules of Arbitration. The seat of arbitration shall be … (Ort einfügen). The language of the arbitration proceedings shall be English. §… Applicable Law The contract shall be subject to … (materielles Recht einfügen) law. 3. Nachträgliche Vereinbarung eines ad-hoc Dispute Adjudication Board nach den ICC Dispute Board Rules für eine bereits entstandene Streitigkeit a) Auf Deutsch: Vereinbarung eines Dispute Board (1) Die Parteien vereinbaren, ein Dispute Adjudication Board („DAB“)A19 einzusetzen gemäß den Dispute Board Rules („DB Rules“) der International Chamber of Commerce („ICC“), die hiermit Bestandteil dieser Vereinbarung werden, soweit sie nicht nachfolgend modifiziert werden, zur Entscheidung folgender Streitigkeit … (Streitigkeit näher beschreiben). (2) Das DB besteht aus folgenden drei Mitgliedern:A20 – … (Name und weitere Angaben einfügen) – … (Name und weitere Angaben einfügen) – … (Name und weitere Angaben einfügen) von denen den Vorsitz des DB übernimmt: … (Name einfügen). (3) Art. 7 Abs. 4, 10 Abs. 3, 11, 12, 14 Abs. 3, 16, 17, 23 und 29 ICC DB Rules kommen nicht zur Anwendung.A21 (4) Die Sprache des DB-Verfahrens ist deutsch.A22 Das DAB kann die Anordnung einer Zahlung – im Rahmen einer decision oder von provisional relief – von einer Sicherheitsleistung der begünstigten Partei abhängig machen.A23 b) Auf Englisch:A24 Dispute Board Agreement (1) The parties agree to establish a Dispute Adjudication Board („DAB“) in accordance with the Dispute Board Rules (the „DB Rules“) of the International Chamber of Commerce („ICC“), which are incorporated herein by reference in order to settle the following dispute … (Beschreibung der Streitigkeit). (2) The DB shall consist of the following three members: – … (Name und weitere Angaben einfügen) – … (Name und weitere Angaben einfügen) – … (Name und weitere Angaben einfügen) The chairperson of the DB shall be … (Name einfügen) (3) Art. 7 sub-art. 4, 10 sub-art. 3, 11, 12, 14 sub-art. 3, 16, 17, 23 and 29 ICC DB Rules shall not apply.
Mahnken 551
Kap. 28 Rz. 63
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 28.4
(4) The language of the DB proceeding shall be English. If a decision by the DAB or provisional relief requires a payment by one party to the other party, the DAB may require the payee to provide an appropriate security in respect of the payment.
Anmerkungen zu Muster M 28.4 63
A1 DBs sind – vor allem wegen der Grundvergütung der Adjudikatoren (monthly management fee) mit beträchtlichen Kosten verbunden. Sie kommen aufgrund dieser Kosten in erster Linie bei Großprojekten in Frage, soweit bei ihnen bereits bei Projektbeginn vorauszusehen ist, dass es eine gewisse Anzahl an Konflikten während der Projektabwicklung geben wird, die bilateral nicht (schnell) gelöst werden können, im Interesse des Projekts aber möglichst schnell beigelegt werden müssen (dazu auch Köntges/Mahnken, SchiedsVZ 2010, 310 [315]). Dies erklärt auch den bisherigen Hauptanwendungsbereich von DBs bei großen Infrastrukturprojekten. Inwieweit auch außerhalb davon ein Bedarf für die Einsetzung von DABs besteht wird sich zeigen. Handelt es sich um ein Projekt, bei dem die Parteien eher damit rechnen, dass es keine Konflikte gibt, die sich nicht einigermaßen zügig bilateral lösen lassen, sich insoweit aber nicht sicher sind, bietet sich die Vereinbarung von ad hoc-Adjudikation an (s. dazu die Klauselvariante 2; zu den insoweit anzustellenden Überlegungen auch Köntges/Mahnken SchiedsVZ 2010, 310 [315]).
64
A2 Die Parteien sollten darauf achten, dass hinsichtlich des Typs des DB Klarheit besteht und einen der möglichen drei Typen DRB, DAB oder CDB (Rz. 51) ausdrücklich wählen. Unklar ist nämlich, was passiert, wenn die Parteien sich zwar auf die ICC DB Rules geeinigt haben, aber nicht eindeutig ist, auf welchen DB-Typ. Insoweit treffen die ICC DB Rules keine Regelung. Jeder DB-Typ hat gewisse Vor- und Nachteile. Welcher Typ gewählt wird, hängt von den Präferenzen der Parteien und der Verhandlungssituation ab. Vorliegend wird von einem DAB ausgegangen, weil es in Europa wohl der verbreitetste und am besten bekannte Typ ist. Wird stattdessen ein DRB oder ein CDB gewählt ist im ersten Absatz der vorgeschlagenen Regelungen jeweils „Dispute Review Board (DRB)“ oder „Combined Dispute Board (CDB)“ statt „Dispute Adjudication Board (DAB)“ einzufügen.
65
A3 Da das DB möglichst zügig tätig werden soll, ist es hilfreich, wenn sich die Parteien bereits bei Abschluss der Vereinbarung über das projektbegleitende DB auch über die Personen der DB-Mitglieder einigen. Sie sollten auf Interdisziplinarität des Gremiums achten (in der Regel: Jurist als Vorsitzender des DB und zwei Nichtjuristen als weitere Mitglieder). Die Parteien sollten überlegen, auf welchen Gebieten es voraussichtlich Konflikte geben wird und danach insbesondere die Nichtjuristen auswählen. Ferner ist sicherzustellen, dass keine Interessenkonflikte bei den potentiellen DB-Mitgliedern vorliegen.
66
A4 Im internationalen Kontext ist eine Regelung zur Verfahrenssprache sinnvoll. Sie sollte mit der Vertragssprache und der bei der Kommunikation im Rahmen der Vertragsabwicklung verwendeten Sprache identisch sein (s.a. Art. 15 1. Unterpunkt ICC DB Rules).
67
A5 Diese Regelung ist sinnvoll, wenn das DB zur Vermeidung von Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten nur auf Wunsch einer Partei und nicht aus eigenem Antrieb tätig werden soll.
68
A6 Eine Regelung, nach der ein DAB Sicherheitsleistung der erfolgreichen Partei anordnen kann, könnte folgendermaßen lauten. Wird ein CDB gebildet, so ist in der hier vorgeschlagenen Regelung „CDB“ statt „DAB“ einzusetzen. Bei einem DRB wäre eine derartige Regelung überflüssig, da eine fristgerechte notice of dissatisfaction ausreicht, um eine Bindungswirkung der recommendation zu vermeiden.
552
Mahnken
M 28.4
ADR-Verfahrensordnungen der ICC
Rz. 79 Kap. 28
A7 Im internationalen Kontext ist es in aller Regel sinnvoll, zur abschließenden Entschei- 69 dung über eine Streitigkeit internationale Schiedsgerichtsbarkeit zu vereinbaren (dazu Bandel, Kap. 23 Rz. 11 ff.). Das Ergebnis ist eine mehrstufige Streitbeilegungsregelung (englisch: „multi-tier“). Bei Klauselvariante 2. a) wäre für die abschließende Entscheidung, falls das DB-Verfahren nicht zur Beilegung der Streitigkeit führt, das Schiedsgericht zuständig, das im ursprünglichen Vertrag der Parteien vereinbart wurde.1 A8 Vorliegend wird auch noch eine Regelung zur Rechtswahl getroffen, da das bei Verträ- 70 gen mit internationalem Bezug sinnvoll ist. Streng genommen handelt es sich nicht um den Bestandteil der Streitbeilegungsregelung, sondern um eine eigenständige Regelung. A9 S. Anm. A1-A8 (Rz. 63 ff.)
71
A10 Handelt es sich um ein Projekt, bei dem die Parteien eher damit rechnen, dass es kei- 72 ne Konflikte gibt, die sich nicht einigermaßen zügig bilateral lösen lassen, sich insoweit aber nicht sicher sind, bietet sich die Vereinbarung von Ad hoc-Adjudikation an (zu den insoweit anzustellenden Überlegungen auch Köntges/Mahnken SchiedsVZ 2010, 310 [315]). Das DB wird erst konstituiert, wenn eine Streitigkeit entstanden ist und es ist somit nicht projektbegleitend tätig. Für ein derartiges Ad hoc-DB (vgl. Kap. 27 Rz. 4 Fn. 1), das erst gebildet wird, wenn die Streitigkeit bereits entstanden ist, bietet die ICC bisher keine Verfahrensordnung an. Es ist möglich auf der Basis der ICC DB Rules ein derartiges Ad hoc-DB zu vereinbaren, aber eine derartige Regelung ist recht aufwendig und kompliziert, da etliche Modifikationen an den ICC DB Rules vorgenommen werden müssen. Ein projektbegleitendes Einer-DAB dürfte dagegen nur in seltenen Ausnahmefällen sinnvoll sein. Sofern die Parteien ein derartiges Einer-DAB wünschen, könnte die Regelung lauten: „Das DB besteht aus einer Person.“ Der englische Text wäre: „The DB shall have one member.“ A11 S. Anm. A2 (Rz. 64).
73
A12 Wird bereits im ursprünglichen Vertrag der Parteien ein Ad hoc-DB vereinbart, ist es 74 in aller Regel nicht sinnvoll, bereits im Rahmen dieser Regelung die Personen der DB-Mitglieder festzulegen. Es ist meist noch nicht absehbar, ob es Streitigkeiten geben wird und wie sie aussehen werden, insbesondere wie umfangreich und komplex sie sein werden. Die Personen der DB Mitglieder sollten in diesem Fall erst festgelegt werden, nachdem die Streitigkeit entstanden ist, da dann einfacher zu erkennen ist, welche Voraussetzungen sie mitbringen sollten (Erfahrung, juristischer oder nichtjuristischer Hintergrund etc.). A13 Auf ein Ad hoc-DB, das nur für eine konkrete Streitigkeit gebildet wird, sobald die 75 Streitigkeit entstanden ist, sind die ICC DB Rules nicht zugeschnitten, weshalb etliche ihrer Regelung in diesem Fall leer laufen oder nicht sinnvoll sind. Auch im ICC Dispute Board Member Agreement sind in diesem Fall einige Änderungen vorzunehmen. Die monthly management fee in Ziff. 4 Punkt 1 wäre zu streichen ebenso wie das Kündigungsrecht in Ziff. 6 letzter Absatz. A14 S. Anm. A4 (Rz. 66).
76
A15 S. Anm. A6 (Rz. 68)
77
A17 S. Anm. A8 (Rz. 70)
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A18 S. Anm. A11-A17 (Rz. 72 ff.)
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1 Zu den Konsequenzen einer derartigen Gestaltung s.a. (Schweizer) BGE v. 7.7.2014 4A_124/2014 und High Court of England and Wales (Technology and Construction Court) Peterborough City Council v. Enterprise Managed Services Ltd. Case No. HT-14-264 v. 10.10.2014, 2014 EWHC 3193 (TCC).
Mahnken 553
Kap. 28 Rz. 80
Schieds- und weitere ADR-Verfahren
M 28.4
80
A19 S. Anm. A2 (Rz. 64).
81
A20 Wird die Vereinbarung über das Ad hoc-DB erst getroffen, nachdem die Streitigkeit schon entstanden ist, können die Parteien in der Vereinbarung auch schon die Personen der DB-Mitglieder festlegen. Mit den entsprechenden Kandidaten sollte allerdings zuvor geklärt werden, ob sie zur Verfügung stehen und ob kein Interessenkonflikt besteht.
82
A21 S. Anm. A13 (Rz. 75).
83
A22 S. Anm. A4 (Rz. 66).
84
A23 S. Anm. A6 (Rz. 68).
85
A24 S. Anm. A19-A23 (Rz. 80 ff.).
554
Mahnken
Neunter Teil Kapitel 29
Vergleichsvereinbarungen Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
A. Außergerichtlicher Vergleich I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 29.1 Außergerichtlicher Vergleich . . . . M 29.2 Außergerichtlicher Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 8 8 20
B. Außergerichtlicher Abfindungsvergleich I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 M 29.3 Abfindungsvergleich . . . . . . . . . . 32 C. Vergleich zur Prozesserledigung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 41
M 29.4 Vergleich zur Prozesserledigung außerhalb des Gerichtsverfahrens
41
D. Prozessvergleich I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 29.5 Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . .
51 53 53
E. Vergleich mit umfassenden, den Streitgegenstand überschreitenden Regelungen I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 29.6 Antrag auf Protokollierung eines Prozessvergleichs. . . . . . . . . F. Verfahrenssteuernder Vergleich . . . . . . .
57 58 58 66
A. Außergerichtlicher Vergleich I. Einführung Literatur: Bork, Der Vergleich, 1988; Hünerwadel, Der außergerichtliche Vergleich, 1989; Leutner/Hacker, Zu Unrecht verschmäht: Der vollstreckbare Anwaltsvergleich, NJW 2012, 1318; Strecker, Möglichkeiten und Grenzen der Streitbeilegung durch Vergleich, DRiZ 1983, 97.
Der außergerichtliche Vergleich ist ein Instrument, das geeignet ist, etwa im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung aufgekommene Differenzen zwischen den Parteien beizulegen. Ein erfolgreicher Vergleichsabschluss verhindert die Eskalation der Streitigkeit. Dies sichert die Erhaltung der Geschäftsbeziehung oder führt zu ihrer geregelten Beendigung. Diese Grundform des Vergleichs passt bestehende Rechte und Pflichten zumeist aus vertraglichen Beziehungen an.
1
Entscheidend für den erledigenden Charakter des außergerichtlichen Vergleichs ist, dass 2 der Gegenstand des Vergleichs, die im Rahmen des Vergleichs übernommenen Verpflichtungen der Parteien sowie der Umfang der Erledigungsklausel präzise definiert werden. Auch zu beachten ist, dass allgemeine Regelungen, wie Gerichtsstand etc., die in einem etwa bestehenden Grundverhältnis der Parteien geregelt sind, nicht ohne weiteres auch für den Vergleich gelten. Sie sollten daher vorsorglich in Bezug genommen oder eigens geregelt werden. Zu berücksichtigen ist, dass ein privatschriftlich abgefasster Vergleich, auch wenn er unter 3 Begleitung von Anwälten verhandelt und abgeschlossen wurde, nicht vollstreckbar ist. Im Falle der Nichterfüllung muss die berechtigte Partei also zur Durchsetzung ihrer Ansprüche Klage beim staatlichen Gericht oder beim Schiedsgericht erheben. Dies lässt sich durch SchafHaß 555
Kap. 29 Rz. 4
Vergleichsvereinbarungen
fung eines notariellen Schuldanerkenntnisses für Zahlungsansprüche, deren Höhe und Fälligkeit schon feststeht, oder durch den Abschluss eines Anwaltsvergleichs vermeiden. Gelingt dies nicht, kann aber das Vorliegen eines außergerichtlichen Vergleichs die Durchsetzung der Ansprüche vor Gericht erleichtern, beispielsweise kann dieser als Urkunde im Urkundenprozess nach § 592 ZPO vorgelegt werden. 4
Der außergerichtliche Vergleich wird nachfolgend am Beispiel des Zahlungsvergleichs vorgestellt. Dabei handelt es sich um die Grundform des Vergleichs. Gläubiger und Schuldner entziehen eine bestimmte Forderung oder mehrere Forderungen dem Grund und/oder der Höhe nach dem Streit und vereinbaren evtl. noch weiteres, etwa die Modalitäten der Zahlung.
5
Zur Vorbereitung des Vergleichsschlusses gehören Prüfung und Abstimmung der Rechtsfolgen des Vergleichs in vertraglicher, steuerlicher und sonstiger Hinsicht. Mandanten sind je nach Erfahrungsgrad und Kenntnisstand auf die Folgen auch faktischer Natur, etwa auf die Tatsache, dass nach Vergleichsschluss die verglichenen Ansprüche nicht mehr weiterverfolgt werden können, hinzuweisen. Aus Gründen anwaltlicher Vorsicht bietet es sich immer an, wichtige Aspekte, auf die im Beratungsgespräch hingewiesen wurde, schriftlich festzuhalten.
6
Vergleichsgespräche werden am besten anhand eines Papiers, welches bereits die wesentlichen (wirtschaftlichen) Eckpunkte einer möglichen Einigung enthält („Term Sheet“) oder anhand des Entwurfs einer vollständigen Vergleichsvereinbarung geführt. Erst wenn man sich bei sorgfältiger Formulierung der zu regelnden Gegenstände einmal gründlich mit allen von dem Vergleich abzudeckenden Themen befasst hat, ist man für gewöhnlich dazu in der Lage, darüber souverän zu verhandeln. Im Hinblick auf die Führung des Mandanten durch Anwalt oder Notar ist festzuhalten, dass der Vorschlag, Vergleichsmöglichkeiten zu sondieren und ggf. in Vergleichsgespräche einzutreten, eine kritische Weichenstellung in der Mandatsbeziehung ist und im Extremfall zum Mandatsverlust führen kann. Kurzzeitig ergibt sich ein scheinbarer Gegensatz der Interessen zwischen Anwalt und Mandant, wenn der Vergleichsvorschlag aufgrund besserer Risikoeinschätzung vom Berater ausgeht. Darauf ist in besonderer Weise einzugehen. Zum eigenen Schutz sowie um es dem Mandanten zu erleichtern, die dem Vorschlag zugrunde liegenden Überlegungen nachzuvollziehen, sollten die Grundzüge der Überlegungen schriftlich festgehalten und dem Mandanten übergeben werden.
7
Die Beratung bei Vergleichsverhandlungen und Vergleichsschluss birgt für den Rechtsanwalt nicht unwesentliche Haftungsrisiken. Wird ein Vergleich abgeschlossen, welcher sich im Nachhinein als ungünstig für den Mandanten erweist, so gilt selbstverständlich der Grundsatz, dass vom Anwalt nur erwartet werden konnte, die Situation im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses richtig einzuschätzen. Vor- und Nachteile des Vergleichs muss der Anwalt aus damaliger Sicht sorgfältig abwägen (Borgmann in Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Aufl. 2016, § 52 Rz. 37). Über den Vergleichsabschluss entscheidet der Mandant selbst. Anwaltspflicht ist es jedoch, die Entscheidungsspielräume des Mandanten durch umfassende Beratung soweit zu öffnen, dass der Mandant die Folgen seiner Entscheidung bedenken kann (Borgmann in Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, 11. Aufl. 2016, § 52 Rz. 39; BGH, Urt. v. 13.4.2000 – IX ZR 372/98 [Celle]). Bestehen für einen Prozess keine genügenden Erfolgsaussichten, so kann auch der Rat, einen Vergleich abzulehnen, haftungsbegründend sein. Folgende Punkte sind daher bei der Vorbereitung eines Vergleichs immer zu berücksichtigen: – Interesse des Mandanten/Risiko der konkreten Angelegenheit – Beziehung zu anderen (auch nichtrechtlichen) Interessen des Mandanten – Steuerliche Folgen 556
Haß
M 29.1
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
Rz. 8 Kap. 29
– Folgen für andere Angelegenheiten: Beratungsangebot – Verfahren bis zum Vergleichsabschluss – Umsetzung des Vergleichsinhalts unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles
II. Muster M 29.1 Außergerichtlicher VergleichA1
8
Zwischen … – nachfolgend Gläubiger – und … – nachfolgend Schuldner – wird Folgendes vereinbart: PräambelA2 Zwischen den Parteien besteht eine Geschäftsbeziehung, deren rechtliche Grundlage in der Kooperationsvereinbarung vom 30.9.1999 mit dem aufgrund verschiedener Änderungsvereinbarungen heute geltenden Inhalt (die „Kooperationsvereinbarung“) liegt. Der Gläubiger behauptet, aufgrund verschiedener Pflichtverletzungen der Schuldnerin im Zusammenhang mit den in Anlage 1 aufgeführten Lieferungen (die „Lieferungen“) einen Schaden erlitten zu haben. Dieser ergibt sich daraus, dass die Lieferungen nach Auffassung des Gläubigers verspätet waren, nicht den in der Kooperationsvereinbarung vorgesehenen Qualitätsanforderungen genügten und der Schuldner von dem Gläubiger zur Verfügung gestelltes Know-how Dritten gegenüber unter Verletzung der Vertraulichkeitsklausel offen gelegt hat. Er verlangt insgesamt eine Zahlung in Höhe von 1 Mio. Euro. Der Schuldner ist bereit, um die Fortsetzung der Zusammenarbeit zu sichern, folgende Verpflichtungen zu übernehmen. §1 Verpflichtung des SchuldnersA3 Der Schuldner zahlt … Euro (inkl. USt.) an den Gläubiger oder an einen von diesem zu benennenden Dritten. Soweit der Gläubiger dem Schuldner nicht vor der Zahlung etwas anderes mitteilt, erfolgt die Zahlung auf das Konto des Gläubigers … (Bankverbindung) eingehend am … ohne Abzug von Spesen oder Bankgebühren. §2 TeilerlassA4 Zahlt der Schuldner bis zum … (Datum) … Euro (inkl. USt.) an den Gläubiger oder an einen von diesem zu benennenden Dritten, wird der darüberhinausgehende Betrag in Höhe von … Euro erlassen. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung ist der Eingang auf dem Konto des Gläubigers maßgeblich. §3 KostenA5 Der Schuldner übernimmt angemessene Kosten der Rechtsverfolgung des Gläubigers bis zu einem Höchstbetrag von … Euro. Sachverständigen- und Reisekosten tragen die Parteien selbst.
Haß 557
Kap. 29 Rz. 8
Vergleichsvereinbarungen
M 29.1
Nach Rechnungsstellung durch den rechtlichen Vertreter des Gläubigers ist der Rechnungsbetrag direkt an den Vertreter zu zahlen. §4 Abgeltung und Ergänzung der Kooperationsvereinbarung (Aufhebung der Kooperationsvereinbarung) (1) Mit Unterzeichnung/Erfüllung dieses Vergleichs sind alle Ansprüche des Gläubigers aus und im Zusammenhang mit den Lieferungen … (falls der Vergleich mit Unterzeichnung wirksam wird, einfügen: mit Ausnahme der Verpflichtungen nach Maßgabe dieses Vergleichs) abgegolten.A6 (2) Die Vertraulichkeitsklausel in Ziff. … der Kooperationsvereinbarung wird dahingehend ergänzt, dass in jedem Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von … Euro anfällt. Außerdem verpflichten sich die Parteien, den Inhalt des Vergleichs auch intern vertraulich zu behandeln und – mit Ausnahme der Geschäftsführung – nur solchen Mitarbeitern zugänglich zu machen, die mit der Umsetzung des Vergleichs zwingend betraut werden müssen. Diese Mitarbeiter sind auf die Geheimhaltungsverpflichtung besonders hinzuweisen. Im Übrigen bleibt der Kooperationsvertrag unberührt und wird von den Parteien weiterhin vollzogen. Für die Erfüllung dieses Vergleichs gehen die hier getroffenen Regelungen vor. (Alternativ: Mit Wirkung zum … wird die Kooperationsvereinbarung aufgehoben. Es gelten die Übergangsregelungen nach Maßgabe der Anlage 2).A7 §5 SchlussbestimmungenA8 (1) Ausschließlicher Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist das … LG München I. (2) Der Vertrag unterliegt dem materiellen Recht der Bundesrepublik Deutschland. Die Anwendung der einheitlichen Kaufgesetze, des UN-Kaufrechts oder sonstiger Konventionen über das Recht des Warenkaufs ist ausgeschlossen. (3) Sollte eine Regelung dieses Vertrages unwirksam oder undurchführbar sein, so lässt dies die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen dieses Vertrages unberührt. An die Stelle einer unwirksamen oder undurchführbaren Regelung tritt eine Regelung, die dem wirtschaftlichen Zweck der unwirksamen oder undurchführbaren Regelung am nächsten kommt. (4) Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für die Abbedingung dieses Schriftformerfordernisses. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen. (5) Sollten neue Schäden den bisherigen Betrag von … Euro um mehr als 15 % übersteigen, verpflichten sich die Parteien, auf schriftlichen Antrag des Schuldners, in Verhandlungen zu treten. Die Parteien verpflichten sich, die Verhandlungen nach Treu und Glauben so zu führen, dass eine angemessene Lösung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Grundlagen dieses Vergleichs binnen einer Frist von drei Wochen nach Anzeige der beschriebenen Umstände gefunden wird. Führen die Verhandlungen in dieser Frist nicht zu einer einvernehmlichen Lösung, bleiben die wechselseitigen Verpflichtungen aus diesem Vergleich unverändert bestehen.A9 Der Antrag ist an folgende Kontakte abzugeben. Änderungen der Kontaktadressen sind den Parteien unverzüglich schriftlich anzuzeigen.A10 [Kontaktadresse] … (Ort, Datum) (Unterschriften)
558
Haß
M 29.1
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
Rz. 13 Kap. 29
Verzeichnis der Anlagen Anlage 1 Liste der streitgegenständlichen Lieferungen (Anlage 2 Übergangsregelungen)
Anmerkungen zu Muster M 29.1 A1 Sachverhalt: Zwischen den Parteien besteht eine Geschäftsbeziehung, deren rechtliche 8a Grundlage in der Kooperationsvereinbarung vom 30.9.1999 mit dem aufgrund verschiedener Änderungsvereinbarungen heute geltenden Inhalt (die „Kooperationsvereinbarung“) liegt. Der Gläubiger behauptet, aufgrund verschiedener Pflichtverletzungen der Schuldnerin im Zusammenhang mit den in Anlage 1 aufgeführten Lieferungen (die „Lieferungen“) einen Schaden erlitten zu haben. Dieser ergibt sich daraus, dass die Lieferungen nach Auffassung des Gläubigers verspätet waren, nicht den in der Kooperationsvereinbarung vorgesehenen Qualitätsanforderungen genügten und der Schuldner von dem Gläubiger zur Verfügung gestelltes Know-how Dritten gegenüber unter Verletzung der Vertraulichkeitsklausel offen gelegt hat. Er verlangt insgesamt eine Zahlung in Höhe von 1 Mio. Euro. Die Parteien sind zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit. A2 Präambel: Sie umreißt den Lebenssachverhalt, hält die den Vergleich tragenden Interessen sowie den Streitstand fest und definiert für die Verpflichtungen der Parteien maßgebliche Begriffe.
9
A3 Die Zahlungsverpflichtung ist möglichst präzise zu beschreiben; Umsatzsteuer, Zah- 10 lungsmittel und Spesen sind zu regeln. A4 In diesem sogenannten Druckvergleich (Monte Carlo/Las Vegas Vergleich) verpflich- 11 tet sich der Schuldner zur Zahlung des vollen streitigen Betrags. Im Gegenzug erlässt ihm der Gläubiger, bei Zahlung eines bestimmten Teilbetrags in der festgelegten Frist, den Restbetrag. Damit kann gerade in Fällen, in denen die Erfüllung des Vergleichs durch den Schuldner unsicher ist, dem Schuldner ein positiver Anreiz gesetzt werden, freiwillig fristgerecht zu zahlen. A5 Die Kostenerstattung und deren Höhe sollten am besten durch einen Nominalbetrag geregelt werden. Nur wenn das ausnahmsweise nicht möglich ist, sollten die Parteien eine Beschreibung wie hier („angemessene Kosten“) ausreichen lassen. Sachverständigen- und Reisekosten sollten nicht vergessen werden.
12
A6 Die Erledigungsklausel ist Kernstück des Vergleichs. Die Klausel „Alle Rechte und 13 Pflichten der Parteien untereinander sind durch diesen Vergleich erloschen.“ sollte nur ausnahmsweise verwendet werden, wenn sicher ist, dass der Kontakt zwischen den Parteien einmalig war und deren Beziehung zueinander nicht komplex ist. Anderenfalls muss hier konkret beschrieben werden, was von der erledigenden Wirkung ausgenommen sein soll. Regelmäßig wirkt der Vergleich damit nicht schuldumschaffend und das ursprüngliche Rechtsverhältnis bleibt nach Inhalt und Rechtsnatur unverändert fortbestehen (BGH, Urt. v. 23.6.2010 – XII ZR 52/08, MDR 2010, 1042 = NJW 2010, 2652 – Rz. 15). Lediglich für die in dem Vergleich selbst eingegangen Leistungspflichten wird eine neue Rechtsgrundlage geschaffen (BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, NJW 2014, 2269 – Rz. 62). Akzessorische Sicherungsrechte, Einwendungen, Einreden und Nebenpflichten bleiben damit erhalten (BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, NJW 2014, 2269 – Rz. 62). Einen Vergleich mit ausnahmsweise schuldumschaffender Wirkung müssen die Parteien ausdrücklich vereinbaren. Hierzu bietet sich an, § 1 durch die Formulierung „Die Parteien sind sich einig, dass die Zahlungspflicht des Schuldners aufgrund abstrakten Schuldanerkenntnisses an die Haß 559
Kap. 29 Rz. 14
Vergleichsvereinbarungen
M 29.1
Stelle der streitigen Verpflichtung tritt.“ zu ergänzen. Auch die Verjährung bemisst sich grundsätzlich nach dem ursprünglichen Rechtsverhältnis. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt jedoch neu, soweit der Vergleich ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB enthält (Habersack in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 779, Rz. 33). 14
A7 Die Vertraulichkeitsklausel ist bei Vergleichen zwischen Kaufleuten oder bei Vergleichen wegen fehlerhafter Produkte von besonderer Bedeutung. Es können Standardklauseln verwendet werden. Schwierigkeiten werden immer wieder dadurch aufgeworfen, dass auch Arbeitnehmer der Vertragsparteien in den Wirkungsbereich einbezogen werden sollen. Hier wird sich die Vertraulichkeitsklausel nicht auf den Umstand des Vergleichsschlusses, sondern nur auf dessen Inhalt beziehen können.
15
A8 Die Schlussbestimmungen sollten die in allen Verträgen üblichen Schlussbestimmungen enthalten.
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A9 Sprechklauseln, auch Verhandlungsklauseln genannt, welche die Parteien verpflichten, nach Eintreten bestimmter Voraussetzungen erneut in ernsthafte Verhandlungen zu treten, bevor etwa die zwangsweise Durchsetzung bestimmter Regelungen des Vergleichs angestrengt wird, sollen das Entstehen weiterer Gerichtsverfahren verhindern und räumen den Parteien insbesondere dort weitere Flexibilität ein, wo die Abwicklung des Vergleichs einen größeren Zeitraum in Anspruch nimmt, sodass nicht unwahrscheinlich ist, dass sich die äußeren Umstände verändern.
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A10 Falls der Vergleich Möglichkeiten oder Verpflichtungen enthält, Erklärungen (z.B. wie hier Anträge im Zusammenhang mit der Sprechklausel oder ggf. Informationspflichten) abzugeben, sollten die Parteien Kontaktadressen bestimmen, um eindeutig festzulegen unter welchen Voraussetzungen die Erklärungen als wirksam abgegeben gelten.
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A11 Kosten: Sind die Parteien anwaltlich vertreten, bestimmt sich das Honorar der Rechtsanwälte in Abwesenheit einer anderen Regelung nach dem Gegenstandswert (§ 13 RVG), auf den eine zusätzliche Einigungsgebühr von 1,5 gemäß § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV 1000 anfällt. Weitere Kosten, außer solchen wie in Anm. A5 (Rz. 12) genannt, fallen nicht an. Der Rechtsanwalt erhält die Einigungsgebühr auch dann, wenn er nur bei den Vergleichsverhandlungen mitgewirkt hat, es sei denn, dass seine Mitwirkung für den Abschluss des Vergleichs noch nicht einmal mitursächlich war. Soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren oder ein Verfahren über Prozesskostenhilfe anhängig ist, erhält der Rechtsanwalt die Einigungsgebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr (VV 1003). Für die Mitwirkung bei einem unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter dem Vorbehalt des Widerrufs geschlossenen Vergleichs erhält der Rechtsanwalt die Einigungsgebühr, wenn die Bedingung eingetreten ist oder der Vergleich nicht mehr widerrufen werden kann. Die Einigungsgebühr ist eine reine Erfolgsgebühr, daher muss neben ihr immer noch mindestens eine weitere Gebühr (zB Geschäftsgebühr oder Verfahrensgebühr) anfallen (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, RVG, 22. Aufl. 2015, VV 1000 Rz. 3 ff.).
19
A12 Einbeziehung Dritter: Grundsätzlich ist die Einbeziehung von Rechtsbeziehungen zu einem Dritten in den Vergleich möglich, weil sich ein Vergleich nicht auf das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis beschränken muss (Habersack in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 779 Rz. 29). Hierzu gibt es aber wichtige Ausnahmen. Zu beachten ist, dass die Einbeziehung nicht zu Lasten des Dritten geschehen darf. Auch sind Verfügungsgeschäfte zugunsten Dritter analog § 328 BGB nach herrschender Meinung nicht zulässig (BGH, Urt. v. 26.10.2009 – II ZR 222/08, MDR 2010, 94 = NJW 2010, 64 [65]). Insoweit ist ein Erlass zugunsten eines außerhalb des Vergleichs stehenden Dritten mit der Folge, dass dessen Schuld unmittelbar erlischt, ohne dessen Zustimmung nicht möglich. Sollen somit in einem Vergleich Verpflichtungen für einen Dritten begründet werden oder ein Erlass gegenüber ei560
Haß
M 29.2
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
Rz. 20 Kap. 29
nem Dritten erklärt werden, muss eine Lösung außerhalb der Regelungen des Vergleichs gefunden werden. Oftmals besteht jedoch ein zentrales Bedürfnis der Parteien oder einer der Parteien, die 19a Rechtsbeziehungen zu dem Dritten zusammen mit dem Vergleich zu regeln, weil beispielsweise deren Rechte und Verpflichtungen miteinander verknüpft sind, eine enge Beziehung einer der Parteien zu dem Dritten (z.B. Tochter- und Muttergesellschaft) besteht oder eine solche Einbeziehung allein aus verhandlungstaktischen Gründen günstig erscheint. Eine Gestaltungsmöglichkeit wäre, die entsprechenden Regelungen als Annex zu dem Vergleich hinzuzufügen. Da es sich hierbei um gesonderte vertragliche Verpflichtungen zwischen den Vergleichsparteien und dem Dritten handelt, ist unbedingt empfehlenswert die Wirksamkeit dieser Vereinbarung, und damit die Begründung der Rechte und Pflichten dieser Vereinbarung von der Rechtswirksamkeit des Vergleichs abhängig zu machen, z.B. als auflösende oder aufschiebende Bedingung. Ist ein Erlass zugunsten eines Dritten gewollt, wäre es auch denkbar, das Erlassangebot in 19b den Vergleich mit aufzunehmen. Das Erlöschen der Schuld ist dann abhängig von der Annahme durch den Dritten. In diesem Fall ist es empfehlenswert, auf den Zugang der Annahme zu verzichten, § 151 Abs. 1 Alt. 2. Dieses Ergebnis kann (wirtschaftlich) auch durch ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) erreicht werden, in welchem sich der Gläubiger dazu verpflichtet, seinen Anspruch gegen einen Dritten nicht geltend zu machen (Habersack in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 779 Rz. 29). Dies ist als schuldrechtlicher Vertrag auch zugunsten Dritter zulässig (§ 328 BGB).
M 29.2 Außergerichtlicher Anwaltsvergleich
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Folgende Klausel ist in einen außergerichtlichen Vergleich aufzunehmen, wenn dieser als vollstreckbarer Anwaltsvergleich ausgestaltet werden soll: Stundungs- und RatenzahlungsvereinbarungA1 Zwischen … – nachfolgend Gläubigerin – vertreten durch Rechtsanwalt … und … – nachfolgend Schuldnerin – vertreten durch Rechtsanwalt … wird Folgendes vereinbart: Präambel Die Parteien streiten über die Zahlungsverpflichtung der Schuldnerin im Zusammenhang mit Lieferungen der Gläubigerin gemäß den Rechnungen vom … und vom … und vom … (die „Ansprüche“). Zur Abgeltung der Ansprüche vereinbaren die Parteien was folgt: 1. Die Schuldnerin erkennt an, der Gläubigerin einen Betrag in Höhe von … nebst … % Zinsen hieraus seit … sowie … vorgerichtliche Mahnauslagen zu schulden und verzichtet auf Einwendungen hiergegen. Die Gläubigerin ist berechtigt, den aktuellen Saldo daraus geltend zu machen.
Haß 561
Kap. 29 Rz. 20a
Vergleichsvereinbarungen
M 29.2
2. Die Schuldnerin unterwirft sich hinsichtlich sämtlicher Forderungen der Gläubigerin aus dieser Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung der sofortigen Zwangsvollstreckung.A2, A3 Die Gläubigerin wird diesen Vergleich beim Amtsgericht … hinterlegen und im Falle der Nichteinhaltung der Fälligkeitstermine für vollstreckbar erklären lassen.A4, A5 3. (Siehe M 29.1 [Rz. 8] ohne die Klauseln zum Mahnverfahren.)A6, A7
Anmerkungen zu Muster M 29.2 20a
A1 Sachverhalt: Die Parteien wollen dem Vergleichsvertrag (hier Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung) unmittelbar Vollstreckbarkeit verleihen. Der Gläubiger der Ansprüche aus dem Vergleich erspart sich im Falle der Nichterfüllung durch den Schuldner eine gerichtliche Geltendmachung; er kann aus dem Anwaltsvergleich unmittelbar vollstrecken lassen.
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A2 Ein außergerichtlicher Vergleich ist grundsätzlich nicht vollstreckbar. Dies muss bei dem Entwurf beachtet werden, etwa indem die Erledigung an bestimmte Ereignisse geknüpft wird (Klagerücknahme, Zahlung etc.). So kann mittels eines Mechanismus zwischen Leistung und Gegenleistung sowie der Erledigungsklausel erreicht werden, dass der Vergleich ohne die Leistung wirkungslos bleibt und dadurch ein Motiv zur Erfüllung geschaffen wird.
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A3 Um dies zu vermeiden, kommt der Anwaltsvergleich in Betracht, § 796a ZPO. Ähnlich wie in der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zur Urkunde des Notars muss der Schuldner sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen. Um eine materielle Rechtskraftwirkung zu erreichen, ist, auch wenn der Inhalt des Vergleichs einer Vollstreckung i.e.S. nicht zugänglich ist (z.B. Verzichtserklärung), eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung notwendig (Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 796a Rz. 12).
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A4 Er ist bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts unter Angabe eines Datums zu hinterlegen, bei dem eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, also am (Wohn-)Sitzgericht des Gläubigers oder des Schuldners. Mit Zustimmung der Parteien kann der Vergleich auch von einem Notar in Verwahrung genommen werden (vgl. § 796c Abs. 1 ZPO). Dieser ist dann auch für die Vollstreckbarerklärung zuständig.
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A5 Auf Antrag des Gläubigers wird er für vollstreckbar erklärt.
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A6 Der Vergleich ist von Rechtsanwälten in Vollmacht ihrer Mandanten abzuschließen (Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 796a Rz. 1 f.). Er muss die Unterschriften beider Rechtsanwälte tragen, sie können im Umlaufverfahren unterzeichnen (Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 796a Rz. 17).
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A7 Kosten: Für den Abschluss des Anwaltsvergleichs fällt zugunsten der Rechtsanwälte eine Einigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV 1000 an (siehe M 29.1 Anm. A11 [Rz. 18]).
B. Außergerichtlicher Abfindungsvergleich I. Einführung Literatur: Köck, Der Abfindungsvergleich beim Personenschaden, DAR 2015, 557; Michels, Die Rechtsnatur von Abfindungserklärungen, 1984.
562
Haß
M 29.3
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
Rz. 32 Kap. 29
Für Fallgestaltungen, in denen zwischen den Parteien keine vertraglichen Beziehungen bestehen, besteht eine vergleichsweise Einigung in erster Linie in der Schaffung neuer vertraglicher Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien. Klassische Beispiele sind der (Abfindungs-)Vergleich nach einem Verkehrsunfall oder nach einem Schaden aus Produkthaftung.
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Ziel des Abfindungsvergleichs ist es zumeist, sämtliche materiellen und immateriellen 28 Schäden des Ersatzberechtigten (aus Vergangenheit und Zukunft) aus dem die Haftung auslösenden Geschehen abzugelten, indem neue Verbindlichkeiten geschaffen werden. Dementsprechend ist bei der Formulierung in besonderem Maße auf die klare Fassung der Erledigungsklausel unter Bezugnahme auf das schädigende Ereignis sowie auf eine präzise Regelung der neu geschaffenen Ansprüche zu achten. Im Falle eines Vergleichs mit einem Gesamtschuldner stellt sich die Frage, ob dieser auch ei- 29 nen Verzicht auf alle Ansprüche gegen jeden weiteren gesamtschuldnerisch haftenden Dritten umfassen soll. Bei der vertraglichen Gestaltung sollte beachtet werden, dass im Zweifel ein in einem Vergleich zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass nur Einzelwirkung hat (BGH, NJW 2000, 1942 [1943]). Es ist daher empfehlenswert, den Willen der Vertragsparteien im Vergleich aufzunehmen. Es kommen verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht: Die Parteien können Gesamtwirkung, Einzelwirkung oder beschränkte Gesamtwirkung des Vergleichs vereinbaren (Einsiedler, MDR 2009, 1369 ff.). Ein formularmäßiger Abfindungsvergleich, bei dem sich der Verzicht des Geschädigten auf weitergehende Ansprüche gegen „jeden Dritten“ erstreckt, benachteiligt den Geschädigten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher wegen Verstoßes gegen §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam (BGH, Urt. v. 17.12.1985 – VI ZR 192/84, VersR 1986, 467; Urt. v. 25.10.1984 – VII ZR 95/83, VersR 1985, 165). Ein Verzicht gegenüber Dritten, die als Gesamtschuldner infrage kommen, ist indes wirksam (Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, 40. Kap. Rz. 23; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 30.4.2002 – 1 U 173/01, VersR 2003, 204).
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Treten nach der Abfindungszahlung Schäden auf, mit denen der Geschädigte nicht gerech- 31 net hatte, so besteht grundsätzlich kein Anspruch auf weiteren Schadensersatz. Ein Abfindungsvergleich kann allerdings dann angepasst werden, wenn aufgrund der nachträglichen Änderungen ein krasses Missverhältnis zwischen Abfindungsbetrag und Schaden entsteht (BGH, Urt. v. 20.2.1961 – VI ZR 95/60, VersR 1961, 382; Urt. v. 21.12.1965 – VI ZR 168/64, MDR 1966, 310 = VersR 1966, 243). Eine Anpassung mittels einer Abänderungsklage nach § 323 Abs. 4 ZPO kommt bei außergerichtlichen Vergleichen nicht in Frage, weil sie nicht vollstreckbar sind (Bacher in Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, 40. Kap. Rz. 70). Schließlich kann die Bindung an den Vergleich noch nach allgemeinen Grundsätzen durch Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung oder über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angepasst werden. Zu denken ist auch immer an eine mögliche Unwirksamkeit wegen gemeinschaftlichen Grundlagenirrtums nach § 779 Abs. 1 BGB (Bacher in Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, 40. Kap. Rz. 24 ff.).
II. Muster M 29.3 Abfindungsvergleich
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VergleichA1 zwischen … im Folgenden „Anspruchsteller“ genannt Haß 563
Kap. 29 Rz. 32a
Vergleichsvereinbarungen
M 29.3
und … im Folgenden „Anspruchsgegner“ genannt. PräambelA2 Der Anspruchsteller bringt vor, am … mit dem Präparat … des Anspruchsgegners geimpft worden zu sein. Er bringt ferner vor, dass bei ihm zeitlich nach der Impfung Gesundheitsschäden aufgetreten seien, deren Eintritt er auf die Impfung mit … zurückführt. Der Anspruchsteller macht daher Schadensersatzansprüche gegen den Anspruchsgegner unter allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen geltend. Der Anspruchsgegner bestreitet die Verursachung der vom Anspruchsteller vorgebrachten Gesundheitsbeeinträchtigung durch sein Impfpräparat sowie außerdem das für den Ersatz immaterieller Schäden erforderliche Verschulden und weist deshalb sämtliche Ansprüche zurück. Dies vorausgeschickt schließen die Parteien folgenden außergerichtlichen Vergleich 1. Zur Abgeltung sämtlicher vergangener und zukünftiger, materieller und immaterieller Schadensersatzansprüche des Anspruchstellers und seiner Rechtsnachfolger gegen die Beklagte und sämtliche mit ihr verbundenen Unternehmen zahlt der Anspruchsgegner durch die … Versicherung AG (Haftpflichtversicherer des Anspruchsgegners) ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz auf die Sach- und Rechtslage an den Anspruchsteller einen Betrag in Höhe von … Euro.A3 2. Der Anspruchsteller verzichtet auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen alle neben dem Anspruchsgegner gesamtschuldnerisch haftenden Dritten, denen der Anspruchsgegner im Wege des Regresses zum Ausgleich verpflichtet wäre.A4 3. Der Anspruchsteller versichert, dass er über die von ihm behaupteten Ansprüche frei verfügen kann. Sie sind weder abgetreten noch gepfändet.A5 4. Mit vollständiger Zahlung des in Ziff. 1 dieses Vergleichs genannten Betrages sind alle etwaigen Ansprüche und Nachteile des Anspruchstellers im Zusammenhang mit der Lieferung des oben genannten Präparats gegen den Anspruchsgegner, dessen Gesellschafter, Mitarbeiter, Rechtsnachfolger, sämtliche mit dem Anspruchsgegner verbundene Unternehmen und deren Rechtsnachfolger sowie gegen sämtliche sonstige als Gesamtschuldner in Betracht kommende Dritte abgegolten und erledigt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um materielle, immaterielle, vergangene, zukünftige, bekannte oder unbekannte, vorhersehbare oder unvorhersehbare Ansprüche oder Schäden handelt. 5. Die Parteien verpflichten sich zur Verschwiegenheit über den Abschluss und den Inhalt dieser Vereinbarung, soweit der Vergleich nicht Dritten im Rahmen der Erfüllung bekannt gemacht werden muss.A6 6. Jede Partei trägt ihre im Zusammenhang mit der Verhandlung und dem Abschluss dieses Vergleichs entstandenen Kosten selbst.A7 … (Ort, Datum) (Ort, Datum) … (Unterschrift) (Unterschrift)
Anmerkungen zu Muster M 29.3 32a
A1 Sachverhalt: Es liegt ein Fall der Arzneimittelhaftung zugrunde. Der Anspruchsteller behauptet, aufgrund der Verabreichung eines Präparates geschädigt worden zu sein und verlangt deswegen Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden. Es ist außer Betracht gelassen, dass der Anspruchsteller Verdienstausfall hatte und ein Teil seiner Ansprüche nach Maßgabe des Entgeltfortzahlungsgesetzes auf den Arbeitgeber übergegangen sind. 564
Haß
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
Rz. 38 Kap. 29
Der Anspruchsgegner hat für den behaupteten Schaden Versicherungsschutz und bezieht daher die Haftpflichtversicherung in den Vergleich ein. A2 Bei einem außergerichtlichen Abfindungsvergleich müssen die Parteien den Umfang und die Reichweite der getroffenen Regelung bestimmen. Anders als im Rahmen eines Prozessvergleiches ergibt sich der Streitgegenstand nicht bereits aus einem anhängigen Verfahren. Daher bietet es sich an, in einer Präambel den vom Anspruchsteller vorgetragenen Sachverhalt darzustellen. Ähnlich wie im Urteilstatbestand sollte man der Übersichtlichkeit wegen auch hier nach unstreitigem und streitigem Vorbringen trennen.
33
A3 Die Formulierung in Ziff. 1 des Vergleichs stellt klar, dass es sich um einen Abfindungs- 34 vergleich handelt, mit dem sämtliche Ansprüche aus dem in der Präambel geschilderten Rechtsverhältnis der Parteien abgegolten werden sollen. Insbesondere die Bezugnahme auf zukünftige Schäden ist wichtig, um – in den Grenzen der Billigkeit – auch Ansprüche wegen Spätschäden zu erfassen. A4 Der Vergleich würde für den Anspruchsgegner wirtschaftlich weitgehend entwertet, 35 wenn er sich später Rückgriffsansprüchen von Gesamtschuldnern ausgesetzt sähe. Im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter verzichtet daher der Anspruchsteller auf die Geltendmachung etwaiger Ansprüche und stellt damit alle anderen Gesamtschuldner von der Haftung frei. Wenn bereits ein Prozess anhängig ist, können die Parteien eine Verpflichtung zur Klagerücknahme in ihren außergerichtlichen Vergleich aufnehmen. Diese führt bei Berufung auf den Vergleich zur Abweisung der Klage als unzulässig (Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 269 Rz. 3). A5 Durch die Versicherung der Verfügungsbefugnis über die geltend gemachten Ansprüche sichert sich der Anspruchsgegner einen Schadensersatz- oder Freistellungsanspruch gegen den Anspruchsteller, für den Fall, dass er von (Legal-)Zessionaren oder Pfandgläubigern in Anspruch genommen würde.
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A6 Der außergerichtliche Vergleich ist unter anderem auch deshalb für die Parteien interessant, weil er es ermöglicht, diskret und vertraulich eine Beilegung des Rechtsstreits herbeizuführen. Die Prozessöffentlichkeit und die Medien stellen eine nur schwer steuerbare Gefährdung des Ansehens eines Unternehmens – gerade im Bereich der Produkthaftung – dar. Zur Sicherung dieser Vertraulichkeit bietet es sich daher an, eine Verschwiegenheitsklausel in den Vergleich aufzunehmen. Letztlich hat eine solche Klausel allerdings primär eine Mahn- und Erinnerungsfunktion. Verstößt nämlich eine Partei gegen die vereinbarte Vertraulichkeit, so entstehen zwar Unterlassungs- und ggf. Schadensersatzansprüche, doch ist ein Unterlassungsurteil weitgehend wirkungslos, wenn der Vergleich erst einmal bekannt geworden ist und die Verwirklichung von Schadensersatzansprüchen wird oft auf unüberwindbare Hürden im Hinblick auf die Beweisbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen treffen.
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A7 Kosten: Die Kostentragung ist zu regeln. Für den Abschluss eines außergerichtlichen 38 Anwaltsvergleichs fällt zugunsten der Rechtsanwälte eine Einigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV 1000 an (siehe M 29.1 Anm. A11 [Rz. 18]).
C. Vergleich zur Prozesserledigung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens I. Einführung Literatur: Lindacher, Der Prozessvergleich, in 50 Jahre Bundesgerichtshof (2000), 253.
Haß 565
Kap. 29 Rz. 39
Vergleichsvereinbarungen
M 29.4
39
Soweit die Parteien ihren Konflikt bereits zum Gegenstand eines gerichtlichen (Mahn-)Verfahrens gemacht haben, nimmt ihnen dieser Umstand nicht die Gelegenheit, den Streit außergerichtlich zu vergleichen. Der Vergleich muss dann die Erledigung des Streits, des Rechtsstreits und die Verpflichtungen der Parteien regeln.
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Ein typisches Beispiel sind Zahlungsvergleiche in der Form der Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen. Allerdings gilt Folgendes: Gewährt der Gläubiger einer unbestrittenen Forderung dem Schuldner in einer Ratenzahlungsvereinbarung Stundung, so liegt darin kein Vergleich, wenn nicht auch dieser seinerseits nachgibt, indem er auf die gerichtliche Prüfung ernsthafter sachlicher Einwendungen gegen die Forderung im weiteren Verfahren verzichtet oder sonstige Konzessionen an den Gläubiger macht (vgl. Habersack in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 779 BGB Rz. 26).
II. Muster 41
M 29.4 Vergleich zur Prozesserledigung außerhalb des Gerichtsverfahrens Stundungs- und RatenzahlungsvereinbarungA1 Zwischen … – nachfolgend Gläubigerin – und … – nachfolgend Schuldnerin – wird Folgendes vereinbart: Präambel Die Parteien streiten über die Zahlungsverpflichtung der Schuldnerin im Zusammenhang mit Lieferungen der Gläubigerin. Diese hat ihre behaupteten Ansprüche mit Antrag vom … zum Gegenstand des Mahnverfahrens vor dem AG …, Az.: …, gemacht (die „Ansprüche“). Auf Antrag der Gläubigerin erging Mahnbescheid vom … Zur Abgeltung der Ansprüche vereinbaren die Parteien was folgt: 1. Die Schuldnerin erkennt an, der Gläubigerin einen Betrag in Höhe von … nebst … % Zinsen hieraus seit … sowie … vorgerichtliche Mahnauslagen zu schulden und verzichtet auf Einwendungen hiergegen. Die Gläubigerin ist berechtigt, den aktuellen Saldo daraus geltend zu machen.A2 2. Die Schuldnerin verpflichtet sich weiter zur Zahlung der anfallenden Kosten des Mahn- und Vollstreckungsverfahrens sowie zur Zahlung der unten benannten Kosten dieser Vereinbarung.A3 3. Die Schuldnerin verpflichtet sich, gegen den Mahnbescheid keinen Widerspruch sowie gegen den noch zu beantragenden Vollstreckungsbescheid keinen Einspruch einzulegen.A4 4. Die Schuldnerin verpflichtet sich zur Zahlung der in Ziff. 1 und 2 genannten Beträge wie folgt: 1. Rate: … Euro fällig am … 2. Rate: … Euro fällig am … 3. Rate: … Euro fällig am … 4. Rate: … Euro fällig am … 5. Rate: … Euro fällig am … 6. Rate: … Euro fällig am … 566
Haß
M 29.4
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
Rz. 43 Kap. 29
Nach Eingang der Rate wird der Schuldnerin die Höhe der noch verbleibenden Restschuld bekannt gegeben. Diesen Restbetrag wird die Schuldnerin innerhalb von zwei Wochen bezahlen. 5. Die Zahlungen sind ausschließlich auf das Konto der Rechtsanwälte (…) zu leisten. Maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Zahlungen ist der Zahlungseingang.A5 6. Die Gläubigerin verpflichtet sich, falls die Schuldnerin die Raten in der vereinbarten Höhe pünktlich zahlt, keine Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten.A6 7. Die jeweilige Restforderung ist zur sofortigen Zahlung fällig, wenn die Schuldnerin mit einer Rate ganz oder teilweise länger als 4 Tage im Rückstand ist.A7 8. Alle Zahlungen werden zunächst auf die Kosten dieser Vereinbarung, sodann auf die bisher entstandenen Kosten, auf die Zinsen und schließlich auf die Hauptsache verrechnet.A8 9. Ausschließlicher Gerichtsstand für alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung ist …A9 … (Ort, Datum) (Ort, Datum) … (Unterschrift) … Unterschrift) für Rechtsanwälte … …/Rechtsanwältin KostennoteA10 Gegenstandswert: 1,5 Einigungsgebühr gem. § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV 1003 1,0 Verfahrensgebühr gem. § 2 Abs. 2 RVG i.V.m VV 3305 1,0 Terminsgebühr gem. 2 Abs. 2 RVG i.V.m VV 3104 Auslagen gem. § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV 7000 16 % MwSt Gesamtbetrag
… Euro … Euro … Euro … Euro … Euro … Euro
Anmerkungen zu Muster M 29.4 A1 Sachverhalt: Die Schuldnerin hat bei der Gläubigerin Dienstleistungen bestellt und erhalten; diese sind weitgehend unbezahlt. Die Gläubigerin hat einen Mahnbescheid beantragt. Die Forderungen sind unbestritten. Wenn es dem Gläubiger nur um die Schaffung eines vollstreckbaren Titels und dem Schuldner nur um einen Zahlungsaufschub geht, bietet sich in dieser Situation der Abschluss einer Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung an.
41a
A2 Die Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung stellt zunächst den genauen Umfang der geschuldeten Gesamtleistung im Wege eines kausalen Schuldanerkenntnisses mit Einwendungsverzicht klar. Dieses ist gesetzlich nicht geregelt, fällt insbesondere nicht unter § 781 BGB. Seine Zulässigkeit folgt aber unstreitig aus dem Prinzip der Vertragsfreiheit (Marburger in Staudinger, BGB, Neubearb. 2015, § 781 BGB Rz. 8 m.w.N.). Hierdurch werden die Forderung dem Streit der Parteien entzogen und die materiellen Beziehungen der Parteien neu geordnet.
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A3 Die Übernahme der Kosten des Mahn- und Vollstreckungsverfahrens sowie der Ver- 43 gleichskosten ist nach richtiger Ansicht auch in Vergleichen zwischen Unternehmern und Verbrauchern zulässig. Es ist umstritten, ob die Verpflichtung des Verbrauchers zum Kostenersatz für die Einschaltung eines Rechtsanwalts im Rahmen eines gerichtlichen oder auHaß 567
Kap. 29 Rz. 44
Vergleichsvereinbarungen
M 29.4
ßergerichtlichen Ratenzahlungsvergleichs die darin liegende Stundungsabrede zu einem entgeltlichen Zahlungsaufschub i.S.d. § 506 BGB macht (so LG Rottweil, Urt. v. 24.2.1993 – 1 S 115/92, NJW 1994, 265 f.) und damit auch bestimmte Verbraucherkreditnormen, wie beispielsweise das Widerrufsrecht, auf den Vergleich anwendbar sind. Geht man von dem Schutzzweck der Verbraucherkreditnormen aus, zusätzliche Belastungen des Verbrauchers in Verbindung mit dem Kredit zu kontrollieren, so hängt die Entgeltlichkeit der Stundungsabrede im Rahmen eines Vergleichs davon ab, ob der Verbraucher darin Kosten übernimmt, die er nicht ohnehin als Verzugsschaden, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB, zu tragen hätte (Schürnbrand in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2016, § 506 Rz. 10, m.w.N.). Entspricht ein außergerichtlicher Vergleich den Voraussetzungen eines Zahlungsaufschubs i.S.v. § 499 BGB, und trägt der Schuldner die Kosten des Vergleichs und des Mahn- und Vollstreckungsverfahrens, liegt darin richtigerweise kein Entgelt für die Gewährung der Stundung. Dem Gläubiger kommen diese Zahlungen nicht zugute. Es handelt sich um reine Rechtsverfolgungskosten, die ohnehin angefallen wären (Kessal-Wulf in Staudinger, Neubearb. 2012, § 506 BGB Rz. 12). 44
A4 Das neben dem Vergleich weiterbetriebene Mahnverfahren soll dem Gläubiger einen Titel sichern, aus dem er bei Verzug des Schuldners mit den Ratenzahlungen vollstrecken kann. Der Verzicht auf Widerspruch und Einspruch soll gewährleisten, dass die Schaffung des Vollstreckungstitels nicht mehr vom Schuldner einseitig verhindert werden kann. Es ist allerdings umstritten, ob ein Verzicht auf den Widerspruch bereits vor Zustellung des Mahnbescheids wirksam vereinbart werden kann. Die wohl h.M. geht davon aus, dass ein Verzicht analog §§ 346, 515 ZPO erst nach Zustellung des Mahnbescheids möglich ist (Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 694 Rz. 15 m.w.N.). Überzeugender ist indes die Gegenansicht (Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2013, § 694 Rz. 11), nach der ein Verzicht auf den Widerspruch auch vor Zustellung grundsätzlich – ähnlich einem vorgängigen Rechtsmittelverzicht – wirksam ist. Eine Entscheidung über die Wirksamkeit des Verzichts kann allerdings erst aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen. Stellt sich in der mündlichen Verhandlung die Wirksamkeit des Verzichts heraus, ist die mit einer aus anderen Gründen herrührende Unwirksamkeit des Widerspruchs gleichzustellen, d.h. der Widerspruch ist analog § 341 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Jedenfalls kann der vor Zustellung des Mahnbescheids erklärte Verzicht aber als abstraktes Schuldanerkenntnis i.S.v. § 781 BGB ausgelegt werden (Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 694 Rz. 10). Auf den Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid kann hingegen nach allg.M. auch vor dessen Erlass analog §§ 514, 346, 700 Abs. 1 ZPO wirksam verzichtet werden (Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 700 Rz. 11). Soweit zwischen den Parteien ein Klageverfahren anhängig ist, übernimmt der Gläubiger es, die Klage nach Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen nach Maßgabe des Vergleichs zurückzunehmen oder die Klage zu diesem Zeitpunkt für erledigt zu erklären. Der Unterschied liegt im Kostenausspruch. Im Falle der Klagerücknahme muss das Gericht den Gläubiger in die Kosten verurteilen, während es im Falle der Erledigungserklärung die Kosten nach voraussichtlichem Obsiegen/Unterliegen verteilt und darüber durch Beschluss entscheidet. Soweit diese Ergebnisse nicht gewünscht sind, muss der Gläubiger im Vergleich auf den Kostenantrag verzichten („ … verzichtet auf die Stellung eines Kostenfestsetzungsantrags“). Es handelt sich um einen Verzicht mit prozessualer Wirkung, also um eine Prozesserklärung.
45
A5 Genaue Regelungen zum richtigen Zahlungsempfänger, inkl. Bankverbindung, sowie zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Rechtzeitigkeit der Zahlungen helfen, weitere Unklarheiten und Streitigkeiten zu verhindern.
568
Haß
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
Rz. 51 Kap. 29
A6 Vollstreckungsbeschränkende Abreden sind den Parteivereinbarungen zugänglich. 46 Die Parteien können vereinbaren, dass von einem Vollstreckungstitel überhaupt nicht, nur teilweise oder unter bestimmten Bedingungen Gebrauch gemacht werden darf (Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor § 704 Rz. 25 m.w.N.). Für die Geltendmachung dieser Beschränkung steht die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO zur Verfügung. Darüber hinaus kann sie auch mit der Erinnerung (§ 766 ZPO) und der Beschwerde (§ 793 ZPO) geltend gemacht werden, denn wegen ihres prozessualen, die Art und Weise der Zwangsvollstreckung betreffenden Charakters ist sie auch im Zwangsvollstreckungsverfahren selbst zu berücksichtigen. A7 Verfallsklauseln sind zulässig und üblich. Handelt es sich um einen Prozessvergleich 47 und besteht das Nachgeben des Klägers nur in der Ratenzahlung, ist allerdings der Vergleich für den Beklagten letztlich besonders ungünstig, da er zusätzlich mit der Vergleichsgebühr der Rechtsanwälte belastet wird. Ein Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil wäre für ihn erheblich kostengünstiger. Bei einem außergerichtlichen Vergleich bestehen diese Bedenken indes nicht. A8 Zumindest als Klarstellung der gesetzlichen Tilgungsverrechnung sollte auch eine Til- 48 gungsverrechnungsvereinbarung in den Vergleich aufgenommen werden. Darüber hinaus sind die §§ 366, 377 BGB als dispositives Recht auch einer abweichenden Regelung zugänglich. Allerdings können formularmäßige Tilgungsverrechnungsbestimmungen gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB verstoßen, wenn die stipulierte Art der Verrechnung den Schuldner unangemessen benachteiligt (Olzen in Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, § 367 Rz. 18, § 362 Rz. 3). A9 Bei der Vereinbarung eines Gerichtsstandes für Streitigkeiten aus dem Vergleich ist 49 das grundsätzliche Prorogationsverbot des § 38 ZPO zu beachten. Wenn nicht beide Parteien Kaufleute sind, kann die Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichts nur nachträglich begründet werden. Die Rechtsprechung geht insofern davon aus, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung daher jedenfalls nicht zugleich mit dem (Haupt-)Vertrag geschlossen werden kann, dessen zukünftige Streitigkeiten sie regeln soll. Nach z.T. vertretener Ansicht kann aber ein Vergleich, der zur ganzen oder teilweisen Erledigung eines Streits geschlossen wird, mit einer Gerichtsstandsvereinbarung kombiniert werden (Geimer, NJW 1986, 1439). Hierfür spricht, dass es nicht erst eines neuen, d.h. weiteren Streits bedürfen sollte, um eine Gerichtsstandsvereinbarung für die im Vergleich angesprochenen Punkte möglich zu machen. A10 Für den Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs fällt zugunsten der Rechtsanwälte eine Einigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV 1003 an (siehe M 29.1 Anm. A11 [Rz. 18]). Hinzu kommt noch die i.R.d. Mahnverfahrens zu titulierende Verfahrensgebühr, VV 3305, und ggf. Terminsgebühr, VV 3104.
50
D. Prozessvergleich I. Einführung Literatur: Fleindl/Haumer, Der Prozessvergleich, 2016; Lindacher, Der Prozessvergleich, in 50 Jahre Bundesgerichtshof (2000), 253; Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 794 Rz. 2 ff.; Ziege, NJW 1991, 1580.
Der gerichtliche Vergleich unterscheidet sich vom außergerichtlichen Vergleich dadurch, dass sein Gegenstand feststeht: Es ist der Streitgegenstand, der nicht nochmals definiert Haß 569
51
Kap. 29 Rz. 52
Vergleichsvereinbarungen
M 29.5
werden muss. Dies wäre sogar schädlich, da sich nur unterschiedliche Ergebnisse aus der Auslegung einer Beschreibung im Vergleichstext und der Auslegung von Klage und ggf. Widerklage ergeben. Anderes gilt natürlich, wenn der Rechtsstreit nur teilweise verglichen werden soll (Teilvergleich) oder vom Streitgegenstand nicht erfasste Rechtsverhältnisse geregelt werden sollen. In diesen beiden Fällen muss der Vergleichsgegenstand ebenso wie beim außergerichtlichen Vergleich präzise beschrieben werden, um die Reichweite des Vergleichs zu bestimmen. 52
Prozessvergleiche sollten nie ohne vorherige Abstimmung mit dem Mandanten geschlossen werden. Das gilt auch für widerrufliche Vergleiche, zu denen manche Richter besonders gerne drängen. Es gehört viel Gespür dazu, gerade den im Prozess unerfahrenen Mandanten zu einem interessengerechten Vergleich zu führen, insbesondere wenn er siegesgewiss ist. Er wird seinen Anwalt wechseln, wenn er aus seiner Sicht überraschend verliert, er wird aber ebenso bereit zum Anwaltswechsel sein, wenn er seinen Anwalt im Vergleichsgespräch als Gegner empfindet.
II. Muster 53
M 29.5 Prozessvergleich Die Parteien schließen zur Erledigung des Rechtsstreits folgenden VergleichA1 1. Die Beklagten bezahlen an den Kläger gesamtschuldnerisch einen Betrag in Höhe von … Euro.A2 2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten gesamtschuldnerisch 4/5 und der Kläger 1/5.A3, A4
Anmerkungen zu Muster M 29.5 53a
A1 Sachverhalt: In einem Rechtsstreit über eine Zahlungsklage wird ein Vergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossen.
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A2 Die Fälligkeit der Vergleichszahlung sollte nie von der Festsetzung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs durch den Rechtspfleger abhängig gemacht werden. Die Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens überrascht immer wieder.
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A3 Kosten: Für den Abschluss eines Prozessvergleichs fällt zugunsten der Rechtsanwälte eine Einigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV 1003 an (siehe M 29.1 Anm. A11 [Rz. 18]).
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A4 Sonstige Regelungen: Im Übrigen gelten die Anmerkungen insbesondere für die in A. (M 29.1 [Rz. 8]) vorgestellten außergerichtlichen Vergleichsvereinbarung. Im Zweifel sollte auch der gerichtliche Vergleich die dort vorgeschlagenen Regelungen enthalten, auch wenn Richter und Gegner auf eine abweichende Praxis verweisen. Es ist eine Unsitte, dass Zahlungsmittel, Fälligkeitszeitpunkt, die Umsatzsteuer und Ähnliches in gerichtlichen Vergleichen häufig nicht oder nur rudimentär, jedenfalls aber ohne genaue Prüfung, geregelt werden.
570
Haß
M 29.6
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
Rz. 58 Kap. 29
E. Vergleich mit umfassenden, den Streitgegenstand überschreitenden Regelungen I. Einführung Literatur: Lindacher, Der Prozessvergleich, in 50 Jahre Bundesgerichtshof (2000), 253; Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 794, Rz. 2 ff.; Ziege, NJW 1991, 1580.
Diese Art des Vergleichs bietet sich an, wenn der Streitgegenstand zwar nur einen Teilaspekt 57 der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien darstellt, die Parteien ihre Rechtsbeziehungen jedoch umfassend und abschließend regeln wollen. Er erfordert damit immer eine umfassende Vorbereitung durch den Berater. Er kann als Prozessvergleich (M 29.5 [Rz. 53]) oder als außergerichtlicher Anwaltsvergleich (M 29.2 [Rz. 20]) abgeschlossen werden.
II. Muster M 29.6 Antrag auf Protokollierung eines Prozessvergleichs
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An das Landgericht … In der SacheA1… zeigt der Kläger im versicherten Einverständnis mit dem Beklagten an, dass die Parteien den Rechtsstreit ohne Präjudiz für die beiderseitigen Rechtsstandpunkte durch folgenden Vergleich beenden wollen: 1. Zur Abgeltung sämtlicher vergangener und zukünftiger, materieller und immaterieller Schadensersatzansprüche des Klägers und seiner Rechtsnachfolger gegen die Beklagte und sämtliche mit ihr verbundenen Unternehmen zahlt die Beklagte durch die … Versicherung AG (Haftpflichtversicherer der Beklagten) ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz auf die Sach- und Rechtslage an den Kläger einen Betrag in Höhe von … Euro. Die Zahlung erfolgt auf das Konto des Klägers … (Bankverbindung) ohne Abzug von Spesen oder Bankgebühren. 2. Der in Ziff. 1 genannte Abfindungsbetrag wird von der Beklagten in Kenntnis des Umstands gezahlt, dass der Kläger Sozialleistungen (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Leistungen der Krankenversicherung) bezieht. Eine Anrechnung möglicher Regressansprüche von Trägern der Sozialversicherung gegen die Beklagte auf den Abfindungsbetrag erfolgt nicht.A2 3. Der unter Ziff. 2 genannte Betrag ist innerhalb eines Monats ab Protokollierung dieses Vergleichs fällig. 4. Der Kläger versichert, dass er über die von ihm behaupteten Ansprüche frei verfügen kann. Sie sind weder abgetreten noch gepfändet. 5. Der Kläger gestattet der Beklagten, jederzeit ihn betreffende Informationen bei den zuständigen Behörden und Sozialversicherungsträgern einzuholen, die für die Verteidigung gegen Ansprüche Dritter gemäß Ziff. 2 dieses Vergleichs erforderlich sind.A3 6. Die Parteien verpflichten sich zur Verschwiegenheit über den Abschluss und den Inhalt dieser Vereinbarung.A4 7. Über die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs soll das Gericht gemäß § 91a ZPO entscheiden, wobei die Parteien auf eine Begründung sowie auf Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung verzichten.A5 Haß 571
Kap. 29 Rz. 58a
Vergleichsvereinbarungen
M 29.6
8. Der Kläger kann von diesem Vergleich durch Schriftsatz an das Gericht zurücktreten, wenn der Beklagte mit der Zahlung der Vergleichssumme länger als 7 Tage ab Fälligkeit in Rückstand ist. Der Rücktritt hat innerhalb von 2 Wochen ab Entstehung des Rücktrittsrechts zu erfolgen. Der Kläger hat durch Vorlage entsprechender Kontoauszüge nachzuweisen, dass keine Zahlung bei ihm eingegangen ist.A6 Bei Ausübung des Rücktrittsrecht durch den Kläger sind die Parteien nicht mehr an diesen Vergleich gebunden, vorausgesetzt, dass alle Zahlungen die bereits erfolgt sind, zurückgezahlt wurden.A7 9. Beide Parteien können diesen Vergleich durch Schriftsatz an das Gericht bis spätestens … widerrufen.A8 Es wird um Anberaumung eines Termins zur Protokollierung des Vergleichs gebeten. (Unterschrift Rechtsanwalt)
Anmerkungen zu Muster M 29.6 58a
A1 Sachverhalt: Bei einem Prozessvergleich erübrigt sich eine den Vergleichsgegenstand umreißende Präambel. Dieser ist bereits durch den Prozess festgelegt. Die Parteien müssen daher hinsichtlich der Reichweite des Vergleichs nur Regelungen zur Höhe der Zahlungen und zum Umfang der Abgeltungswirkung treffen. Die Parteien sollten dabei immer klarstellen, in welchem Umfang dem Vergleich Drittwirkung zukommen soll. Insoweit überschreitet der Vergleich den Streitgegenstand und der Vergleichsgegenstand bedarf insoweit der Bestimmung. Die Reichweite des Vergleichs soll sich klar aus dem Wortlaut der getroffenen Regelungen ergeben. Auf die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Auslegungsregeln darf sich der rechtsgestaltend tätige Anwalt nicht verlassen.
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A2 Beim Abfindungsvergleich ist immer an die im Wege der Legalzession auf Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche zu denken. Ein Sozialversicherter kann gegenüber dem Ersatzpflichtigen nur diejenigen Ansprüche geltend machen, die nicht im Wege der Legalzession (z.B. nach § 116 SGB X) auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Nur über die bei ihm verbliebenen Ansprüche kann der Anspruchssteller einen Vergleich mit dem Schädiger schließen. Ein Vorbehalt in der Vergleichsurkunde, dass „die auf Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche unberührt bleiben“, ist daher nur deklaratorisch. Stehen die Leistungen des Sozialversicherers noch nicht fest und werden besondere Abreden (insbesondere Abtretungen) mit in die Abfindung einbezogen, so sind die für Sozialversicherungsleistungen geltenden Beschränkungen u.a. nach den §§ 32, 53 SGB I (Verbot nachteiliger Vereinbarungen, eingeschränkte Übertragbarkeit bzw. Verpfändung) zu beachten (vgl. zum Ganzen Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 11. Aufl. 2013, Rz. 440 ff.).
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A3 Die Gestattung der jederzeitigen Auskunftseinholung bei den Behörden und Sozialversicherungsträgern ist ein Beispiel für die Einbeziehung eines Punktes, der nicht Gegenstand des Rechtsstreits war, der aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Folgerechtsstreit führen würde, wenn er nicht bereits jetzt mit verglichen würde. Der gelungene Vergleich erkennt solche Gestaltungsmöglichkeiten und zukünftigen Problemfelder und bezieht sie in die Regelung ein. Neben der Verhinderung späteren Streits dient die Einbeziehung solcher Punkte i.Ü. auch dazu, die Verhandlungsmasse bei den Vergleichsverhandlungen zu erweitern. Manchmal lässt sich das für die Akzeptanz eines Vergleichs notwendige Gleichgewicht des gegenseitigen Nachgebens nämlich nicht in der Hauptsache erreichen, sondern es müssen zusätzliche Punkte „in die Waagschale geworfen“ werden.
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Haß
M 29.6
Allgemeine Vergleichsvereinbarungen
Rz. 65 Kap. 29
A4 Mittels einer Verschwiegenheitsverpflichtung lässt sich gegen die eigentliche Prozess- 61 öffentlichkeit nichts unternehmen. Denn auch die Beurkundung durch das Gericht erfolgt öffentlich. Daher lässt sich die Tatsache, dass überhaupt ein Vergleich geschlossen wurde, nicht gänzlich geheim halten. Die vertrauliche Behandlung jedenfalls des Inhalts des Vergleichs lässt sich aber durch Übergabe des schriftlichen Vergleiches an das Gericht als Anlage zum Protokoll und anschließende Vorlage zur Durchsicht – statt einer Verlesung – erreichen. Ein höheres Maß an Geheimhaltung lässt sich nur durch einen außergerichtlichen Vergleich erreichen, in dem vereinbart wird, die Klage zurückzunehmen oder übereinstimmend für erledigt zu erklären. A5 Kosten: Vergleiche können auch Regelungen zur Tragung der angefallenen (Prozess- 62 und Anwalts-)Kosten enthalten. Bei der Kostenregelung empfiehlt sich besondere Sorgfalt. Um einem späteren Streit über die Kosten eines vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahrens oder über die Kosten einer Nebenintervention vorzubeugen, sollte auch hierüber eine Regelung getroffen werden. Kosten, die durch Säumnis oder durch Anrufung des unzuständigen Gerichts entstanden sind, sind von der Kostenregelung im Vergleich nur ausgenommen, wenn das ausdrücklich vereinbart wird (Büchel in Beck’sches Prozessformularbuch, 12. Aufl. 2013, I.M.1, Anm. 11). Falls die Parteien sich über den Kostenpunkt nicht einigen können, besteht die Möglichkeit, die Entscheidung über die Kosten dem Gericht zu überlassen. Die Kosten werden gem. § 98 ZPO gegeneinander aufgehoben, wenn die Parteien nichts vereinbart haben. Wünschen die Parteien eine Kostenentscheidung des Gerichts gem. § 91a muss dies ausdrücklich oder konkludent erklärt werden (BGH, Urt. v. 15.3.2006 – XII ZR 209/05, MDR 2006, 1125 = NJW-RR 2006, 1000; OLG Naumburg, Urt. v. 16.4.2013 – 10 W 8/13, NJW 2013, 3255). Eine entsprechende Klarstellung im Vergleichstext ist daher empfehlenswert. Bei einem Prozessvergleich entsteht für das Gericht durch den Vergleich keine zusätzliche Gebühr. Die Verfahrensgebühr ermäßigt sich (KV 1211 für Verfahren vor den Amts- und Landgerichten). Falls über den Klageantrag hinausgehende Ansprüche mitverglichen werden, entsteht aber auf den Mehrwert eine 1/4 Gebühr (KV Nr. 1900). In diesem Fall ist ein Streitwertbeschluss herbeizuführen. Für den Abschluss eines Vergleichs fällt zugunsten der Rechtsanwälte eine Einigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV 1003 an (siehe M 29.1 Anm. A11 [Rz. 18]). A6 Vertragliches Rücktrittsrecht: Die Zahlung der Vergleichssumme kann durch die Ver- 63 einbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts abgesichert werden. Durch die Ausübung des Rücktritts entfällt die erledigende Wirkung des Vergleichs automatisch und das streitige Rechtsverhältnis lebt wieder auf (Marburger in Staudinger, Neubearb. 2015, § 779 Rz. 52). Um Streitigkeiten über das Entstehen des Rücktrittsrechts zu vermeiden, ist bei der Formulierung der Rücktrittsklausel darauf zu achten, dass dessen Voraussetzungen eindeutig bestimmt werden. Der Vergleich sollte somit Regelungen dazu erhalten, wie die Zahlung zu erfolgen hat, wann Verzug eintritt und wer auf welche Weise für den Verzugseintritt beweispflichtig ist. A7 Ein solcher zusätzlicher Sicherungsmechanismus liegt im Interesse des Klägers, wenn dieser bereits Teilzahlungen erbracht hat.
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A8 Widerrufsvorbehalt (Stöber in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 794 Rz. 10 ff.): Der Ab- 65 schluss eines Vergleichs ist unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung oder unter einer Zeitbestimmung möglich. Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts bis zum Ablauf einer bestimmten Frist, ist als aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vergleichs einzuordnen. Aus dem unter Widerrufsvorbehalt abgeschlossenen Vergleich entstehen, wenn sich ein anderer Wille der Parteien nicht unmittelbar aus dem Vergleichswortlaut ergibt, bindende Rechtswirkungen erst dann, wenn bei Ablauf der Widerrufsfrist feststeht, dass der Vergleich nicht widerrufen wurde. Erst dann ist eine Vollstreckung aus dem VerHaß 573
Kap. 29 Rz. 66
Vergleichsvereinbarungen
gleich möglich. Der Empfänger der Widerrufserklärung kann von den Parteien frei bestimmt werden. Ist nichts anderes vereinbart, so ist der Widerruf der anderen Partei gegenüber zu erklären. Falls nichts anderes vereinbart ist, ist der Widerruf formlos erklärbar. Über die Frist können die Parteien i.Ü. frei verfügen.
F. Verfahrenssteuernder Vergleich Literatur: Lindacher, Der Prozessvergleich, in 50 Jahre Bundesgerichtshof (2000), 253; Ziege, NJW 1991, 1580.
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Neben den Inhalt eines Vergleichs regelnden Vereinbarungen erfahren verfahrenssteuernde Vereinbarungen eine zunehmende Bedeutung. Darin wird festgelegt, in welchem Verfahren sich die Parteien einem inhaltlichen Vergleich nähern wollen. Neben der Schiedsgutachtervereinbarung (vgl. hierzu im Einzelnen Kap. 22) spielt die Mediationsvereinbarung eine wichtige Rolle (vgl. hierzu im Einzelnen Kap. 6 Rz. 1 ff.).
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Haß
Kapitel 30
Vergleichsvereinbarungen im Mietrecht
A. Der Aufhebungsvertrag I. Einführung 1. Allgemeines zu Vergleichen im Mietrecht a) Unterschiedliche Ausgangslage bei Wohnraum- und Geschäftsraummiete b) Vergleichstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessenlage der Parteien eines Mietaufhebungsvertrages a) Interessen des Vermieters. . . . . . . . . . . b) Interessen des Mieters . . . . . . . . . . . . . 3. Zustandekommen des Mietaufhebungsvertrages a) Formfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mehrere Mieter oder Vermieter . . . . . . c) Bedingter Vertragsschluss . . . . . . . . . . 4. Widerrufsrecht bei Haustür- und Fernabsatzgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Allgemeine Geschäftsbedingungen. . . . . . 6. Sittenwidrige Vereinbarungen . . . . . . . . . 7. Anspruch auf Vertragsaufhebung in Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Steuerliche Aspekte a) Einkommensteuer aa) Private Vermieter. . . . . . . . . . . . . . bb) Gewerbliche Vermieter . . . . . . . . . b) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 30.1 Aufhebungsvertrag im Mietrecht
1 7 11 16 18 20 21 23 29 30 31 33 35 37
B. Die Mietänderungsvereinbarung I. Einführung 1. Allgemeines zu Vereinbarungen über die Miethöhe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsraummiete. . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessenlage der Parteien . . . . . . . . . . . . 3. Zustandekommen des Änderungsvertrags 4. Grenzen der Vertragsfreiheit. . . . . . . . . . . 5. Auswirkung der Mietänderungsvereinbarung auf künftige Mieterhöhungen . . .
79 80 84 85 90 97 99
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 M 30.2 Mietänderungsvereinbarung . . . . 101 C. Die Modernisierungsvereinbarung für Wohnraum I. Einführung 1. Interessenlage der Parteien . . . . . . . . . . . . 113 2. Zur Wirksamkeit von Vereinbarungen über die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 M 30.3 Modernisierungsvereinbarung im Mietverhältnis. . . . . . . . . . . . . 119
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A. Der Aufhebungsvertrag I. Einführung Literatur: Artz/Börstinghaus, 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz – Eine Bilanz, 2011; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014; Emmerich/Sonnenschein, Miete, Handkommentar, §§ 535 bis 580a des Bürgerlichen Gesetzbuches, 11. Aufl. 2014; Gsell, Wohnraummietrecht als Verbraucherrecht, WuM 2014, 375 ff.; Haase, Räumungsvergleich und Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs, ZMR 1990, 653; Hartmann, Kostengesetze, 6. Aufl. 2016; Horst, Praxis des Mietrechts, Wohnraum- und Geschäftraummiete, 2. Aufl. 2009; Kandelhard, Aufhebungsvertrag und Ersatzmieterstellung, WuM 2004, 249; Lützenkirchen, Anwalts-Handbuch Mietrecht, 5. Aufl. 2015; Lammel, Mietrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2015; Kossmann/Meyer-Abich, Handbuch der Wohnraummiete, 7. Aufl. 2014; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 75. Aufl. 2016; Schmidt-Futterer, Mietrecht, Kommentar, 12. Aufl. 2015; Spielbauer/Schneider, Mietrecht, Kommentar, 2013; Sternel, Mietrecht, 4. Aufl. 2009; Thomas/Putzo, ZPO, Kommentar, 37. Aufl. 2016; Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, Kommentar, 6. Aufl. 2013; Zehelein, Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln, WuM 2012, 418 ff.; Zehelein, Das Mietrechtsänderungsgesetz in der gerichtlichen Praxis – Prozessuale und dogmatische Aspekte der Mietrechtsreform, WuM 2013, 133 ff.
Dewein 575
Kap. 30 Rz. 1
Vergleichsvereinbarungen
1. Allgemeines zu Vergleichen im Mietrecht a) Unterschiedliche Ausgangslage bei Wohnraum- und Geschäftsraummiete 1
Das Recht der Wohnraummiete ist geprägt vom Gedanken des Mieterschutzes. Das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Vermieter und Mieter soll durch eine soziale Gesetzgebung ausgeglichen werden. Im Mittelpunkt stehen Preis- und Bestandsschutz. Dadurch wird der Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt des Mieters Rechnung getragen.
2
Will der Vermieter die Miete erhöhen, ist er an die Einhaltung komplizierter Verfahrensvorschriften gebunden. In der Praxis sind Mieterhöhungsbegehren häufig bereits in formeller Hinsicht unwirksam. Will der Vermieter ein Mietverhältnis durch Kündigung beenden, sind es vor allem die inhaltlichen Anforderungen an die Begründung, die ihm zu schaffen machen. Trotz des erklärten Ziels der Rechtsvereinfachung hat die große Mietrechtsreform des Jahres 2001 diesbezüglich nicht zur Erleichterung geführt.1 Während des bestehenden Mietverhältnisses schützt das BGB den Wohnungsmieter im Ergebnis sehr umfassend vor nachteiligen einseitigen Erklärungen des Vermieters. Infolgedessen kann der Vermieter seine Interessen oft nur mühevoll oder gar nicht auf eigene Faust durchsetzen.
3
Im Streitfall bietet der Vergleich daher gerade dem Vermieter von Wohnraum eine erfolgversprechende Möglichkeit, sich aus dem starren Korsett der gesetzlichen Vorschriften zu lösen. Bei vertraglichen Vereinbarungen während des laufenden Mietverhältnisses steht ihm deutlich mehr Handlungsspielraum zur Verfügung als bei der Geltendmachung einseitiger Gestaltungsrechte. Dahinter steht die Vorstellung, dass der Mieter, der sich auf den gesetzlichen Mieterschutz verlassen kann, keinerlei Zwang unterliegt, sich auf unvorteilhafte Angebote einzulassen.
4
Der Wohnungsmieter, der sich der rechtlichen Schwierigkeiten des Vermieters bewusst ist, kann dieses Wissen seinerseits nutzen, um ein möglichst günstiges Verhandlungsergebnis zu erzielen. Er kann sich seine Kooperationsbereitschaft bezahlen lassen.
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Zwischen Mietverhältnissen über preisgebundenen Wohnraum und dem freien Wohnungsmarkt bestehen in dieser Beziehung substanziell keine Unterschiede.2
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Im Bereich der Gewerbemiete herrscht ohnehin weitgehende Vertragsfreiheit. Die jeweils unterschiedliche Marktposition der Parteien schlägt sich zumeist schon zu Beginn des Mietverhältnisses in der Ausgestaltung des Mietvertrags nieder. Hier ist es häufig der Mieter, der zunächst einen Konflikt mit dem Vermieter (Mängelbeseitigung u.Ä.) heraufbeschwört, um sich anschließend im Wege des Vergleichs aus einem langfristig abgeschlossenen Mietverhältnis zu lösen, das ihm aus unterschiedlichen Gründen lästig geworden ist. b) Vergleichstypen
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Die Gestaltung mietrechtlicher Vergleiche wird maßgeblich durch die Frage beeinflusst, ob das Mietverhältnis nach Abschluss des Vergleiches fortgesetzt oder beendet werden soll. Diese Unterscheidung ist wesentlich für den Charakter der abzuschließenden Vereinbarung.
1 Zu den Zielen der großen Mietrechtreform im Jahre 2001 s. BT-Drs. 14/4553. Zur Rechtsfortbildung und Rechtsvereinheitlichung seit der Mietrechtsreform vgl. Artz/Börstinghaus, 10 Jahre Mietrechtsreformgesetz – Eine Bilanz, 2011. 2 Im öffentlich geförderten Wohnungsbau sind die Möglichkeiten für Vereinbarungen über die Miethöhe allerdings sehr stark eingeschränkt, vgl. hierzu Rz. 98.
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Dewein
Mietrecht
Rz. 14 Kap. 30
Steht die Beendigung des Mietverhältnisses im Zentrum des Interesses, soll der Vergleich das gesamte Rechtsverhältnis der Parteien umfassend regeln und möglichst für immer beenden. In diesem Fall bietet sich der Abschluss eines Aufhebungsvertrages an, um die divergierenden Interessen der Parteien im Wege des gegenseitigen Entgegenkommens zu einem für beide Seiten befriedigenden Ergebnis zusammenzuführen. Zum regelmäßigen Inhalt einer solchen Vereinbarung gehört die Einigung, dass durch den getroffenen Vergleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche abgegolten sein sollen (Generalabgeltung).
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Eine völlig andere Situation liegt dagegen vor, wenn es im Lauf des Mietverhältnisses zu Strei- 9 tigkeiten kommt, ohne dass eine von beiden Parteien deshalb daran denkt, das Mietverhältnis zu beenden. In diesen Fällen geht es vordringlich um die pragmatische Klärung von Einzelfragen. Eine allumfassende Vereinbarung ist weder erwünscht noch erforderlich. Das Augenmerk der Parteien liegt nicht zuletzt auf einer möglichst unbelasteten Fortsetzung der Vertragsbeziehung. Als Beispiele für diesen Vergleichstyp sind Vereinbarungen über die Miethöhe oder die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen zu nennen. Hinsichtlich der zu regelnden Sachverhalte unterscheiden sich Mietverhältnisse über Wohn- 10 raum nicht grundlegend von solchen über Gewerberaum. Auf eine getrennte Darstellung der beiden Teilbereiche des Mietrechts kann deshalb verzichtet werden. Auf die Besonderheiten wird im Rahmen der Kommentierung der jeweiligen Vertragsmuster hingewiesen. 2. Interessenlage der Parteien eines Mietaufhebungsvertrages a) Interessen des Vermieters Das Interesse des Vermieters am Abschluss einer Mietaufhebungsvereinbarung erwächst zumeist aus Zweifeln über die Durchsetzbarkeit einer beabsichtigten oder bereits ausgesprochenen Kündigung. Ohne Vertragsverletzung des Mieters kann er ein Mietverhältnis über Wohnraum im Wesentlichen nur bei Eigenbedarf oder beabsichtigter anderweitiger wirtschaftlicher Verwertung der Mietsache (Abriss, Umbau, Neubau) kündigen.
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Eine Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) stellt hohe Anforderungen an die Begründung des Nutzungsinteresses. Bereits im Kündigungsschreiben sind detaillierte Angaben zur Wohnung sowie zu den Wohn- und Lebensverhältnissen der begünstigten Personen erforderlich.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Kündigung wegen wirtschaftlicher Verwertung der 13 Mietsache (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB) sind bereits so vielschichtig, dass es in vielen Fällen kaum möglich ist, die Kündigungsvoraussetzungen schon in der Kündigungerklärung umfassend darzulegen. Wegen des komplexen Tatbestands, gepaart mit einer restriktiven Rechtsprechung, spielt dieser Kündigungstatbestand in der Praxis kaum eine Rolle.1 Dagegen bietet der Abschluss eines Aufhebungsvertrages dem Vermieter eine vergleichsweise einfache Möglichkeit, ein unliebsam gewordenes Mietverhältnis rechtssicher zu beenden. Will er gar ein Wohngebäude abreißen oder umbauen, bleibt ihm bei der derzeitigen Rechtslage kaum eine andere Wahl.2 1 Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 573 Rz. 150. 2 Daran hat auch die Mietrechtsreform des Jahres 2013 (Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung vonRäumungstiteln vom 11.3.2013 [BGBl. I, 434]) nichts geändert. Zur Erleichterung energetischer Sanierungen wurde ein zeitlich befristeter Minderungsausschluss bei solchen Maßnahmen für die Dauer von drei Monaten
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Kap. 30 Rz. 15 15
Vergleichsvereinbarungen
Die Mietaufhebungsvereinbarung hat für den Vermieter darüber hinaus weitere Vorteile. Im Falle einer einvernehmlichen Lösung muss weder auf gesetzliche noch auf vertragliche Kündigungsfristen Rücksicht genommen werden. Rechnet man zu diesen Fristen die Dauer eines ggf. erforderlichen Räumungsprozesses hinzu, werden die zeitlichen Vorteile einer Einigung offensichtlich. Das Zeitmoment spielt eine erhebliche Rolle, wenn der Vermieter im Hinblick auf eine größere Baumaßnahme Dispositionen treffen will. Gleiches gilt, wenn Zahlungsunfähigkeit des Mieters vorliegt oder zu befürchten ist. Geht es außerdem um Schadensersatzforderungen bezüglich des Zustands der Wohnung, kann sich der Vermieter durch die Vereinbarung einer pauschalen Abgeltung eine oft schwierige Beweisführung ersparen. b) Interessen des Mieters
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Tritt der Vermieter an den Mieter mit dem Wunsch nach Aufhebung des Mietverhältnisses heran, ist das Interesse des Mieters vor allem auf die Verhandlung einer optimalen Abfindungssumme und die Gewährung sonstiger „Umzugsbeihilfen“ gerichtet.
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Möchte der Mieter dagegen selbst ausziehen und unterbreitet er das Angebot auf Aufhebung, steht hinter seiner Motivation zumeist ein vertraglich befristeter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts.1 Aber auch nach einer zulässigen Mieterkündigung kann der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zur Abkürzung vertraglicher oder gesetzlicher Kündigungsfristen von Interesse sein. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Mieter bereits ein Ersatzobjekt angemietet hat und „doppelte Mietzahlungen“ vermieden werden sollen. 3. Zustandekommen des Mietaufhebungsvertrages a) Formfreiheit
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Für den Abschluss der Mietaufhebungsvereinbarung gelten die üblichen Regeln über den Austausch von Willenserklärungen nach §§ 145 ff. BGB. Die Parteien können die Aufhebung des Mietverhältnisses formfrei vereinbaren, auch wenn der Mietvertrag schriftlich abgeschlossen wurde. Sofern der Mietvertrag für Vertragsänderungen die Schriftform vorsieht, ist zwar davon auszugehen, dass dies auch für die Aufhebung gelten soll. Derartige Schriftformklauseln können von den Parteien jedoch gleichfalls einvernehmlich formlos aufgehoben werden.2 Auch die Aufhebung eines längerfristigen Mietvertrags, für den § 550
in das Gesetz aufgenommen. Die Kündigungstatbestände wurden dagegen nicht ausgeweitet. Vgl. Zehelein, Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln, WuM 2012, 418 ff.; Zehelein, Das Mietrechtsänderungsgesetz in der gerichtlichen Praxis – Prozessuale und dogmatische Aspekte der Mietrechtsreform, WuM 2013, 133 ff. 1 Seit der großen Mietrechtsreform des Jahres 2001 beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist bei Mietverhältnissen über Wohnraum für den Mieter gemäß § 573e BGB einheitlich drei Monate. Formularvertragliche Vereinbarungen eines befristeten beiderseitigen Kündigungsausschlusses sind in unbefristeten Mietverträgen auch nach der Mietrechtsreform möglich, s. BGH, Urt. v. 14.7.2004 – VIII ZR 294/03, WuM 2004, 542; vgl. auch BGH, Urt. v. 30.6.2004 – VIII ZR 379/03, WuM 2004, 543. Die ordentliche Kündigung von Zeitmietverträgen gem. § 575 BGB ist regelmäßig ausgeschlossen, wenn sie ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde, s. Haug in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 575 Rz. 23. 2 KG, Urt. v. 20.11.2000 – 20 U 421/99, GE 2001, 278; Rolfs in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 542 Rz. 74.
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Mietrecht
Rz. 22 Kap. 30
BGB1 zum Schutz potentieller Grundstückserwerber die Schriftform vorsieht, ist formlos möglich, weil nunmehr kein Rechtsverhältnis mehr bestehen soll, dessen Wirkungen auf einen Grundstückserwerber übergehen können.2 Die Vertragsaufhebung ist deshalb grundsätzlich auch durch schlüssiges Verhalten möglich. Für die Annahme eines konkludent abgeschlossenen Aufhebungsvertrages muss der Parteiwille allerdings klar und deutlich zum Ausdruck kommen. Nach der Rechtsprechung ist dies z.B. der Fall, wenn der Vermieter mit einem Dritten einen Anschlussmietvertrag über die vermietete Wohnung in Gegenwart des auszugswilligen Mieters vereinbart.3 Im Interesse einer für beide Parteien sicheren Beweislage ist auf jeden Fall der Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung zu empfehlen.
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b) Mehrere Mieter oder Vermieter Gehören mehrere Personen zu einer Vertragspartei, ist die Zustimmung aller Beteiligten er- 20 forderlich. Sämtliche Vertragspartner müssen am Mietaufhebungsvertrag mitwirken oder zumindest wirksame Vollmachten erteilen. Sofern Formularmietverträge Klauseln enthalten, nach denen sich Mieter wechselseitig bevollmächtigen, verstoßen diese gegen § 307 BGB. Die Mieter werden unangemessen benachteiligt, wenn sie sich bereits bei Vertragsschluss gegenseitig zur Vertragsauflösung bevollmächtigen müssen.4 Bei Aufhebungsverträgen gilt insoweit nichts anderes als bei Kündigungen. Bei Ehepaaren findet § 1357 BGB keine Anwendung, da es sich bei der Mietaufhebung nicht um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie handelt. c) Bedingter Vertragsschluss Der Abschluss eines Mietaufhebungsvertrags kann auch vom Eintritt aufschiebender oder auflösender Bedingungen abhängig gemacht werden. Dieser Grundsatz erfährt eine Einschränkung durch § 572 Abs. 2 BGB, wonach sich der Vermieter von Wohnraum auf eine auflösende Bedingung zum Nachteil des Mieters nicht berufen kann.
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Streitig ist die Frage, ob die in der Praxis nicht seltene Äußerung des Vermieters, „der Mieter könne bei Stellung eines geeigneten Nachmieters vorzeitig aus dem Vertrag entlassen werden“, schon als verbindliches Angebot zum Abschluss eines bedingten Mietaufhebungsvertrags bewertet werden kann. Die Rechtsprechung hat in diesen Fällen bereits des Öfteren einen dahin gehenden Erklärungswillen des Vermieters angenommen.5 Letztendlich kommt es darauf an, dass der Erklärung mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann, dass der Erklärende sich hierdurch binden will.6 Hat der Vermieter eine derartige Zusage
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1 § 550 BGB bezweckt den Schutz des Grundstückserwerbers, der über die Dauer der zu übernehmenden Mietverhältnisse in Kenntnis gesetzt werden soll. Vgl. Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 550 Rz. 2. 2 Wird dagegen nur ein Teil des Mietverhältnisses aufgehoben, kommt das Formerfordernis zum Tragen, um den Grundstückserwerber über den Umfang seiner vertraglichen Pflichten zu informieren (Lammel in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 550 Rz. 39). 3 AG Nordhorn, Urt. v. 19.11.1996 – 1643-8 3 C 1497/96, WuM 97, 37. 4 Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 542 Rz. 58 ff. 5 OLG München, Urt. v. 18.11.1994 – 21 U 3072/94, ZMR 1995, 156; OLG Koblenz, Urt. v. 27.8.2001 – 5 U 467/01, ZMR 200, 344; LG Saarbrücken, Urt. v. 15.11.1996 – 13 BS 113/96, WuM 97, 37; LG Hannover, Urt. v. 26.9.1995 – 18 S 229/94, WuM 95, 697; a.A. OLG Hamburg, Urt. v. 4.12.1996 – 4 U 97/96, WuM 97, 214. 6 Eingehend zu den unterschiedlichen Fallkonstellationen: Blank in Schmidt/Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, Anhang zu § 542 Rz. 6 ff.
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Kap. 30 Rz. 23
Vergleichsvereinbarungen
erteilt, kann er einen vorgeschlagenen Ersatzmieter jedenfalls nicht ohne jeden verständlichen Grund ablehnen.1 Der BGH vertritt hier die Auffassung, dass die Frage nach der Zumutbarkeit des Ersatzmieters auf Grundlage einer „eingehenden Würdigung aller Umstände des Falls“ zu beantworten sei.2 Vereitelt der Vermieter treuwidrig den Vertragsschluss mit dem Ersatzmieter, macht er sich schadensersatzpflichtig.3 4. Widerrufsrecht bei Haustür- und Fernabsatzgeschäften 23
Beim Abschluss von Mietaufhebungsverträgen sind die Vorschriften über Haustür- und Fernabsatzgeschäfte zu beachten (§ 312 Abs. 4 BGB).4 Ein außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters abgeschlossener Aufhebungsvertrag kann deshalb gemäß § 356 Abs. 3 BGB noch zwölf Monate und 14 Tage nach Zustandekommen vom Mieter widerrufen werden, wenn dieser nicht entsprechend § 356 Abs. 3 BGB ordnungsgemäß belehrt wurde.5 Für das Entstehen des Widerrufsrechts ist es bereits ausreichend, wenn Verhandlungen im Bereich einer Privatwohnung geführt worden sind. Die Vertragsunterzeichnung selbst muss nicht notwendigerweise in den Privaträumen stattfinden. Ein Haustürgeschäft liegt jedoch nicht vor, wenn der Vermieter auf Bestellung des Mieters in die Wohnung kommt.6
23a
Gleiches gilt, wenn die Partein für den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Hierzu zählen insbesondere Briefe, Telefonanrufe, SMS und E-Mails. Dabei kommt es aber darauf an, dass nicht nur die Vertragsverhandlungen, sondern auch der Abschluss des Aufhebungsvertrags selbst durch den Einsatz von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist. Es liegt noch kein Fernabsatzgeschäft vor, wenn die Vertragsverhandlungen per E-Mail oder SMS begonnen wurden, die abschließende konstitutive Vertragsunterzeichnung aber in den Geschäftsräumen des Vermieters stattfindet.7
23b
Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften ist, dass der Aufhebungsvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossen wird. Dabei ist der Begriff des Unternehmers weit auszulegen.8
24
Der Vermieter ist Unternehmer gemäß § 14 BGB, wenn er bei der Vermietung in Ausübung seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung bejaht regelmäßig die Unternehmereigenschaft, sobald die Zahl der Vermietungen einen geringen Umfang überschreitet. Unbedenklich soll lediglich die Vermie-
1 2 3 4
5 6 7 8
OLG Hamburg, Urt. v. 4.12.1996 – 4 U 97/96, WuM 97, 214. BGH, Urt. v. 22.1.2003 – VIII ZR 244/02, MDR 2003, 562 = WuM 2003, 204. Kossmann/Meyer-Abich, Handbuch der Wohnraummiete, 7. Aufl. 2014, § 85 Rz. 19. Das ist auch nach der Neufassung des § 312 BGB im Zuge der Umsetzung der RiLi 2011/83/EU im Jahre 2014 über die Rechte der Verbraucher der Fall. Der Ausschluss der fernabsatz- und haustürrechtlichen Widerrufsregelungen bei vorheriger Besichtigung der Wohnung gemäß § 312 Abs. 4 Satz 2 BGB bezieht sich nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich auf die Begründung des Mietverhältnisses. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung werden als Situationen, in denen das Widerrufsrecht eingreifen soll, ausdrücklich auch der Mietaufhebungsvertrag und die Mieterhöhungsvereinbarung genannt. S. BT-Drs. 17/12637, 48; vgl. insgesamt auch Gsell, Wohnraummietrecht als Verbraucherrecht, WuM 2014, 375 ff. Lützenkirchen in Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl. 2015, § 542 Rz. 144. Für das Vorliegen einer Einladung des Mieters trägt der Vermieter die Beweislast, vgl. AG Köln, Urt. v. 11.11.1997 – 216 C 40/97, WuM 1999, 324; LG Görlitz, Urt. v. 23.8.2000 – 2 S 190/99, WuM 2000, 542. Lützenkirchen in Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl. 2015, § 535 Rz. 71d. Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 14 Rz. 1 ff.; Lützenkirchen in Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl. 2015, § 535 Rz. 66.
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Mietrecht
Rz. 28 Kap. 30
tung von ein bis zwei Wohnungen bzw. von Einliegerwohnungen im eigenen Haus sein.1 Von einzelnen Instanzgerichten wurde für eine Unternehmereigenschaft die Vermietung von mehr als sechs2 bzw. mehr als acht3 Wohnungen gefordert. Spätestens bei der Vermietung von zehn Wohnungen wird der private Vermieter demgemäß damit rechnen müssen, als Unternehmer eingestuft zu werden.4 Der BGH verneint gewerbliches und selbständiges berufliches Handeln zwar grundsätzlich, wenn nur das eigene Vermögen verwaltet wird, und zwar unabhängig von der Höhe der verwalteten Werte.5 In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung findet diese Entscheidung bislang jedoch noch keinen nachhaltigen Widerhall.6 Vorsicht ist außerdem geboten, wenn sich der private Eigentümer beim Abschluss der Aufhebungsvereinbarung einer professionellen Hausverwaltung bedient. Ob sich der Vermieter hier das geschäftsmäßige Handeln des eingeschalteten Dritten zurechnen lassen muss, ist durch die Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt.7 In allen Zweifelsfällen ist dem Vermieter anzuraten, sein Vorgehen sicherheitshalber an den Vorgaben für unternehmerisches Handeln zu orientieren. Mieter von Wohnraum sind ohne weiteres als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB anzuse- 25 hen. Mietverhältnisse über Geschäftsraum sind dagegen aus der Natur der Sache heraus vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgeschlossen.8 Für das Entstehen des Widerrufsrechts ist es bereits ausreichend, wenn Verhandlungen im 26 Bereich einer Privatwohnung geführt worden sind. Die Vertragsunterzeichnung selbst muss nicht notwendigerweise in den Privaträumen stattfinden. Ein Haustürgeschäft liegt gemäß § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB jedoch nicht vor, wenn der Vermieter auf Bestellung des Mieters in die Wohnung kommt. Die Belehrungspflichten des Vermieters richten sich nach § 312d BGB i.V.m. Art. 246a § 1 27 EGBGB. Die Belehrung hat in Textform zu erfolgen. Sie muss deutlich gestalten sein und den Mieter in einer dem gewählten Kommunikationsmittel angepassten Weise seine wesentlichen Rechte deutlich machen. Eine Unterschrift des Mieters ist zwar nicht erforderlich, jedoch aus Beweisgründen angeraten. Eine Musterformulierung des Gesetzgebers für die Belehrung findet sich in der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 EGBGB. Diese Formulierungen werden auch im hier vorgestellten Vertragsmuster zur Mietänderungsvereinbarung verwendet (s. M 30.2 [Rz. 101] a.E.). Die Verwendung dieser Musterformulierung ist jedoch nicht vorgeschrieben. Der Vermieter kann zur Belehrung weiterhin seine eigenen Texte nutzen.9 Solange der Aufhebungsvertrag widerrufen werden kann, ist er lediglich schwebend wirksam.10
1 BayObLG, RE v. 13.4.1993 – RE Miet 3/93, GE 1993, 160; AG Frankfurt/M., Urt. v. 13.12.1998 – 33 C 3489/97 – 13, WuM 1998, 418. 2 AG Köln, Urt. v. 28.10.2004 – 210 C 248/04, WuM 2007, 123. 3 LG Waldshut-Tiengen, ZMR 2009, 372. 4 Hinz, Verbraucherverträge im Mietrecht, WuM 2016, 79. 5 BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 167, 40. 6 Gsell, Wohnraummietrecht als Verbraucherrecht, WuM 2014, 378. 7 Gsell, Wohnraummietrecht als Verbraucherrecht, WuM 2014, 378 f. 8 Vgl. insgesamt Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, Vorb. § 535 Rz. 69 ff. 9 Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Art. 246a § 1 EGBGB. 10 Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 355 Rz. 3.
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Kap. 30 Rz. 29
Vergleichsvereinbarungen
5. Allgemeine Geschäftsbedingungen 29
Der Geltungsbereich der §§ 305 ff. BGB erstreckt sich grundsätzlich auf alle vorformulierten Vertragsbedingungen, durch die das Mietverhältnis ausgestaltet wird.1 Deshalb sind die gesetzlichen Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auch bei Vergleichen im Mietrecht (häufig als „Nachtragsverträge“ bezeichnet) beachtlich, wenn eine Partei sich formularmäßiger Vertragsbedingungen bedient.2 Bei gewerbsmäßigen Vermietern, die in ihrer Geschäftspraxis wiederkehrende Formulierungen verwenden, ist dies regelmäßig der Fall. Gleiches gilt für den Einsatz von Vertragsmustern aus Formularsammlungen, Verbandsmitteilungen und Ähnlichem. Auf die Vorschriften zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist außerdem besonders zu achten, wenn bereits der Formularmietvertrag bestimmte Regelungen für den Fall der vorzeitigen Beeendigung des Mietverhältnissess vorsieht.3
29a
Aufhebungsverträge unterliegen als schuldrechtliche Verträge im Sinne des § 311 Abs. 1 BGB jedoch keinem die Vertragsfreiheit einschränkenden gesetzlichen Leitbild, von dem zulasten des Mieters abgewichen werden könnte. Soweit die Formularklauseln die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses als Hauptleistung zum Inhalt haben, sind sie deshalb nach § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle entzogen.4 Dies sollte auch für Abfindungszahlungen gelten, sofern diese als unmittelbare Gegenleistung für die Vertragsaufhebung vereinbart werden.5 Bei der Verwendung formularmäßiger „Aufwands- oder Unkostenpauschalen“ ist allerdings Vorsicht geboten (s. Rz. 18). Die weiteren Vertragsklauseln (Aufrechnungsverbote, Schadensersatzregelungen etc.) unterliegen den üblichen Regeln der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. 6. Sittenwidrige Vereinbarungen
30
Ein Aufhebungsvertrag kann ausnahmsweise sittenwidrig sein, wenn der im Eigeninteresse handelnde Vermieter seinem Mieter ein Aufhebungsangebot unterbreitet, das ein Berufen des Mieters auf Räumungs- und Vollstreckungsschutz ausschließt.6 Innerhalb eines Räumungsvergleiches kann aber wirksam vereinbart werden, dass der Mieter auf einen Antrag nach § 721 ZPO verzichtet (vgl. M 30.1 [Rz. 38] § 7).7 7. Anspruch auf Vertragsaufhebung in Ausnahmefällen
31
Grundsätzlich steht es den Parteien frei, ob sie einen Aufhebungsvertrag abschließen wollen. Nur in Ausnahmefällen kann sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch des Mieters auf Vertragsaufhebung ergeben. Hierfür ist erforderlich, dass der Mieter ein be1 Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, Vorb. § 535 Rz. 37 ff. 2 Vgl. Hau in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. 2013, Anh. 310 M 71 ff.; insgesamt Harz/ Schmid, Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Mietrecht, 1997, 25 ff. 3 Lützenkirchen in Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl. 2015, § 542 Rz. 144. 4 Kandelhard, WuM 2004, 249. 5 AG Hamburg, Urt. v. 15.11.1984 – 37b C 216/94, WuM 1985, 113; vgl. auch Kandelhard, WuM 2004, 249. 6 LG Heidelberg, Urt. v. 23.4.1993 – 5 S 231/91, WuM 1993, 397; Lützenkirchen in Lützenkirchen, Mietrecht, 2. Aufl. 2015, § 542 Rz. 143. 7 Während ein allgemeiner und vom konkreten Einzelfall losgelöster Verzicht auf diese Rechtsbehelfsmöglichkeit – etwa bei Begründung des Mietverhältnisses – sittenwidrig wäre, ist der Schutz des § 721 ZPO im konkreten Aufhebungsfall disponibel, weil der Mieter in dieser Konstellation die Reichweite seiner Erklärung absehen kann. Eingehend hierzu Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 721 ZPO Rz. 80 ff.; LG Aachen, Beschl. v. 13.2.1995 – 6 T 7/95, WuM 1996, 568.
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Mietrecht
Rz. 34 Kap. 30
rechtigtes Interesse an der Vertragsaufhebung hat, welches das Interesse des Vermieters am Fortbestand des Mietverhältnisses ganz erheblich überwiegt. Außerdem muss der Mieter einen geeigneten Nachmieter stellen.1 Diese Regeln werden sowohl bei der Wohnraum- als auch bei der Geschäftsraummiete praktiziert.2 Als berechtigtes Interesse kommen beispielsweise eine schwere Krankheit des Mieters, ein beruflich bedingter Ortswechsel oder Familienzuwachs in Betracht. Bei der Geschäftsraummiete sind außerdem die Geschäftsaufgabe und die Vergrößerung des Geschäftsbetriebs zu nennen.3 Nicht ausreichend ist der Wunsch, nach einem Umzug weniger Miete zu zahlen.4
31a
Eine Abkürzung der gesetzlichen Kündigungsfrist des Wohnraummieters von drei Monaten kann mittels des Aufhebungsanspruchs nicht erreicht werden.5 Ausnahmen sind nur in besonders begründeten Härtefällen möglich.
32
8. Steuerliche Aspekte a) Einkommensteuer aa) Private Vermieter Abfindungszahlungen des privaten Vermieters an den Mieter als Gegenleistung für einen 33 vorzeitigen Auszug sind regelmäßig sofort abziehbare Werbungskosten (§ 9 EStG) bezüglich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn eine weitere Nutzung des Gebäudes beabsichtigt ist.6 Wird die Abfindung aber im Zusammenhang mit Abriss und Neubau bezahlt, wird die Zahlung Teil der Herstellungskosten und damit nur anteilig über die Gebäudeabschreibung steuerwirksam (AfA-Satz im Regelfall 2 %, vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG).7 Beim Mieter sind diese Zahlungen nicht als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 3 EStG) steuerpflichtig.8 Bei Abfindungszahlungen des Mieters an den Vermieter handelt es sich um Entschädigungsleistungen für entgangene Einnahmen, die gemäß §§ 24 Nr. 1a, 34 Abs. 2 EStG tarifbegünstigt besteuert werden.9 Das gilt jedoch nicht, wenn es sich bei der Abstandszahlung tatsächlich um die Begleichung rückständiger Mieten handelt.10 Wohnraummieter können
1 Weidenkaff in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 537 Rz. 9; Krenek in Spielbauer/Schneider, Mietrecht, Vor § 542 Rz. 5; außerdem OLG Karlsruhe, RE v. 25.3.1981 – RE-Miet 2/81, NJW 1981, 1741; AG Miesbach, Urt. v. 30.8.1988 – 3 C 1432/87, WuM 1989, 22. 2 Teilweise wird im Schrifttum vertreten, dass eine Anwendung dieser Grundsätze auf die Geschäftsraummiete nicht erforderlich sei, da die einschlägigen Problemfälle auch durch Untervermietungen gelöst werden können. Vgl. zur gesamten Thematik Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, Anh. zu § 542 Rz. 10 ff. 3 Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, Anh. zu § 542 Rz. 13; vgl. insgesamt Kandelhard, Aufhebungsvertrag und Ersatzmieterstellung, WuM 2004, 249 ff. 4 OLG Karlsruhe, RE v. 25.3.1981 – RE-Miet 2/81, NJW 1981, 1741. 5 LG Flensburg, Urt. v. 9.10.1975 – 1 S 210/75, WuM 1976, 161; LG Berlin, Urt. v. 10.7.1978 – 61 S 97/78, WuM 1979, 77. 6 v. Brunn/Jatzek in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, Kap. III A Rz. 682; BFH, Beschl. v. 2.3.1970 – Gr. S.1/69, BStBl. II 1970, 382. 7 v. Brunn/Jatzek in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, Kap. III A Rz. 682, 695; BFH, Urt. v. 9.2.1983 – I R 29/79, BStBl. II, 451. 8 Schmidt, Kommentar zum EStG, 35. Aufl. 2016, § 22 Rz. 150; BFH, Urt. v. 14.9.1999 – IX R 89/95, DStRE 2000, 298. 9 v. Brunn/Jatzek in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, Kap. III A Rz. 683; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.3.1982 – I 120/78, EFG 1982, 627. 10 FG Hamburg, Urt. v. 25.8.1982 – III 95/80, EFG 1983, 235.
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34
Kap. 30 Rz. 35
Vergleichsvereinbarungen
M 30.1
Abstandszahlungen regelmäßig nicht als Werbungskosten absetzen. Gewerbemieter können diese Zahlungen dagegen als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben verbuchen. bb) Gewerbliche Vermieter 35
Gewerbliche Vermieter können von ihnen geleistete Abfindungszahlungen grundsätzlich als sofort abziehbare Betriebsausgaben geltend machen (§ 14 EStG). Bei Zusammenhang mit dem Neubau von Gebäuden zählen diese Zahlungen wiederum zu den Herstellungskosten, die nur über die Gebäude-AfA abzugsfähig sind. Bei Mietern von Geschäftsraum sind steuerpflichtige Einnahmen aus der betrieblichen Tätigkeit anzunehmen.
36
Für Abfindungszahlungen des Mieters gelten gegenüber gewerblichen Vermietern keine Besonderheiten. Voraussetzung für die Tarifbegünstigung ist auch hier, dass die Zahlungen auf einem neuen Rechtsgrund beruhen und nicht der Erfüllung eines Anspruchs (z.B. bei Mietrückstand) dienen. b) Umsatzsteuer
37
Ausgleichszahlungen des Mieters für die Einwilligung in die vorzeitige Beeendigung des Mietverhältnisses sind gemäß § 3 Abs. 9 UStG nicht (mehr) als sonstige Leistung umsatzsteuerpflichtig. Gleiches gilt für Ausgleichszahlungen des Vermieters, allerdings nur, wenn zuvor die Vermietung umsatzsteuerfrei erfolgt ist.1
II. Muster 38
M 30.1 Aufhebungsvertrag im Mietrecht AufhebungsvertragA1 Zwischen … – nachstehend Vermieter genannt – und … – nachstehend Mieter genannt – wird folgender Vertrag abgeschlossen: §1 Beendigung des Mietverhältnisses (1) Zwischen den Parteien besteht seit … ein Mietverhältnis über die Wohnung … . Die Parteien sind sich darüber einig, dass dieses Mietverhältnis mit Wirkung zum … aufgehoben wird.A2 (2) Die Beendigung des Mietverhältnisses erfolgt unabhängig vom tatsächlichen Bestehen oder Nichtbestehen eines gesetzlichen Kündigungsgrundes.A3 (Alternativ: (2) Die Beendigung des Mietverhältnisses erfolgt unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB [Eigenbedarf].)A4
1 v. Brunn/Jatzek in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, Kap. III A Rz. 705.
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M 30.1
Mietrecht
Rz. 38 Kap. 30
§2 Räumungsverpflichtung Spätestens bis zum in § 1 Abs. 1 dieses Vertrages genannten Zeitpunkt muss der Mieter die Wohnung räumen und nebst aller im Besitz befindlichen Schlüssel an den Vermieter zurückgeben.A5 (Alternativ: (1) Der Mieter verpflichtet sich, die von ihm innegehaltene Wohnung in der Astallerstr. 7, 80339 München, 2. OG links, bestehend aus … Zimmern, Küche, Bad, Abstellraum und Balkon nebst Keller- und Speicherabteil zu räumen und an den Vermieter herauszugeben.A6 (2) Der Mieter erhält eine Räumungsfrist zum …A7) §3 AusgleichszahlungA8 (1) Als Ausgleich für das Interesse des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses und zur Beteiligung an den mit dem Umzug verbundenen Kosten zahlt der Vermieter dem Mieter eine einmalige Abfindung in Höhe von … Euro, Zug um Zug gegen die termingerechte Rückgabe der Mietsache. (2) Der Anspruch auf Zahlung der Abfindung steht in seiner gesamten Höhe unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Mieter seine Räumungs- und Rückgabeverpflichtungen aus § 1 Abs. 1 dieses Vertrages rechtzeitig erfüllt. Die Abfindung ist nur bei termingerechter Erfüllung zu leisten. (3) Der Vermieter kann gegen den Anspruch auf Zahlung der Abfindungssumme nicht aufrechnen, es sei denn, die Gegenforderung ist unbestritten oder wurde rechtskräftig festgestellt.A9 §4 SchönheitsreparaturenA10 (1) Die Mietsache ist besenrein zurückzugeben. Die mietvertragliche Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen entfällt. (2) Schadensersatzansprüche wegen Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs bleiben unberührt. Ob solche bestehen, ist im Rahmen einer Wohnungsbegehung bei Rückgabe der Mietsache festzustellen. §5 Gegenstände des MietersA11 Der über dem Linoleumboden im Flur verlegte Teppichboden ist durch den Mieter zu entfernen. Die Einbauküche darf er in der Wohnung belassen. Eine Ablösesumme erhält er hierfür nicht.A12 §6 Mietzahlungen/Vorzeitige Rückgabe der MietsacheA13 (1) Die Verpflichtung des Mieters zur Zahlung der Miete zuzüglich Nebenkostenvorauszahlungen bleibt bis zum Ende des Mietverhältnisses bestehen. (2) Zieht der Mieter vorzeitig aus und übergibt er die Wohnung im vertragsgemäßem Zustand, bleibt er für die weiteren Kalendermonate, die auf den Kalendermonat der Wohnungsübergabe folgen, von seiner Pflicht zur Mietzahlung befreit.
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Kap. 30 Rz. 39
Vergleichsvereinbarungen
M 30.1
§7 Fortsetzungswiderspuch Eine stillschweigende Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 545 BGB über den in § 1 genannten Beendigungszeitpunkt hinaus wird ausgeschlossen.A14 (Gegebenenfalls zusätzlich: Der Mieter verzichtet ferner auf die Stellung eines Antrags auf Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO.A15) §8 NebenkostenA16 Auf eine Abrechnung der Nebenkosten verzichten die Parteien einvernehmlich. §9 MietsicherheitA17 Die vom Mieter geleistete Kaution ist nebst Zinsen innerhalb eines Monats nach vertragsgemäßer Rückgabe der Wohnung zurückzuerstatten. § 10 Abgeltung/ForderungsverzichtA18 Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Erfüllung dieses Vergleiches sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Mietverhältnis und dessen Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt und aus welchem Rechtsgrund, abgegolten sind.A19 § 11 KostenA20 Die Kosten dieses Vertrages und seiner Durchführung trägt jede Partei für sich. § 12 Schlussbestimmung Nebenabreden bestehen nicht. Ergänzungen oder Änderungen sind im Interesse der Beweissicherheit und der Vertragsklarheit schriftlich zu vereinbaren.A21 Ort, Datum Ort, Datum Vermieter Mieter
Anmerkungen zu Muster M 30.1 39
A1 Das Vertragsmuster behandelt die Aufhebung eines Mietverhältnisses über Wohnraum. Es kann jedoch gleichfalls als Orientierungshilfe für die Beendigung eines gewerblichen Mietverhältnisses genutzt werden (vgl. Rz. 6). Soweit die Vertragsklauseln auf die Besonderheiten der Wohnraummiete zugeschnitten sind, wird in den Anmerkungen darauf hingewiesen.
40
A2 Auch ohne Kündigung kann das Mietverhältnis jederzeit durch Vertrag beendet werden. Notwendiger Inhalt des Mietaufhebungsvertrags ist die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses. Die Benennung eines bestimmten Zeitpunkts ist kein Wirksamkeitserfordernis. Verzichten die Parteien hierauf, ist der durch den Vertrag begründete Räumungsund Herausgabeanspruch in Ermangelung einer anderweitigen Regelung in entsprechender 586
Dewein
M 30.1
Mietrecht
Rz. 44 Kap. 30
Anwendung des § 271 BGB sofort fällig (Blank in Schmidt/Futterer, Anh. zu § 542 Rz. 28; Rolfs in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 542 Rz. 75; a.A. AG Leverkusen, Urt. v. 5.7.1985 – 23 C 265/85, WuM 1986, 252). Hinsichtlich der Wahl des Beendigungszeitpunktes sind die Parteien frei, die Mietaufhebung kann sowohl mit Wirkung für die Zukunft als auch rückwirkend vereinbart werden (BGH, Urt. v. 16.6.1978 – V ZR 115/77, NJW 1978, 2198).
40a
Soll das Mietende erst in weiterer Zukunft nach Ablauf von einigen Jahren eintreten, stellt 41 sich bei Mietverhältnissen über Wohnraum die Frage, ob durch eine solche Regelung nicht auf verstecktem Wege eine nach § 575 Abs. 4 BGB unzulässige (einfache) Befristung in das Vertragsverhältnis eingeführt wird. Die Rechtsfolge wäre eine unbefristete Fortsetzung des Mietverhältnisses. Selbiges ist zu verneinen. § 575 BGB soll den Mieter bei Anmietung der Wohnung vor einem vertraglich vereinbarten Verzicht auf den Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts bewahren, sofern der Vermieter nicht schon bei Vertragsschluss ein zulässiges Befristungsinteresse geltend machen kann. Bei Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag verfügt der Mieter jedoch regelmäßig über den vollen Kündigungsschutz. Häufig wird dem Vermieter in der Konfliktsituation gerade kein rechtssicher auszuübendes Kündigungsrecht zur Verfügung stehen. Diese Situation wird das Verhandlungsergebnis nicht unmaßgeblich zu Gunsten des Mieters beeinflussen. Verfügt der Vermieter im Zeitpunkt der Verhandlungen dagegen über einen durchsetzbaren Kündigungsgrund, der später möglicherweise wegfällt, kann er dem Mieter umgekehrt durch das Angebot einer großzügigen Restlaufzeit entgegenkommen. Andernfalls müsste er augenblicklich von seinem Kündigungsrecht zulasten des Mieters Gebrauch machen. Es besteht daher im Ergebnis kein Bedürfnis, den Schutz des § 575 Abs. 4 BGB auch auf Aufhebungsverträge auszudehnen (zur Anwendbarkeit des § 575 Abs. 4 BGB auf Vertragsänderungen: Haug in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 575 Rz. 50). In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass der Aufhebungsvertrag als schuldrechtlicher Vertrag gemäß § 311 Abs. 1 BGB keinem gesetzlichen Leitbild unterliegt (vgl. Rz. 29a). Auch dies spricht für die Zulässigkeit langfristiger Aufhebungsverträge. A3 Je nach den Umständen kann eine Klarstellung empfehlenswert sein, dass das Mietver- 42 hältnis unabhängig von einem ggf. geltend gemachten Kündigungsgrund beendet sein soll. Hierdurch kann vermieden werden, dass eine Partei später behauptet, das wirksame Bestehen eines Kündigungsgrundes sei Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages gewesen. Dadurch wird beispielsweise ausgeschlossen, dass der Mieter zu einem späteren Zeitpunkt einen Schadensersatzanspruch wegen eines vorgetäuschten Eigenbedarfs geltend machen kann. Die bloße Vereinbarung einer Abgeltungsklausel (vgl. § 10 des Musters) schützt hiervor 42a nicht. Eine Formulierung, nach der „sämtliche gegenseitigen Ansprüche durch den Vergleich abgegolten“ sein sollen, erfasst nur die zur Zeit des Abschlusses des Vergleichs bekannten oder absehbaren Ansprüche. Etwaige Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschtem Nutzungsinteresse fallen nicht darunter (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 573 Rz. 81; LG Hamburg, Urt. v. 21.6.1994 – 316 S 28/94, WuM 1995, 168). A4 S. Anm. A3 (Rz. 42).
43
A5 Der Zeitpunkt der Fälligkeit des Räumungs- und Rückgabeanspruchs sollte – auch 44 wenn dies für die Wirksamkeit der Vereinbarung nicht zwingend erforderlich ist – zur Vermeidung von Missverständnissen unbedingt nach dem Kalender bestimmt werden. Geschieht dies, gerät der Mieter bei Terminüberschreitung automatisch in Verzug, ohne dass es einer weiteren Aufforderung bedarf.
Dewein 587
Kap. 30 Rz. 45
Vergleichsvereinbarungen
M 30.1
45
A6 Bei gerichtlichen Vergleichen innerhalb eines Prozesses ist die Mietsache außerdem so genau zu bezeichnen, dass die Räumungsverpflichtung – falls erforderlich – auch vollstreckt werden kann.
46
A7 S. Anm. A5 (Rz. 44).
47
A8 Die Vereinbarung von Abfindungszahlungen ist üblich. Häufig werden solche Vereinbarungen auch als Abstands-, Aufwendungsersatz- oder Ausgleichszahlungen bezeichnet.
48
Will der Vermieter den Mieter mit einer Geldzahlung abfinden, sollte sich aus dem Vertragstext ergeben, ob die Zahlung für den rechtzeitigen Auszug oder für die Vertragsaufhebung als solche geschuldet wird. Verzichten die Parteien auf eine solche Präzisierung, kommt es in der Praxis zu Problemen, wenn der Mieter die Mietsache verspätet zurückgibt. Dann muss durch Auslegung des Parteiwillens ermittelt werden, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Zeitelement oder die Beendigung des Mietverhältnisses schlechthin im Vordergrund stand. Nach der Rechtsprechung ist die zeitliche Komponente von untergeordneter Bedeutung, wenn der Vermieter bei Vertragsschluss über keinen zweifelsfrei durchsetzbaren Kündigungsgrund verfügt. In diesem Fall behält der Mieter seinen Zahlungsanspruch auch bei verspätetem Auszug. Ergibt die Auslegung, dass die Zahlung sowohl für die pünktliche Rückgabe als auch für den Abschluss des Aufhebungsvertrags als solches vereinbart wurde, ist die Abfindungssumme bei verspätetem Auszug entsprechend zu mindern (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 23.10.1992 – 7 S 2866/92, WuM 1995, 181; vgl. insgesamt auch Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, Anh. zu § 542 Rz. 31).
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Aus Sicht eines zur Zahlung einer Abfindungssumme verpflichteten Vermieters sollte deshalb stets eine Formulierung gewählt werden, nach der die Zahlungspflicht bei nicht fristgerechtem Auszug gänzlich entfällt bzw. gar nicht erst entsteht. Gegenüber einer bloßen Verfallsklausel bietet die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung größere Sicherheit (Scheuer/Emmerich in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2014, Kap V. B Rz. 492).
50
Es kann auch vereinbart werden, dass der Mieter eine Abfindungszahlung zu leisten hat, wenn das Mietverhältnis auf seinen Wunsch vorzeitig aufgehoben wird. Dabei handelt es sich um eine Gegenleistung des Mieters für das Entgegenkommen des Vermieters. Sofern der Mieter keinen Aufhebungsanspruch nach Treu und Glauben hat oder keine geeigneten Nachmieter stellen kann, entsprechen derartige Absprachen der Interessenlage der Parteien (vgl. Scheuer/Emmerich in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2014, Kap. V. B Rz. 492). In der Praxis kommt eine solche Ausgleichszahlung bei langfristigen Zeitmietverträgen sowie bei sonstigen befristeten Ausschlüssen des ordentlichen Kündigungsrechts in Betracht.
51
Die Vereinbarung von Abfindungszahlungen des Mieters empfiehlt sich insbesondere in Abwanderungsgegenden mit hohem Leerstandsrisiko sowie in Zeiten schwacher Konjunktur. Unter solchen Gegebenheiten kann sich die Suche nach einem geeigneten Nachmieter – vor allem für gewerblich genutzte Räume – über einen längeren Zeitraum hinziehen. Nicht selten wird die Weitervermietung nur unter Hinnahme von Mieteinbußen möglich sein.
52
Seitens des Vermieters ist in diesem Fall jedoch besondere Vorsicht im Hinblick auf die Verwendung formularmäßiger Klauseln geboten (vgl. auch Rz. 29).
53
Pauschale Unkostenregelungen in formularmäßigen Aufhebungsverträgen, die dem konkreten Anlass der Vertragsaufhebung nicht Rechnung tragen, werden teilweise wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters als unzulässig angesehen (vgl. LG Itzehoe, Urt. v.
588
Dewein
M 30.1
Mietrecht
Rz. 60 Kap. 30
8.8.1979 – 1 S 90/79, WuM 1980, 247 f.; LG Berlin, Urt. v. 12.12.1995 – 64 S 278/95, GE 1996, 607). Die Formularklausel in einem auf Wunsch des Mieters geschlossenen Aufhebungsvertrag 54 mit dem Wortlaut „Für den erhöhten Verwaltungs- und Vermietungsaufwand Ihrer vorzeitigen Vertragsauflösung bezahlen Sie eine Pauschalabgeltung in Höhe von einer Monatsmiete – netto/kalt – ohne besonderen Nachweis des Vermieters“ wurde dagegen von der Rechtsprechung für zulässig erachtet (HansOLG Hamburg, RE v. 17.4.1990 – 4 U 222/89, MDR 1990, 724 = ZMR 1990, 270; LG Lübeck, Urt. v. 11.12.1984 – 14 S 79/84, WuM 1985, 114). Bei vorformulierten Schadens- oder Aufwandspauschalen sollte jedenfalls sowohl auf eine 55 angemessene Höhe der Entschädigung als auch darauf geachtet werden, dass dem Mieter der Nachweis eines geringeren Schadens nicht abgeschnitten wird, um eine Unwirksamkeit der Regelung nach §§ 307, 309 Nr. 5b) BGB zu vermeiden. Besser erscheint es allemal, im Einzelfall eine konkrete Summe auszuhandeln, und diese mit dem wirtschaftlichen Interesse am Fortbestand des Vertrags zu begründen. Sofern die Schönheitsreparaturen mietvertraglich auf den Mieter abgewälzt wurden, be- 56 steht zusätzlich die Möglichkeit, dass sich die Parteien über deren pauschale Abgeltung einigen und dies bei der Festsetzung der Höhe der Abfindungssumme berücksichtigen. Für die Ermittlung der kalkulatorischen Kosten erforderlicher Schönheitsreparaturen können Kostenvoranschläge bzw. Angebote von Malerbetrieben herangezogen werden (vgl. hierzu auch Anm. A10 [Rz. 60 ff.]). Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ist bei Wohnraummietern gemäß § 555 BGB schlechthin unzulässig, auch wenn sie individualvertraglich ausgehandelt wurde. A9 Aus Sicht des Mieters sollte auf die Vereinbarung eines Aufrechnungsverbots Wert gelegt werden. Denn in der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Vermieter das Verhandlungsergebnis nach dem gewünschten Auszug des Mieters durch Erklärung der Aufrechnung mit vermeintlichen Schadensersatzansprüchen wegen Verschlechterung der Mietsache zu ihren Gunsten „nachzubessern“ versuchen. Dem Mieter wird in diesem Fall das volle Prozessrisiko für die gerichtliche Durchsetzung seiner Abfindung aufgebürdet.
57
Hierbei ist zu beachten, dass die prozessuale Geltendmachung von Abfindungsansprüchen 58 von den Mieter-Rechtsschutzversicherungen regelmäßig nicht abgedeckt wird, da es sich hierbei um „Ansprüche sui generis“ handelt, die nicht unmittelbar dem Mietverhältnis entspringen (LG Bonn, Urt. v. 19.10.1989 – 8 S 240/89, JurBüro 90, 254). Vereinzelt wird zwar vertreten, dass der Vermieter auch ohne ausdrückliche Vereinbarung 59 eines Aufrechnungsverbots nicht mit Schadensersatzforderungen wegen des schlechten Zustands der Wohnung gegenüber der Abstandszahlung aufrechnen könne. Die Zahlung verfolge in der Regel den Zweck, den Umzug zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen (LG München I, Beschl. v. 27.12.1983 – 14 T 22900/83, WuM 1985, 114; Kossmann/Meyer-Albich, Handbuch der Wohnraummiete, 7. Aufl. 2014, § 84 Rz. 16). Da die Auslegung im konkreten Fall jedoch etwas anderes ergeben kann, sollte die Aufrechenbarkeit ausgeschlossen werden, damit der Mieter nicht auf diese Weise um die Früchte seines Verhandlungsgeschicks gebracht werden kann. Ist der Mieter Verwender eines Vertragsmusters, müssen unbestrittene sowie rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen vom Aufrechnungsverbot ausgenommen werden, um einen Verstoß gegen § 309 Nr. 3 BGB zu vermeiden. A10 Auch alle weiteren Ansprüche aus dem Mietverhältnis können die Parteien innerhalb der Aufhebungsvereinbarung regeln. Machen die Parteien hiervon keinen GeDewein 589
60
Kap. 30 Rz. 61
Vergleichsvereinbarungen
M 30.1
brauch, bleiben die weiteren Ansprüche grundsätzlich unberührt, es sei denn, die Parteien vereinbaren einen gegenseitigen Forderungsverzicht (Generalabgeltung, vgl. Anm. A19 [Rz. 72 ff.]). Eine zu knapp gefasste Aufhebungsvereinbarung eröffnet jedoch Spielraum für unterschiedliche Vertragsauslegungen. 61
Vereinbaren die Parteien beispielsweise – wie im vorliegendem Vertragsmuster – eine Ausgleichszahlung des Vermieters, so beinhaltet diese Regelung nach der Rechtsprechung regelmäßig die Rückgabe der Wohnung ohne weitere Schönheitsreparaturen (LG Stuttgart, Urt. v. 27.4.1995 – 16 S 289/94, WuM 1995, 392). Fehlt diesbezüglich eine besondere Regelung, kann der Mieter auf den abschließenden Charakter der Aufhebungsvereinbarung als umfassender Rückgaberegelung vertrauen.
62
Im Interesse einer für beide Parteien klaren Vertragsgestaltung sollte das Schicksal der zur Zeit des Vertragsschlusses bekannten Ansprüche aus dem Mietverhältnis (Schönheitsreparaturen, Nebenkostenabrechnungen, Wegnahmerechte, Rückbauverpflichtungen, Schadensersatzansprüche aus Vertragsverletzung etc.) auf jeden Fall ausdrücklich in die Mietaufhebungsvereinbarung aufgenommen werden.
63
Bei Mietverhältnissen über Gewerberaum stehen neben den Schönheitsreparaturen ggf. auch weiter gehende Instandhaltungspflichten zur Disposition, soweit diese dem Mieter bei Vertragsschluss aufgebürdet wurden.
64
A11 S. Anm. A10 (Rz. 60 ff.).
65
A12 Gegenüber Wohnraummietern müssen vertragliche Vereinbarungen, nach denen das Wegnahmerecht des Mieters nach § 552 BGB ausgeschlossen wird, einen angemessenen Ausgleich vorsehen. Dieser muss aber nicht zwingend in einer Geldleistung liegen, sondern kann auch im Wege der Aufnahme anderer für den Mieter günstigen Vertragsklauseln liegen. Als angemessener Ausgleich kommt auch die Vertragsaufhebung als solche in Betracht (Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 552 Rz. 5). Bei Mietern von Gewerberaum besteht häufig größerer Regelungsbedarf, wenn der Mieter dem Geschäftszweck entsprechend umfangreichere Umbaumaßnahmen vorgenommen hat.
66
A13 Eine Formularklausel, nach welcher der vorzeitig ausscheidende Mieter neben dem Ersatzmieter für die Mietzahlungen haftet, benachteiligt den Mieter unangemessenen und ist deshalb nach § 307 BGB unwirksam (Rolfs in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 542 Rz. 78; AG Dannenberg, Urt. v. 11.10.1985 – 1 C 313/85, ZMR 1985, 417).
67
A14 § 545 BGB findet auch im Bereich des Aufhebungsvertrages Anwendung. Anders verhält es sich nur, wenn der Vereinbarung entnommen werden kann, dass der festgelegte Endtermin das Mietverhältnis unter allen Umständen beenden soll, auch dann, wenn der Mieter vertragswidrig den Gebrauch fortsetzt (Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 545 Rz. 2). Die Vorschrift kann – auch durch Formularvertrag – wirksam abbedungen werden, allerdings muss ein rechtlich nicht vorgebildeter Vertragspartner den Sinn der Regelung erkennen können (BGH, Urt. v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, MDR 1991, 628 = ZMR 91, 290; Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 545 Rz. 31). Verzichten die Parteien auf eine solche Regelung, wird das Mietverhältnis bei fortgesetztem Gebrauch trotz entgegenstehender Vereinbarung auf unbestimmte Zeit verlängert. Die Erhebung eines Fortsetzungswiderspruchs gemäß § 574 BGB wegen unzumutbarer Härte setzt dagegen tatbestandlich voraus, dass ein Wohnraummietverhältnis gekündigt wurde, so dass hierüber keine Regelung zu treffen ist.
590
Dewein
M 30.1
Mietrecht
Rz. 76 Kap. 30
A15 Hinsichtlich der Verwendung dieser Klausel ist Vorsicht angeraten. Obwohl § 721 68 ZPO als Teil des Prozessrechts grundsätzlich nicht disponibel ist, kann der Mieter aus konkretem Anlass auf die Stellung eines Antrags auf Gewährung einer Räumungsfrist verzichten. Allein der Vollstreckungsschutz ist unverzichtbar (LG Aachen, Beschl. v. 13.2.1995 – 6 T 7/95, WuM 1995, 568; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 721 Rz. 8). Von dieser Möglichkeit sollte jedoch nur Gebrauch gemacht werden, wenn der Auszugstermin nach der Regelung im Vergleich relativ zeitnah erfolgen soll und die damit verbundenen Umstände für die Parteien absehbar sind. Im Rahmen des Räumungsprozesses kann die Vereinbarung des Verzichts empfehlenswert sein. In bestimmten Fallkonstellationen kann der Verzicht auf Gewährung der gerichtlichen Räumungsfrist ausnahmsweise zur Sittenwidrigkeit der gesamten Mietaufhebungsvereinbarung führen (vgl. oben Rz. 30). A16 S. Anm. A10 (Rz. 60 ff.).
69
A17 S. Anm. A10 (Rz. 60 ff.).
70
A18 S. Anm. A10 (Rz. 60 ff.).
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A19 Die Abgeltungsklausel erfasst sämtliche bei Vertragsschluss bestehenden oder abseh- 72 baren Ansprüche. Hierzu gehören beispielsweise der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution oder auf Abrechnung der Betriebskosten. Die Parteien sollten sich deshalb vor Unterzeichnung des Forderungsverzichts Klarheit über ihre wechselseitigen Ansprüche verschaffen. Später entstehende Schadensersatzansprüche werden von der Abgeltungsklausel nicht er- 73 fasst (vgl. hierzu Anm. A3 [Rz. 42 f.]). Allgemein gilt jedoch, dass sich die Reichweite von Vergleichen gemäß §§ 133, 157 BGB nach den Vorstellungen der Parteien richtet. Es ist daher Sache der Parteien, sich darüber zu einigen, ob ein Schlussstrich unter das Mietverhältnis gezogen werden soll, mit der Folge, dass spätere Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sind (Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 573 Rz. 81; Haase, ZMR 2000, 658). Wollen die Parteien dies, kann es zur Vermeidung späterer Streitigkeiten hilfreich sein, Aussagen zur Geschäftsgrundlage in den Vertragstext aufzunehmen. Dies kann sowohl im Rahmen einer Präambel erfolgen als auch an geeigneter Stelle innerhalb der Einzelregelungen, vgl. z.B. § 1 Abs. 2 des Musters (Rz. 38). Haben sich die Parteien dagegen nur in Teilbereichen geeinigt und keine umfassende Ab- 74 wicklungsregelung getroffen, bleibt es im Übrigen bei den Regelungen des Mietvertrags. (Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, Kap. IV Rz. 287). Im Interesse der Vermeidung späterer Schwierigkeiten bei der Auslegung sollten die Parteien in diesem Fall ausdrücklich regeln, dass die übrigen Bestimmungen des Mietvertrages vom Vergleich unberührt bleiben. A20 Bei Streitigkeiten über die Beendigung des Mietverhältnisses bemisst sich der für die Berechnung der Anwaltsgebühren anzusetzende Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG, §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 2 GKG in der Regel nach der Jahresmiete. Der früher bestehende Streit, ob für die Berechnung des Jahresbetrags von der Nettogrundmiete oder von der Bruttomiete (Nettogrundmiete zzgl. Nebenkosten) auszugehen ist, wurde durch die Neufassung des § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG (früher § 16 Abs. 1 GKG) zum 1.7.2004 entschieden. Nunmehr ist festgelegt, dass die Nettogrundmiete anzusetzen ist, sofern keine Pauschalmiete vereinbart ist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 41 GKG Rz. 21).
75
Stets zu beachten ist, dass der Gegenstandswert eines Vergleichs danach zu bestimmen ist, 76 worüber die Parteien sich gestritten haben und welche Streitpunkte bereinigt werden konnten. Nicht ausschlaggebend ist, welche Leistungen übernommen wurden. Kurz gesagt: Es kommt darauf an, worüber der Vergleich geschlossen wird und nicht, worauf sich die ParDewein 591
Kap. 30 Rz. 77
Vergleichsvereinbarungen
M 30.1
teien einigen (Schneider in Lützenkirchen, Anwalts-Handbuch Mietrecht, 5. Aufl. 2015, N Rz. 579). Werden innerhalb eines gerichtlichen Vergleichs Ansprüche miteinbezogen, die nicht rechtshängig sind, entsteht nach dem Wert der nicht anhängigen Ansprüche eine zusätzliche 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG. Die Summe der geltend gemachten Einigungsgebühren darf jedoch gemäß § 15 Abs. 3 RVG nicht höher sein als eine 1,5 Gebühr aus dem Gesamtwert der geregelten Ansprüche. 77
Für Rechtsschutzversicherungen sind Kostenregelungen in Vergleichen nur verbindlich, wenn die vereinbarte Quote dem Verhältnis des Obsiegens oder Unterliegens der Parteien in der Hauptsache entspricht. Dieses Verhältnis ist bei Räumungsvergleichen, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens getroffen werden, objektiv nicht bestimmbar. Zur Vermeidung von Schwierigkeiten sollte deshalb vorher entweder die Zustimmung der Versicherung eingeholt werden oder der Vergleich widerruflich abgeschlossen werden. In Betracht kommt außerdem die Entscheidung des Gerichts gemäß § 91a ZPO (Eisenhardt in Lützenkirchen, Anwalts-Handbuch Mietrecht, 5. Aufl. 2015, J Rz. 421).
78
A21 Die am Vertragsende häufig verwendete Standardformulierung „Ergänzungen oder Änderungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform“ führt bei den Parteien nicht selten zur Verwirrung. Den Beteiligten ist oft nicht klar, dass vertragliche Schriftformerfordernisse von den Parteien jederzeit – ggf. auch schlüssig – aufgehoben werden können (s. Rz. 18). Für das vorliegende Vertragsmuster wurde daher eine Formulierung gewählt, die den Parteien die Vorteile der schriftlichen Fixierung von Änderungsvereinbarungen verdeutlicht.
B. Die Mietänderungsvereinbarung I. Einführung Literatur: Haase, Das mietvertragliche Formerfordernis und das Prinzip der Einheitlichkeit der Urkunde: Die Ratio legis des § 566 BGB als Regulativ des Zusammenwirkens der §§ 566, 126 BGB, WuM 1995, 625.
1. Allgemeines zu Vereinbarungen über die Miethöhe 79
Freiwillige Vereinbarungen über die Miethöhe sind sowohl bei Mietverhältnissen über Gewerberaum als auch bei der Vermietung von Wohnraum zulässig. a) Wohnraummiete
80
Bei Mietverhältnissen über frei finanzierten Wohnraum sind freiwillige Mieterhöhungsvereinbarungen durch das Gesetz sogar ausdrücklich vorgesehen. Dabei hatte der Gesetzgeber vor allem an partnerschaftliche Lösungen im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen gedacht.1 Mietänderungsvereinbarungen sind auch während eines förmlichen Mieterhöhungsverfahrens zulässig. § 557 Abs. 1 BGB schränkt die Vertragsfreiheit nur dahingehend ein, dass die Vereinbarung nach Abschluss des Mietvertrags stattzufinden hat. Dahinter steht der Gedanke, dass der Bestandsmieter weniger schutzbedürftig ist als der Wohnungssuchende.
81
Dagegen sind die übrigen Möglichkeiten der Mieterhöhung im Bereich der Wohnraumvermietung, sofern bei Abschluss des Mietvertrages keine Staffelmiete vereinbart wurde, streng
1 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/3254, 15.
592
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Mietrecht
Rz. 86 Kap. 30
formalisiert und daher fehleranfällig. Selbst bei Vereinbarung einer Indexmiete (§ 557b BGB) ist ein förmliches Verfahren einzuhalten. Bei Mieterhöhungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) kann sich – je 82 nach Qualität und Differenzierungsgrad der örtlichen Mietspiegel oder sonstiger Datenquellen – auch die Bestimmung der zulässigen Miethöhe für die Parteien als problematisch erweisen. Will der Vermieter die Miete dagegen wegen durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen (§§ 559 ff. BGB) erhöhen, bedarf es einer detaillierten Kostenaufschlüsselung der einzelnen Modernisierungsmaßnahmen nebst Abzug fiktiver Instandhaltungskosten und ggf. der plausiblen Darlegung von Einsparungseffekten. Hinzu kommen Ausführungen zur Verteilung der Kosten auf die einzelnen von der Modernisierung betroffenen Wohnungen. Gerade die Einzelheiten geben häufig Anlass zur Uneinigkeit. Nicht selten wird auch darüber gestritten, ob der Vermieter seiner Berechnung die richtige Wohnfläche zugrunde gelegt hat. Bei Streit über die Wirksamkeit eines förmlichen Mieterhöhungsbegehrens ist die einvernehmliche Mietänderungsvereinbarung als Überbleibsel der Vertragsfreiheit im Mietpreisrecht besonders geeignet für Konfliktlösungen im Wege des gegenseitigen Nachgebens.
83
b) Geschäftsraummiete Im Bereich der Geschäftsraummiete fehlen gesetzliche Regelungen zur Änderung der Miet- 84 höhe. Wegen der grundsätzlichen Vertragsfreiheit bei der Ausgestaltung mietvertraglicher Anpassungsmöglichkeiten (Wertsicherungsklauseln,1 Umsatz- und Gewinnbeteiligungsklauseln) bedarf es der Mietänderungsvereinbarung hauptsächlich im Zusammenhang mit Umbaumaßnahmen, die bei Abschluss des Mietvertrages noch nicht vorgesehen waren. Sieht der Mietvertrag die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vor, bleibt den Parteien außerdem die Möglichkeit der Änderungskündigung, um eine Anpassung des Mietpreises herbeizuführen. 2. Interessenlage der Parteien Wie bereits dargelegt, liegt für den Vermieter von Wohnraum der Hauptvorteil einer Eini- 85 gung im Verzicht des Mieters auf die Einhaltung formaler und inhaltlicher Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Mieterhöhungsbegehrens, sowohl bei der allgemeinen Mieterhöhung als auch im Rahmen von Modernisierungen. Insbesondere sind die Parteien weder an eine Kappungsgrenze noch an eine ortsübliche Vergleichsmiete gebunden.2 Auch die zum 1.6.2015 eingeführte sog. „Mietpreisbremse“ in §§ 556d ff. BGB betrifft nur den Neuabschluss eines Wohnraummietvertrages und gilt daher für die in Rede stehende Vereinbarung mit dem Bestandsmieter gerade nicht. Für den Mieter geht es in der Regel in erster Linie um die Begrenzung der Miethöhe und 86 den Schutz vor weiteren Mieterhöhungen. Darüber hinaus kann er versuchen, seine Zustimmung von der Erfüllung von Sonderwünschen („neuer Laminatboden im Wohnzimmer“) abhängig zu machen, auf die er nach dem Mietvertrag keinen Anspruch hätte. Auf 1 Zu unterscheiden sind Leistungsvorbehalte, Spannungsklauseln, genehmigungsfreie AutomatikMietgleitklauseln und genehmigungsbedürftige Mietgleitklauseln, vgl. Horst, Praxis des Mietrechts, 2. Aufl. 2009, 377 ff. Zum Umfang der freien Vereinbarung von Wertsicherungsklauseln bei der Geschäftsraummiete s.a. Jost Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 557b Rz. 2 m.w.N. 2 Schultz in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, Kap. III A Rz. 766.
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Kap. 30 Rz. 87
Vergleichsvereinbarungen
die eine oder andere Weise wird ihm der Vermieter entgegenkommen müssen, wenn er sich der Durchsetzbarkeit seines Mieterhöhungswunsches nicht vollends gewiss ist oder er einfach nur Streit vermeiden möchte. 87
In Gebieten mit sinkenden Mieten ist außerdem daran zu denken, dass der Mieter von sich aus an den Vermieter herantritt und eine Herabsetzung der Miete als Alternative zur Kündigung fordert. Diese Möglichkeit ist insbesondere für Mieter von Geschäftsraum von Reiz.
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Sofern keine Rechtsschutzversicherungen eintreten, verbindet beide Parteien das vernünftige wirtschaftliche Interesse an der Vermeidung einer gerichtlichen Beweisaufnahme. Bei Mieterhöhungsprozessen im Bereich der Vermietung von Wohnraum geht es häufig um Bagatellstreitwerte, regelmäßig um den jährlichen Erhöhungsbetrag (§ 41 Abs. 5 GKG) (s.a. M 30.2 Anm. A7 [Rz. 108 f.]). Beauftragt das Gericht einen Sachverständigen mit der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete, kommt unter Umständen allein das Gutachten die Parteien teurer zu stehen als die mehrjährige Zahlung des Erhöhungsbetrags.
89
Schließlich muss auf die befriedende Funktion des Vergleichs im Hinblick auf die Fortführung des Mietverhältnisses als Dauerschuldverhältnis hingewiesen werden. 3. Zustandekommen des Änderungsvertrags
90
§ 557 Abs. 1 BGB enthält kein besonderes Formerfordernis, so dass die Mietänderungsvereinbarung grundsätzlich formlos abgeschlossen werden kann. Bei längerfristigen Mietverträgen, die dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB unterliegen, muss die Schriftform jedoch auch bezüglich der Mietänderungsvereinbarung eingehalten werden. Andernfalls gelten solche Verträge ab dem Zeitpunkt der Vertragsänderung als unbefristet (zu vertraglichen Schriftformerfordernissen s. Rz. 18 f.).1
91
Besonderheiten sind im Bereich der Wohnraummiete zu beachten, wenn der Vermieter zunächst eine einseitige Erhöhungserklärung an den Mieter richtet. In diesem Fall werden die §§ 145 ff. BGB teilweise durch die §§ 557 ff. BGB überlagert.
92
Ein formelles Mieterhöhungsbegehren nach § 558a BGB, das auf Zustimmung des Mieters zur Mieterhöhung gerichtet ist, stellt in der Regel zugleich ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages dar.2 Ein unwirksames Mieterhöhungsbegehren nach § 558a BGB kann in einen wirksamen Antrag auf Vertragsänderung umgedeutet werden.3
93
Problematisch sind lediglich diejenigen Fälle, in denen der Vermieter erkennbar davon ausgeht, dass es auf eine Zustimmung des Mieters gar nicht ankomme. Nach richtiger Ansicht wird man hier nicht mehr von einem Angebot ausgehen können.4 Deshalb können auch unwirksame Mieterhöhungsbegehren nach §§ 590 und 560 BGB nicht als Angebote zum Abschluss eines Änderungsvertrages angesehen werden, da diese Verfahren bereits nach dem Gesetz keine Zustimmung des Mieters vorsehen.5
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Abweichend von § 150 Abs. 2 BGB kann der Mieter einem Änderungsangebot, das einer unwirksamen Erhöhungserklärung entspringt, gemäß § 558b Abs. 1 BGB auch teilweise 1 Lammel in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 557 Rz. 12 und § 550 Rz. 42; insgesamt Haase, WuM 1995, 625. 2 Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 557 Rz. 13. 3 BGH, Urt. v. 8.10.1997 – VIII ZR 373/96, MDR 1998, 30 = NJW 1998, 44. 4 OLG Hamm, RE v. 28.5.1982 – 4 RE Miet 11/81, MDR 1982, 851 = NJW 1982, 2076. 5 Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 557 Rz. 16; a.A. LG Leipzig, Urt. v. 23.7.1999 – 01 S 2989/99, ZMR 1999, 767; LG Görlitz, Urt. v. 23.11.2000 – 2 S 107/00, WuM 2001, 29; Jost Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 557 Rz. 2.
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Mietrecht
Rz. 100 Kap. 30
zustimmen.1 Die Annahme selbst kann entgegen § 150 Abs. 1 BGB noch bis zum Ablauf der Überlegungsfrist bzw. der Klagefrist des § 558b Abs. 2 erklärt werden. Erst nach Fristablauf liegt ein neuer Antrag vor.2 Die Annahme kann sowohl ausdrücklich als auch durch schlüssiges Verhalten erklärt wer- 95 den. Die mehrmalige Zahlung der erhöhten Miete auf ein auf Zustimmung gerichtetes Mieterhöhungsbegehren oder auf ein Angebot zur einvernehmlichen Erhöhung der Miete wird überwiegend als Zustimmung gewertet.3 Hat der Vermieter den Mieter ausdrücklich zur Zustimmung aufgefordert, genügt bereits die einmalige Zahlung der erhöhten Miete.4 Keinesfalls ausreichend ist die Duldung des Einzugs vom Bankkonto aufgrund einer Einzugsermächtigung, weil darin keine Willenserklärung gesehen werden kann. Mit der wirksamen Annahme kommt ein Änderungsvertrag zustande. Die Vorschriften über den Widerruf von Haustürgeschäften finden auf die Mietänderungsvereinbarung Anwendung (s. Rz. 23 ff.). Soweit sich eine Partei vorformulierter Vertragsmuster bedient, sind außerdem die §§ 305 ff. BGB zu beachten (s. Rz. 29 f.).
96
4. Grenzen der Vertragsfreiheit Im frei finanzierten Wohnungsbau wird die Vertragsfreiheit hinsichtlich der vereinbarten Miethöhe lediglich durch die Bestimmungen über die Mietpreisüberhöhung (§ 5 WiStG) und den Mietwucher (§ 291 StGB) begrenzt. Rechtsfolge von Verstößen ist jeweils die Teilnichtigkeit der Mietänderungsvereinbarung hinsichtlich des überschießenden Teils der Miete. Dabei ist es unerheblich, ob die Mieterhöhung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vereinbart wurde.
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Bei preisgebundenem Wohnraum kann die Verbindlichkeit der Kostenmiete nicht abbedungen werden. Sie stellt die Obergrenze der zulässigen Miethöhe dar. Vereinbarungen über die Miethöhe sind unwirksam, soweit das vereinbarte Entgelt die Kostenmiete übersteigt (§ 8 Abs. 2 WoBindG). Fordert der Vermieter eine über der Kostenmiete liegende Miete oder nimmt er eine solche entgegen, verhält er sich bei schuldhaftem Handeln ordnungswidrig im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 4 WoBindG.5
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5. Auswirkung der Mietänderungsvereinbarung auf künftige Mieterhöhungen Bei der Prüfung der Zulässigkeit von Mieterhöhungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete 99 nach § 558 BGB hat der Vermieter frühere Mietänderungsvereinbarungen vollumfänglich zu berücksichtigen. Einvernehmliche Mieterhöhungen lösen die einjährige Wartefrist für erneute Mieterhöhungsbegehren aus und werden auf die Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB in voller Höhe angerechnet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Mieterhöhungsvereinbarung im Zusammenhang mit Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters abgeschlossen wurde. Für eine analoge Anwendung des § 558 Abs. 1 Satz 3 BGB, der (einseitige) Mieterhöhungen wegen Modernisie-
1 2 3 4
BayObLG, RE v. 10.3.1988 – RE Miet 2/88, WuM 1988, 117. Jost Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 557 Rz. 2 m.w.N. Jost Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 557 Rz. 2. LG Trier, Beschl. v. 30.4.1993 – 6 T 16/93, WuM 1994, 217; LG Kiel, Beschl. v. 26.1.1993 – 1 T 140/93, WuM 1993, 198; LG Berlin, Beschl. v. 6.2.1998 – 61 T 115/88, MDR 1989, 822 = WuM 1989, 308. 5 Kossmann/Meyer-Albich, Handbuch der Wohnraummiete, 7. Aufl. 2014, § 177 Rz. 18.
Dewein 595
100
Kap. 30 Rz. 101
Vergleichsvereinbarungen
M 30.2
rungsmaßnahmen von der Anrechnung ausnimmt, besteht nach herrschender Ansicht kein Raum.1
II. Muster 101
M 30.2 Mietänderungsvereinbarung MietänderungsvereinbarungA1 Zwischen … – nachstehend Vermieter genannt – und … – nachstehend Mieter genannt – wird folgender Änderungsvertrag abgeschlossen: §1 MieterhöhungA2 Zwischen den Parteien besteht seit … ein Mietverhältnis über die Wohnung … Die Nettomiete beträgt derzeit monatlich … Euro monatlich zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von … Euro sowie einer Heizkostenvorauszahlung von … Euro. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Nettokaltmiete mit Wirkung zum … einvernehmlich von … Euro um … Euro auf … Euro erhöht wird.A3 §2 Gesamtmiete Der neue Gesamtzahlbetrag setzt sich wie folgt zusammen:A4 Nettokaltmiete: … Euro Betriebskostenvorauszahlung: … Euro Heizkostenvorauszahlung: … Euro Gesamtbetrag: … Euro §3 Befristeter Ausschluss weiterer MieterhöhungenA5 Bis Ende des Jahres … werden weitere Mieterhöhungen, gleich aus welchem Rechtsgrund, ausgeschlossen. Insbesondere wird mit der durch den Vermieter beabsichtigten Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems keine Mieterhöhung gemäß § 559 BGB verbunden werden, selbst wenn diese Modernisierungsmaßnahme erst nach Ablauf des vorgenannten Zeitraums durchgeführt wird. §4 Sondervereinbarung Die vorhandenen Armaturen in Küche und Bad des Mieters werden auf Kosten des Vermieters bis spätestens zum … durch moderne Einhebel-Mischbatterien ersetzt. Die Arbeitsplatte der ver-
1 LG Potsdam, Urt. v. 30.11.2000 – 11 S 32/00, GE 2001, 61; Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 558 Rz. 8; a.A. Schultz in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, Kap. III. A Rz. 774.
596
Dewein
M 30.2
Mietrecht
Rz. 103 Kap. 30
mieterseitig gestellten Einbauküche wird innerhalb der gleichen Frist auf Rechnung des Vermieters erneuert.A6 §5 KostenA7 Die Kosten dieses Vertrages und seiner Durchführung trägt jede Partei für sich. §6 Schlussbestimmung Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des Mietvertrags unberührt.A8 Ort, Datum Ort, Datum Vermieter Mieter WiderrufsrechtA9 Sie haben das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag zu widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag des Vertragsschlusses. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (Name/Firma, vollständige Anschrift) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte MusterWiderrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden. WiderrufsfolgenA10 Im Falle des wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Können Sie uns die empfangenen Leistungen ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit Wertersatz leisten. Ort, Datum Mieter
Anmerkungen zu Muster M 30.2 A1 Das Vertragsmuster behandelt eine Mieterhöhung im Bereich der Wohnraumvermie- 102 tung. Es kann aber auch als Richtschnur für einvernehmliche Änderungen der Miethöhe bei Geschäftsraummiete dienen (s. aber Rz. 84). Auf die jeweiligen Besonderheiten wird in den Anmerkungen hingewiesen. A2 Die Parteien eines Wohnraummietvertrages können die Höhe der zukünftig zu zahlen- 103 den Miete frei vereinbaren. Grenzen werden lediglich durch § 5 WiStG und § 291 StGB gesetzt (s. Rz. 97). Auch im Zustimmungsprozess über ein förmliches Mieterhöhungsbegehren nach § 558 BGB gilt insoweit die volle Dispositionsmaxime. Weder ist die Wartefrist (§ 558 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu beachten, noch die Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB), noch die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete (vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 558b Rz. 141). Über die konkrete Mietänderung hinaus können künftige Mieterhöhungen mit Wohnraummietern gemäß § 557 Abs. 2 BGB nur in Form einer Staffelmietvereinbarung (§ 557a BGB) oder einer Indexmiete (§ 557b BGB) vereinbart werden. Dies gilt auch für Verträge innerhalb des bestehenden Mietverhältnisses (Jost Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl. 2013, § 557 Rz. 17). Dewein 597
Kap. 30 Rz. 104
Vergleichsvereinbarungen
M 30.2
104
A3 Es empfiehlt sich, einen festen Erhöhungsbetrag zu nennen. Zwar wurde die Regelung des § 17 MHG, demzufolge sich vereinbarte Erhöhungen auf einen bestimmten Betrag zu beziehen hatten, durch das Mieterechtsreformgesetz des Jahres 2001 aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte dadurch jedoch lediglich Mieterhöhungen ermöglichen, die nicht in Geld erfolgen (BR-Drs. 439/00; BT-Drs. 14/5663). Als solche ist beispielsweise eine innerhalb des laufenden Mietverhältnisses übernommene Verpflichtung des Mieters zur turnusmäßigen Ausführung von Schönheitsreparaturen anzusehen. Gleiches gilt etwa für eine zusätzliche Übernahme von Reinigungs- oder Schneeräumarbeiten. Vereinbarungen anlässlich von Modernisierungsmaßnahmen dürfen keinen Zweifel hinsichtlich der Höhe der nach der Modernisierung zu zahlenden Miete zulassen (LG Görlitz, Urt. v. 10.3.1999 – 2 S 131/98, WuM 1999, 340). Unwirksam sind jedenfalls Regelungen, nach denen der Mieter einen bestimmten Prozentsatz der Modernisierungskosten zu bezahlen hat, die der Vermieter dem Mieter nach Abschluss der Arbeiten mitteilt (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 557 Rz. 2). Abzuraten ist außerdem von Vereinbarungen, die auf eine bestimmte Quadratmetermiete Bezug nehmen, da dadurch erfahrungsgemäß Streit über die genaue Größe der vermieteten Flächen ausgelöst wird.
105
A4 Die genaue Aufschlüsselung der Mietzinsstruktur ist zwar im Hinblick auf die deutliche Regelung in § 1 des Vertragsmusters aus rechtlichen Gründen nicht erforderlich, aber im Interesse der Klarheit sachdienlich. Letztlich ist es gerade der Gesamtzahlbetrag, der die Parteien am meisten interessiert.
106
A5 Ein befristeter Ausschluss von Mieterhöhungen ist aus Sicht des Mieters empfehlenswert. Wohnraummieter werden vor kurzfristig folgenden allgemeinen Mieterhöhungen zwar bereits durch § 558 BGB geschützt, da die Mietänderungsvereinbarung bei der Berechnung der Wartefrist und der Kappungsgrenze zu berücksichtigen ist (vgl. Rz. 99 f.). Mieterhöhungen anlässlich von Modernisierungsmaßnahmen bleiben jedoch ohne besondere vertragliche Vereinbarung jederzeit möglich.
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A6 Den Parteien steht es frei, innerhalb der Mietänderungsvereinbarung auch Regelungen zur Verbesserungen der Wohnqualität zu treffen. So banal derartige Vereinbarungen erscheinen mögen, tragen sie doch nicht unwesentlich zur Akzeptanz einer Mieterhöhung bei.
108
A7 Bei Mieterhöhungen für Wohnraum kann höchstens der zwölffache monatliche Erhöhungsbetrag (= zusätzlich zu zahlender Betrag) als Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren in Ansatz gebracht werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG, §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 5 GKG). Beträgt der Zeitraum, für den die Erhöhung wirksam werden soll, weniger als ein Jahr, muss der Erhöhungsbetrag mit der entsprechend geringeren Anzahl an Monaten multipliziert werden. Zu beachten ist, dass diese Spezialregelung für die Wohnraummiete nur für den Gebührenstreitwert, nicht aber für den Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer im Klageverfahren gilt. Hier ist gemäß § 9 ZPO als Höchstbetrag der dreieinhalbfache Jahreswert der Mieterhöhung maßgeblich (Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 41 GKG Rz. 1; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 9 Rz. 1 m.w.N.).
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Im Bereich der Geschäftsraummiete kann gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 9 ZPO der dreieinhalbfache Jahreswert des Mieterhöhungsbetrags als Höchstbetrag angesetzt werden. Bei kürzerer Laufzeit erfolgt die Berechnung nach der geringeren Anzahl der Monate (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 41 GKG Rz. 36). Zum Streitwert bei Vergleichen s.a. M 30.1 Anm. A20 (Rz. 75 ff.).
598
Dewein
Mietrecht
Rz. 114 Kap. 30
A8 Durch die Schlussbestimmung wird lediglich klargestellt, dass es sich bei der Verein- 110 barung um einen Änderungsvertrag zum bestehenden Mietverhältnis handelt. A9 Zur Anwendbarkeit des Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften s. Rz. 96 a.E. Der Text der Belehrung folgt dem Muster gemäß Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB; ein Muster-Widerrufsformular gem. Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB ist beizufügen (vgl. auch Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, vor § 535 BGB Rz. 83 f.). Geschäftsraummieter sind vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.
111
A10 S. Anm. A9 (Rz. 111).
112
C. Die Modernisierungsvereinbarung für Wohnraum I. Einführung Literatur: Eisenschmid, Die Mietminderung nach der Bruttomiete, WuM 2005, 491; Fleindl, Modernisierung von Wohnraum und Mieterhöhung, NZM 2016, 65 ff.; Harke, Wohnungsbau und Mietrecht in den neuen Bundesländern, WuM 1991, 1; Horst, Erfolgreiche Durchsetzung von Modernisierungsmaßnahmen, GE 1999, 179; Horst, Modernisierung – Durchsetzung, Abwehr und Rechtsfolgen, NZM 1999, 193; Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 3, 6. Aufl. 2012; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 15. Aufl. 2017, Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Mietrecht 1 §§ 535 – 555f und Mietrecht 2 §§ 556 – 561, Neubearbeitung 2014; Zehelein, Das Mietrechtsänderungsgesetz in der gerichtlichen Praxis – Prozessuale und dogmatische Aspekte der Mietrechtsreform, WuM 2013, 133 ff.
1. Interessenlage der Parteien Bestrebungen des Vermieters zur zeitgemäßen Modernisierung des Wohnungsbestands bergen naturgemäß Konfliktpotential. Die beabsichtigten Investitionen müssen sich im Hinblick auf die zu erzielenden Mieteinnahmen lohnen. Oft erfolgen sie auch in der Absicht einer Aufteilung der Wohnanlage in Wohnungseigentum. Bei den Mietern stoßen solche Pläne des Vermieters nicht immer auf Gegenliebe. Je nach Alter oder Einkommen überwiegt das Interesse am Erhalt der angestammten Umgebung, steht die Angst vor Luxusmodernisierung und hohen Mieten im Vordergrund. Außerdem ist die Bauphase häufig mit massiven Beeinträchtigungen verbunden.
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Nach § 555d Abs. 1 BGB kann der Vermieter einseitig einen Duldungsanspruch durchset- 114 zen, soweit die geplanten Maßnahmen in den Katalog des § 555b Nr. 1 – 7 BGB fallen, also insbesondere der Verbesserung der Mietsache, der Einsparung von Energie bzw. Wasser oder der Schaffung neuen Wohnraums dienen. Neben einer förmlichen Ankündigung von u.a. Art und Umfang der Maßnahme in ihren wesentlichen Zügen (§ 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) und der vermutlichen künftigen Betriebskosten (§ 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) setzt die Duldungspflicht voraus, dass die beabsichtigten Maßnahmen für den Mieter keine unzumutbare Härte darstellen. Diesbezüglich ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, in deren Rahmen die persönlichen Verhältnisse des Mieters zu berücksichtigen sind. Außer Betracht bleiben bei der Abwägung aber nunmehr gemäß § 555d Abs. 2 Satz 2 BGB die zu erwartende Mieterhöhung sowie die künftigen Betriebskosten, welche – unter den Voraussetzungen des § 559 Abs. 4 und 5 BGB – erst bei der Mieterhöhung zu berücksichtigen sind. Fehlt es an der Duldungsverpflichtung, hat der Vermieter die geplanten Maßnahmen
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Kap. 30 Rz. 115
Vergleichsvereinbarungen
zu unterlassen. Im äußersten Fall kann der Mieter einen Baustopp im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen.1 115
Zur Vermeidung dieser Risiken ist der Vermieter gut beraten, sich von vornherein um einvernehmliche Lösungen mit den Mietern zu bemühen.2 Interessant für den Vermieter ist auch, dass eine einvernehmliche Mieterhöhung anlässlich einer Modernisierung weder der Jahressperrfrist des § 558 Abs. 1 Satz 2 BGB noch der Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB unterliegt.3 Im eigenen Interesse sollte er so frühzeitig eine Einigung ausloten, dass er sich für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen die Möglichkeit der einseitigen Modernisierungsankündigung erhält. Diese muss nach § 555c Abs. 1 BGB spätestens drei Monate vor Beginn der Baumaßnahmen abgegeben werden. Der Abschluss konkreter Vereinbarungen ist auch für den Mieter von Vorteil, weil er frühzeitig weiß, womit er wirtschaftlich rechnen muss. Für ihn geht es sowohl um die zukünftig zu zahlende Miete als auch um die Mietminderung während der Bauphase. Zwar ist dem Mieter die Höhe der künftigen Miete gemäß § 555c Abs. 1 Nr. 3 BGB vorab mitzuteilen, doch handelt es sich nur um den „zu erwartenden“ Betrag und überdies ist eine etwaige alternative Erhöhung über § 558 BGB davon nicht erfasst.4 Im Rahmen der Verhandlungen können außerdem pragmatische Lösungen erörtert werden, die den individuellen Lebensverhältnissen des Mieters gerecht werden. Für beide Parteien minimieren sich die Prozess- und Kostenrisiken. Gegebenenfalls kommt auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrags in Betracht (s. M 30.1 [Rz. 38]). 2. Zur Wirksamkeit von Vereinbarungen über die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen
116
Gemäß § 555d Abs. 7 BGB sind abweichende Vereinbarungen zulasten des Mieters unwirksam. Dennoch wird es als zulässig angesehen, wenn der Mieter nach Abschluss des Mietvertrages im Einzelfall bestimmten Maßnahmen des Vermieters zustimmt (§ 311 Abs. 1 BGB), selbst wenn die Voraussetzungen des § 555d BGB nicht erfüllt sind und der Mieter die Maßnahme nicht dulden müsste. Getroffen werden kann die Abrede „aus Anlass“ (§ 555f BGB) einer konkreten, geplanten Baumaßnahme. Nur unter diesen Voraussetzungen müssen Inhalt und Form der § 555a bis 555e BGB nicht beachtet werden, wie der mit dem Mietrechtsänderungsgesetz von 2013 neu eingefügte § 555f BGB jetzt ausdrücklich klarstellt.5 In diesem Fall ist der Vermieter außerdem zur Mieterhöhung nach §§ 559 ff. BGB berechtigt (s. § 555f Nr. 3 BGB). Keinesfalls darf die Duldungsplicht des Mieters im Voraus mietvertraglich über die Grenzen des § 555d BGB hinaus erweitert werden. Dies gilt sowohl für individuelle Vertragsregelungen als auch für formularvertragliche Klauseln.6
117
Für die Abrede gelten die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen. Informiert der Vermieter den Mieter nicht ausreichend über Art, Umfang und Auswirkungen der geplanten Baumaßnahmen, kann der Mieter seine Zustimmungserklärung nach §§ 119, 123 BGB anfechten.7
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Aus Beweisgründen sollte die Vereinbarung schriftlich erfolgen. Zur Anwendbarkeit der Vorschriften über den Widerruf von Haustürgeschäften vgl. Rz. 23 ff. 1 Vgl. im Detail hierzu Emmerich in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 555d Rz. 27, 28. 2 Hierzu insgesamt auch Horst, NZM 1999, 193; Horst, GE 1999, 179. 3 BGH, NZM 2008, 411; Fleindl, Modernisierung von Wohnraum und Mieterhöhung, NZM 2016, 71. 4 Emmerich in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 559 Rz. 7. 5 Emmerich in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 555f Rz. 1. 6 Emmerich in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 555d Rz. 23. 7 Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 555f Rz. 26.
600
Dewein
M 30.3
Mietrecht
Rz. 119 Kap. 30
II. Muster M 30.3 Modernisierungsvereinbarung im Mietverhältnis
119
ModernisierungsvereinbarungA1 Zwischen … – nachstehend Vermieter genannt – und … – nachstehend Mieter genannt – wird folgende Vereinbarung geschlossen: Zwischen den Parteien besteht seit dem … ein Mietverhältnis über die Wohnung … Die Nettomiete beträgt derzeit … Euro monatlich zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von … Euro. Der Vermieter beabsichtigt, an dem Wohngebäude aus dem Jahre … umfangreiche Baumaßnahmen durchzuführen. §1 Umfang der BaumaßnahmenA2 Im Bereich der beiden Treppenhäuser werden an der Außenfassade (Ostseite) Aufzüge angebracht. In den Treppenhäusern werden die Eingangsbereiche mit kleinen Foyerräumen versehen, über die der Zutritt zu den Aufzügen erfolgt. Der Hauseingang wird barrierefrei umgestaltet. In sämtlichen Wohnungen werden die bislang vorhandenen Holzfenster mit Doppelverglasung durch moderne Kunststofffenster mit Isolierverglasung ersetzt. Ferner werden die bisher lediglich mit einer Thermohaut versehenen Außenfassaden zur Einsparung von Heizenenergie mit einem Vollwärmeschutz (Wärmedämmverbundsystem) ausgestattet, der dem heutigen Stand der Technik entspricht. Für die Wärmedämmung wird PolystyrolHartschaum verwendet.A3 Im Zuge der Wärmedämmung erhält das Anwesen einen neuen Anstrich. In den Treppenhäusern werden ebenfalls Malerarbeiten ausgeführt. Die Balkone und deren Brüstungen werden vollständig saniert. Sämtliche Arbeiten an den Balkonen und der Fassade werden von Gerüsten aus durchgeführt. Die Wohnung muss lediglich zum Zweck des Fensteraustauschs betreten werden. §2 Zeitraum der ArbeitenA4 Mit den Baumaßnahmen wird voraussichtlich am … begonnen werden. Für die Gesamtdauer werden … Wochen veranschlagt. Das Ende ist für … vorgesehen, unbeschadet von Restarbeiten und Arbeiten zur Mängelbeseitigung.A5 Der Austausch der Fenster ist für die Woche vom … bis … vorgesehen. Diese Arbeiten werden insgesamt … Tage in Anspruch nehmen. Die genauen Termine wird der Vermieter spätestens bis zum … bekannt geben. §3 Zustimmung des MietersA6 Der Mieter erklärt sich mit der Durchführung sämtlicher vorgenannter Baumaßnahmen einverstanden. Er verpflichtet sich, diese Arbeiten auch dann zu dulden, wenn sich der in § 2 angegebene Ausführungszeitraum längstens … Monate verzögern oder verlängern sollte. Dewein 601
Kap. 30 Rz. 119
Vergleichsvereinbarungen
M 30.3
Der Vermieter übernimmt jedoch keinerlei Verpflichtung zur Durchführung der Arbeiten.A7 Es wird ferner vereinbart, dass die beim Betrieb der neuen Aufzüge entstehenden Betriebskosten vom Mieter zu tragen sind. Hinsichtlich Abrechnungsmodus und Vorauszahlungspflicht gelten die Regelungen des Mietvertrags.A8 §4 Gegenseitige Kooperationspflichten/Zutritt zu den Mieträumen Beide Parteien verpflichten sich im Zusammenhang mit den Bauarbeiten zur engen Kooperation. Der Vermieter wird den Mieter frühestmöglich über kurzzeitige Abschaltungen von Wasser oder Strom sowie über Änderungen des vorgesehenen Bauablaufs informieren. Der Mieter verpflichtet sich insbesondere, dem Vermieter sowie den in seinem Auftrag handelnden Personen (Architekten, Handwerkern) den Zutritt zur Wohnung zwecks Vorbereitung, Durchführung und Nachbesichtigung dieser Arbeiten zu gestatten. §5 AufwendungsersatzA9 Der Vermieter hat dafür zu sorgen, dass die Bauhandwerker die Möbel und Einrichtungsgegenstände des Mieters nicht verunreinigen und geeignete Schutzmaßnahmen (Abdeckung mit Plastikplanen u.Ä.) treffen. Für die nach Beendigung der Arbeiten erforderliche Beseitigung des Baustaubs sowie für die Sicherung besonders gefährdeter Hausratsgegenstände erhält der Mieter eine Aufwandspauschale in Höhe von … Euro. §6 MinderungA10 Die Bauarbeiten werden mit Lärm und Schmutz verbunden sein. Ausblick und Lichtverhältnisse werden durch die Einrüstung des Gebäudes beeinträchtigt. Der Balkon kann zeitweise überhaupt nicht bzw. nur sehr eingeschränkt genutzt werden. Der Mieter akzeptiert diesen Zustand für die gesamte Dauer der Umbauarbeiten als vertragsgemäß. Für die umbaubedingten Beeinträchtigungen erhält der Mieter eine Ausgleichszahlung in Höhe von … Euro. Dieser Betrag entspricht einer Minderung der Bruttomiete in Höhe von … über die gesamte voraussichtliche Bauzeit. Im Falle einer Bauzeitverlängerung hat der Mieter keinen Anspruch auf Erhöhung dieses Pauschalbetrags, sofern die Dauer der Maßnahmen die in § 6 vereinbarten Grenzen nicht überschreitet. Minderungsansprüche wegen anderer Beeinträchtigungen und Schadensersatzansprüche bleiben unberührt. §7 MieterhöhungA11 Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Nettomiete für die Mietsache mit Wirkung zum … einvernehmlich von … Euro um … Euro auf … Euro erhöht wird. Die Pflicht zur Zahlung der erhöhten Miete beginnt frühestens mit dem Monat, der auf den Monat der Fertigstellung sämtlicher in § 1 genannten Baumaßnahmen folgt. Die Baumaßnahmen sind fertig gestellt, wenn alle Gewerke abgenommen wurden. §8 KostenA12 Die Kosten dieses Vertrages und seiner Durchführung trägt der Vermieter.
602
Dewein
M 30.3
Mietrecht
Rz. 126 Kap. 30
§9 Schlussbestimmung Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des Mietvertrags unberührt. Ort, Datum Ort, Datum Vermieter Mieter
Anmerkungen zu Muster M 30.3 A1 Das Vertragsmuster hat Umbaumaßnahmen des Vermieters zum Gegenstand. Der Ab- 120 schluss einer Modernisierungsvereinbarung kommt aber auch bei Modernisierungswünschen des Mieters in Betracht. Aus Sicht des Mieters sind in diesem Fall vor allem folgende Punkte regelungsbedürftig: Zustimmung des Vermieters zu Umfang und Qualitätsmaßstab der durch den Mieter vorgenommenen Arbeiten, Höhe der voraussichtlichen Kosten und ggf. Kostenbeteiligung des Vermieters, befristeter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts des Vermieters (Abwohndauer), befristeter Ausschluss von Mieterhöhungen sowie Aufwendungsersatz des Vermieters bei Auszug des Mieters vor Ende der vereinbarten Abwohndauer (vgl. zur Mietermodernisierung insgesamt Dickersbach in Lützenkirchen, Anwalts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, H Rz. 230 ff.; sowie die Mustervereinbarung „Modernisierung durch Mieter“, herausgegeben vom Bundesjustizministerium, abgedruckt in Börstinghaus, Miethöhe-Handbuch, 1. Aufl. 2009, Anhang A IV). A2 Die beabsichtigten Arbeiten sollten hinsichtlich Umfang und Zeitraum möglichst genau beschrieben werden. Bei unzureichender Information muss der Vermieter unter Umständen mit einer Anfechtung der Vereinbarung durch den Mieter rechnen (vgl. Rz. 116 ff.).
121
Die Frage, ob die hier beispielhaft beschriebenen Maßnahmen auch im Rahmen einer ein- 122 seitigen Modernisierungsankündigung nach § 555d BGB durchsetzbar wären, kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden (vgl. Rz. 114). Ohne Wenn und Aber müssen nach § 555a Abs.1 BGB lediglich reine Erhaltungsmaßnahmen geduldet werden, mit denen der Vermieter seiner mietvertraglichen Instandhaltungsverpflichtung nachkommt (Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl. 2003, § 554 Rz. 2 ff.). Eine gute Übersicht über die generelle Zulässigkeit von Modernisierungsmaßnahmen findet sich bei Eisenschmid, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 555b Rz. 92 ff. Bestehende Zweifel an der rechtlichen Durchsetzbarkeit einer Baumaßnahme werden durch 123 den Abschluss der Modernisierungsvereinbarung beseitigt. Unter der Voraussetzung der Einvernehmlichkeit können ohne weiteres auch Baumaßnahmen vereinbart werden, die nicht der Duldungspflicht des § 555d BGB unterliegen (vgl. Rz. 116 ff.). A3 Eine Zusicherung der Unbedenklichkeit von Werkstoffen oder Verfahrensweisen beim 124 Umgang mit Gefahrstoffen (z.B. Entsorgung asbesthaltiger Nachtspeicheröfen) ist zwar nicht unbedingt erforderlich, kann aber im Einzelfall helfen, Misstrauen abzubauen. A4 S. Anm. A2 (Rz. 121 ff.).
125
A5 Sofern der Vermieter zum Zeitpunkt der Gespräche bereits weiter gehende Kenntnis 126 über den Bauablauf und die Reihenfolge der Einzelgewerke hat, sollte er den Mieter nach Möglichkeit darüber informieren, damit dieser seine Dispositionen (Urlaub etc.) ggf. danach ausrichten kann. Häufig unterscheiden sich die einzelnen Bauphasen hinsichtlich ihrer Belastungsintensität für den Mieter.
Dewein 603
Kap. 30 Rz. 127
Vergleichsvereinbarungen
M 30.3
Solche Mitteilungen müssen jedoch nicht in den Vertragstext einfließen. Der Vermieter kann dem Mieter anlässlich der Verhandlungen beispielsweise auch den vorläufigen Bauzeitenplan des Architekten zur Einsicht vorlegen. 127
Bei größeren Maßnahmen sollte wegen der allgemeinen Unwägbarkeiten des Bauens im Bestand (Witterungseinflüsse, fehlerhafte Bestandspläne, sonstige Behinderungen) von vornherein ein komfortabler zeitlicher Puffer miteinkalkuliert werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
128
A6 S. Rz. 116 ff.
129
A7 Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Modernisierungsvereinbarung kann der Vermieter gewöhnlich noch nicht mit letztendlicher Sicherheit absehen, ob und in welchem Umfang die beabsichtigten Baumaßnahmen tatsächlich realisiert werden können. Möglicherweise scheitern seine Pläne am Widerstand anderer Mieter. Denkbar ist auch, dass sich die erforderlichen Bauleistungen zwischenzeitlich so verteuern, dass die Durchführung der Modernisierung nicht mehr wirtschaftlich ist. Unter Umständen hatte der beauftragte Architekt zuvor eine fehlerhafte Kostenberechnung vorgelegt. Wegen der vielfältigen Risiken, die jedem größeren Bauvorhaben anhaften, empfiehlt sich eine Klarstellung, die den einseitig verpflichtenden Charakter der Duldungsvereinbarung betont. Keinesfalls sollte der Mieter einen Anspruch auf die Durchführung der Baumaßnahmen erwerben, solange er nicht selbst das Risiko der Durchführbarkeit trägt (zur Mietermodernisierung s. M 30.3 Anm. A1 [Rz. 120]).
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A8 Die früher streitige Frage, ob der Vermieter im Rahmen einer einseitigen Modernisierungsankündigung Angaben über Art und Höhe neu einzuführender Betriebskosten machen muss, ist nunmehr in § 555c Abs. 1 Nr. 3 BGB explizit positiv geregelt.
131
A9 Nach § 555d Abs. 6 i.V.m. § 555a Abs. 3 BGB kann der Mieter für eigene Aufwendungen infolge der Baumaßnahme in angemessenem Umfang Ersatz fordern. Auf Verlangen muss der Vermieter einen Vorschuss leisten. Unter die ersatzfähigen Kosten fallen beispielsweise Reinigungskosten, auch wenn diese Arbeiten vom Mieter in Eigenleistung durchgeführt werden (LG Hamburg, Urt. v. 30.1.1987 – 16 S 19/87, WuM 1987, 366). Kann der Mieter seine Wohnung vorübergehend überhaupt nicht nutzen, fallen auch Hotel- oder sonstige Unterbringungskosten unter den Aufwendungsersatz (LG Hamburg, Urt. v. 25.7.1986 – 11 S 84/86, WuM 1987, 387; AG Genthin, Urt. v. 13.10.1994 – 1 C 58/93, WuM 1995, 534; insgesamt Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 555a Rz. 50 ff.).
132
Der Aufwendungsersatzanspruch kann gegenüber Wohnraummietern wegen § 555d Abs. 7 BGB weder vertraglich beschränkt noch ausgeschlossen werden. Wenn sich die Parteien im Vorfeld auf einen angemessenen Betrag einigen, kann darin jedoch kein unzulässiges Abweichen von der gesetzlichen Regelung zulasten des Mieters gesehen werden.
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A10 Das Recht zur Mietminderung wegen der mit den Baumaßnahmen verbundenen Unannehmlichkeiten besteht auch dann, wenn der Mieter zur Duldung verpflichtet ist. Seit 2013 hiervon ausgenommen sind nach § 536 Abs. 1a BGB für die Dauer von drei Monaten allerdings Maßnahmen zur energetischen Modernisierung gemäß § 555b Nr. 1 BGB. Die Minderung tritt automatisch ein, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Vermieters bedarf. Diese Rechtsfolge kann grundsätzlich zulasten von Wohnraummietern gemäß § 536 Abs. 4 BGB nicht ausgeschlossen werden (Kossmann/Meyer-Albich, Handbuch der Wohnraummiete, 7. Aufl. 2014, § 44 Rz. 60). Erlaubt ist aber nach § 555f Nr. 2 BGB, Vereinbarungen über den Verzicht auf Minderungsansprüche aus Anlass von Modernisierungsmaßnahmen zu treffen. Bei der Bemessung der Mietminderung ist nach neuester Rechtsprechung stets von der (endgültigen) Bruttomiete einschließlich aller Nebenkosten auszugehen (BGH, 604
Dewein
M 30.3
Mietrecht
Rz. 138 Kap. 30
Urt. v. 13.4.2011 – VIII ZR 223/10, MDR 2011, 718 = MietRB 2011, 169 = NJW 2011, 1806; Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03, MDR 2005, 979 = MietRB 2005, 202, WuM 2005, 384; Eisenschmid, WuM 2005, 491 ff. mit Berechnungsbeispielen). Den Parteien bleibt es jedoch unbenommen, Vereinbarungen über die vertragliche Soll- 134 beschaffenheit der Mietsache zu treffen (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 536 Rz. 17). Erst die negative Abweichung des tatsächlichen Zustands von der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit kann einen zur Minderung berechtigenden Mangel begründen. Jedenfalls können die Parteien einen bestimmten Minderungsbetrag bindend vereinbaren 135 (Weidenkaff in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 536 Rz. 33). Einigt sich der Mieter mit dem Vermieter auf Ausgleichszahlungen für die mit dem Umbau verbundenen Nachteile, verliert er diesbezüglich sein Recht zur Minderung (vgl. Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 555d Rz. 94). Es wird auch vertreten, dass der Mieter bei Zustimmung zu Entschädigungszahlungen sein Minderungsrecht verwirke, soweit es einen höheren Betrag erbracht hätte (Harke, WuM 1991, 1 ff. [6]). Zur Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten sollte im Vertragsstext genau beschrieben werden, welchem Zweck der Geldausgleich dient. Im Interesse einer vertrauensvollen Kooperation sollte das Thema der Mietminderung bei den Gesprächen über die Duldung der Baumaßnahmen nicht ausgeklammert werden. Es würde dem Zweck der Vereinbarung zuwiderlaufen, wenn sich der Mieter seine gesetzlichen Minderungsrechte während der Baumaßnahme erkämpfen müsste.
