Christianitas: Eine Wortgeschichte von der Spätantike bis zum Mittelalter 9783666367250, 9783525367254, 9783647367255


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Christianitas: Eine Wortgeschichte von der Spätantike bis zum Mittelalter
 9783666367250, 9783525367254, 9783647367255

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Historische Semantik

Herausgegeben von Bernhard Jussen, Christian Kiening, Klaus Krüger und Willibald Steinmetz

Band 24

Tim Geelhaar

Christianitas Eine Wortgeschichte von der Spätantike bis zum Mittelalter

Vandenhoeck & Ruprecht

®

MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen

www.fsc.org

FSC® C083411

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-2953 ISBN 978-3-525-36725-4 ISBN 978-3-647-36725-5 (E-Book) ISBN 978-3-666-36725-0 (V& R eLibary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Ó 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: Auszug aus der Capitulatio de partibus Saxoniae mit xpristianitatis in der zweiten Zeile. Pergament (H 27,3 cm, B 17,8 cm, D 3,2 cm) Vatikanstadt, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Cod. Pal. Lat. 289, fol. 60r. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung: Von einer Ideen- zu einer Wortgeschichte . 1. Christenheitsidee christianitas . . . . . . . . . 2. Ideengeschichte herausfordern . . . . . . . . . 3. Wortgeschichte umsetzen . . . . . . . . . . . .

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13 13 18 26

I.

Reden mit christianitas in der Spätantike . 1. Ein später Neologismus . . . . . . . . . . 2. Bedingungen des Sprachgebrauchs . . . 3. Verteilung des Wortgebrauchs . . . . . . 4. Verwendungen und Verwendungsmuster

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II.

Wahre und falsche Christen . . . . . . . . . . . . . 1. Verwandte Worte: christianismus – christianitas 2. Was es heißt, Christ zu sein . . . . . . . . . . . 3. Der christliche Name . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dynamisierung eines Wortgebrauchs . . . . . .

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65 66 75 87 93

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Kaiserliche Edikte und kanonisches Recht . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kaiser haben das Wort: der Codex Theodosianus . . . . . . 2. Fortführung der Begründungslogik: die Collectio Dionysiana . .

135 136 147

III. Das Schweigen des Augustinus . . . . . 1. Was Augustinus sagte . . . . . . . . . 2. »Was habt Ihr mit den Königen …?« 3. Der Kampf um die Worte . . . . . . . 4. Ein Schweigen ohne Konsequenzen? . IV.

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Inhalt

Die Kreativität des Übersetzens . . . . . . . . . . . . 1. Kaiserliche Christlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Vielfalt: Die Historia ecclesiastica tripartita . 3. Erzählen mit christianitas nach Epiphanius . . . .

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VI. Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation . 1. Zwischen Eigenschaft und Anrede . . . . . . . . . . . 2. Stabilisierung und Politisierung . . . . . . . . . . . . 3. Der politische Gebrauch der Anrede . . . . . . . . . .

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187 188 197 210

VII. Ein Wort in vielen Christenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Im westgotischen Spanien: Weiterleben eines Wortgebrauchs . 2. Unter Angelsachsen: Adaption und Rückkehr zur Konvention 3. christianitas – ein Wort der Spätantike . . . . . . . . . . . . .

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219 221 229 236

VIII. Reden mit christianitas in der karolingischen Welt . . . . 1. Ein altes Wort in einer neuen Welt . . . . . . . . . . . . 2. Das Latein der Karolinger . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verteilung des Wortgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . 4. Sprachliche Merkmale in Spätantike und Karolingerzeit

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243 243 247 252 256

IX.

Eine Anrede wird aufgegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das fränkisch-päpstliche Bündnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Was Hadrian anders machte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261 261 268

X.

Eine Missionsvokabel? . . . . . . . . . . . 1. Bonifatius und die Briefe des Zacharias 2. Die Viten des 8. Jahrhunderts . . . . . 3. Die Bekehrung der Sachsen . . . . . .

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275 276 286 292

XI.

Eine karolingische christianitas? . . . . . . . . . . . . 1. christianitatis imperium – ein halber Versuch . . . 2. populus christianus und das apokalyptische nomen christianitatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. christianitas als politische Tugend . . . . . . . . . . 4. Divergierende Semantisierungen . . . . . . . . . . .

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305 306

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313 323 330

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

339

V.

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Inhalt

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bibliographische Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

355 355 357

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

359 359 374

Quellensynopsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erläuterungen zur Sammlung von Verwendungsnachweisen Phase 1: Spätantike (360 – 490) . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 2: Spätantike (491 – 605) . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 3: Spätantike (606 – 740) . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814) . . . . . . . . . . . . . .

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413 413 414 439 468 487

Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

541

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

547

Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

555

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Vorwort

Wenn nun, 76 Jahre nach Jean Rupps »L’id¦e de chr¦tient¦ dans la pens¦e pontificale des origines — Innocent III« (Paris 1939) eine zweite Monographie zu christianitas erscheint, so ist dies erst einmal eine Verneigung vor der Leistung dieses Mannes. Sowohl seine Leseleistung als auch seine Thesenbildung beeindrucken immer noch. Erst die nunmehr digitalisierten, mittelalterlichen Quellenbestände haben die Voraussetzung dafür geschaffen, in einem neuen methodischen Zugriff in der Quellenanalyse über das von Jean Rupp Erreichte hinauszugehen. Insbesondere fasziniert jedoch, wie lange seine These vom Ursprung des Konzepts »Christenheit« aus der Feder verschiedener bedeutender Päpste Bestand hatte. Bis heute hat es keinen umfassenden Versuch gegeben, die These kritisch zu prüfen, obwohl ihre Schwachstellen dazu Anlass bieten und eine Revision schon aufgrund des wissenschaftlichen Fortschritts der letzten Jahrzehnte geboten wäre. Der Erfolg der These ist jedoch nicht allein auf die Qualität der Ruppschen Argumentation zurückzuführen, sondern auch auf ein Bedürfnis nach einem christlichen, papstzentrierten Weltbild in zumeist konservativen und katholischen Kreisen der europäischen Gesellschaften. Diese Selbstvergewisserung wird zudem meist in einer Art der Geschichtsschreibung gesucht, von der längst bekannt ist, dass sie immer noch in ihrem Innersten von christlichen Deutungsmustern geprägt wird. Vor welchen gesellschaftlichen Herausforderungen solche Weltbilder stehen, wurde in der Debatte um den Gottesbezug in der avisierten, aber nicht zustande gekommenen Verfassung für die Europäische Union sichtbar. Der große gesellschaftliche Rahmen, sowohl in den Einzelstaaten als auch auf der Ebene der EU selbst, ist in den letzten Jahrzehnten vielgestaltiger geworden. Wir stehen heute vor sozialen, demographischen und kulturellen Veränderungen, deren Auswirkungen wir längst noch nicht erfasst und auf die wir uns noch lange nicht eingestellt haben. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass wir uns gegenwärtig in einer entscheidenden Phase für die Zukunft Europas befinden – eine Zukunft, für die überhaupt noch nicht abzusehen ist, welche Rolle die christliche Kultur in ihrem Facettenreichtum spielen wird. Um aber dieses Erbe für die Gestaltung der Zukunft

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Vorwort

einsetzen zu können, sind wir dazu verpflichtet, dieses Erbe wie auch unseren Umgang mit ihm kritisch, ernsthaft und gewissenhaft zu prüfen. Dies gilt insbesondere für die Genese und Funktion solcher Konzeptionen wie »Christenheit« als einer theologisch-politischen Figur des großen Ganzen. Nora Berend und Mary Anne Perkins haben, jede für sich und für ihre jeweiligen Epochen, solche Forschung bereits begonnen. Hier reiht sich nun auch diese Studie zum Wortgebrauch von christianitas ein. Sie kann Rupps These nicht in Gänze herausfordern und will dies auch nicht leisten; vielmehr erbringt sie erforderliche Vorarbeiten für spätere Untersuchungen zur Reevaluation der mittelalterlichen Idee der Christenheit und deren Wirkungsmöglichkeiten. Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 2013 vom Fachbereich 08 der Goethe Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen und am 5. Februar 2014 verteidigt worden. Für die Drucklegung wurde die Arbeit redaktionell überarbeitet und gekürzt. Zwei Abschnitte der Quellensynopse sind aus Kostengründen nicht in die Druckfassung übernommen worden; sie sind stattdessen über das Onlineangebot des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht zugänglich. Der Hinweis auf die Internetadresse findet sich im Anhang. Mit dem Erscheinen dieser Arbeit geht ein Kapitel in meinem Leben zu Ende, das ohne das Vertrauen, die Hilfe und die Unterstützung vieler verschiedener Menschen keinen so glücklichen Ausgang gefunden hätte. An erster Stelle möchte ich Bernhard Jussen danken. Er erkannte das Potenzial dieses Themas und gewährte mir ein Stipendium im Rahmen des aus den Mitteln des LeibnizPreises der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projekts »Politische Sprache im Mittelalter« – woraus auch die Drucklegung dankenswerterweise finanziert wurde; damit schenkte er mir nicht nur sein Vertrauen, sondern ließ mir alle Freiheiten, die man sich für ein selbstbestimmtes Forschen nur wünschen kann. In solchen Situationen kann es vorkommen, dass man jede Distanz zu seinem Thema und jeden Kontakt zur Außenwelt verliert. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass mir eher das Gegenteil widerfahren ist. Diese Frankfurter Jahre waren in jeder Hinsicht bereichernd. Bernhard Jussen hat uns Stipendiatinnen und Stipendiaten dazu angehalten, immer wieder den akademischen Tunnelblick abzulegen, uns mit Themen und Problemen verwandter Disziplinen zu beschäftigen und dabei auch die Medialität von und in der Geschichte nicht zu ignorieren. Dass die eigene Arbeit dabei nicht in den Hintergrund getreten ist, verdanke ich wiederum meinen Mitstipendiatinnen im Projekt, Silke Schwandt, Meike Pfefferkorn, Kornelia Berns, Anastasia Brakhman und Ulla Kypta, sowie den beiden Projektleitern, Jan Rüdiger und Gregor Rohmann. Ihnen wie auch allen anderen Kollegen an der Frankfurter Universität danke ich zum einen für die vielen wertvollen Diskussionen, Anregungen und Ermahnungen, die mir auf meinem Weg weitergeholfen haben, und zum an-

Vorwort

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deren dafür, dass sie mich Neuankömmling in Frankfurt so herzlich aufgenommen haben. Mein Zweitbetreuer Jan Rüdiger hat mich bereits in Berlin gefördert und immer zur rechten Zeit gefordert. Sein Verständnis wie auch seine Kritik haben mich überhaupt erst dahin gebracht, die Arbeit zu vollenden. Wir beide wissen, wie lang und verschlungen der Weg aus einem kleinen Büro auf der Zwischenetage des ehemaligen Prinz-Heinrich-Palais bis in den Disputationssaal im IGFarbenhaus gewesen ist. Für seine Freundschaft in all diesen Jahren mein tiefempfundener Dank. Hartmut Leppin danke ich für seine Gesprächsbereitschaft, für seine umsichtigen, hilfreichen Kommentare und für seine Bereitschaft, das Drittgutachten zu übernehmen, für das angesichts der Thematik wohl kaum jemand qualifizierter hätte sein können. Umso dankbarer bin ich für seine gewissenhafte, genaue Lektüre, wodurch ich Vieles berichtigen und bereinigen konnte. Es versteht sich von selbst, dass all diese Menschen die Arbeit nur besser gemacht haben und dass ich allein für alle Missverständnisse oder gar Fehler im Text verantwortlich bin. Die Teilnahme am CollÀge doctoral der Universitäten Paris I Panth¦on-Sorbonne und Frankfurt am Main hat meine Arbeit vorangebracht, da mir erst in Paris der eigentliche Zuschnitt des Themas bewusst wurde. Ich danke FranÅois Menant, R¦gine Le Jan und insbesondere Dominique Iogna-Prat für ihre Hilfe, die Möglichkeit, die reichen Buchbestände der ENS und der BNF zu konsultieren, Kapitel der Arbeit vorzustellen und über die Arbeit zu diskutieren. Klaus Herbers, Erlangen, Maria Pia Alberzoni und Gian Luca Potest—, Mailand, sowie allen Teilnehmenden der Villa–Vigoni-Gespräche im April 2012 danke ich, da sie mich darin bestärkt haben, am Ziel meiner Arbeit angelangt zu sein. Niina Stein und dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht danke ich für die Flexibilität bei der Fertigstellung des Manuskripts. Monika Hahn gilt mein Dank für ihr professionelles Lektorat, das mit allen den Fehlern zu kämpfen hatte, die unter Zeitdruck entstehen und die Lektüre sehr erschweren. Mein letzter Dank gilt den wichtigsten Menschen in meinem Leben: meiner Frau und meiner Familie, die mich mit all ihrer Liebe, Geduld und Nachsicht in dieser langen Zeit unermüdlich unterstützt haben. Ich widme daher dieses Buch ihnen allen: Doris, Rainer, Anne i mojej Sylwii oczywiscie. Frankfurt am Main, im November 2014 Tim Geelhaar

Einleitung: Von einer Ideen- zu einer Wortgeschichte

1.

Christenheitsidee christianitas »Daher wollen wir auf dem Seeweg in die Francia aufbrechen und uns an den ruhmreichen König Karlmann wenden und auch über dessen erwünschten Schutz nachsinnen, natürlich um das Wohl wie auch um die Verteidigung des Landes des heiligen Petrus und der ganzen christianitas (pro salute scilicet ac defensione terre˛ sancti Petri et totius christianitatis) demütig bitten, damit wir, wie es angemessen ist, durch den Trost des allmächtigen Gottes und mit königlicher Kraft gestärkt, das mit dem kostbaren Blut des Herrn erworbene Territorium und das Volk in zuträglicher und günstiger Weise fortan leiten und bewahren können, […].«1

Der Mut der Verzweiflung führte Papst Johannes VIII. (sed. 872 – 882) die Feder, als er sich im Februar 878 mit diesen Worten an Markgraf Lambert von Spoleto wandte. Seine päpstliche Herrschaft über Rom und das Patrimonium Petri war schon seit Längerem andauernden Angriffen ausgesetzt. Nicht Sarazenen, sondern Christen attackierten und verwüsteten das Land um Rom; auch die Ewige Stadt bedrohten sie. Nun war der Papst selbst in Gefahr. Als einzige Ausflucht blieb ihm der Weg über das Meer, um von den Franken Hilfe erbitten zu können. Johannes warnte Lambert, der schon einmal die Stadt in seine Hände gebracht hatte, während seiner Abwesenheit nichts gegen Rom zu unternehmen. Er erinnerte den Grafen nicht nur an die hohe Aufgabe des Papstes, sondern auch an dessen eigene Verpflichtung als Vertreter Karlmanns, die königliche Herrschaft in Italien in dessen Sinne zu verwalten.2 Diese Textpassage hat Jean Rupp vor mehr als siebzig Jahren in der einzigen bisher publizierten Monographie zu christianitas dahingehend ausgelegt, dass Johannes VIII. von der christianitas im universellen Sinne gesprochen habe. Nicht allein das christliche Volk Roms, sondern das christliche Volk im Allge1 Johannes VIII., Registrum, ep. 78 (MGH Epp. 7), S. 74 (381.701; zur Nummerierung siehe Anm. 69). 2 Zum konfliktreichen Verhältnis zwischen Johannes VIII. und Lambert siehe Arnold, Johannes VIII., S. 109 – 115.

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Einleitung: Von einer Ideen- zu einer Wortgeschichte

meinen sei bedroht gewesen.3 Für Rupp stand nach der Analyse der Briefe Johannes’ VIII. fest: Es habe zu diesem Zeitpunkt ein Bewusstsein für die Existenz einer christianitas genannten sozialen Realität gegeben. Diese habe weder der Kirche noch dem Reich entsprochen, sondern das christliche Universum bezeichnet: Land, Menschen und Sachen unter dem Einfluss Christi.4 Da es diese christianitas zu verteidigen gegolten habe, habe sie die Form einer in der Welt verankerten sozialen Größe angenommen und sei durch Bezug zu einem geographisch fassbaren Raum eine politische Größe geworden. Im weiteren Sinne habe sie die Gemeinschaft aller Christen in Christus repräsentiert, also der Denkfigur des corpus mysticum Christi entsprochen, und damit eine eschatologische, über das Irdische hinausweisende Dimension erhalten. Im engeren Sinne aber sei sie die weltliche Gemeinschaft der Christen gewesen, die zur späteren Idee einer Gemeinschaft christlicher Nationen unter Leitung des Papstes geführt habe.5 Jean Rupp schloss in seine Untersuchung Gregor VII., Urban II., Alexander III. und Innozenz III. ein, um seine Vorstellung einer päpstlichen christianitas-Idee und einer sozialen Realität namens christianitas im Mittelalter in der Wissenschaft zu verankern. Der Erfolg seiner Interpretation lässt sich allein schon daran messen, dass alle späteren Forschungen hierauf aufbauten.6 Das Wort christianitas fand als Chiffre für ein mittelalterliches Konzept Einzug in die Geschichtserzählungen zu Christentum, Papst- und Kaisertum, Kreuzzügen und Europa.7 Da sie als eine 3 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 39. 4 Vgl. ebd., S. 47: »[…] dÀs l’¦poque de Jean VIII, on a conscience de l’existence d’une r¦alit¦ sociale d¦nomm¦e ›christianitas‹ qui n’est ni l’Eglise, ni l’Empire, mais ce que l’on pourrait appeler : l’Univers chr¦tien, terre, hommes et choses soumis — l’influence du Christ.« Hierauf baut Bredero, Christenheit, S. 22 f., Rupp folgend, seine Erzählung von der Christenheit auf. 5 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 126 f. 6 Einen Überblick über die ältere Forschung bietet van Laarhoven, Chr¦tient¦. Hervorzuheben ist Kempf, Papsttum, der christianitas in Bezug auf das Verhältnis zwischen Papst und Kaiser genutzt hat, kritisch hierzu: Köhler, (Art.) Corpus christianum, S. 212. 7 Z. B. Paravicini Bagliani, Vormachtstellung, S. 615 – 617; Prosdocimi, Cristianit—; Mastnak, Crusading Peace, S. 91 – 93; Hay, Europe, S. 1. Die gängige Interpretationskette »Von der christianitas zu Europa als christlichem Abendland« bei Bartlett, Geburt, S. 303 – 307; Hiestand, Christianitas und Islam, S. 17: »Der Erste Kreuzzug war [ein] den Raum eines einzelnen Reiches übersteigendes Unternehmen der abendländischen Christianitas. Dies konnte das Papsttum auslösen.« Wenn Matheus, »Alle Wege«, S. 243, einleitet: »Als spirituelles und administratives Zentrum der lateinischen christianitas war die mittelalterliche römische Kurie über Jahrhunderte hinweg ein Kristallisationspunkt und ein Zentrum kommunikativen Austauschs […]«, setzt er christianitas mit einer politischen Realität gleich. Weiterhin Roscher, Papst Innocenz III.; Appelt, Christianitas; Becker, Politique. Ein Beispiel für die verknappte Darstellung mittels christianitas Meier, (Art.) Christentum, Sp. 239 f.: »Im Westen entstand das ›christliche Abendland‹, dessen Rückgrat die Allianz der Päpste mit den fränkischen Herrschern wurde, manifestiert in der Kaiserkrönung Karls des Großen (800). Auch mit Gewalt […] hatte Karl die Verschmelzung von Reich und Kirche zu jener ›christianitas‹ betrieben, welche sich in den folgenden Jahrhunderten mehr und mehr als ›societas perfecta‹

Christenheitsidee christianitas

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mittelalterliche Selbstbeschreibungsvokabel galt, schien es legitim, sie auch in das Beschreibungsvokabular der Forschung zu übernehmen.8 Mit ihr konnten Historikerinnen und Historiker die Vorstellung einer spirituellen, kulturellen, politisch-sozialen und geographischen Einheit aller dem römischen Ritus folgenden Christen auf Erden oder gar eine gesamtgesellschaftliche Verfasstheit Europas im Mittelalter evozieren. Für Raoul Manselli ist dieses Konzept sogar bereits in der Zeit des 7. bis 9. Jahrhunderts unter dem Eindruck der muslimischen Angriffe auf die christlichen Herrschaften Westeuropas aufgekommen, als die christlichen Reiche »eben deshalb, da sie christlich waren, eine Einheit in ihrer Vielfalt anstrebten«.9 Johannes VIII. habe mit seinen Appellen zur Einheit gegen die nicht-christlichen Feinde wesentlich zur Herausbildung und Etablierung des Konzepts beigetragen, das seitdem in christianitas seinen zeichenhaften Ausdruck gefunden habe. Mansellis These klang so nachvollziehbar, dass das Fehlen von Belegen kaum ins Gewicht fiel. Für das 9. Jahrhundert sah Dominique Iogna-Prat dann auch in dem von den Päpsten geführten Kampf gegen die sarazenischen Piraten den Träger einer lexikalischen Entwicklung allerersten Ranges.10 Im Hochmittelalter habe sich ein Bewusstsein für eine übergeordnete Einheit aller christlichen Herrschaften unter der Führung der Päpste entwickelt, die diese Rolle bis ins Spätmittelalter erfolgreich hätten behaupten können. Unter päpstlicher Leitung sei der uniforme Aufbau kirchlicher Strukturen vorangeschritten, während die christianitas nach außen zu erweitern und zu verteidigen gewesen sei (dilatatio und defensio).11 Folglich habe christianitas keine nennenswerte theologische, wohl aber eine bedeutende politische Rolle gespielt.12

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verstand und die Idee des Reiches Gottes in problematischer Weise auf sich bezog.« Er erläutert nicht, was unter christianitas zu verstehen sei, distanziert sich hingegen vom Begriff, wie er es auch gegenüber dem christlichen Abendland, dieser problematischen Bezeichnung des 19. und 20. Jahrhunderts tut. Vgl. auch Köhler, (Art.) Abendland, S. 17 – 42; Conze, Abendland; Hildmann, Vom christlichen Abendland. Siehe auch Fried, Formierung Europas, S. 58; Struve, Kaisertum, S. 7; Mierau, Kaiser, S. 255. Berend, Concept, S. 51, nimmt diesen Umstand zum Anlass, die Geschichte des Konzepts für das Spätmittelalter und den Umgang der Forschung mit dem Begriff »(Lateinische) Christenheit« zu untersuchen. Vgl. auch dies., Frontiers, S. 27 – 40. Manselli, (Art.) Christianitas, Sp. 1915 f. Iogna-Prat, Maison Dieu, S. 196: »une porteuse d’une ¦volution lexicale de toute premiÀre importance, avec l’¦mergence de l’acception g¦ographique du terme ›Christianitas‹ (Chr¦tient¦, avec une majuscule)«, ohne es weiter argumentativ zu belegen. Dies sei auch der historische Wendepunkt gewesen, um Rom und den Papst zum Gravitationszentrum der »Latinitas« zu machen. Siehe auch ders, Ordonner, S. 11 f., worauf Nagy, Notion, verweist. Bartlett, Geburt, S. 303 – 307, bes. S. 306. Berend, Frontiers, S. 27, zufolge beanspruchten Könige den Titel des Verteidigers der Kirche, weil »defending the frontiers of Christendom became an argument in medieval royal ideology in order to gain privileges from the papay.« Vgl. Manselli, »respublica christiana«; Seckler, (Art.) Christentum, Sp. 1107; Berend, Gate, S. 42 f.; dies., Concept, S. 54 – 56; Nagy, Peripheries, S. 12 f.