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A11 Zur freien Vereinbarkeit einer Mieterhöhung siehe M 30.2 Anm. A2 (Rz. 103 ff.). Aus Sicht des Mieters ist es angeraten, die Verpflichtung zur Zahlung der erhöhten Miete an die Bedingung zu knüpfen, dass die in Aussicht gestellten Verbesserungen der Wohnqualität tatsächlich realisiert werden. Zur Vermeidung von Unklarheiten sollte der Termin, ab dem die Mieterhöhung wirksam werden soll, möglichst genau definiert werden.
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A12 Bei Ansprüchen des Vermieters auf Wohnraummodernisierung erfolgt die Berechnung des Gegenstandswerts für die Anwaltsgebühren nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG, §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 3 GKG. Maßgeblich ist der Jahresbetrag der möglichen Mieterhöhung, in Ermangelung dessen die mögliche Mietminderung infolge der Bauarbeiten (Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 41 GKG Rz. 38). S. hierzu auch M 30.2 Anm. A7 (Rz. 108).
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Dewein 605
Kapitel 31
Vergleichsvereinbarungen im Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
A. Preisanpassung bei Mengenänderungen (Einheitspreisvertrag) I. Einführung 1. Vergütungstypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistungsmenge und Preis beim Einheitspreisvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.1 Preisanpassungsvereinbarung bei Mengenänderungen (Einheitspreisvertrag) . . . . . . . . . B. Preisanpassung bei Wegfall der Geschäftsgrundlage (Pauschalpreisvertrag) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.2 Preisanpassungsvereinbarung im Rahmen eines Pauschalpreisvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Abgeltungsvereinbarung bei Leistungsmodifikationen I. Einführung 1. Auftraggeberseits angeordnete Leistungsmodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistungsmodifikationen ohne auftraggeberseitige Anordnung . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Nachtragsvergütung. . . . . . . . . . . . . . 4. Leistungsverweigerungsrecht Auftragnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.3 Vergleichsvereinbarung zur Abgeltung der Folgen von Leistungsmodifikationen . . . . . . . D. Interimsvereinbarung mit Schiedsgutachtenabrede zu streitigen Nachträgen I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.4 Interimsvereinbarung mit Schiedsgutachtenabrede zu streitigen Nachträgen. . . . . . . . . . E. Vereinbarung zur Abgeltung von Behinderungsfolgen I. Einführung 1. Fälligkeit und Verzug hinsichtlich der Bauleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Bauablaufstörungen und ihre Folgen. . . . a) Fristverlängerung als Behinderungsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schadensersatz-/Entschädigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strategische Überlegungen . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.5 Vereinbarung zu Behinderungsfolgen bei verspäteten, auftraggeberseitigen Planlieferungen . . .
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F. Mangelbedingte Einbehaltsregelung vor Abnahme I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 M 31.6 Vorläufige Einbehaltsregelung mit Schiedsgutachten während Baudurchführung . . . . . . . . . . . . 76 G. Vereinbarung zur Nacherfüllung nach Abnahme I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.7 Vereinbarung zur Nacherfüllung H. Vereinbarung zum Vorschussanspruch des Auftraggebers bei Selbstvornahme I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.8 Vereinbarung zum Vorschussanspruch des Auftraggebers. . . . .
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I. Minderungsvereinbarung bei optischen Mängeln I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 M 31.9 Minderungsvereinbarung bei optischen Mängeln mit Schiedsgutachtenabrede. . . . . . . . . . . . . . 103 J. Abgeltungsvereinbarung bei gesamtschuldnerisch haftenden Baubeteiligten (Schadensersatz) I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 M 31.10 Abgeltungsvereinbarung bei gesamtschuldnerisch haftenden Baubeteiligten . . . . . . . . . . . . . . 109
Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht K. Vergleich zum Architektenhonorar vor Schlichtungsausschuss I. Einführung 1. Schlichtungsausschüsse der Architektenkammern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
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2. Vereinbarungen zum Architektenhonorar 118 II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 M 31.11 Architektenhonorarvergleich vor Schlichtungsausschuss . . . . . . . . 124
Literatur: Ganten/Jansen/Voit, Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013; Heiermann/Riedl/ Rusam, Handkommentar zur VOB, 13. Aufl. 2013; Ingenstau/Korbion, VOB, Teile A und B, 19. Aufl. 2015; Kapellmann/Messerschmidt, VOB Teile A und B, 5. Aufl. 2015; Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, Einheitspreisvertrag, 6. Aufl. 2011 und Band 2, Pauschalvertrag einschließlich Schlüsselfertigbau, 5. Aufl. 2011; Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, 5. Aufl. 2014; Kniffka/Köble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014; Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 9. Aufl. 2016; Kraus, Gestaltung von Schiedsgutachtenabreden bei Nachträgen, ZfBR 2004, 118; Leinemann, VOB/B, 5. Aufl. 2013; Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 12. Aufl. 2014; Nicklisch/Weick, VOB Teil B, 4. Aufl. 2016; Quack, Interimsvereinbarungen zu streitigen Nachträgen, ZfBR 2004, 211; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015.
Die Durchführung von Bauprojekten wird maßgeblich von den drei Zielkriterien Kosten – 1 Termine – Qualitäten bestimmt.1 Der Bauvertrag enthält in der Regel Vorgaben und Festlegungen in Bezug auf diese Zielkriterien. Sie bestimmen entscheidend das Handeln der Projektbeteiligten sowohl aufseiten des Bauherrn/Auftraggebers als auch aufseiten der planenden und ausführenden Auftragnehmer. Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien insbesondere in der Phase der Bauausführung betreffen schwerpunktmäßig diese Zielkriterien. Dem tragen die nachfolgenden Mustertexte Rechnung. Das gesetzliche Werkvertragsrecht des BGB ist als Regelungsinstrumentarium für den Bauvertrag nur bedingt geeignet. Dies zeigt sich bereits daran, dass zentrale, auf die vorgenannten Zielkriterien bezogene Themenstellungen wie etwa geänderte/zusätzliche Leistungen oder Behinderungen in der gesetzlichen Regelung der §§ 631 ff. BGB keinen Niederschlag gefunden haben.
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Diesem Umstand soll nunmehr aber durch eine Reform des gesetzlichen Bauvertragsrechts 2a Rechnung getragen werden, indem der Bauvertrag und die Spezifika des Bauvertrags- und Bauträgerrechts explizit gesetzlich geregelt werden.2 So ist beispielsweise in § 650b Abs. 2 BGB-E ein einseitiges Anordnungsrecht des Bestellers vorgesehen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Ausführung für den Unternehmer auch zumutbar ist. Als entsprechende Regelung der weiteren Rechtsfolgen dieses Anordnungsrechts, ist in § 650c BGB-E eine Vergütungsanpassung vorgesehen, bezüglich deren Höhe der Unternehmer gemäß Abs. 2 auf eine hinterlegte Urkalkulation zurückgreifen kann. Eine weitere Neuerung ist mit dem Recht des Unternehmers auf Zustandsfeststellung in § 650f BGB-E enthalten, für den Fall, dass der Besteller die Abnahme verweigert. Für die Kündigung des Bauvertrages sieht § 650g BGB-E die Schriftform vor. Ungeachtet dieser rechtlichen Neuerungen erklärt die bisher fehlende Regelung, die über- 2b ragende Bedeutung, welche die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B) als die gesetzlichen Regeln zum Teil ersetzendes und im Übrigen ergänzendes Regelwerk in der bauvertraglichen Praxis erlangt hat. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend – soweit nichts anderes erwähnt ist – jeweils davon ausgegangen, dass die Vertragsparteien die Geltung der VOB/B im Rahmen des Bauvertrages vereinbart haben. 1 Hierzu Eschenbruch, Recht der Projektsteuerung, 3. Aufl. 2009, Rz. 416. 2 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts vom 18.5.2016, BT-Drs. 18/8486.
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Kap. 31 Rz. 3 3
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Vergleichsvereinbarungen
Hinweis: Die Geltung der VOB/B im Rahmen eines Bauvertrages setzt eine entsprechende rechtsgeschäftliche Einbeziehung dieses Regelwerks durch die Vertragsparteien voraus.1 Zu beachten ist hierbei, dass die Bestimmungen der VOB/B Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinn des § 305 BGB darstellen. Die Privilegierung (im Sinn des Ausschlusses einer Inhaltskontrolle), die dieses Regelwerk in AGB-rechtlicher Hinsicht in der Rechtsprechung erfährt, kommt nur dann in Betracht, wenn im Bauvertrag nicht von der VOB/B abgewichen wird.2 Nachdem erfahrungsgemäß nahezu jeder Bauvertrag von der VOB/B abweichende Regelungen enthält, muss die AGB-rechtliche Wirksamkeit von Einzelregelungen der VOB/B im Einzelfall daher sorgfältig geprüft werden.
A. Preisanpassung bei Mengenänderungen (Einheitspreisvertrag) I. Einführung 1. Vergütungstypen 4
Vertragliche Werklohnvereinbarungen im Bauvertragsrecht lassen sich in drei grundsätzliche Vergütungstypen einordnen. Während das gesetzliche Werkvertragsrecht insoweit nicht differenziert, kommt die Unterscheidung dieser Vergütungstypen in der VOB an vielen Stellen zum Ausdruck und ist dort Anknüpfungspunkt für differenzierte, auf den jeweiligen Vergütungstyp bezogene Regelungen. Die drei Vergütungstypen lassen sich im Überblick der (vergaberechtlichen) Regelung des § 5 VOB/A entnehmen und werden sodann (vertragsrechtlich) insbesondere in den §§ 2 und 15 VOB/B ausdifferenziert.
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Im Rahmen eines Leistungsvertrages wird die Vergütung nach der auf den werkvertraglich geschuldeten Erfolg bezogenen Leistung bemessen. Beim Untertyp des Einheitspreisvertrages steht die Höhe der Vergütung bei Vertragsschluss noch nicht fest, sondern wird nach Ausführung der Leistungen anhand eines Aufmaßes und der vertraglich für technisch und wirtschaftlich einheitliche Teilleistungen vereinbarten Einheitspreise ermittelt. Im Gegensatz hierzu wird die Höhe der Vergütung beim Untertyp des Pauschalpreisvertrages bereits bei Vertragsschluss festgelegt und hängt – solange das ursprüngliche Bausoll unverändert bleibt – nicht von den tatsächlich ausgeführten Mengen ab.3
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Im Gegensatz zum Leistungsvertrag knüpft die Vergütungshöhe beim Stundenlohnvertrag nicht an die im werkvertraglichen Erfolg messbare Leistung, sondern an den erbrachten Zeitaufwand an. Allerdings wird in der Rechtsprechung über das Kriterium der Erforderlichkeit des Zeitaufwandes für die Erreichung des werkvertraglichen Erfolges ein Korrektiv aufgestellt und damit wirtschaftlich unvertretbarer Zeitaufwand als nicht vergütungsfähig angesehen.4
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Die VOB/A benennt in § 5 Nr. 3 zudem als dritten Vergütungstyp den Selbstkostenerstattungsvertrag. Hier wird nach Selbstkosten des Auftragnehmers zuzüglich vertraglich fest-
1 Vgl. von Rintelen in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, Einl. VOB/B Rz. 82 ff. 2 BGH, Urt. v. 22.1.2004 – VII ZR 419/02, BauR 2004, 668 (669); vgl. nunmehr auch § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB. 3 Grundsätzlich zur Unterscheidung Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 2, Pauschalvertrag einschließlich Schlüsselfertigbau, 5. Aufl. 2011, Rz. 30 ff. 4 Hierzu etwa OLG Celle, Urt. v. 3.4.2003 – 22 U 179/01, NZBau 2004, 41 (42); OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2002 – 21 U 106/02, NJW-RR 2003, 455.
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Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 10 Kap. 31
gelegter Zuschläge für baustellen- und betriebsbezogene Gemeinkosten und für Gewinn vergütet. Die Praxisbedeutung dieses Vergütungstyps ist gering. 2. Leistungsmenge und Preis beim Einheitspreisvertrag Im Rahmen der Ausschreibung einer Bauleistung auf der Grundlage eines Einheitspreisvertrages wird im Leistungsverzeichnis regelmäßig zu den einzelnen dort aufgeführten Teilleistungen („Positionen“) auch die voraussichtlich erforderliche Menge („Vordersatz“) angegeben. Diese Mengenangaben, die der Bieter in der Angebotsphase häufig nicht im Einzelnen überprüfen kann, sind sodann Grundlage für die Kalkulation der auf die einzelnen Positionen bezogenen Einheitspreise. Stellt sich im Zuge der Bauausführung heraus, dass die Vordersätze des Leistungsverzeichnisses unzutreffend waren, so ist dies an sich für die Vergütungsfindung unerheblich, da die Höhe der Vergütung ohnehin erst nach Ausführung der Arbeiten anhand der tatsächlich ausgeführten Menge (festzustellen durch Aufmaß) und den vertraglichen Einheitspreisen zu ermitteln ist.1
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Allerdings würde eine unveränderte Fortschreibung der Einheitspreise auf diese gegenüber 9 der Ausschreibung erhöhten oder verringerten Mengen dazu führen, dass aufseiten des Auftragnehmers eine Über- oder Unterdeckung der in die Einheitspreise einkalkulierten baustellen- und betriebsbezogenen Gemeinkosten und des Wagnis und Gewinns einträte. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, sieht § 2 Nr. 3 VOB/B für den Fall einer Über-/Unterschreitung der im Leistungsverzeichnis zugrunde gelegten Menge von mehr als 10 % unter den dort geregelten Voraussetzungen die Bildung neuer Einheitspreise für die von den Mengenabweichungen betroffenen Positionen vor. Die Preisanpassung gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B tritt nicht automatisch ein, sondern bedarf ei- 10 nes dahingehenden „Verlangens“, das sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer stellen kann. Es muss der Frage der Verhandlungstaktik und -situation im Einzelfall überlassen bleiben, zu welchem Zeitpunkt dieses Preisanpassungsverlangen gestellt wird. Möglich ist dies noch mit Schlussrechnung. Während der Phase der Bauausführung wird regelmäßig lediglich der Auftragnehmer einen Überblick über etwaige Über- oder Unterschreitungen des ursprünglichen Mengenansatzes haben. Ein frühzeitiges Preisanpassungsverlangen kann sich hier aus Sicht des Auftragnehmers bereits deshalb empfehlen, um sich später nicht dem auftraggeberseitigen Vorwurf eines unterlassenen Hinweises auszusetzen. Ein derartiger Hinweis ist zwar in aller Regel keine Anspruchsvoraussetzung,2 trägt aber frühzeitig zur Kostentransparenz bei und kann einer einvernehmlichen Regelung förderlich sein. Einvernehmliche Regelungen empfehlen sich hier bereits deshalb, um langwierige und komplizierte Streitigkeiten bei der Ermittlung der Höhe der ggf. neu zu vereinbarenden Preise zu vermeiden.
1 Insoweit existiert also beim Einheitspreisvertrag kein Mengenermittlungsrisiko dergestalt, dass im Rahmen der Ausführung benötigte Mehr- oder Mindermengen für die Vergütungshöhe unbeachtlich wären. Dieses (beiderseitige) Mengenermittlungsrisiko ist vielmehr Strukturmerkmal des Pauschalvertrages, hierzu Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 2, Pauschalvertrag einschließlich Schlüsselfertigbau, 5. Aufl. 2011, Rz. 47. 2 Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, Einheitspreisvertrag, 6. Aufl. 2011, Rz. 657.
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Kap. 31 Rz. 11
Vergleichsvereinbarungen
M 31.1
II. Muster 11
M 31.1 Preisanpassungsvereinbarung bei Mengenänderungen (Einheitspreisvertrag)A1 Preisanpassungsvereinbarung bei Mengenänderungen Die Fa. … als Auftraggeber und die Fa. … als Auftragnehmer haben den Bauvertrag vom … betreffend das Bauvorhaben … abgeschlossen. Im Hinblick auf Mengenabweichungen von den im Leistungsverzeichnis enthaltenen Vordersätzen, die im Zuge der bisherigen Bauausführung aufgetreten sind, vereinbaren die Parteien Folgendes: 1. Die Vertragsparteien haben am … ein gemeinsames Aufmaß zu den Positionen 1.2.4 (Stabstahl), 2.4.5 (Betonwände), 3.1.2 (Kühldecke) und 5.3.3 (Bürotrennwände) des Leistungsverzeichnisses vom … genommen. Die Parteien sind sich als Ergebnis dieses Aufmaßes darüber einig, dass die vom Auftragnehmer ausgeführten Mengen in Bezug auf die nachfolgend genannten Positionen wie folgt von den im Leistungsverzeichnis enthaltenen Vordersätzen abweichen:A2 Position 1.2.4: Tatsächlich ausgeführte Menge: … Dies entspricht einer Mehrmenge gegenüber Leistungsverzeichnis von 3,4 %. Position 2.4.5: Tatsächlich ausgeführte Menge: … Dies entspricht einer Mehrmenge gegenüber Leistungsverzeichnis von 29,4 %. Position 3.1.2: Tatsächlich ausgeführte Menge: … Dies entspricht einer Mindermenge gegenüber Leistungsverzeichnis von 7,4 %. Position 5.3.3: Tatsächlich ausgeführte Menge: … Dies entspricht einer Mindermenge gegenüber Leistungsverzeichnis von 16.8 %. 2. Die Vertragsparteien vereinbaren folgende neuen Einheitspreise für die nachstehend aufgeführten Positionen:A3 Position 2.4.5: Für die ersten 10 % der Mengenüberschreitung bleibt der im Leistungsverzeichnis für diese Position enthaltene Einheitspreis unverändert. Für die darüber hinausgehende Menge wird folgender neuer Einheitspreis vereinbart: … Euro.A4 Position 5.3.3: Der Einheitspreis für die Leistungen gemäß dieser Position wird für die Gesamtleistung dieser Position einheitlich auf … Euro vereinbart.A5 3. Im Übrigen bleiben die im Leistungsverzeichnis enthaltenen Einheitspreise unverändert.A6 (Unterschriften Vertragsparteien)
Anmerkungen zu Muster M 31.1 11a
A1 Sachverhalt: Der Mustertext betrifft einen Einheitspreisvertrag. Nur bei diesem stellt sich die Frage einer Preisanpassung gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B. In Abgrenzung zu § 2 Nr. 5/6 VOB/B wird zudem vorausgesetzt, dass die Mehr-/Mindermassen nicht Folge von seitens des Auftraggebers angeordneten geänderten/zusätzlichen Leistungen sind, sondern aus unzutreffenden Vordersätzen resultieren.
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A2 Gemeinsames Aufmaß: Ein gemeinsames Aufmaß oder eine sonstige einvernehmliche Leistungsstandfeststellung sind im Rahmen einer einvernehmlichen Regelung bereits deshalb erforderlich, da eine sachgerechte Kalkulation der neuen Einheitspreise unter Berücksichtigung der Deckungsbeiträge und des Gewinns nur auf Grundlage der tatsächlich ausgeführten Mengen erfolgen kann.
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M 31.1
Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 15 Kap. 31
A3 Postitionsbezogene Vereinbarung: Das Vereinbarungsmuster setzt die in § 2 Nr. 3 13 VOB/B enthaltene Systematik zur Abänderung vertraglich vereinbarter Einheitspreise bei Mehr-/Mindermassen um. Wie sich bereits aus der Bezugnahme auf die (einzelne) Leistung/Teilleistung in § 2 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B ergibt, muss eine Abweichungsprüfung und dementsprechende Vereinbarung in Bezug auf die jeweiligen einzelnen Teilleistungen des Leistungsverzeichnisses und damit positionsbezogen erfolgen. A4 Mengenüberschreitung: Gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B müssen im Fall einer Über- 14 schreitung des Vordersatzes um mehr als 10 % zwei Einheitspreise in Ansatz gebracht werden. Die Menge bis zu 110 % des Vordersatzes wird mit dem ursprünglich vertraglichen Einheitspreis, die darüber hinausgehende Menge mit einem neu zu vereinbarenden Einheitspreis vergütet. Der neue Preis wird auf der Grundlage der Kalkulationselemente des ursprünglichen Einheitspreises ermittelt, also auf Basis der ursprünglichen Preiskalkulation fortgeschrieben (hierzu und zu Ausnahmen von der Bindung an die ursprüngliche Preiskalkulation Jagenburg in Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2014 § 2 Nr. 3 Rz. 24–41; Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 162 ff.; Nicklisch/Weick, VOB Teil B, 4. Aufl. 2016, § 2 Rz. 146 ff.; Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, 5. Aufl. 2014, § 10 Rz. 412 ff.), berücksichtigt aber Auswirkungen der Mengenänderung auf die einzelnen Preiselemente Einzelkosten der Teilleistung, Baustellengemeinkosten, Allgemeine Geschäftskosten und Wagnis und Gewinn (zu den Auswirkungen auf die Preiselemente im Einzelnen Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 146 ff.). Die Auswirkungen auf die einzelnen Preiselemente gestalten sich unterschiedlich. So steigen die direkten Kosten im Verhältnis zur steigenden Menge (sofern diese regelmäßig konstant sind). Die Baustellengemeinkosten verändern sich in diesem Rahmen nicht, es sei denn, es ergeben sich Mehrkosten im Kontext einer zeitlich längeren Benutzung der Baustelle. Hinsichtlich der allgemeinen Geschäftskosten schlägt sich der entsprechende Prozentaufschlag nieder (vgl. Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 146-149). Hinsichtlich der zeitlichen Geltendmachung der Auswirkungen einer Mengenüberschreitung ist dieser zumindest mit der Verwirkung eine Grenze gesetzt. Ob diese bereits durch die Stellung der Schlussrechnung durch den Auftragnehmer eintritt wird ambivalent beurteilt. Im Rahmen einer möglichen Verwirkung soll mitunter entscheidend sein, ob ein Vertrauen auf den Bestand des Einheitspreises vorlag und hiervon auch legitimerweise ausgegangen werden durfte (vgl. Kandel in Beck’scher Online-Kommentar VOB/B, § 2 Abs. 3 Rz. 29-35). Auf die Konstellation, dass eine außergewöhnliche Mengenüberschreitung mit einem hohen Einzelpostenpreis zusammentrifft, sind die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB anzuwenden (vgl. Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 162). A5 Mengenunterschreitung: Im Fall einer Mengenunterschreitung gewährt die VOB le- 15 diglich dem Auftragnehmer einen Anspruch auf Preiserhöhung, nicht dagegen kann der Auftraggeber eine Preisermäßigung verlangen. Auch ist im Unterschied zu der in § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B geregelten Mengenüberschreitung im Fall der Mengenunterschreitung lediglich ein neuer Einheitspreis für die gesamte zur Ausführung gelangte Menge zu bilden. Auch hier gilt das in Anm. 4 zur Fortschreibung der ursprünglichen Preiskalkulation Gesagte entsprechend. Gemäß dem Sinn des § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B, eine Unterdeckung der Deckungsbeiträge zu vermeiden, sieht diese Regelung eine Ausgleichsberechnung in Bezug auf anderweitig erhaltene zusätzliche Deckungsbeiträge vor (Beispiele für derartige Ausgleichsberechnungen bei Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, Einheitspreisvertrag, 6. Aufl. 2011, Rz. 634 ff.). Jung 611
Kap. 31 Rz. 16 16
Vergleichsvereinbarungen
M 31.1
A6 Irrelevante Mengenabweichungen: Abweichungen der von einer Leistungsposition tatsächlich erbrachten Menge von dem Vordersatz führen gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B nur dann zu einer Anpassung des Einheitspreises, wenn diese mehr als 10 % beträgt. Dahinter zurückbleibende Abweichungen lösen keinen Anspruch auf Preisanpassung aus.
B. Preisanpassung bei Wegfall der Geschäftsgrundlage (Pauschalpreisvertrag) I. Einführung 17
Wesensbestimmendes Merkmal des Pauschalvertrages ist die Loslösung des Pauschalpreises von der ausgeführten Menge. Die auszuführenden Mengen der Leistungspositionen können bei Vertragsschluss im Regelfall anhand – mehr oder weniger detaillierter – Kriterien zur Bestimmung der auszuführenden Menge einzelner Teilleistungen ermittelt werden.1 Es ist im Rahmen eines Pauschalpreisvertrages Risiko des Auftragnehmers, die sich aus diesen Kriterien ergebenden Massen vor Vereinbarung des Pauschalpreises möglichst zutreffend zu ermitteln. Unterläuft dem Auftragnehmer hierbei ein Fehler und benötigt er deshalb im Rahmen der Bauausführung tatsächlich mehr Mengen, als zur Kalkulation des Pauschalpreises zugrunde gelegt, so lässt dies die vereinbarte Pauschalvergütung grundsätzlich unberührt (es sei denn, die benötigten Mehrmengen beruhen nicht auf zunächst unzutreffender Mengenermittlung, sondern auf auftraggeberseits nachträglich geänderten Mengenermittlungskriterien und damit angeordneten Bausolländerungen). Umgekehrt findet aber auch nicht etwa zugunsten des Auftraggebers eine Reduzierung des Pauschalpreises statt, wenn im Rahmen der Bauausführung zur Erreichung des Leistungserfolges weniger an Mengen benötigt werden, als zunächst kalkuliert.
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Durchbrechungen des Grundsatzes der Nichtveränderlichkeit des Pauschalpreises können sich in Fallgestaltungen ergeben, die den Tatbestand einer „Störung der Geschäftsgrundlage“ erfüllen und damit in den Regelungsbereich der § 313 BGB bzw. § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 VOB/B fallen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Vergütungsanpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage sind nunmehr in § 313 BGB normiert. Wann die in § 313 Abs. 1 BGB geforderte „schwerwiegende“ Veränderung mit unzumutbaren Folgen vorliegt, entzieht sich einer generellen Beurteilung. Obwohl in Rechtsprechung und Kommentarliteratur immer wieder Risikogrenzen diskutiert werden,2 muss vor Verallgemeinerungen gewarnt werden. Der BGH hat starren Risikogrenzen etwa in Form bestimmter Prozentsätze ausdrücklich eine Absage erteilt.3 Maßgeblich ist hiernach stets eine Gesamtabwägung aller Umstände im Rahmen der Einzelfallbetrachtung. Als weiteres Tatbestandsmerkmal enthält § 313 Abs. 1 BGB das Kriterium der Unvorhersehbarkeit. Insgesamt sind an eine Vergütungsanpassung äußerst strenge Anforderungen zu stellen,4 damit nicht unter Rückgriff auf das letztlich auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhende Institut der Störung der Geschäftsgrundlage die in jedem Fall vorrangige vertragliche Risikoverteilung umgangen wird. Eine Vertragsanpassung unter Rückgriff auf das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage kommt bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zudem
1 Kapellmann nennt diese Kriterien „Mengenermittlungsparameter“, die sich etwa aus Plänen ergeben können, Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 234 f. 2 Vgl. etwa die Nachweise bei Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rz. 1203 Fn. 246. 3 BGH, Urt. v. 2.11.1995 – VII ZR 29/95, BauR 1996, 250 (251). 4 So etwa Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 5. Aufl. 2013, Rz. 841.
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M 31.2
Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 20 Kap. 31
nur dann in Betracht, wenn die Problematik nicht von – grundsätzlich vorrangigen – speziellen vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen erfasst wird.1
II. Muster M 31.2 Preisanpassungsvereinbarung im Rahmen eines PauschalpreisvertragesA1
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Preisanpassungsvereinbarung Die Vertragsparteien haben den Bauvertrag vom … abgeschlossen. Im Hinblick auf den zur Ausführung des Bauvorhabens erforderlichen Mehrbedarf an Stahl und Beton vereinbaren die Parteien Folgendes: 1. Gemäß der vom Auftragnehmer offengelegten Kalkulationsgrundlage … hat der Auftragnehmer mit einem Stahlpreis von … Euro je Tonne Stahl kalkuliert. Die Vertragsparteien haben einvernehmlich einen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gängigen Marktpreis für Stahl von … Euro ermittelt. Seit Vertragsschluss haben sich die Stahlpreise zum Stichtag … um … % erhöht.A2 Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Vertragsparteien, dass dem Auftragnehmer zusätzlich zu dem vereinbarten Pauschalpreis eine weitere Vergütung von pauschal … Euro zur Kompensation der Stahlpreissteigerungen zusteht. Diese Vergütung wird zur Bezahlung fällig wie folgt: …A4 2. Die Vertragsparteien haben vor Vertragsschluss gemeinsam die im Rahmen der Ausführung erforderlichen Betonmengen aus den vom Auftraggeber vorgelegten Ausführungsplänen ermittelt und diese Betonmengen der Vereinbarung des Pauschalpreises zugrunde gelegt. Im Zuge der Bauausführung stellte sich heraus, dass die Vertragsparteien bei ihren gemeinsamen Feststellungen eine erheblichen Anzahl von Betonwänden irrtümlich nicht berücksichtigt haben.A3 Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Vertragsparteien, dass der Auftragnehmer zusätzlich zu dem vereinbarten Pauschalpreis eine weitere Vergütung von pauschal … Euro für die infolgedessen zusätzlich erforderlichen Betonmengen erhält. Diese Vergütung wird zur Bezahlung fällig wie folgt: …A4 (Unterschriften Vertragsparteien)
Anmerkungen zu Muster M 31.2 A1 Sachverhalt: Dem Mustertext liegt ein Pauschalvertrag zugrunde. Nach Vertragsschluss 19a haben sich die Stahlpreise drastisch erhöht und wurde zudem ein gemeinsamer Irrtum der Vertragsparteien hinsichtlich der vor Vertragsschluss ermittelten Betonmengen aufgedeckt. A2 Störung Vergütungsseite: Störungen der Geschäftsgrundlage können sich zum einen 20 auf die Vergütungsseite (hierzu Nr. 1 des Mustertextes), zum anderen auf die Leistungsseite (hierzu Nr. 2 des Mustertextes) beziehen. Hinsichtlich der auf die Vergütungsseite bezogenen Störungen ist insbesondere umstritten, ob unvorhersehbare Materialpreissteigerungen oder Lohnerhöhungen einen Anspruch auf Vergütungsanpassung auslösen können (bejahend et1 Vgl. Riedl in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 13. Aufl. 2013, B § 2 Rz. 148; Schliemann in Leinemann, VOB/B, 5. Aufl. 2013, § 2 Rz. 193; Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 278.
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Kap. 31 Rz. 21
Vergleichsvereinbarungen
M 31.2
wa Schliemann in Leinemann, VOB/B, 5. Aufl. 2013, § 2 Rz. 205; Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 5. Aufl. 2013, Rz. 841; zurückhaltend dagegen etwa Kapellmann/ Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, Einheitspreisvertrag, 6. Aufl. 2011, Rz. 1512). Praxisrelevant wurde diese Problematik beispielsweise vor dem Hintergrund der in den Jahren 2003/2004 exorbitant angestiegenen Stahlpreise. 21
A3 Störung Leistungsseite: In vorliegendem Zusammenhang relevante Änderungen des Leistungsinhalts betreffen in der Regel außergewöhnliche Mengenentwicklungen oder Verfahrensprobleme (kategorisiert bei Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 284–287). In Nr. 2 des Vereinbarungsmusters hat die außergewöhnliche Mengenentwicklung ihre Ursache in einem beiderseitigen Irrtum bei der vorvertraglichen gemeinsamen Mengenermittlung; ein solcher beiderseitiger Irrtum kann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eine Preisanpassung rechtfertigen.
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A4 Höhe Vergütungsanpassung: Wie hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage, so bedarf es auch auf der Rechtsfolgenebene einer umfassenden Abwägung. Eine etwaige Vergütungsanpassung ist der Höhe nach unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rz. 1198) und unterliegt einer gewissen Schätzungsbandbreite (Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 289). Dass hiermit Unwägbarkeiten einer etwaigen gerichtlichen Entscheidung verbunden sind, liegt auf der Hand.
C. Abgeltungsvereinbarung bei Leistungsmodifikationen I. Einführung 1. Auftraggeberseits angeordnete Leistungsmodifikationen 23
Die vom Auftragnehmer für die vereinbarte Vergütung zu erbringende Leistung wird bei Vertragsschluss festgelegt. Der Inhalt der Leistungsverpflichtung ist im Zweifelsfall durch Auslegung der Gesamtheit der Vertragsbestandteile gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln,1 vgl. auch § 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/B. Der so ermittelte Leistungsinhalt stellt die vom AN geschuldete Leistung, das „Bausoll“2 dar. Dieses Bausoll wird in der Formulierung der VOB/B „durch die vereinbarten Preise abgegolten“, vgl. § 2 Nr. 1 VOB/B. Kommt es im Rahmen der Bauausführung zu einer Abweichung der tatsächlich ausgeführten Leistung von dem Bausoll, mithin einer Bausoll-Bauist-Abweichung, so kann dies Grundlage für eine Vergütungsanpassung sein. Mehrvergütungsansprüche des Auftragnehmers setzen neben dieser Bausoll-Bauist-Abweichung voraus, dass die Abweichung nicht der Verantwortungs- und Risikosphäre des Auftragnehmers zuzuordnen ist.
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Beispiel: In der vertraglichen Leistungsbeschreibung ist die auszuführende Wandstärke mit d = 24 cm festgelegt. Der Auftragnehmer führt ohne Veranlassung durch den Auftraggeber aus Nachlässigkeit die Wand mit d = 28 cm aus. Hier weicht zwar die vertraglich vereinbarte 1 Zur Auslegung des Bauvertrages als „sinnvolles Ganzes“ vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2002 – VII ZR 342/01, BauR 2003, 388; Urt. v. 11.3.1999 – VII ZR 179/98, BauR 1999, 897 (898). Zu weiteren Auslegungskriterien im Zusammenhang mit der Bausoll-Bestimmung eingehend Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 90–123. 2 Zur Terminologie Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, Einheitspreisvertrag, 6. Aufl. 2011, Rz. 100.
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Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 27 Kap. 31
Leistung (Bausoll) von der ausgeführten Leistung (Bauist) ab. Die Abweichung ist aber nicht dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers zuzurechnen, sondern fällt in den Verantwortungs- und Risikobereich des Auftragnehmers zur Erstellung einer vertragsgemäßen und mangelfreien Leistung. Mehrvergütungsansprüche des Auftragnehmers scheiden aus, vielmehr hat der Auftraggeber Mängelansprüche. Die VOB enthält in § 1 Nrn. 3 und 4 VOB/B einseitige Leistungsbestimmungsrechte1 des 25 Auftraggebers, mittels derer eine vom vertraglichen Bausoll abweichende Ausführung angeordnet werden kann. Diese werden durch auf die Ausführung geänderter (§ 1 Nr. 3 VOB/B) oder zusätzlicher Leistungen (§ 1 Nr. 4 VOB/B) gerichtete, empfangsbedürftige Willenserklärungen des Auftraggebers ausgeübt. Korrelat dieser einseitigen Leistungsbestimmungsrechte sind einseitige Ansprüche des Auftragnehmers auf Vergütungsanpassung gemäß § 2 Nrn. 5 und 6 VOB/B. Dass dies auch im Rahmen eines Pauschalvertrages gilt, ist selbstverständlich und wird durch die Verweisung in § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 4 VOB/B klargestellt.
Û
Hinweis: Entgegen einer in der Praxis weit verbreiteten Fehleinschätzung ist der An- 26 spruch des Auftragnehmers auf zusätzliche Vergütung für aufgrund Anordnung des Auftraggebers modifizierte Leistungsinhalte nicht von einer Vergütungsvereinbarung zwischen den Vertragsparteien abhängig. Ordnet der Auftraggeber (oder eine von ihm hierzu bevollmächtigte Person in Vertretung des Auftraggebers) die Ausführung geänderter/zusätzlicher Leistungen an, und führt der Auftragnehmer diese Leistungen aus, so führt dies vielmehr unmittelbar – bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen – zu einem Anspruch des Auftragnehmers auf Vergütungsanpassung. Der – einseitige – Vergütungsanspruch des Auftragnehmers ist somit das Äquivalent für das – ebenfalls einseitige – Anordnungsrecht des Auftraggebers.
Die Abgrenzung geänderter Leistungen im Sinn der § 1 Nr. 3 VOB/B und § 2 Nr. 5 27 VOB/B von zusätzlichen Leistungen im Sinn der § 1 Nr. 4 VOB/B und § 2 Nr. 6 VOB/B ist im Einzelfall schwierig. Die praktische Bedeutung dieser Unterscheidung ist allerdings gering. Sie liegt im Wesentlichen in der lediglich für den Fall zusätzlicher Leistungen geforderten Mehrkostenanzeige, vgl. § 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B. Wenngleich eine verbreitete Auffassung in dieser Mehrkostenanzeige eine Anspruchsvoraussetzung für eine Mehrvergütung sieht,2 hat die Rechtsprechung von dem Ankündigungserfordernis eine ganze Reihe von Ausnahmen entwickelt. So führt eine unterlassene Mehrkostenanzeige nach der Rechtsprechung dann nicht zum Verlust des Vergütungsanspruchs, wenn und soweit die Ankündigung im konkreten Fall für den Schutz des Auftraggebers entbehrlich und daher ohne Funktion war oder ihre Versäumung ausnahmsweise entschuldigt ist. Zwar obliegt dem Auftragnehmer, in diesem Zusammenhang darzulegen und zu beweisen, dass eine rechtzeitige Ankündigung die Lage des Auftraggebers im Ergebnis nicht verbessert hätte. Hierfür muss aber der Auftraggeber zunächst darlegen, dass ihm bei rechtzeitiger Ankündigung preiswertere Alternativen zur Verfügung gestanden hätten.3
1 Zur rechtsdogmatischen Qualifikation Thode, ZfBR 2004, 214 (215); BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 346/01, BauR 2004, 495 (497). 2 BGH, Urt. v. 20.3.1969 – VII ZR 29/67, WuM 1969, 1019; Keldungs in Ingenstau/Korbion, VOB, 19. Aufl. 2015, § 2 Nr. 6 VOB/B Rz. 12 m.w.N.; a.A. etwa Jagenburg in Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 2 Nr. 6 Rz. 67 f. 3 Vgl. zum Ganzen BGH, Urt. v. 8.11.2001 – VII ZR 111/00, BauR 2002, 312 (313); Urt. v. 23.5.1996 – VII ZR 245/94, BauR 1996, 542 (543).
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Kap. 31 Rz. 28
Vergleichsvereinbarungen
2. Leistungsmodifikationen ohne auftraggeberseitige Anordnung 28
Führt der Auftragnehmer geänderte/zusätzliche Leistungen ohne Anordnung des Auftraggebers aus, können sich Vergütungsansprüche aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B, ferner aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB, vgl. § 2 Nr. 8 Abs. 3 VOB/B) und aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) ergeben. An einen Aufwendungsersatz gemäß § 683 BGB werden dabei geringere Anforderungen gestellt als an einen Vergütungsanspruch gemäß § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B (insbesondere schreibt die gesetzliche Bestimmung anders als die Regelung der VOB/B keine unverzügliche Anzeige der Leistungen vor), so dass die letztgenannte Regelung in diesem Zusammenhang kaum praktische Relevanz hat.
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Checkliste: Vergütungsmodifikation bei geänderten/zusätzlichen Leistungen Folgende Fragestellungen sind im Rahmen der Nachtragsprüfung regelmäßig zu bearbeiten: – Existiert eine Bausoll-Bauist-Abweichung, welche der Sphäre des Auftraggebers zuzuordnen ist? – Liegt eine auftraggeberseitige (ausdrückliche/konkludente) Anordnung einer modifizierten Leistung vor? Hatte die auftraggeberseitig handelnde Person (z.B. Architekt/sonstige Bauleitung) Vollmacht zur Erteilung einer derartigen Anordnung? – Bei Fehlen/Unwirksamkeit der Anordnung: Sind die Voraussetzungen der § 2 Nr. 8 Abs. 2/3 VOB/B, § 683 BGB erfüllt? – War eine Mehrkostenanzeige erforderlich? Ist diese vor Ausführung der modifizierten Leistung erfolgt? 3. Die Nachtragsvergütung
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In allen Fällen einer Bausoll-Bauist-Abweichung ist die modifizierte Vergütungshöhe in Fortentwicklung der Auftrags- bzw. Angebotskalkulation des Auftragnehmers zu ermitteln, soweit nicht anderweitige Vereinbarungen im Bauvertrag getroffen wurden.1 Die Nachtragsvergütung ist somit in analoger Fortschreibung der bei Vertragsschluss vom Auftragnehmer kalkulierten Kosten festzustellen.2 Auf die tatsächlich im Zusammenhang mit der Ausführung der geänderten/zusätzlichen Leistung entstandenen Kosten kommt es somit grundsätzlich – vorbehaltlich anderer vertraglicher Vereinbarungen – nicht an. Dies gilt insbesondere auch für die dem Auftragnehmer in diesem Zusammenhang etwa entstandenen Nachunternehmerkosten.
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Ausnahmen von der Bindung an die als Berechnungsgrundlage grundsätzlich heranzuziehenden kalkulierten Kosten werden insbesondere in Fällen des Kalkulationsirrtums, der Änderung von Personal- und Materialkosten und bei Planungsfehlern diskutiert.3 4. Leistungsverweigerungsrecht Auftragnehmer
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Die Frage, ob dem Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht in Bezug auf die Ausführung geänderter/zusätzlicher Leistungen zusteht, solange mit dem Auftraggeber eine Einigung über die hierfür zu bezahlende Vergütung nicht getroffen wurde, wird in Rechtspre1 Die Vertragspraxis stellt – auch und gerade bei Pauschalpreisverträgen – häufig vorrangig auf bei Vertragsschluss vereinbarte Einheitspreislisten ab. 2 BGH, Urt. v. 14.3.2013 – VII ZR 142/12, IBR 2013, 261; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2013 – 22 U 21/13, IBR 2014, 67; OLG Dresden, Urt. v. 15.1.2015 – 9 U 764/14, IBR 2015, 118; vgl. ferner Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 213 ff. 3 Überblick bei Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 214–216.
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M 31.3
Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 33 Kap. 31
chung und Literatur uneinheitlich beantwortet.1 Vor diesem Hintergrund und der höchstrichterlich anerkannten Kooperationspflicht der Parteien eines Bauvertrages2 bedarf die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts wegen nicht erfolgter Einigung über eine Nachtragsvergütung in jedem Fall der sorgfältigen Prüfung im Einzelfall und kann erst in Betracht gezogen werden, wenn der Auftraggeber eine Vergütung endgültig und ernsthaft verweigert.3 Dies bereits im Hinblick auf die hiermit für den Auftragnehmer verbundenen Risiken.
II. Muster M 31.3 Vergleichsvereinbarung zur Abgeltung der Folgen von Leistungsmodifikationen Vergleichsvereinbarung 1. Die Vertragsparteien haben den Bauvertrag vom … zum Neubau eines Bürogebäudes abgeschlossen. Im Zuge der Bauausführung kam es bis zum Abschluss dieser Vereinbarung zu verschiedenen Leistungsmodifikationen gegenüber dem vertraglich geschuldeten Bausoll, deren Folgen im Einzelnen zwischen den Parteien umstritten sind. Die Parteien regeln mit dieser Vereinbarung die bauinhaltlichen, finanziellen und terminlichen Folgen dieser Leistungsmodifikationen.A1 2. Das vom Auftragnehmer zu erbringende Bausoll wird zusätzlich neben den Vertragsbestandteilen des Bauvertrages vom … auch durch die Nachtragsangebote Nrn. … des Auftragnehmers vom … nebst deren Anlagen festgelegt.A2, A3 Soweit diese Nachtragsangebote Abänderungen des Bausolls gegenüber den Vertragsbestandteilen des Bauvertrages vom … enthalten, wird die vom Auftragnehmer geschuldete Leistung durch diese Abänderungen festgelegt. 3. Im Hinblick auf die Regelung in Nr. 2 dieser Vereinbarung wird die Vertragsfrist für die Ausführung des Bauteils … um … Wochen verlängert. Als verbindlicher Fertigstellungstermin (Vertragsfrist) für das Bauteil … wird daher nunmehr der … vereinbart.A4 Die in § … des Bauvertrages vom … für den Fertigstellungstermin für das Bauteil … vereinbarte Vertragsstrafenregelung bezieht sich nunmehr auf den vorstehend neu vereinbarten Fertigstellungstermin.A5 4. Die in § … des Bauvertrages vom … vereinbarte Pauschalvergütung erhöht sich im Hinblick auf die Regelungen in Nr. 2 und 3 dieser Vereinbarung um … Euro, so dass dieser Pauschalpreis nunmehr insgesamt … Euro beträgt.A6 5. Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche finanziellen und terminlichen Folgen der Leistungsmodifikationen gemäß Nr. 2 dieser Vereinbarung abgegolten. Mit dieser Vereinbarung sind darüber hinaus alle finanziellen und terminlichen Folgen aus sonstigen Leistungsmodifikationen abgegolten, welche bis zum Stichtag … für den Auftragnehmer erkennbar waren.A7 6. Diese Vereinbarung dient der gütlichen, endgültigen Beilegung der zwischen den Vertragsparteien aufgetretenen Unstimmigkeiten zu den Folgen der Leistungsmodifikationen und den in Nr. 2 dieser Vereinbarung bezeichneten Nachtragsangeboten im Vergleichsweg. Insbesondere soll hierdurch die Meinungsverschiedenheit darüber ausgeräumt werden, ob die Leistun1 Vgl. zum Streitstand die Übersichten bei Vierneburg, ZfBR 2004, 419; Kuffer, ZfBR 2004, 110; ferner Leinemann, NJW 1998, 3672. 2 BGH, Urt. v. 11.11.1999 – VII ZR 403/98, BauR 2000, 411 (412). 3 BGH, Urt. v. 24.6.2004 – VII ZR 271/01, BauRB 2004, 322 = IBR 2004, 486.
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Kap. 31 Rz. 33a
Vergleichsvereinbarungen
M 31.3
gen gemäß den in Nr. 2 dieser Vergleichsvereinbarung genannten Nachtragsangeboten bereits zum Bausoll des Bauvertrages vom … gehörten.A8 7. Im Übrigen bleiben die Regelungen des Bauvertrages vom … unberührt.
Anmerkungen zu Muster M 31.3 33a
A1 Sachverhalt: Während der Durchführung von Bauvorhaben kommt es regelmäßig zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die (insbesondere finanziellen und terminlichen) Folgen geänderter/zusätzlicher Leistungen. Hieraus resultiert in der Regel eine Kosten- und Terminunsicherheit, die für beide Vertragsparteien von erheblichem Nachteil sein kann. Klare Verhältnisse können hier durch den Abschluss von Vergleichsvereinbarungen während der Bauausführung geschaffen werden, mit welchen die Folgen der Leistungsmodifikationen zeitnah geregelt werden. Das Vereinbarungsmuster beinhaltet eine derartige Regelung streitiger Nachtragsfragen während der Bauausführung, ist selbstverständlich aber auch auf Vereinbarungen übertragbar, welche nach Durchführung des Bauvorhabens im Sinn einer abschließenden Nachtragsvereinbarung getroffen werden.
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A2 Bezeichnung Nachtragssachverhalte: Im Regelfall wird der Auftragnehmer, wenn er die Notwendigkeit geänderter/zusätzlicher Leistungen erkennt, dem Auftraggeber ein auf diese Leistungen bezogenes Nachtragsangebot unterbreiten. Dieses Nachtragsangebot bezeichnet im Idealfall die modifizierte Leistung, ggf. unter Bezugnahme auf dem Nachtragsangebot beizufügende Unterlagen wie Leistungsbeschreibungen, Planzeichnungen etc. Liegen solche Nachtragsangebote vor, bietet es sich an, auf diese in der Vergleichsvereinbarung Bezug zu nehmen. Anderenfalls müssen die Nachtragssachverhalte in sonstiger Weise hinreichend bestimmt bezeichnet werden, etwa unter Bezugnahme auf schriftliche auftraggeberseitige Leistungsanordnungen, Entscheidungsvorlagen etc.
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A3 Festlegung modifiziertes Bausoll: Wesentliches Element der Mustervereinbarung ist zunächst die Einigung der Vertragsparteien über das modifizierte Bausoll. Eine derartige Einigung ist insbesondere dann unerlässlich, wenn, wie häufig, verschiedene Varianten der Ausführung modifizierter Leistungen in Betracht kommen und dementsprechend etwa bereits vom Auftragnehmer angeboten wurden. Um hier keine Unklarheiten über das auszuführende Bausoll entstehen zu lassen, empfiehlt es sich, in die Vereinbarung eine ausdrückliche Regelung über die modifizierten Leistungsinhalte und deren Verhältnis zum vertraglich geschuldeten Bausoll aufzunehmen.
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A4 Terminregelung: Die Ausführung geänderter/zusätzlicher Leistungen kann aufseiten des Auftragnehmers zu einem Zeitmehrbedarf führen. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des § 1 Nrn. 3 und 4 VOB/B gewährt dem Auftraggeber nicht die Befugnis, einseitig die vertraglich vereinbarte Ausführungsfrist abzuändern (vgl. Motzke in Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 5 Nr. 1 Rz. 72; Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 2 VOB/B Rz. 33). Ordnet der Auftraggeber daher geänderte/zusätzliche Leistungen an, die aufseiten des Auftragnehmers einen Zeitmehrbedarf nach sich ziehen, so kann dieser ggf. eine Verlängerung der Ausführungsfristen nach den Regeln des § 6 VOB/B geltend machen. Vor diesem Hintergrund sieht Nr. 3 des Vereinbarungsentwurfs eine Regelung zur Bauzeit im Zusammenhang mit den modifizierten Leistungen vor. Diese Regelung geht davon aus, dass die zugrunde liegende geänderte/zusätzliche Leistung so erheblich in den Terminplan des Auftragnehmers eingreift, dass eine Verlängerung von Ausführungsfristen notwendig wird.
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A5 Erstreckung Vertragsstrafe: Werden vertragsstrafenbewehrte Ausführungsfristen abgeändert und soll sich die für den ursprünglichen Vertragstermin vereinbarte Vertragsstrafe 618
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M 31.3
Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 40 Kap. 31
auch auf den abgeänderten Termin beziehen, so empfiehlt sich stets eine ausdrückliche Regelung zu der Frage, ob sich die ursprüngliche Vertragsstrafenabrede auch auf den neu vereinbarten Termin erstrecken soll. Ohne derartige ausdrückliche Regelung dieser Frage hängt es von den Umständen des Einzelfalls und dem insoweit durch Auslegung zu ermittelnden Parteiwillen ab, ob die ursprüngliche Vertragsstrafenabrede auf die neu vereinbarten Termine erstreckt werden kann (hierzu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rz. 2083). Eine derartige Erstreckungsregelung ist in Nr. 3, letzter Satz des Vereinbarungsmusters enthalten. A6 Mehrkosten Zeitmehrbedarf: Im Zusammenhang mit der Vereinbarung der Nach- 38 tragsvergütung ist zu berücksichtigen, dass eine diesbezügliche Vergütungsvereinbarung nicht nur den Mehraufwand an Personal und Material für die modifizierte Leistung umfassen sollte, sondern auch die Kosten, welche dem Auftragnehmer aus einem etwaigen zeitlichen Mehraufwand im Zusammenhang mit der geänderten/zusätzlichen Leistung entstehen. Die Frage, auf welche Anspruchsgrundlage der Auftragnehmer Mehrkosten für Bauzeitverlängerungen im Zusammenhang mit geänderten oder zusätzlichen Leistungen stützen kann, ist in Rechtsprechung und Kommentarliteratur umstritten (strittig ist insbesondere, ob insoweit § 2 Nr. 5, 6 VOB/B oder § 6 Nr. 6 VOB/B einschlägig ist, hierzu eingehend mit Darstellung des Streitstandes Thode, ZfBR 2004, 214 ff.; vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 14.4.2005 – 21 U 133/04, BauR 2005, 1480 ff.; OLG Köln, Urt. v. 28.11.2011 – 17 U 141/10, BauR 2013, 508; OLG Dresden, Urt. v. 9.1.2013 – 1 U 1554/09, BauR 2015, 1488 ff.). Gerade vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, in Nachtragsvereinbarungen auch Kosten aus zeitbedingtem Mehraufwand abschließend mit aufzunehmen. A7 Abgeltungsumfang: Die Abgeltungsregelung bezieht sich in ihrem ersten Satz zu- 39 nächst auf die Folgen von Leistungsmodifikationen, welche durch die Bezugnahme auf im Einzelnen bezeichnete Nachtragsangebote des Auftragnehmers (hierzu Nr. 2 des Vereinbarungsmusters) abschließend bestimmt sind. Ob der Abgeltungsumfang darüber hinaus auf sämtliche bis zu einem bestimmten Stichtag erkennbare Leistungsmodifikationen erstreckt werden soll, wie dies in Satz 2 der Nr. 5 des Vereinbarungsmusters erfolgt ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls und der Verhandlungspositionen der Vertragsparteien. Eine derartige umfassende Stichtagsregelung birgt für den Auftragnehmer naturgemäß ein hohes Risiko. Der Auftragnehmer wird sich hierauf nur einlassen können, wenn er sämtliche ihm noch nach Vertragsschluss während der Bauzeit erteilten Anweisungen und Anordnungen sowie für die Ausführung relevanten Unterlagen (wie insbesondere beispielsweise nach Vertragsschluss auftraggeberseits übergebene Ausführungspläne) eingehend daraufhin überprüft hat, ob diese Abweichungen vom vertraglich vereinbarten Bausoll enthalten. Indem in Nr. 5 Satz 2 des Vereinbarungsmusters in diesem Zusammenhang auf das Kriterium der Erkennbarkeit abgestellt wird, wird zwar an ein mit Auslegungsunsicherheiten behaftetes Merkmal angeknüpft. Eine weitergehende Abgeltungswirkung, auch in Bezug auf dem Auftragnehmer bis zu einem Stichtag nicht erkennbare Leistungsmodifikationen, dürfte aber unter Würdigung der berechtigten Belange beider Vertragspartner nicht ernstlich in Betracht kommen. A8 Bindungswirkung Vereinbarung: Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Auf- 40 tragnehmer eine Leistung, die bereits nach dem Ursprungsvertrag geschuldet und zu bezahlen ist, in der Regel auch dann nicht ein zweites Mal bezahlt verlangen, wenn die Parteien zu dieser Leistung eine Nachtragsvereinbarung getroffen haben. Hierfür wäre vielmehr erforderlich, dass sich der Auftraggeber in vertragsändernder Weise eindeutig damit einverstanden erklärt, eine zusätzliche Vergütung ohne Rücksicht auf die schon bestehenden Leistungspflichten des Auftragnehmers zu zahlen (BGH, Urt. v. 26.4.2005 – X ZR 166/04, BauR 2005, 1317 [1319]). Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich eine klarstellende Regelung in der Vergleichsvereinbarung. Jung 619
Kap. 31 Rz. 41
Vergleichsvereinbarungen
M 31.4
D. Interimsvereinbarung mit Schiedsgutachtenabrede zu streitigen Nachträgen I. Einführung 41
Eine abschließende Regelung der Folgen von Leistungsmodifikationen wird häufig zeitnah nicht möglich sein. Dies liegt in den komplizierten tatsächlichen und rechtlichen Fragen begründet, welche im Zusammenhang mit geänderten/zusätzlichen Leistungen regelmäßig auftreten. Dies betrifft die Bestimmung und Abgrenzung des vertraglich geschuldeten Bausolls als Frage der Anspruchsberechtigung dem Grunde nach ebenso wie die zutreffende Ermittlung der Nachtragsvergütung der Höhe nach in Fortentwicklung der Vertragskalkulation.
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Lassen sich diese Fragen der Anspruchsberechtigung der Nachtragsforderung dem Grunde und der Höhe nach nicht zeitnah klären, so stellt sich für den Auftragnehmer die strategische Frage, ob er mit der Ausführung der modifizierten Leistung in Vorleistung gehen soll, obwohl zum Zeitpunkt der Leistungsausführung ungeklärt ist, ob und ggf. wie die modifizierte Leistung vergütet werden wird. Die Alternative hierzu, die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts bei fehlender Einigung über Grund und Höhe der Nachtragsforderung, ist mit hohen Risiken behaftet. Der Auftraggeber seinerseits hat naturgemäß ein Interesse an einer möglichst zügigen Ausführung der modifizierten Leistung, ohne dass er sich in Zweifelsfällen unklarer Bausoll- und Vergütungsfragen vorschnell auf eine bestimmte zusätzliche Vergütung endgültig mit dem Auftragnehmer verständigen kann.
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Diese Situation ruft das Bedürfnis nach Interimsvereinbarungen hervor, die einerseits sicherstellen, dass die Bauausführung möglichst ungestört voranschreitet, andererseits die Kosten- und Vergütungsinteressen der Vertragsparteien bis zu einer näheren Entscheidung der streitbefangenen Fragen wahrt.
II. Muster 43
M 31.4 Interimsvereinbarung mit Schiedsgutachtenabrede zu streitigen Nachträgen Interimsvereinbarung 1. Die Vertragsparteien haben den Bauvertrag vom … zum Neubau eines Bürogebäudes abgeschlossen. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber das Nachtragsangebot Nr. … vom … überreicht. Gegenstand des Nachtragsangebotes sind vonseiten des Auftragnehmers geltend gemachte Mehrvergütungsansprüche wegen vom Auftragnehmer behaupteter geänderter/ zusätzlicher Leistungen. Die Leistungen sollen nach dem erklärten Willen des Auftraggebers zur Ausführung gelangen. Zwischen den Vertragsparteien besteht trotz geführter Einigungsverhandlungen – zum einen – Uneinigkeit darüber, ob die gegenständlichen Leistungen vom vertraglich geschuldeten Bausoll umfasst sind, und – zum anderen – falls nein, welche modifizierten Vergütungsfolgen sich aus der Ausführung dieser Leistungen ergeben.A1 2. Der Auftragnehmer wird die in dem Nachtragsangebot Nr. … enthaltene Leistung umgehend ausführen. Der in § … des Bauvertrages vom … vereinbarte Fertigstellungstermin bleibt hiervon unberührt.
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M 31.4
Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 43a Kap. 31
3. Der Auftraggeber wird dem Auftragnehmer im Hinblick auf die Ausführung dieser Leistung eine vorläufige Zahlung in Höhe von … Euro leisten. Die Zahlung ist fällig am … Diese Zahlung erfolgt unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung für den Fall, dass das nachstehend in Nr. 4 dieser Vereinbarung vereinbarte Schiedsgutachten zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass ein zusätzlicher Vergütungsanspruch des Auftragnehmers für die gegenständliche Leistung nicht oder lediglich in einer die vorläufige Zahlung unterschreitenden Höhe besteht. Zur Absicherung eines etwaigen Rückforderungsanspruchs des Auftraggebers wird der Auftragnehmer dem Auftraggeber Zug um Zug gegen Leistung der vorläufigen Zahlung eine unbefristete, unwiderrufliche und selbst schuldnerische Bürgschaft eines in der Europäischen Union zugelassenen Kreditinstitutes in Höhe von … % des vorläufigen Zahlungsbetrages/von … Euro übergeben.A2 4. Die Vertragsparteien werden ein verbindliches Schiedsgutachten gemäß § 317 BGB analog zu folgenden Fragen einholen: a) Ist die im Nachtragsangebot Nr. … des Auftragnehmers vom … bezeichnete Leistung vom vertraglich geschuldeten Bausoll des Bauvertrages vom … umfasst oder handelt es sich insoweit um eine geänderte/zusätzliche Leistung? b) Für den Fall, dass diese Leistung nicht vom vertraglich geschuldeten Bausoll des Bauvertrages vom … umfasst sein sollte: Welcher Preis ist für diese Leistung in Fortschreibung der hinterlegten Auftragskalkulation des Auftragnehmers vom … zu bilden? Die Parteien benennen als Schiedsgutachter: Herrn … (Jurist) Herrn … (Baubetriebswirt), die zu den vorbezeichneten Fragen ein gemeinsames Schiedsgutachten zu erstellen haben. Im Fall der Uneinigkeit der beiden Schiedsgutachter trifft Herr … (Jurist) im Bereich der vorstehenden Frage a), Herr … (Baubetriebswirt) im Bereich der vorstehenden Frage b) die verbindliche Entscheidung.A3 5. Bei Beauftragung der Schiedsgutachter ist sicherzustellen, dass diese vor Erstellung des Schiedsgutachtens die Vertragsparteien anhören und den Vertragsparteien ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Hierzu sind den Vertragsparteien von den Schiedsgutachtern insbesondere Fristen zur schriftlichen Stellungnahme zu einzelnen Fragen zu setzen. 6. Die Vertragsparteien werden sich dem Ergebnis des Schiedsgutachtens unterwerfen. Die Entscheidung der Schiedsgutachter ist somit endgültig und verbindlich. Eine gerichtliche Inhaltskontrolle der Entscheidung im Fall offenbarer Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens (§ 319 Abs. 1 BGB analog) bleibt aber möglich. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass es sich bei der Einholung des Schiedsgutachtens nicht um ein förmliches Schiedsgerichtsverfahren nach den §§ 1025 ff. ZPO handelt.A4 7. Die Kosten des Schiedsgutachtens tragen die Vertragsparteien in dem Verhältnis, wie sie unter Berücksichtigung der in dem Nachtragsangebot Nr. … des Auftragnehmers vom … beinhalteten Anspruchstellung des Auftragnehmers obsiegen oder unterliegen. Die Schiedsrichter treffen mit Erstellung des Schiedsgutachtens eine verbindliche Entscheidung über die Kostentragung, wobei insoweit Einstimmigkeit erforderlich ist.A5
Anmerkungen zu Muster M 31.4 A1 Sachverhalt: Das Vereinbarungsmuster enthält eine Interimsvereinbarung zu einem streitigen Nachtrag mit einer Schiedsgutachtenabrede. Ziel ist, trotz zwischen den Vertragsparteien bestehender Uneinigkeit über die Berechtigung einer vom Auftragnehmer geltend gemachten Nachtragsforderung dem Grunde und der Höhe nach im Auftraggeberinteresse Jung 621
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Kap. 31 Rz. 44
Vergleichsvereinbarungen
M 31.4
eine Blockade der Bauausführung zu vermeiden, sowie im Auftragnehmerinteresse die Liquidität im Hinblick auf die mit der gegenständlichen Leistung verbundenen Aufwendungen (vorläufig) sicherzustellen. 44
A2 Rückforderungsvorbehalt Vergütung: Die Regelungen zum Vorbehalt der Rückforderung der vorläufigen Zahlung sowie zur Absicherung eines etwaigen Rückforderungsanspruchs dienen der Sicherung des Auftraggebers, streichen aber gleichzeitig den vorläufigen Charakter der Zahlung heraus. Hierdurch wird einer wie auch immer gearteten „Anerkenntniswirkung“ dieser Zahlung entgegengewirkt, welche jedenfalls als psychologisches Signal sowohl für die Schiedsgutachter als auch einen etwaigen sich mit der Angelegenheit später befassenden Richter nicht auszuschließen ist (zu dieser „Anerkenntniswirkung“ vgl. Quack, ZfBR 2004, 211 [213]).
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A3 Schiedsgutachter: Die Frage zur Bestimmung des Bausolls gem. Nr. 4 a) des Mustertextes ist eine im Weg der Vertragsauslegung zu entscheidende Rechtsfrage. Demgegenüber berührt die Frage der Höhe der Nachtragsvergütung gem. Nr. 4 b) des Mustertextes regelmäßig auch baubetriebliche Fragen. Es empfiehlt sich daher zumindest bei komplexeren Sachverhalten die Vereinbarung sowohl eines Juristen als auch eines Baubetriebswirts als Schiedsgutachter (vgl. hierzu auch Kraus, ZfBR 2004, 118 [122 f.]). Sofern zwei oder mehrere Schiedsgutachter bestellt werden sollen, müssen Regelungen für den Fall von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Schiedsgutachtern getroffen werden, wie dies im Vereinbarungsmuster in Nr. 4 letzter Satz beispielhaft niedergelegt ist. Selbstverständlich sind die Vertragsparteien diesbezüglich in der Gestaltung der Regelungen zur verbindlichen Entscheidungsfindung frei, wie sich dies bereits aus der dispositiven Bestimmung des § 317 Abs. 2 BGB ergibt. Zum Schiedsgutachtenvertrag im Einzelnen vgl. Kap. 22.
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A4 Verbindlichkeit; Rechtsweg: Die Regelung dient der Abgrenzung der vorliegenden Schiedsgutachtenabrede von einem Schiedsvertrag als Vereinbarung eines Schiedsgerichts im Sinn der §§ 1025 ff. ZPO. Da diesbezüglich in der Praxis häufig Abgrenzungsprobleme auftreten (hierzu Kraus, ZfBR 2004, 118 f.), empfiehlt sich hier eine klarstellende Regelung.
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A5 Kosten: Die Regelung zur anteiligen Kostentragung hat den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer Ergebnisoffenheit Vorbehalte der Vertragsparteien im Hinblick auf die mit der Einschaltung eines Schiedsgutachters verbundenen Kosten vermeiden kann. An dieser Stelle bietet sich darüber hinaus auch eine Regelung zu etwaigen Anwaltskosten an.
E. Vereinbarung zur Abgeltung von Behinderungsfolgen I. Einführung 1. Fälligkeit und Verzug hinsichtlich der Bauleistung 48
§ 271 Abs. 1 BGB enthält die – allerdings gegenüber vertraglichen Regelungen und den Umständen des Einzelfalls nachrangige – gesetzliche Fälligkeitsregelung, wonach im Grundsatz der Auftraggeber die Bauleistung sofort verlangen kann. Die Rechtsprechung des BGH folgert aus dieser Regelung, dass der Auftragnehmer im Zweifel nach Vertragsschluss mit der Herstellung alsbald zu beginnen und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen habe, wobei die für die Herstellung notwendige Zeit in Rechnung zu stellen sei.1 Die von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang angeführten Kriterien der „angemessenen Zeit“ bzw. der „für die Herstellung notwendigen Zeit“ sind begrifflich unscharf 1 BGH, Urt. v. 21.10.2003 – X ZR 218/01, BauR 2004, 331 (332); Urt. v. 8.3.2001 – VII ZR 70/99 BauR 2001, 946.
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zu fassen. Der Umgang mit diesen Kriterien ist daher mit erheblicher Rechtsunsicherheit behaftet. Diese Unsicherheit belastet insbesondere den Auftragnehmer, der im Streitfall Umstände darlegen und beweisen muss, die zu einer Abweichung von der gesetzlichen Regelung des § 271 Abs. 1 BGB der sofortigen Fälligkeit führen und aus denen sich ergibt, wann im konkreten Fall die angemessene Fertigstellungsfrist tatsächlich abgelaufen ist und deshalb Fälligkeit eingetreten ist.1 Im VOB-Vertrag wird die gesetzliche Leistungszeitbestimmung durch die Regelung des 49 § 5 VOB/B überlagert. § 5 Nr. 1 VOB/B geht dabei von durch die Vertragsparteien vereinbarten Ausführungsfristen aus. Allerdings unterscheidet § 5 Nr. 1 VOB/B zwischen verbindlichen Fristen, die als „Vertragsfristen“ bezeichnet werden, und sonstigen (unverbindlichen) Fristen. Ob eine von den Parteien vereinbarte Frist als Vertragsfrist in diesem Sinn anzusehen ist, ist durch Auslegung des Parteiwillens zu ermitteln. Die Verbindlichkeit kann entweder ausdrücklich geregelt werden oder aber sich – wie regelmäßig in Bezug auf den Baubeginnstermin als auch den Fertigstellungstermin – aus den Umständen ergeben. Vereinbart werden können verbindliche Vertragsfristen sowohl bei Vertragsschluss als auch noch während der Phase der Bauausführung.2 In diesem Zusammenhang wird häufig die in § 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B enthaltene Regelung übersehen, wonach die in einem Bauzeitenplan enthaltenen Einzelfristen nur dann verbindlich sind, wenn dies im Bauvertrag ausdrücklich vereinbart ist. Ohne derartige Vereinbarung stellt daher der Bauzeitenplan lediglich ein Bestandsteil der internen Ablaufplanung, nicht aber eine Fälligkeitsregelung dar. Hinsichtlich der Verzugsvoraussetzungen in Bezug auf die Bauleistung gilt auch im Rahmen eines VOB/B-Vertrages die Regelung des § 286 BGB uneingeschränkt.
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Hinweis: Kommt es während der Bauausführung zum Streit darüber, ob der Auftrag- 51 nehmer die Bauleistung im Hinblick auf einen vereinbarten Fertigstellungstermin ausreichend zügig erbringt und wurden keine verbindlichen Zwischenfristen vereinbart, so kann der Auftraggeber die Fälligkeit von Zwischenleistungen durch die Geltendmachung des Abhilfeanspruchs gem. § 5 Nr. 3 VOB/B herbeiführen. Wenn Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste Stoffe oder Bauteile so unzureichend sind, dass die Ausführungsfristen offenbar nicht eingehalten werden können, muss der Auftragnehmer auf Verlangen des Auftraggebers gemäß dieser Regelung unverzüglich Abhilfe schaffen. Verlangt der Auftraggeber in diesem Sinn Abhilfe, leistet der Auftragnehmer dem aber nicht Folge, so ist die entsprechende Bauleistung nach Ablauf der gesetzten Abhilfefrist jetzt fällig.3 Danach kann der Auftraggeber durch Mahnung Verzug des Auftragnehmers herbeiführen.
2. Bauablaufstörungen und ihre Folgen Während der Bauausführung sind unterschiedlichste Störungstatbestände in zeitlicher 52 Hinsicht in Bezug auf den vom Auftragnehmer geplanten Arbeitsablauf denkbar. Nicht jede dieser Zeitstörungen muss notwendigerweise die vom Auftragnehmer angestrebte Produktivität in der Ausführung negativ beeinflussen. Beispiel: 53 Wird das Gewerk Innenausbau im Rahmen eines mehrgeschossigen Bauvorhabens lediglich in einem Teilbereich eines einzelnen Geschosses dadurch gestört, dass in diesen Bereich die Rohbauarbeiten nicht innerhalb des ursprünglich vorgesehenen Zeitrahmens fertig gestellt 1 BGH, Urt. v. 21.10.2003 – X ZR 218/01, BauR 2004, 331 (333). 2 Vgl. hierzu Langen in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 5 VOB/B, Rz. 11 f. 3 Vgl. hierzu Kapellmann/Langen, Einführung in die VOB/B, 24. Aufl. 2015, Rz. 67.
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werden können, und kann der Auftragnehmer des Gewerks Innenausbau ohne zusätzlichen Aufwand an Zeit und Kosten seinen Ablaufplan derart umstellen, dass zunächst andere Bereiche mit dem Innenausbau versehen werden, so hat die Störung letztlich keine negativen Folgen für die vom Unternehmer kalkulierten Produktivitätskennzahlen. 54
Eine Behinderung des Auftragnehmers aufgrund zeitbezogener Störungen liegt somit erst dann vor, wenn diese Störungen sich auch negativ auf die vom Auftragnehmer auf der Grundlage des Bauvertrages zu Recht disponierte Abwicklungsgeschwindigkeit auswirken, den Arbeitsfluss hemmen oder unterbrechen und ein kontinuierliches Arbeiten ausschließen oder die damit angestrebte Produktivität herabsetzen.1 Derartige Behinderungen sind in § 6 VOB/B angesprochen. Wesentliche Folgen derartiger Behinderungen können zum einen eine Verlängerung der Ausführungsfrist (§ 6 Nr. 2 VOB/B), zum anderen Schadensersatzansprüche (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 6 Nr. 6 VOB/B) oder Entschädigungsansprüche (§ 642 BGB) sein. a) Fristverlängerung als Behinderungsfolge
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Erste wesentliche Rechtsfolge von Behinderungen ist eine mögliche Verlängerung der Ausführungsfristen gem. § 6 Nr. 2 VOB/B. Die wichtigste Fallgruppe bilden hierbei die durch einen Umstand aus dem Risikobereich des Auftraggebers verursachten Behinderungen im Sinn des § 6 Nr. 2 Abs. 1a) VOB/B. Angesprochen sind hierbei die verschiedentlichsten auftraggeberseitigen Vertragspflichten.
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Beispiele: – Herbeiführung erforderlicher öffentlich-rechtlicher Genehmigungen und Erlaubnisse gem. § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/B – Rechtzeitige Übergabe einwandfreier Ausführungsunterlagen, insbesondere Pläne gem. § 3 Nr. 1 VOB/B – Koordination und Regelung des Zusammenwirkens verschiedener Unternehmer gem. § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/B – Rechtzeitige Mitwirkung bei im Zuge des Bauablaufs erforderlich werdenden Entscheidungen wie beispielsweise Bemusterungen etc.
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Eine Verlängerung der Ausführungsfrist setzt eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige gem. § 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B voraus. Die Behinderungsanzeige muss alle Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit die Gründe der Behinderung ergeben. Erforderlich sind Angaben hierzu, ob und wann der Auftragnehmer seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können. Unter welchen Voraussetzungen eine Behinderungsanzeige gem. § 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B wegen Offenkundigkeit unterbleiben kann, ergibt sich aus dem Schutzzweck der Anzeige zugunsten des Auftraggebers. Eine Entbehrlichkeit der Behinderungsanzeige kommt hiernach nur dann in Betracht, wenn die berechtigten Informations-, Warn- und Schutzinteressen des Auftraggebers im Einzelfall keine Anzeige erfordern.2
1 So etwa Motzke in Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, Vor § 6 Rz. 65; vgl. auch Kapellmann in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 6 VOB/B Rz. 1 f. 2 Vgl. zum Ganzen BGH, Urt. v. 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32 (35 f.).
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b) Schadensersatz-/Entschädigungsansprüche Die zweite wesentliche Folge einer Behinderung können Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber sein.
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Der Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass eine Behinderung tatsächlich vorlag, sie dem Auftraggeber unverzüglich angezeigt worden ist bzw. offenkundig war, ferner, dass der Störungstatbestand adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht worden ist, die auf der Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen, und der Auftraggeber die Verletzung dieser Vertragspflicht auch zu vertreten hat.1
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Eine fehlende/verspätete Vorunternehmerleistung, auf welche ein Nachfolgegewerk des 60 Auftragnehmers aufbaut, stellt einen hindernden Umstand aus der Risikosphäre des Auftraggebers dar, der gem. § 6 Nr. 2 Abs. 1a) VOB/B zu einer Verlängerung von Ausführungsfristen führen kann. Sofern durch diesen Umstand zeitliche Verzögerungen bei Folgegewerken verursacht werden, scheitert eine Schadensersatzhaftung des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer des betroffenen Folgegewerks daran, dass der Vorunternehmer im Vertragsverhältnis des Auftraggebers zum Nachfolgeunternehmer regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe im Sinn des § 278 BGB ist. Der Auftraggeber kann dem Nachunternehmer aber aus § 642 BGB auf Entschädigung haften, wenn er durch das Unterlassen einer bei der Herstellung des Werkes erforderlichen Mitwirkungshandlung in Annahmeverzug gerät. Die dem Auftraggeber in diesen Fällen obliegende (und im Fall des Unterlassens den Annahmeverzug begründende) Mitwirkungshandlung liegt darin, dass der Auftraggeber das Baugrundstück als für die Leistung des Auftragnehmers aufnahmebereit und damit mit bereits ausgeführten erforderlichen Vorarbeiten anderer Unternehmer zur Verfügung stellt. Ein für die Begründung des Annahmeverzuges erforderliches ordnungsgemäßes Angebot der Bauleistung durch den Auftragnehmer liegt bei einem VOB/B-Vertrag aber nur dann vor, wenn der Auftragnehmer eine Behinderungsanzeige gem. § 6 Nr. 1 VOB/B abgegeben hat.2
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Hinweis: Die Behinderungsanzeige ist hiernach regelmäßig nicht nur Voraussetzung für die behinderungsbedingte Verlängerung von Ausführungsfristen, sondern auch für behinderungsbedingte Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche. Eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige ist, sofern diese nicht wegen Offenkundigkeit ausnahmsweise entbehrlich ist, für die Wahrung der Rechte des Auftragnehmers somit von entscheidender Bedeutung.
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Checkliste: 62 Wesentliche Anspruchselemente behinderungsbedingter Schadensersatzansprüche sind demnach: – Vertragspflichtverletzung durch den Auftraggeber – Adäquat-kausale Verursachung einer Behinderung infolge der Vertragspflichtverletzung – Ursachenzusammenhang Schaden – Behinderung – Behinderungsanzeige bzw. Entbehrlichkeit im Fall der Offenkundigkeit 3. Strategische Überlegungen Behinderungssachverhalte bringen in der Regel während der Projektrealisierung ein ho- 63 hes Maß an Dispositions- und Rechtsunsicherheit für die Vertragsparteien mit sich. Im 1 BGH, Urt. v. 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32 (35); Urt. v. 16.10.1997 – VII ZR 64/96, BauR 1997, 1021. 2 BGH, Urt. v. 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32 (39).
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Streitfall wird häufig erst lange Zeit nach Abschluss der Baumaßnahme durch Dritte entschieden, ob infolge eines Störungstatbestandes Ausführungsfristen verlängert wurden oder ob der Auftragnehmer mit der Ausführung nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Ausführungsfristen mit der Bauleistung in Verzug war. Diese Unsicherheit ist insbesondere bei der Realisierung großer, komplexer Bauvorhaben sowohl für die Vertragsparteien als auch sonstige Projektbeteiligte, etwaige Nutzer, Investoren oder finanzierende Banken von erheblichem Nachteil. 64
Hinzu kommt, dass der Ausgang nachträglicher streitiger Auseinandersetzungen zu terminlichen oder finanziellen Konsequenzen von Behinderungen in der Regel nur sehr schwer vorherzusagen ist. Dies liegt insbesondere auch in den hohen Nachweisanforderungen begründet, die dem Auftragnehmer gemäß der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Geltendmachung von behinderungsbedingten Ansprüchen obliegen. Behinderungen müssen hiernach möglichst konkret dargelegt werden. Wenn wie im Beispiel des nachfolgenden Mustertextes eine verzögerte Planlieferung inmitten steht, genügt alleine die Darlegung dieses Umstandes zur Geltendmachung behinderungsbedingter Ansprüche noch nicht. Vielmehr muss in der Regel die jeweilige Behinderung konkret bauablaufbezogen dargestellt werden.1 Diesen Darlegungsanforderungen wird der Auftragnehmer nur dann nachkommen können, wenn er baubegleitend aussagekräftige Dokumentationen erstellt, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und Umfang ergeben. In aller Regel wird es schwer fallen, derartige Dokumentationen nachträglich zu erstellen. Unter anderem im Hinblick auf diese Darlegungsanforderungen, aber auch im Hinblick auf den Umstand, dass über Behinderungsfolgen gerichtlich häufig nur unter Hinzuziehung baubetrieblicher Sachverständiger entschieden werden kann, sind entsprechende Prozesse regelmäßig zeit- und kostenaufwändig.
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Aufgrund dieser Unsicherheiten und Schwierigkeiten liegt eine zeitnahe einvernehmliche Vereinbarung zu den Folgen aufgetretener Behinderungssachverhalte im regelmäßigen dringlichen Interesse beider Vertragsparteien. Nur auf diesem Weg kann schnellstmöglich Planungssicherheit für den Projektfortschritt geschaffen werden und wird vermieden, dass die terminlichen Koordinaten des Projektes im Lauf des Projektfortschritts zunehmend aufgelöst werden.
II. Muster 66
M 31.5 Vereinbarung zu Behinderungsfolgen bei verspäteten, auftraggeberseitigen Planlieferungen Vereinbarung zu Behinderungsfolgen 1. Gemäß § … des Bauvertrages vom … hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer nach Abschluss des Bauvertrages Ausführungspläne zu liefern.A1 Art und Liefertermin der jeweiligen Pläne ergeben sich im Einzelnen aus dem Planlieferterminplan, Anlage … zum Bauvertrag vom … . Die hiernach verbindlichen Planliefertermine wurden in der Vergangenheit mehrfach überschritten. Zwischen den Vertragsparteien besteht Uneinigkeit darüber, ob und in welchem Umfang der Auftragnehmer aufgrund der verspäteten Planlieferungen Behinderungsfolgenansprüche geltend machen kann. Insbesondere macht der Auftragnehmer eine behinderungsbedingte Verlängerung des Fertigstellungstermins um … Wochen geltend, die der Auftraggeber nicht akzeptiert. 1 BGH, Urt. v. 21.3.2002 – VII ZR 224/00, NZBau 2002, 381 (382); OLG Hamm, Urt. v. 12.2.2004 – 17 U 56/00, BauR 2004, 1304 (1305).
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2. Die Vertragsparteien vereinbaren die aus der Anlage 1 zu dieser Vereinbarung ersichtlichen Planliefertermine für die noch ausstehende Ausführungsplanung.A2 3. Die Vertragsfristen für die Bauausführung gemäß § … des Bauvertrages vom bleiben trotz der in der Vergangenheit aufgetretenen Planlieferverzüge unberührt und gelten somit fort/ verändern sich wie folgt: …A3 4. Der Auftraggeber bezahlt an den Auftragnehmer im Hinblick auf die in dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen einen einmaligen Betrag von … Euro. Es wird klargestellt, dass dieser Betrag zusätzlich zu der Vergütung gemäß § … des Bauvertrages vom … zu bezahlen ist.A4 Diese Zahlung wird fällig wie folgt: … 5. Mit Abschluss dieser Vereinbarung sind alle etwaigen Ansprüche des Auftragnehmers auf Schadensersatz, Entschädigung oder zusätzliche Vergütung abgegolten, die ihre Ursache in Sachverhalten haben, die dem Auftragnehmer bis zum Stichtag … bekannt waren oder die für den Auftragnehmer erkennbar waren. Der Auftragnehmer kann aus derartigen Sachverhalten auch keine Verlängerung der in § … des Bauvertrages vom … vereinbarten Vertragsfristen geltend machen. Abgegolten sind damit insbesondere sämtliche terminliche und finanzielle Folgen der verzögerten Planlieferungen gemäß Nr. 1 dieser Vereinbarung.A5 6. Mit Abschluss dieser Vereinbarung sind die Behinderungsanzeigen Nrn. … des Auftragnehmers gegenstandslos. 7. Die Bestimmungen des Bauvertrages vom … bleiben im Übrigen unberührt.
Anmerkungen zu Muster M 31.5 A1 Sachverhalt: Das Vereinbarungsmuster legt einen Bauvertrag zugrunde, in dem sich 67 der Auftraggeber verpflichtet hat, dem Auftragnehmer noch nach Abschluss des Bauvertrages (und damit gleichsam „baubegleitend“) sukzessive Ausführungsunterlagen, hier Ausführungspläne, zu liefern. Eine derartige Konstellation ist bei größeren Bauprojekten, die bei Abschluss des Bauvertrages oft noch nicht bis zur ausführungsreifen Planung durchgeplant sind, häufig. Sie birgt für den Auftraggeber nicht nur deshalb Risiken, weil eine erst nach Abschluss des Bauvertrages und damit nach Festlegung des vertraglich vom Auftragnehmer geschuldeten Bausolls erstellte Ausführungsplanung erfahrungsgemäß häufig von dem vertraglich fixierten Bausoll abweicht und damit erhebliches Nachtragspotential für den Auftragnehmer beinhalten kann. Als weiteres Risiko kommt das Terminrisiko hinzu. Sind im Bauvertrag – was aus Sicht des Auftragnehmers stets erfolgen sollte – in einer solchen Konstellation feste Planliefertermine für die baubegleitende Lieferung der Ausführungsplanung verbindlich vereinbart, so kann es bei Nichteinhaltung dieser Planliefertermine sehr schnell zu Behinderungen der auftragnehmerseitigen Abläufe mit ggf. erheblichen terminlichen und finanziellen Konsequenzen kommen. Das Vereinbarungsmuster regelt die terminlichen und finanziellen Folgen derartiger gestörter Abläufe. A2 Regelung künftiger Abläufe: Ist im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung absehbar, dass auch künftige Planliefertermine nicht eingehalten werden können, so empfiehlt es sich, im Zusammenhang mit der Vereinbarung neue Planliefertermine zu vereinbaren, um zu vermeiden, dass die Vertragsparteien hinsichtlich der noch künftigen Planlieferungen erneut auf Behinderungssachverhalte zusteuern.
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A3 Regelung zu Vertragsfristen: Im Fall aufgetretener Behinderungen bedarf es im Inte- 69 resse der Terminsicherheit Vereinbarungen darüber, ob und in welcher Weise sich diese Behinderungen auf die vereinbarten Ausführungsfristen auswirken sollen. Die Fortgeltung der Jung 627
Kap. 31 Rz. 70
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M 31.5
Ausführungsfristen wird der in der Ausführung behinderte Auftragnehmer nur gegen einen entsprechenden finanziellen Ausgleich, etwa für erforderliche Beschleunigungsmaßnahmen, vereinbaren. Als Alternative kommt die Vereinbarung verlängerter Ausführungsfristen in Betracht. 70
A4 Ausgleich Beschleunigungskosten: Sind Behinderungen aufgetreten, so wird der Auftragnehmer Vereinbarungen zur Wiederherstellung der Terminsicherheit häufig nur dann abzuschließen bereit sein, wenn ihm für eine etwaige behinderungsbedingte Umstellung seiner Produktionsabläufe ein finanzieller Ausgleich gewährt wird.
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A5 Erledigung vergangener Störungstatbestände: Vereinbarungen zur Regelung von Behinderungsfolgen machen regelmäßig nur Sinn, wenn sie für die Vergangenheit mögliche Behinderungssachverhalte umfassend einbeziehen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die angestrebte Terminsicherheit nachträglich doch wieder unter Berufung auf Behinderungssachverhalte infrage gestellt wird. Maßgebliches Abgrenzungskriterium für die Reichweite des Abgeltungsumfangs ist die Erkennbarkeit von Sachverhalten für den Auftragnehmer. Zugunsten des Auftraggebers denkbar wäre es alternativ auch, schlechterdings alle Sachverhalte der Vergangenheit in den Abgeltungsumfang einzubeziehen. Dass eine derartige weitreichende Abgeltungswirkung aus Sicht des Auftragnehmers hohe Risiken birgt, liegt auf der Hand. Zugunsten des Auftragnehmers könnte alternativ auch lediglich auf solche Sachverhalte abgestellt werden, für welche der Auftragnehmer in der Vergangenheit eine Behinderungsanzeige übermittelt hat. Die letztgenannte Lösung weicht dann aber den Abgeltungsumfang zulasten des Auftraggebers auf und birgt möglicherweise erhebliches Streitpotential hinsichtlich der Frage, ob für nachträglich vom Auftragnehmer ins Feld geführte behindernde Sachverhalte, die vom Auftragnehmer nicht angezeigt wurden, eine Behinderungsanzeige gem. § 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B im Einzelfalle entbehrlich war. Jedenfalls aber empfiehlt sich, ergänzend zur Abgeltungsregelung klarzustellen, welche vom Auftragnehmer in der Vergangenheit angezeigten Sachverhalte von der Abgeltungswirkung umfasst sind. Diese sollten durch die Bezugnahme auf im Einzelnen zu bezeichnende Behinderungsanzeigen identifiziert werden.
F. Mangelbedingte Einbehaltsregelung vor Abnahme I. Einführung 72
In der Baupraxis ist der Zeitpunkt der Abnahme des vom Auftragnehmer hergestellten Werks durch den Auftraggeber eine bedeutende Zäsur in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Meinungsverschiedenheiten der Vertragsparteien über Mängel der Bauleistungen bedürfen unterschiedlicher Lösungsansätze, je nachdem, ob diese Meinungsverschiedenheiten vor oder nach Abnahme auftreten.
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Während die Vorschriften zur gesetzlichen Mängelhaftung der §§ 634 ff. BGB ihrem Wortlaut nach nicht darauf abstellen, ob Mängel vor oder nach Abnahme der Werkleistung aufgetreten sind, differenziert die VOB/B insoweit zwischen Mängelansprüchen, die dem Auftraggeber vor Abnahme der Bauleistung zustehen (§ 4 Nr. 7 VOB/B) und den erst nach Abnahme eingreifenden Mängelansprüchen (§ 13 VOB/B). Die Nichterwähnung der Abnahme in den §§ 634 ff. BGB bedeutet aber nicht, dass diese Vorschriften uneingeschränkt sowohl vor als auch nach Abnahme anwendbar wären. Vielmehr sind die gesetzlichen Mängelansprüche der §§ 634 ff. BGB im Grundsatz erst ab Abnahme der Bauleistung des Auftragnehmers anwendbar, vorher nur dann, wenn sich der Erfüllungsanspruch auf die kon-
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Rz. 75 Kap. 31
kret ausgeführte Werkleistung beschränkt.1 Vor diesem Zeitpunkt gelten insoweit die Regelungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts. Im VOB/B-Vertrag sind die Mängelansprüche vor Abnahme in § 4 Nr. 7 VOB/B abschlie- 74 ßend geregelt. Besonderes Augenmerk ist insoweit auf die Regelung des § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B i.V.m. § 8 Nr. 3 VOB/B zu richten. Hiernach setzt eine Ersatzvornahme des Auftraggebers vor Abnahme eine vorherige Fristsetzung zur Mangelbeseitigung und Kündigungsandrohung für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs, sodann eine Kündigung gem. § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B voraus. Der BGH hat bislang Kostenvorschuss- bzw. Kostenerstattungsansprüche des Auftraggebers für eine Ersatzvornahme durch den Auftraggeber ohne Erfüllung dieser formalen Voraussetzungen nur dann anerkannt, wenn der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung endgültig verweigert.2 Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B i.V.m. § 8 Nr. 3 VOB/B werden in der Baupraxis auftraggeberseitig häufig nicht beachtet. Dies liegt zum einen wohl an den für die Baupraxis häufig nur umständlich handhabbaren formalen Voraussetzungen des § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B, zum anderen aber auch daran, dass sich die vor einer etwaigen Ersatzvornahme auszusprechende Kündigung gem. § 8 Nr. 3 Satz 2 VOB/B immer nur auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung3 beziehen kann. In der Regel geht es dem Auftraggeber aber lediglich um die Beseitigung der einzelnen Mängel, während er im Übrigen an der Vertragsbeziehung mit dem Auftragnehmer festhalten und insbesondere regelmäßig nicht ganze in sich abgeschlossene Leistungsteile kündigen und an einen anderen Unternehmer vergeben will. Diese Schwierigkeiten führen während der Phase der Bauausführung zu einem gesteigerten 75 Interesse des Auftraggebers an Regelungsmodellen für möglichst unkomplizierte und dennoch die Qualitätsziele des Bauvertrages sichernde Konfliktlösungsmöglichkeiten. Das Interesse des Auftragnehmers an derartigen Konfliktlösungsmodellen liegt bei während der Bauausführung zu Tage tretenden Mängeln insbesondere darin begründet, dass in einem solchen Fall der Auftraggeber regelmäßig von seinem Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der Abschlagszahlungen auf den Werklohn Gebrauch machen wird. Die gesetzliche Regelung des § 641 Abs. 3 BGB, wonach dem Auftraggeber im Fall der Mangelhaftigkeit der Werkleistung ein Leistungsverweigerungsrecht mindestens in Höhe des Dreifachen des Mangelbeseitigungsaufwandes zusteht, ist auch im Rahmen eines VOB/B-Vertrages anwendbar und gilt entsprechend auch vor Abnahme der Bauleistung. Die Geltendmachung dieses Leistungsverweigerungsrechtes durch den Auftraggeber kann insbesondere auch während der Phase der Bauausführung zu erheblichen Liquiditätsproblemen beim Auftragnehmer führen. Der Auftragnehmer wird hier je nach Lage des Einzelfalles nicht unbegrenzt bereit sein, trotz der Geltendmachung dieses Leistungsverweigerungsrechtes weiter mit seiner Bauleistung in Vorleistung zu gehen und entsprechend in dem Umfang des zurückbehaltenen Vergütungsanspruchs das Insolvenzrisiko zu tragen. Der Auftraggeber seinerseits wird nicht bereit sein, auf das Leistungsverweigerungsrecht als Druckmittel zu verzichten, solange Streit über Art und Umfang eines etwaigen Mangels und der insoweit erforderlichen Mangelbeseitigungsarbeiten besteht. Hier entsteht somit häufig eine Blockadesituation, welche im Interesse des Baufortschritts zügig einvernehmlich geregelt werden muss.
1 Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Vor § 633 Rz. 7. 2 BGH, Urt. v. 20.4.2000 – VII ZR 164/99, BauR 2000, 1479 (1481). 3 Hierzu Motzke in Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 8 Nr. 3 Rz. 27.
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Kap. 31 Rz. 76
Vergleichsvereinbarungen
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II. Muster 76
M 31.6 Vorläufige Einbehaltsregelung mit Schiedsgutachten während BaudurchführungA1 Vorläufige Einbehaltsregelung 1. Die Werkleistung des Auftragnehmers weist nach Auffassung des Auftraggebers folgenden Mangel auf: … Da sich die Vertragsparteien nicht darüber einigen können, ob ein Mangel der Werkleistung vorliegt und wie dieser etwaige Mangel zu bewerten ist, werden die Vertragsparteien den Sachverständigen … beauftragen, als Schiedsgutachter für beide Parteien vorbehaltlich einer abweichenden gerichtlichen/schiedsgerichtlichen Entscheidung verbindlich festzustellen, a) ob der vorstehend bezeichnete, vom Auftraggeber geltend gemachte Mangel der Werkleistung vorliegt, b) falls ja, wie hoch der Sachverständige die Mangelbeseitigungskosten veranschlagt. 2. Sofern der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass der Mangel vorliegt, steht dem Auftraggeber hinsichtlich des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des von dem Sachverständigen festgestellten dreifachen Mangelwerts zu.A2 Will der Auftraggeber von diesem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, so zahlt er einen Betrag in Höhe dieses dreifachen Mangelwerts auf ein von dem Auftragnehmer/ Auftraggeber zu errichtendes Sperrkonto ein, über welches beide Vertragsparteien nur gemeinsam verfügen können. Wird der Betrag in Höhe des Mangelwerts nicht innerhalb einer Frist von … Tagen auf das Sperrkonto einbezahlt, so entfällt das Zurückbehaltungsrecht.A3 Weitere Zurückbehaltungsrechte kann der Auftraggeber in Bezug auf den in Nr. 1 dieser Vereinbarung bezeichneten Mangel während der Phase der Bauausführung nicht geltend machen. 3. Der auf das zu errichtende Sperrkonto einbezahlte Betrag ist an den Auftragnehmer auszuzahlen, a) wenn sich die Vertragsparteien darüber einig sind, dass der geltend gemachte Mangel nicht oder nicht mehr vorliegt, oder b) wenn rechtskräftig entschieden ist, dass ein Mangel nicht vorlag, oder soweit rechtskräftig entschieden ist, dass der einbezahlte Betrag den dreifachen Mangelbeseitigungsaufwand übersteigt. 4. Der Auftragnehmer wird die von ihm vorläufig eingestellten Leistungen vom … an weiterführen. Unterlässt der Auftragnehmer dies schuldhaft, so ist er zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von … an den Auftragnehmer verpflichtet. 5. Der Auftragnehmer erhält unbeschadet der vorstehenden Regelungen für bereits erbrachte Leistungen eine weitere Abschlagszahlung in Höhe von … Euro. Diese Abschlagszahlung ist zur Zahlung fällig am … 6. Unbeschadet der vorstehenden Regelungen bleiben die Vertragsparteien berechtigt, Streitigkeiten auch in Bezug auf den von dieser Vereinbarung erfassten Mangel nach Abschluss der Leistungen des Auftragnehmers im Weg eines gerichtlichen/schiedsgerichtlichen/schiedsgutachterlichen Verfahrens zu klären. Das vorstehend in Nr. 1 dieser Vereinbarung geregelte Schiedsgutachten bindet die Vertragsparteien somit nicht über die Phase der Bauausführung hinaus.
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Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 81 Kap. 31
7. Die Kosten des Schiedsgutachtens tragen die Vertragsparteien im Verhältnis des gemäß des Ergebnis des Schiedsgutachtens zu ermittelnden Obsiegens/Unterliegens, wobei Maßstab insoweit der vom Auftraggeber mit Schreiben vom … geltend gemachte einfache Mangelwert ist.A4
Anmerkungen zu Muster M 31.6 A1 Sachverhalt: Das Vereinbarungsmuster enthält eine nur vorläufige Regelung für der 76a häufigen Fall, dass während der Bauausführung Uneinigkeit über die Vertragsgemäßheit einer Leistung und die Höhe des Mangelbeseitigungsaufwandes besteht. Zweck der Vereinbarung ist es, zu verhindern, dass diese Uneinigkeit zu einer Blockade der Bauausführung führt und damit den Fortgang der Bauausführung sicherzustellen. Eine endgültige Streitentscheidung in einem schiedsgerichtlichen/gerichtlichen Verfahren bleibt somit möglich. Die Vorläufigkeit der Regelung wird durch entsprechende Vorbehalte klargestellt. A2 Höhe Zurückbehaltungsrecht: Die Höhe des Zurückbehaltungsrechts mit dem dreifa- 77 chen Mangelwert entspricht der gesetzlichen Wertung in § 641 Abs. 3 BGB. Denkbar ist auch, im Einzelfall eine hiervon abweichende Höhe zu vereinbaren. So kommt insbesondere im Hinblick auf die mit hohen Einbehalten möglicherweise verbundenen Liquiditätsprobleme des Auftragnehmers auch ein reduzierter Einbehalt etwa in Höhe lediglich des einfachen Mangelbeseitigungsaufwandes in Betracht. Dann muss aber auch das Mangelbeseitigungsinteresse des Auftraggebers durch geeignete Regelungen sichergestellt werden, etwa durch ausdrückliche und strafbewehrte Verpflichtungen des Auftragnehmers zur Mangelbeseitigung. A3 Sperrkonto: Die Einzahlung auf ein Sperrkonto dient dem Schutz des Auftragnehmers 78 vor Zahlungsunfähigkeit des Auftraggebers und dürfte im Regelfall die Bereitschaft des Auftragnehmers zur einvernehmlichen Lösung fördern, da der Auftragnehmer in diesem Fall nicht befürchten muss, dass der Auftraggeber Mängel ausschließlich deshalb behauptet, um seine Liquidität zu erhöhen. A4 Kosten: Die Ergebnisoffenheit der Kostenregelung fördert die Bereitschaft der Parteien zur Einschaltung eines Schiedsgutachters.
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G. Vereinbarung zur Nacherfüllung nach Abnahme I. Einführung Mängelansprüche nach Abnahme sind im gesetzlichen Werkvertragsrecht in den §§ 634 ff. 80 BGB, für den VOB/B-Vertrag in § 13 VOB/B geregelt. Obwohl § 13 VOB/B im Rahmen der Neufassung 2002 Anpassungen an die §§ 634 ff. BGB erfahren hat, bleiben doch einige bedeutsame Abweichungen der VOB/B-Regelung im Vergleich zur Gesetzeslage:1 § 13 Nr. 1 VOB/B hat zwar die in § 633 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB enthaltene dreistufige Rangfolge des Sachmangelbegriffs übernommen, enthält jedoch keine Definition des in § 633 Abs. 1 und 3 BGB geregelten Rechtsmangels, so dass die Gesetzesregelung für Rechtsmängel auch bei vereinbarter VOB/B unmittelbar gilt.
80a
Anders als der gesetzliche Mangelbegriff verweist § 13 Nr. 1 Satz 2 VOB/B als Maßstab für die Mangelfreiheit des Werks ausdrücklich auf die „anerkannten Regeln der Technik“.
81
1 Ausführlich Jung, ZGS 2003, 68 ff.
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Kap. 31 Rz. 82
Vergleichsvereinbarungen
M 31.7
Dies hat allerdings lediglich klarstellende Bedeutung, da anerkanntermaßen auch der Auftragnehmer, der seine Leistung nach gesetzlichem Werkvertragsrecht zu erbringen hat, regelmäßig zur Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik verpflichtet ist.1 82
Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche bei Bauwerken beträgt gem. § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B 4 Jahre und bleibt somit hinter der gesetzlichen Frist von 5 Jahren gem. § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB zurück. Allerdings erhält sich der Auftraggeber eines VOB/B-Werkvertrages gem. § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B seinen Mangelbeseitigungsanspruch bereits durch rechtzeitiges schriftliches Beseitigungsverlangen, während der Auftraggeber nach gesetzlichem Werkvertragsrecht vor Ablauf der Verjährungsfrist verjährungshemmende Maßnahmen wie Klage oder selbstständiges Beweissicherungsverfahren einleiten muss.
83
In Bezug auf den Nacherfüllungsanspruch räumt § 635 Abs. 1 BGB dem Unternehmer ein generelles Wahlrecht zwischen Mangelbeseitigung und Neuherstellung ein, während der Auftragnehmer nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 VOB/B auf die Mangelbeseitigung beschränkt ist.
84
Eine Angleichung der gesetzlichen Regelung an die VOB/B-Regelung fand demgegenüber in Bezug auf den Selbstvornahmeanspruch statt; dieser ist nunmehr auch gem. § 637 Abs. 1 BGB – wie gem. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B – nicht mehr an einen Verzug des Auftragnehmers mit der Mangelbeseitigung geknüpft.
85
Die Minderungsmöglichkeit des Auftraggebers ist in § 13 Nr. 6 VOB/B gegenüber der gesetzlichen Regelung in § 638 BGB eingeschränkt. Reicht nach der gesetzlichen Regelung für eine Minderung bereits eine erfolglos gesetzte Nachfrist zur Nacherfüllung, sieht § 13 Nr. 6 VOB/B eine Minderung nur vor, wenn die Mangelbeseitigung unzumutbar für den Auftraggeber, unmöglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand für den Auftragnehmer verbunden ist.
86
Im Bereich der Schadensersatzhaftung enthält § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B zugunsten des Auftragnehmers gewichtige Einschränkungen gegenüber der gesetzlichen Haftungsregelung. Insbesondere kommt auch der sog. „kleine“ Schadensersatz, der Schäden an der baulichen Anlage selbst abdeckt, gem. § 13 Nr. 7 Abs. 3 Satz 1 VOB/B nur bei wesentlichen, die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden Mängeln in Betracht.
87
Primäres Vertragsziel im Bereich der Qualitäten bleibt auch im Fall einer mangelhaften Leistung regelmäßig die Herstellung eines vertragsgerechten Gewerkes. Dementsprechend steht im Fall der Mangelhaftigkeit der Werkleistung regelmäßig zunächst der Nacherfüllungsanspruch des Auftraggebers gem. § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B bzw. § 634 Nr. 1 i.V.m. § 635 BGB im Raum.
II. Muster 88
M 31.7 Vereinbarung zur NacherfüllungA1 Vereinbarung zur Nacherfüllung 1. Die Vertragsparteien haben zu der Frage, ob die vom Auftragnehmer auf der Grundlage des Bauvertrages vom … erbrachte Werkleistung vertragsgerecht ist, ein Sachverständigengut-
1 BGH, Urt. v. 9.7.1981 – VII ZR 40/80, BauR 1981, 577 (579); Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rz. 1454.
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2.
3.
4.
5.
Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 90 Kap. 31
achten des … eingeholt. Der Sachverständige stellt in seinem Gutachten vom … folgende Mängel der Werkleistung des Auftragnehmers fest: a) … b) … c) … Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die vorbezeichneten Mängel bis spätestens … zu beseitigen. Nach Ablauf dieser Frist werden die Vertragsparteien den vorstehend bezeichneten Sachverständigen … als Schiedsgutachter mit der Beantwortung der Frage beauftragen, ob die in Nr. 1. a)–c) dieser Vereinbarung bezeichneten Mängel ordnungsgemäß beseitigt wurden.A2 Der Auftraggeber verpflichtet sich, die Leistung des Auftragnehmers nach Bestätigung der ordnungsgemäßen Mangelbeseitigung durch den Schiedsgutachter unverzüglich abzunehmen. Der Auftraggeber zahlt dem Auftragnehmer einen Zuschuss zu den Mangelbeseitigungskosten in Höhe von … Euro. Diese Zahlung wird bereits vor Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten fällig am …A3 Für den Fall, dass der Schiedsgutachter die ordnungsgemäße Beseitigung der vorstehend in Nr. 1 a)–c) dieser Vereinbarung bezeichneten Mängel bestätigt, verpflichtet sich der Auftraggeber, dem Auftragnehmer einen Betrag von … Euro zu bezahlen.A4 Die Zahlung wird … Tage nach Vorliegen der schriftlichen Bestätigung des Schiedsgutachters über die Mangelfreiheit zur Zahlung fällig. Mit dieser Zahlung werden sämtliche gegenseitige Ansprüche aus dem Bauvertrag vom … abgegolten sein. Unberührt hiervon bleibt der Sicherheitseinbehalt des Auftraggebers in Höhe von … Euro gem. § … des Bauvertrages vom … .
Anmerkungen zu Muster M 31.7 A1 Sachverhalt: Der Mustertext geht von der Situation aus, dass die Vertragsparteien die Frage der Mangelhaftigkeit der Werkleistung bereits durch ein Sachverständigengutachten geklärt haben. Nunmehr geht es um die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Beseitigung der Mängel und Regelungen zu auftraggeberseitigen Mängeleinbehalten.
88a
A2 Art und Weise der Mangelbeseitigung: Auftraggeberseits besteht grundsätzlich kein Anspruch darauf, dass der Auftragnehmer einen Mangel in einer bestimmten Art und Weise nachbessert. Der Auftragnehmer schuldet lediglich eine vertragsgemäße Werkleistung und kann somit selbst bestimmen, auf welche Art und Weise er einen Mangel beseitigen will (hierzu Schliemann, Mängelansprüche im Bauvertrag, 2003, Rz. 258; Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 635 Rz. 4). Es empfiehlt sich daher regelmäßig nicht, Vereinbarungen mit dem Auftragnehmer über die Art und Weise der Mangelbeseitigung zu treffen. Das Einverständnis des Auftraggebers mit einer bestimmten Art der Nachbesserung umfasst in der Regel ohnehin nicht einen Verzicht auf bestehende Gewährleistungsansprüche (BGH, Urt. v. 6.12.2001 – VII ZR 19/00, BauR 2002, 472 [473]).
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A3 Mangelbeseitigungskosten: Im Regelfall hat der Auftragnehmer die Kosten der Man- 90 gelbeseitigung selbst zu tragen, vgl. § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 VOB/B. Dennoch kann der Auftraggeber in bestimmten Fallkonstellationen verpflichtet sein, einen Zuschuss zu den Mangelbeseitigungskosten zu leisten. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Auftraggeber bzw. seine Erfüllungsgehilfen (etwa der Architekt durch die Erstellung einer fehlerhaften Baubeschreibung) Mängel mit verursacht haben (BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 50/82, BauR 1984, 395 [397]; Nicklisch/Weick, VOB Teil B, 4. Aufl. 2016, § 13 Rz. 297). In diesen Fällen kann der Auftragnehmer die Mangelbeseitigungsleistung davon abhängig Jung 633
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Vergleichsvereinbarungen
M 31.7
machen, dass der Auftraggeber für den auf ihn entfallenden Teil der Nachbesserungskosten Sicherheit leistet, wohingegen Vorauszahlung oder Zahlungszusage nicht verlangt werden kann (BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 50/82, BGHZ 90, 344 [350 f.]; Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 635 Rz. 7). Im Mustertext verpflichtet sich der Auftraggeber, die Vorauszahlung vor Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten zu leisten. Dies dürfte im Hinblick auf das Liquiditätsinteresse des Auftragnehmers und die Mitverursachung des Mangels durch den Auftraggeber häufig interessengerecht sein. 91
A4 Auszahlung Mangeleinbehalt: Der Mustertext regelt für den Fall ordnungsgemäßer Mangelbeseitigung die Auszahlung des Mangeleinbehaltes und ferner eine hiermit verbundene gegenseitige Abgeltung aller Ansprüche aus dem Bauvertrag.
H. Vereinbarung zum Vorschussanspruch des Auftraggebers bei Selbstvornahme I. Einführung 92
Die nächste Stufe auf dem Weg des Auftraggebers zu einer mängelfreien Werkleistung ist, sofern die Nachbesserung durch den Auftragnehmer nicht zum Erfolg geführt hat, häufig das Ersatz-/Selbstvornahmerecht des Auftraggebers gem. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B bzw. § 634 Nr. 2 i.V.m. § 637 BGB. Voraussetzungen sind grundsätzlich ein durchsetzbarer Nachbesserungsanspruch, eine Mängelbeseitigungsaufforderung innerhalb einer zu setzenden angemessenen Frist sowie der erfolglose Ablauf dieser Frist.1 Dem Auftraggeber steht unter diesen Voraussetzungen das Ersatzvornahmerecht grundsätzlich neben dem fortbestehenden Anspruch auf Mängelbeseitigung zu. In § 637 Abs. 3 BGB ist nunmehr der in der Rechtsprechung seit langem anerkannte Vorschussanspruch des Auftraggebers gegenüber dem Unternehmer in Bezug auf die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen geregelt. Dieser Vorschussanspruch steht dem Auftraggeber auch im Rahmen eines VOB/ B-Vertrages zu.
II. Muster 93
M 31.8 Vereinbarung zum Vorschussanspruch des AuftraggebersA1 Vereinbarung zum Vorschussanspruch 1. Die Vertragsparteien sind sich einig darüber, dass die von dem Auftragnehmer erbrachte Bauleistung folgende Mängel aufweist: a) … b) … c) … Die Vertragsparteien sind sich weiterhin darüber einig, dass dem Auftragnehmer kein Nachbesserungsrecht mehr in Bezug auf die vorbezeichneten Mängel zusteht, nachdem die hierfür vom Auftraggeber gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung erfolglos abgelaufen ist.A2
1 Zu den Voraussetzungen im Einzelnen Weyer in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 13 VOB/B Rz. 242–249.
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Rz. 96 Kap. 31
2. Der Auftraggeber wird die vorstehend in Nr. 1 a)–c) dieser Vereinbarung angeführten Mängel durch Beauftragung eines Drittunternehmens beseitigen lassen. Mit der Mangelbeseitigung wird der Auftraggeber die Fa. … beauftragen. Gemäß Auskunft der Fa. … kann diese die Arbeiten zur Beseitigung der gegenständlichen Mängel bis spätestens … abschließen. 3. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, an den Auftraggeber einen Vorschuss in Höhe der voraussichtlichen Kosten für die Mangelbeseitigungsarbeiten gemäß Kostenvoranschlag der Fa. … in Höhe von … Euro zu bezahlen.A3 Die Zahlung wird wie folgt fällig: … Wird erkennbar, dass dieser Vorschuss zur Beseitigung der vorstehend bezeichneten Mängel nicht ausreichend ist, kann der Auftraggeber von dem Auftragnehmer einen weiteren Vorschuss verlangen. Dieser weitere Vorschuss wird fällig 10 Tage nach Mitteilung eines entsprechenden, den ursprünglichen Vorschussbetrag übersteigenden Kostenvoranschlages bzw. einer entsprechenden Abschlagsrechnung der Fa. … durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer. 4. Nach Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten wird der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Abrechnung über den erhaltenen Kostenvorschuss erteilen und Auskunft über dessen Verwendung geben. Auf Wunsch wird der Auftraggeber dem Auftragnehmer alle zur Prüfung der Abrechnung erforderlichen Belege und Auskünfte erteilen.A4 Sollte der vom Auftragnehmer an den Auftraggeber gezahlte Vorschuss die erforderlichen und aufgewendeten Nachbesserungskosten gemäß der Abrechnung übersteigen, wird der Auftraggeber dem Auftragnehmer die nicht verbrauchten Teile des Vorschusses unverzüglich zurückzahlen. Ebenso verpflichtet sich der Auftraggeber zur Rückzahlung des Vorschusses, wenn der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht bis … durchführen lässt.A5
Anmerkungen zu Muster M 31.8 A1 Sachverhalt: In der vorliegenden Sachverhaltskonstellation sind sich die Vertragsparteien darüber einig, dass die Werkleistung Mängel aufweist und dem Auftragnehmer diesbezüglich kein Nacherfüllungsrecht mehr zusteht. Geregelt wird der Vorschuss zur Selbstvornahme durch den Auftraggeber.
93a
A2 Nacherfüllungsrecht Auftragnehmer: Häufig besteht Streit darüber, ob das Nacher- 94 füllungsrecht des Auftragnehmers im Einzelfall noch fortbesteht oder nicht. Auch ist nicht unumstritten, ob die Nachbesserungsbefugnisse des Auftragnehmers mit Ablauf einer zur Mangelbeseitigung gesetzten Frist erlöschen oder unbeschadet dessen fortbestehen (zum Streitstand Weyer in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 13 VOB/B Rz. 251). Bereits deshalb empfiehlt sich eine klarstellende Regelung. A3 Vorschusshöhe: Die Höhe des Vorschusses richtet sich nach den zu erwartenden Auf- 95 wendungen zur Mängelbeseitigung. Maßgeblich sind insoweit die „erforderlichen“ Aufwendungen, vgl. § 637 Abs. 3 BGB. Nachdem es sich naturgemäß lediglich um der Höhe nach voraussichtliche Aufwendungen handelt, dürfen an die Darlegungsanforderungen insoweit aber keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Ein sachdienlicher Anhaltspunkt kann ein Kostenangebot sein, welches von dem mit den Mangelbeseitigungsarbeiten möglicherweise zu beauftragenden Drittunternehmen eingeholt wird. Aus der Rechtsnatur des Vorschusses als vorläufige Zahlung folgt auch, dass der Auftraggeber, sofern erkennbar wird, dass der bisherige Vorschuss die Aufwendungen zur Mangelbeseitigung nicht abdecken wird, einen ergänzenden Vorschuss vom Auftragnehmer verlangen kann. A4 Abrechnung Vorschuss: Ebenfalls aus der Rechtsnatur des Vorschusses als vorläufige 96 Zahlung folgt die Abrechnungsverpflichtung des Auftraggebers und die Verpflichtung zur Rückzahlung des nicht verbrauchten Vorschussbetrages. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass für den Nachweis der entstandenen Mängelbeseitigungskosten im Rahmen der Abrechnung Jung 635
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Vergleichsvereinbarungen
M 31.8
des Vorschussanspruches keine geringeren Anforderungen gestellt werden als bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (BGH, Urt. v. 24.11.1988 – VII ZR 112/88, BauR 1989, 201 [202]). 97
A5 Rückzahlung Vorschuss: Aus der Rechtsnatur des Kostenvorschusses als vorweggenommenen Aufwendungsersatz ergibt sich ferner, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, den gezahlten Vorschuss zurückzufordern, wenn der Auftraggeber die Mangelbeseitigung nicht innerhalb einer angemessenen Frist durchführt. Hinsichtlich der Bestimmung der Angemessenheit der Frist kommt es auf sämtliche Umstände des Einzelfalls, insbesondere die für die Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten erforderlichen Zeiträume an. Nachdem diesbezüglich im Streitfall naturgemäß Rechtsunsicherheit über die angemessene Dauer besteht, welche dem Auftraggeber zur Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten zusteht (hierzu Kohler in Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 13 Nr. 5 Rz. 162: Vermutung, dass der Auftraggeber die Mangelbeseitigung überhaupt nicht betreiben will, wenn die Abrechnung nicht in angemessener Zeit stattfindet), empfiehlt sich auch insoweit eine einvernehmliche Regelung, wenn absehbar ist, bis zu welchem Zeitraum die Mangelbeseitigungsarbeiten ausgeführt werden können.
I. Minderungsvereinbarung bei optischen Mängeln I. Einführung 98
Die Systematik der Mängelansprüche des § 13 VOB/B ist in erster Linie auf die Herstellung eines vertragsgemäßen Bauwerks gerichtet. Dementsprechend kommt dem Mängelbeseitigungs- bzw. Ersatzvornahmeanspruch in § 13 Nr. 5 VOB/B vorrangige Bedeutung gegenüber dem Minderungs- und Schadensersatzanspruch gem. § 13 Nrn. 6 und 7 VOB/B zu. Letztere haben insofern lediglich Ergänzungs- oder Hilfsfunktion.1 Entsprechend dieser nachrangigen Funktion ist das Minderungsrecht in § 13 Nr. 6 VOB/B auf drei eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt, wobei diese Regelung als abschließende Regelung verstanden wird, die einen Rückgriff auf das sehr viel weiter gefasste gesetzliche Minderungsrecht der §§ 634 Nr. 3 i.V.m. § 638 BGB nicht zulässt.
99
Praktisch bedeutsam wird das Minderungsrecht immer wieder im Zusammenhang mit sog. „Schönheitsfehlern/optischen Mängeln“. Gerade bei der Ausführung größerer Bauvorhaben sind derartige optische Unregelmäßigkeiten kaum vermeidbar und führen häufig zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien über die Rechtsfolgen. Während der Auftraggeber derartige optische Mängel häufig nicht hinnehmen und bis zur Mängelbeseitigung erhebliche Vergütungseinbehalte vornehmen will, handelt es sich nach Auffassung des Auftragnehmers oftmals um geringfügige und das Interesse des Auftraggebers nicht tangierende Unregelmäßigkeiten. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht hier die Frage, ob eine vom Auftraggeber geforderte Mangelbeseitigung im Sinn des § 13 Nr. 6 VOB/B einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordere und deshalb vom Auftragnehmer verweigert werden könne.
100
Beispiele: Unebenheiten von Putzfassaden; Kratzer auf Oberflächen, wie etwa Fensterflächen, Fensterrahmen oder Türen; Verschmutzungen etwa im Zusammenhang mit Malerarbeiten; Unregelmäßigkeiten in der Lackierung von Türblättern etc.
1 So Weyer in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 13 VOB/B Rz. 291.
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M 31.9
Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 103 Kap. 31
Bei all diesen Erscheinungen ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein Mangel des Bauwerks im Rechtssinn vorliegt. Möglicherweise überschreiten die kritisierten Erscheinungen die vertraglich festgelegten Grenzwerte bzw. die in den allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik definierten Grenzwerte oder in DIN-Vorschriften enthaltenen Toleranzen nicht. Sind demgegenüber die gegenständlichen Unregelmäßigkeiten als Mangel im Rechtssinn zu qualifizieren, so stellt sich die Frage, ob die Mangelbeseitigung gem. § 13 Nr. 6 VOB/B einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordert. Eine Unverhältnismäßigkeit in diesem Sinn liegt in aller Regel nur vor, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand zur Mangelbeseitigung gegenübersteht.1
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Hinweis: Zu prüfen ist daher in erster Linie, ob der Auftraggeber objektiv ein berech- 102 tigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung hat. In diesem Fall kann der Auftragnehmer regelmäßig die Nachbesserung auch im Fall eines hohen Nachbesserungsaufwandes nicht verweigern.
II. Muster M 31.9 Minderungsvereinbarung bei optischen Mängeln mit Schiedsgutachtenabrede Minderungs- und Schiedsgutachtenvereinbarung 1. Die Leistungen des Auftragnehmers weisen die in der Anlage zu dieser Vereinbarung angeführten Unregelmäßigkeiten auf. Zwischen den Vertragsparteien besteht Einigkeit darüber, dass diese Unregelmäßigkeiten im Hinblick auf den hiermit verbundenen Aufwand nicht mehr nachgebessert werden sollen. Die Vertragsparteien sind sich uneinig darüber, ob es sich bei diesen Unregelmäßigkeiten um Mängel im Rechtssinn handelt, und, wenn ja, in welcher Höhe jeweils eine Minderung der Vergütung des Auftragnehmers in Bezug auf die einzelnen Mängel vorzunehmen ist.A1 Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Vertragsparteien, dass ein verbindliches Schiedsgutachten über folgende Fragen von den Vertragsparteien in Auftrag gegeben wird: a) Handelt es sich bei den in Nrn. … der Anlage zu dieser Vereinbarung aufgeführten Unregelmäßigkeiten um Mängel der Bauleistung des Auftragnehmers?A2 b) Sofern und soweit die vorstehende Frage gemäß a) bejaht werden sollte: Welcher Minderwert ist insoweit in Bezug auf die einzelnen Mängel anzusetzen? Die Parteien benennen als Schiedsgutachter: Herrn …, der zu den vorbezeichneten Fragen ein Schiedsgutachten zu erstellen hat. Der Schiedsgutachter ist zu beauftragen, bei der Ermittlung des Minderungsbetrages auf den Zeitpunkt der Abnahme der Werkleistung des Auftragnehmers abzustellen.A3 2. Bei Beauftragung des Schiedsgutachters ist sicherzustellen, dass dieser vor Erstellung des Schiedsgutachtens die Vertragsparteien anhören und den Vertragsparteien ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme geben wird. Hierzu ist den Vertragsparteien von dem Schiedsgutachter insbesondere eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme zu einzelnen Fragen zu setzen. 3. Die Vertragsparteien werden sich dem Ergebnis des Schiedsgutachtens unterwerfen. Die Entscheidung des Schiedsgutachters ist somit endgültig und verbindlich. Eine gerichtliche Inhaltskontrolle der Entscheidung im Fall offenbarer Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens 1 Hierzu BGH, Urt. v. 6.12.2001 – VII ZR 241/00, BauR 2002, 613 (616).
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Vergleichsvereinbarungen
M 31.9
(§ 319 Abs. 1 BGB analog) bleibt aber möglich. Offenbare Unrichtigkeiten des Schiedsgutachtens können die Vertragsparteien nur innerhalb einer Frist von 10 Wochen nach Zugang des Schiedsgutachtens geltend machen. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass es sich bei der Einholung eines Schiedsgutachtens nicht um ein förmliches Schiedsgerichtsverfahren nach den §§ 1025 ff. ZPO handelt. 4. Zwischen den Vertragsparteien besteht Einigkeit darüber, dass der Werklohn des Auftragnehmers gem. § … des Bauvertrages vom … unmittelbar um denjenigen Betrag herabgesetzt wird, den der Schiedsgutachter gem. vorstehender Nr. 1b) dieser Vereinbarung als Minderungsbetrag festsetzt. Sollte hiernach der Auftraggeber dem Auftragnehmer im Hinblick auf die bereits geleisteten Abschlagszahlungen mehr als den geminderten Werklohn bezahlt haben, so ist dieser Mehrbetrag vom Auftragnehmer an den Auftraggeber zurückzubezahlen. 5. Die Kosten des Schiedsgutachtens tragen die Vertragsparteien je zur Hälfte. Dies gilt auch für etwaige vom Schiedsgutachter angeforderte Kostenvorschüsse.A4
Anmerkungen zu Muster M 31.9 103a
A1 Sachverhalt: Der Mustertext setzt voraus, dass sich die Vertragsparteien zumindest dahingehend verständigt haben, dass die gegenständlichen Unregelmäßigkeiten der Werkleistung des Auftragnehmers, auch wenn es sich hierbei um Mängel im Rechtssinn handeln sollte, nicht mehr nachgebessert werden sollen. Streit besteht zwischen den Vertragsparteien dagegen bezüglich der Frage, ob und in welcher Höhe der Auftraggeber im Hinblick auf die Unregelmäßigkeiten zur Minderung des Werklohns berechtigt sein soll.
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A2 Mangelhaftigkeit als Rechtsfrage: Die Frage, ob ein Mangel im Rechtssinn vorliegt, ist eine Rechtsfrage. Dennoch empfiehlt sich zumindest auch die Einschaltung eines technischen Sachverständigen als Schiedsgutachter, da die mit den vorliegenden Unregelmäßigkeiten zusammenhängenden Fragen häufig nur unter detaillierter Prüfung technischer Regelwerke und der dort enthaltenen Grenzwerte/Toleranzen beantwortet werden können. Ggf. ist dem Schiedsgutachter aufzugeben, juristischen Sachverstand bei der Beantwortung der Gutachtenfrage hinzuzuziehen.
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A3 Höhe Minderung: Zur Berechnung der Minderung sieht § 638 Abs. 3 Satz 1 BGB vor, dass die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen ist, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werks in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Das Abstellen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses in der gesetzlichen Regelung wird für das Werkvertragsrecht bereits deshalb als unangemessen erachtet, da die Verpflichtung zur sachmangelfreien Verschaffung des Werks gem. § 13 Nr. 1 Satz 1 VOB/B und allgemeinen Grundsätzen auf den Zeitpunkt der Abnahme bezogen ist (hierzu Weyer in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5. Aufl. 2015, § 13 VOB/B Rz. 311 f.). Um im Hinblick auf die Gesetzesfassung diesbezüglich keine Unklarheiten aufkommen zu lassen, empfiehlt sich eine klarstellende Regelung im Vereinbarungstext hinsichtlich des insoweit für den Schiedsgutachter maßgeblichen Zeitpunktes.
105a
Die Berechnung der Höhe des Minderungsbetrages gestaltet sich gerade bei Schönheitsfehlern/optischen Mängeln naturgemäß als schwierig. Üblicherweise wird insoweit bei der Bewertung zwischen technisch-funktionalen Aspekten und optischen Aspekten unterschieden. Denkbar ist es, dass dem Sachverständigen in der Praxis bewährte Bewertungsverfahren von den Parteien vorgegeben werden (Bewertungsverfahren bietet beispielsweise die sog. „Nutzwertanalyse“, hierzu Oswald in Kapellmann/Vygen, Jahrbuch Baurecht 1998, 357 [375 ff.]; vgl. zu den Bewertungsverfahren auch Aurnhammer, BauR 1978, 356 ff.). Dies setzt aber voraus, dass den Vertragsparteien einschlägige Bewertungsverfahren bekannt und geläufig sind. Ist dies nicht der Fall, sollte die Auswahl des Bewertungsverfahrens dem Sachver638
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Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 108 Kap. 31
ständigen überlassen werden. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass der Sachverständige die Voraussetzungen und Wertentscheidungen des von ihm herangezogenen Bewertungsverfahrens offen legt und die Bewertungsschritte nachvollziehbar und kontrollierbar begründet. A4 Kosten: Alternativ ist eine am Ergebnis der Begutachtung orientierte Kostenregelung denkbar.
106
J. Abgeltungsvereinbarung bei gesamtschuldnerisch haftenden Baubeteiligten (Schadensersatz) I. Einführung Die allgemeinen schadensersatzrechtlichen gesetzlichen Bestimmungen der §§ 280, 281 BGB 107 werden durch die Sonderregelung in § 13 Nr. 7 VOB/B im Rahmen eines VOB/B-Vertrages verdrängt.1 Während § 13 Nr. 7 Abs. 1 und 2 VOB/B jeweils für ihren Regelungsbereich eine im Hinblick auf die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 BGB unbeschränkte Schadensersatzpflicht vorsehen, ist die Schadensersatzhaftung des Auftragnehmers im Regelungsbereich des § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B gegenüber der gesetzlichen Schadensersatzhaftung eingeschränkt. § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B unterscheidet in seinen Sätzen 1 und 2 den sog. „kleinen Schadensersatzanspruch“ (Schaden an der baulichen Anlage) von dem sog. „großen Schadensersatzanspruch“ (darüber hinausgehender Schaden) und knüpft den sog. großen Schadensersatzanspruch gem. § 13 Nr. 7 Abs. 3 Satz 2 VOB/B an zusätzliche Voraussetzungen, welche kumulativ zu den Voraussetzungen des kleinen Schadensersatzanspruchs hinzukommen müssen. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen Vergleichsvereinbarungen, wenn eine Mängelver- 108 ursachung durch mehrere Baubeteiligte in Betracht kommt. So kann etwa ein Baumangel sowohl durch einen Ausführungsfehler des Bauunternehmers als auch durch einen Überwachungsfehler des Objekt überwachenden Architekten verursacht worden sein. In Betracht kommt ferner beispielsweise auch eine Haftung sowohl des Planers als auch des bauleitenden Architekten/Sonderfachmanns für einen Baumangel.2 Steht eine gesamtschuldnerische Haftung der mehreren Baubeteiligten gem. § 421 ff. BGB in Rede, so stehen den Baubeteiligten untereinander regelmäßig Ausgleichsansprüche nach § 426 BGB zu. Der gesamtschuldnerisch haftende Auftragnehmer, der mit dem Auftraggeber einen Vergleich zur Abgeltung etwa von Schadensersatzansprüchen wegen Mängeln abschließt, muss insoweit sorgfältig darauf achten, dass er nicht trotz Abschluss des Vergleichs mit dem Auftraggeber nachträglich mit Ausgleichsansprüchen weiterer gesamtschuldnerisch haftender Baubeteiligter konfrontiert wird.
1 Schliemann, Mängelansprüche im Bauvertrag, 2003, Rz. 509. 2 Zur Mängelverursachung durch mehrere Baubeteiligte vgl. etwa Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl. 2015, Rz. 1964 ff.; Kleine-Möller/Merl/Oelmeier, Handbuch des privaten Baurechts, 5. Aufl. 2014, § 12 Rz. 811 ff.; zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Unternehmer für Mängel neuerdings auch BGH, Urt. v. 26.6.2003 – VII ZR 126/02, BauRB 2003, 129 = BauR 2003, 1379 (1380).
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Kap. 31 Rz. 109
Vergleichsvereinbarungen
M 31.10
II. Muster 109
M 31.10 Abgeltungsvereinbarung bei gesamtschuldnerisch haftenden BaubeteiligtenA1 Abgeltungsvereinbarung 1. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, an den Auftraggeber als Schadensersatz einen Betrag von 20 000 Euro zu bezahlen. Mit dieser Zahlung sind sämtliche Mängelansprüche des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer im Hinblick auf die unzureichende Bewehrung der tragenden Wände des Bauvorhabens abgegolten. 2. Der Auftraggeber wird den Auftragnehmer von etwaigen Gesamtschuldnerausgleichsansprüchen des Tragwerksplaners, Herrn …, wegen des gegenständlichen Mangels der Bewehrung des Gebäudes freistellen, soweit der Auftraggeber den Tragwerksplaner wegen Mängeln der Tragwerksplanung in Bezug auf den gegenständlichen Mangel der Bewehrung in Anspruch genommen hat oder noch in Anspruch nehmen wird.A2, A3
Anmerkungen zu Muster M 31.10 109a
A1 Sachverhalt: Im Beispielsfall wurde der Mangel einer unzureichenden Bewehrung zum einen durch einen Mangel der Tragwerksplanung des Statikers verursacht, zum anderen war der Auftragnehmer als ausführendes Unternehmen wegen einer Hinweispflichtverletzung mitverantwortlich. Hier besteht im Rahmen der Mängelhaftung ein Gesamtschuldverhältnis zwischen ausführendem Unternehmen und Tragwerksplaner.
110
A2 Freistellungsvereinbarung: Schließt in dieser Situation der Auftragnehmer als ausführendes Unternehmen mit dem Auftraggeber einen Vergleich zur Abgeltung des Schadens, so stellt sich stets die Frage, ob diesem Vergleich Gesamtwirkung in dem Sinn zukommen soll, dass es dem Auftraggeber verwehrt sein soll, im Hinblick auf den Vergleichsabschluss mit dem ausführenden Unternehmen zusätzlich hierzu den Tragwerksplaner in Anspruch zu nehmen. Obwohl vom Grundsatz her eine derartige Gesamtwirkung zu verneinen ist, muss gemäß der Rechtsprechung stets im Einzelfall im Weg der Auslegung des Vergleichs ermittelt werden, ob nicht doch Gesamtwirkung gewollt ist (vgl. hierzu Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, 2. Teil, Rz. 18–22). Die Problematik stellt sich für den Auftragnehmer immer dann, wenn der mit einem der Gesamtschuldner abgeschlossene Vergleich nicht die volle Höhe des Schadens abdeckt. Wird eine solche von den Parteien gewollte Gesamtwirkung verneint, läuft der Gesamtschuldner, der sich mit dem Auftraggeber auf einen Teilbetrag der Schadenssumme verglichen hat, Gefahr, anschließend von dem anderen Gesamtschuldner über den Ausgleichsanspruch gem. § 426 BGB für einen darüber hinausgehenden Betrag in Anspruch genommen zu werden, sofern der Auftraggeber den Restbetrag des Schadens bei dem anderen Gesamtschuldner geltend macht. Hiervor schützt den Auftragnehmer die Freistellungsvereinbarung.
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A3 Verzichtsvereinbarung: Alternativ kommt in Betracht, dass der Auftragnehmer mit dem Auftraggeber einen Verzicht des Auftraggebers auf weitergehende Ansprüche in Bezug auf den gegenständlichen Mangel gegen andere Baubeteiligte vereinbart. Hierauf wird sich der Auftraggeber aber häufig nicht einlassen, so dass zur Absicherung des Auftragnehmers vor weitergehenden Ausgleichsansprüchen sonstiger Baubeteiligter nur eine entsprechende Freistellungsvereinbarung in Betracht kommt.
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Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 115 Kap. 31
K. Vergleich zum Architektenhonorar vor Schlichtungsausschuss I. Einführung 1. Schlichtungsausschüsse der Architektenkammern Die Landesarchitektengesetze beauftragen die Architektenkammern der Länder mit der 112 Bildung von Schlichtungsausschüssen zur Streitschlichtung. So bestimmt etwa für Bayern Art. 24 des Bayerischen Architektengesetzes, dass zur gütlichen Beilegung von Streitigkeiten, die sich aus der Berufsausübung zwischen Kammermitgliedern oder zwischen diesen und Dritten ergeben, bei der Kammer ein ständiger Schlichtungsausschuss zu bilden sei, § 24 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Architektengesetz. Weitere Einzelheiten werden in Nrn. 4.2 und 5.3 der Satzung der Bayerischen Architektenkammer1 geregelt, die ihrerseits in Nr. 5.3.9 auf die Schlichtungsordnung der Bayerischen Architektenkammer2 verweist. Aufgabe und Verfahren eines Schlichtungsausschusses wird nachfolgend exemplarisch für das Bundesland Bayern dargestellt. Die Satzung der Bayerischen Architektenkammer bestimmt in Nr. 4.2, dass der Schlich- 113 tungsausschuss bei beruflichen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der Kammer angerufen werden soll, bei beruflichen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der Kammer und Dritten angerufen werden kann. Als Dritter im Sinn dieser Bestimmung kommt insbesondere der Auftraggeber eines Architekten in Betracht. Bei den angesprochenen beruflichen Auseinandersetzungen kann es sich zum einen um vermögensrechtliche Streitigkeiten, insbesondere Honorarauseinandersetzungen, handeln, zum anderen aber auch um nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten, beispielsweise im Zusammenhang mit urheberrechtlichen Auseinandersetzungen. Gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 4 Bayerisches Architektengesetz wird der Schlichtungsausschuss 114 in einer Besetzung mit drei Mitgliedern tätig. Diese bestehen aus dem Vorsitzenden, der gem. Nr. 1.1 der Schlichtungsordnung der Bayerischen Architektenkammer die Befähigung zum Richteramt und zum höheren Verwaltungsdienst besitzen soll, sowie aus zwei Beisitzern, von denen mindestens einer der Fachrichtung der jeweils Beteiligten angehören soll, Nr. 1.2 der Schlichtungsordnung der Bayerischen Architektenkammer. In der Regel handelt es sich bei den Beisitzern um zwei erfahrene Architekten. Die Mitglieder des Schlichtungsausschusses sind verpflichtet, den Streitfall unparteilich und nach bestem Wissen und Gewissen zu beurteilen. Das Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss ist für den Schlichtungsausschuss der Bayerischen Architektenkammer in Nr. 3 der Schlichtungsordnung geregelt. Der verfahrenseinleitende Antrag kann entweder von in die Liste der Architektenkammer eingetragenen Architekten oder aber von am Streit beteiligten Dritten gestellt werden. Soll ein Dritter am Schlichtungsverfahren beteiligt werden, so kann der Schlichtungsausschuss nur mit dessen Einverständnis tätig werden, Art. 24 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Architektengesetz. Ist der Antragsgegner ein solcher Dritter, so wird im Antrag deshalb zur Erklärung seines Einverständnisses zugeleitet, wobei hiermit gleichzeitig die Aufforderung an den Antragsgegner verbunden werden kann, binnen einer zu bezeichnenden angemessenen Frist schriftlich zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Nach Eingang dieser Stellungnahme oder nach Fristablauf bestimmt der Vorsitzende den Termin zur Schlichtungsverhandlung. Der Ausschuss kann 1 Satzung der Bayerischen Architektenkammer v. 4.12.1972 (StAnz. Nr. 9/1973), zuletzt geändert durch Bekanntmachung v. 13.12.1999 (StAnz. Nr. 50/51/1999). 2 Geschäftsordnung – Schlichtungsordnung – des Schlichtungsausschusses der Bayerischen Architektenkammer v. 3.10.1980 (DAB 11/80, S.BY 210).
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Kap. 31 Rz. 116
Vergleichsvereinbarungen
allerdings auf eine Schlichtungsverhandlung auch verzichten und den Beteiligten nach Anhörung schriftlich einen Vermittlungsvorschlag übermitteln. Die Schlichtungsverhandlung selbst findet in persönlicher Anwesenheit der Beteiligten statt, die Rechtsanwälte oder sachkundige Beistände zuziehen können. Der Schlichtungsausschuss hat nach Anhörung der Beteiligten einen Schlichtungsvorschlag zu erarbeiten, der gescheitert ist, wenn entweder ein Beteiligter keine Äußerung gegenüber dem Schlichtungsausschuss abgibt, oder aber der Schlichtungsvorschlag von den Beteiligten nicht in der angegebenen Frist angenommen wird. Kommt demgegenüber auf den Schlichtungsvorschlag hin ein Vergleich zustande, so wird sein Wortlaut protokolliert, das Protokoll von den Beteiligten und den Mitgliedern des Schlichtungsausschusses unterschrieben und den Beteiligten eine Abschrift der Vergleichsurkunde ausgehändigt. Im Protokoll wird auch fest gehalten, wenn der Schlichtungsversuch nach durchgeführter Schlichtungsverhandlung erfolglos bleibt. 116
Der Schlichtungsausschuss entscheidet schließlich, soweit keine vergleichsweise Regelung zustande kommt, über die Kosten des Schlichtungsverfahrens einschließlich der Kosten der Beteiligten. Die Kosten des Schlichtungsverfahrens sind erheblich niedriger als die Kosten einer streitigen Auseinandersetzung vor den Zivilgerichten. Rechtsanwaltskosten sind in der Regel von der den Rechtsanwalt beauftragenden Partei selbst zu tragen, da eine anwaltliche Vertretung im Schlichtungsverfahren nicht zwingend notwendig ist und die Kosten für die Beteiligten möglichst gering gehalten werden sollen.
117
Die Vorteile des Schlichtungsverfahrens werden zum einen in der fachlichen Besetzung des Schlichtungsausschusses gesehen, welche die zeit- und kostenintensive Zuziehung von Sachverständigen häufig entbehrlich machen wird. Auch bietet das Schlichtungsverfahren die Chance, dass die aufgetretenen Streitfragen schnell und ohne allzu lange Verfahrensdauer einvernehmlich gelöst werden können und damit das Verhältnis der Parteien nicht wie häufig im Rahmen einer streitigen zivilprozessualen Auseinandersetzung dauerhaft belastet wird. 2. Vereinbarungen zum Architektenhonorar
118
Häufiger Streitpunkt im Rahmen einer architekten- oder ingenieurvertraglichen Rechtsbeziehung ist die Frage der Wirksamkeit von Honorarvereinbarungen. Die preisrechtliche Bestimmung des § 7 HOAI zieht der Vertragsfreiheit der Parteien in Bezug auf die Höhe des Honorars Schranken.
119
So sind zum einen die in der HOAI festgelegten Mindest- und Höchstsätze für die Berechnung der Höhe der vereinbarten Vergütung maßgeblich, wenn der Auftragnehmer sich dazu verpflichtet hat, Architekten- oder Ingenieuraufgaben zu erbringen, die in der HOAI beschrieben sind.
120
Eine Unterschreitung der Mindestsätze ist nur bei Eingreifen des Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs. 3 HOAI zulässig. Werden die Mindestsätze durch eine Honorarvereinbarung ohne das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes unterschritten, so führt dies zur Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung. Es greift dann die in § 7 Abs. 5 HOAI enthaltene Fiktion mit der Folge, dass die Mindestsätze als vereinbart gelten.1
121
Werden demgegenüber durch die Honorarvereinbarung die in der HOAI festgelegten Höchstsätze überschritten, ohne dass die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs. 3 HOAI vorliegen, so ist die Honorarvereinbarung nicht insgesamt nichtig. Vielmehr kann der Architekt in diesem Fall sein Honorar anhand der in der HOAI festgelegten
1 Hierzu Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 9. Aufl. 2016, § 7 Rz. 67.
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Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 124 Kap. 31
Höchstsätze berechnen, sofern die sonstigen Voraussetzungen für eine wirksame Honorarvereinbarung gem. § 7 Abs. 1 HOAI vorliegen.1 Honorarvereinbarungen können aber auch deshalb unwirksam sein, weil sie entgegen der 122 Regelung in § 7 Abs. 1 HOAI nicht schriftlich bei Auftragserteilung getroffen wurden.2 Nachdem häufig diese Wirksamkeitsvoraussetzungen einer getroffenen Honorarvereinbarung nicht vorliegen, stellt sich immer wieder die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine derartige Honorarvereinbarung auch nachträglich noch wirksam getroffen werden kann. Ebenso stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vertragsparteien erst nachträglich eine wirksame Honorarvereinbarung schließen können, nachdem sie bei Vertragsschluss überhaupt keine Honorarregelung getroffen haben. Schließlich wird in diesem Zusammenhang diskutiert, ob und unter welchen Voraussetzungen eine einmal bei Vertragsschluss wirksam getroffene Honorarvereinbarung nachträglich einvernehmlich von den Parteien abgeändert werden kann. Während die Kommentarliteratur diese Fragen teilweise differenziert löst,3 ist die Rechtspre- 123 chung in dieser Frage strikt. Der BGH betont, dass die Mindestsatzfiktion des § 7 Abs. 5 HOAI unterschiedslos alle Fälle erfasse, in denen die Vertragsparteien nicht schon bei Vertragsschluss schriftlich eine nach § 7 Abs. 1 – 4 HOAI zulässige Honorarvereinbarung getroffen hätten.4 Wirksame nachträgliche Änderungen der Mindestsatzfiktion des § 7 Abs. 5 HOAI sind nach dieser Rechtsprechung allerdings dann möglich, wenn sie nach Beendigung der Architekten- oder Ingenieurtätigkeit getroffen werden. Dieses Kriterium der zur Zulässigkeit entsprechender Honorarvereinbarungen und Honorarvergleiche führenden Beendigung der Tätigkeit sieht der BGH dann als gegeben an, wenn der Vertrag soweit durchgeführt ist, dass ein Streit der Vertragsparteien darüber, ob ein Architekt oder Ingenieur den Vertrag vollständig erfüllt habe, ausgeschlossen sei. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn das Architekten- oder Ingenieurwerk abgenommen worden sei und Einvernehmen der Vertragsparteien im Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung darüber bestünde, dass das Werk mangelfrei sei. Mängel, die sich erst nach der Vergütungsvereinbarung zeigen, sollen für die Frage der Wirksamkeit der nachträglichen Vergütungsvereinbarung unerheblich sein.5
II. Muster M 31.11 Architektenhonorarvergleich vor Schlichtungsausschuss
124
Nichtöffentliche Sitzung des Schlichtungsausschusses der Architektenkammer Bayern Ort: … Datum: … Mitwirkende Ausschussmitglieder: Richter am Landgericht …: als Vorsitzender
1 2 3 4 5
BGH, Urt. v. 9.11.1989 – VII ZR 252/88, BauR 1990, 239 (240). Vgl. hierzu näher Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 9. Aufl. 2016, § 7 Rz. 13-39. Vgl. etwa Locher/Koeble/Frik, HOAI, 12. Aufl. 2014, § 7 Rz. 55–80. BGH, Urt. v. 9.7.1987 – VII ZR 282/86, BauR 1987, 706 (707). BGH, Urt. v. 27.2.2003 – VII ZR 169/02, BauRB 2003, 102 = BauR 2003, 749 (751).
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Kap. 31 Rz. 124a
Vergleichsvereinbarungen
M 31.11
Dipl.-Ing. …, freier Architekt, und Dipl.-Ing. …, freier Architekt, als Beisitzer In dem Schlichtungsverfahren … – Antragsteller – Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt … gegen … – Antragsgegner – Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt … sind erschienen: Der Antragsteller mit Rechtsanwalt … Der Antragsgegner mit Rechtsanwalt … Nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage unterbreitet der Schlichtungsausschuss den Schlichtungsparteien einen Schlichtungsvorschlag.A1 Daraufhin schließen die Schlichtungsparteien den nachstehenden Vergleich: 1. Der Antragsgegner bezahlt an den Antragsteller für die von dem Antragsteller erbrachten Architektenleistungen in Bezug auf das Bauvorhaben … einen Betrag in Höhe von … Euro zzgl. 19 % Mehrwertsteuer hieraus. Dieser Betrag wird am … zur Zahlung fällig. Die Schlichtungsparteien sind sich darüber einig, dass mit diesem Vergleich die Honorarvereinbarung der Schlichtungsparteien vom … abgeändert wird und diese Honorarvereinbarung daher mit Abschluss dieses Vergleichs gegenstandslos wird. 2. Mit dieser Zahlung sind sämtliche Honorarforderungen des Antragstellers in Bezug auf seine für das Bauvorhaben … erbrachten Architektenleistungen abgegolten. 3. Der Antragsteller hat die von ihm angefertigte Entwurfsplanung gemäß den am … an den Antragsgegner übergebenen Planunterlagen nachgebessert. Die Schlichtungsparteien sind sich nunmehr darüber einig, dass die Werkleistung des Antragstellers mit Übergabe dieser nachgebesserten Planunterlagen nunmehr mangelfrei ist. Die im Schreiben des Antragsgegners vom … beanstandeten Mängel der Architektenleistung des Antragstellers sind in die Berechnung der Vergleichssumme gem. vorstehender Nr. 1 dieser Vereinbarung vergütungsmindernd eingeflossen und damit abschließend erledigt. Weitere Mängelansprüche in Bezug auf diese Mängel stehen dem Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller somit nicht zu. Der Antragsgegner erklärt daher hiermit ausdrücklich die Abnahme der von dem Antragsteller erbrachten Planungsleistungen.A2 4. Jede der Schlichtungsparteien trägt die Hälfte der Kosten des Schlichtungsverfahrens. Jede Schlichtungspartei trägt ferner ihre eigenen Kosten selbst.A3 Es ergeht sodann folgender Beschluss: Der Wert des Streitgegenstandes wird auf … Euro festgelegt. (Unterschriften Mitwirkende) (Unterschriften Schlichtungsparteiendes Schlichtungsausschusses)
Anmerkungen zu Muster M 31.11 124a
A1 Sachverhalt: Das Vereinbarungsmuster legt eine Situation zugrunde, in der sich die Vertragsparteien über die Wirksamkeit einer bei Vertragsschluss getroffenen Honorarver644
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Werkvertragsrecht, insbesondere im Privaten Baurecht
Rz. 126 Kap. 31
einbarung streiten. Die Parteien einigen sich auf eine Abschlusszahlung des Auftraggebers und ändern hiermit die ursprüngliche Honorarvereinbarung ab. A2 Erledigung von Mängeln: Derartige Vergleichsvereinbarungen setzen nach der oben 125 zitierten Rechtsprechung voraus, dass sie nach Beendigung der Architektentätigkeit getroffen werden. Um hier von vornherein keinen Zweifel am Vorliegen der insoweit in der Rechtsprechung geforderten Kriterien der Einigung über die Mangelfreiheit und der Abnahme aufkommen zu lassen, empfiehlt es sich, das Vorliegen dieser Kriterien, soweit dies dem Vertragsstatus entspricht, in der Vergleichsvereinbarung ausdrücklich zu dokumentieren. Sind bei Vergleichsabschluss noch nicht alle Mängel des Architektenwerks erledigt, so muss der Vergleich im Hinblick auf das von der Rechtsprechung geforderte Wirksamkeitskriterium der Beendigung der Architektentätigkeit eine abschließende vergleichsweise Erledigung auch der Rechtsfolgen aus den bestehenden Mängeln beinhalten (hierzu Motzke/ Wolff, Praxis der HOAI, 3. Aufl. 2004, 165). A3 Kosten: Die Schlichtungsordnungen enthalten auch Bestimmungen zu den Kosten des 126 Verfahrens. So werden gemäß Nr. 4.2 Satz 1 der Schlichtungsordnung der Bayerischen Architektenkammer für das Verfahren Auslagen und Gebühren nach Maßgabe der Gebührenordnung der Kammer erhoben. Über die Tragung der Kosten, auch eigener Kosten der Beteiligten, entscheidet gemäß Nr. 4.2 Satz 2 der Schlichtungsausschuss. Gemäß Nr. 4.3 der Schlichtungsordnung der Bayerischen Architektenkammer werden die Mitglieder des Schlichtungsausschusses nach der Entschädigungsordnung der Kammer, Zeugen und Sachverständige nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen entschädigt. Rechtsanwaltsgebühren kommen insbesondere gemäß Vergütungsverzeichnis Nr. 1000 und 2400 in Betracht.
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Kapitel 32
A. I. 1. 2. 3.
Vergleichsvereinbarung im Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Der umfassende Abfindungsvergleich Einführung Sachschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des Abfindungsbetrages . . . . . a) Temporäre Ansprüche (Zeitrenten – Feste Laufzeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Höhe des monatlichen Ersatzbetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vorversterbensrisiko . . . . . . . . . . . ee) Aufgeschobener Erwerbsschaden ff) Gemischte Fälle . . . . . . . . . . . . . . . gg) Unterhaltsschäden gem. § 844 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lebenslang zu entschädigende Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kapitalisierung bis zum Lebensende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beratungspflicht des Anwaltes a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Belehrung des Mandanten . . . . . . . . . .
1 5 10 15 17 24 30 39 49 51 52 61 62 72 76 79
5. Vergleich und Abänderung/Anfechtung a) Wegfall der Geschäftsgrundlage/ § 242 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB . . . c) Abänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rentenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 90 91 93 94
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 M 32.1 Umfassendes Abfindungsformular 95 B. Abfindung mit Vorbehalt und (Teil-)Abfindung einzelner Schadenspositionen I. Einführung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Teilabfindung/Abfindung mit Vorbehalt und Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 M 32.2 Abfindungsformulare Teilverzicht – Vorbehalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 C. Außergerichtlicher Rentenvergleich I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 M 32.3 Rentenvergleich . . . . . . . . . . . . . . 181
Literatur: Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 34. Ergänzungslieferung 2015; Burghart, „Anwaltshaftung beim Abschluß eines Abfindungsvergleichs“, NZV 2005, 441; Engelbrecht, Abfindungsvergleich beim Personenschaden, DAR 2015, 557; Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015; Günter, Wichtige Entscheidungen zum Abfindungsvergleich mit der gegenerischen Haftpflichtversicherung, SVR 2014, 54; Höke, „Schadensersatz und Steuerrecht, NZV 2016, 10; Jahnke/Burmann, Handbuch des Personenschadensrechts, 2016; Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, 2. Aufl. 2008; Jahnke, Ausgewählte Probleme für die Schadenregulierung, 1999; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 2001; Jahnke, „Die vergleichsweise Regulierung von Schadensfällen“, VersR 1995, 1145; Koch, Abfindungsvergleich beim Personenschaden, DAR 2015, 557; Köck, „Der Abfindungsvergleich beim Personenschaden, DAR 2015, 557 ff.; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl. 2016; Lang, Der Abfindungsvergleich beim Personenschaden, VersR 2005, 894; Langenick/Vatter, „Die aufgehobene Leibrente“, NZV 2005, 10; Luckey, Personenschaden, 2013; Nehls/Nehls, Kapitalisierungstabellen, 2. Aufl. 2001; Nehls, „Kapitalisierung und Verrentung von Schadensersatzforderungen“, zfs 2004, 193; Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Aufl. 2010; Quirmbach/Gräfenstein/Deller, Kapitalisierungstabellen, 2015; Schah Sedi, Geldrente, Kapitalisierung, zfs 2008, 183; Schneider/Schlund/Haas, Kapitalisierungs- und Verrentungstabellen, 2. Aufl. 1992; Schneider/Schneider, „Berücksichtigung von Zinsschwankungen bei der Kapitalisierung von Schadensersatzrenten“, NZV 2005, 497; Schneider/Schneider, „Nochmals: Kapitalisierung und Verrentung von Schadensersatzforderungen“, zfs 2004, 541.
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Heß/Höke
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 7 Kap. 32
A. Der umfassende Abfindungsvergleich I. Einführung 1. Sachschaden Die außergerichtliche Einigung bzw. Erledigung von Haftpflichtfällen erfolgt in der Praxis 1 unterschiedlich nach Sach- bzw. Personenschäden. Bei reinen Sachschäden wird entweder schlicht ganz oder teilweise gezahlt. Die Parteien können sich aber auch über streitige Schadenspositionen einigen. Eine solche vergleichsweise Einigung durch Vergleich über Sachschäden unterliegt aber keinerlei Besonderheiten. Hierbei gelten die allgemeinen Regeln, die für jeden Vergleich (§ 779 BGB) von Gültigkeit sind (vgl. dazu Kap. 29). Ein Abfindungsformular, wie es beim Personenschaden gebräuchlich ist (s.u. M 32.1 [Rz. 95]), wird beim Sachschaden in der Regel nicht verwandt, da es sich um abgegrenzte, leicht überschaubare Positionen handelt.
2
Beim Sachschaden ist der wesentliche Grund für einen Abfindungsvergleich, die endgültige Klärung einer Unsicherheit auch für die Zukunft, regelmäßig nicht gegeben. Die streitigen Sachschadenspositionen stehen in der Regel fest. Letztlich sind die Parteien aber natürlich nicht gehindert – wie beim Personenschaden – auch einen Vergleich über eine umfassende Abfindung zu schließen.
3
Wird im Rahmen der Regulierung eines Personenschadens ein umfassender Abfindungsver- 4 gleich geschlossen (s.u. Rz. 5 ff.), umfasst eine umfassende Abgeltungsklausel auch einen Sachschaden. Es gilt natürlich das Prinzip der Vertragsfreiheit, so dass die Parteien eine vertragliche Vereinbarung, die auf ihre jeweilige Interessenlage zugeschnitten ist, vereinbaren können. 2. Personenschaden Beim Personenschaden erfolgt die Regulierung nicht selten im Wege eines Vergleichs, wobei 5 der Schwerpunkt bei der außergerichtlichen vergleichsweisen Regulierung liegt. Insbesondere Haftpflichtversicherer haben, schon um Klarheit über das Regulierungsaufkommen zu haben, ein Interesse daran, den Schadensfall insgesamt und möglichst umfassend durch einen sog. Abfindungsvergleich abzuschließen. Auch für den Geschädigten kann es vorteilhaft sein, die – mit jeder Regulierung und erst recht mit einem Prozess – verbundenen Belastungen und Risiken durch eine vergleichsweise Abfindungsregelung zu vermeiden. Aber nicht nur im Verhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger/Haftpflichtversicherung werden die Schadensfälle durch Vergleich abgeschlossen. Auch die Regressverfahren zwischen Sozialversicherungsträgern und den Haftpflichtversicherern des Schädigers werden häufig vergleichsweise erledigt. Einen Anspruch des Geschädigten (Recht) auf Kapitalabfindung kennt das Gesetz nur für vermehrte Bedürfnisse in § 843 Abs. 3 BGB unter engen Voraussetzungen an. Es muss ein wichtiger Grund vorliegen (z.B. befürchtete Zahlungsschwierigkeiten des Schädigers, Aufbau einer Existenz, günstiger Einfluss auf den Zustand des Verletzten). Da aber der Haftpflichtversicherer regelmäßig ein Interesse an der Kapitalabfindung hat, wird ein Streit über ein Kapitalisierungsbegehren des Geschädigten sicherlich die Ausnahme sein.
6
Auch hat der Sozialversicherungsträger bei seinem Aufwendungsersatzanspruch gem. § 110 SGB VII einen Anspruch auf Kapitalisierung (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGB VII), ein Anspruch des Schädigers auf Kapitalabfindung besteht dagegen nicht.1
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1 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rz. 853.
Heß/Höke 647
Kap. 32 Rz. 8
Vergleichsvereinbarungen
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Die weit überwiegende Anzahl der Abfindungen erfolgt außergerichtlich. Soweit dies den Parteien aber nicht gelingt, werden nicht selten im frühen Stadium eines Prozesses (z.B. im ersten Gütetermin) auch umfassende Abfindungsvergleiche über Personenschäden geschlossen. Die Vergleichsbereitschaft wächst bei den Betroffenen (insbesondere beim Geschädigten), wenn sie von einer unabhängigen Stelle (dem Gericht) die Einschätzung der Sachund Rechtslage erläutert bekommen. Auch hier gilt die Erkenntnis, dass eine vergleichsweise Regelung im frühen Stadium eines Prozesses in der Regel leichter zu erzielen ist, als wenn die Parteien schon über Monate und Jahre die verschiedensten Positionen ausführlich streitig verhandelt haben.
9
Letztlich soll der Geschädigte bei der Abfindung denjenigen Kapitalbetrag erhalten, der während der voraussichtlichen Laufzeit der Rente zusammen mit dem Zinsertrag dieses Kapitals ausreicht, die an sich geschuldeten Renten zu zahlen.1 Folgende Ersatzansprüche können bei einem Personenschaden bestehen und sind dann bei einer Abfindung des Personenschadens zu berücksichtigen:2 Erwerbsschaden, Haushaltsführungsschaden, Unterhaltsschaden, Schmerzensgeld, Heilbehandlungskosten, vermehrte Bedürfnisse. 3. Ermittlung des Abfindungsbetrages
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Der Abfindungsbetrag wird wie folgt ermittelt: – Zuerst sind die schon in der Vergangenheit aufgelaufenen Schadensersatzansprüche zu berücksichtigen. Dies erfolgt durch Addition der bis zum Vergleichsabschluss aufgelaufenen Schadensersatzbeträge. – Die Kapitalabfindung an Stelle einer Rente wird durch Multiplikation der zu zahlenden Rente mit einem Kapitalisierungsfaktor ermittelt. Ziel der Kapitalisierung ist die Ermittlung des Wertes der gesamten zukünftigen Ansprüche unter Abzug der Zinsgewinne aus dem gezahlten Kapital. – Hinzu kommt i.d.R. das Schmerzensgeld, das grundsätzlich in einem Kapitalbetrag ermittelt wird und auch die in der Zukunft liegenden Beeinträchtigungen (bis zum Lebensende) abgilt.3 Der Schmerzensgeldbetrag ermittelt sich auch nach den von der Rechtsprechung4 zumindest als Orientierungsgröße anerkannten sog. Schmerzensgeldtabellen.5
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Während die Ansprüche in der Vergangenheit regelmäßig unproblematisch bezifferbar sind, liegen die Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines angemessenen Abfindungsbetrages bei der richtigen Erfassung und Bewertung der in der Zukunft liegenden Ansprüche, insbesondere der regelmäßig wiederkehrenden Zahlungsansprüche. Dies ist das weite Feld der Kapitalisierung, d.h. der Zurverfügungstellung eines einmaligen Betrages an Stelle ansonsten ratierlicher, erst zu späteren Zeitpunkten fällig werdender Zahlungen. Das Idealbild der Kapitalisierung ist,6 dass der Geschädigte denjenigen Kapitalbetrag erhält, der ausreicht, zusammen mit dem Zinsertrag dieses Kapitals die geschuldete Rente zu erhalten, so dass am Ende der voraussichtlichen Laufzeit das Kapital einschließlich der in der Laufzeit erwirtschafteten Zinsen bis auf null abgebaut ist. 1 BGH, Urt. v. 8.1.1981 – VI ZR 128/79, MDR 1981, 306 = VersR 1981, 283. 2 Vgl. im Einzelnen Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Kapitel 6; Jahnke/Burmann, Handbuch des Personenschadensrechts. 3 Vgl. hierzu Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 6 F; Heß, zfs 2001, 532. 4 Vgl. nur BGH, Urt. v. 1.10.1985 – VI ZR 195/84; BGH v. 8.10.1985 – VI ZR 152/85, VersR 1986, 59. 5 Vgl. insbesondere Hacks/Ring/Böhm, ADAC-Handbuch Schmerzensgeld-Beträge; Slizyk, Schmerzensgeld-Tabelle. 6 Vgl. BGH, Urt. v. 8.1.1981 – VI ZR 128/79, BGHZ 79, 187 = NJW 1981, 818.
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Heß/Höke
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 18 Kap. 32
Folgende Faktoren sind für die Ermittlung der Abfindung von Rentenansprüchen maßgeblich: – Laufzeit der Rente – Rechnerischer Zinsfuß – Zahlungsweise der Rente – Voraussichtliche Änderungen der Schadens-/Rentenhöhe – Tabellen.1
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Die Berechnung der Kapitalabfindung erfolgt durch Multiplikation der jährlichen Schadenshöhe mit dem ermittelten Kapitalisierungsfaktor:
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Formel:2 Jahresschadensbetrag (monatlicher Betrag × 12) × Kapitalisierungsfaktor = Kapitalbetrag Bei der Kapitalisierung von Ansprüchen ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen solchen, die eine feste Laufzeit haben sollen, und solchen, die lebenslange Leistungen abdecken sollen.
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a) Temporäre Ansprüche (Zeitrenten – Feste Laufzeit) Zur Berechnung solcher zeitlich begrenzter Ansprüche (feste Laufzeit einer Rente z.B. bei 15 Erwerbsschaden gem. § 842 BGB oder Unterhaltsschaden gem. § 844 BGB) werden sog. Zeitrententabellen3 benutzt. Diese sind nach Geschlechtern unterschiedlich berechnet, weil das jeweilige statistische Vorversterbensrisiko eingerechnet ist. Sie enthalten zudem den Kapitalisierungsfaktor bei einer gewählten Abzinsung (regelmäßig zwischen 3 % und 5 %). Folgende Schritte sind für die Feststellung des Kapitalbetrages notwendig: – Höhe des monatlichen/jährlichen Ersatzbetrages festlegen – Laufzeit ermitteln – Zinssatz auf das Kapital festlegen – Ggf. Vorversterbensrisiko berücksichtigen (lange Laufzeiten)
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aa) Höhe des monatlichen Ersatzbetrages Bei einem Erwerbsschaden geht es nicht abstrakt um den Verlust oder die Minderung der 17 Erwerbsfähigkeit, sondern nur um den Ausgleich unfallbedingt konkret eingetretener Vermögenseinbuße.4 Zum Erwerbsschaden zählen nicht nur Einkommensverluste, sondern auch alle sonstigen wirtschaftlichen Nachteile, die darauf zurückzuführen sind, dass der Geschädigte unfallbedingt seine Arbeitskraft nicht oder nicht mehr voll verwerten kann. Bei dem vorzunehmenden Vergleich zwischen Ist (mit Unfall) und Soll (ohne Unfall) sind nicht nur die Nachteile (Einkommenseinbußen), sondern auch die Vorteile (ersparte Aufwendungen – wie Fahrkosten) in die Schadensberechnung einzustellen. Es hat für die Zeit nach dem Unfall eine Prognose stattzufinden, die im Einzelfall (insbesondere bei Personen, 1 Vgl. Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 6 R Rz. 31 u. 36. 2 Vgl. Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 6 R Rz. 33. 3 Zfs 1980, 236; Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 6 Rz. 12; abgedruckt bei Berz/ Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 6 R Rz. 36; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Anhang Kapitalisierungstabellen. 4 BGH, Urt. v. 28.11.2000 – VI ZR 386/99, r+s 2001, 247; Urt. v. 31.3.1992 – VI ZR 143/91, VersR 1992, 973 = NJW-RR 1992, 852; Medicus, DAR 1994, 442.
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Kap. 32 Rz. 19
Vergleichsvereinbarungen
die noch nicht um Erwerbsleben stehen, wie Kinder etc.) sehr schwierig sein kann und häufig notwendigerweise mit großen Unwägbarkeiten behaftet ist. Die Rechtsprechung gewährt dem Geschädigten hier erhebliche Beweiserleichterungen gem. § 287 ZPO und § 252 Satz 2 BGB.1 19
Die Höhe ergibt sich aus dem bisherigen Verdienst und ggf. zu erwartenden Erhöhungen in der Zukunft. Konjunkturellen Schwankungen und Entwicklungen sind bei der Prognose Rechnung zu tragen. So kann insbesondere bei langfristigen Schätzungen nicht von einer kontinuierlichen Steigerung ausgegangen werden. Die Auswirkungen der Finanzkrise in den Jahren 2008 bis 2010 haben deutlich gemacht, dass auch sicher geltende Branchen durch kurzfristige Entwicklungen in Schieflage geraten können. Andererseits sind übliche und für Geschädigte erreichbare Beförderungsmöglichkeiten und/oder Tariferhöhungen einzubeziehen.
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Die Berechnung des monatlichen Erwerbsausfalls erfolgt sinnvollerweise netto, zuzüglich der evtl. weiter anfallenden Sozialbeiträge und Steuern.2
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Zu den Sozialbeiträgen gilt, dass diese vom Arbeitgeber und später von dem leistungspflichtigen Sozialversicherungsträger an den empfangsberechtigten Sozialversicherungsträger abgeführt werden. Ersatzansprüche gehen nach § 116 Abs. 1 Satz 2 SGB X auf den leistungspflichtigen Sozialversicherungsträger über, der diese vom Schädiger/Haftpflichtversicherer regressiert. Die Ersatzansprüche hinsichtlich der auf die ungedeckten Schadensspitzen entfallenden restlichen Beitragsanteile zur Rentenversicherung gehen gem. § 119 SGB X auf den Rentenversicherungsträger über. Sie werden vom Rentenversicherungsträger beim Haftpflichtversicherer geltend gemacht und dem Rentenkonto zugeführt.
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Für den Abfindungsvergleich bedeutet dies, dass die Sozialbeiträge im Rahmen eines Abfindungsvergleiches mit dem Geschädigten unberücksichtigt bleiben können. Es ist dann – eine richtige Abrechnung unterstellt – auch so, dass bei dem Geschädigten kein Rentenschaden mehr eintreten kann. Zur Sicherheit sollte dies aber durch Einholung von Auskünften abgeklärt werden. Der Erwerbsschaden bemisst sich daher nur nach dem Zeitraum des voraussichtlichen Erwerbslebens.
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Zu den Steuern ist zu beachten, dass Sozialleistungen ganz bzw. zum Großteil steuerfrei sind. Die Steuerschuld des Geschädigten reduziert sich nach dem Unfall also oft erheblich. bb) Laufzeit
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Wesentlich bei der Kapitalisierung des Erwerbsschadens ist, ob eine Kapitalisierung von einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit dem 65. – 67. Lebensjahr ausgeht, oder ob ein früherer Zeitpunkt gewählt wird. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung3 von dem gesetzlichen Normalfall mit dem 65. (jetzt 67.) Lebensjahr aus.
1 Vgl. hierzu nur BGH, Urt. v. 6.7.1993 – VI ZR 228/92, NJW 1993, 2673. 2 Der BGH hat in seinem Urt. v. 15.11.1994 – VI ZR 194/93, NJW 1995, 389 = MDR 1995, 155 = VersR 1995, 104, klargestellt, dass es im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob der Schaden nach der (modifizierten) Nettolohnmethode oder der (modifizierten) Bruttolohnmethode berechnet wird, zuletzt eingehend BGH, Urt. v. 28.9.1999 – VI ZR 165/98, NJW 1999, 3711 = NZV 1999, 508 = MDR 1999, 1505 = VersR 2000, 65. 3 Vgl. nur BGH, Urt. v. 26.9.1995 – VI ZR 245/94, NJW 1995, 3313 = r+s 1995, 458 = MDR 1995, 1218 = VersR 1995, 1447.
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Heß/Höke
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 31 Kap. 32
Es ist also individuell für den Geschädigten festzustellen, wann sein Ruhestand beginnen 25 würde. Dieser ist bei den Gruppen der Angestellten und Beamten ebenso unterschiedlich wie bei den Selbstständigen. Für Polizeibeamte gilt z.B. regelmäßig die Vollendung des 60. Lebensjahres als Zeitpunkt des Pensionsbeginns, für Soldaten die Vollendung des 59. Lebensjahres. Auch scheidet heutzutage kaum noch ein Lehrer im Alter von 65 Jahren aus dem aktiven Erwerbsleben aus; tatsächlich scheiden 80 % schon bis zum 63. Lebensjahr aus.1 Demgegenüber üben z.B. Rechtsanwälte und Ärzte häufig über das 65. Lebensjahr hinaus ihren Beruf aus. Im Übrigen sind auch unfallunabhängige Vorbelastungen zu berücksichtigen. Auch die beruflich bedingte besondere körperliche Belastung (z.B. Bauarbeiter, Bergmann, Bäcker) kann zur Annahme des vorzeitigen Ruhestandes führen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Geschädigte früher aus dem Erwerbsleben 26 ausgeschieden wäre, liegt beim Schädiger bzw. bei dessen Haftpflichtversicherung. Er muss eine vom gesetzlichen Normalfall abweichende Entwicklung darlegen. So kann sich etwa die Haftpflichtversicherung darauf berufen, dass der Geschädigte auch ohne den Unfall seine Arbeit später verloren hätte oder nicht über ein bestimmtes Alter hinaus gearbeitet hätte.2 Eine Bezugnahme auf einen lediglich statistisch ermittelten Durchschnittsendpunkt reicht nicht aus. Es muss schon ein konkreter Bezug zum Geschädigten vorliegen. So kann z.B. das Datum des üblichen Ausscheidens innerhalb der vergleichbaren Berufsgruppe (z.B. Grundschullehrer etc.) für die Prognose (§ 287 ZPO) vom Gericht herangezogen werden.3 In der Regulierungspraxis wird bei Männern häufig das 63., bei Frauen das 60. Lebensjahr als Endzeitpunkt des Erwerbslebens angesehen und danach die Kapitalisierung vorgenommen. Wegen des angehobenen Rentenalters ist hier von einer entsprechenden Verschiebung auszugehen.
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Bei einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sind auch zukünftige Erhöhungen (allgemeine Einkommenssteigerungen, beruflicher Aufstieg) mit in die Überlegungen einzubeziehen.
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Über den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben verbleibt i.d.R. kein weiterer Rentenschaden.
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cc) Abzinsung Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Höhe des Kapitalbetrages ist der Abzinsungsfaktor, mit dem der Zinsertrag des gezahlten Kapitals über die Laufzeit berücksichtigt wird.
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Die Zinserträge auf das eingesetzte Kapital werden in sog. Zeitrenten4 – oder Rentenbar- 31 werttabellen berücksichtigt. Unter Annahme eines Zinssatzes, mit dem das Kapital angelegt werden kann, und der festgelegten Laufzeit ergibt sich ein bestimmter Kapitalisierungsfaktor, mit dem der Jahresbetrag zu multiplizieren ist. Die Höhe des Zinssatzes ist nach Lage des Kapitalmarktes festzusetzen, wobei allerdings die Laufzeit eine entscheidende Höhe spielt: Je länger das Kapital angelegt wird, desto höhere Zinsen sind zu erwirtschaften.
1 Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 6 Rz. 34 m.w.N. 2 Etwa Konkurs/Insolvenz des Arbeitgebers, Zweitunfall bzw. unfallunabhängige Verschlimmerung von Vorerkrankungen; BGH, VersR 1967, 285. 3 S. Lemcke, r+s 1995, 384, Anm. zu BGH, Urt. v. 27.6.1995 – VI ZR 165/94, r+s 1995, 383 = NZV 1994, 441 = MDR 1995, 1218 = VersR 1995, 1321. 4 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Tabelle 23, S. 325; Luckey, Personenschaden, S. 419 ff.; Quirmbach/Gräfenstein/Deller, Kapitalisierungstabellen.
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Kap. 32 Rz. 32
Vergleichsvereinbarungen
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In der Praxis wird von einem Zinsfuß von 3 % bis 5 % ausgegangen.1 Im Einzelfall kann dieser Zinsfuß nach oben oder unten korrigiert werden.2 Es wird sicherlich auch darauf mit ankommen, ob ein sehr langer Zeitraum (bis zu mehreren Jahrzehnten) oder nur ein sehr kurzer, überschaubarer Zeitraum kapitalisiert wird.3 Mit der Länge der Laufzeit gewinnt der Zinsfuß auch zunehmend an Gewicht. Zu beachten ist, dass es für den Geschädigten günstiger ist, je niedriger der Zinsfuß ist (insoweit ist der Grundsatz, für den Mandaten einen möglichst hohen Zins zugrunde zu legen, bei der Abzinsung kontraproduktiv).
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In § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG wird bei Pensionsrückstellungen ein Zinssatz von 6 % akzeptiert. Der BGH hat in seinem Urt. v. 8.1.19814 5 % bis 5,5 % angesprochen, mit dem Hinweis auf das derzeitige Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt. In seinem Urt. v. 22.1.19865 hat er einen Zinssatz von 8 % erwogen mit Hinweis darauf, dass der Zinssatz in der Nachkriegszeit zwischen 6 % und 10 % geschwankt hat. Andererseits sind derzeit fast gar keine Zinsen zu erwirtschaften; erstmals gibt es sogar Strafzinsen für deponiertes Geld.
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Da es um langfristige Abzinsungen geht (oft bis zu 30 Jahren und mehr), kann es nicht auf Schwankungen nach beiden Seiten, die vielleicht für einige Jahre bestehen, ankommen. Es ist ein Durchschnittszinssatz zu nehmen, der z.B. dem Durchschnitt der Jahre entnommen werden kann, für deren Anzahl kapitalisiert werden soll (also z.B. für 20 Jahre Kapitalisierung der Durchschnittszins der letzten 20 Jahre, für nur 3 Jahre einen entsprechend kürzeren Zeitraum und damit näher am aktuellen Kapitalmarkt).
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Die Formel lautet: Monatsbetrag × 12 × Kapitalisierungsfaktor Beispiel: Es soll eine monatliche Zahlung von 500 Euro für die Dauer von 12 Jahren kapitalisiert werden. Nach der Barwerttabelle und unter Annahme eines Zinssatzes von 5 % ergibt sich ein Kapitalisierungsfaktor von 9,102. Die Rechnung lautet also: 500 Euro × 12 × 9,102 = 54 612 Euro.
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Den Einfluss des Kapitalisierungsfaktors belegt die Berechnung bei ansonsten gleicher Zahlung und bei einem Zinssatz von 4 %. Hierbei ergibt sich ein Kapitalisierungsfaktor von 9,38507. Beispiel: Die Rechnung lautet hier: 500 Euro × 12 × 9,38507 = 56 310,42 Euro. Zum Vergleich ohne Abzinsung: 500 Euro × 12 × 12 = 72 000 Euro.
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Weiter ist zu beachten, dass von den zu erzielenden Zinsen Bankgebühren und Steuern abzuziehen sind. Die Kapitalertragsteuer, die die Banken vor Auszahlung an Geschädigte 1 Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 1 Rz. 120; BGH, Urt. v. 8.1.1981 – VI ZR 128/79, MDR 1981, 306 = VersR 1981, 283, 285 = NJW 1981, 818; Schlund/Schneider, VersR 1976, 807; Schneider/Schneider, zfs 2004, 541; Schneider/Schneider, NZV 2005, 497; Lang, VersR 2005, 894; Langenick/Vatter, NZV 2005, 10; OLG Hamm, Urt. v. 12.2.2001 – 13 U 147/00, SP 2001, 267: Zinssatz zwischen 5 % und 6 %. 2 Schneider, VersR 1981, 493 [497]; Nehls, zfs 2004, 193, der für einen niedrigeren Zinsfuß eintritt. 3 Luckey, Personenschaden, S. 415 ff.; für einen flexiblen Realzins: Kornes, r+s 2003, 485; r+s 2004, 1. 4 BGH, Urt. v. 8.1.1981 – VI ZR 128/79, NJW 1981, 818 = MDR 1981, 306 = VersR 1981, 283. 5 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 65/84, BGHZ 97, 52 = VersR 1986, 552.
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Heß/Höke
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 43 Kap. 32
einbehält und an das Finanzamt abführt, beträgt 25 %. Von einer Abzinsung in Höhe von 4 % bleiben also real nur maximal 3 % übrig. In der Praxis ist zu beachten, dass gerade die Wahl der Verzinsung ein Verhandlungsgegenstand ist. Hier sind auf beiden Seiten Zugeständnisse zu machen und zu berücksichtigen. Für etwaige zu erwartende Steigerungen im Einkommen kann ein sogenannter Dynamikzuschlag eingebaut werden.1 In der Praxis wird dann z.B. ein Prozentpunkt je Kapitalisierungsfaktor als Zuschlag angesetzt.
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Beispiel: Erwerbsschaden einer 40-jährigen Frau bis zum 67. Lebensjahr in Höhe von 800 Euro monatlich, 3,75 % Zins: 800 Euro × 12 = 9 600 Euro jährlich × KapFaktor 16,755 = 160 848 Euro, zzgl. Dynamisierung = 16,755 % = 26 950,10 Euro, Gesamtabfindung also 187 798,10 Euro. dd) Vorversterbensrisiko Noch nicht berücksichtigt ist das Risiko, dass der Anspruchsberechtigte vor Ablauf des zu 39 entschädigenden Zeitraums verstirbt. Zur Berechnung dieses Aspektes kann man bei lebenslang zu zahlenden Renten die sog. Sterbetafeln heranziehen, die das Statistische Bundesamt in kurzen Abständen herausgibt (zuletzt 2010/2012). Sie geben die statistische Lebenserwartung getrennt nach Frauen und Männern ab dem Erreichen eines Lebensjahres an. Diesen Sterbetafeln liegen Zählungen der Erlebensquoten nach Jahrgängen zugrunde. So könnten wir in unserem vorangehenden Beispiel annehmen, es handele sich beim Ge- 40 schädigten um einen 30 Jahre alten Mann. Aus den Tabellen zur Sterblichkeit könnte man dann entnehmen, wie viele Männer das 30. und wie viele das 42. Lebensjahr erreichen, um zu errechnen, wie hoch die prozentuale Wahrscheinlichkeit ist, dass unser Geschädigter den Ablauf des 12-jährigen Ersatzzeitraums erlebt:2 41 Beispiel: Im Alter 30 gibt es von 100 000 Männern 98 059 Überlebende, im Alter 42 noch 96 444 Überlebende; die Wahrscheinlichkeit für unseren Geschädigten beträgt demnach 96 044 : 98 059 = 0,97945 %. Spitz gerechnet ergäbe sich also nach obigem Beispiel der Ersatzanspruch: 500 Euro × 12 × 9,102 × 0,98 = 53 519,76 Euro.
In der Praxis der Verhandlung des Geschädigten mit dem Haftpflichtversicherer ist diese weitgehende Differenzierung fast nicht anzutreffen. Man muss sich nur merken, dass es bei diesen Fällen zu einem kleinen Abschlag kommen kann (im Beispiel 2 %).
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Zum Vergleich eine andere Modellrechnung, die manchmal in der Praxis anzutreffen ist: 43 Man nimmt die Kapitalisierungstabelle für „Temporäre Leibrenten bis zum 60. Lebensjahr Männer“3 und liest den Kapitalisierungsfaktor ab, der sich für einen 48-jährigen Mann ergäbe (um die 12 Jahre Laufzeit zu erhalten).
1 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 65/84, BGHZ 97, 52 = VersR 1986, 552 = MDR 1986, 565. 2 Langenick/Vatter, VersR 2005, 10. 3 Z.B. abgedruckt in Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Tabelle I/2, S. 309.
Heß/Höke 653
Kap. 32 Rz. 44
Vergleichsvereinbarungen
Beispiel: Die Rechnung sieht dann so aus: 500 Euro × 12 × 8,819 = 52 914 Euro. 44
Man sieht also, dass hier der kapitalisierte Betrag geringer ausfällt als bei der genauen Berechnung. Der Grund ist die höhere Versterblichkeit eines 48-jährigen gegenüber unserem 30-jährigen Beispielsmann. Je älter der konkret Geschädigte ist, desto eher kann man aber mit dieser einfachen Methode zum richtigen Ergebnis kommen.
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Wird ein Erwerbsschaden bis zum Renteneintritt kapitalisiert, so ist das Vorversterbensrisiko in den einschlägigen Kapitalisierungstabellen1 bis zum 60., 63., 65. bzw. 67. Lebensjahr bereits eingerechnet. Allerdings ist zu beachten, dass die den Kapitalisierungstabellen zugrunde liegenden Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes alle zwei Jahre neu aufgelegt werden und die Tabellenwerke mit dieser Frequenz nicht Schritt halten. Man sollte also nach Möglichkeit Kapitalisierungstabellen wählen, denen eine zeitnahe Sterbetafel zugrunde gelegt worden ist. Zu beachten ist darüber hinaus, dass auch die Regulierer der Versicherer die gängigen Tabellenwerke anwenden, so dass man sich in der Vorbereitung auf eine Vergleichsverhandlung mit diesen Tabellen befassen sollte.
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Beispiel 1: 40-jähriger Angestellter in kaufmännischem Beruf wird dauerhaft erwerbsunfähig. Seine Branche gilt als sicher, individuelle Vorschäden liegen nicht vor. Hier ist also von einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren auszugehen. Zur Kapitalisierung ist demnach eine Tabelle für „Temporäre Leibrenten bis zum Endalter 67 für Männer“ heranzuziehen, der eine Sterbetafel mindestens von 2010/2012 zugrunde liegt. Die inzwischen erhöhte Lebenserwartung gegenüber dieser Sterbetafel kann durch eine leichte Erhöhung des Kapitalisierungsfaktors kompensiert werden. Der Zinsfuß soll 4 % betragen. In der Verhandlung wird ein monatlicher Verdienstausfall in Höhe von 2 500 Euro festgelegt. Chance und Risiko der konjunkturellen Entwicklung wird dadurch Rechnung getragen, dass man von einem gleich bleibenden Betrag ausgeht. Eine Rentenminderung tritt nicht ein, weil die Rentenbeiträge vom Rentenversicherer beim Haftpflichtversicherer regressiert und dem Rentenkonto gutgeschrieben werden. Berechnung mit der Tabelle Luckey:2 2500 Euro × 12 × Kapitalisierungsfaktor 15,998 = 479 940 Euro Berechnung mit der Tabelle Küppersbusch:3 2500 Euro × 12 × Kapitalisierungsfaktor 16,015 = 480 450 Euro Die aktuellere Sterbetafel mit der etwas längeren Lebenserwartung wirkt sich also im Beispiel beim Kapitalisierungsfaktor mit 0,1 aus. Kontrollrechnung (Zeitrententabelle ohne Berücksichtigung von Geschlecht und Sterblichkeit):4 2500 Euro × 12 × Kapitalisierungsfaktor 16,330 = 489 900 Euro
1 Schneider/Schlund/Haas, Kapitalisierungs- und Verrentungstabellen; Nehls/Nehls, Kapitalisierungstabellen; Quirmbach/Gräfenstein/Deller, Kapitalisierungstabellen; Luckey, Personenschaden, 415 ff. 2 Luckey, Personenschaden, S. 415 ff., Allgemeine Deutsche Sterbetafel 2010/2012. 3 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Tabelle I/5, S. 312, Abgekürzte Sterbetafel 2009/2011. 4 Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, S. 357 f.
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Heß/Höke
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 48 Kap. 32
Also hilft auch die vereinfachte Rechnung ohne Berücksichtigung von Geschlecht und Sterbetafel, annähernd zum richtigen Betrag zu kommen. Vergleichsrechnung mit Zinsfuß 3 %: Berechnung mit der Tabelle Luckey:1 2500 Euro × 12 × Kapitalisierungsfaktor 17,805 = 534 150 Euro. Vergleichsrechnung mit Zinsfuß 5 %: Berechnung mit der Tabelle Luckey:2 2500 Euro × 12 × Kapitalisierungsfaktor 14,464 = 433 920,- Euro. Man sieht also, dass der Zinsfuß ein höherer Hebel ist als die Wahl der Tabelle. Auch kommt es natürlich wesentlich darauf an, für welchen Zeitraum eine Kapitalisierung vorgenommen wird. Je länger dieser Zeitraum ist, desto geringer ist der Einfluss kurzfristiger Schwankungen. Beispiel 2: 47 32-jähriger Arbeiter in der Bauindustrie; abgeschlossene Lehre als Bauschlosser; Umsetzung innerhalb der Firma wegen schwerer Bein-/Hüftverletzungen, die eine gewerbliche Tätigkeit ausschließen, ins Büro; Minderverdienst auf Dauer 500 Euro/Monat. Es ist davon auszugehen, dass der Renteneintritt wegen der Schwere der ausgeübten Tätigkeit vor dem 65. Lebensjahr gelegen hätte, hier wird das 63. Lebensjahr angenommen; zur Korrektur der hohen konjunkturellen Risiken, vorzeitig erwerbslos zu werden, wird der Renteneintritt auf das 60. Lebensjahr vergleichsweise zwischen den Parteien festgelegt. Der Mandant ist darauf hinzuweisen, dass er nach wie vor eine Lücke von 5 Jahren zwischen vermuteter vorzeitiger Erwerbslosigkeit und vermutetem Renteneintritt durch private Vorsorge zu überbrücken hat. Auch wenn die jetzige Tätigkeit dazu führen kann, dass die körperlichen Belastungen deutlich geringer werden und damit eine längere Erwerbstätigkeitszeit zu erreichen wäre, ist doch zu befürchten, dass die unfallbedingten Dauerfolgen diesen „Vorteil“ wieder aufheben. Der Zinssatz soll 4 % betragen. Es muss also für 28 Jahre kapitalisiert werden. Berechnung mit der Tabelle Quirmbach/Gräfenstein/Deller:3 500 Euro × 12 × Kapitalisierungsfaktor 16,690 = 100 140 Euro. Berechnung mit der Tabelle Küppersbusch:4 500 Euro × 12 × Kapitalisierungsfaktor 16,687 = 100 122 Euro. Beispiel 3: 45-jährige Verkäuferin in Vollzeit im Einzelhandel; unfallbedingt nur noch halbtags einsetzbar; Minderverdienst 1500 Euro/Monat. Der Renteneintritt wird zwischen den Parteien auf das 63. Lebensjahr festgelegt, der Zinssatz auf 3 %.
1 Luckey, Personenschaden, S. 421, Abgekürzte Sterbetafel 2010/2012. 2 Luckey, Personenschaden, S. 421, Abgekürzte Sterbetafel 2010/2012. 3 Quirmbach/Gräfenstein/Deller, Kapitalisierungstabellen, S. 45, Allgemeine Deutsche Sterbetafel 2010/12. 4 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Tabelle I/2, S. 309, Abgekürzte Sterbetafel 1998/2000.
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Kap. 32 Rz. 49
Vergleichsvereinbarungen
Berechnung mit der Tabelle Quirmbach/Gräfenstein/Deller:1 1500 Euro × 12 × Kapitalisierungsfaktor 12,693 = 228 474 Euro. Hier ist zu beachten, dass einige Autoren nur die Tabellen bis zum 60. oder bis zum 65. Lebensjahr angeben. Entweder orientiert man sich also am Mittelwert der Faktoren bis zum 60. (z.B. Faktor 10,457) und dem 65. Lebensjahr (z.B. Faktor 12,438) mit kleinem Zuschlag nach oben, weil die Mitte ja nur bis zum 62,5. Lebensjahr ginge, oder man nimmt einen äquivalenten Zeitraum, z.B. vom 47. bis zum 65. Lebensjahr (z.B. Faktor 11,659). Berechnung mit der Tabelle Küppersbusch:2 1500 Euro × 12 × Kapitalisierungsfaktor 12,692 = 228 456 Euro. ee) Aufgeschobener Erwerbsschaden 49
Häufig tritt der Fall auf, dass zukünftig in der Höhe veränderte oder erst zukünftig fällig werdende Ansprüche abgefunden werden sollen. So ergeben sich z.B. häufig für Frauen in der Elternzeit, die zunächst geringfügig weiterbeschäftigt sind und später wieder vermehrt in den ursprünglichen Beruf einsteigen möchten, dies aber durch den Unfall nicht mehr können, in der Höhe unterschiedliche Ansprüche für unterschiedliche Zeiträume.
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Auch die Gefahr vorzeitiger Verrentung kann hiermit entschädigt werden. Beispiel 4: Vorzeitige Verrentung eines heute 30-jährigen Mannes mit 60 statt mit 65 Jahren. Dadurch entstehender Schaden soll 500 Euro/Mon. betragen. Berechnung: Da der Zeitraum für den Anspruch weit in der Zukunft liegt, darf nicht der Fehler gemacht werden, einfach nach der Rentenbarwerttabelle eine Zeitrente für den Zeitraum auszurechnen. Denn die erst später fällig werdende, aber schon jetzt kapitalisierte Rente wirft ja bis zu ihrem Fälligwerden z.T. erhebliche Zins- und Zinseszinserträge ab. Um nun nicht in endlose Zahlenkolonnen und Formeln zu versinken, ist die einfachste, zugleich aber auch sehr genaue Methode die sog. Differenzmethode;3 danach wird die Differenz zwischen der von jetzt bis zum Endzeitpunkt (hier Renteneintritt) berechneten Rente und derjenigen vom aufgeschobenen Zeitpunkt bis zum Renteneintritt gebildet. Differenzrechnung: 1. Alter 30 – Alter 65, 500 Euro/Mon.,4 abzüglich 2. Alter 30 – Alter 60, 500 Euro/Mon.,5 3. Verzinsung (hier 5 %) (500 Euro × 12 × 16,292 = 97 752 Euro) – (500 Euro × 12 × 15,411 = 92 466 Euro) = 5286 Euro. Der Betrag erscheint auf den ersten Blick gering, es ist aber zu beachten, dass die Summe ja 30 Jahre lang Zinsen und Zinseszinsen abwirft, bis sie eingesetzt wird. 1 Quirmbach/Gräfenstein/Deller, Kapitalisierungstabellen, S. 91, Allgemeine Deutsche Sterbetafel 2010/12. 2 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Tabelle I/10, S. 317, Abgekürzte Sterbetafel 2009/2011. 3 Nachweis und Vertiefung bei Langenick/Vatter, NZV 2005, 10; Quirmbach/Gräfenstein/Deller, Kapitalisierungstabellen, S. 27 f.; Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, S. 362 f. 4 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Tabelle I/4, S. 311. 5 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Tabelle I/2, S. 309.
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Heß/Höke
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 52 Kap. 32
Dieser Rechenweg funktioniert allerdings nur bei Zeiträumen, die mit demselben Ende versehen sind, wie die Kapitalisierungstabellen, also mit Endalter 60, 63, 65 und 67. Der o.g. alternative Rechenweg ist aber immer anwendbar: Genaue Berechnung: – Zeitrente nach Tabelle hier für 5 Jahre, – Abzinsung für den aufgeschobenen Zeitraum nach Abzinsungstabelle, – Vorversterblichkeit festlegen nach der Erlebenswahrscheinlichkeit des Zeitpunktes, auf den aufgeschoben wird. Berechnung also: 1. 500 Euro × 12 × 4,330 (Jahnke, Tabelle 6.1, S. 357) = 25 980 Euro 2. 25 980 Euro × 0,231 (Jahnke, Tabelle 6.3, S. 363) = 6001,38 Euro 3. Alter 60 (86 733 Überlebende: Alter 30 (98 059 Überlebende) = 0,8851 R 6001,38 Euro × 0,885 = 5311,22 Euro. ff) Gemischte Fälle Beispiel 5: 51 Alleinerziehende Mutter eines 10-jährigen Kindes, 38 Jahre alt; in Teilzeit tätig für 1200 Euro/ Monat; in 2 Jahren war geplant, die Arbeitszeit auf Halbtagsarbeit aufzustocken (Mehrverdienst 300 Euro/Monat) und in 6 Jahren wieder ganztags zu arbeiten (Mehrverdienst gegenüber halbtags 1 500 Euro/Monat); unfallbedingt volle Erwerbsunfähigkeit. Der Renteneintritt sollte mit 63 Jahren erfolgen, die Abzinsung bei 5 % liegen, der Haushaltsführungsschaden bleibt hier außen vor. Zu entschädigen ist also – Erwerbsausfall für 2 Jahre mit 1200 Euro/Mon. – Erwerbsausfall für die Zeit in 2 Jahren für 4 Jahre mit 1500 Euro/Mon. – Erwerbsausfall für die Zeit in 6 Jahren bis zum Renteneintritt (63. Lj.) mit 3000 Euro/ Mon. Berechnung demnach: 1. 1200 Euro × 12 × 1,909 = 27 489,60 Euro (Berechnung/Tabellen wie oben Bsp. 1 und 2) 2. 1500 Euro × 12 x 3,641 (Berechnung/Tabellen wie oben Bsp. 4) = 65 538 Euro (das Vorversterbensrisiko ist in zwei Jahren mit 0,998 so gering, dass es zu vernachlässigen ist) 3. 3000 Euro × 12 × 14,473 (Berechnung und Tabellen wie oben Bsp. 4) = 521 028 Euro × 0,746 (Abzinsung) = 388 686,88 Euro × (91 327/98 527 = 0,927) (Versterbensrisiko) = 360 312,73 Euro 4. Summe = 27 489,60 Euro + 65 538 Euro + 360 312,73 Euro = 453 340,33 Euro. gg) Unterhaltsschäden gem. § 844 BGB In die Fallgruppe der gemischten Fälle gehören streng genommen auch die Unterhaltsschäden, die je nach Zahl und Alter der Angehörigen entsprechende Vergleichsberechnungen nötig machen. Zu beachten ist dabei z.T. der Wegfall der Unterhaltspflichten gegenüber Kindern mit entsprechender Erhöhung bei dem hinterbliebenen Ehegatten.
1 Tabelle abgedruckt bei Langenick/Vatter, NZV 2005, 10 f.
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Kap. 32 Rz. 53
Vergleichsvereinbarungen
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Bei der Ermittlung des Einsatzbetrages für einen Unterhaltsschadensanspruch gem. § 844 Abs. 2 BGB ist zu ermitteln, welche Unterhaltsleistungen der Getötete, hätte er den Unfall überlebt, für die Dauer seines Lebens an den/die Unterhaltsberechtigten hätte erbringen müssen.
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Zu unterscheiden ist dabei zwischen Barunterhalt und Naturalunterhalt. Der Barunterhaltsanspruch1 resultiert aus der gesetzlichen, familienrechtlichen Unterhaltspflicht eines erwerbstätigen Ehegatten gegenüber den übrigen Familienmitgliedern. Bei Doppelverdienern ergeben sich dann Besonderheiten, weil sich der überlebende Ehegatte auch einen Wegfall seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem verstorbenen Gatten als Vorteilsausgleich anrechnen lassen muss.
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Der Naturalunterhaltsanspruch resultiert aus der gegenseitigen Unterstützungspflicht im Haushalt. Bei Kindern reduziert sich dieser Anspruch durch die Pflicht zur Mithilfe (ab 14. Lebensjahr ca. 1 Std./Tag) und endet mit der Volljährigkeit.
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Bei der Berechnung eines Abfindungsbetrages ist Folgendes zu berücksichtigen: – Spätestens mit dem mutmaßlichen Tod des Unterhaltsverpflichteten endet der Unterhaltsanspruch, – schon früher mit dem Wegfall der Leistungsfähigkeit – oder mit dem Wegfall der Bedürftigkeit des Unterhaltsverpflichteten.
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Insbesondere bei Waisen ist der Wegfall der Bedürftigkeit durch eigene Einkünfte, insbesondere einer (späteren) Erwerbstätigkeit zu beachten.
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Der Maßstab für eine Erwerbsobliegenheit eines Hinterbliebenen im Rahmen des § 844 Abs. 2 BGB ist der § 254 Abs. 2 BGB. Der Anspruchsberechtigte muss einem ihm möglichen und auch zumutbaren Erwerb nachgehen.
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Bei Witwen/Witwern ist neben einer eigenen Erwerbstätigkeit (wozu auch ggf. eine Verpflichtung bestehen kann) insbesondere auch die Einbeziehung einer Wiederverheiratung zu berücksichtigen. Tabellen, die die statistische Wiederverheiratungschance berücksichtigen,2 sind allerdings problematisch. Die tatsächliche Bereitschaft zur Wiederheirat hängt von so vielen individuellen Faktoren ab, so dass eine einigermaßen verlässliche Prognose nicht möglich ist. Auch ist sicherlich die Bereitschaft eines Schadensersatzberechtigten zur erneuten Eheschließung gering, wenn diese zum Wegfall des Ersatzanspruches führt.
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Bei Witwen, Witwer bzw. Waisenversorgung ist zu beachten, inwieweit Ansprüche auf rentenleistende Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Bei Arbeitsunfällen ist dies für die gezahlten Berufsgenossenschafts-Renten regelmäßig der Fall. b) Lebenslang zu entschädigende Ansprüche
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Bei Ansprüchen, die bis zum mutmaßlichen Lebensende des Geschädigten zu erstatten sind, greifen die oben gezeigten Kapitalisierungstabellen zu kurz. Hier müssen Tabellen angewandt werden, die die Lebenserwartung je nach Geschlecht und dem bereits erreichten Alter berücksichtigen. Auch bei diesen Tabellen sollte darauf geachtet werden, dass die zugrunde liegenden Sterbetafeln möglichst aktuell sind.
1 Zur Berechnung vgl. Pardey, Berechnung von Personenschäden; Jahnke/Burmann, Handbuch des Personenschadensrechts, S. 708 ff. 2 Auch hierzu gibt es Tabellen, vgl. Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, S. 254, § 6 Rz. 28.
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Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 67 Kap. 32
aa) Grundlagen Zu dieser Fallgruppe gehören die Ansprüche – auf Schmerzensgeld, – wegen vermehrter Bedürfnisse (z.B. Pflege, Prothesenersatz, orthopädische Schuhe), – auf Haushaltsführungsschadensersatz.
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Eine Rente wegen vermehrter Bedürfnisse ist regelmäßig wie eine Schmerzensgeldrente 63 lebenslang zu zahlen. Insbesondere bei der Kapitalisierung einer Mehrbedarfsrente ist zu beachten, dass diese lebenslang geschuldet wird und sich mit zunehmendem Alter der Bedarf erhöhen und auch nicht unerhebliche Kostensteigerungen erfolgen können (gerade im Bereich des Mehrbedarfes haben sich in der Vergangenheit die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen besonders ausgewirkt). Bei der Schmerzensgeldrente ist zu beachten, dass auch eine Schmerzensgeldrente nicht zu einer Erhöhung des insgesamt zu zahlenden Schmerzensgeldes, sondern nur zu einer Aufteilung des als angemessenen befundenen Schmerzensgeldes auf Kapital und Rente führt. Schmerzensgeld wird regelmäßig in einer Summe gezahlt. Rentenzahlungen kommen nur in Ausnahmefällen bei besonders gravierender, dauernder Beeinträchtigung vor.1 Dann ist es aber auch nicht sinnvoll, diesen Sonderfall wieder einer Kapitalisierung zuzuführen. Letztlich kommt immer nur eine Summe zur Abgeltung der erlittenen Schmerzen in Betracht, die allenfalls in Sonderfällen als Rentenzahlung ausgekehrt wird.2
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Der Haushaltsführungsschaden bei einer verletzten Person wird in drei Schritten ermittelt:3 – In welchem Umfang der Geschädigte vor dem Unfall wöchentlich im Haushalt tätig war, – in welchem Umfang er nun unfallbedingt nicht mehr in der Lage ist, den Haushalt zu führen (haushaltsspezifische Minderung, hierbei geht es nicht um die allgemeine M.d.E., die haushaltsspezifische Minderung liegt in der Regel unter der allgemeinen M.d.E.), – Ermittlung des Einsatzbetrages für eine erforderliche Ersatzkraft.
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In der Praxis werden diese Daten teilweise anhand von Tabellen,4 die Schätzungsgrund- 66 lagen geben, ermittelt. Zu beachten ist aber, dass es für die Schadensermittlung auf den erforderlichen Zeitaufwand, den eine bezahlte Ersatzkraft für den unfallbedingten Ausfall benötigt, und nicht allein auf den tatsächlichen Arbeitsaufwand ankommt. Aber auch ohne ausgedehnte Tabellenrechnerei kann die Erörterung mit der Mandantschaft und die Abschätzung nach den örtlich üblichen Stundensätzen genügen. Letztlich geht es nicht um abstrakte Tabellenwerte, sondern um die Berechnung des konkreten Haushaltsführungsschadens. Ebenfalls ist bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens zu beachten, dass geringe- 67 re Beeinträchtigungen im Haushalt besser kompensiert (Pausen, Arbeitseinteilung) werden können. Hieran knüpft die Rechtsprechung an, die bei einer Minderung der Erwerbsfähig-
1 BGH, Urt. v. 15.3.1994 – VI ZR 44/93, NJW 1994, 1592 = NZV 1994, 271. 2 BGH, Urt. v. 21.7.1998 – VI ZR 276/97, NJW 1998, 3411 = NZV 1998, 500. 3 Vgl. hierzu Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 6 D Rz. 88a ff.; Heß/Burmann, Der Haushaltsführungsschaden bei Verletzung – ein Fall für § 287 ZPO, NZV 2010, 8 ff. 4 Tabellen Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, insbes. Tabelle 1 und 8 für die Ermittlung der Arbeitsleistung vor dem Unfall; Tabellen 6 und 6a zur haushaltsspezifischen Minderung; Tabellen 3, 5 und 5a zur Ermittlung des Ersatzbetrages.
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Kap. 32 Rz. 68
Vergleichsvereinbarungen
keit bis zu 20 % jedenfalls bei einem allein Haushaltsführenden keinen Ersatzanspruch wegen Beeinträchtigungen in der Haushaltsführung zugesteht.1 68
Gerade bei der Kapitalisierung eines Haushaltsführungsschadens ist auch zu beachten, dass im Laufe der Jahre der Aufwand im Haushalt geringer wird (die Kinder verlassen das Haus, Umzug in kleinere Wohnung etc.). Auch wenn heute bei 75 Jahren nicht notwendigerweise der Endzeitpunkt für einen Haushaltsführungsschaden liegt, hat sich dies für die Abfindung als durchschnittlicher Endzeitpunkt eingebürgert.2 Teilweise wird der Haushaltsführungsschaden auch lebenslang kapitalisiert, wobei dann aber, da ab einem bestimmten Zeitpunkt der Umfang der Hausarbeit altersbedingt nachlässt, der unfallbedingte Zeitausfall sich mit zunehmendem Alter reduziert.
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Auch muss bei der Einbeziehung eines Haushaltsführungsschadens beachtet werden, dass dieser auf einen Sozialversicherungsträger, der z.B. eine Berufsgenossenschafts-Rente zahlt, übergegangen sein kann. Soweit der Verletzte in der Versorgung der Familie ausfällt, handelt es sich um einen Erwerbsschaden, der kongruent mit Einkommensersatzleistungen eines Sozialversicherungsträgers (Verletztenrente, Erwerbsunfähigkeitsrente) und daher im Umfang der Zahlungen auf den Sozialversicherungsträger übergeht.3 Handelt es sich um die Beeinträchtigung in der Eigenversorgung, so verbleibt der Schaden insoweit bei der Verletzten und gehört in die Schadensgruppe „vermehrte Bedürfnisse“. Die Rechtsprechung nimmt die Aufteilung gem. § 287 ZPO zwischen beiden Schadensarten bei dem Verletzten im Verhältnis nach Kopfteilen vor.4
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Beim Haushaltsführungsschaden ist wie bei den zeitlich begrenzten Ansprüchen zunächst ein Monats-/Jahresbetrag zu ermitteln, der dann mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert wird. Dieser Faktor wird aber nicht aus den Zeittabellen (s.o.) entnommen, sondern aus denen, die die statistische Lebenserwartung nach dem erreichten Alter berücksichtigen.5
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Die Berechnungsformel lautet: Monatsbetrag × 12 × Kapitalisierungsfaktor Beispiel 6: Greifen wir Bsp. 5 von oben noch einmal auf und nehmen an, dass über den Erwerbsschaden hinaus ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 300 Euro/Mon. entstanden ist. Berechnung: 300 Euro × 12 × 17,866 = 64 296 Euro. Berücksichtigt man nun, dass die Geschädigte mit Erreichen des 38. Lebensjahres noch eine durchschnittliche Lebenserwartung bis zum 83. Lebensjahr7 hat, ist ein Abzug erforderlich, da wie gesagt ab dem 75. Lebensjahr auch unfallunabhängig mit einer deutlichen Minde1 OLG Nürnberg, Urt. v. 13.12.2000 – 4 U 4590/99, DAR 2001, 366 = OLG Nürnberg v. 13.12.2000 – 4 U 4590/99, VersR 2002, 245. 2 BGH, Urt. v. 7.5.1974 – XI ZR 10/73, VersR 1974, 1016 (1018); OLG Frankfurt, Urt. v. 14.7.1981 – 12 U 65/80, VersR 1982, 981; OLG Hamm v. 21.2.1994 – 6 U 225/92, NJW-RR 1995, 599 = r+s 1995, 340. 3 BGH, Urt. 4.12.1984 – VI ZR 117/83, MDR 1985, 660 = VersR 1985, 356 = NJW 1985, 735; Urt. v. 8.10.1996 – VI ZR 247/95, r+s 1997, 22 = MDR 1997, 146 = VersR 1996, 1565 = NJW 197, 256; a.A. Eckelmann, DAR 1992, 121. 4 BGH, Urt. v. 8.10.1996 – VI ZR 247/95, r+s 1997, 22 = MDR 1997, 146 = VersR 1996, 1565. 5 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, S. 297 Rz. 860, S. 298 Rz. 863. 6 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Tabelle Nr. I/8, S. 315. 7 Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Tabelle Nr. IV/1, S. 342.
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Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 77 Kap. 32
rung der eigenen Leistungsfähigkeit der Geschädigten zu rechnen wäre. Eine Hilfsüberlegung dazu ist, aus der Kapitalisierungstabelle den Faktor abzulesen, der für die lebenslange Leistung an eine entsprechend 7 Jahre ältere Frau angemessen wäre (hier: 16,884). Die korrigierte Rechnung sähe dann so aus: 300 Euro × 12 × 16,884 = 60 782,40 Euro. bb) Kapitalisierung bis zum Lebensende Bei Renten bis zum hypothetischen Lebensende des Geschädigten ist die Laufzeit der Sterbetafel zu entnehmen.1 Die Kapitalisierungstabellen berücksichtigen nur die durchschnittliche und nicht die individuelle Lebenserwartung. Neben der allgemeinen Lebenserwartung, die in den Sterbetafeln eingearbeitet ist, kommt es auf weitere individuelle Einflussfaktoren des Geschädigten (wie z.B. unfallunabhängige Vorerkrankungen mit verkürzter Lebenserwartung) an.
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Bei lebenslangen Renten ist es für die Kapitalisierung auch bedeutsam, welche Sterbetafel 73 zugrunde gelegt wird (s.o.). Allerdings fällt die Wahl der Tabelle der bei der Kapitalisierung vorzunehmenden Prognose viel weniger ins Gewicht als die anderen Faktoren, wie Arbeitsplatzrisiko, berufliche Entwicklung, Dauer der Erwerbstätigkeit und Zinssatz.
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Die Sterbetafeln erfassen nur deutsche Staatsangehörige.2 Die Lebenserwartung von „Gast- 75 arbeitern“ der „ersten Generation“ ist – im Gegensatz zu der Lebenserwartung späterer Generationen – kürzer.3 Gleiches dürfte für Aussiedler aus Osteuropa gelten.4 4. Beratungspflicht des Anwaltes a) Grundlagen Wegen der weitreichenden Folgen trifft den Rechtsanwalt eine umfassende Beratungs- 76 pflicht.5 Der Anwalt darf daher ein vorteilhaftes Vergleichsangebot nicht ohne ausreichende Beratung seines Mandaten ablehnen. Er ist auch aus dem Anwaltsvertrag verpflichtet, über den Inhalt und die Tragweite des Abfindungsvergleichs aufzuklären und insbesondere darüber zu belehren, dass z.B. Fehleinschätzungen über die künftige Entwicklung grundsätzlich zu dem in dem Vergleich übernommenen Risiko gehören. Die grundsätzliche Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Darlegung der Vor- und Nachteile gilt besonders bei dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs.6 Der Anwalt haftet für dadurch entstehende Nachteile, wenn er einen Abfindungsvergleich 77 ohne Zustimmung des Geschädigten/Mandanten abschließt.7 Bei einem Abfindungsvergleich mit für den Geschädigten erheblichen, im Einzelnen häufig nicht überschaubaren Konsequenzen (insbesondere bei Dauerschäden), muss der Anwalt ausführlich über die Vorteile
1 2 3 4
BGH, Urt. v. 27.1.2004 – VI ZR 342/02, NZV 2004, 291. BGH, Urt. v. 8.11.2001 – IX ZR 404/99, NZV 2002, 268. Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 1 Rz. 128. Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 1 Rz. 129; bei Jahnke findet sich unter § 6 Rz. 77 auch eine Zusammenstellung internationaler Sterbetafeln für Männer und Frauen. 5 Vgl. Burghart, NZV 2005, 441. 6 BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 222/09. 7 BGH, Urt. v. 21.4.1994 – IX ZR 123/93, MDR 1994, 730 = VersR 1994, 1298 = NJW 1994, 2085 = NZV 1994, 311; Burghart, NZV 2005, 441.
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Kap. 32 Rz. 78
Vergleichsvereinbarungen
und die Risiken, insbesondere der Abgeltung unübersehbarer Spätfolgen, belehren.1 Der Rechtsanwalt darf einen bindenden Abfindungsvergleich, der insbesondere bei schwerwiegenden Personenschäden eine nicht unerhebliche Tragweite hat, nur schließen, wenn er seinen Mandanten hierüber ausführlich berät und dieser zugestimmt hat.2 Schwere Verletzungen und dadurch bedingte Behinderungen sowie die ärztlich attestierte Gefahr einer Verschlimmerung können im Einzelfall bei einem jüngeren Mandanten auch Anlass sein, von einem Abfindungsvergleich abzuraten.3 Dies gilt auch, wenn begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich besseres Ergebnis zu erzielen.4 Zur Aufklärung gehört auch, zur Wahrscheinlichkeit des Prozessausgangs und zu dem Grad des Risikos der Prozessführung Stellung zu nehmen.5 Es kommt hierbei auf eine ex-ante Betrachtung an.6 78
Diese Beratungspflicht wird dem Anwalt auch nicht durch das Gericht abgenommen.7 Auch ein Vergleich, der auf Vorschlag des Gerichts abgeschlossen wird, entlastet den Rechtsanwalt daher nicht. Verstößt der Rechtsanwalt gegen seine Beratungspflicht, so haftet er für einen dadurch entstandenen Schaden wegen der Verletzung des Beratervertrages.8 Der Anwalt haftet für jeden Fehler, auch bei leichter Fahrlässigkeit, mit der Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB für fehlendes Verschulden. Zu der Beratungspflicht gehört es u.U. auch, vor Abschluss eines Abfindungsvergleichs weitere Informationen (z.B. ärztliche Gutachten) einzuholen oder zumindest den Mandanten auf diese Möglichkeit hinzuweisen.9 Es besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass derjenige, der hätte beraten werden sollen, sich beratungsgemäß verhalten hätte, wenn er zutreffend aufgeklärt und beraten worden wäre.10 b) Belehrung des Mandanten
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Zur besseren Dokumentation empfiehlt es sich, die Belehrung auch schriftlich festzuhalten. Die Erfahrung zeigt, dass es Mandanten gibt, die sich, wenn sich später Risiken, die diese bei Abschluss des Abfindungsvergleichs trotz ausreichender Beratung nicht wahrhaben wollten oder die falsch eingeschätzt worden sind, verwirklichen, behaupten, hierüber seien sie nicht aufgeklärt worden. Sie hätten auch bei einer entsprechenden Aufklärung „natürlich“ einen solchen Vergleich nie abgeschlossen. Zwar obliegt die Beweislast für eine Falschberatung dem Mandanten, gleichwohl ist es für den Rechtsanwalt unbedingt empfehlenswert, die Beratung auch schriftlich nachweisen zu können.
1 BGH, Urt. v. 17.1.2002 – IX ZR 182/00, MDR 2002, 547 = VersR 2002, 887; Urt. v. 8.11.2001 – IX ZR 64/01, NZV 2002, 114; Urt. v. 21.4.1994 – IX ZR 123/93, MDR 1994, 730 = VersR 1994, 1298 = NJW 1994, 2085 = NZV 1994, 311; Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 6 R Rz. 11. 2 BGH, Urt. v. 8.11.2001 – IX ZR 64/01, NZV 2002, 114; Urt. v. 21.4.1994 – IX ZR 123/93, MDR 1994, 730 = VersR 1994, 1298 = NJW 1994, 2085 = NZV 1994, 311. 3 OLG Köln, Urt. v. 22.3.1995 – 11 U 184/94, NJW-RR 1995, 1529 = VersR 1995, 1315: 27 Jahre. 4 Günter, SVR 2014, 54. 5 BGH, Urt. v. 8.12.1983 – I ZR 183/81, MDR 1984, 374 = NJW 1984, 791; OLG Köln, BeckRS 2012, 05538. 6 BGH, Urt. v. 5.1.1968 – VI ZR 137/66, VersR 1968, 450; OLG Hamm v. 18.2.1992 – 28 U 209/91, VersR 1992, 1404. 7 OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.11.1991 – 15 U 191/90, zfs 1992, 334. 8 BGH, Urt. v. 14.1.1993 – IX ZR 76/92, NJW 1993, 1325; OLG Koblenz, Urt. v. 29.1.1982 – 8 U 408/81, VersR 1983, 450 m. Anm. Baumgärtel. 9 OLG Hamm, Urt. v. 4.6.2009 – 28 U 66/07, I-28 U 66/07, BeckRS 2012, 05538. 10 BGH, Urt. v. 30.3.2000 – IX ZR 53/99, NJW 2000, 2814 = MDR 2000, 913; Urt. v. 30.9.1993 – IX ZR 73/93, MDR 1994, 211 = NJW 1993, 3259.
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Rz. 81 Kap. 32
Folgendes Schreiben1 ist empfehlenswert:
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„Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, in obiger Angelegenheit schlägt die Versicherung/das Gericht Ihnen einen Abfindungsvergleich vor. Der Vorschlag geht dahin, dass Sie eine Zahlung von … Euro erhalten sollen. Mit der Zahlung dieses Betrages sollen aber ihre gesamten Ansprüche aus dem Unfallereignis endgültig auch für die Zukunft erledigt sein. Pflichtgemäß dürfen wir Sie nachfolgend über die Vor- und Nachteile einer solchen endgültigen Abfindung informieren. Ein Vorteil eines Gesamtabfindungsvergleiches besteht in der Regel darin, dass der Verletzte ‚auf einen Schlag‘ einen relativ hohen Geldbetrag erhält; dieser liegt i.d.R. deutlich über der Summe, die im Falle eines Urteils unter gleichzeitigem Ausspruch einer Ersatzpflicht für künftige Schäden ausgesprochen würde. Ein Nachteil eines Gesamtabfindungsvergleiches besteht darin, dass es immer relativ schwer abzuschätzen ist, wie sich der Schaden in Zukunft entwickelt. Bei einer endgültigen Abfindung muss der Verletzte das Risiko eventueller Fehleinschätzungen über die künftige Entwicklung der unfallbedingten Körperschäden allein tragen. Bei Verwirklichung dieses Risikos kann der Verletzte deshalb später grundsätzlich keine Schadensersatzansprüche und Nachforderungen mehr geltend machen, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um unvorhergesehene Spätfolgen handelt. Nur dann, wenn ein später eintretender weiterer Schaden ohnehin objektiv völlig außerhalb dessen liegt, was sich die Parteien bei Vergleichsabschluss vorgestellt haben, wenn subjektiv die künftige Verschlechterung bei dem aktuellen Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses unvorhersehbar war, und wenn schließlich der nach Vergleichsabschluss eingetretene Schaden so erheblich ist, dass beide Parteien bei Kenntnis hiervon nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs den Vergleich nicht abgeschlossen hätten und die Gegenseite (Versicherung) dem Geschädigten die Schließung eines solchen Vergleiches auch nicht zugemutet hätte, kann die Annahme in Betracht kommen, dass sich nach dem beiderseitigen Willen der Verzicht des Verletzten nicht auf solche sog. Spätfolgen erstrecken sollte. Schon aus der Vielzahl dieser Voraussetzungen kann man entnehmen, dass es sich um eine seltene Ausnahme handelt. Grundsätzlich sind auch solche Spätfolgen immer mit einer Gesamtabfindungsregelung abgegolten. Der Anwalt ist nach der Rechtsprechung verpflichtet, einen bindenden Abfindungsvergleich mit nicht unerheblicher Tragweite nur zu schließen, wenn er seine Partei hierüber belehrt hat und die Partei zugestimmt hat. Wir können einen Abfindungsvergleich deshalb nur dann abschließen, wenn die nachstehende Erklärung von Ihnen unterzeichnet und anschließend wieder an uns zurückgesandt wird.“
Für die Erklärung selbst empfiehlt sich folgender Wortlaut:2
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„Von den Rechtsanwälten … bin ich eingehend über die Besonderheiten eines endgültigen Abfindungsvergleiches unterrichtet worden, insbesondere über das Risiko eventueller Fehleinschätzungen über die künftige Entwicklung der unfallbedingten Körperschäden, welches ich grundsätzlich allein tragen muss. Mir ist bewusst, dass ich auch bei einer Verwirklichung dieses Risikos grundsätzlich keine Schadensersatzansprüche habe und keine Nachforderungen mehr geltend machen kann. Alle materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche aus dem streitigen Vorfall werden also endgültig, d.h. für Vergangenheit und Zukunft abgegolten, seien sie derzeit bekannt und vorhersehbar oder nicht. Eine mündliche Aufklärung über die Risiken eines Abfindungsvergleiches habe ich in Anspruch genommen. Weitere Fragen habe ich nicht. Nach reiflicher Überlegung und Abwägung der Vor- und Nachteile einer endgültigen Abfindungsregelung erkläre ich, dass ich mit dem Abschluss eines Abfindungsvergleiches durch die Rechtsanwälte … einverstanden bin.“ (Datum, Unterschrift) 1 Vgl. auch ein entsprechendes Muster für eine Belehrung von Born bei Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 3 B Rz. 422. 2 Vgl. Berz/Burmann/Born, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 3 B Rz. 220.
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Kap. 32 Rz. 82
Vergleichsvereinbarungen
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Eine solche Belehrung muss nicht notwendigerweise in einem gesonderten Formular enthalten sein. Bei einem bloßen Schreiben an den Mandanten stellt sich dann aber ein Problem, wenn der Zugang eines solchen Schreibens bestritten wird.1
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Es empfiehlt sich allerdings ohnehin, solche Abfindungserklärungen vom Mandanten selbst unterzeichnen zu lassen. Auch so begegnet man zusätzlich späteren Auseinandersetzungen mit dem Mandanten über den Inhalt des Vergleiches.
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Wird nur eine teilweise Abfindung vorgenommen (s.u. Rz. 30 ff.), so ist die Belehrung dann auf diese Teilabfindung anzupassen. 5. Vergleich und Abänderung/Anfechtung a) Wegfall der Geschäftsgrundlage/§ 242 BGB
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Bei einem umfassenden Abfindungsvergleich werden i.d.R. auch nicht vorhersehbare Spätschäden ausdrücklich eingeschlossen (s.u. M 32.1 [Rz. 95]). Hierin liegt ein Verzicht, der dann der Geltendmachung auch unvorhersehbarer Spätfolgen entgegensteht.2
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Das gilt auch dann, wenn die ärztliche Auskunft, die der Verletzte vorher eingeholt hat, objektiv unrichtig war,3 oder wenn der Rechtsanwalt den Geschädigten nicht ausreichend über die Bedeutung des Abfindungsvergleichs beraten hat.4 Dies sind Risiken, die grundsätzlich einseitig in der Risikosphäre des Geschädigten liegen, wie umgekehrt der Schädiger/dessen Haftpflichtversicherung das Risiko trägt, dass sich die spätere Entwicklung anders darstellt, als prognostiziert.5 Er muss dann auch bei erheblichen Verschlechterungen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt zu Tage treten, die Folgen tragen.6 Soweit der Geschädigte somit bei Abschluss eines umfassenden Abfindungsvergleichs das Risiko in Kauf nimmt, dass die für die Berechnung des Ausgleichbetrags maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen und sie sich demgemäß positiv oder negativ verändern können, ist ihm die Berufung auf eine Veränderung der Vergleichsgrundlage verwehrt.7 So führte auch im Fall des BGH vom 12.2.20088 bei einer umfassenden Abfindung der (zeitweilige) Wegfall des Blindengeldes nicht dazu, dass der Abfindungsvergleich wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder einer Äquivalenzstörung anzupassen war.
87
Nur in ganz extrem gelagerten Ausnahmefällen kann wegen nachträglich eingetretener Spätfolgen eine so erhebliche Äquivalenzstörung vorliegen, dass ein Festhalten an dem Vergleich
1 Es entspricht der forensischen Erfahrung, dass zwar nur wenige Promille von Schreiben nicht ankommen und bei der Post verloren gehen, dass aber gerade bei einer streitigen Auseinandersetzung wichtige Schreiben doch sehr häufig „nicht ankommen“ und deren Zugang bestritten wird. 2 OLG Hamm, Urt. v. 5.8.1999 – 23 U 16/99, NZV 2000, 127; OLG Nürnberg, Urt. v. 1.7.1999 – 2 U 531/99, NZV 2000, 507 = r+s 2000, 459 = VersR 2001, 982; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.9.1994 – 1 U 93/93, NZV 1995, 482 = VersR 1996, 642 = r+s 1995, 460; OLG Frankfurt, Urt. v. 6.2.1992 – 15 U 223/90, VersR 1993, 1147 = r+s 1993, 178; Jahnke, VersR 1995, 1145. 3 OLG Hamm, Urt. v. 20.2.1997 – 27 U 216/96, NZV 1997, 440 = VersR 1998, 632. 4 OLG Nürnberg, Urt. v. 1.7.1999 – 2 U 531/99, NZV 2000, 507 = r+s 2000, 459 = VersR 2001, 982. 5 BGH, Urt. v. 16.9.2008 – VI ZR 296/07, VersR 2008, 1648; OLG Jena, Urt. v. 6.7.2011 – 4 U 277/11, r+s 2012, 147. 6 BGH, Urt. v. 19.6.1990 – VI ZR 255/89, MDR 1990, 995; OLG München, zfs 2007, 380. 7 St. Rspr. des BGH, vgl. nur BGH, Urt. v. 12.2.2008 – VI ZR 154/07, NJW-RR 2008, 650 = MDR 2008, 563; Urt. v. 16.9.2008 – VI ZR 296/07, BeckRS 2008, 21857. 8 BGH, Urt. v. 12.2.2008 – VI ZR 154/07, MDR 2008, 563 = BeckRS 2008, 04540; Vorinstanz OLG Oldenburg, r+s 2007, 522.
664
Heß/Höke
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 91 Kap. 32
für den Geschädigten eine so ungewöhnliche Härte darstellten würde, dass die Berufung auf den Vergleich gegen Treu und Glauben verstößt.1 Die Abgrenzung zu einem „krassen Missverhältnis“ ist fließend. Dass sich unvorhersehbare Spätfolgen eingestellt haben, reicht grundsätzlich nicht aus.2 Es muss um die Vermeidung untragbarer, mit Gerechtigkeit nicht zu vereinbarender Folgen gehen.3 Die Voraussetzungen für die Annahme einer solchen unzumutbaren Härte sind allerdings hoch.4 Der Vertrag ist dann entsprechend (regelmäßig mit ex nunc Wirkung) anzupassen.5
88
Sind allerdings beide Parteien bei der Berechnung des Abfindungsbetrags übereinstimmend 89 von falschen tatsächlichen Voraussetzungen (im Fall: Höhe der Zahlungen durch die Berufsgenossenschaft) ausgegangen und bestand über den Berechnungsweg grundsätzlich Einverständnis, fehlt es bei einem derartigen beiderseitigen Irrtum an der Geschäftsgrundlage.6 Liegt ein solcher gemeinsamer Irrtum vor, ist zu prüfen, ob der Vertrag bei Kenntnis der richtigen Berechnungsgrundlage nicht oder mit verändertem Inhalt geschlossen worden wäre.7 b) Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB Ein Abfindungsvergleich kann unter den gleichen Voraussetzungen wie jeder Vertrag nach 90 § 119 BGB (Irrtum) oder nach § 123 BGB (arglistige Täuschung) angefochten werden. So hat das OLG Hamm8 dem Haftpflichtversicherer Ersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss und Bereicherungsansprüche zugebilligt, weil der Geschädigte bei Abschluss des Vergleiches verschwiegen hatte, dass er (weil Arbeitsunfall) eine Verletztenrente bezog und die Berufsgenossenschaft nun (zeitlich nach Abschluss des Abfindungsvergleiches) Regress nahm.9 c) Abänderung Eine Abänderung wegen veränderter Umstände gem. § 323 ZPO scheidet grundsätzlich bei 91 einem umfassenden Abfindungsvergleich aus.10 Unsichere Zukunftschancen und individuelle Verhältnisse waren bereits bei der Ermittlung des Abfindungsbetrages zu berücksichtigen. Fehleinschätzungen gehören zu den Risiken, die mit einem Abfindungsvergleich typischerweise verbunden sind.
1 BGH, Urt. v. 19.6.1990 – VI ZR 255/89, r+s 1990, 338 = MDR 1990, 995 = VersR 1990, 984; Müller, VersR 1998, 129; OLG Schleswig, Urt. v. 30.8.2000 – 4 U 158/98, VersR 2001, 983; OLG Jena, r+s 2012, 147. 2 OLG Nürnberg, Urt. v. 1.7.1999 – 2 U 531/99, NZV 2000, 507 = r+s 2000, 459 = OLG Nürnberg v. 1.7.1999 – 2 U 531/99, VersR 2001, 982. 3 BGH, Urt. v. 31.5.1990 – I ZR 233/88, NJW 1991, 1478 (1479). 4 OLG Köln, r+s 2012, 178. 5 BGH, Urt. v. 2.5.1972 – VI ZR 47/71, NJW 1972, 1577 (1579). 6 BGH, Urt v. 16.9.2008 – VI ZR 296/07, NJW-RR 2008, 1716; Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 313 Rz. 38 f. m.w.N. 7 BGH, Urt. v. 16.9.2008 – VI ZR 296/07, NJW-RR 2008, 1716. 8 OLG Hamm, Urt. v. 3.4.2001 – 27 U 199/90, VersR 2002, 489 = NZV 2002, 483. 9 Vgl. zu den kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger übergegangene Ansprüche noch unten M 32.1 Anm. A6 (Rz. 113). 10 BGH, Urt. v. 8.1.1981 – VI ZR 128/79, MDR 1981, 306; Urt. v. 12.7.1983 – VI ZR 176/81, MDR 1984, 133 = VersR 1983, 1034; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.9.1994 – 1 U93/93, NZV 1995, 482 = VersR 1996, 642 = r+s 1995, 460.
Heß/Höke 665
Kap. 32 Rz. 92 92
Vergleichsvereinbarungen
M 32.1
Bei einem Prozessvergleich über eine Rente kann nach § 323 Abs. 4 ZPO eine Anpassung erfolgen. Im Rahmen außergerichtlicher Rentenvergleiche gilt die Abänderungsmöglichkeit nur bei ausdrücklicher Vereinbarung. Es bleibt dann nur in Ausnahmefällen nach § 242 BGB eine Anpassung bei wesentlicher Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse. d) Rentenvergleich
93
Anders ist es bei einem Rentenvergleich. Er unterliegt wie ein Rentenurteil der Anpassung, es sei denn, die Anpassung ist ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen.1 6. Steuern
94
Letztlich ist allein der Ersatz des Erwerbsschadens gem. §§ 2 Abs. 1, 24 Nr. 1a) EStG zu versteuern. Sämtliche Zahlungen auf die anderen Positionen des Personenschadens (Haushaltsführungsschaden, Bar- und Betreuungsunterhaltsschaden, Schmerzensgeld, Heilbehandlungskosten und vermehrte Bedürfnisse) unterliegen nicht der Steuerpflicht.
II. Muster 95
M 32.1 Umfassendes AbfindungsformularA1 Bezeichnung der VersicherungA2 Abfindungserklärung …A3
Anspruchsteller: Gegen Zahlung einer Entschädigung von: … Euro Abzgl. Vorschuss von: … Euro … EuroA13 in Worten: … sind alle Ansprüche, die von mir/uns oder meinem/unserem Rechtsnachfolger aus Anlass des Schadens vom … (Datum) gegen die … Versicherung AG und gegen die aus dem Vertrag versicherten PersonenA4 geltend gemacht werden könnten, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft endgültig abgegolten, auch soweit heute Unfallfolgen und Ansprüche nicht vorhergesehen werden können.A5 Hiervon ausgeschlossen sind Ansprüche, soweit sie aufgrund gesetzlicher Regelung auf Sozialversicherungsträger,A6 SozialhilfeträgerA7 oder Rentenversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden.A8 Ich/wir erkläre/n, dass ich/wir aus Anlass des erwähnten Schadens von keiner anderen Seite eine Leistung oder Entschädigung erhalten oder beansprucht und den Schaden auch nicht anderweitig angemeldet habe/n, mit Ausnahme von …A9 Vorstehende Erklärung gebe/n ich/wir auch namens und als gesetzliche/r Vertreter der/des Minderjährigen für diesen ab.A10 (Oder:) Pflegschaft:A11 Hinweis im Formular auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (Oder:) weitere SchädigerA12 Kosten14
1 BGH, Urt. v. 4.10.1988 – VI ZR 46/88, NJW 1989, 289 = r+s 1989, 14.
666
Heß/Höke
M 32.1
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 99 Kap. 32
Steuern15 l Die Zahlung erfolgt durch Verrechnungsscheck l Die Zahlung soll erfolgen durch Überweisung anA16 Bank: … Kto.-Nr. … BLZ: … Ist binnen 4 Wochen keine Zahlung erfolgt, halte/n ich/wir mich/uns an die vorstehende Erklärung nicht mehr gebunden. (Unterschrift des Anspruchstellers) (Unterschrift des gesetzlichen Vertreters)
(Unterschrift der Versicherung)
Ort, Datum
Ort, Datum
Nichtzutreffendes bitte streichen
Anmerkungen zu Muster M 32.1 A1 Formfreiheit: Der Abfindungsvergleich bedarf zwar keiner besonderen Form. Er wird 96 aber regelmäßig – was sich auch empfiehlt – schriftlich geschlossen, wobei regelmäßig die von den Versicherern verwendeten Formulare Grundlage sind. A2 Vorgaben für Inhalt eines Abfindungsformulars: Feste Vorgaben für den Inhalt eines 97 Abfindungsvergleiches gibt es nicht. Allgemein gilt natürlich, dass die Verhandlung auf die konkrete Situation abgestimmt sein muss bzw. sein sollte. Hier liegt ein Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit, das Abstimmen der Erklärung – soweit erforderlich – auf die Bedürfnisse des Mandanten und auf den Stand der getroffenen Einigung. Es besteht Vertragsfreiheit für den Gebrauch und den Inhalt von Abfindungserklärungen. Nach einer noch gültigen Anordnung des Bundesaufsichtsamtes für Versicherungswesen (VerBAV 1980, 242) soll eine Abfindungserklärung folgenden Anforderungen genügen (vgl. auch Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 2 Rz. 56): – Es muss sich um einen echten Vergleich handeln (gegenseitiges Nachgeben – § 779 BGB). – Die Auszahlung der Entschädigung für bewiesene und fällige Ansprüche darf nicht von der Unterzeichnung einer Abfindungserklärung abhängig gemacht werden. – Aus dem Vergleichswortlaut muss klar zum Ausdruck kommen, welche Ansprüche endgültig erledigt werden sollen. – Die verwendeten Vordrucke müssen die Überschrift „Abfindungserklärung“ tragen. – Ist der Vordruck so gestaltet, dass der Geschädigte dem Versicherer das Vergleichsangebot unterbreitet (invitatio ad offerendum), so muss im Vordruck der Hinweis enthalten sein, dass der Anspruchsteller an sein Angebot nicht mehr gebunden ist, wenn der Vergleichsbetrag nicht innerhalb einer Frist von höchstens 4 Wochen ausgezahlt wird. Diese Regelungen in den verwendeten Abfindungsformularen sind Allgemeine Geschäfts- 98 bedingungen und Vergleichsabschlüsse und unterliegen daher der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB (BGH, Urt. v. 25.10.1984 – VII ZR 95/83, MDR 1985, 662 = VersR 1985, 165 = NJW 1985, 970 – bei Vergleichen vor dem 1.1.2002 kommen noch die Regelungen des AGBG zur Anwendung – jedoch keine inhaltlichen Änderungen). Wie jede Vertragsurkunde hat auch das Abfindungsformular die Vermutung der Vollständigkeit und der Richtigkeit der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen für sich (BGH, Heß/Höke 667
99
Kap. 32 Rz. 100
Vergleichsvereinbarungen
M 32.1
Urt. v. 5.2.1999 – V ZR 353/97, MDR 1999, 759 = VersR 1999, 1373; KG, Urt. v. 22.12.1998 – 6 U 307/97, VersR 2000, 1145). Die Darlegungs- und Beweislast für Abreden, die von der schriftlichen Abfindungsurkunde abweichen, liegt bei demjenigen, der diese Abweichungen behauptet und hieraus für sich eine vorteilhaftere Regelung herleiten will. 100
Ergeben sich später Unklarheiten bei der Auslegung, wird hierzu auch die Vorkorrespondenz herangezogen werden können, so insbesondere das Begleitschreiben, mit dem ggf. die unterschriebene Abfindungserklärung übersandt worden ist (vgl. zur ergänzenden Auslegung eines Abfindungsvergleiches auch OLG Hamm, Urt. v. 28.10.1993 – 6 U 110/93, NZV 1994, 435 = r+s 1994, 300).
101
Es ist aber Aufgabe insbesondere des Rechtsanwaltes des Geschädigten, die getroffenen Regelungen den Besonderheiten des Falles, insbesondere den Bedürfnissen seines Mandanten anzupassen. Dies kann durch entsprechende – auch handschriftliche – Änderungen des formularmäßigen Angebotes wie auch eine eigene Formulierung des Abfindungsvertrages erfolgen.
102
A3 Anspruchsberechtigung/Schadensersatzberechtigter: Maßgeblich sind die Schadenspositionen, um die es geht. So ist der Verdienstausfall des Verletzten einerseits von den Ansprüchen der Hinterbliebenen (§ 844 Abs. 1 BGB: Beerdigungskosten, § 844 Abs. 2 BGB: Unterhaltsschäden) zu trennen. Bei einem Abfindungsvergleich ist daher darauf zu achten, dass die Vergleiche mit den richtigen Inhabern der Ansprüche abgeschlossen werden, oder dass zumindest die weiteren (vielleicht auch nur möglichen) Rechtsinhaber in den Vertrag einbezogen bzw. an die Regelungen des Vertrages gebunden werden.
103
Bei einem Schwerverletzten besteht die Möglichkeit, dass dieser unfallbedingt verstirbt. Mit dem Tod haben dann die Hinterbliebenen möglicherweise eigene Ansprüche nach § 844 BGB (Beerdigungskosten und – noch wichtiger – Unterhaltsansprüche). Wird der Abfindungsvergleich noch und nur mit dem Verletzten geschlossen und verstirbt dieser, so betrifft diese Abfindung nur die eigenen Ansprüche des Verletzten. Der vor dessen Tod mit dem Verletzten abgeschlossene Vergleich wirkt nicht für die Ansprüche der Hinterbliebenen aus § 844 BGB. Deren Drittansprüche entstehen in deren Person bereits mit der Verletzung und nicht erst mit dem später eingetretenen Tod (BGH, Urt. v. 13.2.1996 – VI ZR 318/94, NJW 1996, 1674 = NZV 1996, 229 = MDR 1996, 799 = VersR 1996, 649).
104
Um dieses Risiko auszuschließen, bleibt nur als einzig sinnvoller Weg, die Ansprüche Dritter im Falle einer unfallbedingten Vorversterblichkeit in den Abfindungsvergleich einzubeziehen. Dies kann dadurch erfolgen, dass der Verletzte Verzichterklärungen dieser Dritten beibringt oder dass diese Dritten dem Vergleich direkt beitreten.
105
Eine solche Einbeziehung Dritter in den Abfindungsvergleich kann wie folgt erfolgen (siehe Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 2 Rz. 48, ähnlich Bacher in Geigel, Der Haftpflichtprozess 27. Aufl. 2015, Kap. 40 Rz. 51, 56): „Die Rechtswirksamkeit des Vergleichs ist davon abhängig, dass der Anspruchsteller (Geschädigte) binnen einer Frist von … (oder Datum) eine Erklärung folgender unterhalts- und/oder dienstberechtigter Personen … beibringt, dass diese auf ihre etwaigen Ansprüche gegen den Schadensverpflichteten verzichten und an die ersatzpflichtigen Beklagten ihre etwaigen Ansprüche gegen dritte Personen abtreten.“
106
Diese Problematik der Ansprüche Dritter, d.h. anderer als dem unmittelbar durch den Unfall Geschädigten, stellt sich insbesondere bei den Drittleistungsträgern, namentlich den Sozialversicherungsträgern (siehe dazu im Einzelnen unten Anm. A6 [Rz. 113]).
107
A4 Anspruchsgegner/Schädiger/Haftpflichtversicherung: Auf Seiten der Anspruchsgegner/Schadensverpflichteten schließt regelmäßig nicht der Schädiger selbst, sondern der 668
Heß/Höke
M 32.1
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 113 Kap. 32
Haftpflichtversicherer den Vergleich ab. Zu einem solchen Abschluss ist der Haftpflichtversicherer sowohl im Rahmen seiner eigenen Haftung (bei einem Direktanspruch in der Pflichthaftpflichtversicherung nach § 115 VVG) als auch aufgrund seiner Regulierungsbefugnis im Namen seines Versicherungsnehmers/mitversicherter Personen (A.1.1. 4 AKB 2008 – Regulierungsvollmacht) berechtigt. Diese Vollmacht gilt auch über die Deckungssumme hinaus (BGH, Urt. v. 19.12.1989 – VI 108 ZR 57/89, MDR 1990, 612 = VersR 1990, 497; Urt. v. 22.11.1988 – VI ZR 20/88, NZV 1989, 145 = MDR 1989, 345 = VersR 1989, 138). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherer bei den Verhandlungen deutlich macht, dass er namens des Versicherten nur bis zur Höhe der Deckungssumme verhandelt (BGH, Urt. v. 12.12.1978 – VI ZR 159/77, VersR 1979, 284). Die Regulierungsvollmacht gilt auch im Rahmen eines evtl. Selbstbehaltes des Versicherungsnehmers (OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.6.1978 – 18 U 27/78, VersR 1979, 151). Diese Regulierungsvollmacht gilt auch, soweit der Versicherer im Innenverhältnis gegen- 109 über einem Versicherungsnehmer (dem Schädiger) leistungsfrei ist, im Außenverhältnis aber haftet. In einem solchen Fall korrespondiert dann der Direktanspruch des Geschädigten nach § 115 VVG gegen den Versicherer mit der Bevollmächtigung zum Vergleichsabschluss auch für den Schädiger (BGH, Urt. v. 3.6.1987 – IVa ZR 292/85, NJW 1987, 2586 = MDR 1987, 917 = VersR 1987, 924). Ist allerdings der Versicherer auch im Außenverhältnis leistungsfrei, so benötigt er zur Regulierung für den Schädiger/seinen Versicherungsnehmer dessen besondere Vollmacht (BGH, Urt. v. 3.6.1987 – IVa ZR 292/85, NJW 1987, 2586 = MDR 1987, 917 = VersR 1987, 924). A5 Umfang der Abfindung/die Abfindungsklausel: In der Abfindungserklärung verzich- 110 tet der Geschädigte i.d.R in vollem Umfang auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche aus dem Unfallereignis. Die Formulierungen bei einer endgültigen Abfindung sind unterschiedlich. So finden sich auch folgende Texte: – „ein für allemal erledigt“ umfasst i.d.R auch die Abgeltung unvorhergesehener Spätfolgen (OLG Frankfurt, Urt. v. 6.2.1992 – 15 U 223/90, VersR 1993, 1147 [1148]). – „… alle Ansprüche aus dem obigen Schadensereignis … vorbehaltlos für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abgefunden sein …“ (OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.9.1994 – 1 U 93/93, VersR 1996, 642 = NZV 1995, 482). Regelmäßig werden sehr umfassende Formulierungen gewählt. So etwa:
111
„Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der Zahlung dieses Betrages sämtliche Ansprüche aus dem Unfallereignis vom … gleichgültig aus welchem Rechtsgrund endgültig abgefunden sind und zwar unabhängig davon, ob diese bekannt oder unbekannt sind, ob sie vorhersehbar oder nicht vorhersehbar sind und unabhängig davon, ob diese in die Vorstellungen der Parteien aufgenommen worden sind.“ (vgl. Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 6 R Rz. 19).
Es lässt sich sicher über die sprachliche Form streiten und auch darüber, ob jede einzelne 112 Komponente so erforderlich ist. Deutlich wird bei einer solchen Formulierung (die im Übrigen auch häufig bei gerichtlichen Abfindungsvergleichen in dieser bzw. ähnlicher Form Verwendung findet) – insbesondere für den Geschädigten –, dass nach einer solchen Erklärung ein endgültiger Schlussstrich unter die Regulierung mit dem Schädiger/Haftpflichtversicherer gezogen ist. Damit steht fest, dass grundsätzlich auch beim Auftreten von Spätschäden kein weiterer Schadensersatz gefordert werden kann (BGH, Urt. v. 12.7.1983 – VI ZR 176/81, MDR 1984, 133 = VersR 1983, 1034 [1035]). A6 Sozialversicherter Verletzter: Zwar ist auch von der Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94, MDR 1996, 799 = NJW 1996, 726; OLG Bamberg, Urt. v. Heß/Höke 669
113
Kap. 32 Rz. 114
Vergleichsvereinbarungen
M 32.1
2.10.1996 – 5 U 217/95, SP 1998, 49; Lemcke, r+s 1999, 24 und r+s 1999, 69) anerkannt, dass eine Kapitalabfindung im Interesse von Geschädigtem und Schädiger liegen kann. Durch die Forderungsübergänge auf Drittleistungsträger wie Sozialhilfeträger (BGH, Urt. v. 9.7.1996 – VI ZR 5/95, NJW 1996, 2933 = NZV 1996, 445 = MDR 1996, 1120 = VersR 1996, 1258; Urt. v. 26.6.1996 – VI ZR 117/95, NJW 1995, 2508 = MDR 1996, 1128 = VersR 1996, 1126), Arbeitsverwaltung (BGH, Urt. v. 20.9.1994 – VI ZR 285/93, MDR 1995, 366 = NJW 1994, 3097) oder Krankenkassen (BGH, Urt. v. 8.12.1998 – VI ZR 318/97, MDR 1999, 353 = NJW 1999, 1782) wird eine solche Abfindung aber erschwert bzw. ist mit erheblichen Risiken für den Schädiger/die Versicherung behaftet (Jahnke, VersR 1995, 1155). 114
Sozialversicherungsträger: Ansprüche des Sozialversicherungsträgers werden durch einen Vergleich nicht berührt, da diese Ansprüche im Wege der Legalzession schon im Zeitpunkt des Schadenseintritts auf den Sozialversicherungsträger übergehen (z.B. § 116 SGB X). Der sozialversicherte Geschädigte ist daher gar nicht mehr Inhaber der Ansprüche und kann über diese auch nicht verfügen. Ein Vorbehalt, dass die auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche unberührt bleiben, ist daher nur deklaratorisch (Jahnke, VersR 1995, 1147).
114a
Wird der Geschädigte erst später (nach Abschluss des Vergleiches) Mitglied bei einem Sozialversicherungsträger, so gehen die Ansprüche erst mit diesem Zeitpunkt über, d.h. der Geschädigte kann bis zu diesem Zeitpunkt umfassende Abfindungsvergleiche abschließen. Der Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger nach § 116 SGB X erfolgt erst mit dem Eintritt in das Sozialversicherungsverhältnis (BGH, Urt. v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10, MDR 2012, 840 = NJW 2012, 3639, für den Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung).
114b
Die Vergleichsregelung mit dem Geschädigten setzt daher sinnvollerweise voraus, dass die Leistungen des Dritten feststehen bzw. auch für die Zukunft zumindest einigermaßen sicher abgeschätzt werden können (es bietet sich auch an, dass für bestimmte Konstellationen, wie z.B. Wegfall einer Rente etc., bestimmte Regelungen in der Vergleichsregelung getroffen werden). Dies gehört zu der Risikoabwägung des Schädigers/Haftpflichtversicherers.
115
A7 Sozialhilfeträger: Anders als beim Sozialversicherungsträger ist für einen Rechtsübergang auf einen Sozialhilfeträger entscheidend, ob nach den konkreten Umständen des jeweiligen Falles die Erbringung von Sozialhilfeleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen waren (BGH, Urt. v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94, MDR 1996, 799 = NJW 1996, 726; OLG Hamm, VersR 2010, 1058; LG Memmingen, BeckRS 2014, 09997). Mit dieser Formulierung ist für die Praxis wenig gewonnen. Der Schädiger und dessen Versicherung werden bei der Risikoabwägung im Zweifel auch beim Sozialhilfeträger mit einem Anspruchsübergang schon zum Zeitpunkt des Schadensfalls rechnen müssen (OLG Köln, Urt. v. 8.5.1998 – 19 U 210/97, VersR 1998, 1307). Hier ist natürlich z.B. eine Pflegebedürftigkeit zu nennen, allerdings reicht sicherlich nicht schon eine Minderung der Erwerbsfähigkeit dafür aus.
115a
Zu beachten ist für den Schädiger bei einem Abfindungsvergleich nur mit einem geschädigten Sozialhilfeempfänger, dass dieser zwar u.U. aufgrund des Abfindungsbetrags nicht mehr bedürftig ist, der Schädiger hat aber keine Sicherheit, dass der Geschädigte später wieder (der Abfindungsbetrag ist verbraucht) Sozialhilfe beantragt. Ein in dem Abfindungsvergleich gegenüber dem Sozialhilfeträger ausgesprochener Verzicht ist zwar zulässig (§ 46 SGB I), er ist aber für die Zukunft widerruflich (§ 46 Abs. 1 SGB I).
116
A8 Rentenversicherungsträger: Die Beitragsanteile, die der Rentenversicherer auf das Rentenkonto des Geschädigten zahlt, gehen gem. § 119 SGB X auf den Rentenversicherungsträger über und werden von diesem beim Schädiger/Haftpflichtversicherung geltend gemacht. § 119 SGB X gilt für Schadensereignisse nach dem 30.6.1983.
670
Heß/Höke
M 32.1
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 123 Kap. 32
A9 Weitere Dritte, die Leistungen erbringen: Besonders zu beachten sind Leistungen, 117 die der Abfindungsempfänger von Dritten erhält. Hier kommt es darauf an, um welche Leistungen es sich handelt. Bei Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung erfolgt der Anspruchsübergang bereits mit dem Unfallereignis, so dass der Geschädigte über die Ansprüche nicht verfügen kann. Nimmt der Geschädigte daher Leistungen in Anspruch, so hindert ein Abfindungsvergleich nicht einen Rückgriffsanspruch des Sozialversicherungsträgers gegen den Schädiger (s.o.). Aus diesem Grunde enthalten die Formulare auch eine Rubrik für Zahlungen (auch für Zahlungsanmeldungen):
118
„Ich/Wir versichere/n gleichzeitig, dass für den Schaden von einer anderen Seite eine Zahlung an mich/uns weder geleistet wurde, noch zu erwarten ist, ausgenommen von …“
Daneben gibt es gesetzliche Regelungen, bei denen der Anspruchsübergang auf einen Drit- 119 ten erst mit dessen Zahlung stattfindet. So insbesondere bei der Entgeltfortzahlung (§ 6 EFZG) und auch bei den Anspruchsübergängen gem. § 86 VVG auf private Versicherer (insbesondere der Privaten Krankenversicherung; für die gesetzliche Krankenversicherung hingegen stellt sich dieses Problem nicht, da auf diese mit Unfall der gesetzliche Anspruchsübergang erfolgt). Da in diesen Fällen der Geschädigte bis zur Zahlung durch einen Dritten somit Inhaber des Anspruches ist, kann er ohne Einschränkungen hierüber verfügen, insbesondere kann er auch darauf verzichten. Das bedeutet, dass wenn z.B. unfallbedingt später weitere Heilbehandlungen (z.B. Metallentfernung) erforderlich werden, im Falle der Entgeltfortzahlung keine Ansprüche mehr auf den Arbeitgeber übergehen. Auch kann eine private Krankenkasse, die dem Geschädigten/ihrem Versicherungsnehmer nach einer umfassenden Abfindung Leistungen erbringt, nicht mehr beim Schädiger Rückgriff nehmen, weil ein Anspruch, der gem. § 86 VVG auf sie übergehen könnte, nicht mehr vorhanden ist. In solchen Fälle stellt sich durchaus die Frage, ob sich der Geschädigte in dem Verhältnis zu 120 den Dritten nicht schadensersatzpflichtig (Verletzung der Interessen des Vertragspartners, z.B. des Arbeitgebers, der privaten Versicherung – BGH, Urt. v 16.10.2001 – VI ZR 408/00, NZV 2002, 28 [der BGH hat in diesem Urteil eine Pflicht zur Abtretung angenommen] = r+s 2002, 63 m. Anm. Lemcke) machen könnte, weil er bei einer umfassenden Abfindung verhindert, dass in der Zukunft Ansprüche auf diese Dritten, die Leistungen erbringen, übergehen können. Sicherlich würden sich diese Probleme dann auf den Rechtsanwalt konzentrieren, der im Rahmen der Beratung des Geschädigten auch solche Problemstellungen beachten muss. Um diesen Problemen zu begegnen, empfiehlt es sich, folgende Formulierung mit hinzuzunehmen: „Ausgenommen sind etwaige Ansprüche Dritter (Arbeitgeber, Krankenversicherer), die Leistungen aufgrund des Unfallereignisses übernehmen.“
A10 Minderjährige/Elterliche Sorge: Ein Abfindungsvergleich über Ansprüche eines 121 minderjährigen Kindes muss von beiden Elternteilen genehmigt werden (§ 1629 BGB), falls die Eltern geschieden sind, von dem sorgeberechtigten Elternteil (§ 1672 BGB), bei Halbwaisen vom überlebenden Elternteil (§§ 1680 Abs. 1, 1681 BGB), bei nichtehelichen Kindern vertritt, soweit keine andere gemeinsame Sorgerechtserklärung vorliegt (§§ 1626b ff. BGB), allein die Mutter das Kind (§ 1626a Abs. 2 BGB). Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung müssen die Inhaber der elterlichen Sorge grundsätzlich nicht einholen. Sie sind insofern (§ 1643 BGB) freier als z.B. ein Vormund gestellt.
122
Zu beachten ist aber, dass die elterliche Vermögenssorge durch die Bestellung eines Pflegers eingeschränkt sein kann (§ 1630 Abs. 1 BGB). Auch sind die Eltern dann insbesondere in der Vertretung beschränkt, wenn sie an der Schadensentstehung beteiligt waren. Dies gilt
123
Heß/Höke 671
Kap. 32 Rz. 124
Vergleichsvereinbarungen
M 32.1
insbesondere dann, wenn das Kind als Beifahrer im von den Eltern gesteuerten Fahrzeug verletzt worden ist. Dann ist eine familiengerichtliche Genehmigung für einen Abfindungsvergleich erforderlich (zumindest wenn der Wert mehr als 3000 Euro beträgt). 124
Geht es um einen Vergleichsabschluss mit nichtdeutschen Elternteilen, sind die Regelungen des internationalen Privatrechtes zu beachten (BGH, Urt. v. 7.4.1993 – XII ZR 266/91, NJW 1993, 2305; Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, § 2 Rz. 26). Das Rechtsverhältnis zwischen einem Kind und seinen Eltern unterliegt grds. dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 21 EGBGB).
125
A11 Vormund/Pfleger: Ist für den Minderjährigen oder für den (schwerstgeschädigten) Anspruchsteller ein Vormund oder Pfleger bestellt, bedarf dieser ab 3000 Euro für den Vergleichsabschluss der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (§ 1822 Nr. 12 BGB). Bei schwerstgeschädigten Anspruchstellern sollte vorsorglich und im Zweifelsfall immer ein Pfleger bestellt werden. Ein mit einem – unbemerkt – geschäftsunfähig gewordenen Verletzten abgeschlossener Vergleich ist nichtig.
126
Ist nach § 1896 BGB ein Betreuer bestellt, ist der Verletzte nicht ohne weiteres nur beschränkt geschäftsfähig. Dennoch sollte beim Abschluss eines Abfindungsvergleiches mit einer unter Betreuung stehenden Person immer eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eingeholt werden (Meiendresch/Heinke, r+s 1998, 485).
127
Die Kosten eines unfallbedingt geschäftsunfähig gewordenen Verletzten sind regelmäßig Kosten, die eine eigene Schadensposition darstellen (in der Regel richten sich die Stundensätze des Pflegers nach den Stundensätzen der BVormVG).
128
Entbehrlich ist eine solche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, wenn der Vergleich aufgrund eines gerichtlichen Vergleichsvorschlages abgeschlossen wird (§ 1822 Nr. 12 2. Alt. BGB). Dies beruht auf der Überlegung, dass bei einem Vergleich, der auf Vorschlag des Gerichtes abgeschlossen wird, die Schutzfunktion einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung ebenfalls gewahrt ist.
129
In der gesetzlichen – nun wieder geänderten – Fassung des § 278 Abs. 6 ZPO ist diese Schutzfunktion nur gewahrt, wenn der Vorschlag von dem Gericht kommt. Stellt das Gericht demgegenüber den Vergleich nur aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Parteien fest, findet eine eigene umfassende Prüfung des Vergleichsinhaltes durch das Gericht nicht statt, so dass in dieser Alternative des § 278 Abs. 6 ZPO eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich bleibt.
130
A12 Abfindungsvergleich und weitere Schädiger (Gesamtschuld): Wenn mehrere Schädiger in Betracht kommen, die gesamtschuldnerisch haften, muss dies beachtet werden. Im Zweifel hat ein Vergleich lediglich eine Einzelwirkung (OLG Hamm, Urt. v. 28.12.2001 – 6 W 59/01, r+s 2002, 157 = VersR 2003, 472 = NJW-RR 2002, 750; vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 21.3.2000 – IX ZR 39/99, NJW 2000, 1942), d.h., der Geschädigte verzichtet nur auf seine Ansprüche gegen denjenigen, mit dem er den Abfindungsvergleich schließt.
131
Dies kann für den Schädiger/Anspruchsverpflichteten die Konsequenz haben, dass der Geschädigte noch einen weiteren Schädiger in Anspruch nimmt und dieser – nachdem er geleistet hat – im Wege des Gesamtschuldnerausgleiches auf denjenigen, der den ersten Abfindungsvergleich mit dem Geschädigten geschlossen hat, wieder zukommt. Um dies zu verhindern sollte in dem Abfindungsvergleich klargestellt werden, dass auch die Ansprüche gegen die übrigen Schuldner mit erledigt sind (Gesamtwirkung). Der Sinn einer solchen Klausel liegt darin, dass der Schädiger (dessen Haftpflichtversicherer), der den Geschädigten umfassend abfindet, nicht von einem weiteren Gesamtschuldner auf Ausgleich in Anspruch genommen wird, gegen den der Schädiger weiter vorgeht. Die Abfindungserklärung 672
Heß/Höke
M 32.1
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 142 Kap. 32
umfasst grundsätzlich auch einen Verzicht auf alle Ansprüche gegen jeden weiteren (gesamtschuldnerisch) haftenden Dritten (Erfüllungswirkung gem. § 422 BGB). Eine Klausel, wonach sich der Verzicht „auf jeden Dritten“ erstreckt, verstößt nicht gegen §§ 305 ff. BGB (OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.5.2000 – 8 U 105/99, VersR 2002, 54; der BGH [Az.: VI ZR 236/00] hat die Revision nicht angenommen). Unter Umständen kann sich der Zahlende des ersten Vergleichs auch die Ansprüche von 132 dem Geschädigten gegen weitere Schädiger abtreten lassen. Sinnvoll wäre es in einem solchen Fall auch, dass die weiteren Schädiger schon bei den Verhandlungen im Rahmen der Erstabfindung hinzugezogen werden. A13 Ermittlung des Abfindungsbetrags: Zur Ermittlung des Abfindungsbetrags s. Rz. 10–75 mit zahlreichen Beispielen.
133
A14 Kosten/Anwaltskosten: Grundsätzlich sind die Kosten für den Anwalt von der Versicherung als Teil des Schadensersatzes gem. § 249 BGB zu zahlen. Es empfiehlt sich aber gleichwohl, dies in dem Formular mit aufzunehmen. Auch ist es sinnvoll, um einen möglichen Streit zu vermeiden, zumindest in einer Zusatzerklärung eine Regelung über die Bezugspunkte der zu erstattenden Anwaltskosten (Geschäftswert, Gebührensatz) zu treffen.
134
Dies kann auf dem Abfindungsformular wie folgt erfolgen:
135
„zzgl. der Rechtsanwaltskosten gem. beigefügter Kostennote“
Mit dieser Formulierung vermeidet man auch einen eventuellen Streit über die Höhe des 136 Gebührenansatzes. Einstweilen frei.
137–139
Die Gebühr wird nach RVG abgerechnet und bemisst sich nach dem Geschäftswert. Der 140 Geschäftswert, d.h. der Umfang, in dem als erforderliche Kosten i.S.d. § 249 BGB der Geschädigte einen Erstattungsanspruch gegen die Versicherung des Schädigers hat, richtet sich – wie auch sonst bei einem Vergleich – nach dem Vergleichsbetrag. In diesem Umfang war die Forderung berechtigt und in diesem Umfang besteht daher ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten gem. § 249 BGB. Die Gebührendifferenz zu dem u.U. höheren Geschäftswert (der ursprünglich geforderte Betrag) hat der Mandant bzw. dessen Rechtsschutzversicherung zu tragen. Durch das RVG ist der Rahmen für die Geschäftsgebühr (die Besprechungs- und Beweis- 141 aufnahmegebühr ist weggefallen) erweitert worden. Gem. Nr. 2400 VV RVG beträgt der Rahmen für die Gebühr 0,5 bis 2,5. Handelt es sich um einen Personenschaden, so dürfte – bei allem sonstigen Streit – die Gebühr mindestens bei 1,3 bzw. auch bei 1,5 liegen. Bei größeren Personenschäden wird der Rahmen nach oben (2,5), unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG, ausgeschöpft werden können. Hinzu kommt bei einer Abfindungsvereinbarung noch eine 1,5 Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG). Bei großen Personenschäden, die mit einer Abfindungsregelung reguliert werden, entsteht nach dem RVG daher eine 4,0 Gebühr nach dem Vergleichsbetrag. Nach Inkrafttreten des RVG haben einige Versicherer freiwillige Abrechnungsgrundsätze veröffentlicht, die gegenüber solchen Rechtsanwälten gelten, die sich mit deren Anwendung in allen Fällen bereit erklären (die Grundsätze und die aktuellen Versicherungen werden in dem kostenlos zu beziehenden Newsletter der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht mitgeteilt).
Heß/Höke 673
142
Kap. 32 Rz. 143 143
Vergleichsvereinbarungen
M 32.1
Danach wird die Geschäftsgebühr wie folgt abgerechnet: Ein Geschädigter
Gebühren
Sach- und/oder Personenschaden , 10 000 Euro
1,8
Sach- und Personenschaden . 10 000 Euro
2,1
Mehrere Geschädigte
Gebühren
Sach- und/oder Personenschaden , 10 000 Euro
2,4
Sach- und Personenschaden . 10 000 Euro
2,7
Insgesamt gilt, dass es mit der Rechnung bei größeren Personenschäden keine Probleme gibt. 144
A15 Steuern: Wird der Abfindungsbetrag nach dem Nettoschaden berechnet, so ist die auf diesen Betrag von dem Geschädigten zu zahlende Steuer (die zu erwartende Steuerschuld) ebenfalls zu berücksichtigen (zu Steuern Jahnke, Steuern und Schadenersatz, r+s 1996, 205; Höke, Schadensersatz und Steuerrecht, NZV 2016, 10).
145
Eine Steuerpflicht besteht nur insoweit, wie Verdienstausfall abgefunden wird. Ein(e) Kapitalbetrag/Rente wegen eines unfallbedingten Mehrbedarfes ist ebenso wenig zu versteuern wie ein Schmerzensgeld. Auch Unterhaltsansprüche bleiben steuerfrei. Darauf ist dann auch im Falle der Kapitalisierung/Abfindung keine Steuer zu entrichten. Es ist dann eine Frage der Aufteilung des Abfindungsbetrages und der Formulierung der Abfindung.
146
Da die steuerlichen Auswirkungen schwer übersehen werden können, ist es besonders sinnvoll – und dies entspricht auch der Praxis bei dem Abfindungsvergleich –, den Erwerbsschaden auf Netto-Basis abzurechnen und zusätzlich zu regeln, dass die von dem Geschädigten auf den Abfindungsbetrag zu zahlende Lohn- oder Einkommenssteuer – auf Nachweis – nachgefordert werden kann. Zwei Probleme können sich dabei stellen. Soweit der Geschädigte weitere Einkünfte hat, geht es darum, die auf den Abfindungsbetrag entfallende Steuer zu ermitteln. Soweit hierdurch zusätzliche Kosten (Steuerberater) anfallen, fallen diese – soweit keine andere vertragliche Regelung erfolgt – in die Sphäre des Geschädigten, da dieser seinen Schaden, zu dem auch ein Steuerschaden zählt, gem. § 249 BGB nachweisen muss.
147
Hat er weitere Einkünfte, so stellt sich auch die Frage, wer den Steuervorteil der Steuerprogression erhält.
148
Gibt die Formulierung der Abfindungserklärung nicht klar Auskunft über die Aufteilung auf die verschiedenen Schadenspositionen, kann das Finanzamt ggf. den Erwerbsschadenanteil schätzen und darauf die Einkommensteuer erheben. In diesen Fällen ist demnach ein Vorbehalt in die Abfindungserklärung aufzunehmen.
149
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der entstehenden „Steuerschraube“, wenn der Steuerschaden nachgewiesen ist und entschädigt wird: Durch die Zahlung entsteht wiederum ein steuerpflichtiger Einkommenstatbestand, der zu ersetzen ist; das kann sich über mehrere Jahre so fortsetzen. Dem kann durch eine einmalige Vorausberechnung und Besteuerung gem. § 34 EStG begegnet werden. Es ist jedoch ratsam, zuvor mit dem Finanzamt diese Vorgehensweise abzusprechen (was meist gelingt).
150
„Eine auf den Abfindungsbetrag zu zahlende Steuer wird von … (Versicherung des Schädigers) übernommen.“
151
Eine Umsatzsteuer ist, soweit der Geschädigte nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ebenfalls zu übernehmen. Aber auch, wenn der Geschädigte grundsätzlich vorsteuerabzugs674
Heß/Höke
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 158 Kap. 32
berechtigt ist, sind die in einem Abfindungsbetrag enthaltenen Schadensposition nicht alle der Umsatzsteuer unterworfen (so z.B. Heilbehandlungskosten, vermehrte Bedürfnisse, Schmerzensgeld). A16 Zahlungen: Es empfiehlt sich, um den Verwaltungsaufwand zu vermeiden, Zahlung unmittelbar an den Mandanten und abschriftliche Benachrichtigung zu vereinbaren. Bei Zahlung an den Anwalt, ohne dass dieser dazu aufgefordert hat, fallen gem. Nr. 1009 VV RVG Hebegebühren an.
152
B. Abfindung mit Vorbehalt und (Teil-)Abfindung einzelner Schadenspositionen I. Einführung 1. Allgemeines Oft ist aber auch der erklärte Verzicht nicht umfassend. Diese Einschränkungen bzw. Vorbehalte können in mehrfacher Form vereinbart werden.
153
So können einerseits nur einzelne Schadenspositionen durch Vergleich erledigt werden. 154 So ist es bei einem Personenschaden nicht selten, dass z.B nur das Schmerzensgeld und der eingetretene Sachschaden verglichen werden und weitere Schadenspositionen wie etwas Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden gerichtlich oder im Rahmen eines späteren Vergleiches erledigt werden. Dann ist es nur erforderlich, dass in dem Formular der Umfang, d.h. die Ansprüche, die erledigt werden, genau bezeichnet wird. Es kann aber auch eine grundsätzlich umfassende Abfindung der entstandenen und auch der erwarteten Ansprüche erfolgen und durch einen Vorbehalt soll nur die Möglichkeit (unter dann genau zu beschreibenden Voraussetzungen) offen gehalten werden, weitere Ansprüche zukünftig geltend machen zu können.
155
Für beide Varianten gilt, dass klare Regelungen getroffen werden, damit es nicht später zu 156 Streitigkeiten über Inhalt und Bedeutung dieses geregelten Teile/Vorbehaltes kommt. Auch ist auf die Frage der Verjährung besonderes Augenmerk zu richten (Köck, Der Abfindungsvergleich beim Personenschaden, DAR 2015, 557). 2. Teilabfindung/Abfindung mit Vorbehalt und Verjährung Ist lediglich ein Teilvergleich (z.B. über das Schmerzensgeld) geschlossen worden, so hat 157 dies – wie bei jedem anderen Teilvergleich/Teilklage – keine verjährungshindernde Wirkung bezüglich anderer nicht vom dem Teilvergleich erfassten Ansprüche. Auch hat nach der ständigen Rechtsprechung des BGH1 ein schlichter Vorbehalt in einem 158 Abfindungsvergleich Bedeutung für die Bestimmung des Umfanges der Abfindung, d.h. dass wegen der vorbehaltenen Ansprüche keine Abfindung erfolgt und der Geschädigte auf diese vorbehaltenen Ansprüche nicht verzichtet. Auch bedeutet der Vergleich ein Anerkenntnis, d.h. hinsichtlich der vorbehaltenen Ansprüche wird die Verjährung unterbrochen (sowohl nach altem wie neuem Verjährungsrecht). Aber auch der Abfindungsvergleich mit Vorbehalt stellt grds. eine Entscheidung des Versicherers gem. § 115 Abs. 2 Satz 3 VVG dar, so dass 1 Vgl. BGH, Urt. v. 28.1 2003 – VI ZR 263/02, r+s 2003, 171 = NJW 2003, 1524 = NZV 2003, 225; Urt. v. 8.12.1998 – VI ZR 318/97, NZV 1999, 158 = NJW 1999, 1782; vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 14.9.1998 – 6 U 48/98, r+s 1999, 105 = NZV 1999, 245.
Heß/Höke 675
Kap. 32 Rz. 159
Vergleichsvereinbarungen
die Hemmung der Verjährung, die gem. § 115 VVG mit der Anspruchsanmeldung verbunden ist, endet.1 Die Verjährung beginnt daher wegen der durch den Abfindungsvergleich nicht abgefundenen Ansprüche sofort mit dem Abschluss des Abfindungsvergleiches neu zu laufen. Ein schlichter Vorbehalt enthält im Zweifel nur ein Anerkenntnis, nicht aber eine Regelung über die Verjährung. Das heißt, dass ohne eine ausdrückliche verjährungssichernde Zusatzvereinbarung die dreijährige Verjährungsfrist im Zweifel sofort wieder zu laufen beginnt.2 159
Ohne neue Hemmung oder Unterbrechung tritt also die Verjährung drei Jahre später auch dann ein, wenn bei Vertragsschluss damit zu rechnen ist, dass weitere Unfallfolgen erst nach mehr als drei Jahren auftreten können.3
160
Allerdings kann – im Wege der Auslegung – sich ergeben, dass ein weitergehender Schutz des Geschädigten gegen Verjährung gewollt war.
161
Wollten die Vertragsparteien nur einen Teilvergleich, kann der Vorbehalt dahin ausgelegt werden, dass die Verhandlungen im Übrigen noch nicht zum Abschluss gebracht worden sind. Dies ist der Fall,4 wenn der Vergleich ausdrücklich als Teilvergleich bezeichnet worden ist. Bezüglich der übrigen Ansprüche bleibt die Hemmung gem. § 115 Abs. 2 VVG.
162
Auch kann die Auslegung ergeben, dass die Parteien den Geschädigten „konstitutiv“ von der Gefahr der Verjährungseinrede befreien wollten.5
163
Dies sind aber alles nur Einzelfälle, in denen Gerichte unter Bezugnahme auf besondere Situationen bei den Abfindungsverhandlungen ausnahmsweise über 3 Jahre hinaus einen weitergehenden Schutz gegen Verjährung angenommen haben. Im Regelfall sind die – auch vorbehaltenen – weiteren Ansprüche 3 Jahre6 nach Abschluss des Abfindungsvertrages verjährt.
164
Der Geschädigte muss daher – soweit durch den Vergleich nicht alles erledigt sein soll – unbedingt Vorsorge gegen den Verjährungseintritt treffen. Dies ist dadurch möglich, dass er sich einen Verjährungsverzicht geben lässt: „Hiermit verzichten wir auf die Einrede der Verjährung (manchmal ist eine solche Erklärung mit einer bestimmten Zeitangabe verbunden).“
165
Allerdings hat der Geschädigte Anspruch auf Schutz wie bei einem Feststellungsurteil, d.h. für 30 Jahre (sog. feststellungsurteilersetzende Erklärung, s. Rz. 166).
1 OLG Rostock, r+s 2011, 490; OLG Koblenz, NZV 2012, 233. 2 BGH, Urt. v. 28.1.2003 – VI ZR 263/02, r+s 2003, 171 = NJW 2003, 1524 = NZV 2003, 225; so auch Urt. v. 29.1.2002 – VI ZR 230/01, r+s 2002, 198 = NJW 2002, 226; OLG Hamm, Urt. v. 14.9.1998 – 6 U 48/98, r+s 1999, 105 = NZV 1999, 245; OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.3.1997 – 10 U 246/96, NZV 1997, 480 = VersR 1998, 632; KG Berlin, Urt. v. 22.12.1998 – 6 U 307/97, VersR 2000, 1145; a.A. aber falsch: OLG Frankfurt, Urt. v. 20.2.2002 – 17 U 15/01, r+s 2002, 201 mit kritischer Anm. Lemcke. 3 Etwas anderes gilt – allgemeines Verjährungsrecht – nur ausnahmsweise dann, wenn sich auch für medizinische Fachkreise unerwartet nicht voraussehbare Spätschäden einstellen – OLG Hamm Urt. v. 14.9.1998 – 6 U 48/98, r+s 1999, 105 = NZV 1999, 245. 4 S. OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1994 – 32 U 114/94, r+s 1995, 459, mit begründetem Nichtannahmebeschluss des BGH vom 11.7.1995 – VI ZR 395/94 mit Anm. Lemcke, r+s 1995, 459. 5 So z.B. OLG Oldenburg, Urt. v. 29.10.1996 – 9 U 41/96, MDR 1997, 351 = VersR 1997, 1543 = r+s 1997, 116, in dem Fall in dem der Vorbehalt vereinbart worden ist, um den Verletzten zur Rücknahme einer erhobenen Feststellungsklage zu bewegen. 6 In einem Abfindungsvergleich liegt nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zugleich ein Anerkenntnis. Dies hat zur Folge, dass bei weiteren – nicht erledigten – Ansprüchen die dreijährige Frist am nächsten Tag (nicht erst zum Jahresende – § 199 BGB ist insoweit nicht anwendbar) zu laufen beginnt.
676
Heß/Höke
M 32.2
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 169 Kap. 32
In der Praxis eingebürgert hat sich folgende Formulierung:
166
„Hiermit erkennen wir mit der Wirkung eines am … rechtskräftigen Feststellungsurteils die Ersatzpflicht sämtlicher materieller und immaterieller unfallbedingter Schäden aus dem Unfallereignis vom … an, soweit die Ansprüche nicht auf einen Drittleistungsträger übergegangen sind.“1
Der Versicherer wird dieses Anerkenntnis zulässigerweise auf die eigene Haftung gem. § 115 VVG im Rahmen des vertraglichen Deckungsanspruches beschränken können. Dann muss, falls das Risiko besteht, dass davon nicht alle zukünftigen Ansprüche abgedeckt werden können, auch der unmittelbare Schädiger (Fahrer) mit in die Verpflichtung aufgenommen werden.
167
Bei der Verjährung ist zusätzlich zu beachten, dass mit einer solchen Erklärung nur das Stammrecht wie bei einem Feststellungsurteil gegen Verjährung gesichert ist. Gem. § 197 Abs. 2 BGB verjähren regelmäßig wiederkehrende Leistungen (insbesondere die Renten) jeweils nach 3 Jahren.
168
II. Muster M 32.2 Abfindungsformulare Teilverzicht – Vorbehalt
169
1. Abfindungsformular mit Vorbehalt Gegen Zahlung einer Entschädigung von: … Euro Abzgl. Vorschuss von: … Euro … Euro in Worten: … sind alle Ansprüche, die von mir/uns oder meinem/unseren Rechtsnachfolger aus Anlass des Schadens vom … (Datum) gegen die Versicherung AG und gegen die aus dem Vertrag versicherten Personen geltend gemacht werden könnten, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft endgültig abgegolten, auch soweit heute Unfallfolgen und Ansprüche nicht vorhergesehen werden können. Hiervon ausgeschlossen sind Ansprüche, soweit sie aufgrund gesetzlicher Regelung auf Sozialversicherungsträger, Sozialhilfeträger oder Rentenversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden. Bemerkungen: Vorbehalten bleiben Ansprüche: für den Fall der Verschlimmerung des DauerschadensA1 (oder:) Wir sind bereit, in die Verhandlung über ein weiteres Schmerzensgeld dann einzutreten, falls eine erhebliche Verschlechterung der jetzt bestehenden Unfallfolgen in Zukunft auftritt.A2 (oder besser:)A3 … falls eine erhebliche Verschlechterung der bestehenden Unfallfolgen in Zukunft auftritt, mit der zurzeit auch aus ärztlicher Sicht noch nicht ernsthaft zu rechnen ist. (Eindeutiger und empfehlenswerter sind auch folgende Formulierungen [vgl. Jahnke, VersR 1995, 1148; Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 6 R Rz. 21]:) Vorbehalten bleibt der Anspruch auf Ersatz künftigen Verdienstausfallschadens für den Fall, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit unfallbedingt dauerhaft 50 % übersteigt, und zwar soweit kein Forderungsübergang auf Drittleistungsträger stattgefunden hat. 1 Hierzu auch Jahnke, VersR 1995, 1149; Heß, NZV 2002, 68, Fn. 43.
Heß/Höke 677
Kap. 32 Rz. 170
Vergleichsvereinbarungen
M 32.2
(Oder:) … dass die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit dauerhaft 50 % übersteigt. (Oder:) … für den Fall der Amputation des Beines. Weitere Formulierungsbeispiele: Ich/wir erkläre/n, dass ich/wir aus Anlass des erwähnten Schadens von keiner anderen Seite eine Leistung oder Entschädigung erhalten oder beansprucht und den Schaden auch nicht anderweitig angemeldet habe/n, mit Ausnahme von … Vorstehende Erklärung gebe/n ich/wir auch namens und als gesetzliche/r Vertreter der/des Minderjährigen für diesen ab. (Oder:) Pflegschaft: Hinweis im Formular auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (Oder:) weitere Schädiger KostenA4 Steuern l Die Zahlung erfolgt durch Verrechnungsscheck l Die Zahlung soll erfolgen durch Überweisung an: Bank: … Kto.-Nr. … BLZ: … Ist binnen 4 Wochen keine Zahlung erfolgt, halte/n ich/wir mich/uns an die vorstehende Erklärung nicht mehr gebunden. (Unterschrift des Anspruchstellers) (Unterschrift des gesetzlichen Vertreters)
(Unterschrift der Versicherung)
Ort, Datum
Ort, Datum
Nichtzutreffendes bitte streichen 2. (Teil-)Abfindungsformular (nur) einzelner Schadensposition Ich erkläre mich gegen Zahlung eines Betrages von … Euro hinsichtlich der Schadensposition „Schaffung behindertengerechten Wohnraumes“A5 auch für alle etwaigen unvorhergesehenen und unvorhersehbaren Spätfolgen mit allen Ansprüchen gegen die … (Versicherung des Schädigers) und deren Versicherte aus dem Ereignis vom … endgültig abgefunden.A6 Gegenstand dieser Vereinbarung ist das Schreiben der Versicherung vom …A7
Anmerkungen zu Muster M 32.2 Es gelten grundsätzlich die Anmerkungen zu der vollständigen umfassenden Abfindung. Es wird daher nur auf die Besonderheiten für eine Teilabfindung eingegangen. 170
A1 Hier ist der Streit darüber, was eine Verschlimmerung ist, vorprogrammiert. Das OLG Hamm legt diese Formulierung so aus, dass auch bei Vergleichsschluss schon absehbare Verschlimmerungen weitere Ansprüche rechtfertigen, wenn sie dann nachträglich tatsächlich eintreten (OLG Hamm, r+s 1995, 417). 678
Heß/Höke
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 180 Kap. 32
A2 Dieser Vorbehalt rechtfertigt nach OLG Hamm (OLG Hamm, Urt. v. 14.5.1997 – 13 171 U 187/96, r+s 1998, 418; OLG Hamm, Urt. v. 24.9.2001 – 6 U 86/01, r+s 2001, 506) nur dann ein weiteres Schmerzensgeld, wenn weitere Folgen tatsächlich eintreten, deren Eintritt noch ungewiss ist und die deshalb bei der früheren Schmerzensgeldbemessung noch nicht berücksichtigt werden konnten. A3 Die Parteien können einen solchen Vorbehalt auch zeitlich befristen. Die Variationsmöglichkeiten sind praktisch unbegrenzt und richten sich nach den Erfordernissen des jeweiligen Schadensfalles – insbesondere aber nach der persönlichen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Situation des Geschädigten.
172
Neben der gesundheitlichen Situation ist auch das wirtschaftliche Umfeld von wesentlicher 173 Bedeutung. So kann der Abschluss eines Abfindungsvergleiches bei einem Geschädigten, der finanziell abgesichert ist, eher als bei einem Geschädigten, der von dem Abfindungsbetrag seine weitere Existenz gestalten muss, sinnvoll sein. Für denjenigen, der eine sichere Grundabsicherung (durch Alters- oder Berufsgenossenschaftsrente) hat, kann ein Abfindungsvergleich erhebliche Vorteile bieten, weil er mit dem Betrag in die Lage versetzt wird, sich zusätzliche Wünsche oder Annehmlichkeiten leisten zu können. Bei einer solchen Abwägung kann auch das Alter eine wichtige Rolle spielen. Besondere Vorsicht ist bei einem jungen Menschen geboten. Aber auch solchen Besonderheiten kann durch speziell auf den zu regulierenden Fall abge- 174 stimmte Vorbehalte Rechnung getragen werden: Liegt z.B. eine Grundversorgung durch eine Berufsgenossenschaftsrente bei einem Arbeitsunfall vor, so könnte ein Vorbehalt etwa folgenden Wortlaut haben:
175
„… Eine Neuverhandlung kann dann erfolgen, wenn die Rente unter einen Betrag von …, wenn …“
A4 Kosten: Handelt es sich um jeweils abgeschlossenen Zwischen/-Teilvergleiche, so ist es 176 gerechtfertigt, diese Vergleiche als neue Gegenstände i.S.d. § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG anzusehen. Es können dann jeweils neue Rechnungen ohne Berücksichtigung der Streitwertprogression gestellt werden. Wird demgegenüber nur Jahr für Jahr z.B. der Verdienstausfall abgerechnet, so verbleibt es bei der Regel des § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG – d.h. es liegt nur eine einzige Angelegenheit vor. In diesen Fällen kann dann jeweils nur die Differenzgebühr abgerechnet werden. A5 Eine möglichst genaue Beschreibung der Schadensposition verhindert spätere Auslegungsprobleme über den Umfang der Vergleiches.
177
A6 Im Übrigen gelten die Anmerkungen wie zu dem umfassenden Formular.
178
A7 Bei solchen Teilabfindungen geht es darum, die Position, über die der Streit endgültig 179 erledigt wird, möglichst genau zu beschreiben. Zur Auslegung wird bei Unklarheiten der Schriftverkehr mit herangezogen (s. M 32.1 Anm. A2 [Rz. 97]). Findet sich in Schreiben der Vorkorrespondenz eine gute Beschreibung, so spricht nichts dagegen, dieses Schreiben dann auch ausdrücklich in das Abfindungsformular mit aufzunehmen.
C. Außergerichtlicher Rentenvergleich I. Einführung Falls eine (Teil-)Erledigung durch einmalige Zahlung einer Abfindungssumme nicht einigungsfähig ist, können sich die Parteien außergerichtlich auch auf monatliche Ratenzahlungen einigen. Heß/Höke 679
180
Kap. 32 Rz. 181
Vergleichsvereinbarungen
M 32.3
II. Muster 181
M 32.3 RentenvergleichA1 Bezeichnung der VersicherungA2 Rentenvergleich Anspruchsteller: …A3 Gegen ZahlungA4 einer Entschädigung von: Abzgl. Vorschuss von:
… Euro … Euro … EuroA5
in Worten: … sind Ansprüche, die von mir/uns oder meinem/unseren Rechtsnachfolger aus Anlass des Schadens vom … (Datum) gegen die … Versicherung AG und gegen die aus dem Vertrag versicherten PersonenA6 geltend gemacht werden könnten, erfüllt. Hiervon ausgeschlossen sind Ansprüche, soweit sie aufgrund gesetzlicher Regelung auf Sozialversicherungsträger,A7 SozialhilfeträgerA8 oder Rentenversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden.A9 Sollte sich die Verhältnisse um mehr als … % ändern (im Einzelnen Beschreibung der Umstände), kann eine Partei,A10 eine Abänderung entsprechend § 323 ZPO verlangen. Ich/Wir erkläre/n, dass ich/wir aus Anlass des erwähnten Schadens von keiner anderen Seite eine Leistung oder Entschädigung erhalten oder beansprucht und den Schaden auch nicht anderweitig angemeldet habe/n, mit Ausnahme von …A11 Vorstehende Erklärung gebe/n ich/wir auch namens und als gesetzliche/r Vertreter der/des Minderjährigen für diesen ab.A12 (Oder:) Pflegschaft:A13 Hinweis im Formular auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (Oder:) weitere SchädigerA14 KostenA15 SteuernA16 l Die Zahlung erfolgt durch Verrechnungsscheck l Die Zahlung soll erfolgen durch Überweisung anA17 Bank: … Kto.-Nr. … BLZ: … Ist binnen 4 Wochen keine Zahlung erfolgt, halte/n ich/wir mich/uns an die vorstehende Erklärung nicht mehr gebunden. (Unterschrift des Anspruchstellers) (Unterschrift des gesetzlichen Vertreters)
(Unterschrift der Versicherung)
Ort, Datum
Ort, Datum
Nichtzutreffendes bitte streichen
680
Heß/Höke
M 32.3
Delikts- und Straßenverkehrsrecht
Rz. 191 Kap. 32
Anmerkungen zu Muster M 32.3 A1 bis A3 S.o. M 32.1 Anm. A1-A3 (Rz. 96–106).
182
A4 Es kann vereinbart werden, dass die Zahlungen monatlich zu erfolgen haben. Es können aber – entsprechend der gesetzlichen Regel des § 760 BGB – drei Monate im Voraus geregelt werden.
183
A5 Die Höhe der Zahlungen richtet sich nach den gesetzlichen Voraussetzungen zu den 184 jeweiligen Schadenpositionen (Erwerbsschaden, Haushaltsführungsschaden, vermehrte Bedürfnisse, Unterhaltsschadensrente, Schmerzensgeldrente). Vermehrte Bedürfnisse sind bei entsprechenden Dauerschäden lebenslang zu zahlen. Gleiches gilt für eine Schmerzensgeldrente. Ein Erwerbsschaden bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Verletzte voraussichtlich (§§ 252 BGB, 287 ZPO) aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wäre. Beim Haushaltsführungsschaden wird regelmäßig das 75. Lebensjahr genommen, teilweise wegen der gestiegenen Lebenserwartung auch eine lebenslange Rente, wobei ggf. in den letzten Jahren dann eine Verminderung wegen nachlassender Leistungsfähigkeit angenommen wird.Der Unterhaltsschaden hängt neben den Fragen der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Getöteten, von den Prognosen zur Lebenserwartung des Getöteten und des Berechtigten ab. A6 S.o. M 32.1 Anm. A4 (Rz. 107).
185
A7 bis A9 S.o. M 32.1 Anm. A6-8 (Rz. 113–116).
186
A10 Regelungsbedürftig ist dabei insbesondere, ob und in welcher Weise solche Renten- 187 zahlungen einer Anpassungsmöglichkeit unterliegen. Bei einem außergerichtlichen Rentenvergleich (für den gerichtlichen Vergleich gilt § 323 ZPO) ist eine Anpassung nur bei ausdrücklicher Vereinbarung möglich. Deshalb muss, falls eine Anpassungsmöglichkeit gegeben sein soll, eine solche Möglichkeit in den Text eingefügt werden. Es ist auch möglich, eine Rentenanpassung ausdrücklich auszuschließen, allein aus dem Fehlen einer entsprechenden Klausel kann aber noch nicht ein Wille zum Ausschluss entnommen werden (BGH, Urt. v. 4.10.1988 – VI ZR 46/88, MDR 1989, 149). Auch ohne eine solche ausdrückliche Regelung ist eine Anpassung unter den – allerdings 188 strengen – Voraussetzungen des § 242 bzw. § 313 BGB bei wesentlicher Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse möglich (Berz/Burmann/Heß, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Kap. 6 R, Rz. 26). Eine dynamische Rente – gekoppelt an den Lebenshaltungsindex ist unzulässig – so auch 189 Wertsicherungsklauseln. § 1 PrKlG (Preisklauselverbot) (teilweise abgedruckt bei Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Anh zu § 245) regelt an Stelle des früher geltenden Währungsgesetzes ein Indexierungsverbot (automatisch wirkende Gleitklauseln – § 3 PrKlG). Wie bei einem Urteil zur Rentenzahlung sollten die voraussehbaren zukünftigen Änderungen bei der Höhe des Rentenanspruches schon berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 24.4.1990 – VI ZR 183/89, MDR 1990, 809). Soweit Veränderungen eingreifen, die bei Vergleichsabschluss noch nicht ausreichend vorhersehbar waren, kann dann bei ausdrücklicher Vereinbarung eine vertragliche Abänderung des Vergleiches (auch der Haftpflichtversicherer kann Abänderung verlangen) erfolgen (BGH, Urt. v. 3.7.1973 – VI ZR 60/72, NJW 1973, 1653; OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.1969 – 4 U 51/68, VersR 1969, 1123).
190
A11 bis A14 S.o. M 32.1 Anm. A9-A12 (Rz. 117–132).
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Heß/Höke 681
Kap. 32 Rz. 192
Vergleichsvereinbarungen
M 32.3
192
A15 Kosten: Für den Rentenvergleich gelten die Abrechnungsgrundsätze wie bei jedem Vergleich über wiederkehrende Leistungen. Der Geschäftswert für die Rentenzahlungen errechnet sich aus dem Fünffachen des Jahreswertes (§ 17 GKG). Die Höhe der Geschäftsgebühr richtet sich nach den bei einer umfassenden Abfindung dargestellten Grundsätzen. Je komplexer und schwieriger der Personenschaden, desto eher rechtfertigt sich der Ansatz zu 2,5 (zzgl. 1,5 Einigungsgebühr).
193
Wird über eine Veränderung der Verhältnisse eine Anpassung vorgenommen, so hat die Abrechnung nach der Differenz zwischen der ursprünglichen und der erhöhten Zahlung zu erfolgen.
194
A16 Steuern: S.o. M 32.1 Anm. A15 (Rz. 144).
194a
A17 Zahlungen: S. M 32.1 Anm. A16 (Rz. 152).
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Heß/Höke
Kapitel 33
A. Nachtragsurkunde zu einem Grundstückskaufvertrag I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 33.1 Vergleichsvereinbarung als Nachtrag zum Grundstückskaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vergleichsvereinbarungen im Grundstücksrecht
3 6
6
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 33.2 Vergleichsvereinbarung bei Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages . . . . . . . . . . . C. Austausch einer Vertragspartei I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 33.3 Übernahme eines Grundstückskaufvertrags . . . . . . . . . . . .
35
35 50 51 51
34
Literatur: Amann, Notarielle und gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung des Eigentumsverschaffungsanspruchs des Immobilienkäufers, MittBayNot 2001, 150; Amann, Grenzen der Kongruenz vorgemerkter Ansprüche – Wie viel vom vorgemerkten Anspruch ist Grundbuchinhalt?, DNotZ 2014, 178; Amann, Wiederverwendung unwirksamer Eigentumsvormerkungen, MittBayNot 2000, 197; Blum, Probleme der Aufhebung und Rückabwicklung von Grundstückskaufverträgen, MittRhNotK 1987, 209; Dümig, Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung?, ZfIR 2003, 583; Gottwald/Steer, Neuabschluss von Verträgen bzw. Vertragsübernahmen im Grunderwerbsteuerrecht – zugleich Anmerkung zum Urteil des BFH v. 22.1.2003, Az: II R 32/01, MittBayNot 2004, 166; Heckschen/Herrler/Starke (Hrsg.), Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015; Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016; Leitzen, Änderungsverträge aus notarieller Perspektive, BWNotZ 2012, 86; Müller, Beurkundungsbedürftigkeit der Änderung und Aufhebung von Kaufverträgen über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, MittRhNotK 1988, 243; RaketeDombek, Die Angst des Richters vor der Haftung – Mitteilungs- und Belehrungspflichten bei gerichtlichen Vergleichen, NJW 2012, 1689; Roemer, Die Formbedürftigkeit der Aufhebung und Änderung von Verträgen im Sinne des § 311b Abs. 1 BGB (§ 313 BGB a.F.), 2004; Zeller, Die Formbedürftigkeit nachträglicher Änderungen von Grundstückskaufverträgen, 1986.
Streitigkeiten im Grundstücksrecht wurzeln oftmals im nachbarrechtlichen Verhältnis von 1 Grundstückseigentümern oder entstammen der Beziehung zwischen Eigentümer und dinglich Berechtigten (z.B. Grunddienstbarkeiten, Nießbrauch). Nachbarrechtliche Streitigkeiten bilden bislang einen Schwerpunkt des obligatorischen Schlichtungsverfahrens nach § 15a Abs. 1 EGZPO (vgl. Kap. 8 zum Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO). Die diesen Streitigkeiten zugrunde liegenden Beziehungen sind typischerweise von Dauer. Der einzelne Streitpunkt ist nicht selten nur Symptom der gestörten Beziehung, während die Ursache der Störung ganz woanders liegt. Deshalb sind nachbarschaftliche Streitigkeiten für einen mediativen Ansatz der Streitbeilegung besonders geeignet. Eine andere Gruppe grundstücksbezogener Streitigkeiten entsteht im Zusammenhang mit 2 Grundstückstransaktionen. Diesen Austauschverträgen liegt meist keine dauerhafte Geschäftsbeziehung der Vertragsparteien zugrunde. Ihr gemeinsames Interesse beschränkt sich auf die erfolgreiche Abwicklung des Veräußerungsgeschäfts. Zur außergerichtlichen Lösung auftretender Streitigkeiten bietet sich für diese Fälle deshalb der Vergleich an. Der Vergleich bezieht sich seiner Natur nach auf ein einziges Ausgangsrechtsverhältnis. Die Vergleichsver-
Sorge
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Kap. 33 Rz. 2a
Vergleichsvereinbarungen
handlung konzentriert sich auf die punktuelle Lösung des Streits oder die Beseitigung der Ungewissheit über dieses Rechtsverhältnis.1 2a
Den nachfolgenden Vertragsmustern liegen jeweils Grundstückstransaktionen zu Grunde. Während und nach der Abwicklung eines Grundstückskaufvertrages können Störungen auftreten, die Nachverhandlungen über den Vertrag notwendig machen (vgl. A. Nachtragsurkunde zu einem Grundstückskaufvertrag) oder gänzlich zum Scheitern des Vertrages führen (vgl. B. Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages). Unter C. wird als Besonderheit der Austausch einer Vertragspartei vorgestellt.
A. Nachtragsurkunde zu einem Grundstückskaufvertrag I. Einführung 3
Nach Vertragsschluss auftretende Störungen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, nämlich solche, die bis zum Leistungsaustausch und solche, die erst danach offenbar werden. Für die Frage der Form eines Vergleichs, der zur Beseitigung der Störung ausgehandelt wird, kann diese Unterteilung mittelbar bedeutsam sein, denn die Rechtsprechung unterscheidet bezüglich der Anforderungen an die Form der Vertragsänderung nach dem Abwicklungsstadium. Grundsätzlich sind Änderungen und Ergänzungen des Vertrages auch dann formbedürftig, wenn sie im Rahmen eines Vergleichs vereinbart werden. Nach Vollzug der Eigentumsumschreibung besteht hingegen Formfreiheit, weil die Erwerbs- bzw. Veräußerungspflicht, an die die Formzwecke des § 311b Abs. 1 BGB anknüpfen, bereits erfüllt ist. Gleiches gilt nach Auffassung des BGH dann, wenn die Eigentumsumschreibung zwar noch nicht vollzogen, die Auflassung aber bereits erklärt ist.2
3a
Während vom Käufer Sachmängel des Grundstücks oder aufstehender Gebäude bei Bestandsimmobilien nicht selten erst nach Besitzübergang erkannt werden und im Rahmen des § 444 BGB vom Haftungsausschluss erfasst sein können, werden Störungen des Leistungsaustauschs in einem frühen Stadium insbesondere dann offenbar, wenn der Notar als unparteiischer Dritter mit dem Vollzug des Vertrages betraut ist. Gerade in diesen Fällen können außergerichtliche Vergleichsverhandlungen unter Einschaltung des Urkundsnotars Störungen beseitigen.
4
Nach Abschluss des Beurkundungsverfahrens durch die Unterschrift der Beteiligten und des Notars (§ 13 BeurkG) tritt der Grundstückskaufvertrag in die Vollzugsphase. Regelmäßig ist der Notar beauftragt, zur Wirksamkeit des Vertrages etwa noch ausstehende Genehmigungen (z.B. § 12 WEG) einzuholen. Ist der Vertrag wirksam, müssen die weiteren Voraussetzungen der Kaufpreisfälligstellung herbeigeführt werden. Hierzu gehören z.B. Erklärungen im Grundbuch eingetragener Gläubiger zur Lastenfreistellung und Verzichtserklärungen von Vorkaufsberechtigten. Andere Voraussetzungen der Kaufpreisfälligkeit, wie z.B. die Räumung des Vertragsbesitzes durch einen Mieter oder die Vornahme vereinbarter Reparaturen durch den Verkäufer, müssen die Beteiligten selbst überwachen. Solche Leistungspflichten können teilweise über eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung zu notarieller Urkunde abgesichert werden (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Nach der Fälligstellung des Kaufpreises durch den Notar übernimmt er die Kaufpreisüberwachung, d.h. dass er die Eigentumsumschreibung veranlasst, sobald die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist und 1 Vgl. zu Vergleichen, die über den Streitgegenstand hinaus gehen, Kap. 31. 2 BGH, Urt. v. 28.9.1984 – V ZR 43/83, MittBayNot 1984, 274; Beschl. v. 9.11.1995 – V ZR 36/95, MittBayNot 1996, 26; a.A. Roemer, Die Formbedürftigkeit der Aufhebung und Änderung von Verträgen im Sinne des § 311b Abs. 1 BGB (§ 313 BGB a.F.), 2004, 156 ff.
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Sorge
M 33.1
Grundstücksrecht
Rz. 6 Kap. 33
die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes über die Zahlung der Grunderwerbsteuerschuld vorliegt. Beispiele auftretender Störungen sind Probleme – bei der Lastenfreistellung, z.B. weil der Kaufpreis nicht zur Ablösung der im Grundbuch eingetragenen Gläubiger ausreicht, – der Kaufpreisfinanzierung, z.B. weil der Käufer den Kaufpreis seinerseits aus einem Immobilienverkauf aufbringen muss, – der Räumung, z.B. weil die neue Wohnung des Verkäufers nicht rechtzeitig bezugsfertig wird.
5
Im Zuge seiner Vollzugstätigkeit ist der Notar häufig in der Lage, auftretende Störungen frühzeitig zu erkennen und die Beteiligten zu unterrichten. Solche Abwicklungsstörungen machen Nachverhandlungen zwischen den Vertragsbeteiligten notwendig, soll das Scheitern des Vertrages vermieden werden.
5a
II. Muster M 33.1 Vergleichsvereinbarung als Nachtrag zum GrundstückskaufvertragA1 URNr. 1234/2016 Kaufvertrag über Wohnungseigentum Nachtrag zur Urkunde URNr. 875/2016 vom 14. Juli 2016 Heute, am 12. September 2016 erschienen vor mir Notar N mit dem Amtssitz in N-Stadt 1. V 2. K Auf deren Ansuchen beurkunde ich ihre Erklärungen wie folgt: I. VorbemerkungA2 Zu diesamtlicher Urkunde URNr. 875/2016 vom 14. Juli 2016 („Vorurkunde“) hat V eine Eigentumswohnung („Vertragsgrundbesitz“) an K verkauft. Auf die Urkunde wird Bezug genommen.A3 Für K ist eine Auflassungsvormerkung am Vertragsgrundbesitz im Rang nach der Grundschuld Abt. III. lfd. Nr. 1 eingetragen. Die Löschungsbewilligung für diese Grundschuld liegt dem Notar auflagenfrei vor.A4 Die Auflassung wurde zur Vorurkunde erklärt.A5 Der Kaufpreis ist seit dem 25. Juli 2016 zur Zahlung fällig. Seit dem 5. August 2016 ist K mit der Kaufpreiszahlung in Verzug. Bisher wurde keine Zahlung auf den Kaufpreis geleistet. Der Rücktritt vom Vertrag wurde bislang von keiner Vertragspartei erklärt. V war bekannt, dass K Bauland veräußert hat und den Erlös zur Tilgung seiner Kaufpreisschuld verwenden wollte. Der Käufer des Baulands hat zwischenzeitlich Insolvenz angemeldet. Nun muss K den Kaufpreis fremd finanzieren. V liegt eine unverbindliche Darlehenszusage der Sparkasse S vor, wonach derzeit bei S 45 000 Euro liquide Eigenmittel des K für den Wohnungskauf
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Kap. 33 Rz. 6
Vergleichsvereinbarungen
M 33.1
verfügbar sind und S gegen grundpfandrechtliche Sicherung bereit ist, 95 000 Euro zuzüglich Erwerbsnebenkosten zu finanzieren. II. Vereinbarungen zur Vertragsabwicklung 1. Verzugszinsen und ZwangsvollstreckungsunterwerfungA6 K schuldet V ab dem 5. August 2016 auf den offenen Kaufpreis in Höhe von einhundertfünfzigtausend Euro (150 000 Euro) Verzugszinsen in Höhe von fünf vom Hundert (5 %) über dem Basiszinssatz, derzeit also 4,18 % p.a.A7 Zur Vorurkunde hat sich K wegen der Kaufpreiszahlungsverpflichtung der Zwangsvollstreckung unterworfen. Wegen der weiteren Verpflichtung zur Zahlung der vorstehenden Verzugszinsen unterwirft sich K der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. In Abänderung der Vorurkunde erteilt N vollstreckbare Ausfertigung der Vorurkunde und dieser Urkunde auf Antrag des V, jedoch nicht vor Ablauf der unter Ziff. 3. genannten Hinterlegungsfrist und nur, soweit Gelder nicht fristgerecht hinterlegt wurden.A8 Die Beweislast in einem gerichtlichen Verfahren wird hierdurch nicht berührt.A9 2. Haftung für Rechts- und Sachmängel Der zur Vorurkunde vereinbarte Haftungsausschluss des V umfasst bislang nicht solche Mängel, die zwischen Vertragsschluss und Gefahrübergang entstehen. Abweichend hiervon wird vereinbart, dass die Haftung auch für solche Mängel ausgeschlossen wird, die ab heute entstehen.A10 3. Abwicklung über Notaranderkonto In Abänderung der Bestimmungen der Vorurkunde ist der gesamte Kaufpreis einschließlich Verzugszinsen auf das Notaranderkonto des Notars N bei der Sparkasse S in N-Stadt, IBAN DE99 7995 0000 0012 3456 78 zu hinterlegen.A11 Ein Kaufpreisteil von fünfundvierzigtausend Euro ist unverzüglich zu hinterlegen.A12 Der Kaufpreisrest einschließlich Verzugszinsen ist spätestens bis zum 30. September 2016 zu hinterlegen. Der Käufer hat den Kaufpreis zu dem vorbezeichneten Zeitpunkt so zu hinterlegen, dass der Notar bei Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen darüber verfügen kann.A13 K und V weisen den Notar an, den fristgerecht hinterlegten Betrag auf das in der Vorurkunde genannte Konto des V zur Zahlung anzuweisen, sobald ihm die Vollzugsmitteilung des Grundbuchamtes über die rangrichtige Eintragung des gem. nachfolgender Ziff. 4. dieses Abschnitts einzutragenden Finanzierungsgrundpfandrechts vorliegt.A14 Mit Eintritt der Auszahlungsreife hat die fristgerechte Hinterlegung Erfüllungswirkung. Ab diesem Zeitpunkt gehen Besitz, Nutzungen und Lasten auf den K über.A15 Abweichend von § 367 Abs. 1 BGB werden Teilleistungen erst auf die Kaufpreisschuld, dann auf die Verzugszinsen angerechnet.A16 Bis zum Eintritt der Auszahlungsreife hat der Notar hinterlegtes Geld nicht besonders anzulegen.A17 Etwaige Zinsen abzüglich etwaiger Bankspesen und Kapitalertragsteuern stehen V zu. Die Kosten der Hinterlegung trägt im Übrigen K. Die vorstehenden Anweisungen an den Notar sind einseitig durch einen Vertragsteil nicht änderbar. 4. Finanzierungsmitwirkung V verpflichtet sich,A18 bei der Bestellung und Grundbucheintragung eines Grundpfandrechts in Höhe von bis zu einhundertundzehntausend Euro (110 000 Euro) zugunsten der Sparkasse S mit bis zu 16 % Zinsen und 10 % Nebenleistungen vor Eigentumsübergang mitzuwirken. 686
Sorge
M 33.1
Grundstücksrecht
Rz. 6 Kap. 33
a) Sicherungsabrede S darf die Grundschuld nur insoweit als Sicherheit verwerten oder behalten, als tatsächlich Zahlungen mit Tilgungswirkung auf die Kaufpreisschuld des K geleistet werden. Alle weiteren Zweckbestimmungserklärungen, Sicherungs- und Verwertungsvereinbarungen innerhalb oder außerhalb dieser Urkunde gelten erst, nachdem der Kaufpreis vollständig bezahlt ist, in jedem Fall ab Eigentumsumschreibung. Ab diesem Zeitpunkt gelten sie für und gegen den K als neuen Sicherungsgeber. b) Zahlungsanweisung Bis zur Tilgung des Kaufpreises sind Zahlungen auf das vorgenannte Notaranderkonto zu leisten. c) Persönliche Zahlungspflichten, Kosten V übernimmt im Zusammenhang mit der Grundschuldbestellung keinerlei persönliche Zahlungspflichten. K verpflichtet sich, V von allen Kosten freizustellen. d) Fortbestand der Grundschuld Die bestellte Grundschuld darf auch nach der Eigentumsumschreibung auf den K bestehen bleiben. Alle Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche, die mit ihr zu tun haben, werden hiermit mit Wirkung ab Bezahlung des Kaufpreises, in jedem Fall aber ab Eigentumsumschreibung, auf K übertragen. Die entsprechende Grundbucheintragung wird bewilligt. V erteilt K Vollmacht, ihn bei allen vorstehenden Rechtshandlungen unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zu vertreten. Diese Vollmacht gilt nur dann, wenn in der Grundschuldbestellungsurkunde die unter a), b), c) und d) getroffenen Bestimmungen wiedergegeben werden. Die Vollmacht kann nur bei der Notarstelle des Notars N ausgeübt werden. Notar N wird angewiesen, die bestellte Grundschuld erst zum grundbuchamtlichen Vollzug zu geben, wenn – der vorstehend bezifferte, unverzüglich einzuzahlende Kaufpreisteil auf dem Notaranderkonto eingegangen istA19 und – Sparkasse S schriftlich bestätigt hat, die Löschung des Grundpfandrechts unverzüglich in grundbuchtauglicher Form zu bewilligen, falls der Vertrag gemäß Abschnitt III rückabgewickelt wird.A20 Vorher sind keine Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften zu erteilen. III. Regelungen zur Rückabwicklung des Vertrages Insbesondere für den Fall, dass der Kaufpreis und die bis zum Ablauf der Hinterlegungsfrist angefallenen Verzugszinsen nicht, nicht vollständig oder verfristet auf das Notaranderkonto eingezahlt sind, vereinbaren die Vertragsparteien Folgendes:A21 1. Rücktritt wegen Zahlungsverzugs V verzichtet, auflösend bedingt durch den Ablauf der in Abschnitt II. Ziff. 3. genannten Hinterlegungsfrist, auf sein Recht, wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Zahlungsverzugs vom Kaufvertrag zurückzutreten.A22 Nach Ablauf der Frist ist V berechtigt, ohne weitere Androhung oder Fristsetzung vom Kaufvertrag zurückzutreten. Der Rücktritt des V wegen Zahlungsverzugs ist schriftlich gegenüber K zu erklären. V wird die Erklärung des Rücktritts Notar N schriftlich anzeigen. Die Anzeige ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung des Rücktritts.A23 Im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.A24
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Kap. 33 Rz. 6
Vergleichsvereinbarungen
M 33.1
2. Löschung eingetragener RechteA25 Tritt V wegen Zahlungsverzugs des K zurück, ist K zur unverzüglichen Löschung des dann etwa eingetragenen Finanzierungsgrundpfandrechts und der Auflassungsvormerkung verpflichtet, die bereits zur Sicherung seines Eigentumsverschaffungsanspruchs im Grundbuch am Vertragsgrundbesitz eingetragenen ist.A26 Zu diesem Zweck erteilt K dem V Vollmacht, unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, alle zur Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung erforderlichen Erklärungen und Anträge einschließlich der grundbuchamtlichen Bewilligung abzugeben. Entsprechendes gilt für eine etwa eingetragene Finanzierungsgrundschuld.A27 Von dieser Vollmacht kann nur vor Notar N Gebrauch gemacht werden, der im Zusammenhang mit der Ausübung der Vollmacht jedoch nicht die Wirksamkeit der Ausübung des Rücktritts zu prüfen hat, soweit sich dies nicht offensichtlich aus der Betreuung des Notaranderkontos ergibt.A28 Vorbehaltlich einer anderen gemeinsamen und schriftlichen Anweisung der Vertragsteile wird Notar N die aufgrund dieser Vollmacht abgegebenen Erklärungen und Anträge an das Grundbuchamt weiterleiten, wenn – der Kaufpreis sowie die bis zum Ablauf der Hinterlegungsfrist angefallenen Verzugszinsen nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht hinterlegt worden sind, – ihm die schriftliche Anzeige der Rücktrittserklärung des V vorliegt, – er dem K die Beantragung der Löschung eingetragener Rechte mindestens 10 Tage vor der Vorlage beim Grundbuchamt schriftlich angekündigt hat. Die Frist beginnt mit der Absendung der Ankündigung an die im Urkundeneingang benannte Anschrift,A29 – an den K oder die S gemäß Ziff. 3. zurückzuzahlende hinterlegte Gelder zur Rückzahlung angewiesen sind.A30 3. Abwicklung des Notaranderkontos Das Notaranderkonto ist abzuwickeln, sobald V den Rücktritt angezeigt hat und die Löschung der zugunsten des K oder der S eingetragenen Rechte betreibt. Von einem etwa hinterlegten Betrag sind nach Abzug der Kosten der Hinterlegung die bis zum Ablauf der Hinterlegungsfrist angefallenen Verzugszinsen auf das in der Vorurkunde genannte Konto des V auszuzahlen. Notar N ist berechtigt, Beträge zur Begleichung seiner offenen Kostenforderungen gegen K, die im Zusammenhang mit dieser und der Vorurkunde stehen, zu entnehmen. Ein dann noch vorhandener Betrag ist auf das Konto des K bei der Sparkasse S, IBAN: DE11 7995 0000 0098 7654 32, zu überweisen, sofern S keine andere schriftliche Weisung erteilt.A31 IV. KostenA32 Die Kosten dieser Urkunde und ihres Vollzugs einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung trägt K, im Übrigen bleibt es bei den Kostenregelungen der Vorurkunde. V. Ausfertigungen und Abschriften Diese Urkunde wird wie die Vorurkunde ausgefertigt. VI. Vorurkunde Im Übrigen verbleibt es bei den Bestimmungen der Vorurkunde. Der Notar wird angewiesen, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst zu beantragen, wenn Auszahlungsreife gegeben ist.
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M 33.1
Grundstücksrecht
Rz. 10 Kap. 33
VII. Hinweise des NotarsA33 Einreden einer Vertragspartei können im Verfahren der Vertragsabwicklung über Notaranderkonto grds. nicht beachtet werden. Der Notar kann im Verfahren der Anderkontenabwicklung die Wirksamkeit einer Rücktrittserklärung nicht verbindlich feststellen. Die Rückabwicklung des Anderkontos und des bis dahin erreichten Teilvollzugs im Grundbuch kann aufgrund der heutigen Vereinbarungen deshalb auch dann erfolgen, wenn ein Rücktritt des V wegen Zahlungsverzugs unwirksam ist. Für diese Fälle hat der Notar auf die Möglichkeit der Absicherung etwaiger Ansprüche des K durch eine Vertragserfüllungsbürgschaft hingewiesen. Vorgelesen vom Notar, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben gez. K, gez. V, gez. N, Notar
Anmerkungen zu Muster M 33.1 A1 Sachverhalt: Käufer K hat von Verkäufer V eine Eigentumswohnung zur Urkunde des 6a Notar N gekauft. Den Kaufpreis glaubte er zu 100 % aus Eigenkapital erbringen zu können, das ihm zum Teil bar zur Verfügung steht, zum größeren Teil aber aus dem Verkauf von Bauland an Bauträger B zufließen sollte. Deshalb verzichteten K und V darauf, in den Vertrag eine vom Notar zur Diskussion gestellte Vollmacht zur Belastung der Eigentumswohnung mit einer Finanzierungsgrundschuld aufzunehmen. Mittlerweile lagen alle Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen vor, was N auftragsgemäß gegenüber K bestätigt hatte, so dass der Kaufpreis gemäß vertraglicher Vereinbarung 10 Tage später fällig war und K seither in Zahlungsverzug ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Da B mit der Zahlung des Baulandpreises säumig ist, ist K nicht liquide. K könnte bei Sparkasse S eine Zwischenfinanzierung bekommen. S fordert eine grundpfandrechtliche Absicherung. K ist der Meinung, dass V an der Zwischenfinanzierung mitwirken müsse, weil das üblich sei. V verlangt Verzugszinsen und droht K den Rücktritt vom Vertrag sowie Schadensersatzforderungen an. Er hat einen anderen Kaufinteressenten, der allerdings einen niedrigeren Kaufpreis bietet. Für den Fall, dass die Finanzierung des K doch scheitert, möchte er sicherstellen, dass er die Eigentumswohnung sofort an einen Dritten verkaufen kann. A2 Präambel: Die Ausführlichkeit einer Präambel hängt vom Einzelfall ab; hier dient sie 7 auch der Illustration des Falles. A3 Bezugnahme auf die Vorurkunde: Eine Verweisung nach § 13a BeurkG ist hier nicht 8 erforderlich, wäre aber natürlich nicht schädlich. Wird eine bereits notariell beurkundete Vereinbarung von denselben Beteiligten geändert, ergänzt oder aufgehoben, so kann darauf Bezug genommen werden. Das Verfahren nach § 13a BeurkG ist nicht anzuwenden (Bernhard in Heckschen/Herrler/Starke, Beck’sches Notar-Handbuch, Rz. 186; Vollhard, NJW 1980, 104). A4 Auflagenfreie Löschungsbewilligung: Hätte der Gläubiger eine Treuhandauflage er- 9 teilt, wäre zu beachten, dass die Vertragsänderung mit dieser in Einklang stehen müsste. Andernfalls müsste die schriftliche Zustimmung des Treugebers eingeholt werden: § 54a Abs. 4 BeurkG. A5 Form der Nachtragsurkunde: Nicht selten steht die Frage der Formpflicht einer Nach- 10 tragsvereinbarung im Raum. Unter der Fallgruppe der „Behebung von Abwicklungsschwierigkeiten“ werden Einzelfälle zusammengefasst, in denen die Rechtsprechung eine formfreie Änderung für wirksam erachtet. Übersicht der entschiedenen Einzelfälle bei Leitzen, ÄndeSorge
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Kap. 33 Rz. 10a
Vergleichsvereinbarungen
M 33.1
rungsverträge aus notarieller Perspektive, BWNotZ 2012, 86 (89). Formfrei sind solche Vertragsänderungen wirksam, die lediglich der Beseitigung unvorhergesehener Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Vertrages dienen und die den Inhalt der gegenseitigen Leistungspflichten nicht wesentlich verändern. Dass diese Fallgruppe wenig griffig ist und zu kaum vorhersehbaren Ergebnissen führt, zeigt der vom BGH entschiedene Fall, in dem das Gericht eine privatschriftliche Vereinbarung für wirksam erachtete, mit der im Hinblick auf die Schwangerschaft der Ehefrau des Erwerbers als „unvorhersehbarer Umstand“ nachträglich eine Frist für den Baubeginn und ein Rücktrittsrecht des Erwerbers für den Fall des verspäteten Baubeginns vereinbart wurde, um die zeitgerechte Bauausführung und die fristgerechte Fertigstellung zu regeln (BGH, Urt. v. 5.4.2001 – VII ZR 119/99, NJW 2001, 1932 = MittBayNot 2001, 390; krit. Kanzleiter, DNotZ 2001, 799). 10a
Im Beispielsfall wird die ursprünglich vereinbarte Direktzahlung des Kaufpreises durch eine Abwicklung über Notaranderkonto ersetzt, eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung für Verzugszinsen erklärt und das gesetzliche Rücktrittsrecht modifiziert. Außerdem erteilt der Verkäufer dem Käufer eine Vollmacht zur Bestellung eines Finanzierungsgrundpfandrechts, der Käufer wiederum dem Verkäufer eine Vollmacht zur Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung für den Fall des Scheiterns der Nachtragsvereinbarung. Der Notar wird im Rahmen seiner Betreuungstätigkeit nach § 24 BNotO umfangreich mit der Vollzugsüberwachung betraut. Die Ausübung der Vollmachten ist zur Vermeidung des Missbrauchs an die Notarstelle gebunden. Diese komplexen Regelungen zur Beseitigung der aufgetretenen Störungen verdeutlichen, dass sich – auch angesichts der Formerfordernisse des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO und des § 29 GBO – die praktische Bedeutung der dogmatischen Frage der Beurkundungspflicht erheblich relativiert. Die notarielle Beurkundung der gesamten Vertragsänderung empfiehlt sich schon aus Praktikabilitätsgründen, häufig auch unter Kostenaspekten.
11
A6 Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Verzugszinsen im Muster setzt voraus, dass sich die Unterwerfung in der Vorurkunde ausschließlich auf die Hauptleistung ohne Zinsen erstreckt.
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A7 Verzugszins: Handelt es sich um einen Verbrauchervertrag, ist der Aufschlag auf 5 % beschränkt: § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB.
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A8 Nachweisverzicht: Auch eine weitere Vollstreckungsklausel mit Nachweisverzicht wäre denkbar, die eine Missbrauchskontrolle ausschließlich in das Verfahren nach § 767 ZPO verlagert.
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A9 Beweislastumkehr: Die Klausel ist nach der Aufgabe der Rechtsprechung zur Beweislastumkehr (BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 179/79, MDR 1982, 124 = NJW 1981, 2756) durch BGH, Urt. v. 3.4.2001 – XI ZR 120/00, MDR 2001, 894 = MittBayNot 2001, 386, an sich nicht mehr erforderlich und wird von Heinemann auch nicht mehr empfohlen: MittBayNot 2001, 389.
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A10 Erweiterung des Haftungsausschlusses: Haben die Parteien die Haftung des Verkäufers i.S.d. §§ 459 ff. BGB a.F. für sichtbare und unsichtbare Mängel ausgeschlossen, so erfasst der Ausschluss in der Regel nicht solche Mängel, die nach Vertragsschluss und vor Gefahrübergang entstehen; wollen die Parteien auch solche Mängel von der Haftung ausschließen, müssen sie dies deutlich machen (BGH, Urt. v. 24.1.2003 – V ZR 248/02, MDR 2003, 498 = MittBayNot 2003, 318 = NJW-RR 2003, 1316).
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A11 Hinterlegung: Kontoführende Bank: Die Hinterlegung muss bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitut erfolgen, § 54b Abs. 2 BeurkG. Das Konto soll von einem Kreditinstitut im Amtsbereich (§ 10a Abs. 1 BNotO) des Notars oder einem in690
Sorge
M 33.1
Grundstücksrecht
Rz. 23 Kap. 33
nerhalb des Amtsbezirks liegenden benachbarten Amtsbereich geführt werden. Im Muster ist die Führung durch das den Käufer finanzierende Institut vorgesehen, um zahlungsverkehrsbedingte Verzögerungen möglichst auszuschließen. Im Hinblick auf die Bedeutung der Einzahlungsfrist für die erfolgreiche Vertragsabwicklung erscheint das empfehlenswert. A12 Ratenzahlung: Obwohl K angibt, liquides Eigenkapital (30 % des Kaufpreises) verfüg- 17 bar zu haben, hatte er bislang V noch keine Teilleistung angeboten. Aus Sicht des V liegt es nahe, den sicheren Nachweis des Eigenkapitals einzufordern, bevor er eine weitere Grundbuchbelastung zulässt. A13 Hinterlegungspflicht: Vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1997 – V ZR 4/96, MDR 1997, 726 = MittBayNot 1997, 285, mit Formulierungsempfehlung von Tönnies, MittRhNotK 1998, 172.
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A14 Alternative: Notarbestätigung: Als Alternative kommt auch die Anknüpfung der 19 Auszahlungsreife an eine Notarbestätigung über die Vorlage beim Grundbuchamt in Betracht. Vgl. hierzu die Formulierungsempfehlungen der Bundesnotarkammer vom 17.2.1999, DNotZ 1999, 369. A15 Erfüllungszeitpunkt: Die Hinterlegung des Kaufpreises auf Notaranderkonto hat 20 grds. keine Erfüllungswirkung, es kann aber vereinbart werden, dass Erfüllung mit Eintritt der Auszahlungsreife eintritt (BGH, Urt. v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, MDR 1983, 654 = NJW 1983, 1605; Urt. v. 17.2.1994 – IX ZR 158/93, MDR 1994, 770 = MittBayNot 1994, 214). Weil für K bereits eine Vormerkung eingetragen ist, kann er nach § 106 InsO die Erfüllung seines Auflassungsanspruchs auch bei Insolvenz des V verlangen. Die hier vereinbarte Erfüllungswirkung steht also in Einklang mit dem Sicherungsinteresse des K. A16 Tilgungsbestimmung: Die Modifizierung des § 367 BGB soll Fehler bei der Berech- 21 nung des geschuldeten Betrages vermeiden, die durch Verzögerungen im Zahlungsverkehr angelegt sind. Angesichts der möglichen Alles-oder-Nichts-Folgen einer Verfristung bzw. einer zu geringen Zahlung erscheint das empfehlenswert. Vor diesem Hintergrund spricht auch etwas dafür, die Verzugszinsen aus der Anderkontenabwicklung auszublenden und V darauf zu verweisen, diese im Falle der Nichtzahlung gesondert zu vollstrecken. Das könnte jedoch zu Folgeproblemen führen, z.B. wenn V wegen Nichtzahlung der Verzugszinsen nach § 323 Abs. 1 BGB vom Vertrag zurücktritt. Es könnte ratsam sein, das Verhältnis einer Ausklammerung der Verzugszinsen aus der Vertragsabwicklung zu dem gesetzlich vorgesehenen Ausschluss des Rücktrittsrechts nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB (Nichtzahlung als „unerhebliche Pflichtverletzung“) zu klären. A17 Festgeldanlage hinterlegter Gelder: Vgl. BGH, Urt. v. 29.2.1996 – IX ZR 150/95, MDR 1996, 747 = MittBayNot 1996, 320, zur Hinweispflicht des Notars auf verzinsliche Anlage bei zu erwartender längerer Hinterlegungsdauer. Vorliegend wird eine rasche Abwicklung erwartet und angestrebt.
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A18 Finanzierungsmitwirkung: Vgl. hierzu Ertl, Die Grundschuldbestellung zur Kauf- 23 preisfinanzierung, MittBayNot 1989, 53, und Everts in Heckschen/Herrler/Starke, Beck’sches Notarhandbuch, A Rz. 266 ff. Obwohl die Finanzierungsmitwirkung üblich ist, liegt zur Frage der Verpflichtung des Verkäufers an der Mitwirkung ersichtlich keine Rechtsprechung vor. Neben dem Risiko der Inanspruchnahme des Verkäufers für Notar- und Grundbuchkosten stand bisher im Falle einer Zwangsvollstreckung der Finanzierungsgläubigerin vor der Umschreibung des Eigentums auf den Käufer eine Rufschädigung des Verkäufers zu befürchten (vgl. hierzu Basty in Kersten/Bühling, 25. Aufl. 2016, § 32 Rz. 310). Diese Gefahr ist inzwischen erheblich geringer geworden, weil das Vollstreckungsgericht in den veröffentlichten Angaben der Terminsbestimmung den zurzeit der Eintragung des Versteigerungsvermerks im Grundbuch eingetragenen Eigentümer nicht mehr bezeichnet: § 38 Abs. 1 Satz 1 ZVG. Sorge
691
Kap. 33 Rz. 23a 23a
A19 S. Anm. A12 (Rz. 17).
23b
A20 S. Anm. A27 (Rz. 30).
Vergleichsvereinbarungen
M 33.1
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A21 Automatisierte Rückabwicklung: Nachfolgende Regelung dient dem Interesse des V, die Eigentumswohnung alsbald an einen Dritten veräußern zu können, falls K weiterhin den Kaufpreis schuldig bleibt. Um gegenüber dem Dritten leistungsfähig zu sein, muss die eingetragene Auflassungsvormerkung und eine bis dahin etwa eingetragene Finanzierungsgrundschuld des S beseitigt werden können.
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A22 Gestaltung des Rücktrittsrechts: Ein einseitiger Verzicht auf das Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht ist möglich (Schlüter in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2016, § 397 Rz. 19). Zahlt K vereinbarungsgemäß, lebt das Rücktrittsrecht nicht mehr auf. Erfüllt K die Pflicht zur Hinterlegung nicht fristgerecht, ist V ohne weitere Androhung oder Fristsetzung zum Rücktritt berechtigt. Auf das Erfordernis einer weiteren Fristsetzung wird hier verzichtet, § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB also insoweit modifiziert (beachte § 309 Nr. 4 BGB beim Verbrauchervertrag). Die Leistung des K war bereits fällig, mit der Nachtragsvereinbarung wird ihm eine angemessene Frist gesetzt. Die Abweichung führt nicht zur Vereinbarung eines absoluten Fixgeschäfts. Zwar entfällt bei einer verfristeten Leistung der vertragliche Automatismus der Erfüllungswirkung (Abschnitt II, Ziff. 3), es bleibt für V aber Entscheidungsspielraum, sich durch Rücktritt vom Vertrag zu lösen oder in einer weiteren Vereinbarung mit K die Leistung als vertragsgemäß anzuerkennen. Zu diesem Zweck ist nachfolgend eine 10-Tages Frist für den Vollzug der Rückabwicklungshandlungen des Notars vorgesehen.
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A23 Form und Zugangserfordernisse der Rücktrittserklärung: § 309 Nr. 13 BGB schränkt im Verbrauchervertrag die Möglichkeiten ein, für rechtsgestaltende Erklärungen wie den Rücktritt strengere Formen als die gesetzlich vorgesehenen oder besondere Zugangserfordernisse vorzusehen. In der seit 1.10.2016 geltenden Fassung (BGBl. I, 203) darf eine strengere Form als die Textform nur noch in Verträgen vorgesehen werden, die der notariellen Beurkundung bedürfen. Unabhängig davon, ob ein Verbrauchervertrag vorliegt oder nicht, sollte dem V die Ausübung seines Rücktrittsrechts nicht wesentlich erschwert werden. Für die Vertragsabwicklung ist es zwar sinnvoll, dass der betreuende Notar umgehend von der Ausübung des Rücktritts erfährt. Der Notar kann aber in keinem Fall verbindlich darüber befinden, ob die Erklärung des Rücktritts wirksam erfolgt ist. Insbesondere lässt das Recht keine verdrängende Vollmacht zu, die den Notar ausschließlich für die Entgegennahme der Rücktrittserklärung zuständig erklärt.
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A24 Verweis auf Gesetz: Es wird kein vertragliches Rücktrittsrecht begründet, sondern das gesetzliche Rücktrittsrecht modifiziert. Insbesondere gilt § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB: Ausschluss des Rücktritts wegen unerheblicher Pflichtverletzung, z.B. verfristeter Zahlung von Verzugszinsen.
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A25 Löschbare Vormerkung: Das Muster sieht die Löschung der Auflassungsvormerkung des K allein durch den V unter der Überwachung des N vor (siehe zur sog. „löschbaren Vormerkung“ Hagenbucher, MittBayNot 2003, 249 [252]; Weber, Vorkehrungen zur Löschung der im Kaufvertrag bewilligten Vormerkung: Gestaltungsvarianten im Vergleich, RNotZ 2015, 195). Die Auflassungsvormerkung ist das zentrale Sicherungsinstrument des Käufers. Die Vertragsgestaltung mit der löschbaren Vormerkung hat die Schwierigkeit zu bewältigen, das Interesse des Verkäufers an der Aufhebung einer Blockade seines Grundstücks durch den vertragsuntreuen Käufer zu berücksichtigen, ohne dabei das Risiko zu übersehen, dass der Notar die Vertragsuntreue nicht an Stelle des Richters verbindlich feststellen kann und dass auch der Käufer – trotz der Vertragsverletzung – schutzwürdige Interessen haben kann, z.B. wenn er Teilleistungen erbracht hat. Von einem Automatismus der löschbaren Vormerkung ist bei der Gestaltung des originären Grundstückskaufvertrags deshalb abzuraten (vgl. Ha692
Sorge
Grundstücksrecht
Rz. 34 Kap. 33
genbucher, 252 f.). Die vorliegende Abwicklung des Nachtrags über Notaranderkonto ermöglicht es jedoch, wichtige Interessen des Käufers zu schützen. Insbesondere erfolgt die Löschung der Auflassungsvormerkung unabhängig von der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung des V erst nach Rücküberweisung der dem K bzw. der S zustehenden hinterlegten Gelder. Ausgeblendet bleiben müssen jedoch etwaige zwischenzeitlich auftretende Einreden des K, die seine Leistungspflicht beschränken (Beispiel: V hat arglistig einen Sachmangel verschwiegen, K möchte trotzdem am Vertrag festhalten, aber den Kaufpreis mindern). Es bleiben daher Fälle denkbar, in denen das Anderkonto abgewickelt und die Vormerkung gelöscht wird, obwohl K ein Zurückbehaltungsrecht zusteht und/oder Vs Rücktritt vom Kaufvertrag unwirksam ist. Die Ursache für diese denkbare Verschlechterung seiner Rechtsposition hat K aber durch den von ihm verschuldeten Verzug selbst gesetzt. Es dürfte ihm kaum gelingen, in dieser Lage zur Sicherung seiner Ansprüche z.B. eine Erfüllungsbürgschaft durchzusetzen. A26 Verpflichtung zur Löschung der Vormerkung: Die Verpflichtung zur Löschung be- 29 steht nur, wenn der Rücktritt wirksam ist. V trägt damit die Verantwortung für die vertragsgemäße Ausübung der nachfolgend erteilten Löschungsvollmacht. A27 Löschung der Finanzierungsgrundschuld: Die Löschungsbewilligung müsste naturgemäß die Sparkasse S als Gläubigerin erklären. Deshalb soll die Grundschuld nur gegen ein schuldrechtliches Löschungsversprechen der S eingetragen werden.
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A28 Bindung an die Notarstelle N: Der Notar wird also eine Rückabwicklung verweigern, wenn die fristgerechte Hinterlegung des geschuldeten Betrages offensichtlich ist. Dagegen hat er sich einer Bewertung etwa von K vorgetragener Einreden zu enthalten und übernimmt hierfür auch nicht die Amtshaftung.
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A29 Information des K: Diese Frist soll die Information des K sicherstellen und den Parteien Raum und Flexibilität geben, um den im Falle einer Fristversäumnis einsetzenden Prozess des Abwicklungsautomatismus durch eine Nachverhandlung zu stoppen. Praktisch denkbar ist das z.B. für den Fall einer nur geringen Fristüberschreitung (wegen eines Überweisungsfehlers) oder eines Irrtums bei der Berechnung der Höhe der Verzugszinsen.
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A30 S. Anm. A25 (Rz. 28).
32a
A31 S. Anm. A25 (Rz. 28).
32b
A32 Kosten: 2,0 Gebühr nach KV 21100 des GNotKG, mindestens 120 Euro. Der Geschäfts- 33 wert der Änderungsvereinbarung bestimmt sich nach dem Wert der Veränderungen nach § 97 Abs. 1 GNotKG, wird nach § 97 Abs. 2 GNotKG aber auf den Wert des von der Änderung betroffenen Rechtsverhältnisses begrenzt. Notaranderkonto: KV 25300 1,0-Gebühr je Auszahlung aus dem Auszahlungsbetrag. A33 S. Anm. A25 (Rz. 28).
33a
B. Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages I. Einführung Zielt der Vergleich auf die Aufhebung des Grundstückskaufvertrages und dessen Rückabwicklung, stellt sich dem Vertragsgestalter, der nicht selbst Notar ist, häufig als zentrales Problem, ob der Vergleich der notariellen Beurkundung bedarf. Technisch ist in vielen Fällen möglich, die im ursprünglichen notariellen Kaufvertrag beurkundete, aber im Grundbuch noch nicht vollzogene Auflassung formfrei – jedenfalls durch mündliche/konkludente Sorge
693
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Kap. 33 Rz. 35
Vergleichsvereinbarungen
M 33.2
Erklärung vor einem Notar (§ 925 BGB) – aufzuheben und infolge des Wegfalls des durch die Auflassung und Eintragung der Auflassungsvormerkung entstandenen Anwartschaftsrechts auch den Kaufvertrag formlos aufzuheben. Da der Verkäufer noch Eigentümer ist und auch bleiben soll, liegt bei solchen schuldrechtlichen Vergleichsvereinbarungen kein Fall des § 311b Abs. 1 BGB vor. Lediglich zur Löschung der Auflassungsvormerkung des Käufers bedürfte es dann einer öffentlich beglaubigten Löschungsbewilligung nach § 29 GBO. In fast allen solchen Fällen, in denen eine notarielle Beurkundung nicht zwingend ist, ist sie dennoch empfehlenswert. Ohne Mitwirkung des Notars getroffene Vereinbarungen zur Aufhebung eines Grundstückskaufvertrages sind regelmäßig fehlerhaft,1 da ein Schwerpunkt der Regelungen auf dem Vollzug der Rückabwicklung und dabei auf der Vermeidung von Sicherungslücken und/oder ungesicherten Vorleistungen liegt. Dahinter verbergen sich für den in diesen Bereichen ungeübten Vertragsgestalter empfindliche Haftungsrisiken. Entscheidet ein Gericht über die Aufnahme eines nicht zum ursprünglichen Streitgegenstand gehörenden Grundstücksgeschäfts in den zu protokollierenden Prozessvergleich, hält selbst der BGH das daraus resultierende Haftungsrisiko für einen berücksichtigungswürdigenden Umstand, der für die Ablehnung spricht.2
II. Muster 35
M 33.2 Vergleichsvereinbarung bei Rückabwicklung eines GrundstückskaufvertragesA1 URNr. 1235/2016 Grundstückskaufvertrag Nachtrag zur Urkunde URNr. 877/2016 vom 14. Juli 2016 Heute, am 12. September 2016 erschienen vor mir Notar N mit dem Amtssitz in N-Stadt 1. V, wohnhaft 2. K 1, wohnhaft 3. K 2, wohnhaft … Spanien – K 1 und K 2 nachfolgend auch K – Auf deren Ansuchen beurkunde ich ihre Erklärungen wie folgt: I. Vorbemerkung Zu diesamtlicher Urkunde URNr. 877/2016 vom 14. Juli 2016 („Vorurkunde“) hat V ein Grundstück mit aufstehendem Einfamilienhaus („Vertragsgrundstück“) an K zum Preis von 250 000 Euro verkauft und mit Vollzugssperre aufgelassen.A2 Auf die Urkunde wird Bezug genommen.A3 Im Grundbuch des Vertragsgrundstücks ist im Rang nach der Grundschuld der N-Bank über 500 000 DM zwischenzeitlich eine von K bestellte Grundschuld für die Sparkasse S über 225 000 Euro sowie eine Auflassungsvormerkung zugunsten von K zur Eintragung gekommen. 1 So im Wortlaut Herrler in Heckschen/Herrler/Starke, Beck’sches Notar-Handbuch, Rz. 947 2 BGH, Beschl. v. 3.8.2011 – XII ZB 153/10, NJW 2011, 3451, zum Umfang der Protokollierung einer Einigung der Parteien als gerichtlichen Vergleich.
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Sorge
M 33.2
Grundstücksrecht
Rz. 35 Kap. 33
Bereits am 25. Juli 2016 leisteten K an V eine Anzahlung von 2000 Euro in bar. Am 14. August 2016 lagen die Fälligkeitsvoraussetzungen vor. Notar N teilte den Parteien mit, dass der gesamte Kaufpreis gemäß der Treuhandauflage der N-Bank an sie zu zahlen sei. Der Kaufpreisrest in Höhe von 248 000 Euro wurde bislang nicht gezahlt. Vollstreckbare Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde wurde bislang nicht erteilt.A4 Im Hinblick auf die Anzahlung hatte V K den Besitz übergeben. K haben die vorhandene, in der Vorurkunde für 7500 Euro mitverkaufte Einbauküche entfernen und entsorgen lassen.A5 K 1 wohnt seit 1. August im Haus. K 2 ist zwischenzeitlich ausgezogen. K 1 behauptet starke Feuchtigkeitsschäden und gesundheitsgefährdenden Schimmelbefall an der hangseitigen Kellerwand, die offensichtlich erst kurze Zeit vor Bezug durch eine Holzverschalung kaschiert worden wären. V behauptet, dass die Verschalung mehrere Jahre alt und nach aufwändiger Sanierung der Feuchtigkeitsschäden vorgebaut worden sei. Im Übrigen habe er K 1 und K 2 vor Vertragsschluss auf die Vorschäden hingewiesen. Ein Rücktritt oder eine Anfechtung des Vertrages wurde noch von keiner Seite erklärt. K und V wünschen die Aufhebung des Vertrages. II. Vereinbarungen zur Vertragsaufhebung 1. Aufhebung der erklärten Auflassung Die vor Notar N zur Vorurkunde erklärte Einigung des V und der K zur Übertragung des Eigentums am Vertragsgrundstück (Auflassung) wird hiermit aufgehoben.A6 K bewilligen und beantragen die Löschung der im Grundbuch eingetragenen Vormerkung.A7 2. Widerruf der Belastungsvollmacht V ist nach den Bestimmungen der Vorurkunde verpflichtet, an der Finanzierung des Kaufpreises durch die Bestellung von Grundpfandrechten vor Eigentumsumschreibung mitzuwirken. Diese Verpflichtung wird hiermit aufgehoben. V widerruft die zur Vorurkunde den K erteilte Vollmacht zur Belastung des Vertragsgrundstücks mit Grundpfandrechten zum Zwecke der Kaufpreisfinanzierung.A8 3. Verpflichtung zur Löschung des Finanzierungsgrundpfandrechts K verpflichten sich, unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats die zur Löschung der für die Sparkasse S eingetragenen Grundschuld notwendigen Erklärungen in grundbuchtauglicher Form auflagenfrei beizubringen. Zu diesem Zweck bevollmächtigt V K, einen Anspruch auf Löschung des Grundpfandrechts gegenüber S geltend zu machen, soweit er nach dem Wegfall des Sicherungszwecks entstanden ist. V beantragt hiermit, diese Grundschuld zu löschen, und stimmt als Eigentümer der Löschung zu. K beauftragt Notar N, die Löschungsbewilligung bei S unter Übersendung eine Abschrift der heutigen Urkunde anzufordern.A9 4. Herausgabepflicht, Räumungsfrist, Zwangsvollstreckungsunterwerfung K 2 verpflichtet sich, das Vertragsgrundstück nicht erneut in Besitz zu nehmen, widrigenfalls ihn nach Maßgabe der Verpflichtung des K 1 zu räumen. K 1 verpflichtet sich, das Vertragsgrundstück alsbald, spätestens aber innerhalb eines Monats von heute an gerechnet, vollständig zu räumen und an V herauszugeben. Ein Mietverhältnis, insbesondere über Wohnraum, wird hiermit nicht begründet.A10 K schulden bis zur Übergabe eine Nutzungsentschädigung gemäß nachfolgender Ziff. 5.
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Kap. 33 Rz. 35
Vergleichsvereinbarungen
M 33.2
Vor der Übergabe haben K Einrichtungen, mit denen sie das Vertragsgrundstück versehen haben, zu entfernen. Im Übrigen erfolgt die Rückgabe unrenoviert und besenrein. Die entfernte Einbauküche sowie die im Keller weggerissene Holzverschalung müssen nicht ersetzt werden. Solange K mit der Pflicht zur Räumung und Herausgabe nicht in Verzug sind, sind K für etwaige Schäden verantwortlich, die dadurch entstehen, dass infolge ihres Verschuldens die Sache verschlechtert wird oder untergeht, jedoch bleibt die durch bestimmungsgemäßen Gebrauch entstehende Verschlechterung außer Betracht. Verwendungen der K auf das Vertragsgrundstück sind zu ersetzen, wenn sie aufgrund vorheriger Zustimmung des V oder wegen Gefahr im Verzug getätigt werden. V wird die bestehende Brand- und Gebäudeversicherung bis zur vertragsgemäßen Herausgabe fortführen.A11 K 1 und K 2 unterwerfen sich jeweils wegen ihrer vorstehenden Verpflichtung, das Vertragsgrundstück X-Straße Nr. Y in [PLZ] N-Stadt zu räumen, der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Die Zwangsvollstreckung darf jedoch nicht vor Ablauf eines Monats beginnen.A12 Der Notar hat darauf hingewiesen, dass weitere Voraussetzung des Beginns der Zwangsvollstreckung ist, dass der Schuldtitel mindestens zwei Wochen vorher zugestellt ist (§ 798 ZPO). V beantragt hinsichtlich des Anspruchs auf Räumung hiermit eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde. 5. Entschädigung Die Vorausleistung auf den Kaufpreis in Höhe von 2000 Euro behält V als Entschädigung für die bisherige und bis zur vertragsgemäßen Räumung noch mögliche Nutzung, einschließlich damit verbundener Nebenkosten. Als Ersatz für die Einbauküche schulden K 1 und K 2 dem V als Gesamtschuldner einen sofort fälligen Betrag von 2000 Euro. Wegen der Verpflichtung zur Zahlung dieses Betrages unterwerfen sich K 1 und K 2 hiermit der sofortigen Zwangsvollstreckung. Vollstreckbare Ausfertigung wird auf Antrag erteilt.A13 6. Aufhebung der schuldrechtlichen Vereinbarungen Mit Ausnahme der Regelungen über die Tragung von Kosten und Steuern werden auch die schuldrechtlichen Vereinbarungen der Vorurkunde hiermit aufgehoben.A14 7. Vergleichsklausel Mit der Erfüllung der heutigen Vereinbarungen sind die gegenseitigen Verpflichtungen der Vertragsteile V und K aus dem Kaufvertrag im Wege des Vergleichs ausgeglichen. Darüber hinausgehende Ansprüche können nicht geltend gemacht werden. III. GrunderwerbsteuerA15 Die Beteiligten beantragen gegenüber dem Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – die Grunderwerbsteuer für den aufgehobenen Vertrag wegen § 16 GrEStG nicht mehr festzusetzen bzw. eine zwischenzeitlich festgesetzte Steuer wieder aufzuheben. IV. KostenA16 Die Kosten dieser Urkunde und ihres Vollzugs tragen K als Gesamtschuldner.
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M 33.2
Grundstücksrecht
Rz. 36 Kap. 33
V. Ausfertigungen und Abschriften Von dieser Urkunde erhalten beglaubigte Abschrift: – die Vertragsteile – die Sparkasse S – das Grundbuchamt und einfache Abschrift – Finanzamt Grunderwerbsteuerstelle Vorgelesen vom Notar, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben gez. K 1 und K 2, gez. V, gez. N, Notar
Anmerkungen zu Muster M 33.2 A1 Sachverhalt: V hat an das kinderlose Ehepaar K 1 und K 2 am 14. Juli 2016 zur Ur- 36 kunde des Notars N sein leer stehendes Einfamilienhaus zum Preis von 250 000 Euro verkauft. Mitverkauft und im Kaufpreis enthalten war die Einbauküche. Ihr Anteil am Kaufpreis wurde mit 7500 Euro gesondert ausgewiesen. Das Grundstück ist mit einer Grundschuld in Höhe von 500 000 DM zugunsten der N-Bank belastet, die auch voll valutiert ist. Es handelt sich nicht um einen Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB, § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG). Haftung für Sach- und Rechtsmängel sind im üblichen Umfang ausgeschlossen. Besitz, Nutzungen und Lasten sollten nach den Vertragsvereinbarungen erst mit der Kaufpreiszahlung übergehen. Die Kaufpreisfälligkeit hing von der Eintragung einer Auflassungsvormerkung, der Sicherstellung der Lastenfreistellung und dem Vorliegen des Negativzeugnisses der nach BauGB vorkaufsberechtigten Gemeinde ab. Am 14. August 2016 lagen diese Voraussetzungen vor. Die N-Bank hat Notar N aufgegeben, von der Löschungsbewilligung nur Gebrauch zu machen, wenn der Gesamtkaufpreis an sie geflossen ist. Notar N hat den Kaufpreis zwischenzeitlich fällig gestellt. Weil K 1 und K 2 für ihre bisherige Wohnung schnell einen Nachmieter fanden, ließ sich V kurz nach der Beurkundung darauf ein, K 1 und K 2 das Haus gegen Barzahlung von 2000 Euro vorzeitig beziehen zu lassen. Der beurkundete Vertrag wurde von den Parteien aber nicht angepasst. Für die Sparkasse S haben K 1 und K 2 aufgrund der im Kaufvertrag von V erteilten Finanzierungsvollmacht das Hausgrundstück mit einer Grundschuld belastet. K 1 und K 2 haben das Haus am 1. August 2016 bezogen. K 2 stellt sehr bald fest, dass die Ehe mit K 1 auch in dem neuen Wohnumfeld nicht mehr zu retten ist. Am 25. August 2016 verlässt K 2 K 1. Beide haben nun kein Interesse mehr am Haus und wollen den Vertrag rückabwickeln. Der Kaufpreis wurde mit Ausnahme der Anzahlung noch nicht bezahlt. Der Darlehensvertrag mit Sparkasse S wurde von K 1 und K 2 fristgerecht widerrufen bzw. einvernehmlich aufgehoben. Der Versuch einer Zwangsvollstreckung des V in das Vermögen von K 1 und K 2 hätte in Höhe seiner ausstehenden Forderung keinen Erfolg. K 2 ist bereit, an der Löschung der Vormerkung und der Finanzierungsgrundschuld mitzuwirken und die Kosten der Vertragsaufhebung mit K 1 zu übernehmen. Sie möchte die Angelegenheit schnell abwickeln. K 1, der nun auf Wohnungssuche ist, möchte noch eine Zeit lang im Haus wohnen bleiben und schlägt vor, die gezahlten 2000 Euro als Mietvorauszahlung nach und nach zu verrechnen. Die Einbauküche sei mindestens 15 Jahre alt
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Kap. 33 Rz. 36a
Vergleichsvereinbarungen
M 33.2
und deshalb fast wertlos gewesen. Die gesonderte Ausweisung im Kaufvertrag diente nur dem Zweck der Grunderwerbsteuerersparnis. V steht wegen der N-Bank unter Verkaufsdruck und möchte in erster Linie sicherstellen, dass nicht Vertrags- und Grundbuchkosten an ihm hängen bleiben und er das Haus sofort an einen Makler zum Weiterverkauf übergeben kann. Die von K 1 und K 2 veranlassten Grundbucheintragungen sollen also gelöscht und das Haus alsbald geräumt sein. Der Einwand mit der Einbauküche verärgert ihn, er gibt gegenüber Notar N aber zu, dass „großzügig geschätzt worden sei“; K 1 und K 2 müssten sich am Vertrag festhalten lassen. Auf ein Sachverständigengutachten oder gar einen Rechtsstreit hinsichtlich des von K 1 behaupteten Umfangs der Mängel möchte er es nicht ankommen lassen. 36a
A2 Form der Nachtragsurkunde: Zur Bedeutung der schon zur Vorurkunde erklärten Auflassung für die Form einer Vertragsänderung siehe M 33.1 Anm. A5 (Rz. 10).
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A3 Bezugnahme auf die Vorurkunde: S. M 33.1 Anm. A3 (Rz. 8).
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A4 Vollstreckbare Ausfertigung: Die außervertragliche Anzahlung ohne Anpassung des beurkundeten Vertrages birgt erhebliche Risiken für die Vertragsabwicklung. Dem Notar ist die als Teilerfüllung angenommene Anzahlung auf den Kaufpreis bekannt geworden, deshalb dürfte er eine vollstreckbare Ausfertigung der Vorurkunde wohl nicht mehr über den ursprünglichen Gesamtkaufpreis erteilen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 8.10.1997 – 3Z BR 300/97, DNotZ 1998, 194 = MittBayNot 1998, 51). Vor allem aber ist die Lastenfreistellung gefährdet. Solange V nicht eine Anpassung des Treuhandauftrages der N-Bank gegenüber Notar N erwirkt hat, könnten K im Vollstreckungsverfahren die Einrede des nicht erfüllten Vertrages einwenden, da die Zahlung von 248 000 Euro an die N-Bank für die Lastenfreistellung nicht ausreichten.
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A5 Versuch einer Steuerhinterziehung durch falsche Kaufpreisausweisung: Gegenstand der Grunderwerbsteuer sind Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Zubehör und sonstige bewegliche Gegenstände, die nicht Bestandteile des Grundstücks sind, unterliegen also nicht der Grunderwerbsteuer. Bei Einbauküchen wird hinsichtlich ihrer Zubehöreigenschaft mitunter differenziert (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 93 Rz. 5, § 97 Rz. 11). Die Gegenleistungen für das Grundstück einerseits und mitverkauftes Zubehör andererseits werden von der Finanzverwaltung bei der Steuerbemessung verhältnismäßig geteilt. Ein von den Parteien gesonderter Kaufpreisausweis wird von der Finanzverwaltung auch beim – regelmäßig – vorliegenden einheitlichen Rechtsgeschäft v.a. dann anerkannt, wenn diesem Ausweis zivilrechtliche Bedeutung zukommt, z.B. hinsichtlich etwaiger Mängelrügen; dennoch empfiehlt sich in der Praxis in der Regel eine Ergänzung des Kaufpreisausweises durch eine Formulierung wie: „Eine abweichende Wertfestsetzung durch Dritte ändert den Gesamtkaufpreis nicht“. Wäre Notar N die Zweifelhaftigkeit der Höhe des gesonderten Ausweises bei der Beurkundung bekannt gewesen, hätte er hierauf hinweisen müssen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BeurkG), ggf. die Beurkundung ablehnen müssen (§ 4 BeurkG). Die falsche Angabe der Kaufpreiszusammensetzung zum Zwecke der Steuerhinterziehung macht den Kaufvertrag jedoch nicht als Scheingeschäft oder wegen eines Verstoßes gegen § 134 BGB oder § 138 BGB nichtig (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2002 – V ZR 229/01, DNotZ 2003, 123). Ziel der hier interessierenden Vergleichsverhandlungen ist die Rückabwicklung des Vertrages, so dass der Taterfolg der Steuerhinterziehung nicht eintritt (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Da jedoch bereits der Versuch der Steuerhinterziehung strafbar ist (§ 370 Abs. 2 AO), müssen die Berater der streitenden Parteien darauf achten, sich selbst nicht strafbar zu machen. Vorliegend ist das nicht der Fall. Das gilt auch für die Begünstigung. Strafvereitelung liegt schon mangels Kausalität zwischen der Abwicklungsvereinbarung und einer etwaigen Nichtbestrafung nicht vor. K und V tun beide gut daran, diesen Streitpunkt nicht zu vertiefen. 698
Sorge
M 33.2
Grundstücksrecht
Rz. 40a Kap. 33
A6 Aufhebung der Auflassung und des Kaufvertrages: Die Auflassung von V an K war 39 zur Vorurkunde erklärt. Die Einigung nach §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB war deshalb bindend (§ 873 Abs. 2 BGB). Für K ist aufgrund ihres Eintragungsantrages eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Damit ist ein Anwartschaftsrecht entstanden, dessen Erstarken zum Vollrecht der V nicht mehr einseitig verhindern kann. Weil das Anwartschaftsrecht in der Regel bereits zu einem Wechsel der Rechtszuständigkeit führt und wie das Vollrecht übertragen wird, begründete der BGH das Erfordernis der notariellen Beurkundung der Aufhebungsvereinbarung analog § 313 BGB a.F. (jetzt: § 311b Abs. 1 BGB) (BGH, Urt. v. 30.4.1982 – V ZR 104/81, DNotZ 1982, 619 mit Anm. Ludwig = MDR 1982, 742). In der Folgezeit hielt der BGH zwar am Ergebnis fest, wechselte jedoch die Begründung (BGH, Urt. v. 7.10.1994 – V ZR 102/93, DNotZ 1995, 529 = MittBayNot 1994, 524 = MDR 1995, 351): Für den Regelfall von Aufhebungsvereinbarungen ergibt sich die Beurkundungspflicht nämlich auch ohne ausdrückliche Regelung der Pflicht zur Rückübertragung des Eigentums bereits unmittelbar aus § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB; denn die Parteien werden typischerweise den Grundstückskaufvertrag nicht nur aufheben, sondern auch nach Vertragsrecht rückabwickeln wollen. Nur so erlangen sie den Schutz der Sanktionen des Schadensersatzrechts für Leistungsstörungen (unter Einschluss der Haftung für Erfüllungsgehilfen) und bleiben nicht auf die weniger weitreichenden gesetzlichen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung beschränkt. Nach § 157 BGB ist deshalb im Wege der Auslegung derartigen Aufhebungsvereinbarungen regelmäßig auch eine vertragliche Verpflichtung zur Rückgewähr des Erlangten zu entnehmen. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB ist dann unmittelbar anzuwenden. Die Auffassung in der Literatur, dass die Aufhebung der Auflassung unabhängig vom Ent- 39a stehen eines Anwartschaftsrechts weder unter Beachtung des § 925 BGB noch des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB formlos möglich sei (vgl. Tiedtke, JZ 1994, 526 [528]; Roemer, Die Formbedürftigkeit der Aufhebung und Änderung von Verträgen im Sinne des § 311b BGB [§ 313 BGB a.F.], 2004, 91), geht u.a. von der Prämisse aus, dass die Auflassung selbst keiner Form bedarf, sondern nur vor der zuständigen Stelle zu erklären ist (§ 925 Abs. 1 BGB). Dies wird zwar bestritten (Pajunk, Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung: eine Untersuchung zur Form der Rechtsgeschäfte, 2002; dessen Argumenten teilweise zustimmend Dümig, ZfIR 2003, 583). Dass sich diese Auffassung Pajunks durchsetzt, ist jedoch nicht zu erwarten (vgl. zur Formlosigkeit der Auflassung: BGH, Urt. v. 8.10.2004 – V ZR 178/03, MittBayNot 2005, 222 [223]; OLG Rostock, Beschl. v. 9.5.2006 – 7 U 48/06, NJW-RR 2006, 1162, und diese Rspr. befürwortend Kanzleiter, DNotZ 2007, 220). Zur vorliegenden Problematik hatte der BGH bezeichnenderweise in einer Haftungsent- 39b scheidung die Frage zu beurteilen, inwieweit ein beratender Rechtsanwalt auf den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung vertrauen darf (BGH, Urt. v. 30.9.1993 – IX ZR 211/92, MittRhNotK 1993, 310 = NJW 1993, 3323 mit Anm. Tiedtke; Veit, MittBayNot 1995, 177). Schon die Rechtssicherheit spricht also für die notarielle Beurkundung von Aufhebungsvereinbarungen. A7 Löschungsbewilligung: Auch durch die Löschung der Vormerkung im Grundbuch würde das Anwartschaftsrecht der K untergehen (a.A. Reinicke/Tiedtke, NJW 1982, 2281 [2285]). Über diesen Weg könnte der Kaufvertrag also formfrei aufgehoben bzw. rückabgewickelt werden. Der vorliegende Beispielsfall macht aber deutlich, dass eine sachgerechte Rückabwicklung ohne die zumindest punktuelle Einschaltung des Notars meist nicht möglich bzw. mit einem erheblichen Verlust an Rechtssicherheit verbunden ist (Löschung des eingetragenen Finanzierungsgrundpfandrechts, Zwangsvollstreckungsunterwerfung).
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Da das vorliegende Muster die sofortige Aufhebung des Übereignungsanspruchs vorsieht, 40a könnte auf die Löschungsbewilligung auch verzichtet werden, da die Aufhebung des Grund-
Sorge
699
Kap. 33 Rz. 41
Vergleichsvereinbarungen
M 33.2
stückskaufvertrags durch notariell beurkundete Erklärungen der Vertragsparteien nachgewiesen wird (BayObLG, Beschl. v. 15.7.1988 – BReg. 2 Z 59/88, DNotZ 1989, 363). 41
A8 Widerruf der Belastungsvollmacht: Der kreditfinanzierte Immobilienerwerb ist der Regelfall. Vor der Eigentumsumschreibung – die erst nach Kaufpreiszahlung erfolgt – kann der Käufer ohne Mitwirkung des Verkäufers nur den verpfändeten Auflassungsanspruch als Kreditsicherheit anbieten (hierzu Krauß in Heckschen/Herrler/Starke, Beck’sches Notarhandbuch, A I Rz. 604). Häufig genügt das der finanzierenden Bank aber nicht. Das finanzierte Objekt soll aus der Sicht der finanzierenden Bank schon bei der Darlehensauszahlung (unmittelbar an V zur Tilgung der Kaufpreisschuld) als Sicherheit dienen, indem zu ihren Gunsten ein Grundpfandrecht bestellt und eingetragen wird. Weil in diesem Zeitpunkt der V noch Eigentümer ist, muss er bei der Bestellung und Eintragung mitwirken; K ist noch Nichtberechtigter. Die vom Notar überwachte Finanzierungsvollmacht bringt die Interessen der drei Parteien Verkäufer, Käufer und Kreditinstitut zum Ausgleich. Vgl. hierzu Anm. 18. des vorausgehenden Formulars (M 33.1 Anm. A18 [Rz. 23]). Im vorliegenden Fall hat K die Vollmacht jedenfalls zum Teil bereits genutzt. Der Widerruf erfolgt vorsorglich. Die Beschränkung der Vollmacht auf die Notarstelle des beurkundenden Notars stellt eine zusätzliche Sicherheit für V vor Missbrauch dar (Wilke, MittBayNot 1996, 260; Wolfsteiner, MittBayNot 1996, 356; Amann, MittBayNot 1996, 420).
42
A9 Löschung des Grundpfandrechts: Nachdem der Darlehensvertrag zwischen K und S widerrufen wurde, kann V als (gegenwärtiger) Sicherungsgeber von S als Grundpfandrechtsgläubiger die Löschung der Grundschuld aus dem bis zur Eigentumsumschreibung eingeschränkten Sicherungsvertrag zwischen V und S wegen des Wegfalls des Sicherungszwecks fordern. Daneben steht K selbst ein Anspruch gegen S auf Rückgewähr der Leistungen zu (§§ 495, 357, 346 Abs. 1 BGB). Die Zustimmung des V als Eigentümer zur Löschung der Grundschuld ist materiell-rechtlich (§§ 1192 Abs. 2, 1183 Satz 2 BGB) und verfahrensrechtlich (§ 27 Satz 1 GBO) erforderlich.
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A10 Zwangsvollstreckungsunterwerfung zur Räumungsverpflichtung: Nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO können Räumungsansprüche des Vermieters von Wohnraum gegen den Mieter nicht Gegenstand einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung sein. Andere Personen als Mieter können sich jedoch wegen ihrer Verpflichtung, Wohnraum zu räumen, zu notarieller Urkunde der Zwangsvollstreckung unterwerfen. Hierzu gehört zum Beispiel der Verkäufer einer Eigentumswohnung, der diese als Eigenbesitzer auch noch nach Kaufvertragsschluss eine Weile bewohnen will (Wolfsteiner, DNotZ 1999, 307 [317]). Für die Rückabwicklung des Kaufvertrages gilt nichts anderes, denn auch K 1 hat die Wohnräume nicht als Mieter in Besitz genommen. Ein Mietvertrag zwischen K und V wurde weder durch die vorzeitige Besitzeinräumung oder nachfolgend konkludent begründet, noch wird er aufgrund der Gewährung einer Räumungsfrist in der Rückabwicklungsvereinbarung vereinbart (vgl. Kollbach-Mathar, ZMR 2000, 1 [2]). Vorliegend übernimmt auch K 2 die Räumungsverpflichtung und unterwirft sich der Zwangsvollstreckung, da V nicht das „Risiko“ einer Versöhnung der Eheleute tragen soll.
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A11 Nutzungen, Verwendungen, Gefahrtragung: Die vertraglich vereinbarte Rückabwicklung kann sich an §§ 346 ff., §§ 812 ff. oder §§ 985 ff. BGB orientieren. Vorliegend ist durchaus streitig, welche der Parteien zum Rücktritt bzw. zur Anfechtung berechtigt wäre. V hatte K den Besitz gegen Vorauszahlung eingeräumt. Trotz der Fälligstellung des Kaufpreises durch Notar N gerät K eben wegen dieser Vorausleistung nicht ohne weiteres in Verzug, solange die Lastenfreistellung nicht gesichert ist. Unklar bleibt auch, inwieweit V tatsächlich einen Sachmangel arglistig verschwiegen hat.
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Sorge
M 33.2
Grundstücksrecht
Rz. 49 Kap. 33
Die bislang bekannten Positionen (z.B. Einbauküche) können ausdrücklich geregelt werden. Da die weitere Nutzungsdauer nur noch einen Monat beträgt, soll weiteren Streitigkeiten über den Ersatz von Verwendungen vorgebeugt werden, indem auch notwendige Verwendungen der Zustimmung des V bedürfen. A12 Räumungsfrist: § 794a ZPO, wonach das Amtsgericht eine Räumungsfrist von bis zu einem Jahr vorsehen kann, ist auf den außergerichtlichen Vergleich nicht anwendbar, Voit in Musielak, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 794a Rz. 1.
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A13 Europäischer Vollstreckungstitel: Zeitgleich mit der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen ist das EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz am 21.10.2005 in Kraft getreten. Notare sind aufgrund dessen in der Lage, unter den gesetzlichen Voraussetzungen ihre vollstreckbaren Urkunden als Europäische Vollstreckungstitel zu bestätigen (vgl. Franzmann, MittBayNot 2005, 470). Die sofort fällige Forderung gegen K kann nach der Bestätigung des Vollstreckungstitels durch den beurkundenden Notar also auch in Spanien vollstreckt werden.
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A14 Aufhebung der Vorurkunde: Die Aufhebung der Vorurkunde erfolgt hier unbedingt. 47 Dadurch verliert V seinen Kaufpreiszahlungsanspruch und die Möglichkeit, diesen Anspruch oder zumindest Teile davon im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Um V im Falle einer Verletzung der Rückabwicklungsvereinbarung durch K 1 und K 2 zu schützen, könnte daran gedacht werden, die Aufhebung aufschiebend bedingt mit der Erfüllung der von K geschuldeten Entschädigung und Lastenfreistellung zu vereinbaren. Aufgrund der Löschung der Auflassungsvormerkung fällt aber eine weitere Fälligkeitsvoraussetzung weg, so dass Notar N gar keine vollstreckbare Ausfertigung erteilen könnte. Auch im Hinblick auf die Interessen der K ist eine bedingte Aufhebung nicht erforderlich. K haben keine Rückzahlungsansprüche, die gesichert werden müssen. Anderenfalls wäre daran zu denken, die Auflassungsvormerkung erst dann zu löschen und den Übereignungsanspruch, der durch die akzessorische Vormerkung gesichert wird, erst dann aufzuheben, wenn die Rückzahlung des Kaufpreises gesichert ist. Eine auf die Rückgewähr der Leistungen abstellende Bedingung kann bei anderen Fallgestaltungen aber ratsam sein. A15 Grunderwerbsteuer: Die Grunderwerbsteuer wird nach § 16 Abs. 1 GrEStG rück- 48 erstattet bzw. nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang wie im Musterfall rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist. Beruht die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs auf einer Vereinbarung, der Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts, gilt das jedoch nur, wenn sie innerhalb von zwei Jahren seit Entstehung der Steuer (§ 15 GrEStG) stattfindet (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Der Notar ist nach § 18 GrEStG verpflichtet, auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck schriftlich den von ihm beurkundeten Kaufvertrag innerhalb von zwei Wochen dem Finanzamt anzuzeigen und hat eine Urkundsabschrift beizufügen. Hat er diese Anzeigepflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, führt das nicht zum Wegfall der Begünstigung (§ 16 Abs. 5 GrEStG). A16 Kosten: 1,0 Gebühr nach KV 21102 Nr. 2 des GNotKG, mindestens 60 Euro. Ist der 49 Kaufvertrag jedoch im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung bereits erfüllt, insbesondere die Auflassung im Grundbuch bereits vollzogen, fällt eine 2,0-Gebühr nach KV 21100 an. Der Geschäftswert der Aufhebungsvereinbarung bestimmt sich gem. § 97 Abs. 1 GNotKG nach dem vollen Wert des aufgehobenen Rechtsverhältnisses im Zeitpunkt der Aufhebung. Hinzu kommt eine Vollzugsgebühr für die Einholung und Prüfung der Löschungsbewilligung der Finanzierungsgrundschuld (0,5 gem. KV 22110) und ggfls. eine Treuhandgebühr gem. KV 22201.
Sorge
701
Kap. 33 Rz. 50
Vergleichsvereinbarungen
M 33.3
Grundbuchamt: Löschung Auflassungsvormerkung KV 14152 GNotKG: 25 Euro; Löschung der Grundschuld KV 14140: 0,5 Gebühr.
C. Austausch einer Vertragspartei I. Einführung 50
Der Austausch einer Vertragspartei ist eine Sonderform der Rückabwicklung des noch nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrages. Auf der Verkäuferseite ist der Austausch der Vertragspartei als Ergebnis einer Vergleichsverhandlung eher unwahrscheinlich. Denkbar ist das z.B., wenn sich nach Kaufvertragsabschluss herausstellt, dass der Verkäufer gar nicht über das konkrete Grundstück verfügungsberechtigt ist. Praxisrelevant, aber nur selten Gegenstand streitiger Vergleichsverhandlungen sind der Austausch bzw. der teilweise Austausch der Vertragspartei durch die Beteiligung des Ehegatten oder eines Verwandten auf der Käuferseite, nachdem zunächst nur ein Ehegatte oder Elternteil als Käufer aufgetreten war. Solche Korrekturen können steuerrechtlich motiviert sein oder der Vorbereitung der (vorweggenommenen) Erbfolge dienen. Insbesondere im Bereich des Bauträgervertrages kommt es mitunter vor, dass der Bauträger im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Baugrundstücks einen Dritten als Käufer benennt. Diese Möglichkeit wird aber regelmäßig bereits von Anfang an im Vertragskonzept berücksichtigt.1 Auf der Käuferseite kommt ein Austausch der Vertragspartei als Alternative zur Rückabwicklung dann in Betracht, wenn der Käufer nicht leistungsfähig ist oder aus anderen Gründen kein Interesse mehr am Vertrag hat, aber dem Verkäufer einen leistungsfähigen Kaufinteressenten präsentieren kann.
II. Muster 51
M 33.3 Übernahme eines Grundstückskaufvertrags URNr. 1112/2016 Übernahme eines GrundstückskaufvertragsA1 Nachtrag zur Urkunde URNr. 878/2016 vom 15. Juli 2016 Heute, am 13. September 2016 erschienen vor mir Notar N mit dem Amtssitz in N-Stadt 1. A, wohnhaft 2. B, wohnhaft 3. C, wohnhaft Auf deren Ansuchen beurkunde ich ihre Erklärungen nach Einsicht in das Grundbuch wie folgt: I. Vorbemerkung Zu diesamtlicher Urkunde URNr. 878/2016 vom 15. Juli 2016 („Vorurkunde“) hat A, nachfolgend auch Erstverkäufer genannt, eine nicht vermietete Eigentumswohnung („Vertragsgegenstand“) 1 Vgl. Basty, MittBayNot 1998, 419.
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Sorge
M 33.3
Grundstücksrecht
Rz. 51 Kap. 33
an B, nachfolgend Erstkäufer oder Zweitverkäufer genannt, zum Preis von 150 000 Euro verkauft und mit Vollzugssperre aufgelassen. Auf die vorliegende Niederschrift wird gemäß § 13a BeurkG verwiesen. C gibt an, eine beglaubigte Abschrift rechtzeitig vor Beurkundung zur Verfügung gestellt bekommen zu haben. Den Beteiligten ist der Inhalt bekannt. Sie verzichten auf das Verlesen und das Beifügen zu dieser Urkunde. Der Notar hat den Inhalt der Verweisungsurkunde erläutert und über die Bedeutung des Verweisens belehrt.A2 In der Vorurkunde wurde die Auflassung an B erklärt. Eine Auflassungsvormerkung zur Sicherung des Eigentumsverschaffungsanspruchs des B ist seit 6. September 2016 im Grundbuch eingetragen. Nach Eintritt der letzten Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzung hat der Notar den Kaufvertragsparteien die Fälligkeit mit Schreiben vom 9. September 2016 mitgeteilt. Besitz, Nutzungen und Lasten sind noch nicht auf B übergegangen. B möchte den Vertragsgegenstand nicht mehr erwerben. C möchte den Vertragsgegenstand stattdessen unmittelbar von A erwerben. C hat dem A eine Finanzierungszusage über den Kaufpreis einschließlich Grunderwerbsteuer und Kosten der S-Bank ausgehändigt. A, B, und C erklären, jeweils wirtschaftlich auf eigene Rechnung zu handeln und Verbraucher im Sinne des § 13 BGB zu sein. II. VertragsübernahmeA3 1. Vertragsübernahme durch C B und C vereinbaren unter Zustimmung des A, dass C an Stelle des B in den mit der Vorurkunde geschlossenen Vertrag über den Kauf der Eigentumswohnung mit sofortiger Wirkung eintritt. Er übernimmt hiermit alle Rechte und Pflichten des B aus der Vorurkunde, soweit nachfolgend nichts Besonderes vereinbart ist. A und C wiederholen bzw. bestätigen hiermit alle in der Vorurkunde dem Notar erteilten Aufträge und Vollmachten in Bezug auf die vereinbarte Vertragsübernahme. 2. Kaufpreisfälligkeit In Abweichung zu den Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen der Vorurkunde wird vereinbart, dass eine Auflassungsvormerkung zugunsten des C eingetragen und die Löschung von vorgehenden, nicht übernommenen Belastungen sichergestellt sein muss.A4 Der Notar wird beauftragt, dem C den Eintritt der Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen gemäß den Bestimmungen der Vorurkunde schriftlich mitzuteilen. A und B erhalten hiervon Abschrift. 3. Zwangsvollstreckungsunterwerfung C unterwirft sich hiermit wegen der Kaufpreiszahlungsverpflichtung in Höhe von 150 000 Euro (in Worten: einhundertfünzigtausend Euro) ohne Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Vollstreckbare Ausfertigung kann auf Antrag des (Erst-)Verkäufers und nach Fälligkeitsmitteilung des Notars ohne weitere Nachweise erteilt werden.A5 4. Finanzierungsvollmacht Die zur Vorurkunde dem B erteilte Finanzierungsvollmacht wird hiermit unter Zustimmung des B widerrufen und inhaltsgleich dem C erteilt. 5. Entlassung des B aus den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber A B wird aus seinen kaufvertraglichen Verpflichtungen aus der Vorurkunde entlassen,A6 mit Ausnahme der Pflichten zur Tragung der Kosten und der Grunderwerbsteuer.A7 Der B schuldet dem A als Ausgleich für den infolge der Vertragsübernahme ihm entstehenden Zinsausfall und sonstigen Aufwand einen sofort fälligen, pauschalierten Ersatz in Höhe von … Sorge
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Kap. 33 Rz. 51
Vergleichsvereinbarungen
M 33.3
Euro (i.W. … Euro). B unterwirft sich hiermit in dieser Höhe der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Vollstreckbare Ausfertigung kann auf Antrag des A jederzeit ohne weitere Nachweise erteilt werden.A8 B haftet dem A neben dem C als Gesamtschuldner für weitere Schäden, die dem A ab heute infolge der Vertragsübernahme entstehen, insbesondere für eine Inanspruchnahme für Kosten, Grunderwerbsteuer und Verzugszinsen, nicht aber für den Erfüllungsschaden.A9 III. Auflassungsvormerkung und Auflassung 1. Aufhebung der Auflassung A an B Die vor Notar N zur Vorurkunde erklärte Einigung des A und des B zur Übertragung des Eigentums am Vertragsgegenstand (Auflassung) wird hiermit aufgehoben. B bewilligt und beantragt die Löschung der im Grundbuch eingetragenen Vormerkung. 2. Auflassung A-C A bewilligt für C zur Sicherung seines Anspruchs auf Übertragung des Eigentums aus der heutigen Vertragsübernahme die Eintragung einer Vormerkung im Rang nach den derzeit im Grundbuch eingetragenen Belastungen und solchen, an deren Bestellung der C mitgewirkt hat. C beantragt die Eintragung dieser Vormerkung. Der Notar wird beauftragt, die Eintragung auf gesonderten Antrag auch an nächstoffener Rangstelle zu beantragen. A und C sind über den Eigentumsübergang auf den C als Erwerber einig. Diese unbedingte Einigung enthält keine Eintragungsbewilligung und keinen Eintragungsantrag. A und C bevollmächtigen Notar N entsprechend den Bestimmungen der Vorurkunde, die Eintragungsbewilligung für A abzugeben und den Eintragungsantrag für C zu stellen. IV. Schlussbestimmungen 1. Vergleichsklausel Mit der Erfüllung der heutigen Vereinbarungen sind die gegenseitigen Verpflichtungen der Vertragsteile A und B im Wege des Vergleichs ausgeglichen. Darüber hinausgehende Ansprüche können nicht geltend gemacht werden. 2. GrunderwerbsteuerA10 Die Beteiligten A und B beantragen gegenüber dem Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle –, die Grunderwerbsteuer für den aufgehobenen Vertrag wegen § 16 GrEStG nicht mehr festzusetzen bzw. eine zwischenzeitlich festgesetzte Steuer wieder aufzuheben, sofern die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. B wird dem Finanzamt hierzu eine gesonderte Antragsbegründung einreichen. 3. KostenA11 Die Kostenregelung der Vorurkunde bleibt unberührt. Die Kosten dieser Urkunde und ihres Vollzuges tragen B und C je zur Hälfte. Die Kosten der Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung im Grundbuch und etwa sonstiger durch ihn verursachter Grundbucheintragungen trägt B, die übrigen Kosten der Lastenfreistellung trägt A. Im Übrigen trägt die Kosten des grundbuchamtlichen Vollzuges C. Anfallende Grunderwerbsteuer trägt jeder Käufer für seinen Erwerbsvorgang. 4. Ausfertigungen und Abschriften Von dieser Urkunde erhalten beglaubigte Abschrift: – Die Vertragsteile, 704
Sorge
M 33.3
Grundstücksrecht
Rz. 53a Kap. 33
– das Grundbuchamt, – Finanzierungsgläubiger des C auf Anforderung und einfache Abschrift: – Finanzamt Grunderwerbsteuerstelle, – der Gutachterausschuss nach § 194 BauGB. Vorgelesen vom Notar, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben gez. A, B, C gez. N, Notar
Anmerkungen zu Muster M 33.3 A1 Sachverhalt: B hat von A eine Eigentumswohnung gekauft. Die Auflassung ist erklärt, 51a aber noch nicht vollzogen. Eine Genehmigung/Zustimmung (z.B. des Verwalters nach § 12 Abs. 1 WEG) ist zur Veräußerung nicht erforderlich. Nach Vertragsschluss und Eintragung einer Eigentumsvormerkung, aber vor dem Vollzug des Vertrages im Übrigen überlegt es sich B anders. Er kauft wenige Tage später eine andere Wohnung, für die er den Kaufpreis auch schon bezahlt hat. Er möchte deshalb vom Vertrag mit A Abstand nehmen. B kennt C, der Interesse an der Wohnung des A hat und der bereit ist, den gleichen Preis wie B zu zahlen. B möchte den Kauf dieser ersten Wohnung nicht zwischenfinanzieren müssen. Er strebt ein Verhandlungsergebnis an, wonach der C an seine Stelle tritt und den Kaufpreis direkt an A zahlt. Aber auch die Grunderwerbsteuer möchte B möglichst nicht zahlen. C ist es gleich, ob er die Wohnung von A oder von B kauft, solange er dabei nicht zusätzlichen rechtlichen Risiken ausgesetzt ist. A ist irritiert von der Wankelmütigkeit des B. Er ist zwar in erster Linie daran interessiert, die Wohnung zu verkaufen, weil er das Geld zur Schuldentilgung braucht. Er möchte aber vermeiden, dass er durch den Austausch der Vertragspartner Risiken eingeht und zusätzliche Nachteile erfährt. A2 Verweisung und Form: Die Vertragsübernahme bedarf der Form des zu übernehmen- 52 den Rechtsgeschäfts (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 398 Rz. 43). Die förmliche Verweisung nach § 13a BeurkG ist bei der Übernahme eines Vertragsverhältnisses nach Bernhard in Heckschen/Herrler/Starke, Beck’sches Notarhandbuch, F Rz. 187, ausreichend, aber m.E. schon wegen der materiell-rechtlichen Abgrenzung im konkreten Fall zwischen dem Austausch der Vertragsparteien (Schuldübernahme) und Aufhebung mit gleichzeitigem Neuabschluss (vgl. die grunderwerbsteuerliche Betrachtung unter nachfolgender Anm. A3 [Rz. 53 ff.]) unbedingt empfehlenswert. A3 Aufhebung und Neuabschluss, Kettenvertrag oder Austausch durch Vertragsüber- 53 nahme: B könnte sein Ziel, den Kaufpreis der Wohnung nicht finanzieren zu müssen, theoretisch auf mehreren Wegen erreichen. (1) Mit der Aufhebung des Vertrages A-B bedingt durch den Neuabschluss des Vertrages 53a A-C würde er sich der Kaufpreisforderung entledigen. Es handelt sich insbesondere um einen Neuabschluss des Vertrages, wenn der ursprüngliche Grundstückskaufvertrag über den Austausch des Käufers hinaus in weiteren Punkten – etwa bezüglich des Kaufgegenstandes oder des Kaufpreises – geändert wird. Dann kann nicht von einer Abtretung des bisherigen Rechtsverhältnisses durch den Ersterwerber an den Dritten gesprochen werden; vielmehr handelt es sich bei zivilrechtlicher Auslegung um den Neuabschluss des Grundstückskaufvertrages zwischen dem ursprünglichen Verkäufer und dem Dritten. Fraglich wäre allerdings, ob B das Grunderwerbsteuerprivileg des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausnutzen könnte Sorge
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Kap. 33 Rz. 53b
Vergleichsvereinbarungen
M 33.3
(hierzu s. Anm. A10 [Rz. 58]). Die Aufhebung eines Vertrages setzt dessen tatsächliche Rückgängigmachung voraus, was zweifelhaft ist, wenn über dasselbe Grundstück sogleich ein neuer Kaufvertrag mit einem Dritten geschlossen wird. Auch bei Verwendung des Begriffs der Aufhebung kann die Vereinbarung als Vertragsübernahme interpretiert werden. Die Vertragsübernahme führt aber grunderwerbsteuerrechtlich nicht zu den Erwerbsverhältnissen A-B und A-C unter Aufhebung von A-B, was zur Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG führen würde, sondern zu einer Kette A-B-C, die zu einer doppelten Grunderwerbsteuerbelastung führt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und § 1 Abs. 1 Nrn. 5 bzw. 7 GrEStG). B hätte A also davon überzeugen müssen, die Aufhebung des Vertrages rechtlich und zeitlich („Schonfrist“) vom Neuabschluss eines Vertrages A – C zu entkoppeln, um seine Chancen auf die Nichtveranlagung bzw. Erstattung der Grunderwerbsteuer zu erhöhen. Diese Gestaltung entspricht aber nicht dem Interesse des verkaufswilligen A, da nach der Aufhebung des Kaufvertrages mit B der C als Interessent abspringen könnte. Aus seiner Perspektive bestand kein Anlass, diesem Rückabwicklungsmodell näher zu treten. 53b
(2) B könnte seine Wohnung auch direkt an C verkaufen, insbesondere wenn es grunderwerbsteuerlich keinen Unterschied machte. Der Vertrag könnte als sog. Kettenvertrag so gestaltet werden, dass C direkt an A zahlt. Als Sicherheit könnte er seinen Eigentumsverschaffungsanspruch gegen A abtreten. Da die Auflassung von A an B bereits erklärt ist und eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist, kann B grds. auch über sein Anwartschaftsrecht verfügen. C’s Sicherheitsbedürfnis wird dieses Modell aber nur sehr bedingt gerecht. Der Kettenverkauf ohne Zwischenfinanzierung ist insbesondere für den Zweitkäufer C mit erheblichen Risiken verbunden (DNotI-Report 1998, 213), da sein Erwerb durch Risiken im Verhältnis A-B gefährdet werden kann (insbesondere hinsichtlich der Rechtsbeständigkeit des abgetretenen Übereignungsanspruchs A-B). Ohne Mitwirkung des A wird C auch Schwierigkeiten haben, vor der Eigentumsumschreibung eine mit Grundschuld gesicherte und damit kostengünstige Kaufpreis(zwischen)finanzierung darzustellen, da der B regelmäßig nicht in der Lage sein wird, dem C eine Grundschuldeintragung zu ermöglichen. Aus der Sicht des C ist der Abschluss eines Kettenkaufvertrages mit B ohne Mitwirkung des A nicht interessengerecht.