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Einleitung: Von einer Ideen- zu einer Wortgeschichte

Zuletzt hat J¦rúme Baschet für das Dictionnaire des faits religieux einen Artikel über den Begriff der Christenheit verfasst, in dem auch er sich weitgehend auf Rupp stützt. Jedoch hat er unter Rückgriff auf Anregungen Jan van Laarhovens die ursprüngliche These entscheidend variiert. So sei der erste Bedeutungswandel des Begriffs christianitas immer noch im 9. Jahrhundert anzusetzen, allerdings im Umfeld der karolingischen Herrschaft.13 Die Christenheit als soziale Größe – hier bedient sich Baschet der von Rupp eingeführten Kategorie des »sens social« – sei bereits in den Schriften Alkuins (gest. 804) und mehr noch Hinkmars von Reims (sed. 835/42 – 882) zu erkennen. Dennoch dürfe trotz der nachweisbaren Nähe zum karolingischen imperium nicht angenommen werden, dass die beiden Größen als deckungsgleich gedacht wurden. Vielmehr müsse der Begriff der Christenheit in die Nähe der Universalkirche gerückt werden.14 Baschet gibt der Ruppschen Interpretation eine neue Richtung, da in seiner Darstellung nicht mehr die Päpste den Bedeutungswandel bewirkt haben. Allerdings grenzt Baschet seine Gedanken weder klar gegen Rupps Thesen ab, noch basieren seine Ausführungen auf eigener Quellenarbeit. Dies ist dem Genre des Dictionnaire raisonn¦ geschuldet, das Raum zur Hypothesenbildung bietet. So fehlen zu Baschets Annahme eines ersten Bedeutungswandels der christianitas im Umfeld der Karolinger Studien, die diese These belegen oder bestätigen könnten.15 Baschets Ausführungen ermutigen dazu, die Geschichte der christianitas erneut anzugehen, sich ihr aus einer anderen Perspektive zu nähern. Bei der Suche nach dem Konzept sind nämlich Wortgebrauch, Verständnis und Grenzen der Verständlichkeit bei den Zeitgenossen zu kurz gekommen.16 Ähnlich wie in der älteren Begriffsgeschichte wurden in der Ideengeschichte zu christianitas/ Christenheit nur einzelne Autoren heranzogen; Forschungen ließen sich von der späteren Vorstellung eines darin zum Ausdruck kommenden großen Ganzen leiten; das Konzept wurde von seinem Ende her gedacht.17 Wie aber verändert 13 Vgl. Baschet, (Art.) Chr¦tient¦, S. 132; van Laarhoven, Christianitas. Allerdings hat auch van Laarhoven keine weitere Begründung geliefert. Siehe auch Krey, (Art.) Christianity, S. 172. 14 Kuchenbuch, (Art.) Sozialstruktur, Sp. 771 – 773, hätte Baschet vielleicht zugestimmt, da er selbst »ecclesia, domus dei und christianitas als wichtige patriarchalisch-ekklesiologische Deutungsfiguren« des frühen Mittelalters nennt. Er bleibt aber die Begründung schuldig. 15 Dies gilt in gleicher Weise für die von Baschet vorsichtiger formulierten Beziehungen zu anderen Leitvokabeln der Karolingerzeit wie imperium und ecclesia. Die einzige Arbeit aus jüngerer Zeit, die sich der frühmittelalterlichen christianitas angenommen hat, ist Nagy, Notion, die an der Predigt Abbos von Saint-Germain zeigen wollte, dass christianitas die Ordnungskategorie imperium abgelöst habe. 16 Eine Sprachstudie forderte bereits Kempf, Papsttum, S. 304. John Van Engen, Christian Middle Ages, S. 539, konstatierte, dass die Frage, was unter christianitas verstanden wurde, zu wenig Aufmerksamkeit erhalten habe. 17 Vgl. Rupp, L’id¦e; van Laarhoven, Christianitas, S. 2 f.; Ladner, Concepts; Rendtorff, Christentum, S. 773, weist darauf hin, dass das »allmähliche Aufkommen einer eigenen

Christenheitsidee christianitas

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sich unser Wissen von christianitas im Mittelalter, wenn man von diesen Prämissen ablässt, wenn man den Blickwinkel ändert, dem Wortgebrauch einen eigenen Stellenwert einräumt, wenn an die Stelle einer Ideen- eine Wortgeschichte tritt? Um Vokabel und Konzept zu entkoppeln, ausgetretene Pfade von Abfolgelogiken zu verlassen, rückt im Folgenden nicht die Idee der Christenheit, sondern das Wort, die Zeichenfolge christianitas in den Mittelpunkt. Die Leitfragen lauten daher nicht: Wie entstand das Konzept der Christenheit? Wie wurde christianitas zu Christenheit?, sondern: Wovon sprachen Menschen in Spätantike und Karolingerzeit, wenn sie das Wort christianitas gebrauchten? Zu welchen Gelegenheiten, in welchen Kontexten nutzten sie es, welche Bedeutung verliehen sie ihm zu den jeweiligen Zeiten? Damit soll erst einmal der Blick frei werden für jene sprachlichen und gesellschaftlichen Prozesse, die sich über den Wortgebrauch von christianitas erfassen lassen. Hieran anschließend lässt sich gezielter fragen, um die Wortgeschichte mit der Ideengeschichte in den Dialog zu bringen. Dabei sind Themen der neueren historischen Politikforschung aufzugreifen: Lässt sich eine Politisierung der Vokabel erkennen und worin bestünde sie? Inwieweit brachten die Zeitgenossen mit ihrem Wortgebrauch von christianitas Ansichten und Geltungsansprüche bezüglich ihrer gesellschaftlichen Ordnung zum Ausdruck? Diese Wortgeschichte positioniert sich zwischen Kirchen- und Politikgeschichte, zwischen Sprach- und Ideen-/Begriffsgeschichte. Sie operiert mit Methoden der Historischen Semantik, sie untersucht nicht so sehr die Geschichte des Wortes, sondern vielmehr das Wort in der Geschichte. Sie soll mehr als nur eine reine Etymologie bieten, sie will vielmehr der Ideengeschichte eine soziale Verankerung geben.18 Sie sucht nicht nach den Ursprüngen für die SeTerminologie für ›Christentum‹ im Mittelalter […] der Notwendigkeit [folgte], die territoriale, soziale und politische Einheit der christlichen Welt semantisch zum Ausdruck zu bringen, nachdem sich für die tendenziell universale und ökumenische Mission der christlichen Kirche deutliche Grenzen herausgebildet hatten.« 18 Anregungen boten u. a. Robling, Probleme, S. 13; Reichardt, Einleitung; ders., Historische Semantik, S. 24, hat für einen Mittelweg zwischen Begriffsgeschichte und Lexikometrie plädiert. Die historisch-semantische Analyse ziele »über einzelne Aussagen und Texte hinaus […] auf spezifische und regelhafte Sprech- und Denkweisen konkreter Sprachgemeinschaften, auf die Sinnproduktion durch Sprache«. »Wortgefüge und versprachlichte Argumentationsmuster, welche die Einzeltexte übergreifen, sind ebenso zu berücksichtigen, wie der kommunikative Charakter und die kommunikative Funktion der Quellentexte.« Busse, Sprachwissenschaft, S. 39 f., hat sich aus linguistischer Perspektive für eine stärker sozialwissenschaftlich ausgerichtete Sprachwissenschaft unter Einbeziehung von Kommunikations- und Diskursgeschichte starkgemacht. Siehe auch Busse/Teubert, Diskurs, S. 13 u. Busse, Semantik, S. 126 sowie Busse/Niehr/Wengeler, Brisante Semantik. Aus sozial- und kulturgeschichtlicher Perspektive schlug Peter Burke eine »social history of language« vor, siehe Burke, Social History. Otto-Gerhard Oexle, Begriffsgeschichte, befürwortet die Verflechtung von Wort- und Problemgeschichte, damit die Problemgeschichte nicht mehr als »Geschichte abstrakter und unabhängiger Denkrelationen« verstanden werde. Der Gegen-

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mantisierung einer bestimmten Repräsentation gesellschaftlicher Wirklichkeit in einer bestimmten Vokabel.19 Sie interessiert sich dafür, wie ein Sprachgebrauch nach den Bedürfnissen der Zeit ausgerichtet, aktualisiert und umgeschrieben wurde und damit letztlich auf die beschriebene Welt zurückwirkte.20 Es geht nicht darum, die Christenheitsidee in der Zeit zurückzuverfolgen, sondern Dynamik und Diversität in der sprachlichen Verwendung des Wortes christianitas nachzuvollziehen. Diese semasiologische Ausrichtung erfordert ein bestimmtes Vorgehen, das seinerseits die Quellenauswahl bestimmt. Da sich beides aus den weitergehenden Zielen der Arbeit ergibt, sollen diese zunächst vorgestellt werden. So lässt sich zeigen, wo sich die Arbeit gegenüber der Forschung situiert und welchen Beitrag sie leisten will.

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Zunächst zielt die Studie darauf ab, Rupps Studie um den nichtpäpstlichen Sprachgebrauch zu erweitern. Jean Rupp hielt seine Ergebnisse für verallgemeinerbar ; die Register der Päpste waren für ihn ein Ort sedimentierten Sprachgebrauchs, eine Widerspiegelung der Sprache und des Denkens von Zeitgenossen, was jeden Zweifel an einer Vereinzelung seiner Quellen aufhebe.21 Diese Annahme beruhte auf Rupps Hochachtung vor dem Stuhle Petri, blendete stand der Begriffsgeschichte bestehe nicht darin, den bloßen begrifflichen Bedeutungswandel, sondern geradezu die Kongruenz zwischen Begriff und Geschichte durch das Aufspüren von Identitäten und Differenzen in der Wortgeschichte zu rekonstruieren. Pozzo/ Sgarbi, Typologie, bieten einen Überblick zu Begriffs- und Problemgeschichte aus philosophischer Sicht, wobei trotz der History of Ideas kein Brückenschlag zur Historischen Semantik anderer Disziplinen unternommen wird. Sgarbi, Umriß, S. 193, hält die Distanz zwischen den Disziplinen, insbesondere zur Linguistik aufrecht, wenn er behauptet »Problemgeschichte bleibt das Gegenteil der Begriffsgeschichte.« 19 Zum Repräsentationsverständnis siehe Baberowski, Selbstbilder, S. 9 – 13. 20 Es geht um das Wechselspiel der Sprache sowohl als wirklichkeitsinterpretierend als auch wirklichkeitskonstituierend, das dazu führt, dass »Sprachwandel in den Geschichten und Wandel in den Sprachen sich niemals im Verhältnis 1:1 aufeinander abbilden lassen.« Koselleck, Wiederholungsstrukturen, S. 111: Es sei die »Doppelseitigkeit der Sprache« zu beachten: »Einerseits zielt sie auf Sachverhalte außerhalb ihrer selbst, andererseits unterliegt sie ihren eigenen, eben linguistischen Regelhaftigkeiten oder Neuerungen. Beide Aspekte verweisen aufeinander, bedingen streckenweise einander, konvergieren aber niemals zur Gänze. Der welterschließende Verweisungscharakter der Sprache einerseits und die ihr eigene, ihr innewohnende Formungskraft andererseits mögen sich gegenseitig stimulieren: immer aber ist in den außersprachlichen Weltgeschichten entweder mehr oder weniger enthalten, als sprachlich darüber gesagt werden kann – so wie umgekehrt in jeder Rede vor, während oder nach einer Geschichte entweder mehr oder weniger gesagt wird, als tatsächlich der Fall ist oder war.« Zur Relation Sprache – Wirklichkeit auch Landwehr, Historische Diskursanalyse, S. 91 u. Eßer, Historische Semantik, S. 281. Dagegen hat sich Paravicini, Wahrheit, gestellt. 21 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 125.

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aber aus, dass die Kommunikation mit dem Papst durch dessen Amt und Würde bestimmt wurde und keinesfalls auf alle möglichen Kommunikationssituationen übertragen werden kann. Bei der Lektüre von Rupp erfährt man nicht, wie der päpstliche Sprachgebrauch rezipiert worden ist, ob er selbst auf Rezeption beruhte und wie der außerpäpstliche Sprachgebrauch ausgesehen hat, ob z. B. die von Manselli erwähnten christlichen Reiche mithilfe von oder gar über christianitas kommunizierten. Jean Rupp konnte gar keine Aussagen darüber bieten, welche Relevanz die Rede von christianitas für die Verbreitung einer Christenheitsidee in den verschiedenen christlichen Gesellschaften entfalten konnte. Rupps Ergebnisse an einer breiteren Quellengrundlage zu prüfen, ist auch deswegen notwendig, weil seine Interpretation von einem romantischen Mediävalismus geprägt war,22 der in der angenommenen Existenz des Konzepts weiterlebt. Die neuere Mediävistik hat Vorstellungen von der einen Christenheit im Mittelalter als Vorläufer Europas zwar bereits dekonstruiert;23 doch nun gilt es, das Konzept selbst zu entromantisieren. Jean Rupp hatte zu Feder und Papier gegriffen, weil ihm die Arbeit Bernard Landrys zur Idee der Christenheit bei den Scholastikern des 13. Jahrhunderts zu wenig über die Christenheit selbst bot.24 Der spätere Erzbischof in partibus wollte diese Idee historisch erklären, um zu einer vornehmlich innerhalb der katholischen Publizistik geführten Diskussion beizutragen, die bereits seit der Jahrhundertwende den Begriff politisierte. Jean Rupp ließ sich von jener romantischen Überhöhung des Mittelalters leiten, die Novalis so poetisch, so verführerisch in Worte zu kleiden verstanden hatte.25 Was der Dichter bezeichnenderweise zur Zeit der Napoleonischen Kriege in einer bewusst verklärenden Sicht auf ein positiv gewertetes Mittelalter entworfen hatte,26 fand nach dem grausamen Schlachten des Ersten Weltkrieges seinen Widerhall in der Suche nach einem Gegenmodell zur fragmentierten, versehrten und als ziellos empfundenen Gesellschaft der Moderne.27 Die Idee von einer 22 Zum romantischen Mediävalismus siehe Russo, Lectures, S. 376 – 380. Raoul Manselli hatte den Romantismus im Konzept christianitas ausgemacht, sich aber nicht vollständig davon lösen können, wie später John Van Engen kritisierte. Vgl. Manselli, Il Medioevo; ders., ›Christianitas‹ mediovale; dazu: Van Engen, Christian Middle Ages, S. 528, 533, 536, demzufolge Jacques Le Goff und andere bereits an der Dekonstruktion des Mittelalters als der goldenen Zeit des katholischen Christentums gearbeitet hätten und ohnehin nur noch wenige Historiker von einer Idee sprechen würden, die die gesamte mittelalterliche Christenheit geteilt hätte. 23 Vgl. Borgolte, Europa; ders., Nationalgeschichten; ders./Schiel/Seitz/Schneidmüller, Mittelalter im Labor ; diess. Hybride Kulturen. 24 Vgl. Landry, L’id¦e de chr¦tient¦, und Rupp, L’id¦e, S. 3. 25 Novalis, Christenheit, S. 21: »Es waren schöne, glänzende Zeiten, als Europa ein christlich Land war, Eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Welttheil bewohnte […].« 26 Das Weiterwirken dieses Fragments lässt sich beobachten bei Rau, Christenheit, Hildmann, Christenheit, oder Schefer, Novalis, S. 217 – 222. 27 Russo, Lectures, S. 376 – 380, verweist auf die Enzyklika Pacem Dei munus von 1920, in der

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verlorenen, wiederherzustellenden Einheit der Christen war ihrerseits nicht neu,28 bekam aber im 19. und 20. Jahrhundert in dem Maße Aufschub, wie diese Christenheit als Vorläuferin eines vereinten Europa gedacht wurde.29 Jean Rupp trug den Mediaevalismus in seine Forschung hinein, indem er mit der christianitas-Idee das Papsttum als supranationale, moralische Ordnungsinstanz historisch-theologisch für die Aufgabe der Einigung Europas legitimieren wollte. Jean Rupps Arbeit bewirkte, dass sich die Auseinandersetzung mit christianitas auf die Papstgeschichte einerseits und die politische Ideengeschichte andererseits konzentrierte. Angesichts der konfessionellen Prägung des Themas wundert es nicht, dass insbesondere Friedrich Kempf SJ während des Zweiten Weltkriegs den Dualismus von Papst- und Kaisertum erforschte und das Wirkungsfeld beider Kräfte als christianitas bezeichnete.30 Der enge Konnex von Papsttum und christianitas ist auch an den in der Hochphase der eigentlichen, auf christianitas selbst bezogenen Forschung zu erkennen. Diese Studien aus den 1950er- und 1960er-Jahren konzentrierten sich indes auf die christianitas des Hochmittelalters.31 Diese Ausrichtung auf die Papstgeschichte ist allerdings fragwürdig geworden, da Jan van Laarhoven bereits ernüchternd feststellen musste, wie wenig Papst Gregor VII. (sed. 1073 – 1085) von christianitas Gebrauch machte und damit zur Konzeptionalisierung beigetragen haben kann – ein Befund, den Nora Berend zuletzt nochmals bestätigte.32 Selbst für Papst Innozenz III. (sed. 1198 – 1216), der sich laut Paravicini Bagliani als caput et

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Papst Benedikt XV. (sed. 1914 – 1922) die Aufgabe der Kirche darin sah, die Nationen zur verlorenen Einheit zurückzuführen. Jean Rupp ließ sich bei seiner Studie von der Idee der »soci¦t¦ parfaite« leiten, die auch als »chr¦tient¦ de l’avenir« bezeichnet wurde, aber eben als Begriff sehr schwammig blieb, was auch Rupps Arbeit nicht grundsätzlich zu ändern vermochte. Im Übrigen hat Papst Benedikt XVI. (sed. 2005 – 2013) diesen Namen in Erinnerung an Benedikt von Nursia und Benedikt XV. gewählt, der aufgrund seiner (vergeblichen) Bemühungen im Ersten Weltkrieg als »Friedenspapst« bezeichnet wurde. Hier lässt sich ableiten, dass an eine auf Versöhnung und Einigung ausgerichtete Politik als päpstliche Pflicht angeknüpft werden sollte. Zur Wirkungsgeschichte des Konzepts gehört bereits, dass die unter Kaiser Karl V. (reg. 1520 – 1555) häufig verwendete Formel christianitas afflicta (die zerrüttete Christenheit) als politischer Verlustbegriff genutzt worden ist, mit dem unter Rückgriff auf die Vorstellung einer im Mittelalter geeinten, wehrhaften Christenheit der konfessionellen Spaltung eben jener Christenheit entgegengewirkt werden sollte. Vgl. Lutz, Christianitas afflicta; Moeller, Geschichte, S. 200; Schilling, Zeit, S. 516. Vgl. Perkins, Christendom. Vgl. Kempf, Papsttum, S. 280 – 325, bes. S. 304 – 310. Vgl. Ladner, Concepts. »In many instances when Gregory could have employed the concept of Christendom, he chose not to do so«, so Berend, Concept, S. 57. Vgl. van Laarhoven, Christianitas, S. 94 f.; Cantor, Crisis, S. 64, unterstellt Kirchenreformern des 11. Jahrhunderts die Absicht, »to establish a unified christian world system – Christianitas, Gregory VII called it.«

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fundamentum totius christianitatis bezeichnet hat,33 ist angesichts eines gegenteiligen Wortgebrauchs in den Konstitutionen des IV. Laterankonzils und dem dazugehörigen Einladungsschreiben die Wortverwendung des Papstes noch zu problematisieren.34 Große Verdienste hat sich Nora Berend erworben, die in den letzten zehn Jahren die Erforschung der christianitas-Idee vorangebracht hat.35 Sie hat in ihren Arbeiten vieles, was als selbstverständlich galt, aus kulturgeschichtlicheuropäischer Perspektive in Frage gestellt und konnte so für das 13. und 14. Jahrhundert zeigen, dass die Könige Ungarns, Polens und Kastiliens in ihrer Kommunikation mit dem Papst christianitas für ihre eigenen politischen Ziele einsetzten.36 Diese Erkenntnis ließ sie davon abrücken, in christianitas ein allgemeingültiges Konzept christlicher Selbstwahrnehmung zu sehen. Stattdessen sei das Konzept der Christenheit als rhetorisches Instrument der Integration und Desintegration zu betrachten; christianitas habe eben keine definierten Grenzen gekannt, sich nicht gegen die Muslime konstituiert, sei kein Zeichen einer vereinheitlichten christlichen Kultur gewesen, sondern als »top down notion, rather than some sort of proto-nationalist Christian sentiment« an Partikularinteressen Herrschender gebunden gewesen.37 Eine solche Neuinterpretation für das Spätmittelalter wirft die Frage auf, ob christianitas für das Frühmittelalter nicht auch neu bewertet werden muss.38 Das zweite Ziel besteht daher darin, den frühmittelalterlichen Wortgebrauch zu studieren, um den auf dem christianitas-Konzept ruhenden Forschungen ein 33 Vgl. Paravicini Bagliani, Vormachtstellung, S. 616, zitierend aus dem Regestum super negotio Romani Imperii, Nr. 44, hg. v. Kempf, S. 125. Siehe auch Paravicini Bagliani, Il trono di Pietro, S. 225. Allerdings heißt es an dieser Stelle nur fundamentum totius christianitatis ohne caput. Selbst das fundamentum bezog Innozenz III. nur indirekt auf den Papst, weil er eigentlich von Jesus Christus als dem Fundament sprach, auf dem alles ruhe. 34 Die einzige Verwendung des Wortes christianitas findet sich im Einladungsschreiben zum Konzil, in dem Innozenz III. die Aufrechterhaltung von Gottesdiensten während der Abwesenheit der Bischöfe anmahnt: quod in vestra provincia unus vel duo de suffraganeis valeant episcopi remanere pro Christianitatis ministeriis exercendis. Reg. 16:30, in: PL 216, 823D – 827A, hier 824C – 827A. Zum IV. Laterankonzil siehe Wohlmuth, Dekrete, Bd. 2, S. 230 – 271. 35 Studien zu Teilaspekten haben immerhin vorgelegt: Van Engen, Christening, zum Wortgebrauch im 4./5. Jahrhundert, Nagy, Notion, und Richard, Sens, der sich auf die Bedeutung des Wortes im Codex Theodosianus konzentriert. 36 Vgl. Berend, D¦fense, S. 1027, auf dies., Gate, S. 42 f. aufbauend, zudem noch in dies. Frontiers, S. 34, Albanien berücksichtigend. 37 Vgl. dies., Frontiers, S. 40; dies., Concept, S. 60, hier das Zitat. 38 Angesichts der Schwierigkeiten für die auf das Hoch- und Spätmittelalter konzentrierte Ideengeschichte, christianitas als feststehendes Konzept auszumachen, verwundert es nicht, dass es keine prominente ikonologische Repräsentation von christianitas gibt. Eine Allegorisierung durch eine Frauengestalt wie bei Ecclesia und Synagoga am Bamberger Dom oder auch am Straßburger Münster lässt sich in der europäischen Objektgeschichte nicht ausmachen. Siehe auch Skubiszewski, Ecclesia.

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breiteres Fundament zu bieten und bestimmte Phänomene besser einordnen zu helfen. Dies betrifft sowohl die Papsttumsgeschichte als auch die Geschichte der Kreuzzüge. Maria Lodovica Arduini konnte bei Guibert de Nogent in dessen Gesta Dei per Francos keine christianitas im Sinne einer institutionalisierten, vereinheitlichten und dem Papst unterstellten Christenheit finden. Auch die von Paul Rousset erstmals vorgebrachte These vom Entstehen des Konzepts christianitas durch die Kreuzzugschronisten scheint am Wortgebrauch und -verständnis vorbeizugehen.39 Darüber hinaus hat Gerd Tellenbach schon vor langer Zeit die These widerlegt, dass es sich bei christianitas im Hochmittelalter um die Laiengemeinschaft im Gegensatz zur institutionalisierten Klerikerkirche gehandelt habe.40 Zudem wurde das christianitas-Konzept auch von Alberto Melloni herausgefordert, der feststellte, dass Thomas von Aquin die Vokabel nur im Sinn von Christlichkeit und Christentum verwendet hat.41 Zweifel an der ideengeschichtlichen Vorstellung eines handlungsleitenden Konzeptes christianitas hat Maurice H¦lin ohnehin schon 1959 vorgebracht, als er auf der Polysemie des Wortes insistierte und den Forschern vorhielt, nur das lesen zu wollen, was sie gerne hätten. »Le mot semble trop facile — comprendre pour qu’on s’y arrÞte s¦rieusement. On lit avec son contexte – ce qui n’est pas tout-—-fait la mÞme chose que de le lire dans son contexte – et cela a entra„n¦, mÞme dans les colonnes du DuCange, de regrettables confusions.«42 Obwohl man vielen Historikern zugutehalten muss, dass sie die Mehrdeutigkeit des Wortes sehr wohl zur Kenntnis genommen haben, gilt H¦lins Kritik weiterhin. Denn sie bezieht sich auch auf die doppelte Theoriebindung des Historikers, vor der später Johannes Fried warnte; und sie nimmt Alain Guerreaus Monitum vorweg, Historikerinnen und Historiker würden ihre Quellen aufgrund vermeintlicher Vertrautheit nur oberflächlich lesen, was zu Fehleinschätzungen und – schlimmer noch – zu vorgefertigten Urteilen führen würde.43 Das dritte Ziel baut auf dieser Warnung auf und beruht zudem auf der Be39 Vgl. Arduini, Problema, S. 408, ergänzt, dass auch Adam von Bremens Kirchengeschichte einen ähnlichen Negativbefund für das Konzept erbracht hat. Arduini hatte schon in früheren theologisch und historisch ausgerichteten Arbeiten christianitas im Hochmittelalter untersucht, siehe dies., Interpretazione, und dies., Rupert. Dennoch hat Rousset, Notion, S. 191 – 203 mit seiner These sehr viel Erfolg gehabt, wie man an Morris, Papal Monarchy, S. 263 f. und Borgolte, Christen, S. 451 erkennen kann. Siehe auch Whalen, Dominion, S. 42 f., der sich auf Mastnak, Crusading Peace, S. 91 bezieht, der wiederum auf Hay, Europe, S. 1, Ladner, Concepts; Katzir, The Second Crusade, S. 4, Bartlett, Geburt, und natürlich auf Rupp, L’id¦e, rekurriert. 40 Vgl. Tellenbach, Westliche Kirche, S. F270–F272. 41 Vgl. Melloni, Christianitas, S. 45 – 49. 42 H¦lin, Christianitas, S. 230 f. 43 Vgl. Fried, Gens und regnum; ders., Reich; ders., Normannenherrscher. Guerreau, L’avenir, S. 191 f. u. S. 204 f. Feil, Religio, S. 52 hat in ähnlicher Weise gegen Vorannahmen in Bezug auf »religio« argumentiert.

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obachtung, dass christianitas nicht nur in der älteren, sondern auch in der aktuellen Forschung immer noch als Abrufbegriff für ein mittelalterliches Phänomen genutzt wird. Teils wird das Wort mit gewisser Vorsicht und Distanz in Form von Anführungszeichen verwendet, um ein etabliertes Ordnungsschema für die eigene Geschichtsdarstellung zu nutzen;44 teils fallen Historikerinnen und Historiker in alte Erzählstrukturen zurück und sprechen von der christianitas als einer realen Größe; teils wird mit christianitas operiert, um Geschichtsnarrative zu entwickeln.45 Letzteres geschah insbesondere in der europäisch ausgerichteten Mittelalterforschung.46 Martin Malia unterstellte, dass die Christenheit der Karolinger die christianitas gewesen sei.47 Und es ist zu befürchten, dass christianitas als narratives Element auch in der Globalgeschichte Anwendung findet, weil es dazu verleitet, Ordnungen und Ordnungs44 Vgl. Fried, Formierung Europas, S. 58, der von der »Ausbreitung der ›christianitas‹« in Zusammenhang mit einer Präsentation der politischen Geographie des 10. Jahrhunderts spricht. 45 Hiervor u. a. schon Van Engen, Future, S. 495. Es ist natürlich immer zu berücksichtigen, dass man stets auf Leistungen anderer aufbaut und manches voraussetzen muss, so wie auch diese Arbeit in vielen Bereichen, wie z. B. Religion, Christentum sowie allgemein theologischen Themen, von der Forschung abhängig ist. Dass christianitas immer wieder in Geschichtsdarstellungen »hineinrutscht«, zeigt sich hingegen z. B. bei: Möller, Geschichte, S. 84; Scharff, Kämpfe, S. 43, 131, 184. Bei Struve, Kaisertum, S. 5 überwölbt die »Idee einer die abendländische Christenheit umfassenden christianitas« das Kaisertum; Maleczek, Mittelpunkt; Fraesdorff, Power, ders., Norden, der dem Norden die christianitas als geographische Einheit gegenüberstellt. Das Problem der verknappten Geschichtsdarstellung haben natürlich in erster Linie Überblicksartikel, so Erdmann, (Art.) Europa, S. 1059 – 1064: »Mit dem Zerfall des Karolingerreiches erlosch der karolingische E.-Gedanke, der die Einheit betonte und zugleich gegen Byzanz und Rom gerichtet war, aber nicht programmatische Forderungen enthielt oder auf die Zukunft projiziert war. Christianitas, nicht E., war im MA eine einheitsstiftende Idee, die sich auch polit. gebrauchen ließ.« Mierau, Kaiser, S. 255, hat jüngst für den Einstieg ins Mittelalter nochmals die Denkfigur der gesamten Christenheit genutzt, deren alleinige Leitungsgewalt weder Kaiser noch Papst beanspruchen konnten, weil sie als »wesentliche Regulatoren in einem die christianitas umgreifenden, auf das Seelenheil zielenden Rückversicherungssystem« agierten. 46 Schmieder, Peripherie, S. 359 – 369, hat die These aufgestellt, dass Europa aus dem Scheitern der christianitas geboren wurde. Siehe auch dies., Jenseits der Peripherien, dies., Von der »Christianitas«. Borgolte, Europa, S. 89 und ders., Christen, S. 451, greift auf Roussets These zurück, wonach das Wort erst durch die Kreuzzugschroniken zur Selbstbeschreibungsvokabel der Christen geworden sei, als sich jene in der Konfrontation mit den Muslimen als eine eigene Großgruppe wahrzunehmen begonnen hätten. Moeglin, Mittelalter, fand auf die ihm gestellte Frage nur eine sehr zurückhaltende, mit Unbehagen vorgetragene Antwort, indem er die Vermutung aufstellte, dass christianitas und latinitas europäische Erinnerungsorte sein könnten. Mitterauer, Warum Europa?, S. 152 – 155, hat hingegen auf christianitas verzichtet, obschon er sehr wohl die Papstkirche als ein zentrales Phänomen für die Herstellung eines homogenen Sozial- und Kulturraums im Hochmittelalter ausmacht, dann aber die Frage ausgeklammert, ob die Christen die Homogenität selbst erkannt hätten und zur Grundlage ihrer Selbstbeschreibung machten. 47 Malia, A New Europe?, S. 2 – 4.

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vorstellungen in einem Begriff kondensiert in eine Erzählung auf höherer Ebene einfließen lassen zu können.48 Da sich solche Erzählstrategien ab einem bestimmten Abstraktionsgrad nicht vermeiden lassen, sondern vielmehr notwendig werden, ist es umso wichtiger, sich über die Validität des gewählten Begriffs im Klaren zu sein. Umso mehr scheint es geboten, die bisherigen Bezüge zwischen christianitas und anderen Themen wie Papsttum und Europa zu überprüfen, bevor moderne Denkschemata in neue Zusammenhänge übertragen werden und sich Missverständnisse weiterschleppen.49 Das vierte Ziel dieser Arbeit besteht darin, einen Beitrag zur Erforschung der politischen Sprache im Übergang zum Mittelalter zu erbringen.50 Dies ergibt sich aus der bisher als selbstverständlich angenommenen, auf Jean Rupp zurückgehenden, politischen Dimension der christianitas. Jedoch ist die Frage nicht ausreichend beantwortet, ob und wie das Wort politisiert wurde und was es zur politischen Kommunikation beitrug, wie es politisches Handeln vorformen und beeinflussen konnte. Wenn man erst einmal die Prämisse fallen lässt, dass christianitas ein politisches Konzept gewesen sei, kann die Analyse des sprachlichen Handelns mit christianitas dazu beitragen, politische Modi des Sprachgebrauchs zu erkunden. Hierfür werden die vom SFB 584 »Das Politische als Kommunikationsraum der Geschichte« erarbeiteten Kriterien für Politisierung zugrunde gelegt.51 Auf diese Weise trägt die Arbeit zu Ansätzen in der 48 Eine solche mit zweifelhaften Oberbegriffen jonglierende Argumentation hat Hobson, Eastern Origins, S. 112 f. vorgelegt. Ein zweites Beispiel bietet Headley, Universalizing Principle, S. 301: »The Renaissance sees a progressive displacement of what had been understood and included in the concept Christianitas, replaced by the notion of Europe as a distinct civilizational construct whose base belongs to the same sub-continent.« 49 Dass es auch ohne christianitas in der Papsttumsgeschichte geht, zeigt Klaus Herbers, der das päpstliche Aktionsfeld bzw. den Referenzrahmen für die Formulierung des päpstlichen Primats als orbis christianus bezeichnet. Vgl. Herbers, Geschichte des Papsttums, ders., Papsttum, ders., Papst Leo IV. Für die europäische Mittelalterforschung hat Nora Berend, Introduction, S. 37 f. das Verhältnis von Europa und Christenheit auf den Punkt gebracht: »Christianitas and Europa, however, projected a notional, rhetorical unit and unity, linked to papal and royal agends and ideology, rather than reality, masking the variety of practices and institutions that evolved locally. If there is a similarity between medieval Latin Christendom and the modern European Union, it is in the discrepancy between the ideology of unity and local diversity.« 50 Mit Sprache und Sprachgebrauch, insbesondere mit politischen Sprachen, beschäftigt sich die Forschung seit längerem, wobei meist das Spätmittelalter im Vordergrund steht und selten historisch-semantisch gearbeitet wird. Siehe Pagden, Political Languages, darin u. a. Pocock, Concept; Black, Political Languages; Briguglia, Langages, ist mit Black der Meinung, dass es wichtig sei, die verschiedenen Typen von Sprachen mit ihren jeweiligen Konzeptionen, Stilen, argumentativen Methoden und Urteilskriterien, Texttypen und Autoritäten zu untersuchen. Er macht eine vierstufige »historisch-politische Semantogenese« auf: 1. präpolitische Bedeutungsdimension, 2. Fermentierungsphase, 3. Politisierung, 4. Ideologisierung und Polarisierung. 51 Da »politisch« selbst eine konzeptuelle Größe darstellt, in der die Geschichte des politischen

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Mediävistik bei, einerseits die Überbetonung von politischen und theologischen Konzepten als existierende Entitäten zu revidieren,52 und andererseits Wege zu finden, die politische Geschichte der Karolingerzeit aus der Sackgasse der Staatlichkeitsdebatte der Karolingerherrschaft herauszuführen.53 Durch die besondere Berücksichtigung von Kommunikation als Konstituent und Wirkungsfeld von Bedeutung greift die Arbeit Entwicklungen im Zuge der kulturwissenschaftlichen Wende in der Mediävistik und Frühen Neuzeit auf. Die »Neue Politikgeschichte« konzentriert sich darauf, Logiken und Modi politischen Handelns kommunikations- und mediengeschichtlich zu erfassen.54 Diese Entwicklung lässt sich gut in der Karolingerforschung nachvollziehen. Ildar Garipzanov hat eine erhellende semiotische Studie zu nicht-schriftlichen Objekten und Prozeduren als kommunikatives System vorgelegt, das er in einem semiotischen Sinne als symbolische Sprache bezeichnet.55 Garipzanov hat methodisch innovativ die historische Politikforschung zur Karolingerzeit bereichert, indem er dem Übergewicht der Personen-, Institutionen- und Ritualforschung56

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Handelns und Reflexionen darüber zusammenfließen, ist eine Definition für den analytischen Gebrauch von »politisch« vorzulegen. Folgende Kriterien werden für »politisch« und damit politische Sprache zugrunde gelegt: »politisch« ist eine Rede dann, wenn sie a) Regeln des Zusammenlebens, Machtverhältnisse oder Grenzen des jeweils Sag- und Machbaren thematisiert, b) Verbindlichkeit, c) Breitenwirksamkeit, d) Nachhaltigkeit sowie e) einen Bezug auf überindividuelle Einheiten aufweist, impliziert oder beansprucht. Das Politische wird von den Grenzen, nicht vom Gegenstand, nicht von Personen, sondern von Funktionsmechanismen her gedeutet. Vgl. Steinmetz, Neue Wege, S. 15, bes. Anm. 20. Siehe den SFB-Abschlussbericht vom 21. 4. 2013 https://www.uni-bielefeld.de/geschichte/forschung/ sfb584/Abschlussbericht.pdf, (eingesehen am 4. 12. 2014). In der Folge von Kantorowicz, The King’s Two Bodies, wurden in der politischen Geschichte politische oder theologische Konzepte als existierende Entitäten in »medieval political thought« gedacht, womit sie große Erzählungen bedienten und somit »tended to reify big ideas and simplify early medieval political whereas »the Carolingian concept and practice of empire meant strikingly different things to different people«, so Sullivan, Carolingian Age, S. 288 f. Zur Neuwertung der Möglichkeiten, die sich aus Kantorowicz’ methodischem Vorgehen ergeben, siehe Jussen, The King’s Two Bodies Today. Fried, Herrschaftsverband; ders., Gens und regnum; ders. Reich der Franken; ders., Normannenherrscher ; Goetz, Regnum; ders. Wahrnehmung. Überblicke bieten: Pohl, Staat; Deutinger, Königsherrschaft, S. 19 – 23; Schieffer, Forschung; Geelhaar/Thomas, Stiftung und Staat, S. 7 – 11; Patzold, »Einheit«. Das in Anm. 51 zitierte Verständnis des Politischen spiegelt die neuere Politikforschung wider, siehe Stollberg-Rilinger, Kulturgeschichte; Frevert, Kommunikation, dies., Politikgeschichte; Schorn-Schütte, Politikforschung. Garipzanov, Symbolic Language, S. 2 u. S. 15, untersucht die Mittel und Medien, die an der Kommunikation beteiligt waren. Er will anhand von ikonographischen, diplomatischen, liturgischen und numismatischen Quellen nicht den »written discourse, but a material discourse« untersuchen: »they all ›speak‹ the language of symbolic signs and images and fixed written formulas«. Philippe Buc, Danger, S. 248, hat Althoffs Ritualforschung mit dem Argument zurückgewiesen, dass es unmöglich sei, das frühmittelalterliche Ritual als solches zu verstehen, weil

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ein semantisches Element gegenüberstellt. Die Karolingerforschung hat hingegen insbesondere das Zentrum der karolingischen Herrschaft untersucht57 und wie sich die Aristokraten darauf ausrichteten. Insbesondere die kulturgeschichtliche Erforschung der Eliten und die Kommunikation in den Aushandlungsprozessen von Machtgewinn, -erhalt und -verlust standen in letzter Zeit im Vordergrund, ohne dabei die Gestaltungskraft der Sprache ausreichend zu berücksichtigen.58

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Wortgeschichte umsetzen

Eine Untersuchung des Wortgebrauchs von christianitas verlagert das Augenmerk auf die schriftliche, lateinischsprachige Kommunikation, die angesichts des Interesses für den maßgeblich oralen und vernakularen, aber auch performativen Charakter der karolingischen Politik in den Hintergrund getreten ist.59 Der hierfür gewählte historisch-semantische Ansatz stammt aus dem LeibnizProjekt »Politische Sprache im Mittelalter«60 und versteht sich als Weiterentwicklung der klassischen Begriffsgeschichte unter Berücksichtigung ihrer Kritiker.61 Er bezieht die Möglichkeiten moderner Datenverarbeitung ein, um auf

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man es nur vermittelt durch die schriftlichen Aufzeichnungen erfassen könne. Siehe Althoff, Macht, und Garipzanov, Symbolic Language, S. 11. Vgl. Airlie, Palace; ders., Charlemagne. Busch, Herrschaften, der auch den Überblick zu aktuellen Tendenzen in der Karolingerforschung weiterhin nach den Herrschern gliedert. So auch Schieffer, Karolinger (32000,42006), der aber nach Generationen gliedert. Einen anderen Weg gewählt haben Laudage/Hageneier/Leiverkus, Die Karolinger. Vgl. Nelson, Kingship. Mit Matthew Innes, State, wird der Umschwung deutlich, nicht mehr Institutionen und Königshöfe zu untersuchen, sondern lokale Phänomene und Eliten, womit sich die Ansätze der Prosopographie und der Elitenforschung einerseits und der Landesgeschichte andererseits durchgesetzt haben. Depreux, Prosopographie; Depreux/Bougard/Le Jan, Êlites; Bougard/Le Jan/McKitterick, Culture; Hummer, Politics. Überblicke zur Karolingerforschung: Busch, Herrschaften; Costambeys/Innes/MacLean, Carolingian World; Garipzanov, Symbolic Language, S. 10 f. Vgl. Fried, Mittelalter, S. 59; Rüdiger, Charlemagne, S. 10 – 13. Diese Richtung setzt sich damit auch von so grundlegenden Werken wie Morrison, Two Kingdoms, ab, das seinerseits das politische Denken des 9. Jahrhunderts im rechtshistorischen Kontext verortete. Mit dem von Bernhard Jussen initiierten und geleiteten Projekt soll der »Anteil sprachlichen Handelns an der politischen Kultur des Mittelalters« mittels »qualitativer und quantitativer semantischer Zugänge« neu bemessen werden (http://www.geschichte.uni-frankfurt.de/ 46824093/ projekt, (eingesehen am 4. 12. 2014). So sollen »quantifizierende korpuslinguistische Verfahren die hermeneutischen Forschungstraditionen der politischen Ideengeschichte überprüf[en] helfen«, andererseits sind die Befunde durch eine »qualitative Analyse politischen Sprechens […] sozialsemantisch« zu ergänzen. Das mehrbändige Werk Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, stellt den Höhepunkt der klassischen Begriffsgeschichte dar. Hieran hat sich sowohl inhaltlich als auch methodisch bereits eine Generation an Forschern abgearbeitet, z. B. Busse, Historische Semantik. Historische Semantik wurde dabei immer weiter gefasst und für viele verschiedene

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diese Weise subjektiven Leseeindrücken und ideengeleitetem Selektivismus, eigenem Sprachempfinden und kulturellem Hintergrundwissen entgegenzuwirken.62 In den letzten zwanzig Jahren haben Forscherinnen und Forscher wie Alain Guerreau, Ludolf Kuchenbuch, Uta Kleine, Bernhard Jussen oder Joseph Morsel bereits ähnliche Vorstöße unternommen, indem sie die Eigenständigkeit mittelalterlicher Sprachen statistisch wie auch wortfeldbezogen analysierten.63 In letzter Zeit traten neben die Wortfelduntersuchungen Arbeiten zu einzelnen Vokabeln, die herkömmliche begriffsgeschichtliche Pfade verlassen.64 Formen sprachorientierten historischen Arbeitens genutzt, siehe Fritz, Historische Semantik; Eßer, Historische Semantik, S. 281 – 292; Koselleck, (Art.) Begriffsgeschichte, S. 40 – 44; Steinmetz, (Art.) Diskurs, S. 56 – 60, ders., Sagbare, ders., Neue Wege, ders., 40 Jahre, S. 183; Steinmetz versteht unter historische Semantik »Forschungen zu Veränderungen sowohl im regelhaften Gebrauch sprachlicher (und anderer) Zeichen als auch in der Beziehung dieser Zeichen zu kognitiven Korrelaten (Begriffen) als auch in der Referenz dieser Zeichen auf außersprachliche Sachverhalte.« Vgl. Reichardt, Einleitung; aus soziologischphilosophischer Sicht: Luhmann, Gesellschaftsstruktur Bd. 1, S. 14 u. S. 19; Lottes, »The State of the Art«; Lüsebrink, Begriffsgeschichte, S. 43: »Diese […] ›historistische‹ Rekonstruktion der Formen und Funktionen sozio-politischer Schlüsselbegriffe in Gesellschaften der Vergangenheit impliziert eine weit dezidiertere Abkehr von der traditionellen (und in ihren Methoden weitgehend überholten) Ideengeschichte, als es die etablierte Begriffsgeschichte bisher erkennen ließ. Sie schließt die Notwendigkeit ein, Begriffe nicht weitgehend isoliert (als atomisierte) Einheiten und in einer historischen Langzeitperspektive zu betrachten, sondern als diskursive Begriffsnetze mit vielfältigen medialen und interkulturellen Bezügen.« Siehe auch Guerreau, L’avenir, S. 258 f.; Dutt, Herausforderungen der Begriffsgeschichte, sowie weiter oben Anm. 18. 62 Mit der Korpuslinguistik führt das Projekt »Politische Sprache im Mittelalter« ein methodisches Instrumentarium ein, dass zuvor in der Neueren Geschichte erfolgreich angewendet worden ist und lange Zeit als nicht übertragbar galt, weil die dafür nötigen Textmengen zu fehlen schienen. Durch den Aufbau großer, digitaler Quellensammlungen ist dieses Problem mittlerweile überwunden. 63 Guerreau, L’historien; ders., Champ s¦mantique; ders, L’avenir ; Jussen, Ordo; Morsel, Erfindung; Kuchenbuch, Porcus donativus; Kuchenbuch/Kleine, Textus im Mittelalter, S. 451: Kuchenbuch empfiehlt eine lexikometrische, wortfeld-linguistische Analyse für einen gesicherten Wissenshintergrund: »Unverzichtbar sind auch die auf einen abgrenzbaren und kohärenten Dokumententyp zugeschnittenen Studien; an ihnen lassen sich semantische Kleinräume und ihre Grenzen ablesen. Schließlich die ›Situationsgeschichten‹. Sie führen an den Ort praktischen Redens und Schreibens, sie können verständlich machen, warum schriftsemantische Entscheidungen so und nicht anders gefallen sind und sich ausgewirkt haben.« 64 Silke Schwandt, Virtus, S. 192 – 203, hat mit einer Wortgebrauchsgeschichte zu virtus zwischen Augustinus und Johannes von Salisbury den Diskurs um Herrschaftsvorstellungen und Verhaltensnormierungen nachgezeichnet und darüber reflektiert, wie sich historische Semantik erzählen lässt, wie sich (Wissenschafts-)Narrative ergänzen, kritisieren, dekonstruieren oder umschreiben lassen. Jussen, Ordo; Busch, Vom Amtswalten, S. 3 – 6, fragt, wie administratio von Menschen in Spätantike und Karolingerzeit verstanden wurde; er trennt zwischen Wort und Denkfigur, gibt aber über methodisches Vorgehen, Vorannahmen und Quellenauswahl keine nähere Auskunft. Patzold, Consensus, S. 38, will zeigen, dass die Begriffe, consensus, concordia und unitas »drei Facetten eines einzigen, religiös aufgeladenen Eintrachts- und Einigkeitsideals bezeichnen konnten, das für die damalige Politik von hoher