53c
(3) Vorliegend wird daher eine Einigung im Wege eines Austauschs des B durch den C im Wege der Vertragsübernahme als Vergleich vorgeschlagen, auch wenn das Verhandlungsziel des B, eine Grunderwerbsteuerpflicht zu vermeiden, dadurch gefährdet wird. B hat allerdings die schwächste Verhandlungsposition und weder dem A noch dem C eine vergleichbare interessengerechte Alternativgestaltung anzubieten, die sein Verhandlungsziel verwirklichen kann, vgl. (1) und (2). Die Vertragsübernahme ist ein einheitliches dreiseitiges Rechtsgeschäft, bei welchem der gegen den ursprünglichen Verkäufer gerichtete Übereignungsanspruch in der Person des Dritten nicht originär entsteht, sondern derivativ erworben wird (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 398 Rz. 41). Eine Vertragsübernahme liegt i.d.R. vor, wenn sich die Beteiligten im Wesentlichen auf einen Austausch der Käuferseite beschränken. Wird der Grundstückskaufvertrag über diesen Austausch hinaus in weiteren Punkten – etwa bezüglich des Kaufgegenstandes oder des Kaufpreises – geändert, so handelt es sich um einen Neuabschluss des Grundstückskaufvertrages zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem Dritten (vgl. BFH, Urt. v. 22.1.2003 – II R 32/01, MittBayNot 2004, 215; DStR 2003, 934 mit Anm. Gottwald/Steer, MittBayNot 2004, 166). Tritt ein Dritter durch eine Vertragsübernahme als neuer Käufer in einen noch nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrag ein, verwirklicht sich ein Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GrEStG zwischen dem ersten und dem zweiten Käufer. Beide Erwerbsvorgänge sind grds. grunderwerbsteuerpflichtig. Die Vertragsübernahme kann als dreiseitiger Vertrag oder als Vertrag zwischen ausscheidendem und eintretendem Vertragsteil mit Zustimmung des anderen Teils geschlossen werden 706
Sorge
M 33.3
Grundstücksrecht
Rz. 58 Kap. 33
(BGHZ 95, 88 [93 ff.]; 96, 302 [308]; BGH, Urt. v. 18.10.1995 – VIII ZR 149/94, MDR 1996, 132). Sie kann durch Aufhebung des Altvertrages und gleichzeitigem Neuabschluss oder ohne Neuabschluss durch Rechtsnachfolge in den alten Vertrag herbeigeführt werden (BGH, Urt. v. 20.6.1985 – IX ZR 173/84, MDR 1985, 1021). Da vorliegend alle drei Teile an der Vergleichsverhandlung beteiligt sind, empfiehlt sich die Gestaltung eines dreiseitigen Vertrages. A4 Neue Auflassungsvormerkung: Die für B bereits eingetragene Vormerkung kann nicht 54 zur Sicherung des mit dem Vergleich begründeten Eigentumsverschaffungsanspruchs des C wieder verwendet werden, woran gedacht werden könnte, um Grundbuchkosten zu sparen. Der BGH hatte mit Urt. v. 26.11.1999 – V ZR 432/98, MittBayNot 2000, 104 mit Anm. Demharter (bestätigt durch BGH, Urt. v. 7.12.2007 – V ZR 21/07, DNotZ 2008, 514, sowie BGH, Beschl. v. 3.5.2012 – V ZB 258/11, MittBayNot 2013, 37) entschieden, dass eine eingetragene Vormerkung, die einen unwirksamen Eigentumsverschaffungsanspruch sichert, unter bestimmten Voraussetzungen wieder verwendet werden kann. Die unrichtig gewordene Eintragung einer Vormerkung kann durch nachträgliche Bewilligung für einen neuen Anspruch verwendet werden, wenn Anspruch, Eintragung und Bewilligung kongruent sind. Die Grundbucheintragung und die nachträglich erfolgte Bewilligung müssen einander entsprechen. Diese Voraussetzungen dürften trotz des „derivativen“ Erwerbs des Übereignungsanspruchs im Falle der Vertragsübernahme wegen des Gläubigerwechsels nicht vorliegen (vgl. Amann, Grenzen der Kongruenz vorgemerkter Ansprüche – Wie viel vom vorgemerkten Anspruch ist Grundbuchinhalt?, DNotZ 2014, 178). A5 Vollstreckungsunterwerfung: Vgl. hierzu M 33.2 Anm. A10 (Rz. 43).
55
A6 Zeitpunkt der Entlassung des B aus den kaufvertraglichen Verpflichtungen: Im Muster wird B bereits mit dem Abschluss der Vertragsübernahme aus den kaufvertraglichen Pflichten, d.h. v.a. aus seiner Pflicht zur Kaufpreiszahlung entlassen. Zur Sicherung des A könnte dieser Zeitpunkt auch hinausgeschoben werden und z.B. an die Bedingung der Kaufpreiszahlung durch C geknüpft werden. Im vorliegenden Fall würde das A zwar eine bessere Rechtsposition, aber keine bessere wirtschaftliche Absicherung bringen, da B nicht liquide und aufgrund des Kaufs der anderen Wohnung auch nicht kreditwürdig ist. Er tat deshalb besser daran, sich über die Bonität des C zu versichern. Alternative: Falls Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern des A drohen, könnte der Erwerb des C auch dadurch gesichert werden, dass B seine Erwerbsansprüche an C abtritt, die für B eingetragene Vormerkung noch nicht gelöscht wird und der Kaufvertrag A – B erst aufschiebend bedingt durch die rangrichtige Eintragung der Vormerkung des C aufgehoben wird.
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A7 Umfang der Haftung des B gegenüber A: B haftet gegenüber A weiterhin für die Kos- 57 ten der Vorurkunde und ihres Teilvollzuges sowie die Grunderwerbsteuer. Nachdem der Kaufpreisanspruch gegen B bereits fällig war, der gegen C jedoch von der Eintragung der Vormerkung abhängt, entstehen dem A Zinsausfälle, die hier pauschaliert sind. Das hat den Vorteil der sofortigen Fällig- und Vollstreckbarkeit. Allerdings setzt die Pauschalierung voraus, dass die Vollzugszeit des Grundbuchamtes für die Eintragung der Vormerkung für C zuverlässig zu kalkulieren ist. A8 Vgl. hierzu M 33.2 Anm. A10 (Rz. 43).
57a
A9 S. Anm. A7 (Rz. 57).
57b
A10 Grunderwerbsteuer: Für die Anwendung des § 16 GrEStG gilt nach BFH, Urt. v. 5.9.2013 – II R 16/12, DNotZ 2014, 203, Folgendes: a) Werden die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrages und die Weiterveräußerung des Grundstücks in einer einzigen Vertragsurkunde zusammengefasst, hat der Ersterwer-
58
Sorge
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Kap. 33 Rz. 58a
Vergleichsvereinbarungen
M 33.3
ber die Möglichkeit, die Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrages zum anschließenden Erwerb des Grundstücks durch eine von ihm ausgewählte dritte Person zu nutzen. b) Ist dem Ersterwerber das weitere Schicksal des Grundstücks gleichgültig, hindert die Benennung des Dritten als Ersatzkäufer nicht die Anwendung des § 16 GrEStG. c) Ob die Benennung des Ersatzkäufers auf Verlangen des Verkäufers oder im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse des Ersterwerbers erfolgt ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen festzustellen. 58a
Dem Ersterwerber ist dem Vorschlag von Ihle, Neue Entwicklungen im Bereich der Grunderwerbsteuer, DNotZ 2014, 809 (834), folgend daher zu einer Dokumentation der Umstände zu raten, aus der sich ergibt, weshalb und auf wessen Betreiben der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in einer Urkunde zusammengefasst wurde. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass dem Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer nicht gefolgt wird, da die Benennung des Ersatzkäufers durch B erfolgt und in dessen wirtschaftlichen Interesse liegt.
59
A11 Kosten: Die hälftige Aufteilung der Beurkundungskosten zwischen B und C dient der Vereinfachung. Waren die Beteiligten im Rahmen der Vergleichsverhandlungen anwaltlich vertreten, bedarf es auch diesbezüglich einer Regelung. Beurkundungsgebühr 2,0 nach KV 21100 GNotKG.
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Kapitel 34
Vergleichsvereinbarungen im Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
A. Scheidungsfolgenvereinbarung älterer, wirtschaftlich selbstständiger Ehegatten ohne Kinder; zugleich: Darstellung möglicher Vereinbarungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung im Familienrecht I. Einführung 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung Ehevertrag/Scheidungsfolgenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorteile einer Scheidungsfolgenvereinbarung a) Mögliche Motive der Ehegatten . . . . . b) Insbesondere: Die einverständliche Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinbarungen im Bereich des ehelichen Güterrechts a) Die Grundzüge des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft aa) Der Grundsatz der Vermögenstrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Zugewinnausgleich . . . . . . . . b) Vereinbarungsmöglichkeiten im Güterrecht aa) Die Vereinbarung eines Wahlgüterstands, insbesondere der Gütertrennung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Modifizierung des gesetzlichen Güterstands . . . . . . . . . . . . cc) Der Ausschluss der Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365 ff. BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . ee) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Die Eintragung im Güterrechtsregister . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich a) Die Grundzüge der gesetzlichen Regelung im Überblick . . . . . . . . . . . . aa) Die Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . bb) Auszugleichende Versorgungsanrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Durchführung des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Möglichkeit der gerichtlichen Abänderung . . . . . . . . . . . . . ee) Das Verhältnis des Versorgungsausgleichs zum Güter- und Unterhaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 6 7
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30 31 32 35 38 39
b) Vereinbarungsmöglichkeiten zum Versorgungsausgleich aa) Mögliche Vereinbarungszeitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mögliche Motive der Vertragsteile für Vereinbarungen. . . . . . . . cc) Überholte Formulierungen . . . . . dd) Mögliche Inhalte von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . ff) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vereinbarungen im Bereich des Ehegatten- und nachehelichen Unterhalts a) Die durch die Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht . . . . . . . . b) Der Familienunterhalt . . . . . . . . . . . . c) Der Trennungsunterhalt aa) Die gesetzlichen Grundlagen . . . . bb) Mögliche Vereinbarungen: Verbot des Verzichts für die Zukunft d) Der nacheheliche Unterhalt aa) Die gesetzlichen Grundlagen . . . . bb) Möglicher Inhalt von Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . dd) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die sonstige Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten im Zuge der Trennung oder Scheidung, insbesondere über die Ehewohnung und Haushaltsgegenstände a) Die sonstige Vermögensauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insbesondere die Nutzung der Ehewohnung und die Verteilung der Haushaltsgegenstände . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . . . . . d) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Vereinbarungen zum Erb- und Pflichtteilsrecht der Ehegatten a) Das Schicksal (gemeinsamer) letztwilliger Verfügungen aa) Die gesetzliche Auslegungsregel zur Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Ehescheidung . . bb) Die Aufhebung letztwilliger Verfügungen, insbesondere deren mögliche Form . . . . . . . . . . . . . . .
42 44 45 46 47 53
55 56 57 60 64 66 70 74
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Siegler 709
Kap. 34
Vergleichsvereinbarungen
b) Vereinbarungen zum gesetzlichen Erbund Pflichtteilsrecht aa) Das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht des Ehegatten . . . . . . . . 85 bb) Mögliche Vereinbarungen, insbesondere der Verzicht . . . . . . . . . 86 cc) Grenzen der Vertragsfreiheit: Inhaltskontrolle von Erb- und Pflichtteilsverzichten?. . . . . . . . . . 88 dd) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 9. Vereinbarungen der Ehegatten im Zusammenhang mit gemeinschaftlichen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Das Recht der elterlichen Sorge aa) Die gesetzlichen Folgen der elterlichen Trennung . . . . . . . . . . 91 bb) Möglichkeiten elterlicher Sorgerechtsvereinbarungen . . . . . . . . . . 92 cc) Der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge . . . . . . . . . . . . . . 93 dd) Die Verpflichtung, einem Antrag auf Übertragung durch den anderen Elternteil zuzustimmen . . . 94 ee) Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz oder sonstiger Sanktionen bei Verstoß gegen Sorgerechtsvereinbarungen der Eltern?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 ff) Konsequenz für Gestaltungen im Bereich der elterlichen Sorge 96 gg) Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . 97 hh) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Das Umgangsrecht aa) Die gesetzlichen Grundlagen . . . . 99 bb) Elterliche Vereinbarungen zum Umgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . 101 dd) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Der Kindesunterhalt aa) Die gesetzlichen Grundlagen . . . . 103 bb) Elterliche Vereinbarungen zum Kindesunterhalt . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) Grenzen der Vertragsfreiheit . . . . 106 dd) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 10. Sonstige Vereinbarungen a) Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Ehenamen. . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Vereinbarungen zu den Voraussetzungen der Ehescheidung aa) Ausschluss oder Erschwerung der Scheidung. . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Erleichterung der Scheidung, Trennungszeitpunkt . . . . . . . . . . . 110 c) Vereinbarungen mit steuerrechtlichem Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
710
Siegler
11. Die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen a) Neubestimmung der Grenzen der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Die Entwicklung der Rechtsprechung 113 c) Das Urteil des BGH vom 11.2.2004 und die hierauf basierende Kernbereichslehre als Maßstab der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Stufe 1: Die Wirksamkeitskontrolle gemäß § 138 Abs. 1 BGB . . 115 bb) Die sog. Kernbereichslehre als Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Stufe 2: Die Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . 117 d) Weitere Entwicklung nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 e) Die Anwendbarkeit auf Scheidungsfolgenvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . 122 f) Zusammenfassung: Konsequenzen für die Gestaltung von Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 12. Besonderheiten bei Scheidungsfolgenvereinbarungen in Fällen mit „Auslandsberührung“ a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Fälle mit „Auslandsberührung“ . . . . . 128a II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 M 34.1 Scheidungsfolgenvereinbarung bei noch nicht gestelltem Scheidungsantrag mit Grundbesitzübertragung, Vereinbarung der Gütertrennung, Ausschluss des Versorgungsausgleichs und Unterhaltsverzicht. . . . . . . . . . . . 129 B. Scheidungsfolgenvereinbarung junger Ehegatten mit gemeinsamen Kindern I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 M 34.2 Scheidungsfolgenvereinbarung bei bereits gestelltem Scheidungsantrag mit Zugewinnausgleichsverzicht gegen Abfindung, Durchführung des gesetzlichen Versorgungsausgleichs, lediglich teilweisem Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und Vereinbarungen zum Kindesunterhalt und der elterlichen Sorge . . . . . . 188
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung C. Güterrechtliche Vereinbarungen I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.3 Gegenständliche Herausnahme von Vermögenswerten aus dem Zugewinnausgleich . . . . . . . M 34.4 Betragsmäßige, wertgesicherte Deckelung des Zugewinnausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . .
233 234
234 246
D. Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
Kap. 34
M 34.5 Herausnahme bestimmter Zeiten aus dem Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 M 34.6 Veränderung der Ausgleichsquote bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs . . . . . 267 E. Vereinbarungen zum Ehegattenbzw. nachehelichen Unterhalt I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.7 Einseitiger Verzicht auf nachehelichen Unterhalt. . . . . . . . . . . M 34.8 Zustimmung zum begrenzten Realsplitting . . . . . . . . . . . . . . . .
274 275 275 283
A. Scheidungsfolgenvereinbarung älterer, wirtschaftlich selbstständiger Ehegatten ohne Kinder; zugleich: Darstellung möglicher Vereinbarungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung im Familienrecht I. Einführung Literatur: Baumann/Doukoff, Beck’sche Online-Formulare Prozess, 26. Edition 2016; Bergschneider, Verträge in Familiensachen, 5. Aufl. 2014; Bergschneider, Beck’sches Formularbuch Familienrecht, 4. Aufl. 2013; Brambring, Ehevertrag und Vermögenszuordnung unter Ehegatten, 7. Aufl. 2012; Gottwald, Münchener Prozessformularbuch Familienrecht, 4. Aufl. 2013; Heckschen/Herrler/Starke, Beck’sches NotarHandbuch, 6. Aufl. 2015; Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 37. Aufl. 2010; Herr, Nebengüterrecht, 2013; Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015; Langenfeld, Der Ehevertrag, 11. Aufl. 2005; Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015; Münch, Vereinbarungen zum neuen Versorgungsausgleich, 2010; Notarkasse A.d.ö.R, München (Hrsg.), Streifzug durch das GNotKG, 11. Aufl. 2015; Palandt, 75. Aufl. 2016; Ruland, Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2015; Scholz/Kleffmann/Motzer, Praxishandbuch Familienrecht, 30. EL 2016 (Stand: Februar 2016); Wendl/ Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015; Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 6. Aufl. 2014. Weiterführende Literatur speziell zur Vertragsfreiheit und Inhaltskontrolle: Bergschneider, Verträge in Familiensachen/Richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen, 2008; Brandt, Vertragsfreiheit bei Eheverträgen?, MittBayNot 2004, 221; Hahne, Grenzen ehevertraglicher Gestaltungsfreiheit, DNotZ 2004, 84; Holzwart, Rechtsprechungsübersicht zum reformierten Versorgungsausgleich, FamRZ 2011, 933; Milzer, Die neue Disparitätsrechtsprechung des BGH: Hat sich die Kernbereichslehre erledigt?, NZFam 2014, 773; Milzer, Die Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte zu Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen in den Jahren 2014 und 2015, NZFam 2016, 433; Münch, Inhaltskontrolle von Eheverträgen, ZNotP 2004, 122; Münch, Inhaltskontrolle von Eheverträgen – Zurück auf festerem Boden – zur neuesten Rechtsprechung des BGH –, DNotZ 2005, 819; Münch, Die subjektive Imparität – Streitpunkt der Inhaltskontrolle, NZFam 2015, 243; Koch, Richterliche Kontrolle von Eheverträgen, NotBZ 2004, 147; Pfeil, Aktuelles zum Ehevertrag, NZFam 2015, 747; Rakete-Dombek, Das Ehevertragsurteil des BGH – Oder: Nach dem Urteil ist vor dem Urteil, NJW 2004, 1273; Rauscher, Ehevereinbarungen: Die Rückkehr der Rechtssicherheit, DNotZ 2004, 524; Siegler, Rechtssicherer Ehevertrag und steter Wandel – ein unlösbarer Widerspruch?, MittBayNot 2012, 95; Wachter, Neue Grenzen der Ehevertragsfreiheit, ZFE 2004, 132.
Siegler 711
Kap. 34 Rz. 1
Vergleichsvereinbarungen
1. Vorbemerkung 1
Thema dieses Buchs ist die außergerichtliche Streitbeilegung. Es beschäftigt sich mit Situationen, in denen bereits Streit zwischen den Vertragsteilen besteht, der gütlich oder im Rahmen eines bestimmten Verfahrens beigelegt werden soll. Im Familienrecht beschäftigt sich dieses Buch mit der „Ehe in der Krise“, also Ehegatten in einer Trennungs- oder Scheidungssituation. Es behandelt sog. Scheidungsfolgenvereinbarungen, nicht klassisch vorsorgende Eheverträge.1 Natürlich kann und will ein Praxishandbuch wie das vorliegende weder rechtskundigen Rat noch Spezialliteratur zum Familienrecht ersetzen. Es geht auf die wesentlichen theoretischen Grundlagen im Familienrecht ein, um einen Einblick in denkbare ehevertragliche Vereinbarungen zu ermöglichen. Bereits sein Umfang lässt erahnen, wie vielschichtig und komplex die Streitbeilegung im Familienrecht ist. Anhand exemplarischer Lebenssachverhalte werden in zwei Komplettmustern (vgl. M 34.1 [Rz. 129], M 34.2 [Rz. 188]) und Alternativformulierungen zum Güterrecht, Versorgungsausgleich und Ehegattenunterhalt (vgl. M 34.3 [Rz. 234], M 34.5 [Rz. 257] und M 34.7 [Rz. 275]) kautelarjuristische Lösungen dargestellt.
2
Die konkrete Situation anderer Ehegatten oder Familien muss mit den hier dargestellten jedoch nicht vergleichbar sein: Entscheidend bleibt gerade im Familienrecht stets der Interessenausgleich im konkreten Einzelfall.2 Die Vertragstypisierung darf den Vertragsgestalter nie dazu verleiten, vorschnell eine nur vermeintlich passende, standardisierte Lösung zu wählen.3 Ein „Standardmuster“, das gleichsam allen übergestülpt werden kann, gibt es gerade im Familienrecht nicht. 2. Abgrenzung Ehevertrag/Scheidungsfolgenvereinbarung
3
Ehegatten können durch einen Ehevertrag nicht nur ihre güterrechtlichen Verhältnisse regeln – wie dies § 1408 Abs. 1 BGB nahe zu legen scheint –, gemäß § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB kann jedenfalls auch der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden. Für einen Ehevertrag im engen Sinne des § 1408 BGB enthält § 1410 BGB besondere Formvorschriften. Der Vertrag muss bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden.4
4
Natürlich aber geht das kautelarjuristische Verständnis eines Ehevertrages über Vereinbarungen zum Güterstand und Versorgungsausgleich weit hinaus. Es umfasst nach hiesigem Verständnis alle Regelungen, die Ehegatten (vor oder nach Eheschließung) für ihre Ehe und die sich aus der Ehe ergebenden Rechtsfolgen (auch nach Scheidung) treffen. Den Ehevertrag macht dabei aus, dass es sich eben nicht um vermögensrechtliche Vereinbarungen handelt, wie sie auch unter Fremden getroffen werden könnten, sondern um konkrete Vereinbarungen im Hinblick auf die zwischen den Vertragsteilen bestehende Ehe und die sich aus dieser ergebenden rechtlichen Folgen. Regelmäßig dienen Eheverträge natürlich auch und vor al1 Zur Definition von Scheidungsfolgenvereinbarungen im hier verstandenen Sinne vgl. Rz. 5. 2 Dies mahnt auch die Rechtsprechung im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen zunehmend an, vgl. ausführlich Rz. 112 ff. 3 Nicht zuletzt deshalb wird der Nutzen der Vertragstypisierung lebhaft diskutiert. Verfechter der Ehevertragsgestaltung nach Vertragstypen ist insbesondere Langenfeld, Der Ehevertrag, 11. Aufl. 2005, Rz. 9 f.; vgl. auch Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 4. 4 Nach § 127a BGB kann die notarielle Beurkundung durch einen gerichtlichen Vergleich (die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll) ersetzt werden.
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Siegler
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 7 Kap. 34
lem der Vorsorge für den Fall des Scheiterns der Ehe, insbesondere einer Trennung oder Scheidung. Nach der hier getroffenen Unterscheidung setzt ein (in diesem Sinne vorsorgender) Ehevertrag jedoch voraus, dass die Ehe intakt ist und die Ehegatten lediglich vertragliche Vorsorge für einen Fall treffen wollen, der noch nicht eingetreten ist. Eine Trennungs-, Scheidungs- oder Scheidungsfolgenvereinbarung wird dagegen in einer völlig anderen Ehesituation geschlossen: Die Ehegatten befassen sich konkret mit ihrer Trennung oder Scheidung, haben sich bereits getrennt oder befinden sich in irgendeinem Stadium eines laufenden Scheidungsverfahrens. Die Ehe wird von den Vertragsteilen (situativ oder endgültig) als gescheitert betrachtet. Die Ehegatten versuchen aber, die Folgen dieses Scheiterns, insbesondere vermögensrechtlicher Art, einverständlich zu regeln. Diese Vereinbarungen sind Gegenstand dieses Buchs. Sie werden nachfolgend einheitlich Scheidungsfolgenvereinbarung genannt. Grundsätzlich wird dabei nicht unterschieden, ob die Ehegatten getrennt oder geschieden sind: Die aufgeworfenen Themen und Fragen sind in aller Regel identisch. Nur ausnahmsweise muss nach dem zeitlichen Stadium differenziert werden, in dem sich die Ehegatten befinden. Beispielsweise spielt es für Vereinbarungen zum Ehegattenunterhalt wegen § 1614 Abs. 1 BGB und dem Verbot des Verzichts auf Ehegattenunterhalt für die Zukunft eine wesentliche und entscheidende Rolle, ob Vereinbarungen für die Trennungszeit oder für den Zeitraum nach Rechtskraft der Ehescheidung beabsichtigt werden.
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3. Vorteile einer Scheidungsfolgenvereinbarung a) Mögliche Motive der Ehegatten Die psychische Situation, in der sich Ehegatten angesichts des Scheiterns ihrer Ehe befinden, 6 ist schwierig genug. Hinzu können aber im Fall der Nichteinigung der Vertragsteile umfangreiche gerichtliche Auseinandersetzungen kommen. Diese sind mit erheblichem Aufwand an Zeit, Kraft und Geld verbunden. Deshalb ist bei vielen Ehegatten der Wunsch vorhanden, die Folgen des Scheiterns ihrer Ehe gütlich und rechtssicher zu regeln. Motivation kann dabei sein, dass ein formales Scheidungsverfahren noch gar nicht gewünscht ist oder die Ehe mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für das Scheitern der Ehe (noch) nicht geschieden würde. In diesem Stadium wünschen die Beteiligten oft eine Vereinbarung, die die Scheidungsfolge gleichsam vorwegnimmt und in einem endgültigen Vertrag festhält. Im Vordergrund steht hier der Wunsch nach Rechtssicherheit bis zur Scheidung, aber auch die Sorge, der andere Ehegatte könne von dem aktuell vorliegenden Einverständnis abweichen, sei es von selbst, sei es beeinflusst durch einen neuen Partner. b) Insbesondere: Die einverständliche Scheidung Beabsichtigen Ehegatten eine einverständliche Scheidung, wollen sie in der Regel einerseits 7 das Scheidungsverfahren selbst vereinfachen und beschleunigen, andererseits spätere Streitigkeiten vermeiden und Rechtssicherheit schaffen. Begrifflich liegt nach formalem Verständnis eine einverständliche Scheidung vor, wenn beide Ehegatten sich scheiden lassen wollen, indem verfahrensrechtlich entweder beide Scheidungsantrag stellen oder der eine Ehegatte dem Scheidungsantrag des anderen zustimmt. Zudem müssen selbstverständlich die materiellen Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vorliegen. Durch die in § 1566 Abs. 1 BGB enthaltene unwiderlegbare Vermutung liegen bei einer einverständlichen Scheidung die Voraussetzungen des Scheiterns der Ehe geSiegler 713
Kap. 34 Rz. 8
Vergleichsvereinbarungen
mäß § 1565 BGB mit Ablauf des Trennungsjahrs vor. Die Trennungszeit selbst ist dabei nicht dispositiv (vgl. hierzu die Ausführungen unter Rz. 110). 8
Der bisher in prozessualer Hinsicht weitergehende Anforderungen stellende § 630 ZPO wurde zum 1.9.2009 aufgehoben und durch § 138 FamFG ersetzt.1 Auch wenn sich hier prozessuale Anforderungen2 an den Inhalt einer Scheidungsantragsschrift finden, sind die (höheren) Voraussetzungen einer einverständlichen Scheidung im Sinne des § 630 ZPO a.F. nicht mehr zu erfüllen. Gleichwohl haben Scheidungsfolgenvereinbarungen auch und gerade im Fall einverständlicher Scheidungen ihren hohen Stellenwert behalten – vor allem deshalb, weil der Gesetzgeber im Familien- und Scheidungsfolgenrecht (vor allem im Unterhaltsrecht) eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe verwendet. Dies führt zwar einerseits zu möglicher Einzelfallgerechtigkeit, andererseits aber zu einer erschwerten Prognostizierbarkeit des Ergebnisses einer gerichtlichen Einzelfallentscheidung. Die Scheidungsfolgenvereinbarung bietet hier Sicherheit und Verlässlichkeit von Rechtsfolgen im eigenen Einzelfall und wird vom Gesetzgeber zudem im aktuellen Recht ausdrücklich als Mittel der Gestaltung des eigenen Rechtsverhältnisses benannt (vgl. bspw. § 6 VersAusglG, § 135 Abs. 1 FamFG). 4. Vereinbarungen im Bereich des ehelichen Güterrechts a) Die Grundzüge des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft aa) Der Grundsatz der Vermögenstrennung
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Haben Ehegatten nicht durch (notariellen, vgl. § 1410 BGB) Ehevertrag etwas anderes vereinbart, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.3 Der Begriff „Gemeinschaft“ führt landläufig oft zu der Überzeugung, im gesetzlichen Güterstand sei das Vermögen der Ehegatten gemeinschaftlich und es bestehe automatisch Schuldenhaftung für die Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten. Häufig wird aufgrund dieser Fehlvorstellung der Wunsch nach Gütertrennung an den Vertragsgestalter herangetragen. Hier hilft nur, die Motive dieses Regelungswunsches zu hinterfragen und eventuelle Missverständnisse aufzuklären: – Gemäß § 1363 Abs. 2 BGB wird das Vermögen der Ehegatten gerade nicht gemeinsames Vermögen. Jeder Ehegatte behält vielmehr eigentumsrechtlich die ihm bei Eheschließung gehörenden Gegenstände.4 1 Durch Art. 29 FGG-RG v. 17.12.2008 (BGBl. I, 2586) wurde Buch 6 der ZPO (§§ 606 bis 687 ZPO) mit Wirkung zum 1.9.2009 aufgehoben und durch die Regelungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ersetzt. 2 Zum prozessualen Verfahren, zu prozessrechtlichen Mustern und Erläuterungen vgl. bspw. Hamm in Baumann/Doukoff, Beck’sche Online-Formulare Prozess, 26. Edition 2016, Teil 7 (Familienrecht). 3 Gegenstand aller Darstellungen dieses Buchteils sind Ehepartner, die beide ausschließlich deutsche Staatsangehörige sind (vgl. Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB, der auf alle ab 1.9.1986 geschlossenen Ehen anwendbar ist) und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Lediglich der Vollständigkeit halber sei für Altehen auf die zeitliche Überleitungsvorschrift des Art. 220 EGBGB hingewiesen – unter Beachtung der Entscheidung des BVerfG v. 18.12.2002 (Beschl. v. 18.12.2002 – 1 BvR 108/96, FamRZ 2003, 361), wonach Art. 220 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EGBGB nicht über den 8.4.1983 hinaus gilt. Zu Fällen mit „Auslandsberührung“, d.h. mindestens einem Ehegatten mit (auch) ausländischer Staatsangehörigkeit, gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland oder im Ausland belegenem Vermögen vgl. Rz. 128 f. 4 Zur Eigentumsvermutung des § 1362 BGB, der in diesem Zusammenhang die Gläubiger eines Ehegatten vor der Verschleierung der Eigentumslage durch ein Zusammenwirken beider Ehegatten schützen will und zwingendes Recht bei jedem Güterstand darstellt, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1362 Rz. 1.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 11 Kap. 34
– Er verwaltet diese grundsätzlich auch selbstständig (§ 1364 BGB). Lediglich in den §§ 1365 ff. BGB enthält das Gesetz Verfügungsbeschränkungen, die letztlich die Grundlage der ehelichen Lebensgemeinschaft und den Zugewinnausgleich sichern sollen. – Auch haftet ein Ehegatte nicht automatisch für die Verbindlichkeiten des anderen.1 In der Praxis sind Ehegatten häufig Bruchteilseigentümer (klassisch Miteigentümer je zur Hälfte) von Vermögensgegenständen – vor allem des Familieneigenheims – und unterzeichnen Darlehensverträge gemeinsam (im Außenverhältnis in gängiger Bankpraxis als Gesamtschuldner2). Vielleicht ist dies Mitursache dafür, dass der gesetzliche Güterstand häufig als „Vermögens- und Schuldengemeinschaft“ verstanden wird: Nicht familien-, aber schuldund sachenrechtlich kann sich die Zugewinngemeinschaft bei gemeinsamen Anschaffungen oder Investitionen, insbesondere einem Hausbau oder Eigenheimkauf, durchaus in diese Richtung entwickeln. Dies beruht allerdings auf der individuellen Entscheidung der Ehegatten zur Gestaltung ihrer ehelichen Vermögensverhältnisse, nicht auf dem gesetzlichen Leitmodell der Zugewinngemeinschaft. Dieses beinhaltet vielmehr als elementare Prinzipien des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft eine Vermögenstrennung, die grundsätzlich selbstständige Vermögensverwaltung und getrennte Schuldenhaftung. Der Unterschied zum vertraglichen Güterstand der Gütertrennung liegt in dem finanziellen Ausgleich bei Beendigung des Güterstands, insbesondere bei Scheidung oder Tod. bb) Der Zugewinnausgleich Endet die Zugewinngemeinschaft, wird der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielt 10 haben, ausgeglichen (vgl. § 1363 Abs. 2 Satz 2 BGB). Hier sollen nur die häufigsten Fälle, nämlich der Zugewinnausgleich bei Scheidung und (kurz) beim Tod eines Ehegatten dargestellt werden.3 Endet der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wird der Grundsatz der Nichtbeteiligung am Vermögen des anderen Ehegatten zumindest wirtschaftlich durchbrochen und ein finanzieller Ausgleich zwischen den Ehegatten vorgenommen. Beim Tod eines Ehegatten wird der Zugewinn regelmäßig nicht rechnerisch ermittelt, son- 11 dern im Wege der sog. erbrechtlichen Lösung gemäß § 1371 Abs. 1 und 2 BGB durch eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel ausgeglichen. Diese erbrechtliche Lösung ist der Regelfall. Wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, so kann er (ggf. neben dem Pflichtteil) rechnerischen Ausgleich des Zugewinns verlangen. Dies wird als sog. güterrechtliche Lösung bezeichnet und deckt sich durch die gesetzliche Verweisung auf die §§ 1373 bis 1383 und 1390 BGB im Wesentlichen mit dem Ausgleich bei Scheidung.4 1 Haben die Ehegatten allerdings bereits gemeinsame Haftungen oder die Haftung für Verbindlichkeiten des anderen übernommen, hilft die bloße Vereinbarung von Gütertrennung nicht weiter, sie führt nicht zu einer automatischen Entflechtung der Haftungsverhältnisse. Erforderlich ist dann vielmehr eine konkrete Enthaftung des freizustellenden Ehegatten, die nach allgemeinen schuldrechtliche Grundsätzen der Gläubigerzustimmung bedarf. 2 Zu Fragen des Gesamtschuldnerausgleichs unter Ehegatten vgl. Rz. 77 m.w.N. 3 Fälle, in denen die Zugewinngemeinschaft endet, sind insbesondere der Tod eines Ehegatten und die Scheidung der Ehe, aber auch ein Wechsel des Güterstands (insbesondere die ehevertragliche Vereinbarung von Gütertrennung), die in § 1414 Satz 2 BGB genannten Vereinbarungen und der vorzeitige Ausgleich des Zugewinns bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft gemäß §§ 1385, 1386 BGB. 4 Vor diesem Hintergrund ist bei Vereinbarungen Vorsicht geboten, die lediglich erb- und pflichtteilsrechtliche Fragen behandeln, jedoch das Güterrecht – mit der Gefahr des güterrechtlichen Aus-
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Endet der gesetzliche Güterstand zu Lebzeiten beider Ehegatten, insbesondere durch Scheidung, wird der Zugewinn nach den §§ 1373 ff. BGB ermittelt und schuldrechtlich ausgeglichen. Der Zugewinnausgleich ist letztlich eine reine Rechenaufgabe und führt zu einem finanziellen Ausgleich. Das Verlangen auf gegenständliche Übertragung bestimmter Vermögenswerte des anderen Ehegatten ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Im Einzelnen erfolgt die Ermittlung der Ausgleichsforderung nach folgenden Grundsätzen, deren Darstellung gleichzeitig möglichen Regelungsbedarf aufzeigt:
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Zunächst wird der Zugewinn beider Ehegatten ermittelt.1 Zugewinn ist gemäß § 1373 BGB der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt. Die maßgeblichen Einsatzzeitpunkte sind in den §§ 1374 und 1375 BGB festgelegt, ebenso bestimmte Hinzurechnungen (insbesondere von späteren Erbschaften oder Schenkungen zum Anfangsvermögen eines Ehegatten gemäß § 1374 Abs. 2 BGB).
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Häufiges Gestaltungsthema in diesem Zusammenhang sind Schenkungen und Vermögensübertragungen der Eltern an einen Ehegatten – mit der Besorgnis, die Schenkung werde letztlich gerade im Fall der Scheidung auch dem Schwiegerkind zugute kommen. Nach der gesetzlichen Regelung ist zwar der Substanzwert des Geschenks selbst vom Zugewinnausgleich ausgenommen, nicht jedoch seine späteren Wertsteigerungen – selbst wenn das Vermögen noch gegenständlich im Endvermögen vorhanden ist und die eingetretene Wertsteigerung für die Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung nur durch die an sich nicht beabsichtigte Verwertung realisiert werden kann.2 Insbesondere bei Grundbesitz- oder Betriebsvermögen, das Wertsteigerungen erwarten lässt, kann dies zu einem (häufigen) Wunsch nach vertraglicher Korrektur führen.3
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Korrigiert wurde – wie zuvor lange erwartet – vom Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.9.20094 der Abzug von Verbindlichkeiten über den Saldo des positiven Anfangsvermögens hinaus. So sieht § 1374 Abs. 3 BGB nunmehr ausdrücklich vor, dass Verbindlichkeiten eines Ehegatten über die Höhe seines Vermögens hinaus abzuziehen sind. Ein Ehegatte kann damit mit negativem Anfangsvermögen in die Ehe starten, das Abtragen seiner Verbindlich-
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gleichs im Fall des Todes des ausgleichspflichtigen Ehegatten – außen vor lassen. Zum Erb- und Pflichtteilsrecht vgl. Rz. 85 ff. Bei der Ermittlung des Zugewinns ist das Verbot der Doppelbewertung bzw. doppelten Partizipation zu beachten: Vermögenspositionen, die in den Zugewinnausgleich eingestellt wurden, sind nicht zusätzlich unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (Einzelheiten sind str., vgl. Koch, FamRZ 2005, 847 f. m.w.N.; Gerhardt/Schulz, FamRZ 2005, 317; Schmitz, FamRZ 2005, 1520; Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1376 Rz. 4 m.w.N.). Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, §§ 1374-1376 Rz. 9 ff., 18. Gerade bei Schenkungen von den Eltern eines Ehegatten an ihr Kind stößt die Berücksichtigung von Wertsteigerungen im Zugewinnausgleich regelmäßig auf elterliches Unverständnis. Lediglich der Geldwertverlust als nur scheinbarer Zugewinn wird herausgerechnet. Hierfür wird das Anfangsvermögen auf den Geldwert im Zeitpunkt der Beendigung des Güterstands nach einer festgelegten Formel umgerechnet (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1376 Rz. 38 ff.). Sonstige, auch außerordentliche Wertsteigerungen des Anfangsvermögens sind aber ausgleichspflichtiger Zugewinn, so etwa die Wertsteigerung von Grundstücken, die ein Ehegatte als Ödland oder landwirtschaftliche Fläche in die Ehe eingebracht hat und die später Bauland werden (vgl. Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 270; Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1376 Rz. 18). Nämlich gegenständlicher Herausnahme dieser Vermögensgegenstände einschließlich etwaiger Wertsteigerungen, vgl. M 34.3 (Rz. 234). Fassung durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.7.2009 (BGBl. I, 1696).
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Rz. 17 Kap. 34
keiten stellt (wie Vermögensaufbau im Positiven) Zugewinn dar. Die früher geltende Regelung, dass das Anfangsvermögen mindestens null betrage, blieb unbefriedigend, da dies wirtschaftlich den verschuldeten Ehegatten begünstigte und seinen Zugewinn bis zum Ausgleich von Aktiva und Passiva rechnerisch ausklammerte.1 Zu Recht wurde diese Regelung seinerzeit in der Literatur kritisiert und vom Gesetzgeber korrigiert. Vertragliche Vereinbarungen, wie sie unter der Geltung des bisherigen Rechts zum Schuldenabzug nötig und gebräuchlich waren,2 sind damit obsolet geworden. Gemäß § 1376 BGB ist das Vermögen grundsätzlich mit dem echten Wert anzusetzen, bei 16 Grundstücken also etwa deren Verkehrswert (§ 1376 Abs. 1 und 2 BGB, vgl. jedoch Privileg des Abs. 4 für land- und forstwirtschaftliche Betriebe). Steuerliche oder Buchwerte sind nicht entscheidend. Im Einzelnen ist die Wertermittlung, gerade von Betriebsvermögen oder Gesellschaftsbeteiligungen, mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet.3 Auch hier sind vereinfachende oder pauschalisierende Vereinbarungen der Ehegatten denkbar. Die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zustehende Ausgleichsforderung beträgt gem. § 1378 Abs. 1 BGB die Hälfte des Zugewinnüberschusses des ausgleichspflichtigen Ehegatten. Sie ist grundsätzlich begrenzt durch den Wert des Vermögens, das nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstands vorhanden ist (§ 1378 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Ausgleichsforderung entsteht mit Beendigung des Güterstands (im Fall der Scheidung also mit Rechtskraft der Scheidung) und ist von diesem Zeitpunkt an vererblich und übertragbar (§ 1378 Abs. 3 BGB). Stichtag für die Berechnung ist gem. § 1384 BGB im Fall der Ehescheidung allerdings bereits der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Häufige Kritik am Zugewinnausgleich ist, er sei auf das gesetzliche Leitbild der Einverdiener- und Hausfrauenehe zugeschnitten, zeige selbst hier jedoch konstruktive Schwachstellen.4 b) Vereinbarungsmöglichkeiten im Güterrecht aa) Die Vereinbarung eines Wahlgüterstands, insbesondere der Gütertrennung Durch formbedürftigen (notariellen, § 1410 BGB) Ehevertrag kann statt des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft einer der gesetzlich vorgesehenen (Wahl-) Güterstände des BGB in seiner heutigen Fassung vereinbart werden, nämlich – die Gütertrennung (§ 1414 BGB), – die Gütergemeinschaft (§§ 1415-1418 BGB) oder – seit 1.5.2013 der Wahlgüterstand der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft (§ 1519 BGB) – auch von nicht binationalen Ehegatten.
1 Nicht einmal dem Anfangsvermögen nach § 1374 Abs. 2 BGB hinzuzurechnende positive Werte sollten nach der früheren Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 3.5.1995 – XII ZR 71/94, NJW 1995, 2165 ff. = FamRZ 1995, 990) mit einem negativen Anfangsvermögen verrechenbar sein. 2 Vgl. hierzu noch die in der Erstauflage 2006 enthaltene Formulierung in M 31.5 mit Anmerkungen unter Rz. 253 ff. 3 Vgl. Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 286, 305, 336 ff. mit der zutreffenden Schlussfolgerung: „Der Zugewinnausgleich passt nicht für die Unternehmerehe“. 4 Vgl. hierzu insbesondere im Hinblick auf § 1374 BGB bereits Rz. 14. Schwierigkeiten machen aber auch stets Zuwendungen der Ehegatten untereinander. Der gesetzliche Zugewinnausgleich führt hier nicht immer zu dem Ergebnis, das von den Beteiligten als gerecht empfunden wird. Vgl. hierzu mit anschaulichen Beispielen Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 1371 ff.
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Kap. 34 Rz. 18
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Auf die Möglichkeit, den Güterstand der Gütergemeinschaft ehevertraglich zu vereinbaren, wird hier nicht weiter eingegangen. Einmal scheint es ein aussterbender Güterstand, der kaum einmal von den Beteiligten vereinbart wird, jedenfalls aber ist er im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung, die auf Vermögensauseinandersetzung, nicht Verbindung hinzielt, regelmäßig kein gangbarer Weg.1 Auch für den Güterstand der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft kann es im Einzelfall gute Beweggründe geben, vor allem, wenn Immobilien (etwa aus Gesichtspunkten der haftungsgünstigen Verteilung von Familienvermögen) in intakter Ehe von einem Ehegatten an den anderen übertragen werden, der übertragende Ehegatte jedoch Einfluss auf mögliche künftige Verfügungen behalten soll. Als potenzieller Wahlgüterstand einer intakten Ehe wird er vorliegend ebenfalls nicht näher erörtert – zumal seine praktische Bedeutung noch abzuwarten bleibt.2 18
Durch notariellen Ehevertrag (vor oder nach Eheschließung) kann auch der Wahlgüterstand der Gütertrennung vereinbart werden. Gemäß § 1414 Satz 2 BGB tritt Gütertrennung daneben u.a. auch ein, wenn der Ausgleich des Zugewinns ausgeschlossen wird.3 Ist dies nicht gewünscht, sollte diese gesetzliche Auslegungsregel im Ehevertrag ausdrücklich widerlegt werden. Früher teilweise aus Kostengründen gegebenen Empfehlungen, lediglich den Versorgungsausgleich auszuschließen und so die frühere gesetzliche Vermutungsregelung des Eintritts der Gütertrennung zu nutzen, wurde die gesetzliche Grundlage entzogen – sie sind somit nicht mehr nur unzweckmäßig, sondern überholt und falsch.4 Seit 1.9.2009 erübrigt sich deshalb auch eine Klarstellung hinsichtlich des Güterstands bei Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich. Folge der Gütertrennung ist nicht nur, dass die Vermögensmassen der Ehegatten gegenständlich getrennt sind und keine Beteiligung am Vermögen des anderen oder Haftung für seine Schulden stattfindet (insoweit ergeben sich zur Zugewinngemeinschaft keine Unterschiede) (hierzu vgl. bereits Rz. 9), sondern der Wegfall des Zugewinnausgleichs. Jeder güterrechtliche finanzielle Ausgleich unter den Ehegatten ist damit unabhängig vom Fortbestand der Ehe ausgeschlossen. Insbesondere findet weder bei Scheidung der Ehe noch bei 1 Im Güterstand der Gütergemeinschaft wird das Vermögen der Ehegatten gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut § 1416 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch Schulden sind grundsätzlich gemeinsam, d.h. Gesamtgutsverbindlichkeiten. Allerdings sind, häufig übersehen, die Ausnahmeregelungen in §§ 1438-1440 und 1460-1462 BGB sowie Ausgleichspflichten im Innenverhältnis zu beachten, vgl. hierzu Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Vor § 1415 Rz. 1 ff. Dass es im Güterstand der Gütergemeinschaft neben dem Gesamtgut noch Sondergut und Vorbehaltsgut der Ehefrau und des Ehemannes gibt (§§ 1416, 1417, 1418 BGB), insgesamt also bis zu fünf Vermögensmassen, erhöht nicht gerade dessen Übersichtlichkeit und Akzeptanz. Und wer sich schon einmal mit den gesetzlichen Regelungen zur Auseinandersetzung des Gesamtguts einer Gütergemeinschaft beschäftigt hat, wird deren Vereinbarung nicht ohne Not empfehlen. Allerdings gibt es bei intakter Ehe im Zusammenhang mit pflichtteilsrechtlichen Fragen manchmal eine Gestaltungsempfehlung hin zur Gütergemeinschaft (vgl. Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 424, 429, der jedoch den Ausnahmecharakter ausdrücklich betont). 2 Ausführungen zum Wahl-Güterstand der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft finden sich bspw. bei Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 373 ff. 3 Zu weiteren Fällen der §§ 1414, 1388 BGB, in denen Gütertrennung eintritt, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1414 Rz. 1, § 1388 Rz. 1. 4 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen von Kapfer in Walz, Formularbuch Außergerichtliche Streitbeilegung, 1. Aufl. 2006, § 31 Rz. 18 Fn. 3. Die gesetzliche Vermutung des Eintritts der Gütertrennung bei Ausschluss des Versorgungsausgleichs wurde durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 3.4.2009 (BGBl. I, 700) gestrichen.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 20 Kap. 34
Tod ein Zugewinnausgleich statt. Allerdings erlangen in neuerer Zeit nebengüterrechtliche Ansprüche gerade bei Ehen mit Gütertrennung wieder erhebliche Bedeutung.1 Als vorteilhaft wird oft betrachtet, dass die Vereinbarung der Gütertrennung klare Verhält- 19 nisse schafft.2 Dennoch erfordert die Vereinbarung der Gütertrennung ein Hinterfragen der Motive, insbesondere vor dem Hintergrund folgender Konsequenzen und ggf. Nachteile der Gütertrennung: – Ein finanzieller Ausgleich der Vermögensmassen der Ehegatten findet nicht statt. Dabei ist je nach dem Ehe- und Lebensmodell der Ehegatten bereits während intakter Ehe besonderes Augenmerk auf die Vermögensverteilung unter den Ehegatten zu legen. In der Einverdienerehe kann der Ausschluss jeden Ausgleichs als ungerecht empfunden werden. – Dabei ist von den Ehegatten auch zu berücksichtigen, dass nicht alle Vermögenspositionen dem güterrechtlichen Ausgleich unterliegen. Gerade bei einer Altersvorsorge auf Lebensversicherungsbasis, wie sie von Freiberuflern und Selbstständigen häufig gewählt wird, ist die Unterscheidung, ob dieser Wert dem Zugewinnausgleich oder dem Versorgungsausgleich zuzurechnen ist, von der Wahl der Versicherungsbedingungen abhängig und im Einzelfall schwierig.3 – Da die Gütertrennung eine „alles oder nichts“ Lösung ist, entfällt der Zugewinnausgleich nicht nur im Fall der Scheidung, sondern auch beim Tod eines Ehegatten. Zudem verschieben sich die Erb- und Pflichtteilsquoten4 und geht der Freibetrag nach § 5 ErbStG für den (fiktiven) Zugewinnausgleich verloren. Dies mag in einer Scheidungsfolgenvereinbarung durchaus interessengerecht sein, bedarf jedenfalls im vorsorgenden Ehevertrag jedoch der näheren Prüfung. bb) Die Modifizierung des gesetzlichen Güterstands Nicht nur wegen der genannten Nachteile der Gütertrennung, auch vor dem Verdikt der 20 richterlichen Inhaltskontrolle (vgl. hierzu ausführlich Rz. 112 ff.) finden sich in Scheidungsfolgenvereinbarungen – erst recht in Eheverträgen – mehr und mehr bloße Modifikationen des gesetzlichen Güterstands.5 Beispielhaft genannt seien folgende Vereinbarungsmöglichkeiten (vgl. insbesondere M 34.3 [Rz. 234], M 34.4 [Rz. 246]):
1 Vgl. zum Ganzen ausführlich Herr, Nebengüterrecht, 2013. Vgl. auch Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 1611 ff. 2 So zu Recht z.B. Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 354: die Gütertrennung ist der „einfachste Güterstand“. 3 Vgl. zur Abgrenzung insbesondere bei Kapital- bzw. Rentenversicherungen mit Wahlrecht Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1375 Rz. 9; Kogel, FamRZ 2005, 1785. 4 Die Quote des in Gütertrennung überlebenden Ehegatten erhöht sich grds. nicht um ein Viertel gem. § 1371 Abs. 1 BGB; je nach der Zahl der Kinder kommt es zu einer Quotelung (§ 1931 Abs. 4 BGB). Konsequenz kann eine Verschiebung der Erb- und Pflichtteilsquoten und eine Erhöhung der Erb- und Pflichtteilsansprüche von Kindern (gerade auch von nicht gemeinsamen Kindern) sein. 5 Dabei muss der Vertragsgestalter beachten, dass der bloße Verweis auf andere Güterstände nicht mehr geltenden oder ausländischen Rechts unzulässig ist, § 1409 BGB. Ob sich aus dem Numerus clausus der im Gesetz vorgesehenen Güterstände weitergehende Einschränkungen ergeben, ist im Einzelnen umstritten, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1408 Rz. 21 m.w.N. Mischgüterstände sollten vorsorglich vermieden werden.
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Kap. 34 Rz. 21
Vergleichsvereinbarungen
– Herausnahme bestimmter Vermögensgegenstände aus dem Zugewinnausgleich, ggf. einschließlich Wertsteigerungen, Erlösen, Verbindlichkeiten, Aufwendungen, Surrogaten u.Ä.,1 – Deckelung der Zugewinnausgleichsforderung auf einen bestimmten Betrag (ggf. bei erwartet langer Dauer bis zum Berechnungsstichtag wertgesichert, um den Inflationsverlust aufzufangen), – Ausschluss von Wertsteigerungen des Anfangsvermögens während der Ehezeit aus dem Zugewinnausgleich, – Vereinbarungen zur Bewertung von Vermögensgegenständen bzw. des Anfangsvermögens, – Vereinbarungen zur Fälligkeit des Anspruchs auf Zugewinnausgleich. Eher im hier nicht einschlägigen Bereich reiner Eheverträge2 kommen u.a. auch in Betracht: – Ausschluss des Zugewinnausgleichs nur für den Fall der Scheidung, nicht auch beim Tod eines Ehegatten, – auflösend bedingter Ausschluss des Zugewinnausgleichs, – befristeter Ausschluss des Zugewinnausgleichs, etwa bei kurzer Ehedauer. Unzählige Varianten sind denkbar – grundsätzlich gilt im ehelichen Güterrecht der Grundsatz der Vertragsfreiheit.3 cc) Der Ausschluss der Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365 ff. BGB 21
Bei jeder Modifizierung des Güterstands ist zu beachten, dass die Verfügungsbeschränkungen der Zugewinngemeinschaft, insbesondere §§ 1365 und 1369 BGB, anwendbar bleiben. § 1365 BGB verbietet Verfügungen über das Vermögen im Ganzen,4 § 1369 BGB Verfügungen über Gegenstände des ehelichen Haushalts5 ohne Zustimmung bzw. Einwilligung des anderen Ehegatten. Beide Vorschriften dienen sowohl der Erhaltung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Familiengemeinschaft und dem Bestandsschutz der stofflichen Substanz für das familiäre Zusammenleben als auch der Sicherung des anderen Ehegatten vor der Gefährdung seiner Anwartschaft auf Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstands.6 Kurz gesagt, gingen schon die Gesetzesväter davon aus, Geld sei flüchtig, und wollten deshalb die wesentlichen Gegenstände des Familienvermögens schützen. Auch nach Rechtskraft der Scheidung kann § 1365 BGB ggf. noch anwendbar sein.7 1 Alle angesprochenen Punkte sollten bei einer gegenständlichen Herausnahme bestimmter Vermögenswerte aus dem Zugewinnausgleich geregelt werden. Dies erfordert, etwa bei Betriebsvermögen, ggf. komplexe Regelungen, die insbesondere auch Manipulationsversuchen, etwa bei der Ertragsverwendung o.Ä., entgegenzuwirken versuchen sollten. Vgl. M 34.3 (Rz. 234), M 34.4 (Rz. 246) mit Anm. 2 Vgl. hierzu ausführlich und mit Vertragsmustern z.B. Brambring, Ehevertrag und Vermögenszuordnung unter Ehegatten, 7. Aufl. 2012, oder Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015. 3 Zu Einschränkungen vgl. insbesondere Rz. 112 ff. 4 Vgl. zum Begriff des ganzen oder nahezu ganzen Vermögens Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1365 Rz. 6 ff. 5 Zur Definition vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1369 Rz. 4 ff. 6 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1365 Rz. 1, § 1369 Rz. 1. 7 Nach Beendigung des Güterstands infolge Scheidung (§ 1372 BGB) soll allein der Schutzzweck vor einer Gefährdung der Ausgleichsforderung bleiben, Einzelheiten sind umstritten, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1365 Rz. 1.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 24 Kap. 34
Vereinbaren Ehegatten Gütertrennung, entfallen die Verfügungsbeschränkungen aus §§ 1365 und 1369 BGB automatisch. In einer Scheidungsfolgenvereinbarung, in der Gütertrennung vereinbart wird, müssen deshalb die Verfügungsbeschränkungen nicht gesondert ausgeschlossen werden. Bei jeder Modifizierung oder Beibehaltung des gesetzlichen Güterstands sollte jedoch der – isolierte oder flankierende – Ausschluss der Verfügungsbeschränkungen thematisiert werden.1 Automatisch entfallen die Verfügungsbeschränkungen bei bloßen Modifikationen des Güterstands nicht. dd) Grenzen der Vertragsfreiheit Anders als die Überschrift von § 1408 BGB suggeriert, ist die Vertragsfreiheit im Kontext ehevertraglicher Vereinbarungen, insbesondere seit der grundlegenden Entscheidungen des BVerfG aus 2001 (vgl. Rz. 113) und des BGH aus 2004 (vgl. Rz. 114), einer ständigen Diskussion in Rechtsprechung und Literatur und fortwährender Rechtsfortbildung unterworfen. Immer neu zu gewichtende Aspekte (etwa die Frage nach der sog. „Vertragsdisparität“, also einer unterlegenen Verhandlungsposition eines Vertragsteils) tauchen auf, die der Vertragsgestalter berücksichtigen muss. All dies macht es dem Vertragsgestalter nicht einfach, den erklärten Willen der Vertragsteile in rechtssichere ehevertragliche Vertragsgestaltungen zu gießen. Auf die grundsätzliche Entwicklung der Rechtsprechung, insbesondere die Gegensätze von Vertragsfreiheit und Inhaltskontrolle und die sog. Kernbereichslehre, wird unter Rz. 112 ff. ausführlich eingegangen.
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Im Bereich der güterrechtlichen Vereinbarungen scheint dabei die Zurückhaltung der Recht- 23 sprechung bei der Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle noch am größten. Angesichts der bereits im Gesetz niedergelegten Wahlfreiheit des Güterstands unterliegt der Ausschluss des Zugewinnausgleichs oder die Vereinbarung von Gütertrennung, jedenfalls für sich allein genommen, keiner Beschränkung. Die Ehegatten können ihren Güterstand frei wählen und deshalb auch den Zugewinnausgleich ganz oder teilweise ausschließen. In der Kernbereichslehre der Rechtsprechung zählt der Zugewinnausgleich (zu Recht) zu den am weitestgehend dispositiven Normen des Scheidungsfolgenrechts. Da jedoch der Schutzzweck der Regelungen nicht beliebig unterlaufen werden darf, wird die Grenze dort zu ziehen sein, wo die vereinbarte Lastenverteilung der individuellen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse in keiner Weise mehr gerecht wird, weil sie evident einseitig ist und für den belasteten Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Dies kann besonders dann der Fall sein, wenn zu dem Ausschluss des Zugewinnausgleichs (etwa in Form eines Verzichts nach langjähriger Ehe für die Vergangenheit) ohne Kompensation weitere, für den Ehegatten nachteilige Vereinbarungen treten. Zudem sind die Art und Weise des Zustandekommens des Vertrages besonders zu berücksichtigen: Lag eine ungleiche Verhandlungsposition oder gar eine einseitige Dominanz eines Vertragsteils vor, kann die subjektive Seite, eine Disparität der Vertragsteile, eine ausschlaggebende Rolle erhalten. In besonderer Weise stellt sich dabei die Frage, ob allein eine Gesamtschau aller Verein- 24 barungen zur Unzulässigkeit der güterrechtlichen Regelung führt oder ob bereits die Nich-
1 Auch der isolierte Ausschluss der Verfügungsbeschränkungen kann in das Güterrechtsregister eingetragen werden, vgl. hierzu Rz. 27.
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Kap. 34 Rz. 25
Vergleichsvereinbarungen
tigkeit anderer Vereinbarungen, etwa des Ausschlusses von Betreuungsunterhalt, den an sich wirksamen Ausschluss des Zugewinnausgleichs infiziert.1 Deshalb ist für eine möglichst sichere Vertragsgestaltung Folgendes besonders wichtig: – Keine Sorglosigkeit auch im Hinblick auf an sich dispositive Scheidungsfolgen des Güterrechts an den Tag zu legen – dies gilt vor allem bei Gesamtvereinbarungen. Ggf. sollte eine Kompensation (vor allem tatsächlich eingetretener ehebedingter Nachteile) vorgesehen bzw. die am wenigsten eingreifende Regelung gewählt werden. – Besonderes Augenmerk auf salvatorische Klauseln bzw. die miteinander nach dem Parteiwillen verknüpften Vereinbarungen zu richten. – Die Art und Weise des Zustandekommens des Vertragsschlusses so zu gestalten, dass eine paritätische Verhandlungssituation gewahrt ist. „Schutz durch Verfahren“ heißt im notariellen Alltag vor allem, dass kein Zeitdruck entstehen und jeder Beteiligte bei der Erstellung und Prüfung der Entwürfe beteiligt sein sollte und die ohnehin aus § 17 BeurkG zur Gestaltung des Beurkundungsverfahrens bestehenden Pflichten besondere Berücksichtigung finden. ee) Form 25
Eine Aufhebung oder Änderung des Güterstands bedarf eines bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossenen Ehevertrages (§§ 1408 Abs. 1, 1410 BGB).2 Dies schließt eine privatschriftliche Güterstandswahl, die reine Unterschriftsbeglaubigung durch einen Notar unter einen Ehevertrag oder den Abschluss eines Ehevertrages mittels Angebot und Annahme aus. Auch für einen Vorvertrag und die Aufhebung eines Ehevertrages gilt die Formvorschrift des § 1410 BGB.3
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Wird die Form nicht eingehalten, führt dies gemäß § 125 BGB zur Nichtigkeit, nach Maßgabe des § 139 BGB auch zur Nichtigkeit damit verbundener weiterer Regelungen.4 Formpflichtig ist auch eine unwiderrufliche oder sonst mit gleicher rechtlicher oder tatsächlicher Bindung erteilte Vollmacht. Eine widerrufliche Vollmacht ist dagegen grundsätzlich wie eine Genehmigung gemäß §§ 167 Abs. 2, 182 Abs. 2 BGB formfrei wirksam.5 Aus Gründen der Rechtssicherheit6 wird jedoch ein Vertragsschluss in Abwesenheit eines Vertragsteils in aller Regel nicht in Betracht kommen – erst recht nicht aufgrund bloß privatschriftlicher Einwilligung. Für Rechtsgeschäfte über die Zugewinnausgleichsforderung selbst gilt § 1378 BGB. Danach bedarf auch eine Vereinbarung, die die Ehegatten während eines Verfahrens, das auf die Auflösung der Ehe gerichtet ist, für den Fall der Auflösung der Ehe über den Ausgleich 1 Vgl. Rz. 119, 2. Spiegelstrich. 2 Stattdessen genügt die Einhaltung der Form des § 127a BGB (gerichtliche Protokollierung). Vergleiche vor einer Gütestelle oder ein Anwaltsvergleich (§§ 794 Abs. 1 Satz 1, 796a ZPO) genügen dagegen dem Formerfordernis nicht; für den Beschlussvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO ist dies umstritten, vgl. Münch, Ehebezogene Rechtgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 650. 3 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1410 Rz. 3. 4 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1410 Rz. 1, 3. 5 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1410 Rz. 2. 6 Vgl. hierzu bereits Rz. 24. Das notarielle Beurkundungsverfahren sollte seinen Schutzcharakter voll entfalten können und der Ablauf des Verfahrens sollte in keiner Weise zu einer (Verstärkung einer) ungleichen Verhandlungsposition beitragen. Deshalb sollten im Regelfall beide Vertragsteile bei der Beurkundung persönlich anwesend sein.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 28 Kap. 34
des Zugewinns treffen, der notariellen Beurkundung (§ 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB).1 Im Übrigen kann sich kein Ehegatte vor Beendigung des Güterstands verpflichten, über die Ausgleichsforderung zu verfügen (§ 1378 Abs. 3 Satz 3 BGB). Ab dem Entstehen der Ausgleichsforderung (mit Beendigung des Güterstands, vgl. § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB) unterliegen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte hierüber jedoch keinen güterrechtlichen Beschränkungen mehr.2 Unter Berücksichtigung des auch dem Gläubigerschutz dienenden Absatz 23 können die früheren Ehegatten formlos jede Art der Vereinbarung über die Ausgleichsforderung treffen, auch einen Erlass.4 ff) Die Eintragung im Güterrechtsregister Regelungen zu dem bei den Amtsgerichten geführten Güterrechtsregister finden sich in den §§ 1558 bis 1563 BGB. Wirksamkeitsvoraussetzung für güterrechtliche Vereinbarungen ist die Eintragung in das Register nicht; es besteht auch keine Eintragungspflicht. Dem Güterrechtsregister kommt kein öffentlicher Glaube zu.5
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Das Güterrechtsregister soll dem Verkehrsschutz dienen (vgl. §§ 1357 Abs. 2 Satz 2, 1412 28 BGB),6 hat sich aber in der Praxis in seiner jetzigen Form nicht durchsetzen können: Zunächst entstehen durch die Eintragung Kosten.7 Diese können sich wegen § 1559 BGB noch multiplizieren, da die Eintragung im Register bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ggf. wiederholt werden muss. Gemäß § 1563 Satz 1 BGB ist die – übrigens kostenlose8 – Einsicht in das Güterrechtsregister jedem gestattet. Anders als etwa bei der Einsicht in ein fremdes Grundbuch (§ 12 Abs. 1 GBO) muss kein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werden. Dies schreckt regelmäßig die letzten Eintragungswilligen ab.
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Die Form des § 127a BGB der gerichtlichen Protokollierung ersetzt diese Form. Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1378 Rz. 11. Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1378 Rz. 8, 11. Nach einhelliger Ansicht stellt die Wiederheirat eines oder beider Ehegatten keinen automatischen Erlass dar, die Ausgleichsforderung bleibt grundsätzlich bestehen (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1378 Rz. 11). In einem echten Erlassvertrag ist ggf. eine Schenkung mit entsprechenden zivil- und steuerrechtlichen Konsequenzen zu sehen. Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Einf. v. § 1558 Rz. 1, § 1412 Rz. 10. Ist eine Eintragung erfolgt, die unrichtig ist, besteht allerdings ein Interesse des Ehegatten, die Eintragung berichtigen zu lassen. Ansonsten muss er diese unrichtige Eintragung nach Treu und Glauben Dritten gegenüber gegen sich gelten lassen. Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1357 Rz. 24: Bedeutung entfaltet die Eintragung ins Güterrechtsregister insbesondere im Rahmen des § 1412 BGB und bei sog. Rechtsgeschäften im Rahmen der Schlüsselgewalt, § 1357 Abs. 2 Satz 2 BGB. Danach wirkt der Ausschluss der Berechtigung eines Ehegatten, mit Wirkung für den anderen Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs vorzunehmen, gegen Dritte – denen er nicht bekannt ist – nur bei Eintragung in das Güterrechtsregister. § 1412 BGB selbst lässt weitgehend offen, welche Vereinbarungen im Einzelnen eintragungsfähig sind. Hierzu Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1412 Rz. 3, Einf. v. § 1558 Rz. 2 ff. Vgl. §§ 55 Abs. 2, 3 Abs. 2 GNotKG i.V.m. KV 13200 bzw. 13201. Nach Abschaffung des § 90 KostO, der hierzu noch eine explizite Regelung enthielt, gelten nunmehr in Ermangelung einer eigenen Registerverordnung die auf das Vereinsregister zutreffenden Grundsätze.
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Kap. 34 Rz. 29 29
Vergleichsvereinbarungen
Berechtigt ist deshalb die Überlegung,1 das weitgehend funktionslos gewordene Güterrechtsregister jedenfalls in seiner jetzigen Form abzuschaffen. 5. Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich a) Die Grundzüge der gesetzlichen Regelung im Überblick
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Mit dem Versorgungsausgleich soll das Recht auf gleiche Teilhabe an den in der Ehe von dem oder den Ehegatten erworbenen Versorgungsanrechten realisiert werden. Wie beim Zugewinnausgleich geht es um die Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Vermögen der Eheleute in der Ehezeit, das letztlich nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der Ehegatten allein zugeordnet war.2 Dem sozial schwächeren Ehepartner soll eine eigenständige, vom Versorgungsschicksal des anderen Ehegatten unabhängige Versorgung für den Fall des Alters oder der Invalidität geschaffen werden. Anders als im Zugewinnausgleich (vgl. hierzu ausführlich Rz. 10 ff.), der einen Gesamtsaldo zwischen ausgleichsberechtigtem und ausgleichsverpflichtetem Ehegatten vorsieht, findet der Versorgungsausgleich im derzeit geltenden Recht3 nicht nach einem „Einbahnstraßenprinzip“ statt, sondern im Wege des Einzelausgleichs jedes dem Versorgungsausgleich unterliegenden Anrechts für die Ehezeit. Im vorliegenden Rahmen können hierzu nur Grundzüge erörtert werden. Im Übrigen sei auf Spezialliteratur verwiesen.4 aa) Die Rechtsgrundlagen
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Die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen sind insbesondere enthalten in – § 1587 BGB und – dem Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG). Der Versorgungsausgleich findet insbesondere bei Ehescheidung (§§ 1587, 1564 BGB), aber auch bei Aufhebung der Ehe (§§ 1313 ff. BGB) statt. bb) Auszugleichende Versorgungsanrechte
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Gegenstand des Versorgungsausgleichs sind gemäß § 1587 BGB, §§ 1 und 2 Abs. 1 VersAusglG die Ehezeitanteile von Anrechten, verstanden als im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Be1 So noch Langenfeld, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 6. Aufl. 2011, Rz. 371; nunmehr differenzierend Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 464. 2 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Einl. v. § 1 VersAusglG, Rz. 1, mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 20.5.2003 – 1 BvR 237/97, FamRZ 2003, 1173 = FamRB 2003, 387. 3 Der Versorgungsausgleich wurde zum 1.9.2009 grundlegend reformiert. Das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 3.4.2009 (BGBl. I, 700) verabschiedete sich insbesondere von der Idee des saldierten Gesamtausgleichs und ging zum Grundsatz des Einzelausgleichs über. Der Erlass des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG) brachte zahlreiche weitere wichtige Änderungen mit sich, etwa die Aufgabe der Unterscheidung zwischen ehevertraglichen Vereinbarungen und Scheidungsvereinbarungen zum Versorgungsausgleich gemäß § 1587o BGB a.F., die Aufhebung des Verbots des Supersplittings, wie es aus § 1587o Abs. 1 Satz 2 a.F. abgeleitet wurde, und den Nichteintritt der Gütertrennung bei Ausschluss des Versorgungsausgleichs, wie ihn § 1414 Satz 2 BGB a.F. vorsah. 4 Vgl. z.B. Ruland, Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2015; Münch, Vereinbarungen zum neuen Versorgungsausgleich, 2010.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 35 Kap. 34
amtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge. Gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG muss ein im Versorgungsausgleich auszugleichendes Anrecht durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden sein, der Absicherung im Alter oder bei Invalidität, vor allem wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berufs- oder Dienstunfähigkeit, dienen und auf eine Rente gerichtet sein. Nachfolgend sollen diese dem Versorgungsausgleich unterliegenden Anwartschaften kurz als Versorgungsanrechte1 bezeichnet werden. Grundsätzlich sind nur Versorgungsanrechte wegen Alters, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit 33 in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, die durch Arbeit oder mit Hilfe des Vermögens der Ehegatten erworben wurden. Somit fallen Nachentrichtungen zur gesetzlichen Rentenversicherung, private Rentenversicherungsverträge u.Ä., die mit Hilfe des Vermögens geschaffen wurden, ohne weiteres in den Versorgungsausgleich. Nicht durch Arbeit erworben und damit nicht ausgleichspflichtig sind beispielsweise Versorgungsleistungen mit Entschädigungscharakter, etwa Schadensersatzansprüche oder Leistungen aus sozialem Entschädigungsrecht.2 Anders als beim Zugewinnausgleich spielt übrigens keine Rolle, ob Anfangsvermögen, das bei Eheschließung vorhanden war, zur Begründung von Versorgungsanrechten verwendet wird. Auch solche Versorgungsanrechte unterliegen ohne weiteres dem Versorgungsausgleich. Es ist also grundsätzlich nicht maßgeblich, ob das eingesetzte Vermögen, wenn es nicht in das Versorgungsanrecht investiert worden wäre, im Rahmen des Zugewinnausgleichs ausgleichspflichtig gewesen wäre oder nicht.3 Im Versorgungsausgleich werden die Anteile von Versorgungsanrechten berücksichtigt, die 34 in der Ehezeit erworben wurden (sog. Ehezeitanteile, vgl. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 VersAusglG). Die beim Versorgungsausgleich maßgebliche Ehezeit ist in § 3 VersAusglG definiert. Sie beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde, und endet an dem letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags (§ 3 Abs. 1 VersAusglG). Die Ehezeit beim Versorgungsausgleich weicht also von der Ehezeit des Zugewinns ab.4 Das Prinzip, dass alle Versorgungsanrechte der Ehezeit ausgeglichen werden, wird als sog. „In-Prinzip“ bezeichnet.5 cc) Die Durchführung des Versorgungsausgleichs Vor seiner grundlegenden Reform zum 1.9.2009 folgte der Versorgungsausgleich dem Grundprinzip des Einmalausgleichs und sah eine Saldierung aller Versorgungsanrechte vor. Dies führte oftmals zu der besonderen Schwierigkeit, alle Versorgungstitel vergleichbar ma-
1 § 1 VAHRG benutzt den Begriff „Anrechte“ als Oberbegriff, den es in § 2 VersAusglG hinsichtlich der auszugleichenden Anrechte definiert. 2 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2 VersAusglG Rz. 4 ff. 3 Vgl. BGH, Beschl. v. 30.3.2011 – XII ZB 54/09, FamRZ 2011, 877 = MDR 2011, 606 = NJW-RR 2011, 799 = NotBZ 2011, 291 = FamRB 2011, 169. Werden Versorgungsanrechte schenkweise begründet, findet allerdings meist eine weitere Differenzierung statt. Zum Ganzen auch Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2 VersAusglG Rz. 6. 4 Hier sind taggenau der Tag der Heirat bis zum Tag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ausschlaggebend. 5 Vgl. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 VersAusglG. Zur Problematik der Nachentrichtungen vgl. Ruland, Versorgungsausgleich, 4. Aufl. 2015, Rz. 190 ff.
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Kap. 34 Rz. 36
Vergleichsvereinbarungen
chen zu müssen, um sie in eine Gesamtausgleichsbilanz einstellen zu können.1 Nunmehr wird im Versorgungsausgleich jedes Versorgungsanrecht einzeln ausgeglichen und real geteilt (Halbteilungsgrundsatz des § 1 VersAusglG). Somit erfolgen grundsätzlich so viele Einzelteilungen, wie Versorgungsanrechte bestehen – und zwar in beide Richtungen (Hin- und Her-Ausgleich). Vom früheren „Einbahnstraßenprinzip“2 hat sich das VersAusglG abgewendet. 36
Wie im Einzelnen der Wertausgleich erfolgt, regeln §§ 9 ff. VersAusglG. § 9 VersAusglG sieht eine Rangfolge der Ausgleichsformen vor. Grundsätzlich beinhaltet das VersAusglG einen Vorrang der internen Teilung (vgl. §§ 10 ff. VersAusglG), um damit eine echte Wertermittlung, wie sie für eine externe Teilung (vgl. §§ 14 ff. VersAusglG) erforderlich ist, zu vermeiden. Maßgebliche Bedeutung kommt vor allem bei der externen Teilung dem sog. korrespondierenden Kapitalwert gemäß §§ 5, 47 VersAusglG als Vergleichsgröße zu. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass dieser eine Hilfsgröße darstellt, die nicht in jedem Fall geeignet ist, den wahren Wert einer Versorgung zu erfassen und in einem Kapitalwert auszudrücken.3
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Ausnahmen von der Durchführung des Versorgungsausgleichs bestehen in folgenden Fällen: – Nach Ermessen des Gerichts findet bei Geringfügigkeit kein Versorgungsausgleich statt (§ 9 Abs. 4 VersAusglG i.V.m. § 18 VersAusglG) – entweder weil die Differenz beiderseitiger Anrechte gleicher Art gering ist oder weil ein einzelnes Versorgungsanrecht einen geringen Ausgleichswert hat. – Bei kurzer Ehe, das heißt einer Ehezeit von bis zu drei Jahren, findet ein Versorgungsausgleich nur statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt (§ 3 Abs. 3 VersAusglG). – Ist ein Anrecht nicht ausgleichsreif, findet ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt (§ 19 VersAusglG) – es verbleiben in diesem Fall schuldrechtliche Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß §§ 20 ff. VersAusglG. – In Härtefällen findet kein Versorgungsausgleich statt bzw. wird dieser beschränkt (§ 27 VersAusglG). Dabei beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine Generalklausel und bildet selbst keine Fallgruppen mehr hierzu. dd) Die Möglichkeit der gerichtlichen Abänderung
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Entscheidungen über den Versorgungsausgleich sind gerichtlich abänderbar. Maßgeblich hierfür sind § 51 VersAusglG und §§ 225 ff. FamFG. Unübersehbar ist das Bestreben des Gesetzgebers, es über die Abänderungsmöglichkeiten nicht mehr zu einer Totalrevision der Entscheidung zum Versorgungsausgleich kommen zu lassen. Insoweit unterscheiden sich die derzeit maßgeblichen Änderungsregelungen wesentlich von den bis zur Reform des Versorgungsausgleichs zum 1.9.2009 geltenden.4 Die Möglichkeit der gerichtlichen Abänderung kann vertraglich ausgeschlossen werden (vgl. M 34.5 [Rz. 257] mit Anm.).
1 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen von Kapfer in Walz, Formularbuch Außergerichtliche Streitbeilegung, 1. Aufl. 2006, § 31 Rz. 30 ff. 2 Wie es noch aus § 1587b Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. ersichtlich war, vgl. Kapfer in Walz, Formularbuch Außergerichtliche Streitbeilegung, 1. Aufl. 2006, § 31 Rz. 36. 3 Zur Kritik Münch, Vereinbarungen zum neuen Versorgungsausgleich, 2010, Rz. 60 f. 4 Insbesondere § 10a VAHRG a.F.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 42 Kap. 34
ee) Das Verhältnis des Versorgungsausgleichs zum Güter- und Unterhaltsrecht Grundsätzlich ist der Versorgungsausgleich völlig unabhängig von dem für die Ehegatten geltenden Güterrecht. Auch die bisher geltende gesetzliche Regelung des § 1414 Satz 2 BGB a.F., wonach Gütertrennung eintritt, wenn der Versorgungsausgleich ausgeschlossen wird, ist seit 1.9.2009 ersatzlos entfallen und bildet keine Schnittstelle des Rechts des Versorgungsausgleichs zum Güterrecht mehr (vgl. bereits Rz. 18). Allein bei grober Unbilligkeit, für deren ausnahmsweise Annahme besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen müssen, kann im Rahmen des § 27 VersAusglG und der dort vorzunehmenden Billigkeitsabwägung auch das Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung Berücksichtigung finden.1
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Berührungspunkte und Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich u.U. bei der Frage, ob 40 einzelne Vermögensrechte dem Zugewinnausgleich oder dem Versorgungsausgleich unterfallen. Dies ist eine insbesondere bei Lebensversicherungen entscheidende Frage.2 Sorgt beispielsweise ein Selbstständiger mit Kapitallebensversicherungen vor, die dem Zugewinnausgleich unterfallen, und hat er ansonsten keinerlei auszugleichende Versorgungsanrechte, können sich bei einem bloßen Ausschluss des Zugewinnausgleichs mit seiner in der gesetzlichen Rentenversicherung Beiträge leistenden Ehefrau leicht unerwünschte Folgen ergeben: Plötzlich ist im Rahmen des Versorgungsausgleichs die Ehefrau ausgleichspflichtiger Eheteil und muss trotz des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs ihre Versorgungsanrechte aus der Ehezeit hälftig an ihren Ehemann übertragen. Bei jeder Regelung sind also die konkreten Verhältnisse der Ehegatten im Kontext mit dem Güterstand gezielt zu ermitteln und zu hinterfragen. Versorgungsausgleich und Unterhalt sind grundsätzlich voneinander unabhängig, auch 41 was den Tatbestand des Altersvorsorgeunterhalts gemäß § 1578 Abs. 3 BGB betrifft.3 Vereinzelt wird allerdings angenommen, in einem Verzicht auf Versorgungsausgleich könne implizit ein Verzicht auf Altersvorsorgeunterhalt gesehen werden.4 Deshalb empfiehlt sich ggf. eine Klarstellung. b) Vereinbarungsmöglichkeiten zum Versorgungsausgleich aa) Mögliche Vereinbarungszeitpunkte Wie aus den §§ 6 bis 8 VersAusglG ersichtlich ist, will der Gesetzgeber nicht nur die Mög- 42 lichkeit eröffnen, über den Versorgungsausgleich Vereinbarungen zu schließen, er begrüßt diese ausdrücklich. Die bis zum 1.9.2009 erforderliche Unterscheidung, ob es sich um eine ehevertragliche Vereinbarung zum Versorgungsausgleich nach § 1408 Abs. 2 BGB a.F. oder eine Scheidungsvereinbarung nach § 1587o BGB a.F. handelt, ist unter Geltung des VersAusglG ersatzlos entfallen. Damit ist auch die drohende Unwirksamkeit einer Scheidungsvereinbarung, wie sie 1 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Einl. v. § 1 VersAusglG Rz. 9, § 27 VersAusglG Rz. 19 ff., 26. 2 Vgl. zur Abgrenzung zwischen Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich in diesem Bereich Rz. 19. 3 Allerdings ergeben sich aus der Auffassung der Rechtsprechung, der Versorgungsausgleich stelle einen vorgezogenen Altersunterhalt (§ 1571 BGB) dar, Konsequenzen für die Abdingbarkeit im Rahmen der Kernbereichslehre, vgl. Rz. 112 ff. 4 So auch Münch, Vereinbarungen zum neuen Versorgungsausgleich, 2010, Rz. 88; Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 3267.
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Kap. 34 Rz. 43
Vergleichsvereinbarungen
im Rahmen von § 1587o BGB a.F. bei Versagung der gerichtlichen Genehmigung eintrat, nicht mehr zu befürchten. Der Gesetzgeber hat die Gestaltungsspielräume der Beteiligten erweitert, indem er die Jahresfrist für Eheverträge und die Genehmigungspflicht für Scheidungsvereinbarungen zum Versorgungsausgleich aufgehoben hat. Diese Gestaltungschancen gilt es, gerade in Scheidungsfolgenvereinbarungen zu nutzen. 43
Zeitlich gesehen sind nunmehr Vereinbarungen der Ehegatten zum Versorgungsausgleich nicht nur vor oder während der Ehe, sondern auch noch in einem anhängigen Scheidungsverfahren und sogar nach Rechtskraft der Scheidung möglich. Einschränkungen ergeben sich lediglich nach Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich (nicht der Scheidung) dadurch, dass Vereinbarungen die Gestaltung des Rechtsverhältnisses durch den rechtskräftigen Wertausgleich nicht mehr revidieren können (vgl. § 224 Abs. 3 FamFG). Ab diesem Zeitpunkt kann allenfalls noch eine schuldrechtliche Umgestaltung erfolgen, jedoch keine selbst rechtsgestaltende Vereinbarung mehr abgeschlossen werden. bb) Mögliche Motive der Vertragsteile für Vereinbarungen
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Motive der Ehegatten, Scheidungsfolgenvereinbarungen im Bereich des Versorgungsausgleichs zu schließen, können insbesondere sein: – Durch vertragliche Vorsorge Sicherheit zu schaffen, welche Versorgungsanrechte im Fall einer Scheidung ausgeglichen werden und welche nicht – was elementaren Einfluss auf die individuelle Versorgungsgüte und –sicherheit im Alter haben kann. In diesen Kontext fallen auch Vereinbarungen, die klarstellen sollen, welchem Ausgleichssystem für die Altersvorsorge gedachte Vermögenswerte unterliegen bzw. ob und wie sie deshalb nach Vorstellung der Vertragsteile ausgeglichen werden sollen. – Vermeidung einer drohenden Zersplitterung von Versorgungsanrechten, wie sie insbesondere durch die Aufgabe des Prinzips des Einmalausgleichs durch das VersAusglG und die nunmehrige Geltung des Hin- und Her-, des Einzelausgleichs jedes Versorgungsanrechts entstehen kann. – Ausklammerung bestimmter Zeiträume, insbesondere einer ggf. noch unabsehbar lang dauernden Trennungszeit aus dem Versorgungsausgleich. cc) Überholte Formulierungen
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Wie bereits unter Rz. 35 ff. erörtert, hat die grundlegende Reform des Versorgungsausgleichs und nunmehrige Geltung des VersAusglG wesentliche Änderungen dieses Ausgleichssystems mit sich gebracht, die bisher richtige oder übliche Vereinbarungsinhalte obsolet oder gar falsch machen. Insbesondere folgende Formulierungen sind deshalb seit 1.9.2009 zu vermeiden: – Eine Klarstellung, durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs trete keine Gütertrennung ein: § 1414 Satz 2 BGB a.F. ist ersatzlos entfallen. – Vereinbarungen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das im bisherigen Recht geltende Verbot des Supersplittings: Das VersAusglG kennt das aus § 1587o Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. hergeleitete Verbot des Supersplittings nicht.1
1 Unklar bleibt allerdings, was für Vereinbarungen gilt, die nach altem Recht gegen das Verbot des Supersplittings verstoßen hätten, erst bei einer nunmehrigen Scheidung jedoch Gestaltungswirkung entfalten sollen, vgl. hierzu Brudermüller in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1408 Rz. 23 ff.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 47 Kap. 34
– Eine Differenzierung der Vereinbarung danach, ob sie vor oder nach Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags getroffen wird bzw. innerhalb eines Jahrs ab Abschluss ein Scheidungsantrag zu erwarten ist: Die Unterscheidung zwischen ehevertraglicher Vereinbarung und (genehmigungspflichtiger) Scheidungsvereinbarung gemäß § 1408 Abs. 2 BGB a.F. einerseits und § 1587o BGB a.F. andererseits ist entfallen. dd) Mögliche Inhalte von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich Inhaltlich sind vor allem folgende Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich denkbar, die 46 sich im Wesentlichen unter den Kategorien Ausschluss, Teilausschluss oder Modifikation zusammenfassen lassen (vgl. insbes. M 34.5 [Rz. 257], M 34.6 [Rz. 267]): – Totalausschluss (mit und ohne Kompensation durch eine Gegenleistung o.Ä.), – einseitiger Ausschluss (dessen Vereinbarung und Formulierung allerdings mangels Gesamtsaldierung seit 1.9.2009 schwieriger geworden ist), – Ausschluss einzelner Versorgungsarten oder -anrechte, insbesondere von Randversorgungen, – Bedingung, Befristung, Rücktrittsvorbehalt, – Koppelung an ein Scheidungsverschulden,1 – Abänderung des Ausgleichszeitraums, – Abänderung und Festlegung der Ausgleichsquote, – Vereinbarungen zu gerichtlichen Korrekturmöglichkeit und der Abänderbarkeit nach § 227 Abs. 2 FamFG. ee) Grenzen der Vertragsfreiheit Das Verbot des Supersplittings, wie es aus § 1587o Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. hergeleitet wurde, 47 und das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung nach § 1587o Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. sind zum 1.9.2009 entfallen. §§ 6 bis 8 VersAusglG begrüßen zudem ausdrücklich Vereinbarungen der Ehegatten zum Versorgungsausgleich. All dies hat kautelarjuristischen Spielraum für Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich eröffnet und erweitert. Gleichzeitig jedoch hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 VersAusglG erstmals positiv geregelt, dass eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten muss. Nachdem der Gesetzgeber hierbei jedoch Termini verwendete, die von den in der Rechtsprechung zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle verwendeten Begrifflichkeiten abwichen, und keine Vorgaben zum Prüfungsmaßstab machte, herrschte vor allem in den ersten Jahren unter Geltung des VersAusglG Unsicherheit: Die fachlichen Diskussionen betrafen dabei vor allem die Frage, ob stets von Amts wegen eine Prüfung unter Einholung entsprechender Versorgungsauskünfte vorzunehmen sei2 und ein wie strikter Maßstab an Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich anzulegen sei.
1 Die Koppelung von Ansprüchen an ein etwaiges Scheidungsverschulden sollte jedoch unter der Geltung des Zerrüttungsprinzips nur mit äußerster Vorsicht erfolgen, vgl. Rz. 109 a.E. 2 So weiterhin Ruland, Versorgungsausgleich, 4. Aufl 2015, Rz. 56: Kontrolle setzt das Vorliegen einer Vorsorgevermögensbilanz auf Kapitalwertbasis voraus.
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Kap. 34 Rz. 48
Vergleichsvereinbarungen
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Richtigerweise unterliegen Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich einer Anlassprüfung. Regelmäßig wird ein dahingehender Vortrag eines Vertragsteils erforderlich sein.1 Auch Sachverhaltsumstände des Einzelfalls können allerdings Anlass für eine gerichtliche Überprüfung der Vereinbarung zum Versorgungsausgleich sein.2
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Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Prüfungsmaßstab, der an Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich anzulegen ist, muss der Vertragsgestalter ebenfalls stets im Auge behalten. Sie wandelt sich durchaus. Nachdem das BVerfG den Teilhabegedanken formuliert und der BGH mehrfach betont hatte, der Versorgungsausgleich sei dem Zugewinnausgleich als gleichberechtigte Teilhabe am erworbenen Versorgungsvermögen verwandt, Schranken der Dispositionsfreiheit ergäben sich jedoch aus seiner Funktion als vorweggenommener Altersunterhalt, schienen manche Gerichte auch nach Inkrafttreten des VersAusglG eine allgemeine Halbteilungskontrolle zu befürworten. Richtigerweise eröffnet das VersAusglG ausdrücklich weitergehenden Spielraum für parteiautonome Vereinbarungen der Ehegatten.3
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Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich müssen jedoch einer Inhalts- (bzw. Wirksamkeits-) und Ausübungskontrolle standhalten, die umso restriktivere Anforderungen an (nicht zwingend hälftige) Teilhabe oder (Nachteils-) Ausgleich stellt, je mehr ein Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts betroffen ist. Die Grundzüge richterlicher Inhaltskontrolle sind nachstehend unter Rz. 112 ff. ausführlich dargelegt. Der an Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich angelegte Maßstab ist dabei grundsätzlich wesentlich strenger als im Bereich rein güterrechtlicher Vereinbarungen. Zum Kernbereich4 des Scheidungsfolgenrechts sollen in erster Linie der Unterhalt wegen Kindesbetreuung, bereits in zweiter Linie der Alters- und Krankheitsunterhalt gehören. Der Versorgungsausgleich soll als vorweggenommener Altersunterhalt auf der gleichen Stufe wie dieser selbst stehen und daher grundsätzlich nicht uneingeschränkt abdingbar sein. Ein ehevertraglicher Totalausschluss des Versorgungsausgleichs ohne jede Gegenleistung und sonstigen Ausgleich in anderen Bereichen, insbesondere auch im Unterhalt oder bei der sonstigen Vermögensauseinandersetzung, wird deshalb im Regelfall nicht mehr als sichere vertragliche Gestaltung in Betracht kommen, wenn ein Ehegatte ehebedingte Nachteile in diesem Bereich erleidet. Dies trifft grundsätzlich in gleicher Weise auf vorsorgende ehevertragliche Vereinbarungen wie auch die hier behandelten Scheidungsfolgenvereinbarungen zu.5 In Scheidungsvereinbarungen dürfte allerdings generell das Prognoserisiko geringer sein6 und ein Nachteilsausgleich leichter gelingen: Die Ausgleichsbilanz bzw. der Endstand der ehezeitlichen Versorgungsanrechte stehen ja im Wesentlichen fest. 1 Vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, FamRZ 2014, 629 = NJW 2014, 1101 = MDR 2014, 542 = DNotI-Report 2014, 44 = NotBZ 2014, 218 = FamRB 2014, 162. 2 Zum Diskussionsstand vgl. bspw. Münch, Vereinbarungen zum neuen Versorgungsausgleich, 2010, Rz. 138 f. m.w.N. In diese Richtung auch OLG Rostock, Beschl. v. 24.9.2014 – 11 WF 165/11, FamRZ 2015, 410 (924) m. Anm. Bergmann: Rüge eines Beteiligten oder tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit erforderlich. 3 Vgl. Münch, Vereinbarungen zum neuen Versorgungsausgleich, 2010, Rz. 137. So auch BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, FamRZ 2014, 629 = NJW 2014, 1101 = MDR 2014, 542 = DNotI-Report 2014, 44 = NotBZ 2014, 218 = FamRB 2014, 162. 4 Zur Kernbereichslehre vgl. Rz. 112 ff. 5 Die Entscheidung des BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, FamRZ 2014, 629 = NJW 2014, 1101 = MDR 2014, 542 = DNotI-Report 2014, 44 = NotBZ 2014, 218 = FamRB 2014, 162, bezog sich auf eine scheidungsnahe Vereinbarung, ohne dass hier ein grundsätzlich anderer Prüfungsmaßstab erwogen wurde. Allerdings geht der BGH explizit darauf ein, dass es sich um einen „KrisenEhevertrag“ handelte, vgl. näher Rz. 112 ff. 6 So zu Recht Wachter, ZNotP 2004, 264 ff.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 55 Kap. 34
Besondere Bedeutung bekommt in der richterlichen Kontrolle ehevertraglicher Vereinbarun- 51 gen zunehmend der Gesichtspunkt der subjektiven Vertragsparität. So prüft der BGH in neueren Entscheidungen1 besonders, ob eine objektiv einseitige Lastenverteilung auf subjektiver Ebene Ausdruck einer gestörten Vertragsparität und somit der unterlegenen Verhandlungsposition eines Vertragsteils ist. Diese Rechtsprechung ist zugleich Appell an jeden Vertragsgestalter, alles in seiner Macht stehende zu einer gleichwertigen und gleichberechtigten Verhandlungsposition der Vertragsteile beizutragen. Neben der Inhalts- und Ausübungskontrolle des § 8 Abs. 1 VersAusglG sind folgende Schran- 52 ken inhaltlicher Art für Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich zu beachten: – § 8 Abs. 2 VersAusglG. Grundsätzlich wird deshalb eine 50 % übersteigende Teilungsquote für ein einzelnes Versorgungsanrecht nicht vereinbart werden können.2 – Für überwiegend unzulässig werden Vereinbarungen gehalten, die entweder Versorgungsanrechte in die Vereinbarung einbeziehen, die außerhalb der Ehezeit liegen, oder die das Ehezeitende selbst vertraglich ändern wollen.3 Solche Gestaltungen sollten deshalb vermieden werden. ff) Form Eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich, die vor Rechtskraft der Entscheidung über den 53 Wertausgleich bei der Scheidung geschlossen wird, bedarf der notariellen Beurkundung (§ 7 Abs. 1 VersAusglG).4 Für eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich im Rahmen eines Ehevertrages gilt zudem gemäß § 7 Abs. 3 VersAusglG die in § 1410 BGB bestimmte Form. Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich, die nach Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich (nicht der Scheidung!) geschlossen werden, sind grundsätzlich formfrei. Sie vermögen jedoch nicht, gestaltende rechtskräftige Entscheidungen über den Versorgungsausgleich zu revidieren oder ihrerseits umzugestalten. Ein etwaiger Formmangel führt zur Nichtigkeit der Vereinbarung. Über § 139 BGB können von dieser Nichtigkeit auch andere Vereinbarungen erfasst werden.
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6. Vereinbarungen im Bereich des Ehegatten- und nachehelichen Unterhalts a) Die durch die Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht Im Rahmen der durch die Ehe begründeten Unterhaltspflicht unterscheidet das Gesetz drei Zeiträume:5 – Den Familienunterhalt bei bestehender häuslicher Gemeinschaft, § 1360 BGB. – Den Trennungsunterhalt, der ab Trennung der Ehegatten einsetzt und mit der Rechtskraft der Scheidung endet, § 1361 BGB. 1 BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, MDR 2014, 542 = NJW 2014, 1101 = FamRZ 2014, 629 = DNotI-Report 2014, 44 = NotBZ 2014, 218 = FamRB 2014, 162; vgl. ausführlich Rz. 112 ff. 2 Vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 3605. 3 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 8 VersAusglG Rz. 2. 4 Vgl. im Übrigen, insbesondere für die Form von Vorverträgen etc., die Ausführungen zum Güterrecht unter Rz. 25. Auch die Form des § 127a BGB genügt, vgl. hierzu bereits Rz. 25 Fn. 2. Ob ein Beschlussvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO genügt, ist dagegen umstritten, vgl. bereits Rz. 25 Fn. 2 und Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 7 VersAusglG Rz. 2. 5 Teilweise werden auch lediglich zwei Zeiträume unterschieden: Die Ehezeit bis zur Rechtskraft der Scheidung sowie die Zeit danach. Wie hier Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361 Rz. 4.
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Kap. 34 Rz. 56
Vergleichsvereinbarungen
– Den nachehelichen Unterhalt nach rechtskräftiger Ehescheidung, §§ 1569 ff. BGB.1 Bedeutsam ist, dass die Unterhaltstatbestände, insbesondere der Trennungs- und der nacheheliche Unterhalt, nicht identisch sind, d.h. die Rechtskraft der Scheidung eine unbedingt zu beachtende zeitliche Zäsur darstellt.2 Dies ist auch in allen Gestaltungsüberlegungen zu bedenken – vor allem, weil für mögliche Vertragsgestaltungen sehr unterschiedliche Spielräume eröffnet sind. Die Einzelheiten des Unterhaltsrechts sind eine Spezialmaterie, für die auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen werden muss. Dort finden sich auch zahlreiche Beispiele zur Unterhaltsberechnung.3 b) Der Familienunterhalt 56
Sind die Ehegatten nicht getrennt, sieht § 1360 BGB die Verpflichtung jedes Ehegatten vor, durch seine Arbeit und sein Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, erfüllt er seine Verpflichtung in der Regel durch die Führung des Haushalts (§ 1360 Satz 2 BGB). Diese Verpflichtung ist nach §§ 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB zwingend, kann also für die Zukunft nicht abbedungen werden. Ohnehin wird bei intakter Ehe das Bedürfnis nach einer vertraglichen Regelung kaum bestehen. c) Der Trennungsunterhalt aa) Die gesetzlichen Grundlagen
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Größere Bedeutung entfaltet der Ehegattenunterhalt in seiner Form als Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB. Für die Definition des Getrenntlebens gilt § 1567 BGB:4 Zwischen den Ehegatten besteht keine häusliche Gemeinschaft und zumindest ein Ehegatte will sie erkennbar nicht herstellen.5 Bei Trennung kann ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens umfasst der Trennungsunterhalt auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit, § 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB.6
1 Auch die nacheheliche Unterhaltspflicht ist eine durch die Ehe begründete Unterhaltspflicht. 2 Die unterschiedlichen Ansprüche auf Unterhalt stellen verschiedene Streitgegenstände dar, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361 Rz. 4. Dies ist auch im Prozessrecht von Bedeutung. 3 Vgl. bspw. umfassend Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015. 4 So Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361 Rz. 9, § 1567 Rz. 1. 5 Ein Getrenntleben ist auch innerhalb der ehelichen Wohnung möglich, § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es erfordert eine strikte Aufgabe von Gemeinsamkeiten, insbesondere eine sog. Trennung „von Tisch und Bett“, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1567 Rz. 3. 6 Vgl. bereits Rz. 34. Danach endet die für den Versorgungsausgleich maßgebliche Ehezeit mit dem letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags, §§ 1587 BGB, 3 Abs. 1 VersAusglG. Deshalb wird im Unterhaltsrecht für den Einsatzzeitpunkt des Altersvorsorgeunterhalts auf diesen Zeitpunkt abgestellt.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 60 Kap. 34
Bei der Berechnung des Trennungsunterhalts kann im Wesentlichen auf die Grundsätze zum nachehelichen Unterhalt zurückgegriffen werden. Voraussetzung für einen Anspruch auf Trennungsunterhalt sind danach in jedem Fall: – Verwirklichung des Unterhaltstatbestands – Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten – Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten in der Höhe des Unterhaltsanspruchs. Zu prüfen sind darüber hinaus sonstige Fragen, wie Fragen der Verwirkung, des Rangs mehrerer Unterhaltsberechtigter oder -verpflichteter, eines Mangelfalls etc.1
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Allerdings ergeben sich strukturelle Unterschiede zum nachehelichen Unterhalt vor allem 59 aus der Überlegung, dass eine Versöhnung der Ehegatten nicht erschwert werden soll und deshalb die das Eheleben prägenden Verhältnisse im Wesentlichen noch erhalten werden sollen. Aus diesem Anliegen ergeben sich insbesondere in folgenden Bereichen Unterschiede bei der Ermittlung des Unterhalts: – Den bisher nicht erwerbstätigen Unterhaltsberechtigten trifft eine weniger strikte Erwerbsobliegenheit als beim nachehelichen Unterhalt (vgl. auch § 1361 Abs. 2 BGB).2 – Die Verpflichtung des Unterhaltsberechtigten zur Verwertung von Vermögen (des Vermögensstamms) zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs ist gelockert.3 Während des Getrenntlebens kann deshalb eine Vermögensumschichtung zur Ertragssteigerung nur ausnahmsweise verlangt werden.4 – In der Trennungszeit eintretende Veränderungen der maßgeblichen Umstände sind grundsätzlich unterhaltsprägend. Ehegatten nehmen während bestehender Ehe z.B. an Einkommensveränderungen des anderen teil – jedenfalls wenn diese nicht ausnahmsweise auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung beruhen.5 Hierauf ist ggf. bei der anwaltlichen Beratung eines Ehegatten Rücksicht zu nehmen, der angesichts der Trennung bestimmte Dispositionen oder Veränderungen vornehmen will. Diese sind regelmäßig, selbst wenn sie bereits nach oder im Hinblick auf eine Trennung der Eheleute erfolgen, auch für den nachehelichen Unterhalt und dessen Bemessung prägend. Beispielsweise wird bei der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit – etwa durch die bisher ausschließlich die Kinder betreuende Mutter – während der Trennung darauf abgestellt, ob die Tätigkeit sich als Surrogat für die bisherige Familienarbeit darstellt.6 bb) Mögliche Vereinbarungen: Verbot des Verzichts für die Zukunft Für den Kautelarjuristen ist der im Bereich des Trennungsunterhalts größte Unterschied zum nachehelichen Unterhalt von entscheidender Bedeutung:
1 Vgl. hierzu ausführlich Bömelburg in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 4 (Ehegattenunterhalt). 2 Vgl. Bömelburg in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 4 Rz. 32 ff.; BGH, Urt. v. 29.11.2000 – XII ZR 212/98, MDR 2001, 510 = NJW 2001, 973 = FamRZ 2001, 350. 3 Vgl. Dose in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 1 Rz. 614. 4 Allerdings ist eine Verweisung auf die Verwertung des Vermögensstamms nicht stets ausgeschlossen: § 1577 Abs. 3 BGB aus dem Recht des nachehelichen Unterhalts bildet die äußerste Obliegenheitsgrenze, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361 Rz. 21. 5 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361 Rz. 63, § 1578 Rz. 14 ff. 6 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1578 Rz. 15.
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Kap. 34 Rz. 61
Vergleichsvereinbarungen
Auf Trennungsunterhalt kann nicht mit Wirkung für die Zukunft verzichtet werden, §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB.1 Vereinbarungen, auch Verzichte, für die Vergangenheit sind dagegen grundsätzlich möglich. 61
In der Regel wird bei getrennten Ehegatten jedoch der Wunsch bestehen, wenn überhaupt, dann Regelungen für die gesamte Trennungszeit, d.h. mit Wirkung für die Zukunft zu treffen. Unproblematisch ist dies nur, wenn ein höherer als der geschuldete Unterhalt vereinbart wird (etwa 120 % des gesetzlich geschuldeten Unterhaltsbetrages) – nicht aber, wenn mit Wirkung für die Zukunft ein bestimmter Unterhaltsbetrag festgesetzt wird, der mögliche Änderungen während der Trennungszeit naturgemäß nicht berücksichtigt, oder gar insgesamt auf Trennungsunterhalt verzichtet werden soll.2 Dem Bedürfnis getrennt lebender Ehegatten wird von der Rechtsprechung dadurch Rechnung getragen, dass nicht alle Vereinbarungen zur Unterhaltshöhe als (Teil-) Verzichte gewertet werden. Vielmehr sollen Vereinbarungen innerhalb einer gewissen Bandbreite lediglich – zulässige – Vereinbarungen zur Ausgestaltung des angemessenen gesetzlichen Unterhalts darstellen. Hierzu existieren zahlreiche Entscheidungen, die die Grenze bei etwa 20 %-iger Unterschreitung des gesetzlich geschuldeten Unterhaltsbetrages ziehen.3 Diese Rechtsprechung, der die Literatur größtenteils bereitwillig zustimmt, ist zu befürworten, lässt sie doch den Ehegatten einen gewissen Spielraum für parteiautonome Vereinbarungen. Ansonsten wären sicherlich negative Auswirkungen im Sinne einer möglichst raschen Stellung eines Scheidungsantrags und des Betreibens der Ehescheidung (um in den zeitlichen Bereich des nachehelichen Unterhalts zu gelangen) zu befürchten. Unproblematisch sind solche Vereinbarungen aber keinesfalls, worauf die Vertragsteile auch deutlich hingewiesen werden müssen. Sie dürfen vor allem keinesfalls von vorneherein einen Teilverzicht auf 20 % des geschuldeten Unterhalts vorsehen oder beabsichtigen. Ggf. ist in einer Vereinbarung zum Trennungsunterhalt klarzustellen, was im Fall der Unwirksamkeit der Vereinbarung gelten soll, insbesondere, ob hierdurch weitere vertragliche Vereinbarungen berührt sein sollen.
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Häufig fanden sich (zumindest bisher) in Unterhaltsvereinbarungen Erklärungen, dass kein Ehegatte nach gegenwärtigem Stand unterhaltsbedürftig sei und deshalb kein Trennungsunterhalt geltend gemacht werde.4 Was von solchen Erklärungen zu halten ist, wurde immer wieder kontrovers diskutiert. Teilweise wurden sie als rein unverbindliche Absichtserklärungen qualifiziert, die nicht verhindern können, dass ein Ehegatte später doch ohne jede Rücksicht auf diese von ihm abgegebene Erklärung Trennungsunterhalt geltend macht. Von ihrer Aufnahme in den Vertrag wurde (und wird) deshalb abgeraten.5 1 Dabei soll unerheblich sein, ob die Ehegatten einen Verzicht wollten. Nach Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361 Rz. 71, kommt es lediglich darauf an, ob der gesetzlich geschuldete Unterhalt verkürzt wird. Unzulässig bleibt auch ein bloßes „pactum de non petendo“ als Umgehung des Verbots. Ggf. soll auch eine Vereinbarung unwirksam sein, die als Sanktion für die Geltendmachung von Trennungsunterhalt das Entfallen einer vereinbarten Gegenleistung vorsieht. Folge wäre eine u.U. schwierige Rückabwicklung. Zum Diskussionsstand vgl. unter Rz. 62 und Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 2283. 2 Auch wenn der Verzicht unter Gegenleistung oder Abfindung erfolgt, vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 2283. 3 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361 Rz. 71 m.w.N. 4 Vgl. (überholtes) Formulierungsbeispiel bei Kapfer in Walz, Formularbuch Außergerichtliche Streitbeilegung, 1. Aufl. 2006, Mustertext 31.1 unter Ziff. III.4. 5 So deutlich Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 2281 f.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 63 Kap. 34
Vereinzelt hatten jedoch Gerichte der Erklärung der Parteien, sie machten in Kenntnis ihrer beiderseitigen gegenwärtigen Einkommensverhältnisse keine Ansprüche auf Zahlung laufenden Unterhalts geltend, in der Vergangenheit durchaus Bedeutung zugemessen. In einem Fall des OLG Köln1 ging dieses davon aus, das Auskunftsverlangen eines Ehegatten sei bei Aufnahme dieser Erklärungen in einen notariellen Ehe- und Scheidungsfolgenvertrag rechtsmissbräuchlich, wenn das Verlangen nicht auf einer maßgeblichen Veränderung der beiderseitigen Verhältnisse beruhe. In neuerer Rechtsprechung hat der BGH allerdings betont, dass er keinerlei Umgehung des gesetzlichen Verbots eines Verzichts auf Trennungsunterhalt für die Zukunft dulde und weder die Vereinbarung eines pactum de non petendo noch eine Erklärung der Ehegatten zum Nichtbestehen ungedeckten Unterhaltsbedarfs die Geltendmachung von Trennungsunterhalt verhindern könne.2 Aus der Diskussion lässt sich meiner Ansicht Folgendes schließen: – Eine beidseitige Erklärung der Ehegatten, sie seien nach derzeitigem Stand nicht unterhaltsbedürftig, ist keine rechtssichere Gestaltung dahingehend, dass dann kein Unterhalt geltend gemacht werden kann. Das Verbot des Verzichts auf Trennungsunterhalt für die Zukunft behält seine volle Wirksamkeit und kann so nicht umgangen werden. – Jedenfalls muss klargestellt werden, dass es sich keineswegs um eine Verzichtsvereinbarung auf Trennungsunterhalt für die Zukunft handelt. Sinnvoll ist auch eine ausdrückliche Regelung, ob und – wenn ja – welche Vereinbarungen von der Geltendmachung von Trennungsunterhalt abhängen bzw. gerade nicht abhängen. Bei Vereinbarungen, die eine Geltendmachung von Trennungsunterhalt sanktionieren, etwa Gegenleistungen entfallen lassen, wenn Trennungsunterhalt verlangt wird, ist Vorsicht geboten.3 Jedem Vertragsgestalter ist es natürlich selbst überlassen, welche Parteivereinbarungen er empfehlen will bzw. von welchen er abrät. Er sollte jedenfalls deutlich darauf hinweisen, dass es – egal wie der Vertrag formuliert wird – bei einem Verbot des Verzichts für die Zukunft bleibt. Je nach Einzelfall kann es (um dem Verdikt der Nichtigkeit zu entgehen) sinnvoller sein, den konkreten Trennungsunterhalt zu berechnen und eine Parteivereinbarung im Rahmen der von der Rechtsprechung akzeptierten Bandbreite zu treffen. Die wesentlichen Gestaltungsgrundsätze im Bereich des Trennungsunterhalts lauten zu- 63 sammengefasst: – Kein (Teil-) Verzicht für die Zukunft möglich. – Wohl aber Vereinbarungen für die Vergangenheit, für etwaige Unterhaltsrückstände und zur Ausgestaltung der Angemessenheit des Trennungsunterhalts.
1 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 21.5.1999 – 4 UF 245/98, FamRZ 2000, 609 mit Anm. Bergschneider, der dogmatisch richtig konstatiert, die Vereinbarung stelle zwar einen gegen § 1614 BGB verstoßenden Verzicht dar, ausnahmsweise könne die Berufung auf die Unwirksamkeit jedoch wegen § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein. Damit seien solche Vertragsbestimmungen jedenfalls „nicht sinnlos“. Hiergegen wendet sich allerdings Deisenhofer in seiner Anm. zu dem o.g. Urteil (Deisenhofer, FamRZ 2000, 1368 f.). Er betont, Vereinbarungen außerhalb des Angemessenheitsrahmens könnten den Anspruch auf Trennungsunterhalt als solchen nicht beseitigen – „auch nicht mit ausgefeilter Formulierung!“. 2 Vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, NJW 2014, 1101 = FamRZ 2014, 629 = MDR 2014, 542 = DNotI-Report 2014, 44 = NotBZ 2014, 218 = FamRB 2014, 162 mit Anm. Bergschneider, FamRZ 2014, 727, der vor der Verwendung solcher Formulierungen mit dem drastischen Hinweis warnt, solche könnten sich als „ausgesprochener Blindgänger“ herausstellen, der „die gesamte Vertragskonstruktion zum Einsturz“ bringen könne. 3 Vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 2283.
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Kap. 34 Rz. 64
Vergleichsvereinbarungen
– Keine Identität zwischen Trennungs- und nachehelichem Unterhalt – deshalb stets Klarstellung, für welchen Unterhalt (wie lange) die vertragliche Vereinbarung gelten soll.1 d) Der nacheheliche Unterhalt aa) Die gesetzlichen Grundlagen 64
Für den Zeitraum nach Scheidung der Ehe ist im Gesetz der Grundsatz der Eigenverantwortung verankert: Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen (vgl. § 1569 BGB). Bis zur letzten großen Reform des Unterhaltsrechts durch die Unterhaltsrechtsreform zum 1.1.20082 war einhellige Ansicht, von einer echten wirtschaftlichen Eigenverantwortlichkeit3 könne kaum gesprochen werden. Dies wurde besonders an der Entscheidungspraxis der Familiengerichte festgemacht, die die langjährige und ggf. dauerhafte Gewährung nachehelichen Unterhalts gleichsam als „Regelmodell“ und das Ende einer (mutmaßlich eher fiktiven) fortwirkenden nachehelichen Solidarität der Ehegatten eher als seltene Ausnahme erschienen ließen. Mit der Unterhaltsrechtsreform hat das Recht des nachehelichen Unterhalts jedoch zum 1.1.2008 einen Paradigmenwechsel erfahren; der Wind im Unterhaltsrecht wird nun als „rauer“ bezeichnet.4 Grundsätzlich stellen sich bei der Ermittlung von Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt die gleichen Fragen wie beim Trennungsunterhalt.5
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Voraussetzung für die Gewährung nachehelichen Unterhalts ist zunächst, dass einer der enumerativen gesetzlichen Unterhaltstatbestände vorliegt. Dabei sind sog. Einsatzzeitpunkte zu berücksichtigen, insbesondere für Anschlusstatbestände nach dem ersten (i.d.R. bei Rechtskraft der Scheidung verwirklichten) Unterhaltstatbestand. An dieser Stelle seien die möglichen Unterhaltstatbestände lediglich genannt, wegen Einzelheiten sei auf die umfangreiche Fachliteratur verwiesen:6 – Unterhalt wegen Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes, § 1570 BGB – Unterhalt wegen Alters, § 1571 BGB – Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen, § 1572 BGB – Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, § 1573 Abs. 1 und Abs. 4 BGB7 1 So kann z.B. aus einem Titel auf Trennungsunterhalt nach Rechtskraft der Scheidung nicht mehr vollstreckt werden (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1569 Rz. 11, auch mit der geltenden Ausnahme bei einstweiliger Anordnung nach §§ 49, 246 FamFG). Zum Teil wird deshalb vorsorglich empfohlen, in vertraglichen Unterhaltsvereinbarungen separate Zwangsvollstreckungsunterwerfungen für den Trennungs- und nachehelichen Unterhalt aufzunehmen. 2 Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts v. 21.12.2007 (BGBl. I, 3189). 3 Der sog. Grundsatz der Eigenverantwortung ist Konsequenz eines im Wesentlichen verschuldensunabhängigen Scheidungsrechts: Noch in § 58 EheG waren Unterhaltsanspruch und Verschulden verknüpft, wovon sich das Gesetz durch das 1. EheRG vom 14.6.1976 beim Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzips löste (vgl. zu § 58 EheG Ronke in Erman, BGB Handkommentar, 2. Bd., 5. Aufl. 1972, § 58 EheG Rz. 4, 8). 4 Vgl. Götz, Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit des kindesbetreuenden Elternteils im neuen Unterhaltsrecht – eine Erfolgsgeschichte für die betroffenen Kinder?, FPR 2011, 149: „Der Wind scheint … rauer zu werden“. 5 Vgl. zu den tatbestandlichen Voraussetzungen bereits Rz. 58. 6 Vgl. bspw. Bömelburg in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 4 Rz. 102 ff. 7 Teilweise wird der Unterhaltstatbestand wegen Wegfalls einer angemessenen Erwerbstätigkeit gemäß § 1573 Abs. 4 BGB auch als eigener Tatbestand verstanden.
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Siegler
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 67 Kap. 34
– Aufstockungsunterhalt, § 1573 Abs. 2 BGB – Ausbildungsunterhalt, § 1575 BGB – Unterhalt aus Billigkeitsgründen, § 1576 BGB. Die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten ist in § 1577 BGB geregelt, wobei Abs. 1 und 2 die Anrechnung eigenen Einkommens bzw. die Nichtanrechnung überobligatorischer Einkünfte, Abs. 3 die Obliegenheit zur Verwertung des Vermögensstamms und Abs. 4 den späteren Wegfall von Vermögen behandeln. Das Maß des Unterhalts1 ergibt sich im Wesentlichen aus § 1578 BGB, der auch Regelungen zum Krankenversicherungs- und Vorsorgeunterhalt enthält. Entscheidend ist weiter, ob der Verpflichtete in der errechneten Unterhaltshöhe leistungsfähig ist, § 1581 BGB. Hier spielen Fragen des Selbstbehalts und der Anforderung an die Leistungsfähigkeit und Erwerbsobliegenheit eine zentrale Rolle.2 Grundsätzlich geht dabei das Gesetz von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten aus, die Norm ist als Einwendung gestaltet.3 Während § 1579 BGB als negative Härteklausel Ausschlusstatbestände enthält (Wegfall und Herabsetzung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit, z.B. bei kurzer Ehedauer), enthält § 1586 BGB Beendigungstatbestände, etwa die Wiederheirat des Berechtigten. bb) Möglicher Inhalt von Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt Das derzeit geltende Unterhaltsrecht beschränkt sich in weiten Teilen auf Generalklauseln oder mit konkretem Inhalt zu füllende unbestimmte Rechtsbegriffe (vgl. etwa die Formulierung des § 1578b BGB zur Herabsetzung und zeitlichen Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit). Motiv der Ehegatten, in einer Scheidungsfolgenvereinbarung Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt zu treffen, kann daher vor allem sein, diese konkret auszufüllen – und damit Sicherheit sowohl für den Unterhaltsverpflichteten als auch den -berechtigten zu Grund, Höhe und Dauer der nachehelichen Unterhaltszahlungen zu schaffen.
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Inhaltlich sind v.a. folgende Vereinbarungen im Bereich des nachehelichen Unterhalts denkbar, die sich im Wesentlichen unter den Kategorien Verzicht, Teilverzicht oder Modifikation zusammenfassen lassen (vgl. insbes. M 34.7 [Rz. 275], M 34.8 [Rz. 283]): – Unterhaltsverzicht (ganz oder teilweise, mit oder ohne Kompensation durch eine Gegenleistung o.Ä.), insbesondere – Herausnahme bestimmter Unterhaltstatbestände mit oder ohne etwaige Anschlusstatbestände, – Verzicht auch oder gerade nicht für den Fall der Not, – einseitige Verzichte,
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1 Zu den Berechnungsmethoden und der Bemessung des nachehelichen Unterhalts im Einzelnen vgl. die umfangreiche Spezialliteratur, vgl. bspw. Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 49. EL Januar 2016, 1. Kapitel, Nacheheliche Unterhaltstatbestände; Bömelburg in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 4 (Ehegattenunterhalt); Niepmann/Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 12. Auflage 2013, Rz. 145 ff. (Die konkrete Bemessung der Höhe des Unterhaltsanspruchs). 2 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1581 Rz. 2 ff. 3 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1581 Rz. 1. Zur Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter oder Unterhaltsverpflichteter und zur Behandlung von Mangelfällen vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1581 Rz. 21, 22 ff.
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Kap. 34 Rz. 68
Vergleichsvereinbarungen
– Modifizierungen, insbesondere – Deckelung der Unterhaltshöhe, ggf. wertgesichert, – Abänderung der Berechnungsmethode des Unterhalts, z.B. bei der Berücksichtigung eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, – zeitliche Begrenzung, z.B. durch den Ausschluss von Wiederauflebenstatbeständen,1 – Festlegung der Art der Unterhaltsgewährung,2 – Unterhaltszahlung in bestimmter Höhe, mit oder ohne Zwangsvollstreckungsunterwerfung3 des Unterhaltsschuldners oder dingliche Absicherung des Unterhaltsanspruchs, – Festlegung von Abänderungskriterien oder -zeitpunkten, – Bedingung, Befristung, Rücktrittsvorbehalt, – Koppelung an ein Scheidungsverschulden,4 – Vereinbarungen mit steuerlichem Bezug, z.B. Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings, ggf. mit Verpflichtung zur Unterzeichnung der Anlage U der Einkommensteuererklärung (vgl. M 34.8 [Rz. 283] mit Anm.). 68
Vereinbarungen, die Unterhaltszahlungen vorsehen, sollten in jedem Fall klarstellen, ob sie den gesetzlichen Unterhalt lediglich ausgestalten oder novierend wirken, d.h. für sich den Rechtsgrund der Zahlung schaffen. Folge der Novation ist die Loslösung von den gesetzlichen Unterhaltsregelungen: So entfallen nach allgemeiner Ansicht bspw. besondere Zuständigkeitsregelungen und sind Tatbestände und gesetzliche Regelungen, die auf den gesetzlich geschuldeten Unterhalt abstellen, nicht mehr ohne weiteres anwendbar.5 Vereinbarungen zum Altersvorsorgeunterhalt nach § 1578 Abs. 3 BGB sollten möglichst vertragliche Vorsorge für die bestimmungsgemäße Verwendung treffen. Die zweckwidrige Verwendung des als Altersvorsorgeunterhalt geleisteten Betrages soll sich nämlich auf den späteren Unterhaltsanspruch nur nach Maßgabe des § 1579 BGB auswirken. Die mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit (§ 1579 Nr. 4 BGB) wird jedoch von der Rechtsprechung nur zurückhaltend bejaht.6
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Empfohlen wird, in jeden Unterhaltsverzicht eine Klarstellung zum Notbedarf aufzunehmen.7 Soll der Unterhaltsverzicht für den Fall des Notbedarfs nicht gelten, sollte zur Be1 Gemäß § 1586 BGB erlischt der Unterhaltsanspruch u.a. mit der Wiederheirat des Berechtigten, der Unterhaltstatbestand des § 1570 BGB kann gemäß § 1586a BGB jedoch mit Auflösung der neuen Ehe (theoretisch auch nach längerer Zeit) wiederaufleben. Nach Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1585c Rz. 8, muss der Verzicht auf den Anspruch nach § 1586a BGB ausdrücklich erklärt werden. 2 Gemäß § 1585 Abs. 1 BGB ist der laufende Unterhalt durch Zahlung einer monatlichen Geldrente zu gewähren; im Fall des § 1585 Abs. 2 BGB kann vom Berechtigten Abfindung in Kapital verlangt werden. 3 Dabei wird wegen der Nichtidentität zum Trennungsunterhalt vereinzelt empfohlen, für den nachehelichen Unterhalt vorsorglich eine eigene Zwangsvollstreckungsunterwerfung aufzunehmen. 4 Die Koppelung von Ansprüchen an ein etwaiges Scheidungsverschulden sollte jedoch unter der Geltung des Zerrüttungsprinzips nur mit äußerster Vorsicht erfolgen, vgl. Rz. 109 a.E. 5 Z.B. § 1586b BGB, vgl. hierzu Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1586b Rz. 9. Zu § 1586b BGB vgl. auch Rz. 87. 6 So wird eine mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit bspw. verneint, wenn der Berechtigte den Altersvorsorgeunterhalt wegen einer Notlage für den Elementarunterhalt verbraucht hat; vgl. z.B. OLG Bamberg, Beschl. v. 11.9.2002 – 2 WF 150/02, FamRZ 2003, 762 (763) = FamRB 2003, 84. Vgl. zum Ganzen auch Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1578 Rz. 74. 7 Nach Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1585c Rz. 8, umfasst ein Unterhaltsverzicht im Zweifel auch den Notbedarf, eine Klarstellung ist zu empfehlen.
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Siegler
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 71 Kap. 34
stimmung der Unterhaltshöhe klargestellt werden, welcher Unterhalt dann geschuldet wird. Die Formulierung „wird das geschuldet, was die Sozialhilfe gewähren müsste“, weicht von der Berechnung des notwendigen Unterhalts bzw. unterhaltsrechtlichen Mindestbedarfs u.U. deutlich ab (vgl. M 34.1 [Rz. 129] mit Anm. A35 [Rz. 164]). cc) Grenzen der Vertragsfreiheit Die Grundsätze der derzeit relevanten richterlichen Inhaltskontrolle, die im Wesentlichen eine zweistufige Prüfung der Wirksamkeit und Rechtsausübung fordert, sind nachstehend unter Rz. 112 ff. ausführlich dargestellt.
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Der an Vereinbarungen zum Unterhalt angelegte Maßstab erscheint dabei wesentlich stren- 71 ger als im Bereich rein güterrechtlicher Vereinbarungen und – je nach Unterhaltstatbestand – auch strenger als bei Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich. Zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts1 sollen in erster Linie der Unterhalt wegen Kindesbetreuung, in zweiter Linie der Alters- und Krankheitsunterhalt gehören, denen Vorrang vor den übrigen Unterhaltstatbeständen (z.B. Ausbildungs- oder Aufstockungsunterhalt) zukommt. Damit dürften Vereinbarungen und Verzichte im Bereich der Unterhaltstatbestände – Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, § 1573 Abs. 1 BGB, – Aufstockungsunterhalt, § 1573 Abs. 2 BGB, – Ausbildungsunterhalt, § 1575 BGB, – Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt, § 1578 Abs. 2 und 3 BGB,2 grundsätzlich eher möglich sein und Bestand haben. Voraussetzung ist jedoch auch hier, dass sich nicht aus einer Gesamtschau aller getroffenen Vereinbarungen eine evident einseitige Lastenverteilung zuungunsten eines Ehegatten ergibt. Die Einstufung dieser Unterhaltstatbestände als unter den vom Kernbereich weiter entfernten suspendiert nicht die im Übrigen von der Rechtsprechung geforderte zweistufige Prüfung. Sie besagt nur, dass nicht allein die Zugehörigkeit zum absoluten Kernbereich bereits die Unwirksamkeit eines Verzichts quasi indiziert. Intensiver als in anfänglicher Rechtsprechung zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen widmet sich die Rechtsprechung nunmehr auch der Frage, ob bei Abschluss des Vertrages eine paritätische Verhandlungsposition vorlag, mithin der subjektiven Seite der Vereinbarung: Ist eine objektiv einseitige Lastenverteilung auf der subjektiven Ebene Ergebnis einer unterlegenen Verhandlungsposition des benachteiligten Ehegatten (subjektive Imparität bzw. Disparität), spricht dies gegen eine Wirksamkeit der Vereinbarung.3
1 Zur Kernbereichslehre vgl. Rz. 112 ff. 2 Einschränkend jedoch im Zusammenhang mit Betreuungsunterhalt BGH, Urt. v. 25.5.2005 – XII ZR 221/02, NJW 2005, 2391 = FamRZ 2005, 1449 = MDR 2005, 1355 = DNotZ 2005, 857 = NotBZ 2005, 336 = FamRB 2005, 250, vgl. Rz. 112 ff. Der BGH scheint diesen Unterhaltstatbestand nun eher der Stufe des Unterhaltstatbestandes zurechnen zu wollen, dessen ehebedingte Nachteile er ausgleichen will. 3 Vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, NJW 2014, 1101 = FamRZ 2014, 629 = MDR 2014, 542 = DNotI-Report 2014, 44 = NotBZ 2014, 218 = FamRB 2014, 162; Beschl. v. 8.10.2014 – XII ZB 318/11, DNotZ 2015, 131 = FamRZ 2014, 1978 = MDR 2014, 1394 = FamRB 2015, 4 = NotBZ 2015, 296 m. Anm. Klepsch
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Kap. 34 Rz. 72
Vergleichsvereinbarungen
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Zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts gehören auf jeden Fall – vor allem der Betreuungsunterhalt, § 1570 BGB, hier dürfte auch ein Ausschluss von Anschlusstatbeständen nicht unproblematisch sein, was allerdings derzeit nicht als endgültig geklärt gelten kann,1 – in zweiter Linie der Unterhalt wegen Alters oder wegen Krankheit gemäß §§ 1571 und 1572 BGB.2 Ein ehevertraglicher Verzicht auf diese Unterhaltstatbestände des Kernbereichs, erst recht ohne jede Gegenleistung und sonstigen Ausgleich in anderen Bereichen, insbesondere auch bei der sonstigen Vermögensauseinandersetzung und im Versorgungsausgleich, wird deshalb im Regelfall nicht mehr als sichere vertragliche Gestaltung in Betracht kommen. Inwieweit Modifikationen, zeitliche Begrenzungen etc. möglich bleiben, muss abgewartet werden und erscheint nach wie vor unklar.3 Vereinbarungen, die in diese Unterhaltstatbestände eingreifen wollen, erfordern jedenfalls größtmögliche Sorgfalt und das Bewusstsein auch der Vertragsteile über die Bedeutung dieser elementaren Unterhaltstatbestände in der Wertung der Rechtsprechung.
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Ob diese Aussage uneingeschränkt auf Scheidungsfolgenvereinbarungen übertragbar ist, war in der anfänglichen Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen noch nicht klar ersichtlich und wurde deshalb teilweise kontrovers diskutiert. Sicher unterliegen Scheidungsfolgenvereinbarungen einem geringeren Prognoserisiko als vorsorgende Eheverträge, bei denen zwar Pläne der Ehegatten zur Ausgestaltung ihrer ehelichen Lebensverhältnisse und ihrer Rollenverteilung bestehen, diese aber regelmäßig real noch nicht gelebt sind. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Rechtsprechung tatsächlich einen anderen Prüfungsmaßstab anlegt.4 Der Vertragsgestalter, an den die Forderung einer möglichst sicheren Gestaltung zu stellen ist, muss deshalb derzeit von der Anwendung der dargestellten Prüfungsmaßstäbe auch auf Verträge in der konkreten Krise der Ehe ausgehen. dd) Form
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Auch hinsichtlich der geltenden Formvorschriften unterscheiden sich Vereinbarungen zum Trennungsunterhalt wesentlich von solchen zum nachehelichen Unterhalt: Vereinbarungen zum Trennungsunterhalt bedürfen grundsätzlich keiner besonderen Form. Bestehen nicht aus anderen Gründen Formvorschriften (wie z.B. aus § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO für eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung in notarieller Urkunde), kann jedoch auch der Regelungszusammenhang mit einer für sich formbedürftigen Vereinbarung zur Formbedürftigkeit der Unterhaltsvereinbarung führen.5 In jedem Fall sollte eine (Trennungs-) Unterhaltsvereinbarung zu Beweiszwecken zumindest privatschriftlich getroffen werden. Hintergrund der in diesem Bereich fehlenden Formvorschriften ist sicher die grund1 Vgl. Wachter, ZFE 2004, 132 (139), dort auch zu der (verneinten) Frage, ob etwaiger Aufstockungsunterhalt in diesem Zusammenhang den gleichen Schutz genießt. 2 Auf dessen Stufe der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt stehen und daher grundsätzlich ebenfalls nicht uneingeschränkt abdingbar sein soll, vgl. bereits Rz. 50. 3 Vgl. Wachter, ZFE 2004, 132 (133), wonach Modifikationen nicht in allen Fällen ausgeschlossen sein sollen. Vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 25.5.2005 – XII ZR 296/01, NJW 2005, 2386 = DNotZ 2005, 853 = MittBayNot 2006, 44 = FamRZ 2005, 1444 = MDR 2005, 1353 = NotBZ 2005, 332 = FamRB 2005, 249. 4 Wenn auch der BGH in seinen Entscheidungen teilweise durchaus auf ein Entstehen der Vereinbarungen „in der Krise“ hinweist, vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, NJW 2014, 1101 = FamRZ 2014, 629 (633) – Rz. 35 = DNotI-Report 2014, 44 = MDR 2014, 542 = NotBZ 2014, 218 = FamRB 2014, 162. 5 So zutreffend Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1585c Rz. 4.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 77 Kap. 34
sätzliche Unverzichtbarkeit von Trennungsunterhalt für die Zukunft (§§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB). Für Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt gilt seit 1.1.20081 § 1585c BGB in neu- 75 er Fassung und damit das Erfordernis der notariellen Beurkundung2 für Vereinbarungen vor Rechtskraft der Scheidung (§ 1585c Satz 2 BGB). Da mit einer Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt ganz erhebliche wirtschaftliche Dispositionen getroffen werden und regelmäßig ein hohes Schutz- und Beratungsbedürfnis besteht, waren schon lange Stimmen laut geworden, die das gesetzliche Erfordernis notarieller Beurkundung für Unterhaltsvereinbarungen vorsehen wollten.3 Dies hat der Gesetzgeber nun umgesetzt. Für Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt nach Rechtskraft der Scheidung belässt es § 1585c BGB beim Fehlen besonderer Formvorschriften. Abgesehen davon, dass mindestens schriftliche Vereinbarungen zu Beweiszwecken stets selbstverständlich sein sollten, kann sich aber auch hier aus allgemeinen Grundsätzen eine Formpflicht ergeben: – Beim Wunsch nach einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Schuldners wegen seiner Unterhaltsverpflichtung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (vgl. auch § 796a ZPO und § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für vollstreckbare oder für vollstreckbar erklärte Vergleiche)4. – Bei bestehendem Regelungszusammenhang mit für sich formbedürftigen Vereinbarungen. Unterhaltsvereinbarungen sind somit regelmäßig formbedürftig. 7. Die sonstige Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten im Zuge der Trennung oder Scheidung, insbesondere über die Ehewohnung und Haushaltsgegenstände a) Die sonstige Vermögensauseinandersetzung Im Rahmen einer außergerichtlichen Streitbeilegung sollte der Vertragsgestalter stets alle 76 Aspekte der vermögensrechtlichen Beziehungen unter den Ehegatten zur Sprache bringen. Im Vordergrund steht dabei häufig die von den Ehegatten während der Ehe zu hälftigem Miteigentum erworbene, selbst genutzte Immobilie (samt etwa noch auf ihr ruhender Belastungen). Häufigste Vereinbarungen in diesem Zusammenhang dürften die Übertragung auf einen Ehegatten (M 34.1 [Rz. 129] unter Ziff. II mit Anm.). oder eine beabsichtigte Veräußerung des gesamten Grundbesitzes mit flankierenden Vereinbarungen (etwa über die Erlösverwendung, einen zeitweisen Ausschluss des Aufhebungsanspruchs der Gemeinschaft nach § 749 BGB, die Mitwirkung an der Veräußerung, ggf. auch eine Vollmachtserteilung) sein. Aber auch andere Gegenstände können und ggf. sollten Regelungsgegenstand umfassender Scheidungsfolgenvereinbarungen sein.5 Besonders häufig ergibt sich Regelungsbedarf in folgenden Zusammenhängen: 1 Neufassung durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts v. 21.12.2007 (BGBl. I, 3189). 2 Gleichwertig ist die gerichtliche Protokollierung gemäß § 127a BGB, vgl. hierzu bereits Rz. 25 Fn. 2. 3 So zum Beispiel Brudermüller in Palandt, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1585c Rz. 3, und § 1585c Satz 2 BGB des RefE des BMJ v. 26.4.2005 eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts, vgl. FamRZ 2005, 1041. 4 Vgl. bereits Rz. 74. 5 Für im gemeinsamen Eigentum stehende Gegenstände – mit Ausnahme des Hausrats und der Ehewohnung, vgl. Rz. 78 – gelten ohne Vereinbarungen grundsätzlich die Bestimmungen der §§ 741 ff. BGB. Da eine Teilung in Natur außer bei Geld und Wertpapieren regelmäßig ausgeschlossen ist, er-
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Kap. 34 Rz. 78
Vergleichsvereinbarungen
– Verteilung gemeinsamer Vermögensgegenstände (etwa des zu Miteigentum angeschafften Pkw) oder Übertragung von Gegenständen vom Alleineigentum des einen in das des anderen Ehegatten, – auch der Wunsch nach einem Besuchsrecht für das Haustier, etwa den Hund, kann hier auftauchen,1 – Übernahme gesamtschuldnerisch übernommener Verbindlichkeiten durch einen Ehegatten (mit Haftentlassung des anderen Ehegatten im Außenverhältnis durch Einholung der erforderlichen Gläubigerzustimmung oder als reine Erfüllungsübernahme im Innenverhältnis, falls keine Gläubigerzustimmung erlangt werden kann), – in diesem Zusammenhang stehen auch Regelungen zum sog. Gesamtschuldnerausgleich,2 – Vereinbarungen zu gemeinsam geschlossenen Verträgen, etwa Leasing- oder Versicherungsverträgen, und gemeinsamen Bankkonten, – Widerruf etwa erteilter Vollmachten, seien es Bank-, General- oder Vorsorgevollmachten, – Änderung bestehender Bezugsberechtigungen in Lebensversicherungsverträgen, Sparverträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall u.Ä. b) Insbesondere die Nutzung der Ehewohnung und die Verteilung der Haushaltsgegenstände 78
Können sich die Ehegatten nicht über die Nutzung der Ehewohnung3 oder die Aufteilung der Haushaltsgegenstände4 (des „Hausrats“) einigen, stellt das Gesetz hierfür besondere Zuweisungsmöglichkeiten vor, die den allgemeinen Regelungen insbesondere der §§ 741 ff. BGB vorgehen: Während der Trennung gilt für die Verteilung der Haushaltsgegenstände § 1361a BGB, für die Nutzungsüberlassung der Ehewohnung § 1361b BGB.5
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folgt die Auseinandersetzung durch Pfandverkauf beweglicher Sachen bzw. Zwangsversteigerung von Grundbesitz und anschließende Erlösverteilung, §§ 749, 752, 753 BGB, vgl. hierzu von Heintschel-Heinegg/Gerhardt, Materielles Scheidungsrecht, 7. Aufl. 2003, § 3 Rz. 81. Einige Gerichte befürworten hier im Fall der Nichteinigung eine entsprechende Anwendung der für Hausrat geltenden Vorschriften, auch wenn es sich bei Tieren gemäß § 90a Satz 1 BGB ausdrücklich nicht um Sachen handelt. Ob im Hausratsverfahren eine Art Umgangsregelung erstritten werden kann, darf – wenn auch nicht unbestritten – jedoch bezweifelt werden, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361a Rz. 10, mit weiterführenden Hinweisen. Bei dem vom Güterrecht unabhängigen Gesamtschuldnerausgleich handelt es sich um einen Ausgleichsanspruch der Ehegatten im Innenverhältnis. Er ist während intakter Ehe i.d.R. ausgeschlossen, weil durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert, lebt aber ab Trennung jedenfalls für die Zukunft grundsätzlich auf (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 426 Rz. 10 ff.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, 6. Aufl. 2014, Rz. 283, 283, zu Sonderfällen vgl. auch Wever, Vermögensauseinandersetzung, 6. Aufl. 2014, Rz. 284 ff.; BGH, Urt. v. 20.3.2002 – XII ZR 176/00, MDR 2002, 1252 = NJW 2002, 1570 = FamRZ 2002, 739 = FamRB 2002, 225). Zur Definition der Ehewohnung vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361b Rz. 6. Zur Definition der Haushaltsgegenstände vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1361a Rz. 3 ff. Anspruchsgrundlage für eine vorläufige Wohnungszuweisung kann auch Art. 1 § 2 GewSchG sein. § 2 GewSchG und der umfassendere § 1361b BGB können sich in ihrem Anwendungsbereich überschneiden. § 1361b BGB soll nach wohl überwiegender, allerdings nicht ganz unbestrittener Auffassung lex specialis zu § 2 GewSchG sein, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2 GewSchG, Rz. 2, § 1361b BGB Rz. 1.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 79 Kap. 34
Hierbei handelt es sich allerdings lediglich um vorläufige Zuweisungen und Benutzungsregelungen, die weder die Eigentumsverhältnisse ändern noch die Rechtsverhältnisse des Mietverhältnisses über die Ehewohnung umgestalten können.1 Folgerichtig ist etwa ein Vermieter im Verfahren einer vorläufigen Wohnungszuweisung nach § 1361b BGB nicht zu beteiligen (vgl. § 204 Abs. 1 FamFG). Sind beide Ehegatten Mieter der Ehewohnung, kann sich ggf. schon in der Trennungsphase der Wunsch nach einer endgültigen Vereinbarung über die künftige Nutzung der Ehewohnung ergeben: Auch der ausgezogene Ehegatte haftet sonst i.d.R. dem Vermieter gegenüber weiter als Gesamtschuldner für den Mietzins. Soll im Zuge einer Vereinbarung der Ehegatten der Mietvertrag abgeändert, z.B. von einem Ehegatten alleine übernommen werden, ist die Mitwirkung des Vermieters erforderlich. Ggf. sollte auch an eine Vereinbarung über die Rückzahlung der Kaution gedacht werden.2 Eine endgültige Umgestaltung3 von Rechtsverhältnissen an Ehewohnung oder Haushalts- 79 gegenständen sehen §§ 1568a, 1568b BGB vor. Voraussetzung ist, dass das Scheidungsverfahren zumindest anhängig ist,4 d.h. die Regelungen der §§ 1568a, 1568b BGB greifen erst anlässlich der Scheidung. § 1568a BGB regelt die endgültige Nutzung der Ehewohnung durch einen Ehegatten für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung; er ermöglicht in diesem Zuge eine Umgestaltung oder Begründung eines Mietverhältnisses an der bisherigen Ehewohnung. Beantragt allerdings der Nichteigentümer-Ehegatte die Überlassung der Ehewohnung, kann er dies nur, wenn dies erforderlich ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden (vgl. § 1568a Abs. 2 BGB). § 1568b BGB behandelt die Überlassung und Übereignung von Haushaltsgegenständen anlässlich der Scheidung der Ehegatten. Er enthält in Abs. 2 eine vom Güterstand unabhängige Miteigentumsvermutung für während der Ehe für den gemeinsamen Haushalt angeschaffte Haushaltsgegenstände.5 Eine vorrangige Einigung der Ehegatten bleibt auch in diesem Stadium noch möglich: Zwar enthalten §§ 1568a, 1568b BGB nicht explizit das Erfordernis einer Nichteinigung der Ehegatten. Es fehlt jedoch das Rechtsschutzbedürfnis für ein gerichtliches Verfahren, wenn sich die Ehegatten vorbehaltlos, umfassend und wirksam einigen.6 Nur im Fall der Nichteinigung regelt auf Antrag der Richter die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen. Bei einer bloßen Teileinigung ist nur noch über den streitigen Teil zu entscheiden.7 Die Frage, ob sich die Ehegatten geeinigt haben, ist dabei gleichsam als Vorfrage von Amts wegen zu beantworten.8
1 Vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 3763, 3817. 2 Dem aus dem Mietvertrag entlassenen Ehegatten steht weder gegen den Vermieter noch gegen den anderen Ehegatten ein Anspruch auf hälftige Auszahlung der Kaution zu, so Schulz in Bergschneider, Beck’sches Formularbuch Familienrecht, 4. Aufl. 2013, Form. L.I.3. Anm. 2. 3 Bis zum 1.9.2009 galten hierfür die Regelungen der HausratsVO. Diese wurde durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts v. 6.7.2009 (BGBl. I, 1696) aufgehoben. 4 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Einf. v. § 1568a, 1568b Rz. 6. 5 Die Vermutung ist nur dann widerlegt, wenn Alleineigentum feststeht, wofür nicht ausreicht, dass die Anschaffung aus den Mitteln eines Ehegatten erfolgte, vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1568b Rz. 6. 6 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Einf. v. § 1568a, 1568b Rz. 4. 7 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Einf. v. § 1568a, 1568b Rz. 4 m.w.N. 8 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Einf. v. § 1568a, 1568b Rz. 4.
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Kap. 34 Rz. 80 80
Vergleichsvereinbarungen
Gegenstand einer Scheidungsfolgenvereinbarung können im Themenbereich Ehewohnung und Haushaltsgegenstände sowohl vorläufige, situative als auch endgültige, rechtsgestaltende Vereinbarungen sein. Insbesondere, da die gesetzlichen Regelungen unzählige unbestimmte Rechtsbegriffe und Wertungsmaßstäbe enthalten (etwa, dass eine Nutzungsvergütung gemäß § 1361b Abs. 3 BGB verlangt werden kann, soweit dies der Billigkeit entspricht), ist eine parteiautonome Vereinbarung – wo möglich – anzuraten. Welche Vereinbarungen denkbar oder geeignet sind, wird bei Scheidungsfolgenvereinbarungen zur Ehewohnung im Wesentlichen davon abhängen, ob diese angemietet ist oder im Eigentum eines oder beider Ehegatten steht und ob bzw. inwieweit bereits eine endgültige einvernehmliche Lösung für die künftige Nutzung gefunden werden kann. Scheidungsfolgenvereinbarungen zu Haushaltsgegenständen scheinen hingegen in der Praxis oftmals zwischen zwei Extremen zu pendeln: Entweder sind sich die Ehegatten so einig, dass sie eine Verteilung bereits gütlich vorgenommen haben und sich dies in der Vereinbarung nur noch gegenseitig bestätigen. Oder sie streiten gerade in diesem Bereich so erbittert, dass kaum eine einvernehmliche Lösung möglich scheint. c) Grenzen der Vertragsfreiheit
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Sonstige Vereinbarungen im Bereich der Vermögensauseinandersetzung können im Ausnahmefall allgemeinen rechtlichen Schranken unterliegen, etwa wenn es um die Übernahme von Verbindlichkeiten geht.1 Zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts gehört die sonstige Vermögensauseinandersetzung jedoch grundsätzlich nicht. Selbst der Zugewinnausgleich zählt in der Kernbereichslehre der Rechtsprechung zu den am weitestgehend dispositiven Normen des Scheidungsfolgenrechts.2 Es wäre allerdings verfehlt, der sonstigen Vermögensauseinandersetzung deshalb keinerlei Einfluss beizumessen: Nicht nur handelt es sich oft um Vermögensdispositionen von ganz erheblichem Wert und eminenter Bedeutung für die künftige Lebensführung (z.B. wenn es um das Familieneigenheim geht), die Vereinbarungen und Zuweisungen in diesem Bereich können auch im Rahmen der Gesamtschau aller getroffenen Vereinbarungen den Ausschlag geben. So kann hier – positiv – eine Kompensation sonstiger Regelungen erreicht oder – negativ – das Ungleichgewicht zuungunsten eines Ehegatten noch verstärkt werden. Die sonstige Vermögensauseinandersetzung kann also durchaus den Ausschlag dafür geben, ob andere Dispositionen der Ehegatten im Bereich des Scheidungsfolgenrechts von der Rechtsprechung noch akzeptiert oder schon abgelehnt werden.3 d) Form
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Für sich gesehen unterliegen alle Vereinbarungen in diesem Bereich den allgemeinen Formvorschriften für das jeweilige Rechtsgeschäft. Notarielle Beurkundung ist danach bspw. erforderlich – bei der Übertragung von Grundbesitz bzw. der Verpflichtung zumindest eines Ehegatten hierzu, § 311b BGB, 1 Ob auf eine befreiende Schuldübernahme eines Verbraucherdarlehensvertrages durch den bisher nicht haftenden Ehegatten mittels Vertrages zwischen Schuldner und Übernehmer §§ 506 ff. BGB entsprechend anwendbar sind, ist umstritten (verneinend Krauß in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, A.I. Rz. 731). Vgl. hierzu Weidenkaff in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 492 Rz. 1, § 491 Rz. 9 f., der allein auf die Verbrauchereigenschaft des Übernehmers abstellt. 2 Vgl. hierzu bereits Rz. 23. 3 Vgl. allgemein zur Inhalts- und Ausübungskontrolle und sog. Kernbereichslehre Rz. 112 ff.
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Siegler
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 83 Kap. 34
– für eine in notarieller Urkunde vorgesehene Zwangsvollstreckungsunterwerfung wegen der Herausgabe bestimmter (Haushalts-)Gegenstände, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.1 Soweit die Vereinbarungen danach an sich keiner besonderen Form bedürfen, kann sich eine Formbedürftigkeit aus dem Zusammenhang mit ihrerseits formpflichtigen Regelungen ergeben (etwa nach §§ 1410, 1585c Satz 2 BGB).2 Zu Beweiszwecken ist auch bei formlos möglichen Vereinbarungen zumindest Schriftform zu empfehlen. 8. Vereinbarungen zum Erb- und Pflichtteilsrecht der Ehegatten a) Das Schicksal (gemeinsamer) letztwilliger Verfügungen aa) Die gesetzliche Auslegungsregel zur Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Ehescheidung Sinnvollerweise sollten sich die Ehegatten auch Gedanken zum Erb- und Pflichtteilsrecht 83 machen. An erster Stelle steht dabei die Frage nach gemeinsamen Verfügungen von Todes wegen und deren weiteren Schicksal: Gemäß §§ 2279 Abs. 2, 2268 und 2077 BGB sind letztwillige Verfügungen, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, erst unwirksam, wenn – die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist oder – zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte oder – der Erblasser zur Zeit seines Todes berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen und den Antrag gestellt hatte. Allerdings sieht § 2077 Abs. 3 BGB keine Unwirksamkeit der Verfügung vor, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde. Beim gemeinschaftlichen Testament zeigt § 2268 Abs. 2 BGB, beim Erbvertrag § 2279 Abs. 2 BGB (der insgesamt auf § 2077 BGB, somit auch auf dessen Abs. 3 verweist), dass bei anders lautender Auslegung der letztwilligen Verfügung keine Unwirksamkeit eintritt. Schon um diese Auslegungsbedürftigkeit und damit einhergehende gewisse Unsicherheit auszuschließen,3 sollte beim Vorhandensein gemeinsamer4 Verfügungen von Todes wegen eine klarstellende Regelung getroffen und ggf. deren einvernehmliche Aufhebung vorgenom-
1 Vgl. auch §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 796a ZPO (vollstreckbare oder für vollstreckbar erklärte Vergleiche). 2 Vgl. bereits Rz. 74 f. 3 Für einen Notar ergibt sich bereits aus § 17 Abs. 1 BeurkG, dass spätere Auslegungsfragen nach Möglichkeit gar nicht erst auftreten und deshalb Zweifel in der Urkunde ausgeräumt werden sollten. Auf gesetzliche oder richterliche Auslegungs- oder Ergänzungsregeln sollte nicht zurückgegriffen werden müssen, vgl. Litzenburger in Beck’scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, 38. Edition, Stand: 1.2.2016, § 17 BeurkG Rz. 11. 4 Ein Widerruf kann selbstverständlich auch beim Vorhandensein einseitiger Testamente gewollt sein, dieser kann jedoch ohne weiteres vom Erblasser selbst erklärt werden, ohne dass hierfür eine Vereinbarung oder ein Einverständnis unter den Ehegatten bzw. ein förmliches Verfahren, ggf. mit Zustellung, erforderlich wäre. In diesem Zusammenhang kann auch die Änderung von Bezugsberechtigungen bei etwa bestehenden Lebensversicherungsverträgen ein Thema sein – die zunächst oft vergessen werden.
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Kap. 34 Rz. 84
Vergleichsvereinbarungen
men werden.1 Besonders wichtig ist dies, wenn der gesetzliche Zeitpunkt für die Unwirksamkeit der Verfügung nicht erreicht ist oder mutmaßlich noch in weiter zeitlicher Entfernung liegt (etwa weil die Stellung eines Scheidungsantrages vorerst gar nicht beabsichtigt wird). Eine Klärung ist in jedem Fall erforderlich. bb) Die Aufhebung letztwilliger Verfügungen, insbesondere deren mögliche Form 84
Für den Widerruf einseitiger Testamente gilt § 2254 BGB, wonach der Widerruf als actus contrarius grundsätzlich ebenfalls der Testamentsform bedarf. Daneben kann der Widerruf durch Vernichtung oder Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung erfolgen, §§ 2255, 2256 BGB. Diese Formen der §§ 2254 ff. BGB stehen einem Ehegatten bei einem gemeinschaftlichen Testament nur für nicht wechselbezügliche Verfügungen offen.2 In der Regel wird die gegenseitige Erbeinsetzung von Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich sein. Ein einseitiger Widerruf zu Lebzeiten des anderen Ehegatten bedarf dann des Zugangs einer notariell beurkundeten, höchstpersönlichen Erklärung, §§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296 BGB. Durch gemeinsames Handeln können die Ehegatten dagegen in allen zugelassenen Formen widerrufen, also nicht nur in einer notariellen Urkunde, sondern auch in einem gemeinschaftlichen Testament als Widerrufstestament gemäß § 2254 BGB oder durch die gemeinsame Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung, §§ 2272, 2256 BGB.3 Auch im Erbvertragsrecht wird zwischen vertragsmäßigen und einseitigen Verfügungen unterschieden. Während der Widerruf einseitiger Verfügungen nach Testamentsrecht erfolgt, bedarf die Aufhebung vertragsmäßiger Verfügungen regelmäßig des Zusammenwirkens der Ehegatten, sei es in der Form des Erbvertrages oder des gemeinschaftlichen Testaments, §§ 2290 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 2292 BGB. Ein einseitiger Rücktritt vom Erbvertrag ist – anders als ein Widerruf beim gemeinschaftlichen Testament zu Lebzeiten des anderen Ehegatten – grundsätzlich nur möglich, wenn er vorbehalten wurde, § 2293 BGB. Vertretung ist im Testaments- wie Erbvertragsrecht grundsätzlich (auch für die Aufhebung) ausgeschlossen.4 b) Vereinbarungen zum gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht aa) Das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht des Ehegatten
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Auch wenn keine gemeinsamen Verfügungen von Todes wegen existieren, besteht ggf. Regelungsbedarf: Gemäß § 2077 BGB scheidet der Ehegatte erst zu dem dort genannten Zeitpunkt5 aus der gesetzlichen Erbfolge aus. Besteht keine letztwillige Verfügung, überdauert das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten die bloße Trennung. Selbst wenn jeder der Ehegatten bereits ein eigenes, etwa seine Kinder als Erben berücksichtigendes Testament errichtet hat, bleibt – korrespondierend zum gesetzlichen Erbrecht – das Pflichtteilsrecht des anderen Ehegatten bis zum gleichen Zeitpunkt bestehen (vgl. § 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB).
1 Ist eine solche nicht erreichbar, muss die Möglichkeit des einseitigen förmlichen Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testaments oder des vorbehaltenen Rücktritts von einem Erbvertrag der Ehegatten geprüft und ggf. erklärt werden. 2 Vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2271 Rz. 1. 3 Vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2271 Rz. 2. 4 Vgl. §§ 2064, 2256 Abs. 2 Satz 2, 2274, 2290 Abs. 2 Satz 1, 2296 Abs. 1 BGB. 5 Vgl. bereits Rz. 83.
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Siegler
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 88 Kap. 34
bb) Mögliche Vereinbarungen, insbesondere der Verzicht In einer Scheidungsfolgenvereinbarung, insbesondere einer solchen, die auch für eine vo- 86 raussichtlich längere Trennungszeit ohne Scheidungsantrag vorsorgen will, wird aus den genannten Gründen häufig ein Pflichtteilsverzicht des Ehegatten gewünscht. Dieser entfaltet allerdings nur dann Wirkung, wenn jeder Ehegatte eine Verfügung von Todes wegen zugunsten dritter Personen, etwa der Kinder, errichtet bzw. errichtet hat. Ein isolierter Pflichtteilsverzicht lässt nicht nur die gewillkürte, sondern selbstverständlich auch die gesetzliche Erbfolge unberührt. Ob weitergehend ein umfänglicher Erbverzicht erklärt werden soll, muss im konkreten Einzelfall entschieden werden. Ein Erbverzicht führt mit Wirkung ab Vertragsschluss zum Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts. Deshalb muss hier stets die Verschiebung der Erbund Pflichtteilsquoten anderer Angehöriger (insbesondere deren ggf. erhöhten Pflichtteilsansprüche) bedacht werden.1 Dabei müssen auch die möglichen Konsequenzen einer solchen Vereinbarung im Zusam- 87 menspiel mit §§ 1933 Satz 3, 1586b BGB, dass nämlich Erb- und Pflichtteilsverzichte eine etwaige Unterhaltslast des Erben entfallen lassen können, bedacht werden: Wohl überwiegend, jedoch heftig umstritten, wird angenommen, der Verzicht lasse den Unterhaltsanspruch entfallen, möglich sei es jedoch, diese gesetzliche Folge zu suspendieren.2 Gerade im Bereich von Scheidungsfolgenvereinbarungen erscheint Letzteres häufig als sachgerecht. Lassen sich die Ehegatten in der Folge tatsächlich scheiden, würde das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht nach Maßgabe des § 2077 BGB ohnehin entfallen. Dass sie gleichermaßen den Einsatzzeitpunkt vorverlagern, um Rechtssicherheit zu schaffen, sollte keine unterhaltsrechtlichen Nachteile nach sich ziehen, wenn diese von den Vertragsteilen nicht ausdrücklich gewünscht werden. Allerdings kann die gesetzliche Folge den Vertragsteilen auch durchaus erwünscht sein, etwa wenn in der Urkunde ohnehin ein Unterhaltsverzicht vereinbart werden soll.3 Eine vertragliche Klarstellung ist dringend anzuraten. cc) Grenzen der Vertragsfreiheit: Inhaltskontrolle von Erb- und Pflichtteilsverzichten? Das Ehegattenerb- und Pflichtteilsrecht kann schon begrifflich nicht zum Kernbereich des 88 Scheidungsfolgenrechts gehören: Der Gesetzgeber selbst sieht ja die Lösung der gegenseitigen erb- und pflichtteilsrechtlichen Bande spätestens mit der Ehescheidung vor. Insoweit geht es bei Verzichten in diesem Bereich stets um eine rechtssichere Vorverlagerung der Einsatzzeitpunkte, ab denen der Ehegatte nicht mehr erb- oder pflichtteilsberechtigt ist. Nicht zuletzt deshalb wird kontrovers behandelt, ob Erb- und Pflichtteilsverzichte der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen.4 Die Befürworter einer Inhaltskontrolle führen dagegen den Versorgungsaspekt des Pflichtteils ins Feld.5 Auszugehen ist jedenfalls davon, dass
1 Vgl. Krauß in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, A.V. Rz. 120. 2 Das Entfallen des Unterhaltsanspruchs durch einen Verzicht ist v.a. in der Literatur sehr umstritten. Zum Meinungsstand Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1586b Rz. 8 m.w.N.; bejahend Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1933 Rz. 10; ablehnend Bergschneider, FamRZ 2003, 1049 (1057). 3 Zu Unterhaltsverzichten und deren rechtlichen Grenzen vgl. bereits unter Rz. 60, 66 ff. 4 Zu Recht gegen eine Übertragung der Grundsätze zur richterlichen Inhaltskontrolle: Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2346 Rz. 17. 5 So Wachter, der auf die Bedeutung des Pflichtteilsanspruchs für die Versorgung des verzichtenden Eheteils abstellt, dabei jedoch nicht auf den Wagnischarakter und §§ 2303 Abs. 2, 2077 BGB eingeht (vgl. Wachter, ZErb 2004, 238 [239, 244 ff.]).
Siegler 747
Kap. 34 Rz. 89
Vergleichsvereinbarungen
ein in der Urkunde enthaltener Verzicht im Rahmen der von der Rechtsprechung vorgenommenen Gesamtschau1 Einfluss entfaltet. dd) Form 89
Gemäß § 2348 BGB bedarf der Erbverzicht, als ein Unterfall desselben auch der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht (vgl. § 2364 Abs. 2 BGB), der notariellen Beurkundung. § 2347 Abs. 2 BGB, wonach der Erblasser den Vertrag nur persönlich schließen kann, also eine Stellvertretung ausgeschlossen ist, wird in den hier behandelten Verträgen selten Probleme bereiten. Regelmäßig wird die Scheidungsfolgenvereinbarung ohnehin nur in Anwesenheit beider Ehegatten geschlossen.2 9. Vereinbarungen der Ehegatten im Zusammenhang mit gemeinschaftlichen Kindern
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Haben die Ehegatten Kinder, insbesondere noch minderjährige Kinder, werden sie im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung ggf. weiteren, umfangreichen Vereinbarungsbedarf haben. Auf die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen kann im Rahmen dieser Darstellung nur sehr kursorisch eingegangen werden kann.3 a) Das Recht der elterlichen Sorge aa) Die gesetzlichen Folgen der elterlichen Trennung
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Im Rahmen der elterlichen Sorge muss – auch nach einer Trennung – stets das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Bindungswirkungen (vgl. Rz. 93) elterlicher Vereinbarungen zum Sorgerecht.4 Im äußersten Fall bleibt zudem stets die Möglichkeit zwangsweisen gerichtlichen Eingreifens, insbesondere nach §§ 1666, 1666a, 1667, 1696 BGB. Diese staatlichen Eingriffstatbestände können die Eltern nicht vertraglich abbedingen. Leben die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt, ändert dies an der zuvor gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge grundsätzlich nichts, § 1671 Abs. 1 BGB. Dies gilt unabhängig davon, ob es später zu einer Scheidung der Ehegatten kommt. Ob die gemeinsame elterliche Sorge damit nun ein gesetzliches Leitbild darstellt, wird kontrovers beurteilt.5 Der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge für die Kinder bedarf jedenfalls nach aktueller Rechtslage trotz Trennung und/oder Scheidung der Eltern keiner besonderen Vereinbarung. Bei Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge regelt § 1687 BGB nähere Einzelheiten zu deren Ausübung, insbesondere eine Alleinentscheidungsbefugnis des Elternteils in Ange1 Zur richterlichen Inhaltskontrolle allgemein ausführlich Rz. 112 ff. 2 Vgl. § 1410 BGB und die weitergehenden Ausführungen unter Rz. 25 f. 3 Vgl. ausführlich und mit theoretischen Grundlagen Horndasch in Scholz/Kleffmann/Motzer, Praxishandbuch Familienrecht, 30. EL 2016, Teil E. 4 Ganz zutreffend ist der Begriff des Sorgerechts nach der jetzigen Fassung des § 1626 Abs. 1 BGB nicht mehr: Der Pflichtencharakter steht im Vordergrund, erst dann kommt das Recht, für das Kind zu sorgen (vgl. Götz in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1626 Rz. 1). Die Forderung, präziser von elterlicher Sorge statt von Sorgerecht zu sprechen, ist deshalb zutreffend, gleichwohl werden hier beide Begriffe gleichwertig verwendet. 5 Vgl. Luthin in Schwab/Hahne, Familienrecht im Brennpunkt, 44 m.w.N.; verneinend BGH, Beschl. v. 29.9.1999 – XII ZB 3/99, NJW 2000, 203 = FamRZ 1999, 1646 = MDR 2000, 31 m. Anm. Oelkers; auf die Widersprüche in der Amtl. Begründung zum RegE zu Recht hinweisend Schwab, FamRZ 1998, 457 (462).
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Siegler
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 93 Kap. 34
legenheiten des täglichen Lebens, bei dem das Kind sich gewöhnlich aufhält. Besonderheiten ergeben sich partiell auch bei der Vertretung des Kindes für den Kindesunterhalt, vgl. § 1629 BGB. Anders als bspw. im Ehegattenunterhalt (vgl. Rz. 55) oder in § 1671 BGB a.F.1 spielt damit der Zeitpunkt der Scheidung für die elterliche Sorge keine unmittelbare Rolle – entscheidend ist allein die auf Dauer angelegte Trennung. Jeder Elternteil kann ab diesem Zeitpunkt beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt, § 1671 BGB. Eine Übereinkunft der Eltern entfaltet in einem solchen Verfahren im Rahmen von § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB besondere Bedeutung: Widerspricht nicht das mindestens 14 Jahre alte Kind, ist dem Antrag eines Elternteils stattzugeben, wenn der andere Elternteil dem (konkreten) Antrag zustimmt. Grundsätzlich findet dann durch das Familiengericht keine Richtigkeitskontrolle oder Prüfung der Motive statt – es besteht kein Auswahlermessen des Gerichts.2 Allerdings bleibt dem Gericht nach § 1671 Abs. 4 BGB stets die Möglichkeit, bei Anzeichen für eine Gefährdung des Kindeswohls von Amts wegen in ein Verfahren gemäß §§ 1666 ff. BGB überzuleiten.3 bb) Möglichkeiten elterlicher Sorgerechtsvereinbarungen Denkbar sind anlässlich einer Trennung vor allem folgende Vereinbarungen unter den Ehegatten: – Eine Vereinbarung über den Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge, ggf. mit ergänzenden Vereinbarungen zur tatsächlichen Handhabung. – Die Verpflichtung, einem Antrag auf Übertragung durch den anderen Elternteil zuzustimmen. – Die Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz oder sonstige Sanktionen bei Verstoß gegen Sorgerechtsvereinbarungen der Eltern. Solche mögen manchmal gewünscht sein, von ihnen ist jedoch grundsätzlich abzuraten.4
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cc) Der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge Der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge entspricht dem gesetzlichen Modell und bedarf damit keiner besonderen Vereinbarung. Ggf. können ergänzende Vereinbarungen zur tatsächlichen Ausübung der gemeinsamen Sorge gemäß § 1687 BGB gemacht werden. Sind diese allerdings sehr detailliert und die Elternteile nicht überzeugt, sich trotz ihrer Trennung auch ohne kompliziertes Regelwerk über die Kindesbelange verständigen zu können, muss wohl eher die Eignung der gemeinsamen elterlichen Sorge an sich bezweifelt werden.
1 § 1671 BGB in der Fassung vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetz am 1.7.1998 sah von Amts wegen grundsätzlich die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil vor. Mit der Neuerung wurde das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt und der Zwangsverbund der Sorgerechtsentscheidung mit der Scheidung entfiel, vgl. Bergschneider, Verträge in Familiensachen, 2. Aufl. 2001, Rz. 192 f. Umstritten ist, ob die gemeinsame elterliche Sorge nun eine Art gesetzliches Leitbild darstellt, vgl. bereits Rz. 91 Fn. 5. 2 Vgl. Götz in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1671 Rz. 10. 3 Vgl. Götz in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1671 Rz. 53. 4 Vgl. hierzu Rz. 95. Von einer Verknüpfung wird dort abgeraten.
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Kap. 34 Rz. 94
Vergleichsvereinbarungen
Eine bloße Erklärung, derzeit seien keine Anträge zur Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge beabsichtigt, entfaltet schon per se keine Bindungswirkung für die Zukunft, sondern stellt lediglich eine situative Absprache dar.1 Als solche ist sie unbedenklich. Wünschen die Ehegatten jedoch eine echte Vereinbarung mit Bindungswirkung (was dann auch deutlich zum Ausdruck gebracht werden sollte), kann diese im Spannungsfeld zwischen Kindeswohl und elterlicher Autonomie richtigerweise nur eine fragliche Wirkung für die Zukunft, jedoch keine generelle Bindungswirkung entfalten:2 Die Beibehaltung der elterlichen Sorge entspringt der Erwartung der Ehegatten, sie könnten künftig die notwendige Konsensbereitschaft realiter aufbringen.3 Jedenfalls wenn es daran dann doch fehlt (wozu keine Veränderung der tatsächlichen, äußeren Verhältnisse erforderlich ist), ist ein Antrag trotz der Vereinbarung zulässig. Nur dies entspricht dem Maßstab des Kindeswohls, das auf jeden Fall über der Parteiautonomie der Eltern steht. Teilweise wird ein vertraglicher Verzicht auf das Antragsrecht für eine Sorgerechtsübertragung sogar für unwirksam gehalten.4 dd) Die Verpflichtung, einem Antrag auf Übertragung durch den anderen Elternteil zuzustimmen 94
Die Eltern können auch vereinbaren, dass ein Antrag gemäß § 1671 Abs. 1 BGB (z.B. auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge) von einem von ihnen gestellt wird und der andere Ehegatte diesem zustimmt. Die Zustimmung muss sich stets auf einen konkreten Antrag beziehen, die Berufung auf ein anderweit geäußertes Einverständnis soll nicht ausreichen.5 Ob Vereinbarungen zur Zustimmungserteilung Bindungswirkung entfalten, ist eine nicht ausdiskutierte rechtliche Frage – Rechtssicherheit besteht jedenfalls nicht. So wird die Zustimmung größtenteils – jedenfalls bis zur letzten mündlichen Verhandlung – als frei widerruflich erachtet.6 Allenfalls wird der bereits erteilten Zustimmung eine Indizwirkung im Rahmen von § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zugemessen.7 ee) Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz oder sonstiger Sanktionen bei Verstoß gegen Sorgerechtsvereinbarungen der Eltern?
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Die Frage, ob Schadensersatzansprüche bei Verletzung bestehender (gerichtlicher oder parteiautonomer) Regelungen entstehen können, wird vor allem in den Fällen der Verletzung des Umgangsrechts sehr kontrovers diskutiert.8 Wegen des Verbots der Kommerzialisierung der elterlichen Sorge sollte von einer Vereinbarung, die einen Verstoß gegen getroffene Vereinbarungen in diesem Bereich mit Scha-
1 Vgl. als Formulierungsmuster für eine solche Elternerklärung M 34.2 [Rz. 188] Ziff. IX mit Anm. A35 ff. (Rz. 222 ff.). 2 Vgl. Lang in Schnitzler, Anwaltshandbuch Familienrecht, 4. Auflage 2014, § 13 Rz. 458. 3 Vgl. Luthin in Schwab/Hahne, Familienrecht im Brennpunkt, 244. 4 So Jaeger in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Aufl. 2015, § 1671 BGB Rz. 17. 5 Vgl. Götz in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1671 Rz. 8. 6 So bspw. Götz in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1671 Rz. 8; Schwab, FamRZ 1998, 457 (461) m.w.N. 7 Vgl. zum Ganzen überzeugend Jaeger in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Aufl. 2015, § 1671 BGB Rz. 24 ff.; Hammer, FamRZ 2005, 1209; Hammer, Elternvereinbarungen im Sorge- und Umgangsrecht. 8 Vgl. Luthin in Schwab/Hahne, Familienrecht im Brennpunkt, 252 f. m.w.N.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 98 Kap. 34
densersatz oder dem Wegfall sonstiger Vereinbarungen bzw. Leistungen sanktioniert, abgeraten werden. Eine rechtssichere Grundlage für solche Vereinbarungen fehlt.1 ff) Konsequenz für Gestaltungen im Bereich der elterlichen Sorge Vereinbarungen zur elterlichen Sorge stehen unter dem Vorbehalt des Kindeswohls. 96 Bindungswirkung für die Zukunft kann nicht rechtssicher angenommen werden. Sanktionsvereinbarungen sollten vermieden werden. Allerdings sollte in einer Paketvereinbarung immer klargestellt werden, auf welcher Ausgangslage Vereinbarungen, insbesondere zum Unterhalt, beruhen. Tatsächliche Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse, z.B. eine Änderung der Betreuungssituation der Kinder, können durchaus erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen, ohne dass dies eine verbotene Koppelung oder Kommerzialisierung der elterlichen Sorge darstellt. gg) Grenzen der Vertragsfreiheit Grenzen der Vertragsfreiheit ergeben sich – wie gerade ausgeführt – vor allem aus dem Kin- 97 deswohl und dem Verbot der Kommerzialisierung. Eine echte Scheidungsfolge im Sinne der Kernbereichslehre der Rechtsprechung2 stellt die elterliche Sorge nicht dar. Sie knüpft vielmehr unabhängig von der Scheidung an die nicht nur vorübergehende elterliche Trennung an. Im Zusammenhang mit elterlichen Vereinbarungen zum Kindesunterhalt kann die richterliche Inhaltskontrolle jedoch durchaus Bedeutung entfalten.3 hh) Form Die elterlichen Vereinbarungen sollten in jedem Fall zumindest schriftlich niedergelegt werden. Theoretisch kann eine Formbedürftigkeit aus dem Regelungszusammenhang mit für sich formbedürftigen Vereinbarungen entstehen (z.B. nach §§ 1410, 1585c BGB). Jeder Anschein einer Kommerzialisierung der elterlichen Sorge sollte jedoch vermieden werden.4 Die Übertragung der elterlichen Sorge selbst erfolgt nie durch die Vereinbarung, sondern stets durch gerichtliche Entscheidung. Ein Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge im Sinne von § 1671 Abs. 1 BGB kann ohne Anwaltszwang schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Als Scheidungsfolgesache im Verbund unterliegt sie allerdings dem Anwaltszwang, § 114 Abs. 1 FamFG.5
1 Eine Kommerzialisierung der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts ist regelmäßig als sittenwidrig zu erachten (BGH, Urt. v. 23.5.1984 – IV b ZR 9/83, MDR 1985, 36 = NJW 1984, 1951 = FamRZ 1984, 778, dort ging es um die Koppelung der Nichtausübung des Umgangsrechts mit einer Unterhaltsfreistellung). 2 Vgl. Rz. 112 ff. 3 Vgl. Rz. 106 m.w.N. 4 Vgl. bereits Rz. 95. 5 Vgl. Götz in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1671 Rz. 3.
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Kap. 34 Rz. 99
Vergleichsvereinbarungen
b) Das Umgangsrecht aa) Die gesetzlichen Grundlagen 99
Auch für das Umgangsrecht ist das Kindeswohl der entscheidende Maßstab, wie § 1697a BGB ausdrücklich klarstellt. Die Einzelheiten ergeben sich aus §§ 1684 Abs. 1, 1685 BGB, die nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der Eltern zum Umgang vorsehen und darüber hinausgehend den Personenkreis der Umgangsberechtigten erweitern. Der Umgang und seine konkrete Ausgestaltung sind ein in der Praxis besonders streitanfälliges Thema - besonders, wenn Eltern der Versuchung nicht widerstehen können, Fragen des Umgangs als Druckmittel für andere Regelungen zu missbrauchen. bb) Elterliche Vereinbarungen zum Umgang
100
In der Praxis finden sich häufig recht detaillierte Regelungen zum Umgang des Elternteils, bei dem das Kind nicht lebt: Wochentage, Wochenenden, Ferien und Feiertage (etwa Weihnachten, Ostern, der Geburtstag des Kindes und von Bezugspersonen) werden aufgeteilt, Vereinbarungen zu Abhol- und/oder Bringzeiten getroffen und ggf. Vereinbarungen dazu, wie das Kind auszustatten ist bzw. was es mitnehmen oder mitbringen soll. Auch Vereinbarungen zu den Kosten des Umgangs können in diesem Zusammenhang sinnvoll sein.1 Soll die Vereinbarung vollstreckbar sein, sind genaue Daten und Zeiten des Umgangs unabdingbar.2 Je einiger sich die Eltern im Wesentlichen sind und je besser sie sich untereinander verständigen können, desto allgemeiner und reduzierter können Vereinbarungen bleiben. Ansonsten können gerade detaillierte Umgangsvereinbarungen befriedend wirken, weil sie den Eltern in der Folge nur ein Mindestmaß an kontinuierlicher Abstimmung zum Umgangsrahmen selbst abverlangen. Wie kein anderer Bereich leben Umgangsvereinbarungen von der Bereitschaft der Eltern, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil positiv zu gestalten und die Bedürfnisse des Kindes nach einem unbelasteten Umgang in den Vordergrund zu stellen. Umgangsregelungen wird (stärker als Vereinbarungen zur elterlichen Sorge) Bindungswirkung zugebilligt – jedenfalls bis eine andere Vereinbarung getroffen wurde oder eine gerichtliche Entscheidung über den Umfang des Umgangsrechts vorliegt (vgl. § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB).3 cc) Grenzen der Vertragsfreiheit
101
Nicht anders als bei Vereinbarungen zur elterlichen Sorge stellen das Wohl des Kindes und das Verbot der Kommerzialisierung die wichtigsten Schranken für elterliche Vereinbarungen zum Umgangsrecht dar.4 Außerdem ist das Umgangsrecht (das auch eine Pflicht beinhaltet) grundsätzlich nicht verzichtbar – ein vertraglicher Ausschluss kommt allenfalls in absoluten Sonderfällen in Betracht (etwa, wenn er einer richterlichen Ausschlussanordnung zuvorkommt).5 1 Die Kosten des Umgangs trägt grundsätzlich der Umgangsberechtigte, zu Einzelheiten vgl. Götz in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1684 Rz. 37 ff. 2 Vgl. §§ 86 Abs. 1 Nr. 2, 156 Abs. 2 FamFG für den gerichtlich gebilligten Vergleich. 3 Vgl. Götz in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1684 Rz. 40. 4 Vgl. die Ausführungen zur elterlichen Sorge, Rz. 95. 5 Vgl. Deisenhofer in Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 37. Aufl. 2010, 12. Kap. Rz. 101 m.w.N.; Motzer, FamRZ 2006, 77 ff.
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Siegler
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 104 Kap. 34
dd) Form Vereinbarungen zum Umgang sollten mindestens privatschriftlich getroffen werden. Eine 102 Formbedürftigkeit kann sich theoretisch aus dem Regelungszusammenhang mit anderen Vereinbarungen ergeben.1 c) Der Kindesunterhalt aa) Die gesetzlichen Grundlagen Im vorliegenden Rahmen kann nur kurz auf wesentliche Grundsätze des Unterhalts für 103 minderjährige Kinder eingegangen werden. Zu Einzelheiten und für Unterhaltsberechnungen, bspw. auch für die Bedarfsfestsetzung volljähriger Kinder, sei auf Spezialliteratur verwiesen.2 Anspruchsgrundlage ist § 1601 BGB. Zwischen Minderjährigen- und Volljährigenunterhalt besteht dabei (anders als zwischen Trennungs- und nachehelichem Unterhalt) Identität.3 Die Vertretung des minderjährigen Kindes ergibt sich aus § 1629 BGB. Seit 1.1.2016 richtet sich der Mindestunterhalt unmittelbar nach dem Existenzminimum des minderjährigen Kindes (§ 1612a BGB). Diese nunmehr zentrale Bezugsgröße des Kindesunterhalts wurde erstmals zum 1.1.2016 durch die Mindestunterhaltsverordnung (Verordnung zur Festlegung des Mindestunterhalts minderjähriger Kinder nach § 1612a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs v. 3.12.2015 [BGBl. I, 2199]) betragsmäßig festgelegt; eine Neufestlegung im Rahmen der genannten Verordnung erfolgt alle zwei Jahre. bb) Elterliche Vereinbarungen zum Kindesunterhalt Liegt keine gerichtliche Entscheidung vor, wirken gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 2 BGB nur zwi- 104 schen den Eltern geschlossene gerichtliche Vergleiche auch für oder gegen das Kind. Andere Vereinbarungen, egal ob privatschriftlich, zu notarieller Urkunde oder in einem Anwaltsvergleich, wirken nicht direkt für oder gegen das Kind. Ein Verzicht auf Kindesunterhalt für die Zukunft ist nicht zulässig (§ 1614 Abs. 1 BGB).4 Möglich ist lediglich eine Freistellungsvereinbarung der Eltern im Innenverhältnis, die jedoch keine Wirkung auf die dem Kind gegenüber weiter bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht hat. Auch hier hat die Rechtsprechung aber der Vertragsfreiheit im Rahmen ihrer Inhaltskontrolle Grenzen gesetzt.5 Dass Unterhaltsvereinbarungen der Eltern zulasten des Kindes nicht nur bei einem unwirksamen Unterhaltsverzicht für die Zukunft, sondern generell unzulässig sind, ergibt sich bereits aus allgemeinem Schuldrecht.6 1 Vgl. bereits die Ausführungen zur elterlichen Sorge, Rz. 98. 2 Vgl. bspw. die Ausführungen von Deisenhofer in Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 37. Aufl. 2010, 12. Kap. (Kindesunterhalt). 3 Vgl. Bergschneider, Verträge in Familiensachen, 5. Aufl. 2014, Rz. 354, 357, der jedoch eine Klarstellung empfiehlt. Vollstreckungsprobleme können sich allerdings bei einem nicht dynamisierten, unbefristeten Unterhaltstitel ab Volljährigkeit ergeben, vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 31.5.2005 – 9 WF 67/05, FamRZ 2006, 48 mit Anm. Otten. 4 Zur vergleichbaren Rechtslage und deren Konsequenzen beim Ehegattenunterhalt vgl. bereits Rz. 60. 5 Vgl. Rz. 106. 6 Vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Vor § 328 Rz. 10.
Siegler 753
Kap. 34 Rz. 105
Vergleichsvereinbarungen
In der Praxis werden Unterhaltsvereinbarungen zum Kindesunterhalt zwischen den Eltern häufig als echte Verträge zugunsten Dritter i.S.v. § 328 BGB geschlossen. Dabei sollten die Eltern gemäß § 328 Abs. 2 BGB ggf. klarstellen, dass sie sich eine Änderung oder Aufhebung der Vereinbarung ohne Mitwirkung des Kindes vorbehalten. 105
Jede Vereinbarung zum Kindesunterhalt sollte mindestens folgende Punkte behandeln: – Vertretung bzw. eigenes Forderungsrecht des Kindes, – Unterhaltsfestsetzung: Zugrundelegung der Düsseldorfer Tabelle,1 insbesondere Ermittlung der Einkommensgruppe und Altersstufe, ggf. Festsetzung in dynamisierter Form, – Berücksichtigung des Kindergelds. cc) Grenzen der Vertragsfreiheit
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Da jeder Verzicht auf Kindesunterhalt für die Zukunft gegen § 1614 Abs. 1 BGB verstößt, besteht zum Schutze der Kinder ohnehin eine strikte gesetzliche Schranke für Vereinbarungen. Die zweistufige richterliche Inhaltskontrolle2 setzt immer dann ein, wenn Vereinbarungen zum Kindesunterhalt die Lastenverteilung unter den Eltern vertraglich beeinflussen, insbesondere durch eine Freistellungsvereinbarung unter diesen. So lag der diesen Bereich wesentlich prägenden Entscheidung des BVerfG vom 6.2.20013 ein Fall zugrunde, in dem die schwangere Verlobte u.a. eine ehevertragliche Freistellungsverpflichtung gegenüber dem Vater für künftigen Kindesunterhalt übernommen hatte. dd) Form
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Eine Formpflicht kann sich insbesondere – aus § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bei Aufnahme einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung oder – aus dem Regelungszusammenhang mit anderen Vereinbarungen der Ehegatten ergeben.4 Im Wesentlichen kann auf die Ausführungen unter Rz. 74 verwiesen werden. 10. Sonstige Vereinbarungen a) Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Ehenamen
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Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht ist umstritten, ob sich Ehegatten in einem Ehevertrag oder einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung wirksam verpflichten können, wie künftig der Familienname bestimmt oder abgeändert wird. Meist werden Vereinbarungen, wonach ein Ehegatte den Ehenamen (i.d.R. den Geburtsnamen des anderen Ehegatten) im Fall der Scheidung wieder ablegen muss oder nicht zu sei1 Die Düsseldorfer Tabelle ist kein Gesetz. Sie gibt als Richtlinie Unterhaltsrichtsätze vor, die (seit 1.1.2010) von einer Unterhaltspflicht gegenüber zwei Berechtigten ausgehen. 2 Vgl. hierzu ausführlich unter Rz. 112 ff. 3 BVerfG, Urt. v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, MDR 2001, 392 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 = DNotZ 2001, 222. 4 Mindermeinungen, die Vereinbarungen zum Kindesunterhalt als formpflichtig gemäß § 1585c BGB erachten, weil der Kindesunterhalt im Ehegattenunterhalt einen Abzugsposten und damit betragsbildenden Faktor bildet, ist zu Recht eine klare Absage zu erteilen, vgl. Klinkhammer in Wendl/ Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 2 Rz. 755.
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Siegler
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 110 Kap. 34
nem neuen Ehenamen bestimmen darf, mit der Grenze der Kommerzialisierung für wirksam und nach § 894 ZPO auch für vollstreckbar erachtet.1 Die Annahme des Geburts- oder vor der Bestimmung des Ehenamens geführten Namens erfolgt dann durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten, § 1355 Abs. 5 BGB. Teilweise wird solchen Verpflichtungen jedoch die Klagbarkeit, die Vollstreckbarkeit oder gar die Wirksamkeit abgesprochen.2 Die Vertragsgestaltung befindet sich also auf nicht ganz sicherem Boden; sie muss jedenfalls jede verbotene Kommerzialisierung vermeiden. b) Vereinbarungen zu den Voraussetzungen der Ehescheidung aa) Ausschluss oder Erschwerung der Scheidung Eine Vereinbarung, wonach die Scheidung der Ehe ausgeschlossen sein soll, verstößt gegen 109 § 134 BGB: Art. 6 Abs. 1 GG schützt nicht nur die Eheschließungsfreiheit, sondern auch das Recht, bei Vorliegen der normierten Voraussetzungen die Ehescheidung zu erwirken, um die eigene Eheschließungsfreiheit wiederzuerlangen. Dies gilt sowohl für den zeitweisen als auch den völligen Ausschluss der Scheidung.3 Verzichtbar ist aber die Berufung auf bereits entstandene Scheidungsgründe für die Vergangenheit, etwa bei bereits mehrjährigem Getrenntleben. Dies stellt keine unzulässige Erschwerung der Scheidung dar, entfaltet jedoch kaum praktische Bedeutung.4 Eine mittelbare Erschwerung der Scheidung durch Abfindungsklauseln oder Änderungen des Scheidungsfolgenrechts werden i.d.R. hingenommen, problematisch bleibt aber die Verknüpfung der Vereinbarungen mit dem – nach heutigem Scheidungsrecht eben nicht mehr maßgeblichen – Verschuldensprinzip. Eine Verknüpfung wird hier nur bis zu einem gewissen Grad bei der Ausgestaltung der Scheidungsfolgen geduldet.5 bb) Erleichterung der Scheidung, Trennungszeitpunkt Die Voraussetzungen für die Ehescheidung sind abschließend im Gesetz geregelt und einer 110 Parteivereinbarung nicht zugänglich. Scheidungserleichternde Vereinbarungen sind deshalb unwirksam. Dies gilt auch für das sog. Trennungsjahr gemäß § 1566 Abs. 1 BGB. Vielfach wird in Verträge eine Erklärung der Ehegatten aufgenommen, seit wann sie getrennt leben. Selbst wenn dabei beide Ehegatten übereinstimmend vortragen, sie würden seit mindestens einem Jahr getrennt leben, kann wegen des hier geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes das Gericht von Amts wegen ermitteln, ob die Behauptung der Ehegatten zutrifft (§ 127 FamFG). In der Praxis dürfte der übereinstimmende Sachvortrag der Parteien zur Trennungszeit jedoch praktisch nie angezweifelt werden. Jedenfalls entfaltet die übereinstimmende Erklärung der Vertragsteile damit Indizwirkung.6
1 Vgl. BGH, Urt. v. 6.2.2008 – XII ZR 185/05, MDR 2008, 627 = NJW 2008, 1528 = NotBZ 2008, 190 m. Anm. Otto = FamRB 2008, 197. Vgl. auch – unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG v. 18.2.2004 – BvR 193/97, MDR 2004, 633 = NJW 2004, 1155 = FamRZ 2004, 515 = FamRB 2004, 152; Everts, FamRZ 2005, 249. 2 Zusammenfassend vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1355 Rz. 5, 14 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.5.2005 – XII ZR 204/02, DNotI-Report 2005, 165 = FamRZ 2005, 1658. 3 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1564 Rz. 4. 4 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1564 Rz. 4. 5 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1564 Rz. 4. 6 Vgl. Bergschneider, Verträge in Familiensachen, 5. Aufl. 2014, Rz. 234.