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Zur Operationalisierung wird erstens eine denkbar breite Quellengrundlage für den Untersuchungszeitraum herangezogen. Mittels der großen verfügbaren digitalen Quellenrepositorien – Patrologia Latina (PL), Latin Library of Texts (LLT) und die digitalen Monumenta Germaniae Historica (dMGH)65 – wird eine möglichst große Menge Text nach christianitas-Verwendungen durchsucht. Aus den Funden ergibt sich ein Quellenkorpus, das natürlich nicht die Sprache/ Sprachentwicklung als Ganzes widerspiegeln kann,66 aber zumindest dermaßen umfangreich ist, dass sich verlässlichere Aussagen als bisher über den Wortgebrauch treffen lassen. Dies ist notwendig, um sich nicht den Blick auf einen möglicherweise pluralistischen, an unterschiedliche Kommunikationssituationen und Diskurse gebundenen Sprachgebrauch zu verstellen. Wo es die Forschung nahelegte, wurden noch weitere Quelleneditionen durchsucht, die (noch) nicht digitalisiert worden sind.67 Auf diese Weise ergeben sich 819 Belegstellen in 438 Schriften, die sich in etwa im Verhältnis 1:2 auf Spätantike und Karolingerzeit verteilen.68 Da sich die Analyse auf die Zeit bis 814 konzentriert

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Bedeutung war.« Er fragte also, »was Autoren der Karolingerzeit meinten, wenn sie von consensus, concordia und unitas schrieben« und »wie dieses Ideal im Reich verbreitet und von einer Generation zur nächsten vermittelt wurde.« Die Acta Sanctorum wurden außen vor gelassen, weil die Rekonstruktion der Chronologie der darin enthaltenen Belege die Arbeit nur unnötig erschwert und kaum Ertrag erbracht hätte. Das globale Korpus einer Sprache ist nicht reproduzierbar, und nicht alles, was jemals produziert wurde, ist überliefert, davon wiederum ist bei weitem nicht alles ediert. Dies trifft insbesondere auf die Papstbriefe des frühen Mittelalters zu. Vgl. Jasper/Fuhrmann, Papal Letters. Andere Texte wurden im Mittelalter immer und immer wieder kopiert und weiter verbreitet, was aber nicht immer auf eine echte Auseinandersetzung mit Texten hindeuten muss – die Schriften des Ennodius wurden stets tradiert, aber mehr geschätzt als gelesen, so Brunhölzl, (Art.) Ennodius, Sp. 2016. Wiederum andere fanden keine Rezeption oder waren Gebrauchsschriften, die – so wie heute auch – nicht aufbewahrt wurden. Hinzu kommt das Interesse der Forschung: Teils wurden einige Quellen anderen gegenüber bevorzugt, teils galt die Aufmerksamkeit der Zunft gerade solchen Texten, die kaum Rezeption erfahren haben, was wiederum Verzerrungen im Korpus hervorrufen kann. Ebenso ist der Prozess der Verschriftlichung zu bedenken, in dem sich Texte durchaus noch ändern konnten, wie man es z. B. bei Abschriften von Konzilstexten sehen kann, z. B. die Reimser Synode von 813 (227.418). Es kann ohnehin nur Schriftsprache untersucht werden. Ein Zugang zur gesprochenen Sprache und damit zur Oralität ist nur in den seltensten Fällen möglich, wie bei der zweisprachigen Exhortatio ad plebem christianam (210.396). Gleiches gilt für das Phänomen der Diglossie, das sich durch das Latein der vornehmlich kirchlichen Eliten im Kontrast zu, aber auch in der Interaktion mit den Volkssprachen ergibt. Selbstverständlich ist hierbei auch der Wandel des Lateinischen von einer Globalsprache hin zu einer Kirchen-, Liturgie- und Elitensprache zu berücksichtigen. Wortgebrauch aufgrund von Übersetzungsleistungen ist hingegen ein Gebiet, dass aufgrund der ökumenischen Sprachsituation der Spätantike sehr viel besser zu fassen ist. Dies betrifft z. B. die Chartes et diplúmes relatifs — l’Histoire de France. 254 Belegstellen in 137 Schriften (für 360 – 740) stehen 560 Belegstellen in 302 Schriften (für 741 – 930) gegenüber. Zum Vergleich: In den Bänden PL 1 – 132, die in etwa den hier zugrundeliegenden Untersuchungszeitraum abdecken, wurde die Zeichenfolge »fides«, also

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und die darüber hinausgehende Wortverwendung als weiterer Wirkungshorizont für die Argumentation berücksichtigt wird, werden von diesen Belegstellen hier nur 421 in 230 Quellen ausführlich behandelt. Diese Belegstellen sind als stark verkürzte Quellensynopse der Arbeit als Anhang beigefügt, was die Belegarbeit im analytischen Teil entlasten soll,69 aber auch die Funktion erfüllt, die Quellen überhaupt erst in eine chronologisch einigermaßen verlässliche Reihenfolge zu bringen, was für eine semantische Studie von allerhöchster Bedeutung ist.70 Dieser Arbeitsschritt war insbesondere wegen der vielfachen Fehlzuordnung von Texten in der PL notwendig, um das Set der in bestimmten Zeitschichten möglichen Ausdrucksweisen nicht zu verfälschen.71 Außerdem erfüllt die Quellensynopse den Zweck, die dicht an den Quellen operierende Analyse von syntaktischen Beziehungen und Kookkurrenten nachvollziehbar zu machen.72 Wer sich für das Gesamtkorpus der christianitas-Stellen in der umfassenden Form interessiert und dafür, wie sie analysiert wurden, sei auf die begleitende Onlinepublikation verwiesen.73 Dieses christianitas-Korpus steht im Mittelpunkt und ist doch in ein offenes, weiteres Korpus eingebettet, um dort, wo es nötig ist, weitere Quellen des christlichen Diskurses heranziehen und für die Interpretation nutzen zu können. Entsprechend der methodischen Doppelhelix des Leibniz-Projekts aus quantitativ-korpuslinguistischer und qualitativ-sozialsemantischer Analyse wird christianitas in einem ersten Zugang semantisch-syntaktisch unter Einbeziehung von Kookkurrenzanalysen untersucht und anschließend sozialsemantisch in ihren Kontexten erforscht.74 Die vergleichsweise geringe Anzahl an

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nur das Substantiv im Nominativ Singular für Treue/Glaube, 12.771-mal in 1.415 Texten gefunden, davon 8.759-mal in 1.038 Texten für die Spätantike und 4.012-mal in 377 Texten in der Karolingerzeit. Die Quellennachweise finden sich im Anhang. Quellen und Belegstellen sind durchgehend nach folgendem Schema nummeriert: XXX.YYY. Die erste Zahl steht für die Quelle, die zweite für die Belegstelle. Die in Anm. 1 zitierte Quelle 381.701 ist also Quelle 381, Belegstelle 701. Es soll zumindest in Bezug auf die durchsuchten Repositorien vollständig sein. Doppelungen wurden emendiert, ebenso die häufigen Fehlzuschreibungen und -datierungen in der PL. Wo es möglich war, wurden ältere durch aktuelle Editionen ersetzt. Obschon viel Wert auf eine verlässliche chronologische Reihenfolge gelegt wurde, ist nicht auszuschließen, dass manche Stellen anders zu datieren sind. Dies würde aber eine philologische Detailarbeit erfordern, die hier nicht geleistet werden kann. Mangels einer umfassenden Digitalisierung weiterer Quellenbestände, sowohl von Archivmaterial als auch von bereits edierten Quellen, wird hier kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Ein ähnliches Vorgehen hat auch Kressin, Hereditas, S. 15 ff., gewählt. Beispiele hierfür : Egbert von York, Excerptiones, in: PL 89, 377D – 400D (331.605 – 607); Berengaudus, Expositio super septem visiones libri apocalypsis, in: PL 17, 765A – 970C. Der Anhang ermöglicht anhand der Quellennummerierung eine Orientierung im Material. Siehe http://www.v-r.de/de/christianitas/t-1/1035960/. Wegen dieser Online-Beigabe werden auch die Verweise auf Textstellen für die Zeit nach 814 beibehalten. Siehe Anm. 60.

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christianitas-Stellen gebietet, von einem strikt quantifizierenden korpuslinguistischen Ansatz abzusehen, zumal die Häufigkeit in den hier vorliegenden Größenverhältnissen irreführend sein kann.75 Für die Erkundung von Bedeutung sind ohnehin neben dem lexikalen Umfeld eines Wortes sowohl dessen syntaktische und sprachpragmatische Verwendung als auch dessen kulturelles Umfeld wichtig. Sprachliche Kommunikation funktioniert im Wesentlichen elliptisch: »Durch explizite sprachliche Zeichen artikuliert wird immer nur so viel, wie in einer Situation notwendig scheint. Sprachliche Ausdrücke fungieren so gesehen eher als Anspielungen auf vorausgesetztes Wissen, als Transportbehälter für Wissen. [Charles] Fillmore fasst dies in den prägnanten Leitspruch: ›Wörter evozieren Frames‹«.76 In diesen Wissensrahmen ein kulturelles Hintergrundwissen eingefasst, das es für die Wortbedeutung aufzuschlüsseln gilt. Da im Falle des Forschungsgegenstandes erstens natürlich niemand mehr zu diesen im Wort enthaltenen Frames Auskunft geben kann und zweitens das Modell die Grenzen einer reinen Korpuslinguistik aufzeigt, wird im Folgenden ein vierstufiges Analysemodell verwendet, das aus lexikologischer Semantik, Satz-, Text- und Diskurssemantik besteht,77 um die Frames erfassen zu können. Die im Ganzen chronologisch geordnete Arbeit enthält jeweils zu Beginn der Spätantike und der Karolingerzeit Sondierungen zu Material und zu sprachstrukturellen Merkmalen. Zentral sind hierbei die engeren syntaktischen Fügungen/Satzglieder mit christianitas und ihre Funktionen im Satzzusammenhang. Daneben werden die Kookkurrenten berücksichtigt, die nicht zum Satzglied direkt gehören, aber den Verwendungszusammenhang angeben. In den anschließenden Kapiteln werden die Belegstellen in Text- und Kommunikationszusammenhänge gestellt und zwar in einem Wechselspiel aus diachronem Verfolgen des Sprachgebrauchs und Beobachten von »Situationsgeschichten«.78 So wird die Forderung umgesetzt, dass man zur Feststellung der Wortbedeutung, »d. h. seiner semantischen Merkmale, immer auf seine Verwendung in Rede- und Diskurszusammenhängen zurückgreifen«79

75 Vgl. Busse, Semantik, S. 91 – 130; ders., Begriffsgeschichte, S. 17, für den sich Begriffs- und Diskursgeschichte ergänzen; Einzelwortanalysen hält er für nicht mehr aktuell. Eßer, Historische Semantik, S. 284; Steinmetz, 40 Jahre, S. 179; Lüsebrink, Begriffsgeschichte, S. 43 f. Omnipräsenz einer Vokabel kann auf deren semantische Entwertung, das Fehlen eines Wortes auf eine Tabuisierung, Sakralisierung oder Unterdrückung durch eine sprachbestimmende Partei hindeuten. Zu berücksichtigen ist, dass der Wortgebrauch Aufschluss über Macht und Ohnmacht, über das Grenzenziehen zwischen Sagbarem und Unaussprechlichem, über Sprechen und Gehörtwerden gibt. 76 Vgl. Busse, Semantik, S. 83 f. 77 In Abwandlung von Busse, Semantik, S. 91 – 130; Lüsebrink, Begriffsgeschichte, S. 33 – 36. 78 Kuchenbuch/Kleine, Textus im Mittelalter, S. 451. 79 Robling, Probleme, S. 12.

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solle. Die Kontextualisierung erlaubt, Bedeutungswandel80 von Verwendungsmustern zu erfassen, Faktoren hierfür auszumachen,81 Zusammenhänge zur politischen Entwicklung herzustellen und auffällige Einzelfälle oder Ambiguitäten einzuordnen. Dieser Ansatz wird gewählt, obwohl sich die Mehrdeutigkeit der Vokabel christianitas problemlos nachschlagen lässt.82 Angesichts anspruchsvoller und aufwändiger philologischer Arbeiten wie dem Mittellateinischen Wörterbuch oder dem neuen Glossarium Du Cange stellt sich die Frage, warum nicht einfach mit deren Gliederung des Bedeutungsspektrums zu christianitas gearbeitet wird.83 Wörterbücher sind in der Tat ein unverzichtbares und für den Einstieg unumgängliches Hilfsmittel, um das Bedeutungsspektrum überhaupt zu erfassen.84 Sie zeigen mögliche Bedeutungen auf, können aber nur wenig über Verbreitung, regionale Differenzierung, Bereiche der Anwendung, Anspruch und Akzeptanz aussagen. Aufgrund der Entstehungsbedingungen eines Lemmas wird der dazugehörige Artikel selbst zum Konstrukt. Sprachlogik und Semantik in einem bestimmten Zeitabschnitt lassen sich nur bedingt in einem Wörterbucheintrag wiedergeben; noch schwieriger wird dann noch die Angabe einer passenden Übersetzung in einer anderen Sprache.85 Diese aus der Philologie 80 Vgl. Keller/Kirschbaum, Bedeutungswandel, S. 7, denen zufolge definiert werden kann: Wenn unter der Bedeutung eines Wortes die Regel seines Gebrauchs in der Sprache verstanden wird, dann ist der Bedeutungswandel der Wandel der Gebrauchsregel. Natürlich tritt Bedeutungswandel auch als unbeabsichtigter Nebeneffekt des alltäglichen Kommunizierens auf. 81 Kritisch Fritz, Historische Semantik, S. 31 f.; positiv Steinmetz, 40 Jahre, S. 187 f. 82 Vgl. Mittellateinisches Wörterbuch, Bd. 2, C. Sp. 554 f.; Du Cange, Glossarium, Bd. 2, S. 319b, online unter : http://ducange.enc.sorbonne.fr/CHRISTIANITAS, (eingesehen am 4. 12. 2014); Blaise, Lexicon, S. 175; Niermeyer, Lexicon minus, Bd. 1, S. 234; Tombeurs, Thesaurus linguae. Herangezogen wurden auch der TLL, in dem christianitas als Sublemma Christus zugeordnet ist. Für das spätantike Latein ist noch zu beachten: Souter, Glossary, S. 49 s. v. christianitas. 83 Man könnte sich auch an zeitgenössischen Wörterbüchern und Glossarien orientieren. Doch auch sie, wie z. B. die Etymologien von Isidor von Sevilla, Hrabanus Maurus und das Glossar Aelfrics von Eynsham können nur Auskunft darüber geben, wie die Verfasser selbst das Wort verstanden haben. Da weder bei Isidor noch bei Hrabanus christianitas als eigenständiges Lemma auftritt, ist es sinnvoller, ihren Gebrauch genauso wie den in allen anderen Schriften zu behandeln. Zupitza, Aelfric’s Grammatik, ist ein aufregendes Stück Sprachgeschichte wegen der Übersetzung der lateinischen Grammatik auf Grundlage des Donatus und wegen des Glossars, das wortfeldorientiert und nicht alphabetisch aufgebaut ist. Es enthält aber kein christianitas! 84 Siehe Kapitel I.4. 85 Ihre diesbezüglichen Reflexionen haben Bon/Guerreau-Jalabert, Pietas, S. 73 – 88, in die Arbeit am neuen Du Cange, dem novum glossarium, einfließen lassen. Ihre lexikographische Arbeit stellt Warnung und Hilfe zugleich für Historiker dar, die mit ihrer Arbeit auf der sprachlichen Ebene beginnen wollen. Vgl. Guerreau, L’avenir, S. 191 – 194, mit weiteren Problemen der Lexikographie: Nachschlagewerke quantifizieren nicht, noch periodisieren sie (ausreichend). Ihre Angaben beruhen auf Textlektüre, bei der meist nur die fünf Wörter

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selbst kommenden Warnungen sind ernst zu nehmen, insbesondere wenn eine historische Studie versucht, Methoden der Linguistik einzubeziehen. Was auch immer von geschichtswissenschaftlicher Seite geleistet werden kann, kann die philologische Arbeit nur ergänzen. Vieles, was für eine linguistische Wortgeschichte zu christianitas noch dringend zu leisten wäre, kann hier manchmal nur ansatzweise behandelt werden oder muss ganz unterbleiben. Der chronologische Rahmen dieser Arbeit reicht von der Mitte des 4. bis zum beginnenden 9. Jahrhundert; der räumliche Rahmen orientiert sich an den Quellenrepositorien und deckt das sogenannte Lateineuropa ab. Der Schwerpunkt wird auf die Spätantike gelegt, weil die bisherige Forschung zum Konzept christianitas die Zeit der Spätantike nur kursorisch behandelt, da das Aufkommen des Wortes für die Suche nach der Idee keinen großen Wert zu haben schien und quasi als »Vorgeschichte« abgehandelt werden konnte.86 Eine Suche nach den Ursprüngen an sich kann selbstverständlich kaum von Nutzen sein. Wechselt man jedoch die Perspektive, indem man nach dem Ort der christianitas im christlichen Diskurs in diesem Zeitraum sucht, lassen sich der Gebrauch durch die spätantike Gesellschaft, der Wandel des Sprachgebrauchs im politischen Umbruch sowie Möglichkeiten und Grenzen des mit christianitas Sagbaren und Machbaren in Willibald Steinmetz’ Sinne erkennen.87 Damit ergibt sich auch die notwendige Kontrastfolie, vor der erst die Entwicklungen im Sprachgebrauch der Karolingerzeit eingeschätzt werden können, zumal die Umsetzung des karolingischen Bildungsprogramms einen Aneignungsprozess der spätantiken Kultur darstellte und deren Anteil für die Karolingerzeit bestimmbar sein sollte.88 Mit Spätantike und Karolingerzeit werden zwei wertneutral zu verstehende Termini zur epochalen Abgrenzung genutzt.89 Die Epocheneinteilung ergibt sich

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vor und nach dem Suchwort zur Bedeutungsbestimmung herangezogen werden. Es werden nicht alle erfassbaren Verwendungen herangezogen, wodurch möglicherweise seltene Verwendungen bevorzugt werden. Ob ein Bedeutungsaspekt überwiegt, lässt sich trotz der umfangreichen Katalogisierung von Verwendungszusammenhängen kaum feststellen. Es ist schwer auszumachen, in welchem Verhältnis die jeweiligen Bedeutungsaspekte zueinander stehen. Die Eins-zu-Eins-Übersetzung ist problematisch, denn nicht immer lässt sich der Sinn in einer anderen Sprache und damit auch in einem anderen System von Repräsentationen mit genau einem Wort wiedergeben. Dies wird umso schwerer, wenn die zu übersetzende Vokabel aus einer anderen Zeit stammt. Weil die zu übersetzende Bedeutung vor einem anderen kulturellen Hintergrund und Wertesystem Verwendung gefunden hat, erschwert dies die Übersetzung in eine Sprache für ein gegenwärtiges kulturelles Wertesystem. Das beste Beispiel hier ist religio/»Religion«. Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 10; Manselli, (Art.) Christianitas, Sp. 1915 f.; Baschet, (Art.) Chr¦tient¦. Vgl. Steinmetz, Sagbare, S. 13 f. Vgl. Leonhardt, Latein, S. 174. Wenn die Spätantike als bis ins 8. Jahrhundert andauernd aufgefasst wird, dann folge ich darin dem Spätantikenverständnis von Peter Brown, Manfred Fuhrmann und Averil Cameron. Vgl. Cameron, Mediterranean World, S. 1 – 7 bes. S. 4; Fuhrmann, Rom, S. 15 – 18;

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auch aus der Verwendungsfrequenz von christianitas. Das Wort ist ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts fassbar und tritt um 700 fast gar nicht mehr auf, was natürlich sowohl an der Textproduktion als auch an der Überlieferung liegt. Da die Quellenüberlieferung erst wieder in den 740er-Jahren einsetzt, also in der Zeit, als Pippin der Jüngere (reg. 751/54 – 768) das Hausmeieramt innehatte, ist es sinnvoll, die Zäsur hier zu setzen und die Epoche der Karolinger beginnen zu lassen. Die stark zunehmende Quellenüberlieferung kann dann bis ins beginnende 10. Jahrhundert verfolgt werden. Wenngleich der Fluss der Quellen nach 900 nicht vollständig zum Versiegen kommt, so ist doch ein deutlicher Rückgang zu erkennen.90 Eine besondere Herausforderung für eine historisch-semantische Studie besteht darin, welches Analysevokabular in der Darstellung angewendet werden soll. Hier ist Vorsicht umso mehr geboten, als die Studie gerade die Divergenzen zwischen zeitgenössischem Gebrauch sowie Verständnis der Vokabel einerseits und ihrer wissenschaftlichen Verwendung sowie ihrer öffentlichen Vereinnahmung andererseits thematisiert, dafür aber kein völlig neues Beschreibungsvokabular erfinden kann. Ein solcher Aufwand würde vom eigentlichen Ziel wegführen, weil dann eine Vielzahl an Termini in gleicher Weise behandelt werden müsste wie der Forschungsgegenstand selbst. Lesbarkeit und Verständlichkeit würden in hohem Maße beeinträchtigt und die Rückbindung an die bisherige Forschung erschwert. Natürlich ist eine neutrale Analysesprache für den Gegenstand zu entwickeln und anzuwenden, jedoch erschweren die Wortgeschichten anderer, zentraler Termini in der Geschichte des Christentums eine objektivierte Beschreibung. Gerade Bezeichnungen wie Katholik, Jude, Heide, Häretiker, Häresie91, ja selbst Christentum, haben ihre Bedeutung erst dadurch erhalten, dass sie im Prozess der Verchristlichung überhaupt erst dazu beitrugen, Inhalte zu definieren, Grenzen zwischen Menschen zu ziehen und religiöse Identitäten hervorzubringen, was im Kapitel II behandelt wird. Mit diesen Termini zu operieren, lässt sich teilweise vermeiden, indem z. B. die Katholiken des 4. und 5. Jahrhunderts als Nizäner bezeichnet werden, da sie sich Brown, World; Eder, (Art.) Spätantike, Sp. 774 f.; Demandt, Spätantike, S. 589 – 593; Kaiser, Spätantike, S. 337, der sich Harald Siems darin anschließt, in der Spätantike eine Epoche sui generis zu sehen. In jüngster Zeit haben aber Peter Heather und Brian Ward-Perkins diese Long Late Antiquity wieder in Frage gestellt. Zur Forschungsdiskussion: Journal of Late Antiquity 1/1 (2008). 90 Die literaturhistorische Epochengrenze aufgreifend, die Berschin, Karolingische Biographie, S. VII, damit begründet, dass das literarische Leben zwischen 920 und 960 fast vollständig zum Erliegen gekommen sei. Diese Einteilung ist nicht unproblematisch, da es in (kirchen-) politischer Hinsicht gute Gründe gibt, Ottonen- und Karolingerzeit nicht zu scharf zu kontrastieren. Siehe Schieffer, Kirchenpolitik, S. 312; Deutinger, Königsherrschaft; Patzold, Episcopus. 91 Zum Begriff der Häresie/Heterodoxie, die an sich ein ganzes Forschungsfeld darstellt, siehe nur Thomassen, Ursprung, S. 16 – 21; Betz/Schindler/Huber, (Art.) Häresie.

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auf das Konzil von Nizäa 325 beriefen. So lassen sie sich von jenen Christen unterscheiden, die sich selbst ebenfalls als Katholiken betrachteten, aber im innerchristlichen Diskurs den späteren Meinungsführern mit ihrer Interpretation des Katholisch-Seins unterlagen. Dies ist insbesondere der Fall bei den sogenannten Donatisten, wie in Kapitel III zu zeigen sein wird. Für die folgenden Jahrhunderte macht diese Differenzierung in Bezug auf das heutige West- und Mitteleuropa jedoch kaum noch Sinn, da sich die Nizäner mit ihrem Katholizismusverständnis durchgesetzt haben. Andere Begrifflichkeiten hingegen lassen sich nicht vermeiden bzw. es wäre unproduktiv, auf sie zu verzichten. So lässt sich eine Arbeit zur Semantik von christianitas nicht ohne »Christentum« schreiben, weil der christianitas-Gebrauch in die Diskussionen darüber eingebunden war, was unter Christentum als dem sich auf Jesus Christus beziehenden, religiösen Glaubens-, Normen- und Kultsystem zu verstehen sei und welche Konsequenzen dies für die Religion und deren Angehörige hätte. Selbstredend wird das Christentum aus wissenschaftlicher Warte nicht als fest definierte Entität verstanden. Vielmehr handelt es sich um einen Kollektivsingular, der vielfältige Deutungen und Entwicklungen umfasst. Hier ist Pluralität in gleicher Weise mitzudenken wie in den laufenden Reevaluierungen zu den Christianisierungen, in denen die in der Begrifflichkeit mitschwingende Einheitlichkeit des Prozesses wie auch des Gegenstandes in Frage gestellt wird.92 Vor diesem Hintergrund erklärt es sich, dass von solch essentialistisch wirkenden Begrifflichkeiten wie »Scheinchristentum« Abstand genommen wird, da der Gegenbegriff selbst nur relational zu den jeweiligen diskursiven und historischen Bedingungen gebraucht werden kann. Wenn dennoch einmal vom Scheinchristentum die Rede ist, dann nur, um die Wahrnehmung der Akteure einzubeziehen, die den mitschwingenden Essentialismus sicherlich sogar gutgeheißen hätten. Schließlich ist darauf hinzuweisen, was nicht geleistet werden kann: Mögliche Synonyme, Antonyme und Derivate werden herangezogen, jedoch keiner gleichgewichtigen Analyse unterworfen, was die Grenzen des hier Machbaren bei weitem überschritte.93 Eine zweite Begrenzung liegt natürlich in der Anzahl 92 Vgl. Leppin, Christianisierungen. Siehe auch www.christianisierungen.de (eingesehen am 26. 06. 2014). 93 Dies wäre ohnehin nur dann zu leisten, wenn das Ziel eine vollständige Wortfeldanalyse zu »Christenheit« wäre. Dann müssten sämtliche weiteren Ableitungen von christus wie christianus/i, christicola, christianissimus etc. und alle möglichen Ausdrücke einbezogen werden, die a) die Christenheit transzendierend-theologisch deuten: corpus Christi, corpus mysticum, ecclesia Dei, nomen christianus bzw. nomen Christi, b) den Schwerpunkt auf die soziale Struktur legen: populus christianus, populus Dei, gens christianorum, c) auf die geographisch-universale Ausrichtung des Christenglaubens abzielen: orbis christianus, mundus christianus oder d) mithilfe von politischem Vokabular konnotieren: regnum Christi, imperium christianum, respublica christiana, societas christiana. Doch solch ein

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der zu untersuchenden Sprachen. Für eine Untersuchung des Wortfeldes »Christenheit« wäre es unerlässlich, sowohl Ausdrücke in anderen Sprachen (Vernakularsprachen, Griechisch, Syrisch, Armenisch etc.) als auch die Bedeutung von Oralität und Literalität stärker zu berücksichtigen – ein geschriebenes Wort könnte genauso gut ein unerkanntes Leben zwischen zwei Buchdeckeln führen. Außerdem wäre die Wahrnehmung von außen durch nicht-christliche Gruppen94 ebenso interessant wie die Frage, ob Christen andere Religionen in Analogie zu christianitas als judaitas oder islamitas bezeichnet haben. Solche Äquivalente sind jedoch in der PL, den MGH und der LLT inexistent, was bereits auf einen rein innerchristlichen Diskurs hindeutet.

Vorgehen stünde nicht nur vor dem Problem der Vollständigkeit, sondern auch des Vorverständnisses, das darin besteht, dass die Christenheit in einer konkreten geographischen Ausdehnung gedacht wurde. Danach dürfte das eschatologisch verstandene regnum Christi nicht zur irdisch konzipierten Christenheit gerechnet werden. 94 Siehe hierzu König, Christianisation. Zudem wäre die Sicht der ashkenasischen Juden zu berücksichtigen. Erste Stichproben in den MGH haben keine Ergebnisse hervorgebracht.

I.

Reden mit christianitas in der Spätantike

1.

Ein später Neologismus

»Niemand wundere sich über den ›Namen christianitas/den christlichen Namen‹ (Nemo miretur de nomine christianitatis; 5.11)«,1 forderte eben jener Theologe, dessen eigener Name der Nachwelt nicht überliefert ist. Was unter christianitas zu verstehen sei, erklärte der von Erasmus von Rotterdam behelfsmäßig Ambrosiaster genannte Priester seinen römischen Zuhörern umgehend.2 Es heiße, einen Gott im Mysterium der Dreifaltigkeit kultisch zu verehren, weil, obschon der Name Christi von Chrisma kommend verstanden werde, die ratio des Namens jedoch vor der Person geschaffen worden sei.3 Mit dieser Definition bot Ambrosiaster beiläufig die etymologisch richtige Herleitung des nomen christianitatis vom chrisma/wq?sla (Salböl), nach dem Jesus wiederum als Christus/ wqistºr, der Gesalbte, bezeichnet worden war. Jedoch ging es dem Priester um die vor- und außerzeitliche Existenz Christi – und damit um die auf ihm ruhende Religion im Gegensatz zu der als Heidentum verunglimpften römischen Religion und anderer spätantiker religiöser Praktiken4 – und weniger um die wohl allseits bereits bekannte Begrifflichkeit. Gleichwohl ist seine Wortwahl aufschlussreich. Der christliche Name, das nomen christianum, war seit langem bekannt, auch die 1 Zum Problem der Übersetzung dieser Stelle siehe Kapitel I.4, Anm. 76. 2 Vgl. Geerlings, (Art.) Ambrosiaster, S. 18 f.; Ambrosiaster, Contre les Paiens (SC 512), S. 40 f.; Stuiber, (Art.) Ambrosiaster, S. 356 – 362, bes. S. 356 für die Überlegung, dass der Theologe wahrscheinlich bewusst anonym verfasst hat; Merkt, Ambrosiaster, S. 19 – 33, der die These widerlegt, dass die Texte des Ambrosiaster Maximus von Turin zugeordnet werden sollten; Lunn-Rockliffe, Ambrosiaster’s Political Theology, S. 176 u. S. 179, fordert zudem eine Neuedition der von ihr als problematisch eingestuften Ausgabe der Quaestiones. 3 Vgl. Ambrosiaster, Quaestiones q. 114 cap. 31 (5.11); Isidor von Sevilla, Etymologiarum libri XX, lib. VII, 9,2, ed. Lindsay: Non enim a Petro petra, sed Petrus a petra nomen sortitus est, sicut non Christus a Christiano, sed Christianus a Christo vocatur ; ders., Mysticorum expositiones, in: PL 83, 217A u. Alkuin, Contra Felicem, in: PL 101, 133A. Leclercq, (Art.) Chretien, Sp. 1463 – 1478. 4 Vgl. Rüpke (Hg.), Companion, sowie bes. ders., Roman Religions, S. 6 f.

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Reden mit christianitas in der Spätantike

Herleitung und der Zusammenhang von chrisma und Taufe war längst schon erörtert worden.5 Was aber in den Quellen zuvor nicht vorkam, war die Vokabel christianitas. Der nach 366 in Rom tätige, theologisch wie rhetorisch versierte Ambrosiaster gehörte zu den ersten, in deren Schriften die Vokabel auftrat. Obwohl sie vor der ersten sicher zu datierenden Nennung aus dem Jahr 364 bekannt gewesen sein wird,6 kann sie mit Blick auf die lateinischsprachigen Christen als ein später Neologismus gelten. Bereits in der Apostelgeschichte fanden sich im Zusammenhang mit Paulus’ Bekehrungstätigkeit in Antiochien sowohl das Adjektiv christianus als auch die Bezeichnung der Anhänger Christi als wqistiamo_/christiani.7 Alle weiteren Derivate von christus waren hingegen nachbiblisch: christianismus, christianitas und christianizare gehörten nicht zum biblischen Vokabular – auch die Überarbeitung durch Hieronymus änderte daran nichts. Im 2. Jahrhundert bezeichnete der Theologe und Apologetiker Ignatios von Antiochien mit dem Substantiv christianismos/xqistiamislûr die Heilslehre Christi und dessen Anhängerschaft.8 Der erste Lateinisch schreibende, christliche Schriftsteller, Tertullian (gest. nach 220), übertrug das Wort vom Griechischen ins Lateinische9 5 Einige Beispiele: Tertullian, Ad nationes, lib. I,3 (CCSL 1), S. 13 f: Porro sententiae uestrae nihil nisi christianum confessum notant; nullum criminis nomen extat, nisi nominis crimen est, sowie Christianum uero nomen, quantum significatio est, de unctione interpretatur ; ders., De baptismo, cap. 7 (CCSL 1), S. 282: […] unde christi dicti a chrismate quod est unctio quae domino nomen adcommodauit […]. 6 Die ersten Nennungen finden sich in den Schriften des Pseudo-Cyprian/Macrobius (1.1; 2.2), im Paulus-Kommentar des Marius Victorinus (3.3 – 7), im CTh 14.3.11 (4.8) und bei Ambrosiaster (5.9 – 11). 7 Die Apostelgeschichte wurde von einem Christen der dritten Generation kurz vor 100 geschrieben und reflektiert die Wortwahl der ersten Jahrzehnte. Die Morphologie christ-ian-i zeigt, dass die Bezeichnung ein lateinisch-griechisches Hybridwort war. Vgl. Apg 11, 26: et annum totum conversati sunt in ecclesia et docuerunt turbam multam ita ut cognominarentur primum Antiochiae discipuli Christiani. Der griechische Text im Codex Sinaiticus enthält hier wqistiamour; Vgl. http://codexsiniaticus.org/en/manuscript.aspx (eingesehen am 4. 12. 2014) Siehe auch Apg 26,28: [rex] Agrippa autem ad Paulum in modico suades me Christianum fieri sowie 1 Petr 4,16: Si autem ut Christianus non erubescat glorificet autem Deum in isto nomine (nach der Vulgata). Siehe auch Gal 3,26 f.: omnes enim filii Dei estis per fidem in Christo Iesu, quicumque enim in Christo baptizati estis Christum induistis. Zu wqistiamoi siehe Karpp (Art.) Christennamen, Sp. 1114 – 1138, hier 1131 f.; Bickermann, Name; Lifshitz, L’origine; Trebilco, Early Christians, S. 555. Die römische Seite übernahm die Bezeichnung rasch, siehe Tacitus, Annalen, 15,44, ed. Heller. 8 Hiervon leiten sich die Begrifflichkeiten in verschiedenen Sprachen vornehmlich christlich geprägter Gesellschaften ab, wie z. B. »Christentum/Christenheit«, »Christendom/Christianity«, »christianisme/chr¦tient¦«, »christianesimo/cristianit—«, »cristianismo/cristianidad« oder »Chrzes´cijan´stwo/chrystianizm«, wobei es in den jeweiligen Sprachen immer wieder Bedeutungsverschiebungen zwischen den beiden Termini gibt. Vgl. Markschies, (Art.) Christentum, Sp. 197; Rist, (Art.) Christentum, Sp. 1153 – 1164. Rupp, L’id¦e, S. 8 – 12. 9 Siehe weiter unten Kapitel II.1 sowie Brown, Power, S. 12; Conzemius, (Art.) Christentum, Sp. 1106 f.; Feil, Religio, S. 56.

Ein später Neologismus

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und gebrauchte das Verb christianizare im Sinne von »sich zum christlichen Glauben bekennen«, das auf das recht geläufige, griechische Verb wqistiam¸fy zurückging.10 Ansonsten fehlt christianizare in den Quellen fast völlig. Außer Tertullian verwendete es nur der päpstliche Bibliothekar Anastasius im 9. Jahrhundert, als er das griechische Verb übersetzen musste.11 Offensichtlich fiel christianizare als komplementäres Verb zu seinem Substantiv aus, was durch Umschreibungen mithilfe von christianitas sprachlich aufgefangen werden musste. Wie andere Vokabeln kam christianitas im christlichen Diskurs auf, blieb aber auf diesen beschränkt.12 Dabei hätte christianitas durchaus von nichtchristlichen Kreisen rezipiert werden können, war doch die Dichotomie christianus/gentilis gang und gäbe.13 Nichtchristliche Schriftsteller beobachteten und 10 Tertullian, Adversus Marcionem I,21 (CCSL 1), S. 463: Nullam autem apostolici census ecclesiam inuenias, quae non in creatore christianizet. Siehe auch Georges, Lateinisch-deutsches Wörterbuch Bd. 1, S. 1120, s. v. christianizo, dieselbe Quelle anführend. Der TLG führt 189 Belege für das griechische Verb in verschiedenen Verbformen auf. Die lateinische Form wurde vor allem für Übersetzungen verwendet wie die lateinische Fassung der Konzilsbeschlüsse von Nizäa 787 can. 8, in: The Oecumenicals Councils (COGD 1), S. 329 f.: Quoniam errantes hi qui ex Hebraeorum superstitione consistunt, subsannare se Christum Deum, existimant, simulantes christianizare, ipsum autem negant, clam et latenter sabbatizantes, et alia Iudaeorum more facientes: […] Siehe auch die nächste Anmerkung. 11 Anastasius übersetzte wqistiam_fousi mit christianizabant, siehe Theophanis, Chronographia, ed. de Boor, Bd. 1, S. 64 (Griechisch) u. Bd. 2, S. 93 (Lateinisch), zum Jahr 368 n. Chr. 5869 nach Erschaffung der Welt (anno mundi). So kann es im Falle von Tertullian sein, dass er das Verb parallel zu iudaizare bildete, das wiederum aus der Vetus Latina bekannt war, um mit diesem Wort seinen intellektuellen Widerpart Marcion zu verspotten. Vgl. Tertullian, Contre Marcion, lib. I, 21,4 (SC 365), S. 198, Anm. 3. 12 Vgl. Richard, Sens, S. 116. Hinsichtlich des christlichen Diskurses folge ich Cameron, Christianity, S. 5: »all the rhetorical strategies and manners of expression […] particularly characteristic of Christian writing.« Cameron ergänzt, dass man unter »christian discourse« eine Vielzahl von Diskursen zu verstehen habe, die in ihrer Gesamtheit den sozialen Diskurs der Spätantike letztlich dominiert hätten. 13 Die Abfrage folgender Datenbanken zu antiken Quellen verlief erfolglos: Perseus (www.perseus.tufts.edu/hopper), LLT und Latin Library (www.thelatinlibrary.com). Die Abfrage im TLL und der BT ergab nur Treffer bekannter christlicher Schriftsteller, die im Folgenden behandelt werden. Ebenso erfolglos war die gezielte Suche bei Ammianus Marcellinus (um 330 – 395, Verfasser einer Geschichte des Römischen Reiches, deren spätere Teile in den 390er-Jahren erschienen), Sextus Aurelius Victor (gest. um 390, römischer Geschichtsschreiber); Quintus Aurelius Symmachus (342 – 402/3; Präfekt Roms, bedeutender Rhetor, plädierte für religiöse Toleranz, wurde von Christen rezipiert); Eutropius (gest. nach 390, römischer Historiker, Verfasser der Breviarium ab urbe condita, die bis 364 reichen), Claudian (gest. 404/405, Dichter, dessen Werk nach Alan Cameron, Last Pagans, S. 208, vor allem für ein christliches Laienpublikum gedacht war) und in der Historia Augusta (für die die Forschung nunmehr annimmt, sie sei von einem Verfasser nach 400 geschrieben worden). Diese stichprobenartige Suche stützt sich auf Herzog, Restauration. Der sich an Herzog logisch anschließende, neue sechste Band des Handbuchs zur lateinischen Literatur in der Antike ist bisher noch nicht geplant. Siehe auch http://www.beck-

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diskutierten das Christentum mit ihren christlichen Kollegen,14 christianitas kam aber in ihren Schriften nicht vor. Es wird sich bei der Vokabel demnach nicht um eine Fremdbezeichnung gehandelt haben. Unter Christen hingegen fand sie Verbreitung, als das Christentum vermehrt Anhänger in der Lateinisch sprechenden Bevölkerung im Römischen Reich gewann. Es mochte deren Sprachempfinden viel eher entsprechen, christianitas anstelle von christianismus zu verwenden,15 denn die Substantivierung von Adjektiven mithilfe des Suffix -tas erfreute sich sowohl im klassischen Latein als auch später im Mittellateinischen allgemeiner Beliebtheit.16 Möglicherweise wurde christianismus durch einen gefälligeren Ausdruck ersetzt. Da ein neues Wort nicht in die Welt kommt, um ein anderes zu ersetzen, wird mit der Bereicherung der christlichen Sprache durch christianitas eine neue gesellschaftliche Notwendigkeit verbunden gewesen sein, selbst wenn nur einige von der Existenz einer solchen Notwendigkeit überzeugt waren. Um dies zu überprüfen, ist als Erstes auf die grammatikalischen Möglichkeiten von christianitas einzugehen, bevor die Bedeutung der Vokabel aus ihrem Gebrauchszusammenhang rekonstruiert wird. In grammatischer Hinsicht bietet christianitas sehr viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten als christianismus. Auf -tas gebildete Substantive drücken Eigenschaften oder aber Abstraktionen aus, die von einer Einzelperson auf eine Gruppe schließen, wie es bei »frei« (liber) und »Freiheit« (libertas) bzw. bei »Bürger« (civis) und »Bürgerschaft = Stadt« (civitas) der Fall ist. Außerdem können solche Substantive im Lateinischen objektiv und subjektiv verwendet werden: libertas kann demnach sowohl »Freiheit« als auch »Freiheitssinn« zum Ausdruck bringen. Es war also möglich, Substantive auf -tas mit »einem Sinn oder einem Gefühl für etwas« zu konnotieren.17 Solche Substantive sind somit bereits aufgrund ihrer Morphologie offen für Mehrdeutigkeiten. Die Vokabel christianitas konnte nicht nur als Synonym für christianismus, sondern auch zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder Gesinnung, also »Christlichkeit« verwendet werden. Die Nähe zu »christianus/christlich« wird auch noch an einer weiteren grammatikalischen Besonderheit sichtbar : Ein Substantiv kann im Lateinischen ein Adjektiv ersetzen. Als attributloser Geni-

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shop.de/Handbuch-Altertumswissenschaft-Band-VIII4-Handbuch-lateinischen-LiteraturAntike-Bd-4-Literatur-Umbruchs-roemischen-christlichen/productview.aspx?product=15 800, eingesehen am 17. 10. 2014). Vgl. Cameron, Paganism, S. 30; Ayres, Articulating Identity, S. 418 f. Eine ausführliche Überlegung zum Verhältnis von christianismus zu christianitas folgt in Kapitel II.1. Vgl. Leumann, Lateinische Laut- und Formenlehre, S. 374 f. § 328b); Stotz, HLSMA 2, VI § 50. Ein schönes Beispiel für die Bevorzugung von substantivierten Adjektiven auf -tas aus dem beginnenden 6. Jahrhundert bietet Magnus Felix Ennodius, siehe Schröder, Bildung, S. 54. Nicht sonderlich produktiv geworden ist das Suffix -(is)mus, so Stotz, HLSMA 2, VI § 58. Vgl. Menge, Syntax, S. 30 f., §12, 1 – 2.

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tivus qualitatis wird es dann zum Attribut des eigentlichen Objekts. In der Leidensgeschichte des heiligen Typasius heißt es, dass »die religio christianitatis bis dahin klein war« (parva adhuc christianitatis religio fuerat; 6.12): Die religio wird nur von christianitas im Genitiv begleitet, das die Rolle des Adjektivs einnimmt, weil ein weiteres Attribut fehlt. Daher ist die Stelle am besten mit »die christliche religio war bis dahin klein« zu übersetzen.18 Zu einem solchen Sprachgebrauch hat insbesondere das Hebräische beigetragen, das über die Bibel die Syntax des christlichen Lateins beeinflusst hat, weshalb dieser Genitiv auch als Genitivus hebraicus bezeichnet wird.19 Im Hebräischen werden Adjektive weit weniger häufig verwendet, was sich im Lateinischen wiedergeben lässt, da hier ohnehin Adjektive mit gesteigerter Bedeutung substantiviert werden.20 Der Gebrauch von christianitas intensiviert die Bedeutung des ersetzten Adjektivs christianus. In diesem Fall kann es als ein Element des »biblischen Hintergrundstils« gedeutet werden, der das Christenlatein durchzieht.21 Dies ist jedoch nicht mehr möglich, wenn das Substantiv im Genitiv selbst ein Attribut aufweist oder zum Genitivobjekt wird (dies ist meist in Verbindung mit Verben des Erinnerns/Vergessens der Fall: memini amicitiae),22 oder wenn es sich um einen Genitivus objectivus handelt (Beispiel: amor parentum. Hier sind die Eltern entweder Subjekt im Sinne von »die Liebe der Eltern«, oder aber Objekt: »die Liebe zu den Eltern«).23 Wenn von observatione christianitatis die Rede ist, bezieht sich observatio auf christianitas. Es geht also um die Beachtung des christlichen Glaubens.24 Insofern ist immer darauf zu achten, ob christianitas selbst das Bezugswort ist oder ob es sich auf ein anderes Wort bezieht.

18 Die Semantik des Wortes religio soll an dieser Stelle ausgespart werden, siehe hierzu Feil, Religio, S. 10 – 31, u. ders., Bestimmungs- und Abgrenzungsproblematik, für einen Problemaufriss zur Vokabel religio und dem neuzeitlichen Konzept Religion. Stotz, HLSMA 1, III § 36.1; Ahn/Wagner/Preul, (Art.) Religion, S. 513 – 559. Zur römischen religio siehe Bendlin, (Art.) Religion. Zum Wahrheitsanspruch der Christen in Bezug auf die Religion (vera religio) siehe Riedl, vera religio. 19 Vgl. Stotz, HLSMA 4, IX § 25, mit dem Beispiel iudex iniquitatis für den ungerechten Richter (Lk 18,6); ders., Alte Sprache, S. 10; Menge, Syntax, S. 59 – 61, § 27. 20 Vgl. Rubenbauer/Hofmann/Heine, Lateinische Grammatik, S. 224, § 188.5b), wobei es sich meist um Substantive auf -tas handelt. 21 Vgl. Stotz, HLSMA 1, § 14,6, spricht von »mimetische[m] Bibelstil«. 22 Vgl. Menge, Syntax, S. 388 f., § 308 f. 23 Vgl. ebd., S. 367, § 286. 24 Siehe auch Kapitel IV.1.

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2.