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Kap. 34 Rz. 111
Vergleichsvereinbarungen
Der Antragsgegner kann im Übrigen seine Zustimmung zur Scheidung gemäß § 134 Abs. 2 Satz 1 FamFG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die über die Scheidung der Ehe entschieden wird, widerrufen. Die unwiderrufliche Verpflichtung zur Erteilung der Zustimmung oder der Verzicht auf das Widerrufsrecht sind unwirksam.1 c) Vereinbarungen mit steuerrechtlichem Hintergrund 111
In der Praxis sind besonders folgende Vereinbarungen mit steuerrechtlichem Bezug von Bedeutung: – Die gemeinsame steuerliche Veranlagung. – Die Zustimmung zum sog. begrenzten Realsplitting. Nach überwiegender Ansicht besteht aus der nachwirkenden ehelichen Solidarität eine gegenseitige Verpflichtung der Ehegatten, der steuergünstigsten Veranlagungsform und deshalb ggf. auch dem begrenzten Realsplitting zuzustimmen.2 Details sind jedoch teilweise nicht abschließend geklärt, so dass sich eine klarstellende Vereinbarung empfehlen kann. Entsprechende Vereinbarungsvorschläge mit weiteren Erläuterungen finden sich in M 34.1 (Rz. 129) unter Ziff. III.7 mit Anm. A48 (Rz. 177) (gemeinsame steuerliche Veranlagung), in M 34.2 (Rz. 188) unter Ziff. VIII mit Anm. A34 (Rz. 221) und in M 34.8 (Rz. 283) mit Anm. (begrenztes Realsplitting). 11. Die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen a) Neubestimmung der Grenzen der Privatautonomie
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Seit den wegweisenden und grundlegenden Entscheidungen des BVerfG im Jahr 2001 (Rz. 113) und des BGH im Jahr 2004 (Rz. 114) gehört die richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen zum unabdingbaren Kenntnisstand und Handwerkszeug des Vertragsgestalters. Seit der Erstauflage des vorliegenden Werks im Jahr 2006 hat sich einerseits die Rechtsprechung hierzu wiederum fortentwickelt, andererseits ist durch die Fülle der Entscheidungen ein deutlicheres und strukturierteres Bild entstanden, in welchem Bereich und weshalb ehevertraglichen Vereinbarungen die Wirksamkeit oder Anwendbarkeit versagt bleiben kann. Die anfängliche Rechtsprechung schien geprägt von einer starken Institutionalisierung der aus der Ehe entstehenden Rechte unter gleichzeitiger Neubestimmung der Grenzen der Privatautonomie. Da wenig davon direkten Niederschlag im Gesetz fand, wurde mehr als einmal der Vorwurf laut, durch die Urteile des BGH zur richterlichen Inhaltskontrolle sei dem Eindringen der individuellen richterlichen Vorstellung von Billigkeit in die zuvor von den persönlichen Vorstellungen der Ehegatten geprägten Rechtsbeziehungen Tür und Tor geöffnet. Vieles befand sich stark im Fluss und wurde kontrovers diskutiert, was es für den Gestalter nicht einfacher machte, rechtssichere Gestaltungen vorzuschlagen. Angesichts der Bedeutung der richterlichen Inhaltskontrolle auch für Scheidungsfolgenvereinbarungen sei zunächst auf die bisherige Entwicklung und sodann auf die Konsequenzen für die aktuelle Vertragsgestaltung eingegangen. 1 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1566 Rz. 2. Teilweise werden entsprechende Vereinbarungen zur Zustimmung jedoch wegen der möglichen Indizwirkung für das Scheitern der Ehe für sinnvoll erachtet, vermieden werden sollten jedoch Formulierungen, die eine unzulässig bindende Wirkung suggerieren. 2 Vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1353 Rz. 12a. Vgl. zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung BGH, Urt. v. 12.6.2002 – XII ZR 288/00, MDR 2002, 1316 = NJW 2002, 2379 = FamRZ 2002, 1024 = FamRB 2002, 332.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 113 Kap. 34
b) Die Entwicklung der Rechtsprechung Bis 2001 nahm die Rechtsprechung des BGH die Unwirksamkeit ehevertraglicher Verein- 113 barungen nur im Ausnahmefall an. Häufigste Fallgruppe waren hier Vereinbarungen, insbesondere Unterhaltsverzichte, die objektiv zwingend zur Sozialhilfebedürftigkeit eines Ehegatten führten – sie wurden als sittenwidrig gemäß § 138 BGB erachtet. Aus dem Argument der Eheschließungsfreiheit heraus galt dies jedoch nicht automatisch auch für Unterhaltsverzichte Schwangerer vor Eheschließung oder den Verzicht auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB.1 Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) konnte allerdings einem Ehegatten die Berufung auf einen solchen Verzicht versagt sein, insbesondere wenn durch den Unterhaltsverzicht auch im Bereich des § 1570 BGB die Betreuung gemeinschaftlicher Kinder nicht mehr gewährleistet war. Mit zwei Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahre 2001 schien dieser Rechtsprechung des BGH, überhaupt der Vertragsgestaltung im ehevertraglichen Bereich, jeder Boden entzogen. In diesen Entscheidungen wurde die Eheschließungsfreiheit als Rechtfertigung für benachteiligende Vereinbarungen ausdrücklich verneint und besonders geprüft, ob die Vereinbarungen einen Ehegatten unangemessen benachteiligen und eine ungleiche Verhandlungsposition widerspiegeln. Die Vereinbarungen bzw. sie bestätigende Urteile wurden in der Konsequenz als verfassungswidrig erachtet. In der zeitlich ersten Entscheidung2 ging es um eine Schwangere, die neben einem Unterhaltsverzicht auch eine Vereinbarung zur Freistellung des Ehemannes von Kindesunterhalt abgeschlossen hatte. Die zeitlich zweite Entscheidung des BVerfG3 betraf ebenfalls einen vorsorgenden Ehevertrag mit einer schwangeren Verlobten: Diese versorgte bereits ein schwer behindertes Kind und ging deshalb keiner Erwerbstätigkeit nach. In dem Ehevertrag wurden Gütertrennung, der Ausschluss des Versorgungsausgleichs und ein vollständiger gegenseitiger Verzicht auf nachehelichen Unterhalt vereinbart. Noch heute wirken beide Entscheidungen deutlich nach, wenn in „Checklisten“ der Hinweis gegeben wird, bei jeder Unterhaltsvereinbarung sei die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft zu empfehlen.4
1 Vgl. bspw. BGH, Beschl. v. 18.9.1996 – XII ZB 206/94, MDR 1997, 169 = NJW 1997, 126. 2 BVerfG, Urt. v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, MDR 2001, 392 = NJW 2001, 957 = FamRZ 2001, 343 = DNotZ 2001, 222. 3 BVerfG, Beschl. v. 29.3.2001 – 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = MittBayNot 2001, 485. 4 So auch die Empfehlung von Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 702. Ob und wie dies in der Praxis allerdings verwirklicht werden soll, bleibt unklar und schwierig. Trotz Erklärungen, weshalb das (Nicht-)Bestehen einer Schwangerschaft Auswirkungen (Indizwirkung) auf eine unterlegene Verhandlungsposition und damit ggf. die (Un-) Wirksamkeit ehevertraglicher Vereinbarungen haben soll, begegnen nach meiner Erfahrung nicht alle Mandantinnen dieser doch sehr persönlichen, über die Erkundung vermögensrechtlicher Grundlagen weit hinausgehenden Frage mit Gelassenheit. Die Schwangerschaft scheint ihnen zu einem Makel hinsichtlich ihrer Urteilsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit erhoben – eine Unterstellung, die gerade junge, um ihre Gleichberechtigung kämpfende Frauen zu Recht wenig schätzen. Immerhin ist die Schwangerschaft (widerlegliches) Indiz für eine ungleiche Verhandlungsposition; sie vermag jedoch für sich allein noch keine Unwirksamkeit der Vereinbarungen zu begründen, vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 890 ff.
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Kap. 34 Rz. 114
Vergleichsvereinbarungen
c) Das Urteil des BGH vom 11.2.2004 und die hierauf basierende Kernbereichslehre als Maßstab der Inhaltskontrolle 114
Erhebliche Bedeutung auch in der heutigen Diskussion kommt dem Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.20041 zu. Es setzte den wesentlichen theoretischen Rahmen für die nach wie vor aktuellen Grundsätze der richterlichen Inhaltskontrolle und ist mit der Inhalts- und Ausübungskontrolle des § 8 VersAusglG nunmehr auch spezialgesetzlich verankert. Aus ihm lassen sich folgende wesentlichen Grundsätze ableiten: aa) Stufe 1: Die Wirksamkeitskontrolle gemäß § 138 Abs. 1 BGB
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Erste Stufe jeder Prüfung ist die Wirksamkeitskontrolle des § 138 Abs. 1 BGB, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Danach ist der Ehevertrag in seiner Gesamtheit anhand einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Ehegatten auf seine Wirksamkeit zu überprüfen. In die Würdigung einzubeziehen sind insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Vertragsteile und deren bestehender oder geplanter Lebenszuschnitt. Sittenwidrig soll eine Vereinbarung danach sein, wenn sie Regelungen aus dem sog. Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts ganz oder zu erheblichen Teilen abbedingt, ohne dass dieser Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder besondere Verhältnisse gerechtfertigt wird. Die grundsätzliche Disponibilität von Scheidungsfolgen darf laut BGH nicht zu einer evident einseitigen und nicht gerechtfertigten Lastenverteilung führen. Dabei verschärft sich der Prüfungsmaßstab, je weiter die Vereinbarung in den sog. Kernbereich eingreift. bb) Die sog. Kernbereichslehre als Prüfungsmaßstab
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Der Kernbereichslehre ist in diesem Zusammenhang besonderes Augenmerk zu schenken. Sie stellt praktisch eine Abstufung der Scheidungsfolgen nach dem Grad ihrer Abdingbarkeit dar. Konkret ergibt sich dabei folgende Wertung: – Der Zugewinnausgleich unterliegt grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten - insbesondere, da die Sicherung aktueller Versorgungsbedürftigkeit über das Unterhaltsrecht gewährleistet wird. An der freien Wahl des Güterstands, auch der Gütertrennung gemäß § 1414 BGB, wird festgehalten. Allerdings kann sich in Einzelfällen aus einer Gesamtschau des Vertragsinhalts Anderes ergeben. – Der Versorgungsausgleich kann zwar grundsätzlich ausgeschlossen werden, als vorweggenommener Altersunterhalt soll er aber auf gleicher Stufe wie dieser stehen und deshalb nicht uneingeschränkt abdingbar sein. – Zum Kernbereich gehört in erster Linie der Unterhalt wegen Kindesbetreuung, in zweiter Linie der Alters- und Krankheitsunterhalt, dem Vorrang vor den übrigen Unterhaltstatbeständen (z.B. Ausbildungs- oder Aufstockungsunterhalt) zukommen soll. Damit dürften Vereinbarungen und Verzichte in den Unterhaltstatbeständen – Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, § 1573 Abs. 1 BGB, – Aufstockungsunterhalt, § 1573 Abs. 2 BGB, – Ausbildungsunterhalt, § 1575 BGB,
1 BGH, Urt. v. 11.2.2004 – XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = NJW 2004, 930 = DNotZ 2004, 550 = DNotI-Report 2004, 46, 54 = FPR 2004, 209 = NotBZ 2004, 152 = FamRB 2004, 105.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 118 Kap. 34
– Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt, § 1578 Abs. 2 und 3 BGB1 – grundsätzlich Bestand haben. Zum Kernbereich gehören dagegen – vor allem der Betreuungsunterhalt, § 1570 BGB, hier dürfte auch ein Ausschluss von Anschlusstatbeständen nicht unproblematisch sein, was allerdings letztlich nicht abschließend geklärt ist, – in zweiter Linie der Unterhalt wegen Alters oder wegen Krankheit gemäß §§ 1571 und 1572 BGB. cc) Stufe 2: Die Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB Selbst wenn sich der Vertrag aus Sicht des Vertragsschlusses nicht bereits als unwirksam erweist, trifft dies für seinen Bestand noch keine endgültige Aussage: Zweite Stufe der Prüfung stellt eine Ausübungskontrolle aus Sicht zum Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe dar. Danach prüft der Richter, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht, wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber seinem eine Scheidungsfolge begehrenden Ehegatten auf den Vertrag beruft. Entscheidend hierfür soll sein, ob sich nunmehr – im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft – aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergebe, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten auch bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede sowie bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar sei. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrunde liegenden Lebensplanung grundlegend abweicht.
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d) Weitere Entwicklung nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.2004 Das Urteil des BGH hat unterschiedlichste Reaktionen hervorgerufen und die Diskussion 118 um die Ehevertragsfreiheit neu entfacht.2 Zunächst überwog sicher eher die Skepsis. Vor allem angesichts der in unmittelbarer Folge auf das Grundsatzurteil des BGH ergehenden Entscheidungen von Instanzgerichten3 drängte sich die Befürchtung auf, der BGH habe einen zu weiten Beurteilungsspielraum geschaffen und es fehlten nunmehr aus dem Gesetz oder seinem Urteil ablesbare, klare und generell geltende Aussagen. Die Parteiautonomie schien in Gefahr, zumal Instanzgerichte völlig eigene Beurteilungsmaßstäbe ansetzten, die eine erhebliche Rechtsunsicherheit für die Beteiligten bargen. Beispielhaft sei nur das Urteil des OLG Karlsruhe vom 15.7.20044 genannt: Im Wege der Ausübungskontrolle wurde bei Unterhaltsansprüchen aus dem Rand des Kernbereichs (Ar1 Als Teil des Betreuungsunterhalts soll der Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt nach BGH, Urt. v. 25.5.2005 – XII ZR 221/02, MDR 2005, 1355 = NJW 2005, 2391 = FamRZ 2005, 1449 = DNotZ 2005, 857 = NotBZ 2005, 336 = FamRB 2005, 250, jedoch denselben Rang wie der Elementarunterhalt haben, wenn die Unterhaltspflicht ehebedingte Nachteile ausgleichen soll. 2 Vgl. hierzu bereits die Literaturübersicht vor Rz. 1. 3 Vgl. beispielhaft nur OLG Celle, Urt. v. 25.2.2004 – 15 UF 178/03, MittBayNot 2004, 367 = FamRB 2004, 175, einerseits und OLG Celle, Urt. v. 24.6.2004 – 19 UF 59/04, FamRZ 2004, 1489 m. Anm. Bergschneider = FamRB 2004, 382 = NotBZ 2004, 485, andererseits. 4 OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.7.2004 – 16 UF 238/03, DNotI-Report 2004, 146 = FamRZ 2004, 1789 = FamRB 2004, 345.
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Kap. 34 Rz. 119
Vergleichsvereinbarungen
beitslosigkeit und Aufstockung) die getroffene Vereinbarung dahingehend abgeändert, dass die Ehefrau anstelle der entsprechend Besoldungsgruppe A 3 vereinbarten Höhe ein zweifaches Grundgehalt dieser Besoldungsgruppe verlangen könne. Was blieb da von der in § 1585c BGB suggerierten Vertragsfreiheit? Zu Recht wurde die Entscheidung des OLG Karlsruhe übrigens 2007 vom BGH aufgehoben.1 119
Berechtigte Stimmen forderten (auch aus folgenden Gründen) eine rasche Generalisierung und Systematisierung der Grundsätze zur richterlichen Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen: – Rechtssicherheit in diesem mit weitreichenden vermögensrechtlichen und auch gesellschaftspolitischen Folgen versehenen Bereich ist unabdingbar. Eine nicht mit vorhersehbaren Maßstäben ex post durchgeführte richterliche Billigkeitskontrolle widerspricht den gesetzlichen Vorgaben, etwa aus § 1585c BGB, und der ebenfalls grundgesetzlich geschützten Vertragsfreiheit und Privatautonomie. Viele Dauerschuldverhältnisse unterliegen einem gewissen Prognoserisiko, nicht nur Eheverträge. Würde jede Vertragsreue relevant, würde das Vertrauen in die Rechtsordnung insgesamt leiden – ein unhaltbarer Zustand. – Die Nichtigkeitsfolge der ersten Stufe birgt für die Praxis erhebliche Schwierigkeiten und Gefahren: Infiziert eine danach unwirksame Vereinbarung auch eine an sich wirksame,2 führt dies zu einer Gesamtnichtigkeit aller Vereinbarungen – ein „schärferes Schwert“ ist kaum denkbar. Um dem Verdikt der Gesamtnichtigkeit zu entgehen, ist deshalb (und auch weiterhin) besonderes Augenmerk darauf zu richten, welche Vereinbarungen im Vertrag miteinander stehen und fallen sollen.3 – Um dem Vorwurf der Unwirksamkeit auf der ersten Stufe zu entgehen, ist beinahe einhellige Meinung, ein Verzicht auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB4 sei zu vermeiden. Vor dem Hintergrund jetziger Rechtsprechung mag dies so sein, aber wer kann vorhersehen, ob die rechtlichen Vorgaben und die Diskussion nicht in einigen Jahren wieder auf eine völlig andere Linie einschwenken? Die etwaige Wirksamkeit eines Verzichts auf Unterhalt nach § 1570 BGB würde dann jedoch gar nicht mehr thematisiert, da die Vereinbarung diesen Tatbestand ja bereits ausdrücklich ausgenommen hat. Schon die Unterhaltsrechtsreform 20085 hat in diesem Bereich übrigens zu einer grundlegenden Änderung auch des Betreuungsunterhalts geführt, wie sie bei Erlass des Grundsatzurteils des BGH zur richterlichen Inhaltskontrolle so nicht absehbar war. Es erscheint bedenklich, dass Ehegatten, die keinen bzw. den gleichen Ehevertrag gehabt hätten, mit völlig anderen Auswirkungen konfrontiert worden wären – je nachdem, ob sie sich im Jahr 2000, 20056 (nach dem Grundsatzurteil des BGH und ggf. abhängig davon, von welchem Gericht) oder 2010 scheiden ließen. 1 BGH, Urt. v. 28.2.2007 – XII ZR 165/04, MDR 2007, 1023 = DNotZ 2007, 764 = NJW 2007, 2848 = FamRZ 2007, 974 = FamRB 2007, 225. 2 Vgl. z.B. OLG Celle, Urt. v. 24.6.2004 – 19 UF 59/04, FamRZ 2004, 1489 = FamRB 2004, 382 = NotBZ 2004, 485; BGH, Urt. v. 25.5.2005 – XII ZR 296/01, FamRZ 2005, 1444 (1447) = NJW 2005, 2386 = MDR 2005, 1353 = DNotZ 2005, 853 = MittBayNot 2006, 44 = NotBZ 2005, 332 = FamRB 2005, 249. 3 Vgl. insbesondere zur Frage der Anwendbarkeit von § 139 BGB und der Zweckmäßigkeit salvatorischer Klauseln M 34.1 (Rz. 129) unter Ziff. IV mit Anm. A50 (Rz. 179) und Brandt, MittBayNot 2004, 221 (226 f.). 4 Ggf. auch auf Unterhalt wegen Alters oder Krankheit gemäß §§ 1571, 1572 BGB. 5 Unterhaltsrechtsreform zum 1.1.2008 durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts v. 21.12.2007 (BGBl. I, 3189). 6 Dass die Rechtsprechung keinen Vertrauensschutz für Altverträge gewährte, war zunächst nicht offen ausgesprochen, resultierte jedoch aus der schlicht unterschiedslosen Anwendung der Prüfungs-
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Rz. 121 Kap. 34
Die weitere Entwicklung nach dem Urteil des BGH war und ist stark im Fluss, geprägt von unterschiedlichsten Ansätzen der Literatur und ebenso unterschiedlichen gerichtlichen Auffassungen von Billigkeit im Einzelfall.1 Allerdings sind seit den ersten Entscheidungswellen nach dem Grundsatzurteil des BGH zur 120 ehevertraglichen Inhaltskontrolle eine Konsolidierung der Rechtsprechungsgrundsätze und eine Einkehr in „ruhigeres Fahrwasser“ zu konstatieren. Besonderes Augenmerk ist auf eine ausgewogene Verhandlungssituation und eine gerechte Teilhabe am ehezeitlich Erworbenen, insbesondere auch auf einen angemessenen Ausgleich etwaiger ehebedingter Nachteile, zu legen, wenn einer der nachfolgenden Umstände vorliegt: – Fälle, in denen äußere Umstände auf eine ungleiche Verhandlungsposition der Ehegatten (eine Disparität) schließen lassen, etwa Bleiberechtsfälle, das Vorliegen einer Schwangerschaft, fehlende Sprachkenntnisse o.Ä. – Verzichte, insbesondere solche ohne ausreichende Kompensation, die in Kernbereiche des Scheidungsfolgenrechts eingreifen und zu einer unbilligen Lastenverteilung angesichts des von den Ehegatten geplanten Ehezuschnitts führen. Zunehmend scheint (richtiger) Konsens, dass eine grundsätzliche Dispositionsfreiheit der Ehegatten im ehevertraglichen Bereich besteht und eine zwingende Halbteilung nicht Prüfungsmaßstab der richterlichen Inhaltskontrolle sein darf.2 Zudem sollte der Vertragsgestalter stets besonderes Augenmerk auf die Gestaltung des Ver- 121 fahrens, also der Verhandlungen, der Entwurfsvorbereitung und der Beurkundung selbst, legen. „Schutz durch Verfahren“ ist hier ein wesentlicher Stichpunkt, kann er doch durch das Verlangen nach persönlicher Anwesenheit beider Vertragsteile (möglichst bereits bei der Vorbesprechung, jedenfalls jedoch bei der Beurkundung, soweit nicht triftige Gründe vorliegen), durch ausreichende Vorlauf- und Überlegungszeiten (unter möglichster Vermeidung von „Schnellverfahren“ unmittelbar vor Eheschließung) und durch eine generell auf gleiche Verhandlungsposition und -stärke bedachte Gestaltung des Beurkundungsverfahrens helfen, maßstäbe auch auf vor dem 11.2.2004 geschlossene Verträge, vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – XII ZB 110/99, FamRZ 2005, 26 = NJW 2005, 137 = MDR 2005, 216 = MittBayNot 2005, 308 = NotBZ 2005, 73 = FamRB 2005, 8, zu einem Ehevertrag aus dem Jahr 1986. 1 Genannt seien beispielhaft nur BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – XII ZB 110/99, FamRZ 2005, 26 = MDR 2005, 216 = NotBZ 2005, 73 = FamRB 2005, 8 = MittBayNot 2005, 308 mit Anm. Brandt = NJW 2005, 137 (Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle eines Versorgungsausgleichsausschlusses, „Altvertrag“); Beschl. v. 6.10.2004 – XII ZB 57/03, MDR 2005, 399 = DNotZ 2005, 226 = FamRZ 2005, 185 mit Anm. Bergschneider (Ausübungskontrolle eines Versorgungsausgleichsausschlusses, vereinbart einen Tag vor Eheschließung) = FamRB 2005, 38; Urt. v. 12.1.2005 – XII ZR 238/03, DNotZ 2005, 703 = FamRZ 2005, 691 mit Anm. Bergschneider (wirksamer Ehevertrag bei beiderseits aufrechterhaltener Berufstätigkeit) = MDR 2005, 815 = NotBZ 2005, 145 = FamRB 2005, 126; Urt. v. 25.5.2005 – XII ZR 296/01, NJW 2005, 2386 = DNotZ 2005, 853 = MittBayNot 2006, 44 mit Anm. Brandt = FamRZ 2005, 1444 mit Anm. Bergschneider (Schwangere, zeitliche und betragsmäßige Begrenzung des Betreuungsunterhalts grds. möglich) = MDR 2005, 1353 = NotBZ 2005, 332 = FamRB 2005, 249; Beschl. v. 25.5.2005 – XII ZB 135/02, FamRZ 2005, 1238 (Anwendung von § 1587c Nr. 1 BGB bei isolierter Vereinbarung von Gütertrennung für den Versorgungsausgleich) = MDR 2005, 1294 = FamRB 2005, 255; Urt. v. 25.5.2005 – XII ZR 221/02, MDR 2005, 1355 = DNotZ 2005, 857 = FamRZ 2005, 1449 mit Anm. Bergschneider = NJW 2005, 2391 (Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt auf der Stufe des Betreuungsunterhalts) NotBZ 2005, 336 = FamRB 2005, 250. Eine Aufzählung von Entscheidungen der Instanzgerichte würde den Rahmen sprengen. Eine sehr gute und detaillierte Übersicht findet sich bei Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 715 ff. (Folgeentscheidungen des BGH) und 777 ff. (Entscheidungen der Obergerichte). 2 Vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, DNotI-Report 2014, 44 = NJW 2014, 1101 = FamRZ 2014, 629 = MDR 2014, 542 = NotBZ 2014, 218 = FamRB 2014, 162. Zum Ganzen vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 860 ff.
Siegler 761
Kap. 34 Rz. 122
Vergleichsvereinbarungen
an sich bestehende Nachteile eines Ehegatten zu mildern und auszugleichen. Der Notar darf sich zwar nicht als Richter der Vertragsteile gerieren und wird stets seine Neutralität bewahren (müssen), er ist gleichwohl eine Art „vorweggenommene Inhaltskontrolle“.1 Trotzdem bleiben natürlich die Ehegatten selbst für ihre ehevertragliche Gestaltung verantwortlich, insbesondere ist ihnen vor Augen zu führen, dass eine ehevertragliche Vereinbarung vor allem dann der Anpassung bedarf, wenn sich Lebensumstände, das gelebte Ehemodell oder die Rollenverteilung ändern und nicht mehr dem ehemals zugrunde gelegten entsprechen. e) Die Anwendbarkeit auf Scheidungsfolgenvereinbarungen 122
Ob und inwieweit bzw. mit welchen Auswirkungen die Grundsätze zur Inhalts- und Ausübungskontrolle auch für Verträge in der Krise, insbesondere Scheidungsfolgenvereinbarungen gelten, war insbesondere in der Anfangszeit heftig diskutiert und ist wohl immer noch nicht abschließend geklärt. Sowohl die beiden Entscheidungen des BVerfG aus 2001 (vgl. Rz. 113) als auch die Grundsatzentscheidung des BGH vom 11.2.2004 (vgl. Rz. 114) betrafen vorsorgende Eheverträge. Ohne weitere Auseinandersetzung mit der Thematik wendeten Instanzgerichte in der unmittelbaren Folge die Grundsätze des BVerfG bzw. BGH auf Scheidungsfolgenvereinbarungen an.2 Gegen die unterschiedslose Übertragung der richterlichen Prüfungsmaßstäbe spricht nach wie vor insbesondere Folgendes: – In einer bereits tatsächlich vorhandenen Krise der Eheleute dürfte ein gesundes Misstrauen der Eheleute gegeneinander erwachsen sein, welches diese in besonderer Weise zur Überprüfung vertraglicher Vereinbarungen mit dem Ehegatten bewegt. – Scheidungsfolgenvereinbarungen stellen einen anderen Vertragstypus als Eheverträge dar – jedenfalls unterliegen sie keinem vergleichbar erheblichen Prognoserisiko.3 Vielmehr stehen der Ehe- und Lebenszuschnitt der Ehe und die Endbilanz im Wesentlichen fest.
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In einer Entscheidung vom 29.1.20144 ließ der BGH demgemäß auch anklingen, bei Abschluss eines „Krisen-Ehevertrages“ müsse eher damit gerechnet werden, dass dessen belastende Regelungen in dem nunmehr tatsächlich drohenden Fall des Scheiterns der Ehe zum Tragen kommen könnten. Teilweise wird aus dieser Entscheidung in der Literatur geschlossen, Scheidungsfolgenvereinbarungen seien schwerer angreifbar und von tendenziell größerer Bestandskraft.5 Dies scheint jedoch aus der bisher ergangenen Rechtsprechung keinesfalls zweifelsfrei zu schließen zu sein, zumal der BGH in der gleichen Entscheidung6 betont, dass zwar ein Verzicht auf den Ausgleich des Zugewinns für sich genommen keinen Wirksamkeitsbedenken am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB begegnet, da sich der Zugewinnausgleich nach ständiger Rechtsprechung des Senats schon im Hinblick auf seine nachrangige Bedeutung im 1 So Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 918 ff. m.w.N. und weiterführenden Hinweisen zur Gestaltung des Beurkundungsverfahrens. 2 Vgl. z.B. OLG Celle, Urt. v. 25.2.2004 – 15 UF 178/03, NJW 2004, 1961 = FamRZ 2004, 1202 = FamRB 2004, 175; Urt. v. 24.6.2004 – 19 UF 59/04, FamRZ 2004, 1489 = NotBZ 2004, 485 = FamRB 2004, 382; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.4.2004 – 13 UF 84/04, FamRZ 2005, 40; OLG München, Beschl. v. 23.3.2004 – 16 UF 1790/03, FamRZ 2005 215 = FamRB 2005, 3. 3 So zu Recht Wachter, ZNotP 2004, 264 ff. 4 BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, DNotI-Report 2014, 44 = NJW 2014, 1101 = FamRZ 2014, 629 = MDR 2014, 542 = NotBZ 2014, 218 = FamRB 2014, 162. 5 Vgl. Bergschneider, Anmerkung zu der Entscheidung des BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, MDR 2014, 542 = FamRZ 2014, 727 = FamRB 2014, 162 = NotBZ 2014, 218. 6 BGH, Beschl. v. 29.1.2014 – XII ZB 303/13, DNotI-Report 2014, 44 = NJW 2014, 1101 = FamRZ 2014, 629 = MDR 2014, 542 = FamRB 2014, 162 = NotBZ 2014, 218.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 126 Kap. 34
System der Scheidungsfolgen einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich erweist – er jedoch zugleich erwägt, ob trotz der grundsätzlichen Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs im Einzelfall Anlass zu einer verstärkten Inhaltskontrolle besteht, wenn der Ehevertrag zu einem Verzicht auf bereits begründete Rechtspositionen führt, also insbesondere dann, wenn der haushaltsführende Ehegatte nach langjähriger Ehe auf den Zugewinn auch für die Vergangenheit verzichtet. Der Vertragsgestalter sollte deshalb weiterhin von der grundsätzlichen Anwendung insbesondere der Kernbereichslehre auf Scheidungsfolgenvereinbarungen ausgehen. Hieraus ergeben sich folgende Schranken der Vertragsfreiheit: Die erste Stufe, d.h. die Wirksamkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB, dürfte volle Anwendung finden. Auch die Forderung, der verzichtende Ehegatte dürfe durch die Vereinbarung nicht zwingend auf die Geltendmachung von Sozialleistungen angewiesen sein, bleibt selbstverständlich maßgeblich. Raum für die Ausübungskontrolle auf der zweiten Stufe wird nicht in gleicher Weise bleiben, da zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ja in der Regel die zugrunde liegenden Lebensverhältnisse der Ehegatten bekannt sind. Sicherheit besteht hier allerdings nicht, insbesondere nicht, wenn kurzfristige Veränderungen eintreten (z.B. Arbeitslosigkeit, Krankheit o.Ä.). Eine lange Trennungszeit kann wegen der in ihr möglichen Veränderung der eheprägenden Lebensverhältnisse und der dann ggf. eröffneten Ausübungskontrolle zum Zeitpunkt der Scheidung insoweit sogar ein gewisses „Risiko“ darstellen – sicher kein Ergebnis, das das BVerfG mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG begrüßen würde. Besonderes Augenmerk ist zudem auf eine subjektive Vertragsparität und das Vertragsverfahren selbst zu legen.
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Generell ist damit zwar einerseits das Prognoserisiko geringer und andererseits der Interessengegensatz größer, die Grundsätze zur richterlichen Inhalts- und Ausübungskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen und deren Prüfungsmaßstäbe müssen aber auch beim Abschluss von Scheidungsfolgenvereinbarungen beachtet werden.
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f) Zusammenfassung: Konsequenzen für die Gestaltung von Vereinbarungen Aufgabe der Rechtsberater wird es zunehmend sein, bereits durch die Gestaltung des Ver- 126 fahrens selbst der Unwirksamkeit von Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen vorzubeugen. Dem Schutz der schwächeren Vertragspartei durch das Verfahren selbst wird in Zukunft noch stärkere Bedeutung zukommen.1 Dazu gehören vor allem – die umfassende Ermittlung des Sachverhalts und der Vorstellungen sowie des Lebensplans der Beteiligten, – die Fertigung und Aushändigung eines Vertragsentwurfs mit ausreichender Überlegungszeit und – das Bestehen auf persönlicher Anwesenheit beider Vertragsteile zum Vertragsabschluss. Letztlich sind die für den Notar ohnehin schon geltenden Berufspflichten des § 17 BeurkG ernst zu nehmen.
1 Wenn auch die notarielle Beurkundung nach Auffassung der Rechtsprechung nicht per se die Inhaltskontrolle ersetzt, kann durch die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens die strukturelle Unterlegenheit des schwächeren Vertragsteils ausgeglichen werden. Vgl. sehr instruktiv auch für die Verfahrensgestaltung Münch, DNotZ 2004, 901 ff.; Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 918 ff., und bereits unter Rz. 121.
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Vergleichsvereinbarungen
Inhaltlich wird im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts größte Zurückhaltung geboten sein – und zwar nicht nur bei Eheverträgen, sondern auch bei Scheidungsfolgenvereinbarungen. Regelmäßig wird hier ein Totalverzicht nur bei entsprechender Kompensation oder besonderen Verhältnissen der Ehegatten und des Einzelfalls in Betracht kommen. Den Vertragsteilen muss – je nach zeitlichem Horizont, d.h. vor allem bei Eheverträgen – vermittelt werden, dass Änderungen des gemeinsamen Lebensplans möglichst eine Überprüfung und ggf. Anpassung des Vertrages nach sich ziehen sollten und auf jeden Fall mit einer richterlichen Ausübungskontrolle gerechnet werden muss. Ggf. sollten, weil ihnen im Rahmen der Kontrolle besondere Bedeutung zukommt, auch die zugrunde liegenden individuellen Verhältnisse der Ehegatten in die Vereinbarung selbst aufgenommen werden. 12. Besonderheiten bei Scheidungsfolgenvereinbarungen in Fällen mit „Auslandsberührung“ a) Ausgangspunkt
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Ausgangspunkt der vorliegenden Ausführungen und Muster sind Ehepartner, die beide ausschließlich deutsche Staatsangehörige1 sind, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und im Inland belegenes Vermögen haben. b) Fälle mit „Auslandsberührung“
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Vorrangig sind bei der Ermittlung des anzuwendendes Rechts bei Beteiligung nicht ausschließlich deutscher Staatsangehöriger bzw. solcher mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland ggf. bestehende (bilaterale) Abkommen u.Ä. zu prüfen. Nachrangig ergeben sich aus dem im EGBGB kodifizierten deutschen internationalen Privatrecht in Art. 14 ff. EGBGB Anknüpfungspunkte, die jedoch schrittweise durch europäische Regelungen und Kollisionsnormen abgelöst wurden bzw. werden. Auf Einzelheiten einzugehen, würde den Rahmen der vorliegenden Darstellung sprengen, weshalb insoweit auf spezielle Ausführungen verwiesen werden muss.2 Entscheidend für den Vertragsgestalter ist die Erkenntnis, dass bei Beteiligung zumindest eines nicht deutschen bzw. nicht in Deutschland wohnhaften Ehegatten oder bei Belegenheit von Vermögen im Ausland besondere Anknüpfungen und die Anwendbarkeit ausländischen Rechts in die Gestaltungsüberlegungen mit einbezogen und ggf. ergänzende Vereinbarungen getroffen werden müssen, um den Willen der Vertragsteile möglichst rechtssicher verwirklichen zu können.3
1 Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB, wonach die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe deutschem Recht unterliegen, sind auf alle ab 1.9.1986 geschlossenen Ehen anwendbar. Die zeitliche Überleitungsvorschrift findet sich in Art. 220 EGBGB. Dabei ist jedoch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.12.2002 zu beachten (BVerfG, Beschl. v. 18.12.2002 – 1 BvR 108/96, FamRZ 2003, 361), wonach Art. 220 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EGBGB nicht über den 8.4.1983 hinaus gilt. 2 Vertiefend bspw. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 4402 ff.; Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 192 ff.; Süß/Ring, Eherecht in Europa, 2. Aufl. (allerdings bereits aus 2012); Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, 2013. 3 Besonderheiten ergeben sich auch für Ehen aus dem Beitrittsgebiet. Auf die Ausführungen in der Erstauflage sei insoweit wegen der abnehmenden praktischen Bedeutung verwiesen, vgl. Kapfer in Walz, Formularbuch Außergerichtliche Streitbeilegung, 1. Aufl. 2006, § 31 Rz. 124.
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
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II. Muster M 34.1 Scheidungsfolgenvereinbarung bei noch nicht gestelltem Scheidungsantrag mit Grundbesitzübertragung, Vereinbarung der Gütertrennung, Ausschluss des Versorgungsausgleichs und UnterhaltsverzichtA1 Übertragung von Grundbesitz, ehevertragliche und nacheheliche VereinbarungenA2 Heute, den … sind vor mir, …, Notar/in mit dem Amtssitz in … in meinen Amtsräumen in … gleichzeitigA3 anwesend: 1. Herr … (es folgen die persönlichen Angaben mit Name, Vorname, ggf. Geburtsname, Geburtsdatum und Wohnort), 2. dessen Ehefrau, Frau … (es folgen die persönlichen Angaben mit Name, Vorname, ggf. Geburtsname, Geburtsdatum und Wohnort), nach Angabe im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Die Erschienenen wiesen sich aus durch Vorlage ihrer gültigen deutschen Personalausweise.A4 Sie erklären, im Wege des Vertrages unter gegenseitiger Annahme ihrer Erklärungen einen Ehevertrag und nacheheliche Vereinbarungen errichten zu wollen. Sie sind geschäfts- und testierfähig; hiervon überzeugte ich mich durch das mit ihnen geführte Gespräch. Die Zuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars ist nicht erforderlich und wird auch nicht verlangt. Auf Veranlassung beurkunde ich nach GrundbucheinsichtA5 ihren Erklärungen gemäß, was folgt: I. Grundbuchstand, Vorbemerkung, persönliche Verhältnisse 1. Grundbuchstand Im Grundbuch des Amtsgerichts … für … Blatt … sind als Miteigentümer je zur Hälfte des dort vorgetragenen Grundbesitzes der Gemarkung … … (es folgen Flurnummer, Beschrieb und Größe des Grundbesitzes) eingetragen: … (es folgt der Name der eingetragenen Ehegatten) Dieser Grundbesitz ist wie folgt belastet vorgetragen: Abteilung II: lastenfrei. Abteilung III: Buchgrundschuld zu … Euro für die … (es folgt die genaue Bezeichnung der Gläubigerbank mit Sitz), 18 % Jahreszinsen ab dem …, vollstreckbar gemäß § 800 ZPO, gemäß Eintragungsbewilligung vom … Siegler 765
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Vergleichsvereinbarungen
M 34.1
2. Vorbemerkung, persönliche Verhältnisse Ich, …, bin am … in … geboren (Standesamt …, Geburtenregisternummer …).A6 Ich, …, bin am … in … geboren (Standesamt …, Geburtenregisternummer …). Wir sind beide ausschließlich deutsche Staatsangehörige und haben unseren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.A7 Wir haben am … in … standesamtlich die beiderseits jeweils zweite Ehe miteinander geschlossen. Einen Ehevertrag haben wir bisher nicht abgeschlossen. Aus unserer Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Auch sonst hat und hatte keiner von uns Kinder, auch keine adoptierten oder nichtehelichen. Wir leben seit … getrennt. Scheidungsantrag wurde noch nicht gestellt. Zu unseren derzeitigen persönlichen Verhältnissen erklären wir:A8 Bei Abschluss dieser Vereinbarung gehen wir davon aus, dass jeder von uns auch im Fall einer Scheidung aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse in der Lage sein wird, sich selbst zu unterhalten. Derzeit sind wir beide voll erwerbstätig und wollen dies auch bleiben. Der Eintritt dieser Erwartung ist jedoch nicht Bedingung oder Geschäftsgrundlage der folgenden Vereinbarungen. Ergänzend erklären wir, dass wir beide während unserer Ehe jeweils voll erwerbstätig waren und nach unserer Überzeugung keiner von uns ehebedingte Nachteile erlitten hat. Keiner von uns hat in einem Unternehmen des anderen Ehegatten mitgearbeitet. Wir halten die nachfolgenden Vereinbarungen für ausgewogen und nicht einseitig benachteiligend. Der Notar hat darauf hingewiesen, dass Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen einer u.U. abgestuften richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen, die nicht nur die Art und Weise und den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auch die später, etwa bei einer Scheidung, bestehenden Verhältnisse berücksichtigt. Die Entwicklung der Rechtsprechung hierzu ist nicht abschätzbar.A9 II. Übertragung von GrundbesitzA10 1. Übertragung Herr … – nachfolgend „der Veräußerer“ – überträgt hiermit seinen Hälftemiteigentumsanteil an dem in Ziff. I.1. näher bezeichneten Grundbesitz mit allen Rechten und Pflichten, wesentlichen Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör an seine Ehefrau, Frau …, – nachfolgend „der Erwerber“ – zu Alleineigentum, so dass nach grundbuchamtlichem Vollzug dieser Urkunde der Erwerber Alleineigentümer des Grundbesitzes ist. 2. Eigentumsübergang und Vormerkung a) Die Vertragsteile sind über den Eigentumsübergang auf den Erwerber einig. b) Die erklärte Auflassung enthält noch nicht die für die Eigentumsumschreibung notwendige Eintragungsbewilligung des Veräußerers und keine Einwilligung zu Weiterverfügungen durch den Erwerber. Der Veräußerer bevollmächtigt vielmehr den amtierenden Notar, dessen Vertreter oder Amtsnachfolger unwiderruflich, die Eintragungsbewilligung für ihn noch gesondert abzugeben. Die Beteiligten weisen hierzu den Notar intern an, von dieser Vollmacht und ebenso von sei766
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
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ner gesetzlichen Vollmacht zur Antragstellung nur Gebrauch zu machen, nachdem ihm die gemäß Ziff. 4. erforderliche Genehmigung des Gläubigers samt einer Erklärung über die Entlassung des Veräußerers aus der persönlichen Haftung zumindest schriftlich vorliegt, und zwar auflagenfrei oder lediglich unter der Auflage vertragsgemäßer Eigentumsumschreibung.A11 c) Auf die Eintragung einer Eigentumsvormerkung wird ausdrücklich verzichtet. Der Notar hat auf die Sicherungswirkungen einer Vormerkung, insbesondere bei beeinträchtigenden Zwischeneintragungen oder Insolvenz des Veräußerers hingewiesen.A12 3. Rechtsgrund, Gegenleistung Die gegenständliche Übertragung erfolgt als Gegenleistung für den in Ziff. III.1. vereinbarten Verzicht auf Zugewinnausgleichsansprüche unter den Ehegatten sowie zur pauschalen Verwirklichung des Zugewinnausgleichs unter den Ehegatten durch gegenständliche Übertragung des Grundbesitzes an die Ehefrau. Demgemäß will sich der Veräußerer kein vertragliches Recht zur Rückforderung des Vertragsgegenstandes bei Eintritt bestimmter Tatbestände, etwa der Scheidung der Ehe der Vertragsteile, vorbehalten. Die Zuwendung soll dem Erwerber vielmehr gerade im Scheidungsfall und ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden am Scheitern der Ehe endgültig verbleiben.A13 4. Grundschuldübernahme, Haftungsfreistellung des Veräußerers a) Der Erwerber übernimmt das in Ziff. I.1. näher bezeichnete Grundpfandrecht zugunsten der … (Bank). Bestehende und künftige Rückgewähransprüche und Eigentümerrechte werden insoweit – aufschiebend bedingt durch die Eigentumsumschreibung – an den Erwerber abgetreten. Entsprechende Grundbucheintragung wird bewilligt, jedoch ausdrücklich nicht beantragt. Der Veräußerer ermächtigt den Erwerber, diese Abtretung dem Gläubiger mitzuteilen und ab Wirksamkeit der Abtretung über die Rechte im eigenen Namen zu verfügen. b) Die Vertragsteile erklären übereinstimmend, dass das übernommene Grundpfandrecht derzeit in Höhe von ca. … Euro valutiert ist. Die Grundschuld dient nach Angabe ausschließlich als Sicherheit für das Darlehen Nr. … bei der Gläubigerbank, dessen Restvaluta zum heutigen Tage sich auf den vorgenannten Betrag beläuft. Für diese Verbindlichkeit haften die Vertragsteile nach Angabe bisher gesamtschuldnerisch. Sie haben gemeinsam den Darlehensvertrag unterzeichnet und in der Grundschuldbestellungsurkunde eine persönliche Haftung übernommen.A14 Der Erwerber übernimmt mit Wirkung ab heute schuldbefreiend die durch das Grundpfandrecht gesicherten Verbindlichkeiten, einschließlich etwaiger Rückstände, zur künftigen alleinigen Tilgung und Verzinsung. Eine etwaige Valutierungsdifferenz zum Stichtag ist zwischen den Vertragsteilen nicht (alternativ: unverzüglich in bar) auszugleichen. Die Vertragsteile beauftragen und ermächtigen den amtierenden Notar, die zur Schuldhaftentlassung des Veräußerers erforderliche Genehmigung des Gläubigers samt einer Erklärung über die Entlassung aus der persönlichen Haftung zu erholen und entgegenzunehmen. Bis zur Erteilung der Genehmigung soll die Vereinbarung als Erfüllungsübernahme gelten. Auf die bis dahin im Außenverhältnis fehlende Wirkung und mögliche Sicherungen sowie das gemäß dieses Vertrages für die Eigentumsumschreibung erforderliche Vorliegen der Genehmigung hat der Notar hingewiesen.A15 c) Die erforderliche Änderung der Sicherungsabrede werden die Beteiligten mit dem Gläubiger selbst vornehmen.
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Vergleichsvereinbarungen
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5. Besitz, Nutzen, Lasten a) Die Besitzübergabe erfolgt am heutigen Tage. Vom selben Zeitpunkt an gehen auch Nutzen, Lasten, öffentliche Abgaben und Steuern auf den Erwerber über, ebenso die Gefahr und Haftung, insbesondere die Verkehrssicherungspflicht. b) Miet- und Pachtverhältnisse bestehen nach Angabe der Vertragsteile nicht.A16 Der Vertragsgegenstand wird vielmehr bereits alleine vom Erwerber, der Ehefrau, bewohnt. Er wurde vom Ehemann als Veräußerer nach Angabe vollständig geräumt. Auf Zwangsvollstreckungsunterwerfung des Veräußerers wegen seiner Verpflichtung zur Übergabe und Besitzverschaffung wird verzichtet. 6. Erschließungskosten Erschließungs- und Kostenbeiträge nach dem Baugesetzbuch und einmalige Abgaben nach dem Kommunalabgabengesetz, für die ein Bescheid ab heute zugestellt wird, bezahlt der Erwerber.A17 7. Sach- und Rechtsmängel a) Der Veräußerer haftet für ungehinderten Besitz- und lastenfreien Eigentumsübergang, soweit in dieser Urkunde nichts anderes vereinbart ist. Die Beteiligten stimmen allen der Lastenfreistellung oder Rangbeschaffung dienenden Gläubigererklärungen, auch in diesem Zusammenhang abgegebenen Löschungserklärungen, vorsorglich zu und beantragen deren Vollzug im Grundbuch. b) Der Veräußerer garantiert, dass ihm nicht erkennbare Sachmängel (insbesondere schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten) und im Grundbuch nicht eingetragene Beschränkungen und Belastungen (insbesondere Abstandsflächenübernahmen oder altrechtliche Dienstbarkeiten) nicht bekannt sind.A18 Im Übrigen werden Ansprüche und Rechte des Erwerbers wegen Mängeln oder Eigenschaften des Vertragsgegenstandes ausgeschlossen. (Alternativ: Besondere Garantien werden vom Veräußerer nicht abgegeben. Ansprüche und Rechte des Erwerbers wegen Mängeln oder Eigenschaften des Vertragsgegenstandes werden ausgeschlossen.) 8. Vollzugsvollmacht Der amtierende Notar wird unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB beauftragt und bevollmächtigt, für den Grundbuchvollzug dieser Urkunde zu sorgen und die Beteiligten im Grundbuchverfahren uneingeschränkt zu vertreten. III. Ehevertragliche, nacheheliche und sonstige Vereinbarungen 1. Gütertrennung, Zuwendungen unter Ehegatten a) Wir heben hiermit den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf und vereinbaren für die künftige Dauer unserer Ehe den Güterstand der Gütertrennung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Ein etwaiger Ausgleich des Zugewinns für die bisherige Ehezeit ist mit den in dieser Urkunde getroffenen Vereinbarungen, insbesondere der gegenständlichen Übertragung von Grundbesitz gem. Ziff. II. pauschal abgegolten. Auf darüber hinausgehende Zugewinnausgleichs- und sonstige vermögensrechtlichen Ausgleichsansprüche gegeneinander verzichten wir und nehmen den Verzicht gegenseitig an. 768
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b)
c)
d)
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Dies soll insbesondere für etwa bestehende Ansprüche aus einem GesamtschuldnerausgleichA19 für die Vergangenheit für das in Ziff. II.4.b. näher bezeichnete, von der Ehefrau zur künftigen alleinigen Tilgung und Verzinsung übernommene Darlehen und für Ansprüche aus der bisherigen Miteigentümergemeinschaft am vertragsgegenständlichen Grundbesitz gelten. Der Notar hat uns auf die rechtlichen Wirkungen der Gütertrennung hingewiesen, insbesondere auf Folgendes:A20 – Jeder Ehegatte kann über sein Vermögen ohne Zustimmung des anderen frei verfügen.A21 – Nach einer Beendigung des Güterstands, insbesondere nach einer Scheidung der Ehe oder nach dem Ableben eines Ehegatten, findet kein Zugewinnausgleich statt.A22 – Es können sich Änderungen im gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht und Auswirkungen auf eine vom länger lebenden Ehegatten zu zahlende Erbschaftsteuer ergeben.A23 – Bezüglich der Schuldenhaftung besteht rechtlich zwischen Gütertrennung und gesetzlichem Güterstand kein Unterschied.A24 – Güterrechtliche Vereinbarungen können insbesondere bei einer Benachteiligung von Gläubigern anfechtbar sein.A25 – (evtl.: Eine Modifikation des gesetzlichen Güterstands als Gestaltungsalternative wurde erörtert.) Die Eintragung des vereinbarten Güterstands in das Güterrechtsregister wird derzeit nicht gewünscht. Jeder Ehegatte ist jedoch berechtigt und ermächtigt, die Eintragung alleine herbeizuführen.A26 Wir vereinbaren ferner, dass Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen bei Scheidung der Ehe nicht zurückgefordert werden können. Dies gilt, gleich aus welchem Rechtsgrund, auch für Ansprüche aus sog. unbenannten Zuwendungen oder Ehegatteninnengesellschaften. Unabhängig von einem Verschulden am Scheitern der Ehe führt dieses nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für derartige Zuwendungen.A27 Zuwendungen von Schwiegereltern gab es nicht, vorsorglich stellen wir uns jedoch von Rückforderungsansprüchen von Schwiegereltern gegenseitig im Innenverhältnis frei. Wir erklären hiermit übereinstimmend, mit Vollzug dieser Urkunde alle gegenseitigen vermögensrechtlichen, insbesondere güterrechtlichen Ansprüche erledigt und abgegolten zu haben. Ein Vermögensverzeichnis wollen wir dieser Urkunde nicht beifügen.A28
2. Ausschluss des Versorgungsausgleichs a) Wir schließen den Versorgungsausgleich gegenseitig und mit Wirkung für beide Vertragsteile aus (§§ 1408 Abs. 2 BGB, 6 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG).A29 Der Ausschluss erfolgt in vollem Umfang für alle Altersversorgungen. b) Ebenfalls ausschließen wollen wir gemäß § 227 Abs. 2 FamFG die gerichtliche Abänderbarkeit unserer Vereinbarung.A30 c) Der Notar hat mit uns erörtert, dass eine verlässliche Kenntnis über die derzeit bestehende Versorgungslage, insbesondere die korrespondierenden Kapitalwerte der ehezeitlichen Versorgungsanrechte, nur durch Einholung von RentenauskünftenA31 bei den Versorgungsträgern oder Einholung von Sachverständigengutachten möglich ist. Dies wünschen wir jedoch ausdrücklich nicht. d) Der Notar hat uns insbesondere darauf hingewiesen,A32 dass diese Vereinbarung über den vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs – unabhängig davon ist, wer für welches Versorgungsanrecht ausgleichsberechtigter oder ausgleichsverpflichteter Ehegatte wäre. – einer besonderen Inhalts- und Ausübungskontrolle unterliegt. – Folgen für die soziale Absicherung im Alter haben kann, da im Fall der Scheidung keinerlei Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte stattfindet. Siegler 769
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Vergleichsvereinbarungen
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Hierzu erklären wir ergänzend:A33 Wir halten unsere Vereinbarung für angemessen, da wir während unserer Ehe beide voll erwerbstätig waren, dies auch weiterhin beabsichtigen und nach unserem Dafürhalten keiner von uns ehebedingte Nachteile erlitten hat. Keinem von uns sind Nachteile oder Versorgungslücken in seiner Alterssicherung entstanden, insbesondere da wir annähernd gleich verdient haben. Jeder von uns kann und will deshalb selbst für sein Alter vorsorgen. 3. Verzicht auf nachehelichen Unterhalt a) Für den Fall der Scheidung unserer Ehe verzichten wir gegenseitig und vollständig auf die Gewährung nachehelichen Unterhalts, gleich aus welchem Rechtsgrund, auch für den Fall der Not und jede Änderung der Rechtslage.A34 Soweit und solange diese Vereinbarung zwingendem Recht widersprechen sollte, schuldet der Unterhaltsverpflichtete dem Berechtigten lediglich den geringstmöglichen, rechtlich zulässigen Unterhaltsbetrag.A35 (Alternativ: Soweit und solange diese Vereinbarung zwingendem Recht widersprechen sollte, schuldet der Unterhaltsverpflichtete dem Berechtigten nachehelichen Unterhalt, jedoch bemessen nach dem angemessenen Lebensbedarf des geschiedenen Ehegatten gemäß § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB, nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 BGB.) b) Der Notar hat uns hierzu insbesondere auf Folgendes hingewiesen:A36 – Ein Unterhaltsverzicht kann sittenwidrig sein, z.B. wenn feststeht, dass der Verzichtende deshalb auf Sozialleistungen angewiesen ist.A37 – Der Verzicht kann unwirksam oder undurchsetzbar sein, z.B. wenn ein Vertragsteil unangemessen benachteiligt wird oder dem anderen unterlegen ist. Die Berufung auf einen Unterhaltsverzicht kann besonders im Fall der Betreuung gemeinsamer Kinder ausgeschlossen sein. Die Entwicklung der Rechtsprechung hierzu ist nicht abschätzbar.A38 – Soweit ein Unterhaltsverzicht reicht, muss der Verzichtende für seinen gesamten Lebensbedarf selbst aufkommen, auch für die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit, des Alters und der Erwerbsunfähigkeit.A39 – Auch im Fall der Not kann dann kein Unterhalt verlangt werden.A40 Uns ist bewusst, dass heute nicht vorhersehbare Umstände eintreten können.A41 4. Ehegatten-, insbesondere Trennungsunterhalt Der Notar hat uns darauf hingewiesen, dass ein Verzicht auf Ehegatten- und damit auch auf Trennungsunterhalt im Voraus unwirksam ist (§ 1614 Abs. 1 BGB).A42 Unterhaltsrückstände bestehen nach Angabe nicht.A43 5. Haushaltsgegenstände und EhewohnungA44 Wir erklären übereinstimmend, dass die Aufteilung der Haushaltsgegenstände bereits vollständig und einvernehmlich erfolgt ist. Wir sind uns vorsorglich darüber einig, dass jeder Ehegatte die Gegenstände des gemeinschaftlichen Haushalts zu Alleineigentum behält und übernimmt, die sich gegenwärtig in seinem Besitz befinden, und verzichten gegenseitig auf jede weitere Teilung oder Wertausgleich. Die Ehewohnung, die einverständlich bereits nach der Trennung von der Ehefrau alleine genutzt wurde, soll dieser gemäß Ziff. II.1. künftig zu Alleineigentum zustehen. 6. Erbrechtliche Bestimmungen; Erb- und Pflichtteilsverzicht a) Gemeinsame Verfügungen von Todes wegen haben wir nicht errichtet.A45
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 129 Kap. 34
b) Wir verzichten hiermit gegenseitig auf unser gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche.A46 Der Notar hat uns darauf hingewiesen, dass vorstehende Verzichte eine etwaige Unterhaltslast des Erben entfallen lassen (§§ 1933 Satz 3, 1586b BGB). Dies wird von uns ausdrücklich gewünscht.A47 (Alternativ: Die Verzichte sollen jedoch etwaige Unterhaltsansprüche nach §§ 1933 Satz 3, 1586b BGB unberührt lassen.) Der Notar hat die Rechtsfolgen dieser Verzichte erläutert. Insbesondere hat er darauf hingewiesen, dass eine gewillkürte Erbfolge unberührt bleibt und sich durch den Erbverzicht Änderungen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts anderer Angehöriger ergeben können. 7. Steuerrechtliche VereinbarungA48 Wir verpflichten uns hiermit gegenseitig, für den Veranlagungszeitraum … eine gemeinsame Einkommensteuererklärung gemäß § 26b EStG abzugeben. Wir verzichten jeweils auf das Wahlrecht der Einzelveranlagung gemäß § 26 Abs. 2 EStG. Im Fall der Zuwiderhandlung hat der durch die Einzelveranlagung begünstigte Ehegatte den anderen finanziell so zu stellen, als wäre eine gemeinsame Veranlagung durchgeführt worden. Hierzu verpflichten wir uns zur Auskunftserteilung über unsere jeweiligen Einkommensverhältnisse im betreffenden Zeitraum. Der vertragsbrüchige Teil trägt die Kosten des Steuerberaters, der die fiktiven Steuerbeträge ermittelt. Dessen Auswahl obliegt den Vertragsteilen gemeinsam, im Fall ihrer Nichteinigung dem vertragstreuen Teil. Wir sind uns darüber einig, dass uns Steuerrückerstattungen für den genannten Veranlagungszeitraum im Verhältnis unserer in diesem Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte (alternativ: je hälftig) zustehen. Etwaige Steuernachzahlungen sind im selben Verhältnis zu tragen. 8. Scheidungskosten Die Kosten eines etwaigen Scheidungsverfahrens (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten) tragen wir je zur Hälfte, falls die Scheidung einvernehmlich mit einem Anwalt durchgeführt wird. Im Übrigen trägt jeder Ehegatte seine (Anwalts-)Kosten selbst.A49 Wir verpflichten uns hiermit vorsorglich, uns gemäß vorstehender Kostenvereinbarung von etwaigen Kosten gegenseitig freizustellen. IV. Sonstiges 1. Salvatorische Klausel, Geltungsvereinbarung a) Falls Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden, bleiben – soweit irgend zulässig – alle übrigen Vereinbarungen wirksam. Insbesondere sollen die Übertragung des Hälftemiteigentumsanteils gemäß Ziff. II mit unseren Vereinbarungen zur sonstigen Vermögensauseinandersetzung gemäß Ziff. III.1. und III.5. und unseren güterrechtlichen Vereinbarungen gemäß Ziff. III.1. in ihrem rechtlichen Bestand von allen anderen, sonst getroffenen Vereinbarungen unabhängig sein und in jedem Fall Bestand haben. b) Wir verpflichten uns, bei einer (auch teilweisen) Nichtigkeit dieser Urkunde oder im Fall einer unbeabsichtigten Regelungslücke eine ergänzende Vereinbarung zu treffen, die dem wirtschaftlichen Erfolg der weggefallenen oder lückenhaften Regelung möglichst nahe kommt.A50 Wir wollen so erreichen, dass das von uns gemeinsam Gewollte und Vereinbarte weitest mögliche Geltung erhält. c) Die in dieser Urkunde getroffenen Vereinbarungen sollen zudem, soweit nicht ausdrücklich anders bestimmt, sofort wirksam und davon unabhängig sein, ob die Ehe geschieden wird.
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Kap. 34 Rz. 130
Vergleichsvereinbarungen
M 34.1
Insbesondere soll die in dieser Urkunde enthaltene Vermögensauseinandersetzung bzw. -übertragung sofort vollzogen werden und unabhängig vom weiteren Bestand der Ehe oder der Durchführung der Scheidung sein.A51 2. Kosten, Abschriften Unbeschadet der gesetzlichen Kostenhaftung tragen wir die Kosten dieser Urkunde und deren Vollzuges im Grundbuch je zur Hälfte. Eine etwaige Erwerbssteuer trägt der Erwerber.A52 Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen: das zuständige Amtsgericht – Grundbuchamt –, jeder Vertragsteil, Beglaubigte Abschriften: die Gläubigerbank zur Genehmigung der Schuldhaftentlassung des Veräußerers, jeder einen Vertragsteil vertretende Rechtsanwalt (auf Anforderung), das zuständige Finanzamt – Schenkungsteuerstelle –, das zuständige Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle –. 3. Hinweise Der Notar hat insbesondere auf Folgendes hingewiesen:A53 – Alle Vereinbarungen müssen richtig und vollständig beurkundet sein. Bei unrichtiger oder unvollständiger Beurkundung kann der ganze Vertrag nichtig sein. – Unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen haften alle Beteiligten für Kosten und Steuern und der Vertragsgrundbesitz für Erschließungskosten und öffentliche Lasten und Abgaben. Unter Umständen haften beide Vertragsteile nach dem Bundesbodenschutzgesetz. – Das Eigentum am Grundbesitz geht auf den Erwerber erst mit Umschreibung im Grundbuch über. Voraussetzung dafür sind das Vorliegen der erforderlichen Genehmigungen und ggf. der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts. – Ein Ehevertrag mit erbrechtlichen Auswirkungen wird im Zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer registriert; dies veranlasst der Notar. – Dieser Vertrag kann steuerliche Auswirkungen haben, insbesondere können Einkommensteuer oder Schenkungsteuer anfallen. Eine Steuerberatung durch den Notar erfolgte nicht. Die Vertragsteile erklären, steuerlich beraten zu sein. – Bei Vorliegen einer Schenkung können sich Auswirkungen auf eventuelle Pflichtteilsansprüche ergeben; Schenkungen haben bei Verarmung des Schenkers unter Umständen keinen Bestand. Vorgelesen vom Notar/von der Notarin,A54 von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben: (es folgen die Unterschriften der Vertragsteile und des Notars)A55, A56
Anmerkungen zu Muster M 34.1 130
A1 Sachverhalt: Die Eheleute S sind jeweils zum zweiten Mal verheiratet, leben jedoch nunmehr voneinander getrennt. Bisher wurde kein Scheidungsantrag gestellt, ob und wann dies erfolgt, ist offen (evtl. noch im nächsten Jahr). Die Vertragsteile wünschen eine umfassende vertragliche Vereinbarung vor folgendem Hintergrund:
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Siegler
M 34.1
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 135 Kap. 34
Die Eheleute S haben sich über die Verteilung ihrer Haushaltsgegenstände bereits geeinigt und bei der Anschaffung von größeren Vermögensgegenständen bereits weitgehend eine alleinige Anschaffung durch einen Ehegatten praktiziert. Lediglich das Einfamilienwohnhaus, in dem nach der Trennung nur noch die Ehefrau lebt, wurde in Miteigentum je zur Hälfte erworben. Auf diesem lasten noch Verbindlichkeiten, die von beiden gemeinsam aufgenommen wurden. Das Haus soll von der Ehefrau gegen alleinige Übernahme der Schulden übernommen werden. Beide Ehegatten waren und sind voll erwerbstätig und stehen finanziell auf eigenen Beinen. Sie verdienen fast gleich, es besteht kein strukturelles oder sonstiges Ungleichgewicht. Kein Ehegatte möchte einen Ausgleich oder Zahlungen an den anderen leisten, sondern sein Einkommen, sein Vermögen und seine Rentenanwartschaften, die er selbst erwirtschaftet hat, ohne Ausgleich behalten. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. A2 Möglichkeit zum Abschluss eines Ehevertrages: Gemäß § 1408 BGB können die Ehegatten durch einen Ehevertrag ihre güterrechtlichen Verhältnisse regeln, insbesondere nach Eingehung der Ehe den Güterstand aufheben oder ändern, und durch ausdrückliche Vereinbarung auch den Versorgungsausgleich ausschließen. Auch Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen sind als Ehevertrag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verstehen, vgl. hierzu Rz. 3 ff. Entgegen der Überschrift von § 1408 BGB ist die Vertragsfreiheit im Bereich von Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung stark eingeschränkt worden, insbesondere soweit Kernbereiche des Scheidungsfolgenrechts betroffen sind, vgl. hierzu ausführlich unter Rz. 112 ff.
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A3 Form eines Ehevertrages: Gemäß § 1410 BGB muss der Ehevertrag bei gleichzeitiger 132 Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden. Damit scheiden eine reine Unterschriftsbeglaubigung und der Abschluss eines Ehevertrages durch Angebot und Annahme aus. Theoretisch nicht ausgeschlossen ist, dass sich einer der Ehegatten beim Abschluss eines Ehevertrages nach den dafür geltenden allgemeinen Regeln vertreten lässt. Im Lichte der notariellen Berufspflichten gemäß § 17 BeurkG und im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen, die auch einer Parität bei Verhandlung und Abschluss des Vertrages eine besondere Bedeutung beimisst, dürfte dies jedoch in der Praxis ein nur im Ausnahmefall gangbarer Weg sein. Vgl. hierzu auch Rz. 112 ff., 121. Für Eheverträge beschränkt Geschäftsfähiger und Geschäftsunfähiger enthält § 1411 BGB nähere Regelungen. A4 Identifizierung der Beteiligten: Die Pflicht des beurkundenden Notars, sich über die 133 Person der Erschienenen Gewissheit zu verschaffen, ergibt sich berufsrechtlich bereits aus §§ 10 Abs. 2 BeurkG, 26 Abs. 1 Satz 1 DONot. Die verschärften Identifizierungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nach dem Geldwäschegesetz werden bei Scheidungsfolgenvereinbarungen in den seltensten Fällen relevant: Rein familienrechtliche Angelegenheiten führen nicht zur Eröffnung des Anwendungsbereichs, vgl. Anwendungsempfehlungen der Bundesnotarkammer zum Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG), Stand: Juli 2013, unter C. I. 2. A5 Grundbucheinsicht: Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BeurkG soll der Notar nur nach Unterrichtung über den Inhalt des Grundbuchs beurkunden.
134
A6 Anzeige- und Registrierungspflichten: Um die Anzeige- und Registrierungspflichten gemäß §§ 20 Abs. 2 DONot, 34a BeurkG und 78b BNotO erfüllen zu können, empfiehlt es
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Siegler 773
Kap. 34 Rz. 136
Vergleichsvereinbarungen
M 34.1
sich, in der Urkunde die Abstammungsdaten der Ehegatten mit Geburtsort, Geburtsstandesamt und Geburtenregisternummer aufzunehmen. In das Zentrale Testamentsregister werden Verwahrangaben für alle erbfolgerelevanten Urkunden aufgenommen. Erbfolgerelevante Urkunden sind gem. § 78b Abs. 2 BNotO Testamente, Erbverträge und alle Urkunden mit Erklärungen, welche die Erbfolge beeinflussen können, insbesondere Aufhebungsverträge, Rücktritts- und Anfechtungserklärungen, Erb- und Zuwendungsverzichtsverträge, Ehe- und Lebenspartnerschaftsverträge und Rechtswahlen. 136
A7 Bedeutung der Staatsangehörigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts der Vertragsteile: Sind nicht beide Ehegatten deutsche Staatsangehörige, sondern einer oder beide (auch) ausländische Staatsangehörige oder hat einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, muss zunächst die Frage der Anwendbarkeit deutschen Rechts geprüft werden. Es gehört nicht zu den Amtspflichten eines deutschen Notars, ausländisches Recht zu kennen. Zum deutschen Recht gehören aber ggf. bestehende bilaterale Abkommen und vor allem das im EGBGB kodifizierte deutsche internationale Privatrecht. Vgl. hierzu Rz. 128 f.
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A8 Aufnahme der persönlichen Verhältnisse in den Vertrag: Ob und wie ausführlich die Tatsachengrundlagen der Vereinbarungen in die Urkunde selbst aufgenommen werden, ist letztlich dem jeweiligen Vertragsgestalter und den Beteiligten anheimgestellt. Der tatsächlichen Ermittlung der persönlichen Verhältnisse als Grundlage sachgerechter Vertragsgestaltung ist speziell der Notar ohnehin nie enthoben, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG. Durch die Aufnahme der Verhältnisse kann ggf. dem Wunsch vieler (Familien-)Richter an Notare und notarielle Urkunden Rechnung getragen werden, eine etwaige spätere Vertragsauslegung oder -anpassung (z.B. nach § 323a ZPO) zu erleichtern. Auch im Rahmen einer evtl. richterlichen Inhaltskontrolle der Vereinbarung kann sich die Angabe der Grundlagen der Vereinbarung als sinnvoll erweisen.
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A9 Hinweis auf mögliche richterliche Inhaltskontrolle: Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass auch Scheidungsfolgenvereinbarungen der zweistufigen richterlichen Inhaltskontrolle unter Heranziehung der Kernbereichslehre unterliegen. Vorsorglich sollte der Vertragsgestalter die Vertragsteile in Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen immer auf die der umfassenden Vertragsfreiheit entgegenstehende richterliche Inhaltskontrolle hinweisen. Zu dieser vgl. ausführlich Rz. 112 ff.
139
A10 Übertragung von Grundbesitz: Vertiefende Anmerkungen zu den Formulierungen für die Grundbesitzübertragung würden den Rahmen dieses Buchs sprengen. Hierzu existiert umfangreiche Spezialliteratur, vgl. bspw. Gebele/Feick in Hoffmann-Becking/Gebele, Beck’sches Formularbuch, Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 12. Aufl. 2016, III. B. (Immobilienrecht) und C. (Schenkung).
140
A11 Eigentumsumschreibung erst nach Schuldhaftentlassung: Um den veräußernden Ehegatten abzusichern, werden in der Regel vertragliche Absicherungen vorgesehen, wonach die Eigentumsumschreibung auf den anderen Ehegatten erst erfolgt, wenn der Veräußerer aus der persönlichen Schuldhaft für die auf dem Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten entlassen und die Schuldübernahme genehmigt ist. Hier wurde die in Bayern häufig praktizierte sog. Bewilligungslösung gewählt, in der die Bewilligung nicht bereits in der Urkunde von den Beteiligten, sondern später vom Notar aufgrund der erteilten Vollmacht erklärt wird. Denkbar sind auch die übrigen, in der allgemeinen Gestaltung von Immobiliarverträgen diskutierten Sicherungen – bspw. die vorerst auszugsweise Ausfertigung der Urkunde (ohne Auflassung).
141
A12 Verzicht auf die Eintragung einer Eigentumsvormerkung: Der Verzicht auf die Eintragung einer Eigentumsvormerkung darf nicht als allgemeine Gestaltungsempfehlung 774
Siegler
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 146 Kap. 34
missverstanden werden. Angesichts deren Bedeutung zur Absicherung des erwerbenden Eheteils bedarf dies besonderer Erörterung mit den Vertragsteilen. A13 Kein vertragliches Rückforderungsrecht: Im Rahmen sog. unbenannter Zuwendungen unter Ehegatten (etwa zur haftungsgünstigen Vermögensverteilung) ist häufig der Vorbehalt eines vertraglichen Rückforderungsrechts für den Fall des Scheiterns der Ehe gewünscht, mit Hilfe dessen die gegenständliche Rückübertragung erreicht werden kann. Vorliegend will die Vereinbarung aber – gerade für den Fall der Ehescheidung – eine endgültige dingliche Zuweisung des Grundbesitzes erreichen. Der Vertragstext selbst muss natürlich nicht ausweisen, dass die Parteien kein vertragliches Rückforderungsrecht wünschen – dies dient hier nur der Klarstellung der Endgültigkeit.
142
A14 Entlassung aus der persönlichen Haftung: Üblicherweise wird in der Grundschuldbestellungsurkunde vom Darlehensschuldner eine abstrakte persönliche Haftung übernommen. Vorsorglich sollte von der Bank nicht nur die Genehmigung zur Entlassung des Veräußerers aus dem Darlehensvertrag, sondern auch aus einem solchen Schuldanerkenntnis bzw. einer Garantie erwirkt werden.
143
A15 Genehmigung zur Schuldübernahme und Schuldhaftentlassung des Veräußerers: 144 Nach allgemeinem Schuldrecht ist zur Schuldhaftentlassung des Veräußerers mit Wirkung im Außenverhältnis die Genehmigung des Gläubigers erforderlich, bis dahin wirkt die Vereinbarung lediglich im Innenverhältnis als Erfüllungsübernahme (§ 415 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Zustimmung des Gläubigers (Genehmigung gemäß § 184 BGB oder Einwilligung gemäß § 183 BGB, vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 415 Rz. 3) bedarf keiner Form, vgl. § 182 Abs. 2 BGB. Vorliegend wurde zur Absicherung des veräußernden Ehegatten das Vorliegen einer schriftlichen Genehmigung zur besonderen Voraussetzung der Eigentumsumschreibung gemacht (vgl. Anm. A11 [Rz. 140]). Es ist dringend zu empfehlen, dass die Vertragsteile vor Beurkundung mit der Gläubigerbank die Genehmigungsfähigkeit ihrer Vereinbarungen absprechen, u.U. auch die Zustimmung bereits im Vorfeld einholen. So können schon im Vorfeld spätere Vollzugshindernisse ausgeräumt werden. Teilt die Bank negativ mit, eine Schuldhaftentlassung des Veräußerers komme nicht oder nur gegen Ablöse eines Teils der Verbindlichkeiten in Betracht, müssen mit den Beteiligten alternative Gestaltungen und ggf. Sicherungsmöglichkeiten (z.B. die Eintragung einer Höchstbetragshypothek) besprochen und ggf. in den Vertrag aufgenommen werden. Ob es sich dogmatisch um eine „echte“ Schuldübernahme handelt, wenn der bisherige Gesamtschuldner die Schuld zur alleinigen Tilgung und Verzinsung „übernimmt“, sei dahingestellt. Maßgeblich ist die Schuldhaftentlassung des veräußernden Ehegatten und die Klärung etwaiger Ansprüche aus dem Gesamtschuldnerausgleich (die mit der „Übernahme“ jedenfalls für Zukunft abbedungen sind, für die Vergangenheit vgl. Anm. A19 [Rz. 148] und Ziff. III.1.a. des Vertrages). A16 Bestehen von Mietverhältnissen, Räumung, Zwangsvollstreckungsunterwerfung: 145 Wegen §§ 566, 566a BGB sollte stets geklärt werden, ob der Vertragsgegenstand ganz oder teilweise vermietet ist und an wen ggf. eine Mietersicherheit gestellt wurde. § 566 BGB ist auch bei der Veräußerung durch einen (mit-)vermietenden Miteigentümer und bei (teil-)entgeltlichen Veräußerungen anwendbar (vgl. Weidenkaff in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 566 Rz. 7, 8). Ist der Grundbesitz noch ganz oder teilweise durch den veräußernden Ehegatten zu räumen, empfiehlt sich die Aufnahme einer Räumungsverpflichtung (ggf. mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung). A17 Erschließungskosten: Die gesetzliche Regelung des § 436 Abs. 1 BGB, die für die Ver- 146 teilung von Erschließungs- und sonstigen Anliegerbeiträgen auf den bautechnischen Beginn Siegler 775
Kap. 34 Rz. 147
Vergleichsvereinbarungen
M 34.1
abstellt, wird allgemein für verfehlt gehalten, insbesondere wegen der Schwierigkeit, diesen Zeitpunkt exakt zu bestimmen (vgl. Weidenkaff in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 436 Rz. 8). Häufig wird deshalb die sog. Bescheidslösung gewählt, die auf den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids abstellt. Waren bisher nicht – wie hier – Veräußerer und Erwerber Miteigentümer des Grundbesitzes, können sich zum Schutz eines Käufers bzw. Erwerbers vor Aufwand aus der Vergangenheit besondere Verkäufergarantien empfehlen (vgl. Amann/ Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, 2. Aufl. 2003, 141 ff. [469]; Grziwotz in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, A.I. Rz. 377 ff.). 147
A18 Rechte und Ansprüche wegen Mängeln: Regelmäßig werden in dieser Konstellation keine besonderen Garantien des Veräußerers nötig sein: Der Erwerber bewohnt das Haus bereits alleine und wird es deshalb eher besser kennen als der Veräußerer (vgl. die Alternativformulierungen mit und ohne Garantien unter Ziff. II.7.b. des Vertrages). Vorliegend wird davon ausgegangen, dass es sich um eine einmalige private Veräußerung zur Vermögensauseinandersetzung unter den Ehegatten handelt und deshalb die bei einem Verbrauchervertrag bzw. einem Verbrauchsgüterkauf zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und Schranken (insbesondere gemäß §§ 309 Nr. 7 a) und b), 475 Abs. 1 BGB) nicht berücksichtigt werden müssen (vgl. hierzu ausführlich Amann/Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, 2. Aufl. 2002, 459 ff.; Krauß in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, A.I. Rz. 704 ff.).
148
A19 Gesamtschuldnerausgleich: Zum Gesamtschuldnerausgleich unter den Ehegatten vgl. unter Rz. 77 mit Erläuterung in Fn. 2.
149
A20 Aufnahme von Hinweisen in die Urkunde: Ob und welche Hinweise in den Urkundstext selbst aufgenommen werden, bleibt dem Vertragsgestalter überlassen. Hierzu existieren unterschiedlichste Ansichten. Fest steht, dass die lapidare Aufnahme in den Text die Belehrung selbst nie ersetzen kann (vgl. Hogl in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, K. Rz. 82B. Er rät dazu, nicht gesetzlich – etwa nach §§ 18, 19 BeurkG – vorgeschriebene Belehrungsvermerke nicht in die Urkunde aufzunehmen. In ungewöhnlichen Fällen kann zu eigenen Beweiszwecken eine schriftliche Niederlegung oder Bestätigung, ggf. auch außerhalb der Urkunde, in Betracht gezogen werden).
150
A21 Wegfall der Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB: Die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft geltenden Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365 und 1369 BGB (Verfügung über das Vermögen im Ganzen bzw. über Gegenstände des ehelichen Haushalts) entfallen im vertraglich vereinbarten Güterstand der Gütertrennung, ohne dass dies gesondert vereinbart werden müsste (vgl. Rz. 21). Wird keine Gütertrennung vereinbart oder der gesetzliche Güterstand nur modifiziert, ist ein isolierter Ausschluss der Verfügungsbeschränkungen möglich.
151
A22 Kein Zugewinnausgleich bei Scheidung oder Tod: Die Vereinbarung der Gütertrennung hat nicht nur Auswirkungen im Fall der Scheidung, sondern auch für den Fall, dass einer der Ehegatten verstirbt (vgl. Rz. 18 f.). In der Regel wird dies im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung so auch gewünscht sein und eine bloße Modifizierung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft (etwa der Ausschluss des Zugewinnausgleichs bei Beendigung der Ehe anders als durch den Tod eines Ehegatten) nicht in Betracht kommen. Der Wegfall der pauschalen Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel gemäß §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB und die damit einhergehende Verschiebung der Erb- und Pflichtteilsquoten kann jedoch im Einzelfall auch bei nicht intakter Ehe gegen die Vereinbarung der Gütertrennung sprechen – etwa wenn keinesfalls nichteheliche Kinder begünstigt werden sollen.
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Siegler
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 156 Kap. 34
A23 Wegfall der Privilegierung des § 5 ErbStG: Gemäß § 5 Abs. 1 ErbStG bleibt beim 152 Tod eines Ehegatten der erbrechtliche Zugewinnausgleich in Höhe des Betrages, den der überlebende Ehegatte als Ausgleichsforderung nach § 1371 Abs. 2 BGB geltend machen könnte, von der Erbschaftsteuer befreit. Bei der Gütertrennung entfällt dieses Privileg der Zugewinngemeinschaft und können sich gerade bei größerem Vermögen erbschaftsteuerliche Nachteile ergeben. Diese sind allerdings akzeptabel, wenn – wie bei Scheidungsfolgenvereinbarungen üblich – ohnehin das Erbrecht des anderen Ehegatten ausgeschlossen werden soll. Jedenfalls im Regelfall wird hier die Modifizierung keine echte Gestaltungsalternative darstellen. A24 Schuldenhaftung; Motive für die Vereinbarung der Gütertrennung: Fehlvorstellun- 153 gen über die Konsequenzen des gesetzlichen Güterstands im Vergleich insbesondere zur Gütertrennung begegnen einem in der rechtsberatenden Praxis häufig. Als Beweggrund für die gewünschte Vereinbarung der Gütertrennung wird oft fälschlich der Ausschluss der Haftung für die Schulden des anderen Ehegatten und die gegenständliche Vermögenstrennung genannt (vgl. Rz. 9). Bei Scheidungsfolgenvereinbarungen wird dagegen regelmäßig die Vermeidung der gerichtlichen Auseinandersetzung über einen etwaigen Zugewinnausgleich im Vordergrund stehen: Mit der Vereinbarung von Gütertrennung und dem Verzicht auf etwaige Zugewinnausgleichsansprüche für die Vergangenheit stehen keine güterrechtlichen Ausgleichsansprüche mehr im Raum – das gesetzliche Verfahren zu deren Ermittlung ist somit bei Scheidung nicht mehr durchzuführen. Bestehen gemeinsame Verbindlichkeiten, führt die nur güterrechtliche Regelung folgerichtig nicht zu einer automatischen Enthaftung der oder eines Ehegatten. Deshalb ist in der Scheidungsfolgenvereinbarung stets das eventuelle Bestehen gemeinsamer Verbindlichkeiten oder Haftungen zu klären und ggf. eine entsprechende Regelung zu treffen. A25 Anfechtung güterrechtlicher Vereinbarungen: Eheverträge unterliegen grundsätz- 154 lich wie alle Rechtsgeschäfte der möglichen Anfechtung durch Gläubiger bzw. den Insolvenzverwalter (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2010 – IX ZR 58/09, MDR 2010, 1347 = NZI 2010, 738 = BB 2010, 1993 = FamRB 2011, 51 = NotBZ 2011, 96 m. Anm. Suppliet). Die Tatbestände ergeben sich aus §§ 129 ff. InsO und 3 ff. AnfG und sind nicht beschränkt auf Rechtshandlungen mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung. Wegen der unterschiedlichen Fristen sollte bei Zuwendungen bzw. Übertragungen stets deren (Un-) Entgeltlichkeit klargestellt werden. A26 Das Güterrechtsregister: Lediglich in bestimmten, praktisch seltenen Fällen ist die 155 Eintragung in das bei den Amtsgerichten geführte Güterrechtsregister zu empfehlen, so etwa bei der Beschränkung oder dem Ausschluss des Rechts eines Ehegatten, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen (§ 1357 Abs. 2 Satz 2 BGB). § 1357 Abs. 1 BGB gilt jedoch gemäß Abs. 3 derselben Vorschrift nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben. Eine solche Vereinbarung wird deshalb regelmäßig nicht (mehr) Gegenstand einer Scheidungsfolgenvereinbarung sein. Wirksamkeitsvoraussetzung für die Gütertrennung ist die Eintragung in das Güterrechtsregister nicht. Da die Eintragung in dem frei einsehbaren Register hier also nicht erforderlich, aber kostenpflichtig ist, entfaltet sie in der Praxis keinerlei Bedeutung (vgl. Rz. 27). A27 Zuwendungen unter Ehegatten: Probleme bereiten beim Scheitern der Ehe häufig 156 Zuwendungen unter den Ehegatten oder von (Schwieger-)Eltern. Sind solche erfolgt, kann sich eine gesonderte Regelung empfehlen. Sind noch unentgeltliche Zuwendungen unter den Ehegatten zu erwarten (was im Stadium der Krise allerdings nicht der Regelfall sein wird), kann auch zusätzlich klargestellt werden, Siegler 777
Kap. 34 Rz. 157
Vergleichsvereinbarungen
M 34.1
dass künftige unentgeltliche Zuwendungen nur zurückgefordert werden können, wenn dies ausdrücklich vorbehalten wird. 157
A28 Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses: Zu Beweiszwecken kann es sinnvoll sein, die Eigentumsverhältnisse zumindest bezüglich wesentlicher Vermögensgegenstände eines jeden Ehegatten in einem Vermögensverzeichnis zu dokumentieren. Während bei intakter Ehe insbesondere in Gütertrennung lebender Ehegatten die sachgerechte Verteilung des beiderseitigen Vermögens und die Eigentumsverhältnisse bei Neuanschaffungen besonderes Augenmerk verdienen, geht es im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung letztlich um die endgültige Vermögensauseinandersetzung. Deshalb sollten ohnehin alle zur Auseinandersetzung anstehenden, ggf. bereits streitigen Vermögenswerte und -verhältnisse aufgegriffen und angesprochen werden. Nur so gelingt eine möglichst umfassende vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten. Hierbei kann ein Vermögensverzeichnis hilfreich sein.
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A29 Ausschluss des Versorgungsausgleichs: Zu den Grundzügen der gesetzlichen Regelung des Versorgungsausgleichs vgl. bereits Rz. 30. Eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich, die vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung (nicht der Rechtskraft der Scheidung!) geschlossen wird, bedarf der notariellen Beurkundung (§ 7 Abs. 1 VersAusglG), vgl. Rz. 53. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs unterliegt im Hinblick auf § 8 Abs. 1 VersAusglG und die Grundsätze der richterlichen Inhaltskontrolle, der sog. Kernbereichslehre und der Rechtsprechung zur Disparität nicht mehr uneingeschränkt der parteiautonomen Entscheidung der Vertragsteile, vgl. ausführlich Rz. 47 ff. und 112 ff.
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A30 Ausschluss der Abänderbarkeit gemäß § 227 FamFG: Bereits zu § 10 Abs. 9 VAHRG a.F. fanden sich diverse Formulierungen zum Ausschluss der gerichtlichen Abänderbarkeit einer Parteivereinbarung. Unter Geltung des nunmehrigen § 227 FamFG, der in Abs. 2 einen Ausschluss der Abänderbarkeit selbst vorsieht, kommt es allerdings ohnehin nicht mehr zu einer Totalrevision: Gemäß § 48 FamFG muss sich die zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich wesentlich geändert haben. Gleichwohl kann sich der Ausschluss der Abänderbarkeit empfehlen, wenn eine solche in keinem Fall gewünscht wird (etwa weil der Ausschluss des Versorgungsausgleichs verknüpft ist mit anderen Vereinbarungen der Urkunde).
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A31 Einholung von Rentenauskünften: Grds. können sichere Aussagen zu der Versorgungssituation beider Ehegatten nur nach Erholung entsprechender Auskünfte getroffen werden. Hierzu ist der Notar jedoch nicht verpflichtet, sondern darf sich auf die Angaben der Beteiligten verlassen. Eine Beurkundung dürfte der Notar ohnehin nur nach Maßgabe von § 4 BeurkG ablehnen. Er hat aber auf die rechtlichen Risiken einer Vereinbarung hinzuweisen. Ob in diesem Rahmen bei nicht geklärten Versicherungsverhältnissen und einem gewünschten Versorgungsausgleichsverzicht grds. ein Hinweis auf die vorherige Einholung von Rentenauskünften angezeigt ist, scheint jedoch zweifelhaft: Ergeben sich keine Indizien für eine mögliche Unwirksamkeit des Ausschlusses, ist auch im gerichtlichen Verfahren keine generelle Einholung von Rentenauskünften erforderlich, vgl. Rz. 47 ff. und Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 8 VersAusglG Rz. 5.
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A32 Aufnahme von Hinweisen in den Vertragstext: Ob und wie ausführlich Hinweise in den Vertragstext selbst aufgenommen werden, ist Geschmackssache, vgl. bereits Anm. A20 [Rz. 149].
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A33 Inhaltskontrolle von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich: Zur Inhalts- und Ausübungskontrolle von Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich, wie sie § 8 Abs. 1 VersAusglG spezialgesetzlich vorsieht, vgl. Rz. 47 ff. und 112 ff. Ob ein vollständiger und 778
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 167 Kap. 34
entschädigungsloser Verzicht auf den Versorgungsausgleich genehmigungsfähig ist, entscheidet sich letztlich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. Rz. 49 f.). Deshalb können sich im Vertragstext hier oder in einer Vorbemerkung Angaben zum Zustandekommen und zur Angemessenheit der Vereinbarung empfehlen (z.B. ein Hinweis auf eine kurze Ehedauer, sonstige in der Urkunde enthaltenen Vereinbarungen, die bestehende Versorgungs- und Vermögenslage etc.). Selbstverständlich kann und ggf. sollte – auch vor diesem Hintergrund und je nach Einzelfall – der Versorgungsausgleich nicht komplett ausgeschlossen, sondern lediglich modifiziert oder teilweise ausgeschlossen werden (vgl. Rz. 50). A34 Formpflicht von Unterhaltsvereinbarungen: Vereinbarungen zum nachehelichen 163 Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung unterliegen dem Formerfordernis des § 1585c Satz 2 BGB, somit dem Erfordernis notarieller Beurkundung. Auch außerhalb dieser Formpflicht wird sich eine Beurkundungspflicht häufig daraus ergeben, dass nicht nur eine isolierte Unterhaltsvereinbarung gewünscht ist, sondern die Unterhaltsvereinbarung im Kontext und Zusammenhang mit anderen, insbesondere güterrechtlichen Vereinbarungen getroffen wird. In diesem Fall besteht unbedingte Formpflicht aller von den Vertragsteilen gewünschten Vereinbarungen, da ansonsten die Unwirksamkeit einzelner Vereinbarungen oder sogar des Gesamtpakets droht. Vgl. ausführlich Rz. 75. A35 Rettungsklausel als Versuch der Unterhaltsbegrenzung bei Unwirksamkeit des teilweisen Unterhaltsverzichts: Die Meinungen über eine solche „Rettungsklausel“ sind höchst unterschiedlich. Teilweise wird ihre Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit ganz bezweifelt, teilweise finden sich unterschiedliche Bezugsgrößen, aus denen sich im Einzelfall erhebliche Unterschiedsbeträge ergeben können. Während dabei die einen auf den notwendigen Unterhalt abstellen, greifen andere als Bezugsgröße auf das zurück, was die Sozialhilfe leisten müsste. Wer sich möglichst nahe an einer gesetzlich definierten Größe halten möchte, kann (wie in der Alternativformulierung vorgesehen), den angemessenen Lebensbedarf des geschiedenen Ehegatten gemäß § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB als dann neue Bezugsgröße vorsehen.
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A36 Aufnahme von Hinweisen in den Vertragstext: Ob und wie ausführlich Hinweise in den Vertragstext selbst aufgenommen werden, ist Geschmackssache, vgl. bereits Anm. A20 (Rz. 149).
165
A37 Mögliche Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverzichts bei drohendem Bezug von Sozi- 166 alleistungen: Zu diesem aus der älteren Rechtsprechung des BGH zu § 138 Abs. 1 BGB stammenden Unwirksamkeitsgrund vgl. Rz. 113. Dabei sollte nicht nur der drohende Bezug von Sozialhilfe i.e.S., sondern – angesichts vergangener und möglicher künftiger Sozialreformen – von Sozialleistungen generell (im Gegensatz zu Versicherungsleistungen, die beitragserkauft sind) angesprochen werden. A38 Vertragsfreiheit versus Inhaltskontrolle: Der Hinweis versucht, die Grundsätze der 167 richterlichen Inhaltskontrolle kurz und anschaulich zusammenzufassen. Besteht bereits bei Vertragsschluss erkennbar Vertragsdisparität oder ist die unangemessene Benachteiligung eines Ehegatten zu befürchten bzw. wird in elementare Kernbereiche des Scheidungsfolgenrechts eingegriffen, kann derzeit ohne besondere Umstände oder Kompensation grundsätzlich kein Totalverzicht für den nachehelichen Unterhalt mehr vereinbart werden. Dabei ist davon auszugehen, dass die von der Rechtsprechung für Eheverträge entwickelten Grundsätze auf Scheidungsfolgenvereinbarungen in grundsätzlich gleicher Weise anwendbar sind. Zum Ganzen, insbesondere der zweistufigen Inhaltskontrolle der Rechtsprechung, der sog. Kernbereichslehre und der Rechtsprechung zur Vertragsdisparität vgl. bereits Rz. 112 ff. Im vorliegenden Fall haben die Ehegatten keine Kinder, so dass der zum Kernbereich zählende Unterhaltstatbestand des § 1570 BGB von vornherein ausscheidet. Wegen des auf Siegler 779
Kap. 34 Rz. 168
Vergleichsvereinbarungen
M 34.1
zweiter Stufe stehenden Unterhalts wegen Alters oder Krankheit (§§ 1571, 1572 BGB) können sich besondere Angaben in der Urkunde empfehlen, dass und weshalb die beiden Ehegatten von einer angemessenen Regelung und beiderseits gesicherten Versorgung ausgehen (vgl. Rz. 112 ff.). 168
A39 Krankenversicherung und Unterhalt: Gemäß § 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB gehören zum Trennungsunterhalt auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, sobald das Scheidungsverfahren rechtshängig wird (vgl. Rz. 57). Mit der Rechtskraft der Scheidung endet die Familienversicherung des Ehepartners in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 10 Abs. 1 SGB V und § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V für das fristgebundene Eintrittsrecht). Soweit ein Rechtsmittelverzicht zur Rechtskraft der Scheidung führt, ist diese versicherungsrechtliche Folge zu bedenken (vgl. Bömelburg in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 4 Rz. 70; Gutdeutsch in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 4 Rz. 901).
169
A40 Verzicht auch auf Notbedarf: Ob und inwieweit der Unterhaltsverzicht auch den Fall der Not umfasst, sollte ggf. klargestellt werden (vgl. Rz. 69).
170
A41 Der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit, § 1569 BGB: Nach einer Ehescheidung hat jeder Ehegatte eigenverantwortlich für sich selbst zu sorgen, § 1569 BGB. Lediglich wenn ein Ehegatte nach der Scheidung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann, hat er gegen den anderen Ehegatten Anspruch auf Unterhalt (ausschließlich) nach den im Gesetz vorgesehenen Unterhaltstatbeständen. Das Recht des nachehelichen Unterhalts hat in diesem Bereich mit der Unterhaltsrechtsreform zum 1.1.2008 durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts v. 21.12.2007 (BGBl. I, 3189) gleichsam eine Kehrtwende erfahren (vgl. Rz. 64).
171
A42 Verzicht auf Trennungsunterhalt: Trennungs- und nachehelicher Unterhalt sind nicht miteinander identisch, weshalb in der Vereinbarung immer stringent zwischen diesen Unterhaltsarten unterschieden werden sollte. Ein Verzicht auf Unterhalt im Voraus ist für Ehegatten-, somit auch für Trennungsunterhalt, unwirksam. Von der Rechtsprechung wird lediglich eine vergleichsweise Vereinbarung im Rahmen einer gewissen Bandbreite akzeptiert (vgl. Rz. 61). Ob vor diesem Hintergrund Erklärungen der Ehegatten sinnvoll sind, sie seien nach jetzigem Stand nicht unterhaltsbedürftig, wurde stets kontrovers diskutiert (vgl. Rz. 62), jedenfalls ist von jedem Versuch einer Umgehung des Verbots eines Verzichts auf Trennungsunterhalt für die Zukunft, auch in Form eines (unzulässigen) pactum de non petendo, abzuraten. Der Trennungsunterhalt unterscheidet sich jedoch nicht nur im Hinblick auf die Abdingbarkeit vom nachehelichen Unterhalt. Sowohl die Erwerbsobliegenheit (§ 1361 Abs. 2 BGB) als auch die Berücksichtigung sog. Wohnvorteile oder des Vermögensstamms werden dort anders als im nachehelichen Unterhaltsrecht behandelt (Einzelheiten vgl. unter Rz. 59).
172
A43 Unterhaltsrückstände: Dass keine Unterhaltsrückstände bestehen, muss nicht in den Vertragstext aufgenommen werden. Ein Verzicht auf Rückstände für die Vergangenheit ist von dem Verbot des § 1614 Abs. 1 BGB jedoch nicht erfasst, so dass sich ggf. eine Vereinbarung anbietet (vgl. Rz. 60).
173
A44 Einigung über Haushaltsgegenstände und die Ehewohnung: Zu möglichen Vereinbarungen in diesem Bereich und den ansonsten, im Fall einer Nichteinigung, geltenden gesetzlichen Regelungen vgl. bereits Rz. 80 und Rz. 78 f.
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Siegler
M 34.1
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 178 Kap. 34
A45 Gemeinsame Verfügungen von Todes wegen: Eine Angabe im Vertrag, dass keine ge- 174 meinsamen Verfügungen bestehen, ist nicht erforderlich. Es sollte jedoch erforscht werden, ob gemeinsame Verfügungen von Todes wegen bestehen. Wegen der gesetzlichen Einsatzzeitpunkte für die Unwirksamkeit und die mögliche Auslegungsbedürftigkeit, wenn Regelungen hierzu in der Verfügung selbst fehlen, kann sich eine ausdrückliche Aufhebung empfehlen – insbesondere, wenn wie hier nicht feststeht, ob und wann Scheidungsantrag gestellt wird (vgl. Rz. 83). Bei den Notaren ergibt sich diese Pflicht zur Vermeidung von Zweifeln in der Urkunde wohl bereits aus deren allgemeinen Amtspflichten, vgl. Rz. 83. A46 Erb- und Pflichtteilsverzicht: Auch wenn keine gemeinsamen Verfügungen von To- 175 des wegen existieren, besteht u.U. Regelungsbedarf. Gemäß §§ 2077, 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB scheidet der Ehegatte erst zu dem dort genannten Zeitpunkt aus der gesetzlichen Erbfolge und dem Kreis der Pflichtteilsberechtigen aus. Häufig wird deshalb zumindest ein Pflichtteilsverzicht, ggf. auch ein umfassender Erbverzicht (mit zu bedenkender Verschiebung der Erbquoten) gewünscht sein. Beide bedürfen eines notariell beurkundeten Vertrages, den der Erblasser nur persönlich schließen kann (§§ 2348, 2347 Abs. 2, 2346 Abs. 2 BGB). Näher vgl. Rz. 85 ff. A47 Unterhaltsanspruch gegen den Erben, insbesondere nach § 1586b BGB: Der Erb- 176 und Pflichtteilsverzicht lässt eine etwaige Unterhaltslast des Erben wohl entfallen (§§ 1933 Satz 3, 1586b BGB). Einzelheiten sind jedoch stark umstritten, vgl. Rz. 87. Deshalb empfiehlt sich eine Klarstellung: Die Vertragsteile können entweder die etwaigen unterhaltsrechtlichen Folgen von Erb- und Pflichtteilsverzichten suspendieren. Dies kann sachgerecht sein, wenn die Ehegatten lediglich den Einsatzzeitpunkt des Wegfalls des gesetzlichen Ehegattenerb- und -pflichtteilsrechts vorverlagern, aber keine unterhaltsrechtlichen Konsequenzen herbeiführen wollen. Oder aber diese sind durchaus erwünscht – besonders, wenn wie hier in der Urkunde ein Unterhaltsverzicht vereinbart ist. A48 Verpflichtung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung: Besteht die häusliche 177 Gemeinschaft, können sich die Ehegatten steuerrechtlich gemeinsam veranlagen lassen, was durch die Ermittlung des Einkommensteuertarifs im Splittingverfahren regelmäßig zu einer niedrigeren Gesamtsteuerbelastung der Ehegatten führt. Hier wurde die sich grds. aus § 242 BGB ergebende Treuepflicht der Ehegatten zur Mitwirkung an der steuergünstigsten Veranlagung konkretisiert (vgl. hierzu bereits Rz. 111). Bei dauerndem Getrenntleben oder nach Scheidung bzw. im Jahr der Rechtskraft der Scheidung nach Ablauf des Trennungsjahrs ist eine gemeinsame Veranlagung gem. § 26 EStG nicht mehr möglich, was bei der Wahl der Veranlagungszeiträume (= Kalenderjahr, § 25 Abs. 1 EStG) in der Vereinbarung berücksichtigt werden muss. Allerdings ist der Begriff des Getrenntlebens im Steuerrecht nicht identisch mit der in § 1567 BGB enthaltenen Definition des Getrenntlebens der Ehegatten (vgl. Rz. 57). A49 Kosten des Scheidungsverfahrens: Die gesetzliche Regelung des § 150 Abs. 1 FamFG 178 sieht für die Kostentragung des Scheidungsverfahrens den Grundsatz der Kostenaufhebung vor. Dies hat zur Folge, dass die Gerichtskosten geteilt werden und jede Partei ihre außergerichtlichen, insbesondere Rechtsanwaltskosten selbst trägt. Existiert eine Kostenvereinbarung, soll das Gericht sie ganz oder teilweise der Kostenentscheidung zugrunde legen, § 150 Abs. 4 Satz 3 FamFG. Die hier getroffene Kostenvereinbarung will bewirken, dass bei Mandatierung lediglich eines Anwalts (und nicht dem Anwaltszwang unterliegender Zustimmung des anderen Ehegatten, der dann jedoch keinen eigenen Scheidungsantrag stellen kann, vgl. Hamm in Beck’sche Online-Formulare Prozess, 26. Edition 2016, Stand: 1.1.2016, Form. 7.1.1, Anm. 3) dessen Kosten geteilt werden – unabhängig davon, wer diesen Rechtsanwalt formal beauftragt Siegler 781
Kap. 34 Rz. 179
Vergleichsvereinbarungen
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hat. Wird das Scheidungsverfahren entgegen der Erwartung der Vertragsteile doch mit zwei Anwälten durchgeführt, trägt jeder Ehegatte die Kosten des von ihm mandatierten Rechtsanwalts selbst. Soweit das Gericht der Vereinbarung nicht folgt, bestehen entsprechende Kostenerstattungsansprüche. 179
A50 Salvatorische Klausel, § 139 BGB: In jedem Ehevertrag und jeder Scheidungsfolgenvereinbarung, die aus mehreren Einzelvereinbarungen besteht, sollte klargestellt werden, was im Fall einer (Teil-) Unwirksamkeit für die übrigen Bestimmungen des Vertrages gelten soll. Dabei darf eine salvatorische Klausel jedoch gerade in Scheidungsfolgenvereinbarungen nicht unbedacht eingesetzt werden: Bildet der Vertrag nach der Vorstellung der Ehegatten ein Gesamtpaket, welches unter gegenseitigem Nachgeben geschnürt wurde, entspricht es u.U. ganz und gar nicht dem Willen der Beteiligten, wenn der Vertrag im Übrigen gleichwohl wirksam ist. Insbesondere deshalb muss mit den Vertragsteilen erörtert werden, welche Vereinbarungen nach deren Vorstellungen in einem inneren Zusammenhang stehen und was bei Unwirksamkeit einer der Regelungen gelten soll. Die salvatorische Klausel ist keine bloße „Formalie“! Zudem wurde und wird kontrovers diskutiert, welche Wirkung eine salvatorische Klausel in einem Ehevertrag oder einer Scheidungsfolgenvereinbarung überhaupt entfalten kann. Der BGH scheint derzeit gewillt, keine Gesamtnichtigkeit eines teilweise nichtigen Ehevertrages anzunehmen, wenn eine salvatorische Klausel vereinbart wurde und sich keine ungleiche Verhandlungsposition feststellen lässt (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2012 – XII ZR 48/11, DNotZ 2013, 376 = FamRZ 2013, 269 = MDR 2013, 224 = NotBZ 2013, 105 m. Anm. Krause = FamRB 2013, 69).
180
A51 Geltungsklausel: Soweit die Vereinbarungen nicht zwangsläufig an die Ehescheidung anknüpfen und nur bei tatsächlicher Scheidung Wirkung entfalten (wie etwa die Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt), gelten diese sofort und unabhängig von einer konkreten Scheidungsabsicht oder Trennung der Ehegatten. Den Ehegatten ist zu verdeutlichen, dass der vor dem Notar geschlossene Vertrag nicht einfach folgenlos entfällt, wenn sie ihre Trennungs- oder Scheidungsabsicht wieder aufgeben sollten. Soweit vereinbart, bleibt es vielmehr beim Güterstand der Gütertrennung und besteht ab Vertragsschluss kein Erbund Pflichtteilsrecht mehr. Entspricht dies nicht dem Willen der Ehegatten, müssen sie entweder später wiederum Vereinbarungen treffen (etwa zum Güterstand der Zugewinngemeinschaft zurückkehren, zu den steuerlichen Folgen insbesondere im Hinblick auf § 5 ErbStG vgl. BFH, Urt. v. 12.7.2005 – II R 29/02, RNotZ 2005, 623 = ZEV 2005, 490 = ZErb 2005, 419 = NJW 2005, 3663, unter grundsätzlicher Anerkennung der „Güterstandsschaukel“, vgl. auch Rz. 181) oder entsprechende Bedingungen etc. in den ursprünglichen Vertrag aufnehmen. In der Praxis sind allerdings im Regelfall die getroffenen Vereinbarungen als endgültig gewünscht. Dies sollte besonders dann festgehalten werden, wenn in der Urkunde (wie hier) Vermögensübertragungen vorgenommen werden. Ansonsten könnte Unklarheit darüber entstehen, wann diese vollzogen werden sollen.
181
A52 Kostentragung; Steuern: Die gesetzliche Kostenhaftung für die Beurkundungskosten sieht eine im Außenverhältnis gesamtschuldnerische Kostenhaftung vor, §§ 29 ff., 32 Abs. 2 GNotKG. Zu den möglichen steuerlichen Folgen der Urkunde, insbesondere im Hinblick auf die Übertragung eines Hälftemiteigentumsanteils Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 4161 ff. Grundsätzlich kommt der Anfall von Grunderwerb- oder Schenkungsteuer, seitens des Veräußerers der Anfall von Ertrag- bzw. Einkommensteuer in Betracht.
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Siegler
M 34.1
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 185 Kap. 34
§ 3 Nr. 4 GrEStG befreit allerdings die Übertragung unter Ehegatten von der Grunderwerbsteuerpflicht, gemäß § 3 Nr. 5 GrEStG gilt dies auch bei einem Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung. Eine Schenkung unter Ehegatten unterliegt grundsätzlich der Schenkungsteuer, § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Der Anfall von Schenkungsteuer setzt jedoch eine über dem derzeitigen Freibetrag von 500000 Euro liegende Zuwendung voraus (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Besondere Steuerfreistellungen enthalten ggf. § 13 Abs. 1 Nr. 4a) ErbStG (steuerfreie Übertragung des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Familienwohnheims) und § 5 Abs. 2 ErbStG (Steuerfreiheit der Zugewinnausgleichsforderung). Zur Anerkennung der „Güterstandsschaukel“ im Schenkungsteuerrecht vgl. BFH, Urt. v. 12.7.2005 – II R 29/02, RNotZ 2005, 623 = ZEV 2005, 490 = ZErb 2005, 419 = NJW 2005, 3663, jedoch nicht ohne Güterstandswechsel als „fliegender Zugewinnausgleich“, vgl. BFH, Urt. v. 24.8.2005 – II R 28/02, DNotI-Report 2006, 18. Beim übertragenden Ehegatten ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu beachten, der zur Besteuerung eines Veräußerungsgewinns führen kann – insbesondere, wenn der übertragende Ehegatte das Anwesen bereits nicht mehr selbst bewohnt. Es können sich durch eine Scheidungsfolgenvereinbarung, insbesondere bei Übertragung von Grundbesitz, erhebliche steuerliche Auswirkungen ergeben. Die steuerrechtliche Begleitung jeder Scheidungsfolgenvereinbarung kann deshalb nur dringend empfohlen werden. Steuerliche Anzeigepflichten des Notars ergeben sich insbesondere aus §§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG, 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 ErbStG. A53 Hinweise: Ob und welche Hinweise in die Urkunde aufgenommen werden sollen, 182 handhabt jeder Notar unterschiedlich (vgl. bereits Anm. A20 [Rz. 149]). Maßgebend bleibt stets, dass der Notar seine v.a. aus § 17 BeurkG resultierenden Pflichten erfüllt hat. Zu den allgemeinen Hinweisen im Hinblick auf die in der Urkunde enthaltene Grundbesitzübertragung vgl. bspw. Gebele in Hoffmann-Becking/Gebele, Beck’sches Formularbuch, Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 12. Aufl. 2016, III. B.1. unter Ziff. III. § 2 mit Erläuterungen. A54 Männliche und weibliche Bezeichnungen in der Urkunde: Selbstverständlich kann auch in der vertraglichen Vereinbarung selbst stets die weibliche Form gewählt werden („Erwerberin“ etc.). Hierauf wurde vorliegend lediglich der Einfachheit halber verzichtet. Irgendeine (diskriminierende) Aussage ist damit nicht verbunden.
183
A55 Anforderungen an eine Unterschrift: An eine Unterschrift sind bestimmte Grundanforderungen zu stellen. Da nach § 13 BeurkG die Unterschrift in Gegenwart des Notars erfolgen muss, sollen jedoch die von der Rechtsprechung für den gerichtlichen Bereich aufgestellten relativ strengen Anforderungen bei notariellen Urkunden nicht gelten (vgl. zum Ganzen Bernhard in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, G. Rz. 210; Heinemann, Nochmals: Zu den Anforderungen an die Unterschrift der Beteiligten in der notariellen Niederschrift, DNotZ 2003, 243).
184
A56 Kosten: Die Notarkosten sind in dem Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (Gerichts- und Notarkostengesetz – GNotKG) festgelegt, das mit seinem Inkrafttreten seit 1.8.2013 die bisherige Kostenordnung (KostO) ersetzt hat. Ausdrücklich erwähnt sind nur Eheverträge (im Sinne des § 1408 BGB, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG); für Scheidungsfolgenvereinbarungen gelten allerdings kostenrechtlich die gleichen Grundsätze:
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Siegler 783
Kap. 34 Rz. 186
Vergleichsvereinbarungen
M 34.1
– Für den Geschäftswert güterrechtlicher Vereinbarungen ist § 100 GNotKG lex specialis. – Alle getroffenen Vereinbarungen sind zu bewerten. Der Geschäftswert jeder einzelnen Vereinbarung ist dabei zunächst gesondert für sich zu ermitteln. – Stehen einzelne Vereinbarungen in einem Austauschverhältnis, ist nur einmal der höhere Wert zugrunde zu legen (§ 97 Abs. 3 GNotKG). – Güterrechtliche Vereinbarungen im Sinne von § 1408 Abs. 1 BGB bilden gemäß § 111 Nr. 2 GNotKG stets einen besonderen Beurkundungsgegenstand. Dies ist insbesondere zu berücksichtigen, wenn weitere Vereinbarungen der Urkunde eigentlich in einem Austausch- oder Abhängigkeitsverhältnis zu güterrechtlichen Vereinbarungen stehen: Wegen § 111 Nr. 2 GNotKG sind auch Grundbesitzübertragungen zur Abgeltung von Zugewinnausgleichsansprüchen stets gegenstandsverschieden. Ob sodann § 97 Abs. 1 GNotKG (Grundsätze der Bewertung einer Auseinandersetzung) oder § 97 Abs. 3 GNotKG (Vertrag über einen Austausch von Leistungen) anzuwenden ist, hängt vom Einzelfall und der Art der getroffenen Vereinbarung ab. – Gegenstandsverschiedene Vereinbarungen sind zusammenzurechnen (§ 35 Abs. 1 GNotKG), unterliegen sie unterschiedlichen Gebührensätzen, ist eine Vergleichsberechnung durchzuführen (§ 94 Abs. 1 GNotKG). Die gemäß § 46 Abs. 3 KostO a.F. bestehende kostenmäßige Privilegierung der Verbindung eines Ehevertrages mit einem Erbvertrag ist mit dem GNotKG ersatzlos entfallen. Sie war jedoch bereits unter Geltung der KostO für Scheidungsfolgenvereinbarungen wenig bedeutsam. 186
Für die Ermittlung der einzelnen Werte gilt: 1. Der Geschäftswert von Eheverträgen im Sinne des § 1408 BGB, die sich nicht auf Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich beschränken, somit insbesondere güterrechtlicher Vereinbarungen, bemisst sich gemäß § 100 Abs. 1 GNotKG nach der Summe der Werte der gegenwärtigen Vermögen beider Ehegatten. Verbindlichkeiten dürfen dabei bis zur Hälfte dieses Vermögens abgezogen werden (§ 100 Abs. 1 Satz 3 GNotKG), sog. modifiziertes Reinvermögen. Betrifft der Ehevertrag nur das Vermögen eines Ehegatten, ist nur dessen Vermögen maßgebend (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 2 GNotKG). Grundsätzlich sind diese Bewertungsmaßstäbe bei allen güterrechtlichen Vereinbarungen zugrunde zu legen, auch bei Modifikationen des gesetzlichen Güterstands. Betrifft dabei die Modifikation nur bestimmte Vermögenswerte, ist allerdings nur deren Wert maßgebend, höchstens jedoch das sog. modifizierte Reinvermögen (vgl. § 100 Abs. 2 GNotKG). Eine Spezialregelung enthält § 51 Abs. 2 GNotKG: Werden nur die Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB ausgeschlossen, sind 30 % des von der Beschränkung betroffenen Gegenstands als Wert anzunehmen. Wegen § 111 Nr. 2 GNotKG sind Eheverträge im Sinne von § 1408 Abs. 2 BGB stets besondere Beurkundungsgegenstände. Somit sind weitere Vereinbarungen in der Urkunde, auch Grundbesitzübertragungen zur Erfüllung von Zugewinnausgleichsansprüchen, hiervon stets gegenstandsverschieden und als eigener Beurkundungsgegenstand zu behandeln und zu bewerten. Die unter § 44 Abs. 1 KostO a.F. geltende Auffassung, eine Übertragung zur Abgeltung von Zugewinnausgleichsansprüchen sei gegenstandsgleich, ist durch § 111 Nr. 2 GNotKG überholt.
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M 34.1
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 186 Kap. 34
2. Eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich ist, wenn sie mit anderen ehevertraglichen Vereinbarungen in einer Urkunde getroffen wird, von diesen verschiedener Beurkundungsgegenstand (§§ 109 ff. GNotKG). Der Wert der Vereinbarung bemisst sich grundsätzlich nach § 52 GNotKG, somit nach dem kapitalisierten Wert der Ansprüche auf Versorgungsausgleich als wiederkehrende Leistung in diesem Sinne. Fehlen Anhaltspunkte, ist auf § 36 GNotKG zurückzugreifen und der Wert nach billigem Ermessen gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG zu bestimmen. Bestehen auch hierfür keine ausreichenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 36 Abs. 3 GNotKG von einem Geschäftswert von 5000 Euro auszugehen. Bei einem gegenseitigen Verzicht oder einem Verzicht gegen Gegenleistung ist zudem § 97 Abs. 3 GNotKG zu berücksichtigen: Die einzelnen Werte sind zu vergleichen und der höhere maßgebend. 3. Vereinbarungen zum Ehegattenunterhalt betreffen wiederkehrende Ansprüche, so dass sich der Wert der Vereinbarung im Wege der Kapitalisierung nach § 52 GNotKG bestimmt. Ausgehend von dem zu ermittelnden Jahreswert ist eine Kapitalisierung vorzunehmen, die sich bei bestimmter Dauer des Unterhaltsanspruchs nach § 52 Abs. 2 GNotKG, ansonsten nach § 52 Abs. 3 GNotKG (zehnfacher Jahreswert) richtet, in jedem Fall aber durch § 52 Abs. 4 GNotKG beschränkt ist. Steht die Unterhaltsvereinbarung in einem Austauschverhältnis, ist also etwa eine Abfindung des Unterhaltsanspruchs vereinbart oder gegenseitige Unterhaltsverzichte, gilt § 97 Abs. 3 GNotKG: Nur der höhere der zu vergleichenden Werte ist maßgebend. Trennungsunterhalt und nachehelicher Unterhalt sind verschiedene Beurkundungsgegenstände und damit gesondert zu bewerten. Für den Trennungsunterhalt wird dabei regelmäßig ein Zeitfaktor von ein bis zwei Jahren anzunehmen sein (§ 52 Abs. 2 Satz 1 GNotKG). 4. Eine bloß deklaratorische Erklärung der Ehegatten, die Haushaltsgegenstände seien verteilt und es bestehe keine gemeinsame Ehewohnung mehr, löst keine gesonderte Bewertung aus. Werden Vereinbarungen getroffen, ist deren Wert gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dies gilt grundsätzlich auch für sonstige Vereinbarungen, die in der Urkunde enthalten sind. 5. Für den Wert eines Erb- und Pflichtteilsverzichts ist § 102 Abs. 4 GNotKG maßgebend, er bemisst sich somit nach dem entsprechenden Bruchteil des Verzichtenden am modifizierten Reinvermögen des Erblassers, das auf den Zeitpunkt des Verzichts zu ermitteln ist (§§ 96, 10 GNotKG). Ein gegenseitiger Erb- oder Pflichtteilsverzicht ist Austauschvertrag: Deshalb ist nur der Verzicht mit dem höheren Wert zu bewerten, der Verzicht des anderen Ehegatten ist nicht zu bewertende Austauschleistung (§ 97 Abs. 3 GNotKG). 6. Eine Übernahme der Scheidungskosten ist mit der geschätzten Höhe der übernommenen Kosten zu berücksichtigen (vgl. § 36 Abs. 1 GNotKG). Nicht anzusetzen sind Vereinbarungen über die Kosten der Urkunde selbst (vgl. § 37 Abs. 1 GNotKG). Aus dem ermittelten Gesamtwert des Vertrages fällt eine 2,0 Gebühr an (KV-Nr. 21100). Zum Ganzen vgl. Notarkasse A.d.ö.R, München (Hrsg.), Streifzug durch das GNotKG, 11. Aufl. 2015, Rz. 431 ff.
Siegler 785
Kap. 34 Rz. 187
Vergleichsvereinbarungen
B. Scheidungsfolgenvereinbarung junger Ehegatten mit gemeinsamen Kindern I. Einführung Literatur: Vgl. vor Rz. 1.
187
Während es sich bei dem unter lit. A. vorgestellten Komplettmuster M 34.1 (Rz. 129) um die Scheidungsfolgenvereinbarung älterer, in zweiter Ehe lebender Ehegatten ohne Kinder und mit wirtschaftlicher Selbstständigkeit handelt, soll das nachfolgende Komplettmuster die Scheidungsfolgenvereinbarung einer Ehe vorstellen, die mehr dem „gesetzlichen Leitbild der Scheidungsfolgen“ entspricht: Die Eheleute K haben jung geheiratet, leben jedoch zwischenzeitlich getrennt – Scheidungsantrag ist bereits gestellt. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die derzeit ausschließlich von der Mutter betreut werden. Die Mutter hat dafür ihre eigene, zunächst ausgeübte Erwerbstätigkeit aufgegeben. Beide Eltern sind sich einig, dass sich auch künftig die Mutter um die Kinder kümmern soll, jedoch beide Eltern trotz der Trennung ihre Verantwortung für die Kinder gemeinsam und einvernehmlich ausüben können. Wesentlicher Zugewinn ist in der Ehe nicht angefallen, zur Vermeidung der konkreten Berechnung und Durchführung des Zugewinnausgleichs soll ohne zeitliche Verzögerung ein Pauschalbetrag vom Ehemann an die Ehefrau gezahlt werden. Dieser entspricht betragsmäßig in etwa dem gesetzlichen Ausgleichsanspruch der Ehefrau. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs, der mutmaßlich zugunsten der Ehefrau stattfinden wird, soll auf deren Wunsch wegen der Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit zur Sicherung der Altersversorgung nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Für die Zeit der Kindesbetreuung möchte die Mutter jedenfalls auch durch die eigenen gesetzlichen Unterhaltsansprüche abgesichert sein, im Übrigen will sie selbst aber keine Zahlungen von ihrem Mann. Herr K ist bereit, für die Unterhaltsansprüche seiner Kinder eine vertragliche und sofort vollstreckbare Zahlungsverpflichtung einzugehen, für den Unterhalt seiner Frau ist er hierzu jedoch nicht bereit. In der Scheidungsfolgenvereinbarung der Ehegatten K sind vor diesem Hintergrund u.a. folgende Vereinbarungen enthalten: – Gütertrennung mit Verzicht auf Zugewinnausgleich gegen Abfindung, – Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt unter Ausklammerung des gesetzlichen Unterhaltstatbestandes der Kindesbetreuung nach § 1570 BGB und etwaiger Anschlusstatbestände, – Regelungen zur elterlichen Sorge und dem Umgang, – Unterhaltsvereinbarung zugunsten der gemeinsamen Kinder als Vertrag zu deren Gunsten. Theoretische Ausführungen zu den grundsätzlich möglichen Scheidungsfolgenvereinbarungen finden sich unter Rz. 3 ff.
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Siegler
M 34.2
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 188 Kap. 34
II. Muster M 34.2 Scheidungsfolgenvereinbarung bei bereits gestelltem Scheidungsantrag mit Zugewinnausgleichsverzicht gegen Abfindung, Durchführung des gesetzlichen Versorgungsausgleichs, lediglich teilweisem Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und Vereinbarungen zum Kindesunterhalt und der elterlichen SorgeA1 Ehevertragliche und nacheheliche VereinbarungenA2 Heute, den … sind vor mir, …, Notar/in mit dem Amtssitz in … in meinen Amtsräumen in … gleichzeitigA3 anwesend: 1. Herr … (es folgen die persönlichen Angaben mit Name, Vorname, ggf. Geburtsname, Geburtsdatum und Wohnort), 2. dessen Ehefrau, Frau … (es folgen die persönlichen Angaben mit Name, Vorname, ggf. Geburtsname, Geburtsdatum und Wohnort), nach Angabe im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Die Erschienenen wiesen sich aus durch Vorlage ihrer gültigen deutschen Personalausweise.A4 Sie erklären, im Wege des Vertrages unter gegenseitiger Annahme ihrer Erklärungen einen Ehevertrag und nacheheliche Vereinbarungen errichten zu wollen. Sie sind geschäfts- und testierfähig; hiervon überzeugte ich mich durch das mit ihnen geführte Gespräch. Die Zuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars ist nicht erforderlich und wird auch nicht verlangt. Auf Veranlassung beurkunde ich ihren Erklärungen gemäß, was folgt: I. Vorbemerkung; persönliche Verhältnisse Ich, …, bin am … in … geboren (Standesamt …, Geburtenregisternummer …).A5 Ich, …, bin am … in … geboren (Standesamt …, Geburtenregisternummer …). Wir sind beide ausschließlich deutsche Staatsangehörige und haben unseren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.A6 Wir haben am … in … die beiderseits erste Ehe miteinander geschlossen. Einen Ehevertrag haben wir bisher nicht abgeschlossen. Aus unserer Ehe sind folgende Kinder hervorgegangen: – Tobias K., geboren am …, derzeit wohnhaft …, und – Carolin K., geboren am …, derzeit wohnhaft … Weitere Kinder hat und hatte keiner von uns, auch keine adoptierten oder nichtehelichen. Wir leben seit … getrennt. Scheidungsantrag wurde am … durch die Ehefrau gestellt. Das Scheidungsverfahren ist beim Amtsgericht … unter dem Aktenzeichen … rechtshängig. Zu unseren derzeitigen persönlichen Verhältnissen erklären wir:A7 Siegler 787
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Kap. 34 Rz. 188
Vergleichsvereinbarungen
M 34.2
Bei Abschluss dieser Vereinbarung haben wir unsere beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie die Tatsache der bisherigen Betreuung unserer gemeinsamen Kinder durch ihre Mutter berücksichtigt. Während ich, Herr K., voll erwerbstätig und in der Lage bin, mich selbst zu unterhalten, bin ich, Frau K., wegen der Betreuung der Kinder derzeit nicht erwerbstätig. Ich gehe jedoch davon aus, nach der Zeit der Kindererziehung wieder in meinem Beruf als … tätig zu sein. Der Eintritt dieser Erwartung ist jedoch nicht Bedingung oder Geschäftsgrundlage der folgenden Vereinbarungen. Wir halten die nachfolgenden Vereinbarungen für ausgewogen und nicht einseitig benachteiligend. Der Notar hat darauf hingewiesen, dass Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen einer u.U. abgestuften richterlichen Inhaltskontrolle unterliegen, die nicht nur die Art und Weise und den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auch die später, etwa bei einer Scheidung, bestehenden Verhältnisse berücksichtigt. Die Entwicklung der Rechtsprechung hierzu ist nicht abschätzbar.A8 II. Gütertrennung, Verzicht auf Zugewinnausgleich gegen AbfindungA9 1. Gütertrennung, Zuwendungen unter Ehegatten a) Wir heben hiermit den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf und vereinbaren für die künftige Dauer unserer Ehe den Güterstand der Gütertrennung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Jeder Ausgleich des Zugewinns für die bisherige Ehezeit ist mit der nachfolgenden pauschalen Abfindung etwaigen Zugewinns für die Vergangenheit abgegolten. Wir verzichten gegenseitig auf etwa darüber hinausgehende Zugewinnausgleichs- und sonstige vermögensrechtlichen Ausgleichsansprüche gegeneinander und nehmen den Verzicht gegenseitig an. Seitens der Ehefrau ist dieser Verzicht jedoch auflösend bedingt: Erfolgt die Zahlung gemäß Ziff. 2. nicht spätestens innerhalb von vierzehn Tagen nach Fälligkeit (maßgeblich ist der Eingang des Geldes), so entfällt ihr Verzicht auf Ausgleich des Zugewinns. b) Der Notar hat uns auf die rechtlichen Wirkungen der Gütertrennung hingewiesen, insbesondere auf Folgendes:A10 – Jeder Ehegatte kann über sein Vermögen ohne Zustimmung des anderen frei verfügen.A11 – Nach einer Beendigung des Güterstands, insbesondere nach einer Scheidung der Ehe oder nach dem Ableben eines Ehegatten, findet kein Zugewinnausgleich statt.A12 – Es können sich Änderungen im gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht und Auswirkungen auf eine vom länger lebenden Ehegatten zu zahlende Erbschaftsteuer ergeben.A13 – Bezüglich der Schuldenhaftung besteht rechtlich zwischen Gütertrennung und gesetzlichem Güterstand kein Unterschied.A14 – Güterrechtliche Vereinbarungen können insbesondere bei einer Benachteiligung von Gläubigern anfechtbar sein.A15 – (evtl.: Eine Modifikation des gesetzlichen Güterstands als Gestaltungsalternative wurde erörtert.) c) Die Eintragung des vereinbarten Güterstands in das Güterrechtsregister wird derzeit nicht gewünscht. Jeder Ehegatte ist jedoch berechtigt und ermächtigt, die Eintragung alleine herbeizuführen.A16 d) Wir vereinbaren ferner, dass Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen bei Scheidung der Ehe nicht zurückgefordert werden können. Dies gilt, gleich aus welchem Rechtsgrund, auch für Ansprüche aus sog. unbenannten Zuwendungen oder Ehegatteninnengesellschaften. Unabhängig von einem Verschulden am Scheitern der Ehe führt dieses nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für derartige Zuwendungen.A17 Zuwendungen von Schwiegereltern gab es 788
Siegler
M 34.2
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 188 Kap. 34
nicht, vorsorglich stellen wir uns jedoch von Rückforderungsansprüchen von Schwiegereltern gegenseitig im Innenverhältnis frei. Wir erklären hiermit übereinstimmend, mit Vollzug dieser Urkunde alle gegenseitigen vermögensrechtlichen, insbesondere güterrechtlichen Ansprüche erledigt und abgegolten zu haben. e) Ein Vermögensverzeichnis wollen wir dieser Urkunde nicht beifügen.A18 2. Pauschale Abgeltung bisherigen Zugewinns a) Die Vertragsteile gehen davon aus, dass im Fall der Durchführung des Zugewinnausgleichs nach jetzigem Stand der Ehemann ausgleichsverpflichtet, die Ehefrau ausgleichsberechtigt sein würde. Vor diesem Hintergrund und als Gegenleistung für den vorstehenden Verzicht auf Zugewinnausgleichsansprüche für die Vergangenheit, jedoch ohne eine bestimmte Höhe eines Zugewinnausgleichsanspruchs als Bedingung oder Geschäftsgrundlage zu vereinbaren, verpflichtet sich der Ehemann zu folgender pauschalen Abgeltung: b) Der Ehemann verpflichtet sich zur Zahlung eines einmaligen Kapitalbetrages an seine Ehefrau in Höhe von … Euro. c) Dieser Betrag ist innerhalb von 14 Tagen, gerechnet ab heute, zur Zahlung fällig. Er ist zu leisten auf das Konto der Berechtigten bei der … Bank, IBAN …, BIC … d) Zahlt der Verpflichtete bei Fälligkeit nicht (maßgeblich ist der Eingang des Geldes), kommt er auch ohne Mahnung in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Er ist dann – unbeschadet weitergehender Rechte der Ehefrau – verpflichtet, die gesetzlichen Verzugszinsen zu bezahlen.A19 e) Herr K. unterwirft sich wegen der Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages in Höhe von … Euro im Hauptbetrag (ohne Zinsen) Frau K. gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Vollstreckbare Ausfertigung darf jederzeit ohne weitere Nachweise erteilt werden; eine Beweislastumkehr ist damit nicht verbunden.A20 III. Durchführung des Versorgungsausgleichs Zum Versorgungsausgleich wollen die Vertragsteile heute keine Vereinbarungen treffen. Der Versorgungsausgleich soll vielmehr nach den gesetzlichen Bestimmungen, die den Beteiligten nach Angabe bekannt sind, durchgeführt werden.A21 Der Notar hat darauf hingewiesen, dass Ehegatten, die nur den Zugewinn- oder den Versorgungsausgleich ausschließen, besonderes Augenmerk darauf richten müssen, welchem Ausgleichssystem für die spätere Altersvorsorge gedachte Vermögenswerte unterliegen. IV. Teilweiser Verzicht auf nachehelichen Unterhalt 1. Für den Fall der Scheidung unserer Ehe verzichten wir gegenseitig und vollständig auf die Gewährung nachehelichen Unterhalts, gleich aus welchem Rechtsgrund, auch für den Fall der Not und jede Änderung der Rechtslage.A22 2. Ausgenommen von dem Unterhaltsverzicht soll jedoch der gesetzliche Unterhaltstatbestand des § 1570 BGB sein. Ein Ehegatte kann von dem anderen also Unterhalt nach den gesetzlichen Vorschriften verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann (§ 1570 BGB). Im Anschluss an die Kindesbetreuung kann ggf. Unterhalt aus anderen gesetzlichen Gründen verlangt werden, d.h. auch Anschlusstatbestände sollen vom Verzicht nicht umfasst sein.A23 3. Soweit und solange diese Vereinbarung zwingendem Recht widersprechen sollte, schuldet der Unterhaltsverpflichtete dem Berechtigten lediglich den geringstmöglichen, rechtlich zulässigen Unterhaltsbetrag.A24 (Alternativ: Soweit und solange diese Vereinbarung zwingendem Recht widersprechen sollte, schuldet der Unterhaltsverpflichtete dem Berechtigten nachehelichen Unterhalt, jedoch beSiegler 789
Kap. 34 Rz. 188
Vergleichsvereinbarungen
M 34.2
messen nach dem angemessenen Lebensbedarf des geschiedenen Ehegatten gemäß § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB, nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 BGB.) 4. Der Notar hat uns hierzu insbesondere auf Folgendes hingewiesen:A25 – Ein Unterhaltsverzicht kann sittenwidrig sein, z.B. wenn feststeht, dass der Verzichtende deshalb auf Sozialleistungen angewiesen ist. – Der Verzicht kann unwirksam oder undurchsetzbar sein, z.B. wenn ein Vertragsteil unangemessen benachteiligt wird oder dem anderen unterlegen ist. Die Berufung auf einen Unterhaltsverzicht kann besonders im Fall der Betreuung gemeinsamer Kinder ausgeschlossen sein. Die Entwicklung der Rechtsprechung hierzu ist nicht abschätzbar. – Soweit ein Unterhaltsverzicht reicht, muss der Verzichtende für seinen gesamten Lebensbedarf selbst aufkommen, auch für die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit, des Alters und der Erwerbsunfähigkeit. – Auch im Fall der Not kann dann kein Unterhalt verlangt werden. Uns ist bewusst, dass heute nicht vorhersehbare Umstände eintreten können. V. Ehegatten-, insbesondere TrennungsunterhaltA26 1. Der Notar hat uns darauf hingewiesen, dass ein Verzicht auf Ehegatten- und damit auch auf Trennungsunterhalt im Voraus unwirksam ist (§ 1614 Abs. 1 BGB).A27 2. Unterhaltsrückstände bestehen nach Angabe nicht.A28 VI. Haushaltsgegenstände und EhewohnungA29 1. Wir erklären übereinstimmend, dass die Aufteilung der Haushaltsgegenstände bereits vollständig und einvernehmlich erfolgt ist. Wir sind uns vorsorglich darüber einig, dass jeder Ehegatte die Gegenstände des gemeinschaftlichen Haushalts zu Alleineigentum behält und übernimmt, die sich gegenwärtig in seinem Besitz befinden, und verzichten gegenseitig auf jede weitere Teilung oder Wertausgleich. 2. Unsere bisherige Ehewohnung wird bereits alleine von der Ehefrau bewohnt. Diese hat ab … (Datum) mit schriftlicher Zustimmung des Vermieters unter Entlassung des Ehemannes aus dem Vertragsverhältnis den Mietvertrag alleine übernommen. Eine Kaution wurde nach Angabe nicht gestellt; Mietrückstände bestehen nicht. Sämtliche künftigen Nebenkostenabrechnungen, auch für die Vergangenheit, sollen (für Zeiträume bis zum vorgenannten Datum zumindest im Innenverhältnis) alleine mit der Ehefrau abgerechnet werden – gleich, ob Nachzahlungen gefordert werden oder Rückerstattungen erfolgen. VII. Erbrechtliche Bestimmungen, Erb- und Pflichtteilsverzicht 1. Gemeinsame Verfügungen von Todes wegen haben wir nicht errichtet.A30 2. Wir verzichten hiermit gegenseitig auf unser gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche.A31 Die Verzichte sollen jedoch etwaige Unterhaltsansprüche nach §§ 1933 Satz 3, 1586b BGB unberührt lassen.A32 (Alternativ: Der Notar hat darauf hingewiesen, dass vorstehende Verzichte eine etwaige Unterhaltslast des Erben entfallen lassen (§§ 1933 Satz 3, 1586b BGB). Dies wird von uns ausdrücklich gewünscht.) Der Notar hat die Rechtsfolgen dieser Verzichte erläutert. Insbesondere hat er darauf hingewiesen, dass eine gewillkürte Erbfolge unberührt bleibt und sich durch den Erbverzicht Änderungen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts anderer Angehöriger ergeben können.A33
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M 34.2
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 188 Kap. 34
VIII. Steuerrechtliche VereinbarungA34 Wir verpflichten uns hiermit gegenseitig, für den Veranlagungszeitraum … eine gemeinsame Einkommensteuererklärung gemäß § 26b EStG abzugeben. Wir verzichten jeweils auf das Wahlrecht der Einzelveranlagung gemäß § 26 Abs. 2 EStG. Im Fall der Zuwiderhandlung hat der durch die Einzelveranlagung begünstigte Ehegatte den anderen finanziell so zu stellen, als wäre eine gemeinsame Veranlagung durchgeführt worden. Hierzu verpflichten wir uns zur Auskunftserteilung über unsere jeweiligen Einkommensverhältnisse im betreffenden Zeitraum. Der vertragsbrüchige Teil trägt die Kosten des Steuerberaters, der die fiktiven Steuerbeträge ermittelt. Dessen Auswahl obliegt den Vertragsteilen gemeinsam, im Fall ihrer Nichteinigung dem vertragstreuen Teil. Wir sind uns darüber einig, dass uns Steuerrückerstattungen für den genannten Veranlagungszeitraum im Verhältnis unserer in diesem Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte (alternativ: je hälftig) zustehen. Etwaige Steuernachzahlungen sind im selben Verhältnis zu tragen. IX. Vereinbarungen im Zusammenhang mit den gemeinschaftlichen Kindern 1. Gemeinsame elterliche Sorge, Umgang Die elterliche Sorge für unsere beiden gemeinschaftlichen Kinder, Tobias und Carolin, steht uns bisher gemeinsam zu. Wir erklären hiermit übereinstimmend, dass derzeit Anträge zur Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge auf einen Elternteil allein und zur Regelung des Umgangs der Eltern mit den Kindern nicht gestellt werden. Hieraus ergibt sich keine Bindung der Elternteile für die Zukunft. Sämtliche in dieser Urkunde enthaltenen Vereinbarungen bleiben unabhängig von etwaigen Anträgen der Eltern auf gerichtliche Entscheidung unverändert wirksam.A35 2. Vereinbarung zum KindesunterhaltA36 a) Derzeit leben die gemeinschaftlichen Kinder der Ehegatten K., Tobias und Carolin, im Haushalt ihrer Mutter. Beide Eltern beabsichtigen, dies auch künftig so beizubehalten. Die weitere Vereinbarung über den Kindesbarunterhalt steht unter der auflösenden Bedingung, dass das jeweilige Kind im Haushalt der Mutter lebt. Mit Ausnahme der nachfolgenden unterhaltsrechtlichen Vereinbarungen soll jedoch eine Änderung des Lebensmittelpunktes der Kinder keinen Einfluss auf die sonstigen Vereinbarungen dieser Urkunde haben. b) Herr K. verpflichtet sich, für das jeweilige Kind einen monatlichen Barunterhalt in Höhe von 144 % des Mindestunterhalts nach § 1612a BGB in Verbindung mit § 1 der Mindestunterhaltsverordnung (bzw. der gesetzlichen Nachfolgebestimmung) – entsprechend Einkommensgruppe 8 – für die betreffende Altersstufe, abzüglich des hälftigen Kindergelds in Höhe von derzeit 95 Euro, zu bezahlen. c) Der Kindesunterhalt soll sich nach den jeweiligen Sätzen der Düsseldorfer Tabelle berechnen. Bei einer Änderung der Düsseldorfer Tabelle, der Einkommensgruppe, der Altersstufe etc., die zu einer Erhöhung des Kindesunterhalts führen, soll sich der Kindesunterhalt automatisch ohne gesonderte Geltendmachung oder Mahnung erhöhen. Die Beteiligten gehen dabei derzeit nach ihren Angaben von folgenden Bemessungsgrundlagen aus: Die Festsetzung für das Kind Tobias erfolgt derzeit nach Altersstufe 3, für Carolin nach Altersstufe 2. Die Beteiligten gehen hinsichtlich des barunterhaltsverpflichteten Vaters von einem anrechenbaren Einkommen der Stufe 8 in Höhe von … Euro aus. Dabei haben sie folgende Umstände zugrunde gelegt: Siegler 791
Kap. 34 Rz. 188
d) e)
f)
g)
h)
i)
j)
k)
l)
Vergleichsvereinbarungen
M 34.2
… (es folgt Aufführung der zugrunde gelegten Verhältnisse, ggf. auch etwaiger Wohnvorteile, Verbindlichkeiten etc.). Das Kindergeld in Höhe von derzeit je 190 Euro für das erste und zweite Kind fließt nach Angabe der Mutter zu. Es ist zur Hälfte auf den Unterhaltsbetrag in Anrechnung zu bringen.A37 Somit ergeben sich derzeit (Stand: 1.5.2016) folgende Zahlbeträge: Für das Kind Tobias mit Altersstufe 3 unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldanteils von 95 Euro ein Zahlbetrag in Höhe von 553 Euro. Für das Kind Carolin mit Altersstufe 2 unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldanteils von 95 Euro ein Zahlbetrag in Höhe von 458 Euro. Der Kindesunterhalt ist am 1. eines jeden Monats im Voraus zu Händen der Mutter zu bezahlen. Die Zahlung hat auf das Konto bei der … Bank, IBAN …, BIC …, zu erfolgen. Maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Zahlung ist der Eingang des Geldes. Im Fall des Verzugs gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Derzeit sind die Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung des Vaters beitragsfrei mitversichert. Sollten künftig Aufwendungen für eine Krankenversicherung der Kinder entstehen, trägt diese ebenfalls der Vater.A38 Die vorstehende Unterhaltsvereinbarung erfolgt als Vertrag zwischen den Eltern zugunsten des jeweiligen Kindes (§ 328 Abs. 1 BGB). Jedes Kind erwirbt aus der Vereinbarung ein eigenes Forderungsrecht, das jedoch ohne seine Zustimmung durch Vereinbarung zwischen den Eltern abgeändert oder aufgehoben werden kann. Wegen der vorstehend eingegangenen Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt in Höhe des jeweiligen Zahlbetrages (Hauptbetrag ohne Zinsen) unterwirft sich Herr K. dem jeweiligen Kind gegenüber – je einzeln – der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Die jeweilige vollstreckbare Ausfertigung darf jederzeit ohne weitere Nachweise (zu Händen der Mutter) erteilt werden; eine Beweislastumkehr ist damit nicht verbunden. Frau K. erfüllt ihre Unterhaltspflicht den Kindern gegenüber derzeit durch die Leistung von Naturalunterhalt. Eine Freistellungsverpflichtung von Herrn K. gegenüber Frau K. von jeglicher Verpflichtung zur Zahlung von Barunterhalt wünschen die Vertragsteile nicht. Der Notar hat darauf hingewiesen, dass durch die vorstehende Unterhaltsvereinbarung der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Kinder gemäß § 1614 BGB unberührt bleibt. Hierzu vereinbaren die Beteiligten, dass die vom Vater geleisteten Unterhaltszahlungen nicht nur in Erfüllung des vertraglichen Unterhaltsanspruchs, sondern zugleich auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch des jeweiligen Kindes erbracht werden. Unterhaltsrückstände bestehen nach Angabe nicht.A39 Dingliche Sicherung des Unterhaltsanspruchs wünschen die Beteiligten nicht. X. ScheidungskostenA40
Die Kosten eines etwaigen Scheidungsverfahrens (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten) tragen wir je zur Hälfte, falls die Scheidung einvernehmlich mit einem Anwalt durchgeführt wird. Im Übrigen trägt jeder Ehegatte seine (Anwalts-)Kosten selbst. Wir verpflichten uns hiermit vorsorglich, uns gemäß vorstehender Kostenvereinbarung von etwaigen Kosten gegenseitig freizustellen.
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M 34.2
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 195 Kap. 34
XI. Weitere Vereinbarungen, Sonstiges 1. Salvatorische Klausel, Geltungsvereinbarung a) Falls Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden, bleiben – soweit irgend zulässig – alle übrigen Vereinbarungen wirksam. b) Wir verpflichten uns, bei einer (auch teilweisen) Nichtigkeit dieser Urkunde oder im Fall einer unbeabsichtigten Regelungslücke eine ergänzende Vereinbarung zu treffen, die dem wirtschaftlichen Erfolg der weggefallenen oder lückenhaften Regelung möglichst nahe kommt.A41 Wir wollen so erreichen, dass das von uns gemeinsam Gewollte und Vereinbarte weitest mögliche Geltung erhält. c) Die in dieser Urkunde getroffenen Vereinbarungen sollen zudem, soweit nicht ausdrücklich anders bestimmt, sofort wirksam und davon unabhängig sein, ob die Ehe geschieden wird. Insbesondere soll die in dieser Urkunde enthaltene Vereinbarung der Gütertrennung unter pauschaler Abgeltung des Zugewinnausgleichs sofort gelten und unabhängig vom weiteren Bestand der Ehe oder der Durchführung der Scheidung sowie den im Übrigen von uns getroffenen Vereinbarungen sein.A42 2. Kosten, Abschriften, Registrierung Unbeschadet der gesetzlichen Kostenhaftung tragen wir die Kosten dieser Urkunde je zur Hälfte.A43 Von dieser Urkunde erhält jeder Vertragsteil eine Ausfertigung. Der Notar hat darauf hingewiesen, dass ein Ehevertrag mit erbrechtlichen Auswirkungen im Zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer registriert wird; dies veranlasst der Notar. Vorgelesen vom Notar/von der Notarin, von den Beteiligten genehmigt und eigenhändig unterschrieben: (es folgen die Unterschriften der Vertragsteile und des Notars)A44, A45
Anmerkungen zu Muster M 34.2 A1 Sachverhalt: Vgl. Rz. 187.
188a
A2 Möglichkeit zum Abschluss eines Ehevertrages: Vgl. M 34.1 Anm. A3 (Rz. 131).
189
A3 Form eines Ehevertrages: Gemäß § 1410 BGB muss der Ehevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden. Vgl. im Übrigen bereits M 34.1 Anm. A2 (Rz. 132).
190
A4 Identifizierung der Beteiligten: Vgl. M 34.1 Anm. A4 (Rz. 133).
191
A5 Anzeige- und Registrierungspflichten: Vgl. M 34.1 Anm. A6 (Rz. 135).
192
A6 Bedeutung der Staatsangehörigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts der Ver- 193 tragsteile: Vgl. M 34.1 Anm. A7 (Rz. 136). A7 Aufnahme der persönlichen Verhältnisse in den Vertrag: Vgl. M 34.1 Anm. A8 (Rz. 137).
194
A8 Hinweis auf mögliche richterliche Inhaltskontrolle: Es ist grundsätzlich davon aus- 195 zugehen, dass auch Scheidungsfolgenvereinbarungen der zweistufigen richterlichen Inhaltskontrolle unter Heranziehung der Kernbereichslehre unterliegen. Vorsorglich sollte der Vertragsgestalter die Vertragsteile in Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen immer
Siegler 793
Kap. 34 Rz. 196
Vergleichsvereinbarungen
M 34.2
auf die der umfassenden Vertragsfreiheit entgegenstehende richterliche Inhaltskontrolle hinweisen. Zu dieser vgl. ausführlich Rz. 112 ff. 196
A9 Güterrechtliche Vereinbarungen: Die Grundzüge der gesetzlichen Regelung und möglicher Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Güterrecht der Ehegatten werden unter Rz. 9 ff. dargestellt. Die Vereinbarungen bedürfen gemäß § 1410 BGB grundsätzlich der notariellen Beurkundung, vgl. näher Rz. 25 f.
197
A10 Aufnahme von Hinweisen in die Urkunde: Ob und welche Hinweise in den Urkundstext selbst aufgenommen werden (was die Belehrung selbst nie zu ersetzen vermag), bleibt dem Vertragsgestalter überlassen. Vgl. M 34.1 Anm. A20 (Rz. 149).
198
A11 Wegfall der Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB: Die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft geltenden Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365 und 1369 BGB entfallen im vertraglich vereinbarten Güterstand der Gütertrennung ohne weiteres, vgl. Rz. 21, M 34.1 Anm. A21 (Rz. 150).
199
A12 Kein Zugewinnausgleich bei Scheidung oder Tod: Die Vereinbarung der Gütertrennung hat nicht nur Auswirkungen im Fall der Scheidung, sondern auch für den Fall, dass einer der Ehegatten verstirbt (vgl. Rz. 18 f., M 34.1 Anm. A22 [Rz. 151]).
200
A13 Wegfall der Privilegierung des § 5 ErbStG: Vgl. M 34.1 Anm. A23 (Rz. 152).
201
A14 Schuldenhaftung; Motive für die Vereinbarung der Gütertrennung: Vgl. zu der häufigen Fehlvorstellung, im gesetzlichen Güterstand werde für die Schulden des anderen Ehegatten automatisch gehaftet, M 34.1 Anm. A24 (Rz. 153).
202
A15 Anfechtung güterrechtlicher Vereinbarungen: Vgl. M 34.1 Anm. A25 (Rz. 154).
203
A16 Das Güterrechtsregister: Vgl. Rz. 27, M 34.1 Anm. A26 (Rz. 155). Praktische Bedeutung hat das Güterrechtsregister bisher nicht erlangt.
204
A17 Zuwendungen unter Ehegatten: Probleme bereiten beim Scheitern der Ehe häufig Zuwendungen unter den Ehegatten oder von (Schwieger-)Eltern. Sind solche erfolgt, kann sich eine gesonderte Regelung empfehlen. Vgl. bereits M 34.1 Anm. A27 (Rz. 156).
205
A18 Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses: Zu Beweiszwecken kann es sinnvoll sein, die Eigentumsverhältnisse zumindest bezüglich wesentlicher Vermögensgegenstände eines jeden Ehegatten in einem Vermögensverzeichnis zu dokumentieren. Vgl. näher M 34.1 Anm. A28 (Rz. 157).
206
A19 Verzug, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB: Da für die Zahlung eine Leistung nach dem Kalender bestimmt ist, ist gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB keine Mahnung erforderlich. Auf § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der auch bei einem zeitbestimmenden Ereignis eine Mahnung ggf. entbehrlich sein lässt, kommt es dabei nicht an. Um Unstimmigkeiten bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Zahlung zu vermeiden, empfiehlt sich ggf. eine Festlegung, ob die Absendung des Geldes genügt oder es auf den Eingang bei der Berechtigten ankommen soll. Während hierzu früher vertreten wurde, Geldschulden seien qualifizierte Schickschulden, so dass für die Rechtzeitigkeit grundsätzlich die Vornahme der Leistungshandlung maßgeblich sei (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 65. Aufl. 2006, § 270 Rz. 6, 7), kann hieran heute (insbesondere im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung der RiLi 2011/7/EU v. 16.2.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. EU Nr. L 48 v. 23.2.2011, 1) nicht mehr festgehalten werden. Nach richtiger und herrschender Ansicht ist damit die Rechtzeitigkeit der Leistung grundsätzlich am Eintritt des Leistungserfolgs, somit
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Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 210 Kap. 34
am Zahlungseingang zu messen (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 270 Rz. 1, 5). Die Höhe des Verzugszinses ergibt sich hier aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 247 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Dieser wird zum 1.1. und 1.7. eines jeden Jahrs neu festgesetzt und beträgt nunmehr zum 1.7.2016 – 0,88 % (seit 1.1.2013 ist der Basiszinssatz negativ). Der jeweils aktuelle Basiszinssatz kann unter www.bundesbank.de abgerufen werden (Stichwort „Basiszinssatz“ mit Überblick über die Entwicklung des Basiszinssatzes in der Vergangenheit). Weitergehende Rechte bleiben neben dem Verzugszins unberührt, vgl. § 288 Abs. 4 BGB. In der bereits seit 1.1.2002 geltenden Fassung des Schuldrechts schließen sich das Recht zum Rücktritt und zur Geltendmachung von Schadensersatz beim gegenseitigen Vertrag nicht mehr aus, § 325 BGB. A20 Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Als Absicherung der Berechtigten sollte in die 207 notarielle Vereinbarung zumindest eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung aufgenommen werden (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Ob daneben noch eine anderweitige, insbesondere dingliche Absicherung erfolgen soll, kann mit den Beteiligten erörtert werden. A21 Durchführung des Versorgungsausgleichs: Zu den Grundzügen der gesetzlichen Regelung des Versorgungsausgleichs und möglichen Vereinbarungen unter Berücksichtigung der Kernbereichslehre vgl. Rz. 30 ff. und Rz. 42 ff. Dass negativ keine Vereinbarung gewünscht ist, muss im Vertragstext nicht gesondert aufgeführt werden, erleichtert jedoch die Übersicht über die getroffenen Vereinbarungen in den drei Hauptbereichen des Scheidungsfolgenrechts: Güterrecht, Versorgungsausgleich, Unterhalt. Stets hat eine Abstimmung stattzufinden, wenn der Zugewinnausgleich ausgeschlossen, der Versorgungsausgleich jedoch durchgeführt wird, insbesondere wenn nicht beide Ehegatten in gesetzliche Rentenversicherungen einbezahlt haben (vgl. Rz. 40).
208
A22 Formpflicht von Unterhaltsvereinbarungen: Zur Form von Vereinbarungen zum Unterhalt, auch von Unterhaltsverzichten, vgl. Rz. 74 f., M 34.1 (Rz. 129) mit Anm. A34 (Rz. 163).
209
A23 Zulässigkeit eines Verzichts auf nachehelichen Unterhalt, insbesondere auf Be- 210 treuungsunterhalt nach § 1570 BGB: Zu möglichen Unterhaltsvereinbarungen, auch Verzichten, im Bereich des nachehelichen Unterhalts vgl. Rz. 66 ff. Im Hinblick auf die Kernbereichslehre der Rechtsprechung wurde im vorliegenden Fall lediglich ein Teilverzicht erklärt und der zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zählende Betreuungsunterhalt des § 1570 BGB (vgl. ausführlich Rz. 70 ff.) vom Verzicht ausgenommen. Selbstverständlich könnte hier auch – ähnlich wie unter Ziff. IX.2. des Vertrages zum Kindesunterhalt – eine Unterhaltsvereinbarung aufgenommen werden, die eine aktuelle Unterhaltspflicht des Ehemannes konkretisiert (ggf. mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung etc.). Nicht endgültig geklärt ist, – inwieweit Modifizierungen des gesetzlichen Unterhaltstatbestandes des § 1570 BGB Bestand haben, etwa die Festlegung eines unterhaltsbegrenzenden Höchstalters des jüngsten Kindes, bis zu dem längstens Unterhalt geschuldet wird (vgl. hierzu bereits unter Rz. 72 und BGH, Urt. v. 25.5.2005 – XII ZR 296/01, NJW 2005, 2386 [2389] = DNotZ 2005, 853 = MittBayNot 2006, 44 = FamRZ 2005, 1444 = MDR 2005, 1353 = FamRB 2005, 249 = NotBZ 2005, 332). – inwieweit und für welche Unterhaltstatbestände ein Verzicht auf etwaige Anschlusstatbestände von der Rechtsprechung akzeptiert würde (in der Musterformulierung wurden auch etwaige gesetzliche Anschlusstatbestände vom Verzicht ausgenommen), Siegler 795
Kap. 34 Rz. 211
Vergleichsvereinbarungen
M 34.2
– in welcher Intensität die Grundsätze der richterlichen Inhaltskontrolle auch auf Scheidungsfolgenvereinbarungen angewendet werden – grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass sie in gleicher Weise Anwendung finden. Allerdings steht fest, in welchem Ehe- und Familienmodell die Beteiligten gelebt haben und ob einem von ihnen etwaige ehebedingte Nachteile entstanden sind bzw. wie die beiderseitige Einkommens- und Vermögenslage sich konkret darstellt (vgl. hierzu Rz. 122). Wegen des auf zweiter Stufe stehenden Unterhalts wegen Alters oder Krankheit können sich besondere Angaben in der Urkunde empfehlen, dass und weshalb die beiden Ehegatten von einer angemessenen Regelung und beiderseits gesicherten Versorgung ausgehen (vgl. M 34.1 Anm. A38 [Rz. 167]). 211
A24 Rettungsklausel als Versuch der Unterhaltsbegrenzung bei Unwirksamkeit des teilweisen Unterhaltsverzichts: Die Meinungen über eine solche „Rettungsklausel“ sind höchst unterschiedlich. Teilweise wird ihre Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit ganz bezweifelt, teilweise finden sich unterschiedliche Bezugsgrößen, aus denen sich im Einzelfall erhebliche Unterschiedsbeträge ergeben können. Während dabei die einen auf den notwendigen Unterhalt abstellen, greifen andere als Bezugsgröße auf das zurück, was die Sozialhilfe leisten müsste. Wer sich möglichst nahe an einer gesetzlich definierten Größe halten möchte, kann (wie in der Alternativformulierung vorgesehen), den angemessenen Lebensbedarf des geschiedenen Ehegatten gemäß § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB als dann neue Bezugsgröße vorsehen.
212
A25 Aufnahme von Hinweisen in den Vertragstext: Ob und wie ausführlich Hinweise in den Vertragstext selbst aufgenommen werden, ist Geschmackssache, vgl. bereits M 34.1 Anm. A20 (Rz. 149). Zum Inhalt und rechtlichen Hintergrund der einzelnen Hinweise vgl. bereits M 34.1 Anm. A37 ff. (Rz. 166 ff.).
213
A26 Trennungsunterhalt versus nachehelicher Unterhalt: Trennungsunterhalt unterscheidet sich nicht nur im Hinblick auf die Abdingbarkeit, sondern auch im Übrigen teilweise vom nachehelichen Unterhalt (vgl. Rz. 59, M 34.1 Anm. A42 [Rz. 171]).
214
A27 Verzicht auf Trennungsunterhalt: Trennungs- und nachehelicher Unterhalt sind nicht miteinander identisch, weshalb in der Vereinbarung immer stringent zwischen diesen Unterhaltsarten unterschieden werden sollte. Ein Verzicht auf Unterhalt im Voraus ist für Ehegatten-, somit auch für Trennungsunterhalt, unwirksam. Von der Rechtsprechung wird lediglich eine vergleichsweise Vereinbarung im Rahmen einer gewissen Bandbreite akzeptiert (vgl. Rz. 61). Ob vor diesem Hintergrund Erklärungen der Ehegatten sinnvoll sind, sie seien nach jetzigem Stand nicht unterhaltsbedürftig, wird kontrovers diskutiert (vgl. bereits Rz. 62 und M 34.1 Anm. A42 [Rz. 171]).
215
A28 Unterhaltsrückstände: Dass keine Unterhaltsrückstände bestehen, muss nicht in den Vertragstext aufgenommen werden. Ein Verzicht auf Rückstände für die Vergangenheit ist von dem Verbot des § 1614 Abs. 1 BGB jedoch nicht erfasst, so dass sich ggf. eine Vereinbarung anbietet (vgl. Rz. 60, M 34.1 Anm. A43 [Rz. 172]).
216
A29 Einigung über Haushaltsgegenstände und die Ehewohnung: Vgl. bereits M 34.1 Anm. A44 [Rz. 173].
217
A30 Gemeinsame Verfügungen von Todes wegen: Eine Angabe im Vertrag, dass keine gemeinsamen Verfügungen bestehen, ist nicht erforderlich. Jedoch sollte sinnvollerweise nach gemeinsamen Verfügungen von Todes wegen gefragt und sollten diese ggf. aufgehoben werden (vgl. M 34.1 Anm. A45 [Rz. 174]).
218
A31 Erb- und Pflichtteilsverzicht: Auch wenn keine gemeinsamen Verfügungen von Todes wegen existieren, besteht u.U. Regelungsbedarf. Gemäß §§ 2077, 2303 Abs. 2 Satz 1 796
Siegler
M 34.2
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 225 Kap. 34
BGB scheidet der Ehegatte erst zu dem dort genannten Zeitpunkt aus der gesetzlichen Erbfolge und dem Kreis der Pflichtteilsberechtigen aus. Häufig wird deshalb zumindest ein Pflichtteilsverzicht, ggf. auch ein umfassender Erbverzicht (mit zu bedenkender Verschiebung der Erbquoten) gewünscht sein. Beide bedürfen eines notariell beurkundeten Vertrages, den der Erblasser nur persönlich schließen kann (§§ 2348, 2347 Abs. 2, 2346 Abs. 2 BGB). Näher vgl. Rz. 85 ff. A32 Unterhaltsanspruch gegen den Erben, insbesondere nach § 1586b BGB: Zu den 219 unterhaltsrechtlichen Konsequenzen eines Erb- bzw. Pflichtteilsverzichts und den möglichen Parteivereinbarungen zur Unterhaltslast der Erben vgl. bereits M 34.1 Anm. A47 (Rz. 176). A33 Scheidungsfolgenvereinbarung und Erb- bzw. Pflichtteilsrecht: Dieser Hinweis 220 fasst die im Rahmen einer gütlichen Vereinbarung zu bedenkenden Punkte zusammen, ohne dass er selbst in die Urkunde aufgenommen werden müsste (vgl. bereits Rz. 86 f.). A34 Verpflichtung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung: Vgl. zu dieser steuerrechtlichen Vereinbarung bereits die Erläuterungen unter M 34.1 Anm. A48 (Rz. 177).
221
A35 Erklärung zur Beibehaltung der elterlichen Sorge: Die bloße Erklärung, derzeit sei- 222 en keine Anträge zur Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge auf einen Ehegatten beabsichtigt, entfaltet schon per se keine Bindungswirkung für die Zukunft, sondern stellt lediglich eine situative Absprache dar. Selbst wenn die Ehegatten jedoch eine echte Vereinbarung mit Bindungswirkung wollen (was dann auch deutlich zum Ausdruck gebracht werden sollte), bleibt die Bindungswirkung solcher Vereinbarungen fraglich, vgl. Rz. 92 f., 96. A36 Elterliche Vereinbarungen zum Kindesunterhalt: Allgemein zu Vereinbarungen der Eltern über den Kindesunterhalt vgl. Rz. 103 ff.
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A37 Anrechnung des Kindergelds; Vollstreckungsfähigkeit: Gemäß § 1612b Abs. 1 BGB 224 ist das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt (§ 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB), in allen anderen Fällen in voller Höhe (Nr. 2). In dieser Höhe mindert das Kindergeld den Barbedarf des Kindes. Vgl. hierzu die Tabelle zu den Zahlbeträgen nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils als Anlage zu Teil A Anmerkung 10 der Düsseldorfer Tabelle, derzeit mit Stand 1.1.2016. Die Düsseldorfer Tabelle und die Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte können jederzeit aktuell unter www.famrz.de eingesehen werden. Um einem Titel einen vollstreckungsfähigen Inhalt zu geben, muss das anzurechnende Kindergeld hinreichend bestimmt sein. Es sollte deshalb insbesondere bei Aufnahme einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung betragsmäßig ausgewiesen werden (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 23.10.2003 – 8 UF 100/03, FamRZ 2004, 1133, zur Aufnahme des Betrages in den Urteilstenor; a.A. OLG Thüringen, Beschl. v. 22.11.2004 – 1 UF 305/04, FamRZ 2005, 916). A38 Krankenversicherung; Sonderbedarf: In den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (die der- 225 zeit den Stand 1.1.2016 hat) sind keine Beiträge zur Krankenversicherung für das Kind enthalten, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist (vgl. Teil A Anmerkung 9 zur Düsseldorfer Tabelle; Anmerkung 11.1 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland [SüdL], abrufbar unter www.famrz.de). Für die gesetzliche Krankenversicherung gilt grundsätzlich § 10 SGB V. Deshalb sind etwaige Aufwendungen für die Krankenversicherung ggf. in die Unterhaltsvereinbarung aufzunehmen.
Siegler 797
Kap. 34 Rz. 226
Vergleichsvereinbarungen
M 34.2
Dies gilt auch für etwaigen Mehr- oder Sonderbedarf (vgl. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB). In eine Unterhaltsvereinbarung wird dieser in der Regel nur aufgenommen, wenn er sich bereits konkret abzeichnet, da ansonsten seine Bemessung kaum abschätzbar ist. 226
A39 Unterhaltsrückstände: Vereinbarungen über Unterhaltsrückstände verbietet § 1614 Abs. 1 BGB nicht. Grenzen können sich jedoch aus dem allgemeinen Verbot von Verträgen zulasten Dritter ergeben. Im Zweifel wäre ein Verzicht auf Kindesunterhalt für die Vergangenheit als entsprechende Freistellungsvereinbarung mit Wirkung lediglich im Innenverhältnis zwischen den Eltern auszulegen.
227
A40 Kosten des Scheidungsverfahrens: Zu einer (Freistellungs-)Vereinbarung hinsichtlich der Kosten des Scheidungsverfahrens vgl. bereits M 34.1 Anm. A49 (Rz. 178).
228
A41 Salvatorische Klausel, § 139 BGB: Formulierungen für sog. salvatorische Klauseln finden sich in zahlreichen Ausgestaltungen. Sie sind im Kontext von Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen nicht bloßer Formalismus. Vielmehr muss stets im Einzelfall eruiert werden, welche Vereinbarungen nach dem Parteiwillen miteinander stehen und fallen. Zudem sind die rechtlichen Grenzen und insbesondere das Zustandekommen der Vereinbarung zu berücksichtigen, vgl. M 34.1 Anm. A50 (Rz. 179).
229
A42 Geltungsklausel: Soweit die Vereinbarungen nicht zwangsläufig an die Ehescheidung anknüpfen und nur bei tatsächlicher Scheidung Wirkung entfalten (wie etwa bei Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt), gelten diese sofort und unabhängig von der Fortdauer der Trennung oder Durchführung der Scheidung. Den Ehegatten ist zu verdeutlichen, dass der vor dem Notar geschlossene Vertrag nicht einfach folgenlos entfällt, wenn sie ihre Trennungs- oder Scheidungsabsicht wieder aufgeben sollten (vgl. M 34.1 Anm. A51 [Rz. 180]).
230
A43 Kostentragung; Steuern: Für die Beurkundungskosten haften die Vertragsteile gesamtschuldnerisch. Vgl. im Übrigen und zu möglichen steuerlichen Folgen bereits M 34.1 Anm. A52 (Rz. 181). Soweit sich auch außerhalb einer Vermögensübertragung Anhaltspunkte für eine Zuwendung ergeben, sind die steuerlichen Anzeigepflichten zu beachten, vgl. insbesondere § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 ErbStG.
231
A44 Anforderungen an eine Unterschrift: Zu den von der Rechtsprechung an eine Unterschrift gestellten Anforderungen vgl. M 34.1 Anm. A55 (Rz. 184).
232
A45 Kosten: Zu den Notarkosten einer Scheidungsvereinbarung bereits ausführlich M 34.1 Anm. A56 (Rz. 185 f.). Für die Wertermittlung der Vereinbarungen im Zusammenhang mit den gemeinsamen Kindern sind folgende Grundsätze anzuwenden: – Vorschläge an das Gericht im Hinblick auf die elterliche Sorge unterliegen der allgemeinen Wertbestimmung nach § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG. Angemessen dürfte der Ansatz des Auffangwerts von 5000 Euro pro Kind sein. Eine Erklärung ohne Vereinbarungscharakter ist nicht gesondert zu bewerten. – Für Vereinbarungen zum Umgangsrecht gelten die gleichen Grundsätze. – Kindesunterhalt ist für jedes Kind gesondert zu bewerten. Der Wert einer Vereinbarung der Eltern über die Zahlung von Kindesunterhalt bemisst sich nach §§ 52 Abs. 4, 6 Satz 1 GNotKG. Vorbemerkung KV 2 Abs. 3 zu Teil 2 zur Gebührenfreiheit nach § 62 Abs. 1 BeurkG ist bei einer Vereinbarung der Eltern im Innenverhältnis zur Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Kind nach richtiger Ansicht nicht anwendbar. – Zum Ganzen vgl. Notarkasse A.d.ö.R München (Hrsg.), Streifzug durch das GNotKG, 11. Aufl. 2015, Rz. 488 ff. 798
Siegler
M 34.3
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 234 Kap. 34
C. Güterrechtliche Vereinbarungen I. Einführung Literatur: Vgl. vor Rz. 1.
Welche güterrechtlichen Vereinbarungen Ehegatten treffen können, wurde bereits unter 233 Rz. 17 ff. dargestellt.1 Muster zur Vereinbarung künftiger Gütertrennung unter Verzicht auf Zugewinnausgleich für die Vergangenheit finden sich bereits in M 34.1 (Rz. 129) unter Ziff. III.1. (ohne Abfindung) und in M 34.2 (Rz. 188) Ziff. II (mit Abfindung). Nachfolgend sind lediglich Alternativen zu den in den Komplettmustern enthaltenen Varianten dargestellt. Bei deren Verwendung sind stets die allgemeinen Ausführungen zu beachten, insbesondere die – hier allerdings am ehesten die Vertragsautonomie der Ehegatten respektierende – richterliche Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen.2
II. Muster M 34.3 Gegenständliche Herausnahme von Vermögenswerten aus dem Zugewinnausgleich
234
II. Modifikation des gesetzlichen Güterstands der ZugewinngemeinschaftA1 1. Der Zugewinnausgleich soll grundsätzlich nach den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt werden.A2 2. Wird der Güterstand der Vertragsteile jedoch anders als durch den Tod eines Ehegatten oder durch Vertrag beendet, insbesondere durch Ehescheidung, sollen folgende Vermögensgegenstände der Ehefrau aus dem Zugewinnausgleich gegenständlich ausgenommen sein: … (folgt genaue Angabe der Vermögensgegenstände, hier etwa – die Geschäftsanteile Nrn. 1 und 2 in Höhe von derzeit nominell je 12 500 Euro, somit insgesamt 25 000 Euro, an dem 25 000 Euro betragenden Stammkapital der L-GmbH mit dem Sitz in …, derzeit eingetragen im Handelsregister der Amtsgerichts … unter HRB …,A3 oder – das Grundstück Flurnr. … der Gemarkung …, derzeit vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … von … in …, Blatt …). 3. Diese Vermögensgegenstände sollen bei der Berechnung des Zugewinns in den genannten Fällen nicht, insbesondere weder im Anfangs- noch im Endvermögen, berücksichtigt werden. Nicht berücksichtigt werden sollen auchA4 – etwaige Wertsteigerungen oder Surrogate der ausgenommenen Gegenstände, – Verbindlichkeiten, die auf dem ausgenommenen Vermögen ruhen oder diese Vermögensgegenstände betreffen, – Erträge des ausgenommenen Vermögens, die reinvestiert wurden; sonstige, nicht reinvestierte Erträge sollen damit dem Zugewinnausgleich unterfallen. 1 Die güterrechtlichen Vereinbarungen bedürfen als Eheverträge der Form des § 1410 BGB, i.d.R. also notarieller Beurkundung. Vgl. bereits Rz. 25. 2 Vgl. Rz. 22 ff.
Siegler 799
Kap. 34 Rz. 234
Vergleichsvereinbarungen
M 34.3
Für Verwendungen und Aufwendungen auf die ausgenommenen Gegenstände, insbesondere solche zur Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung, aber auch zur Rückführung etwaiger Verbindlichkeiten, gilt:A5 Soweit sie nicht aus der Substanz oder Erträgen der ausgenommenen Gegenstände, sondern dem sonstigen Vermögen der Ehefrau (auch aus ihrem Anfangsvermögen) stammen, unterliegen sie dem Zugewinn. Sie sind dem Endvermögen der Ehefrau (um den etwaigen Geldwertverfall berichtigt) hinzuzurechnen. Entsprechend sind Verwendungen oder Aufwendungen des anderen Ehegatten (des Ehemannes) auf die ausgenommenen Vermögensgegenstände zu behandeln; sie unterliegen ebenfalls dem Zugewinnausgleich. (Evtl. zusätzlich: 4. Der Ehemann ist nicht verpflichtet, seinen Zugewinn auszugleichen, wenn er bei Berücksichtigung der ehezeitlichen Wertsteigerung des vom Zugewinnausgleich ausgenommenen Vermögens nicht zum Ausgleich verpflichtet wäre.A6) 5. Zur Befriedigung der sich ggf. ergebenden Ausgleichsforderung gilt das vom Zugewinnausgleich ausgenommene Vermögen als vorhandenes Vermögen i.S.v. § 1378 Abs. 2 BGB.A7 Die Zwangsvollstreckung wegen Zugewinnausgleichsansprüchen in das vom Zugewinn ausgenommene Vermögen soll jedoch unzulässig sein.A8 6. §§ 1365, 1369 BGB sollen von vorstehender Vereinbarung unberührt bleiben und werden ausdrücklich nicht abbedungen.A9 (Alternativ: Die Vertragsteile bedingen § 1365 BGB teilweise ab: Die Ehefrau ist berechtigt, über die vom Zugewinnausgleich ausgenommenen Vermögensgegenstände ohne Einwilligung ihres Ehemannes zu verfügen – auch wenn es sich dabei um ihr Vermögen im Ganzen i.S.v. § 1365 Abs. 1 BGB handeln sollte. § 1369 BGB bleibt unberührt.) 7. Der Notar hat die Beteiligten über die Folgen der gegenständlichen Herausnahme von Vermögensgegenständen aus dem Zugewinnausgleich und mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten belehrt. Er hat die Vertragsteile insbesondere auf Folgendes hingewiesen: – Nach einer Beendigung des Güterstands, insbesondere bei Ehescheidung, findet ein Zugewinnausgleich nur teilweise statt. – Im Einzelfall können sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, insbesondere bei Transaktionen zwischen den verschiedenen Vermögensmassen. Aufzeichnungen sind zu Beweiszwecken dringend zu empfehlen. – Ergänzende Vereinbarungen können vor allem zweckmäßig sein, wenn ein Ehegatte in Vermögen des anderen Ehegatten investiert, das vom Zugewinn ausgenommen ist. – Im Fall des Todes eines Ehegatten verbleibt es bei den gesetzlichen Regelungen der Zugewinngemeinschaft, die der Notar mit den Vertragsteilen erörtert hat. – Durch die vorstehende Vereinbarung wird kein Ehegatte von Verbindlichkeiten befreit, die er übernommen hat. 8. Ein Vermögensverzeichnis wollen die Vertragsteile dieser Vereinbarung jedoch nicht beifügen. Sie verpflichten sich lediglich gegenseitig, auf Verlangen eines von ihnen ein solches noch zu erstellen.A10 9. Die Eintragung des vereinbarten modifizierten Güterstands in das Güterrechtsregister wird derzeit nicht gewünscht. Jeder Ehegatte ist jedoch berechtigt und ermächtigt, die Eintragung alleine herbeizuführen.A11, A12 10. Für den Fall der Beendigung des Güterstands durch den Tod eines Ehegatten verbleibt es hingegen bei den gesetzlichen Bestimmungen.
800
Siegler
M 34.3
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 238 Kap. 34
Anmerkungen zu Muster M 34.3 A1 Sachverhalt: Die Ehe der Ehegatten L befindet sich in der Krise. Bisher sind die Ehe- 234a gatten aber weder getrennt noch beabsichtigen sie ernsthaft die Scheidung. Die Ehegatten wollen jedenfalls in der jetzigen Situation nicht vollständig auf die Durchführung des Zugewinnausgleichs verzichten oder gar Gütertrennung für die Zukunft vereinbaren. Die Ehefrau führt jedoch ein Unternehmen, das sie auf jeden Fall aus der Ermittlung des Zugewinns ausnehmen will – jedenfalls für den Fall, dass die Ehe tatsächlich geschieden wird. Da sie mit einer Versöhnung rechnet, wünscht sie ausdrücklich keine weitergehenden Regelungen, etwa für den Tod eines Ehegatten. A2 Grundzüge der Zugewinngemeinschaft: Zu den gesetzlichen Grundzügen des Güter- 235 stands der Zugewinngemeinschaft vgl. Rz. 9 ff. Vereinbarungen der Ehegatten über ihre güterrechtlichen Verhältnisse, insbesondere auch die Modifikation des gesetzlichen Güterstands, bedürfen gemäß §§ 1408 Abs. 1, 1410 BGB notarieller Beurkundung. A3 Bezeichnung der vom Zugewinnausgleich ausgenommenen Vermögensgegenstände: 236 Die ausgenommenen Gegenstände sollten möglichst eindeutig bezeichnet sein. Gerade bei Unternehmen wird häufig auf das Unternehmen an sich, gleich in welcher Rechtsform oder Beteiligungsart es sich im Eigentum des Ehegatten befinden sollte, abgestellt (ggf. mit ergänzenden Regeln zu etwaigen Privat- oder Darlehenskonten, Sonderbetriebsvermögen etc.). Damit können ggf. Abgrenzungsschwierigkeiten bei späteren Unternehmensumstrukturierungen, etwa Verschmelzungen, Rechtsformwechseln, Kapitalerhöhungen etc., minimiert werden. Nicht selten wird auch das gesamte Anfangsvermögen samt späterer Hinzurechnungen nach § 1374 Abs. 2 BGB (und vor allem etwaigen Wertsteigerungen, die ja – anders als die Vermögensgegenstände selbst – dem Zugewinnausgleich unterliegen, vgl. Rz. 14) aus dem Zugewinnausgleich ausgenommen. Ggf. können – insbesondere ohne Vermögensverzeichnis – Abgrenzungsschwierigkeiten drohen. Auf dieses Detail ist in der Vereinbarung deshalb besondere Sorgfalt zu verwenden. A4 Surrogate, Erträge etc. der ausgenommenen Vermögensgegenstände: Die Verein- 237 barung sollte nicht nur die ausgenommenen Gegenstände selbst benennen, sondern zumindest auch die folgenden Komplexe behandeln: Herausnahme von Surrogaten, Verbindlichkeiten, Erträgen und/oder Aufwendungen. Dabei ist auf die im Einzelfall gewünschte Regelung abzustellen: Häufig können Erträge reinvestiert werden, ohne dass sie dem Zugewinnausgleich unterfallen. Sonstiges Vermögen, das investiert bzw. verwendet wird, unterliegt in der Musterformulierung allerdings generell dem Ausgleich – ebenso Aufwendungen des anderen Ehegatten (vgl. Anm. A5 [Rz. 238]). A5 Verwendungen auf die ausgenommenen Gegenstände: Häufig wird zunächst vertrag- 238 lich definiert, wie der Begriff der Verwendungen zu verstehen ist. Die Rechtsprechung vertritt einen eher engen Verwendungsbegriff, der in der Literatur teilweise als zu eng empfunden wird, insbesondere bei sog. Umgestaltungsaufwendungen, die die Sache grundlegend verändern und nicht nur erhalten oder verbessern (vgl. Bassenge in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 994 Rz. 2-4, § 951 Rz. 23). Werden Aufwendungen des anderen Ehegatten auf die ausgenommenen Vermögensgegenstände nicht dem Zugewinnausgleich unterworfen, sind diese wirtschaftlich verloren, wenn nicht bei der Zuwendung eine gesonderte Vereinbarung getroffen wird (etwa die nur darlehensweise Gewährung von Geldmitteln, die in das Unternehmen investiert werden). Auch mit der Regelung hier erlangt der andere Ehegatte über den Zugewinnausgleich wirtschaftlich allenfalls die Hälfte seiner Mittel wieder (deshalb auch zu Recht der Hinweis in der Literatur, aus unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten könnten leicht „unbedachte“ Zuwendungen werden, vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 1334 m.w.N.). Siegler 801
Kap. 34 Rz. 239
Vergleichsvereinbarungen
M 34.3
Oft wird nach der Quelle der Mittel differenziert, z.B. danach, ob es sich um (reinvestierte) Erträge (vgl. bereits Anm. A4 [Rz. 237]) oder Mittel aus dem (grundsätzlich nicht dem Zugewinnausgleich unterliegenden) Anfangsvermögen handelt. Auch die detaillierteste Regelung kann einen Missbrauch aber nicht sicher ausschließen (vgl. Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 296). 239
A6 Änderung der Ausgleichsrichtung: Die Herausnahme bestimmter Vermögensgegenstände kann ggf. dazu führen, dass der andere Ehegatte seinen Zugewinn ausgleichen muss (hier also der Ehemann). Ist diese mögliche Änderung der Ausgleichsrichtung nicht gewünscht, kann eine entsprechende zusätzliche Klausel aufgenommen werden. Fehlt sie, kann i.d.R. keine spätere Korrektur durch die Rechtsprechung erwartet werden, vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2013 – XII ZB 143/12, FamRZ 2013, 1543 = DNotZ 2014, 128 = NJW 2013, 2753.
240
A7 Vorhandenes Vermögen im Sinne von § 1378 Abs. 2 BGB: Wegen der die Höhe der Ausgleichsforderung begrenzenden Norm des § 1378 Abs. 2 Satz 1 BGB kann sich hier eine klarstellende Regelung empfehlen.
241
A8 Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung: Häufig ist die Herausnahme von Gegenständen aus dem Zugewinnausgleich mit einer Vereinbarung gekoppelt, die die ausgenommenen Vermögensgegenstände auch der Zwangsvollstreckung wegen etwaiger Zugewinnausgleichsansprüche (berechnet aus sonst vorhandenem Vermögen) entziehen soll. Ob eine solche Vereinbarung zum Schutze des ausgenommenen Vermögens zweckmäßig ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Dabei sollte auch eine Rolle spielen, welche sonstigen Vermögensgegenstände vorhanden sind und ob die weitere Einschränkung des anderen Ehegatten erforderlich ist, um das ausgenommene Vermögen nicht nur wertmäßig, sondern auch substanziell zu schützen.
242
A9 Verfügungsbeschränkung des § 1365 BGB: Anders als bei der Vereinbarung von Gütertrennung bleibt insbesondere die Verfügungsbeschränkung des § 1365 BGB bei einer bloßen Modifikation des Güterstands bestehen. Ggf. ist sie (teilweise oder vollständig) abzubedingen, insbesondere wenn unternehmerische Entscheidungen (wie ein Unternehmensverkauf) von der Einwilligung des anderen Ehegatten freigestellt werden sollen. Vgl. zu §§ 1365, 1369 BGB bereits Rz. 21.
243
A10 Abgrenzungsschwierigkeiten und Manipulationsgefahr: Das größte Problem bei der gegenständlichen Herausnahme von Gegenständen ist die klare Abgrenzung der ausgenommenen Gegenstände von den dem Zugewinnausgleich unterliegenden Vermögensmassen. Deshalb kann hier die Beifügung eines Vermögensverzeichnisses besonders sinnvoll sein (vgl. allgemein M 34.1 Anm. A28 [Rz. 157]). Zu Recht weist die Praxis darauf hin, dass Vereinbarungen wie die vorstehende nicht nur schwer überschau- und abgrenzbar sind, sondern auch Manipulationsgefahren bergen (vgl. hierzu auch Langenfeld/Milzer, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 7. Aufl. 2015, Rz. 296). Sollen bspw. Investitionen in Betriebsvermögen vom Zugewinnausgleich ausgenommen sein, besteht die Gefahr der wirtschaftlich nicht mehr sinnvollen (Re-)Investition – nur, um Vermögen dem Zugewinnausgleich zu entziehen. Regelungen, die versuchen, dem beizukommen, indem sie die Investitionen durch das wirtschaftlich Sinnvolle begrenzen, machen allerdings die Abgrenzung im Einzelnen unklarer und letztlich schwieriger. Teilweise finden sich auch Formulierungen, die auf den Zeitabstand der Investition von der Trennung bzw. Scheidung abstellen – mit dem Gedanken, dass manipulative Investitionen in vom Zugewinn ausgenommenes Betriebsvermögen eher in zeitlicher Nähe zur Trennung und Fassung einer Trennungsabsicht zu vermuten sind. Da die Vereinbarung der Herausnahme bestimmter Vermögensgegenstände aus dem Zugewinnausgleich eben keine 802
Siegler
M 34.4
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 246 Kap. 34
„Alles-oder-Nichts“-Lösung darstellt, kann sie letztlich, gleich mit welcher Formulierung, eher zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. A11 Güterrechtsregister: Das Güterrechtsregister ist schon bei Vereinbarung der Gütertrennung ohne praktische Bedeutung (vgl. Rz. 27, M 34.1 Anm. A26 [Rz. 155]). Auch Modifikationen des gesetzlichen Güterstands – bspw. die isolierte Abbedingung der Verfügungsbeschränkungen nach §§ 1365, 1368 BGB – sind grundsätzlich eintragungsfähig, wenn es sich nicht nur um Absprachen im Innenverhältnis der Ehegatten handelt. Eine Bedeutung in der Praxis hat das Güterrechtsregister bisher nicht erlangt.
244
A12 Kosten: Zu den Notarkosten einer Scheidungsvereinbarung vgl. bereits ausführlich 245 M34.1 Anm. A56 (Rz. 185 f.). Bei der Modifikation des Güterstands durch Herausnahme bestimmter Vermögensgegenstände aus dem Zugewinnausgleich gelten grundsätzlich die gleichen Grundsätze wie bei sonstigen güterrechtlichen Vereinbarungen – maßgeblich ist somit gemäß § 100 Abs. 1 GNotKG der Wert des sog. bereinigten Reinvermögens (vgl. hierzu bereits Rz. 185 f.). Betrifft allerdings die Modifikation nur einen bestimmten Vermögenswert, ist gemäß § 100 Abs. 2 GNotKG dessen Wert zugrunde zu legen, höchstens jedoch das modifizierte Reinvermögen gemäß § 100 Abs. 1 GNotKG. Ein Ausschluss der Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB bemisst sich nach § 51 Abs. 2 GNotKG: Als Wert sind 30 % des von der Beschränkung betroffenen Gegenstands als Wert anzunehmen.
M 34.4 Betragsmäßige, wertgesicherte Deckelung des Zugewinnausgleichsanspruchs II. Modifikation des gesetzlichen Güterstands der ZugewinngemeinschaftA1 1. Der Zugewinnausgleich soll grundsätzlich nach den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt werden.A2 Unabhängig davon, welchem Ehegatten ein Anspruch auf Zugewinnausgleich zustehen sollte, wird der Anspruch auf Zugewinnausgleich jedoch der Höhe nach auf einen Betrag von höchstens … Euro begrenzt. 2. Der Höchstbetrag von … Euro soll wertgesichert sein. Er soll sich demnach zum gesetzlichen Stichtag der Berechnung des ZugewinnsA3 errechnen wie folgt: Der Höchstbetrag von … Euro wird zum Stichtag in demselben Umfang nach oben oder nach unten verändert, wie sich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden festgestellte Verbraucherpreisindex für DeutschlandA4 auf der derzeitigen Basis 2010 = 100 ab dem sich für den Monat der Beurkundung ergebenden Monat gegenüber dem Monat des Stichtags verändert hat. Der sich so ergebende, neu berechnete Betrag ist der maßgebliche (wertgesicherte) Höchstbetrag. Da es sich um eine einmalige Berechnung zur Ermittlung unseres vereinbarten Höchstbetrages handelt, gehen wir davon aus, dass vorstehende Klausel mit den Vorschriften des Preisklauselgesetzes vereinbar ist. Sie dient insbesondere nicht der laufenden Wertsicherung von Zahlungen.A5 3. Grund und Höhe sowie die Ermittlung eines etwaigen Zugewinnausgleichs bleiben von vorstehender Vereinbarung unberührt; sie begründet also keinen Anspruch auf Zugewinnausgleich. Lediglich wenn einem Ehegatten gegen den anderen nach Maßgabe der gesetzlichen Siegler 803
246
Kap. 34 Rz. 246a
4.
5.
6.
7.
Vergleichsvereinbarungen
M 34.4
Bestimmungen ein höherer Zugewinnausgleichsanspruch zustehen sollte, greift vorstehende Höchstgrenze.A6 Die Vertragsteile verzichten gegenseitig auf etwa über vorstehende Höchstbeträge hinausgehende Zugewinnausgleichsansprüche gegeneinander und nehmen den Verzicht gegenseitig an. § 1371 Abs. 1 BGB soll für den Fall, dass der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, unberührt bleiben. Im Fall der güterrechtlichen Lösung soll jedoch auch beim Tod eines Ehegatten vorstehende Vereinbarung gelten.A7 Die Vertragsteile bedingen die Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB hiermit ab. Jeder Ehegatte soll berechtigt sein, über sein Vermögen im Ganzen und die ihm gehörenden Haushaltsgegenstände ohne Einwilligung des anderen zu verfügen.A8 (Alternativ: Vertragliche Vereinbarungen zu den Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB wollen die Vertragsteile nicht treffen.) Der Notar hat die Beteiligten über die Folgen der Begrenzung des Zugewinnausgleichs belehrt, insbesondere darüber, dass im Fall der Scheidung der Ehe ggf. kein vollständiger Ausgleich des Zugewinns verlangt werden kann. Die Eintragung des vereinbarten modifizierten Güterstands in das Güterrechtsregister wird derzeit nicht gewünscht. Jeder Ehegatte ist jedoch berechtigt und ermächtigt, die Eintragung alleine herbeizuführen.A9, A10
Anmerkungen zu Muster M 34.4 246a
A1 Sachverhalt: Die Ehegatten wollen nicht vollständig auf die Durchführung des Zugewinnausgleichs verzichten. Sie wollen jedoch – unabhängig davon, wer letztlich ausgleichspflichtig sein wird – eine betragsmäßig festgelegte Höchstgrenze vereinbaren. Da nicht sicher ist, wann Stichtag für die Berechnung des konkreten Zugewinnausgleichsanspruchs ist, soll zur Bereinigung inflationsbedingter Effekte der Höchstbetrag wertgesichert sein.
247
A2 Grundzüge der Zugewinngemeinschaft: Zu den gesetzlichen Grundzügen des Güterstands der Zugewinngemeinschaft vgl. Rz. 9 ff. Vereinbarungen der Ehegatten über ihre güterrechtlichen Verhältnisse, insbesondere auch die Modifikation des gesetzlichen Güterstands, bedürfen gemäß §§ 1408 Abs. 1, 1410 BGB notarieller Beurkundung.
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A3 Berechnungszeitpunkt des Zugewinns: Stichtag für die Berechnung des Zugewinns ist grundsätzlich die Beendigung des Güterstands, im Fall der Scheidung der Ehe davon abweichend der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (§ 1384 BGB). So soll insbesondere Manipulationen nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bis zur Rechtskraft der Scheidung vorgebeugt werden.
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A4 Verbraucherpreisindex für Deutschland: Die früher festgestellten gebiets- und haushaltstypenbezogenen Teilindizes werden seit längerer Zeit nicht fortgeführt, so dass nur noch an den Verbraucherpreisindex (hier: für Deutschland) angeknüpft werden sollte (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1376 Rz. 40 f.; Grüneberg Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 3 PrKlG Rz. 2, dort auch zum HVPI – Harmonisierten Verbraucherpreisindex für die EU, von dessen Verwendung [noch] abgeraten wird).
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A5 Wertsicherung des Höchstbetrages: Liegt der mutmaßliche Bewertungszeitpunkt für das Endvermögen nicht in weiter Ferne, kann auf eine Wertsicherung i.d.R. verzichtet werden. Ist eine Wertsicherung gewünscht, ist zu beachten, dass das Gesetz über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden (Preisklauselgesetz) hierfür gesetzliche Vorgaben macht. Anders als das frühere Preisangaben- und Preisklauselgesetz (PaPkG), das es mit Wirkung zum 14.9.2007 abgelöst hat (Gesetz über das 804
Siegler
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 255 Kap. 34
Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden, Art. 2 des Gesetzes v. 7.9.2007 [BGBl. I, 246], in Kraft getreten am 14.9.2007) sieht es kein Genehmigungsverfahren mehr vor, sondern überantwortet die gesetzmäßige Gestaltung von Preisklauseln dem Gestalter. Fehlerhafte Klauseln werden allerdings gemäß § 8 PrKlG erst mit rechtskräftiger Feststellung eines Gesetzesverstoßes und nur mit Wirkung ex nunc unwirksam. Bereits unter Geltung des PaPkG genehmigungsfrei sollte (wie im Muster vorgesehen) die Anknüpfung an den Verbraucherpreisindex lediglich zum Zwecke der einmaligen Errechnung einer Geldschuld auf den Zeitpunkt ihres Entstehens sein (vgl. Limmer, ZNotP 1999, 148 [152]). A6 Verzicht auf über den Höchstbetrag hinausgehenden Zugewinnausgleich: Die Formulierung stellt klar, dass es sich nicht um eine Anspruchsbegründung, sondern um eine Begrenzung eines ggf. nach den gesetzlichen Vorschriften bestehenden Anspruchs handelt. Auf darüber hinausgehenden Zugewinnausgleich wird verzichtet. Im Übrigen bleiben aber alle gesetzlichen Bestimmungen erhalten, insbesondere die Stichtage, die Bewertungsvorschriften und die Ausgleichsquote. Eine Modifikation des gesetzlichen Güterstands könnte auch an diesen Regelungspunkten anknüpfen (vgl. näher Rz. 20). Soweit die Ehegatten im Rahmen der Modifikation ihres Güterstands die Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB abbedingen wollen, müsste dies gesondert erfolgen (vgl. Rz. 21, M 34.1 Anm. A21 [Rz. 150]).