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Bedingungen des Sprachgebrauchs

Um den aufkommenden Wortgebrauch besser einschätzen zu können, sind zudem die politisch-gesellschaftlichen, die religiösen und die sprachlichen Voraussetzungen sowie der Bildungshintergrund zu umreißen. So steht die Wortschöpfung christianitas im Kontext jener Entwicklungen des 4. Jahrhunderts, aufgrund derer – mit den Worten Paul Veynes – unsere Welt christlich wurde.25 Kaiser Konstantin der Große (reg. 306 – 337) hatte mit seiner persönlichen Annahme des christlichen Glaubens diesem zu höherer Akzeptanz verholfen.26 Vom äußeren Druck einer früher feindlich gesonnenen kaiserlichen Politik befreit, prosperierte die Gemeinschaft der Christen und näherte sich ihrerseits dem politischen System an. Noch war allerdings nicht entschieden, ob die späteren Kaiser Konstantin folgen und sich auch zum Christentum bekennen würden, ob das Christentum jemals mehr als nur eine erlaubte Religion sein würde. Konstantins Neffe Julian, genannt Apostata (reg. 361 – 363), hatte sich bewusst vom Christentum abgewandt, und hätte der heidnische Kandidat des Militärs nach Julians Tod die angebotene Kaiserwürde angenommen, wäre die Geschichte anders verlaufen. Doch das Militär wählte im zweiten Anlauf Valentinian I. (reg. 364 – 375), der als Christ wie Konstantin ein noch zu großen Teilen heidnisches Reich regierte.27 Da sich aber die Herrschenden immer stärker die einheitsstiftende Macht des christlichen Glaubens zunutze machen wollten, die Christen wiederum immer stärkeren Einfluss auf die Politik gewannen – zumal sich die Bischöfe verstärkt in der städtischen Politik engagierten –, veränderten die Christen wiederum ihre Einstellung zum Reich, sodass zum Ende des 4. Jahrhunderts das Römische Reich vielen als der passende Rahmen für das Christentum erschien.28 25 Nach dem Titel von Veyne, Monde. 26 Vgl. ebd., S. 77, Veyne führt den Erfolg des Christentums sogar auf Konstantins Entscheidung zurück. Die weiteren Ausführungen, die zwangsläufig nur schlaglichtartig den historischen Hintergrund beleuchten können, beruhen auf Markus, Setting, S. 399 – 403; Leppin, Erbe, S. 229 – 247; Cameron, Mediterranean World, S. 58 – 83, bes. S. 69 – 75; Martin, Spätantike, S. 12 – 22; Pi¦tri/Pi¦tri, Entstehen; Gaudemet, L’¦glise, S. 22 – 31; Inglebert, Interpretatio christiana; Markschies, Christentum. 27 Vgl. Veyne, Monde, S. 137 und S. 160 f.; Leppin, Christianisierungen, S. 257 – 259. 28 Vgl. Brennecke, Ecclesia, S. 83 – 91. Im 2. Jahrhundert habe bereits Aristides begonnen, die Oikumene im Sinne des Imperium Romanum als Referenzrahmen für den universalen Missionsbefehl in Mt 28,19 f. zu verstehen, was von Eusebius konzeptionell ausgebaut wurde. Danach galt das Wohl des Reiches als abhängig von der Verbreitung des Christentums. Nach Eusebius, Historia ecclesiastica, IV,26,7 – 11 (GCS 9). Von der Errichtung einer Staatskirche zu sprechen, ist unpassend, da weder die Rolle des Kaisers in dieser Kirche definiert war, noch die Kirche selbst einen passenden Organisationsgrad erreicht hatte. Zudem kam es zu Spannungen zwischen Kaisern und Kirchenvertretern wie den Bischöfen, so Leppin, Erbe, S. 239.

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Am deutlichsten wird die Annäherung zwischen den Christen und dem Römischen Reich in der Umdeutung des Rom-Mythos. Für den Dichter Vergil (70 – 19 v. Chr.) war die Stadt das ewige Haupt der Welt, des orbis romanus. Sie sicherte den Frieden, die pax Romana, bis in alle Zukunft.29 Die Idee von Rom als caput mundi wurde in der Spätantike gepflegt und erweitert, obwohl oder gerade weil die Stadt und der Senat durch die Politik der Kaiser immer weiter an Einfluss verloren.30 Aus der Roma aeterna wurde Roma christiana, indem die Christen die Rom-Idee christlich überformten.31 Bischof Eusebius von Caesarea (sed. 313 – 339/40) schrieb bereits in seiner Vita Konstantins, dass der Kaiser eine politische Theologie verfolgt habe, der zufolge das imperium und die pax Augusta eine gottgewollte Ordnung darstellten. Der christliche Dichter Prudentius (um 400) sah unter Kaiser Theodosius (reg. 379 – 395) den Idealzustand eines christlichen Imperiums erreicht; der augusteische Friede, die römische Gesellschaft und Roms Einigung der Völker hätten den Boden für die Religion der Liebe bereitet.32 Der Mailänder Bischof Ambrosius (sed. 374 – 397) argumentierte, dass das Christentum die altersmüde Stadt wieder mit Leben erfüllt habe, die Religion und der römische Patriotismus sogar beste Bündnispartner seien. Papst Leo dem Großen (sed. 440 – 461) zufolge seien nicht Romulus und Remus, sondern Petrus und Paulus die wahren Gründer Roms gewesen.33 Die Päpste wussten Roms Nimbus für sich zu nutzen, indem sie ihren Bischofssitz ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts durch die Bezeichnung sedes apostolica – Apostolischer Stuhl – gegenüber dem Staat, aber mehr noch gegenüber den anderen Patriarchaten autoritativ aufzuwerten suchten.34

29 Vgl. Demandt, Spätantike, S. 580, Vergil, Aeneis I,276 – 296; VI,847 – 853; VIII,626 – 731 zitierend. 30 Der gallo-römische Staatsbeamte und Dichter Ausonius verherrlichte Rom in seinem um 380 geschriebenen Kataloggedicht Ordo urbium nobilium. Der Historiker Ammianus Marcellinus hat wenig später in seinen res gestae »trotz seiner sarkastischen Kritik an Senat und Volk […] der Stadt gegenüber eine beinahe religiöse Verehrung [empfunden]. Er nannte sie urbs sacratissima, urbs venerabilis, urbs aeterna, caput mundi, templum mundi totius.« (Amm. XIV,6; XXVIII,4) So Demandt, Spätantike, S. 423 f. mit weiteren Beispielen wie Lactanz, inst. VII,25,8 und Sidonius Apollinaris. 31 Vgl. Pi¦tri, Roma, Bd. 2, S. 1645 – 1651; Fuhrmann, Rom, S. 53 f. 32 Vgl. Demandt, Spätantike, S. 580 f. nach Ambrosius, ep. 18,7 (CSEL 82,1) und Prudentius, Contra Symmachum, I,481 – 540, 2,578 – 592. Dementsprechend katastrophal war die Einnahme Roms durch die Westgoten 410, wodurch die Rom-Idee aber nicht untergegangen ist. 33 Demandt, Spätantike, S. 424. 34 Vgl. Aland/Mirbt, Quellen zur Geschichte, Nr. 298, S. 135 f. Rom wird zum ersten Mal auf der römischen Synode 378 unter Papst Damasus (sed. 366 – 384) als sedes apostolica bezeichnet. Man kann gerade diesem Papst unterstellen, dass er sehr wohl um die Macht der Worte wusste, ist er doch selbst für sehr viele Epitaphien in Rom verantwortlich gewesen und hatte Hieronymus mit der Überarbeitung der Vetus Latina beauftragt. Guyon, Kirche Roms.

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Solche Deutungen haben zu dem in dieser Zeit entworfenen Narrativ von der »Erfolgsgeschichte des Christentums« beigetragen, das seinerseits die Kirchengeschichte sehr lange dominierte.35 Es lässt sich jedoch schwer abschätzen, in welchem Maße die Christianisierungen erfolgten.36 Bereits vor und unter der Regierung Kaiser Diokletians (284 – 305) hatte das Christentum auch im Westen viele neue Anhänger gefunden. Doch selbst um 400 stellten die Christen nur eine Minderheit in der römischen Bevölkerung dar.37 Dabei war nicht immer klar, wer als Christ galt und ob alle sogenannten Christen die Kriterien des Christseins erfüllten, wobei sich die Kriterien selbst noch im Fluss befanden. Unabhängig von Definitionsschwierigkeiten lässt sich sagen, dass Christen vornehmlich in Städten und deren Umland lebten.38 Mit Ausnahme des früher christianisierten Ostens des Reiches war das Christentum in Nordafrika, zwischen Rom und Neapel sowie in Südfrankreich sehr präsent. Peter Brown zufolge gab es um 400 noch Gegenden im Römischen Reich, in denen das Christentum gänzlich unbekannt war.39 Die christliche Religion konnte sich selbst in höheren gesellschaftlichen Kreisen ausbreiten, weil es einigen für das eigene Fortkommen nützlich schien,

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Darüber hinaus ist aber zu vergegenwärtigen, dass nicht allein der römische Bischof das Prädikat »apostolisch« für sich beanspruchte. Kahlos, Debate, S. 6, schreibt, dass selbst die moderne Forschung dem Erfolgsnarrativ der Christen gerade hinsichtlich der Repräsentation des Heidentums noch erlegen sei. Neuerdings wird aber in Handbüchern zur Geschichte des Christentums auch die Seite der »Verlierer« hervorgehoben. Vgl. Maier, Heresy, S. 213. Leppin, Christianisierungen, S. 276, ist zuzustimmen, wenn er den Begriff »Christianisierung« dafür öffnet, dass es ein offener Prozess gewesen ist, der zeitlich, lokal und auch sozial stets neu verhandelt und angeeignet wurde. Sein Phasenmodell ist kleinteiliger, indem es die Phase unterteilt, die Inglebert, Interpretatio christiana, S. 560 f., als seine erste Phase ausgemacht hat: nämlich die Zeit von 360 bis 430 als diejenige des Kampfes gegen die Paganen , der Bibelauslegung, der Erfindung der Häresie und der letzten großen Apologien (De civitate Dei) mit einer verstärkten Hinwendung zur Bibel, aber auch einer Synthese von christlicher und klassisch-antiker Kultur und Literatur. Die zweite Phase von 430 bis 550 sei die Zeit der Assimilation der antiken Kultur gewesen. Der Christianisierungsgrad ist sehr schwer zu bestimmen, zumal auch noch zwischen verschiedenen Stadien der Christlichkeit einer Person unterschieden wurde. Veyne, Monde, S. 145, nimmt an, dass nur ein Zehntel der Bevölkerung christlich war. Merkt, Profilierung, S. 430, folgt hingegen Stark, Aufstieg, S. 8 – 18, der annimmt, dass um 300 jeder zehnte Römer Christ war. Leppin, Erbe, S. 219, bezieht zumindest mit einer Karte Stellung, enthält sich aber einer Schätzung. Zur geographischen Verteilung siehe Markschies, Christentum, S. 11 – 34. Vgl. Brown, Christianization, S. 664; Leppin, Erbe, S. 219 – 235; Averil Cameron, Mediterranean World, S. 58 f.; Alan Cameron, Last Pagans, S. 783 – 801, weist zu Recht darauf hin, dass man nicht auf die hartnäckige Langlebigkeit eines Paganismus angesichts des Christentums schließen dürfe, weil sich die nicht-christlichen Praktiken selbstverständlich auch veränderten und nicht bei den zivilen römisch-griechischen Kulten verharrten. Zweitens zeige sich bei näherer Betrachtung, dass nicht alle von christlichen Verfassern als »pagan« verunglimpften Praktiken wiederum auf existenten Paganismus zurückzuführen sind.

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während sich andere vom christlichen Weltdeutungsangebot angezogen fühlten.40 Mit seinem göttlichen Monismus, seinem Liebesgebot und seinem moralistischen Eifer schuf das Christentum sich die Voraussetzungen selbst, um – abermals Paul Veynes Worte aufgreifend – ein »Bestseller« zu werden, der nicht nur erfolgreich wurde, weil er den Bedürfnissen der Zeit entsprach, sondern weil er etwas Neues anzubieten hatte, was über die Idee der Unsterblichkeit der Seele hinausging.41 Die Originalität des Christentums lag darin, dass die Welt der Götter und die Welt der Menschen nicht mehr nebeneinander existierten. Der eine allmächtige Gott hatte den Menschen eine erhabene Berufung zuteilwerden lassen, sie gehörten zu Gottes Werk und dessen Vorsehung. Die Liebe, die der Gläubige Gott entgegenbrachte, war die Liebe Gottes für ihn, mehr noch: Das Gefühl der Liebe war für den Gläubigen Zeichen des in ihm wohnenden Gottes.42 Eingebunden in den Glauben wurde die Liebe zum sichtbaren Zeichen, zur Orientierung und zur Gewissheit eines göttlichen Willens, der dem Menschen Sinn für seine Existenz bot. Im Gegensatz zu altrömischen Glaubenspraktiken und Philosophien betrachteten sich die Christen selbst als eine Gemeinschaft, eine ecclesia/1jjkgs_a, deren Sein heilsgeschichtlich aufgewertet war, da es außerhalb ihrer keine Erlösung gebe.43 Als getaufter Christ war man Teil dieser Gemeinschaft und hatte teil an der Auferstehung am Jüngsten Tag. Der Gedanke ging zwar auf die Worte Jesu zurück, hatte aber in der Abgrenzung von den Juden, im Streit mit Philosophen und unter dem Eindruck der römischen Christenverfolgungen an Kontur gewonnen. So einheitsstiftend das theologische und institutionelle Angebot der Christen auch wirkte, spaltete es gleichzeitig, da innerhalb dieser Vorstellungswelt nur zwischen wahr und falsch unterschieden wurde. Der von den Christen vehement vertretene Wahrheitsanspruch verursachte nicht nur heftige Auseinandersetzungen zwischen Christen und Nichtchristen.44 Auch unter sich stritten sie unablässig, wenn es darum ging, sich gegenüber der antiken Gesellschaft, ihren Normen und besonders ihrem Bildungsprogramm zu positionieren, auf theo40 41 42 43

Vgl. Cameron, Education, S. 683. Vgl. Veyne, Monde, S. 41 – 43. Vgl. ebd. S. 50 f. Vgl. das berühmte Diktum des Cyprian von Karthago: quia salus extra ecclesiam non est. Aus: ders., ep. 73, cap. 21,2 (CSEL 3B/C), S. 555. Diese Aussage steht im Zusammenhang mit Cyprians Diskussion über den heilsmäßigen Wert der Taufe für Häretiker. Ihnen nütze weder die Taufe, noch das wahre Bekenntnis, wenn sie sich nicht von jenen lösten, die aus ihnen nach dem Tod Märtyrer für das falsche Bekenntnis machten. Durch die legitime, wahre und einzige Taufe der heiligen Kirche hingegen könnten Häretiker in diese eintreten und durch die göttliche Wiedergeburt am Reich Gottes teilhaben. 44 Vgl. Riedl, Vera religio, S. 33 – 53; Ratti, Pol¦miques, S. 179 – 187, formulierte fast zeitgleich eine Gegenposition zu Cameron, Last Pagans, S. 783 – 801, und eröffnete damit eine erneute Diskussion über den Widerstand der Heiden gegenüber der Christianisierung. Siehe auch: Brown, Pagans.

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logischem Gebiet allgemeinverbindliche Glaubensvorstellungen, z. B. zur Natur Christi, zu definieren, oder auf politischer Ebene das Verhältnis der Kirche zum Kaiser zu bestimmen. Gerade diese Konflikte führten zu einer überaus hohen literarischen Produktivität im christlichen Diskurs. Die Vielzahl an Schriften markiert die Zeit der Patristik aus literaturgeschichtlicher Sicht als Blütezeit, was ebenfalls zum Eindruck einer Erfolgsgeschichte des Christentums beigetragen hat. Das publizistische Schaffen resultierte aber auch aus einem gesteigerten Bedürfnis nach den heiligen Texten,45 nach Exegesen sowie Lehrschriften, mittels derer insbesondere die Gebildeten unter den Konvertiten ihren Glauben und die damit verbundene Lebensweise vertiefen konnten und wollten. Weiterhin trugen die Wiederbelebung des traditionalen Bildungssystems wie auch die Ausbildung eines christlichen Lateins zu dieser Hochphase bei.46 Das Aufkommen von christianitas in dieser Zeit zeigt, wie die Latinisierung des Christentums die Christianisierung des Lateinischen mit sich brachte: christianitas ist das beste Beispiel einer emergierenden, erst noch nach Verständlichkeit und Verbindlichkeit strebenden christlichen Fachsprache.47 Die ambivalente Einstellung der Christen zum klassischen Bildungswesen48 wird deutlich an der lateinischen Sprache als dessen Medium wie Gegenstand. Die Scholae Christiana ersetzten die klassische Schulbildung keinesfalls. Die 45 Vgl. Young, Christian Teaching, S. 465; Cameron, Education, S. 699. 46 Das Thema Christentum und antike Bildung ist seit Henri-Ir¦n¦e Marrou ein fest etabliertes Feld in der Geschichte des Christentums und der Spätantike: Vgl. Cameron, Education; Gemeinhardt, Christentum. Zur Sprache siehe Stotz, HLSMA 1, I §§ 11 – 20; Leonhardt, Latein, S. 88 – 117. 47 Lüdtke, Ursprung, S. 85 f., sieht den Streit um die »Sondersprache« nach Christine Mohrmann, Le latin commun, und dies., Altchristliches Latein, durch Olegario Garc†a de la Fuente beigelegt. Es ist passender von der »christlichen Fachsprache« der Christen zu sprechen. Siehe auch Stotz, HLSMA 1, I § 14.4; Geerlings, (Art.) Sprachen, II. Lateinisch, S. 651: Tertullian wird mittlerweile als erster christlicher Schriftsteller angenommen, der zwar ca. 1.000 neue Worte geschaffen hat, aber nicht als Schöpfer des christlichen Lateins zu bezeichnen ist. Dessen Entwicklung ist ein Prozess im Rahmen der Entwicklung des Spätlateinischen und damit nicht der »altchristlichen Sondersprache«, so Stotz, HLSMA 1, I § 10.5. Überdies ist es sinnvoll, hier nicht von Kirchenlatein zu sprechen, weil dieser Begriff vor allem für die Liturgie, Bibelübersetzungen, Märtyrerakten und Konzilstexte verwendet wird und damit den (proto-)institutionellen Charakter betont. Aus diesem Grund gehören auch die spätantiken Predigten nicht zum Kirchenlatein, Vgl. Stotz, HLSMA 1, I § 14.4 und § 17. Die Latinisierung wurde sehr wohl bewusst betrieben, nicht so sehr um den Bedürfnissen der zu Christen zu machenden Menschen zu entsprechen, sondern um andere, vornehmlich arianische Deutungen aus der Liturgie herauszudrängen, so Lafferty, Translating Faith, S. 52 f. u. S. 61 f. 48 Siehe hierzu: Gemeinhardt, Christentum, S. 507 – 509; Inglebert, Les Romains chr¦tiens; Cochrane, Christianity. Obwohl die heidnische Philosophie christliche Ablehnung erfuhr, ließen sich doch viele Theologen vom Neoplatonismus beeinflussen, vgl. Cameron, Education, S. 680 – 682.

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»christliche Schule« bestand im Deuten, Auslegen und Lehren der heiligen Schriften und der christlichen Lebenspraxis;49 der grundlegende Sprach- und Bildungserwerb wurde in gewohnten Bahnen fortgeführt. Christen wie Nichtchristen erhielten denselben Unterricht, obwohl zum Ende des 4. Jahrhunderts die Verachtung der Christen für das als heidnisch empfundene Bildungssystem mit seinem klassischen Lehrkanon zunahm.50 Das klassische Latein blieb aber die einzige etablierte und gelehrte Schriftsprache. Voraussetzung für Lesen und Schreiben war, dass man korrekte Wortformen und die Elementarsyntax erlernte. Donatus, Lehrer des Hieronymus, verfasste in dieser Zeit seine beiden Grammatiken, die neben derjenigen Priscians zur Grundlage jeden Sprachunterrichts im Mittelalter werden sollten.51 Komplizierter für die Christen war hingegen der Umgang mit der Rhetorik. Ausgerechnet der Rhetor und spätere Bischof Augustinus von Hippo (396 – 430) geißelte in seiner Schrift gegen den längst verstorbenen Kaiser Julian dessen Vertrauen auf die eigene Redekunst als »Eitelkeit der Geschwätzigkeit« und dessen Interesse an weltlicher Bildung als verderblichen Rationalismus, schlimmer noch: Mit seiner Beredsamkeit habe dieser die Wahrheit verdreht.52 Denn nach Augustinus sei es besser, ohne Beredsamkeit weise zu sprechen, als wortreich Unweisheit von sich zu geben. Damit unterschied Augustinus den christlichen Redner, den orator christianus, vom vir bonus dicendi peritus der Klassik, da es darauf ankomme, die kunstmäßige Rhetorik mit der inhaltlichen Weisheit zusammenzubringen.53 Er forderte Prediger, Exegeten, Christen auf, Verständlichkeit einem korrekten Latein vorzuziehen.54 Ein zweites, gern erwähntes Beispiel, weil in mehrfacher Hinsicht so widersprüchlich, bietet der Kirchenlehrer Hieronymus (347/48 – 420), dem träumte, ihm werde vorgeworfen, Ciceronianer und nicht Christ zu sein.55 Natürlich griff Hieronymus auf seine eigene klassische Bildung zurück, obwohl er, um seine Christlichkeit zu beweisen, schwor, keine Klassiker mehr zu lesen. Auch in anderen Fällen lässt sich erkennen, dass die Kirchenmänner ihre rhetorischen Fähigkeiten einsetzten. Augustinus ist hierfür ein ebenso beredtes Beispiel wie 49 Vgl. Studer, Schola christiana, S. 27 – 29. Die Kirchenväter wendeten sich so der Bibellektüre zu, dass man für das 4./5. Jahrhundert vom »Biblizismus der Kirchenväter« spricht. Kritisch zu Studers Anwendung des Begriffs schola christiana: Gemeinhardt, Christentum, S. 506 f. 50 Vgl. Fuhrmann, Rom, S. 52; Cameron, Education, S. 665; Gemeinhardt, Christentum, S. 507. 51 Vgl. Schönberger, Ars maior ; Fuhrmann, Rom, S. 51. Donatus ist auch für die Karolingerzeit zentral, siehe den Dialog zweier Schüler aus der Feder Alkuins, Opusculum primum: grammatica, in: PL 101, 849D – 902B; Holtz, Donat. 52 Vgl. Gemeinhardt, Christentum, S. 441, beruhend auf Augustinus, c. Iul. Imp. IV,128. Cameron, Christianity, S. 95 f. u. S. 122 f. 53 Vgl. Gemeinhardt, Christentum, S. 348, nach Augustinus, doct. christ. IV,28. 54 Augustinus, En. in Ps. 138,20. Siehe Auernheimer, Sprachplanung, S. 16 f. 55 Vgl. Cameron, Education, S. 668 f.; Gemeinhardt, Christentum, S. 431 – 434.

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der eingangs zitierte Ambrosiaster. Das christliche Ideal einer einfachen Sprache musste Rhetorik nicht ausschließen, wie der Rhetor und Grammatiker Marius Victorinus (ca. 281/91 – ca. 365) mit seinem Pauluskommentar zu demonstrieren verstand.56 Hinter der Ablehnung der Rhetorik stand das Ideal eines sermo humilis bzw. sermo piscatorius. Christus war auch darin zu folgen, wie er einfachen Menschen, z. B. Fischern, gepredigt hatte. Eine einfache, verständliche Sprache ohne überflüssige Rhetorik sollte helfen, den Glauben zu verbreiten.57 Auf diese Weise näherten sich christliche Schriftsteller wieder der gesprochenen Sprache an, die sich durch die zunehmende Fixierung des klassischen Lateins im 2. Jahrhundert immer weiter von der Schriftsprache entfernt hatte. Denn in dem Maße, wie die Kanonbildung von Klassikern voranschritt und ein einheitlicher Bildungsbetrieb in verschiedenen Zentren des Reiches aufkam, vergrößerte sich der Abstand zwischen Spontansprache der Bevölkerung und der Bildungs- und Amtssprache immer mehr.58 Spätestens im 4. Jahrhundert wurde das klassische Latein zur »Weltsprache«, wodurch »schrittweise ein Diglossieverhältnis in dem von Ferguson begründeten Sinne entstand.«59 Der doppelte Standard äußerte sich in einer elementaren, die äußeren Formen der fixierten Sprache bewahrenden Schriftsprache, die Raum für die Gestaltung aller anderen Sprachmerkmale ließ, und einer strengen klassizistischen Literatursprache, die Cicero und andere Klassiker nachahmte.60 Dieser klassische Standard muss daher als schriftliche wie mündliche Distanzsprache verstanden werden.61 Jürgen Leonhardt geht noch weiter : »Als 476 im Westen der letzte Kaiser abgesetzt wurde, hatte Latein im Grunde bereits, was den Erwerb über Grammatikschule und Literatur anging, nahezu die Entfernung von der 56 Vgl. Cameron, Christianity, S. 143 f; siehe auch Kapitel II.2. 57 Stotz, HLSMA 1, I § 11.6; Leonhardt, Latein, S. 114 – 117. Diese Aufgabe verkomplizierte sich durch den zweiten Anspruch: die Botschaft der Bibel zu transportieren, ohne sie zu verändern. 58 Leonhardt, Latein, S. 78 f. u. S. 91. Die Ausbildung einer Bildungssprache im ersten vorchristlichen und nachristlichen Jahrhundert führte zu einer Abkopplung von der Spontansprache, diese veränderte sich, ohne dass dies für die Bildungssprache eine Rolle gespielt hätte. Man hat auch angesichts der bewussten Ferne der Literatursprache von der Alltagssprache von der »Tabuisierung« der Alltagssprache gesprochen. Seit Cicero ist die Umgangssprache aus der Literatur verschwunden. Zum Bildungswesen u. a. Fuhrmann, Rom, S. 81 – 85; Cameron, Education, S. 665 – 707; Gemeinhardt, Christentum, S. 35 – 51. 59 Leonhardt, Latein, S. 91. 60 Vgl. ebd., S. 119. 61 Vgl. ebd., S. 160, mit der Übernahme der Unterscheidung von »Nähesprache« (für ungezwungene Kommunikation mit Nahestehenden) und »Distanzsprache« (für Kommunikation mit Fremden, offizielle Kommunikation) der Romanisten Koch und Österreicher. Zur Ablehnung des sog. Vulgarlateins und der Bevorzugung des Konzepts von Nähe- und Distanzsprache siehe auch Stotz, HLSMA 1, I § 21.1.

Bedingungen des Sprachgebrauchs

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Spontansprache der Bevölkerung erreicht, die es auch in der karolingischen Renaissance aufwies.«62 Diese Aussage ist deswegen wichtig, weil der Wortgebrauch von christianitas über die umwälzenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der folgenden Jahrhunderte hinweg untersucht wird und die Zahl der Verwendungen spätestens nach Papst Gregor dem Großen signifikant abnimmt. Dies könnte auf den ersten Blick mit dem Rückgang des Lateinischen in dieser Zeit in Verbindung gebracht werden. Aus Sicht der am klassischen Latein – also jener literarischen Distanzsprache – orientierten lateinischen Philologie galt diese Entwicklung lange Zeit als Verwahrlosung und Verrohung. Das hierauf gründende Verdikt vom »Merowingerlatein« ist allerdings aus guten Gründen in Frage gestellt worden. Unzweifelhaft nahm die Fragmentarisierung und Regionalisierung der Kommunikationsräume zu, als sich neue Herrschaften, z. B. der Ost- und Westgoten sowie der Franken, etablierten und die ehemalige Einheit des Reiches ersetzten.63 Weite Reisen wurden schwieriger, weil gefährlicher, Sprach- und Erfahrungsaustausch konnte nicht mehr im gleichen Maße wie in spätrömischer Zeit erfolgen, was zu einer »mentalen Partikularisierung« des ehemaligen Reiches führte.64 Doch nicht nur die lateinische Sprache, auch die Schrift veränderte sich; unterschiedliche Schreibweisen behinderten zunehmend die Kommunikation. Morphologische und lexikalische Veränderungen kamen auf und indizieren akzeptierte Veränderungen, was von sozialen, politischen und kulturellen Bedingungen abhing.65 Der rückläufige Lateinunterricht wie auch die abnehmende Sprachpraxis führten zu einer abnehmenden Literarität und Kenntnis des klassischen Lateins, was die wesentlich schlechtere Quellenlage für die Zeit ab 550 zu verstehen hilft. Manfred Fuhrmann hat daher dieser Zeit des kulturellen Niedergangs eine ähnliche »geistige Öde« attestiert wie jenem halben Jahrhundert vor Kaiser Diokletian.66 Hans-Henning Kortüm hat wesentliche Argumente zusammengetragen, die gegen eine Verwahrlosung der Latinität in der Merowingerzeit sprechen.67 Zum einen sind hier die Widrigkeiten in der Konservierung des in der Zeit noch üblichen Papyrus, die Verfügbarkeit von christlichen Schriften, z. B. nördlich der Alpen, wie auch die spätere Selektionierung des zu Tradierenden durch die karolingischen Bildungsträger zu berücksichtigen. Zum anderen schwingt in dem Verdikt des Barbarismus die karolingische Sprachideologie mit. Zu lange 62 63 64 65 66

Leonhardt, Latein, S. 47. Vgl. Collins, Western Kingdoms. Auernheimer, Sprachplanung, S. 35. Vgl. ebd., S. 45. Vgl. Fuhrmann, Rom, S. 17; Leonhardt, Latein, S. 160, der die Krise der lateinischen Kultur für die Zeit vom mittleren 6. bis zum mittleren 8. Jahrhundert ansetzt. 67 Vgl. Kortüm, Le style; Stotz, HLSMA 1, I § 32.3 – 5 und VI § 21.1.

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hätten Literaturhistoriker den allgemeinen Sprachwandel außerhalb der Literatur nicht ausreichend berücksichtigt, somit die Unterscheidung von geschriebener und gesprochener Sprache vernachlässigt.68 Der unablässige Wandel des Lateinischen in allen Bereichen (Phonetik, Morphologie, Syntax, Lexik), seine Regionalisierung69 sowie die Differenz zwischen verschiedenen Sprachregistern der Bildungsgrade entsprechend sind bereits Augustinus und seinen Zeitgenossen wohlbekannt gewesen.70 Dieser Sprachwandel hat sich auch nach dem Zusammenbruch des westlichen Imperiums weiter fortgesetzt, ohne dass die Menschen aufgehört hätten, ihr Latein zu sprechen.71 Überdies ist für das spätantike Imperium Romanum ohnehin von einem Plurilingualismus anstelle eines Dualismus Griechisch/Lateinisch auszugehen, da verschiedene Regionalsprachen wie das Punische auch im 4. Jahrhundert noch geschrieben wurden.72 Insofern ist Leonhardts Einschätzung zum Gebrauch des Lateinischen am Ende des weströmischen Imperiums relevant, da die »Krise der Schriftfähigkeit« aus einem Kenntnisverlust des klassischen, grammatisch korrekten Latein resultierte, nicht aus dem Rückgang der allgemeinen Sprachfähigkeit. Für den Wortgebrauch zu christianitas ergibt sich hieraus, dass einerseits zwar die Zahl der potentiellen Verwender ab spätestens 600 zurückging und die in Frage kommende Quellenproduktion sehr viel geringer ausfiel. Dies wird auch mit dem Rückzug der Christen aus der Welt ab dem 5. Jahrhundert zusammenhängen, als immer mehr Menschen die schützenden Mauern der neuen

68 Vgl. Kortüm, Le style, S. 35 – 37, für die Sprachreform der Karolinger und S. 43 für die Berücksichtigung der gesprochenen Sprache. 69 Vgl. Adams, Regional Diversification. 70 Vgl. Norberg, Manuel, S. 15 – 32; Burton, Discourse, S. 330 – 332, der auf die liberale Haltung des Augustinus hinsichtlich des Sprachgebrauchs hinweist, so in August. Conf. 1.18.29. Die verschiedenen Variationen wurden von Zeitgenossen auch wahrgenommen und teilweise abwertend als sermo rusticus, sermo humilis, sermo plebeius/vulgaris/popularis/publicus, sermo cottidianus bezeichnet, wobei es sich eher um Synonyme als feste Kategorien handelt, nach denen man differenzieren könnte. Diese verschiedenen Bezeichnungen hatten überdies ihre griechischen Pendants (lexis agroecÞ, lexis tapeinÞ, cathÞmerinÞ, dÞmoticÞ etc.). 71 Vgl. Norberg, Manuel, S. 26. Zur Frage der Entstehung der romanischen Sprachen und der Ablösung des Lateinischen siehe Banniard, Du latin aux langues romanes. Für Lüdtke indes hat ein »Übergang vom Latein zum Romanischen« nicht stattgefunden, wenn man auf der Ebene der gesprochenen Sprache bleibt. Vgl. Lüdtke, Ursprung, S. 49. 72 Vgl. Markschies, Christentum, S. 31 – 33, der auf Spontanübersetzungen in Gottesdiensten sowie Verbreitung der christlichen Schriften in den verschiedenen Sprachen des Reiches hinweist, daher die einfache Trennung in östliches und westliches Christentum kritisiert und eine stärkere Regionalisierung in der Erforschung des antiken Christentums fordert. Leonhardt, Latein, S. 87 – 89 weist auf die literarische Zweisprachigkeit hin: Griechisch blieb trotz aller Versuche die erste Literatursprache. Interessant ist hingegen, dass das westliche Nordafrika als einzige Region des Reiches selbst lateinische Literatur hervorbrachte. Dies ist umso erstaunlicher, weil es wohl keine durchgreifende Romanisierung der Bevölkerung gegeben hat und das Punische bis in die Spätantike als Schriftsprache nachweisbar ist.

Verteilung des Wortgebrauchs

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Klöster aufsuchten und sich Klosterregeln unterwarfen. Dadurch musste die Zahl der schreibenden Christen zwischenzeitlich deutlich abnehmen. Andererseits kann der Rückgang des Wortes christianitas nicht allein mit einem Verfall klassischer Lateinkenntnisse begründet werden. Das Wort kam selbst nicht aus dem klassischen Latein, sondern stand einem mittleren Sprachniveau sehr viel näher, das wohl noch eher Chancen hatte, auch in der Spätphase dieser Epoche gesprochen und verstanden zu werden. Weil christianitas zur christlichen Fachsprache gehörte, konnte das Wort auch in der Schriftsprache präsent bleiben, da in den Nachfolgereichen des Reiches das Christenlatein als Rechts- und Kirchensprache unterrichtet wurde. Es hätte auch sehr wohl noch Christen und christliche Autoren gegeben, die den Sprachgebrauch nach dem Ende des Imperiums hätten pflegen können, wenn es ihnen in irgendeiner Weise sinnvoll erschienen wäre. Allerdings haben gerade die bekannten Schriftsteller wie Sidonius Apollinaris (um 430/33 – um 479/86), Boethius (475/80 – 524), Gregor von Tours (538/39 – 593) oder Venantius Fortunatus (vor 540 – um 600) das Wort nicht gebraucht.

3.

Verteilung des Wortgebrauchs

Die unterschiedlichen sprachlichen Bedingungen wie auch die Verteilung der christianitas-Belege im Quellenkorpus legen nahe, die lange Zeitspanne von 360 bis 740 in drei Abschnitte zu unterteilen. Die erste Phase, die mit der Patristik zusammenfällt, beginnt um 360 n. Chr. mit den ersten Nennungen und reicht bis in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts, als die Überlieferung (und Editionstätigkeit) abnimmt und der Wortgebrauch abbricht. Obwohl eine Zäsur an dieser Stelle den Eindruck erweckt, dass das Ende des westlichen Imperium romanum einen Wendepunkt für den christianitas-Gebrauch darstellen könne, ist zu bedenken, dass der Zusammenbruch eines politischen Systems nicht das Ende einer Sprachgemeinschaft und der mit ihr verbundenen literarischen Produktion zur Folge hat – selbst wenn, wie in diesem Fall, die Latinität durch die neuen Völker im ehemals römischen Herrschaftsraum deutlich abnahm. Gerade in Italien kam es jedoch unter dem Ostrogotenkönig Theoderich I. (493 – 526) bei demographischer Stabilität zum kulturellen Aufschwung,73 der die zweite Phase einleitet und mit einem Brief des Papstes Gelasius I. (492 – 496) einsetzt. Dieser stellt zugleich die erste überhaupt auszumachende päpstliche Verwendung dar und markiert den Einstieg der Päpste in den Gebrauch der Vokabel. Außerdem ist hier zum ersten Mal die Reproduktion von früherem Sprachgebrauch zu beobachten, da der Abt Eugippius die Werke des Augustinus 73 Vgl. Sotinel, Rom, S. 301; Wolfram, Goten, S. 80.

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Reden mit christianitas in der Spätantike

edierte. Des Weiteren setzt in dieser Phase die Verwendung von christianitas im Kirchenrecht ein. Der Übergang zur dritten Phase ist gegenüber dem ersten Übergang sehr viel fließender, setzt sich aber insofern ab, als sich nach dem Tod Papst Gregors des Großen (590 – 605) der Kommunikationsraum immer mehr aus dem Mittelmeerraum heraus verschiebt: christianitas kommt nun vermehrt in Schriften von der Iberischen Halbinsel und den britischen Inseln vor; der zuvor noch erkennbare Austausch mit Byzanz nimmt hingegen ab. Zudem fällt eine Verschiebung in Hinblick auf die auftretenden Genres und die Adressatenkreise auf. Im Gegensatz zum 6. Jahrhundert lässt sich christianitas nun in der Hagiographie auffinden, während theologische Erbauungs-, Lehr- und Streitschriften nicht mehr bedient werden; seit dem ausgehenden 6. Jahrhundert erscheint die Vokabel dann in der Kommunikation mit Herrschern. Schließlich bricht in dieser letzten Phase der Wortgebrauch ein. Die folgenden Zahlen können und dürfen ausschließlich als Anhaltswerte verstanden werden, da sie sich aus den überlieferten schriftlichen Quellen ergeben, deren Anteil an der gesamten Schriftproduktion auch annäherungsweise nur schwer eingeschätzt werden kann. In der ersten Phase von 360 bis 490 finden sich 97 Belegstellen in insgesamt 50 Schriften von vermutlich 30 Verfassern. Diese stammen vornehmlich aus dem italienischen und nordafrikanischen Raum, also aus dem Kerngebiet des Christentums im westlichen Teil des Römischen Reiches. Darüber hinaus finden sich vereinzelte Texte aus Südengland (Fastidius: De vita christiana), aus Serbien (Bischof Nicetas von Remesiana: De psalmodiae bono), aus Südfrankreich (Johannes Cassian: De incarnatione Christi sowie Salvian von Marseille: De gubernatione Dei) und aus dem oströmischen Raum (Eusthatios: Hexameron, Asterius von Amaseia und ein Sermo des Patriarchen Nestor). Jedoch verlor der westliche Teil des Römischen Reiches aufgrund der Goteneinfälle immer weiter an politischer wie gesellschaftlicher Stabilität, was sich auch auf das literarische Schaffen auswirkte, das im 5. Jahrhundert merklich abnahm. Einen Überblick bietet die nachstehende Tabelle. Die geringe Zahl an Belegstellen muss nicht zwangsläufig auf einen limitierten und/oder spezialisierten Gebrauch und damit auf ein eingeschränktes Verständnis verweisen. Die aufschlussreiche Streuung der Verwendungen legt eher das Gegenteil nahe. Die Vokabel findet sich nicht nur bei verschiedenen Schriftstellern jener Zeit; durch deren Texte – Briefe wie Streitschriften – werden noch weitere Personen erwähnt oder angesprochen, die die Vokabel offenbar gekannt und gebraucht haben. Nicht selten werden dabei Situationen direkter Kommunikation und somit gesprochener Sprache sichtbar – in den Streitschriften, vor allem aber in den Predigten –, was bereits den Verdacht nährt, dass die geringe Verwendung mit der Schriftsprachlichkeit zusammenhängen könnte.

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Verteilung des Wortgebrauchs

Tabelle 1: Verteilung nach Textsorten von 360 bis 490 Erbauungs- und Lehrschriften: (12 Nennungen in 11 Schriften)

Exegetische Schriften und Predigten: (31 Nennungen in 21 Schriften)

Pseudo-Cyprian: Epistola ad Turasium (1), De singularitate clericorum (1) Asterius v. Anseduno: Liber ad Renatum monachum (1) Anonymus: Epistola fidei ad Cyrillum (1) Pseudo-Ambrosius: Über die Jungfrauen (1) Fastidius: De vita christiana (1) Nicetas v. Remesiana: De psalmodiae bono (1) Maximus v. Turin: Epistola ad amicum aegrotum (1) Anonymus Romanus: De Divitiis (2), Epistola (1) Arnobius Junior: Liber ad Gregoriam (1)

Marius Victorinus: Pauluskommentar (5) Ambrosiaster : Quaestiones (3) Basilius d. Große/Eusthatios: Hexameron (1) Anonymus: Ignatios an die Magnesianer (2) Augustinus: Expositio inchoata Ep. ad. Rom. (1), De sermone Domini in monte (1) Pelagius: Kommentar des Römerbriefs (1) Maximus v. Turin: 9 Predigten (9) Zeno v. Verona: Traktat (1) Nestorius v. Konstantinopel: Sermo (1) Petrus Chrysologus: Sermo (1) Valerian v. Cemele: Sermo (1) Salvian v. Marseille: De gubernatione Dei (4)

Streitschriften: (30 Nennungen in 8 Schriften)

Hagiographie: (8 Nennungen in 4 Schriften)

Filastrius v. Brescia: Diversarum Haerseon Liber (9) Augustinus: De vera religione (1), Epistola 53 (3) De utilitate credendi (1), Contra Faustum (1), Contra Felicem (1), Contra litteras Petiliani (13), Johannes Cassian: De incarnatione Christi (1)

Anonymus: Passio S. Typasii (1) Anonymus: Martyrium des Ignatios (3) Arnobius Junior: Passio S. Sebastiani (3) Eucherius v. Lyon: Passio Acaunensium Martyrum (1)

Berichte/Korrespondenz: (7 Nennungen in 5 Schriften)

Rechtserhebliche Texte: (9 Nennungen in 8 Schriften)

Gesta Collationis Carthagensis (2) Brief von Volusianus an Augustinus (1) Brief Kaiser Honorius’ an Theodosius II. (1) Brief Bischof Julians an Kaiser Leo I. (1)

Codex Theodosianus: 12.1.112, 12.1.123, 14.3.11, 15.5.5, 16.7.7, 16.8.19, 16.8.23, 16.8.26 (9) Registri ecclesiae Carthagensis excerpta (2)

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Reden mit christianitas in der Spätantike

Die Vokabel wird in unterschiedlichen Textsorten wie theologischen Kommentaren und Predigten, Streit- und Erbauungsschriften, Briefen und Konferenzberichten sowie im Codex Theodosianus genutzt. Andere Genres wie kirchengeschichtliche Texte oder christliche Poetik oder Epigraphik74 kommen gar nicht, hagiographische Texte nur ausnahmsweise vor. Ebenso auffällig ist das Fehlen eines päpstlichen Sprachgebrauchs wie auch ein sehr spärliches Auftreten im Bereich des Kirchenrechts. Eine solche Verteilung kann angesichts der hohen Produktivität der Patristik (und der ihr geltenden editorischen Aufmerksamkeit) nicht überraschen. Da aber die These im Raum steht, dass christianitas nie zu einem theologischen Begriff geworden ist,75 stellt sich die Frage, wie das Wort in diesem Umfeld verwendet worden ist, was in Kapitel II weiterverfolgt werden soll. In der zweiten Phase von 491 bis 605 sind es 109 Verwendungen in 51 Schriften von vermutlich 25 Verfassern, unter ihnen sechs Päpste, wie die zweite Tabelle zeigt. Mit Ausnahme von Bischof Fulgentius von Ruspe, der noch in Karthago aktiv war, verengt sich der geographische Rahmen durch den Wegfall des zuvor so aktiven Nordafrikas auf Italien, Südfrankreich und Burgund. Mit der Englandmission ab 600 n. Chr. verschiebt sich der geographische Raum gegenüber der ersten Phase und verweist auf Veränderungen in der dritten Phase. Hinsichtlich der Streuung nach Genres fällt auf, dass die Katechese nicht mehr bedient wird. In der Exegese kommen Apokalypsekommentare hinzu. Auch in Bezug auf Historiographie und Hagiographie verschiebt sich der Gebrauch. Es sind zwar nur drei historiographische Werke ganz unterschiedlichen Zuschnitts, in denen christianitas auftritt, aber immerhin ist zu erkennen, wie hier ein Gebrauch einsetzt. Maßgeblich hierfür ist die Historia ecclesiastica tripartita, die besonders hervorsticht und daher in Kapitel V im Mittelpunkt stehen wird. Zuvor aber gilt es, im Kapitel IV dem Befund nachzugehen, dass christianitas erst in den Kirchenrechtsammlungen der Dionysiana, der Concordia canonum und der Collectio Avellana Anwendung gefunden hat. Da es sich bei der Collectio Avellana um eine Sammlung von 243 Papst- und Kaiserbriefen handelt, sind die relevanten Briefe hier unter Korrespondenz aufgeführt, was deutlich macht, dass sich der Wortgebrauch Papst Gregors I. des Großen (sed. 590 – 604), offenbar in eine epistolographische Verwendung einreiht. Wie bei der Historia ecclesiastica tripartita ist auch bei den Briefen die griechisch-lateinische Ökumene als 74 Ähnlich sieht es hinsichtlich christlicher Epigraphik aus. Vor allem Papst Damasus ist bekannt für das Verfassen vieler Inschriften, womit er zur Verchristlichung des Raumes in Rom und damit der Stadt selbst beitrug. Abfragen in der Datenbank des Corpus Inscriptionum Latinarum blieben ergebnislos (http://cil.bbaw.de/dateien/datenbank.php; eingesehen am 8. 12. 2012). 75 Siehe Anm. 12 in der Einleitung.