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A7 Die erb- oder güterrechtliche Lösung des § 1371 BGB: Im Vertrag sollte klargestellt 252 sein, was passiert, wenn der Güterstand der Ehegatten durch den Tod eines von ihnen aufgelöst wird. Ggf. kann gewünscht sein, dass in diesem Fall gar kein Zugewinnausgleich stattfindet. Vorliegend wurde lediglich eine Anwendung des vereinbarten Höchstbetrages auf jede güterrechtliche Lösung vorgesehen. A8 Die Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB: Anders als bei der Verein- 253 barung von Gütertrennung bleiben die Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365, 1369 BGB bei einer bloßen Modifikation des Güterstands bestehen. Ggf. können sie ganz oder teilweise abbedungen werden, vgl. Rz. 21, M 34.1 Anm. A21 (Rz. 150). A9 Güterrechtsregister: Das Güterrechtsregister ist schon bei Vereinbarung der Gütertrennung ohne praktische Bedeutung (vgl. Rz. 27, M 34.1 Anm. A26 [Rz. 155]). Auch Modifikationen des gesetzlichen Güterstands – bspw. die isolierte Abbedingung der Verfügungsbeschränkungen nach §§ 1365, 1368 BGB – sind grundsätzlich eintragungsfähig, wenn es sich nicht nur um Absprachen im Innenverhältnis der Ehegatten handelt. Eine Bedeutung in der Praxis hat das Güterrechtsregister bisher nicht erlangt.
254
A10 Kosten: Allgemein vgl. M 34.1 Anm. A56 (Rz. 185 f.), M 34.3 Anm. A12 (Rz. 245). Für 255 Modifikationen des Güterstands ist grundsätzlich das sog. modifizierte Reinvermögen gemäß § 100 GNotKG maßgeblich. Für Vereinbarungen zu §§ 1365, 1369 BGB gilt § § 51 Abs. 2 GNotKG.
D. Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich I. Einführung Literatur: Vgl. vor Rz. 1.
Siegler 805
Kap. 34 Rz. 256 256
Vergleichsvereinbarungen
M 34.5
Zum Versorgungsausgleich sind vielfältige Vereinbarungen der Ehegatten denkbar.1 Das Komplettmuster M 34.1 (Rz. 129) mit Anm. enthält einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Nachfolgend sind lediglich Alternativen zu den in den Komplettmustern enthaltenen Formulierungen dargestellt. Bei deren Verwendung sind stets die allgemeinen Ausführungen zu und Grenzen von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich, wie sie insbesondere durch die Grundsätze zur richterlichen Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen gezogen werden, zu beachten.2
II. Muster 257
M 34.5 Herausnahme bestimmter Zeiten aus dem Versorgungsausgleich III. Herausnahme der Trennungszeit aus dem VersorgungsausgleichA1 1. Der Versorgungsausgleich soll grundsätzlich nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführt werden.A2 Die Vertragsteile schließen jedoch gegenseitig und mit Wirkung für beide Vertragsteile den Versorgungsausgleich teilweise gemäß §§ 1408 Abs. 2 BGB, 6 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG nach folgender Maßgabe aus: Zeiträume, in denen die Ehegatten gemäß § 1567 BGB getrennt gelebt haben, sollen bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs und Ermittlung der auszugleichenden Anrechte nicht berücksichtigt werden.A3 Dabei gilt bei begonnenen Monaten jeweils der volle Kalendermonat als Trennungszeit.A4 Der teilweise Ausschluss des Versorgungsausgleichs soll so verwirklicht werden, dass (ausdrücklich ohne Änderung des Ehezeitendes an sich)A5 nur die in den übrigen Zeiträumen erworbenen Anrechte jedes Ehegatten ermittelt und ausgeglichen werden. Die Berechnung ist also konkret durchzuführen, nicht nur durch zeitanteilige Kürzung der Anrechte bzw. korrespondierenden Kapitalwerte.A6 2. Die Vertragsteile schließen zudem die gerichtliche Abänderbarkeit ihrer vorstehenden Vereinbarung gemäß § 227 Abs. 2 FamFG ausdrücklich aus.A7 3. Der Notar hat mit den Vertragsteilen erörtert, dass eine verlässliche Kenntnis über die derzeit bestehende Versorgungslage, insbesondere die korrespondierenden Kapitalwerte der ehezeitlichen Versorgungsanrechte, nur durch Einholung von RentenauskünftenA8 bei den Versorgungsträgern oder Einholung von Sachverständigengutachten möglich ist. Dies wünschen die Beteiligten jedoch ausdrücklich nicht. 4. Der Notar hat die Vertragsteile insbesondere darauf hingewiesen,A9, A10 dass diese Vereinbarung über den teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs – unabhängig davon ist, wer für welches Versorgungsanrecht ausgleichsberechtigter oder ausgleichsverpflichteter Ehegatte wäre. – einer besonderen Inhalts- und Ausübungskontrolle nach § 8 VersAusglG unterliegt. – Folgen für die soziale Absicherung im Alter haben kann, da im Fall der Scheidung nur ein teilweiser Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte stattfindet. Hierzu erklären die Ehegatten ergänzend:
1 Vgl. bereits ausführlich Rz. 42 ff., dort auch zu Form und Grenzen von Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich. 2 Vgl. Rz. 47 ff., 112 ff.
806
Siegler
M 34.5
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 260 Kap. 34
Wir halten unsere Vereinbarung für angemessen, da wir während unserer Ehe beide erwerbstätig waren und nach unserem Dafürhalten keiner von uns ehebedingte Nachteile erlitten hat. Wir behalten den Versorgungsausgleich für alle Zeiträume, in denen wir nicht getrennt leben, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen bei, so dass nicht nur jeder von uns selbst für sein Alter vorsorgen kann und will, sondern auch der Versorgungsausgleich im Fall einer etwaigen Scheidung für unsere bisherige Ehezeit voll durchgeführt wird. Wir wollen nunmehr jedoch für unsere Trennungszeit den weiteren Versorgungsausgleich ausschließen. Wir gehen übereinstimmend davon aus, dass wir hierdurch etwaige künftige Versöhnungsversuche erleichtern und keiner von uns aktuell Scheidungsantrag stellen muss, um das gesetzlich festgelegte Ehezeitende für die Berechnung des Versorgungsausgleichs herbeizuführen. Da wir beide auch derzeit voll erwerbstätig sind und etwa gleich viel verdienen, wird hierdurch keiner von uns benachteiligt, insbesondere entstehen keinem von uns Nachteile oder Versorgungslücken in seiner Alterssicherung. Der Eintritt dieser Erwartung ist jedoch angesichts unserer bereits bestehenden Versorgungslage weder Bedingung noch Geschäftsgrundlage unserer vorstehenden Vereinbarungen.
Anmerkungen zu Muster M 34.5 A1 Sachverhalt: Hier besteht eine Ehekrise, die mutmaßlich zu einer Trennung führen 257a wird oder bereits geführt hat. Eine baldige Scheidung ist jedoch nicht beabsichtigt, Scheidungsantrag noch nicht gestellt. In einer solchen Situation kann die Versöhnung der Ehegatten erschwert sein, wenn der (in dem allerdings für den tatsächlichen Ausgleich nicht mehr maßgeblichen Gesamtsaldo) ausgleichspflichtige Ehegatte eine Verschlechterung seiner Stellung durch den späteren Versorgungsausgleich befürchtet: Je weiter der Scheidungsantrag hinausgeschoben wird, desto später liegt das Ehezeitende. Das Getrenntleben allein führt nicht zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs oder dem Eintritt des Ehezeitendes im Sinne von § 3 VersAusglG (vgl. zur Ehezeit Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 3 VersAusglG Rz. 1 ff.). A2 Die Grundzüge des Versorgungsausgleichs: Zu den Grundzügen der gesetzlichen Regelung des Versorgungsausgleichs vgl. Rz. 30 ff. Eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich, die vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung (nicht der Rechtskraft der Scheidung!) geschlossen wird, bedarf der notariellen Beurkundung (§ 7 Abs. 1 VersAusglG), vgl. Rz. 53. Ein Verzicht ist nicht mehr schrankenlos möglich, vgl. § 8 VersAusglG und M 34.1 Anm. A29 (Rz. 158).
258
A3 Definition des Trennungszeitraums: In der Praxis existieren zahlreiche Vorschläge, 259 wie der Trennungszeitraum am besten definiert und konkretisiert werden kann. Die Vorschläge reichen dabei von der Angabe konkreter Trennungszeitpunkte bis zu eher formalen Verfahren, wonach bspw. ein Getrenntleben anzunehmen ist, wenn der eine Ehegatte dieses dem anderen per Einschreiben mitgeteilt hat (so Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 3582). Wie formal die Anknüpfungspunkte gewählt werden, ist Entscheidung der Vertragsteile und des Vertragsgestalters. Erfahrungsgemäß sollten aber in die eigenständige Erfüllung formaler Schritte durch die Beteiligten keine allzu großen Erwartungen gesetzt werden. In der Musterformulierung wird deshalb auf die gesetzliche Definition des § 1567 BGB abgestellt. Danach leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (§ 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB). A4 Monatsweise Berechnung des Versorgungsausgleichs: Diese Regelung trägt der 260 grundsätzlich monatsweisen Berechnung der Versorgungszeiten Rechnung, vgl. § 3 Abs. 1 VersAusglG. Siegler 807
Kap. 34 Rz. 261
Vergleichsvereinbarungen
M 34.5
261
A5 Keine parteidispositive Änderung des Ehezeitendes: Bei der Formulierung muss beachtet werden, dass eine Vereinbarung, die das Ehezeitende ändert, nicht zulässig sein soll. Als zulässig erachtet wird jedoch eine Vereinbarung, wonach in den Versorgungsausgleich nur die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem Ehezeitende erworbenen Anrechte einbezogen werden (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 3 VersAusglG Rz. 4 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 18.7.2001 – XII ZB 106/96, MDR 2002, 95 = NJW 2001, 3333 = FamRZ 2001, 1444 = FamRB 2002, 10; BGH, Beschl. v. 26.11.2003 – XII ZB 75/02, MDR 2004, 335 = FamRZ 2004, 256 = DNotZ 2004, 548 = FamRB 2004, 78). Dies wird im Muster klargestellt. Im Fallbeispiel würden deshalb konkret die auf die ausgenommenen Zeiträume entfallenden Anrechte der Ehegatten herausgerechnet.
262
A6 Zeitanteilige Kürzung oder tatsächliche Herausrechnung?: Einige Urteile halten eine rein zeitanteilige Kürzung für unbillig, insbesondere wenn in der Trennungs- und übrigen Ehezeit unterschiedlich hohe Rentenanwartschaften erwirtschaftet wurden (vgl. BGH, Beschl. v. 4.10.1989 – IVb ZB 106/88, MDR 1990, 320 = FamRZ 90, 273 [275]). Deshalb wurde hier konkret auf die in den jeweiligen Zeiträumen erworbenen Anrechte abgestellt.
263
A7 Ausschluss der Abänderbarkeit gemäß § 227 FamFG: Die Abänderbarkeit kann ausgeschlossen werden, vgl. Rz. 46, M 34.1 Anm. A30 (Rz. 159).
264
A8 Auskünfte der Versorgungsträger: Vgl. hierzu und zu den Amtspflichten des Notars bei der Ermittlung der Grundlagen der Vereinbarung M 34.1 Anm. A31 (Rz. 160).
265
A9 Richterliche Inhaltskontrolle und Kernbereichslehre: Zu dem auch bei der Modifizierung des Versorgungsausgleichs bestehenden Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Inhaltskontrolle vgl. Rz. 47 ff., 112 ff., M 34.1 Anm. A33 (Rz. 162). Aus diesem Grund können sich im Vertragstext hier oder in einer Vorbemerkung Angaben zum Zustandekommen und zur Angemessenheit der Vereinbarung empfehlen (z.B. ein Hinweis auf eine kurze Ehedauer, sonstige in der Urkunde enthaltenen Vereinbarungen, die bestehende Versorgungs- und Vermögenslage etc.).
266
A10 Kosten: Zu den Notarkosten vgl. bereits M 34.1 Anm. A56 (Rz. 185 f.) (Versorgungsausgleich).
267
M 34.6 Veränderung der Ausgleichsquote bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs III. Herabsetzung der Ausgleichsquote im VersorgungsausgleichA1 1. Der Versorgungsausgleich soll grundsätzlich nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführt werden.A2 Dem ausgleichsberechtigten Ehegatten soll jedoch abweichend von § 1 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG jeweils nicht die Hälfte des Werts des jeweiligen Ehezeitanteils (Ausgleichswert), sondern nur ein DrittelA3 des Ausgleichswerts zustehen. Den darüber hinausgehenden Versorgungsausgleich schließen wir gegenseitig und mit Wirkung für beide Vertragsteile gemäß §§ 1408 Abs. 2 BGB, 6 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG aus. Dieser Ausschluss erfolgt in dem vereinbarten Umfang für alle Altersversorgungen. 2. Ebenfalls ausschließen wollen wir gemäß § 227 Abs. 2 FamFG die gerichtliche Abänderbarkeit unserer Vereinbarung.A4 808
Siegler
M 34.6
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 269 Kap. 34
3. Der Notar hat mit uns erörtert, dass eine verlässliche Kenntnis über die derzeit bestehende Versorgungslage, insbesondere die korrespondierenden Kapitalwerte der ehezeitlichen Versorgungsanrechte, nur durch Einholung von RentenauskünftenA5 bei den Versorgungsträgern oder Einholung von Sachverständigengutachten möglich ist. Dies wünschen wir jedoch ausdrücklich nicht. 4. Der Notar hat uns insbesondere darauf hingewiesen,A6, A7 dass unsere Vereinbarung über den teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs – unabhängig davon ist, wer für welches Versorgungsanrecht ausgleichsberechtigter oder ausgleichsverpflichteter Ehegatte wäre. – einer besonderen Inhalts- und Ausübungskontrolle unterliegt. – Folgen für die soziale Absicherung im Alter haben kann, da im Fall der Scheidung ein Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte nur teilweise stattfindet. Hierzu erklären wir ergänzend: Wir halten unsere Vereinbarung für angemessen, da wir während unserer Ehe beide voll erwerbstätig waren und nach unserem Dafürhalten keiner von uns ehebedingte Nachteile erlitten hat. Allerdings haben wir aufgrund nicht in unserer ehelichen Lebensführung und Rollenverteilung begründeten Umständen erheblich unterschiedliche Anrechte auf Altersversorgung erworben. Jeder von uns kann und will mit seiner eigenen Versorgung für sein Alter vorsorgen, zudem soll der Versorgungsausgleich grundsätzlich durchgeführt werden. Wir wollen diesen jedoch nur mit einer gegenüber dem Gesetz geringeren Quote durchführen, da wir eine Perpetuierung der bestehenden Gehaltsunterschiede auch im Alter in diesem Umfang für angemessen halten.
Anmerkungen zu Muster M 34.6 A1 Sachverhalt: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt wollen die Ehegatten generell die 267a Ausgleichsquote, die vom Gesetz mit der Hälfte des Werts des jeweiligen Ehezeitanteils (Ausgleichswert) vorgesehen ist, herabsetzen. Dies kann bspw. in einem Fall, in dem beide Ehegatten voll erwerbstätig sind, dazu führen, dass der Ehegatte, der aufgrund eines (etwa aufgrund besonderer persönlicher Fähigkeiten oder Engagements) bestehenden Gehaltsgefüges wesentlich höhere Versorgungsanrechte in der Ehezeit erworben hat, von diesen einen größeren Teil behält und von den (geringeren) Versorgungsanrechten des anderen nur einen kleineren Teil erhält. Bestehende Unterschiede in der Versorgungssituation bleiben so in einem größeren Maße bestehen. Anstelle eines (denkbaren) kompletten Ausschlusses kann dann bspw. wie hier pauschal die Ausgleichsquote für alle Versorgungsanrechte herabgesetzt werden. Alternativ könnten auch bestimmte Versorgungen eines Ehegatten aus dem Ausgleich ausgenommen werden (vgl. hierzu Münch, Vereinbarungen zum neuen Versorgungsausgleich, 2010, Rz. 175 ff.) oder nur für bestimmte Anrechte die Ausgleichsquote vermindert werden. A2 Die Grundzüge des Versorgungsausgleichs: Zu den Grundzügen der gesetzlichen Regelung des Versorgungsausgleichs vgl. Rz. 30 ff. Eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich, die vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung (nicht der Rechtskraft der Scheidung!) geschlossen wird, bedarf der notariellen Beurkundung (§ 7 Abs. 1 VersAusglG), vgl. Rz. 53. Ein Verzicht ist nicht mehr schrankenlos möglich, vgl. § 8 VersAusglG und M 34.1 Anm. A29 (Rz. 158).
268
A3 Die Herabsetzung der Ausgleichsquote: Die Herabsetzung der Ausgleichsquote stellt 269 einen grundsätzlich zulässigen teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß §§ 1408 Abs. 2 BGB, 6 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG dar (vgl. Münch, Vereinbarungen zum neuen Versorgungsausgleich, 2010, Rz. 200). Eine Heraufsetzung der Ausgleichsquote ist hingegen wegen § 8 Abs. 2 VersAusglG nicht ohne weiteres zulässig, insbesondere müsste der betroffeSiegler 809
Kap. 34 Rz. 270
Vergleichsvereinbarungen
M 34.6
ne Versorgungsträger zustimmen (vgl. Münch, Vereinbarungen zum neuen Versorgungsausgleich, 2010, Rz. 200). 270
A4 Ausschluss der Abänderbarkeit gemäß § 227 FamFG: Die Abänderbarkeit kann ausgeschlossen werden, vgl. Rz. 46, M 34.1 Anm. A30 (Rz. 159).
271
A5 Auskünfte der Versorgungsträger: Vgl. hierzu und zu den Amtspflichten des Notars bei der Ermittlung der Grundlagen der Vereinbarung M 34.1 Anm. A31 (Rz. 160).
272
A6 Richterliche Inhaltskontrolle und Kernbereichslehre: Zu dem auch bei der Modifizierung des Versorgungsausgleichs bestehenden Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Inhaltskontrolle vgl. Rz. 47 ff., 112 ff., M 34.1 Anm. A33 (Rz. 162). Aus diesem Grund können sich im Vertragstext hier oder in einer Vorbemerkung Angaben zum Zustandekommen und zur Angemessenheit der Vereinbarung empfehlen (z.B. ein Hinweis auf eine kurze Ehedauer, sonstige in der Urkunde enthaltenen Vereinbarungen, die bestehende Versorgungs- und Vermögenslage etc.).
273
A7 Kosten: Zu den Notarkosten vgl. bereits M 34.1 Anm. A56 (Rz. 185 f.) (Versorgungsausgleich).
E. Vereinbarungen zum Ehegatten- bzw. nachehelichen Unterhalt I. Einführung Literatur: Vgl. vor Rz. 1.
274
Während das Recht des Ehegatten- und damit auch des Trennungsunterhalts von dem gesetzlichen Verbot des Verzichts auf künftigen Unterhalt geprägt ist (§ 1614 Abs. 1 BGB), sind im Bereich des nachehelichen Unterhalts Vereinbarungen der Ehegatten grundsätzlich möglich.1 Das Komplettmuster M 34.1 (Rz. 129) enthält einen vollständigen Ausschluss des nachehelichen Unterhalts, das Komplettmuster M 34.2 (Rz. 188) einen Unterhaltsverzicht, der den Unterhaltstatbestand des § 1570 BGB (Betreuung gemeinschaftlicher Kinder) samt etwaiger Anschlusstatbestände unberührt lässt. Nachfolgend sind lediglich Alternativen zu den in den Komplettmustern enthaltenen Formulierungen dargestellt. Bei deren Verwendung sind stets die allgemeinen Ausführungen zu beachten, insbesondere die durch die Kernbereichslehre2 im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle gezogenen Grenzen.
II. Muster 275
M 34.7 Einseitiger Verzicht auf nachehelichen Unterhalt IV. Einseitiger Verzicht auf nachehelichen UnterhaltA1 1. Für den Fall der Ehescheidung verzichtet Herr M. gegenüber Frau M. vollständig auf die Gewährung nachehelichen Unterhalts, gleich aus welchem Rechtsgrund, auch für den Fall der Not und jede Änderung der Rechtslage.A2 1 Vgl. bereits ausführlich Rz. 66 ff., dort auch zu Form und Grenzen von Vereinbarungen zum Ehegatten- und nachehelichen Unterhalt. 2 Vgl. Rz. 112 ff.
810
Siegler
M 34.7
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 278 Kap. 34
2. Soweit und solange diese Vereinbarung zwingendem Recht widersprechen sollte, schuldet die Unterhaltsverpflichtete dem Berechtigten lediglich den geringstmöglichen, rechtlich zulässigen Unterhaltsbetrag.A3 (Alternativ: Soweit und solange diese Vereinbarung zwingendem Recht widersprechen sollte, schuldet der Unterhaltsverpflichtete dem Berechtigten nachehelichen Unterhalt, jedoch bemessen nach dem angemessenen Lebensbedarf des geschiedenen Ehegatten gemäß § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB, nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 BGB.) 3. Die Erschienenen wurden vom amtierenden Notar insbesondere auf Folgendes hingewiesen:A4 – Ein Unterhaltsverzicht kann sittenwidrig sein, z.B. wenn feststeht, dass der Verzichtende deshalb auf Sozialleistungen angewiesen ist. – Der Verzicht kann unwirksam oder undurchsetzbar sein, z.B. wenn ein Vertragsteil unangemessen benachteiligt wird oder dem anderen unterlegen ist. Die Berufung auf einen Unterhaltsverzicht kann besonders im Fall der Betreuung gemeinsamer Kinder ausgeschlossen sein. Die Entwicklung der Rechtsprechung hierzu ist nicht abschätzbar. – Soweit ein Unterhaltsverzicht reicht, muss der Verzichtende für seinen gesamten Lebensbedarf selbst aufkommen, auch für die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit, des Alters und der Erwerbsunfähigkeit. – Auch im Fall der Not kann dann kein Unterhalt verlangt werden. Den Erschienenen ist bewusst, dass heute nicht vorhersehbare Umstände eintreten können. 4. Seitens Frau M. wird ausdrücklich kein Unterhaltsverzicht erklärt. Soweit ihr nach den gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zusteht, bleibt dieser nach Grund und Höhe unberührt. V. Ehegatten-, insbesondere TrennungsunterhaltA5 1. Der Notar hat uns darauf hingewiesen, dass ein Verzicht auf Ehegatten- und damit auch auf Trennungsunterhalt im Voraus unwirksam ist (§ 1614 Abs. 1 BGB).A6 2. Unterhaltsrückstände bestehen nach Angabe nicht.A7, A8
Anmerkungen zu Muster M 34.7 A1 Sachverhalt: Die Ehegatten M leben getrennt, mutmaßlich wird es zur Ehescheidung 275a kommen. Beide Ehegatten gehen davon aus, dass allenfalls die Ehefrau unterhaltsberechtigt wäre – auf etwaige Unterhaltsansprüche will sie nicht verzichten. Sie möchte sich jedoch durch einen einseitigen Unterhaltsverzicht ihres Ehemannes möglichst weitgehend selbst absichern. A2 Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt, insbesondere Verzichte: Zu den ge- 276 setzlichen Grundzügen des nachehelichen Unterhalts und möglicher Vereinbarungen vgl. Rz. 64 ff. Bei Unterhaltsverzichten ist die Parteiautonomie der Ehegatten eingeschränkt, insbesondere durch die sog. Kernbereichslehre (vgl. Rz. 112 ff., dort auch zur Anwendbarkeit auf Scheidungsfolgenvereinbarungen). A3 Rettungsklausel als Versuch der Unterhaltsbegrenzung bei Unwirksamkeit des Totalverzichts: Die Meinungen über eine solche „Rettungsklausel“ sind höchst unterschiedlich, vgl. bereits M 34.1 Anm. A35 (Rz. 164), Rz. 211.
277
A4 Aufnahme von Hinweisen in den Vertragstext: Ob und wie ausführlich Hinweise in den Vertragstext selbst aufgenommen werden, ist Geschmackssache, vgl. bereits M 34.1
278
Siegler 811
Kap. 34 Rz. 279
Vergleichsvereinbarungen
M 34.7
Anm. A20 (Rz. 149). Zum Inhalt und rechtlichen Hintergrund der einzelnen Hinweise vgl. bereits M 34.1 Anm. A37 ff. (Rz. 166 ff.). 279
A5 Trennungsunterhalt versus nachehelicher Unterhalt: Trennungsunterhalt unterscheidet sich nicht nur im Hinblick auf die Abdingbarkeit, sondern auch im Übrigen teilweise vom nachehelichen Unterhalt (vgl. Rz. 59, M 34.1 Anm. A42 [Rz. 171]).
280
A6 Verzicht auf Trennungsunterhalt: Trennungs- und nachehelicher Unterhalt sind nicht miteinander identisch, weshalb in der Vereinbarung immer stringent zwischen diesen Unterhaltsarten unterschieden werden sollte. Ein Verzicht auf Unterhalt im Voraus ist für Ehegatten-, somit auch für Trennungsunterhalt, unwirksam. Von der Rechtsprechung wird lediglich eine vergleichsweise Vereinbarung im Rahmen einer gewissen Bandbreite akzeptiert (vgl. Rz. 61). Ob vor diesem Hintergrund Erklärungen der Ehegatten sinnvoll sind, sie seien nach jetzigem Stand nicht unterhaltsbedürftig, wird kontrovers diskutiert (vgl. bereits Rz. 62 und M 34.1 Anm. A42 [Rz. 171]).
281
A7 Unterhaltsrückstände: Dass keine Unterhaltsrückstände bestehen, muss nicht in den Vertragstext aufgenommen werden. Ein Verzicht auf Rückstände für die Vergangenheit ist von dem Verbot des § 1614 Abs. 1 BGB jedoch nicht erfasst, so dass sich ggf. eine Vereinbarung anbietet (vgl. Rz. 60, M 34.1 Anm. A43 [Rz. 172]).
282
A8 Kosten: Zu den Notarkosten vgl. bereits M 34.1 Anm. A56 (Rz. 185 f.) (Unterhaltsvereinbarungen).
283
M 34.8 Zustimmung zum begrenzten Realsplitting IV. Zustimmung zum begrenzten RealsplittingA1, A2 1. Frau R. erklärt sich als Unterhaltsgläubigerin mit der Durchführung des begrenzten Realsplittings einverstanden. Sie verpflichtet sich, diese Zustimmung nicht zu widerrufen und alle erforderlichen oder zweckdienlichen Erklärungen zum Nachweis der Zustimmung insbesondere gegenüber dem Finanzamt vorzunehmen.A3 Sie verpflichtet sich insbesondere, die Anlage U zur jährlichen Einkommensteuererklärung von Herrn R. zu unterzeichnen.A4 (Alternativ: Zur Unterzeichnung der Anlage U zur Einkommensteuererklärung von Herrn R. ist sie jedoch ausdrücklich nicht verpflichtet.) 2. Herr R. als Unterhaltsschuldner verpflichtet sich, Frau R. alle ihr durch die Durchführung des begrenzten Realsplittings entstehenden finanziellen Nachteile zu erstatten. Die Erstattung umfasst – steuerliche und sonstige wirtschaftliche Nachteile (gegen Nachweis),A5 – Kosten einer Steuerberatung im Zusammenhang mit der Durchführung des begrenzten Realsplittings (bis zu einem Höchstbetrag von … Euro),A6 – nicht jedoch Nachteile im Rahmen des Ehegattensplittings bei erneuter Verheiratung von Frau R. Auf dingliche oder sonstige Sicherung des Anspruchs auf Erstattung wird verzichtet.A7 3. Mit vorstehender Vereinbarung ist keine Verpflichtung von Herrn R. verbunden, den Antrag auf Durchführung des Realsplittings zu stellen.A8, A9
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Siegler
M 34.8
Familienrecht: Die Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 287 Kap. 34
Anmerkungen zu Muster M 34.8 A1 Sachverhalt: Die Ehegatten R leben getrennt. Frau R will dem begrenzten Realsplitting nur zustimmen, wenn ihr Ehemann sich vertraglich ausdrücklich dazu verpflichtet, ihr alle etwaigen finanziellen Nachteile durch die Besteuerung der Unterhaltszahlungen sowie entstehende Steuerberatungskosten zu ersetzen.
283a
A2 Form der Vereinbarung: Grundsätzlich bedarf die Vereinbarung der Zustimmung 284 zum begrenzten Realsplitting und des Nachteilsausgleichs keiner besonderen Form. Eine Formbedürftigkeit kann sich jedoch nach allgemeinen Grundsätzen aus dem Regelungszusammenhang mit einer formpflichtigen Vereinbarung ergeben (vgl. bereits für Unterhaltsvereinbarungen Rz. 74 f.). Einzelstimmen gehen zudem davon aus, dass es sich bei dem Nachteilsausgleich um einen Unterhaltsanspruch handeln könnte, so dass ein Verzicht hierauf im Bereich des nachehelichen Unterhalts der Formpflicht des § 1585c Satz 2 BGB unterfiele, vor Rechtskraft der Ehescheidung jedoch dem Verbot auf Verzicht auf Trennungsunterhalt für die Zukunft gemäß §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB (vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 2915). A3 Zustimmung zum begrenzten Realsplitting: Unterhaltsleistungen an den geschiede- 285 nen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten können gemäß § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG bis zu einem Betrag in Höhe von derzeit 13 805 Euro jährlich als Sonderausgabe abgesetzt werden. Dieser Abzug beim Zahlungsverpflichteten korrespondiert mit der Steuerbarkeit der Unterhaltszahlungen beim Berechtigten (§ 22 Nr. 1a) EStG). Dieses sog. begrenzte Realsplitting (das auch auf Teilbeträge begrenzt werden kann) bedarf eines jährlich neuen Antrags des Unterhaltsverpflichteten und der Zustimmung des Unterhaltsberechtigten (ausführlich Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 2862 ff.). Nach überwiegender Meinung ist der Unterhaltsgläubiger regelmäßig bereits aus § 242 BGB zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet, nicht jedoch zur Unterzeichnung der entsprechenden Anlage U zur Einkommensteuererklärung (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1353 Rz. 12a). Vorliegend wird die Zustimmungsverpflichtung des unterhaltsberechtigten Ehegatten auch im Hinblick auf die Unterzeichnung der Anlage U vertraglich fixiert und ausgestaltet (vgl. Anm. A4 [Rz. 286]). A4 Unterzeichnung der Anlage U: Gegenüber dem Finanzamt werden Antrag und Zu- 286 stimmung regelmäßig durch die Anlage U zur Einkommensteuererklärung gestellt bzw. nachgewiesen. Ggf. kann sich deshalb die Vereinbarung empfehlen, der Unterhaltsberechtigte sei formal zur Unterzeichnung dieser Anlage verpflichtet (vgl. Ziff. 1 der Vereinbarung und Anm. A3 [Rz. 285]). Die Zustimmung bedarf jedoch keiner besonderen Form, ausreichend ist, wenn sie nachweisbar ist (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1353 Rz. 12a, unter Hinweis darauf, dass die Unterzeichnung der Anlage U für den Unterhaltsgläubiger i.d.R. nicht zumutbar ist, da er mit seiner Unterschrift für die Richtigkeit der dort aufgeführten Beträge einzustehen hat). A5 Nachteilsausgleich: Im Gegenzug muss der Unterhaltsverpflichtete steuerliche und 287 sonstige Nachteile ausgleichen. Der eintretende Steuernachteil beim Unterhaltsgläubiger ist wegen der Steuerprogression regelmäßig niedriger als der Steuervorteil beim Unterhaltsschuldner. Durch die Behandlung als zu versteuerndes Einkommen beim Unterhaltsberechtigten können sich für diesen aber noch weitere Nachteile ergeben (z.B. höhere Krankenversicherungsbeiträge, vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 2904). Diese können im Zuge einer Vereinbarung auch von der Erstattungspflicht ausgenommen werden. In jedem Fall sollten sich die Vertragsteile, insbesondere auch der Unterhaltsschuldner, steuerrechtlich beraten lassen und die sonstigen wirtschaftlichen Nachteile zu kalkulieren versuchen. Ansonsten kann sich durch den Nachteilsausgleich trotz des Steuervorteils ein finanSiegler 813
Kap. 34 Rz. 288
Vergleichsvereinbarungen
M 34.8
zieller Nachteil des Unterhaltsschuldners ergeben. Vorliegend ist der Nachteilsausgleich vertraglich präzisiert und ausgestaltet: Er sieht eine umfassende Erstattung gegen Nachweis vor, nicht jedoch (wie auch die Rechtsprechung) eine Erstattung später möglicher Nachteile beim Ehegattensplitting (vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 2901, unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 29.1.1992 – XII ZR 248/90, MDR 1992, 781 = FamRZ 1992, 534 [535]: Dort wird zu Recht darauf hingewiesen, dass durch die steuerliche Zusammenveranlagung mit dem neuen Ehemann für diesen ein Vorteil entstehe, der ebenfalls zu berücksichtigen wäre, und dass die Folgen des Realsplittings für den Unterhaltsverpflichteten kalkulierbar bleiben müssten). 288
A6 Steuerberatungskosten: Ob und inwieweit diese erstattungsfähig sind, ist umstritten. In der Regel wird ein Ersatzanspruch nur bejaht, wenn der steuerpflichtige Unterhaltsgläubiger die Steuererklärung nicht alleine bewältigen kann. Es empfiehlt sich deshalb eine konkrete vertragliche Vereinbarung, wenn Ersatz geleistet werden soll (vgl. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 4. Aufl. 2015, Rz. 2902 m.w.N.).
289
A7 Dingliche Sicherung: Vorliegend wird auf dingliche Absicherung des Erstattungsanspruchs verzichtet. Ggf. kann hier auch die Stellung einer Sicherheit für den Unterhaltsberechtigten vereinbart werden (u.U. abhängig davon, ob im Vorjahr die Unterhaltsleistungen und/oder Erstattungen ordnungsgemäß erfolgten).
290
A8 Keine Verpflichtung zur Durchführung des Realsplittings: Es kann sich eine Klarstellung empfehlen, dass der Unterhaltsverpflichtete nicht zur Durchführung des Realsplittings verpflichtet ist – insbesondere wenn seine Berechnung ergibt, dass durch den sonstigen Nachteilsausgleich für ihn kein finanzieller Vorteil verbleibt.
291
A9 Kosten: Zu den Notarkosten vgl. bereits M 34.1 Anm. A56 (Rz. 185 f.) (Sonstige Vereinbarungen).
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Siegler
Kapitel 35
Vergleichsvereinbarungen im Erbrecht
A. Erbauseinandersetzung I. Einführung 1. Erbengemeinschaft und Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbauseinandersetzung in der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Teilungsregeln . . . . . . . . . . b) Einvernehmliche Auseinandersetzungsvereinbarung. . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt und Form . . . . . . . . . . . . . . bb) Erbauseinandersetzung als Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Interesse der Beteiligten an einer einvernehmlichen Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere Wege der Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erbteilsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . b) Abschichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerrechtliche Aspekte a) Erbschaftsteuer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 35.1 Erbauseinandersetzung . . . . . . . .
21 21
B. Erbrechtlicher Auslegungsvertrag I. Einführung 1. Erbrechtlicher Auslegungsvertrag als Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele des erbrechtlichen Auslegungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen eines erbrechtlichen Auslegungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erbrechtliche Wirkung. . . . . . . . . . . . . b) Schuldrechtliche Wirkung . . . . . . . . . . c) Bindungswirkung gegenüber Dritten aa) Verfahrensrechtliche Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bindungswirkung gegenüber Nachlassgläubigern . . . . . . . . . . . . 4. Formfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der erbschaftsteuerrechtliche „Erbvergleich“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Strategische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 4 6 7
11 13 14 16 17 19 20
52 54 59 60 62 65 66 71 72 74 77
a) Einzubeziehende unmittelbar Beteiligte b) Zu berücksichtigende mittelbar Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung nachfolgender Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schwierigkeiten für den Vertragsgestalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 35.2 Erbrechtlicher Auslegungsvertrag (Erbvergleich), Vermächtniserfüllung und Erbscheinsantrag. .
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C. Vergleichsvereinbarung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten I. Einführung 1. Praktische Bedeutung des Pflichtteilsrechts in der außergerichtlichen Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen des Pflichtteilsrechts a) Pflichtteilsberechtigte Personen . . . . . . b) Voraussetzung und Inhalt des Pflichtteilsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . c) Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schutz des Pflichtteils. . . . . . . . . . . . . . 3. Strategische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessen des Berechtigten . . . . . . . . . b) Interessen des Verpflichteten . . . . . . . . c) Gemeinsame Interessen . . . . . . . . . . . . 4. Erbschaftsteuerrechtliche Aspekte a) Grundstruktur der Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . c) Pflichtteilsanspruch als erbschaftsteuerliches Gestaltungsmittel . . . . . . . d) Hingabe von Grundbesitz an den Pflichtteilsberechtigten. . . . . . . . . . . . .
79 80 83
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113 114 115 118 119 120 121 122 123 124 126 128 129
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 M 35.3 Verzicht auf entstandene, nicht geltend gemachte Pflichtteilsansprüche, Grundstücksüberlassung und weitere Vereinbarung . . 131
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Kap. 35 Rz. 1
Vergleichsvereinbarungen
A. Erbauseinandersetzung I. Einführung Literatur: Bengel/Dietz in Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015, C, Rz. 430 ff.; Bonefeld/Bittler, Haftungsfallen im Erbrecht, 2. Aufl. 2011; Burandt/Eberhardt, Beratung im Erbrecht II – Nach dem Erbfall, 2003, Rz. 539 ff.; Rz. 991 (Formulierungsvorschlag); Keim, Erbauseinandersetzung und Erbanteilsübertragung, RNotZ 2003, 375; G.Müller/Braun in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J. VI.; Korintenberg, Gerichts- und Notarkostengesetz, 19. Aufl. 2015; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001; Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012; Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 9 (Erbrecht), 6. Aufl. 2013; Otto in Münchener Vertragshandbuch Band 6 (Bürgerliches Recht), 7. Aufl. 2016, Abschn. XIX.; Roth, Erbauseinandersetzung und Pflichtteilsanspruch im Erbschaftsteuerrecht, RNotZ 2013, 193; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl. 2016; Wegmann in Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016, § 116; Winkler, Beurkundungsgesetz, 17. Aufl. 2013; Witteler, Die Erbauseinandersetzung, Erbfolgebesteuerung 2004, 173.
1. Erbengemeinschaft und Erbauseinandersetzung 1
Wegen des im deutschen Erbrecht geltenden Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) geht das Vermögen des Erblassers auch auf mehrere Erben ungeteilt und als Ganzes über. Die Miterben bilden kraft Gesetzes eine Erbengemeinschaft in der rechtlichen Struktur einer Gesamthandsgemeinschaft (§ 2032 Abs. 1 BGB). Bis zur Auseinandersetzung erfolgt die Verwaltung des Nachlasses gem. § 2038 BGB gemeinschaftlich. Jeder Miterbe kann nach § 2033 BGB zwar über seinen Erbteil verfügen, nicht jedoch über einzelne Nachlassgegenstände. Forderungen der Erbengemeinschaft sind Gesamthandsforderungen, § 2039 BGB, die Verfügungsmacht über Nachlassgegenstände steht den Miterben nur gemeinschaftlich zu, § 2040 BGB. All dies macht die Erbengemeinschaft – ungeachtet der Tatsache, dass es in der Realität vereinzelt harmonisierende Erbengemeinschaften gibt – im Regelfall unbeweglich, konfliktanfällig und damit letztlich unpraktisch. Gleichwohl kommt es rechtstatsächlich schon deshalb häufig zur Entstehung einer Erbengemeinschaft, weil nach wie vor ein Großteil der Erblasser ohne Hinterlassung einer Verfügung von Todes wegen verstirbt.
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Nach dem gesetzlichen Modell ist die Erbengemeinschaft keine auf Dauer, sondern eine von vornherein auf Abwicklung und Aufteilung des Nachlasses angelegte Gemeinschaft, deren Auflösung jeder Miterbe jederzeit betreiben kann, § 2042 Abs. 1 BGB. Der Erblasser kann gem. § 2044 Abs. 1 BGB durch letztwillige Verfügung zwar die Auseinandersetzung des Nachlasses ganz oder teilweise ausschließen; ein solches Verbot hat indes nur schuldrechtliche, den Auseinandersetzungsanspruch einschränkende Wirkung und unterliegt selbst deutlichen Begrenzungen.1 So kann der Ausschluss grundsätzlich nur für die Dauer von 30 Jahren erfolgen, § 2044 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Anordnung ist auch wirkungslos, wenn ein wichtiger Grund für die Auseinandersetzung vorliegt (§§ 2044 Abs. 1 Satz 1, 749 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BGB)2 oder wenn sich sämtliche Miterben – ggf. auch im Einverständnis mit einem Testamentsvollstrecker – einvernehmlich darüber hinwegsetzen.3 Mit ähnlicher Wirkung können auch die Miterben die Auseinandersetzung auf Zeit oder auf Dauer ausschließen (fortgesetzte Erbengemeinschaft).4 1 Zu diesen Sarres, ZEV 2005, 191 ff. 2 Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2044, Rz. 17; Otto, Münch. Vertragshandbuch 6, 7. Aufl. 2016, XIX, Anm. 2; Sarres, ZEV 2005, 191 (192 f.). 3 Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2044 Rz. 8; Sarres, ZEV 2005, 191 (192); vgl. auch Witteler, Erbfolgebesteuerung 2004, 173 (174 f.). 4 Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 10.
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Selbherr
Erbrecht
Rz. 7 Kap. 35
2. Erbauseinandersetzung in der außergerichtlichen Streitbeilegung Erbauseinandersetzung bedeutet Auflösung der gesamthänderischen Bindung an den 3 Nachlassgegenständen und deren dingliche Übertragung in das alleinige Eigentum der jeweiligen Erben. Die Auseinandersetzung kann entweder nach dem gesetzlichen Regelungsmodell oder im Einvernehmen sämtlicher Miterben auf vertraglicher Grundlage erfolgen (zur Möglichkeit eines Vermittlungsverfahren bei der Erbauseinandersetzung nach §§ 363 ff. FamGG vgl. eingehend Sorge, Kap. 13 f.). Eine Teilungsanordnung (oder Auseinandersetzungsanordnung),1 § 2048 BGB, hat wie die Miterbenvereinbarung schuldrechtliche Wirkung. Sie geht den gesetzlichen Regeln vor und ersetzt insoweit einen Teilungsplan.2 a) Gesetzliche Teilungsregeln Das gesetzliche Modell der Auseinandersetzung kommt zum Tragen, wenn Teilungsanord- 4 nungen des Erblassers nicht vorliegen und vertragliche Vereinbarungen der Miterben nicht zustande kommen. Auch ein Testamentsvollstrecker ist, sofern es keine Anordnungen des Erblassers gibt, an die gesetzlichen Teilungsregeln gebunden.3 Diese haben ihren Ausgangspunkt in § 2046 BGB: Zunächst sind die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen, erst danach kann ein verbleibender Überschuss im Verhältnis der Erbteile auf die Erben verteilt werden, § 2047 Abs. 1 BGB. Über die Verweisung in § 2042 Abs. 2 BGB gelten die Verteilungsvorschriften der §§ 752 bis 754 BGB. Die Teilung ist mithin vorrangig und soweit ohne Wertminderung möglich in Natur vorzunehmen, andernfalls im Wege des Pfandverkaufs (§§ 1233 ff. BGB), bei Grundstücken im Wege der Zwangsversteigerung (§ 180 ff. ZVG). Will ein Miterbe seinen Auseinandersetzungsanspruch im Klagewege geltend machen, 5 muss er seinen Antrag auf Zustimmung zu einer bestimmten Auseinandersetzung, also auf Abschluss eines konkreten schuldrechtlichen Auseinandersetzungsvertrages richten. Der Teilungsplan des Klägers muss in vollem Umfang annahmefähig sein, d.h. er muss das Ergebnis der vorzunehmenden Auseinandersetzung zutreffend wiedergeben.4 b) Einvernehmliche Auseinandersetzungsvereinbarung In der Praxis erfolgt die Erbauseinandersetzung primär durch einen Auseinandersetzungsvertrag aller Miterben.
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aa) Inhalt und Form Mit diesem mehrseitigen Rechtsgeschäft eigener Art5 verpflichtet sich jeder Miterbe ge- 7 genüber den anderen zur Mitwirkung an Rechtsgeschäften, durch die Nachlassgegenstände aus der Gesamthandsgemeinschaft in Allein- oder Bruchteilseigentum überführt werden. Die Vereinbarung bildet somit den schuldrechtlichen Grund für die Durchführung der Teilung. Diese schuldrechtlichen Verpflichtungen bedürfen der Erfüllung durch dingliche Vollzugsgeschäfte, d.h., bewegliche Sachen müssen übereignet, Forderungen oder Geschäftsanteile abgetreten und Grundstücke aufgelassen werden. In der Praxis werden diese Rechtsgeschäfte – 1 Zur Abgrenzung einer Teilungsanordnung von einem Vorausvermächtnis statt aller Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2048 Rz. 5 ff. 2 BGH, Urt. v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, MDR 1984, 917 = NJW 1985, 51; Urt. v. 17.4.2002 – IV ZR 226/00, NJW 2002, 2712. 3 Keim, RNotZ 2003, 375 (376). 4 Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 62; Keim, RNotZ 2003, 375 (376). 5 Keim, RNotZ 2003, 375 (377).
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Kap. 35 Rz. 8
Vergleichsvereinbarungen
soweit sie überhaupt schriftlich fixiert werden und nicht konkludent erfolgen – häufig in einer Vereinbarung zusammengefasst. 8
In der inhaltlichen Ausgestaltung der Verteilung sind die Beteiligten grundsätzlich frei. Insbesondere können sie sich – allerdings nicht gegen den Willen eines Miterben – beschränken auf – eine persönliche Teilauseinandersetzung, also auf die Vereinbarung des Ausscheidens einzelner Miterben unter Fortbestand der Erbengemeinschaft unter den verbleibenden Miterben; – eine sachliche Teilauseinandersetzung, also auf die Vereinbarung nur bezogen auf einzelne Nachlassgegenstände. Über Anordnung des Erblassers für die Auseinandersetzung gem. § 2048 BGB können sich die Miterben grundsätzlich einvernehmlich hinwegsetzen.1
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Der Erbauseinandersetzungsvertrag ist grundsätzlich formfrei, es sei denn, einzelne Nachlassgegenstände wie insbesondere Grundstücke oder GmbH-Anteile führen zur Notwendigkeit der notariellen Beurkundung (§§ 311b, 925 BGB, § 15 GmbHG). In der Praxis sollen zuweilen vermeintlich sachlich auf Grundbesitz beschränkte Erbauseinanderssetzungen beurkundet werden. Zu beachten ist jedoch, dass auch alle sonstigen Auseinandersetzungsabreden der erforderlichen Form bedürfen, sofern sie – wie regelmäßig – rechtlich mit den beurkundeten Abreden eine Einheit bilden.2 Vorsicht ist auch bei mehreren Teilauseinandersetzungen geboten, da unter Umständen auch mehrere Teilvereinbarungen eine insgesamt beurkundungspflichtige Einheit bilden können.3 Die notarielle Beurkundung wird generell besonders für komplexe und kontroverse Fälle auch aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und zur Streitvermeidung empfohlen.4 bb) Erbauseinandersetzung als Vergleich
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Ob eine Erbauseinandersetzung Vergleichscharakter hat, ist umstritten.5 In seiner Reinform dient der Auseinandersetzungsvertrag der Umsetzung der vom Erblasser angeordneten oder der gesetzlichen Teilungsregeln, so dass Streit oder Unsicherheit von den Beteiligten nicht beseitigt zu werden brauchen. Insoweit hat die Vereinbarung nur deklaratorische Bedeutung. Gestalten die Miterben indes eigenständig Teilungsregeln, was dem Regelfall in der Praxis entspricht, weicht die Vereinbarung also von vorgegebenen Auseinandersetzungsregeln ab, kommt ihr konstitutive Wirkung zu. Gerade in diesen Fällen wollen die Beteiligten eben doch häufig Unsicherheiten (oder auch Streit) beseitigen, die insbesondere daraus resultieren können, dass eine Aufteilung von Nachlassgegenständen in Natur nicht möglich ist, so typischerweise bei bebautem Grundbesitz. Oft werden auch unterschiedlich werthaltige Nachlassgegenstände ohne Abfindungszahlung verteilt oder die Zuweisung von Gegenständen gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages vereinbart. In all diesen Fällen beinhaltet die Auseinandersetzungsvereinbarung ein gegenseitiges Nachgeben und hat damit Vergleichs-
1 Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2048 Rz. 4. 2 BGH, Urt. v. 19.11.1982 – V ZR 161/81, BGHZ 85, 315 (317); Urt. v. 20.9.1985 – V ZR 148/84, NJW 1986, 248; Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 311b Rz. 32; Keim, RNotZ 2003, 375 (380 f.). 3 Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 311b Rz. 32; Keim, RNotZ 2003, 375 (380 f.), mit Hinweisen auf die beurkundungsrechtlichen Anforderungen in diesen Fällen. 4 So z.B. Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 36. 5 Vgl. hierzu Keim, RNotZ 2003, 375 (377), und Otto, Münch. Vertragshandbuch 6, 7. Aufl. 2016, XIX, Anm. 2 (2) b), jeweils m.w.N.
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Erbrecht
Rz. 13 Kap. 35
charakter (§ 779 BGB).1 Die Auseinandersetzung mag auch auf einer letztwilligen Verfügung beruhen, die zwar zweifelsfrei zu einer Erbengemeinschaft führt, die andererseits jedoch nicht nachvollziehbare oder praktisch nicht darstellbare Teilungsanordnungen enthält. In diesen Fällen bewegen sich die Beteiligten (und der Vertragsgestalter) im Grenzbereich zwischen Erbauseinandersetzung und erbrechtlichem Auslegungsvertrag.2 cc) Interesse der Beteiligten an einer einvernehmlichen Erbauseinandersetzung Das gesetzliche Auseinandersetzungsmodell ist vielfach kritisiert worden.3 Es gibt allemal einzelnen Miterben die Möglichkeit, gegen den Willen der Übrigen wertvolle Wirtschaftseinheiten zu zerschlagen und angestammtes Familiengut zu verschleudern.4 Allerdings ist der Weg zu einer erzwungenen Auseinandersetzung aufgrund der detaillierten Anforderungen an den Klageantrag auch für den auseinandersetzungswilligen Kläger ein dorniger,5 dies besonders deshalb, weil dem entscheidenden Gericht jeder gestaltende Eingriff in den Teilungsplan untersagt ist, so dass auch nur geringfügige Unstimmigkeiten zur Gesamtklageabweisung führen.6 Im Ergebnis übt die auf übersichtlichen, wenngleich der praktischen Situation nach dem Erbfall häufig nicht gerecht werdenden Teilungsvorschriften beruhende gesetzliche Regelung zuweilen „einen heilsamen Einigungsdruck auf die Miterben aus“.7
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Die Interessen der Beteiligten an einer einvernehmlichen Regelung dürften sich im Kern re- 12 gelmäßig decken: Gewünscht wird eine effiziente, kostengünstige, diskrete und im Idealfall auch harmonische Auseinandersetzung. Dazu mögen unterschiedliche Interessen der Parteien an den einzelnen Nachlassgegenständen kommen: So sind häufig manche Beteiligte nicht zuletzt aus emotionalen Gründen an der Erlangung bestimmter Nachlassgegenstände interessiert, während andere Erben mehr Wert auf eine Abfindungszahlung legen. Eine einvernehmliche Regelung jenseits der gesetzlichen Vorgaben ist auf jeden Fall die flexiblere Lösung und schon deswegen regelmäßig die bessere Option. 3. Andere Wege der Erbauseinandersetzung Die vorstehenden Ausführungen (und auch der nachfolgende Mustertext) beziehen sich 13 auf den „klassischen Auseinandersetzungsvertrag“,8 der die Verteilung der einzelnen Nachlassgegenstände beinhaltet. Den Erben stehen aber auch andere rechtliche Wege der Auseinandersetzung zur Verfügung: die Erbauseinandersetzung durch Erbteilsübertragung oder durch Abschichtung. 1 In diesem Sinne auch Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 33; Otto, Münch. Vertragshandbuch 6, 7. Aufl. 2016, Anm. 2 (2) b. A.A. Keim, RNotZ 2003, 375 (377). Vgl. grundsätzlich zu Vergleichsvereinbarungen Hass, Kap. 29. 2 Zum erbrechtlichen Auslegungsvertrag eingehend unten Rz. 52 ff. 3 Nachweise bei Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, § 44 I 4. 4 Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 3. 5 Eindrucksvoll aus anwaltlicher Sicht Kerscher/Tanck/Krug, Das erbrechtliche Mandat, 2. Aufl. 2000, § 13 Rz. 171, § 27 Rz. 11, auch zur von der Rechtsprechung geduldeten „Flucht in die Feststellungsklage“. Zu den praktischen Schwierigkeiten der Erbteilungsklage auch Krug, Der Fachanwalt für Erbrecht 2006, 7 ff. 6 Erker/Oppelt, Münchener Prozessformularbuch, 3. Aufl. 2013, K. VI. 2. Rz. 6. 7 So noch Heldrich in MüKo, BGB, 4. Aufl. 2004, § 2042 Rz. 3, der zu Recht das Regelungsmodell gegenüber einem Staatseingriff zur Nachlassteilung für vorzugswürdig hält; a.A. nunmehr Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 3, der – m.w.N. – auf Forderungen nach einer „maßvollen Erweiterung richterlicher Gestaltungsmöglichkeiten“ hinweist, „um so den Raum einzelner Miterben für Eigennutz, Missbrauch und Willkür einzuschränken“. 8 Keim, RNotZ 2003, 375.
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Kap. 35 Rz. 14
Vergleichsvereinbarungen
a) Erbteilsübertragung 14
Die Erbauseinandersetzung durch Erbteilsübertragung kann dergestalt erfolgen, dass jeweils gegen Abfindung entweder mehrere ausscheidende Miterben ihre Anteile auf einen verbleibenden Miterben übertragen oder ein ausscheidender Miterbe seinen Anteil auf einen oder mehrere der Verbleibenden überträgt. Im letztgenannten Fall wächst der übertragene Erbteil regelmäßig entsprechend § 2094 BGB den in Gesamthandsgemeinschaft stehenden übrigen Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile an.1 Denkbar ist auch die Übertragung eines oder sämtlicher Erbteile auf einen Dritten. Vereinigen sich sämtliche Erbteile in einer Person, endet die Erbengemeinschaft.2
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Das Verpflichtungsgeschäft (Erbteilskauf oder Erbteilsveräußerung) bedarf gemäß §§ 1922 Abs. 2, 2385 Abs. 1, 2371 BGB der notariellen Beurkundung. Das dingliche Erfüllungsgeschäft, also die Übertragung des Erbteils, bedarf nach § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenfalls der Beurkundung. Ein formnichtiges Verpflichtungsgeschäft wird nicht analog § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB durch die Beurkundung der Erbteilsübertragung geheilt.3 Der Vertragsgestalter hat daher zu beachten, dass sämtliche schuldrechtlichen (Neben)Abreden beurkundet werden, insbesondere, wenn Erbteile familienintern „unentgeltlich“ übertragen werden. Bei Übertragungen im Austausch mit einer Gegenleistung liegt der Schwerpunkt der Vertragsgestaltung regelmäßig bei der Absicherung der Gegenleistung.4 b) Abschichtung
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Eine (persönliche Teil)Erbauseinandersetzung soll durch Abschichtung erfolgen können.5 Im Kern unterscheidet sich diese von der Erbteilsübertragung dadurch, dass der ausscheidende Miterbe ohne Übertragungsakt auf seine Rechte als Miterbe lediglich verzichtet mit der Folge der Anwachsung des Nachlassvermögens bei den verbleibenden Gesamthändern in analoger Anwendung von § 738 BGB,6 wobei beim Verbleib nur eines Miterben die Erbengemeinschaft aufgelöst und der Nachlass Alleineigentum des verbleibenden Erben wird.7 Die Gestaltungsvariante unterliegt nur eingeschränkten Formerfordernissen, ist also regelmäßig nicht beurkundungspflichtig, und mag daher Kostenvorteile bieten. Die Konstruktion ist aber nicht unumstritten und in den Details auch ungeklärt; allein wegen der Sicherung von Abfindungsleistungen, insbesondere durch eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung, ist die notarielle Beurkundung häufig zweckmäßig und empfehlenswert.8
1 Gergen in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2033 Rz. 26. 2 Keim, RNotZ 2003, 375 (382). 3 BGH, Urt. v. 29.6.1970 – III ZR 21/68, DNotZ 1971, 37; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2033 Rz. 11 m.w.N.; a.A. mit beachtlichen Gründen Keim, RNotZ 2003, 375 (382). 4 Zum Problem der Sicherung des Leistungsaustauschs bei der (entgeltlichen) Erbteilsveräußerung statt vieler sehr prägnant Bengel/Dietz in Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015, C, Rz. 446 ff. m.N. 5 Instruktiv hierzu Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2042 Rz. 10 m.w.N. 6 BGH, Urt. v. 21.1.1998 – IV ZR 246/96, BGHZ 138, 8 = DNotZ 1999, 60 m. Anm. Rieger, bestätigt durch Urt. v. 27.10.2004 – IV ZR 174/03, ZEV 2005, 22 = ZErb 2005, 48. 7 BGH, Beschl. v. 20.9.2010 – V ZB 219/09, NJW 2011, 525. 8 Vgl. Bengel/Dietz in Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015, C, Rz. 463 (mit Formulierungsvorschlag). Kritisch gegenüber der Abschichtung auch Kanzleiter, ZEV 2012, 447; Keim, RNotZ 2003, 375 (386 f.), und Rieger, DNotZ 1999, 64, beide m.w.N., ebenso sehr eingehend (und überzeugend) K. Schmidt, AcP 205 (2005), 305 ff.
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Erbrecht
Rz. 19 Kap. 35
4. Steuerrechtliche Aspekte a) Erbschaftsteuer Die Mitglieder einer Erbengemeinschaft werden als Miterben gem. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, 17 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nach Maßgabe ihrer Erbquoten besteuert. Die Verteilung des Nachlasses unter den Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung ist für die Besteuerung ohne Belang; es kommt nicht darauf an, welche Vermögensgegenstände den Miterben jeweils übertragen werden. Steuertatbestand ist nach dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb „durch Erbanfall“ und nicht der Erwerb „aufgrund“ eines Erbfalles, also nicht das Ergebnis der Auseinandersetzung.1 Dies gilt auch, wenn der Erblasser die Auseinandersetzung vorab durch eine Teilungs- 18 anordnung im Sinne von § 2048 BGB geregelt hat. Auch dann ist der Nachlass den Miterben nach Maßgabe ihrer jeweiligen Erbquoten zuzurechnen, weil eine Teilungsanordnung diese Quoten unberührt lässt und lediglich in die steuerrechtlich nicht relevante Erbauseinandersetzung eingreift.2 Für den Erwerber zusätzlich steuerpflichtig und für die Miterben als Erbfallschuld abziehbar ist hingegen das Vorausvermächtnis, § 2150 BGB, da der Vorausvermächtnisnehmer dieses zusätzlich zu seinem Erbteil erwirbt.3 Sachbezogene erbschaftsteuerrechtliche Privilegierungen können – was seit dem Erbschaft- 18a steuerreformgesetz4 ausdrücklich gesetzlich geregelt ist – nur von dem in Anspruch genommen werden, der den entsprechenden Vermögenswert im Rahmen der Teilung übertragen bekommt. Dieser Begünstigungstransfer gilt somit für Betriebsvermögen, § 13a Abs. 3 Satz 3 ErbStG, für ein Familienheim, § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2, Nr. 4c Satz 2 ErbStG, und für zu Wohnzwecken vermietete Gebäude, § 13c Abs. 2 ErbStG.5 Auf eine zeitliche Nähe der Erbauseinandersetzung zum Erbfall kommt es grundsätzlich nicht an.6 b) Einkommensteuer Besonders wenn Betriebsvermögen in den Nachlass fällt, sind die Bezüge der Erbauseinan- 19 dersetzung zum Einkommensteuerrecht zu beachten. Der BFH betrachtet Erbfall und Erbauseinandersetzung zwischenzeitlich nicht mehr als Einheit.7 Dies kann immer dann erhebliche einkommensteuerrechtliche Konsequenzen haben, wenn die Beteiligten sich mit der Auseinandersetzung nicht auf eine sog. Realteilung beschränken, also nicht jeder Miterbe aus dem Nachlass so viele Vermögenswerte erhält, wie ihm nach seiner Erbquote zustehen. Weichen die Miterben unter Vereinbarung von Abfindungszahlungen von den erbrechtlichen Quoten ab, liegt ein Veräußerungserlös vor, der je nach den Umständen des Einzelfalls als einkommensteuerpflichtiger Veräußerungsgewinn zu qualifizieren ist.8 Auch 1 BFH, Urt. v. 1.4.1992 – II R 21/89, BStBl. 1992 II, 669; Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 3 Rz. 20. 2 Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 3 Rz. 23, auch zur wechselvollen Geschichte der Finanzrechtsprechung zu diesem Punkt. 3 Vgl. auch Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 3, Rz. 45. Zur zivilrechtlichen Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung statt aller Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2048 Rz. 5 ff. 4 BGBl. 2008 I, 3018. 5 Eingehend hierzu Roth, RNotZ 2013, 193 (198 ff.). 6 BFH, Urt. v. 23.6.2015 – II R 39/13, ZEV 2015, 658 = MittBayNot 2016, 86 = FamRB 2015, 423: beachte aber hierzu einschränkend gleichlautende Erlasse der Länder vom 3.3.2016, BStBl. 2016 I, 280. 7 BFH, Beschl. v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BStBl. 1990 II, 837. Zur Entwicklung der Rechtsprechung prägnant Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 3 Rz. 32. 8 Wartenburger in Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015, C, Rz. 521.
Selbherr 821
Kap. 35 Rz. 20
Vergleichsvereinbarungen
M 35.1
übernommene Schulden bilden insoweit Veräußerungserlös bzw. Anschaffungskosten, als sie den Anteil des Übernehmenden am Nachlass übersteigen.1 Dies ist im Hinblick auf §§ 17, 23 EStG und § 21 UmwStG zu beachten. Die einkommensteuerrechtlichen Implikationen der Erbauseinandersetzung sind – vor allem wenn Betriebsvermögen zum Nachlass gehört – bereits bei der Gestaltung der Verfügung von Todes wegen und bei der vorweggenommenen Erbfolge zu berücksichtigen.2 c) Grunderwerbsteuer 20
Der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses ist gem. § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbbesteuerung ausgenommen.3 Die Vorschrift soll die Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften mit Grundbesitz erleichtern4 und Erben, die aus dem Nachlass ein Grundstück erwerben, mit einem Alleinerben oder Vermächtnisnehmer gleichstellen, deren Erwerb gem. § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen ist.5 Voraussetzung der Steuerbefreiung ist im Kern, dass – das Grundstück zu einem ungeteilten Nachlass gehört, – der Erwerb durch den in der Vorschrift bestimmten begünstigten Personenkreis (vor allem Miterben und deren Ehegatten) erfolgt, – der Erwerb zur Teilung des Nachlasses erfolgt.
20a
Als Gestaltungsmöglichkeiten zur Ersparnis von Grunderwerbsteuer mag sich in gewissen, in der Praxis aber wohl eher seltenen Fällen die Fortsetzung der Erbengemeinschaft oder die Einbringung in eine BGB-Gesellschaft mit anschließender Anteilsabtretung anbieten.6
II. Muster 21
M 35.1 ErbauseinandersetzungA1 Heute, den …, sind vor mir, NotarA2 in … in meinen Amtsräumen in … gleichzeitig anwesend: 1) Frau B. B., geb. M., geboren am …, 2) Herr C. B., geboren am … 3) Frau D. E., geb. B., geboren am …, Der Notar hat das Grundbuch eingesehen. Die Erschienenen erklärten mit der Bitte um Beurkundung:
1 2 3 4 5 6
BFH, Urt. v. 14.12.2004 – IX R 23/02, BFH NV 2005, 619 = ZEV 2005, 223. Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 3 Rz. 32 ff., mit Gestaltungsüberlegungen bei Rz. 35. Eingehend Schuck, ZEV 2002, 102. Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl. 2014, § 3 Rz. 169. Schuck, ZEV 2002, 102. Schuck, ZEV 2002, 102 (103). Zu Risiken der letztgenannten Variante aber BFH, Urt. v. 7.2.2001 – II R 5/99, ZEV 2001, 247.
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M 35.1
Erbrecht
Rz. 21 Kap. 35
I. Vorbemerkung 1.
GrundbuchstandA3
Im Grundbuch des Amtsgerichts A-Stadt für … Blatt … sind als Eigentümer eingetragen:A4 – Frau B. B., geb. M., geb. am … zur Hälfte und Frau B. B., geb. M., geb. am … Herr C. B., geb. am … und Frau D. E., geb. B., geb. am … in Erbengemeinschaft zur anderen Hälfte. Dieser Grundbesitz ist laut Grundbuch wie folgt belastet: Abt. II: keine Eintragung Abt. III: 110 000 Euro Grundschuld ohne Brief für die B-Bank; 17 % Zinsen jährlich 2. Erbfall, Familienverhältnisse Die voraufgeführte Erbengemeinschaft ist wie folgt entstanden: Der voreingetragene Grundstücksmiteigentümer, Herr A. B., geboren am … (nachfolgend auch „Erblasser“) ist am … in A-Stadt verstorben. Er wurde gemäß Erbschein des Amtsgerichts A-Stadt – Nachlassgericht – (Geschäftsnummer …) beerbt von seiner Ehefrau B. B., geb. M., zu 1/2 und von seinen Kindern C. B. und D. E., geb. B., zu je 1/4 (sämtliche nachfolgend auch „Erben“). Der Erbschein lag heute in Ausfertigung vor. Der Erblasser war in einziger Ehe mit der heute erschienenen Frau B. B., geborene M. in Zugewinngemeinschaft verheiratet. Aus dieser Ehe sind die heute anwesenden Kinder C. B. und D. E., geb. B., hervorgegangen. Frau E. hat einen Sohn, F. E., geb. am … Weitere Kinder hatte der Erblasser nach Angabe nicht. 3. NachlassA5 Die Erben erklären übereinstimmend, dass sich der Nachlass des Erblassers nach dem Stand vom … zusammensetzt wie folgt:A6 a) Aktiva (1) Grundbesitz hälftiger Miteigentumsanteil an dem Anwesen … (wie unter Ziff. I.1 dieser Urkunde aufgeführt Wert: … Euro (2) ForderungenA7 Girokonto Nr. bei der B-Bank in A-Stadt Stand zum …: … Euro, hiervon die Hälfte: … Euro Sparkonto Nr. … bei der B-Bank in A-Stadt Stand zum …: … Euro Wertpapierdepot Nr. … bei der B-Bank in A-Stadt Depotwert zum …: … Euro
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Kap. 35 Rz. 21
Vergleichsvereinbarungen
M 35.1
hiervon die Hälfte: … Euro (3) Sonstiges bewegliches Vermögen PKW Marke …, Fahrzeugbrief-Nr. … Wert: … Euro Münzsammlung bestehend aus … Wert: … Euro (4) Summe Aktiva: … Euro b) Passiva (1) Erblasserschulden Darlehen Nr. … bei der B-Bank in A-Stadt Stand zum …: Euro hiervon die Hälfte: … Euro (2) Erbfallschulden Beerdigungskosten:A8 Beerdigung zzgl. Trauerfeier, Grabmal … Euro Nachlassverwaltungsschulden: Kosten für Erbschein (Antrag, Erteilung) … Euro Vermächtnisse: Geldvermächtnis zugunsten des Enkels F. E. in Höhe von … Euro (3) Summe Passiva: … Euro c) Reinnachlass Der Reinnachlass (Aktiva abzüglich Passiva) beträgt … Euro Die Beteiligten anerkennen die in der Nachlassaufstellung festgesetzten Werte der Nachlassgegenstände als verbindlich, insbesondere die Wertfeststellung des Sachverständigen … zu dem in der Nachlassaufstellung aufgeführten Grundbesitz.A9 (Alternativ: Die Beteiligten erklären, dass ihnen Bestand und Wert des Nachlasses nach dem Erblasser bekannt sind. Auf das Beifügen einer Nachlassaufstellung wird allseits verzichtet.A10) 4. WertanteileA11 Die Wertanteile am Nachlassvermögen betragen aufgrund der Erbquoten: für die Miterbin B. B. … Euro, für den Miterben C. B. … Euro, für die Miterben D. E. … Euro. II. AuseinandersetzungA12 Die Erben heben hiermit das zwischen ihnen bestehende Gemeinschaftsverhältnis am Nachlass auf und setzen sich darüber auseinander wie folgt: 1. Die Miterbin B. B. erhält den 1/2 Miteigentumsanteil an dem unter Ziff. I.1. dieser Urkunde aufgeführten Grundbesitz zum Alleineigentum, so dass sie fortan Alleineigentümerin des gesamten Grundbesitzes ist.
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M 35.1
Erbrecht
Rz. 21 Kap. 35
Sie erhält ferner – vorbehaltlich der Regelung unter Ziff. III.2. dieser Urkunde – das gesamte Guthaben auf dem Girokonto Nr. bei der B-Bank in A-Stadt zur Alleinberechtigung und den PKW Marke …, Fahrzeugbrief-Nr. … zum Alleineigentum zugeteilt. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der gesamte Hausrat des gemeinsamen Haushalts der Miterbin B. B. mit dem Erblasser sowie dessen persönliche Habe (Kleidung, Bücher etc.) der Miterbin B. B. fortan als Alleineigentümerin zustehen. Diese Gegenstände sind nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten ohne materiellen Wert und deshalb in der Nachlassaufstellung (Ziff. I.3.) nicht aufgeführt; die Zuteilung erfolgt ohne Anrechnung auf die Erbquote.A13 2. Der Miterbe C. B. erhält das Guthaben auf dem Sparkonto Nr. … bei der B-Bank in A-Stadt zur Alleinberechtigung und die Münzsammlung zum Alleineigentum zugeteilt.A14 3. Die Miterbin D. E. erhält das Wertpapierdepot Nr. … bei der B-Bank in A-Stadt zum Alleinberechtigung zugeteilt. Zum Ausgleich der unterschiedlichen Werte von Sparguthaben und Depotbestand verpflichtet sich Frau D. E., an ihren Bruder C. B. einen Geldbetrag in Höhe von … Euro – … Euro – zu zahlen. Dieser Betrag ist zur Zahlung fällig bis spätestens … und bis dahin nicht zu verzinsen und nicht sicherzustellen.A15 Auf Zwangsvollstreckungsunterwerfung wird allseits verzichtet.A16 III. NachlassverbindlichkeitenA17 1. Das unter Ziff. I.1. dieser Urkunde aufgeführte Grundpfandrecht zu … Euro sichert nach Angabe bisher die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten des Erblassers und seiner Ehefrau B. B. aus dem Darlehen Nr. … bei der B-Bank in A-Stadt. Sie haben gemeinsam den Darlehensvertrag unterzeichnet und in der Grundschuldbestellungsurkunde die persönliche Haftung übernommen. Das Restdarlehen beträgt derzeit … Euro. Die Miterbin B. B. verpflichtet sich, die übrigen Miterben von diesen Verbindlichkeiten mit Wirkung ab … freizustellen. Frau B. B. steht es frei, dies durch eine Haftentlassungserklärung der Gläubigerin oder durch Tilgung der Altverbindlichkeit oder anders zu bewirken. Die Erfüllung dieser wesentlichen Vertragspflicht ist den übertragenden Miterben innerhalb von … Monaten ab heute durch Bestätigung des Gläubigers – die an die Bedingung geknüpft sein darf, dass Frau B. B. im Grundbuch als Alleineigentümer eingetragen ist – nachzuweisen.A18 2. Der Erblasser hat mit privatschriftlichem Testament vom …, das dieser Urkunde in einfacher Abschrift als informatorische Anlage beigefügt ist, als einzige Verfügung ein Geldvermächtnis zugunsten seines Enkelkinds F. E. in Höhe von … Euro – … Euro – ausgesetzt. Frau B. B. verpflichtet sich, diesen Betrag unverzüglich an den Vermächtnisnehmer zu bezahlen und die übrigen Miterben von dieser Forderung freizustellen.A19 3. Die übrigen Erbfallschulden wurden nach Angabe der Beteiligten bereits aus dem Nachlass beglichen.
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Kap. 35 Rz. 21
Vergleichsvereinbarungen
M 35.1
IV. ÜbertragungA20 1. Grundbesitz a) Frau B. B. (Erwerber) und die übrigen Miterben (Veräußerer) sind sich über den Eigentumsübergang hinsichtlich des unter Ziff. I.1. dieser Urkunde genannten 1/2 Miteigentumsanteils von der Erbengemeinschaft auf den Erwerber einig. Sämtliche Vertragsteile bewilligen und beantragen die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch. Trotz der Belehrung des amtierenden Notars über die Risiken ungesicherter Vorleistungen soll das Vorliegen der Gläubigererklärung gem. Ziff. III.1. dieser Urkunde nicht Voraussetzung für die Eigentumsumschreibung im Grundbuch sein.A21 Auf die Eintragung einer Eigentumsvormerkung wird allseits verzichtet. Der Notar hat auf die Sicherungswirkungen einer Vormerkung, insbesondere bei beeinträchtigenden Zwischenverfügungen oder Insolvenz des Veräußerers, hingewiesen.A22 b) Die Besitzübergabe erfolgt am … Vom selben Zeitpunkt an gehen auch Nutzen, Lasten, öffentliche Abgaben und Steuern auf den Erwerber über, ebenso die Gefahr und Haftung, insbesondere die Verkehrssicherungspflicht. Miet- und Pachtverhältnisse bestehen nach Angabe des Veräußerers nicht. Der Vertragsbesitz wird vom Erwerber alleine bewohnt. Auf Zwangsvollstreckungsunterwerfung wird verzichtet. Soweit für den Vertragsbesitz ab heute Beiträge für Erschließungsanlagen oder andere öffentliche Einrichtungen erhoben werden, hat diese der Erwerber zu bezahlen. c) Der Veräußerer haftet für ungehinderten Besitz und lastenfreien Eigentumsübergang, soweit in dieser Urkunde nichts anderes vereinbart ist. Der Erwerber übernimmt das in Ziff. I.1. dieser Urkunde genannte Grundpfandrecht. Bestehende und künftige Eigentümerrechte werden insoweit – aufschiebend bedingt durch die Eigentumsumschreibung – an den Erwerber abgetreten. Entsprechende Grundbucheintragung wird bewilligt. Der Veräußerer ermächtigt den Erwerber, diese Abtretung dem Gläubiger anzuzeigen. 2. Forderungen Die Beteiligten sind sich über den Übergang der Bankguthabenforderungen auf den jeweils gem. Ziff. II. dieser Urkunde übernahmeberechtigten Miterben einig. Sie verpflichteten sich, alle zur Umschreibung der Konten erforderlichen oder zweckdienlichen Erklärungen gegenüber dem jeweiligen Kreditinstitut unverzüglich abzugeben oder entsprechende Handlungen vorzunehmen. Die Abtretung erfolgt jeweils mit Wirkung zum … 3. Sachen Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass – der gesamte Hausrat des gemeinsamen Haushalts der Miterbin B. B. mit dem Erblasser sowie dessen persönliche Habe (Kleidung, Bücher etc.) nunmehr im Alleineigentum der Frau B. B. steht;A23 – das Eigentum an dem PKW Marke …, Fahrzeugbrief-Nr. … von der Erbengemeinschaft auf die Miterbin B. B. allein übergeht; – das Eigentum an der Münzsammlung von der Erbengemeinschaft auf den Miterben C. B. allein übergeht. 826
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Erbrecht
Rz. 21 Kap. 35
Soweit erforderlich verpflichten sich die Miterben, diese Sachen unverzüglich an den jeweiligen Erwerber zu übergeben. Auf Zwangsvollstreckungsunterwerfung wegen der Verpflichtung zur Übergabe und Besitzverschaffung wird allseits verzichtet.A24 4. Sach- und RechtsmängelA25 Der Veräußerer haftet für ungehinderten Besitz und lastenfreien Eigentumsübergang, soweit in dieser Urkunde nichts anderes vereinbart ist. Der Veräußerer garantiert, dass ihm bei einer Besichtigung nicht erkennbare Sachmängel, insbesondere im Grundbuch nicht eingetragene Belastungen und Beschränkungen, nicht bekannt sind. Darüber hinaus wird eine bestimmte Beschaffenheit oder Garantie nicht vereinbart. Der Erwerber hat den jeweiligen Vertragsgegenstand genau besichtigt; er erwirbt ihn in gegenwärtigem Zustand. Ansprüche und Rechte des Erwerbers wegen Mängeln oder Eigenschaften des Vertragsgegenstandes werden ausgeschlossen, insbesondere im Hinblick auf Grundstücksgröße und Zweckeignung für den Erwerber. Unberührt bleibt eine Haftung wegen Vorsatz oder Arglist. V. GesamtauseinandersetzungA26 Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass mit Vollzug dieser Urkunde der Nachlass nach A. B. vollständig auseinander gesetzt ist. Mit Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Auseinandersetzungsvereinbarung sind sämtliche aufgrund des Erbfalls den Miterben gegeneinander zustehenden Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen, endgültig erledigt, auch eventuell bestehende Ansprüche auf Aufwendungsund/oder Schadensersatz. Ausgleichspflichten nach den §§ 2050 ff. BGB bestehen nicht. (Alternativ: V. TeilauseinandersetzungA27 Hinsichtlich der von der heutigen Auseinandersetzung ausgenommenen Gegenstände besteht die Erbengemeinschaft zu den unter Ziff. I.2. dieser Urkunde angegebenen Quoten nach den gesetzlichen Regeln bis auf weiteres fort. Eine Auseinandersetzung bleibt vorbehalten.A28 Darüber hinaus sind mit Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Auseinandersetzungsvereinbarung sämtliche aufgrund des Erbfalls den Miterben gegeneinander zustehenden Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen, endgültig erledigt, auch eventuell bestehende Ansprüche auf Aufwendungs- und/oder Schadensersatz. Ausgleichspflichten nach den §§ 2050 ff. BGB bestehen nicht.) VI. Schlussbestimmungen, VollzugvollmachtenA29 1. Sollten Teile dieses Vertrages unwirksam oder undurchführbar sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen dennoch wirksam. Anstelle einer etwa unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung gilt eine wirksame und durchführbare Bestimmung als vereinbart, die dem ursprünglich Gewollten und dem Sinn und Zweck dieses Vertrages am nächsten kommt. Entsprechendes gilt bei einer von den Vertragsteilen nicht bedachten Regelungslücke. 2. Mündliche Nebenabreden, nachträgliche Änderungen und Ergänzungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht eine strengere Formvorschrift gilt. Dies gilt auch für die Aufhebung dieser Schriftformvereinbarung. 3. Die Vertragsteile beauftragen und bevollmächtigen die Miterbin B. B., zum Vollzug dieser Urkunde erforderliche oder zweckdienliche Erklärungen mit Wirkung für und gegen die übrigen Miterben abzugeben oder entgegenzunehmen. Bestehende Bankvollmachten des Erblassers zu-
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Kap. 35 Rz. 21a
Vergleichsvereinbarungen
M 35.1
gunsten der Miterbin B. B. bleiben bestehen. Die Bevollmächtigte ist berechtigt, Forderungen für die Erbengemeinschaft einzuziehen und Zahlungen mit befreiender Wirkung anzunehmen. 4. Die Vertragsteile beauftragen und bevollmächtigen den amtierenden Notar unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, für den (Grundbuch)Vollzug dieser Urkunde zu sorgen und die Beteiligten im Grundbuchverfahren uneingeschränkt zu vertreten. VII. Abschriften Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen: – das zuständige Amtsgericht – Grundbuchamt –, – die Miterbin B. B. zum Nachweis ihrer Vollmacht (Ziff. VI.1.),A30 Beglaubigte Abschriften: – die Vertragsteile je eine, – das zuständige Finanzamt – Schenkungsteuerstelle – (§ 7 ErbStDV). Einfache Abschriften: – das zuständige Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle. VIII. Hinweise Der Notar hat insbesondere auf Folgendes hingewiesen: – Alle Vereinbarungen müssen richtig und vollständig beurkundet sein. Bei unrichtiger oder unvollständiger Beurkundung kann der ganze Vertrag nichtig sein. – Unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen haften alle Beteiligten für Kosten und Steuern und der Vertragsgrundbesitz für Erschließungskosten und öffentliche Abgaben. – Das Eigentum geht erst mit Umschreibung im Grundbuch auf den Erwerber über. Voraussetzung dafür ist u.a. die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts. – Jede Vorleistung ist Vertrauenssache. Vorleistungen können vertraglich vermieden oder gesichert werden. – Der Notar erteilt keine steuerliche Beratung. IX. KostenA31 Unabhängig von der nach dem Gesetz bestehenden Gesamthaftung aller Beteiligten übernehmen: – Die Kosten der Errichtung dieser Urkunde die Beteiligten zu gleichen Teilen, – (Alternativ: Die Kosten der Errichtung dieser Urkunde die Beteiligten nach ihren Erbquoten,) – die Kosten des Vollzug dieser Urkunde im Grundbuch und eine etwa anfallende (Verkehrs-)Steuer jeder Erwerber für seinen Erwerb.A32 (Schlussvermerk/Unterschriften sämtlicher Beteiligter und des Notars)
Anmerkungen zu Muster M 35.1 21a
A1 Sachverhalt: Der behandelte Lebenssachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus Nr. I. des Mustertextes: Erblasser A. B. hat ein privatschriftliches Testament hinterlassen, mit dem er lediglich ein Geldvermächtnis zugunsten eines Enkelkindes aussetzt. Im Übrigen ist gesetzliche Erbfolge eingetreten, so dass eine Erbengemeinschaft zwischen der Witwe des Erblassers und den beiden gemeinsamen Kindern besteht. Die Verhandlungen zwischen 828
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Erbrecht
Rz. 26 Kap. 35
den Beteiligten sind nicht streitig. Sie wünschen eine einheitliche und umfassende Regelung der Auseinandersetzung über den gesamten Nachlass. Insbesondere hinsichtlich der durch die gesetzliche Erbfolge geprägten Struktur der Erbengemeinschaft und des Nachlassvermögens ist der Sachverhalt für die Praxis durchaus typisch; besonders augenfällig ist dies beim Grundbuchstand (vgl. Anm. A4 [Rz. 24]). Auch die Situation, dass Erblasser vornehmlich in privatschriftlichen Verfügungen von Todes allein nur (Voraus)Vermächtnisse aussetzen, kommt nicht selten vor. Von einem dahingehenden Willen des Erblassers – und nicht von einer Erbeinsetzung – ist im Zweifel auszugehen, wenn dem Bedachten wie hier nur ein einzelner Gegenstand zugewendet wird (vgl. auch § 2087 Abs. 2 BGB) und dieser nicht den wesentlichen Nachlass ausmacht. A2 Form: Der schuldrechtliche Erbauseinandersetzungsvertrag ist grundsätzlich formfrei. 22 Da sich die Beteiligten im konkreten Fall auch über Grundbesitz auseinandersetzen, unterliegt die Vereinbarung der Formvorschrift des § 311b Abs. 1 BGB. Wie stets gilt auch hier, dass bei gemischten Verträgen der gesetzliche Formzwang die gesamte Vereinbarung auch mit ihren originär nicht beurkundungspflichtigen Teilen erfasst, sofern die Teile rechtlich eine Einheit bilden. Das dürfte bei einer Erbauseinandersetzung jedenfalls immer dann der Fall sein, wenn – wie hier – eine Auseinandersetzung über den gesamten Nachlass gewollt ist. In den Vertrag ist daher auch die Verteilung des beweglichen Vermögens aufzunehmen. Unabhängig davon bedarf es zum Vollzug des Auseinadersetzungsvertrages der für das jeweils erforderliche Rechtsgeschäft erforderlichen Form, z.B. bei der Übertragung von Grundbesitz der Auflassung in der Form des § 925 BGB, bei der Übertragung von GmbH-Anteilen der Form des § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG (vgl. Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 37). A3 Grundbuchstand: Eine gesonderte Aufführung des Grundbuchstands ist streng genommen insbesondere dann nicht erforderlich, wenn der von der Erbauseinandersetzung betroffene Grundbesitz in einer gesonderten Nachlassaufstellung aufgeführt ist. In notariellen Urkunden ist wegen § 21 Abs. 1 BeurkG und wegen § 28 GBO die gesonderte Wiedergabe des Grundbuchstands gleichwohl Standard, jedenfalls soweit der Grundbesitz von der beurkundeten Transaktion betroffen ist. Die Unterrichtung des Notars über den Grundbuchinhalt wird auf diese Weise sichergestellt und dokumentiert.
23
A4 Eigentumsverhältnisse am Grundstück: Die Eigentumsverhältnisse am Grundbesitz sind typisch für Fälle des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge nach dem Ableben eines in Zugewinngemeinschaft verheirateten Erblassers. Die Erbquoten werden im Grundbuch nicht angegeben (Reetz in Beck’scher Online-Kommentar GBO, 26. Edition Stand: 1.2.2016, § 47 Rz. 60).
24
A5 Aufnahme einer Nachlassaufstellung: Die Aufnahme einer Nachlassaufstellung in die 25 Urkunde – ggf. über § 14 BeurkG (vgl. hierzu M 35.2 Anm. A5 [Rz. 89] und Winkler, Beurkundungsgesetz, 17. Aufl. 2013, § 14 Rz. 21 f.) – ist generell zu empfehlen. Dies gilt besonders, wenn wie hier eine Gesamtauseinandersetzung vereinbart werden soll. Die Vollständigkeit und Geschlossenheit der Auseinandersetzung kann so am effizientesten kontrolliert werden, ebenso, ob die Verteilung des Nachlasses den Erbquoten entspricht. Zur Bedeutung der Ermittlung des richtigen Nachlassbestands insbesondere aus anwaltlicher Sicht Bittler in Bonefeld/Bittler, Haftungsfallen im Erbrecht, 2. Aufl. 2011, § 3 Rz. 72 ff. A6 Aufbau einer Nachlassaufstellung: Feste Regeln für den Aufbau einer Nachlassaufstel- 26 lung gibt es nicht; maßgebend sind allein Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit. Die Grundsätze der §§ 1993 ff. BGB gelten nicht, wenngleich § 2001 Abs. 1 BGB die Grundstruktur einer Aufstellung wiedergibt: Nachlassgegenstände sind den Nachlassverbindlichkeiten gegenüberzustellen. Die Aufstellung sollte im Idealfall nicht nur den Bestand des Nachlasses wiedergeben, sondern auch Aussagen zum Wert der einzelnen Nachlassgegenstände treffen Selbherr 829
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Vergleichsvereinbarungen
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(§ 2001 Abs. 2 BGB). Nicht vernachlässigt werden sollten latente, insbesondere steuerliche Belastungen. Es empfiehlt sich, die Nachlassaktiva nach Vermögensgattungen zusammenzufassen; Gesellschaftsbeteiligungen könnten z.B. eine weitere Gattung bilden. Die Struktur der Auflistung der Nachlasspassiva orientiert sich an der üblichen Kategorisierung für Nachlassverbindlichkeiten (vgl. Küpper in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1967 Rz. 5 ff.; Joachim, ZEV 2005, 99). Über die Ansprüche an Genauigkeit und Vollständigkeit müssen sich die Beteiligten einigen. Ein instruktives Muster einer Nachlassaufstellung Burandt/Eberhardt, Beratung im Erbrecht II, 2003, Rz. 975. Jede Nachlassaufstellung kann den Bestand des Nachlasses nur zu einem bestimmten Stichtag zutreffend wiedergeben, weil sich das Sondervermögen der Erben in der Regel fortlaufend ändert durch laufende Einnahmen oder durch laufende Aufwendungen, wie z.B. – für beide Fälle – durch Zinsen. 27
A7 Gläubigerschaft bei Bankverbindung: Der Mustertext geht davon aus, dass der Erblasser Alleingläubiger des Sparkontos war und das Girokonto als sog. „Oder-Konto“ geführt wurde; hinsichtlich des Girokontos ist dann grundsätzlich davon auszugehen, dass den Eheleuten gleiche Anteile daran zustehen (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 430 Rz. 2). Im Rahmen eines Depotvertrags mit der Bank ist der Kunde im Regelfall der Sammelverwahrung gemäß § 5 DepotG Miteigentümer am Sammelbestand des Verwahrers (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 430 Rz. 2). Eine gesetzliche Vermutung für hälftiges Miteigentum an einem Oder-Depot besteht zwar regelmäßig nicht (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 430 Rz. 2), wird hier jedoch unterstellt. Speziell zum Einzelkonto in erbrechtlicher (und besonders pflichtteilsrechtlicher) Hinsicht Bittler in Bonefeld/Bittler, Haftungsfallen im Erbrecht, 2. Aufl. 2012, § 3 Rz. 79 ff.
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A8 Beerdigungskosten: Die Übernahme der Beerdigungskosten, die nach gängiger Auffassung Erbfallschulden sind, ist in § 1968 BGB gesondert geregelt. Nicht hierunter fällt allerdings die Grabpflege (Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1968 Rz. 4).
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A9 Bewertungsfragen: Die Miterben sind nicht an bestimmte Bewertungsmethoden gebunden. Bei einer einvernehmlichen Erbauseinandersetzung werden Bewertungsfragen zwar auch nicht immer einfach zu klären, im Regelfall jedoch nicht umstritten sein. Ansonsten wird vielfach an der (langwierigen und kostspieligen) Einholung entsprechender Sachverständigengutachten kein Weg vorbeiführen. Die Gutachten und deren Ergebnisse sind dann ausdrücklich der Nachlassaufstellung zugrunde zu legen.
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A10 Verzicht auf Nachlassaufstellung: Sowohl die Bestandsaufnahme als auch die Nachlassbewertung können sich in der Praxis mühsam und schwierig gestalten. Auch empfinden die Beteiligten – vor allem, wenn Einigkeit zwischen ihnen besteht – die Erstellung eines Verzeichnisses nicht nur als überflüssig, sondern auch als kleinlich. Die Mühen einer umfassenden Aufstellung werden von den Beteiligten daher nicht selten gescheut und auf die Aufnahme eines entsprechenden Verzeichnisses verzichtet. Das vermag an der grundsätzlichen Empfehlung des Beraters für eine sorgfältig erstellte Nachlassaufstellung indes nichts zu ändern.
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A11 Wertanteile am Nachlass: Die Angabe der Wertanteile der Miterben nicht nur in Quoten, sondern auch als bezifferte Summe ist nicht zwingend erforderlich, mag aber – als klarstellende Basisangabe zur Auseinandersetzung – der Transparenz der Vereinbarung dienlich sein.
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A12 Verpflichtungsgeschäft: Rechtlicher Kern der Erbauseinandersetzung ist die wechselseitige Verpflichtung der Miterben, bei Rechtsgeschäften mitzuwirken, durch die Nachlassgegenstände aus der Gesamthandsgemeinschaft in Alleineigentum oder Alleininhaberschaft eines Miterben überführt werden (vgl. Rz. 7). 830
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Erbrecht
Rz. 38 Kap. 35
A13 Voraus des Ehegatten: Dieser Passus erweitert den Regelungsumfang des gesetzlichen 33 Vorausvermächtnisses des § 1932 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift stehen der Witwe neben ihren Kindern die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände nur insoweit als Voraus zu, als diese zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt werden. Gegenstände, die dem persönlichen Gebrauch des Erblassers dienten, z.B. Kleider, sind von dieser Regelung ohnehin nicht erfasst (vgl. zum Ganzen Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1932 Rz. 4). Zu beachten ist ferner, dass der Voraus dem überlebenden Ehegatten nur als gesetzlichem Erben zusteht, so dass die Aufnahme dieser Klausel besonders zu bedenken ist, wenn der Erblasser den Ehegatten mittels Verfügung von Todes wegen bedacht hat. Sie empfiehlt sich wie hier regelmäßig aber auch in Fällen der gesetzlichen Erbfolge aus Gründen der Klarstellung. A14 Bewegliche Sachen: Ein wesentliches Interesse der Beteiligten an einer einvernehmlichen Auseinandersetzung liegt häufig darin, die Teilung im Wege der Veräußerung (vgl. Rz. 4) zu vermeiden. Dies gilt umso mehr, je stärker der emotionale Bezug zu bestimmten Nachlassgegenständen ist. Die Übertragung beweglicher Sachen (oder auch die Übertragung von Rechten) aus dem Nachlass auf einzelne Miterben ist daher typischer Inhalt jeder Erbauseinandersetzung.
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A15 Ausgleichszahlung: Ziel der Beteiligten im Mustertext ist eine Aufteilung des Nach- 35 lasses entsprechend den Erbquoten. In der Praxis ist dies in aller Regel ohne Ausgleichszahlungen zwischen den Miterben nicht zu erreichen, da eine Aufteilung des Nachlasses in Natur genau entsprechend der Erbquote kaum möglich sein wird. Im konkreten Fall wäre freilich eine Aufteilung des Bestands des Wertpapierdepots zwischen den Miterben denkbar gewesen. A16 Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Die Möglichkeit, dass sich der zahlungsverpflichtete Erbe gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, ist ein entscheidender Vorteil einer notariell beurkundeten gegenüber einer privatschriftlichen Vergleichsvereinbarung. Ob die Beteiligten die Aufnahme einer Unterwerfungserklärung wünschen, wird von den konkreten Umständen der Auseinandersetzungsverhandlungen im Vorfeld der Vereinbarung abhängen.
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A17 Nachlassverbindlichkeiten: Die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten ist nach 37 den gesetzlichen Teilungsregeln der erste Schritt der Erbauseinandersetzung, § 2046 Abs. 1 BGB. Die Auseinandersetzungsvereinbarung sollte daher auf jeden Fall Aussagen zur Behandlung der Nachlassverbindlichkeiten enthalten, sofern solche (noch) bestehen. Der entscheidende Unterschied zu den Vereinbarungen über die Nachlassaktiva liegt freilich in deren fehlender Außenwirkung: Die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben gemäß § 2058 BGB besteht nach der Auseinandersetzung grundsätzlich weiter; Ausnahmen bestimmen die §§ 2060 f. BGB (vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2059 Rz. 4). Der Sinn dieser Regelung liegt gerade darin, die Erben zu einer Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten vor der Teilung zu bewegen, wie es § 2046 Abs. 1 BGB vorschreibt (Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2058 Rz. 6). A18 Freistellungsverpflichtung: Da die den Grundbesitz übernehmende Witwe bereits 38 gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten haftet, liegt streng genommen keine Schuldübernahme vor. Die Übernehmerin verpflichtet sich, die über §§ 1967 Abs. 1, 2058, 421 BGB nunmehr gesamtschuldnerisch haftenden Miterben nicht nur von Ansprüchen der Gläubigerbank freizustellen, sondern eine Haftentlassungserklärung derselben beizubringen. Diese Gestaltungsvariante bietet den Vorteil, dass die übernehmende Witwe und die Gläubigerbank frei sind, den zweckmäßigsten Weg der Freistellung und Schuldbefreiung der übertragenden Miterben zu wählen (vgl. Amann, MittBayNot 2002, 245 ff.). Selbherr 831
Kap. 35 Rz. 39
Vergleichsvereinbarungen
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A19 Vermächtnislasten: Auch Regelungen zur Verteilung von Vermächtnislasten, die als sog. „Erbfallschulden“ Nachlassverbindlichkeiten sind (vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1967 Rz. 7), gehören systematisch in den Regelungsabschnitt über die Begleichung oder Verteilung dieser Verbindlichkeiten. Zu beachten sind bei der (überquotalen) Übernahme von Schulden im Rahmen der Erbauseinandersetzung stets die steuerlichen Konsequenzen (vgl. Rz. 19 und paradigmatisch BFH, Urt. v. 14.12.2004 – IX R 23/02, BFH NV 2005, 619).
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A20 Erfüllungsgeschäfte: In diesem Abschnitt finden sich notwendige Regelungen und Erklärungen zur Erfüllung der mit der Erbauseinandersetzung begründeten Verpflichtungen. In der Praxis werden Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft in Erbauseinandersetzungsverträgen häufig aus Gründen der Zweckmäßigkeit zusammengefasst. Erst mit dem Vollzug aller erforderlichen dinglichen Verfügungsakte ist das gesamthänderisch gebundene Sondervermögen aufgelöst und damit die Gesamthandsgemeinschaft der Miterben beendet (vgl. Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 45).
41
A21 Sicherung der Freistellung: Die Umschreibung im Grundbuch auf die übernehmende Miterbin könnte vom Vorliegen der Haftentlassungserklärung der Gläubigerbank (vgl. Anm. A18 [Rz. 38]) abhängig gemacht werden, um insoweit eine ungesicherte Vorleistung des übertragenden Teils zu vermeiden. Die Vertragsgestaltung durch den Notar soll zwar grundsätzlich ungesicherte Vorleistungen vermeiden. Aufgrund des zwischen den Beteiligten im konkreten Verfahren bestehenden Einvernehmens wird auf diesen Kontrollmechanismus verzichtet.
42
A22 Vormerkung: Der Verzicht auf die Eintragung einer Eigentumsvormerkung gem. § 883 BGB korrespondiert mit dem Verzicht auf die Vorlage der Haftentlassungserklärung der Gläubigerbank vor der Eigentumsumschreibung (vgl. Anm. A21 [Rz. 41]) und entspricht der auf gegenseitigem Vertrauen aufbauenden Vertragsgestaltung. Der beurkundende Notar ist gleichwohl gehalten, den Beteiligten stets die sicherste Gestaltungsvariante zu empfehlen (Winkler, Beurkundungsgesetz, 17. Aufl. 2013, § 17 Rz. 210). Die konkret gewählte Absicherung von Leistung und Gegenleistung hängt von der jeweiligen Sachverhaltsgestaltung ab, so z.B. davon, wie konkret Gläubigerbanken in die Vertragsgestaltung einbezogen wurden (G. Müller/Braun, Beck’sches Formlarbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J. VI. 2. Anm. 5).
43
A23 Eigentumsverhältnisse Hausrat: In Fällen wie dem hier behandelten sind die Eigentumsverhältnisse an den Gegenständen des Hausrats stets uneinheitlich. Manche Gegenstände stehen aufgrund des ursprünglichen Allein- oder Miteigentums des Erblassers im Eigentum der Erbengemeinschaft, andere im Alleineigentum des länger lebenden Ehegatten. Auf genaue Differenzierung kann hier verzichtet werden; klar ist, dass die Witwe des Erblassers nunmehr umfassend Alleineigentümerin dieser Gegenstände sein soll. Ein Übergabe gem. § 929 BGB ist meist ohnehin entbehrlich, da die übernehmende Miterbin bereits unmittelbaren Alleinbesitz innehat.
44
A24 Weitere Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO wäre auch hinsichtlich Ansprüchen auf Besitzverschaffung und Übergabe möglich (vgl. hierzu Wolfsteiner in Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016, § 19 Rz. 27 ff.). Will der übernehmende Miterbe zur Erfüllung dieser Übergabeansprüche die Zwangsvollstreckung betreiben, benötigt er einen Titel gegen die übrigen Miterben (modifizierte Gesamthandsklage, vgl. Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2059 Rz. 27).
45
A25 Rechte wegen Mängeln: Die Bestimmung enthält eine einheitliche Regelung über Ansprüche wegen Mängeln hinsichtlich aller mit der Erbauseinandersetzung übertragenen 832
Selbherr
M 35.1
Erbrecht
Rz. 49 Kap. 35
Gegenstände. Bei der Zuteilung eines Nachlassgegenstandes an einen Miterben im Rahmen einer Auseinandersetzung haften die übrigen Miterben gem. §§ 2042 Abs. 2, 757 BGB für Rechts- und Sachmängel wie ein Verkäufer, §§ 434 ff. BGB, und zwar jeder Miterbe nach dem Verhältnis seines Anteils (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 757 Rz. 2). Das ist regelmäßig nicht gewollt. Hinsichtlich der Immobilie ist der Ausschluss von Mängelansprüchen im konkreten Fall schon deshalb sachgerecht, weil die übernehmende Miterbin das Haus bereits bewohnt und es deshalb besser kennt als die anderen Miterben. Aber auch sonst werden die Miterben für den Zustand der Nachlassgegenstände nicht einstehen wollen und die gesetzliche Regelung daher als nicht angemessen ablehnen (vgl. auch Otto, Münch. Vertragshandbuch 6, 7. Aufl. 2016, XIX, Anm. 4). A26 Umfang der Auseinandersetzung: Der Vertrag sollte auf jeden Fall eine Aussage zum Umfang der Auseinandersetzung treffen. Da auch bei einer Gesamtauseinandersetzung der Wert der zugeteilten Nachlassgegenstände aus praktischen Gründen kaum jemals ganz genau den Erbquoten entsprechen kann und den konkreten Zuteilungsentscheidungen zumeist eine gewisse Unsicherheit der Beteiligten vorausgeht, liegt nach hier vertretener Auffassung in nahezu jeder Erbauseinandersetzung auch ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne von § 779 BGB (vgl. im Einzelnen Rz. 10 m.w.N.). Da im hier behandelten Fall Ausgleichspflichten nach §§ 2050 ff. BGB in Betracht kämen, sollte auch klargestellt werden, dass diese Berechnungsregeln für die Erbteilung im konkreten Fall nicht greifen.
46
A27 Gegenständliche Teilauseinandersetzung: Solange nicht alle Nachlassgegenstände verteilt sind, ist nur eine gegenständliche Teilauseinandersetzung gegeben, die andere Rechtsnachfolgen nach sich zieht als eine Gesamtauseinandersetzung (Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2041, Rz. 11); so bestehen insbesondere noch weiter übertragbare und pfändbare Miterbenanteile der Gesamthänder. Ein Anspruch auf Teilauseinandersetzung besteht zwar nicht, § 2042 Abs. 1 BGB, sie findet sich in der Praxis indes vergleichsweise häufig. Zu beachten ist, dass u.U. bereits mit einer Teilauseinandersetzung die verschärfte Haftung des § 2059 BGB greifen und die Anordnung einer Nachlassverwaltung nach § 2062 BGB ausgeschlossen sein kann (vgl. Keim, RNotZ 2003, 375 [378]). Hinsichtlich der weiter bestehenden (fortgesetzten) Erbengemeinschaft sollte deutlich gemacht werden, ob das Verlangen auf Auseinandersetzung für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen sein soll (zu dieser Möglichkeit Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042 Rz. 10); es könnte auch von bestimmten Voraussetzungen, z.B. einer Kündigung abhängig gemacht werden, §§ 2042 Abs. 2, 749 Abs. 2 BGB.
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A28 Vertraglicher Ausschluss der Auseinandersetzung: Die Miterben könnten (einstimmig) die Auseinandersetzung – auch beschränkt auf einzelne Nachlassgegenstände – ausschließen, §§ 2042 Abs. 2, 749 Abs. 2 BGB (Einzelheiten bei Ann in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2042, Rz. 10).
48
A29 Salvatorische Klausel und Schriftformklausel: Salvatorische Klauseln werden stan- 49 dardmäßig und zuweilen auch unreflektiert verwendet. Ihr Einsatz ist häufig, aber nicht immer sinnvoll (noch immer aktuell daher die Mahnung von Langenfeld, Vertragsgestaltung, 3. Aufl. 2004, Rz. 348; vgl. auch Imbeck in Heussen/Pischel, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 4. Aufl. 2014, Teil 3 Rz. 326 f., zur Schriftformklausel Rz. 325. Vollzugsvollmacht an Miterben: Die Erteilung einer Vollzugsvollmacht an einen Miterben ist grundsätzlich nicht notwendig, u.U. jedoch zweckmäßig. Zahlreiche Vollzugsgeschäfte und Formalitäten mit Dritten, z.B. Behörden, Banken oder Versicherungen, müssten aufgrund der gemeinschaftlichen Verwaltungsbefugnis der Miterben gem. § 2038 BGB durch sämtliche Miterben erfolgen. Die Vollzugsvollmacht erleichtert die endgültige Nachlassabwicklung daher erheblich, setzt aber selbstverständlich ein entsprechendes Vertrauen der Selbherr 833
Kap. 35 Rz. 50
Vergleichsvereinbarungen
M 35.1
Vollmachtgeber voraus. Da Bankvollmachten regelmäßig über den Tod hinaus wirksam sind, kann ggf. partiell auf diese Vollmachten zurückgegriffen werden. 50
A30 Vollmachtsnachweis: Nur die Ausfertigung der Niederschrift vertritt die Urschrift im Rechtsverkehr, § 47 BeurkG. Weil die Urschrift gem. § 45 Abs. 1 BeurkG in der Verwahrung des Notars verbleibt, kann der Nachweis einer beurkundeten Vollmacht – was in der Praxis immer wieder übersehen wird – nur durch Vorlage einer Ausfertigung der Vollmachtsurkunde nachgewiesen werden (vgl. §§ 172, 175 BGB; ständige Rechtsprechung, BGH, Urt. 14.5.2002 – XI ZR 155/01, DNotZ 2003, 40 [41 f.]).
51
A31 Kosten: Die Frage, wie die Kosten einer Vergleichsvereinbarung verteilt werden sollen, gehört bereits in ein frühes Stadium der Verhandlung. Sie sollte nicht in die Schlussphase der Gespräche verschoben werden, weil in der spezifischen Dynamik dieser Phase die Gefahr groß ist, dass die Verhandlungen ob dieses Punktes nochmals ins Stocken geraten oder schlechtestenfalls gar scheitern (vgl. hierzu Selbherr, Schlussphase und Abschluss von Verhandlungen, in Walz [Hrsg.], Verhandlungstechnik für Notare, 2003).
51a
Den Löwenanteil der Kosten dürften diejenigen für die Bewertung des Nachlasses ausmachen, wenn die Beteiligten auf die Einholung von Sachverständigengutachten nicht verzichten wollen. Generelle Aussagen zur Höhe dieser Kosten lassen sich nicht machen. Ob hier das Kosteninteresse oder das Interesse an einer genauen Kenntnis der Wertverhältnisse des Nachlasses überwiegt, bleibt der Abwägung und Entscheidung der Beteiligten und ihrer Berater überlassen.
51b
An Notarkosten fällt für die Erbauseinandersetzungsvereinbarung als zweiseitiges Rechtsgeschäft eine 2,0-Gebühr nach Nr. 21100 KV GNotKG an. Als Geschäftswert ist der Gesamtwert des auseinandergesetzten Vermögens ohne Schuldenabzug zugrunde zu legen, §§ 97, 38 GNotKG. Bei landwirtschaftlichen Betrieben ist die Begünstigungsvorschrift des § 48 GNotKG zu beachten (vierfacher Einheitswert; Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 48 Rz. 7). Dingliche (Vollzugs)Geschäfte wie Auflassung oder Abtretungen sind gegenstandsgleich gemäß § 109 Abs. 1 GNotKG. Je nach Vertragsgestaltung können Gebühren für Vollzugsgebühren (Nr. 22110 KV GNotKG) und/oder Betreuungstätigkeiten (Nr. 22200 KV GNotKG) des Notars hinzukommen.
51c
Hinsichtlich der Kosten beim Grundbuchamt stellt in Erweiterung der Vorgängervorschrift des § 60 Abs. 4 KostO nunmehr Nr. 14110 Abs. 1 Satz 2 GNotKG ausdrücklich auch die Eintragung von Erben infolge einer Erbauseinandersetzung gebührenfrei.
51d
A32 S. Anm. A29 (Rz. 49).
B. Erbrechtlicher Auslegungsvertrag I. Einführung Literatur (soweit nicht bereits unter A. genannt): Burandt/Eberhardt, Beratung im Erbrecht II – Nach dem Erbfall, 2003, Rz. 143 ff., Rz. 976 (Formulierungsvorschlag); Cornelius, Auslegungsvertrag und Erbvergleich – dargestellt anhand eines praktischen Falls, ErbStB 2006, 135; Damrau, Auslegung und Erbvergleich – im Rahmen eines anwaltlichen Mediationsverfahrens, ZErb 2014, 1; Dressler, Der erbrechtliche Auslegungsvertrag – Gestaltungshilfe bei einvernehmlichen Nachlassregelungen, ZEV 1999, 289; Eisele, Vertragliches Einvernehmen über die Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen, 2002; Horn in Beck’sche Online-Formulare Erbrecht, 5.10 (Auslegungsvertrag unter Erbanwärtern) (1.3.2016); Hübner, Testamentsauslegungsvertrag und Erbvergleich – Tipps für ihre wirksame Abfassung, ErbStB 2003, 231; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, 792 (§ 34 IV); W. Kössinger in Nieder/ Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, § 23 Rz. 59 f.; Litzenburger in BeckOK
834
Selbherr
Erbrecht
Rz. 53 Kap. 35
BGB, § 2084 Rz. 53-59 (Stand: 1.2.2016); v. Proff, Der erbrechtliche Auslegungsvertrag/Erbvergleich und seine steuerlichen Auswirkungen, ZEV 2010, 348; Selbherr, Der erbrechtliche Auslegungsvertrag in der zivilrechtlichen und erbschaftsteuerrechtlichen Gestaltungspraxis, ZErb 2005, 10; Storz, Zivilrechtliche Wirkungen des erbrechtlichen Auslegungsvertrags, ZEV 2008, 308; Weiß, Wirkung erbrechtlicher Auslegungsverträge, GS Küchenhoff, 1987, 389.
1. Erbrechtlicher Auslegungsvertrag als Vergleich Das Bedürfnis nach der Vereinbarung eines erbrechtlichen Auslegungsvertrages entsteht 52 nach Eintritt des Erbfalls, wenn der Erblasser eine auslegungsbedürftige Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat. Dies ist bei privatschriftlichen Testamenten häufig der Fall, da Laien erbrechtlichen Fachbegriffen oft eine ganz andere Bedeutung beimessen als der Jurist.1 Nicht selten sind die Hinterbliebenen über die Auslegung uneins, da die jeweiligen Auslegungsvarianten zu unterschiedlichen Vorteilen für die Parteien führen. Den Beteiligten steht es grundsätzlich frei, sich auf eine bestimmte Auslegung und damit auf den Inhalt der letztwilligen Verfügung vertraglich zu einigen. Die Zulässigkeit eines solchen Vertrages im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit ist unstreitig und anerkannt;2 zahlreiche Folgefragen sind jedoch ungeklärt. Üblicherweise werden zwei Typen des Auslegungsvertrages unterschieden:3 Waren die Betei- 53 ligten zunächst uneins über die konkrete Erbfolge nach dem Erblasser und einigen sie sich nunmehr über die Auslegung der letztwilligen Verfügung, so beinhaltet der Auslegungsvertrag ein gegenseitiges Nachgeben; der Vertrag hat auf jeden Fall Vergleichscharakter im Sinne von § 779 BGB. Bestand hinsichtlich der konkreten Auslegung seitens der Parteien gewissermaßen übereinstimmende Unsicherheit, keine Uneinigkeit, so fehlt es im Rahmen des Auslegungsvertrages am gegenseitigen Nachgeben; die Vereinbarung soll dann rein feststellenden Charakter haben.4 Ob eine solche rein feststellende Vereinbarung überhaupt ein Vertrag ist, mag bezweifelt werden.5 Die Unterscheidung erscheint jedenfalls artifiziell, wird in der Praxis häufig kaum möglich und der Auslegungsvertrag mit Vergleichscharakter die Regel sein.6 Denkbar sind aber auch Vereinbarungen in Fällen, in denen eine unwirksame Verfügung von Todes wegen vorliegt oder aber Zweifel an deren Wirksamkeit bestehen, die Beteiligten sich aber so stellen wollen, als sei die Verfügung wirksam. Ebenso vorstellbar sind Sachverhalte, in denen der Erblasser eine Vielzahl letztwilliger Verfügungen hinterlässt, aufgrund der konkreten Umstände indes unklar ist, welche Verfügung tatsächlich die letzte
1 Typisch in diesem Sinne die – austauschbare – Verwendung von Begriffen wie vererben, vermachen oder Nacherbe und Ersatzerbe, Horn/Kroiß, Testamentsauslegung, 2012, § 1 Rz. 8. 2 Dies gilt jedenfalls seit der – bislang einzigen – (Grundsatz)Entscheidung des BGH zum erbrechtlichen Auslegungsvertrag BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 = DNotZ 1987, 108 m. Anm. Cieslar = JR 1986, 375 m. Anm. Damrau. Bereits das RG hat die Zulässigkeit dieses Vertragstyps anerkannt, RG, Urt. v. 23.11.1909 – Rep. VII 91/09, RGZ 22, 209. Anders als von Baumann, RNotZ 2011, 33 ff. behauptet, hat die Entscheidung des OLG München, Beschl. v. 8.6.2010 – 31 Wx 48/10, MDR 2010, 874 = RNotZ 2011, 50 = NJW-RR 2011, 12, nicht zu einem „Abschied vom erbrechtlichen Auslegungs- oder Feststellungsvertrag“ geführt. 3 So BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813); Damrau, JR 1986, 375; Hübner, ErbStB 2003, 231; Machulla in Scherer (Hrsg.), Anwaltshandbuch ErbR, 4. Aufl. 2014, § 6 Rz. 51; a.A. Cieslar, DNotZ 1987, 113. 4 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813). Einen Feststellungsvertrag mit dinglich gestaltender Einwirkung auf die Erbrechtslage ist damit aber nicht gemeint; insoweit zutreffend, wenngleich mit seiner Kritik i.Ü. überzogen Baumann, RNotZ 2011, 33; s. auch Rz. 60. 5 Damrau, ZErb 2014, 1 (4). 6 Weiß, GS Küchenhoff 1987, 389 (395); Damrau, ZErb 2014, 1 (4); Thonemann, NotBZ 2006, 268 (269); Cornelius, ErbStB 2006, 135.
Selbherr 835
Kap. 35 Rz. 54
Vergleichsvereinbarungen
ist, und die Beteiligten sich hierüber einigen.1 Bei den letztgenannten Sachverhaltskonstellationen kann man streng genommen nicht von Auslegungsverträgen sprechen, da die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen im Fokus der Vereinbarung steht. Hier passt der Terminus „Erbvergleich“ besser, der allerdings auch eine spezifisch erbschaftsteuerrechtliche Bedeutung hat.2 Die skizzierten Sachverhaltsvarianten lassen sich freilich auch kombinieren. In aller Regel handelt es sich um einen Vertrag, der über ein gegenseitiges Nachgeben der Beseitigung einer Uneinigkeit, jedenfalls einer Ungewissheit dient, also um eine Vergleichsvereinbarung im Sinne von § 779 BGB.3 2. Ziele des erbrechtlichen Auslegungsvertrages 54
Beim Abschluss eines Auslegungsvertrages verfolgen die Parteien im Wesentlichen drei Ziele: Befriedung, Verfahrensvermeidung und Verfahrenssteuerung (vgl. auch Walz, Kap. 1 Rz. 1 ff.).
55
Da sich Konflikte im Erbrecht zumeist im innerfamiliären Bereich bewegen, spielt die Beziehungsebene hier eine besonders große Rolle.4 Mit dem Instrument des Auslegungsvertrages lassen sich solche Konflikte unter Umständen eindämmen oder auch im Vorfeld vermeiden. Für den BGH liegt dieses „Bedürfnis, die Rechtslage ohne Rechtsstreit schiedlich-friedlich zu klären und für die Beteiligten im allseitigen Einverständnis festzulegen, … auf der Hand“.5 Aber auch wenn keine Spannungen unter den Hinterbliebenen im Raum stehen, mag eine Auslegungsvereinbarung den Beteiligten den Eindruck zu vermitteln, sich intensiv um die Umsetzung des „wahren“ Willens des Erblassers bemüht zu haben; hier mag eine Vereinbarung mit reinem Feststellungscharakter ihren Sinn haben.
56
Die Tatsache, dass die Ermittlung des „wahren“ Erblasserwillens bzw. der „richtigen“ Auslegung schwierig ist, macht den Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens regelmäßig unsicher, gleich ob es sich um die Entscheidung über einen Erbscheinsantrag, eine Erbenfeststellungsklage oder über eine Leistungsklage aus erbrechtlichen Ansprüchen handelt. Ebenso unsicher sind der Erfolg bzw. die Rechtsfolgen nach Geltendmachung erbrechtlicher Gestaltungsmittel wie Anfechtung oder Ausschlagung. Diese Unsicherheit wollen die Beteiligten häufig vermeiden6 und zudem die der außergerichtlichen Streitbeilegung generell immanenten Kosten- und Zeitvorteile nutzen (s. Walz, Kap. 3 Rz. 17).
57
Anders als bei streitigen Verfahren sind die Erbprätendenten im Rahmen des Erbscheinsverfahrens jedoch nicht frei in der Entscheidung darüber, die Feststellung des wahren Erblasserwillens und damit der Erbrechtslage zu delegieren. Die Entscheidung über die „wahre“ Erbrechtslage trifft das Nachlass- oder ein Prozessgericht. Neben der Verfahrensvermeidung kann hier deshalb auch die Verfahrenssteuerung als Motiv für den Abschluss eines erbrechtlichen Auslegungsvertrages in den Vordergrund treten. Indem sich die Beteiligten – vor allem im Kontext eines Erbscheinsantrages – auf eine bestimmte Auslegungsvariante einigen, wollen sie unter Berufung auf Kenntnis der Lebensverhältnisse und Motivation des Erblassers das Nachlassgericht von der Richtigkeit dieser Auslegung überzeugen. Auch eine solche Vereinbarung könnte reinen Feststellungscharakter haben.
1 Vgl. auch Damrau, ZErb 2014, 1 (7 ff.). 2 Vgl. hierzu unten Rz. 74 ff. 3 Damrau, ZErb 2014, 1 (4); Thonemann, NotBZ 2006, 268 (269); Cornelius, ErbStB 2006, 135. Zum Vergleich allgemein Haß, Kap. 29. 4 Vgl. Risse, ZEV 1999, 205. 5 BGH, Urt. v. 22.1 1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813). 6 Hübner, ErbStB 2003, 231; Weiß, GS Küchenhoff, 389 (391).
836
Selbherr
Erbrecht
Rz. 61 Kap. 35
Mit der zivilrechtlichen Verfahrenssteuerung verknüpft ist nicht selten auch der Wunsch 58 nach Herbeiführung einer erbschaftsteuerrechtlich günstigen Erbrechtslage, da für die steuerrechtliche Würdigung eines Erbfalls grundsätzlich die zivilrechtliche Bewertung ausschlaggebend ist (Maßgeblichkeit des Zivilrechts). Regelmäßig haben Finanzbehörden und Finanzgerichte daher von der Erbrechtslage auszugehen, die im Erbschein bezeugt ist.1 Unter bestimmten Voraussetzungen können die Beteiligten über einen Erbvergleich der Erbschaftsbesteuerung aber auch eine von der im Erbschein bezeugten abweichende (Zivil)Rechtslage unterstellen, so dass eine solche Vereinbarung auch insoweit verfahrenssteuernde Wirkung entfalten kann. 3. Wirkungen eines erbrechtlichen Auslegungsvertrages Ob und inwieweit die vorgenannten Ziele erreicht werden, hängt entscheidend davon ab, in welchem Umfang der Auslegungsvertrag rechtsverbindliche Wirkung entfaltet.
59
a) Erbrechtliche Wirkung Es besteht Einigkeit, dass ein erbrechtlicher Auslegungsvertrag keine unmittelbare erb- 60 rechtliche oder dingliche Rechtswirkung entfaltet. Im Kern wird dies damit begründet, dass Anfall und Struktur des Nachlasses wegen der verfassungsrechtlich geschützten Testierfreiheit nur durch Gesetz oder durch den Erblasser höchstpersönlich mittels einer wirksamen Verfügung von Todes wegen geprägt werden können.2 In der Praxis können sich an diesem Punkt allerdings Abgrenzungsfragen stellen. So mag 61 sich der Zweck eines Auslegungsvertrags darin erschöpfen, einen mehrdeutig oder ungenau formulierten Erblasserwillen klärend festzustellen. Dann wollen die Beteiligten gerade keine neuen Erbrechtsfolgen begründen; sie stellen die Testierfreiheit des Erblassers nicht infrage, sondern wollen den Erblasserwillen verwirklichen. Auf eine solchermaßen klarstellende oder feststellende Wirkung beschränkt sich ein Auslegungsvertrag allerdings nur, solange er sich innerhalb der Grenzen „möglicher Auslegungen“ bewegt.3 Diese Grenzen werden durch die allgemeinen Regeln der Testamentsauslegung abgesteckt. Insbesondere gilt auch hier die Form als Auslegungsgrenze im Sinne der Andeutungsregel: Der Wille des Erblassers muss in der Verfügung von Todes wegen wenigstens einen unvollkommenen Ausdruck gefunden haben.4 Überschritten ist diese Grenze sicher mit einer Vereinbarung über die Aufrechterhaltung und Umsetzung einer formunwirksamen letztwilligen Verfügung.
1 Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urt. v. 22.11.1995 – II R 89/93, BStBl. 1996 II, 242; Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG (Stand: Juli 2015), § 3 Rz. 104 f.; Theyson-Wadle, ZEV 2002, 221. Zu den Grenzen dieser Grundregel jüngst jedoch BFH v. 24.11.2004 – II B 71/03, BFH NV 2005, 557. 2 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813); Lange/Kunchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, § 34 IV; Selbherr, ZErb 2005, 10 (11 f.) m.w.N.; ebenso, wenngleich mit etwas anderer Akzentuierung Storz, ZEV 2008, 308 (311) m.w.N. 3 So der Ansatz bei Dressler, ZEV 1999, 289 (290), Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2084 Rz. 146, und Lange/Kunchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, § 34 IV; kritisch insoweit Eisele, Vertragliches Einvernehmen über die Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen, 2002, 44 ff. m.w.N. 4 BGH, Urt. v. 8.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41; BayObLG, Beschl. v. 18.12.2003 – 1 Z BR 130/02, ZEV 2004, 200; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2084 Rz. 4; Horn in Horn/ Kroiß, Testamentsauslegung 2012, § 2 Rz. 112 ff.
Selbherr 837
Kap. 35 Rz. 62
Vergleichsvereinbarungen
b) Schuldrechtliche Wirkung 62
Unabhängig von der erbrechtlichen Wirkung und deren Grenzen hat ein Auslegungsvertrag jedenfalls den Sinn, die Auslegung einer unklaren Verfügung von Todes für das Verhältnis der Beteiligten untereinander verbindlich festzulegen. Die Parteien können insoweit innerhalb der allgemeinen Regeln des Vertragsrechts frei über den Inhalt des Auslegungsvertrages bestimmen.1 Der Vertrag begründet schuldrechtliche Verpflichtungen der Beteiligten gerade für den Fall, dass die vereinbarte Auslegung nicht mit der „wahren“ Erbrechtslage übereinstimmt. Die Vertragsteile haben einander so zu stellen, als sei die vereinbarte Auslegung die zutreffende. So kann sich aus dem Auslegungsvertrag insbesondere die schuldrechtliche Verpflichtung ergeben, Erbteile zu übertragen, Gegenstände aus dem Nachlass herauszugeben oder auf Forderungen zu verzichten. Auf Vereinbarungen dieser Art sind die §§ 2385 Abs. 1, 2371 ff. BGB jedenfalls dann anzuwenden, wenn der Vertrag eine auch nur bedingte Verpflichtung zur Erbteilsübertragung beinhaltet.2
63
Weicht der Vertragsinhalt von der „wahren“ Erbrechtslage ab, muss die so vereinbarte Vermögenszuordnung noch dinglich vollzogen werden, um die Stellung der Erbprätendenten dem vereinbarten Auslegungsergebnis anzunähern. Diese Vermögenszuordnung folgt dem Erbfall zeitlich nach; es handelt sich insoweit um vermögensrechtliche Folgeregelungen der Beteiligten aus eigener, erworbener Rechtsmacht.3 Es bedarf dann ggf. der Übertragung von Erbteilen gem. § 2033 BGB4 oder der Erfüllung anderweitig vereinbarter Leistungspflichten, so z.B. der Erfüllung möglicherweise nur vereinbarter „Vermächtnisse“. Bei Verletzung der vereinbarten Pflichten gelten die §§ 280 ff. BGB.5 Ein wichtiger Aspekt bei der Vertragsgestaltung ist hier die Intensität der Vollzugsautomatik.6
64
Bei aller schuldrechtlichen Gestaltungsfreiheit sind den Vollzugsmöglichkeiten hin zum vereinbarten Auslegungsergebnis indes (erb)rechtliche Grenzen gesetzt. Bestimmte erbrechtliche Institute können zwar nachträglich durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden aufgehoben, nicht aber geschaffen werden. So kann eine Erbengemeinschaft nicht durch Vertrag geschaffen werden, sondern sie entsteht nur kraft Gesetzes mit dem Erbfall.7 Es ist auch nicht möglich, durch Vertrag im Nachhinein Vor- und Nacherbfolge anzuordnen oder einen Testamentsvollstrecker einzusetzen.8 Man mag sich durch schuldrechtliche Vereinbarungen diesen Instituten vielleicht annähern; insbesondere die praktisch bedeutsamen, im Grundbuch verlautbarten Verfügungsbeschränkungen der §§ 2112 ff., 2211 BGB und 52 GBO, lassen sich vertraglich indes nicht generieren. Diese „Privilegien“ sind letztlich dem Erblasser vorbehalten. 1 Allg. M.: BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813); Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2385 Rz. 2; Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2084 Rz. 144; W. Kössinger in Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, § 23 Rz. 59; Weiß, GS Küchenhoff, 1987, 389 (393 ff.); Lange/Kunchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, § 34 IV. 2 Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2084 Rz. 144 und 147; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2385 Rz. 2; differenziert Damrau, JR 1986, 375 f.; Damrau ZErb 2014 1 (4 ff.), und Eisele, Vertragliches Einvernehmen über die Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen, 2002, 33 ff. Möglicherweise weitergehend hin zu genereller Beurkundungspflicht BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813); OLG München, Beschl. v. 8.6.2010 – 31 Wx 48/10, MDR 2010, 874 = RNotZ 2011, 50 (52) = NJW-RR 2011, 12; Hübner, ErbStB 2003, 231 ff.; Siegmann/Höger in Beck’scher OK BGB, § 2385 Rz. 14a (Stand: 1.11.2013). 3 Weiß, GS Küchenhoff, 1987, 389 (393). 4 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813). 5 Litzenburger in Beck’scher OK BGB, § 2084 Rz. 57 (Stand: 1.2.2016). 6 Zu Vollzugsautomatik und Verfahrenstreue in der außergerichtlichen Streitbeilegung Walz, Kap. 3 Rz. 24 ff. 7 Gergen in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2032 Rz. 4, 6. 8 Ebenso Litzenburger in Beck’scher OK BGB, § 2084 Rz. 57 (Stand: 1.2.2016).
838
Selbherr
Erbrecht
Rz. 67 Kap. 35
c) Bindungswirkung gegenüber Dritten Die zivilrechtliche Struktur und die zivilrechtlichen Konsequenzen eines Auslegungsvertra- 65 ges hängen entscheidend davon ab, ob der Inhalt des Vertrages mit der „wahren“ Erbrechtslage übereinstimmt. In der Praxis wird jedoch deutlich, dass es außerhalb der gesetzlichen Erbfolge die „wahre“ Erbrechtslage als objektive Größe nicht gibt, sondern dass sie stets das Ergebnis der subjektiven Bewertung des Willens des Erblassers durch einen anderen ist. Aus der Natur der Sache heraus kann das die objektive Erbrechtslage gestaltende Rechtssubjekt niemals zur (nachträglichen) Willensermittlung zur Verfügung stehen, sobald die jeweils gestaltete objektiv-erbrechtliche Situation eintritt. Dies führt zu der Frage, wem die Kompetenz zur verbindlichen Ermittlung des Erblasserwillens zusteht. Dabei ist klar, dass für den Fall der Uneinigkeit zwischen den Erbprätendenten das Nachlass- oder ein Prozessgericht für die verbindliche Bestimmung des Erblasserwillens zuständig ist. Unklar ist jedoch, ob und inwieweit die Beteiligten bei Einigkeit in der Sache diese Kompetenz gewissermaßen an sich ziehen können. Im Kern geht es mithin um die Frage, ob und in welchem Umfang einem Auslegungsvertrag bindende Wirkung gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber dem Nachlassgericht und Nachlassgläubigern zuerkannt wird. aa) Verfahrensrechtliche Bindungswirkung Das Problem der verfahrensrechtlichen Bindungswirkung eines erbrechtlichen Auslegungsvertrages wird in Literatur und Rechtsprechung vor allem für das Erbscheinsverfahren kontrovers diskutiert.
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Ausgehend vom Grundsatz der §§ 2358, 2359 BGB (Amtsermittlungsgrundsatz und Vo- 67 raussetzung für die Erteilung eines Erbscheins, nunmehr §§ 26, 352e Abs. 2 FamFG) neigt die Rechtsprechung der Auffassung zu, die verbindliche Auslegung einer Verfügung von Todes sei dem Nachlassgericht vorbehalten. Nach einer Formulierung des BGH haben „die an einem Nachlass Beteiligten die Auslegung des Testaments nicht in der Hand“.1 Das BayObLG2 und das OLG München3 gehen ausdrücklich, wenngleich ohne Begründung, von keinerlei Bindung des Nachlassgerichts an die Auslegung einer Verfügung von Todes wegen durch die Beteiligten aus. Der BGH anerkennt allerdings für Auslegungsverträge eine „nicht zu unterschätzende indizielle Bedeutung“, da die Beteiligten vielfach am besten mit den Vorstellungen und Zielen des Erblassers vertraut seien.4 Das OLG Frankfurt vertritt sogar die Ansicht, dass im Falle einer Einigung aller Beteiligten auf eine bestimmte Auslegung des Testaments ein dieser Einigung widersprechender Erbschein nicht erteilt werden dürfe.5 In der Literatur reichen die Meinungen gleichfalls von Ablehnung jedweder Bindung6 über das
1 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813). 2 BayObLG, Beschl. v. 19.9.1988 – BReg. 1a Z 40/88, FamRZ 1989, 99 (100). 3 OLG München, Beschl. v. 8.6.2010 – 31 Wx 48/10, MDR 2010, 874 = RNotZ 2011, 50 = NJW-RR 2011, 12. 4 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813). 5 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 9.10.1989 – 20 W 306/89, OLGZ 1990, 15; unklar OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.12.1999 – 20 W 224/97, FamRZ 2000, 1607 (1610): „bindende bzw. indizielle Wirkung“. 6 Eisele, Vertragliches Einvernehmen über die Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen, 2002, 123 ff.; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2353 Rz. 47; Baumann, RNotZ 2011, 33; Eckelskemper in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J.V.6 Anm. 2.; Storz, ZEV 2008, 308 (312); Weiß, GS Küchenhoff, 1987, 389 (405).
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Kap. 35 Rz. 68
Vergleichsvereinbarungen
Zuerkennen indizieller Wirkung1 bis hin zu Forderung nach dem Anerkenntnis einer Bindungswirkung, solange sich der Auslegungsvertrag innerhalb der Grenzen vertretbarer Auslegungen hält.2 Als Argumente gegen eine Bindung werden der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG (jetzt § 26 FamFG) und vor allem die zu schützende Testierfreiheit des Erblassers genannt; für eine jedenfalls begrenzte Bindung sollen besonders verfahrensökonomische Gesichtspunkte, aber auch der Grundsatz der Privatautonomie (Anerkennung einer Konfliktlösung durch die Parteien)3 sprechen. 68
Für einen Zivilprozess bedeutet die Tatsache, dass ein erbrechtlicher Auslegungsvertrag mangels dinglicher Wirkung die materielle Erbrechtslage unberührt lässt: Über eine Feststellungsklage hinsichtlich des Erbrechts muss das erkennende Gericht stets ohne Berücksichtigung des Auslegungsvertrages entscheiden. Ebenso wenig hat ein Auslegungsvertrag bei Leistungsklagen unmittelbare Rechtswirkung auf präjudizielle Vorfragen der Erbrechtslage.
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Eine hiervon zu unterscheidende, wenngleich in diesem Kontext diskutierte Frage ist, ob und inwieweit die Parteien unter geschickter Nutzung der Verhandlungs- und Dispositionsmaxime Einfluss auf den Zivilprozess und damit über die Bindung des Erbscheinrichters an rechtskräftige zivilrechtliche Urteile4 hinsichtlich des Erbrechts in gewissem Rahmen auch Einfluss auf das Erbscheinerteilungsverfahren nehmen können. Eine solchermaßen mittelbare Einflussnahme auf die Erbscheinerteilung ist zwar grundsätzlich denkbar; die Möglichkeit per se spricht indes weder für noch gegen die Anerkennung einer Bindungswirkung des Auslegungsvertrages im Erbscheinsverfahren.5 Der Vertragsgestalter wird von einer solchen prozessualen Strategie wegen der vielen damit verbundenen Unsicherheiten, z.B. der oftmals nur schwer zu ziehenden Grenze zwischen Tat- und Rechtsfrage,6 ohnehin eher abraten.
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Die Gestaltungspraxis muss also stets von dem Grundsatz ausgehen, dass ein erbrechtlicher Auslegungsvertrag die dingliche Rechtslage nicht ändert und insofern auch im Verfahren keine unmittelbare Bindungswirkung entfaltet. Im Erbscheinsverfahren kommt einer solchen Vereinbarung gleichwohl starke indizielle Bedeutung zu. Besonders die verfahrensökonomischen Argumente werden hier häufig durchschlagen. Der BGH geht immerhin davon aus, dass die Praxis „beispielsweise bei der Erteilung von Erbscheinen … einverständlichen Erklärungen aller Beteiligten über die Auslegung einer Verfügung von Todes wegen besonderes Gewicht beilegt“.7 Eine tragfähige Auslegungsvereinbarung zwischen allen Beteiligten kann daher eine nicht zu unterschätzende verfahrenssteuernde Wirkung
1 Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, 794; W. Kössinger in Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, § 23 Rz. 59a; Selbherr, ZErb 2005, 10 (13 f.); Thonemann, NotBZ 2006, 268 (270); v. Proff, ZEV 2010, 348 (350). 2 Dressler, ZEV 1999, 289 (290 f.); Firsching/Graf, Nachlassrecht, 10. Aufl. 2014, Rz. 1.139; Horn/Kroiß, NJW 2012, 666 (668); mit guten Argumenten Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2084 Rz. 146. 3 Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2084 Rz. 146. 4 Eine solche Bindungswirkung ist heute jedenfalls für Feststellungsurteile allgemein anerkannt; instruktiv und mit weiteren Nachweisen OLG München, Beschl. v. 8.3.2016 – 31 Wx 386/15, MDR 2016, 484 = ZErb 2016, 138. Vgl. auch Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2353 Rz. 77; Weiß, GS Küchenhoff, 1987, 389 (404) m.N. aus der Rechtsprechung und J. Mayer in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2359 Rz. 35 bis 39 ff.; Rz. 27 bis 40 anschaulich zur „Doppelgleisigkeit“ von Erbscheinsverfahren und Zivilprozess. 5 Vgl. auch Weiß, GS Küchenhoff, 1987, 389 (406 f.), und Selbherr, ZErb 2005, 10 (13), jeweils m.w.N. 6 Vgl. hierzu Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2084 Rz. 150 bis 153. 7 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813). In diesem Sinne wohl auch das Deutsche Notarinstitut, DNotI-Report 2005, 147 (148).
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Selbherr
Erbrecht
Rz. 73 Kap. 35
haben. Von entscheidender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Aufnahme ergänzender verfahrensbegrenzender Kautelen (hierzu sogleich unter Rz. 81). bb) Bindungswirkung gegenüber Nachlassgläubigern Da der erbrechtliche Auslegungsvertrag als schuldrechtlicher Vertrag die dingliche Rechts- 71 lage nicht ändert, darf die Vereinbarung die Interessen Dritter, vom Erbfall möglicherweise Betroffener, am Auslegungsvertrag jedoch nicht Beteiligter nicht berühren. Soweit Nachlassgläubiger nicht beim Abschluss mit einbezogen werden, entfaltet der erbrechtliche Auslegungsvertrag ihnen gegenüber somit grundsätzlich keine Wirkung.1 Insbesondere kann sich der wirkliche Erbe durch den Auslegungsvertrag nicht der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten entziehen, vgl. §§ 2382 Abs. 1 Satz 1, 2385 Abs. 1 BGB. Insoweit hilft nur eine ausdrückliche Zustimmung der Gläubiger zu einer eventuell vereinbarten Schuldübernahme oder eine Freistellungsverpflichtung des Vergleichserben. Eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit der Nachlassgläubiger auf den Vergleichserben eröffnen grundsätzlich nur die §§ 2382 Abs. 1 Satz 1, 2385 Abs. 1 BGB.2 Denkbar erscheint, dem Vergleichserben u.U. gemäß § 242 BGB den Einwand zu verwehren, er sei gar nicht „wahrer“, also materiell-rechtlicher Erbe.3 4. Formfragen Da sich die Beteiligten mit einem Auslegungsvertrag regelmäßig über ihr Erbrecht und die 72 Quote ihrer Beteiligung einigen, handelt es sich nach allgemeiner Meinung um einen dem Erbschaftskauf gleichzustellenden Vertrag, der zur Wirksamkeit der notariellen Beurkundung bedarf, §§ 2385 Abs. 2, 2371 BGB.4 Betrifft der Auslegungsvertrag nur Vermächtnisse oder Teilungsanordnung, soll privatschriftliche Form ausreichen;5 gesichert erscheint diese Einschränkung indes nicht.6 Soll der Auslegungsvertrag mit einer hohen Vollzugsautomatik ausgestaltet werden, enthält er regelmäßig (ggf. bedingte) Erbteilsübertragungen.7 Auch diese erfordern die notarielle Beurkundung, § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für die Gestaltungspraxis ist daher aus Gründen der Rechtssicherheit generell die notariel- 73 le Beurkundung zu empfehlen,8 für die ferner – wie stets und insbesondere für das Erbschaftsteuerverfahren – auch die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde spricht. Nützlich kann auch eine in privatschriftlichen Vereinbarungen nicht mögliche Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO sein.9
1 Vgl. auch BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813); Eisele, Vertragliches Einvernehmen über die Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen, 2002, 82 ff. 2 Für eine Haftung Damrau, ZErb 2014, 1 (10); zurückhaltender Eisele, Vertragliches Einvernehmen über die Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen, 2002, 89 ff. 3 Litzenburger in Beck’scher OK BGB, § 2084 Rz. 57 (Stand: 1.2.2016). 4 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812; eingehend Eisele, Vertragliches Einvernehmen über die Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen, 2002, 59 ff. m.w.N.; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2385 Rz. 2. 5 So Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2385 Rz. 2; Damrau, JR 1986, 275; Damrau ZErb 2014, 1 (5 f.). 6 Vgl. Selbherr, ZErb 2005, 10 (15). 7 Eckelskemper in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J.V.6 Anm. 5. 8 Cornelius, ErbStB 2006, 135 (136). 9 Anders als früher (BayObLG, Beschl. v. 14.7.1997 – 1Z BR 39/97, MittBayNot 1998, 365 m. Anm. Geimer = ZEV 1997, 461 m. Anm. Ott) kann nunmehr auch ein vor dem Nachlassgericht geschlossener Vergleich ein Vollstreckungstitel sein, §§ 36, 86 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 FamFG.
Selbherr 841
Kap. 35 Rz. 74
Vergleichsvereinbarungen
5. Der erbschaftsteuerrechtliche „Erbvergleich“ 74
Eine spezifisch erbschaftsteuerrechtliche Bedeutung hat der Begriff „Erbvergleich“.1 Zu verstehen ist darunter die einvernehmliche Beseitigung zweifelhafter Erbrechtsverhältnisse einschließlich etwa bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallende Beträge.2 Voraussetzung für einen solchen Erbvergleich ist das Vorliegen eines ernstlich zweifelhaften erbrechtlichen Vorgangs. Der Erbvergleich muss einen ernstlichen Streit und/oder eine ernstliche Ungewissheit3 zwischen den Erbbeteiligten über Bestehen oder Umfang erbrechtlicher Positionen beseitigen, um den „wahren“ Willen des Erblassers umzusetzen. Wird dagegen ein unzweifelhafter erbrechtlicher Vorgang durch die Vereinbarung geändert, ist diese erbschaftsteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen.4 Dann zielt die Vereinbarung nicht mehr darauf ab, den Willen des Erblassers weitestmöglich umzusetzen und hat ihren Rechtsgrund nicht im Erbrecht,5 sondern die Beteiligten treffen dann Verfügungen über das eigene Vermögen.6 Die Abgrenzung in der Rechtsprechung des BFH ist allerdings nicht immer leicht nachzuvollziehen. So hat der BFH entschieden,7 dass die Abfindung an einen weichenden Erbprätendenten gerade „nicht auf einen erbrechtlichen Rechtsgrund (Erbanfall nach § 1922, Vermächtnis nach § 2147 ff. BGB, geltend gemachter Pflichtteilsanspruch nach §§ 2303 ff. BGB) zurückgeführt werden“ könne. „Reine“ Abfindungsvereinbarungen werden der Erbschaftsbesteuerung nicht (mehr) zugrunde gelegt; der Inhalt des Erbvergleichs muss sich als „mögliches“ Ergebnis der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen darstellen,8 so z.B. die einvernehmliche Beseitigung bestehender Unsicherheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallenden Beträge auf Basis eines privatschriftlichen Testaments.9
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Wird die Vereinbarung der Parteien erbschaftsteuerrechtlich indes als Erbvergleich anerkannt, wird bei der Besteuerung verfahren, als hätte der Erblasser eine entsprechende Verfügung von Todes wegen hinterlassen.10 Gestützt wird dieses vom erbschaftsteuerrechtlichen Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts11 abweichende Ergebnis heute auf § 42 Abs. 1 AO. Die beim Erwerber eintretende, für die Erbschaftsbesteuerung maßgebende Bereicherung habe, so der BFH, ihren „letzten Rechtsgrund“ im Erbrecht.12 Nicht Voraussetzung für den Erbvergleich in diesem erbschaftsteuerrechtlichen Sinne ist, dass die Vereinbarung ein gegenseitiges Nachgeben der Parteien gemäß § 779 BGB enthält; ein allein feststellender
1 Vgl. Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG (Stand: Juli 2015), § 3 Rz. 80 ff.; Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 3 Rz. 26 ff. m.N.; Hübner, ErbStB 2003, 231; Selbherr, ZErb 2005, 10 (15 ff.). 2 BFH, Urt. v. 22.11.1995 – II R 89/93, BStBl. 1996 II, 242; BFH, Urt. v. 24.7.1972 – II R 35/70, BStBl. 1972 II, 886 jeweils m.w.N. 3 BFH, Beschl. v. 19.9.2000 – II B 10/00, BFH/NV 2001, 163. 4 BFH, Beschl. v. 19.9.2000 – II B 10/00, BFH/NV 2001, 163. 5 BFH, Urt. v. 26.2.2008 – II R 82/05, ZEV 2008, 302. 6 Hübner, ErbStB 2003, 231 (233). 7 BFH v. 4.5.2011 – II R 34/09, ZEV 2011, 438 m. Anm. Fischer = MittBayNot 2012, 161 m. Anm. Wartenburger. 8 Wartenburger, MittBayNot 2012, 163 (165). 9 FG Rheinland-Pfalz v. 15.9.2011 – 4 K 1781/09, FamRZ 2012, 586 = ErbStB 2012, 169. 10 In Fortführung einer bereits auf das RG und den RFH zurückgehenden Rechtsprechung BFH, Urt. v. 1.2.1961 – II 269/58 U, BStBl. 1961 III, 133; Urt. v. 24.7.1972 – II R 35/70, BStBl. 1972 II, 886. Zu Einzelheiten und weiteren Nachweisen Meincke, ErbStG, 14. Aufl. 2004, § 1 Rz. 26; Selbherr, ZErb 2005, 10 (15 ff.). 11 Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urt. v. 22.11.1995 – 2 R 89/93, BStBl. 1996 II, 242; Theyson-Wadle, ZEV 2002, 221. Dieser Grundsatz unterliegt allerdings ohnehin erheblichen Einschränkungen, vgl. Meincke, ErbStG, 14. Aufl. 2004, Einf. Rz. 7. 12 Z.B. BFH, Beschl. v. 19.9.2000 – II B 10/00, BFH/NV 2001, 163.
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Selbherr
Erbrecht
Rz. 78 Kap. 35
Auslegungsvertrag – in der Praxis eher selten (vgl. Rz. 53) – reicht aus.1 Die Finanzrechtsprechung verleiht in diesem Rahmen sogar zivilrechtlich unwirksamen Verfügungen von Todes wegen in beachtlichem Umfang erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung.2 Die Feststellungslast, vor allem hinsichtlich des entsprechenden Erblasserwillens, obliegt 76 den Beteiligten.3 Der Schwerpunkt der Vertragsgestaltung unter diesem Aspekt liegt folglich darin, der Finanzverwaltung oder dem Finanzgericht die vorgenannten Umstände, insbesondere den behaupteten ernsthaften Erblasserwillen, darzutun und glaubhaft zu machen. Hierzu angeführte Indizien müssen umso mehr Gewicht haben, je weniger sich Andeutungen für den behaupteten Erblasserwillen in einer Verfügung von Todes finden. Allein die Behauptung mündlicher Erklärung des Erblassers durch die Beteiligten wird regelmäßig nicht ausreichen.4 Als brauchbare Indizien könnten z.B. Schriftstücke, Notizen oder Testamentsentwürfe des Erblassers oder Zeugenaussagen möglichst unbeteiligter Personen dienen.5 6. Strategische Aspekte Grundsätzlich eignet sich der erbrechtliche Auslegungsvertrag als Gestaltungsmittel immer 77 dann, wenn eine unklare letztwillige Verfügung die Hinterbliebenen vor Probleme stellt. Die folgenden Leitlinien mögen die Eigenheiten dieses besonderen Vertragstyps und die anzustellenden strategischen Erwägungen für Beteiligte und Gestalter verdeutlichen.6 Allgemeine vertragsrechtliche Sonderfragen, wie z.B. die Minderjährigkeit eines Beteiligten und daraus resultierende Formalien und Genehmigungspflichten,7 sind darüber hinaus zu beachten. a) Einzubeziehende unmittelbar Beteiligte Um die Ziele Befriedung, Streit- und damit Verfahrensvermeidung zu erreichen, empfiehlt 78 sich die Einbeziehung aller Erbprätendenten und auch sonst von der Verfügung von Todes wegen Betroffener, z.B. Vermächtnisnehmer. Die Interessen Dritter, vom Erbfall möglicherweise Betroffener, am Auslegungsvertrag jedoch nicht Beteiligter, dürfen durch den Vertrag nämlich nicht berührt werden.8 Je nach konkreter Fallgestaltung können auch Nachlassgläubiger in den Auslegungsvertrag mit einbezogen werden;9 hier wird man in der Praxis unter Umständen jedoch an Praktikabilitätsgrenzen stoßen.
1 Eckelskemper in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J.V.6 Anm. 7.; a.A. wohl Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG (Stand: Juli 2015), § 3 Rz. 83. 2 BFH, Urt. v. 7.10.1981 – II R 16/80, BStBl. 1982 II, 28; Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 3 Rz. 28 f. 3 BFH, Urt. v. 15.3.2000 – II R 15/98, BStBl. 2000 II, 558. 4 Dies wird deutlich bei Niedersächsisches FG, Urt. v. 14.4.2004 – 3 K 20–24/03, EFG 2004, 1231. 5 Instruktiv Piltz, Steuergestaltung nach dem Erbfall, Tagungsunterlagen ZEV Jahrestagung 2003/2004 (nicht veröffentlicht), 32. 6 Eingehend zum Auslegungsvertrag und Erbvergleich i.R.e. (anwaltlichen) Mediationsverfahrens Damrau, ZErb 2014, 1. 7 Hierzu Hübner, ErbStB 2003, 231 (234). 8 Die Beachtung von Drittinteressen fordert besonders BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813); vgl. auch Eckelskemper in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J.V.6. Anm. 5. 9 Zum Verhältnis Auslegungsvertrag – Nachlassgläubiger vgl. auch Damrau, ZErb 2014, 1 (10).
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Kap. 35 Rz. 79
Vergleichsvereinbarungen
b) Zu berücksichtigende mittelbar Beteiligte 79
Damit der erbrechtliche Auslegungsvertrag die gewünschte verfahrenssteuernde Wirkung – zivilrechtlicher oder erbschaftsteuerrechtlicher Art – entfalten kann, ist bei der Vertragsgestaltung auch der Empfängerhorizont der mittelbar Beteiligten zu berücksichtigen. Die Vereinbarung soll regelmäßig nicht allein die Vertragsparteien, sondern auch das Nachlassgericht und die zuständigen Finanzbehörden, unter Umständen auch ein Prozessgericht überzeugen.1 Dies macht eine erschöpfende Darstellung des relevanten Sachverhalts und die Darlegung der Auslegungsbedürftigkeit der Verfügung von Todes wegen erforderlich. Das vereinbarte Auslegungsergebnis muss sich – jedenfalls, um das Nachlassgericht zur Erteilung des gewünschten Erbscheins zu bewegen – im Rahmen der „möglichen Auslegungen“ im Sinne der Andeutungstheorie bewegen.2 Die Anforderungen im Erbschaftsteuerverfahren mögen insoweit weniger formal sein, vom „wahren Willen“ des Erblassers müssen aber auch die Finanzbehörden überzeugt werden. c) Vermeidung nachfolgender Streitigkeiten
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Damit der erbrechtliche Auslegungsvertrag auch Sperr- und Bindungswirkung für dem Vertragsabschluss möglicherweise nachfolgende Streitigkeiten entfaltet, sind mögliche Bestandsrisiken durch Anfechtung (§§ 119 ff., 142 Abs. 1 BGB) und Fehlen der Geschäftsgrundlage zu bedenken (§ 313 BGB).3 Diese Risiken werden vor allem durch eine sorgfältige (und ehrliche) Bestandsaufnahme und Aufklärung der Beteiligten über Zusammensetzung und Wertverhältnisse des Nachlasses vermieden.
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Zur nachfolgenden Streitvermeidung zwingend erforderlich sind ferner flankierende verfahrensrechtliche Absprachen, um ein Konterkarieren der vereinbarten Auslegung im Erbscheinsverfahren oder im Zivilprozess zu verhindern. Die Beteiligten können sich mit materiell-rechtlich bindender Wirkung über die Ausübung von Verfahrensrechten im Erbscheinsverfahren einigen, z.B. über die Stellung und Rücknahme von Anträgen und Rechtsmitteln oder einen Verzicht auf solche.4 Absprachewidrig geltend gemachte Anträge oder Rechtsmittel sind unzulässig.5 Ebenso muss der erbrechtliche Auslegungsvertrag (mittelbare) Wirkung in einem möglicherweise nachfolgenden Zivilprozess entfalten.6 Die Parteien müssen sich verpflichten, Rechte aus der auszulegenden Verfügung von Todes wegen gerichtlich nicht geltend zu machen, soweit diese von der vereinbarten Auslegung abweichen. Durch einen solchen Prozessvertrag7 wird eine abredewidrig erhobene Feststellungsklage unzulässig.8 Eine abredewidrige Leistungsklage wäre darüber hinaus wegen der Einwendung der unzulässigen Rechtsausübung unbegründet, wenn der Kläger aufgrund der Verfügung von To-
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Vgl. auch Hübner, ErbStB 2003, 231 (233 f.). Vgl. hierzu oben Rz. 61. Zutreffend Hübner, ErbStB 2003, 231 (234). Allg. M., aus jüngster Zeit KG, Beschl. v. 16.9.2003 – 1 W 48/02, FamRZ 2004, 836 = FGPrax 2004, 31; Eisele, Vertragliches Einvernehmen über die Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen, 2002, 140; instruktiv J. Mayer in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2358 Rz. 10 m.w.N. Einen plastischen Beispielsfall bietet KG, Beschl. v. 16.9.2003 – 1 W 48/02, FamRZ 2004, 836 = FGPrax 2004, 31; vgl. auch J. Mayer in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2358 Rz. 10. Zum Prozessvergleich in diesem Kontext Hübner, ErbStB 2003, 231 (232). Hierzu Lüke in MüKo, ZPO, 2. Aufl. 2000, Einl. Rz. 284 ff.; Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor § 128 Rz. 26, 32 (Prozessvereinbarung); Eisele, Vertragliches Einvernehmen über die Auslegung unklarer letztwilliger Verfügungen, 2002, 152 ff. Ob die Klage mangels Statthaftigkeit unzulässig ist, so Lüke in MüKo, ZPO, Einl. Rz. 290 m.N. zur Gegenmeinung, oder ob es sich um einen Unzulässigkeitsgrund eigener Art handelt, so wohl BGH, Urt. v. 10.7.1985 – VIII ZR 285/84, NJW 1986, 198, kann hier dahinstehen.
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Selbherr
Erbrecht
Rz. 84 Kap. 35
des wegen fordert, was er nach dem Auslegungsvertrag sogleich wieder an den Beklagten zurückgeben muss.1 Schließlich ist zu regeln, ob der Auslegungsvertrag und die daraus folgende Vermögensver- 82 teilung auch für den Fall Bestand haben soll, dass die vertragsgegenständliche Verfügung von Todes wegen insgesamt oder zum Teil unwirksam ist oder wird, z.B. durch Anfechtung (§§ 2078 ff., 142 Abs. 1 BGB). In solchen Fällen droht sonst Unwirksamkeit der Vereinbarung nach § 779 Abs. 1 BGB, ggf. i.V.m. § 139 BGB.2 Auch über die Nichtausübung von Gestaltungsrechten, welche die Erbfolge beeinflussen, können sich die Beteiligten einigen.3 d) Schwierigkeiten für den Vertragsgestalter Der den Abschluss eines Auslegungsvertrages betreuende Rechtsberater steht vor einer 83 schwierigen Aufgabe. Die rechtliche Ausgangslage ist ungewiss; die dingliche/erbrechtliche Lage entzieht sich der Gestaltungsmacht der Beteiligten; über die „wahre“ Ausgangsrechtslage entscheidet ein Dritter. Dennoch muss sich der Vertragsgestalter vor Augen halten, dass es hier gerade nicht um die Verteilung des Nachlasses im Wege einer Auseinandersetzung geht, sondern – im Rahmen des rechtlich Möglichen – um Gestaltung und Strukturierung der Vermögensnachfolge nach dem Erblasser.4 Eine Hauptaufgabe des Beraters wird es sein, den Beteiligten den Unterschied zwischen der an sich unabänderlichen Erbrechtslage, den Auslegungsanregungen gegenüber dem Nachlassgericht und den schuldrechtlichen Verpflichtungsmöglichkeiten der Parteien zu erläutern.5 Die Beteiligten müssen sich darüber klar und einig sein, dass sie bewusst die Frage ausklammern, welche der möglichen Auslegungsvarianten die „richtige“ ist. Die Gestaltung von Auslegungsverträgen gilt daher als schwierig6 und haftungsanfällig.7 84 Dies ist grundsätzlich richtig; die Risiken sind aber insbesondere durch sorgfältige verfahrensrechtliche Ergänzungsabreden (s. Rz. 81) beherrschbar.8 In der Praxis geht es im Übrigen auch nicht stets um hochkomplexe erbrechtliche Konstellationen wie die der Grundlagenentscheidung des BGH9 zugrunde liegende, sondern immer wieder um überschaubare, aber eben doch ungewisse Auslegungsfragen.10
1 Weiß, GS Küchenhoff, 1987, 389 (402). 2 Instruktiv hierzu Weiß, GS Küchenhoff, 1987, 389 (403 f.); vgl. auch Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 779 Rz. 13 ff. 3 J. Mayer in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2358 Rz. 10 m.w.N. 4 Zutreffend Hübner, ErbStB 2003, 231 (233). 5 Ebenso, wenngleich diesen Aspekt m.E. überbetonend Baumann, RNotZ 2011, 33 (35); Baumann in Limmer/Hertel/Frenz/Mayer (Hrsg.), Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl. 2015, Teil 4 Kap. 2 Rz. 100; zutreffend dagegen Eckelskemper in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J.V.6. Anm. 5. 6 Cieslar, DNotZ 1987, 113 (114). 7 J. Mayer, ZEV 2005, 175 f. 8 In diesem Sinne wohl auch Eckelskemper in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J.V.6. Anm. 3 bis 5. 9 BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812. 10 Zweifelhaft ist nach Erfahrung des Verfassers im Übrigen die Aussage J. Mayers, ZEV 2005 175 (176), von der Möglichkeit eines Auslegungsvertrages werde in der Praxis „zutreffenderweise kaum Gebrauch gemacht.“
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Vergleichsvereinbarungen
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II. Muster 85
M 35.2 Erbrechtlicher Auslegungsvertrag (Erbvergleich), Vermächtniserfüllung und ErbscheinsantragA1 Heute, den … sind vor mir, NotarA2 in … in meinen Amtsräumen in … gleichzeitig anwesend: 1) Herr Dieter Müller, geboren am …, 2) Frau Elisabeth Kröll, geb. Müller, geboren am … 3) Herr David Melcher, geboren am …, Der Notar hat das Grundbuch eingesehen. Die Erschienen erklärten: I. Vorbemerkung 1. Grundbuchstand Familieneigenheim der Eheleute Müller (Albert und Beate Müller Miteigentümer je zur Hälfte; belastet mit einer Grundschuld über 220 000 Euro; Verkehrswert: 550 000 Euro) Waldgrundstück (Albert Müller Alleineigentümer; Verkehrswert 50 000 Euro) 2. Erbfall, Familienverhältnisse Am … verstarben Herr Albert Müller, geb. am …, seine Ehefrau, Frau Beate Müller, geb. Schmidt, geb. am … und deren gemeinsamer Sohn, Herr Christoph Müller, geb. am …, alle mit dem letzten Wohnsitz in … (Deutschland), gleichzeitig bei einem Straßenverkehrsunfall. Herr Dieter Müller und Frau Elisabeth Kröll, geb. Müller, sind weitere gemeinsame Kinder der Eheleute Müller. Herr David Melcher ist der nichteheliche Sohn des Herrn Albert Müller. Weitere Abkömmlinge (leibliche oder angenommene) haben und hatten weder Herr Albert noch Frau Beate Müller. Herr Christoph Müller war ledig und hatte weder leibliche noch angenommene Abkömmlinge. Sämtliche Verstorbenen waren ausschließlich deutsche Staatsangehörige. Herr David Melcher hat zwei minderjährige Kinder.A3 3. NachlassA4 Das Vermögen der Eheleute Müller bestand im Wesentlichen aus dem unter Ziff. I.1. dieser Urkunde aufgeführten Grundbesitz sowie Bar- und Sparvermögen auf diversen Konten in Höhe von insgesamt ca. 212 000 Euro. An Nachlassverbindlichkeiten besteht im Wesentlichen ein Darlehen bei der X-Bank, das durch die in Ziff. I.1. dieser Urkunde bezeichneten Grundschuld abgesichert ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die dieser Niederschrift als Anlage beigefügte Nachlassaufstellung verwiesen. Sie wurde den Beteiligten zur Kenntnis vorgelegt und von ihnen auf jeder Seite unterschrieben; auf das Vorlesen wurde allseits verzichtet.A5 Herr Christoph Müller hat kein nennenswertes Vermögen und kaum Nachlassverbindlichkeiten hinterlassen.
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Erbrecht
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4. Erbrechtliche AusgangslageA6 Die Eheleute Müller haben als einzige Verfügung von Todes wegen am … ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet. Es lautet: „Wenn der Erste von uns stirbt, wird der Bleibende alleiniger Erbe. Stirbt auch der andere, fällt alles an die Kinder. D. erbt den Wald.“ Christoph Müller hat keine Verfügung von Todes wegen errichtet. Über die erbrechtliche Situation infolge des gleichzeitigen Versterbens des Albert Müller, der Beate Müller Schmidt und des Christoph Müller herrscht Unklarheit. Die Verfügung von Todes wegen regelt nach Meinung der Beteiligten nicht eindeutig, ob David Melcher Erbe nach Albert Müller geworden ist. Mangels hinreichender Bezeichnung offen ist auch, wem das Grundstück Fl. Nr. (Waldgrundstück) zugewendet sein soll. Als gesetzliche Erben nach Albert Müller kommen David Melcher, Dieter Müller und Elisabeth Kröll in Betracht, die beiden Letztgenannten auch als gesetzliche Erben nach Beate Müller. Außer Nachlassgläubigern sind weitere Personen, die erbrechtliche oder sonstige Ansprüche am Nachlass haben könnten, nicht vorhanden.A7 Die Beteiligten wollen die Unklarheiten hinsichtlich der erbrechtlichen Situation beseitigen, den Willen des Erblassers umsetzen und die vermögensrechtlichen Ansprüche am Nachlass der Verstorbenen einvernehmlich und abschließend regeln. II. Auslegungsvertrag 1. Auslegungsergebnis Herr Dieter Müller, Frau Elisabeth Kröll, geb. Müller und Herr David Melcher gehen übereinstimmend von folgender Auslegung der Verfügung von Todes wegen der Eheleute Müller und damit von folgender erbrechtlichen Situation nach diesen aus: a) Die in dem gemeinschaftlichen Testament vom … angeordnete Schlusserbeneinsetzung ist dahingehend auszulegen, dass als Schlusserben sowohl nach Beate Müller als Letztversterbende als auch nach Albert Müller als Letztversterbender die gemeinsamen Abkömmlinge der Eheleute Müller eingesetzt sein sollten. Dies war auch für den Fall gewollt, dass Albert Müller der Zweitversterbende sein sollte. Hierzu erklären sämtliche Beteiligten, dass die Eheleute Müller nach ihrer Überzeugung mit der Formulierung „die Kinder“ allein die gemeinsamen Kinder bezeichnen wollten, da sie andernfalls nicht die für diese beiden einheitliche Bezeichnung gewählt hätten. Herr und Frau Müller haben gegenüber ihren gemeinsamen Kindern diese Vorstellung auch mehrfach geäußert.A8 b) Diese Schlusserbeneinsetzung ist weiter dahingehend auszulegen, dass die eingesetzten Schlusserben – auch für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Eheleute – deren jeweilige Ersatzerben sind. Die Eheleute Müller gingen bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments zwar erkennbar davon aus, dass sie nacheinander versterben würden. Aus dem unter vorstehend a) Dargelegten folgt indes, dass nach der von den Eheleuten Müller dem gemeinschaftlichen Testament zugrunde gelegten Nachlassplanung das Vermögen des Erstversterbenden an die gemeinsam benannten Schlusserben fällt, nicht an – wie im Falle des Albert Müller – abweichenden gesetzlichen Erben. Dies sollte unabhängig von der zeitlichen Abfolge der Todesfälle gelten. Im hier eingetretenen Fall des gleichzeitigen Versterbens kommt es im Ergebnis nach dem Willen der Eheleute Müller zu einem zeitlich vorgelagerten Anfall an die Schlusserben. Dieser Wille findet seine Andeutung im Testament in der Verwendung des Wortes „auch“.A9
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Vergleichsvereinbarungen
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c) Infolge des unstrittig gleichzeitigen Versterbens mit seinen Eltern ist Christoph Müller weder nach Albert Müller noch nach Beate Müller Erbe geworden. Im Nachlass von Christoph Müller befindet sich daher weder ein Erbteil nach seinem Vater noch nach seiner Mutter.A10 d) Sämtliche Beteiligte sind daher darüber einig, dass sowohl Albert Müller als auch Beate Müller, geb. Schmidt, von denselben Personen, nämlich ausschließlich von ihren gemeinsamen Kindern Dieter Müller und Elisabeth Kröll, geb. Müller, zu je 1/2 beerbt worden sind. e) Sämtliche Beteiligte sind sich weiter darüber einig, dass das Grundstück Fl. Nr. … (Waldgrundstück) David Melcher – unabhängig von der hier laienhaften Verwendung des Begriffs „erben“ – als einzelner Vermögensvorteil, also vermächtnisweise zugewandt werden sollte. Die Bezeichnung „D.“ im Testament ist zwar nicht eindeutig und könnte ebenso den Sohn Dieter Müller oder auch eine dritte Person meinen. Nach den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten kommt keine weitere Person in Betracht, die mit der Bezeichnung „D.“ gemeint sein könnte. Zudem erklären die Beteiligten, dass allein David Melcher einen Bezug zu dem Waldgrundstück hatte, was den Erblassern auch bewusst war. In mehreren Gesprächen mit sämtlichen Beteiligten wurde von beiden Erblassern die Vorstellung geäußert, das Waldgrundstück solle an David Melcher fallen.A11 2. Schuldrechtliche Vereinbarung Die Beteiligten sind über diese Auslegung der Verfügung von Todes wegen unabhängig von der Auslegung durch das Nachlassgericht einig. Für den Fall, dass das Nachlassgericht zu einer von der vorstehenden Vereinbarung abweichenden Auslegung kommt, verpflichten sich die Vertragsparteien, einander so zu stellen, als sei die vorstehend vereinbarte Auslegung zutreffend.A12 III. ErbscheinsanträgeA13 1. Antrag nach Albert Müller a) Hauptantrag In erster Linie beantragen Herr Dieter Müller und Frau Elisabeth Kröll, geb. Müller, – die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins des Inhalts, dass Dieter Müller und Elisabeth Kröll, geb. Müller, Erben zu je 1/2 nach ihrem Vater Albert Müller geworden sind; b) HilfsantragA14 Nur hilfsweise beantragen Herr Dieter Müller und Frau Elisabeth Kröll, geb. Müller, und Herr David Melcher – die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins des Inhalts, dass Dieter Müller, Elisabeth Kröll, geb. Müller, und David Melcher Erben zu je 1/3 nach ihrem Vater Albert Müller geworden sind. 2. Antrag nach Beate Müller Herr Dieter Müller und Frau Elisabeth Kröll, geb. Müller, beantragen – die Erteilung eines weiteren gemeinschaftlichen Erbscheins des Inhalts, dass Dieter Müller und Elisabeth Kröll, geb. Müller, Erben zu je 1/2 nach ihrer Mutter Beate Müller, geb. Schmidt, geworden sind; 848
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Erbrecht
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Die Erblasser waren beide ausschließlich deutsche Staatsangehörige und hatten beide zum Zeitpunkt ihres Ablebens ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). Die Erben haben die Erbschaft angenommen. Ein Rechtstreit über die Erbrechte ist nicht anhängig. Vom amtierenden Notar über die Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung belehrt, versichern die Antragsteller, dass ihnen nichts bekannt ist, was der Richtigkeit ihrer vorstehenden Angaben entgegensteht.A15 Der amtierende Notar wird ermächtigt, die vorstehenden Anträge zu ergänzen, zu berichtigen, zu trennen oder zurückzunehmen. Die Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich der Erbfolgen wird von Herrn Dieter Müller und Frau Elisabeth Kröll, geb. Müller, beantragt. IV. Vorsorgliche ErbteilsübertragungA16 Für den Fall, dass die unter vorstehender Ziff. II. vereinbarte Auslegung nicht mit einer anderweitig festgestellten, insbesondere nicht mit der vom Nachlassgericht im Rahmen des Erbscheinserteilungsverfahrens festgestellten Erbrechtslage übereinstimmt, vereinbaren die Beteiligten: 1. Herr David Melcher – nachfolgend „der Veräußerer“ genannt – überträgt hiermit in Erfüllung der unter vorstehender Ziff. II. getroffenen Vereinbarung einen ihm eventuell zustehenden Erbteil am Nachlass nach seinem Vater Albert Müller mit sofortiger dinglicher Wirkung an Herrn Dieter Müller und Frau Elisabeth Kröll, geb. Müller, – nachfolgend „der Erwerber“ genannt – als Mitberechtigte dergestalt, dass der jeweilige Erwerber im Ergebnis einen Erbteil von je 1/2 am Nachlass nach Albert Müller hält.A17 Die Vertragsteile sind über den Rechtsübergang einig. Soweit erforderlich, beantragen sie, das Grundbuch durch Eintragung der Erbteilsübertragung zu berichtigen. Um Vollzugsmitteilung an den amtierenden Notar wird gebeten. Auf die Eintragung einer Vormerkung oder eines Widerspruchs wird ausdrücklich verzichtet.A18 2. Schuldrechtlich vereinbaren die Beteiligten: Der abgetretene Erbteil geht rückwirkend mit Wirkung vom Tage des Ablebens des Albert Müller mit seinem seinerzeitigen Wert und Bestand und mit allen Rechten und Belastungen auf den Erwerber über. Der Erwerber trägt von diesem Zeitpunkt an die Gefahr des zufälligen Untergangs und einer zufälligen Verschlechterung der Erbschaftsgegenstände. Bislang eventuell angefallene Nutzungen stehen dem Erwerber zu; dieser trägt für diese Zeit auch eventuelle Lasten. Die Haftung des Veräußerers wegen Rechtsmängeln beschränkt sich darauf, – dass ihm das Erbrecht zusteht, – dass der Erbteil nicht mit Rechten Dritter belastet und nicht durch das Recht eines Nacherben oder durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers beschränkt ist, Selbherr 849
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Vergleichsvereinbarungen
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– dass (weitere) Vermächtnisse, Auflagen, Pflichtteilslasten, Ausgleichspflichten oder Teilungsanordnungen nicht bestehen, – dass nicht bereits unbeschränkte Haftung gegenüber den Nachlassgläubigern oder Einzelnen von ihnen eingetreten ist. Sachmängel einer zur Erbschaft gehörenden Sache hat der Veräußerer nicht zu vertreten. Er haftet auch nicht für einen bestimmten Wert des Erbteils. Sollte sich sein Wert als niedriger oder höher herausstellen, als bei der Beurkundung angenommen wurde, wird von den Vertragsteilen auf einen Ausgleich verzichtet. V. Vermächtniserfüllung In Erfüllung des unter Ziff. II.1.e) bezeichneten Vermächtnisses sind die Beteiligten über Folgendes einig: 1. Der unter Ziff. I. näher bezeichnete Grundbesitz Flst. … der Gemarkung … (Wald) geht auf Herrn David Melcher – nachfolgend „der Erwerber“ genannt – zum Alleineigentum über. Sämtliche Beteiligten sind über den vorstehenden Rechtsübergang einig und bewilligen und beantragen dessen Eintragung im Grundbuch. Auf die Eintragung einer Eigentumsvormerkung wird allseits verzichtet. Der Notar hat auf die Sicherungswirkungen einer Vormerkung, insbesondere bei beeinträchtigenden Zwischenverfügungen oder Insolvenz des Veräußerers, hingewiesen. 2. Die Besitzübergabe erfolgt mit Wirkung ab dem Tag des Ablebens des Albert Müller. Vom selben Zeitpunkt an gehen auch Nutzen, Lasten, öffentliche Abgaben und Steuern auf den Erwerber über, ebenso die Gefahr und Haftung, insbesondere die Verkehrssicherungspflicht. Miet- und Pachtverhältnisse bestehen nach Angabe der Beteiligten nicht. Soweit für den Vertragsbesitz künftig Beiträge für Erschließungsanlagen oder andere öffentliche Einrichtungen erhoben werden, hat diese der Erwerber zu bezahlen. 3. Der Veräußerer haftet für ungehinderten Besitz und lastenfreien Eigentumsübergang, soweit in dieser Urkunde nichts anderes vereinbart ist. Der Veräußerer garantiert, dass ihm bei einer Besichtigung nicht erkennbare Sachmängel und im Grundbuch nicht eingetragene Belastungen und Beschränkungen nicht bekannt sind. Darüber hinaus wird eine bestimmte Beschaffenheit oder Garantie nicht vereinbart. Der Erwerber hat den Vertragsbesitz genau besichtigt; er erwirbt ihn in gegenwärtigem Zustand. Ansprüche und Rechte des Erwerbers wegen Mängeln oder Eigenschaften des Vertragsgegenstandes werden ausgeschlossen, insbesondere im Hinblick auf Grundstücksgröße und Zweckeignung für den Erwerber. Unberührt bleibt eine Haftung wegen Vorsatz oder Arglist. VI. Verzicht auf nicht geltend gemachte Pflichtteilsansprüche und Abfindung Herr David Melcher verzichtet vollständig und vorbehaltlos auf entstandene, bislang nicht geltend gemachte Pflichtteilsansprüche am Nachlass des Herrn Albert Müller.A19 Herr Dieter Müller und Frau Elisabeth Kröll verpflichten sich – als Gesamtschuldner und ggf. unter Heranziehung des eigenen, nicht von Todes wegen angefallenen Vermögens – zur Bezahlung eines Abfindungsbetrages in Höhe von
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Erbrecht
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25 000 Euro (i.W. fünfundzwanzigtausend Euro).A20 Der Betrag ist innerhalb von vier Wochen ab Erteilung eines Erbscheins nach Albert Müller zur Zahlung fällig und bis dahin nicht zu verzinsen und nicht sicherzustellen. Wegen der Bezahlung dieses Betrages unterwerfen sich Herr Dieter Müller und Frau Elisabeth Kröll der sofortigen Zwangvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.A21 Damit sind sämtliche Pflichtteilsansprüche des David Melcher am Nachlass seines Vaters Albert Müller vollständig abgegolten.A22 VII. Weitere Vereinbarungen 1. Verfahrensrechtliche AbsprachenA23 Sämtliche Beteiligten verpflichten sich, – vorbehaltlich der in dieser Urkunde gestellten Anträge keinen von der unter vorstehender Ziff. II. vereinbarten Auslegung abweichenden Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zu stellen;A24 – überhaupt gerichtlich und außergerichtlich keinerlei Rechtsansprüche geltend zu machen, die sich auf eine von der unter vorstehender Ziff. II. vereinbarten Auslegung abweichende Erbrechtslage stützt.A25 2. FreistellungsverpflichtungA26 Herr Dieter Müller und Frau Elisabeth Kröll verpflichten sich als Gesamtschuldner, Herrn David Melcher von sämtlichen Forderungen bekannter und unbekannter Nachlassgläubiger freizustellen. VIII. Vollzug Die Vertragsteile beauftragen und bevollmächtigen den amtierenden Notar unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, für den (Grundbuch)Vollzug dieser Urkunde zu sorgen und die Beteiligten im Grundbuchverfahren uneingeschränkt zu vertreten. Der Notar wird ermächtigt, in dieser Urkunde gestellte Anträge zu ergänzen, zu berichtigen, zu trennen oder zurückzunehmen. IX. Abschriften Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen: – das zuständige Amtsgericht – Grundbuchamt –. Beglaubigte Abschriften: – die Vertragsteile je eine, – das zuständige Finanzamt – Schenkungsteuerstelle – (§ 7 ErbStDV). Einfache Abschriften: – das zuständige Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle, – das zuständige Amtsgericht – Nachlassgericht – als Anzeige gem. § 2384 BGB. X. Hinweise Die Vertragsteile wurden vom Notar insbesondere auf Folgendes hingewiesen: – Ein erbrechtlicher Auslegungsvertrag ändert nicht die Erbrechtslage. Insbesondere die Auslegung durch das Nachlassgericht kann zu einem von dieser Vereinbarung abweichenden ErSelbherr 851
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Vergleichsvereinbarungen
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gebnis kommen. Für den Fall, dass die Erbrechtslage von der hier vereinbarten abweicht, begründet dieser Vertrag schuldrechtliche Verpflichtungen zur Annäherung der Rechtslage an die vereinbarte. – Alle Vereinbarungen müssen richtig und vollständig beurkundet sein. Bei unrichtiger oder unvollständiger Beurkundung kann der ganze Vertrag nichtig sein. – Unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen haften alle Beteiligten für Kosten und Steuern und der Vertragsgrundbesitz für Erschließungskosten und öffentliche Abgaben. – Das Eigentum – hinsichtlich Ziff. V. – geht erst mit Umschreibung im Grundbuch auf den Erwerber über. Voraussetzung dafür ist u.a. die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts. – Jede Vorleistung ist Vertrauenssache. Vorleistungen können vertraglich vermieden oder gesichert werden. – Der Notar erteilt keine steuerliche Beratung. Hinsichtlich der Vereinbarung unter Ziff. IV. dieser Urkunde wurden die Vertragsteile weiter hingewiesen: – Diese Vereinbarung greift nur für den Fall, dass die Erbrechtslage nicht mit der unter Ziff. II. dieser Urkunde übereinstimmt, also insbesondere der unter Ziff. III.1.a) dieser Urkunde beantragte Erbschein nicht erteilt wird. – Die Erwerber werden nicht Miterben des Erblassers, soweit sie es nicht bereits sind; sie werden Mitberechtigte und Mitverpflichtete in Erbengemeinschaft des noch nicht verteilten Nachlasses. Erbe bleibt weiterhin der Veräußerer; deshalb wird der Erbschein insoweit nicht berichtigt.A27 – Mit der dinglichen Übertragung des Erbteils gehen alle noch im ungeteilten Nachlass befindlichen Vermögenswerte automatisch anteilsmäßig auf die Erwerber über. – Die Erwerber haften – unbeschadet der Vereinbarungen in diesem Vertrag – ab sofort neben dem weiterhin haftenden Veräußerer für etwaige Nachlassverbindlichkeiten. – Die Veräußerung des Erbteils und der Name der Erwerber ist unverzüglich dem Nachlassgericht anzuzeigen (§ 2384 Abs. 1 BGB). XI. KostenA28 Unabhängig von der nach dem Gesetz bestehenden Gesamthaftung aller Beteiligten übernehmen – die Kosten der Errichtung dieser Urkunde die Beteiligten zu gleichen Teilen. – die Kosten des Vollzugs dieser Urkunde im Grundbuch und eine etwa anfallende (Verkehrs)Steuer jeder Erwerber für seinen Erwerb. (Schlussvermerk/Unterschriften sämtlicher Beteiligter und des Notars)
Anmerkungen zu Muster M 35.2 85a
A1 Sachverhalt: Der behandelte Lebenssachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus Ziff. I. des Mustertextes. Das gleichzeitige Ableben der Verstorbenen wird unterstellt, unabhängig davon, ob auf § 11 VerschG zurückzugreifen ist oder nicht (vgl. hierzu Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1923 Rz. 11 ff.). Die erbrechtliche Lage ist nicht übermäßig komplex, aber doch unsicher. Problematisch ist vor allem die Erbfolge nach Albert Müller. Die Vermögensverhältnisse sind übersichtlich. Über das Ergebnis der Auslegung besteht nach Verhandlungen Einigkeit: Erben nach Albert Müller sind die verbliebenen Kinder aus der Ehe mit Beate Müller; das Waldgrundstück sollte David Melcher zugewendet werden. Erbscheine wurden bislang nicht beantragt.
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Erbrecht
Rz. 88 Kap. 35
Die Beteiligten verfolgen mehrere Ziele. Sie wollen erstens untereinander Einigkeit über das Auslegungsergebnis erzielen und dieses für sie verbindlich festlegen. Erreicht werden soll zweitens, dass die Erbscheine entsprechend dem vereinbarten Auslegungsergebnis und wie beantragt erteilt werden. Für den Fall, dass das zweite Ziel nicht erreicht wird, wünschen die Vertragsteile drittens bereits jetzt Vereinbarungen, die eine hohe Vollzugsautomatik hin zur Annäherung der dinglichen Rechtslage an das vereinbarte Auslegungsergebnis gewährleisten (zu Vollzugsautomatik und Verfahrenstreue in der außergerichtlichen Streitbeilegung Walz, Kap. 3 Rz. 24 ff.). Das Ergebnis der Vereinbarung soll schließlich auch dem Erbschaftsteuerverfahren zugrunde gelegt werden; daher nennt die Überschrift zusätzlich den Begriff „Erbvergleich“, der eine spezifisch erbschaftsteuerrechtliche Aussage impliziert (s. Rz. 74 ff.). Der Vertragsgestalter muss sich stets vor Augen halten, dass sich die Vertragsaussage nicht nur an die unmittelbar beteiligten Parteien richtet, sondern auch an mittelbar Beteiligte, z.B. das Nachlassgericht oder die Finanzverwaltung. Formulierungsvorschläge für einen erbrechtlichen Auslegungsvertrag müssen stets einen konkreten Sachverhalt in den Blick nehmen (vgl. auch die Vorschläge bei Tank in Tank/Krug [Hrsg.] NotarFormulare Erbrecht, 5. Aufl. 2015, § 3 Rz. 22; Machulla in Scherer [Hrsg.], Anwaltshandbuch ErbR, 4. Aufl. 2014, § 6 Rz. 56; Cornelius, ErbStB 2006, 135 [138]; Kerscher/ Krug/Tanck, Das erbrechtliche Mandat, 2. Aufl. 2000, § 11 Rz. 168, § 25 Rz. 66 und Burandt/ Eberhardt, Beratung im Erbrecht II, 2003, Rz. 976, der BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812, nachgebildet ist). Den „typischen Fall“ gibt es jedoch nicht, so dass Formulierungsvorschläge zu Auslegungsvereinbarungen noch mehr als andere Vertragsmuster allein als Anregung dienen können, die auf den konkret zu regelnden Fall zu übertragen und abzustimmen sind. Selbstverständlich erfordert – auch aus Kostengründen – nicht jeder Fall eine solch umfassende Regelung. Der Mustertext dient insoweit auch Anschauungszwecken. A2 Form: Zu den grundsätzlichen Formanforderungen an einen erbrechtlichen Auslegungsvertrag Rz. 72 f.; die notarielle Beurkundung ist aus vielen Gründen stets zu empfehlen (ebenso Eckelskemper in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J.V.6 Anm. 5; Machulla in Scherer [Hrsg.], Anwaltshandbuch ErbR, 4. Aufl. 2014, § 6 Rz. 52). Die hier vorgestellte Gestaltungsvariante enthält für den Fall, dass die Einigung über das Auslegungsergebnis nicht mit der wahren Erbrechtslage übereinstimmt, die Verpflichtung zur Übertragung eines Erbteils (M 35.2 [Rz. 85] Ziff. IV). Schon wegen §§ 2385 Abs. 1, 2371 BGB ist daher die notarielle Beurkundung dieser Vereinbarung erforderlich. Soweit es allein um den Übertragungsakt geht, ist im Übrigen zu differenzieren: Wird ein Erbteil übertragen, erfordert § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB die notarielle Beurkundung, überträgt ein Alleinerbe, kommt es hinsichtlich der Beurkundungspflicht auf den jeweils zu übertragenden Vermögensgegenstand an (vgl. Weidlich in Palandt, 75. Aufl. 2016, § 2371 Rz. 3).
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A3 Ausschlagung: Damit scheidet die Vereinbarung einer Verpflichtung des David Mel- 87 cher zur Ausschlagung der Erbschaft mit dem Ziel des Anfalls der gesamten Erbschaft bei den verbleibenden ehelichen Geschwistern als zu unsicher aus. Ob die Wirkung der Ausschlagung gem. § 1953 Abs. 2 BGB zum Anfall bei den Kindern des David Melcher (§ 2069 BGB) oder zur Anwachsung bei den Miterben führt (vgl. Edenhofer in Palandt, 65. Aufl. 2006, 75. Aufl. 2016 § 1953 Rz. 5), ist ungewiss. A4 Aufnahme einer Nachlassaufstellung: Generell empfiehlt sich vor Abschluss einer 88 Auslegungsvereinbarung eine umfassende Bestandsaufnahme hinsichtlich des Nachlasses. Dessen Zusammensetzung und Struktur kann – z.B. über die Auslegungsregel des § 2087 BGB – Einfluss auf das Auslegungsergebnis haben. Außerdem können sich die Beteiligten so darüber klar werden, ob und wenn ja, welche Nachlassgläubiger sinnvollerweise in die Verhandlungen und ggf. in die Vereinbarung einbezogen werden sollten. Daher ist der VerSelbherr 853
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Vergleichsvereinbarungen
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einbarung grundsätzlich eine Nachlassaufstellung zugrunde zu legen. Zum Aufbau einer Nachlassaufstellung s. M 35.1 Anm. A6 (Rz. 26). 89
A5 Verweisung: Hier nutzen die Beteiligten die Möglichkeit einer Verweisung mit eingeschränkter Vorlesungspflicht gem. § 14 BeurkG (Einzelheiten zu Voraussetzungen und Verfahren Winkler, Beurkundungsgesetz, 17. Aufl. 2013, § 14, Bezug zu Nachlassverzeichnis insb. bei Rz. 21 f.).
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A6 Ausgangslage: Vor allem in Hinblick auf die Anerkennung im Steuerverfahren empfiehlt sich eine ausführliche Darstellung der erbrechtlichen Ausgangslage. Dargelegt werden sollten auf jeden Fall: – der zugrunde liegende Sachverhalt; – die Punkte, die Auslegungsfragen aufwerfen; ggf. Streitentwicklung und -stand (Cornelius, ErbStB 2006, 135 [138]). – das Ziel der Vereinbarung. Eine Auffächerung sämtlicher denkbarer Auslegungsvarianten und deren unterschiedlicher zivilrechtlichen Konsequenzen erscheint dagegen nicht zwingend erforderlich (weitergehend Hübner, ErbStB 2003, 231 [233 f.]). Gleichwohl müssen diese Varianten und ihre jeweiligen erbrechtlichen Konsequenzen vor Vertragsabschluss von den Beteiligten und ihren Beratern durchdacht werden.
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A7 Unmittelbar Beteiligte: Nach Möglichkeit sind alle Personen, deren Rechtsstellung durch die Verfügung von Todes wegen betroffen sein könnte (unmittelbar Beteiligte, vgl. Rz. 78), in den Auslegungsvertrag mit einzubeziehen, da Rechte Dritter durch die Auslegungsvereinbarung selbstverständlich nicht beeinträchtigt werden dürfen; je nach Fallgestaltung kann es sich auch empfehlen, Nachlassgläubiger zu beteiligen, vgl. Rz. 78.
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A8 Darlegungslast: Vor allem gegenüber den mittelbar Beteiligten (z.B. gegenüber der Finanzverwaltung, vgl. Rz. 79), kann es wichtig sein, die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Auslegung substantiiert darzutun. Das mag z.B. auch – sofern vorhanden – durch die Benennung unbeteiligter Zeugen für mündliche Äußerungen des Erblassers geschehen.
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A9 Schlusserben als Ersatzerben: Die Frage, ob beim gemeinschaftlichen Testament die Schlusserben auch Ersatzerben sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Dass mit der Schlusserbeneinsetzung gleichzeitig auch eine Ersatzerbenberufung gewollt war, wird eine ergänzende Auslegung des Testaments regelmäßig ergeben. J. Mayer (in Dittmann/Bengel/Reimann, Testament und Erbvertrag, 4. Aufl. 2002, Kommentarteil § 2269 Rz. 22) geht sogar von einem dahingehenden Erfahrungssatz aus (i. Erg. ebenso Edenhofer in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2269 Rz. 3.; Keim, ZEV 2005, 10 [13] m.w.N.).
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A10 Erbfolge nach Christoph Müller: Diese Klausel enthält streng genommen keine Aussage zur Auslegung der Verfügung von Todes wegen. Vielmehr soll klargestellt werden, dass David Melcher auch nicht als gesetzlicher Erbe nach Christoph Müller (§ 1925 Abs. 1 BGB) einen Erbteil nach Albert Müller erworben hat. Der Nachlass des Christoph Müller im Übrigen ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Dass der eigentlich Christoph Müller zugedachte Erbteil nach seinen jeweiligen Eltern nur den verbleibenden gemeinsamen Kindern von Albert und Beate Müller gem. § 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB angewachsen ist, folgt bereits aus dem Auslegungsergebnis unter II.1.a) des Musters (Rz. 85): Auch nach Albert Müller sind nur die gemeinsamen Kinder eingesetzte Erben im Sinne dieser Vorschrift.
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A11 Mehrdeutige Bezeichnung: Grundsätzlich kann bei einer mehrdeutigen Bezeichnung des Bedachten § 2073 BGB helfen, der bei einer Vermächtnisanordnung dazu führt, dass den als Begünstigten in Frage Kommenden der Vermächtnisgegenstand zu gleichen Teilen 854
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Erbrecht
Rz. 97a Kap. 35
zusteht. Die Aushilfsfunktion dieser gesetzlichen Fiktion soll aber nur zum Zuge kommen, wenn sämtliche Auslegungsmöglichkeiten erschöpft sind und der Bedachte dennoch nicht ermittelt werden kann (Beck/Selbherr in NomosKommentar BGB, 4. Aufl. 2014, § 2073 Rz. 2; Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2073 Rz. 2). Im vorliegenden Fall kommen die Beteiligten indes zu dem Auslegungsergebnis, dass gerade nur David Melcher als Vermächtnisnehmer in Betracht kommt. Könnten im Falle einer kontroversen Auslegung weder David Melcher noch Dieter Müller beweisen, dass sie die Gemeinten sind, läge hier im Übrigen wohl mangels individualisierender Bestimmung kein Fall des § 2073 BGB und auch keiner im Sinne der §§ 2151 ff. BGB vor; die Vermächtniszuwendung wäre vielmehr mangels Bestimmtheit unwirksam, (vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2073 Rz. 2; Leipold in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2073 Rz. 7). Offen bleiben kann hier, ob das Vermächtnis auch für den Fall des Erstversterbens des Herrn Albert Müller bereits bei dessen Tode hätte anfallen sollen. Für die gewünschte Erbscheinserteilung ist dieser Teil des Auslegungsvertrages nicht relevant. Die Motivation der Regelung ist zum einen eine schuldrechtliche: Die Beteiligten stellen sich jedenfalls vertraglich so, als sei David Melcher das Waldgrundstück vermächtnisweise zugewandt worden. Zum anderen verfolgen die Vertragsteile erbschaftsteuerrechtliche Ziele: Die Zuwendung des Waldgrundstücks soll sich steuerlich nicht als Schenkung seitens der Erbengemeinschaft darstellen, sondern als Zuwendung des Vaters des David Melcher. Die Finanzverwaltung folgt einer solchen Vereinbarung unter bestimmten Voraussetzungen selbst dann, wenn die Beteiligten ein unwirksames Testament aufrechterhalten und umsetzen wollen (vgl. Rz. 75). A12 Verbindlichkeitserklärung: Dieser Passus formuliert den schuldrechtlichen Kern eines erbrechtlichen Auslegungsvertrages: Unabhängig von der „wahren“ Erbrechtslage verpflichten sich die Vertragsteile, einander zu stellen, als sei die vereinbarte Auslegung zutreffend. Sie wollen die Auslegung der Verfügung von Todes wegen für das Verhältnis der Vertragsteile untereinander verbindlich festlegen (BGH, Urt. v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 [1813]; vgl. Rz. 62 ff.).
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A13 Erbscheinsantrag: Der Mustertext enthält auch Erbscheinsanträge. Die Zusammenfassung des Auslegungsvertrages mit den Erbscheinsanträgen will sich die indizielle Bedeutung zu Nutze machen, die nach Auffassung des BGH einer solchen Vereinbarung im Rahmen eines Erbschaftserteilungsverfahrens zukommt. Idealerweise soll der Inhalt des erteilten Erbscheins mit dem Ergebnis des Auslegungsvertrages übereinstimmen (Hauptantrag). Dann ist zum einen die Durchführung von Erbteilsübertragungen zur Annäherung der dinglichen Rechtslage an die schuldrechtlich vereinbarte (vgl. hierzu Ziff. IV des Musters [Rz. 85]) nicht erforderlich. Zum anderen kann die erwünschte Grundbuchberichtigung dann allein aufgrund Vorlage des – hier wegen der Maßgeblichkeit eines privatschriftlichen Testaments nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO erforderlichen – Erbscheins erfolgen.
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In der Praxis bislang ungeklärt ist die Frage, wie ein Auslegungsvertrag im Grundbuch 97a vollzogen werden kann, wenn noch kein Erbschein erteilt ist. Im Regelfall eines Auslegungsvertrages, der sich auf eine privatschriftliche Verfügung von Todes wegen bezieht, führt für die Berichtigung des Grundbuchs wegen § 35 GBO an der Beantragung eines Erbscheins kein Weg vorbei. Hinsichtlich des Ablaufs des Eintragungsverfahrens ist dann zu unterscheiden: Stimmt der Inhalt des Auslegungsvertrages mit der im Erbschein bezeugten Rechtslage überein, erfolgt die berichtigende Eintragung gem. §§ 22 Abs. 1, 35 Abs. 1 GBO. Andernfalls vollzieht das Grundbuchamt die im Auslegungsvertrag (bedingt) vereinbarte, vom wahren Eigentümer bewilligte Erbteilsübertragung (zu weiteren Einzelheiten Selbherr, ZErb 2005, 10 [14 f.]).
Selbherr 855
Kap. 35 Rz. 98
Vergleichsvereinbarungen
M 35.2
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A14 Mehrere Anträge: Auch für den Fall, dass das Nachlassgericht zu einem anderen Auslegungsergebnis kommt, ist zur Grundbuchberichtigung die Vorlage eines Erbscheins erforderlich, mit dem die Berechtigung des dann den jeweiligen Erbteil Übertragenden nachgewiesen wird. Der hier für diesen Fall gestellte Hilfsantrag soll zu einer hohen Vollzugsautomatik der Vereinbarung führen.
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A15 Anforderungen an einen Erbscheinsantrag: Zur eidesstattlichen Versicherung vgl. §§ 352 Abs. 3 Satz 3, 352a Abs. 4 FamFG, zur Vorlage öffentlicher Urkunden, insbesondere Personenstandsurkunden, vgl. §§ 352 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1, 352a Abs. 4 FamFG und zu weiteren zu beachtenden Einzelheiten bei der Abfassung eines Erbscheinsantrag vgl. eingehend Wegmann in Kersten/Bühling, Formularbuch der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016, § 113 (allerdings zum Normgefüge vor Inkrafttreten des IntErbRErbschÄndG v. 29.6.2015 [BGBl. I, 1042], welches die Verfahrensregeln zum Erbschein vom BGB in das FamFG transferiert hat).
100
A16 Erbteilsübertragung: Auch die vorsorgliche Erbteilsübertragung soll eine hohe Vollzugsautomatik der Vereinbarung für den Fall gewährleisten, dass das Nachlassgericht der Auffassung der Antragsteller nicht folgt. Diese Gestaltung greift nicht, wenn der antragswidrig erteilte Erbschein – was im konkreten Fall kaum möglich ist – einen Vertragspartner als Alleinerben ausweist. Eine Übertragung der Erbschaft als Ganzes scheidet dann aus, sondern es ist die Übertragung der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände erforderlich, vgl. Weidlich in Palandt, 75. Aufl. 2016, § 2371 Rz. 3. Vollzugsautomatismus ist hier schwieriger zu erreichen; unter Umständen mag an dieser Stelle auch eine schuldrechtliche Verpflichtung ggf. mit dinglicher Absicherung vereinbart werden.
100a
Ob eine solch starke Vollzugsautomatik auf diesem Wege tatsächlich erreicht werden soll, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls und steht im Ermessen der Beteiligten und des Vertragsgestalters. Vielfach mag es den Vertragsteilen genügen, den schuldrechtlichen Auslegungsvertrag mit darauf abgestimmten Erbscheinsanträgen zu verknüpfen (vgl. z.B. den Mustertext bei Wegmann in Kersten/Bühling, Formularbuch der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016, § 123 Rz. 41 M, oder bei Eckelskemper in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J.V.6.). Auf jeden Fall sollte sich aus dem Vertragstext ergeben, welche Stufe der Vollzugsautomatik die Beteiligten gewählt haben, ob also (bedingte) Erbteilsübertragungen im Auslegungsvertrag vereinbart wurden oder nicht.
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A17 Verfügungswirkung: Überträgt ein Miterbe seinen Erbteil auf die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft, entsteht mangels entgegenstehender Anhaltspunkte – und anders wie bei der Übertragung eines Bruchteils an einem Erbteil (BGH, Beschl. v. 22.10.2015 – V ZB 126/14, MDR 2016, 34 = DNotZ 2016, 205 = NJW 2016, 491) – keine Bruchteilsgemeinschaft am Erbteil, sondern es tritt Anwachsung bei den erwerbenden Miterben ein (BayObLG, Beschl. v. 20.3.1991 – BReg. 2 Z 169/90, DNotZ1992, 255 = NJW 1991, 1030 m.w.N.; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2033 Rz. 4).
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A18 Sicherungsprobleme: Inwieweit bei einer Erbteilsübertragung im Rahmen eines Auslegungsvertrages ein Sicherungsbedürfnis der veräußernden Seite besteht, ist eine Frage des Einzelfalls. Im konkreten Fall sind – wie wohl regelmäßig – komplexe Sicherungsmechanismen an dieser Stelle nicht erforderlich. Zum Problem der Sicherung des Leistungsaustauschs bei der (entgeltlichen) Erbteilsveräußerung statt vieler sehr prägnant Bengel/Dietz in Beck’sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015, C, Rz. 446 ff. m.N.
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A19 Pflichtteilsanspruch und Erbschaftsteuer: Die ausdrücklich auf die Nichtgeltendmachung abstellende Formulierung berücksichtigt die Rechtsprechung des BFH, wonach eine Abfindungszahlung nur dann als Erwerb von Todes wegen im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG und damit als Erwerb vom Erblasser gewertet werden kann, wenn der Ver856
Selbherr
M 35.2
Erbrecht
Rz. 110a Kap. 35
zicht nach dem Erbfall, aber vor Geltendmachung des Pflichtteilsanspruch erfolgt, so aus jüngster Zeit BFH, Urt. v. 10.7.2002 – II R 11/01, BFH NV 2002, 1398 = MittBayNot 2003, 73 mit abl. Anm. Gottwald. Vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 126 ff. A20 Abfindungszahlung: Es wird unterstellt, dass sich der Betrag im Rahmen des David 104 Melcher nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB noch zustehenden Pflichtteilsrestanspruchs bewegt. Das Risiko, dass möglicherweise noch weitere Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind, sollen allein die Vergleichserben tragen. Dieser Abfindungsbetrag ist erbschaftsteuerrechtlich als Erwerb von Todes des David Melcher von seinem Vater Albert Müller gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu qualifizieren, vgl. Rz. 126 ff., und zwar auch, wenn die Zahlung der Abfindung nicht aus von Todes wegen erworbenen Vermögens erfolgt, vgl. Selbherr, ZErb 2005, 10 (16) m.w.N. A21 Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Die Möglichkeit der Unterwerfung unter die 105 sofortige Zwangsvollstreckung gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO hinsichtlich vereinbarter Abfindungszahlungen ist ein entscheidender Vorteil eines notariell beurkundeten gegenüber einem privatschriftlichgeschlossenen erbrechtlichen Auslegungsvertrag. Anders als früher (BayObLG, Beschl. v. 14.7.1997 – 1Z BR 39/97, MittBayNot 1998, 365 m. Anm. Geimer = ZEV 1997, 461 m. Anm. Ott) kann nunmehr auch ein vor dem Nachlassgericht geschlossener Vergleich einen Vollstreckungstitel sein, §§ 36, 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG. A22 Abgeltungsvereinbarung: Zu weiteren Vereinbarungs- und Formulierungsvorschlägen bei Pflichtteilsvergleichen Rz. 113 ff.
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A23 Flankierende Verfahrensvereinbarungen: Zur Vermeidung nachfolgender Streitig- 107 keiten muss die Vertragsgestaltung Vorsorge treffen, dass später vom Auslegungsvertrag abweichende gerichtliche Entscheidungen beantragt werden. Flankierende verfahrensrechtliche Vereinbarungen sind deshalb unerlässlich, s. Rz. 81. A24 Erbscheinsverfahren: Ein Verzicht auf das Recht, einen Erbschein zu beantragen, ist 108 möglich (allg. M., aus jüngster Zeit KG, Beschl. v. 16.9.2003 – 1 W 48/02, FamRZ 2004, 836 = FGPrax 2004, 31; vgl. auch die w.N. bei Rz. 81). Man könnte – bei anderer Sachverhaltskonstellation – für den Fall, dass der antragswidrig erteilte Erbschein einen Vertragspartner als Alleinerben ausweist, diesen verpflichten, dem Vergleichserben den Erbschein in Ausfertigung zur Verfügung zu stellen. Mit Erbschein und Auslegungsvertrag könnte dann der Vergleichserbe im Rechtsverkehr seine Rechtsstellung nachweisen. A25 Zivilprozess: Zur Zulässigkeit eines solchen Prozessvertrags BGH, Urt. v. 10.7.1985 – VIII RZ 285/84, NJW 1986, 198, vgl. auch Rz. 81.
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A26 Freistellung: Der Umfang der Freistellungsvereinbarung hängt vom Einzelfall ab. 110 Hier versteht sich das Vertragskonzept so, dass sich die Vergleichserben wie die echten Erben behandeln lassen sollen. Zugrunde gelegt wird der Nachlass im gegenwärtigen Bestand, das Risiko später auftauchender Verbindlichkeiten sollen alleine die Vergleichserben tragen. Die Vereinbarung eines unmittelbaren Forderungsrechts für Nachlassgläubiger im Sinne ei- 110a nes Vertrages zugunsten Dritter – Damrau (ZErb 2014, 1 [10]), will einem Auslegungsvertrag eine solche Vereinbarung und Wirkung jedenfalls wohl für den Regelfall unterstellen (zweifelhaft) – ist regelmäßig wohl nicht gewollt. Soweit Bankverbindlichkeiten im Raum stehen, wäre eine solche Vereinbarung auch wegen §§ 491 ff. BGB zum Verbraucherdarlehen problematisch. Ggf. können die Nachlassgläubiger am Vertragsabschluss beteiligt werden. Hier kann der Einsatz einer Schriftform- und/oder eine salvatorischen Klausel erwogen werden (s. M 35.1 Anm. A29 [Rz. 49]). Selbherr 857
Kap. 35 Rz. 111
Vergleichsvereinbarungen
M 35.2
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A27 Rechtsfolgen einer Erbteilsübertragung: Das rechtliche Ergebnis einer Erbteilsübertragung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Erbposition mit der Person des Erben untrennbar verknüpft ist, nicht jedoch der vermögensrechtliche Anteil am Nachlass. Das bedeutet, dass einerseits der Veräußerer stets Miterbe bleibt, weshalb auch der Erbschein infolge der Veräußerung nicht geändert wird, dem Erwerber andererseits durch Gesamtrechtsnachfolge eine gesamthänderische Berechtigung an den einzelnen Nachlassgegenständen zuwächst (Gergen in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2033 Rz. 26 f.; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2033 Rz. 6 f.). Den Beteiligten muss klar sein, dass dieses Ergebnis rechtlich anders strukturiert ist, als wäre die Erbrechtslage so eingetreten, wie vereinbart.
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A28 Kosten: Zu Kostenfragen in der Verhandlungsdynamik und zu den Kosten für die Nachlassbewertung vgl. M 35.1 Anm. A31 (Rz. 51 ff.). Für die Notarkosten gilt: – Der Auslegungsvertrag löst eine 2,0-Gebühr nach Nr. 21100 KV GNotKG aus. Anknüpfungspunkt für den Geschäftswert ist der Erbteil des David Melcher am Nachlass seines Vaters, weil sich wirtschaftlich die Vereinbarung auf diesen Wert bezieht. Er ist nach dem Anteil des David Melcher am Nachlassvermögen des Albert Müller zu bestimmen, gem. § 38 GNotKG ohne Abzug von Verbindlichkeiten (Bormann in Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl. 2015, § 38 Rz. 2). Die bedingte Erbteilsübertragung ist hierzu gegenstandsgleich gem. § 109 (Bormann in Korintenberg, GNotKG, 2. Aufl. 2016, § 109 Rz. 27: Alternativgeschäft). – Die Erbscheinsanträge nach Albert und Beate Müller führen je zu einer 1,0-Gebühr nach Nr. 23300 KV GNotKG. Der Geschäftswert bestimmt sich nach dem Reinnachlass zum Zeitpunkt des Erbfalls, § 40 Abs. 1 GNotKG. – Die Vermächtniserfüllung löst eine 2,0-Gebühr nach Nr. 21100 KV GNotKG aus, da sie auf Grundlage eines privatschriftlichen Testaments erfolgt (Tiedtke in Korintenberg, GNotkG, 19. Aufl. 2015, Nr. 21101 KV GNotKG Rz. 22 f.). – Für den Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung fällt eine 2,0-Gebühr an, Nr. 21100 KV GNotKG; zur Geschäftswertbestimmung vgl. Rz. 150. – Die Erklärungen haben verschiedene Gegenstände und teilweise unterschiedliche Gebührensätze. Es ist daher eine Vergleichsberechnung gem. § 94 Abs. 2 GNotKG durchzuführen, wobei der höchste Gebührensatz aus dem Gesamtbetrag der Werte der Summe der berechneten Gebühren gegenübergestellt wird (Diehn in Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl. 2015, § 94 Rz. 20 f.).
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Beim Grundbuchamt fallen für die Eintragung der Erben nach Maßgabe von Nr. 14110 Abs. 1 GNotKG keine Gebühren an. Der Vollzug der Vermächtniserfüllung löst eine 1,0 -Gebühr nach Nr. 14110 GNotKG für die Eigentumsumschreibung aus. Für die Erbscheine entstehen beim Nachlassgericht Kosten nach Nr. 12210 KV GNotKG.
C. Vergleichsvereinbarung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten I. Einführung Literatur (soweit nicht bereits unter A. und B. genannt): Bonefeld/Bittler, Haftungsfallen im Erbrecht, 2. Aufl. 2011, § 3; Crezelius, Erbschaftsteuerprobleme beim Pflichtteilsrecht, ZErb 2002, 142; Crezelius, Der Pflichtteilsanspruch zwischen Zivil- und Steuerrecht, in Damrau/Muscheler (Hrsg.), Erbrecht und Vermögensnachfolge – Festschrift für Manfred Bengel und Wolfgang Reimann, 2012, 33; Gottwald, Erbschaft- und grunderwerbsteuerliche Folgen beim Erwerb eines Grundstücks aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs, ZErb 2005, 317; Jülicher, Pflichtteilsansprüche im EStG und ErbStG
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Erbrecht
Rz. 115 Kap. 35
– steuersparende Überlegungen vor und nach dem Erbfall; Klingelhöffer, Pflichtteilsrecht, 4. Aufl. 2014; J. Mayer, Wenn das Kind bereits in den Brunnen fiel – Möglichkeiten der Erbschaftsteuerreduzierung nach Eintritt des Erbfalls, DStR 2004, 1541; J. Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013; v. Oertzen/Cornelius, Steuerrechtliche Gestaltungen mit und um das Pflichtteilsrecht, ErbStB 2006, 49; Schlitt/Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht, 2010; Wälzholz, Die (zeitliche) Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen – Zivil- und steuerrechtliche Überlegungen aus Anlass aktueller Rechtsprechung, ZEV 2007, 162.
1. Praktische Bedeutung des Pflichtteilsrechts in der außergerichtlichen Streitbeilegung Steht nach Eintritt des Erbfalls die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im Raum, 113 ist die Situation stets emotional belastet und in aller Regel auch streitig. Gerade deswegen haben Auseinandersetzung um Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsansprüche große praktische Bedeutung. Zahllose Gerichtsverfahren und veröffentlichte Entscheidungen zu diesem Komplex sprechen eine deutliche Sprache. Hintergrund für die zunehmenden Auseinandersetzungen um das Pflichtteilsrecht sind neben anderen Ursachen vor allem geänderte soziale und familiäre Strukturen.1 Verschiedene Besonderheiten des Pflichtteilsrechts und der Struktur des Pflichtteilsanspruchs machen seine Durchsetzung sowohl für den Anspruchsteller als auch für den Anspruchsgegner häufig zu einem mühsamen und riskanten Unterfangen. Für Vergleichsvereinbarungen im Pflichtteilsrecht besteht folglich ein erhebliches praktisches Bedürfnis. Explizite Ausführungen hierzu in der Literatur finden sich hingegen vergleichsweise selten.2 Argumente für die Eignung dieser Materie für Vergleichsvereinbarungen und Ansatzpunkte für strategische Überlegungen in diesem Zusammenhang lassen sich aus den Grundlagen des Pflichtteilsrechts entwickeln. 2. Grundlagen des Pflichtteilsrechts a) Pflichtteilsberechtigte Personen Pflichtteilsberechtigte Personen sind die Abkömmlinge des Erblassers und sein Ehegatte 114 oder sein gleichgeschlechtlicher Lebenspartner, § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 10 Abs. 6 LPartG. Beim Fehlen von Abkömmlingen sind (auch) die Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt, § 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB; Geschwister, Großeltern, Neffen etc. sind nie pflichtteilsberechtigt. Die Auseinandersetzung um Pflichtteilsansprüche findet folglich zwischen nächsten Angehörigen statt, wenngleich in der Praxis zwischen den Anspruchsgegnern häufig kaum oder gar kein Kontakt besteht. Nichtsdestotrotz macht gerade das Verwandtschaftsverhältnis die Auseinandersetzung um das Pflichtteilsrecht für die Beteiligten regelmäßig schwierig. b) Voraussetzung und Inhalt des Pflichtteilsanspruchs Voraussetzung des Pflichtteilsrechts ist der Ausschluss eines bestehenden gesetzlichen Erbrechts durch ausdrückliche oder stillschweigende Enterbung. Grundsätzlich führt die Ausschlagung der Erbschaft zum Wegfall des Pflichtteilsanspruchs, von den Ausnahmen ei1 Vgl. zum rechtssoziologischen Hintergrund eingehend Bauer, Soziologie und Erbrechtsreform, 2003; Lüscher, ZEV 2004, 2 ff. Auch in Ansehung dieser gesamtgesellschaftlichen Änderungen hat das BVerfG jüngst die Verfassungsmäßigkeit des geltenden Pflichtteilsrechts bestätigt, BVerfG, Beschl. v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03, ZEV 2005, 301 = ZErb 2005, 169. 2 Ausführungen und einen Formulierungsvorschlag bietet Lenz-Brendel in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 13 Rz. 78. f., § 14 Rz. 12, äußert sich im Übrigen skeptisch zu den Erfolgsaussichten einer obligatorischen Güteverhandlung nach § 278 ZPO im Pflichtteilsrecht; s. auch Joachim in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 3. Aufl. 2014, J. III. 7.
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Kap. 35 Rz. 116
Vergleichsvereinbarungen
ner sog. „taktischen Ausschlagung“, §§ 2306 f., 1371 Abs. 3, BGB, § 6 S. 2 LPartG abgesehen.1 116
Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Anspruch in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Pflichtteilsanspruch wird also durch zwei Größen geprägt: durch die Pflichtteilsquote und durch den konkret zu ermittelnden Nachlasswert gemäß den Regeln der §§ 2311 bis 2313 BGB. Die Ermittlung der Pflichtteilsquote stellt die Beteiligten in der Regel nicht vor größere Probleme. Zu berücksichtigen sind hier vor allem die Anzahl der potentiellen gesetzlichen Erben, der Güterstand des Erblassers und eventuell bestehende Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge. Wesentlich größere Schwierigkeiten bereitet hingegen die Ermittlung von Bestand und Wert des Nachlasses. Auszugehen ist grundsätzlich vom gemeinen Wert, also dem Verkehrswert des Aktivbestandes des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (Stichtagsprinzip).2 Hiervon abzuziehen sind Verbindlichkeiten, die der Pflichtteilsberechtigte auch beim Eintritt der gesetzlichen Erbfolge hätte tragen müssen, wie z.B. Verbindlichkeiten des Erblassers oder Beerdigungskosten, nicht jedoch Vermächtnisse und Auflagen oder die Erbschaftsteuer zulasten des Erben.3 Probleme ergeben sich in der Praxis bei der Ermittlung des Werts des Nachlasses vor allem, weil es ein besonderes oder gar verbindliches Wertermittlungsverfahren nicht gibt.4 Allein diese Tatsache, die zur Folge hat, dass zahlreiche Einzelheiten zu Bewertungsfragen im Pflichtteilsrecht höchst umstritten sind, führt zu erheblichen Unsicherheiten für sämtliche Beteiligte.
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Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch, der mit dem Erbfall entsteht, § 2317 BGB, und grundsätzlich sofort fällig ist, § 271 Abs. 1 BGB. Er gewährt dem Pflichtteilsberechtigten kein Noterbrecht wie z.B. im romanischen Rechtskreis und damit keinerlei dingliche Beteiligung an Nachlassgegenständen. Aus diesem Charakter des Pflichtteilsanspruchs können sich Probleme für beide Seiten ergeben. Der Anspruchsteller mag z.B. gerade an bestimmten Nachlassgegenständen interessiert sein. Der Verpflichtete hingegen muss regelmäßig eine kurzfristige und unter Umständen erhebliche Liquiditätsbelastung gewärtigen.5 Einen Anspruch auf Stundung hat er grundsätzlich nicht, das Gesetz macht in § 2331a BGB auch nach dessen Neufassung durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts6 die Stundung zur Ausnahme; die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen in der Praxis nur selten vor.7 Pflichtteilsansprüche verjähren gem. § 195 BGB (Regelverjährung) in der (relativ) kurzen Zeit von 3 Jahren. c) Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten
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Typischerweise ist eine Auseinandersetzung um Pflichtteilsansprüche von einer asymmetrischen Informationslage geprägt.8 Der Pflichtteilsberechtigte kennt regelmäßig weder Be1 Eingehend J. Mayer in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 11 Rz. 217 ff.; Burandt/Eberhardt, Beratung, Rz. 473 ff. 2 Lange in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2311 Rz. 21, 25; Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2311 Rz. 2, 6. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.1998 – 7 U 72/98, FamRZ 1999, 1465. 4 Gut aufbereitete Einzelheiten hierzu finden sich bei Riedel in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 5 Rz. 112 ff., insbesondere zur überragenden Bedeutung von Schätzgutachten und den damit verbundenen forensischen Unsicherheiten, Rz. 112 ff. 5 Dies hat besonders belastende Auswirkungen, wenn ein Unternehmen in den Nachlass fällt, vgl. hierzu Haas, Der Pflichtteil als Störfaktor der Unternehmensnachfolge in: Unternehmensnachfolge im Mittelstand, 2001, 74 (100 ff.); eingehend Riedel in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 15: Unternehmensbewertung im Pflichtteilsrecht. 6 BGBl. 2009 I, 3142. 7 Tank in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 14 Rz. 339. 8 Vgl. zur asymmetrischen Informationslage als sachliches Einigungshindernis Walz, Kap. 3 Rz. 54.
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Rz. 120 Kap. 35
stand oder Wert des Nachlasses noch die vom Erblasser zu Lebzeiten getätigten Schenkungen. Das Gesetz gibt ihm daher in § 2314 BGB einen umfassenden Anspruch gegen die Erben auf Auskunft und Wertermittlung über den realen und den fiktiven Nachlass;1 ggf. kann er Grundbucheinsicht nach § 12 GBO verlangen.2 Ergänzt wird diese Anspruchsgrundlage für einen pflichtteilsberechtigten Abkömmling durch einen Auskunftsanspruch gegenüber den übrigen Abkömmlingen nach §§ 2057, 2316 BGB über ausgleichungspflichtige Vorempfänge. Prozessual wird der Anspruchsberechtigte aufgrund dieser Situation auf die Stufenklage, § 254 ZPO, zurückgreifen. d) Schutz des Pflichtteils Der Pflichtteil wird vom Gesetz mit einer den Praktiker immer wieder verblüffenden Perfek- 119 tion geschützt. Dieser Schutz greift zum einen, wenn der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten zwar nicht von der Erbfolge ausschließt, jedoch den Versuch unternimmt, die Rechte des Berechtigten durch die konkrete Gestaltung seiner letztwilligen Verfügung einzuschränken oder auszuschließen. Ist der Pflichtteilsberechtigte mit einem Erbteil bedacht, der weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht, hilft der Pflichtteilsrestanspruch aus § 2305 BGB. Etwa angeordnete Beschränkungen wie Testamentsvollstreckung, Nacherbschaft, Vermächtnisse oder Teilungsanordnung berechtigen den solchermaßen belasteten Erben zum Verlangen des vollen Pflichtteils, wenn er den ihm zugewandten Erbteil ausschlägt, § 2306 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB.3 Hat der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis zugewandt, kann der Berechtigte das Vermächtnis ausschlagen und den vollen Pflichtteil verlangen, § 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB; er kann aber auch neben dem Vermächtnis den Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB fordern. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch der §§ 2325 ff. BGB gewährt dem Pflichtteilsberechtigten einen zeitlich und sachlich beschränkten Schutz gegen lebzeitige Schenkungen des Erblassers. Insgesamt ist die Rechtslage häufig – je nach konkreter Sachverhaltsgestaltung – wenig übersichtlich. Die Geltendmachung und Gestaltung der Rechte des Pflichtteilsberechtigten, insbesondere die regelmäßig unter erheblichem Zeitdruck stehende Entscheidung über eine eventuelle Ausschlagung, will stets wohl überlegt sein.4 3. Strategische Aspekte Aus den Grundlagen und typischen Problemen des Pflichtteilsrechts ergeben sich für sämtliche Beteiligten einer Pflichtteilsauseinandersetzung gewisse Anreize für den Abschluss einer Vergleichsvereinbarung.
1 Umfassend zu Ansprüchen auf Auskunft und Wertermittlung in diesem Kontext Bittler in J. Mayer/ Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 9. 2 Allerdings erst nach dem Tode des Erblassers. Die Zuerkennung eines solchen Einsichtsrechts des Pflichtteilsberechtigten hat sich vor allem in der Rechtsprechung erst in jüngerer Zeit durchgesetzt ist, vgl. die umfassenden Nachweise hierzu bei Wilsch in Beck’scher Online-Kommentar GBO, 26. Edition Stand: 1.6.2016, § 12 Rz. 72. 3 Diese Vorschrift galt in ihrer alten Fassung als „schwierigste Vorschrift des BGB“; sie wurde durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (BGBl. 2009 I, 3142) in ihrer Komplexität deutlich entschärft, vgl. J. Mayer in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 3 Rz. 5 ff. 4 Eingehend zur taktischen Ausschlagung J. Mayer in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 11 Rz. 217 ff.
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Kap. 35 Rz. 121
Vergleichsvereinbarungen
a) Interessen des Berechtigten 121
Ein wesentliches Interesse des Pflichtteilsberechtigten an einer vergleichsweisen Einigung dürfte in der oben dargestellten asymmetrischen Informationslage liegen. Die aufgeführten Auskunftsansprüche mögen zwar helfen, ihre Durchsetzung ist aber mühsam. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass eine der schwierigsten Fragen im Rahmen der Vergleichsverhandlungen um einen Pflichtteilsanspruch die nach der genauen Feststellung des Nachlasses ist. Als weiterer Vorteil bietet sich für den Anspruchsteller die Möglichkeit, über eine Vergleichsvereinbarung bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass zu erlangen, auf die er als Pflichtteilsberechtigter aufgrund des Charakters des Pflichtteilsanspruchs als reiner Geldanspruch gerade keinen Rechtsanspruch hat. Unter Umständen spart sich der Pflichtteilsberechtigte auf diesem Wege auch komplexe Überlegungen, welches der ihm zustehenden Gestaltungsrechte, insbesondere ein möglicherweise bestehendes Recht zur Ausschlagung des Erbteils oder Vermächtnisses bei Beibehaltung des Pflichtteilsanspruchs, er im konkreten Fall geltend machen will. b) Interessen des Verpflichteten
122
Für den verpflichteten Anspruchsgegner, also regelmäßig den Erben, bietet eine Vergleichsvereinbarung die Möglichkeit, kurzfristige und möglicherweise erhebliche Liquiditätsabflüsse zu vermeiden oder jedenfalls zu steuern. Insbesondere bietet sich die Möglichkeit, mit der anderen Seite eine Stundung des Anspruchs oder Ratenzahlung zu vereinbaren. Außerdem kann er – sofern sich seine Interessen insoweit mit denen des Pflichtteilsberechtigten decken – statt Zahlung zu leisten, bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass an den Anspruchsteller übertragen. Im Übrigen kann dem Erben daran gelegen sein, umfassende Auskunft über den Nachlassbestand und Nachlasswert zu vermeiden. Ob ihm dies gelingt, hängt freilich davon ab, ob die andere Seite auch vor Abschluss einer Vergleichsvereinbarung auf einer genauen Bestandsaufnahme hinsichtlich des Gesamtnachlasses besteht, was regelmäßig, aber nicht zwingend stets der Fall sein wird. c) Gemeinsame Interessen
123
Das wohl stärkste gemeinsame Interesse in der Auseinandersetzung um Pflichtteilsansprüche ist regelmäßig der Wunsch, ein zeit- und kostenaufwändiges Gerichtsverfahren zu vermeiden. Zudem ist die Rechtslage, besonders wenn ergänzende Ansprüche aus §§ 2305 ff., 2325 ff. BGB im Raume stehen, komplex und schwierig. Der Ausgang eines pflichtteilsrechtlichen Verfahrens ist deswegen, vor allem aber auch wegen der vorstehend dargestellten Unsicherheiten zur Nachlassbewertung, durchaus ungewiss. Ein Pflichtteilsvergleich nimmt für beide Seiten auch den durch die zwischenzeitlich auch für den Pflichtteilsanspruch geltende Regelverjährung von drei Jahren, § 195 BGB ausgelösten Zeitdruck, der den Pflichtteilsberechtigten regelmäßig zu raschem Handeln und Entscheiden zwingt. Zu berücksichtigen ist auch die bereits angesprochene, erfahrungsgemäß hohe emotionale Belastung einer gerichtlichen Auseinandersetzung im innerfamiliären Kreis. 4. Erbschaftsteuerrechtliche Aspekte a) Grundstruktur der Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs
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Das ErbStG besteuert eine Vielzahl unentgeltlicher Erwerbe, die grundsätzlich eingeteilt werden in Erwerb von Todes wegen (§ 3 ErbStG) und Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen auch der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs. Die Vorschrift bezieht 862
Selbherr
Erbrecht
Rz. 126 Kap. 35
sich auf den mit dem Ableben des Erblassers entstehenden Pflichtteilsanspruch, nicht auf das abstrakte, zu Lebzeiten bereits bestehende Pflichtteilsrecht.1 Erfasst wird der Pflichtteilsanspruch in all seinen Ausprägungen, also auch der Pflichtteilsrestanspruch nach den §§ 2305, 2307 BGB und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. BGB.2 Da es sich erbschaftsteuerrechtlich um einen Erwerb von Todes wegen handelt, wird der Besteuerung hinsichtlich Steuerklasse (§ 15 ErbStG) und Freibeträgen (§ 16 f. ErbStG) das Verhältnis des Pflichtteilsberechtigten zum Erblasser, nicht das zum leistenden Erben zugrunde gelegt.3 Der Erbe kann Verbindlichkeiten aus einem geltend gemachten Pflichtteil als Nachlassverbindlichkeit von seinem Erwerb abziehen, § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG. Die Besteuerung setzt nicht bei der Entstehung, sondern bei der Geltendmachung des 125 Pflichtteilsanspruchs an, §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 4, 9 Abs. 1 Nr. 1 HS 2b) ErbStG, korrespondierend damit die Abzugsfähigkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG. Hintergrund des gesetzestechnischen Abstellens auf die Geltendmachung ist, dass der Pflichtteilsberechtigte stets in seiner Entscheidung darüber frei sein soll, ob er seinen Pflichtteilsanspruch durchsetzen will oder nicht.4 Zivilrechtlich kann der Pflichtteilsanspruch indes nicht einseitig durch den Berechtigten mit Wirkung ex nunc wie durch Ausschlagung, sondern nur durch Erlass (§ 397 BGB) beseitigt werden.5 Zur Erhaltung der Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten ist es daher konsequent, dass der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG steuerbefreit ist.6 Was als Abfindung für den Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch gewährt wird, ist wiederum als Erwerb vom Erblasser steuerbar nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Dieser Tatbestand ist subsidiär zur Geltendmachung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 4 ErbStG. Ist der Pflichtteilsanspruch einmal geltend gemacht, ist ein Verzicht gegen Abfindung im erbschaftsteuerrechtlichen Sinne nicht mehr möglich; der Zeitpunkt der Geltendmachung hat daher für die Erbschaftsbesteuerung große Bedeutung.7 b) Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs Unter Geltendmachung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 4 ErbStG ist das ernstliche Verlangen 126 des Berechtigten auf Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verstehen, das jedoch nicht beziffert werden muss.8 Diese Geltendmachung ist für die Erbschaftsbesteuerung des Pflichtteilsanspruchs so wichtig, weil die Beteiligten den Zeitpunkt der Steuerentstehung selbst in der Hand haben (Ausnahme zum Vermögensanfallsprinzip).9 Grundsätzlich sollte bei Vergleichsverhandlungen darauf geachtet werden, den Anspruch nicht vorschnell geltend zu machen, da sich die Parteien damit u.U. Gestaltungsmöglichkeiten dauerhaft verbauen. Die Bestimmung des Zeitpunkts der Geltendmachung ist in der Praxis nicht immer einfach. So liegt im bloßen Verlangen nach Auskunft über den Nachlassbestand gemäß § 2314 Abs. 1 BGB grundsätzlich keine Geltendmachung; mit einem Auskunftsverlangen durch Er1 Zu dieser Unterscheidung Lange in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2303 Rz. 15 f. 2 Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 30; a.A. und gegen die Steuerbarkeit von Pflichtteilsergänzungsansprüchen Crezelius, ZErb 2002, 142 (148); Crezelius in FS Bengel/Reimann, 33 (45 f.). 3 Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 82. 4 Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 3 Rz. 52. 5 Lange in MüKo, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2317 Rz. 8. 6 Vgl. zum Ganzen Crezelius, ZErb 2002, 142. 7 v. Oertzen/Cornelius, ErbStB 2006, 49. 8 BFH, Urt. v. 19.7.2006 – II R 1/05, NJW 2006, 3455 = MittBayNot 2007, 347 m. Anm. Kreilinger = ZEV 2006, 514 m. Anm. Messner. 9 Roth, RNotZ 2013, 193 (209); Einzelheiten bei Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 9 Rz. 31 ff., und Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 34 ff.
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Kap. 35 Rz. 127
Vergleichsvereinbarungen
hebung einer Stufenklage (§ 254 ZPO) indes wird der Pflichtteilsanspruch regelmäßig in voller Höhe geltend gemacht,1 es sei denn, der Pflichtteilsberechtigte behält sich die Geltendmachung trotz Auskunftsverlangen zunächst ausdrücklich nur vor.2 In der Vereinbarung einer Stundung des Pflichtteilsanspruchs ist nicht ohne Weiteres die Geltendmachung des gesamten Anspruchs zu sehen, die zur Entstehung der Steuer in voller Höhe führt;3 Einzelheiten hierzu sind aber umstritten.4 Ein Verzicht auf einen bereits geltend gemachten Pflichtteilsanspruch wird als Schenkung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 gewürdigt.5 Nach der Geltendmachung soll auch ein die Steuerlast mindernder Verzicht gegen Abfindung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG nicht mehr möglich sein, weil dieser Tatbestand subsidiär zur Geltendmachung sei.6 Problematisch sind ferner Situationen, in denen der Pflichtteilsberechtigte eine Teilzahlung begehrt, sich jedoch die Einforderung des Restbetrages vorbehält; unklar ist dann, ob nur der Teilbetrag oder der mögliche Gesamtbetrag des Pflichtteilsanspruchs der Besteuerung zugrunde zu legen ist.7 127
War die Höhe des Pflichtteilsanspruchs zwischen den Parteien ernsthaft streitig und einigen sie sich vergleichsweise auf die Zahlung einer bestimmten Summe, ist dieser Betrag der Besteuerung zugrunde zu legen;8 auch wenn im Vorfeld ein höherer Betrag verlangt worden war, kann der überschießende Teilbetrag nicht als freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 gewürdigt werden.9 Die Erbschaftsbesteuerung hat an den zivilrechtlich im Wege des gegenseitigen Nachgebens ermittelten Betrag anzuknüpfen. Ein Steuerbescheid, der sich an dem ursprünglich geltend gemachten (höheren) Anspruch orientiert, ist nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berichtigen.10 Gleichwohl ist bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im erbschaftsteuerrechtlichen Sinne im Rahmen von Vergleichsverhandlungen grundsätzlich Vorsicht geboten. c) Pflichtteilsanspruch als erbschaftsteuerliches Gestaltungsmittel
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Mag das Pflichtteilsrecht zivilrechtlich in aller Regel als Nachteil empfunden werden, eröffnet es doch in bestimmten Situationen interessante erbschaftsteuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Typischer Anwendungsfall ist die steuerliche Korrektur eines Berliner Testaments. Diese Testamentsgestaltung ist bekanntermaßen erbschaftsteuerlich ungünstig, da Freibeträge der Kinder nach dem erstversterbenden Elternteil ungenutzt verfallen und sich die Akkumulation des Vermögens beim Längerlebenden im zweiten Todesfall ebenfalls
1 FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.12.2001 – 4 K 2203/00, ZErb 2002, 196 m. Anm. Daragan; a.A. Meincke, ZErb 2004, 1 ff.; Meincke, ErbStG, 14. Aufl. 2004, § 9 Rz. 32. 2 BFH, Urt. v. 19.7.2006 – II R 1/05, MittBayNot 2007, 347 m. Anm. Kreilinger = ZEV 2006, 514 m. Anm. Messner. 3 BFH, Urt. v. 31.3.2010 – II R 22/09, ZEV 2010, 379. 4 Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 9 Rz. 33; differenzierend Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 53 ff. 5 BFH, Urt. v. 19.7.2006 – II R 1/05, NJW 2006, 3455 = MittBayNot 2007, 347 m. Anm. Kreilinger = ZEV 2006, 514 m. Anm. Messner. Guter Überblick bei Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Stand Juli 2015, § 3 Rz. 327. 6 Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 135 f. m. zahlreichen N. 7 Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 9 Rz. 32; Einzelheiten bei Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 2013, § 17 Rz. 48 ff. 8 BFH, Urt. v. 19.7.2006 – II R 1/05, NJW 2006, 3455 = MittBayNot 2007, 347 m. Anm. Kreilinger = ZEV 2006, 514 m. Anm. Messner. 9 Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 50. 10 BFH, Urt. v. 18.7.1973 – II R 34/69, BStBl. 1973 II, 798; Daragan, ZErb 2002, 198, Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 2003, § 17 Rz. 68.
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Erbrecht
Rz. 130 Kap. 35
steuerlich nachteilig auswirkt.1 Als Korrekturmittel bieten sich insbesondere die Ausschlagung gegen Abfindung oder die Auszahlung von Pflichtteilsansprüchen an die Abkömmlinge nach dem Ableben des Erstversterbenden an.2 Der wesentliche Nachteil der Ausschlagungslösung liegt regelmäßig in der kurzen Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB,3 so dass Gestaltungsvarianten über die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen regelmäßig vorzugswürdig sind. Zu beachten ist, dass die an die Pflichtteilsberechtigten auszuzahlenden Beträge nicht höher sind als der jeweilige Pflichtteilsanspruch, da der überschießende Betrag steuerlich als freigebige Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG behandelt wird. d) Hingabe von Grundbesitz an den Pflichtteilsberechtigten Im Rahmen von pflichtteilsrechtlichen Vergleichsverhandlungen ergibt sich nicht selten, dass 129 der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten für den Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch statt der Leistung einer Geldzahlung Grundbesitz zur Übereignung anbietet. Der zahlungspflichtige Erbe kann so den Abfluss von Liquidität vermeiden. Diese Gestaltunghat den weiteren Vorteil, dass die grunderwerbsteuerrechtliche Sperrwirkung des § 3 Nr. 2 GrEStG greift, die Transaktion also grunderwerbsteuerfrei ist, wenngleichdieser Aspekt nur von Bedeutung ist, wenn der Zuwendende und der Pflichtteilsberechtigte nicht in gerader Linie verwandt sind, da andernfalls ohnehin die Grunderwerbsteuerbefreiung des § 3 Nr. 6 GrEStG hilft. Seit dem weitgehenden Entfall von Bewertungsprivilegien für Grundbesitz durch das Erbschaftsteuerreformgesetz4 spielen steuerliche Bewertungsvorteile in diesem Kontext zwar nur noch eine untergeordnete Rolle, bleiben aber insbesondere bei Abfindung mit einer zu Wohnzwecken vermietenen Immobilie relevant, § 13c ErbStG. Es kommt nicht darauf an, ob der übertragene Grundbesitz aus dem Nachlass stammt oder gar von einem Dritten zugewandt wird.5 Ein überschießender Grundstückswert ist wiederum unentgeltliche Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 ErbStG.6 In diesem Zusammenhang ist der Unterschied zwischen der Gestaltungsvariante Abfindung 130 für Verzicht auf entstandenen, nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruch i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG und Hingabe des Grundbesitzes an Erfüllungs statt für den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch gem. § 364 BGB zu beachten.7 Die Hingabe an Erfüllungs statt hat nämlich zur Folge, dass nach Ansicht der Finanzrechtsprechung der Pflichtteilsberechtigte nicht die (u.U. günstigere) Bewertung der §§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 176 ff. BewG nutzen kann8 und zudem die Transaktion nicht nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist;9 diese Möglichkeiten bestehen nur bei einer Gestaltung auf Grundlage von § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Begründet wird dies damit, dass für die Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs – sei er einmal geltend gemacht – stets der Charakter des Pflichtteilsanspruchs als Geldzahlungsanspruch maßgeblich sei. Im Rahmen einer Vereinbarung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG werde der Pflichtteilsanspruch dagegen erlassen 1 Zu dieser Problematik und Lösungsvorschlägen eingehend J. Mayer, DStR 2004, 1371 ff., 1409 ff. 2 Zu beiden Gestaltungsvarianten J. Mayer, DStR 2004, 1541 ff. Zur pflichtteilsrechtlichen Gestaltungsvariante auch v. Oertzen/Cornelius, ErbStB 2006, 49 (51); Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 113 ff. 3 J. Mayer, DStR 2004, 1541 (1543 f.). 4 BGBl. 2008 I, 3018. 5 Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 152 f. m.w.N. 6 Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 54. 7 Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 138 bis 151. 8 BFH, Urt. v. 7.10.1998 – II R 52/96, BStBl. 1999 II, 23; anders noch Urt. v. 17.2.1982 – II R 160/80, BStBl. 1982 II, 350. 9 BFH, Urt. v. 10.7.2002 – II R 11/01, BFH NV 2002, 1398 = MittBayNot 2003, 73 m. abl. Anm. Gottwald.
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Kap. 35 Rz. 131
Vergleichsvereinbarungen
M 35.3
und ein neuer, originärer und nicht auf Geldzahlung gerichteter Abfindungsanspruch begründet.1 Dies belegt wieder, dass bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen aus steuerlichen Gründen zunächst Zurückhaltung geübt werden sollte.2
II. Muster 131
M 35.3 Verzicht auf entstandene, nicht geltend gemachte Pflichtteilsansprüche,A1, A2 Grundstücksüberlassung und weitere Vereinbarung Heute, den … sind vor mir, NotarA3 in … in meinen Amtsräumen in … gleichzeitig anwesend: 1) Frau U. G., geboren am …, 2) Herr P. B., geboren am …, 3) Herr G. B., geboren am …, Der Notar hat das Grundbuch eingesehen. Die Erschienen erklärten mit der Bitte um Beurkundung: I. Grundbuch- und Sachstand 1.
GrundbuchstandA4
Im Grundbuch des Amtsgerichts A-Stadt für … Blatt … ist als Alleineigentümer eingetragen: Herr A. B., geboren am … (Erblasser) Dieser Grundbesitz ist laut Grundbuch wie folgt belastet: Abt. II: keine Eintragung Abt. III: 153 000 Euro Grundschuld ohne für die B-Bank; 17 % Zinsen jährlich 2. Erbfall, Familienverhältnisse Der eingetragene Grundstückseigentümer, Herr A. B., geboren am … (nachfolgend auch „Erblasser“), ist am … in A-Stadt verstorben. Er wurde gemäß Erbschein des Amtsgerichts A-Stadt – Nachlassgericht – (Geschäftsnummer …) beerbt von seiner heute anwesenden Lebensgefährtin, Frau U. G., geb. am …, alleine. Der Erbschein lag heute in Ausfertigung vor. Der Erblasser war in erster und einziger Ehe mit Frau H. B., geborene C., geboren am …, verheiratet. Diese Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts A-Stadt – Familiengericht – (Az.: …) vom … rechtskräftig geschieden. Aus dieser Ehe sind die heute anwesenden Kinder P. B., geboren am …, und G. B., geboren am …, hervorgegangen. Der Erblasser hat nicht wieder geheiratet. Weitere Abkömmlinge hatte er nicht. 1 Diese feinsinnige Argumentation ist den Beteiligten in der Praxis kaum zu vermitteln. Kritisch auch Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG (Stand: Juli 2015), § 3 Rz. 234 und 332; vgl. auch Gottwald, ZErb 2005, 317 ff. 2 Welche Variante im konkreten Fall die steuerlich günstigere ist, muss je nach Einzelfall entschieden werden; regelmäßig ist es wohl die Gestaltung gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, vgl. Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 148; J. Mayer, DStR 2004, 1541 (1546).
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Selbherr
M 35.3
Erbrecht
Rz. 131 Kap. 35
3. Nachlass Bestand und Wert des Nachlasses nach dem Erblasser ergeben sich aus der dieser Niederschrift als Anlage beigefügten Nachlassaufstellung, auf die verwiesen wird. Die beigefügte Aufstellung wurde den Beteiligten zur Kenntnis vorgelegt, auf das Vorlesen verzichten sie. Die Beteiligten anerkennen die in der Nachlassaufstellung festgesetzten Werte der Nachlassgegenstände als verbindlich, insbesondere die Wertfeststellung des Sachverständigen … zu dem in der Nachlassaufstellung aufgeführten Grundbesitz.A5 (Alternativ: Die Beteiligten erklären, dass ihnen Bestand und Wert des Nachlasses nach dem Erblasser bekannt sind. Auf das Beifügen einer Nachlassaufstellung wird allseits verzichtet.A6) 4. Vertragszweck Frau U. G. (nachfolgend auch Erbin) anerkennt, dass P. B. und G. B. (nachfolgend auch Pflichtteilsberechtigte) jeweils eine Pflichtteilsquote von 1/4 am Nachlass des Erblassers zusteht. Nach Angabe der Beteiligten haben die Pflichtteilsberechtigten den ihnen jeweils zustehenden Pflichtteilsanspruch bislang nicht geltend gemacht. Auf Vorschlag der Erbin hin sind die Beteiligten übereingekommen, dass die Pflichtteilsberechtigten gegen Erfüllung der nachfolgend vereinbarten Abfindung auf ihre entstandenen Pflichtteilsansprüche verzichten.A7 II. Überlassung von Grundbesitz 1. Die Erbin U. G. – in diesem Abschnitt auch Veräußerer – überlässt den in Ziff. I.1. näher bezeichneten Grundbesitz an den Pflichtteilsberechtigten P. B. – in diesem Abschnitt auch Erwerber – zum Alleineigentum. 2. Die Vertragsteile sind über den Eigentumsübergang auf den Erwerber einig. Der Veräußerer bewilligt und der Erwerber beantragt die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch. Auf die Eintragung einer Eigentumsvormerkung wird allseits verzichtet. Der Notar hat auf die Sicherungswirkungen einer Vormerkung, insbesondere bei beeinträchtigenden Zwischenverfügungen oder Insolvenz des Veräußerers, hingewiesen. Der Notar soll die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst veranlassen, wenn ihm die Erfüllung der unter nachfolgender Ziff. 5. vereinbarten Freistellungsverpflichtung des Erwerbers durch schriftliche Bestätigung des Veräußerers oder Gläubigers nachgewiesen ist. 3. Die Besitzübergabe erfolgt am heutigen Tage. Vom selben Zeitpunkt an gehen auch Nutzen, Lasten, öffentliche Abgaben und Steuern auf den Erwerber über, ebenso die Gefahr und Haftung, insbesondere die Verkehrssicherungspflicht. Miet- und Pachtverhältnisse bestehen nach Angabe des Veräußerers nicht. Der Vertragsbesitz steht leer. Soweit für den Vertragsbesitz künftig Beiträge für Erschließungsanlagen oder andere öffentliche Einrichtungen erhoben werden, hat diese der Erwerber zu bezahlen.
Selbherr 867
Kap. 35 Rz. 131
Vergleichsvereinbarungen
M 35.3
4. Der Veräußerer haftet für ungehinderten Besitz und lastenfreien Eigentumsübergang, soweit in dieser Urkunde nichts anderes vereinbart ist. Der Veräußerer garantiert, dass ihm bei einer Besichtigung nicht erkennbare Sachmängel und im Grundbuch nicht eingetragene Belastungen und Beschränkungen nicht bekannt sind. Darüber hinaus wird eine bestimmte Beschaffenheit oder Garantie nicht vereinbart. Der Erwerber hat den Vertragsbesitz genau besichtigt; er erwirbt ihn in gegenwärtigem Zustand. Ansprüche und Rechte des Erwerbers wegen Mängeln oder Eigenschaften des Vertragsgegenstandes werden ausgeschlossen, insbesondere im Hinblick auf Grundstücksgröße und Zweckeignung für den Erwerber. Unberührt bleibt eine Haftung wegen Vorsatz oder Arglist. 5. Das unter Ziff. I.1. aufgeführte Grundpfandrecht zu 153 000 Euro sichert nach Angabe Darlehensverbindlichkeiten des Erblassers in Höhe von derzeit ca. 12 000 Euro. Der Erwerber verpflichtet sich gegenüber dem Veräußerer, ihn von diesen Verbindlichkeiten mit Wirkung ab … freizustellen. Dem Erwerber steht es frei, dies durch befreiende Schuldübernahme oder Tilgung der Altverbindlichkeit unter Begründung einer neuen Darlehensverbindlichkeit oder anders zu bewirken. Die Erfüllung dieser wesentlichen Vertragspflicht hat der Erwerber dem Veräußerer innerhalb von 3 Monaten ab heute durch Bestätigung des Gläubigers – die an die Bedingung geknüpft sein darf, dass der Erwerber im Grundbuch als Alleineigentümer eingetragen ist – nachzuweisen.A8 III. Zahlungsverpflichtung 1. Die Erbin verpflichtet sich gegenüber dem Pflichtteilsberichtigten G. B. zur Zahlung eines Abfindungsbetrages in Höhe von 90 000 Euro – neunzigtausend Euro –. Dieser Abfindungsbetrag ist zur Zahlung fällig bis spätestens … und bis dahin nicht zu verzinsen und nicht sicherzustellen.A9 Zahlt die Erbin nicht bis zum genannten Termin (Eingang des Geldes), kommt sie auch ohne Mahnung in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Sie muss dann unbeschadet weiter gehender Pflichten die gesetzlichen Verzugszinsen bezahlen. 2. Die Erbin unterwirft sich wegen der Bezahlung des voraufgeführten Abfindungsbetrages der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Vollstreckbare Ausfertigung ist auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten G. B. jederzeit ohne weiteren Nachweis zu erteilen; eine Beweislastumkehr ist damit nicht verbunden.A10 IV. Übertragung beweglicher Gegenstände 1. Die Beteiligten sind darüber einig, dass – das Eigentum an dem im Nachlass des Erblassers befindlichen, in der dieser Urkunde beigefügten Nachlassaufstellung aufgeführten Motorrad Marke … von der Erbin auf den Pflichtteilsberechtigten P. B. zum Alleineigentum übergeht; – das Eigentum an sämtlichen im Nachlass befindlichen, in der dieser Urkunde beigefügten Nachlassaufstellung aufgeführten Musikinstrumenten von der Erbin auf den Pflichtteilsberechtigen G. B. zum Alleineigentum übergeht.A11 Die Erbin verpflichtet sich, diese Sachen unverzüglich an den jeweiligen Pflichtteilsberechtigten zu übergeben. 2. Die Erbin unterwirft sich wegen ihrer Verpflichtung zur Übergabe und Besitzverschaffung der sofortigen Zwangsvollstreckung. Vollstreckbare Ausfertigung ist auf Verlangen des jeweiligen 868
Selbherr
M 35.3
Erbrecht
Rz. 131 Kap. 35
Pflichtteilsberechtigten jederzeit ohne weiteren Nachweis zu erteilen; eine Beweislastumkehr ist damit nicht verbunden.A12 V. Garantien 1. Die Erbin garantiert, dass die dieser Urkunde beigefügte Nachlassaufstellung nach ihrem Kenntnisstand vollständig ist. Weiter garantiert sie, dass ihr keine Schenkung des Erblassers im Sinne von § 2325 BGB bekannt ist.A13 2. Die Pflichtteilsberechtigten garantieren, dass keiner von ihnen zu Lebzeiten des Erblassers anrechnungspflichtige Zuwendungen nach § 2315 BGB erhalten hat.A14 VI. NachabfindungA15 Für den Fall, dass die tatsächliche Zusammensetzung und/oder der tatsächliche Wert des Nachlasses von der dieser Urkunde beigefügten Nachlassaufstellung abweichen, steht den Pflichtteilsberechtigten entsprechend ihrer jeweiligen Quote ein Nachabfindungsanspruch zu. Die Erbin verpflichtet sich, die Pflichtteilsberechtigten unverzüglich über eine eventuelle Erweiterung des Nachlasses zu informieren.A16 Die Erbin verzichtet insoweit auf die Geltendmachung der Einrede der Verjährung.A17 (Alternativ: VI. AbgeltungsvereinbarungA18 Die Parteien sind sich darüber einig, dass sämtliche Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten gegen die Erbin am Nachlass des Erblassers A. B. mit Vollzug dieser Urkunde erfüllt sind. Mit Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Vertragsparteien, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen, endgültig erledigt, auch eventuell bestehende Ansprüche auf Aufwendungs- und/ oder Schadensersatz.) VII. Schlussbestimmungen, VollzugsvollmachtA19 1. Sollten Teile dieses Vertrages unwirksam oder undurchführbar sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen dennoch wirksam. Anstelle einer etwa unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung gilt eine wirksame und durchführbare Bestimmung als vereinbart, die dem ursprünglich Gewollten und dem Sinn und Zweck dieses Vertrages am nächsten kommt. Entsprechendes gilt bei einer von den Vertragsteilen nicht bedachten Regelungslücke. 2. Mündliche Nebenabreden, nachträgliche Änderungen und Ergänzungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht eine strengere Formvorschrift gilt. Dies gilt auch für die Aufhebung dieser Schriftformvereinbarung. 3. Die Vertragsteile beauftragen und bevollmächtigen den amtierenden Notar unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, für den Grundbuchvollzug dieser Urkunde zu sorgen und die Beteiligten im Grundbuchverfahren uneingeschränkt zu vertreten. VIII. Abschriften Von dieser Urkunde erhalten: Ausfertigungen: – das zuständige Amtsgericht – Grundbuchamt –.
Selbherr 869
Kap. 35 Rz. 131a
Vergleichsvereinbarungen
M 35.3
Beglaubigte Abschriften: – die Vertragsteile je eine, – das zuständige Finanzamt – Schenkungsteuerstelle – (§ 7 ErbStDV). Einfache Abschriften: – das zuständige Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle. IX. Hinweise Der Notar hat insbesondere auf Folgendes hingewiesen: – Alle Vereinbarungen müssen richtig und vollständig beurkundet sein. Bei unrichtiger oder unvollständiger Beurkundung kann der ganze Vertrag nichtig sein. – Unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen haften alle Beteiligten für Kosten und Steuern und der Vertragsgrundbesitz für Erschließungskosten und öffentliche Abgaben. – Das Eigentum geht erst mit Umschreibung im Grundbuch auf den Erwerber über. Voraussetzung dafür ist u.a. die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts. – Jede Vorleistung ist Vertrauenssache. Vorleistungen können vertraglich vermieden oder gesichert werden. – Der Notar erteilt keine steuerliche Beratung. X. KostenA20 Unabhängig von der nach dem Gesetz bestehenden Gesamthaftung aller Beteiligten übernehmen – die Kosten der Errichtung dieser Urkunde die Beteiligten zu gleichen Teilen, – die Kosten des Vollzugs dieser Urkunde im Grundbuch und eine etwa anfallende (Verkehrs)Steuer jeder Erwerber für seinen Erwerb. (Schlussvermerk/Unterschriften sämtlicher Beteiligter und des Notars)
Anmerkungen zu Muster M 35.3 131a
A1 Sachverhalt: Der behandelte Lebenssachverhalt ergibt sich aus Ziff. I. des Musters (Rz. 131). Es handelt sich um eine für die Praxis durchaus typische Fallkonstellation, in der wohl stets mit der Forderung von Pflichtteilsansprüchen zu rechnen ist: Der Erblasser hinterlässt Abkömmlinge aus einer geschiedenen Ehe. Testamentarisch hat er seine Lebensgefährtin zur Alleinerbin eingesetzt. Die Beteiligten sind nach längerer Verhandlung aus Zeit-, Kostenund Vertraulichkeitsgründen an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. Die Erbin will einen allzu hohen Liquiditätsabfluss vermeiden. Die Söhne des Erblassers haben ein affektives Interesse, bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass zu erhalten. Häufig ist Verhandlungspartner der Pflichtteilsberechtigen nicht ein Alleinerbe, sondern eine Erbengemeinschaft. Das macht Verhandlungen regelmäßig deutlich komplizierter (vgl. Schwarz, Verhandlung und Mediation mit vielen Beteiligten, in Walz [Hrsg.], Verhandlungstechnik für Notare, 2003, 63 ff.).
132
A2 Entstandene und nicht geltend gemachte Pflichtteilsansprüche: Hintergrund dieser Formulierung ist ein erbschaftsteuerrechtlicher: Es soll gleich deutlich werden, welche erbschaftsteuerrechtliche Gestaltungsvariante die Beteiligten wählen; vgl. hierzu Rz. 128 ff., 137.
133
A3 Form: Der entstandene Pflichtteilsanspruch ist eine gewöhnliche Geldforderung. Ein Vergleich hierüber ist daher grundsätzlich formlos möglich. Eine Formpflicht kann sich 870
Selbherr
M 35.3
Erbrecht
Rz. 138 Kap. 35
insbesondere ergeben, wenn der Pflichtteilsanspruch durch Übertragung von Grundbesitz (§ 311b Abs. 1 BGB) oder von GmbH-Anteilen (§ 15 Abs. 3 und 4 GmbHG) erfüllt werden soll, was in der Praxis – insbesondere aus steuerlichen Gründen (vgl. für Grundbesitz Rz. 129) – nicht selten geschieht, so auch im Fall des Mustertexts. Lenz-Brendel (in J. Mayer/ Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 13 Rz. 78) beklagt zu Recht die problematische Praxis, außerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Form Vergleiche über den Pflichtteilsanspruch häufig nicht einmal schriftlich zu fixieren. A4 Aufgeführter Grundbesitz: Zur Benennung von Grundbesitz und Grundbuchstand in 134 notariellen Urkunden s. Rz. 23. Es wird unterstellt, dass der übertragene Grundbesitz nicht der einzige des Erblassers ist; der Grundbesitz im Übrigen ergibt sich aus dem Nachlassverzeichnis gem. Ziff. I.3. des Musters (Rz. 131). A5 Nachlassaufstellung: Die Bestandsaufnahme und Nachlassbewertung sind häufig der 135 problematischste und umstrittenste Aspekt eines Streits um Pflichtteilsansprüche. Ist die Feststellung des Nachlassbestands bereits nicht selten mühsam, so ist die Bewertung der Nachlassgegenstände aufgrund gewisser Bewertungsspielräume meist noch umstrittener (vgl. Rz. 116). Regelmäßig sollten sich daher in der Vergleichsvereinbarung Aussagen zum Nachlass als wertbildender Faktor finden. Wurde im Vorfeld bereits ein Bestandsverzeichnis erstritten (§§ 2314 Abs. 1, 260 BGB), bietet sich an, dieses zugrunde zu legen. Vgl. zur Nachlassaufstellung im Übrigen Rz. 25 f. A6 Verzicht auf Nachlassaufstellung: Auch wenn empfohlen wird, einem Pflichtteilsver- 136 gleich in jedem Fall eine Nachlassaufstellung beizufügen (so Tanck in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 13 Rz. 79), ist in der Praxis eine genaue Auflistung indes nicht immer zu erreichen. Vor allem, wenn die Geltendmachung des Pflichtteils nicht streitig ist, weil z.B. steuerrechtliche Aspekte im Vordergrund der Vereinbarung stehen (vgl. Rz. 128 f.), ist die aufwändige Erstellung eines solchen Verzeichnisses häufig nicht gewünscht. Andererseits mag sich auch in diesen Fällen das Beifügen eines Verzeichnisses empfehlen, um die konkrete Höhe der Pflichtteilszahlung der Finanzverwaltung gegenüber plausibel zu machen. A7 Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs: Der Zeitpunkt der Geltendmachung ei- 137 nes Pflichtteilsanspruchs hat erhebliche erbschaftsteuerrechtliche Bedeutung, da nach der Geltendmachung den Beteiligten bestimmte steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen (vgl. Rz. 126 ff.). Das gilt insbesondere für die im Mustertext gewählte Gestaltung eines Verzichts auf entstandene Pflichtteilsansprüche gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Diese Gestaltungsvariante ist im konkreten Fall vor allem wegen der Sperrwirkung des § 3 Nr. 2 GrEStG interessant. Die Grundstückstransaktion ist hier nach derzeitiger Rechtsprechung des BFH grunderwerbsteuerfrei, obwohl zwischen Erbin und Pflichtteilsberechtigtem keine verwandtschaftliche Beziehung besteht. Die Variante kann auch interessant sein, wenn es zu verhindern gilt, dass der Erlass eines den Wert der Abfindung überschießenden Pflichtteilsanspruchs als steuerbare lebzeitige Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1 ErbStG beurteilt wird. Die Vereinbarung sollte daher eine Aussage zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs enthalten. Verzichtet der Pflichtteilsberechtigte auf die Geltendmachung gegen Abfindung, § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, oder ohne Abfindung, § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG, sollte dies deutlich zum Ausdruck kommen (vgl. auch den Formulierungsvorschlag bei Griesel/Wälzholz in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 17 Rz. 149). A8 Freistellungsverpflichtung: Diese Gestaltungsvariante bietet gegenüber der klassischen 138 Schuldübernahme durch den Erwerber den Vorteil, dass der Erwerber und der Gläubiger frei sind, den zweckmäßigsten Weg der Freistellung und Schuldbefreiung des Veräußerers Selbherr 871
Kap. 35 Rz. 139
Vergleichsvereinbarungen
M 35.3
zu wählen (vgl. Amann, MittBayNot 2002, 245 ff.). Die Situation, dass der zu überlassende Grundbesitz vom Erblasser herrührend noch belastet ist, findet sich in der Praxis vergleichsweise häufig. Zu beachten ist auch hier stets die steuerrechtliche Seite: Im Ergebnis stellt sich die Übernahme des Grundbesitzes unter Freistellung von Altverbindlichkeiten als ein Weniger an Abfindung dar. Die Hingabe von Grundbesitz ist aber häufig vor allem aus bewertungsrechtlichen Gründen für die Beteiligten interessant (vgl. oben Rz. 129). 139
A9 Abfindung: Die Einigung auf die Zahlung eines Abfindungsbetrages in Geld entspricht dem gesetzlichen Modell des Pflichtteilsanspruchs (vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2317 Rz. 2) und ist regelmäßig Bestandteil eines Vergleichs über den Pflichtteilsanspruch. Für die Ausgestaltung des Zahlungsanspruchs gelten grundsätzlich keine Besonderheiten. Ob sich für den Pflichtteilsberechtigten eine dingliche Absicherung des Zahlungsanspruchs an Grundbesitz des Erben empfiehlt, wird vom Verlauf der bisherigen Verhandlung, der Zuverlässigkeit des Zahlungsverpflichteten und insbesondere von der Dauer des Zahlungsziels abhängen (vgl. Lenz-Brendel in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 13 Rz. 81). Da der kurzfristige Liquiditätsabfluss den zahlungsverpflichteten Erben häufig vor erhebliche Probleme stellt (vgl. Rz. 122), mag sich die Vereinbarung von Ratenzahlung empfehlen, die regelmäßig dinglich abgesichert werden sollte. Eine Stundungsvereinbarung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten schützt den Erben ebenfalls vor dem problematischen Liquiditätsabfluss. Die Erbschaftsteuerwirkungen treten dennoch ein, Entstehung der Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1b) oder § 9 Abs. 1 Nr. 1f) ErbStG vorausgesetzt; ein pactum de non petendo scheidet daher als Gestaltungsvariante regelmäßig aus (zutreffend, auch zum Erfordernis der Vereinbarung einer Verzinsung aus steuerlichen Gründen J. Mayer, DStR 2004, 1541 [1547 f.]). Gegebenenfalls empfiehlt sich auch die Vereinbarung einer Verjährungsverlängerung. Die Möglichkeit einer vertraglichen Verlängerung der Verjährungsfrist auch für einen Pflichtteilsanspruch ergibt sich nunmehr aus § 202 BGB, vgl. auch oben Rz. 123. Kontrovers diskutiert wird hingegen die Verjährungsverlängerung für Pflichtteilsansprüche durch Verfügung von Todes wegen (vgl. Keim, ZEV 2004, 173 ff. m.w.N.).
140
A10 Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Die Möglichkeit, dass sich der zahlungsverpflichtete Erbe gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, ist ein entscheidender Vorteil einer notariell beurkundeten gegenüber einer privatschriftlichen Vergleichsvereinbarung. Die Zwangsvollstreckungsunterwerfung und damit die notarielle Beurkundung auch außerhalb gesetzlicher Formvorschriften empfiehlt sich vor allem, wenn sich der Erbe in den Vorverhandlungen als wenig sorgfältig oder unzuverlässig gezeigt hat (in diesem Sinne – aus anwaltlicher Sicht – auch die Empfehlung von Lenz-Brendel in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 13 Rz. 81).
141
A11 Bewegliche Sachen: Auch die Übertragung beweglicher Sachen (oder die von Rechten) aus dem Nachlass auf den Pflichtteilsberechtigten bietet für beide Seiten Vorteile. Der Erbe vermeidet Liquiditätsbelastung, der Pflichtteilsberechtigte erlangt Gegenstände, auf die er, da er als Pflichtteilsberechtigter auf einen reinen Geldanspruch verwiesen ist, keinen Rechtsanspruch hat (vgl. Rz. 121 f.).
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A12 Weitere Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Zu den Vorteilen einer Zwangsvollstreckungsunterwerfung vgl. bereits Anm. A10 (Rz. 140). Das Muster macht sich die seit dem 1.1.1999 durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle (v. 16.12.1997, BGBl. I, 2998) erweiterten Anwendungsmöglichkeiten dieses zivilprozessualen Gestaltungsmittels zu Nutze (vgl. hierzu in Wolfsteiner in Kersten/Bühling, Formularbuch der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016, § 91 Rz. 45 ff.).
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Selbherr
M 35.3
Erbrecht
Rz. 146 Kap. 35
A13 Garantien: Die Garantieerklärung der Erbin ist letztlich eine Folge der asymmetrischen Informationslage zwischen Erbin und Pflichtteilsberechtigten. Der Anspruchsteller kann regelmäßig die Richtigkeit der Angaben des Erben bzw. der Nachlassaufstellung nur eingeschränkt überprüfen. Aus diesem Grund schützt ihn das Gesetz mit umfassenden Auskunftsansprüchen (vgl. Rz. 118 und eingehend Bittler in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 9). Die Garantieerklärung ist eine sinnvolle flankierende Maßnahme zu dem auch nur eingeschränkt wirkenden Zwangsmittel der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 2314 Abs. 1, 260 Abs. 2 BGB. Je nach Sachverhaltsgestaltung bedarf es auch einer Erklärung, dass ausgleichungspflichtige Zuwendungen im Sinne von §§ 2316, 2050 ff. BGB nicht bekannt sind. Die von Lenz-Brendel (in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 13 Rz. 80) vorgeschlagene Formulierung der „Zusicherung“ erscheint hinsichtlich der „Umstände …, die für die Höhe des Pflichtteils, insbesondere für die Bewertung relevant sind“ als recht weitgehend.
143
A14 Anrechnungspflichtige Zuwendung: Ebenso wie dem Pflichtteilsberechtigten Schenkungen des Erblassers an Dritte nicht bekannt und – soweit sie sich nicht z.B. aus dem Grundbuch ergeben – auch nicht nachvollziehbar sind, mag ein Informationsdefizit des Erben hinsichtlich Schenkungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten bestehen. Erst recht dürfte der Nachweis über eine Anrechnungsbestimmung gemäß § 2315 BGB schwer fallen (vgl. hierzu eingehend J. Mayer in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 2013, § 11 Rz. 75 ff.). Insofern ist eine ergänzende Garantieerklärung des Pflichtteilsberechtigten sachgerecht; sie mag auch die Aufnahme einer Erklärung des Erben im Sinne einer ausgeglichenen Vertragsgestaltung erleichtern.
144
A15 Nachabfindungsklausel: Die Frage, ob die Vereinbarung eine endgültige sein soll oder ob sich die Pflichtteilsberechtigten Nachabfindungsansprüche vorbehalten wollen, wird häufig einer der umstrittensten Punkte der Vereinbarung sein. Die Entscheidung ist insbesondere bei Verhandlungen um einen komplexen Nachlass schwierig. Einerseits ist gerade in diesen Fällen die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachlass nicht vollständig erfasst oder in jeder Hinsicht korrekt bewertet wurde, vergleichsweise hoch. Andererseits mag das Problem der Komplexität auch gerade dafür sprechen, hinsichtlich der aufwändigen Bestandsaufnahme und Bewertung gleichsam eine Abschichtung dahingehend zu erreichen, den Nachlassbestand zum gegenwärtigen Zeitpunkt als verbindlich zu betrachten, um die sich möglicherweise lange Zeit hinziehende und daher belastende Auseinandersetzung einem Ende zuzuführen.
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Die hier gewählte Regelung berücksichtigt das Interesse der Pflichtteilsberechtigten, auf je- 145a den Fall am Nachlass in seinem realen Bestand und Wert zu partizipieren. Sie empfiehlt sich vor allem, wenn die Beteiligten, insbesondere die Pflichtteilsberechtigten, der Auffassung sind, zur Nachlassbestandsaufnahme habe nicht genug Zeit zur Verfügung gestanden oder sie sei aus sonstigen Gründen nicht mit hinreichender Sorgfalt erfolgt. Ist unklar, ob weitere, an den Verhandlungen nicht beteiligte pflichtteilsberechtigte Personen vorhanden sind, könnte der Pflichtteilsschuldner an der Aufnahme einer entsprechenden Anpassungsklausel interessiert sein. Hier sind gegebenfalls auch zweifelhafte (bedingte, ungewisses, unsichere) Forderungen i.S. von § 2313 BGB zu bezeichnen. A16 Auskunft: Auch in dieser Vereinbarung spiegelt sich das Grundproblem der asymmetrischen Informationslage im Pflichtteilsrecht wider. Der Anspruch auf Auskunft ist das wichtigste Gestaltungsmittel, das dem Pflichtteilsberechtigten gegen den Erblasser zur Verfügung steht. Aus diesem Grund ist es ratsam, im Rahmen der Nachabfindungsklausel einen solchen Auskunftsanspruch nochmals ausdrücklich zu konstituieren.
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Kap. 35 Rz. 147
Vergleichsvereinbarungen
M 35.3
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A17 Verjährung: Aufgrund der kurzen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB empfiehlt sich bei der Nachabfindungsklausel stets der Verzicht auf die Einrede der Verjährung (zu Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Verzichts Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 202 Rz. 8 ff.; vgl. auch Lenz-Brendel in J. Mayer/Süß, Handbuch Pflichtteilsrecht, 2003, § 13 Rz. 72). An dieser Notwendigkeit ändert auch § 203 BGB nichts, der die Verjährung für die Dauer von Verhandlungen hemmt, denn die Hemmung endet wohl auch hinsichtlich später bekannt werdender pflichtteilsanspruchsprägender Faktoren mit Abschluss der Abfindungsvereinbarung (vgl. Grothe in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2015, § 2042 Rz. 37).
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A18 Abgeltungsklausel: Eine solche Vereinbarung ist immer dann sachgerecht, wenn – was in der Praxis nicht selten vorkommt – sämtliche Beteiligte einen Schlussstrich unter die Verhandlungen ziehen und sich auch nicht mit der Möglichkeit weiterer Nachforschungen belasten wollen. Die Risiken für die Pflichtteilsberechtigten, u.U. aber auch für den Pflichtteilsschuldner, s. Anm. A15 (Rz. 145 f.), sind unter Umständen erheblich. Bei einem einfach strukturierten Nachlass ist am ehesten mit der Bereitschaft sämtlicher Beteiligter zur Aufnahme einer umfassenden Abgeltungsklausel zu rechnen. Zu Abgeltungsklausel im Allgemeinen vgl. auch Hass, Kap. 29 Rz. 13.
149
A19 Salvatorische Klausel, Schriftform: Hier kann der Einsatz einer Schriftform- und/ oder eine salvatorischen Klausel erwogen werden (s. Joachim in Beck’sches Formularbuch Erbrecht, J.III.7. Anm. 8. und 9. [allerdings undifferenziert] und Rz. 49).
150
A20 Kosten: Zu Kostenfragen in der Verhandlungsdynamik und zu den Kosten für die Nachlassbewertung vgl. Rz. 51 f. An Notarkosten fällt für den Vertrag 2,0-Gebühr nach KV GNotKG an. Der Vergleich umfasst einen Pflichtteilsverzicht gegen Abfindungsleistung, ist daher Austauschvertrag in Sinne von § 97 Abs. 3GNotKG. Als Geschäftswert maßgebend ist nach dieser Vorschrift von den Leistungspflichten die höherwertige. Der Wert des Pflichtteilsanspruchs bestimmt sich in entsprechender Anwendung des § 102 Abs. 4 HS 1 i.V.m. Abs. 1 GNotKG nach dem Bruchteil des Verzichtenden am modifizierten Reinvermögen des Erblassers (vgl. hierzu in Reimann in Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl. 2015, § 102 Rz. 66 ff., mit dem Hinweis unter Rz. 62, dass für einen Vertrag wie hier gleichwohl die allgemeinen Kostenvorschriften gelten). Die Vereinbarungen mit den beiden Pflichtteilsberechtigten sind gegenstandsverschieden im Sinne von § 94 Abs. 1 GNotKG. Beim Grundbuchamt löst der Vollzug der Urkunde eine 1,0-Gebühr nach Nr. 14110 GNotKG für die Eigentumsumschreibung aus.
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Selbherr
Kapitel 36
A. Ausscheiden aus einer Gesellschaft durch Abtretung I. Einführung 1. Abtretung und Alternativen . . . . . . . . . . . 2. Einordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 36.1 Grundfall: Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GmbH durch Geschäftsanteilsabtretung
Vergleichsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht M 36.2 Komplexerer Fall: Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 7 8
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B. Ausscheiden aus einer Gesellschaft durch einvernehmliche Einziehung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 36.3 Gesellschafterbeschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils
11
35 36 36
Literatur: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Kommentar, 20. Aufl. 2013; Fuhrmann/Wälzholz, Formularbuch Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2015; Heidenhain/Meister (Hrsg.), Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011; D. Mayer, Praxishandbuch der GmbH für Wirtschaftsprüfer, 1999; Langenfeld/Miras, GmbH – Vertragspraxis. Gestaltung – Beratung – Muster zu GmbH und GmbH & Co. KG, 7. Aufl. 2015.
A. Ausscheiden aus einer Gesellschaft durch Abtretung I. Einführung 1. Abtretung und Alternativen Die vergleichsweise Regelung des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft setzt bei der Personengesellschaft eine allseitige Mitwirkung des Ausscheidenden und seiner Mitgesellschafter voraus. Denn die Übertragung der Beteiligung ist rechtlich eine Änderung des Gesellschaftsvertrages.
1
Bei der Kapitalgesellschaft bietet sich die Abtretung des Geschäftsanteils an. An sich genügt hier ein Vertrag zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und dem Erwerber. Erwerber kann dabei ein Mitgesellschafter, die Gesellschaft selbst oder eine Dritte sein. Sind die Anteile aber – wie in der Praxis regelmäßig zumindest bei personalistisch geprägten Kapitalgesellschaften – vinkuliert, bedarf es auch hier der Mitwirkung der Mitgesellschafter.
2
Als Vertrag zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und dem Erwerber unterscheidet 3 sich die Abtretung von der Kündigung und der Einziehung (vgl. unten Rz. 36) eines Geschäftsanteils, die jeweils einseitig durch den Ausscheidenden oder die verbleibenden Gesellschafter erfolgen. Das gilt auch für die Einziehung mit Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters, da diese Zustimmung nur das Vorliegen eines Einziehungsgrundes ersetzt, die Einziehung als solche – also der Gesellschafterbeschluss und die Mitteilung durch den Geschäftsführer – aber nach wie vor eine einseitige Maßnahme bleibt. Auch sie kann gleichwohl Gegenstand einer einvernehmlichen Regelung sein (vgl. hierzu die Muster unter nachfolgend Rz. 35 a.E.). Die Kündigung ist regelmäßig in der Satzung der Gesellschaft geregelt. Bei der Einziehung 4 bestehen Satzungsregelungen häufig für die einseitige Einziehung gegen den Willen des Ausscheidenden. Dagegen beschränkt sich die Satzungsregelung zur Einziehung mit Zustimmung des Gesellschafters zumeist darauf, diese zuzulassen; die Ausgestaltung im ÜbriSchwarz 875
Kap. 36 Rz. 5
Vergleichsvereinbarungen
gen aber wird der individuellen Vereinbarung überlassen. Satzungsmäßig vollständig ungeregelt – mit Ausnahme der Vinkulierung – ist die Abtretung. Für welches Verfahren man sich im konkreten Fall entscheiden wird, hängt damit wesentlich von den Vorgaben der Satzung ab. Nur soweit sie ein einseitiges Vorgehen nicht gestatten (z.B. die Kündigung gar nicht zulassen) oder dieses unerwünschten Folgen unterliegt (z.B. wegen einer ungenügenden Abfindung), müssen sich die Beteiligten vertraglich einigen. Dabei sind in der Regel die rechtlichen Anforderungen an die einvernehmliche Einziehung strenger als an die Abtretung. 5
Sowohl bei der Abtretung als auch bei der einvernehmlichen Einziehung sind ähnliche Themen zu regeln. Zahlreiche Formulierungsvorschläge sind daher zwischen den folgenden Mustern austauschbar und verstehen sich als Alternativvorschläge. Auch wenn man sich grundsätzlich für die Abtretung oder die Einziehung entschieden hat, empfiehlt es sich daher, die anderen Formulierungsvorschläge wegen Alternativen durchzusehen. Typischerweise sind hinsichtlich des einvernehmlichen Ausscheidens eines Gesellschafters die folgenden Punkte zu regeln:
6
Beendigung der Gesellschafterstellung – Abgabe des Anteils durch Abtretung oder Einziehung – Bestimmung des Rechtsnachfolgers des ausscheidenden Gesellschafters – Zeitpunkt der Beendigung – Gesellschafterrechte (Stimmrecht, Gewinnbeteiligung, Kontroll- und Informationsrechte) Ausscheiden als Geschäftsführer – Beendigung der Organstellung (Amtsniederlegung oder Abberufung) – Neubestellung eines Nachfolgers – Aufhebung des Anstellungsverhältnisses – verbleibende wirtschaftliche Ansprüche (Tantiemen, Rentenanwartschaften etc.) Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters – Bemessung der Abfindung – einvernehmlich – Bestimmung nur des Verfahrens, v.a. Gutachter Auszahlungsmodalitäten – Zahlungsfrist, Stundung – Sicherheiten – Verzinsung Sonstige Folgen – Haftung des ausscheidenden Gesellschafters (hinsichtlich Inhaberschaft, keine Rechte Dritter am Geschäftsanteil etc.) – Darlehen zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und der Gesellschaft – Ablösung der durch den ausscheidenden Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gestellten Sicherheiten – Wettbewerbsverbot – Schutzrechte (Patent- und Urheberrechte) – Satzungsänderungen (Stimmenverteilung, Sperrminoritäten; Sonderrechte des Ausscheidenden tilgen)
876
Schwarz
M 36.1
Gesellschaftsrecht
Rz. 8 Kap. 36
Weitere Maßnahmen – Anmeldungen zum Handelsregister (Geschäftsführerwechsel, Satzungsänderungen) – Aktualisierte Gesellschafterliste zum Registergericht einreichen 2. Einordnung In der Systematik der außergerichtlichen Streitbeilegung handelt es sich bei den Regelun- 7 gen des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft um verfahrensbeendende Regelungen (Kap. 1 Rz. 5). Ihr gehen Verhandlungen über die – im Folgenden exemplarisch angesprochenen – Regelungsgegenstände voraus. Führen die Verhandlungen zu keinem Ergebnis, bleiben nur die angesprochenen einseitigen Maßnahmen (Kündigung, Einziehung gegen den Willen des Ausscheidenden). In der Mehrzahl der Fälle werden die Vereinbarungen über das Ausscheiden eines Gesellschafters auch unabhängig von einem gerichtlichen Verfahren getroffen werden. Etwas anderes kann gelten, wenn bereits Klage auf Ausschluss des Gesellschafters erhoben wurde, und nun ein gerichtlicher Vergleich den Rechtsstreit beenden soll. Als novierende Regelungen stellt sie die Rechtsbeziehungen zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und den verbleibenden Gesellschaftern bzw. der Gesellschaft auf eine neue Grundlage.
II. Muster M 36.1 Grundfall: Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GmbH durch Geschäftsanteilsabtretung (Urkundeneingang)A1 I. Vorbemerkung Die XY-GmbH – im Folgenden die „Gesellschaft“ genannt – ist im Handelsregister des Amtsgerichts S-Stadt unter HRB 1234 eingetragen. Gesellschafter A ist mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 60 000 Euro beteiligt. Er beabsichtigt, aus der XY-GmbH auszuscheiden. Das Stammkapital und der vorgenannte Geschäftsanteil sind zu 100 % einbezahlt. II. Abtretung Gesellschafter A – im Folgenden „der Veräußerer“ genannt – tritt mit sofortiger dinglicher Wirkung seinen in Ziff. I. genannten Geschäftsanteil im Nennbetrag von 60 000 Euro an Herrn E – im Folgenden „der Erwerber“ genannt – mit allen Rechten und Pflichten ab. Der Erwerber nimmt die Abtretung hiermit an. Das Gewinnbezugsrecht geht auf den Erwerber über ab Beginn des laufenden Geschäftsjahres. Ein etwa noch nicht ausgeschütteter auf die abgetretenen Geschäftsanteile entfallender Gewinn abgelaufener Geschäftsjahre steht ebenfalls dem Erwerber zu. Die Geschäftsanteilsabtretungen erfolgen bedingungslos und vorbehaltlos. (Alternativ: Die Geschäftsanteilsabtretung ist aufschiebend bedingt und wird erst wirksam, wenn die Gegenleistung gemäß Ziff. IV. vollständig erbracht wurde. Der Veräußerer hat dies dem Erwerber unverzüglich schriftlich mit Kopie an den beurkundenden Notar zu bestätigen.)
Schwarz 877
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Kap. 36 Rz. 8a
Vergleichsvereinbarungen
M 36.1
III. Zustimmungen, Anmeldung Sämtliche zum heutigen Vertrag laut Satzung und/oder Gesetz erforderlichen Zustimmungen werden die Vertragsteile selbst einholen und unverzüglich dem beurkundenden Notar für die aktualisierte Liste der Gesellschafter gemäß § 40 GmbHG belegen.A2 IV. Rechtsgrund Die Geschäftsanteilsabtretung erfolgt im Wege des Kaufvertrages. Der vom Erwerber an den Veräußerer zu zahlende Kaufpreis beträgt 200 000 Euro. Der Kaufpreis ist in vier Wochen ab heute zur Zahlung fällig und bis dahin nicht zu verzinsen. Der Erwerber unterwirft sich wegen vorstehend eingegangener Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. V. Haftung Der Veräußerer garantiert, dass ihm die übertragenen Geschäftsanteile zustehen, er weder durch Gesetz noch durch Vertrag und/oder Satzung an der Veräußerung und der Abtretung der übertragenen Geschäftsanteile gehindert ist, diese nicht mit Rechten Dritter belastet sind, die Stammeinlagen wie eingangs aufgeführt eingezahlt sind, ein Vorkaufsrecht oder sonstiges Erwerbsrecht Dritter nicht besteht bzw. nicht ausgeübt wird, eine Nachschusspflicht nicht besteht. Darüber hinaus sind alle Ansprüche und Rechte des Erwerbers wegen Mängeln ausgeschlossen, insbesondere wegen Mängeln des Unternehmens, an dem die übertragenen Beteiligungen bestehen. VI. Darlehen, Sicherheiten Darlehen des Veräußerers an die Gesellschaft bestehen nicht, ebenso nicht Darlehen der Gesellschaft an den Veräußerer. Der Veräußerer hat auch keine Bürgschaften oder sonstige Garantien für die Gesellschaft übernommen oder anderweitig für deren Verbindlichkeiten Sicherheit geleistet. (Alternativ: Der Erwerber stellt den Veräußerer von allen Verpflichtungen betreffend das Gesellschaftsverhältnis frei, insbesondere von Verpflichtungen aus Bürgschaften, die für Verbindlichkeiten der Gesellschaft vom Veräußerer eingegangen wurden, und aus Darlehen, die die Gesellschaft dem Veräußerer gewährt hat. Der Veräußerer tritt im Gegenzug seine sämtlichen Ansprüche gegen die Gesellschaft, auch aus der Gewährung von Darlehen, an den Erwerber ab, der die Abtretung annimmt.A3) (Alternativ: Der Erwerber stellt den Veräußerer von allen Verpflichtungen als Gesellschafter und von der Inanspruchnahme aus Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Sicherheiten, die er für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gestellt hat, frei. Darlehensansprüche der Gesellschaft gegen den Veräußerer und Darlehensansprüche des Veräußerers gegen die Gesellschaft bleiben jedoch unberührt.)
Anmerkungen zu Muster M 36.1 8a
A1 Form: Bei einer GmbH ist die Abtretung notariell zu beurkunden, § 15 Abs. 3 GmbHG. Wegen § 15 Abs. 4 GmbHG muss die gesamte Vereinbarung über das Ausscheiden des Gesellschafters beurkundet werden. Bei anderen Gesellschaften sind die Abtretung und die Verpflichtung hierzu formlos möglich, wenn sich auch aufgrund der Komplexität der zu treffenden Regelungen zumindest eine schriftliche Fixierung empfiehlt. Eine Beurkundungspflicht kann sich aber auch aus allgemeinen Gründen ergeben, wenn etwa die Übertragung eines Grundstücks zur Gesamtregelung gehört, § 311b Abs. 1 BGB.
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Gesellschaftsrecht
Rz. 11 Kap. 36
A2 Vinkulierung: Vgl. M 36.2 Anm. A5 (Rz. 15) unten. Erst mit den Zustimmungen wird 9 die Abtretung wirksam und dem Notar die Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister gem. § 40 Abs. 2 GmbHG möglich. A3 Darlehen: Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass der Erwerber der alleinige An- 10 sprechpartner für alle mit dem Gesellschafterverhältnis in weiterem Zusammenhang stehenden Fragen ist, auch für Ansprüche aus Darlehensverträgen. Die Abtretung der Darlehensforderung des Veräußerers gegen die Gesellschaft bzw. die Freistellung des Veräußerers von einem Darlehensrückzahlungsanspruch der Gesellschaft setzt selbstverständlich in wirtschaftlicher Hinsicht voraus, dass deren Werte bei der Bemessung der Gegenleistung gemäß Ziff. IV. der Urkunde berücksichtigt wurden.
M 36.2 Komplexerer Fall: Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GmbHA1 (Urkundeneingang)A2 I. Vorbemerkung Die XY-GmbH – im Folgenden die „Gesellschaft“ genannt – ist im Handelsregister des Amtsgerichts S-Stadt unter HRB 1234 eingetragen. Gesellschafter A ist mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 60 000 Euro beteiligt und zum Geschäftsführer bestellt. Er beabsichtigt aus der XY-GmbH auszuscheiden. II. Übertragungsverpflichtung 1. Gesellschafter A – nachfolgend auch der „ausscheidende Gesellschafter“ genannt – scheidet aus der XY-GmbH aus. Er verpflichtet sich, seinen Geschäftsanteil auf einen von den Gesellschaftern B, C und D – nachfolgend auch die „verbleibenden Gesellschafter“ genannt – zu benennenden ErwerberA3 zu übertragen. Erwerber kann einer der verbleibenden Gesellschafter, die Gesellschaft selbst oder ein Dritter sein. 2. Das Benennungsrecht steht den verbleibenden Gesellschaftern gemeinsam zu. Es wird durch Beschluss der Gesellschafterversammlung ausgeübt. Für die Beschlussfassung gelten die Regelungen der Satzung. 3. Der ausscheidende Gesellschafter bevollmächtigt die Gesellschafter B, C und D gemeinschaftlich, die Abtretung seines Geschäftsanteils an den Erwerber zu erklären. Die Bevollmächtigten sind dabei von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und befugt, Untervollmacht zu erteilen, auch einem Einzelnen von ihnen.A4 4. Die verbleibenden Gesellschafter – auch soweit sie bei der Beschlussfassung gemäß Absatz 2 überstimmt werden – stimmen der Geschäftsanteilsabtretung bereits heute unwiderruflich zu.A5 III. Haftung des ausscheidenden Gesellschafters, DarlehenA6 IV. Gesellschafterrechte 1. Ab sofortA7 ruhen die Gesellschafterrechte des ausscheidenden Gesellschafters. Insbesondere ist er nicht mehr berechtigt, an Gesellschafterversammlungen teilzunehmen und bei Gesellschafterbeschlüssen abzustimmen.A8 Dies gilt auch für die Gesellschafterversammlung gemäß Abschnitt II.2. 2. Das Gewinnbezugsrecht für das laufende Geschäftsjahr und noch nicht ausgeschüttete Gewinne vergangener Geschäftsjahre stehen nicht dem ausscheidenden Gesellschafter, sondern dem Erwerber des Geschäftsanteils zu.A9 Schwarz 879
11
Kap. 36 Rz. 11
Vergleichsvereinbarungen
M 36.2
V. Geschäftsführer 1. Der ausscheidende Gesellschafter legt sein Amt als Geschäftsführer nieder.A10 Die verbleibenden Gesellschafter nehmen die Amtsniederlegung hiermit an. Sie erteilen A – im Wege des Beschlusses, der unter Verzicht auf die Einhaltung aller Form- und Fristvorschriften hiermit gefasst wird – Entlastung für seine Tätigkeit als Geschäftsführer. 2. Die Amtsniederlegung ist sofort wirksam. Der verbleibende Geschäftsführer B wird das Ausscheiden des A aus der Geschäftsführung unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister anmelden. (Alternativ:A11 Die Amtsniederlegung ist sofort wirksam. Die verbleibenden Gesellschafter haben unverzüglich einen neuen Geschäftsführer zu bestimmen und diesen zu veranlassen, das Ausscheiden des A aus der Geschäftsführung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.) (Alternativ:A12 Die Amtsniederlegung wird wirksam mit der Eintragung des Ausscheidens des A aus der Geschäftsführung in das Handelsregister. Zu der entsprechenden Handelregisteranmeldung bleibt A somit berechtigt. Er hat diese unverzüglich zu bewirken und sich jeglicher sonstiger Geschäftsführung zu enthalten.) 3. Das Anstellungsverhältnis mit A als Geschäftsführer der Gesellschaft wird mit sofortiger Wirkung beendet.A13 Die für die Zeit seiner Tätigkeit für die Gesellschaft durch A erworbenen Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung und aus Tantiemen bleiben ihm erhalten. Auf etwaige weitere Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis wird wechselseitig verzichtet.A14 VI. Abfindung 1. Der ausscheidende Gesellschafter erhält als Abfindung den derzeitigen Verkehrswert seines Geschäftsanteils ausbezahlt.A15 Dieser Wert wird durch die Z Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Schiedsgutachter für alle Beteiligten verbindlich bestimmt. Der Gutachter hat sich dabei nach dem durch die Satzung bestimmten Bewertungsverfahren zu richten.A16 Die Kosten des Gutachtens tragen der ausscheidende Gesellschafter zu einem Drittel und die Gesellschaft zu zwei Dritteln.A17 Der Geschäftsführer wird ermächtigt, das Gutachten umgehend in Auftrag zu geben. 2. Die verbleibenden Gesellschafter haben den Erwerber zur Zahlung der Abfindung zu verpflichten.A18 Mit Beurkundung der Geschäftsanteilsabtretung an den Erwerber ist die Abfindung zur Zahlung fällig. Zur Sicherung treten sie der Schuld des Erwerbers zur Zahlung der Abfindung hiermit bei.A19 Sie verpflichten sich, den Erwerber und sich wegen der Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde zu unterwerfen, sobald der Betrag der Abfindung feststeht. Der Erwerber und die verbleibenden Gesellschafter haften dem ausscheidenden Gesellschafter als Gesamtschuldner.A20 3. Üben die verbleibenden Gesellschafter ihr Benennungsrecht gemäß Abschnitt II.1. nicht innerhalb von zwei Monaten ab heute aus oder erfolgt die Beurkundung der Geschäftsanteilsabtretung nicht innerhalb dieser Frist, sind die verbleibenden Gesellschafter als Gesamtschuldner zur Zahlung der Abfindung gemäß Absatz 1 an den ausscheidenden Gesellschafter verpflichtet.A21 Die Abfindung ist in diesem Fall in drei gleichen Jahresraten zu bezahlen. Die erste Rate ist zwei Monate ab heute zur Zahlung fällig. Die weiteren Raten sind jeweils ein Jahr nach der vorangehenden Rate zur Zahlung fällig, wenn nicht zwischenzeitlich die Abtretung des Geschäftsanteils erfolgt. Ab heute sind die ausstehenden Beträge mit jährlich 2 % über dem jeweils aktuellen Basiszinssatz zu verzinsen.A22
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Schwarz
M 36.2
Gesellschaftsrecht
Rz. 15 Kap. 36
VII. Wettbewerbsverbot Der ausscheidende Gesellschafter verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nicht für ein mit der Gesellschaft konkurrierendes Unternehmen tätig zu werden, insbesondere nicht als Geschäftsführer. Ein gesondertes Entgelt erhält der ausscheidende Gesellschafter hierfür nicht.A23 VIII. KostenA24 Die Kosten dieser Urkunde tragen die verbleibenden Gesellschafter zu gleichen Teilen. Die Kosten seiner anwaltlichen Vertretung und Beratung trägt jeder Gesellschafter selbst.
Anmerkungen zu Muster M 36.2 A1 Sachverhalt: Gesellschafter-Geschäftsführer A beabsichtigt aus der XY-GmbH auszuscheiden. Wer von den verbleibenden Gesellschaftern C, D oder E oder ob ein Dritter den Geschäftsanteil erwirbt, ist noch nicht entschieden. Der Betrag der Abfindung wurde von den Gesellschaftern noch nicht bestimmt; über ihn soll ein Schiedsgutachter entscheiden. Auch als Geschäftsführer soll A sein Amt niederlegen. Für ein Konkurrenzunternehmen soll A in der nächsten Zeit nicht tätig werden können.
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A2 Form: Vgl. M 36.1 Anm. A1 (Rz. 8a).
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A3 Abtretungsempfänger können ein, mehrere oder alle Mitgesellschafter, ein oder meh- 13 rere Dritte oder die Gesellschaft selbst sein. Wenn nur das Ausscheiden feststeht, aber noch nicht der Empfänger des Geschäftsanteils, kann den verbleibenden Gesellschaftern ein Bestimmungsrecht eingeräumt werden. Die Vereinbarung über das Ausscheiden beinhaltet dann nur die schuldrechtliche Verpflichtung, während die dingliche Abtretung erst erklärt wird, sobald der Empfänger bestimmt wurde. Häufig ist das Verhältnis mit dem ausscheidenden Gesellschafter belastet. Wenn die Entscheidung über das Ausscheiden dann grundsätzlich vereinbart ist, soll seine Mitwirkung an weiteren Schritten zur Abwicklung des Ausscheidens minimiert werden. Für die Abtretung als solche kann dann der Ausscheidende eine Vollmacht erteilen. Soll die Abtretung nicht hinausgeschoben werden, können – unter Beachtung der Vorschriften über den Erwerb eigener Anteile, § 33 GmbHG – die Gesellschaft selbst, ein Treuhänder oder die verbleibenden Gesellschafter gemeinsam erwerben. Im letztgenannten Fall bilden die verbleibenden Gesellschafter für das Halten und Verwerten des Geschäftsanteils eine (Unter-)Gesellschaft. Vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen handelt es sich um eine BGB-Gesellschaft, deren Vertrag dann auch die letztlich vorzunehmende Zuordnung regeln sollte. A4 Abwicklung: Bei der Abwicklung der Vereinbarung über das Ausscheiden eines Gesellschafters sind die allgemeinen Vorgaben für Geschäftsanteilsabtretungen zu beachten, wie die Einreichung einer aktuelle Gesellschafterliste zum Handelsregister gemäß § 40 GmbHG.
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A5 Mitwirkung Dritter: Die Mitwirkung Dritter kann erforderlich sein. Die Vinkulie- 15 rung des Geschäftsanteils verlangt – je nach der Ausgestaltung in der Satzung – die Zustimmung jedes Mitgesellschafters oder einen Gesellschafterbeschluss, der einstimmig oder mit u.U. qualifizierter Mehrheit zu fassen ist (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 15 Rz. 36 ff.). Ist der Geschäftsanteil verpfändet oder gepfändet, steht dies der Abtretung an sich nicht entgegen. Die Abtretung wäre wirksam, auch ohne dass der Pfandgläubiger mitwirkt. Jedoch bleibt der Geschäftsanteil mit dem Pfandrecht belastet und ist daher für den Empfänger in seinem Wert gemindert. An der Aufhebung des Pfandrechts müsste der Pfandgläubiger mitwirken. Entsprechendes gilt, wenn der Geschäftsanteil mit einem Nießbrauch belastet ist. Schwarz 881
Kap. 36 Rz. 16
Vergleichsvereinbarungen
M 36.2
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A6 Vgl. M 36.1 (Rz. 8) zur Geschäftsanteilsabtretung (Grundfall) Ziff. V. und VI.
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A7 Zeitpunkt: Regelungsbedürftig ist auch der Zeitpunkt, zu dem der Gesellschafter ausscheiden soll. Dabei ist zwischen der Abtretung als solcher (ihrer „dinglichen“ Wirkung) und den schuldrechtlichen Vereinbarungen zu unterscheiden. Die Abtretung als solche wird gemäß Ziff. II.3. des Musters erst zu einem späteren Zeitpunkt beurkundet. Mit der vorliegenden Vereinbarung wird die Verpflichtung hierzu begründet und können entsprechende Vereinbarungen getroffen werden, die unabhängig von der Abtretung sofort oder zu einem anderweitig bestimmten Zeitpunkt wirksam werden sollen. Die Abtretung als solche kann sofort wirksam sein oder unter eine aufschiebende oder auflösende Bedingung gestellt werden. Insbesondere die Zahlung der Abfindung kommt als aufschiebende Bedingung in Betracht, wobei auf einen ausreichenden Nachweis zu achten ist, da ansonsten es dem Notar nicht möglich wäre, die aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen und zu einem späteren Zeitpunkt die Wirksamkeit der Abtretung in Frage gestellt werden könnte, vgl. M 36.1 (Rz. 8) Ziff. II. a.E. Im vorliegenden Text ist eine solche aufschiebende Bedingung nicht vorgesehen, weil anderweitige Sicherungen vorgesehen sind gemäß Ziff. VI.2. und 3. des Musters.
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A8 Stimmrecht: Mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft endet auch das Stimmrecht des Ausscheidenden. Wird das Ausscheiden – etwa weil die Abtretung des Geschäftsanteils wie hier erst später erklärt wird oder unter einer aufschiebenden Bedingung steht – erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam, sollte sein Stimmrecht in der Zwischenzeit ruhen bzw. bereits aufgrund einer entsprechend zu erteilenden Vollmacht durch den Erwerber oder einen Treuhänder ausgeübt werden. Sonst könnte der Ausscheidende noch Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen, obwohl er hieran nicht mehr beteiligt sein soll.
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A9 Gewinnbezugsrecht: Mit dem Wirksamwerden der Abtretung endet auch das Gewinnbezugsrecht des Ausscheidenden. Dieses Gewinnbezugsrecht ist untrennbar mit dem Mitgliedschaftsrecht als Gesellschafter verbunden (BGH, Urt. v. 14.9.1998 – II ZR 172/97, NJW 1998, 3646 [3647]; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 29 Rz. 12 ff.). Wird die Geschäftsanteilsabtretung – etwa wegen einer aufschiebenden Bedingung – erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam, ist es wichtig, den Gewinnanspruch des ausscheidenden Gesellschafters neben dem Abfindungsanspruch auszuschließen (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Anh. Rz. 22). Wird erst nach Wirksamwerden der Abtretung nach § 29 Abs. 2 GmbHG über die Gewinnverwendung beschlossen, steht der Gewinnanspruch allein dem Erwerber zu.
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Davon zu unterscheiden ist die Frage des schuldrechtlichen Ausgleichs zwischen Veräußerer und Erwerber. Nach der gesetzlichen Regelung in §§ 101 Nr. 2 Halbs. 2, 99 Abs. 2 BGB wäre der Gewinn zeitanteilig zwischen Veräußerer und Erwerber zu verteilen, d.h. nach der Dauer ihrer Beteiligung (BGH, Urt. v. 30.1.1995 – II ZR 45/94, BB 1995, 690; Urt. v. 30.6.2004 – VIII ZR 349/03, MDR 2004, 1125 = DNotI-Report 2004, 170). Eine Feststellung des Gewinns zum Stichtag des Ausscheidens könnte nur durch eine auf den Zeitpunkt des Ausscheidens errichtete (Zwischen-)Bilanz erreicht werden, was in der Regel wegen der damit verbundenen Kosten nicht in Betracht kommen wird, wenn das Ausscheiden nicht zum Geschäftsjahresende erfolgt. Die Vertragsteile können eine abweichende Regelung treffen. Praktisch wird – wie auch im vorliegenden Muster – häufig das Gewinnbezugsrecht für das gesamte laufende Geschäftsjahr sowie etwaige noch nicht ausgeschüttete Gewinne abgelaufener Geschäftsjahre dem Erwerber zugesprochen. Dadurch werden sowohl die Abgrenzung der Gewinnerzielung in den Zeiträumen, in denen der Veräußerer oder der Erwerber Gesellschafter waren, vermieden als auch Verschiebungen, die sich bei der zeitanteiligen Gewinnverteilung daraus ergeben können, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Geschäftsjahres unterschiedlich hohe Gewinne erzielt wurden. Eine Gewinnbeteiligung des Veräußerers 882
Schwarz
M 36.2
Gesellschaftsrecht
Rz. 25 Kap. 36
kann einfacher – wenn auch pauschaler – durch die entsprechende Bemessung seiner Abfindung oder einen Vorabgewinnausschüttungsbeschluss vor der Abtretung bewerkstelligt werden. Zu beachten ist auch die steuerliche Behandlung der Gewinnausschüttung. Gemäß § 20 19b Abs. 2a EStG ist steuerpflichtig derjenige, der zur Zeit des Gewinnverwendungsbeschlusses Gesellschafter ist. Zwischen Veräußerer und Erwerber hat daher ein Ausgleich für die Steuerschuld zu erfolgen, wenn dem Veräußerer noch Gewinne zustehen, über deren Ausschüttung erst nach seinem Ausscheiden beschlossen wird. Um einen Zufluss beim Veräußerer bei gleichzeitiger Besteuerung beim Erwerber zu vermeiden, wird als Alternative auch ein Vorabgewinnausschüttungsbeschluss noch vor dem Übergang des Geschäftsanteils empfohlen (Schuck, DStR 1996, 311; DNotI-Report 2004, 170). A10 Gesellschafter-Geschäftsführer: Für den Gesellschafter, der zugleich auch Geschäftsführer der Gesellschaft ist, ist zugleich mit seinem Ausscheiden als Gesellschafter die Beendigung seiner Organstellung als Geschäftsführer zu regeln. Die Amtsniederlegung wird einseitig durch den Geschäftsführer gegenüber allen Gesellschaftern erklärt (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 38 Rz. 38c). Alternativ kommt die Abberufung durch Gesellschafterbeschluss in Frage (vgl. hierzu M 36.3 [Rz. 36] zur Einziehung). Die Abberufung kommt auch hier in Betracht, da ohnehin die anderen Gesellschafter mitwirken.
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A11 Alternative für den Fall, dass kein weiterer Geschäftsführer vorhanden ist.
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A12 Alternative für den Fall, dass der ausscheidende Gesellschafter/Geschäftsführer die Handelsregistereintragung noch selbst in der Hand behalten möchte, v.a. um eine eventuelle Rechtsscheinhaftung aus dem Fortbestehen seiner Eintragung als Geschäftsführer zu vermeiden. Diese Alternative sollte aber nur gewählt werden, wenn die Gesellschaft noch weitere Geschäftsführer hat, damit die Gesellschaft handlungsfähig bleibt.
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A13 Aufhebung des Anstellungsverhältnisses: Von der Beendigung der Organstellung zu unterscheiden ist die Aufhebung des Anstellungsverhältnisses, die durch Aufhebung oder Kündigung des Anstellungsvertrages zu erfolgen hat. Die Beendigung des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers obliegt – ebenso wie sein Abschluss – der Gesellschafterversammlung, soweit in der Satzung nichts anderes geregelt ist, jedenfalls soweit ein innerer, nicht notwendig auch zeitlicher Zusammenhang mit der Abberufung als Geschäftsführer besteht (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 46 Rz. 24 ff. m.w.N.). Dabei sind auch die verbleibenden wirtschaftlichen Ansprüche wie Tantiemen, Rentenanwartschaften etc. des Geschäftsführers zu regeln.
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A14 Abfindungsklausel: Es handelt sich um eine „kleine“ Abfindungsklausel, mit der nur die angesprochenen Ansprüche aus dem Geschäftsführungsverhältnis geregelt werden. Mit einer „großen“ Abfindungsklausel könnten alle eventuell bestehenden wechselseitigen Ansprüche der Vertragsteile ausgeschlossen werden, vgl. hierzu M 29.1 (Kap. 29 Rz. 8) § 3 mit Anm. A6 (Kap. 29 Rz. 13).
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A15 Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters: Dreh- und Angelpunkt der Ver- 25 gleichsverhandlungen über das Ausscheiden eines Gesellschafters werden häufig die wirtschaftlichen Folgen sein, insbesondere die Bemessung der Abfindung des Ausscheidenden. Eine einvernehmliche Regelung wird durch die allgemeinen Probleme der Unternehmensbewertung erschwert. Einen Anhaltspunkt kann die Abfindungsregelung in der Satzung bieten, die unmittelbar nur in den dort geregelten Fällen der Kündigung oder Einziehung einschlägig sein wird. Diese berücksichtigt in der Regel das Fortführungsinteresse der verbleibenden Gesellschafter und führt dann zu einer Bewertung unter dem Verkehrswert. Problematisch sind Buchwertabfindungsklauseln. Besser geeignet sind am Verkehrswert oriSchwarz 883
Kap. 36 Rz. 25a
Vergleichsvereinbarungen
M 36.2
entierte Bewertungsverfahren, wie das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 11, 199 ff. BewertungsG) oder der vom Institut der Wirtschaftsprüfer vorgeschlagene Standard IDW S1 (vgl. M 22.6 Anm. A7 [Kap. 22 Rz. 65]). 25a
Insgesamt hängt die Angemessenheit aller Regelungen vom geschäftlichen Zuschnitt der Gesellschaft ab. Entscheidend sind ihr derzeitiger Status und die Prognose der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Zum Beispiel macht es einen Unterschied, ob die Gesellschaft einen etablierten Lieferbetrieb (z.B. Lebensmittelhandel mit regelmäßigen Einnahmen) hat oder sie ihren Geschäftsbereich unter Umständen mit einer neuen Geschäftsidee erst entwickelt (z.B. Software Release steht kurz bevor. Bislang wurden hohe Verluste mit Entwicklungskosten generiert und Gewinne sind erst zu erwarten, nachdem der Gesellschafter ausgeschieden ist). Im letztgenannten Fall kann durch einen sog. earn out die Abfindungszahlung von künftigen Gewinnen oder der Bewertung des Unternehmens in der Zukunft abhängig gemacht werden. Um einen Anreiz für das freiwillige Ausscheiden zu bieten, kommt es dabei auch in Betracht, den Ausscheidenden für eine bestimmte Zeit überproportional zu berücksichtigen. Auch wenn der aktuelle Unternehmenswert gering oder sogar negativ sein mag, kann es angemessen sein, den Ausscheidenden an künftigen Gewinnen oder einem künftigen Veräußerungserlös zu beteiligen. Dies ist z.B. ggf. bei den sog. Start Ups der Fall. Häufig generieren diese aktuell Verluste, haben aber trotzdem einen höheren Wert, der sich erst in der Zukunft nach dem Ausscheiden realisieren wird.
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A16 Bewertungsverfahren: Zu den häufigsten Bewertungsverfahren vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 20. Soweit eine Einigung über den Betrag der Abfindung nicht erzielt werden kann, bietet es sich an, zumindest das Verfahren der Bewertung zu bestimmen oder einen Schiedsgutachter zu benennen, der in einem vereinbarten oder von ihm nach billigem Ermessen bestimmten Verfahren (z.B. Buchwertabfindung, discounted cash flow, Umsatz mit Faktor) mit verbindlicher Wirkung über den Wert entscheidet.
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A17 Alternativ Kostenverteilung nach dem letzten Angebot, vgl. Kap. 22 Rz. 58 ff., M 22.6 (Kap. 22 Rz. 59) Ziff. 5.
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A18 Schuldner der Abfindung: Als der wirtschaftlich durch die Abtretung Begünstigte ist der Erwerber der Schuldner der Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters. Demgegenüber wird bei der Einziehung die Abfindung von den verbleibenden Gesellschaftern oder der Gesellschaft geschuldet.
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A19 Alternativ: Bürgschaft
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A20 Im Innenverhältnis können die verbleibenden Gesellschafter den Erwerber verpflichten, die Abfindungslast allein zu tragen.
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A21 Zweck der Regelung ist es, die Verzögerung der Benennung des Nachfolgers und damit der Auszahlung der Abfindung zulasten des ausscheidenden Gesellschafters zu verhindern.
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A22 Auszahlungsmodalitäten: Regelungsbedürftig sind weiterhin die Auszahlungsmodalitäten, also Zahlungsfrist, Verzinsung bis zur Fälligkeit etc.
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A23 Wettbewerbsverbot: Ein Wettbewerbsverbot besteht nicht generell für diejenigen Personen, die nur Gesellschafter und nicht zugleich Geschäftsführer sind. Die Umstände des Einzelfalls können aber auch für Gesellschafter ein Wettbewerbsverbot begründen (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 13 Rz. 29). Da viele Einzelheiten strittig sind, empfiehlt sich eine ausdrückliche Vereinbarung, so auch dazu, dass das Wettbewerbsverbot nach dem Ausscheiden des Gesellschafters fortwirkt. Dabei darf die Dauer nicht unange-
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Schwarz
M 36.3
Gesellschaftsrecht
Rz. 36 Kap. 36
messen lang sein. Das Wettbewerbsverbot für einen ausscheidenden Geschäftsführer ist zu vergüten. A24 Kosten: Die Kosten der notarielle Beurkundung der Vereinbarung bestimmen sich 34 nach dem Wert des Geschäftsanteils, also nach dem Abfindungsbetrag. Steht dieser noch nicht fest, kann der Wert für die Zwecke der Kostenberechnung zunächst geschätzt und die Kostenrechnung nach der endgültigen Wertbestimmung korrigiert werden. Es entsteht eine 2,0- Gebühr aus diesem Geschäftswert, KV 21100, § 47 GNotKG. Beispielsweise ist das bei einem Wert von 25 000 Euro eine Gebühr von 230 Euro oder bei 250 000 Euro eine Gebühr von 1070 Euro, durch die auch alle weiteren (Neben-)Vereinbarungen abgedeckt sind. Zusätzlich werden eine Dokumentenpauschale (Schreibgebühren) und Auslagen (Post, Telekommunikation etc.) sowie die Umsatzsteuer erhoben.
B. Ausscheiden aus einer Gesellschaft durch einvernehmliche Einziehung I. Einführung Vgl. zunächst die Einführung oben Rz. 1. Im Vergleich zur Geschäftsanteilsabtretung hat 35 die einvernehmliche Einziehung strengere Vorgaben. Während die Abtretung in der Regel allenfalls durch Vinkulierungsbestimmungen in der Satzung eingeschränkt ist,1 bestehen bei der Einziehung einschränkende gesetzliche Voraussetzungen. So muss – um hier nur die wichtigsten zu nennen (vgl. im Übrigen M 36.3 Anm. A2 [Rz. 37]) – die Einziehung in der Satzung vorgesehen sein, auch wenn sie im Einvernehmen mit dem ausscheidenden Gesellschafter erfolgt. Auf der Rechtsfolgenseite ist zu beachten, dass die nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der verbleibenden Gesellschafter ausgeschlossen ist, wenn dadurch gemäß § 5 Abs. 3 GmbHG unzulässige Beträge entstünden. Andererseits ist die Bildung eines eigenen Anteils der Gesellschaft an Stelle des eingezogenen nur zulässig, wenn alle Gesellschafter zustimmen und die gemäß § 272 Abs. 4 HGB, § 33 Abs. 2 GmbHG erforderlichen Rücklagen gebildet werden können. Kommen beide Wege nicht in Betracht, verbleibt eine Diskrepanz zwischen der Stammkapitalziffer und der Summe der Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile.2 Weiterhin steht die Einziehung unter der gesetzlichen Bedingung, dass die Abfindungszahlung nicht gegen §§ 30, 31 GmbHG verstößt. Bei diesen Einschränkungen können nachfolgend Ausweichgestaltungen angeboten werden. Wo diese nicht helfen, bleibt nur die Abtretung.
II. Muster M 36.3 Gesellschafterbeschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils I. Vorbemerkung/FeststellungenA1 Der Gesellschafter A ist mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 15 000 Euro am Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von insgesamt 60 000 Euro beteiligt und beabsichtigt, aus der 1 § 15 Abs. 5 GmbHG. 2 Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG unzulässig. Nach BGH, Urt. v. 2.12.2014 – II ZR 322/13, NJW 2015, 1385, ist der Beschluss über die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils nicht deshalb nichtig, weil die Gesellschafterversammlung nicht gleichzeitig Maßnahmen ergriffen hat, um ein Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der nach der Einziehung verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital der Gesellschaft zu verhindern.
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Kap. 36 Rz. 36
Vergleichsvereinbarungen
M 36.3
Gesellschaft auszuscheiden. Die Einziehung eines Geschäftsanteils mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters ist gemäß § 10 der Satzung zulässig.A2 Der Geschäftsanteil des Gesellschafters A ist in voller Höhe eingezahlt und weder mit einem Pfandrecht noch einem Nießbrauch oder sonstigen Rechten Dritter belastet.A3 II. GesellschafterversammlungA4 Unter Verzicht auf die Einhaltung aller Form- und Fristvorschriften halten die sämtlichen Gesellschafter der XY-GmbH hiermit eine Gesellschafterversammlung ab und beschließen mit allen Stimmen, was folgt:A5 1. Der Geschäftsanteil des Gesellschafters A im Nennbetrag von 15 000 Euro wird eingezogen. Der Gesellschafter A stimmt der Einziehung hiermit zu.A6 Ab sofort ruhen seine Gesellschafterrechte, insbesondere das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung und das Gewinnbezugsrecht. Die Einziehung ist sofort wirksam.A7 2. Die Geschäftsanteile der Gesellschafter B, C und D werden entsprechend anteiligA8 aufgestockt, und zwar der Geschäftsanteil des Gesellschafters B um 5000 Euro auf 20 000 Euro, der Geschäftsanteil des Gesellschafters C um 5000 Euro auf 20 000 Euro und der Geschäftsanteil des Gesellschafters D um 5000 Euro auf 20 000 Euro. Die Aufstockung erfolgt nur nominell, um eine Übereinstimmung zwischen der Summe der Stammeinlagen und dem unveränderten Stammkapital der Gesellschaft zu gewährleisten. Einlagen sind nicht zu erbringen. (Alternativ: Es wird ein neuer Geschäftsanteil im Nennbetrag von 15 000 Euro gebildet. Dieser steht der Gesellschaft zu)A9 3. Die AbfindungA10 des ausscheidenden Gesellschafters beträgt 200 000 Euro. Sie wird aus den künftigen Gewinnausschüttungen der Gesellschaft beglichen.A11 Der jeweils offene Betrag des Abfindungsguthabens ist mit jährlich 2 % über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die verbleibenden Gesellschafter treten ihre Gewinnbezugsansprüche jeweils zur Hälfte erfüllungshalber bis zur vollständigen Bezahlung von Abfindung und Zinsen an den ausscheidenden Gesellschafter ab. Die folgenden Maßnahmen der Gesellschaft dürfen bis zur Erfüllung des Abfindungsanspruchs des ausscheidenden Gesellschafters nur mit dessen EinwilligungA12 ergriffen werden: a) Änderung des Unternehmensgegenstands, b) wesentliche Ausweitung oder Einschränkung der Produktion, c) Investitionen mit einem Betrag von mehr als 50 000 Euro pro Jahr, d) Anstellungsverträge mit einem Jahresgehalt von mehr als 50 000 Euro pro Jahr, e) Kreditaufnahmen mit einem Betrag von mehr als 50 000 Euro pro Jahr. Die Einwilligung des ausscheidenden Gesellschafters darf nicht unbillig verweigert werden; sie ist insbesondere zu erteilen, wenn die Maßnahmen dem ordentlichen Geschäftsgang entsprechen. Werden diese Maßnahmen ohne die Einwilligung des ausscheidenden Gesellschafters getroffen, wird der Abfindungsbetrag sofort in voller Höhe zur Zahlung fällig. Schuldner ist in diesem Fall nicht die Gesellschaft, sondern die verbleibenden Gesellschafter als Gesamtschuldner. Zur Sicherung treten die verbleibenden Gesellschafter ihre gesamten derzeitigen und künftigen Ansprüche gegen die Gesellschaft, insbesondere auf Gewinnausschüttung und Darlehensrückzahlung, an den ausscheidenden Gesellschafter ab. Die verbleibenden Gesellschafter verpflichten sich, sich als Gesamtschuldner wegen der Zahlung eines Betrages von 200 000 Euro in notarieller UrkundeA13 der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen zu unterwerfen. (Alternativ:A14 Die Abfindung für die Einziehung bestimmt sich nach den Regelungen der Satzung. Der Geschäftsführer der Gesellschaft wird beauftragt, den Abfindungsbetrag ermitteln
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Schwarz
M 36.3
Gesellschaftsrecht
Rz. 39 Kap. 36
zu lassen und die Auszahlung an den ausscheidenden Gesellschafter gemäß den Bestimmungen der Satzung zu veranlassen.) 4. A wird als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abberufen. Der Geschäftsführer B wird ermächtigt, das Anstellungsverhältnis des A mit der Gesellschaft durch Aufhebungsvereinbarung zu beenden. A stimmt der Abberufung und der Aufhebung des Anstellungsvertrages hiermit unwiderruflich zu. 5. (Satzungsänderungen)A15 6. (Kosten)A16
Anmerkungen zu Muster M 36.3 A1 Sachverhalt: S.o. M 36.2 Anm. A1 (Rz. 12). Die Satzung der Gesellschaft gestattet die Einziehung bei Zustimmung des betroffenen Gesellschafters. Das Stammkapital der Gesellschaft ist in voller Höhe eingezahlt. Die Vermögenssituation der Gesellschaft erlaubt keine Abfindung aus dem Gesellschaftsvermögen und die verbleibenden Gesellschafter sind nicht bereit, die Abfindungslast zu übernehmen. Die Abfindung soll daher aus künftigen Gewinnen der Gesellschaft finanziert werden (earn out).
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A2 Zulassung in der Satzung: Die Einziehung eines Geschäftsanteils setzt gemäß § 34 37 Abs. 1 GmbHG stets die Zulassung in der Satzung voraus, also nicht nur in den Fällen der zwangsweisen Einziehung gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters, sondern auch wenn dieser seine Zustimmung erteilt. Denn durch das Ausscheiden können die Verhältnisse der verbleibenden Gesellschafter untereinander verändert werden, etwa durch die Verschiebung der Stimmenverhältnisse oder die Erhöhung der gesellschaftsrechtlichen Pflichten der verbleibenden Gesellschafter (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 4; Scholz, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, § 34 Rz. 7; Hach/Ulmer, GmbHG, § 34 Rz. 14). Fehlt bislang eine entsprechende Satzungsbestimmung, kann diese gleichzeitig beschlossen werden. Wegen § 53 Abs. 3 GmbHG ist hierzu nach h.M ein einstimmiger Beschluss erforderlich (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 5 m.w.N.). Die Satzungsänderung wird erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister wirksam. Der Einziehungsbeschluss kann daher gleichzeitig mit dem Beschluss über die Satzungsänderung gefasst werden, steht jedoch unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister und wird dann aber erst mit dieser Eintragung wirksam. A3 Mitwirkung Dritter: Auch der verpfändete oder gepfändete Geschäftsanteil kann 38 grundsätzlich eingezogen werden. Für die Einziehung ohne die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters ist die zwangsweise Pfändung des Geschäftsanteils sogar einer der am häufigsten in der Satzung geregelten Einziehungsgründe. Das Pfandrecht setzt sich nach der Einziehung am Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters fort (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 16 Rz. 61). Jedoch beinhaltet die Pfändung gemäß § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein Verfügungsverbot und in der Zustimmung des Gesellschafters zur Einziehung gemäß § 34 Abs. 2 GmbHG kann eine beeinträchtigende Verfügung des ausscheidenden Gesellschafters gesehen werden (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 16 Rz. 61; Scholz, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, § 34 Rz. 174, Hachenburg/Zutt, GmbHG, 8. Aufl. 2002, Anh. Rz. 81). Bei einem Pfandrecht am Geschäftsanteil ist demzufolge die einvernehmliche Einziehung nur mit der Zustimmung des Pfandgläubigers zulässig. A4 Verfahren: Der gemäß §§ 34, 46 Nr. 4 GmbHG erforderliche Gesellschafterbeschluss 39 kann mit einfacher Mehrheit gefasst werden und bedarf keiner besonderen Form. Bei der Einziehung ohne Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters teilt der Geschäftsführer auf der Grundlage des Gesellschafterbeschlusses die Einziehung dem ausscheidenden GeSchwarz 887
Kap. 36 Rz. 40
Vergleichsvereinbarungen
M 36.3
sellschafter mit. Nach h.M. ist eine solche gesonderte Mitteilung entbehrlich, wenn der ausscheidende Gesellschafter an der Beschlussfassung teilnimmt (RG, JW 1934, 977; Baumbach/ Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 12; Scholz, GmbHG, Bd. 1, 11. Aufl. 2012, § 34 Rz. 44; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 34 Rz. 12; a.A. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 34 Rz. 14). Flankierend können weitere Beschlüsse erforderlich sein, z.B. zur Abberufung als Geschäftsführer, Satzungsänderungen etc., ebenso Vereinbarungen zu Gegenständen, die nicht einer Regelung durch Beschluss zugänglich sind, wie der Aufhebung des Anstellungsverhältnisses, das der Geschäftsführertätigkeit zumeist zugrunde liegt. 40
A5 Form: Der Einziehungsbeschluss als solcher ist nicht beurkundungspflichtig, auch nicht soweit es um die Erhöhung des Nennbetrags der verbleibenden Geschäftsanteile geht, denn eine Satzungsänderung liegt hierin nicht (h.M. vgl. Heidenhain/Meister, Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, IV.105 Anm. 4 m.w.N.). Werden jedoch Satzungsänderungen beschlossen, ist dies beurkundungspflichtig.
41
A6 Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters: Für die hier interessierenden Fälle des einvernehmlichen Ausscheidens eines Gesellschafters ist außerdem dessen Zustimmung Voraussetzung der Einziehung. Sie ist gegenüber der Gesellschaft oder der Gesellschafterversammlung zu erklären, formlos gültig und kann zur Zeit des Einziehungsbeschlusses vorliegen oder nach diesem erteilt werden (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 8). Nachdem die Zustimmung einmal erklärt und der entsprechende Gesellschafterbeschluss gefasst wurde, ist ein späterer Widerruf der Zustimmung unbeachtlich. Dogmatisch streng genommen ist die Zustimmungserklärung nicht Beschlussgegenstand, sondern rechtsgeschäftliche Erklärung des Gesellschafters A. Aus Gründen der redaktionellen Vereinfachung werden solche aber praktisch häufig mit dem Beschluss verbunden. Auch vertragliche Vereinbarungen (z.B. zur Gewährleistung für den Geschäftsanteil, die Aufhebung von Darlehensverträgen, die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots etc.) sind in diesem Zusammenhang unproblematisch, wenn die Gesellschafter einstimmig handeln und daher die Willenserklärungen aller Beteiligten korrespondieren.
41a
A7 BGH, Urt. v. 24.1.2012 – II ZR 109/11, DNotZ 2012, 464 = GmbHR 2012, 387.
42
A8 Rechtsfolge der Einziehung ist neben einem Anspruch auf Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters (vgl. hierzu Anm. A10 [Rz. 44]) der Untergang des Geschäftsanteils. Dass dann die Summe der verbleibenden Geschäftsanteile nicht mehr mit der Stammkapitalziffer übereinstimmt, sollte tunlichst vermieden werden. Denn nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ist die Diskrepanz unzulässig, auch wenn nach BGH, Urt. v. 2.12.2014 – II ZR 322/13, NJW 2015, 1385, der Beschluss über die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils nicht deshalb nichtig ist, weil die Gesellschafterversammlung nicht gleichzeitig Maßnahmen ergriffen hat, um ein Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der nach der Einziehung verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital der Gesellschaft zu verhindern (h.M., str. vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 16 m.w.N.). Die bisherigen Beteiligungsverhältnisse müssen gewahrt bleiben. Eine Anpassung kann durch die (nominelle) Aufstockung der verbleibenden Geschäftsanteile erfolgen oder die Neubildung eines Geschäftsanteils als eigener Geschäftsanteil der Gesellschaft (vgl. Anm. A9 [Rz. 43]).
42a
Bei einer nominellen Aufstockung sind die Stückelungsvorschriften, insbesondere § 5 Abs. 3 GmbHG, zu beachten, so dass diese bei unteilbaren Spitzenbeträgen ausscheidet. Steht der nominellen Aufstockung die Stückelungsvorschrift des § 5 Abs. 3 GmbHG entgegen (unteilbare Spitzenbeträge), ist nur die Bildung eines neuen Geschäftsanteils möglich, vgl. Alternativvorschlag. Nach a.A. (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 34 Rz. 2) müssen Stammkapital und Summe der verbleibenden Geschäftsanteile übereinstimmen und wer888
Schwarz
M 36.3
Gesellschaftsrecht
Rz. 44b Kap. 36
den die verbleibenden Geschäftsanteile kraft Gesetzes aufgestockt. Nach dieser Auffassung scheidet die Einziehung also aus, wenn die Aufstockung nicht möglich ist. A9 Neubildung eines eigenen Anteils: Bei der Neubildung eines eigenen Anteils der Ge- 43 sellschaft ist eine Kapitalerhöhung nicht erforderlich (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 16 m.w.N.). Jedoch muss die gemäß § 272 Abs. 4 HGB, § 33 Abs. 2 GmbHG erforderliche Rücklage gebildet werden können. Strittig ist, ob für die Bildung eines eigenen Anteils der Gesellschaft die Zustimmung aller verbleibenden Gesellschafter erforderlich ist, weil sich deren mit der Einziehung angefallene Beteiligungsrechte vermindern (Baumbach/ Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 16; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 34 Rz. 34; Meyer-Landrut, GmbHG, § 34 Rz. 11; Heidenhain/Meister, Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1 Gesellschaftsrecht, IV.105 Anm. 4 a.E.), oder ob eine qualifizierte Mehrheit ausreicht (Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 34 Rz. 66; Scholz, GmbHG, Bd.1, 11. Aufl. 2012, § 34 Rz. 66). A10 Abfindung: Rechtsfolge der Einziehung ist auch ein Anspruch des ausscheidenden Ge- 44 sellschafters auf Abfindung, der durch die Satzung nicht ausgeschlossen, sondern – unter Berücksichtigung der Grundsätze der Gleichbehandlung und des Gläubigerschutzes – allenfalls eingeschränkt werden kann. Mittelbar wirkt sich der Abfindungsanspruch auch auf die Zulässigkeit der Einziehung aus. Denn der Einziehungsbeschluss ist gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG, § 241 Nr. 3 AktG analog nichtig, wenn bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung nach der Vermögenslage der Gesellschaft nur aus dem Stammkapital erfolgen kann. § 30 GmbHG ist auch auf den ausscheidenden Gesellschafter anwendbar, wenn ein Bezug zur Gesellschafterstellung besteht und die Leistung beim Ausscheiden konkret vorgesehen ist (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 30 Rz. 20 a.E. m.w.N.). Ist dies bei Beschlussfassung noch nicht absehbar, geht die h.M. davon aus, dass der Einziehungsbeschluss zur Sicherung des ausscheidenden Gesellschafters von Gesetzes wegen zwingend unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass die Zahlung der Abfindung ohne Beeinträchtigung des Stammkapitals erfolgt (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 24 m.w.N.). Bis zur vollständigen Zahlung der Abfindung bleiben der Geschäftsanteil und damit die Gesellschafterstellung mit allen Rechten bestehen, wenn ihre Ausübung auch durch Treuepflichten des ausscheidenden Gesellschafters gebunden ist. Sind die Voraussetzungen und Folgen der Einziehung nicht schon in der Satzung festgelegt, 44a ist es daher umso wichtiger, sie in der Ausscheidensvereinbarung zu regeln. Das gilt insbesondere für das Ruhen der Gesellschafterrechte, um nicht auf die unbestimmten Auswirkungen der Treuepflichten rekurrieren zu müssen, und für die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters. Der ausscheidende Gesellschafter sollte seine Zustimmung zur Einziehung nur erteilen, wenn die Frage der Abfindung in seinem Sinne geregelt ist. Andererseits steht die ordnungsgemäße Regelung auch im Interesse der verbleibenden Gesellschafter, da ansonsten lange Abfindungsstreitigkeiten oder andere Unsicherheiten über die Wirksamkeit der Einziehung zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Zur Lösung des Problems bietet es sich an, dass die verbleibenden Gesellschafter die Abfin- 44b dungslast übernehmen (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Anh. Rz. 21) oder anderweitig Sicherheit durch Bankbürgschaft o.Ä. geleistet wird. Sind sie – wie im Beispielsfall angenommen – dazu nicht bereit, kann die Zahlung der Abfindung durch die Gesellschaft gestundet werden, bis die Auszahlung unter Berücksichtigung der Kapitalerhaltungsgrundsätze erfolgen kann. In der Zwischenzeit ist der ausscheidende Gesellschafter zu sichern, indem die Wertschöpfung in der Gesellschaft erhalten wird. Hierzu kann die Ausschüttung von Gewinnen untersagt werden, bis die Abfindung bezahlt ist. Zur Sicherung oder erfüllungshalber kann der Gewinnanspruch der verbleibenden Gesellschafter an den ausscheidenden
Schwarz 889
Kap. 36 Rz. 44c
Vergleichsvereinbarungen
M 36.3
abgetreten werden, ggf. nur mit einem bestimmten Prozentsatz, wenn auch den verbleibenden Gesellschaftern eine Gewinnausschüttung zukommen soll. 44c
Eine Änderung oder Ausweitung der Geschäftstätigkeit, die Aufnahme von Darlehen oder kostenträchtige Investitionen können von der Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters abhängig gemacht werden. Ein Verstoß gegen diese Sicherungsregelungen kann mit der persönlichen Haftung der verbleibenden Gesellschafter und der sofortigen Fälligstellung der Abfindung sanktioniert werden.
44d
Noch stärker an die künftige Gewinnsituation der Gesellschaft gekoppelt bleibt der ausscheidende Gesellschafter, wenn kein fester Abfindungsbetrag festgesetzt wird, sondern lediglich eine bestimmte Quote und Dauer der Gewinnbeteiligung des ausscheidenden Gesellschafters. Für die verbleibenden Gesellschafter hat dies den Vorteil, dass sie nur entsprechend ihrer künftigen wirtschaftlichen Situation belastet werden. Der Nachteil des Ausscheidenden besteht in eben dieser Abhängigkeit. Diese Koppelung dürfte daher praktisch ausscheiden.
45
A11 “Earn out“ als Regelungsalternative für den im Beispiel einschlägigen Fall, dass die Abfindung aufgrund der gegenwärtigen Vermögenssituation der Gesellschaft von dieser nicht ausgezahlt werden kann, auch die verbleibenden Gesellschafter nicht die persönliche Haftung übernehmen und die Auszahlung der Abfindung daher gestundet wird.
46
A12 § 183 Satz 1 BGB.
47
A13 § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.
48
A14 Vgl. auch die Regelungen beim Muster für die Abtretung M 36.2 Anm. A15 (Rz. 25 ff.).
49
A15 Satzungsänderungen: Die Satzung ist den veränderten Beteiligungsverhältnissen anzupassen, z.B. zu der Frage, ob Sperrminoritäten noch gewahr sind, Sonderrechte des Ausscheidenden zu tilgen sind etc.
50
A16 Kosten: Die Beurkundung des Einziehungsbeschlusses wird mit einer 2,0-Gebühr bewertet, KV 21100. Der Geschäftswert bestimmt sich nach dem Abfindungsbetrag, §§ 46, 54 GNotKG. Bei 200 000 Euro entsteht damit eine Gebühr von 870 Euro. Separat zu bewerten sind die Satzungsänderungen und die Änderungen bei der Geschäftsführung (Abberufung und ggf. Neubestellung eines Geschäftsführers), für die bei einem Geschäftswert von 60 000 Euro insgesamt eine Gebühr von 384 Euro entsteht. Werden wie hier alle Beschlüsse in einer Urkunde gefasst, entsteht bei einem Geschäftswert von 260 000 Euro wegen der degressiven Gebührenstaffel der Kostenordnung insgesamt nur eine Gebühr von 1070 Euro zuzüglich Nebenkosten (Dokumentenpauschale, Auslagen, Umsatzsteuer).
890
Schwarz
Kapitel 37
Vergleichsvereinbarungen im Arbeitsrecht
A. Der Aufhebungsvertrag I. Einführung 1. Interessenlage der Parteien und strategische Überlegungen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessenlage des Arbeitgebers . . . . . . b) Interessenlage des Arbeitnehmers . . . . 2. Definition und wirksames Zustandekommen des Aufhebungsvertrages. . . . . . 3. Widerruflichkeit von Aufhebungsverträgen a) Kein Widerrufsrecht nach § 312 BGB. b) Tarifliche Widerrufsrechte . . . . . . . . . . 4. Befristungskontrolle von Aufhebungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers a) Gesetzliche Hinweis- und Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung des BAG. . . . . . . . . . . 6. Anfechtung von Aufhebungsverträgen. . . a) Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB . . b) Täuschungsanfechtung nach § 123 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 BGB . . . . . . . . . . 7. Sozialversicherungsrechtliche Folgen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages a) Sozialversicherungsrechtliche Folgen für den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . aa) Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III bb) Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung nach § 159a SGB III . . b) Sozialversicherungsrechtliche Risiken für den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . 8. Steuerrechtliche Optimierung von Aufhebungsverträgen a) Steuerfreie Leistungen . . . . . . . . . . . . . b) Steuerbegünstigte Leistungen . . . . . . . c) Steuerbegünstigte Zahlungen für die betriebliche Altersvorsorge . . . . . . . . .
1 2 6 8 15 17 18
19 21 24 25 26 28
29 30 37 41 42 44 46
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 37.1 Aufhebungsvertrag. . . . . . . . . . . .
49 49
B. Der Abwicklungsvertrag I. Einführung 1. Interessenlage der Parteien und strategische Überlegungen bei Abschluss eines Abwicklungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . .
76
2. Definition und wirksames Zustandekommen des Abwicklungsvertrages . . . . . 3. Widerruflichkeit von Abwicklungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Befristungskontrolle von Abwicklungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers a) Gesetzliche Hinweis- und Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung des BAG . . . . . . . . . . . 6. Die Anfechtung von Abwicklungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sozialversicherungsrechtliche Folgen des Abschlusses eines Abwicklungsvertrages a) Sozialversicherungsrechtliche Folgen für den Arbeitnehmer aa) Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung nach § 159 SGB III . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Risiken für den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . 8. Steuerrechtliche Optimierung von Abwicklungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 37.2 Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . .
78 80 82
83 84 85
86 94 95 96 97 97
C. Die Kündigung nach § 1a KSchG I. Einführung 1. Interessenlage der Parteien und strategische Überlegungen bei Ausspruch einer Kündigung nach § 1a KSchG . . . . . . . . . . 105 2. Rechtsnatur, Voraussetzung und Höhe des Abfindungsanspruchs a) Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Voraussetzungen des Abfindungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Höhe des Abfindungsanspruchs . . . . . 113 3. Sozialversicherungsrechtliche Folgen einer Kündigung nach § 1a KSchG a) Sozialversicherungsrechtliche Folgen für den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . 114 b) Die sozialversicherungsrechtlichen Risiken für den Arbeitgeber . . . . . . . . . 118 4. Steuerrechtliche Behandlung der Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Rid 891
Kap. 37 Rz. 1
Vergleichsvereinbarungen
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 M 37.3 Kündigung nach § 1a KSchG . . . 120 D. Vereinbarungen bei streitiger Arbeitnehmereigenschaft I. Einführung 1. Interessenlage der Parteien . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Risiken der Scheinselbstständigkeit a) Sozialversicherungsrechtliche Risiken b) Lohnsteuerrechtliche Risiken. . . . . . . .
130
c) Arbeitsrechtliche Risiken . . . . . . . . . . . aa) Statusfeststellungsklage zum Arbeitsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kündigungsschutzklage. . . . . . . . . 4. Lösungsansätze a) Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund . . . . . . . . . . b) Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . .
133 139
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 M 37.4 Aufhebungsvereinbarung bei zweifelhafter Arbeitnehmereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
128
142 143 144 145 147
Literatur: Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Aufl. 2014; Bengelsdorf, Aufhebungsvertrag und Abfindungsvereinbarungen, 5. Aufl. 2011; Bernhardt, Alternativen zur Kündigung, 2. Aufl. 2012; Hjort, Aufhebungsvertrag und Abfindung, 5. Aufl. 2015; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 16. Aufl. 2015, § 122; Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 5. Aufl. 2009.
A. Der Aufhebungsvertrag I. Einführung 1. Interessenlage der Parteien und strategische Überlegungen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages 1
Die Trennung von Mitarbeitern gehört zum täglichen Brot jedes arbeitsrechtlichen Praktikers. Häufig geschieht dies ohne Ausspruch einer Kündigung und ohne gerichtliche Auseinandersetzung im Wege des Aufhebungsvertrages. Ob der Weg zu den Arbeitsgerichten der richtige ist oder eine außergerichtliche Streitbeilegung, hängt von verschiedenen strategischen Überlegungen ab: a) Interessenlage des Arbeitgebers
2
Das Interesse des Arbeitgebers, einen zeit- und kostenintensiven Kündigungsschutzprozess zu vermeiden, besteht in der Regel dann, wenn es darum geht, einen Personalabbau, von dem mehrere Mitarbeiter betroffen sind, schnell und unbürokratisch durchzuführen; das heißt betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung liegen zwar vor, es bestehen jedoch Risiken mit Blick auf die soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 KSchG. Auch bei der Trennung von einzelnen leistungsschwachen oder „unliebsamen“ Mitarbeitern greift der Arbeitgeber gerne zum Instrument des Aufhebungsvertrages, wenn die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung fraglich sind, etwa weil Abmahnungen oder eine Dokumentation von Leistungsmängeln in der Personalakte fehlen. Auch der Wunsch des Arbeitnehmers, aus dem Unternehmen auszuscheiden, kann Anlass für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages sein.
3
Bei der Trennung per Aufhebungsvertrag muss der Arbeitgeber die vielfältigen Formalien, die vor Ausspruch einer Kündigung zu beachten sind, nicht einhalten: Der Betriebsrat ist vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht anzuhören; die Zustimmung des Integrationsamtes bei der Trennung von einem schwerbehinderten Mitarbeiter, die vor Ausspruch 892
Rid
Arbeitsrecht
Rz. 9 Kap. 37
einer Kündigung vorliegen muss (§ 85 SGB IX), ist entbehrlich. Das Gleiche gilt für die Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamts vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Schwangeren oder einem Mitarbeiter in Elternzeit (§ 9 Abs. 3 MuSchG, § 18 BEEG). Dagegen wird der Arbeitgeber in Fällen, in denen ein außerordentlicher Kündigungs- 4 grund vorliegt oder eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommt, eher selten von sich aus das Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages unterbreiten. Einstweilen frei.
5
b) Interessenlage des Arbeitnehmers Die Interessenlage des Arbeitnehmers hängt wesentlich von seiner persönlichen Lebensplanung ab. Ein Aufhebungsvertrag mit Abfindungsangebot kann dann attraktiv sein, wenn der Betroffene bereits die Einstellungszusage eines neuen Arbeitgebers erhalten hat oder sich aufgrund seiner Qualifikation und der Arbeitsmarktsituation sicher sein kann, bald wieder eine neue Stelle antreten zu können. Wäre eine Arbeitgeberkündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksam, ist es aus Arbeitnehmersicht ebenfalls vorteilhaft, auf ein Aufhebungsvertragsangebot einzugehen, anstatt einen Kündigungsschutzprozess zu führen mit dem Risiko, am Ende leer auszugehen.
6
Dem Arbeitnehmer geht es darum, eine möglichst hohe Abfindung zu verhandeln, die 7 steuerlich optimiert ausbezahlt wird, und um seine soziale Absicherung. Im Vordergrund steht daher eine Vertragsgestaltung, bei der im Anschluss an das Ende des Arbeitsverhältnisses der nahtlose Bezug von Arbeitslosengeld und das Ausschöpfen der vollen Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes sichergestellt werden kann. Ist die ordentliche Kündigungsfrist kurz, versucht der Arbeitnehmer in der Regel ein hinausgeschobenes Vertragsende zu verhandeln, um sich aus einem noch laufenden Arbeitsverhältnis neu bewerben zu können. 2. Definition und wirksames Zustandekommen des Aufhebungsvertrages Der Aufhebungsvertrag setzt übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragspartei- 8 en voraus, wonach das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet wird. Der Aufhebungsvertrag ist somit konstitutiv für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Kündigung geht nicht voraus. Wurde von einer der beiden Seiten bereits eine Kündigung ausgesprochen und einigen sich die Parteien im Nachgang dahingehend, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis wirksam beendet, spricht man von einem Abwicklungsvertrag (vgl. Rz. 76 ff.). Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen eines Aufhebungsvertrags ist die Unter- 9 zeichnung des Vertragswerks durch beide Parteien im Original. Die elektronische Form ist ausgeschlossen (§ 623 BGB). Aufhebungsverträge, die per Fax oder E-Mail ausgetauscht werden, sind demnach unwirksam. Nicht erfüllt ist die gesetzliche Schriftform, wenn ein Vertragsabschluss nur einseitig schriftlich bestätigt wird oder wenn jeder Vertragsbeteiligte nur seine eigene (Angebots- oder Annahme)-Erklärung unterschreibt. Nach der Rechtsprechung kann ein Aufhebungsvertrag, der nicht der Schriftform entspricht, jedoch als wirksam behandelt werden, wenn die Berufung auf die Unwirksamkeit mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Dies kann dann der Fall sein, wenn sich der Erklärende mit der Berufung auf den Formmangel zu eigenem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch setzt (venire contra factum proprium), z.B. wenn der Arbeitnehmer seiner Beendigungsabsicht mit ganz besonderer Verbindlichkeit und Endgültigkeit mehrfach Ausdruck verliehen und damit einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Im konkreten Fall war die ArRid 893
Kap. 37 Rz. 10
Vergleichsvereinbarungen
beitnehmerin „mit fliegenden Fahnen“ zu einem Schweizer Schwesterunternehmen gegangen und hatte dort die Arbeit aufgenommen. Sie hatte außerdem ein Zeugnis des früheren Arbeitgebers erhalten, in dem ihr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses attestiert wird.1 10
Verträge zwischen Arbeitsvertragsparteien unterliegen einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, wenn es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, die vom Arbeitgeber gestellt werden. Dies ist bei den meisten Aufhebungsverträgen der Fall. Die Beendigungsvereinbarung als solche unterliegt jedoch keiner Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, weil durch die Beendigungsvereinbarung nicht von Rechtsvorschriften abgewichen wird. Sie stellt vielmehr den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung dar.2
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Der sonstige Inhalt einer formularmäßigen Aufhebungsvereinbarung ist dagegen kontrollfähig nach §§ 305 ff. BGB.
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Setzt ein Unternehmen das Instrument des Aufhebungsvertrages gehäuft ein, um einen Personalabbau ohne Rechtsstreitigkeiten umzusetzen, kann es sich dabei um eine Massenentlassung im Sinne des § 17 KSchG handeln. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn Aufhebungsverträge auf Initiative des Arbeitgebers im Zuge einer konkret geplanten Reorganisation abgeschlossen werden und dadurch betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden sollen.3 Eine Massenentlassung ist nach § 17 KSchG anzeigepflichtig gegenüber der Agentur für Arbeit, wenn die in § 17 Abs. 1 KSchG genannten Schwellenwerte innerhalb von 30 Kalendertagen erreicht werden. Hat das Unternehmen einen Betriebsrat, muss es vor der Erstattung der Anzeige das sog. Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem Betriebsrat durchführen und der Massenentlassungsanzeige die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen beifügen.
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Ein Verstoß gegen die Konsultations- und Anzeigepflicht führt zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages. Der Arbeitnehmer kann auf die Einhaltung der Vorschriften des § 17 KSchG nicht wirksam verzichten.4 Auf die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages kann sich der Arbeitnehmer – in den Grenzen der Verwirkung – auch noch lange Zeit danach berufen. Er muss sie nicht innerhalb bestimmter Fristen gerichtlich geltend machen.
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Derzeit erfreuen sich bei Umstrukturierungen sog. Freiwilligenprogramme besonderer Beliebtheit, mit denen Unternehmen massenweise Arbeitnehmer ansprechen, um sie zum freiwilligen Ausscheiden zu bewegen. Hier muss darauf geachtet werden, dass entweder innerhalb des 30-Tages-Zeitraums nicht mehr als die nach § 17 KSchG zugelassene Zahl an Entlassungen zustande kommt oder dass das Verfahren nach § 17 KSchG eingehalten wird. 3. Widerruflichkeit von Aufhebungsverträgen a) Kein Widerrufsrecht nach § 312 BGB
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Eine am Arbeitsplatz geschlossene arbeitsrechtliche Beendigungsvereinbarung ist kein Haustürgeschäft im Sinne des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB. Daher hat der Arbeitnehmer kein gesetzliches Widerrufsrecht.5
1 Hessisches LAG, Urt. v. 26.2.2013 – 13 Sa 845/12. 2 BAG, Urt. v. 22.4.2004 – 2 AZR 281/03, NZA 2004, 1295; Urt. v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, NZA 2004, 603; Urt. v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148. 3 BAG, Urt. v. 13.11.1996 – 10 AZR 340/96, NZA 1997, 390; Urt. v. 11.3.1999 – 2 AZR 461/98, MDR 1999, 1072 = NZA 1999, 761; Urt. v. 19.3.2015 – 8 AZR 119/14. 4 BAG, Urt. v. 11.3.1999 – 2 AZR 261/98, NZA 1991, 761. 5 BAG, Urt. v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.5.2004 – 3 Sa 82/04, AuA 2004, Nr. 11, 48; BAG, Urt. v. 3.6.2004 – 2 AZR 427/03, n.v.
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Arbeitsrecht
Rz. 20 Kap. 37
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, dem Mitarbeiter vor Abschluss einer Aufhebungsver- 16 einbarung eine Bedenkzeit einzuräumen oder im Aufhebungsvertrag ein vertragliches Rücktrittsrecht vorzusehen.1 b) Tarifliche Widerrufsrechte Im Einzelfall muss jeweils überprüft werden, ob im Geltungsbereich eines Tarifvertrages 17 dieser Tarifvertrag dem Arbeitnehmer ein Widerrufsrecht einräumt. Dies ist z.B. in den Manteltarifverträgen für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern der Fall. 4. Befristungskontrolle von Aufhebungsvereinbarungen Es gibt Konstellationen, in denen dem Unternehmen daran liegt, ein Arbeitsverhältnis zu ei- 18 nem weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu beenden, etwa weil der Arbeitsplatz langfristig mit einer jüngeren Ersatzkraft besetzt und Planungssicherheit für die Zukunft erreicht werden soll. Hier ist Vorsicht geboten. Denn Aufhebungsvereinbarungen, die sich auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses richten, werden nach den Grundsätzen des Befristungsrechts kontrolliert (§§ 14 ff. TzBfG). Dafür spricht, wenn die vereinbarte Auslauffrist die geltende Kündigungsfrist um ein Vielfaches übersteigt.2 Gibt es für die Befristung keinen sachlichen Grund, ist der Aufhebungsvertrag unwirksam. Auf die Unwirksamkeit kann sich der Arbeitnehmer noch bis zum Ablauf von drei Wochen nach dem geplanten Ende des Arbeitsvertrages berufen, indem er Klage zum Arbeitsgericht einreicht (§ 17 TzBfG). 5. Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers a) Gesetzliche Hinweis- und Aufklärungspflichten Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III sollen die Arbeitgeber die Arbeitnehmer vor der Be- 19 endigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der Agentur für Arbeit informieren (vgl. § 37b SGB III). Welche Folgen eine Verletzung der Hinweispflicht nach sich zieht, war höchstrichterlich 20 zunächst ungeklärt. Nach der zutreffenden Literaturauffassung begründet ein Verstoß keine Schadensersatzverpflichtung des Arbeitgebers.3 Dieser Auffassung hat sich das BAG angeschlossen. Weder gibt es eine Nebenpflicht zur Aufklärung aus § 242 BGB, noch stellt § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar.4 In der Sozialgerichtsbarkeit hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach abgelehnt.5 Ein solcher sei vom Schutzzweck der öffentlichrechtlichen Soll-Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht erfasst.
1 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.7.2015 – 5 Sa 24/15. 2 BAG, Urt. v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718: Auslauffrist von drei Jahren statt Kündigungsfrist von fünf Monaten; Urt. v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01, NZA 2002, 1000: Auslauffrist von dreieinhalb Monaten statt Kündigungsfrist von zwei Wochen; Urt. v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348. 3 Bauer/Kretz, NJW 2003, 537 (541). 4 BAG, Urt. v. 29.9.2005 – 8 AZR 571/04, MDR 2006, 520 = NZA 2005, 1406 = ArbRB 2006, 36; ebenso schon AG Verden, Urt. v. 27.11.2003 – 3 Ca 1567/03, BB 2004, 1632 ff. 5 LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 9.6.2004 – L3 AL 1267/04, AuB 2004, 364.
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Kap. 37 Rz. 21
Vergleichsvereinbarungen
b) Rechtsprechung des BAG 21
Nach der Rechtsprechung des BAG können sich Hinweis- und Aufklärungspflichten aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. Grundsätzlich bestehen keine Aufklärungspflichten über die sozialversicherungsrechtlichen, steuerrechtlichen oder sonstigen Nachteile, die infolge eines Aufhebungsvertrages eintreten können.1
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Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Aufhebungsvereinbarung vom Arbeitgeber veranlasst ist und dem Arbeitnehmer erhebliche atypische Nachteile drohen. Dies wurde z.B. bejaht in einem Fall, in dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kurz vor Erreichen der Altersgrenze auf Veranlassung des Arbeitgebers für die Arbeitnehmerin die Folge hatte, dass sie anstelle einer Versorgungsrente in Höhe von 925 DM nur noch eine Versichertenrente in Höhe von 160 DM erhielt.2
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Vorsicht ist geboten, wenn der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber konkrete Auskünfte über die sozialversicherungsrechtlichen oder steuerrechtlichen Folgen oder über die Konsequenzen für Versorgungsansprüche verlangt. Erteilt der Arbeitgeber auf Rückfrage falsche oder unvollständige Auskünfte, macht er sich schadensersatzpflichtig.3 Er wird also gut daran tun, den Arbeitnehmer darauf zu verweisen, er möge sich bei den entsprechenden Behörden selbst kundig machen (Bundesagentur für Arbeit, Finanzämter, Deutsche Rentenversicherung, Zusatzversorgungskassen etc.). 6. Anfechtung von Aufhebungsverträgen
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Wie jede Willenserklärung kann auch ein Aufhebungsvertrag angefochten werden, mit der Folge, dass er rückwirkend beseitigt wird (§ 142 BGB). Voraussetzung ist das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes: a) Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB
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Eine Irrtumsanfechtung käme nur dann in Betracht, wenn eine der Parteien sich über den Inhalt der von ihr abgegebenen Willenserklärung getäuscht hat. Bei einer Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dieser Fall eher hypothetisch. Ein Irrtum auf Arbeitnehmerseite über das Bestehen eines besonderen Kündigungsschutzes (z.B. Schwangerschaft) berechtigt nicht zur Anfechtung. Es handelt sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum.4 Die Erklärung der Anfechtung wegen Irrtums muss der Gegenseite unverzüglich zugehen. b) Täuschungsanfechtung nach § 123 BGB
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Voraussetzung einer Täuschungsanfechtung ist das Vorspiegeln von Tatsachen, die bei der anderen Seite einen Irrtum erregen und sie dazu veranlassen, sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden zu erklären. Die Täuschung kann durch aktives Tun oder durch Unterlassen einer gebotenen Aufklärung geschehen. Im Hinblick auf die beschränkten Aufklärungs- und Hinweispflichten des Arbeitgebers (vgl. Rz. 19 ff.) ist ein Irrtum auf Arbeitnehmerseite über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrages in der Regel nicht beachtlich. Anders ist die Situation, wenn der Arbeitgeber auf einschlägige Fragen des Arbeitnehmers entweder bewusst falsch antwortet oder eine Antwort „ins Blaue 1 2 3 4
BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 3 AZR 339/00, NZA 2002, 1150. BAG, Urt. v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, BB 2001, 210; Urt. v. 15.4.2014 – 3 AZR 288/12. BAG, Urt. v. 21.5.2015 – 6 AZR 349/14, NZA-RR 2015, 588. BAG, Urt. v. 6.2.1992 – 2 AZR 408/91, NJW 1992, 2173 ff.
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Arbeitsrecht
Rz. 30 Kap. 37
hinein“ abgibt. Eine arglistige Täuschung durch den Arbeitgeber wird bejaht, wenn der Aufhebungsvertrag unter dem Vorwand abgeschlossen wird, den Betrieb stilllegen zu müssen, obwohl eine Betriebsveräußerung bereits feststand.1 Die Täuschungsanfechtung muss binnen eines Jahres nach Kenntnis des Anfechtungsgrun- 27 des erklärt werden. Die Arbeitgeberseite muss sich gut überlegen, ob ein Aufhebungsvertrag angefochten werden soll, denn ist die Anfechtung wirksam, ist das Arbeitsverhältnis als ununterbrochen fortbestehend anzusehen. c) Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 BGB Von ungebrochener Bedeutung ist die Frage, wann der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag 28 wegen widerrechtlicher Drohung anfechten kann. Die typische Fallkonstellation ist diejenige, dass der Arbeitgeber für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen über die Aufhebung mit einer fristlosen Kündigung droht. Eine solche Drohung ist nicht per se rechtswidrig. Kommt ein Aufhebungsvertrag unter dem Druck der angedrohten außerordentlichen Kündigung zustande, kann er nicht angefochten werden, so lange ein „verständiger Arbeitgeber“ ebenfalls an den Ausspruch einer Kündigung denken würde.2 Die Beweislast für das Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung im Prozess trägt der Arbeitnehmer. 7. Sozialversicherungsrechtliche Folgen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages a) Sozialversicherungsrechtliche Folgen für den Arbeitnehmer Die Akzeptanz einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung beim Arbeitnehmer hängt 29 maßgeblich von seinen sozialversicherungsrechtlichen Risiken ab. Die Rechtslage sieht wie folgt aus: Durch das Gesetz zu den Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.20033 wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I verkürzt, für ältere Arbeitnehmer erheblich, nämlich von 32 Monaten auf 18 Monate. Diese Kürzung machte der Gesetzgeber durch das 7. SGB III – ÄndG vom 8.4.2008 teilweise wieder rückgängig.4 Danach kann ein 50jähriger Arbeitsloser mit insgesamt 30 Monaten in einem Versicherungspflichtverhältnis innerhalb der Rahmenfrist von 5 Jahren 15 Monate Arbeitslosengeld beanspruchen, nach Vollendung des 55. Lebensjahres und 26 Monaten in einem Versicherungspflichtverhältnis für 18 Monate, nach Vollendung des 58. Lebensjahres und 48 Monaten in einem Versicherungspflichtverhältnis für 24 Monate. aa) Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III Das Damoklesschwert für die Arbeitnehmerseite liegt in der Verhängung einer Sperrzeit 30 wegen Arbeitsaufgabe (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Die Verhängung einer Sperrzeit hat zur Folge, dass eine Leistungslücke zwischen dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses und dem Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld von in der Regel 12 Wochen eintritt (§ 159 Abs. 3 SGB III). Zusätzlich verkürzt sich die Anspruchsdauer, und zwar mindestens um ein Viertel (§ 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Der gesetzliche Krankenversicherungsschutz ist auch während einer Sperrzeit gewährleistet (§ 19 SGB V, § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). 1 2 3 4
BAG, Urt. v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 1054. BAG, Urt. v. 16.1.1992 – 2 AZR 412/91, NZA 1992, 1023. BGBl. I 2003, 3002. BGBl. I 2008, 681.
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Kap. 37 Rz. 31
Vergleichsvereinbarungen
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Die Sperrzeit beginnt mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Das Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ist jedoch nicht mit dem Ende des Arbeitsvertrages gleichzusetzen. Ein Beschäftigungsverhältnis setzt voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt wird, d.h. arbeitet. Nach dem Bundessozialgericht liegt Arbeitslosigkeit auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer trotz Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses tatsächlich nicht beschäftigt war und der Arbeitgeber auf die Wahrnehmung seiner Verfügungsmöglichkeit verzichtet hat. Dies gilt insbesondere für den Fall der unwiderruflichen Freistellung bei Fortzahlung von Arbeitsentgelt und unter Anrechnung auf den Jahresurlaub.1 Dies bedeutet, dass bei einer unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers 12 Wochen vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bei Fortzahlung der Vergütung die Sperrzeit ab dem Tag der Freistellung zu laufen beginnt und mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet. Dies hat zur Folge, dass selbst der gesperrte Arbeitnehmer lückenlos mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld beanspruchen kann. Die Geschäftsanweisung der Agentur für Arbeit zu § 159 SGB III wurde entsprechend angepasst.2 Nicht zu verhindern ist allerdings die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, so dass die Freistellungslösung dann von Vorteil ist, wenn der Arbeitnehmer damit rechnen kann, vor Ablauf der vollen Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
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Die Sperrzeit tritt ein, wenn der Arbeitslose: – das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat oder – durch vertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat und – dadurch vorsätzlich oder fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, – ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III).
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Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses per Aufhebungsvertrag erfüllt den Sperrzeittatbestand „Lösen des Beschäftigungsverhältnisses“. Die Sperrzeit tritt also ein, wenn der Arbeitslose keinen wichtigen Grund für die Aufgabe des Arbeitsverhältnisses hatte. Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Der Gesetzgeber hat in § 159 Abs. 1 Satz 3 SGB III jedoch eine Beweislastumkehr eingeführt. Danach hat der Arbeitslose die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen. Im Regelfall wird dem Arbeitnehmer zugemutet, eine Kündigung abzuwarten.
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Einen wichtigen Grund für die einvernehmliche Beendigung hat der Arbeitnehmer nur dann, wenn durch die Aufhebungsvereinbarung eine drohende, objektiv rechtmäßige Kündigung des Arbeitgebers zum gleichen Zeitpunkt vermieden wird und dem Arbeitnehmer daher das Abwarten der Kündigung nicht zumutbar war.3 Dies kann zu bejahen sein, wenn der Mitarbeiter in einer Namensliste eines Interessenausgleichs aufgeführt ist4 oder wenn der gesamte Betrieb stillgelegt wird und eine Weiterbeschäftigung definitiv ausscheidet. 1 BSG, Urt. v. 25.4.2002 – B 11 AL 65/01 R, NZA-RR 2003, 105; Urt. v. 17.10.2002 – B7 AL 136/01 R; Urt. v. 17.11.2005 – B 11a/11 AL 69/04 R; Urt. v. 26.6.2013 – 5 AZR 432/12. 2 GA zu § 159 SGB III, Stand 8/2015, Aktualisierung Stand 09/2012: „Nach ständiger BSG-Rechtsprechung beginnt die Sperrzeit mit Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Gemeint ist das Ende des Beschäftigungsverhältnisses im leistungsrechtlichen Sinn, also der Eintritt faktischer Beschäftigungslosigkeit“. 3 BSG, Urt. v. 12.4.1984 – 7 RAr 28/83, SozSich 1984, 388; Urt. v. 17.10.2002 – B7 AL 136/01 R, ArbuR 2002, 479; Urt. v. 2.9.2004 – B 7 AL 18/04 R, NZA 2005, 98. 4 BSG, Urt. v. 25.4.2002 – B 11 AL 65/01, NZA-RR 2003, 105.
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Arbeitsrecht
Rz. 40 Kap. 37
Ausnahmsweise ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrages sperrzeitunschädlich, und zwar dann, wenn darin betriebliche Gründe für die Beendigung angegeben werden und die vereinbarte Abfindung mindestens 0,25 Bruttomonatsverdienste pro Beschäftigungsjahr und höchstens 0,5 Bruttomonatsverdienste pro Beschäftigungsjahr beträgt. Rechtsprechung und Arbeitsverwaltung orientieren sich insoweit an § 1a KSchG.1
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Die unerwünschten Sperrzeitfolgen für den Arbeitnehmer führten in der Vergangenheit da- 36 zu, dass Aufhebungsverträge ohne vorangegangene Kündigung in der Regel nur noch dann zustande kamen, wenn der Arbeitnehmer eine Anschlussbeschäftigung bereits in Aussicht hatte oder der Arbeitgeber das Sperrzeitrisiko finanziell auszugleichen bereit war. Als Königsweg fand sich der Abschluss eines Abwicklungsvertrages. Auch diese Gestaltungsvariante ist nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch im Regelfall sperrzeitschädlich (vgl. Rz. 86 ff.).2 bb) Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung nach § 159a SGB III Zusätzlich zur Sperrzeit kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen, wenn der Beschäftigte sich mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen Arbeitgeberkündigungsfrist einverstanden erklärt und eine Abfindung oder sonstige Entlassungsentschädigung erhält.
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Auch das Ruhen hat zur Folge, dass eine Leistungslücke zwischen Ende des Arbeitsverhält- 38 nisses und Beginn des Bezugs von Arbeitslosengeld eintritt, es führt jedoch nicht zu einer Verkürzung der Anspruchsdauer. Der Anspruch ruht in der Regel solange, wie der Arbeitnehmer bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist Arbeitslohn erhalten hätte, längstens für ein Jahr (§ 158 SGB III). Die Anrechnung der Abfindung auf den Arbeitslosengeldanspruch erfolgt in der Weise, dass umgerechnet wird, wie viele Tage der Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, um ein Arbeitsentgelt in Höhe der Abfindung zu verdienen. Anrechnungsfrei bleiben grundsätzlich 40 % der Abfindungssumme. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht höchstens so lange, bis der Zeitraum verstrichen ist, in dem der Arbeitnehmer 60 % der Abfindungssumme verdient hätte. Dieser Prozentsatz vermindert sich für je fünf Jahre Betriebszugehörigkeit im Unternehmen des früheren Arbeitgebers und für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 %. Maximal vermindert sich der Prozentsatz auf 25 % der Abfindungssumme (§ 158 Abs. 2 Satz 3–5 SGB III). Die Ruhenszeit bei Entlassungsentschädigung und die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe werden 39 nicht addiert, sondern laufen parallel. Um sozialversicherungsrechtliche Nachteile zu vermeiden, könnte man auf den Gedanken 40 verfallen, einen Aufhebungsvertrag rückzudatieren, um die Kündigungsfrist einhalten zu können. Vor dieser Praxis muss gewarnt werden. Zum einen wird vertreten, dass ein rückdatierter Aufhebungsvertrag nichtig sei (§ 138 Abs. 1 BGB). Ferner liegt in der Rückdatierung eine Täuschung der Agentur für Arbeit, die strafrechtlich als Betrug zu werten ist (§ 263 StGB).
1 BSG, Urt. v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, NZA 2006, 1359; Urt. v. 2.5.2012 – B 11 AL 6/11 R, NZS 2012, 874, GA zu § 159 Nr. 159.101 f. 2 BSG, Urt. v. 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R, NZA 2004, 661.
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Kap. 37 Rz. 41
Vergleichsvereinbarungen
b) Sozialversicherungsrechtliche Risiken für den Arbeitgeber 41
Nach früherer Rechtslage bestand für den Arbeitgeber ein Risiko in der Erstattungspflicht gegenüber der Agentur für Arbeit bei der Entlassung von älteren Mitarbeitern (§ 147a SGB III a.F.). Diese Regelung wurde abgeschafft und ist seit dem 31.1.2006 nicht mehr anwendbar. Seither trifft den Arbeitgeber kein Erstattungsrisiko mehr. 8. Steuerrechtliche Optimierung von Aufhebungsverträgen a) Steuerfreie Leistungen
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Bis zum 31.12.2005 waren Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Arbeitsverhältnisses innerhalb bestimmter Höchstgrenzen von der Einkommensteuer befreit. Diese Vorschrift wurde ersatzlos aufgehoben. Abfindungen können somit nicht mehr steuerfrei ausgezahlt werden.
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Steuerfrei sind lediglich Entschädigungen bzw. Schadensersatzzahlungen, die als Schmerzensgeld im Fall von Mobbing und bei Verstößen gegen das AGG gezahlt werden. Vor einer „Umetikettierung“ einer Abfindung in eine Schmerzensgeld- oder Schadensersatzzahlung muss aber gewarnt werden. Eine Anerkennung durch die Finanzämter dürfte voraussetzen, dass eine solche Zahlung in einem Aufhebungsvertrag oder gerichtlichen Vergleich ausdrücklich ausgewiesen wird. Kein Arbeitgeber ist aber gewillt, in einem Vergleich einzugestehen, dass er seinen Vertragspflichten nicht nachgekommen ist, indem er Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers verletzt oder gegen das AGG verstoßen hat. b) Steuerbegünstigte Leistungen
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Seit der Abschaffung der Freibetragsregelung des § 3 Nr. 9 EStG ist eine Steuerbegünstigung von Abfindungen nur noch im Rahmen der Anwendung der sog. Fünftelungsregelung gemäß §§ 24 Nr. 1b), 34 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 2 EStG möglich. Dies setzt voraus, dass die Abfindung auf einem eigenständigen Rechtsgrund beruht und damit nicht vertragliche Ansprüche abgegolten werden, wie etwa rückständiger Arbeitslohn, anteiliges Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld. Für diese Steuerbegünstigung ist ferner Voraussetzung, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber veranlasst ist. Zusätzlich muss der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum erfolgen, da Voraussetzung der Steuerbegünstigung eine Zusammenballung von Einkünften ist. Die Verteilung der Abfindung auf mehrere Veranlagungszeiträume ist grundsätzlich steuerschädlich. In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof allerdings eine Ausnahme zugelassen, wenn eine einheitliche Abfindung in zwei Teilbeträgen ausbezahlt wird und sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und wenn die Nebenleistung geringfügig ist.1
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Der Berechnungsvorgang für die Ermittlung der Einkommensteuer ist kompliziert. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass das zu versteuernde Einkommen fiktiv auf 5 Jahre verteilt wird, so dass der Arbeitnehmer in den Genuss einer niedrigeren Progressionsstufe kommen kann.2
1 BFH, Urt. v. 13.10.2015 – IX R 46/14. 2 Foerster, AuA 2011, 106; Berechnungsbeispiel: Bauer, G Rz. 74 f.
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M 37.1
Rz. 49 Kap. 37
Arbeitsrecht
c) Steuerbegünstigte Zahlungen für die betriebliche Altersvorsorge Eine Steuerersparnis konnte in der Vergangenheit dadurch erzielt werden, dass der Arbeit- 46 geber aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Einmalzahlung in eine zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossene Direktversicherung leistet (§ 40b Abs. 2 Satz 3 EStG). Diese Einmalzahlung konnte mit 20 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) pauschal versteuert werden. Hinsichtlich der Höhe der Einmalzahlung griff eine sog. Vervielfältigerregelung. Dies geschah in der Weise, dass der steuerlich begünstigte Höchstbetrag in Höhe von 1752 Euro p.a. mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber bestanden hat, multipliziert wurde. Der vervielfältigte Betrag wurde in einem zweiten Schritt reduziert um die pauschal besteuerten Beiträge und Zuwendungen, die der Arbeitgeber im Kalenderjahr der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und in den sechs vorangegangenen Kalenderjahren bereits erbracht hatte. Das Prinzip der Lohnsteuerpauschalierung wurde mit Wirkung zum 1.1.2005 aufgehoben, um einheitlich die nachgelagerte Besteuerung von Altersversorgungsleistungen einzuführen.
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Bei Neuzusagen ab dem 1.1.2005, die Leistungen aus einem Pensionsfond, einer Pensionskas- 48 se oder aus einer Direktversicherung beinhalten, kann der nach § 3 Nr. 63 EStG mögliche Steuerfreibetrag in Höhe von 1800 Euro jährlich bei der Gestaltung des Aufhebungsvertrages genutzt werden. Der Arbeitgeber kann nämlich einen Betrag von 1800 Euro multipliziert mit der Anzahl der Kalenderjahre, die das Arbeitsverhältnis bestanden hat, vermindert um die steuerfreien Beträge, die in dem Kalenderjahr der Beendigung sowie in den 6 vorangegangenen Kalenderjahren erbracht wurden, für die steuerfreie Einzahlung in den Pensionsfond/die Pensionskasse oder die Direktversicherung verwenden. Die Regelung beschränkt sich auf die nach dem Kalenderjahr 2005 zurückgelegten Beschäftigungsjahre.
II. Muster M 37.1 Aufhebungsvertrag
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AufhebungsvertragA1 zwischen der Firma …, gesetzlich vertreten durch …, Adresse … – im Folgenden „Arbeitgeber“ genannt – und Herrn/Frau …, Adresse … – im Folgenden „Arbeitnehmer“ genannt – PräambelA2 Der Arbeitnehmer ist beim Arbeitgeber seit dem [Eintrittsdatum] als angestellt, zuletzt auf Grundlage des Anstellungsvertrags vom [Datum]. Aufgrund einer Umstrukturierung des Betriebs wird der Beschäftigungsbedarf für den Arbeitnehmer mit Wirkung zum vollständig entfallen. Vor diesem Hintergrund einigen sich die Parteien auf Folgendes:
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Kap. 37 Rz. 49
Vergleichsvereinbarungen
M 37.1
§1 Beendigung des ArbeitsverhältnissesA3 (1) Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers ordentlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist mit Ablauf des … enden wird. (Alternativ: Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis zur Vermeidung einer ansonsten erforderlichen betriebsbedingten Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des … enden wird. Der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers entfällt aufgrund der zum … vorgesehenen Teilbetriebsstilllegung ersatzlos. Vergleichbare Arbeitsplätze im verbleibenden Restbetrieb oder freie Arbeitsplätze im Unternehmen sind nicht vorhanden.) (Alternativ: Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des … enden wird. Der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers ist im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen ersatzlos weggefallen. Ein vergleichbarer Arbeitsplatz, der dem Arbeitnehmer im Hinblick auf seine Qualifikation angeboten werden könnte, ist nicht vorhanden.) (Alternativ: Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des … enden wird, da der Arbeitnehmer aufgrund seiner gesundheitlichen Konstitution dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Tätigkeit auszuführen. Ein leidensgerechter Arbeitsplatz, der dem Arbeitnehmer angeboten hätte werden können, ist nicht vorhanden.) (2) Der Arbeitgeber räumt dem Arbeitnehmer das Recht ein, jederzeit vorzeitig das Arbeitsverhältnis durch schriftliche Eigenkündigung zum Ende eines Monats zu beenden. Die vorzeitige Beendigung ist im Interesse des Arbeitgebers.A4 §2 Freistellung und Vergütung (1) Der Arbeitnehmer wird ab der Unterzeichnung dieser Vereinbarung bis zum Vertragsende unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung auf entstandene und noch entstehende Urlaubsansprüche und eventuelle Arbeitszeitguthaben. Während der Dauer der Freistellung wird die vertragsgemäße Vergütung fortbezahlt. Der Arbeitnehmer darf während der Freistellung keiner Wettbewerbstätigkeit nachgehen. Er muss sich anderweitigen Verdienst, den er während der Dauer der Freistellung erzielt, auf seine Vergütungsansprüche anrechnen lassen. Er erteilt dem Arbeitgeber unaufgefordert Auskunft über die Höhe seiner anderweitigen Bezüge und legt darüber auf Verlangen Rechenschaft durch Vorlage entsprechender Gehaltsbescheinigungen oder von Steuererklärungen oder –bescheiden.A5 (Alternativ: Anderweitiger Verdienst während der Dauer der Freistellung wird nicht auf die Vergütungsansprüche angerechnet.) (2) Ein Anspruch auf Bonuszahlung/Tantieme/Prämienzahlung für das Jahr … besteht nicht.A6 (Alternativ: Für das Jahr … zahlt der Arbeitgeber einen/eine einmaligen/einmalige Bonus/Tantieme/Prämie in Höhe von … Euro brutto. Die Zahlung ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Darüber hinausgehende Vergütungsansprüche, wie etwa Jahresabschlusszahlung/ Weihnachtsgratifikation, bestehen nicht.) (3) Verauslagte Spesen sind vom Arbeitnehmer umgehend nach Unterzeichnung der Vereinbarung einzureichen und werden nach Prüfung erstattet. Eventuelle Spesenvorschüsse werden bei den noch folgenden Gehaltszahlungen in Abzug gebracht.A7
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M 37.1
Arbeitsrecht
Rz. 49 Kap. 37
§3 AbfindungA8 (1) Als Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes zahlt der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer entsprechend §§ 9, 10 KSchG eine soziale Abfindung in Höhe von … Euro brutto. Die Abfindung ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Zahlung fällig. Der Abfindungsanspruch entsteht mit Abschluss dieses Aufhebungsvertrags und ist vererblich. Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufgrund einer außerordentlichen, im Verhalten des Arbeitnehmers begründeten Kündigung, besteht kein Anspruch auf Abfindungszahlung. (2) Die Bruttoabfindung erhöht sich für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers um die dadurch frei werdenden Bruttomonatsgehälter/um … % der dadurch frei werdenden Bruttomonatsgehälter (ohne Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung). (3) Der Abfindungsanspruch wird auf einen eventuell dem Arbeitnehmer zustehenden Sozialplanabfindungsanspruch, einen tariflichen Abfindungsanspruch oder gesetzliche Entschädigungsansprüche, etwa aus § 113 BetrVG angerechnet. §4 DienstwagenA9 (1) Der Arbeitnehmer ist berechtigt, den ihm überlassenen Dienstwagen, Marke …, amtliches Kennzeichen … während der Dauer der Freistellung weiterhin im bisherigen Umfang zu nutzen. Die während der Freistellungsphase anfallenden laufenden Betriebskosten (Benzin, Wartung) trägt der Arbeitnehmer. Er verpflichtet sich, den Dienstwagen mit sämtlichem Zubehör, Wagenpapieren und Schlüsseln auf seine Kosten spätestens am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses an folgendem Ort in ordnungsgemäßem Zustand zurückzugeben: … (Alternativ: Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, den ihm überlassenen Dienstwagen, Marke …, amtliches Kennzeichen … mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung mit sämtlichem Zubehör, Wagenpapieren und Schlüsseln in ordnungsgemäßem Zustand zurückzugeben. Hierfür ist kein finanzieller Ausgleich seitens des Arbeitgebers geschuldet.) (Alternativ: Der Arbeitnehmer übernimmt den ihm derzeit überlassenen Dienstwagen, Marke …, amtliches Kennzeichen … mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses käuflich zum Verkehrswert. Der Preis wird durch ein Schätzgutachten eines neutralen Sachverständigen ermittelt. Die Kosten dafür trägt der Arbeitgeber/Arbeitnehmer. Die auf den Kaufpreis geschuldete Mehrwertsteuer trägt der Arbeitnehmer. Die Parteien sind sich einig, dass das Fahrzeug mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in das Alleineigentum des Arbeitnehmers übergeht. Der Arbeitnehmer befindet sich bereits im Besitz des Kraftfahrzeugs und des Kfz-Briefs. Der Kaufpreis wird mit dem Nettobetrag der Abfindung nach § 3 verrechnet. Der Arbeitgeber übernimmt keine Haftung für eventuelle Sachmängel. Gewährleistungsansprüche sind ausgeschlossen.) (2) Der Arbeitgeber verpflichtet sich, auf Verlangen des Arbeitnehmers alle erforderlichen Erklärungen wahrheitsgemäß gegenüber der Kraftfahrzeugversicherung des Arbeitnehmers abzugeben, die diesem eine Fortführung eines Schadensfreiheitsrabattes ermöglichen. §5 Betriebliche Altersversorgung/Direktversicherung (1) Es besteht Einigkeit darüber, dass der Arbeitnehmer keine unverfallbaren Anwartschaften auf betriebliche AltersversorgungA10 hat. (Alternativ: Die Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung aus der Versorgungszusage vom …/Pensionsordnung vom …/Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung vom … sind unverfallbar. Der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer bei seinem Ausscheiden eine Bescheinigung über die Höhe erteilen.)
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Kap. 37 Rz. 49
Vergleichsvereinbarungen
M 37.1
(2) Der Arbeitgeber überträgt die zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossene Direktversicherung11 bei der … Versicherung, Versicherungsnummer …, mit Wirkung zum Beendigungsstichtag. Der Arbeitnehmer kann diese Direktversicherung auf eigene Kosten fortführen. §6 ZeugnisA12 (1) Der Arbeitnehmer erhält das als Anlage zu diesem Aufhebungsvertrag beigefügte qualifizierte Zwischen- und Endzeugnis. (Alternativ: Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenund Endzeugnis, mit der Führungs- und Leistungsbeurteilung „stets zu unserer vollsten/vollen Zufriedenheit“. Das Zeugnis enthält eine Dankes-, Bedauerns- und gute-Wünsche-Formel. Im Übrigen ist der Arbeitgeber bereit, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis gemäß dessen Entwurf zu erteilen, wenn dieser keine offensichtlichen Unrichtigkeiten enthält. Ein solcher Entwurf ist dem Arbeitgeber binnen … Tagen nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung zu übersenden.) (2) Der Arbeitgeber wird Auskünfte gegenüber Dritten nur im Sinne dieses Zeugnisses erteilen. §7 Herausgabe von Firmeneigentum/GeschäftsunterlagenA13 (1) Mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung verpflichtet sich der Arbeitnehmer, sämtliche in seinem Besitz befindlichen Geschäftsunterlagen sowie Kopien hiervon, seien sie in Papierform, elektronischer Form oder auf sonstigen Datenträgern festgehalten, vollständig zurückzugeben und die Vollständigkeit der Rückgabe zu versichern. Die Herausgabepflicht erstreckt sich auch auf sämtliches Firmeneigentum, wie insbesondere Schlüssel zu den Firmenräumen, Handy, Laptop und sonstige in seinem Besitz befindlichen Arbeitsmittel. Ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Arbeitnehmer nicht zu. (2) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sämtliche Passwörter und Zugangscodes, die Geschäftsdaten betreffen, mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung offen zu legen. §8 GeheimhaltungA14 (1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, über sämtliche vertraulichen Angelegenheiten und Vorgänge, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangt sind und nicht über allgemein zugängliche Quellen verfügbar sind, auch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses strengste Verschwiegenheit gegenüber jedermann zu bewahren. Dies gilt insbesondere für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. (2) Die Geheimhaltungsverpflichtung erstreckt sich auch auf den Inhalt dieses Aufhebungsvertrages, soweit keine gesetzliche Verpflichtung gegenüber Behörden oder Ämtern zu entsprechenden Angaben bestehen. §9 Nachvertragliches WettbewerbsverbotA15 Das zwischen den Parteien vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot gemäß § … des Arbeitsvertrages bleibt aufrechterhalten. (Alternativ: Es besteht Einigkeit darüber, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gemäß § … des Arbeitsvertrages aufgehoben wird und hierfür keine Karenzentschädigung geschuldet wird.)
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Arbeitsrecht
Rz. 51a Kap. 37
§ 10 HinweispflichtenA16 (1) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer darauf hingewiesen, dass verbindliche Auskünfte über die sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Konsequenzen dieser Vereinbarung lediglich die zuständigen Behörden, insbesondere die Arbeitsagentur und das Finanzamt, geben können. Der Arbeitnehmer hatte Gelegenheit, sich vor Abschluss dieser Vereinbarung bei den zuständigen Sozialversicherungsstellen und Finanzbehörden zu informieren. (2) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderweitigen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung, sich unverzüglich nach Abschluss dieser Vereinbarung persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden, informiert. Der Arbeitnehmer ist insbesondere darüber informiert, dass bei verspäteter Meldung bei der Arbeitsagentur eine Sperrzeit eintritt. § 11 AbgeltungsvereinbarungA17 (1) Die Parteien sind sich darüber einig, dass die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung in dieser Vereinbarung abschließend geregelt sind. Es liegen keine Tatsachen vor, aus denen sich im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis und auf seine Beendigung Ansprüche irgendwelcher Art herleiten lassen. Mit Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Vertragsparteien, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen, endgültig erledigt. Davon ausgenommen sind Ansprüche aus unerlaubter Handlung. (2) Der Arbeitnehmer verzichtet hiermit auf einen eventuell entstehenden Anspruch auf Wiedereinstellung. Der Arbeitgeber nimmt diesen Verzicht hiermit an. § 12 Salvatorische KlauselA18 Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen davon nicht berührt. Die Parteien verpflichten sich, an Stelle einer unwirksamen Bestimmung eine dieser Regelung wirtschaftlich möglichst nahe kommende wirksame Regelung zu treffen. § 13 KostenA19 Jede Partei trägt die ihr im Zusammenhang mit dem Abschluss dieser Vereinbarung entstehenden Kosten selbst. Ort, Datum Arbeitgeber Arbeitnehmer
Anmerkungen zu Muster M 37.1 A1 Sachverhalt: Das Vertragsmuster regelt die einvernehmliche Beendigung eines Arbeits- 50 verhältnisses ohne vorausgegangene Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerkündigung. A2 Präambel: Die Aufnahme einer Präambel ist nicht zwingend. Sie kann jedoch hilfreich sein, um die Hintergründe der Vertragsbeendigung darzustellen und die Verhängung einer Sperrzeit nach § 159 SGB III zu vermeiden.
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A3 Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt zu einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III: Sperrzeit wegen Ar-
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Kap. 37 Rz. 52
Vergleichsvereinbarungen
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beitsaufgabe), wenn der Arbeitnehmer keinen wichtigen Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hatte. Als wichtiger Grund kommt in Betracht, dass der Arbeitnehmer einer objektiv rechtmäßigen Kündigung zuvorgekommen ist und ihm das Abwarten dieser Kündigung nicht zumutbar war. Daher beschreiben die Alternativvorschläge die Gründe für die Trennung, die eine Kündigung objektiv gerechtfertigt hätten, und zwar zum einen eine betriebsbedingte Kündigung und zum anderen eine personenbedingte Kündigung. 52
A4 Das Recht zur vorzeitigen Eigenkündigung ermöglicht dem Arbeitnehmer insbesondere bei langen Kündigungsfristen den Antritt einer neuen Stelle. Der Arbeitgeber erspart sich die Fortzahlung der Gehälter inklusive Sozialabgaben bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Es kann vereinbart werden, dass sich die Eigenkündigung abfindungserhöhend auswirkt (vgl. Anm. A8 [Rz. 59]). Der Hinweis darauf, dass die vorzeitige Beendigung im Interesse des Arbeitgebers liegt, ist erforderlich, um eine eventuelle Steuerbegünstigung der Abfindung nicht zu gefährden. Die Eigenkündigung bedarf der Schriftform (BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, ArbRB 2016, 71).
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A5 Die unwiderrufliche Freistellung führt dazu, dass sich der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst während der Dauer der Freistellung nicht auf seine Bezüge anrechnen lassen muss. § 615 BGB findet bei einer Freistellungsvereinbarung im Aufhebungsvertrag keine Anwendung (BAG, Urt. v. 19.3.2002 – 9 AZR 16/01, NZA 2002, 1055; Klar, NZA 2004, 576; BAG, Urt. v. 16.7.2013 – 9 AZR 50/12, NJW-Spezial 2013, 659). Will sich der Arbeitgeber die Anrechnungsmöglichkeit offen halten, muss dies im Aufhebungsvertrag ausdrücklich geregelt werden. Erklärt sich der Arbeitnehmer mit einer unwiderruflichen Freistellung einverstanden, tritt mit der Freistellung Beschäftigungslosigkeit ein, die Sperrzeit beginnt ab dem ersten Tag der Freistellung zu laufen (BSG, Urt. v. 25.4.2002 – B 11 AL 65/01 R, NZA-RR 2003, 105; Urt. v. 17.10.2002 – B 7AL 136/01 R, ArbuR 2002, 479; Urt. v. 17.11.2005 – B 11a/11 AL 69/04 R, BSGE 95, 232). Anders als nach früherer Rechtsprechung führt die unwiderrufliche Freistellung nicht zum Verlust des Sozialversicherungsschutzes. Die ältere Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 17.10.2002 – B 7 AL 136/01) wurde mittlerweile ausdrücklich aufgegeben (vgl. BSG, Urt. v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R, NZA-RR 2009, 272).
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Bei nur widerruflicher Freistellung ist ausdrücklich anzuordnen, in welchem Zeitraum der Resturlaub zu nehmen ist, ansonsten ist der Urlaub nach Ende der Freistellung abzugelten.
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Eine Regelung über die Fortzahlung der Vergütung während der Dauer der Freistellung empfiehlt sich, da es eine Auslegungsfrage ist, ob bei vereinbarter Freistellung eine Vergütung geschuldet ist.
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Urlaub ist nur dann mit einer vereinbarten Freistellung abgegolten, wenn die Parteien dies ausdrücklich regeln. Anderenfalls besteht ein Urlaubsabgeltungsanspruch. Bei nur widerruflicher Freistellung ist der Urlaubzeitraum explizit anzugeben.
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A6 Besteht ein Anspruch auf erfolgsabhängige Gehaltsbestandteile, sollte klargestellt werden, ob und, wenn ja, in welcher Höhe diese zur Auszahlung kommen. Dies gilt insbesondere bei Einmalzahlungen am Jahresende, wenn der Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr ausscheidet. Besteht der Vergütungsanspruch zum Teil aus Provisionen, muss zudem geregelt werden, ob und, wenn ja, in welcher Höhe während der Freistellungsdauer eine Provision bezahlt wird.
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A7 Die Behandlung von Spesenvorschüssen und verauslagten Spesen ist sinnvoll vor dem Hintergrund der Abgeltungsklausel. Anderenfalls sind entsprechende Zahlungsansprüche mit der Abgeltungsklausel erledigt.
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Arbeitsrecht
Rz. 63 Kap. 37
A8 Im Hinblick auf die Abschaffung der Steuerfreiheit der Abfindung sollte diese als Brut- 59 toabfindung bezeichnet werden. Fehlt eine Regelung zur Vererblichkeit, gehen die Erben leer aus, wenn der Arbeitnehmer vor dem Zeitpunkt verstirbt und der Abfindungsanspruch erst mit der Beendigung entsteht (BAG, Urt. v. 26.8.1997 – 9 AZR 227/96, BB 1998, 700; vgl. aber Urt. v. 22.5.2003 – 2 AZR 250/02, NZA 2004, 1352; Urt. v. 27.6.2006 – 1 AZR 322/05, MDR 2007, 159 = NZA 2006, 1238 = ArbRB 2006, 330). Es gibt Fälle, in denen erst nach Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung Gründe bekannt werden, die den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen oder in denen der Arbeitnehmer erst nach Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung einen Grund für eine außerordentliche Kündigung liefert. Löst eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem vorgesehenen Auflösungszeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag einschließlich einer darin vereinbarten Abfindungszahlung gegenstandslos (BAG, Urt. v. 5.4.2001 – 2 AZR 217/00, MDR 2005, 151 = NJW 2005, 171 ff. = ArbRB 2004, 363; Urt. v. 29.1.1997 – 2 AZR 292/96, NZA 1997, 1411 ff.). Dies wird in dem Vertragsmuster klargestellt. Fehlt eine Vereinbarung zur Fälligkeit der Abfindung, ist es eine Frage der Auslegung, ob die Abfindung sofort mit Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages fällig sein soll oder erst mit dem vorgesehenen Beendigungstermin. Ist der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt, so spricht dies für die Fälligkeit der Abfindung erst bei Ende des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urt. v. 15.7.2004 – 2 AZR 630/03, DB 2004, 2430). Um jeglichen Streit über den Fälligkeitszeitpunkt zu vermeiden, ist insbesondere bei langen Kündigungsfristen eine Regelung dazu dringend zu empfehlen. Als Fälligkeitstermin kann auch ein Zeitpunkt gewählt werden, der zeitlich nach dem Beendigungstermin liegt, z.B. wenn die Auszahlung der Abfindung aus steuerlichen Gründen in das folgende Kalenderjahr verschoben werden soll.
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Macht der Arbeitnehmer von einem eingeräumten vorzeitigen Eigenkündigungsrecht Ge- 61 brauch, wird häufig vereinbart, dass sich dies abfindungserhöhend auswirkt, indem die frei werdenden Bruttomonatsgehälter oder ein bestimmter Prozentsatz zur Abfindung hinzugerechnet werden. Hier besteht Verhandlungsspielraum. Empfehlenswert ist eine Regelung, wonach der Abfindungsanspruch auf eine eventuelle Sozialplanabfindung oder einen tariflichen Abfindungsanspruch, etwa aus einem tariflichen Rationalisierungsschutzabkommen, angerechnet wird. Fehlt eine solche Regelung im Aufhebungsvertrag oder in einem entsprechenden Sozialplan, bestehen die vertraglichen und tariflichen bzw. Sozialplanansprüche nebeneinander. Nach § 113 BetrVG hat der Arbeitnehmer bei Betriebsänderungen einen Anspruch auf Nachteilsausgleich, wenn der Arbeitgeber Entlassungen ohne Versuch eines Interessenausgleiches durchführt oder von einem mit dem Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleich abweicht. Es sollte geregelt werden, dass auch dieser gesetzliche Entschädigungsanspruch auf die Abfindung angerechnet wird.
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A9 Wurde ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen, ist er Entgeltbestand- 63 teil und darf auch während der Dauer der Freistellung weiter genutzt werden, es sei denn im Arbeitsvertrag wäre eine vorzeitige Rückgabe wirksam vereinbart worden. Die Rückgabe des Dienstwagens ist somit Verhandlungssache. Darf der Arbeitnehmer das Auto weiterhin nutzen, empfiehlt es sich zu regeln, wer die laufenden Betriebskosten trägt. Wenn der Arbeitnehmer an einem Ankauf des Dienstwagens interessiert ist, ist darauf zu achten, dass ein Verkauf zum Buchwert Lohnsteuer auslöst, wenn der Buchwert unter dem Verkehrswert liegt. Das Vertragsmuster knüpft daher an den Verkehrswert an. Der Verkauf eines Dienstwagens an den Arbeitnehmer stellt einen Verbrauchsgüterkauf nach § 474 BGB dar, denn der Arbeitgeber fällt unter den Unternehmerbegriff nach § 14 BGB und der Arbeitnehmer ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Verbraucher im Sinne des § 13 BGB (BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, MDR 2006, 97 = ZIP 2005, 1699 = ArbRB 2005, 325). Damit gelRid 907
Kap. 37 Rz. 64
Vergleichsvereinbarungen
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ten für den Kauf eines Dienstwagens die Regeln des Verbrauchsgüterkaufs und die Gewährleistung kann kraft Gesetzes für die Dauer von einem Jahr nicht ausgeschlossen werden (§ 475 Abs. 2 BGB) (Bernhard, Alternativen zur Kündigung, Rz. 176). Dennoch wird der Gewährleistungsausschluss üblicherweise in Aufhebungsverträgen vereinbart, insbesondere, weil der Arbeitnehmer das Fahrzeug in der Regel selbst über einen längeren Zeitraum genutzt hat und dessen Mängel daher am besten kennen müsste. Aus Arbeitnehmersicht ist daran zu denken, dass ein während der Beschäftigungszeit erworbener Schadensfreiheitsrabatt nicht automatisch bei Neuabschluss einer Kraftfahrzeugversicherung durch den Arbeitnehmer berücksichtigt wird. Hierfür sind bestimmte Erklärungen des Arbeitgebers über die Dauer des unfallfreien Fahrens erforderlich, die von Versicherung zu Versicherung unterschiedlich sind. 64
A10 Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung sind unverfallbar, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 25. Lebensjahrs endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre bestanden hat (§ 1b BetrAVG). Für Zusagen, die vor dem 1.1.2001 erteilt wurden, gilt eine Übergangsregelung (§ 30f BetrAVG). Durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie tritt zum 1.1.2018 eine Reform des Betriebsrentengesetzes in Kraft. Danach gilt für Versorgungszusagen, die nach dem 31.12.2017 erteilt werden, dass die Unverfallbarkeit bereits nach drei Jahren eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 21. Lebensjahres endet. Scheidet der Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ihm zu bescheinigen, in welcher Höhe er Versorgungsleistungen bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze beanspruchen kann und wie hoch bei Übertragung der Anwartschaft der Übertragungswert ist (§ 4a BetrAVG). Eine Abfindung unverfallbarer Versorgungsanwartschaften aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nur bei sog. Kleinstrenten rechtlich möglich, die ein Prozent der monatlichen Bezugsgröße des § 18 SGB IV nicht übersteigen, bei Kapitalleistungen 12/10 der monatlichen Bezugsgröße. Auch mit Zustimmung des Arbeitnehmers ist eine Abfindung unverfallbarer Anwartschaften aus Anlass der Beendigung nicht wirksam möglich (§ 3 BetrAVG).
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A11 Besteht zugunsten des Arbeitnehmers eine Direktversicherung, behält der Arbeitnehmer die erworbenen Anwartschaften bei Ausscheiden, wenn die Direktversicherung durch Entgeltumwandlung finanziert wurde (§ 1b Abs. 5 BetrAVG). Hat der Arbeitgeber die Direktversicherung aus eigenen Mitteln finanziert, besteht ein Anspruch auf Übertragung der Versicherung nur, soweit gesetzliche Unverfallbarkeit eingetreten ist. Anderenfalls ist es Verhandlungssache, ob der Arbeitgeber die Versicherung übertragen will oder nicht.
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A12 Auf Verlangen ist dem Arbeitnehmer ein qualifiziertes Zwischen- und Endzeugnis zu erteilen (§ 109 GewO). Da Zeugnisformulierungen und die Führungs- und Leistungsbeurteilung häufig zu unerfreulichen Auseinandersetzungen führen, ist es empfehlenswert, dem Aufhebungsvertrag einen Zeugnistext beizufügen. Gelingt dies aus Zeitgründen nicht, sollten sich die Parteien zumindest über die Führungs- und Leistungsbeurteilung verständigen, wobei die üblichen Noten „zu unserer vollen Zufriedenheit“ (durchschnittlich), „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ (gut) und „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ (sehr gut) verwendet werden sollten. Mittlerweile hat es sich eingebürgert, Zeugnisse mit einem Dank für die gute Zusammenarbeit, dem Ausdruck des Bedauerns über das Ausscheiden und guten Wünschen für die Zukunft abzuschließen. Dies wird häufig bereits im Aufhebungsvertrag vereinbart. Ob der Arbeitgeber sich bereit erklärt, ein Zeugnis auf der Basis eines Entwurfs des Arbeitnehmers auszustellen, ist Verhandlungssache. Ein Anspruch darauf besteht nicht. Aus Arbeitnehmersicht ist es wichtig, in die Vereinbarung aufzunehmen, dass auch Auskünfte gegenüber Dritten nur im Sinne des Zeugnisses erteilt werden, da es in der Praxis
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M 37.1
Arbeitsrecht
Rz. 71 Kap. 37
üblich geworden ist, dass sich künftige Arbeitgeber über die Leistungen von Bewerbern bei den Vorarbeitgebern erkundigen. A13 Die Herausgabe von Firmeneigentum und Geschäftsunterlagen sollte bei Freistellung des Arbeitnehmers mit sofortiger Wirkung vereinbart werden. Arbeitet der Mitarbeiter noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, ist er mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Herausgabe verpflichtet. Den Zugang zu passwortgeschützten Dateien stellt der Arbeitgeber sicher, indem er sich sämtliche erforderlichen Zugangscodes vom Arbeitnehmer nennen lässt.
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A14 Die arbeitsvertragliche Geheimhaltungsverpflichtung erstreckt sich nur auf solche 68 Vorgänge und Kenntnisse, die nicht aus allgemein zugänglichen Quellen verfügbar sind und den Charakter eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses haben. Um die Verschwiegenheitspflicht wirksam durchsetzen zu können, müsste der Arbeitgeber die geheimhaltungsbedürftigen Informationen konkret im Aufhebungsvertrag benennen. Auch die Empfehlung, die Verschwiegenheitspflicht auch auf den Inhalt des Aufhebungsvertrages auszudehnen, lässt sich wirksam nicht durchsetzen. A15 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist ein eigenständiges Vertragsverhältnis, 69 das erst mit Beendigung des Arbeitsvertrages in Kraft tritt. Wirksam ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur dann, wenn es nicht unverhältnismäßig ist und der Arbeitgeber sich zur Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von mindestens 50 % der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen verpflichtet (§ 74 Abs. 2 HGB). Haben die Parteien ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart, sollte der Aufhebungsvertrag eine Regelung dazu enthalten, ob an dem Wettbewerbsverbot festgehalten werden soll. Je nach Interessenlage der Parteien ist dies ein wichtiger Gesichtspunkt bei den Verhandlungen. Ist der Arbeitnehmer auf eine bestimmte Branche festgelegt, kann es für ihn von erheblicher Bedeutung sein, das Wettbewerbsverbot aufzuheben. Umgekehrt kann der Arbeitgeber ein Interesse an der Aufhebung haben, wenn ihm die Zahlung der Karenzentschädigung zu teuer ist und er keine Gefahren aus einer eventuellen Abwanderung des Arbeitnehmers zum Wettbewerb sieht. Nach früherer Rechtsprechung wurde durch eine allgemeine Abgeltungsklausel ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht erfasst. Mit Urteil vom 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, NZA 2004, 554 ff., hat das BAG seine Rechtsprechung geändert. Danach sind Ausgleichsklauseln in Aufhebungsverträgen grundsätzlich weit auszulegen und können auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot umfassen. A16 Es besteht grundsätzlich keine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers über sozialver- 70 sicherungsrechtliche und sonstige Konsequenzen der Aufhebungsvereinbarung. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Initiative zur Beendigung vom Arbeitgeber ausgeht und dem Arbeitnehmer erhebliche atypische Nachteile aus der Beendigung drohen. Ein Hinweis auf Sperrzeit bzw. Ruhenszeit beim Bezug von Arbeitslosengeld ist erforderlich, wenn auf Veranlassung des Arbeitgebers die Kündigungsfrist im Aufhebungsvertrag abgekürzt wird. Der Hinweis in § 10 Abs. 2 des Vertragsmusters beinhaltet die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III. A17 Eine Abgeltungsvereinbarung kann rechtlich als Vergleich, Verzicht, Erlassvertrag 71 oder deklaratorisches oder konstitutives negatives Schuldanerkenntnis eingeordnet werden. Rechtsqualität und Umfang einer Ausgleichsklausel sind durch Auslegung gemäß § 133, 157 BGB zu ermitteln (BAG, Urt. v. 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP Nr. 48 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; Urt. v. 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, NZA 2004, 554; LAG Nürnberg, Urt. v. 29.9.2003 – 5 Sa 882/02, NZA 2004, 290 f.; BAG, Urt. v. 7.9.2004 – 9 AZR 612/03, NZA 2005, 1376 = ArbRB 2005, 133; LAG München, Urt. v. 27.10.2015 – 6 Sa 666/15). Im Interesse klarer Verhältnisse sind Ausgleichsklauseln in gerichtlichen und außergerichtlichen VerRid 909
Kap. 37 Rz. 72
Vergleichsvereinbarungen
M 37.1
gleichen und Aufhebungsverträgen grundsätzlich weit auszulegen (BAG, Urt. v. 19.1.2011 – 10 AZR 873/08, DB 2011, 1224 = ArbRB 2011, 265). Bevor die Parteien eine Abgeltungsvereinbarung treffen, sollte sich jede Partei versichern, ob und welche Ansprüche noch bestehen könnten. Zu denken ist z.B. an ein Arbeitgeberdarlehen oder die Überlassung einer Dienstwohnung an den Arbeitnehmer. 72
Eine Erledigungsklausel erfasst solche Ansprüche nicht, auf die der Arbeitnehmer nicht verzichten kann (BAG, Urt. v. 9.6.1998 – 9 AZR 43/97, NZA 1999, 80). Zu den unverzichtbaren Ansprüchen gehören der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses, der Anspruch auf Herausgabe der Arbeitspapiere, der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung, Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung, Ansprüche aus einem Tarifvertrag, wenn beide Seiten tarifgebunden sind (§ 4 Abs. 4 TVG), der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub und eine Urlaubsabgeltung (§ 13 BUrlG). Auf Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung kann nur verzichtet werden, wenn der Betriebsrat zustimmt (§ 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG). Ein Verzicht auf an sich unverzichtbare Ansprüche ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann statthaft, wenn die Parteien über die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs gestritten haben und die Ungewissheit hierüber durch gegenseitiges Nachgeben vergleichsweise beseitigt wird. In diesen Fällen handelt es sich um einen sog. Tatsachenvergleich, dessen Abschluss trotz des Verzichts des Arbeitnehmers auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung nicht der Zustimmung des Betriebsrates bedarf (LAG München, Urt. v. 27.10.2015 – 6 Sa 666/15, Revision eingelegt unter dem Az. 1 AZR 714/15. Die Verhandlung findet am 25.4.2017 statt.).
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Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen besteht ein Anspruch auf Wiedereinstellung, wenn sich noch während des Laufs der Kündigungsfrist die Verhältnisse so ändern, dass der Kündigungsgrund im Nachhinein wegfällt (z.B. findet sich, nachdem die Betriebsstilllegung bereits beschlossen wurde, unerwartet doch noch ein Betriebsübernehmer) (vgl. BAG, Urt. v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, DB 1997, 1414; Urt. v. 4.12.1997 – 2 AZR 140/97, DB 1998, 85). Ob auf diesen Anspruch wirksam verzichtet werden kann, ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt (vgl. dazu Bernhard, Alternativen zur Kündigung, Rz. 253).
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A18 Mit der salvatorischen Klausel soll erreicht werden, dass die Vereinbarung aufrechterhalten bleibt, selbst wenn einzelne Teile daraus unwirksam wären. Diese Klausel hat im Arbeitsrecht eine erhebliche Bedeutung, seitdem auch arbeitsrechtliche Verträge einer Inhaltskontrolle nach den Grundsätzen des AGB-Rechts unterworfen sind. Danach findet eine geltungserhaltende Reduktion unwirksamer Klauseln nicht statt.
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A19 Die Kostenregelung entspricht dem allgemeinen Grundsatz in arbeitsgerichtlichen Verfahren, wonach der obsiegenden Partei kein Anspruch auf Kostenerstattung für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands in Urteilsverfahren erster Instanz zusteht (§ 12a ArbGG). Es ist äußerst selten, dass der Arbeitgeber sich bereit erklärt, die Kosten eines anwaltlichen Beraters des Arbeitnehmers bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu übernehmen.
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Arbeitsrecht
Rz. 81 Kap. 37
B. Der Abwicklungsvertrag I. Einführung 1. Interessenlage der Parteien und strategische Überlegungen bei Abschluss eines Abwicklungsvertrages Der Abwicklungsvertrag dient der Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung. Bei Ausspruch der Kündigung sind sämtliche Formalien zu beachten, wie z.B. die vorherige Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG), die Zustimmung des Integrationsamts oder des Gewerbeaufsichtsamtes bei der Kündigung von Schwerbehinderten, Schwangeren und Mitarbeitern in Elternzeit.
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Die Interessenlage der Parteien entspricht der bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages, so 77 dass auf die Ausführungen unter Rz. 1 ff. verwiesen wird. Die Beliebtheit des Abwicklungsvertrages mit vorausgegangener Arbeitgeberkündigung im Vergleich zum Aufhebungsvertrag resultierte früher daraus, dass die sozialrechtlichen Nachteile der Sperrzeit für den Arbeitnehmer vermieden werden konnten. Dieser Vorteil wurde durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.12.20031 zunichte gemacht. 2. Definition und wirksames Zustandekommen des Abwicklungsvertrages Der Abwicklungsvertrag ist eine Kombination zwischen Arbeitgeberkündigung und an- 78 schließender Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer über die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungstermin. Konstitutiv für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die vorausgegangene Kündigung, nicht der Abwicklungsvertrag. Aus diesem Grund besteht für den Abwicklungsvertrag nach herrschender Meinung kein zwingendes Schriftformerfordernis nach § 623 BGB.2 Abwicklungsverträge kommen auch dann zustande, wenn sie per Fax ausgetauscht werden oder wenn eine Seite der anderen Partei die Annahme der Konditionen bestätigt. Nichtsdestotrotz wird empfohlen, die gesetzliche Schriftform des § 623 BGB zu wahren, sollte sich die Kündigung als unwirksam erweisen. Der Inhalt vorformulierter Abwicklungsverträge unterliegt ebenso wie beim Aufhebungsvertrag der Kontrolle nach § 305 ff. BGB.
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3. Widerruflichkeit von Abwicklungsverträgen Beim Abschluss eines Abwicklungsvertrages steht dem Arbeitnehmer kein gesetzliches Widerrufsrecht nach §§ 312, 355 BGB zu. Auf die Ausführungen unter Rz. 15 ff. wird verwiesen.
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Eventuell einschlägige tarifliche Widerrufsrechte sind daraufhin zu überprüfen, ob sie sich 81 lediglich auf einen konstitutiven Aufhebungsvertrag beziehen oder auf einen Abwicklungsvertrag. Der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Bayern sieht z.B. ein Widerrufsrecht für „Auflösungsverträge“ vor (§ 17 Nr. 9 MTV Einzelhandel Bayern). Darunter fällt ein Abwicklungsvertrag mit vorausgegangener Kündigung m.E. nicht.
1 BSG, Urt. v. 18.3.2003 – B 11 AL 35/03 R, NZA 2004, 661. 2 Müller-Glöge in ErfK, § 623 BGB Rz. 14 m.w.N.; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.1.2014 – 7 Sa 431/13.
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Kap. 37 Rz. 82
Vergleichsvereinbarungen
4. Befristungskontrolle von Abwicklungsverträgen 82
Es besteht die Möglichkeit, sich in einem Abwicklungsvertrag auf einen Beendigungszeitpunkt zu einigen, der weit nach dem eigentlichen Kündigungstermin liegt. Dies kann ein Entgegenkommen des Arbeitgebers sein, um dem Arbeitnehmer eine längere Übergangszeit für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu ermöglichen. Bei der Vereinbarung einer Auslauffrist, die die Kündigungsfrist bei weitem übersteigt, ist darauf zu achten, dass der Abwicklungsvertrag nicht auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist. Denn in diesem Fall wird die Vereinbarung nach den Grundsätzen des Befristungsrechts kontrolliert. Auf die Ausführungen unter Rz. 18 wird verwiesen. 5. Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers a) Gesetzliche Hinweis- und Aufklärungspflichten
83
Da dem Abwicklungsvertrag eine Kündigung vorausgeht, ist der Arbeitgeber bereits bei Ausspruch dieser Kündigung gehalten, den Arbeitnehmer über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der Agentur für Arbeit zu informieren (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. 37b SGB III). Zu den Folgen einer Verletzung der Hinweispflicht vgl. Rz. 20. b) Rechtsprechung des BAG
84
Auf die Ausführungen unter Rz. 21 ff. wird verwiesen. 6. Die Anfechtung von Abwicklungsverträgen
85
Auf die Ausführungen unter Rz. 24 ff. wird verwiesen. Zu beachten ist, dass bei einer Anfechtung eines Abwicklungsvertrages die zuvor ausgesprochene Arbeitgeberkündigung ihre Wirkung nicht verliert. Liegt zwischen Zugang der Kündigung und Anfechtung des Abwicklungsvertrages ein Zeitraum von mehr als drei Wochen, wäre auch die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage bereits verstrichen, mit der Folge, dass die Kündigung als rechtswirksam gilt (§§ 4, 7 KSchG). Der Arbeitnehmer wird also gut daran tun, einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage gem. § 5 KSchG zu stellen. 7. Sozialversicherungsrechtliche Folgen des Abschlusses eines Abwicklungsvertrages a) Sozialversicherungsrechtliche Folgen für den Arbeitnehmer aa) Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III
86
Wie unter Rz. 30 ff. dargestellt, löst der Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, wenn er einen Aufhebungsvertrag abschließt und einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustimmt (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Dagegen löst die Hinnahme einer auch offensichtlich rechtswidrigen Kündigung keine Sperrzeit aus, weil der Arbeitnehmer in diesem Fall nicht durch aktives Verhalten an dem Verlust seines Arbeitsplatzes mitwirkt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss sich der Arbeitnehmer also nicht durch Klageerhebung gegen eine rechtswidrige Kündigung zur Wehr setzen.1
87
Die Geschäftsanweisungen der Agentur für Arbeit differenzieren allerdings danach, ob ein sog. „Beteiligungssachverhalt“ vorliegt. Dieser setzt aktives Mitwirken des Arbeitneh1 Ständige Rechtsprechung des BSG, Urt. v. 25.4.2002 – B 11 AL 89/01 R, NZA-RR 2003, 162; Urt. v. 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R, NZA 2004, 661.
912
Rid
Arbeitsrecht
Rz. 92 Kap. 37
mers voraus. Die bloße Hinnahme einer Kündigung reicht nicht aus. Die Hinnahme einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung kann aber auf einen Beteiligungssachverhalt hindeuten. Eine Kündigung ist offensichtlich rechtswidrig, wenn der Arbeitnehmer ohne weiteres erkennen musste, dass sie gegen arbeitsvertragliche, tarifvertragliche oder gesetzliche Bestimmungen verstößt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten ist, der Mitarbeiter aufgrund tarif- oder einzelvertraglicher Bestimmungen nur noch aus wichtigem Grund kündbar war oder besonderen Kündigungsschutz, z.B. nach dem Mutterschutzgesetz oder dem SGB IX als schwerbehinderter Mensch, genießt. Ob ein Beteiligungssachverhalt vorliegt, beurteilt die Agentur für Arbeit anhand schriftlicher/mündlicher Vereinbarungen sowie des vorangehenden/nachgehenden Verhaltens des Arbeitnehmers. Dabei ist der wirkliche Geschäftswille des Vertragspartners zu erforschen. Da auch bei einem Abwicklungsvertrag das Arbeitsverhältnis konstitutiv durch die Kündigung endet, der Arbeitnehmer also nicht aktiv an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitwirkt, konnte man bisher davon ausgehen, dass ein Abwicklungsvertrag keine Sperrzeit auslöste.
88
Wichtig war aber auch in der Vergangenheit schon, dass es sich bei dem Abwicklungsvertrag nicht um eine sog. Vorfeldabsprache handelte. Die in der Personalpraxis gängige Gepflogenheit, sich mit dem Arbeitnehmer über das Ausscheiden zu einigen, ihm dann eine betriebsbedingte Kündigung auszuhändigen und nach einer „Schamfrist“ von wenigen Tagen einen Abwicklungsvertrag abzuschließen, dessen Konditionen bereits bei Ausspruch der Kündigung verhandelt waren, war auch bisher schon sperrzeitschädlich.1
89
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 18.12.2003 dem Siegeszug des Abwicklungs- 90 vertrages ein jähes Ende gesetzt.2 Der Leitsatz der Entscheidung lautet wie folgt: „Der Arbeitnehmer löst das Beschäftigungsverhältnis, wenn er nach Ausspruch einer Kündigung des Arbeitgebers mit diesem innerhalb der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage eine Vereinbarung über die Hinnahme der Kündigung (Abwicklungsvertrag) trifft.“ Das Gericht stellt auf den Zweck der Sperrzeitregelung ab, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, sich an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aktiv zu beteiligen. Jeder Beitrag des Arbeitnehmers, durch den er ausdrücklich oder konkludent auf die Geltendmachung seines Kündigungsschutzes verzichtet, ist danach schädlich. Es mache keinen wesentlichen Unterschied, ob der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet oder ob seine aktive Beteiligung darin liegt, dass er hinsichtlich des Bestandes der Kündigung und deren Folgen verbindliche Vereinbarungen trifft. Nach Inkrafttreten von § 1a KSchG am 1.1.2004 war es zulässig, dem Arbeitnehmer mit 91 der Kündigung eine Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten anzubieten, wenn die Kündigung betrieblich veranlasst war und wenn der Arbeitnehmer auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Basierend auf diesem Grundgedanken akzeptieren mittlerweile sowohl die Gerichte als auch die Bundesagentur den sperrzeitunschädlichen Abwicklungsvertrag, wenn die Abfindung sich in einer Größenordnung zwischen 0,25 und 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr bewegt.3 Soweit höhere Abfindungen gezahlt werden als die in § 1a KSchG vorgesehenen 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr bleibt nur der Ausweg, sich im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs zu trennen, also doch den Klageweg in Kauf zu nehmen. Denn nach den Geschäftsanweisungen der Bundesagentur kann ein arbeitsgerichtlicher Vergleich keine Sperrzeit auslösen (GA, § 159 SGB III, Rz. 159.19). 1 BSG, Urt. v. 9.11.1995 – 11 Rar 27/95, NZA-RR 1997, 109. 2 BSG, Urt. v. 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R, NZA 2004, 661. 3 GA zu 159, SGB III, Rz. 159.103
Rid 913
92
Kap. 37 Rz. 93 93
Vergleichsvereinbarungen
M 37.2
Eine weitere Möglichkeit der Sperrzeit zu entgehen besteht, wenn der Arbeitnehmer darlegt, dass ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bestand. Die Bundesagentur für Arbeit geht in ihrer Durchführungsanweisung auf die wichtigen Gründe ein (GA § 159 SGB III Rz. 159.84 ff.). bb) Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung nach § 159 SGB III
94
Wird im Rahmen eines Abwicklungsvertrages die Kündigungsfrist, mit der die Kündigung ausgesprochen wurde, abgekürzt, tritt ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs ein, und zwar solange, wie der Arbeitnehmer bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist Arbeitslohn erhalten hätte, längstens für ein Jahr (§ 158 SGB III). Auf diese Folge hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hinzuweisen. Auf die Ausführungen in M 37.1 Anm. A15 (Rz. 69) wird verwiesen. b) Sozialversicherungsrechtliche Risiken für den Arbeitgeber
95
Die frühere Regelung in § 147a Satz 2 Nr. 4 SGB III, wonach der Arbeitgeber bei der Entlassung älterer Mitarbeiter zur Erstattung des Arbeitslosengeldes gegenüber der Agentur für Arbeit verpflichtet war, wurde ersatzlos aufgehoben. Den Arbeitgeber trifft somit kein sozialversicherungsrechtliches Risiko bei Abschluss eines Abwicklungsvertrages. 8. Steuerrechtliche Optimierung von Abwicklungsverträgen
96
Auf die Ausführungen unter Rz. 42 ff. wird verwiesen.
II. Muster 97
M 37.2 Abwicklungsvertrag AbwicklungsvertragA1 zwischen der Firma …, gesetzlich vertreten durch …, Adresse – im Folgenden „Arbeitgeber“ genannt – und Herrn/Frau …, Adresse – im Folgenden „Arbeitnehmer“ genannt – §1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses (1) Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter/personenbedingter Arbeitgeberkündigung vom … mit Ablauf des … enden wird.A2 (Alternativ: Der Arbeitgeber hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom … aus betriebsbedingten/personenbedingten Gründen fristgemäß zum … gekündigt. Der Arbeitnehmer erhebt gegen die Kündigung keine Einwendungen und wird sein Recht, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen, nicht wahrnehmen oder eine mit diesem Ziel erhobene Klage nicht durchführen.A3) 914
Rid
M 37.2
Arbeitsrecht
Rz. 100 Kap. 37
(Alternativ: Der Arbeitgeber hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom … aus betriebsbedingten Gründen fristgemäß zum … gekündigt. Die Rechte und Pflichten bis zum Beendigungstermin regeln die Parteien in diesem Abwicklungsvertrag. Der Abwicklungsvertrag wird wirksam, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Klage auf Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.A4) (2) Der Arbeitgeber räumt dem Arbeitnehmer das Recht ein, jederzeit vorzeitig das Arbeitsverhältnis durch schriftliche Eigenkündigung zum Ende eines Monats zu beenden. Die vorzeitige Beendigung ist im Interesse des Arbeitgebers.A5 § 2 – § 12: S. M 37.1 (Rz. 49). § 13 Klagerücknahme und Kosten (1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die unter dem Az.: … beim Arbeitsgericht … anhängige Kündigungsschutzklage unverzüglich nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung zurückzunehmen.A6 (Alternativ: Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die unter dem Az: … beim Arbeitsgericht … anhängige Kündigungsschutzklage mit Erfüllung dieser Vereinbarung zurückzunehmen. Beide Parteien beantragen das Ruhen des Verfahrens. Der Arbeitnehmer wird beantragen, dass ein bereits anberaumter Gütetermin aufgehoben wird und Termin nur auf Antrag einer der Parteien festgelegt wird.A6) (2) Jede Partei trägt die im Zusammenhang mit dem Abschluss dieser Vereinbarung entstehenden außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten selbst.A7 Ort, Datum Arbeitgeber Arbeitnehmer
Anmerkungen zu Muster M 37.2 A1 Sachverhalt: Es liegt eine ordentliche Arbeitgeberkündigung vor. Nach deren Ausscheiden einigen sich die Parteien über die Abwicklung des Arbeitsvertrages.
98
A2 Die Hinnahme einer ordentlichen betriebsbedingten oder personenbedingten Arbeit- 99 geberkündigung durch Abschluss eines Abwicklungsvertrages führt zur Verhängung einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld (§ 159 SGB III), wenn der Abwicklungsvertrag innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist abgeschlossen wurde. Wird der Abwicklungsvertrag erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist unterzeichnet, tritt keine Sperrzeit ein, wenn die Vertragskonditionen nicht im Vorfeld abgesprochen waren und der Vertrag lediglich die Rechte und Pflichten bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelt. Eine Sperrzeit tritt auch dann nicht ein, wenn sich die Abfindung in einer Größenordnung zwischen 0,25 und 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr bewegt. Ist ein arbeitsgerichtliches Verfahren bereits anhängig, ist es aus Arbeitnehmersicht zu bevorzugen, die Vereinbarung als arbeitsgerichtlichen Vergleich zu protokollieren. Der Vorteil liegt für den Arbeitnehmer darin, dass die Chance hat, einer Sperrzeit zu entgehen (vgl. Kap. 9, § 36 Rz. 75). Außerdem stellt der arbeitsgerichtliche Vergleich einen vollstreckbaren Titel dar (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). A3 Als Alternative zur Einigung über die Wirksamkeit der Kündigung kommt in Betracht, dass der Arbeitnehmer einen Klageverzicht erklärt. Ein Klageverzichtsvertrag kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wirksam abgeschlossen werden, wenn der Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt. Eine unangemesRid 915
100
Kap. 37 Rz. 101
Vergleichsvereinbarungen
M 37.2
sene Benachteiligung liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer in einer vorformulierten Erklärung ohne jegliche Gegenleistung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet hat oder für einen Verzicht keine angemessene Kompensation erhält. Vereinbaren die Parteien in einem Abwicklungsvertrag keinerlei Entschädigungszahlung sondern lediglich die Erteilung eines überdurchschnittlichen Zeugnisses, ist dies eine unangemessene Benachteiligung. Der Klageverzicht ist damit unwirksam (BAG, Urt. v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, MDR 2016, 399 = ArbRB 2016, 103). Für den Arbeitgeber bedeutet der Klageverzicht, dass er eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr befürchten muss. Für den Arbeitnehmer besteht dagegen das hohe Risiko, dass eine Sperrzeit verhängt wird, da er durch den Klageverzicht aktiv an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitwirkt (vgl. Rz. 90 ff.). 101
A4 Die Einigung mit dem Arbeitnehmer kann unter die aufschiebende Bedingung gestellt werden, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG keine Kündigungsschutzklage erhebt. Dies hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass er an die Zusagen im Abwicklungsvertrag nicht mehr gebunden ist, wenn es doch zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen sollte. Für den Arbeitnehmer besteht allerdings das Risiko, dass eine Sperrzeit verhängt wird, weil er aktiv an einer Vereinbarung über den Bestand und die Folgen der Kündigung mitgewirkt hat (vgl. Rz. 90 ff.).
102
A5 Zum Recht zur vorzeitigen Eigenkündigung des Arbeitnehmers vgl. M 37.1 Anm. A4 (Rz. 59).
103
A6 Die Beendigung eines anhängigen Kündigungsschutzrechtsstreits muss geregelt werden, wenn der Abwicklungsvertrag erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist für die Kündigungsschutzklage unterzeichnet wird und nicht unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass keine Klage erhoben wird (vgl. Anm. A4 [Rz. 101]). Verpflichtet sich der Arbeitnehmer zur unverzüglichen Rücknahme einer anhängigen Kündigungsschutzklage, ist der Arbeitnehmer darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber den Abwicklungsvertrag ordnungsgemäß erfüllt. Anderenfalls muss er aus dem Abwicklungsvertrag die darin geregelten Rechte, wie z.B. Gehaltsfortzahlung bis zum Kündigungstermin und Auszahlung der Abfindung, mit gesonderter Klage geltend machen. Die Alternative besteht darin, die Kündigungsschutzklage erst nach vollständiger Erfüllung des Abwicklungsvertrages zurückzunehmen. In diesem Fall könnte die Klage erweitert werden, wenn der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus dem Abwicklungsvertrag, wie z.B. Gehaltsfortzahlung, nicht fristgerecht erfüllt.
104
A7 Kosten: Vgl. M 37.1 Anm. A19 (Rz. 75).
C. Die Kündigung nach § 1a KSchG I. Einführung 1. Interessenlage der Parteien und strategische Überlegungen bei Ausspruch einer Kündigung nach § 1a KSchG 105
Mit dem Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt1 hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2004 ein weiteres Instrument zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen bereitgestellt, nämlich die Kündigung nach § 1a KSchG. Die Vorschrift besagt, dass der Arbeitgeber, der eine Kündigung auf betriebsbedingte Gründe stützt, im Kündigungsschreiben eine Abfindung anbieten kann – nicht muss – für den Fall, dass der Arbeitnehmer die dreiwöchige Klagefrist gegen die Kündigung verstreichen lässt. Die Höhe der Abfindung ist im Gesetz mit 0,5 Mo1 BGBl. I 2003, 3002.
916
Rid
Arbeitsrecht
Rz. 109 Kap. 37
natsverdiensten pro Beschäftigungsjahr festgelegt. Nach der Gesetzesbegründung sollte die Vorschrift „eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess“ schaffen.1 § 1a KSchG beschränkt nicht die Vertragsfreiheit. Es ist dem Arbeitgeber unbenommen, 106 eine höhere oder niedrigere Abfindung als die gesetzlich vorgesehene anzubieten. Schließlich kann der Arbeitgeber auch im Fall einer verhaltens- oder personenbedingten Kündigung eine Abfindung für den Fall der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage in Aussicht stellen. Vor diesem Hintergrund hat sich das Schrifttum kritisch mit dem Sinn und Zweck der Neuregelung auseinandergesetzt.2 Nach 12 Jahren Praxisanwendung zeigt sich jedoch, dass Arbeitgeber von der Möglichkeit des § 1a KSchG gerne Gebrauch machen, insbesondere dann, wenn es um größere Kündigungswellen geht und kein Betriebsrat existiert, der für die Belegschaft einen Sozialplan verhandeln könnte. Aus strategischer Sicht spielen folgende Überlegungen eine Rolle: Sicherheit darüber, ob die 107 Kündigung in einen arbeitsgerichtlichen Prozess mündet, besteht erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist. Deshalb ist aus Arbeitgebersicht der Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorzugswürdig. Das Angebot einer freiwilligen Abfindung bei Ausspruch der Kündigung könnte als Zeichen gewertet werden, dass sich der Arbeitgeber der Wirksamkeit der Kündigung selbst nicht sicher ist. Der Arbeitnehmer könnte daraus den Schluss ziehen, dass bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch eine deutlich höhere Abfindung verhandelbar ist, wenn denn der Arbeitgeber bereits freiwillig 0,5 Monatsverdienste pro Beschäftigungsjahr in Aussicht gestellt hat. Für den Arbeitnehmer steht, wie beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder Abwick- 108 lungsvertrages, die Frage im Vordergrund, welche sozialversicherungsrechtlichen Folgen eintreten, wenn er das Abfindungsangebot annimmt und auf die Klageerhebung verzichtet (vgl. Rz. 29 ff.). 2. Rechtsnatur, Voraussetzung und Höhe des Abfindungsanspruchs a) Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs Höchst umstritten war die Frage, ob es sich bei dem Abfindungsanspruch um einen gesetzli- 109 chen Anspruch handelt oder ob der Anspruch rechtsgeschäftlichen Charakter hat und das Verstreichenlassen der Klagefrist die konkludente Annahme des Abfindungsangebots darstellt.3 Heute steht fest, dass die in § 1a KSchG geregelte Abfindung ihrem Charakter nach einer einzelvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Hinnahme der Kündigung vereinbarten Abfindung entspricht. Die in § 1a KSchG geregelte Abfindung verfolgt denselben Zweck wie die in einem Vergleich der Arbeitsvertragsparteien vereinbarte Abfindung.4 Die Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs ist heute nur noch von akademischer Natur, weil die sozialversicherungsrechtlichen Folgen des Verstreichenlassens der Klagefrist mittlerweile geklärt sind (dazu unter Rz. 114).
1 2 3 4
Begr. G-Entwurf BT-Drucks. 15/1204. Vgl. Bauer/Krieger, NZA 2004, 77, die die Neuregelung als „1a daneben“ bewerten. Zum Meinungsstreit: von Steinau-Steinrück/Hureck, ZIP 2004, 1486, 1488. BAG, Urt. v. 16.12.2010 – 6 AZR 423/09, NZA-RR 2011, 421; in der Entscheidung lässt das BAG allerdings die Rechtsnatur des Abfindungsanspruchs offen.
Rid 917
Kap. 37 Rz. 110
Vergleichsvereinbarungen
b) Voraussetzungen des Abfindungsanspruchs 110
Der Abfindungsanspruch entsteht unter folgenden Voraussetzungen: – Betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung; – Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung, die Kündigung werde auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt und der Arbeitnehmer könne bei Verstreichenlassen der Klagefrist die gesetzliche Abfindung beanspruchen; – Verstreichenlassen der Klagefrist durch den Arbeitnehmer.
111
Der Abfindungsanspruch entsteht erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist und ist auch zu diesem Zeitpunkt fällig.1 Verstirbt der Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfrist oder endet das Arbeitsverhältnis vorher durch eine außerordentliche Kündigung, entsteht kein Abfindungsanspruch.
112
Das Gesetz verlangt lediglich, dass die Kündigung „auf dringende betriebliche Erfordernisse“ gestützt ist. Daraus wird gefolgert, dass die Kündigung nur als betriebsbedingt bezeichnet werden muss und die Gerichte im Streit um die Abfindungszahlung oder um Ansprüche auf Arbeitslosengeld das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen „betriebsbedingter Kündigungsgrund“ nicht überprüfen können.2 c) Höhe des Abfindungsanspruchs
113
Die Höhe der Abfindung ist im Gesetz mit 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses definiert. Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, an Geld und Sachbezügen zusteht. Eventuelle Tariferhöhungen, die zwischen Ausspruch der Kündigung und Beendigungstermin wirksam werden, sind somit bei der Berechnung der Abfindung zu berücksichtigen. 3. Sozialversicherungsrechtliche Folgen einer Kündigung nach § 1a KSchG a) Sozialversicherungsrechtliche Folgen für den Arbeitnehmer
114
Während bei Einführung des § 1a KSchG eine große Rechtsunsicherheit über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen des Verstreichenlassens der Klagefrist herrschte, steht mittlerweile fest, dass die Hinnahme einer § 1a-Kündigung keinen „Beteiligungssachverhalt“ im Sinne des § 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III darstellt und daher keine Sperrzeit auslöst. Dies ist mittlerweile auch in der Geschäftsanweisung der Bundesagentur zu § 159 SGB III nachzulesen (GA 159.83).3
115
Fraglich ist es, welche sozialversicherungsrechtlichen Folgen es hat, wenn bewusst eine höhere als die gesetzlich vorgesehene Abfindung angeboten wird. In diesem Fall riskiert der Arbeitnehmer eine Sperrzeit. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedenfalls dann, wenn die Abfindungssumme die Grenzen des § 1a KSchG deutlich übersteigt. Darin liegt ein Anhaltspunkt für ein „Freikaufen“ des Arbeitgebers von den Risiken eines Kündigungsschutzprozesses.4 Auch die Geschäftsanweisung der Bundesagentur regelt, dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Arbeitgeberkündigung nur dann zu unterbleiben hat, 1 Schaub, § 134 Rz. 66. 2 BSG, Urt. v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, NZA 2006, 1359. 3 BSG, Urt. v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, NZA 2006, 1359; Urt. v. 2.5.2012 – B 11 AL 6/11 R, NZS 2012, 874. 4 BSG, Urt. v. 2.5.2012 – B 11 AL 6/11 R, NZS 2012, 874.
918
Rid
M 37.3
Arbeitsrecht
Rz. 120 Kap. 37
wenn die Abfindungshöhe zwischen 0,25 und 0,5 Bruttomonatsverdiensten beträgt. Bei einer höheren Abfindung prüft die Agentur die Erfolgsaussichten der Arbeitgeberkündigung.1 Aus Arbeitgebersicht ist es wünschenswert, eine Kündigung nach § 1a KSchG mit einem Klageverzicht zu verbinden, da anderenfalls erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist feststeht, ob ein Prozess geführt werden muss oder nicht.
116
Die Rechtsprechung hält einen Klageverzichtsvertrag nach ausgesprochener Kündigung für 117 wirksam, wenn die Erklärungen eindeutig sind und wenn der Arbeitnehmer für seinen Verzicht eine angemessene Kompensation erhält.2 Ein solcher ausdrücklicher Klageverzicht dürfte trotz aktiver Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses keine Sperrzeit auslösen, wenn jetzt sogar der Abschluss eines Aufhebungsund Abwicklungsvertrages, der eine Abfindung von 0,25 bis 0,5 Monatsgehältern vorsieht, sperrzeitunschädlich ist.3 b) Die sozialversicherungsrechtlichen Risiken für den Arbeitgeber Der Ausspruch einer Kündigung nach § 1a KSchG hat für den Arbeitgeber keine sozialversicherungsrechtlichen Risiken.
118
4. Steuerrechtliche Behandlung der Abfindung Auf die Ausführungen unter Rz. 42 ff. wird verwiesen.
119
II. Muster M 37.3 Kündigung nach § 1a KSchG
120
Kündigung nach § 1a KSchGA1 Sehr geehrter Herr/Frau …, hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist mit Wirkung zum … Die Kündigung wird auf betriebsbedingte Gründe gestützt.A2 Für den Fall, dass Sie bis zum Ablauf der Frist des § 4 KSchG keine Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, können Sie eine Abfindung beanspruchen.A3 Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (§ 1a KSchG).A4 Wir weisen Sie auf die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderweitigen Beschäftigung hin sowie auf die Verpflichtung, sich unverzüglich persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden (§ 37b SGB III). Bei verspäteter Meldung beim Arbeitsamt tritt eine Sperrzeit ein.A5 Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift)
1 Schaub, § 23 Rz. 53 f. 2 BAG, Urt. v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14. 3 BSG, Urt. v. 2.5.2012 – B 11 AL 6/11 R, NZS 2012, 874.
Rid 919
Kap. 37 Rz. 121
Vergleichsvereinbarungen
M 37.3
Anmerkungen zu Muster M 37.3 121
A1 Sachverhalt: Der Arbeitgeber spricht eine betriebsbedingte Kündigung aus. Um einen Kündigungsschutzprozess zu vermeiden, bietet er dem Arbeitnehmer die im Gesetz vorgesehene Abfindung an für den Fall, dass dieser die Klagefrist verstreichen lässt.
122
A2 Die Kündigung nach § 1a KSchG setzt den Hinweis in der Kündigungserkärung voraus, dass die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe gestützt wird. Von den Arbeits- und Sozialgerichten sowie der Agentur für Arbeit wird in diesem Fall nicht überprüft, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, es sei denn, der Arbeitnehmer erhebt Kündigungsschutzklage. Wohl aber prüft die Agentur für Arbeit, ob die Kündigung offensichtlich rechtswidrig war.
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A3 Das Verstreichenlassen der Klagefrist gilt nicht als Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Hinnahme einer Kündigung nach § 1a KSchG löst keine Sperrzeit gem. § 159 SGB III aus.
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A4 Die Höhe der Abfindung ist im Gesetz festgelegt. Maßgeblich ist der Monatsverdienst, den der Arbeitnehmer im Monat der Beendigung erzielt. Im Hinblick auf eventuelle Tariferhöhungen, die während des Laufs der Kündigungsfrist in Kraft treten, empfiehlt es sich, die Höhe der Abfindungszahlungen offen zu lassen und ausschließlich auf den Gesetzeswortlaut zu verweisen.
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Das Angebot einer höheren Abfindung als der gesetzlich vorgesehenen liegt nahe, wenn die Kündigung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wirksam ist und der Arbeitnehmer anderenfalls auf einen Prozess nicht verzichten würde. Es besteht insoweit Vertragsfreiheit. Für den Arbeitnehmer besteht das Risiko der Verhängung einer Sperrzeit, wenn er im Hinblick auf die Zusage einer höheren als der gesetzlichen Abfindung eine Klage unterlässt. Rechtsprechung hierzu liegt noch nicht vor.
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A5 Der Hinweis auf die Meldepflicht entspricht § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III.
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A6 Kosten: Eine Kostenregelung ist nicht zu treffen. Es fallen in der Regel keine Kosten an.
D. Vereinbarungen bei streitiger Arbeitnehmereigenschaft I. Einführung 1. Interessenlage der Parteien 128
Als rechtlicher Berater wird man häufig mit der Situation konfrontiert, dass Vertragsparteien über die rechtliche Einordnung eines Vertrages als Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag streiten. In bestimmten Branchen, insbesondere im IT-Bereich, aber auch im Vertrieb, setzen Unternehmen gerne sog. freie Mitarbeiter ein, die über ihre Tätigkeit Rechnungen schreiben und für die keine Sozialabgaben und Lohnsteuer abgeführt werden. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich solche freien Mitarbeiter oft als Scheinselbstständige. Unter dem Begriff „Scheinselbstständige“ sind Personen zu verstehen, die formal wie selbstständig Tätige auftreten, tatsächlich aber abhängig Beschäftigte sind.
129
Zum Streit über die rechtliche Einordnung der Zusammenarbeit kommt es in der Regel bei Betriebsprüfungen der Finanzbehörden, bei Prüfungen der Sozialversicherungsträger oder wenn sich das Unternehmen von einem freien Mitarbeiter trennen will und dieser seinen Arbeitnehmerstatus geltend macht. In letzterem Fall geht es darum, eine Vereinbarung über die Beendigung der Zusammenarbeit zu finden, die bestmöglich die beiderseitigen Risiken aus der Vertragsdurchführung regelt. 920
Rid
Arbeitsrecht
Rz. 138 Kap. 37
2. Rechtliche Einordnung der Zusammenarbeit Es gibt diverse Tätigkeiten, die sowohl in einem freien Mitarbeiterverhältnis als auch in einem Angestelltenverhältnis ausgeübt werden können. Ausschlaggebend ist nicht der Vertragswortlaut, sondern die Art und Weise der Vertragsdurchführung.
130
Ein Arbeitsverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer weisungsabhängig hinsichtlich Art, Zeit und Ort der Arbeitsleistung eingesetzt wird und in die Betriebsorganisation eingebunden ist. Er trägt kein unternehmerisches Risiko.
131
Dagegen zeichnet sich der selbstständige Dienstnehmer oder freie Mitarbeiter dadurch 132 aus, dass er seine Tätigkeit bezüglich Zeit, Ort, Art und Weise der Leistungserbringung frei einteilen kann, nicht in eine betriebliche Organisation eingebunden ist und somit weisungsfrei tätig ist und ein eigenes unternehmerisches Risiko trägt. Er kann aber durchaus üblichen Berichtspflichten unterliegen. 3. Rechtliche Risiken der Scheinselbstständigkeit a) Sozialversicherungsrechtliche Risiken Der Arbeitgeber ist für die Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge (Arbeitneh- 133 meranteil und Arbeitgeberanteil) verantwortlich (§ 28d, § 28e SGB IV). Er ist Beitragsschuldner gegenüber der zuständigen Krankenkasse als Einzugsstelle. Ihn treffen die entsprechenden Meldepflichten gegenüber der Einzugsstelle (§ 28a SGB IV). Stellt sich im Nachhinein heraus, dass ein Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, nimmt die Krankenkasse den Arbeitgeber auf Nachentrichtung der zu Unrecht nicht abgeführten Sozialabgaben (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) in Anspruch. Die Beitragsansprüche verjähren in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Wurden die Beiträge vorsätzlich vorenthalten, tritt Verjährung erst nach Ablauf von 30 Jahren ein (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).
134
Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erstattung des von ihm 135 zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (50 %). Dieser Anspruch kann jedoch ausschließlich durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden (§ 28g SGB IV). Dies bedeutet, dass in der Praxis in den meisten Fällen, in denen die Zusammenarbeit beendet wird, der Arbeitgeber keinen Regress mehr beim Arbeitnehmer nehmen kann. Der Arbeitgeber, der vorsätzlich oder leichtfertig seine Meldepflichten verletzt, handelt ord- 136 nungswidrig (§ 111 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Die vorsätzliche Nichtabführung des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung wird als 137 Straftat geahndet (§ 266a StGB). Es haftet die Geschäftsführung des jeweiligen Unternehmens. Die Vereinbarung über die Beendigung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und 138 Scheinselbständigem bindet nicht die Sozialversicherungsträger und die Finanzämter. Auch wenn sich die Parteien auf eine Beendigung der Zusammenarbeit verständigen, droht die Nachentrichtung der nicht abgeführten Sozialabgaben, wenn die Sozialversicherungsträger den freien Mitarbeiter als abhängig Beschäftigten ansehen.
Rid 921
Kap. 37 Rz. 139
Vergleichsvereinbarungen
b) Lohnsteuerrechtliche Risiken 139
Steuerschuldner der Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 EStG). Zur Abführung der Lohnsteuer und Einbehalt bei der Gehaltsauszahlung ist jedoch der Arbeitgeber verpflichtet (§ 42d Abs. 3 Satz 1 EStG). Arbeitgeber und Arbeitnehmer haften als Gesamtschuldner. Die Finanzämter nehmen in der Regel den Arbeitgeber auf Nachzahlung der Lohnsteuer in Anspruch. Dieser kann den Arbeitnehmer in voller Höhe in Regress nehmen (§ 42b BGB).
140
Umgekehrt hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Finanzamt Probleme zu befürchten, wenn er seine Einnahmen als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit deklariert, zu Unrecht Vorsteuerabzug geltend gemacht und zu Unrecht Kosten als Betriebsausgaben abgesetzt hat.
141
Die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Scheinselbständigem über die Zusammenarbeit bindet nicht die Steuerbehörden. Diese ermitteln unabhängig. Die Parteien können also nicht über die Nachzahlung der Lohnsteuer disponieren. c) Arbeitsrechtliche Risiken
142
Der Scheinselbstständige kann von sich aus folgende Maßnahmen ergreifen: aa) Statusfeststellungsklage zum Arbeitsgericht
143
Der Scheinselbstständige kann jederzeit während des Vertragsverhältnisses Klage zum Arbeitsgericht einreichen, um feststellen zu lassen, dass er in Wahrheit Arbeitnehmer ist und in einem unbefristeten Anstellungsverhältnis steht. In diesem Fall überprüft das Arbeitsgericht die Arbeitnehmereigenschaft. Die Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses trägt der Kläger. bb) Kündigungsschutzklage
144
Für den Fall, dass das Unternehmen eine Kündigung des Vertragsverhältnisses ausspricht, kann der Scheinselbstständige Kündigungsschutzklage erheben und in diesem Rahmen geltend machen, dass er in Wahrheit Arbeitnehmer sei. Im Rahmen dieser Kündigungsschutzklage wird dann geprüft, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Auch hier trägt die Beweislast für das Vorliegen des Arbeitsverhältnisses der Kläger. 4. Lösungsansätze a) Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund
145
Es besteht sowohl für das Unternehmen als auch für den freien Mitarbeiter die Möglichkeit, einen Antrag an die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) zu richten, mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass keine versicherungspflichtige Beschäftigung (Arbeitsverhältnis) vorliegt (§ 7a SGB IV). In dem Antrag ist die Art und Weise der Durchführung der Vertragsbeziehung darzustellen, beide Seiten werden von der DRV gehört. Sie entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles (§ 7a SGB IV). Die Feststellung der Versicherungspflicht erfolgt grundsätzlich ab Beginn des Vertragsverhältnisses mit der Folge der rückwirkenden Beitragspflicht. Ausnahmsweise tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tag der Bekanntgabe der Entscheidung ein (§ 7a Abs. 6 SGB IV), wenn – der Antrag vor Aufnahme oder innerhalb eines Monats seit Aufnahme der Tätigkeit gestellt wird, – der Beschäftigte dem zustimmt und 922
Rid
M 37.4
Arbeitsrecht
Rz. 149 Kap. 37
– für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Wird außerhalb eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV festgestellt, dass eine versiche- 146 rungspflichtige Beschäftigung vorliegt, besteht die Versicherungspflicht ab Beginn des Vertragsverhältnisses mit der Folge der rückwirkenden Beitragspflicht. Die Vorschrift des § 7b SGB IV, wonach ausnahmsweise Versicherungspflicht erst mit dem Tag der Bekanntgabe der Entscheidung eintrat, wurde ersatzlos aufgehoben. b) Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten der Parteien Vertraglich besteht nur in engen Grenzen die Möglichkeit, die unter Nr. 3 (Rz. 133 ff.) ge- 147 schilderten Risiken zu minimieren. Ausschlaggebend für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses ist nicht der Vertragswortlaut, sondern die Art und Weise der Durchführung. Wurden in der Vergangenheit bereits Fakten geschaffen, die eindeutig für ein Arbeitsverhältnis sprechen, hilft eine Einigung auf dem Papier, dass ein freies Dienstverhältnis vorlag, daher nicht. Bestehen dagegen berechtigte Zweifel über die rechtliche Einordnung und wollen die Par- 148 teien für die Zukunft Rechtssicherheit in der Weise schaffen, dass der Vertrag beendet wird oder der Mitarbeiter als Arbeitnehmer angestellt werden soll, empfiehlt es sich, eine Vereinbarung über die Beendigung der Zusammenarbeit als freier Mitarbeiter zu treffen. Soweit gewünscht, kann dann im Anschluss ein reguläres Arbeitsverhältnis begründet werden.
II. Muster M 37.4 Aufhebungsvereinbarung bei zweifelhafter Arbeitnehmereigenschaft Vereinbarung über die Beendigung des DienstverhältnissesA1 zwischen Firma …, Adresse im Folgenden als „Unternehmen“ bezeichnet und Herrn/Frau …, Adresse §1 Beendigung des Dienstverhältnisses (1) Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis mit Ablauf des … endet.A2 Damit enden auch sämtliche bis zu diesem Termin abgeschlossenen Vertragsbeziehungen, gleich welcher Rechtsnatur. (2) Herr/Frau bestätigt, dass er im Rahmen der Durchführung der Vertragsbeziehung keinen Weisungen des Unternehmens unterlag und seine Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Ort und Art und Weise der Aufgabenerfüllung frei gestalten konnte. Beide Parteien gehen davon aus, dass es sich um eine selbstständige Tätigkeit handelte.A3
Rid 923
149
Kap. 37 Rz. 150
Vergleichsvereinbarungen
M 37.4
§2 AbschlussvergütungA4 Das Unternehmen zahlt an Herrn/Frau eine Abschlussvergütung in Höhe von … Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, soweit gesetzlich geschuldet. Die Vergütung ist am … zur Zahlung fällig. Herr/ Frau verpflichtet sich, für die ordnungsgemäße Versteuerung der Abschlussvergütung Sorge zu tragen. Es besteht Einigkeit darüber, dass mit dieser Zahlung sämtliche erbrachten Leistungen abgegolten sind. §3 ZusicherungenA5 (1) Herr/Frau versichert, bisher keinen Antrag an die Deutsche Rentenversicherung auf Feststellung einer abhängigen Beschäftigung gestellt zu haben und einen solchen Antrag auch in der Zukunft nicht zu stellen. Er/Sie bestätigt, nicht als abhängiger Arbeitnehmer für das Unternehmen tätig gewesen zu sein. (2) Herr/Frau versichert, seine/ihre Einkünfte ordnungsgemäß versteuert zu haben. (3) Höchst vorsorglich stellt Herr/Frau das Unternehmen von etwaigen Ansprüchen der Sozialversicherungsträger und/oder Finanzbehörden auf erstes Anfordern frei. §4 AbgeltungsklauselA6 Mit Erfüllung der in diesem Aufhebungsvertrag geregelten Ansprüche sind sämtliche finanziellen Ansprüche erledigt. Dies gilt nicht für Ansprüche, die eine deliktische Rechtsgrundlage haben und Ansprüche wegen fehlerhafter Zusicherungen in dieser Vereinbarung. §5 Salvatorische Klausel Sollten eine oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam oder nichtig sein, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen dadurch nicht berührt. Die Parteien verpflichten sich, anstelle einer unwirksamen Bestimmung eine dieser Regelung wirtschaftlich möglichst nahe kommende wirksame Regelung zu treffen. §6 KostenA7 Jede Vertragspartei trägt die ihr entstehenden Kosten im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Vertrages.
Anmerkungen zu M 37.4 150
A1 Sachverhalt: Das Vertragsmuster regelt die einvernehmliche Beendigung der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, wenn Zweifel über die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag oder freies Dienstverhältnis bestehen.
151
A2 Eine Einigung über die Beendigung der Zusammenarbeit ist in jedem Fall wirksam möglich, unabhängig davon, ob es sich rechtlich um ein Arbeitsverhältnis oder um ein freies Mitarbeiterverhältnis oder Dienstverhältnis handelte. Aus diesem Grund ist die rechtliche Einordnung des Vertrages neutral mit „Vertragsverhältnis“ beschrieben.
152
A3 Mit der Formulierung soll bekräftigt werden und vom Dienstnehmer bestätigt werden, dass er weisungsfrei selbstständig tätig war und dass die Parteien daher von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehen. 924
Rid
M 37.4
Arbeitsrecht
Rz. 156 Kap. 37
A4 Soweit das Unternehmen als Gegenleistung für die Beendigung der Zusammenarbeit 153 noch eine Art Abfindung zahlt, darf diese nicht als Abfindung bezeichnet werden. Abfindungen können nur bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen bezahlt werden. Es bleibt dem Unternehmen aber unbenommen, dem freien Mitarbeiter die Zahlung einer Abschlussvergütung anzubieten, die dieser dann ordnungsgemäß versteuern muss. A5 Das Unternehmen kann sich nicht darauf verlassen, die in § 3 Abs. 3 vorgesehene Frei- 154 stellungserklärung im Ernstfall durchsetzen zu können. Von den Regelungen zum Beitragsabzug in § 28g SGB IV kann nämlich nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden (§ 32 SGB I). A6 Mit der Abgeltungsklausel soll sichergestellt werden, dass mit Ausnahme der Ab- 155 schlussvergütung keine weiter gehenden Ansprüche des freien Mitarbeiters mehr gegen das Unternehmen bestehen. A7 Kosten: In der Regel trägt jede Partei die Kosten anwaltlicher Berater im Zusammenhang mit dem Abschluss der Vereinbarung selbst.
Rid 925
156
Zehnter Teil
Vertragsvollzug
Kapitel 38
Sicherung durch Bedingungen
I. 1. 2. 3. 4.
1 2 3
Einführung Vollzug als tatsächliches Problem. . . . . . . Diagnose des Durchführungsrisikos . . . . Vollzugsautomatismus vs. Vertragstreue Vollzugsautomatismus durch Vereinbarung von Bedingungen . . . . . . . . . . . . .
4
a) Funktionsweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsfälle/Eignung . . . . . . . . . .
5 6
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 38.1 Sicherung des Vertragsvollzugs durch Bedingungen . . . . . . . . . . .
9 9
Literatur: Keim, Streitverhütung – Streitregelung. Die Rolle des Notars, MittBayNot 1994, 2 ff.; Langenfeld, Vertragsgestaltung: Methode, Verfahren, Vertragstypen, 4. Aufl. 2004; Reithmann, Vollmachten und andere Instrumente der notariellen Treuhandtätigkeit, ZNotP 2005, 322 ff.; Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989; Schmittat, Einführung in die Vertragsgestaltung, 4. Aufl. 2015; Walz, Mediative Vertragsgestaltung durch Notare, DNotZ 2003, 164 ff.
I. Einführung 1. Vollzug als tatsächliches Problem Oft ist die im Rahmen der Konfliktbeilegung erzielte Einigung nur die Hälfte der Wegstrecke: 1 Grundsätzlich muss jede Einigung auch in die Praxis umgesetzt, d.h. deren Inhalt vollzogen werden. Dies ist eine Folge der unserem Rechtssystem zu Grunde liegenden Trennung von schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dinglichen Vollzugsgeschäften (sog. Abstraktionsprinzip):1 Der Verkauf eines Grundstücks allein macht den Käufer noch nicht zum Eigentümer desselben. Zum Erwerb des Eigentums bedarf es vielmehr mehrerer Vollzugsakte, wie z.B. der Lastenfreistellung des Grundstücks, der Einholung erforderlicher Genehmigungen und nicht zuletzt der Kaufpreiszahlung und der Auflassungserklärung zur Umschreibung des Eigentums im Grundbuch. 2. Diagnose des Durchführungsrisikos Insbesondere das Vollzugserfordernis kann sich aber als Einfallstor für die nachträgliche 2 Torpedierung einer – vielleicht unter großen Mühen und Kompromissen – erzielten Einigung herausstellen; dies um so mehr, wenn einer der Beteiligten das erzielte Ergebnis bereut (sog. Vertragsreue): Oft wird er dann kein weiteres Interesse an der Umsetzung der vertraglichen Absprachen, dem sog. Vollzug, haben und deshalb jede Mitwirkung verweigern. Dieses sog. „Durchführungsrisiko“ sollte und kann eine vorausschauende Konfliktlösung für die Beteiligten primär analysieren und möglichst minimieren. Hierzu sollte stets eine entsprechende Diagnose erfolgen: Welche Vollzugsschritte und weiteren Vollzugshandlungen der Beteiligten sind zur Umsetzung der vertraglichen Vereinbarungen im Einzelnen erforderlich? Ferner muss eine Prognose erstellt werden, welche Vollzugshindernisse mit welcher Wahrscheinlichkeit auftreten können.
1 Vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Vor § 104 Rz. 15 ff.
Schneeweiß
927
Kap. 38 Rz. 3
Vertragsvollzug
3. Vollzugsautomatismus vs. Vertragstreue 3
Führt die Vollzugsdiagnose zu dem Ergebnis, dass die rechtliche Umsetzung der erzielten Einigung mehr oder weniger komplexe weitere Vollzugshandlungen der Beteiligten erfordert, ist die Frage zu beantworten, inwieweit einer möglichen Vertragsreue eines Beteiligten begegnet werden sollte: Besteht an der Vertragstreue der Beteiligten kein Zweifel, sind Sicherungsmechanismen im Wege des automatischen Vollzugs nicht erforderlich. Trauen sich die Beteiligten dagegen weniger über den Weg oder kennen sie sich schlicht nicht, bietet ein Vollzugsautomatismus die gewünschte Sicherheit, dass die einmal getroffene Einigung auch rechtlich vollzogen wird. Je selbständiger und automatischer der Vollzug erfolgen kann, desto geringer muss die Vertragstreue der Beteiligten sein – und umgekehrt. Vollzugsautomatismus und Vertragstreue stehen also in einem indirekt proportionalen Verhältnis zueinander. 4. Vollzugsautomatismus durch Vereinbarung von Bedingungen
4
Für den von dem Willen eines einzelnen Beteiligten unabhängigen Vollzug stehen verschiedene Wege offen: Am einfachsten lässt sich ein gewünschter Vollzugsautomatismus durch Vereinbarung entsprechender Bedingungen erreichen.1 Hierbei lässt sich insbesondere im Rahmen von sog. Austauschverträgen die Erfüllung der einen Leistung durch die Erfüllung der entsprechenden Gegenleistung bedingen (z.B. „Geld gegen Ware“).2 Dabei lassen sich grundsätzlich aufschiebende und auflösende Bedingungen unterscheiden: Bei der sog. aufschiebenden Bedingung tritt die Rechtsfolge erst mit Eintritt des vorausgesetzten Ereignisses ein (§ 158 Abs. 1 BGB), bei der auflösenden Bedingung entfällt die Rechtsfolge mit Eintritt des vorausgesetzten Ereignisses (§ 158 Abs. 2 BGB). a) Funktionsweise
5
Die Funktionsweise ist hier stets gleich: Die Beteiligten geben gemeinsam mit der die jeweilige Verpflichtung begründenden Einigung bereits sämtliche für deren Vollzug erforderlichen Erklärungen ab. Die Rechtswirkungen ihrer Vollzugserklärungen können jedoch – je nach Bedarf – vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig gemacht werden: Entweder treten sie erst mit dem Eintritt eines konkret zu bestimmenden Ereignisses (z.B. Zahlung des Kaufpreises) ein (aufschiebende Bedingung) oder sie entfallen mit dem Ereignis wieder (z.B. Rücktritt eines Beteiligten vom Vertrag) (auflösende Bedingung). Die Bedingungen können sich hierbei sowohl auf die Entstehung oder das Entfallen (weiterer) schuldrechtlicher Verpflichtungen als auch auf die Erklärungen zur Erfüllung wirksam begründeter Pflichten erstrecken. b) Anwendungsfälle/Eignung
6
Die Vereinbarung von Bedingungen zur Sicherung der Vertragstreue der Beteiligten ist z.B. in folgenden Situationen denkbar und sinnvoll: – Die Übereignung eines Gegenstandes wird von der Bezahlung der hierfür vereinbarten Gegenleistung abhängig gemacht (sog. Eigentumsvorbehalt).3
1 Zur Vereinbarung von Bedingungen als Mittel der Vertragsgestaltung vgl. allgemein Langenfeld, Vertragsgestaltung: Methode, Verfahren, Vertragstypen, 4. Aufl. 2004, Rz. 260 ff.; Schmittat, Einführung in die Vertragsgestaltung, 4. Aufl. 2015, Rz. 130 ff. 2 Langenfeld, Vertragsgestaltung: Methode, Verfahren, Vertragstypen, 4. Aufl. 2004, Rz. 265. 3 Siehe hierzu im Einzelnen Weidenkaff in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 449 Rz. 12 ff.
928
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M 38.1
Sicherung durch Bedingungen
Rz. 9 Kap. 38
– Bei Eintritt oder Wegfall näher definierter Voraussetzungen entsteht eine Verpflichtung zur Rückübereignung eines bestimmten Gegenstandes (z.B. Absicherung eines schuldrechtlichen Veräußerungsverbotes für eine geschenkte Immobilie; oder Absicherung der Bebauung und Selbstnutzung eines im Wege des sog. Einheimischenmodells von einer Gemeinde verkauften Bauplatzes). – Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Verstoßes gegen eine bestimmte vertragliche Verpflichtung, z.B. zur Absicherung eines vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbotes. – Entfallen bestimmter Verpflichtungen für den Fall, dass die andere Vertragspartei ihrerseits bestimmte vertraglich vereinbarte Handlungen nicht bis zu einem festgelegten Zeitpunkt vorgenommen hat (z.B. Zahlung des Kaufpreises oder Vorlage bestimmter Unterlagen/Bilanzen im Rahmen eines Unternehmenskaufes oder vertragsgemäße Räumung des verkauften Objektes). Ob insbesondere bei der Absicherung der Gegenleistungen im Rahmen von Austauschver- 7 trägen die Vereinbarung einer auflösenden oder einer aufschiebenden Bedingung zu empfehlen ist, muss sich an den gewollten Rechtsfolgen und den zu erwartenden Nachweisproblemen orientieren: Bei der aufschiebenden Bedingung wird der neue Rechtsinhaber zum Nachweis seiner Berechtigung neben dem eigentlichen Rechtserwerb immer auch den Eintritt der Bedingung belegen müssen. Ist z.B. die Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils durch die Zahlung des Kaufpreises aufschiebend bedingt, muss der Erwerber zum zweifelsfreien Nachweis seiner Gesellschafterstellung auch eine (am besten notariell beglaubigte) Bestätigung des Verkäufers über den Erhalt des Kaufpreises vorlegen können. Da erfahrungsgemäß die Nichtzahlung des Kaufpreises die Ausnahme bildet und mit einem sofortigen Rechtsübergang sich auch der Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels exakt bestimmen lässt, kann stattdessen die Abtretung des Geschäftsanteils in der Weise auflösend bedingt werden, dass der Verkäufer wegen Nichtzahlung der Gegenleistung von dem Vertrag über den Verkauf des Geschäftsanteils zurücktritt.1 Bei der Vereinbarung von auflösenden oder aufschiebenden Bedingungen ist jedoch grund- 8 sätzlich zu hinterfragen, ob die Unausweichlichkeit des Eintritts der mit der Bedingung verknüpften Rechtsfolge in jedem Fall gewollt ist oder ob nicht die Einräumung eines entsprechenden Gestaltungsrechtes (wie z.B. die Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes an Stelle einer auflösenden Bedingung) für die Beteiligten sinnvoller ist.2
II. Muster M 38.1 Sicherung des Vertragsvollzugs durch BedingungenA1
9
1. A verkauft hiermit seinen Geschäftsanteil zu 100 000 Euro an der A-GmbH an B.A2 Der Kaufpreis beträgt 300 000 Euro … 2. A tritt hiermit den nach Ziff. 1. verkauften Geschäftsanteil ab.A3 Diese Abtretung steht jedoch unter der aufschiebenden Bedingung, dass B den nach dieser Urkunde geschuldeten Kaufpreis (einschließlich etwaiger Verzugszinsen) vollständig bezahlt hat.A4 B nimmt diese aufschiebend bedingte Abtretung an.A5
1 Hierzu und zu weiteren Argumenten insb. bei GmbH-Anteilsabtretungen vgl. Langenfeld, Vertragsgestaltung: Methode, Verfahren, Vertragstypen, 4. Aufl. 2004, Rz. 272. 2 Vgl. hierzu Schmittat, Einführung in die Vertragsgestaltung, 4. Aufl. 2015, Rz. 139.
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Kap. 38 Rz. 10
Vertragsvollzug
M 38.1
3. A ist verpflichtet, nach Erhalt des Kaufpreises unverzüglich den Eintritt der aufschiebenden Bedingung in notariell beglaubigter Form zu bestätigen.A6, A7
Anmerkungen zu Muster M 38.1 10
A1 Sachverhalt: A ist alleiniger Gesellschafter der A-GmbH. Er verkauft das gesamte Unternehmen im Wege des sog. share-deals an B. Er will sichergehen, dass B bei Fälligkeit den Kaufpreis auch tatsächlich bezahlt. Zumindest will er nicht seine GmbH-Anteile übereignen, bevor er nicht den Kaufpreis erhalten hat. B wiederum will nicht den Kaufpreis bezahlen, ohne zugleich Inhaber der GmbH-Anteile zu werden.
11
A2 Schuldrechtliches Grundgeschäft: Der Verkauf der GmbH-Anteile ist das sog. schuldrechtliche Grundgeschäft. Dieses begründet lediglich eine Verpflichtung zur Übereignung der verkauften GmbH-Anteile, führt jedoch allein noch zu keiner Rechtsänderung hinsichtlich der Inhaberschaft an den Anteilen.
12
A3 Abtretung: Mit der Abtretung wird B Inhaber der GmbH-Anteile (sog. dingliches Vollzugsgeschäft).
13
A4 Kaufpreiszahlung als Bedingung: Die Bezahlung des Kaufpreises ist als aufschiebende Bedingung der Abtretung vereinbart worden. Damit tritt der Vollzug des Kaufvertrages automatisch mit der Bezahlung des Kaufpreises ein (Vollzugsautomatismus). Ob auch die Bezahlung der (vielleicht umstrittenen) Verzugszinsen zur Voraussetzung für den Bedingungseintritt erklärt werden sollte, ist im Einzelfall zu klären. Ebenso ist stets zu prüfen, inwieweit eine Bedingung rechtlich überhaupt zulässig ist: So ist z.B. die bedingte Einigung über den Eigentumsübergang an einem Grundstück gemäß § 925 Abs. 2 BGB rechtlich unzulässig.
14
A5 Dinglicher Vertrag: Auch die Abtretung ist ein (dinglicher) Vertrag. Deshalb wird in der Praxis regelmäßig auch die Annahme der Abtretung durch den Erwerber ausdrücklich erklärt.
15
A6 Bedingungseintritt: Um dem Dritten gegenüber nachweisen zu können, dass die Abtretung wirksam geworden und damit B Inhaber der GmbH-Anteile geworden ist, ist es zu empfehlen, dass A den Bedingungseintritt dem B bestätigt. Die notariell beglaubigte Form ist hierbei empfehlenswert, weil nur so Dritten gegenüber die Echtheit der Erklärung zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.
16
A7 Kosten: Die notarielle Beglaubigung einer Erklärung der Beteiligten über den Bedingungseintritt löst nach KV 25100 je nach Geschäftswert eine Gebühr zwischen 20 und 70 Euro zzgl. Auslagen und USt. aus.
930
Schneeweiß
Kapitel 39 I. Einführung 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollzugsautomatismus durch Erteilung von Vollmachten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionsweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Person des Bevollmächtigten . . . . . . . .
Vollmachten 1
c) Sicherung der Vertragstreue durch Bindung im Innenverhältnis . . . . . . . . d) Anwendungsfälle/Eignung . . . . . . . . . .
2 3 5
II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 39.1 Sicherung des Vertragsvollzugs durch Vollmacht. . . . . . . . . . . . . .
8 10 12 12
I. Einführung 1. Allgemeines Im Grundsatz gelten für die Absicherung des Vertragsvollzuges durch Vollmachten die gleichen Ausführungen wie bei der Sicherung des Vertragsvollzugs durch Bedingungen. Insoweit kann auf die Ausführungen unter Kap. 38 verwiesen werden.1
1
2. Vollzugsautomatismus durch Erteilung von Vollmachten Neben der Vereinbarung von aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen lässt sich auch 2 über die Erteilung entsprechender Vollmachten der Vollzug einer einmal gefundenen Einigung sicherstellen.2 a) Funktionsweise Mittels der Erteilung einer Vollmacht wird der Bevollmächtigte in die Lage versetzt, sämtli- 3 che (oder eine bestimmte) für den Vollzug erforderliche Erklärungen namens des Vollmachtgebers abzugeben. Insoweit ist der Vollzug – ähnlich wie bei der Vereinbarung entsprechender Bedingungen – weitgehend vom Willen des Vollmachtgebers unabhängig. Dies setzt jedoch voraus, dass die Vollmacht jeweils unwiderruflich erteilt wird.3 Anderen- 4 falls könnte bei eintretender Vertragsreue des Vollmachtgebers über den Widerruf der Vollmacht der gesamte Vollzug der Einigung wieder in Frage gestellt werden. b) Person des Bevollmächtigten Die Beteiligten können sich für den Vollzug ihrer Einigung gegenseitig Vollmacht erteilen. In 5 diesem Fall ist jeder Beteiligte in der Lage, ohne Mitwirkung des jeweils anderen den Vollzug der einmal gefundenen Einigung herbeizuführen. Diese gegenseitige Bevollmächtigung birgt jedoch ein offensichtliches Missbrauchsrisiko: Hier könnte der Bevollmächtigte versucht sein, die ihm eingeräumte Rechtsmacht zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen.
1 Vgl. zur Vollzugsvollmacht allgemein Dieterle, BWNotZ 1991, 172 ff. 2 Vgl. hierzu Langenfeld, Vertragsgestaltung: Methode, Verfahren, Vertragstypen, 3. Aufl. 2004, Rz. 253. 3 Grundsätzlich ist jede Vollmacht frei widerruflich. Jedoch kann das Recht zum Widerruf – mit Ausnahme bei einer sog. Generalvollmacht – vertraglich ausgeschlossen werden, Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 168 Rz. 6.
Schneeweiß
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Kap. 39 Rz. 6
Vertragsvollzug
6
Insofern bietet sich als weitere Möglichkeit die gemeinsame Bevollmächtigung eines Dritten als unabhängiger Vollzugsinstanz an. Die Einbindung eines Dritten liegt immer dann nahe, wenn die Betätigung der Vollmacht erst nach Erfüllung entsprechender Voraussetzungen, für welche der andere Beteiligte zu sorgen hat (z.B. Zahlung des geschuldeten Kaufpreises), erfolgen darf.
7
In beiden Varianten ist jedoch die Vollmacht stets unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zu erteilen, nachdem entweder – bei der Vollzugsvollmacht für einen selber am Geschäft Beteiligten – ein sog. In-Sich-Geschäft oder – bei der Vollzugsvollmacht für den unabhängigen Dritten – ein Fall sog. Mehrfachvertretung vorliegt. c) Sicherung der Vertragstreue durch Bindung im Innenverhältnis
8
Eine Vollmacht verleiht dem Bevollmächtigten abstrakt die Befugnis, die von ihr umfassten Rechtsfolgen herbeizuführen. Hierin liegt ein gewisses Missbrauchsrisiko. Z.B. könnte der Bevollmächtigte die Rechtsfolgen zu früh herbeiführen oder gar ganz andere Rechtsfolgen, als in der Einigung vereinbart, bewirken.
8a
Dieses Risiko lässt sich verringern, wenn die Betätigung der Vollmacht vom Vorliegen näher definierter Voraussetzungen abhängig gemacht wird: Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ließe sich theoretisch – im Sinne einer aufschiebenden Bedingung – zur Wirksamkeitsvoraussetzung für die Vollmacht erklären. Dies hätte jedoch den Nachteil, dass der Bevollmächtigte dann bei Betätigung der Vollmacht den Eintritt der aufschiebenden (oder Nichteintritt der auflösenden) Bedingung nachweisen müsste. Dies ist in der Praxis – wenn überhaupt – oft nur schwer möglich.
9
Empfehlenswerter ist es daher, die Betätigung der Vollmacht allein im Innenverhältnis den gewünschten Beschränkungen zu unterwerfen. Diese Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis der Vollmacht ist möglich: Allgemein ist jede Vollmacht von dem Grund ihrer Erteilung unabhängig wirksam.1 Das bedeutet, dass derjenige, welchem die Vollmacht vorgelegt wird, grundsätzlich nicht prüfen muss, ob der Bevollmächtigte etwaige Anweisungen des Vollmachtgebers beachtet oder nicht.2 Ein sog. Missbrauch der Vertretungsmacht geht also zu Lasten des Vollmachtgebers. Deshalb ist es sinnvoll, dem Bevollmächtigten bestimmte Weisungen zu geben, wie und wann er von der ihm erteilten Vertretungsmacht Gebrauch machen soll: Diese Weisungen haben zwar gegenüber Dritten keine Außenwirkungen, deren Verstoß führt aber im Schadensfall zu Ersatzansprüchen gegenüber dem Bevollmächtigten und kann sogar strafrechtliche Konsequenzen für diesen haben. Während also die Vollmacht im Interesse des Rechtsverkehrs an der Wirksamkeit des vom Bevollmächtigten vorgenommenen Rechtsgeschäftes selber unbeschränkt erteilt werden kann und sollte, kann sich der Vollmachtgeber vor einer willkürlichen Betätigung der Vollmacht durch den Bevollmächtigten mittels der allein im Innenverhältnis erteilten Weisungen schützen, wonach dieser von seiner Rechtsmacht nur bei Einhaltung bestimmter Beschränkungen Gebrauch machen darf. d) Anwendungsfälle/Eignung
10
Die möglichen Anwendungsfälle einer Vollzugsvollmacht sind nahezu unbegrenzt: In allen Fällen, welche weitere Erklärungen der Beteiligten zur Umsetzung der gefundenen Einigung und eingegangenen Verpflichtungen erfordern, lässt sich die Kooperation über entsprechend unwiderrufliche Vollmachten sicherstellen. 1 Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, Vor § 164 BGB Rz. 2. 2 Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 164 BGB Rz. 13.
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Schneeweiß
M 39.1
Vollmachten
Rz. 12a Kap. 39
Insbesondere kommen als Anwendungsfälle in Betracht 10a – Vollmacht zur Erklärung des Eigentumsüberganges an einem verkauften Gegenstand nach Bezahlung des Kaufpreises, – Vollmacht zur Entgegennahme von Erklärungen Dritter (z.B. betreuungsgerichtliche Genehmigung zu einem vom Betreuer abgeschlossenen Rechtsgeschäft), – Vollmacht zur Abgabe etwaiger weiterer Erklärungen gegenüber Dritten, welche zum Vollzug der Einigung erforderlich oder zweckdienlich sind (z.B. Stimmrechtsvollmacht zur Beschlussfassung über eine vereinbarte Satzungsänderungen nach Vorliegen weiterer Voraussetzungen etc.). Wie bei jeder Erteilung einer Vollmacht ist neben der Entscheidung über die Person des Be- 11 vollmächtigten stets auch eine Entscheidung über den Umfang der Vollmacht zu treffen. Insbesondere beim Umfang ist zu überlegen, inwieweit auch spätere inhaltliche Änderungen der schuldrechtlichen Vereinbarungen aufgrund der Vollmacht vorgenommen werden können: Zum einen kann eine inhaltliche Anpassung der Einigung durch Auftreten unvorhergesehener Umstände erforderlich und sinnvoll sein. Zum anderen sollte gerade im Rahmen des Vertragsvollzugs zur Konfliktvermeidung keinem Beteiligten die Einflussnahme auf den wesentlichen Inhalt der Einigung (faktisch) verwehrt bzw. alleine überlassen sein. Insoweit ist wiederum eine Einschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis dahingehend denkbar, dass eine Inhaltsänderung der Einigung aufgrund der Vollmacht nur nach vorheriger Rücksprache mit dem Vollmachtgeber erfolgen darf.
II. Muster M 39.1 Sicherung des Vertragsvollzugs durch VollmachtA1
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1. A verkauft hiermit seine vorstehend näher bezeichnete Einzelfirma mit allen Aktiva und Passiva an B.A2 Der Kaufpreis beträgt 300 000 Euro … 2. A und B erteilen hiermit D unter Befreiung von sämtlichen Beschränkungen des § 181 BGB die jeweils unwiderrufliche Vollmacht, die Abtretung sämtlicher verkaufter Aktiva und Übernahme sämtlicher übernommener Passiva des nach Ziff. 1. an B verkauften Unternehmens in ihrem Namen zu erklären.A3 A weist den D an, von dieser Vollmacht erst Gebrauch zu machen, nachdem ihm A bestätigt hat oder ihm in sonstiger Weise nachgewiesen ist, dass B den nach dieser Urkunde geschuldeten Kaufpreis (einschließlich etwaiger Verzugszinsen) vollständig bezahlt hat.A4 3. A ist verpflichtet, den Erhalt des Kaufpreises dem D unverzüglich zu bestätigen.A5 4. Die Kosten des D für die Betätigung der Vollmacht tragen A und B gemeinsam.A6
Anmerkungen zu Muster M 39.1 A1 Sachverhalt: A ist alleiniger Inhaber des als Einzelfirma betriebenen Unternehmens. Er 12a verkauft das gesamte Unternehmen im Wege des sog. asset-deals an B. Er will sichergehen, dass B bei Fälligkeit den Kaufpreis auch tatsächlich bezahlt. Zumindest will er nicht sein Unternehmen übereignen, bevor er nicht den Kaufpreis erhalten hat. B wiederum will nicht den Kaufpreis bezahlen, ohne zugleich Inhaber des Unternehmens zu werden. Sie einigen sich, den Vollzug der Abtretung einem unabhängigen Dritten, nämlich dem D, zu überlassen.
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Kap. 39 Rz. 13
Vertragsvollzug
M 39.1
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A2 Schuldrechtliches Grundgeschäft: Vgl. hierzu M 38.1 Anm. A2 (Kap. 38 Rz. 11).
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A3 Vollmacht: Die Vollmacht muss ausreichen, um das gesamte schuldrechtliche Grundgeschäft zu erfüllen: Dies ist zum einen die Abtretung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Unternehmens. Zum anderen aber auch die Übernahme der Verbindlichkeiten des Unternehmens mit entsprechender Mitwirkung der jeweiligen Gläubiger.
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A4 Anweisung an Bevollmächtigten: Kernstück des Sicherungsmechanismus ist die Anweisung an den Bevollmächtigten. Nachdem hier allein A ein Sicherungsinteresse hat, erfolgt die Anweisung im Muster ausschließlich durch ihn. Denkbar wäre auch eine gemeinsame Anweisung von A und B. Dies hätte jedoch zur Folge, dass die Anweisung dann auch nur gemeinsam wieder geändert werden könnte.
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A5 Enthaftung: Da der Dritte für einen Missbrauch der Vollmacht (z.B. wenn er von der Vollmacht weisungswidrig Gebrauch macht) gegenüber A haften würde, muss sich A verpflichten, die vertragsgemäße Kaufpreiszahlung unverzüglich mitzuteilen. Anderenfalls bliebe nur ein (in der Praxis schwieriger zu führender) Nachweis durch B, dass der Kaufpreis vertragsgemäß bezahlt worden ist.
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A6 Kosten: Die isolierte Erteilung einer Vollmacht ist grundsätzlich kostenfrei. Soll die Vollmacht zu Nachweis- oder Vollzugszwecken notariell beglaubigt werden, fällt nach KV 25100 je nach Geschäftswert eine Beglaubigungsgebür zwischen 20 und 70 Euro zzgl. Auslagen und USt. an. Wird der Vollmachtsentwurf vom Notar gefertigt, erhält dieser nach KV 24101 eine 1,0-Gebühr aus dem Geschäftswert der Vollmacht (grds. 50 % des Wertes des mit der Vollmacht vorzunehmenden Rechtsgeschäfts, höchstens jedoch 1 Mio. Euro [§ 98 Abs. 1, 4 i.V.m. § 119 Abs. 1 GNotKG]).
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Kapitel 40 I. Einführung 1. Sicherung der Beteiligteninteressen durch Treuhand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formulierung der Treuhandanweisung . .
Treuhandgestaltungen
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II. Muster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 40.1 Sicherung des Vertragsvollzugs durch Treuhandgestaltung . . . . . .
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I. Einführung 1. Sicherung der Beteiligteninteressen durch Treuhand Anders als die Sicherung des Vertragsvollzugs durch Bedingungen oder Vollmachten, werden 1 Treuhandgestaltungen weniger zur konstitutiven Herbeiführung der vereinbarten Rechtsfolgen als vielmehr zum Schutz einzelner Beteiligter vor ungewollten Risiken im Rahmen des Vertragsvollzuges verwendet.1 Treuhandgestaltungen ersetzen also nicht etwa erforderliche Mitwirkungspflichten der Beteiligten, sondern schützen die Beteiligten vor der Erbringung risikoreicher und ungewollter Vorleistungen und sichern allgemein den erfolgreichen Vertragsvollzug.2 Mit Treuhandgestaltung in diesem Sinne ist also die Betrauung eines neutralen Dritten mit der Vertragsabwicklung gemeint. Damit verbunden ist auch die Erwartung der Beteiligten an die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Vollzugs ihrer – ggf. unter Mitwirkung des Dritten – geschlossenen Einigung. Aufgabe des neutralen Dritten ist in diesen Fällen vorrangig die gegenseitige Absicherung der Beteiligten vor ungewollten Vorleistungen. Insoweit unterscheidet sich die Treuhandtätigkeit des Dritten von einer allgemeinen Vollzugstätigkeit: Sind die Interessen der Beteiligten gleichlaufend (z.B. haben bei der Bestellung einer Grundschuld im Grundbuch sowohl der Eigentümer als Grundschuldbesteller als auch die Bank als Darlehens- und Grundschuldgläubigerin dasselbe Interesse an der Eintragung im Grundbuch), ist eine gegenseitige Absicherung der Beteiligten nicht erforderlich. Sind aber die Interessen gegenläufig, lässt sich von einer Treuhandaufgabe im engeren Sinne sprechen: Der Dritte fungiert – losgelöst von den Interessen der einzelnen Beteiligten – als Treuhänder für beide Seiten.3
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2. Anwendungsfälle Ein klassisches Beispiel für eine derartige treuhänderische Vollzugstätigkeit findet sich im 3 Grundstückskauf. Hier liegt regelmäßig ein abgestuftes System von gegenseitiger Leistungserbringung vor: Der Verkäufer tritt mit der Eintragung der Auflassungsvormerkung für den 1 Walz, Mediative Vertragsgestaltung durch Notare, DNotZ 2003, 164 (173), spricht in diesem Zusammenhang von der „Praktikabilitätsverantwortung“ der Notare für die erfolgreiche Abwicklung der von ihnen beurkundeten Vereinbarungen. Ferner auch Keim, Streitverhütung – Streitregelung. Die Rolle des Notars, MittBayNot 1994, 2 ff. (5), zur Konfliktvermeidung durch Vertragsvollzug. 2 Diese Pflicht ist in § 24 Abs. 1 BNotO und § 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG für die Tätigkeit der Notare allgemein normiert. Aus diesem Grund ist die treuhänderische Vollzugstätigkeit originäres Aufgabenfeld aller Notare. Vgl. Reithmann, Vollmachten und andere Instrumente der notariellen Treuhandtätigkeit, ZNotP 2005, 322 ff.; Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, 184; Hertel in Eylmann/Vaasen, BNotO BeurkG, 4. Aufl. 2016, § 24 BNotO Rz. 32 ff. 3 Hierzu Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, 191 ff.
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Kap. 40 Rz. 4
Vertragsvollzug
Käufer in Vorleistung.1 Will der Verkäufer dieses Risiko nicht hinnehmen, kann dem beurkundenden Notar eine Löschungsbewilligung des Käufers für diese Vormerkung bereits mit Unterzeichnung des Kaufvertrages erteilt werden, jedoch unter der treuhänderischen Weisung, davon nur im Fall des vom Käufer unwidersprochenen Rücktritts des Verkäufers wegen Nichtzahlung des Kaufpreises Gebrauch zu machen.2 Der Käufer wiederum hat ein erhebliches Interesse, den Kaufpreis z.B. erst dann zahlen zu müssen, wenn auch die Lastenfreistellung des gekauften Grundbesitzes sichergestellt ist. Zu diesem Zweck erteilen die Beteiligten wiederum dem Notar den Auftrag, in ihrem Namen die Löschungserklärungen der Gläubiger einzuholen und – sofern diese die Löschung von der Zahlung bestimmter Ablösungsbeträge abhängig machen – sich um die Einhaltung dieser Treuhandauflagen zu kümmern.3 4
Eine weitere Treuhandtätigkeit ist mit der Einzahlung des Kaufpreises auf ein Anderkonto des Notars verbunden: Hier soll das Geld so lange in der neutralen Sphäre des durch eine entsprechende Hinterlegungsanweisung der Beteiligten gebundenen Notars verbleiben, bis dessen Auszahlung an den Verkäufer oder Rückzahlung an den Käufer endgültig feststeht.4 Dies ist z.B. sinnvoll, wenn dem Käufer vor Eintritt der üblichen Voraussetzungen für die Kaufpreisfälligkeit, d.h. Vorliegen sämtlicher für den endgültigen Vollzug des Kaufvertrages erforderlicher Maßnahmen (mit Ausnahme solcher, die ausschließlich in der Sphäre des Käufers liegen), der Einzug in das verkaufte Objekt ermöglicht werden soll.5 Vorstehende Beispiele aus der notariellen Praxis lassen sich für die Abwicklung jedes Austauschvertrages verallgemeinern: Jede im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungspflicht birgt das Risiko der ungesicherten Vorleistung in sich, welches nur durch eine entsprechende Koordinierung seitens eines unabhängigen Dritten verringert bzw. vollständig ausgeschlossen werden kann. 3. Formulierung der Treuhandanweisung
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Das Risiko des Treuhänders sollte jedoch stets durch eine entsprechend klare Formulierung der Treuhandanweisung begrenzt werden. Ideal ist eine ausschließlich nach der Methode „wenn – dann“ formulierte Treuhandanweisung, wobei sowohl das „wenn“ als auch das „dann“ möglichst leicht und eindeutig für den Treuhänder zu erkennen sein müssen. Übernimmt der Vollzugstreuhänder die Verantwortung für nicht eindeutig nachweisbare Umstände, so ist sein eigenes Haftungsrisiko besonders hoch.6 Es kann deshalb nur ausdrücklich davor gewarnt werden, z.B. die Auszahlung eines Geldbetrages von einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung (z.B. Renovierungsleistungen, zu denen sich der Verkäufer im Kaufver-
1 Vgl. hierzu Hagenbucher, Die Eintragung der Eigentumsvormerkung für den Grundstückskäufer – Ein unvermeidbares Vorleistungsrisiko für den Verkäufer?, MittBayNot 2003, 249 ff. 2 Zu Einzelheiten mit Formulierungsvorschlag s. Hagenbucher, MittBayNot 2003, 255. 3 Vgl. zur Vollzugstätigkeit der Notare in diesem Zusammenhang allgemein Danne in Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016, § 8 Rz. 8 ff. 4 Vgl. hierzu auch Langenfeld, Vertragsgestaltung, 3. Aufl. 2004, Rz. 323. 5 Zur Verwendung eines Anderkontos im Rahmen der Abwicklung eines Kaufvertrages im Speziellen s. Krauß in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, Kap. A.I. Rz. 97 f.; zur notariellen Verwahrungstätigkeit im Allgemeinen vgl. Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, 210 ff. 6 Auch aus diesem Grund wird von der Verwendung eines Notaranderkontos zumindest in Bayern nur zurückhaltend Gebrauch gemacht; vgl. Tönnies in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, Kap. A.I. Rz. 360; Hogl in Beck’sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, Kap. K. Rz. 82 V.
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M 40.1
Treuhandgestaltungen
Rz. 9 Kap. 40
trag noch verpflichtet hat) abhängig zu machen, weil hier der Treuhänder mit der Auszahlung gleichzeitig die Verantwortung für die Ordnungsgemäßheit der Leistung selber übernehmen muss – ein Umstand, welcher i.d.R. von ihm aber gar nicht überprüft werden kann. Sinnvoller erscheint es, in derartigen Konstellationen die Auszahlung allein von der Erklärung des Leistungsempfängers über die Ordnungsgemäßheit der Leistung abhängig zu machen: Ob diese Erklärung gegenüber dem Treuhänder tatsächlich abgegeben ist oder nicht, lässt sich (anders als deren inhaltliche Richtigkeit) i.d.R. schnell und eindeutig klären.
II. Muster M 40.1 Sicherung des Vertragsvollzugs durch TreuhandgestaltungA1
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1. A und B sind einig, dass das Eigentum an dem vorstehend unter Ziff. … näher bezeichneten Grundbesitz auf B zum Alleineigentum übergeht, und bewilligen und beantragen den Vollzug der Auflassung im Grundbuch.A2 2. A und B weisen den beurkundenden Notar an, diese Auflassungserklärung dem Grundbuchamt erst dann vorzulegen, nachdem ihm A bestätigt hat oder dem Notar in sonstiger Weise nachgewiesen ist, dass B den nach dieser Urkunde geschuldeten Kaufpreis (einschließlich etwaiger Verzugszinsen) vollständig bezahlt hat. Bis dahin sind Abschriften dieser Urkunde nur im Auszug (ohne die in Ziff. 1. erklärte Auflassung) zu erteilen.A3 3. A ist verpflichtet, den Erhalt des Kaufpreises dem Notar unverzüglich zu bestätigen.A4, A5
Anmerkungen zu Muster M 40.1 A1 Sachverhalt: A hat an B ein Grundstück verkauft. Die für die Eintragung von B als neuem Eigentümer im Grundbuch erforderliche dingliche Einigung soll aus Kostengründen gleich im Kaufvertrag mit erklärt werden. A will jedoch kein Risiko eingehen, das Eigentum an seinem Grundstück zu verlieren, ohne den Kaufpreis erhalten zu haben.
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A2 Auflassung: Die Auflassung ist ein dinglicher Vertrag. Zum Eigentumsübergang auf B 7 ist jedoch als weitere Voraussetzung die Eintragung von B als Eigentümer im Grundbuch erforderlich (§ 873 Abs. 1 BGB). Die für die Eintragung erforderliche grundbuchrechtliche Bewilligung (§§ 19, 29 GBO) und der Antrag (§ 16 Abs. 1 GBO) sind bereits vollständig erklärt. Damit sind seitens des A sämtliche Vollzugsvoraussetzungen erfüllt. Weitere Erklärungen sind nicht erforderlich. A3 Vollzugsanweisung: Nachdem A bereits – zumindest auf dem Papier – sein Grundstück „aus der Hand“ gegeben hat, sichert ihn die Vorlageanweisung vor einem vorzeitigen Verlust des Eigentums. Um auch zu verhindern, dass z.B. B selber die Auflassungserklärung beim Grundbuchamt einreicht, muss diese bis zur Vollzugsreife beim Notar „unter Verschluss“ bleiben.
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A4 Anweisung: Kernstück des Sicherungsmechanismus ist die Anweisung an den mit dem 9 Vollzug beauftragten Treuhänder. Nachdem hier sowohl A als auch B ein Sicherungsinteresse an dem ordnungsgemäßen Vollzug haben (Vorlage erst nach Kaufpreiszahlung und Kaufpreiszahlung nur bei entsprechender Vollzugsicherung), erfolgt die Anweisung im Muster durch A und B gemeinsam. Dies hat zur Folge, dass die Anweisung auch nur gemeinsam wieder geändert werden könnte.
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Kap. 40 Rz. 10
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A5 Enthaftung: Da der Notar für eine weisungswidrige Vorlage der Auflassung gegenüber A haften würde, muss sich A verpflichten, die vertragsgemäße Kaufpreiszahlung unverzüglich mitzuteilen. Anderenfalls bliebe nur ein (in der Praxis schwieriger zu führender) Nachweis durch B, dass der Kaufpreis vertragsgemäß bezahlt worden ist.
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A6 Kosten: Für die treuhänderische Tätigkeit des Notars (Vorlagehaftung) fällt nach KV 22200 eine 0,5 Betreuungsgebühr aus dem Geschäftswert des zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfts an (§ 113 Abs. 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 GNotKG).
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Stichwortverzeichnis Die fetten Zahlen verweisen auf die Kapitel, die mageren auf die Randzahlen. Zahlen mit dem Zusatz „M“ beziehen sich auf die Musternummern in den Kapiteln (z.B. M 29.3 = Muster 3 in Kapitel 29). A Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung – Höhe 37 114 – höhere Abfindung als gesetzlich vorgesehen 37 125 – Kündigung, Muster 37 120 (M 37.3), 121 ff. – Rechtsnatur 37 109 – sozialversicherungsrechtliche Folgen 37 114 ff. – Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe 37 125 – Voraussetzungen 37 110 ff. Abfindungsvergleich – außergerichtlicher 29 27 ff. – formularmäßiger 29 30 – mit Gesamtschuldnern 29 29, 35 – Muster 29 32 (M 29.3) – Muster, Anmerkungen 29 32a ff. – Schaffung neuer Rechtsbeziehungen 29 27 ff. Abfindungsvergleich im Straßenverkehrsrecht – Abänderung 32 85 ff., 91 – Abfindung, Umfang 32 110 – Abfindungsbetrag, Ermittlung 32 10 ff., 133; s.a. Personenschäden – Ersatzansprüche nach Verkehrsunfall – Abfindungsformular, umfassendes 32 95 (M 32.1), 96 ff. – Abfindungsklausel 32 110 – Anfechtung 32 90 – Anspruchsberechtigung 32 102 – Anspruchsgegner 32 107 ff. – Anwaltsgebühren 32 134 ff. – Beratungspflicht des Anwalts 32 76 ff. – Betreuerbestellung 32 126 ff. – Gesamtschuld 32 130 – Inhalt 32 97 ff. – Kosten 32 134 ff., 176 – lebenslang zu entschädigende Ansprüche 32 61 ff. – Mandantenbelehrung 32 79 ff. – minderjähriger Verletzter 32 121 ff. – Muster 32 95 (M 32.1) – Muster, Anmerkungen 32 96 ff. – Personenschaden, außergerichtliche Regulierung 32 5 ff. – Rentenansprüche, Berechnung s. Personenschäden – Ersatzansprüche nach Verkehrsunfall
– Rentenvergleich 32 93 – Rentenvergleich, außergerichtlicher 32 180 ff., 181 (M 32.3), 182 ff. – Sachschaden, außergerichtliche Regulierung 32 1 ff. – sozialversicherter Verletzter 32 113 ff. – Steuern 32 94, 144 ff. – Teilabfindung einzelner Schadenspositionen 32 154, 157 ff. – Teilverzicht 32 169 (M 32.2), 170 ff. – Verjährung 32 158 ff. – Vorbehalt 32 155, 157 ff., 169 (M 32.2), 170 ff. – Wegfall der Geschäftsgrundlage 32 85 ff. – Zeitrenten 32 15 ff. Abgeltungsvereinbarung – gesamtschuldnerisch haftende Baubeteiligte 31 107 ff. – Leistungsmodifikationen 31 23 ff., 33 (M 31.3), 33a ff. Abtretung – Gesellschaftsanteil 36 1 ff. – GmbH-Geschäftsanteil 36 8 (M 36.1), 8a ff., 11 (M 36.2), 12 ff. Ad-hoc-Streitbeilegung 27 4 ff. – DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation 27 92 ff. – ICC Dispute Board Rules (ICC DB Rules) 28 72 ff. Adjudikation – Adjudikatoren, Vergütung 27 98 – Dispute Adjudication Board (DAB) 27 94 ff. – Dispute Adjudication Board (DAB), Vereinbarung 27 101 (M 27.5), 102 ff. – DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation 27 92 ff. Adjusted-Winner-Verfahren – Eignung zur Konfliktlösung 17 4 f. – Grundprinzip 17 2 f. – Kosten 17 12 – Muster 17 6 (M 17.1) Aktiengesellschaft – Beschlussmängelstreitigkeiten 26 53 ff. – statuarische Schiedsklausel 26 53 Allgemeine Geschäftsbedingungen – Mediationsklausel 6 72 – Mediationsvertrag, Inhaltskontrolle 6 100
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Stichwortverzeichnis – Vereinbarung eines VSBG-Verfahrens 10 69 (M 10.3) American Arbitration Association 24 111 Anerkenntnis – Stundungsersuchen 6 54 Anwaltlicher Mediator – Berufspflichten 6 108 – Haftungsausschluss/-begrenzung 6 116 f. – Verjährung 6 118 – Versicherung 6 115 Anwaltsvergleich – Muster 29 20 (M 29.2) – Muster, Anmerkungen 29 20a ff. Arbeitnehmerschaft, streitige – Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund 37 145 f. – arbeitsrechtliche Risiken 37 142 ff. – Aufhebungsvereinbarung 37 149 (M 37.4) – Kündigungsschutzklage 37 144 – lohnsteuerrechtliche Risiken 37 139 ff. – rechtliche Einordnung der Zusammenarbeit 37 130 ff. – Scheinselbständigkeit 37 133 – sozialversicherungsrechtliche Risiken 37 133 ff. – Statusfeststellungsklage zum Arbeitsgericht 37 143 – vertragliche Vereinbarungen 37 128 ff., 147 Arbeitsrecht – Abwicklungsvertrag 37 76 ff., 97 (M 37.2), 98 ff. – Aufhebungsvereinbarung 37 1 ff., 149 (M 37.4), 150 ff. – Kündigung, betriebsbedingte 37 105 ff., 120 (M 37.3), 121 ff.; s.a. Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündiung – streitige Arbeitnehmerschaft 37 128 ff., 149 (M 37.4) Arbeitsrecht – Abwicklungsvertrag – Anfechtung 37 85 – anhängiger Kündigungsschutzrechtsstreit, Beendigung 37 103 – Arbeitslosengeldanspruch, Ruhen 37 94 – aufschiebende Bedingung 37 101 – Befristungskontrolle 37 82 – Definition 37 78 – Einführung 37 76 ff. – Entlassungsentschädigung nach § 159a SGB III 37 94 – Hinweis- und Aufklärungspflichten 37 83 f. – Interessenlage 37 76 f. – Klageverzichtsvertrag 37 100 – Muster 37 97 (M 37.2) – Muster, Anmerkungen 37 98 ff. – sozialversicherungsrechtliche Folgen 37 86 ff. – Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe 37 86 ff.
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– tarifliche Widerrufsrechte 37 81 – Widerruflichkeit 37 80 f. – wirksames Zustandekommen 37 78 f. – Zweck 37 76 f. Arbeitsrecht – Aufhebungsvertrag – Abfindungen 37 42, 60 – Anfechtung 37 24 ff. – Arbeitgeberinteressen 37 2 ff. – Arbeitnehmerinteressen 37 5 – Arbeitslosengeldanspruch, Ruhen 37 37 ff. – Befristungskontrolle 37 18 – Definition 37 8 – Entlassungsentschädigung nach § 159a SGB III 37 37 ff. – Entschädigungen 37 43 – Freistellung 37 53 ff. – Freiwilligenprogramme 37 14 – Hinweis- und Aufklärungspflichten 37 19 ff., 70 – Inhaltskontrolle 37 10 ff. – Kosten 37 75 – Massenentlassung 37 12 – Muster 37 49 (M 37.1) – Muster, Anmerkungen 37 50 ff. – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 37 69 – sozialversicherungsrechtliche Folgen 37 29 ff. – Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe 37 30 ff. – steuerbegünstigte Leistungen 37 44 ff. – steuerfreie Leistungen 37 42 ff. – streitige Arbeitnehmerschaft 37 149 (M 37.4), 150 ff. – tarifliche Widerrufsrechte 37 17 – Widerruflichkeit 37 15 ff. – Wiedereinstellungsanspruch 37 73 – wirksames Zustandekommen 37 9 ff. – Zahlungen für die betriebliche Altersvorsorge 37 46 ff., 64 f. Arbitration – Merkmale 7 3 – Umsetzung im deutschen Recht 7 4 Arb-Med – Abgrenzung 7 32 – Eignung zur Konfliktlösung 7 34 ff. – Eröffnung der Drittentscheidung 7 45 – hybrides Verfahren 7 1 – Kosten 7 47 – Merkmale 7 32 – Muster 7 40a ff. – Nachteile 7 36, 39 ff. – Schiedsgutachten- und Mediationsvereinbarung 7 40 (M 7.2) – Verfahren 7 33 – Vollzugsautomatik 7 37a – Vorteile 7 35 ff. Architektenhonorar – Honorarvereinbarungen 31 118 ff.
Stichwortverzeichnis – Vergleich vor Schlichtungsausschuss 31 112 ff., 124 (M 31.11) Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht – Einigung, Vollzug 15 30 – Einigung, Vorrang 15 21 – Einzelgegenstände, Bewertung 15 16 ff. – Gegenstand, Begriff 15 8 ff. – Grundprinzip 15 2 ff. – Kosten 15 31 – Lose 15 23 f. – persönliche Eignung 15 10 – Recht des ersten Zugriffs 15 15, 28 – sachliche Eignung 15 7 ff. – Schaffung sinnvoller Teilmassen 15 11 ff. – Teilbarkeit 15 9 – Transaktionskosten 15 19 ff. – Vereinbarung 15 20 (M 15.1) – Verteilungssituationen 15 6 – Verteilungsverfahren, Ende 15 29 – Ziehungsverfahren 15 27 Aufteilungs- und Auswahlverfahren – Abgeltungsklausel 19 31 – abweichende Beteiligungsquoten 19 16 – Anwendungsgebiete 19 17 f. – Aufteilender 19 5 f. – Aufwand und Nutzen 19 22 f. – Ausgleichszahlung 19 27 – Auswählender 19 4 – bedingte Angebote 19 20 f. – Eignung zur Konfliktlösung 19 9 – GmbH 19 33 (M 19.2) – Idee des Verfahrens 19 3 – Kosten 19 30 – Leistungsfähigkeit der Beteiligten 19 14 – Mehrzahl von Beteiligten 19 15 – Möglichkeit der Teilung 19 10 ff. – rechtliche Ausgestaltung 19 19 ff. – verfahrenssteuernder Vorvertrag 19 24 (M 19.1) – Verhaltensanreize 19 3 ff. – Versuche, das Verfahren scheitern zu lassen 19 7 f. – Vertragsstrafe 19 28 – Vorvertrag 19 19 Auktionsverfahren – Auktionsende 18 20 – Ausgeglichenheit der finanziellen Leistungskraft 18 9 ff. – Eignung zur Konfliktlösung 18 7 – fiktives Auktionsguthaben 18 18 – Grundprinzip 18 2 ff. – Recht zur Abgabe von Geboten 18 17 – Vereinbarung 18 12 (M 18.1) – Verfahrensleitung 18 8, 16 – Verrechnungsabrede 18 19 – Verteilungsmodus 18 23
– Vorrang der einvernehmlichen Zuordnung 18 14 Auslandsbezug – internationale Erbfälle 25 4 ff., 24 f. – Scheidungsfolgenvereinbarung 34 128 ff. – Schiedsgerichtsverfahren 23 12 Auslegungsvertrag – erbrechtlicher Auslegungsvertrag 35 52 ff., 85 (M 35.2) Ausscheiden eines Gesellschafters – Abtretung, Geschäftsanteil 36 1 ff. – Abtretung, Geschäftsanteil, und Alternativen 36 1 ff. – Abtretung, GmbH-Geschäftsanteil 36 8 (M 36.1), 8a ff., 11 (M 36.2), 12 ff. – Einziehung, einvernehmliche des Geschäftsanteils 36 35 ff. – Einziehung, Geschäftsanteils 36 3 ff. – Kündigung 36 3 ff. Außergerichtliche Streitbeilegung – rechtlich relevante Interessengegensätze 1 1 ff. – Vereinbarungen, verfahrensbeendende 1 7 ff. – Vereinbarungen, verfahrenssteuernde 1 6 ff. – Vergleichsvereinbarungen 2 1 ff.; s.a. dort Außergerichtlicher Vergleich – Anwaltsvergleich 29 20 (M 29.2), 20a ff. – Einbeziehung Dritter 29 19 ff. – Einführung 29 1 ff. – Erledigungsklausel 29 13 – Haftungsrisiken 29 7 – Kosten 29 18 – Muster 29 8 (M 29.1) – Muster, Anmerkungen 29 8a ff. – Nichtvollstreckbarkeit 29 3 Aussetzung des Verfahrens – Aussetzungsbeschluss 14 3 (M 14.1) – Mediationsverfahren, Überleitung 14 1 ff. B Bankgeschäfte – ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise (ICC DOCDEX Rules) 28 38 ff. Bauvertrag – Abgeltungsvereinbarungen bei Leistungsmodifikationen 31 23 ff., 33 (M 31.3), 33a ff. – Abgeltungsvereinbarungen, gesamtschuldnerisch haftende Baubeteiligte 31 107 ff., 109 (M 31.10) – Architektenhonorarvergleich vor Schlichtungsausschuss 31 112 ff., 124 (M 31.11), 124a ff. – Baulaufstörungen, Behinderungsfolgen 31 52 ff. – Bauleistung, Fälligkeit und Verzug 31 48 ff.
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Stichwortverzeichnis – Einbehaltsregelung, mangelbedingte vor Abnahme 31 71 ff. – Einbehaltsregelung, vorläufige mit Schiedsgutachten 31 76 (M 31.6), 76a ff. – Einheitspreisvertrag, Leistungsmenge und Preis 31 8 ff. – Einheitspreisvertrag, Preisanpassung bei Mengenänderung 31 11 (M 31.1) – Interimsvereinbarung mit Schiedsgutachtenabrede zu streitigen Nachträgen 31 41 ff., 43 (M 31.4), 43a ff. – Leistungsverweigerungsrecht 31 32 – Minderungsvereinbarung, optische Mängel 31 98 ff., 103 (M 31.9), 103a ff. – Nacherfüllungsvereinbarung nach Abnahme 31 80 ff., 88 (M 31.7), 88a ff. – Nachtragsvergütung 31 30 f. – Pauschalpreisvertrag, Preisanpassung bei Wegfall der Geschäftsgrundlage 31 19 (M 31.2), 19a ff. – Preisanpassung bei Mengenänderungen 31 4 ff., 11 (M 31.1), 11a ff. – Preisanpassung, Wegfall der Geschäftsgrundlage 31 17 ff. – Vereinbarung zur Abgeltung von Behinderungsfolgen 31 48 ff., 66 (M 31.5), 68 ff. – Vergleich vor Schlichtungsausschuss 31 124a ff. – Vergütungstypen 31 4 ff. – Vorschussvereinbarung bei Selbstvornahme 31 92 ff., 93 (M 31.8), 93a ff. Betreuungsunterhalt – Verzicht 34 210 Betriebsbedingte Kündigung 37 105 ff. – Muster 37 120 (M 37.3) – Muster, Anmerkungen 37 121 ff. C Co-Med-Arb – hybride Mediationsverfahren 7 56 – Muster 7 57 (M 7.3.7.) D Deliktsrecht – Abfindungsvergleich s. Abfindungsvergleich im Straßenverkehrsrecht Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) 24 64; 25 7; 27 119 ff. – Gutachtenordnung 27 54 ff. – Gutachtenordnung, Vereinbarung bei bereits entstandener Streitigkeit 27 64 (M 27.3), 65 ff. – Konfliktmanagement 27 108 ff., 119 ff. – Mediationsordnung 27 9 ff. – Mediationsvereinbarung 27 25 (M 27.1), 26 ff.
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– Musterschiedsverfügung 26 137 ff. – Musterschiedsverfügung für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 26 138 (M 26.6) – Schiedsgutachtenordnung 27 68 ff. – Schiedsgutachtenvereinbarung 27 81 (M 27.4), 82 ff. – Schiedsvereinbarungen 24 66 ff. (M 24.4) – Schlichtungsordnung 27 33 ff. – Schlichtungsvereinbarung, Anmerkungen zu Muster 27 48 ff. – Schlichtungsvereinbarung, Muster 27 47 (M 27.2) – Vereinbarung der DIS-KMO 27 118 (M 27.6) – Vereinbarung eines Dispute Ajudication Boards 27 101 (M 27.5), 102 ff. – Verfahrensordnung für Adjudikation 27 92 ff. Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten 24 102 ff.; 25 7 – Schiedsvereinbarung 24 103 (M 24.8), 104 ff. Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentum 24 79 ff. – Schiedsrichter, Auswahl und Ernennung 24 80 f. – Schiedssprüche, Veröffentlichung 24 82 – Schiedsvereinbarung 24 83 (M 24.5) – Statut 24 79 DIS-Gutachtenordnung 27 54 ff. – Vereinbarung der DIS-GO für bereits entstandene Streitigkeit 27 64 (M 27.3), 65 ff. DIS-Konfliktmanagement 27 119 ff. – Einführung 27 108 ff. – Vereinbarung 27 118 (M 27.6) DIS-Mediationsordnung – Mediationsvereinbarung 27 25 (M 27.1), 26 ff. – Mediationsverfahren 27 9 ff. Dispute Adjudication Board 27 92 – Anwendungsfälle 27 103 – Tätigkeitsablauf 27 97 – Vereinbarung 27 101 (M 27.5), 102 ff. – Vergütung 27 98 DIS-Schiedsgutachtenordnung – Ad-hoc-Adjudikation 27 68 ff. – DIS-Schiedsgutachtenvereinbarung 27 81 (M 27.4), 82 ff. – Einführung 27 68 ff. DIS-Schlichtungsordnung – Einführung 27 33 ff. – Schlichtungsvereinbarung 27 47 (M 27.2), 48 ff. DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation 27 92 ff. – Dispute Adjudication Board (DAB), Vereinbarung 27 101 (M 27.5), 102 ff. Drittentscheidung anhand des letzten Angebots 22 56 ff.
Stichwortverzeichnis E Early Neutral Evaluation s. Frühevaluationsverfahren Ehegattenunterhalt – Familienunterhalt 34 56 – nachehelicher Unterhalt 34 64 ff. – Trennungsunterhalt 34 57 – Unterhaltsvereinbarungen 34 274 ff. – Vereinbarungen 34 55 ff., 60 ff. – Vereinbarungen zum, Kosten 34 186 Eheliches Güterrecht – deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft 34 17 – gesetzlicher Güterstand, Modifizierungen 34 20 – Gütergemeinschaft 34 17 – Güterstandsaufhebung, Form 34 25 – Gütertrennung 34 17 ff. – Vereinbarungen, Eintragung im Güterrechtsregister 34 27 ff. – Vereinbarungsmöglichkeiten 34 17 ff. – Verfügungsbeschränkungen der §§ 1365 ff., BGB, Ausschluss 34 21 – Vertragsfreiheit, Grenzen 34 22 ff. – Wahlgüterstand, Vereinbarung 34 17 ff. – Zugewinnausgleich 34 10 ff. – Zugewinngemeinschaft 34 9 Ehename – Vereinbarungen der Ehegatten 34 108 ff. Ehescheidung – Ausschluss oder Erschwerung 34 109 ff. – einverständliche Scheidung 34 7 ff. – Kosten 34 178, 186 – Scheidungsfolgenvereinbarung 34 129 (M 34.1), 134 ff.; s.a. dort Ehevertrag – richterliche Inhalts- und Ausübungskontrolle 34 112 ff. Einheitspreisvertrag – Mengenänderung 31 11 (M 31.1), 11a ff. Ein-Text-Verfahren 3 84 Einziehung – GmbH-Geschäftsanteil 36 36 (M 36.3), 36a ff. Elterliche Sorgerechtsvereinbarungen – elterliche Trennung 34 91 f. – Form 34 98 – Fortbestand gemeinsamer elterlicher Sorge 34 93 – Muster 34 188 (M 34.2), 188a ff. – Schadensersatz bei Verstoß 34 95 – Sorgerechtsübertragung, Zustimmungsverpflichtung 34 94 – Vertragsfreiheit, Grenzen 34 97 Erb- und Pflichtteilsverzicht – unter Ehegatten 34 86 ff., 175 f. – Form 34 218
– Kosten 34 186 – Schiedsgerichtsbarkeit 25 97 ff. Erbauseinandersetzung – Abschichtung 35 16 – Auseinandersetzungsvereinbarung, einvernehmliche 35 6 ff. – Einführung 35 1 ff. – Einkommensteuer 35 19 – Erbengemeinschaft 35 1 ff. – Erbschaftssteuer 35 17 ff. – Erbteilsübertragung 35 14 f. – gesetzliche Teilungsregeln 35 4 ff. – Grunderwerbssteuer 35 20 – Kosten 35 51 ff. – Muster 35 21 (M 35.1), 21a ff. – als Vergleich 35 10 Erbrecht – Auslegungsvertrag 35 52 ff. – Erb- und Pflichtteilsrecht der Ehegatten, Vereinbarungen zum 34 83 ff. – Erb- und Pflichtteilsrecht, gesetzliches 34 85 – Erb- und Pflichtteilsverzicht unter Ehegatten 34 85 ff., 175 f. – Erbscheinsantrag 35 85 (M 35.2), 97 ff. – Erbteilsübertragung 35 14 f. – Schiedsgerichtsbarkeit 25 1 ff. – Vergleichsvereinbarungen 35 1 ff. – Vermächtniserfüllung 35 85 (M 35.2), 95 Erbrechtlicher Auslegungsvertrag – Bindungswirkung, gegenüber Dritten 35 65 – Bindungswirkung, gegenüber Nachlassgläubigern 35 71 ff. – Bindungswirkung, verfahrensrechtliche 35 66 ff. – erbrechtliche Wirkung 35 60 f. – Erbvergleich, erbschaftssteuerrechtlicher 35 74 ff. – schuldrechtliche Wirkung 35 62 ff. – strategische Aspekte 35 77 – als Vergleich 35 52 ff. – Ziele 35 54 ff. Erbrechtsvergleich – Abfindungszahlung 35 104 – Erbscheinsantrag 35 108 – Erbteilsübertragung 35 100 ff., 111 – Muster 35 85 (M 35.2), 85a ff. Evaluative Verfahren – Early Neutral Evaluation 12 1 ff.; s.a. Frühevaluationsverfahren – Frühevaluationsverfahren – Vereinbarung über eine Prozesssimulation 11 1 ff.; s.a. Mini-Trial F Final-offer-arbitration – Beauftragungs- und Vollmachtlösung 20 14 ff.
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Stichwortverzeichnis – – – –
Eignung zur Konfliktlösung 20 18 ff. Kosten 20 63 Leitlinien für die Praxis 20 28 ff. Medaloa/Mediation and Last-Offer-Arbitration 20 8 – modifizierte Schiedsgutachterabrede 20 12 f. – modifizierte Schiedsvereinbarung 20 9 – Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung 20 4 ff. – teils rechtsgeschäftliche, teils prozessvertragliche Vereinbarung 20 10 f. – verfahrenssteuernde Vereinbarung über Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote 20 33 (M 20.1) – Verhaltensanreize 20 22 ff. – Verhaltensanreize, Steuerung 3 22 Frühevaluationsverfahren – Abgrenzung Mediation 12 9 – Abgrenzung, Mini-Trial 11 12 ff.; 12 10 f. – Beistände/rechtliche Berater, Zuziehung 12 40 – Beweiserhebung 12 14d f., 48 – Delegation, Rückgängigmachung 11 13 – dilatorischer Klageverzicht 12 43 – Einordnung 12 1 ff. – Entscheidungsvorschlag 12 15 f. – Entwicklung 12 11 ff. – Hauptverfahren 12 14 ff. – Konfliktlösung 12 15b – Kosten 12 55 – Kostenvereinbarung 12 49 – Leistungspflichten, Vollstreckbarkeit 12 51 – Nachteile 12 20 – neutraler Experte, Anforderungen und Pflichten 12 36 ff., 47 – neutraler Experte, Auswahl 12 12b ff., 29 ff. – neutraler Experte, Eignung 12 34 – Nichtverwertbarkeit gewonnener Informationen 12 20 – Parteiautonomie 12 35 – prozessuale Vereinbarungen 12 50 – Realitätscheck 11 12 – Scheitern 12 52 – Sicherung der sofortigen Vollstreckbarkeit 12 23 – Stundungsvereinbarung 12 45 – Variationsmöglichkeiten 12 7 – Vereinbarung über die Durchführung 12 24 (M 12.1), 24a ff. – Verfahrensablauf, Phasen 12 12 ff., 46 – Verfahrensordnung, Einigung 12 12a – Verfahrensvereinbarung, jederzeitige Kündbarkeit 12 41 – Verhaltensanreize 12 21 ff. – verjährungsverlängernde Vereinbarung 12 44 – Vertraulichkeit 12 20 – Vertraulichkeitsabreden 12 42
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– Vorbereitung 12 13 f. – Vorteile 12 18 f. – Zeitpunkt der Durchführung 12 22 G Gesellschaft bürgerlichen Rechts – Registerverfahren, Entscheidungen des Schiedsgerichts 26 68 ff. – Schiedsvereinbarung 26 74 ff. (M 26.3) – Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis 26 67 ff. Gesellschaftsrecht – Aufteilungs- und Auswahlverfahren s. dort – Auseinandersetzungsregelung 21 1 ff. – Ausscheiden durch Abtretung 36 1 ff. – Ausscheiden eines Gesellschafters s. dort – Schiedsklausel 26 145 (M 26.7) – Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern s. dort – Vergleichsvereinbarungen 36 1 ff. GmbH – Aufteilungs- und Auswahlverfahren 19 33 (M 19.2) – Beschlussmängelstreitigkeiten 26 4 – Gründung 26 14 (M 26.1) – Schiedsklausel als Satzungsbestandteil 26 9 – Schiedsklausel bei Gründung 26 10 – Schiedsklausel durch Satzungsänderung 26 11 – Schiedsklausel und Rechtsnachfolge 26 12 – Schiedsvereinbarung über nicht-korporative Streitigkeiten 26 13 GmbH-Geschäftsanteil – Abfindungszahlung 36 25, 44 ff. – Abtretung 36 8 (M 36.1), 8a ff., 11 (M 36.2), 12 ff. – Bewertungsverfahren 36 26 – Einziehung, Gesellschafterbeschluss 36 36 (M 36.3), 36a ff. Grundstückskaufvertrag – europäischer Vollstreckungstitel 33 46 – falsche Kaufpreisausweisung 33 38 – Grunderwerbsteuer 33 48, 58 – Kettenvertrag 33 53 ff. – Nachtragsurkunde 33 1 ff., 3 ff., 6 (M 33.1), 6a ff. – Rückabwicklung 33 34 ff., 35 (M 33.2), 36 ff. – Treuhandgestaltungen 40 3 f. – Übernahme 33 51 (M 33.3), 51a – Vertragspartei, Austausch 33 50 ff. Gütergemeinschaft 34 17 Güterrechtliche Vereinbarungen – Zugewinnausgleich 34 234 (M 34.3), 234a ff. – Zugewinngemeinschaft, betragsmäßige, wertgesicherte Deckelung 34 246 (M 34.4), 246a ff.
Stichwortverzeichnis Gütertrennung 34 17 ff. – Scheidungsfolgenvereinbarung 34 130 (M 34.1), 135 ff. H Haushaltsführungsschaden 32 65 ff. Hausratsteilung – Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht 15 1 ff. – Auktionsverfahren 18 1 ff. – Losverfahren 16 3a Honorarvereinbarung – in Mediationsvertrag 6 112 f. Hybride Mediationsverfahren – Arb-Med 7 32 ff. – Co-Med-Arb 7 56, 57 (M 7.3.7.), 64 – Med-Arb 7 1 ff. – Medaloa/Mediation and Last-Offer-Arbitration) 7 53, 57 (M 7.3.3.), 60 f. – Med-Arb Show Cause 7 52, 57 (M 7.3.2.), 59 – Mediation mit anschließendem Schiedsgerichtsverfahren 7 1 ff.; s.a. Med-Arb – Med-Rec 7 56a, 57 (M 7.3.8.), 65 – Med-then-Arb 7 54, 57 (M 7.3.5.), 62 – Mini-Trial 11 1 ff., 14 – Nonbinding Med-Arb 7 51, 57 (M 7.3.1.), 58 – Shadow-Mediation 7 55, 57 (M 7.3.6.), 63 – Varianten 7 48 ff. – Varianten als „hybride“ Verfahren 7 48 ff. I IBA Rules of Evedence 23 177a ICC Dispute Board Rules – Anwendungsbereich 28 48 ff. – DAB, Vereinbarungen 28 62 (M 28.4), 63 ff. ICC Guidance Notes 28 4 ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise 28 38 ff. – ICC DOCDEX-Verfahren, Vereinbarung 28 45 (M 28.3), 46 f. ICC Rules for the Administration of Expert Proceedings 28 25 ff. – nachträgliche Vereinbarung, bereits entstandene Streitigkeit 28 33 (M 28.2), 34 ff. ICC-Mediationsregeln – Anwendungsbereich 28 5 – Einführung 28 4 ff. – Mediationsvereinbarung 28 17 (M 28.1), 18 ff. International Chamber of Commerce s. Internationaler Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer mit Sitz in Paris (ICC) Internationale Schiedsinstitutionen – Internationaler Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer mit Sitz in Paris(ICC) 24 109, 115 (M 24.9), 116 ff.
– Internationales Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC) 24 113 – London Court of International Arbitration (LCIA) 24 110 – Schiedsgerichte der Handels- und Industriekammern in der Schweiz 24 119 ff. – Schiedsgerichtsinstitut der Stockholmer Handelskammer (AISCC) 24 112 – Schweizerische Schiedsordnung 24 121 (M 24.10), 122 ff. – World Intellectual Property Organization (WIPO) 24 114 Internationaler Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer mit Sitz in Paris (ICC) – ADR-Verfahrensordnungen 28 1 ff. – DAB, Vereinbarungen 28 62 (M 28.4), 63 – ICC Dispute Board Rules (ICC DB Rules) 28 48 ff., 62 (M 28.4) – ICC DOCDEX-Verfahren, Vereinbarung 28 45 (M 28.3), 46 f. – ICC Guidance Notes 28 4 – ICC Rules for Documentary Instruments Dispute Resolution Expertise (ICC DOCDEX Rules) 28 38 ff. – ICC Rules for the Administration of Expert Proceedings 28 25 ff. – ICC Rules for the Administration of Expert Proceedings, Vereinbarung 28 33 (M 28.2), 34 ff. – ICC-Mediations-Regeln 28 4 ff. – Schiedsvereinbarung 24 109, 115 (M 24.9), 116 ff. K Kapitalgesellschaft – Geschäftsanteil – Abtretung 36 2 ff., 8 (M 36.1), 8a ff., 11 (M 36.2), 12 ff. – Einziehung durch Gesellschafterbeschluss 36 36 (M 36.3), 36a ff. Kindesunterhalt – gesetzliche Grundlagen 34 103 ff. – Kindergeldanrechnung 34 224 – Krankenversicherung 34 225 – Unterhaltsvereinbarungen 34 104 ff. – Vereinbarung, Muster 34 188 (M 34.2), 188a ff. Klageverzicht – Mediationsvereinbarung, Zulässigkeit 6 50 Kommanditgesellschaft – Registerverfahren, Entscheidungen des Schiedsgerichts 26 68 ff. – Schiedsvereinbarung 26 71 (M 26.3), 71a ff., 72 ff. (M 26.3) – Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis 26 67 ff.
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Stichwortverzeichnis Konfliktmanagement – DIS-Konfliktmanagement 27 108 ff. – DIS-Konfliktmanagement, Vereinbarung 27 118 (M 27.6) Kosten – Abfindungsvergleich nach Verkehrsunfall 32 134 ff. – Abfindungsvergleich, Teilverzicht – Vorbehalt 32 176 – Adjusted-Winner-Verfahren 17 12 – Aufhebungsvertrag 37 75 – Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht 15 31 – Aufteilungs- und Auswahlverfahren 19 30 – außergerichtlicher Rentenvergleich 32 192 – außergerichtlicher Vergleich 29 18 – DIS-Mediationsverfahren 27 21 – DIS-Schiedsgutachten 27 77 – Erbauseinandersetzungsvereinbarung 35 51 ff. – Final-Offer-Arbitration 20 63 – Frühevaluationsverfahren 12 55 – Grundstückskaufvertrag, Rückabwicklung 33 49 – ICC-Mediation 28 13 – Losverfahren 16 18 – Med-Arb 7 31 – Mediationsverfahren 6 69 ff. – Mini-Trial 11 97 – nachehelicher Unterhalt 34 186 – Nachlassbewertung 35 150 ff. – Negativzeugnis nach § 15a EGZPO 8 49 ff. – Scheidung 34 178, 186 – Scheidungsfolgenvereinbarung 34 181, 185 ff. – Schiedsgerichtsverfahren 23 16 – Schiedsgutachtenvereinbarung 22 31 – Schlichtervertrag nach SOBau 9 23 – Schlichtung nach der SOBau 9 43 – Schlichtungsvereinbarung nach § 15a EGZPO 8 66 ff. – Schlichtungsvereinbarung nach SOBau 9 17 – Schlichtungsverfahren nach der DIS-Schlichtungsordnung 27 43 – Streitbeilegung nach dem VSBG 10 39 – Trennungsunterhalt 34 186 – Treuhandgestaltungen 40 11 – Vereinbarungen zum, Kosten 34 186 – Verfahren in Teilungssachen 13 21 – Versorgungsausgleichsvereinbarungen 34 186 Kostenvorschuss – Mediationsverfahren 6 70 ff. – Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO 8 11 (M 8.1), 14
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L Last Offer Arbitration – Anteilsbewertung durch Schiedsgutachter 22 59 (M 22.6) – Bewertungsverfahren 22 65 – Funktionsweise 22 56 ff. Letztwillige Verfügung – Aufhebung 34 84 – Erbscheinverfahren 25 3 ff. – Europäisches Nachlasszeugnis 25 3 ff. – gemeinsame bei Ehegatten 34 83 ff. – Mediationsklausel 6 85 (M 6.3) – Schiedsverfügung 25 8 ff. – Schiedsverfügung in Testamenten 25 1 ff. – Testamentsvollstreckerzeugnis 25 3 ff. Lieferungsvertrag – periodische Neuverhandlungsklausel 4 27 (M 4.4) London Court of International Arbitration (LCIA) 24 110 Losverfahren – Anonymität 16 6 – Grundprinzip 16 1 f. – Kosten 16 18 – Muster 16 11 (M 16.1) – persönliche Eignung 16 5 – sachliche Eignung 16 3 – Spiel/Wette, Abgrenzung 16 6 ff. – Verfahrensleitung 16 9 f., 14 M MEDALOA/Mediation and Last-Offer-Arbitration) – Begriff 20 8 – hybride Mediationsverfahren 7 53 – Muster 7 57 (M 7.3.3.) – Muster (abgeschwächte Form) 7 57 (M 7.3.4.) Med-Arb – Abgrenzung 7 1 ff. – Eignung zur Konfliktlösung 7 10 ff. – Kosten 7 31 – Mediations- und Schiedsvereinbarung 7 22 (M 7.1) – Mediator- und Schiedsrichtervertrag 7 26 – Merkmale 7 1 ff. – Muster, Anmerkungen 7 23 ff. – Nachteile 7 19 ff. – neutraler Dritter als Mediator und Schiedsrichter 7 25 – Schiedsort 7 30 – Schiedsvereinbarung 7 28 – Teileinigung 7 27 – Verfahrensregeln 7 30 – Verfahrensschritte 7 5 ff. – Vorteile 7 11 – Wechselautomatismus 7 7 f., 29
Stichwortverzeichnis Med-Arb Show Cause – hybride Mediationsverfahren 7 52 – Muster 7 57 (M 7.3.2.) Mediation – mit anschließendem Schiedsgerichtsverfahren 7 1 ff.; s.a. Med-Arb – DIS-Mediationsordnung 27 9 ff. – Eignung des Verfahrens 6 4 ff. – Freiwilligkeit 6 71 – Frühevaluation, Abgrenzung 12 9 – ICC-Mediations-Regeln 28 4 ff. – Mediationsklausel 6 71 ff.; s.a. dort – Mediationsvereinbarung 6 1 ff.; s.a. dort – Mediatorvertrag 6 98 ff.; s.a. dort – Mini-Trial, Abgrenzung 11 10 f. – Nachteile 6 13 ff. – Prozessvoraussetzung 6 78 – Schiedsgutachten, Verhältnis 7 42 – Varianten, Anmerkungen 7 58 ff. – Varianten, Muster 7 57 (M 7.3) – Verfahrensverschleppung 6 13 – Vorteile 6 6 ff. – Wirtschaftsmediation 6 1 ff. Mediationsklausel – AGB-Vertrag 6 72 – einfache 6 73 (M 6.2) – Einführung 6 71 ff. – „Escalation to the Top“-Klausel 6 74 – in letztwilliger Verfügung 6 85 (M 6.3) – Muster, Anmerkungen 6 86 ff. – Neuverhandlungsklausel 4 27 (M 4.5), 28 ff. – Schriftform 6 75 – Verbraucherverträge 6 72 – Verfahrensordnung, Bezugnahme 6 77, 89 Mediationsvereinbarung – Anerkenntnis 6 54 – Arb-Med 7 40 (M 7.2) – Aufrechnungsverbot 6 50 – Definition 6 1 – DIS-MedO 27 25 (M 27.1), 26 ff. – Eröffnungsstatement, Auslegungshilfe 6 30 – Formvorschriften 6 59 f. – ICC-Mediation 28 17 (M 28.1), 18 ff. – Klageverzicht 6 50 – Mediationsordnung 6 29 – Mediationsverfahrensvereinbarung 6 29 – Mediator, Benennung 6 38 – Mediator, Benennung durch Dritte 6 91 ff., 92 (M 6.4) – Mediatorvertrag, Abgrenzung 6 31 ff. – Muster 6 34 (M 6.1), 35 ff. – persönliches Erscheinen 6 45, 48 – Schriftform 6 33 – Verfahrensförderungspflicht 6 43 – Verfahrenssteuerung 6 21 ff. – Verjährungshemmung 6 53 ff.
– – – –
vertrauliche Einzelgespräche 6 24, 39 Vertraulichkeit 6 49, 64 ff. Vollstreckbarkeit 6 63 Vortrags- und Beweismittelbeschränkung, Einschränkung 6 66a f. – Wahl des Formulars 6 29 ff. – wesentliche Grundsätze des Mediationsverfahrens 6 30 – Wirtschaftsmediation 6 1 ff. Mediationsverfahren – DIS-MedO 27 9 ff. – hybride 7 1 ff.; s.a. Hybride Mediationsverfahren – ICC-Mediations-Regeln 28 4 ff. – Kostenvorschuss 6 70 ff. – Kündigung 6 57 – nach Verfahrensaussetzung 14 1 ff. – Vertraulichkeitsabrede 6 64 ff. – Vorteile 6 69 ff. Mediator – anwaltliche Vorbefassung 6 105 – anwaltlicher, Berufspflichten 6 108 – Benennung 6 38, 80 f., 92a f. – Benennung durch Dritte 6 91 ff., 92 (M 6.4) – Benennung nach der DIS-MedO 27 14 – Benennungsantrag 6 84 f., 96 f. – als Drittentscheider, Med-Arb 7 25 – Nachbefassungsverbot 6 106 – Neutralität 6 104a – Notar 6 101 – Qualifikation 6 82, 94 – Rechtsberatung, Verpflichtung 6 110 – Rechtsberatungskompetenz 6 102 – und Schiedsgutachter, Arb-Med 7 43 – Sitz 6 83, 95 Mediatorvertrag – AGB-Vertrag 6 100 – anwaltliche Vorbefassung 6 105 – DIS-Mediationsverfahren 27 22 – Gegenstand 6 98 – Honorarvereinbarung 6 112 f. – ICC-Mediations-Regeln 28 14 – Mediationsvereinbarung, Abgrenzung 6 31 ff. – Muster 6 104 (M 6.5) – Muster, Anmerkungen 6 104a ff. – Nachbefassungsverbot 6 106 – Neutralität, Begründung 6 36 – Rechtsberatung, Verpflichtung 6 40 – Rechtsberatungskompetenz 6 102 – Rechtsnatur 6 98 Med-Rec – hybride Mediationsverfahren 7 56a – Muster 7 57 (M 7.3.8.) Med-then-Arb – hybride Mediationsverfahren 7 54 – Muster 7 57 (M 7.3.5.)
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Stichwortverzeichnis Mietänderungsvergleich – Auswirkungen auf künftige Mieterhöhungen 30 99 f. – Geschäftsraummiete, Miethöhe 30 84 – Grenzen der Vertragsfreiheit 30 97 f. – Interessenlage 30 85 ff. – Muster 30 101 (M 30.2), 102 ff. – Wohnraummiete, Miethöhe 30 80 ff. – Zustandekommen 30 90 ff. Mietaufhebungsvergleich – Abfindung, steuerliche Aspekte 30 33 ff. – Abfindungsvereinbarungen 30 48 ff. – Allgemeine Geschäftsbedingungen 30 29 ff. – Anspruch auf 30 31 ff. – bedingter Vertragsabschluss 30 21 f. – Haustür- und Fernabsatzgeschäft, Widerrufsrecht 30 23 ff. – Interessenlage 30 11 ff. – mehrere Mieter/Vermieter 30 20 – Muster 30 38 (M 30.1), 39 ff. – sittenwidrige Vereinbarungen 30 30 – Zustandekommen 30 18 ff. Mini-Trial – Abgrenzung 12 10 f. – Beistände/rechtliche Berater, Zuziehung 11 81 – Beweiserhebung 11 30, 90 – Beweisverwertungsverbote 11 52 – Delegation, Rückgängigmachung 11 13 – dilatorischer Klageverzicht 11 84 – Eignung zur Konfliktlösung 11 36 ff. – Einigungsversuch 11 88 – Entscheidungsvorschlag 11 31 f. – Entwicklung 11 15 ff. – Erwiderung durch den Gegner 11 28 – Frühevaluationsverfahren, Abgrenzung 11 12 ff. – Konfliktlösung 11 33 – Kosten 11 97 – Kostenvereinbarung 11 95 – Leistungspflichten, Vollstreckbarkeit 11 93 – Mediation, Abgrenzung 11 10 f. – Nachteile 11 50 ff. – neutraler Dritter, Anforderungen und Befugnisse 11 77 ff., 89 – neutraler Dritter, Auswahl 11 20 ff. – neutraler Dritter, Zuziehung 11 70 ff. – Parteiautonomie 11 76 – prozessuale Vereinbarungen 11 92 – Realitätscheck 11 12 – Replik 11 29 – Scheitern 11 94 – Sicherung der sofortigen Vollstreckbarkeit 11 63 – Stundungsvereinbarung 11 86 – Variationsmöglichkeiten 11 8
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– Vereinbarung über die Durchführung 11 64 (M 11.1), 65 ff. – Verfahren, Einordnung 11 2 ff. – Verfahrensablauf 11 18 ff., 87 – Verfahrensordnung, Einigung über 11 19 – Verfahrensvereinbarung, jederzeitige Kündbarkeit 11 82 – Verhaltensanreize 11 61 ff. – verjährungsverlängernde Vereinbarung 11 85 – Vertraulichkeitsabreden 11 52, 83 – Vorbereitung 11 24 ff. – Vorteile 11 38 ff. – Zeitpunkt der Durchführung 11 62 Modernisierungsvereinbarung für Wohnraum – Duldung, Wirksamkeit der Vereinbarung 30 116 ff. – Einführung 30 113 ff. – Muster 30 119 (M 30.3), 120 ff. N Nachbarrecht – Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO 8 15b Nachbefassungsverbot – für Mediator 6 106 Nachehelicher Unterhalt – begrenztes Realsplittung, Zustimmung 34 283 (M 34.8) – Betreuungsunterhalt, Verzicht 34 210 – gesetzliche Grundlagen 34 64 ff. – Kosten 34 186 – Unterhaltsvereinbarungen 34 274 ff., 275 (M 34.7) – Vereinbarung, Form 34 74 – Vertragsfreiheit, Grenzen 34 70 ff. – Verzicht 34 210, 275 (M 34.7) Nachlassauseinandersetzung – Antragstellung 13 1 ff., 10 (M 13.1) – Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht 15 1 ff. – Aufteilungs- und Auswahlverfahren 19 17 – Auktionsverfahren 18 1 ff. – Auseinandersetzungsplan mit Zustimmung der Beteiligten 13 56 (M 13.6) – Auseinandersetzungsvereinbarung, einvernehmliche 35 6 ff. – Bekanntgabe der Beurkundung des Auseinandersetzungsplans 13 62 (M 13.7) – Bekanntgabe der Beurkundung vorbereitender Vereinbarungen 13 41 (M 13.4) – Bekanntgabe des Auseinandersetzungsplans an Säumige 13 61 ff. – Bestätigung der vorbereitenden Maßnahmen 13 51 (M 13.5) – Einkommensteuer 35 19
Stichwortverzeichnis – – – – – –
Erbschaftsteuer 35 17 ff. Grunderwerbsteuer 35 20 Ladungsschreiben 13 22 ff., 23 (M 13.2) Losverfahren 16 1 ff. Muster 35 21 (M 35.1), 21a ff. notarielle Bestätigung des Auseinandersetzungsplans 13 67 (M 13.8) – Schiedsverfahren 25 1 ff. – Verfahren in Teilungssachen 13 1 ff.; s.a. dort – als Vergleich 35 10 – Vergleichsvereinbarungen 35 1 ff. – Vorbereitung 13 32 (M 13.3) Negativzeugnis nach § 15a EGZPO – erfolgloser Schlichtungsversuch 8 36 (M 8.5), 37 ff. – Form und Inhalt 8 40 – Gründe 8 38 – Kosten 8 49 ff. – Prozessvoraussetzung 8 42 ff. Neutralität – Mediatorvertrag, Begründung 6 36 Neuverhandlungsklauseln – Allgemeine Geschäftsbedingungen 4 25 f. – Anforderungen an die Verfahrenstreue 4 11 ff. – Anpassungsmaßstab 4 21 ff. – Anwendungsbereich 4 1 ff. – Dauerschuldverhältnisse, salvatorische Klauseln 4 3 – einfache 4 27 (M 4.1) – mit Mediationsverpflichtung 4 27 (M 4.5) – no-loss-or-profit-Abrede 4 27 (M 4.3) – periodische 4 4, 27 (M 4.4) – Preisanpassungen 4 9 – qualifizierte 4 20 ff., 27 (M 4.2) – qualifizierte, gerichtliche Durchsetzung 4 23 – rechtliche Gestaltungsgrenzen 4 25 ff. – Schiedsgutachten, Abgrenzung 22 5 – Verbraucherverträge 4 25 f. – Verhaltenssteuerung 4 16 ff. – Wertsicherungsklausel 4 9 Nonbinding Med-Arb – hybride Mediationsverfahren 7 51 – Muster 7 57 (M 7.3.1.) Non-Disclosure Agreement s. Vertraulichkeitsabrede Notar – als Mediator 6 101 O Offene Handelsgesellschaft – Registerverfahren, Entscheidungen des Schiedsgerichts 26 68 ff. – Schiedsvereinbarung 26 71 ff. (M 26.3) – Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis 26 67 ff.
P Partnerschaft – Registerverfahren, Entscheidungen des Schiedsgerichts 26 68 ff. – Schiedsvereinbarung 26 73 ff. (M 26.3) – Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis 26 67 ff. Pauschalpreisvertrag – Preisanpassungsvereinbarung 31 19 (M 31.2), 19a ff. – Wegfall der Geschäftsgrundlage 31 17 ff. Personengesellschaft – Übertragung der Beteiligung 36 1 Personenschäden – Ersatzansprüche nach Verkehrsunfall – Abfindung, Umfang 32 110 – Abfindungsbetrag, Ermittlung 32 10 ff., 133 – Abfindungsklausel 32 110 – Abzinsung 32 30 ff. – Anspruchsberechtigung 32 102 – Anspruchsgegner 32 107 ff. – Anwaltsgebühren 32 134 ff. – aufgeschobener Erwerbsschaden 32 49 ff. – Beratungspflicht des Anwalts 32 76 ff. – Betreuerbestellung 32 126 ff. – gemischte Fälle 32 51 ff. – Gesamtschuld 32 130 – Haushaltsführungsschaden 32 65 ff. – Höhe des monatlichen Ersatzbetrags 32 17 ff. – Inhalt 32 97 ff. – Kapitalisierung bis zum Lebensende 32 72 ff. – Kosten 32 134 ff. – Laufzeit 32 24 ff. – lebenslang zu entschädigende Ansprüche 32 61 ff. – Mandantenbelehrung 32 79 ff. – minderjähriger Verletzter 32 121 ff. – Rente wegen vermehrter Bedürfnisse 32 63 – Schmerzensgeldrente 32 64 – sozialversicherter Verletzter 32 113 ff. – Steuerfreiheit 32 94 – Steuern 32 144 ff. – umfassendes Abfindungsformular 32 95 (M 32.1), 96 ff. – Unterhaltsschäden gem. § 844 BGB 32 52 ff. – Vorversterbensrisiko 32 39 ff. – Zeitrenten 32 15 ff. Pflichtteilsrecht – Abfindungszahlung 35 139 – Abgeltungsklausel 35 148 – anrechnungspflichtige Zuwendungen 35 144 – Erbschaftssteuer 35 124 f. – Grundbesitz, Übereignung 35 129 f., 131 (M 35.3), 131a ff. – Grundlagen 35 114 ff.
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Stichwortverzeichnis – – – – – – –
Nachabfindungsklausel 35 145 f. Nachlassaufstellung 35 135 ff. Nachlassbewertung, Kosten 35 150 ff. Pflichtteil, Schutz des 35 119 Pflichtteilsanspruch, Form 35 133 Pflichtteilsanspruch, Geltendmachung 35 137 Pflichtteilsanspruch, Voraussetzungen und Inhalt 35 115 ff. – Pflichtteilsanspruch, Zeitpunkt der Geltendmachung 35 126 f. – pflichtteilsberechtigte Personen 35 114 – pflichtteilsberechtigte Personen, Auskunftsanspruch 35 118 – Pflichtteilsstreitigkeiten, Schiedsverfügung 25 17 f. – Pflichtteilsverzicht 35 131 (M 35.3), 131a ff. – praktische Bedeutung 35 113 ff. – strategische Aspekte 35 120 ff. Preisanpassungsvereinbarung 31 11 (M 31.1), 11a ff. – Bauvertragsrecht 31 4 ff. – gemeinsames Aufmaß 31 12 – Mengenüber-/-unterschreitung 31 14 ff. – Pauschalpreisvertrag 31 19 (M 31.2), 19a ff. – bei Wegfall der Geschäftsgrundlage 31 17 ff. Prozesserledigungsvergleich – Einführung 29 39 ff. – Gerichtsstandsvereinbarung 29 49 – Muster 29 41 (M 29.4), 41a ff. – Protokollierung 29 58 (M 29.6), 58a – Prozessvergleich 29 53 (M 29.5), 53a ff. – Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen 29 40, 42 – Tilgungsverrechnungsvereinbarung 29 48 – Verbraucher, Kostenübernahme 29 43 – Verfallsklauseln 29 47 – Vergleich zur Prozesserledigung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens 29 41 (M 29.4), 41a – vollstreckungsbeschränkende Abreden 29 46 Prozesssimulation s. Mini-Trial R Rechtsberatungspflicht – Mediatorvertrag 6 40, 102, 110 Rentenvergleich 32 93 – außergerichtlicher 32 180 ff., 181 (M 32.3), 182 ff. – Kosten 32 193 S Sachverständigengutachten – ICC Rules for the Administration of Expert Proceedings 28 25 ff. – Schiedsgutachten, Abgrenzung 22 4
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Scheidungsfolgenvereinbarung – ältere, wirtschaftlich selbständige Ehegatten ohne Kinder 34 1 ff. – Auslandsberührung 34 128 ff. – Ehevertrag, Abgrenzung 34 3 ff. – einverständliche Scheidung 34 7 ff. – elterliche Sorgerechtsvereinbarungen 34 91 ff. – elterliche Vereinbarungen zum Umgang 34 100 ff. – Erb- und Pflichtteilsverzicht unter Ehegatten 34 175 f., 218 ff. – junge Ehegatten mit gemeinsamen Kindern 34 187 ff. – Kernbereich 34 71 ff. – Kernbereichslehre 34 116 ff. – Kosten 34 181, 185 ff. – Muster 34 129 (M 34.1), 133 ff., 188 (M 34.2), 188a ff. – Nutzung der Ehewohnung 34 173 – Pflichtteilsverzicht 34 86 ff. – richterliche Inhalts- und Ausübungskontrolle 34 112 ff. – Verpflichtung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung 34 177 – Verteilung der Haushaltsgegenstände 34 173 – Verzichtsvereinbarung 34 116 ff. – Vorteile 34 6 ff. Scheinselbständigkeit – Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund 37 145 f. – arbeitsrechtliche Risiken 37 142 ff. – Aufhebungsvereinbarung 37 149 (M 37.4), 150 ff. – Kündigungsschutzklage 37 144 – lohnsteuerrechtliche Risiken 37 139 ff. – sozialversicherungsrechtliche Risiken 37 133 ff. – Statusfeststellungsklage zum Arbeitsgericht 37 143 – streitige Arbeitnehmerschaft, Aufhebungsvereinbarung 37 150 ff. – vertragliche Vereinbarungen 37 128 ff., 147 Schiedsgerichtsbarkeit – Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. 24 64; 25 7 – Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten 24 102 ff.; 25 7 – Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentum 24 79 ff. – Gesellschaftsrecht 26 1 ff. – der Industrie- und Handelskammern 24 65 – institutionalisierte 24 48 ff. – internationale Schiedsinstitutionen 24 53 ff., 108 ff.
Stichwortverzeichnis – Schiedsordnungen, vorformulierte 24 54 – Schiedsorganisation, Berufung 24 55 ff. (M 24.3) – Schiedsorganisationsvertrag 24 51 ff. – Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare 24 91 ff. – Ständiges Schiedsgericht der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main 24 88 ff. – Vereinsgerichte, Abgrenzung 26 87 Schiedsgerichtsinstitut der Stockholmer Handelskammer 24 112 Schiedsgerichtsverfahren – Ablauf 23 5 – Ad-hoc-Schiedsverfahren 24 48 ff. – Anpassung an Parteibedürfnisse 23 14 – Erbscheinverfahren 25 3 ff. – in Erbstreitigkeiten 25 2 ff. – Europäisches Nachlasszeugnis 25 3 ff. – Geheimhaltung 23 13 – gesetzliche Grundlage 23 1 – grenzüberschreitende Streitigkeiten 23 12 – internationale 23 12; 24 48 ff. – internationale Erbfälle 25 4 ff. – Kosten 23 16 – Mehrparteienverfahren 23 40 ff. – Motivation der Beteiligten 23 11 – Ort 23 93 f. – Säumnis 23 110 ff. – Schiedsgerichte, Kompetenzgrundlage 23 3 ff. – Schiedsgutachten, Abgrenzung 22 2 f.; 23 9 ff. – Schiedsordnungen, vorformulierte 23 175 ff. – Schiedsorganisationsvertrag 24 51 ff. – Schiedsrichter, Auswahl 23 14 f. – Schiedsspruch 23 7 – Schiedsvereinbarung 23 3 – Schiedsverfahrensvereinbarungen 23 6, 35 ff. – Schiedsverfügung 23 4 – Testamentsvollstreckerzeugnis 25 3 ff. – Verfahrensdauer 23 16 – vertragliche Vereinbarungen 23 18 – Vorteile 3 18 Schiedsgutachten – Anwendungsbereich 22 6 ff. – Begründung 22 47 – DIS-Schiedsgutachtenvereinbarung 27 81 (M 27.4), 82 ff. – Form 22 47 – Gegenstand 22 8 – Kostenverteilung, Drittentscheidung anhand des letzten Gebots 22 58 – Mediation, Verhältnis 7 42 – Neuverhandlungsklauseln, Abgrenzung 22 5 – rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten/-grenzen 22 18 ff. – Sachverständigengutachten, Abgrenzung 22 4
– Schiedsgerichtsverfahren, Abgrenzung 22 2 f.; 23 9 ff. – Typen 22 1 f. – Verfahrenstreue 22 15 ff. Schiedsgutachtenvereinbarung – Anwendungsbereich 22 6 ff. – Arb-Med 7 40 (M 7.2) – ausführliche 22 22 (M 22.1) – Einführung 22 1 ff. – Erbrecht 22 33 (M 22.3) – Form 22 23 – gerichtliche Überprüfung 22 30 f. – Gesellschaftsrecht 22 34 (M 22.4) – Kosten 22 31 – Kurzfassung 22 32 (M 22.2) – offenbare Unbilligkeit 22 30b ff. – Schiedsgutachter 22 25 ff. – Uneinigkeit 22 24 – Unternehmensbewertung 22 34 (M 22.4) – Verfahren 22 28 Schiedsgutachtenverfahren – mit anschließender Mediation 7 32 ff.; s.a. Arb-Med – rechtliches Gehör 22 46 – Verfahrensregeln 22 42 Schiedsgutachter – Benennung 22 25, 40, 63 – Bewertung 22 52 ff. – Entscheidungsmaßstab 22 27 – Höchstpersönlichkeit 22 44 – und Mediator, Arb-Med 7 43 – mehrere 22 40a – Qualifikation 22 26 – Unabhängigkeit 22 45 – Unparteilichkeit 22 45 – Vergütung 22 50 – Verschwiegenheitspflicht 22 48 – Vertrag 22 35 ff. Schiedsgutachterabrede – Interimsvereinbarung zu streitigen Nachträgen, Baurecht 31 41 ff., 43 (M 31.4), 43a ff. – Minderungsvereinbarung wg. optischer Mängel 31 103 (M 31.9), 103a ff. – modifizierte, Final-offer-arbitration 20 12 f. Schiedsgutachtervertrag – Form 22 36 – Haftung 22 49 – Kostenverteilung 22 51 f., 55 – Muster 22 38 (M 22.5) – Rechtsnatur 22 35 – Schiedsgutachter, Benennung 22 40 – Schiedsgutachtervereinbarung, Verhältnis 22 37, 41 – Vergütung 22 50 – Verschwiegenheitspflicht 22 48
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Stichwortverzeichnis Schiedsklausel – Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare 24 92 (M 24.7) – Ständiges Schiedsgericht der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main 24 89 (M 24.6) Schiedsordnungen – IBA Rules of Evedence 23 177a – Schweizerische Schiedsordnung 24 121 (M 24.10), 122 ff. – SOBau 23 178 – UNCITRAL Arbitration Rules 23 177 f., 179 (M 23.3) Schiedsrichter 24 1 ff. – Aufwendungsersatz 24 13 – Auskunftsverpflichtung 24 17 f. – Auswahl 23 14 f. – Beratungsgeheimnis 24 16 – Bestellung 23 59 – Eignung 24 5 – Haftung 24 7 ff. – und Mediator, Personengleichheit, Med-Arb 7 25 – Pflichten des Schlichters 24 4 ff. – Pflichten, Durchsetzbarkeit 24 7 ff. – Rechte 24 10 ff. – Schiedsrichtervertrag 24 18 (M 24.1) – Spruchrichterprivileg 24 9 – Umsatzsteuer 24 15 – Vergütung 24 11 f., 47a (M 24.2) – Verschwiegenheitspflicht 24 6, 23 – Vorschuss 24 14 – Weisungsgebundenheit 24 16 f. Schiedsrichtervertrag – Auskunftsverpflichtung 24 17 f. – Beratungsgeheimnis 24 16 – Kündigung 24 2 – Muster 24 18 (M 24.1) – Muster, Anmerkungen 24 18a ff. – Schiedsrichter, Pflichten 24 4 ff. – Schiedsrichter, Rechte 24 10 ff. – Schiedsrichtervergütung 24 47a (M 24.2) – Vertragstyp 24 1 ff. – Weisungsgebundenheit 24 16 f. Schiedsvereinbarung 23 1 ff.; 25 101 (M 25.7) – Ad-hoc-Schiedsvereinbarung 23 42 (M 23.1) – Aktiengesellschaft 26 52 ff., 57 (M 26.2), 57a ff. – anwendbares Recht 23 20 ff. – Definition 23 19 – Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten 24 103 (M 24.8), 104 ff. – Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentum 24 83 (M 24.5) – DIS-Schiedsvereinbarung 24 66 ff. (M 24.4) – Eigenständigkeit des § 1031 ZPO 23 32 – einfache 23 139 ff., 140 (M 23.2)
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– Erb-, Pflichtteils-, Zuwendungsverzicht 25 97 ff. – zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigten 25 101a ff. – Erbvertrag 25 53 (M 25.2), 53a ff. – Form 23 28 – gemeinsames Testament 25 65 (M 25.3), 65a ff. – Genehmigungspflicht 23 23 – GmbH 26 14 (M 26.1), 14a ff. – ICC-Schiedsvereinbarung 24 115 (M 24.9) – Kommanditgesellschaft auf Aktien 26 52 ff., 57 (M 26.2), 57a ff. – Kompetenzgrundlage der Schiedsgerichte 23 3 – Mehrparteienverfahren 23 40 ff. – modifizierte, Final-offer-arbitration 20 9 – Muster, Anmerkungen 23 43 ff. – Partnerschaftsgesellschaften 26 67 ff. – Personenhandelsgesellschaften 26 67 ff., 71 (M 26.3), 71a ff. – Schiedsfähigkeit 23 24 ff. – Schiedsklausel 23 33 – Schiedsklausel, Verbrauchervertrag 23 146 ff. – Schiedsorganisation, Berufung 24 55 ff. (M 24.3) – Schiedsvereinbarungsstatut 23 20a – Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare 26 144 ff., 145 (M 26.7) – Verbraucherschutz 23 22, 28 ff. – Verein 26 85 ff., 94 (M 26.4), 94a ff. Schiedsvereinbarung – Aktiengesellschaft – Aktiengesellschaft 26 57 (M 26.2), 57a ff. – Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe 26 55 – Beschlussmängelstreitigkeiten 26 53 ff. – Kommanditgesellschaft auf Aktien 26 57 (M 26.2), 57a ff. – außerhalb der Satzung 26 54 – sonstige Streitigkeiten 26 55 f. – statuarische Schiedsklausel 26 53 Schiedsvereinbarung – GmbH 26 1 ff. – Beschlussmängelstreitigkeiten 26 4 ff. – Gründung 26 10, 14 (M 26.1), 14a ff. – nicht-korporative Streitigkeiten 26 13 – Rechtsnachfolge 26 12 – Satzungsänderung 26 11 – Satzungsbestandteil 26 9 ff. Schiedsverfahrensvereinbarung 23 6 – sonstige 23 35 – Wirksamkeit 23 36 ff. – Zustandekommen 23 36 ff. Schiedsverfügung 23 4 – Bindung von Vereinsmitgliedern ohne ausdrückliche Zustimmung 26 90 ff. – Einsetzung institutionellen Schiedsgerichts 25 70 ff., 71 (M 25.4), 71a ff.
Stichwortverzeichnis – – – –
in Erbverträgen 25 44 ff. in gemeinsamen Testamenten 25 64 ff. in letztwilliger Verfügung 25 1 ff. Musterschiedsverfügung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit 26 137 ff., 138 (M 26.6) – Musterschiedsverfügung DSE 25 80 ff., 81 (M 25.5) – Musterschiedsverfügung, Erbstreitigkeiten nach SGH 25 87 ff., 88 (M 25.6) – Stiftung 26 115 ff., 119 (M 26.5) – in Testamenten 25 1 ff. – Vereinsgründung 26 88 – in Vereinssatzung 26 88 Schiedsverfügung in Erbverträgen – Bindungswirkung 25 52 f. – Streitigkeiten nach dem Tod eines am Rechtsgeschäft Beteiligten 25 46 ff. – Streitigkeiten zwischen am Rechtsgeschäft Beteiligten 25 45 – Streitigkeiten zwischen Überlebenden, nicht den Nachlass betreffend 25 51 – weitere Bestimmungen 25 53 (M 25.2), 53a ff. Schiedsverfügung in Testamenten – Änderungsvorbehalt 25 9a – Anfechtbarkeit 25 13 – Anordnung 25 8 ff. – Anwendungsfälle 25 1 ff. – Drittbestimmung, verbotene 25 15 – Drittbestimmung, zulässige Bestimmungsrechte 25 16 – Einzeltestament 25 29 (M 25.1), 29a ff. – Entlassung des Testamentsvollstreckers, Entscheidung über 25 19 – Form 25 10 ff. – in gemeinsamen Testamenten 25 64 ff. – gemeinsames, weitere Bestimmungen 25 65 (M 25.3), 65a ff. – internationale Erbfälle 25 24 f. – Missachtung 25 43 ff. – Pflichtteilsstreitigkeiten, Entscheidung in 25 17 f. – Reichweite 25 14 – Schiedsbindung, erbrechtliche Gestaltungsmittel 25 25 ff. – Schiedsorganisationsvertrag 25 21 ff. – Schiedsrichtervergütung 25 21 ff. – Schiedsrichtervertrag 25 21 ff. – Testamentsvollstrecker als Schiedsrichter 25 34 – Verfahrensvereinbarungen 25 20 – Wirksamkeit 25 10 ff. – zulasten enterbten Pflichtteilsberechtigten 25 32 – Zweckmäßigkeit des Schiedsverfahrens 25 2 ff.
Schiedsvertrag – Muster 23 42 (M 23.1) – Muster, Anmerkungen 23 43 ff. – Schiedsrichter, Bestellung 23 59 Schlichtung nach der SOBau – Antrag auf Durchführung eines isolierten Beweisverfahrens 9 35 ff., 38 (M 9.5) – Antrag auf Einleitung 9 24 ff., 28 (M 9.3) – Antrag auf Schlichterbenennung 9 32 ff., 33 (M 9.4) – Benennungsausschuss 9 33a – Grundlage der Tätigkeit 9 21 – Kosten 9 43 – Pflichten des Schlichters 9 22 – Schlichterliste 9 33a – Schlichtervertrag 9 18 ff., 20 (M 9.2) – Schlichtungsvereinbarung 9 7 ff., 11 (M 9.1), 11a ff. – vorgeschaltete Verfahren 9 6 – Zielsetzung der SOBau 9 1 ff. Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare 24 91 ff. – Musterschiedsvereinbarung 26 144 ff. – Schiedsklausel 24 92 (M 24.7), 93 ff., 26 145 (M 26.7) Schlichtungsantrag – § 15a EGZPO, Muster 8 20 (M 8.2), 20a ff. – Schriftform 8 20b Schlichtungsordnung – DIS-Schlichtungsordnung 27 33 ff. Schlichtungsvereinbarung nach SOBau 9 7 ff. – Kosten 9 17 – Person des Schlichters 9 14 – Rechtsweg 9 15 – Regelungsumfang 9 12 Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO – Ausschlusstatbestände 8 15e – Einführung 8 1 ff. – Kosten 8 19, 27, 66 ff. – Kostenvorschuss, Anforderung 8 11 (M 8.1), 14 – Ladungsschreiben an den Antragsgegner 8 29 (M 8.4, 30 ff. – Ladungsschreiben an den Antragsteller (Bayern) 8 22 (M 8.3), 23 ff. – Ländergesetze 8 3 ff. – Muster, Anmerkungen 8 13 ff. – Negativzeugnis 8 36 (M 8.5) – örtlicher Anwendungsbereich 8 16 – persönliches Erscheinen 8 25 – sachliche/örtliche Zuständigkeit als Gütestelle 8 17 f. – sachlicher Anwendungsbereich 8 15 ff. – Säumnis 8 26, 33 – Schlichtungsantrag 8 20 (M 8.2), 20a ff. – schlichtungsuntaugliche Streitigkeiten 8 10
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Stichwortverzeichnis – Schlichtungsvereinbarung 8 56 (M 8.6, 57 ff. – Verjährungshemmung 8 32 – Vollstreckungstitel 8 63 – Vorschaltverfahren 8 1 – Ziele 8 7 ff. Schlichtungsvorschlag nach dem VSBG – Ausrichten am Recht 10 73 – grenzüberschreitende Schlichtung 10 74 ff. – Muster 10 81 (M 10.4) – Rechtsbindung 10 72 Schlichtungsverfahren nach der DIS-SchlO 27 33 ff., 47 (M 27.2), 48 ff. Schmerzensgeldrente 32 64 Shadow-Mediation – hybride Mediationsverfahren 7 55 – Muster 7 57 (M 7.3.6.) Shoot out s. Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern Ständiges Schiedsgericht der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main 24 88 ff. – Schiedsklausel 24 89 (M 24.6) Stiftungen – Schiedsgerichtsverfügung 26 115 ff., 119 (M 26.5) Straßenverkehrsrecht – Abfindungsvergleich s. Abfindungsvergleich im Straßenverkehrsrecht Streitbeilegung nach der SLBau 9 44 ff. Streitbeilegungsstelle nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSGB) – Anerkennungsverfahren 10 15 ff. – Anwendungsbereich des VSBG 10 20 ff. – Hilfspersonal, Anforderungen 10 19 – Kostenordnung 10 49 (M 10.2) – Streitmittler, Anforderungen 10 18 ff. – Verfahrensordnung 10 40 (M 10.1) – Vorteile der Mitwirkung 10 8 ff. Streitbeilegungsverfahren nach dem VSGB – Ablehnungsgründe, fakultative 10 30 ff. – Ablehnungsgründe, zwingende 10 27 ff. – ADR-Verfahren, Überblick 10 14 – Antragstellung 10 25 – anwaltliche Vertretung 10 37 – Besonderheiten 10 62 – Beteiligungsbereitschaft 10 69 (M 10.3) – Beteiligungsvertrag Unternehmer – Streitbeilegungsstelle 10 56 – branchenspezifische Streitbeilegungsstelle, Vorteile 10 10 – EU-Recht 10 2 f. – grenzüberschreitende Fälle 10 74 ff. – Hauptvertrag Unternehmer – Verbraucher 10 55 – Informationspflichten der Unternehmer 10 63 ff.
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Kosten 10 26, 39 Kostenordnung 10 49 (M 10.2) missbräuchlicher Antrag 10 53 rechtliches Gehört 10 36 Regelung in Deutschland 10 5 ff. Schlichtungsstelle, Vorteile der Mitwirkung 10 8 ff. Schlichtungsvorschlag 10 72 ff., 81 (M 10.4); s.a. Schlichtungsvorschlag nach dem VSBG Streitbeilegungsklausel Verbraucher – Unternehmer 10 61 Streitmittler, Anforderungen 10 18 ff. Unionsrechtlicher Hintergrund 10 2 f. Unternehmer – Verbraucher 10 1 ff. Verfahrensdauer 10 34 Verfahrensform, Online-/Offline-Bereich 10 35 Verfahrensgestaltung, Anforderungen 10 24 ff. Verfahrensordnung 10 40 (M 10.1), 41 ff. Verfahrensvereinbarung Parteien – VSBG-Stelle 10 57 Verhältnis zu anderen ADR-Verfahren 10 22 f. Verjährungshemmung 10 25, 62 Vertragsbeziehungen, Überblick 10 55 ff. Vollstreckbarkeit der Einigung 10 38
T Teilabfindung 32; s. Abfindungsvergleich im Straßenverkehrsrecht Trennungsunterhalt – begrenztes Realsplittung, Zustimmung 34 283 (M 34.8) – Berechnung 34 58 – Einsatzzeitpunkte 34 65 – gesetzliche Grundlagen 34 57 ff. – Kosten 34 186 – Krankenversicherung 34 168 – Trennungszeitraum, Definition 34 259 – Veränderung der maßgeblichen Umstände 34 59 – Verbot des Verzichts für die Zukunft 34 60 ff. – Vereinbarungen 34 60 ff., 66 ff. – Verzicht 34 171, 280 Treuhandgestaltungen – Anwendungsfälle 40 3 ff. – Einzahlung auf Anderkonto 40 4 – Enthaftung 40 10 – Grundstückskauf 40 3 – Kosten 40 11 – Sicherung der Beteiligteninteressen 40 1 ff. – Sicherung des Vertragsvollzugs 40 6 (M 40.1), 6a ff. – Treuhandanweisung, Formulierung 40 5 – Vollzugsanweisung 40 8 f.
Stichwortverzeichnis U Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern – Beteiligungsveräußerung 21 4 – Eignung zur Konfliktlösung 21 9 ff. – Escalation to the Top 21 74 ff., 75 (M 21.5) – Funktionsweise 21 6 ff. – Kündigung des Gesellschaftsvertrags 21 3 – kurze schuldrechtliche Vereinbarung 21 25 (M 21.2) – mehr als Gesellschafter 21 20 f. – mehrstufiges Verfahren durch alternative Preisbestimmung 21 62 ff., 68 (M 21.4) – Regelung im Gesellschaftsvertrag 21 1 – Stichentscheid 21 79 ff., 81 (M 21.6) – Veräußerungsberechtigung mit Vorkaufsrecht der verbleibenden Gesellschafter 21 5 – verfahrenssteuernde Vereinbarung in Satzung/ Gesellschaftervereinbarung 21 25 (M 21.1) – Verhaltensanzeige 21 13 ff. – Vorschaltverfahren 21 74 ff., 79 ff. – wechselseitige Veräußerungs- und Erwerbsverpflichtung 21 25 (M 21.3) – zwei Gesellschafter mit ungleichen Anteilen 21 18 f. Umgangsregelung – elterliche Vereinbarungen zum Umgang 34 99 ff. – Form 34 102 – gesetzliche Grundlagen 34 99 – Inhalt 34 100 – Vertragsfreiheit, Grenzen 34 101 UNCITRAL Arbitration Rules 23 177 f., 179 (M 23.3), 179a ff. Unterhaltsschaden – nach Verkehrsunfall 32 52 ff. Unterhaltsvereinbarungen – Ehegattenunterhalt 34 274 ff. – Formpflicht 34 163, 209 – Kindergeldanrechnung 34 224 – Kindesunterhalt 34 103 ff., 188 (M 34.2), 188a ff. – Krankenversicherung 34 225 – nachehelicher Unterhalt 34 64 ff., 274 ff. – richterliche Inhalts- und Ausübungskontrolle 34 112 ff. – Trennungsunterhalt 34 60 ff. – Verzicht, Anmerkungen 34 275a ff. – Verzicht auf nachehelichen Unterhalt 34 188 (M 34.2), 188a ff. – Verzicht, Sittenwidrigkeit 34 166 – Verzicht, teilweiser 34 164, 211 – Verzichtsvereinbarung 34 116 ff., 132 (M 34.1), 137 ff. Unternehmensbewertung – Schiedsgutachtenvereinbarung 22 34 (M 22.4)
V Verbrauchersachen – Streitbeilegung nach dem VSBG 10 1 ff. Verbrauchervertrag – Mediationsklausel 6 72 Verein – Schiedsvereinbarung 26 85 ff., 94 (M 26.4), 94a ff. – Schiedsverfügung 26 88 ff. Vereinbarung über eine Prozesssimulation s. Mini-Trial Verfahren – Adjusted-Winner-Verfahren 17 1 ff.; s.a. dort – Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht 15 1 ff. – Aufteilungs- und Auswahlverfahren 19 1 ff.; s.a. dort – Auktionsverfahren 18 1 ff.; s.a. dort – Dispute Board 3 8 ff.; s.a. dort – Drittentscheidung anhand verbindlicher Angebote (Final-Offer-Arbitration 21; s.a. dort – Early Neutral Evaluation 12 1 ff.; s. Frühevaluationsverfahren – evaluative 3 5; 11 1 ff.; s. Frühevaluationsverfahren; s.a. Evaluative Verfahren – Final-Offer-Arbitration 20 1 ff. – hybride Mediationsverfahren 7 1 ff. – Losverfahren 16 1 ff. – Mediation 3 4; s.a. dort – Mini-Trial 11 1 ff. – Nachlassauseinandersetzung 3 6; s.a. dort – Nachverhandlungsklauseln 3; 4 1 ff.; s.a. dort – Regelungen zur Verhandlungsführung 3 3 – Schiedsgerichtsbarkeit 3 8 ff.; s.a. dort – Schiedsgutachten 3 8; s.a. dort – Schlichtung 3 4; s.a. dort – Schlichtung nach SOBau 9 1 ff.; s.a. dort – Schlichtungs- nach § 15a EGZPO 8 1 ff.; s.a. dort – Streitbeilegung nach dem VSBG 10 25 – in Teilungssachen gem. §§ 342 Abs. 2, 363 ff. FamFG 13 1 ff. – Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern 21 1 ff.; 22; s.a. Übernahmeregelung bei zwei Gesellschaftern – Verfahren zur Teilung 3 7 – Vertragsvollzug 3 11 – Vertraulichkeitsabrede 3; 5 1 ff.; s.a. dort Verfahren in Teilungssachen gem. §§ 342 Abs. 2, 363 ff. FamFG – Antrag auf Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung 13 10 (M 13.1) – Antragsberechtigung 13 14 – Antragstellung 13 1 ff. – Auseinandersetzungsplan 13 31
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Stichwortverzeichnis – Auseinandersetzungsplan, Bekanntgabe an Säumige 13 61 ff. – Auseinandersetzungsplan, Bekanntgabe der Beurkundung 13 62 (M 13.7) – Auseinandersetzungsplan, Beurkundung 13 55 ff. – Auseinandersetzungsplan mit Zustimmung der Beteiligten 13 56 (M 13.6), 56a ff. – Erbengemeinschaft, Verfügungsbefugnis 13 19 – Kosten 13 21 – Ladungsschreiben 13 22 ff., 23 (M 13.2), 23a ff. – notarielle Bestätigung des Auseinandersetzungsplans 13 66 ff. – Säumnis, nachträgliche Zustimmung 13 52 – Säumnisverfahren 13 34, 40 ff., 48, 61 ff. – Teilungsmasse, Bezeichnung 13 20 – Teilungssachen, Begriff 13 1 – Vereinbarung über vorbereitende Maßnahmen 13 31 ff. – Verfahrensablauf 13 9 – Vermittlung einer Nachlassauseinandersetzung 13 1 ff. – vorausgegangene Teilerbauseinandersetzung 13 18 – vorausgegangenes Erbscheinsverfahren 13 17 – vorbereitende Maßnahmen, Bestätigung 13 47 ff., 51 (M 13.5) – vorbereitende Vereinbarungen, Bekanntgabe der Beurkundung 13 32 (M 13.3), 41 (M 13.4) – Vorteile 13 2 – Zuständigkeit 13 11 f. Verfahrensförderungspflicht – Mediationsvereinbarung 6 43 Verfahrenssteuernde Vereinbarungen – Einigungshindernisse 3 34 ff. – Final-offer-abitration 3 22 – Kosten- und Zeitvorteile 3 17 f. – Kriterien 3 12 ff. – Mediationsvereinbarung 6 21 ff. – Verfahrenseignung, Beschaffenheit des Streitgegenstands/Art des Konflikts 3 32 f. – Verfahrenstreue 3 27 ff. – Verfahrenswahl 3 19 ff. – Verhaltensanreize, Steuerung 3 19 – Vertraulichkeitsvereinbarungen 3 23 – Vollzugsautomatik 3 24 ff. Verfahrenssteuernde Vereinbarungen – Einigungshindernisse – cognitive overload 3 68 – fehlende Autorität von Vertretern 3 46 ff. – fehlender Settlement Event 3 41 ff. – Hindernisse im Verhandlungsprozess 3 35 ff. – Informationsdefizite 3 54 f. – inkonsistente Interessen 3 49 ff.
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– kognitive Einigungshindernisse 3 56 ff. – Nichtteilnahme wesentliche Interessenträger 3 47 – reaktive Abwertung 3 63 ff. – sachliche Einigungshindernisse 3 48 ff. – Saving Face 3 67 – selektive Wahrnehmung 3 60 ff. – starke Emotionen 3 69 – strategisches Verhalten 3 36 ff. – Überoptimismus 3 57 ff. – Uneinigkeit über den Verfahrensfortgang 3 44 ff. – Verlust-Vermeidung 3 65 ff. – versteckt gebliebene Interessen 3 52 f. Vergleich – Abfindungsvergleich, außergerichtlicher 29 27 ff., 32 (M 29.3), 32a ff. – Anwaltsvergleich 29 20 (M 29.2), 20a ff. – außergerichtlicher, Muster 29 8 (M 29.1) – außergerichtlicher, Vergleichsvereinbarungen 29 1 ff. – im Delikts- und Straßenverkehrsrecht 32 1 ff. – Familienrecht 34 1 ff. – im Grundstücksrecht 33 1 ff. – im Mietrecht 30 1 ff. – Prozessvergleich 29 51 ff. – Prozessvergleich, Protokollierung 29 58 (M 29.6), 58a – mit umfassenden, den Streitgegenstand überschreitenden Regelungen 29 57 ff. – verfahrenssteuernder Vergleich 29 66 – Vergleich zur Prozesserledigung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens 29 39 ff., 41 (M 29.4), 41a – im Werkvertragsrecht 31 1 ff. Vergleich im Familienrecht – Ehegattenunterhalt 34 55 ff. – im ehelichen Güterrecht 34 9 ff. – elterliche Sorgerechtsvereinbarungen 34 92 – güterrechtliche Vereinbarungen 34 223 ff. – zum Kindesunterhalt 34 103 ff. – nachehelicher Unterhalt 34 64 ff. – Nutzung der Ehewohnung 34 78 ff., 173 – richterliche Inhalts- und Ausübungskontrolle 34 112 ff. – Scheidungsfolgenvereinbarung 34 1 ff.; s.a. dort – sonstige Vermögensauseinandersetzung 34 76 ff. – Trennungsunterhalt 34 60 ff. – zum Umgangsrecht 34 99 ff. – Vereinbarungen Ehegatten im Zusammenhang mit gemeinschaftlichen Kindern 34 90 ff. – Vereinbarungen mit steuerrechtlichem Hintergrund 34 111 ff.
Stichwortverzeichnis – Vereinbarungen zum Erb- und Pflichtteilsrecht der Ehegatten 34 83 ff., 85 ff. – Versorgungsausgleichsvereinbarungen 34 30 ff. – Verteilung der Haushaltsgegenstände 34 78 ff., 173 – Vertragsfreiheit, Grenzen 34 22 ff., 47 ff., 70 ff., 81 – zu den Voraussetzungen der Ehescheidung 34 109 ff. – im Zusammenhang mit dem Ehenamen 34 108 ff. Vergleich im Mietrecht – Mietänderungsvergleich 30 101 (M 30.2), 102 ff. – Mietaufhebungsvereinbarung 30 11 ff. – Muster 30 38 ff. (M 30.1) – Unterschied Wohnraum-/Geschäftsraummiete 30 1 ff. – Vergleichstypen 30 7 ff. – Wohnraum, Modernisierungsvereinbarung 30 113 ff., 119 (M 30.3), 120 ff. Vergleichsvereinbarungen – Abwicklungsvertrag im Arbeitsrecht 37 76 ff., 97 (M 37.2), 98 ff. – Anwaltsvergleich 29 20 (M 29.2), 20a ff. – außergerichtlicher Abfindungsvergleich 29 27 ff., 32 (M 29.3) – außergerichtlicher Vergleich 29 1 ff., 8 (M 29.1) – Einziehung eines Geschäftsanteils, Gesellschafterbeschluss 36 36 (M 36.3), 36a ff. – elterliche Sorgerechtsvereinbarungen 34 92 – zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten 35 113 ff. – im Familienrecht 34 1 ff. – GmbH-Geschäftsanteil, Abtretung 36 8 (M 36.1), 8a ff., 11 (M 36.2), 12 ff. – Grundstückskaufvertrag, Nachtragsurkunde 33 6 (M 33.1) – Grundstückskaufvertrag, Rückabwicklung 33 35 (M 33.2), 36 ff. – Grundstückskaufvertrag, Übernahme 33 51 (M 33.3), 51a – Grundstücksrecht 33 1 ff. – zum Kindesunterhalt 34 103 ff. – Mietänderungsvergleich 30 79 ff., 101 (M 30.2), 102 ff. – Mietaufhebungsvergleich 30 38 (M 30.1) – im Mietrecht 30 1 ff. – nachehelicher Unterhalt 34 66 ff. – Nutzung der Ehewohnung 34 78 ff. – im privaten Baurecht 31 1 ff. – Prozessvergleich 29 51 ff., 53 (M 29.5), 53a ff., 58 (M 29.6), 58a – streitige Arbeitnehmerschaft 37 128 ff.
– streitige Arbeitnehmerschaft, Aufhebungsvereinbarung 37 149 (M 37.4), 150 ff. – Trennungsunterhalt 34 60 ff. – Umgangsrecht 34 99 ff. – Vereinbarung nach Aussetzungsbeschluss 14 3 (M 14.1) – Vereinbarungen zum Erb- und Pflichtteilsrecht der Ehegatten 34 83 ff. – verfahrenssteuernder Vergleich 29 66 – Vergleich mit umfassenden, den Streitgegenstand überschreitenden Regelungen 29 57 ff. – Vergleich zur Prozesserledigung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens 29 39 ff. – Versorgungsausgleichsvereinbarungen 34 256 ff. – Verteilung der Haushaltsgegenstände 34 78 ff. – im Werkvertragsrecht 31 1 ff. – Wohnraum, Modernisierungsvereinbarung 30 113 ff., 119 (M 30.3), 120 ff. – im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht 37 1 ff. – im Zusammenhang mit dem Ehenamen 34 104 – im Zusammenhang mit dem Erbrecht 35 1 ff. – im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht 36 1 ff. Verjährungshemmung – Bekanntgabe des Güteantrags, Veranlassung 6 53 f. – Mediationsvereinbarung 6 53 ff. – Streitbeilegung nach dem VSBG, Antragstellung 10 25, 62 – Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags, Schlichtungsverfahren nach § 15aEGZPO 8 32 Verkehrsunfall – Abfindungsvergleich s. Abfindungsvergleich im Straßenverkehrsrecht Versorgungsausgleich – Ausschluss 34 131 (M 34.1), 136 ff., 158 – auszugleichende Versorgungsanrechte 34 32 ff. – Durchführung 34 35 ff., 208 – gerichtliche Abänderung 34 38 ff. – Güter- und Unterhaltsrecht, Verhältnis 34 39 ff. – Inhalts- und Ausübungskontrolle 34 163 – Rechtsgrundlagen 34 31 ff. – Vereinbarungsmöglichkeiten 34 42 ff. Versorgungsausgleichsvereinbarungen – Ausgleichsquote, Veränderung 34 267 (M 34.6), 267a ff. – Einführung 34 256 ff. – Form 34 53 – Inhalte 34 46 – Kosten 34 186
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Stichwortverzeichnis – Motive der Vertragsteile 34 44 – Muster 34 188 (M 34.2), 188a ff., 257 (M 34.5), 257a ff., 267a ff. – richterliche Inhalts- und Ausübungskontrolle 34 265, 272 – Trennungszeitraum, Definition 34 259 – überholte Formulierungen 34 45 – Vereinbarungszeitpunkte 34 42 f. – Vertragsfreiheit, Grenzen 34 47 ff. – Verzichtsvereinbarung 34 116 ff. Verteilungsverfahren – Adjusted-Winner-Verfahren 17 1 ff.; s.a. dort – Aufteilung mit alternierendem Wahlrecht 15 1 ff.; s.a. dort – Aufteilungs- und Auswahlverfahren 19 1 ff.; s.a. dort – Auktionsverfahren 18 1 ff.; s.a. dort – Losverfahren 16 1 ff.; s.a. dort Vertragsgestaltungslehre – Einigungsplanung 3 74 – Ein-Text-Verfahren 3 84 – gestaltende Planung 3 72 f. – neutrale Vertragsgestaltung 3 79 ff. – parteiliche Vertragsgestaltung 3 78 – Vertragstypik 3 76 f. Vertragsvollzug – Bedingungseintritt 38 15 – Bedingungsvereinbarung, Anwendungsfälle 38 6 ff. – Bedingungsvereinbarung, Eignung 38 6 ff. – Diagnose des Durchführungsrisikos 38 2 – Gegenleistung, Absicherung 38 7 – Kaufpreiszahlung als Bedingung 38 13 – Sicherung durch Bedingungen 38 1 ff., 9 (M 38.1) – Sicherung durch Treuhandgestaltung 40 1 ff., 6 (M 40.1), 6a ff. – Vollzugsanweisung 40 8 f.
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– Vollzugsautomatik, Vereinbarungen 38 3 ff. – Vollzugsvollmacht, Anwendungsfälle 39 10a ff. – Vollzugsvollmacht, Eignung 39 10 ff. – Vollzugsvollmacht, Sicherung der Vertragstreue 39 1 ff., 12 (M 39.1) Vertraulichkeitsabrede 5 1 ff. – Mediationsvereinbarung 6 49, 64 ff. – missbräuchliche Verwendung 5 4 ff. – Muster 5 6 (M 5.1), 7 f. Vorläufiger Rechtsschutz – Mediationsvereinbarung, Zulässigkeit 6 51 W Wahlgüterstandsvereinbarung – Gütertrennung 34 17 ff. Wertsicherungsklausel 4 9 Wirtschaftsmediation – Bedeutung 6 1a – Mediationsklausel 6 71 ff.; s.a. dort – Mediationsvereinbarung 6 1 ff.; s.a. dort – Mediatorvertrag 6 98 ff.; s.a. dort World Intellectual Property Organization 24 114 Z Zeitrenten 32; s.a. Personenschäden – Ersatzansprüche nach Verkehrsunfall Zugewinnausgleich 34 10 ff. – betragsmäßige, wertgesicherte Deckelung 34 246 (M 34.4), 246a ff. – Vermögenswerte, Herausnahme 34 234 (M 34.3), 234a ff. – Verzicht gegen Abfindung 34 188 (M 34.2), 188a ff. – Verzichtsvereinbarung 34 116 ff. Züricher Handelskammer 24 119