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Verteilung des Wortgebrauchs

Hintergrund für den Wortgebrauch zu erkennen, was umso auffälliger ist, weil es nach der Übertragung von christianismos ins Lateinische keine Rückübertragung von christianitas ins Griechische gegeben hat. Darauf ist in Kapitel II.1 einzugehen. Tabelle 2: Verteilung nach Textsorten von 491 bis 605 Erbauungs- und Lehrschriften: (3 Nennungen in 3 Schriften)

Exegetische Schriften und Predigten: (12 Nennungen in 8 Schriften)

Eugippius: Augustini De vera religione (1), Augustini De Sermo Domini (1) Fulgentius v. Ruspe: Dicta regis Thrasamundi (1)

Caesarius v. Arles: Apokalypse-Kommentar (1) Cassiodor: Expositio psalmorum (1) Kommentar zum Römerbrief (1) Cassiodor-Schüler : Kommentar zum Kolosserbrief (1) Primasius v. Hadrumetum: Apokalypse-Kommentar (2) Anonymus: Kommentar zum Hebräerbrief (1) Papst Gregor I.: Homilie (2) Papst Gregor I.: Moralia in Hiob (3)

Historiographie: (39 Nennungen in 3 Schriften)

Hagiographie: (keine Nennung)

Liber pontificalis (1) Iordanes: Romana (1) Epiphanius/Cassiodor: Historia ecclesiastica tripartita (37)

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Reden mit christianitas in der Spätantike

((Fortsetzung)) Briefe: (36 Nennungen in 29 Schriften)

Rechtsrelevante Texte: (19 Nennungen in 8 Schriften)

Papst Gelasius an die Bischöfe von Lukanien (1) Fulgentius v. Ruspe an Venatia (1) Bischof Avitus v. Vienne an Gundebadus (1) Papst Hormisdas an Kaiser Justin (1), an Bischof Dorotheos (1) Bischof Ennodius v. Pavia an Avienus (1) Papst Agapet I. an Kaiser Justinian (1) Papst Vigilius an Bischof Aurelius v. Arles (1), an Kaiser Justinian (4) Florianus an Bischof Nicetius v. Trier (1) Papst Pelagius I.: Brief an Kg. Childebert (1) Brief an Patrizier Valerian (1) Exarch von Ravenna: 2 Briefe an Kg. Childebert II. (?) (4) Papst Gregor I.: 14 Briefe an div. Adressaten (16) König Rekkared an Papst Gregor I. (1)

Dionysius Exiguus: Dionysiana (7) Eugippius (?): Regula magistri (1) Caesarius v. Arles: Regulae monasticae (je 1-mal in 3 Schriften) Cresconius: Concordia canonum (5) Konzil von M–con (2) Papst Gregor I.: Privileg für das Kloster S. Medardi (1)

In der dritten Phase von 606 bis 740 sind hingegen nur noch 48 Nennungen von christianitas in 39 Schriften von vermutlich 33 Verfassern, darunter 7 Päpsten, auszumachen. Vor allem finden sich jetzt Quellen aus dem westgotischen Spanien, England und dem Frankenreich, wie besonders an den hagiographischen Werken zu erkennen ist. Es gibt kein einheitliches Bild mehr ; als einzige Kontinuitätslinie ist der päpstliche Gebrauch in der Korrespondenz auszumachen. Im Gegensatz zur vorangegangenen Phase ist nunmehr die Hagiographie wieder vertreten. Es wird daher zu klären sein, inwieweit hier an die Ausdrucksweisen früheren hagiographischen Schrifttums angeknüpft wurde, und ob der Aufschwung in der Historiographie aus christianitas ein für Erzählungen nützliches Element gemacht hat, das von der Hagiographie aufgegriffen wurde. Eine solche narratologische Funktion der christianitas wäre wiederum mit dem Wortgebrauch in einigen der rechtsrelevanten Texte zu vergleichen. Obwohl in diesem Bereich der Aufschwung im 6. Jahrhundert offensichtlich wieder ins Leere läuft, gibt es zumindest eine Neuerung: christianitas scheint in königlichen Privilegien und mit den westgotischen Gesetzen im »Nationalrecht« angekommen zu sein. Gerade in den Privilegien wird darauf zu achten sein, ob das Wort im narrativen oder dispositiven Teil Verwendung gefunden hat. Da der Wortgebrauch aber insgesamt sehr weit abnimmt, ist von einer Transitionsphase auszugehen, die in Kapitel VII näher zu untersuchen sein wird.

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Verwendungen und Verwendungsmuster

Tabelle 3: Verteilung nach Textsorten von 606 bis 740 Erbauungs- und Lehrschriften: (keine Nennungen)

Exegetische Schriften und Predigten: (8 Nennungen in 7 Schriften) Isidor v. Sevilla, Mysticorum (1) Anonymus: Glosa Psalmorum (1) Eligius, Predigt 16 (1) Genesiskommentar (1) Beda Uenerabilis: Expositio Apocalypseos (1) Beda (?): De Psalmorum libri exegesis (2) Homilia De Sancto Petro et Paulo (1)

Historiographie: (8 Nennungen in 5 Schriften)

Hagiographie: (10 Nennungen in 9 Schriften)

Isidor v. Sevilla: Etymologien (2) Gesta Theodorici Regis (1) Fredegar : Capitolares (1) Julian: Historia Wamba regis (1) Beda: Historia ecclesiastica Anglorum (3)

Vita Gaugerici (1) Vita Amati (1) Vita Rusticulae (1) Vita Eligii (1) Geschichte der Sieben Schläfer (1) Passio Leudegardii (2) Vita Amandi (1) Passio sancti Anastasii martyris (1) Beda: Passio sancti Anastasii (1)

Briefe: (17 Nennungen in 13 Schriften)

Rechtserhebliche Texte: (5 Nennungen in 4 Schriften)

Papst Bonifatius IV.: 2 Briefe (2) Papst Bonifatius V.: 2 Briefe (2) Papst Honorius I. an Kg. Edwin (1) Papst Agatho an die Kaiser 680 (4) Papst Leo II.: an den Grafen Simplicius (1) an König Ervig (1) Abt Evantius (1) Erzbischof Benedikt v. Mailand: Beschwerde (1) Papst Johannes an Aethelred u. Alfred (1)

König Aethelberht für die Kirche in Rochester (1) Konzil von Toledo (1) Papst Martin: Privileg für Rebais (1) Leges Visigothorum (2) König Kentwine d. Westsachsen für Abt Hæmgils (1) Pseudo-Egbert v. York: Excerptiones (2)

4.

Verwendungen und Verwendungsmuster

Zu Beginn des Kapitels wurden bereits die etymologische Herkunft und die grammatikalischen Eigenheiten des Wortes christianitas geklärt, sodass sich die Analyse nun der Verwendung und damit der Syntax auf der Ebene der Satzse-

58

Reden mit christianitas in der Spätantike

mantik zuwenden kann. Damit steht das textuelle Umfeld im Vordergrund, bevor christianitas in den folgenden Kapiteln im Umfeld der Texte und damit der Kommunikationszusammenhänge untersucht wird. Eine Verwendung erschließt sich erstens über das Satzglied, in dem christianitas selbst vorkommt, sowie zweitens über die weiteren Satzglieder des Satzes.76 Der folgende Überblick zu den an den Quellen nachvollziehbaren Verwendungen dient dazu, Muster anhand von Wiederholungen und Ausnahmen, aber unabhängig von Autor, Genre und Entstehungszusammenhang zu erfassen. So lässt sich erkennen, welche Formulierungsversuche unternommen wurden, welche Formulierungen dann das Set von plausiblen, akzeptierten Ausdrucksmöglichkeiten darstellten, welche Gebrauchsmuster sich verfestigten und damit die Verwendung möglicherweise einschränkten, welche Muster sich hielten und welche nicht mehr bedient wurden. Tabelle 4 : Kasusverteilung Phase 360 – 490 491 – 605 606 – 740 Gesamt

Nominativ 21 (21,6 %) 12 (11,0 %) 2 (4,2 %) 35 (13,8 %)

Genitiv 58 (59,8 %) 60 (55,0 %) 34 (70,8 %) 152 (59,8 %)

Dativ 3 (3,1 %) 7 (6,5 %) 4 (8,3 %) 14 (5,5 %)

Akkusativ 12 (12,4 %) 12 (11,0 %) 5 (10,4 %) 29 (11,4 %)

Ablativ 3 (3,1 %) 18 (16,5 %) 3 (6,3 %) 24 (9,5 %)

Gesamt 97 (100 %) 109 (100 %) 48 (100 %) 254 (100 %)

76 Im Falle des zu Beginn dieses Kapitels zitierten Beispiels »Nemo miretur de nomine christianitatis« (5.11) ist nemo das Subjekt, miretur das Prädikat und de nomine christianitatis ein aus mehreren Wörtern bestimmtes Objekt, das aufgrund seiner Abhängigkeit vom Verb mirari (de) im Ablativ steht. Das eigentliche Objekt nomen wird entweder vom im Genitiv stehenden Substantiv christianitas näher bestimmt, dann handelt es sich um ein Genitivattribut, was dann die Übersetzung »christlicher Name« erlaubt. Oder aber christianitas steht im Genitivus objectivus, wodurch sich die Beziehung zwischen beiden Worten umgekehrt. Dann bestimmt nomen hier christianitas, wodurch zu übersetzen wäre »über den Namen christianitas«. Je nachdem, welche Möglichkeit aufgrund des weiteren Satzzusammenhangs sinnvoll ist, kann christianitas verschiedene grammatische Wertigkeiten annehmen. Im ersten Fall wird ein Name als christlich markiert, im zweiten Fall kann christianitas als Signifikant für einen zu bezeichnenden Sachverhalt stehen. Der Satz lässt auch die Möglichkeit zu, dass niemand sich über den Sachverhalt selbst wundern solle bzw. dass dieser Sachverhalt diesen Namen habe. Um Eindeutigkeit und Verständlichkeit herzustellen, muss der Sprecher ein Vorverständnis beim Adressaten erwarten, der das Wort in den richtigen Wissensrahmen (nach Fillmore/Busse, siehe Einleitung) einordnet, oder der Sprecher präzisiert sein Verständnis durch den Zusammenhang. Im Beispiel ist letzteres der Fall, da Ambrosiaster das Wort im Folgenden definiert.

Verwendungen und Verwendungsmuster

59

Zum Einstieg bietet sich die Kasusverteilung im christianitas-Gebrauch an, wie ihn die Tabelle 4 zeigt. Ein zentraler Befund trifft auf den gesamten Untersuchungszeitraum zu:77 Die Genitivverwendung überwiegt eindeutig. Nur selten nimmt christianitas in einem Satz die Funktion eines handelnden Subjekts (im Nominativ oder Akkusativ) oder die eines direkten Objekts an. Zumindest in der ersten Phase sticht ein erhöhter Wert von Nominativverwendungen hervor. Dabei handelt es sich um Formulierungen wie ne christianitas credatur esse fallacia (2.2), per quem incipit omnis christianitas (3.4), Christianitas omnibus sectis [fortior est] (5.9),78 non est fidei causa temporalis Christianitas (7.14), christianitas [non] in Iudaismum credidit (19.37); christianitas veri Dei cognitio est (20.40); christianitas enim mortibus proficit (22.43); ubi christianitas vestra est (22.55); tranquillitatem […] habet christianitas (42.81). Zu diesen Fällen, in denen christianitas Subjekt ist, kommt noch ein Akkusativ mit Infinitiv (AcI) hinzu: Christianitatem hominis esse cultricem (43.85).79 Da die weiteren Satzglieder und die Lexik weitgehend theologischen Gehalts sind,80 werden diese Stellen in Kapitel II näher untersucht. Unter den Nominativverwendungen fällt zudem eine Verwendung auf, die sich 7-mal innerhalb eines Textes wiederholt: Quid autem vobis est cum regibus saeculi, quos numquam christianitas nisi invidos sensit (22.44 – 50).81 Dieser Satz kommt in Variation auch mit christianitas im Genitiv innerhalb desselben Textes vor, sodass es sinnvoll erscheint, dieser Verwendung als Sonderfall in Kapitel III nachzugehen, zumal dieser Fall allein für das Vorkommen von rex, saeculum und invidus in dem lexikalischen Umfeld von christianitas verantwortlich ist.82 Abgesehen von diesem Sonderfall 77 Siehe auch Kapitel VIII.3. 78 Sicut leo omnibus feris fortior est, ita et Christianitas omnibus sectis. Das unmittelbare Umfeld charakterisiert christianitas als secta, der Komparativ wird mittels der Tiermetapher erklärt. Die Metapher selbst ist der ausgelegten Bibelstelle entlehnt. Siehe Kapitel II.2. 79 (…) ne quis christianitatem hominis putet esse cultricem. Das Akkusativobjekt ist hier das Subjekt des AcI-Satzes, dem der Nebensatz ne quis putet übergeordnet ist. Der sonst im Lateinischen omnipräsente AcI ist eine extrem seltene Formulierung in Bezug auf christianitas, was diesen Ausnahmefall interessant macht. 80 Für die erste Phase macht das theologische Vokabular ein Fünftel des Gesamtvokabulars für alle Kookkurrenten aus, die mehr als 2-mal in den Sätzen mit christianitas vorkommen. 81 Augustinus, c. litt. Pet. II, 92 (22.44 – 50). 82 Es finden sich 10 Nennungen von invidus und 8 von rex sowie 7 für saeculum in dieser ersten Phase, die sich nur auf diesen Satz zurückführen lassen. Damit gehören diese drei Vokabeln zu den 30 häufigsten Kookkurrenten von christianitas in dieser Phase. Dies ergibt eine Kookkurrenzanalyse mit Historical Semantics Corpus Management (hudesktop.hucompute.org; Stand vom 3. 12. 2014) auf Grundlage des für diese Phase versammelten Materials, wenn der Betrachtungsraum für Kokkurrenten auf den Satz beschränkt wird, in dem christianitas vorkommt. Diese 30 Kookkurrenten sind: omnis (27-mal); dico (22); cum (21); deus (19); fides (13); lex (12); invidus (10); facio, habeo, sentio, sum (je 9); homo, rex, tempus, tantus (je 8); nomen, religio, sacramentum, saeculum, christianus, tu, Christus, dominus, nisi (je 7); veritas, vos, ita (je 6); nullus, princeps, scientia (je 5).

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Reden mit christianitas in der Spätantike

ist zu erkennen, dass christianitas in der Folge kaum noch als Satzsubjekt auftritt. Die vielen Genitivkonstruktionen weisen eine hohe Varianz unter den Bezugsworten auf und somit wenig wiederkehrende Wortfügungen.83 Die hohe Zahl an Bezugsworten kann für einen ausbleibenden Prozess der semantischen Verdichtung stehen. Es lassen sich offenbar immer wieder neue Worte zu christianitas in Bezug setzen. Jedoch ist zu erkennen, dass es auch einige sich wiederholende Formen gibt, die sich zusammenfassen lassen. Hierbei ist zu konstatieren, dass sich einige Stellen wortwörtlich wiederholen, mithin Abschriften sind, was entweder auf reine Traditionsbildung schließen lässt – bekanntermaßen gab es Schriftsteller wie Ennodius, die »mehr bewahrt als geschätzt« wurden84 – oder aber um Formen erhöhter Verbreitung, womit diesen Stellen eine höhere Wertigkeit gegenüber einmal vorkommenden Formulierungen zukommt.85 Häufig kommen Ausdrücke des Bezeichnens vor: nomen/titulum/vocatio/vocabulum christianitatis; häufiger sind auch Ausdrücke, die sich auf den Glauben oder die Glaubensausübung beziehen: fides/mysterium/cultus/gratia/pax/doctrina/regula/ praeceptor/officia/opera/trinitas/actus. Dieses theologisch relevante Wortfeld ist dem Vorkommen von christianitas in der theologischen Literatur geschuldet und insofern nicht weiter verwunderlich. Eine frequente Fügung stellt die adverbiale Bestimmung dar, die selbst im Ablativ stehend christianitas als Bezugswort enthält. Mit Ausdrücken wie simulatione christianitatis (13.29), professione christianitatis (11.27; 54.107), sub occasione christianitatis (14.30, 42.101), obtentu christianitatis (4.26; 52.99; 52.100; 74.168 – 169), sub praetextu christianitatis (4.80; 52.102), fervore christianitatis (116.224) wird eine Handlung in Hinblick auf christianitas näher spezifiziert oder legitimiert, indem ein Grund angegeben wird. In diesen Fällen tritt christianitas als eigenständiges Substantiv auf, während es in vielen anderen Fällen auch die Funktion des Adjektivs christianus annehmen kann, wodurch die hohe Anzahl an Genitivverwendungen zustande kommt. Die bereits zu Beginn des Kapitels vorgestellte grammatische Äquivalenz zwischen christianitas im Genitiv und dem Adjektiv christianus ist an Formulierungen wie religio chris83 In der ersten Phase lassen sich 38 unterschiedliche Wortverbindungen ausmachen: Mehr als zweimal kommen nur nomen christianitatis (5-mal), mysterium christianitatis und invidus christianitatis (4-mal) sowie fides christianitatis (3-mal) vor. Auch in der zweiten Phase sind es 40 verschiedene Wortverbindungen, von denen nur 14 aus der ersten Phase stammen. In der dritten Phase sind es immerhin noch 25 verschiedene Wortverbindungen bei 34 Belegen und 14 Wiederholungen. 84 So Brunhölzl, (Art.) Ennodius, Sp. 2016. Schröder, Bildung, S. 53 – 63, hat sich bemüht, das negative Bild der Literaturgeschichte von Ennodius zurechtzurücken. Zu Ennodius siehe hier Kapitel VI.1. 85 Dies ist vor allem hinsichtlich Augustinus der Fall, wie in Kapitel I.3 bereits erwähnt, gilt aber auch für die Dionysiana, siehe Kapitel IV.2.

Verwendungen und Verwendungsmuster

61

tianitatis (6.12), fides christianitatis (7.18), lex christianitatis (46.88;49.96); affectus christianitatis (51.98; 52.103) oder eben nomen christianitatis (5.11) festzumachen. In diesen Fällen spräche die Sprachökonomie für einen adjektivischen Gebrauch, wenngleich immer die Möglichkeit gegeben ist, christianitas hier auch mit Christentum zu übersetzen und damit auf das Ensemble von Glaubenssätzen und Kulthandlungen zu verweisen. In weiteren syntaktischen Zusammenhängen wird die Grundbedeutung »christlich« zu »Christlichkeit« substantiviert. Ein Indikator hierfür sind weitere Substantive, die Eigenschaften beschreiben wie pietas (41.79), prudentia (40.77), providentia (63.118), caritas (76.175) und die im engeren Kontext zu christianitas auftreten. Ein zweiter Indikator stellt die Personalisierung von christianitas durch ein direkt vom Substantiv abhängiges Personalpronomen dar. Diese Auszeichnung kommt zwar bereits in der ersten Phase vor (22.55; 32.68; 48.94), hat aber ihren eindeutigen Schwerpunkt in der zweiten Phase. Im Genitiv stehend bildet christianitas dann eine Wortgruppe mit einer weiteren Eigenschaft, wie z. B. studium vestrae christianitatis (56.109), vestrae christianitatis sinceritas (59.112), christianitatis vestrae meritum (63.118).86 Eine Tendenz wird sichtbar, wenn man diese Wortfügung in anderen Kasus ebenfalls heranzieht. Relativ spät in der zweiten Phase kommen Wendungen vor, in denen vestra christianitas dann in anderen Kasus steht (83.186; 88.194; 92.199; 95.202) und zudem noch mit weiteren Adjektiven versehen wird (vestra gloriosa christianitas; 80.181/ excellentiae uestrae christianitate; 86.19187). Diese Verwendung ist auch in der dritten Phase weiterhin zu verzeichnen (102.209; 103.210; 106.213), womit sich ein Verwendungsmuster vestra christianitas/»Eure Christlichkeit« ausmachen lässt, das selbst wiederum Abwandlungen erfährt, wie das Aufkommen von nostra (100.207) und sua (115.223) in diesem Kontext aufweist. Da es mit der brieflichen Kommunikation der späteren Spätantike zusammenhängt, wird dem Muster in Kapitel VI nachzugehen sein. Im Zuge der Attributierung von christianitas mittels eines Personalpronomens fällt als nächstes das verhältnismäßig seltene Auftreten von Adjektiven mit christianitas auf. Während das Verwendungsmuster »vestra christianitas« durch gloriosus (103.210; 134.247) zuweilen verstärkt wird, kommen andere Adjektive selten vor. Dabei handelt es sich für die ersten Phase um omnis (3.4; 3.7; 8.2288), catholica (10.25), sincera (25.59), vera (28.64), veneranda (4.80) und tota (4.82; 50.97). In der zweiten Phase treten in drei von insgesamt 109 Stellen Adjektive auf. Einmal wiederholt sich totius christianitatis (104.211); ansonsten sind es 86 Siehe auch 77.176; 78.177; 90.196. 87 Siehe auch 87.192; 88.193. 88 Ein Sonderfall, weil omne hier Akkusativ und Subjekt des AcI ist, während christianitatis zwar ein Genitivus qualitatis ist, diese Konstellation in der deutschen Übersetzung aber zu alles Christliche/alles Christentum umgekehrt wird.

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Reden mit christianitas in der Spätantike

summae christianitatis (109.216) und sanctae christianitatis necessaria (114.222). Solche Ausdrücke stehen ganz offensichtlich abseits der gepflegten Semantik. Auf die Wendung vestra christianitas geht auch der erhöhte Wert für Satzglieder mit christianitas im Ablativ zurück, nämlich sechsmal, während weitere neun Verwendungen in einem einzigen Werk anzutreffen sind. Auf dasselbe Werk gehen ebenfalls zehn Verwendungen mit christianitas als Akkusativobjekt zurück; außerdem enthält das Werk drei Wendungen mit christianitas als Subjekt und als Dativobjekt. Bei diesem Werk kann es sich angesichts der Masse an Belegstellen nur um die Historia ecclesiastica tripartita handeln, die mit zwölf Genitivverwendungen eine Umkehr gegenüber dem allgemeinen christianitasGebrauch präsentiert und diesen stattdessen diversifiziert. Besonders sticht hervor, dass allein durch dieses Werk 17 neue Wortfügungen gegenüber der ersten Phase hinzukommen, in denen christianitas als Subjekt oder Objekt auftritt. Vor allem für die zweite Hälfte der ersten Phase kommen Wendungen wie (ad/in/Ø) christianitatem credere (19.38), convertere (20.39), demonstrare (28.64), sectare (4.83), profiteri (45.87), suscipere (46.89), intellegere (48.93) oder aber in christianitate oboedire (20.41) auf. Diese Wendungen machen deutlich, dass christianitas meist als christlicher Glaube bzw. christliche Lehre zu verstehen ist, den bzw. die man glauben, erkennen, zeigen, anhängen, annehmen kann, zu dem bzw.zu der man sich bekennen, dem man gehorchen oder zu der oder dem man sich hinwenden kann. Dieses Set an Aussagemöglichkeiten wird in der zweiten Phase deutlich erweitert, vor allem durch Verben des Hinzukommens oder Verlassens,89 doch stellt sich die Frage nach dem Erfolg dieser neuen Wendungen. Inwieweit haben diese neuen Formen das Reden mit und nun auch über christianitas beeinflusst? Dies wird Gegenstand des Kapitels V, zumal auch hier unter den insgesamt sehr wenigen Verwendungen einige neue Wortfügungen sind. Dabei handelt es sich um solche Wendungen wie contra christianitatem nostram gerere (100.207) oder quamdiu christianitas vigeat (125.237) und besonders origo et caput totius christianitatis (104.211),90 wobei zu klären sein wird, ob diese Formulierungen das Set der Aussagemöglichkeiten bereicherten oder nur Versuche blieben, das Wort auch in anderen Zusammenhängen sinnvoll einzusetzen. Die Formulierungen in der dritten und letzten 89 Hierbei handelt es sich um (ad/in/Ø) christianitatem invitare (73.136) relinquere (73.140) reducere (73.146), derseruere (73.150), perducere (73.152), devocare (73.157) festinare (73.158) mutare (73.160), dilatare (73.162) fingere (73.164) sowie christianitati derogare (73.132 – 134), a christianitate revocare (73.135; 73.139); christianitate gaudere (73.141), privare (73.151), pro christianitati oriri (73.144); a christianitate respuere (73.155); pro christianitate sustinere (73.165), in christianitate permanere (73.167). 90 Diese Formulierung hat bereits Rupp, L’id¦e, S. 17, als trügerisch bezeichnet, da sie noch keinen sozialen Sinn getragen habe.

Verwendungen und Verwendungsmuster

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Phase fallen besonders auf, weil ansonsten bekannte Ausdrücke aus den beiden vorigen Phasen dominieren: cultum christianitatis (137.253), regula/doctrina christianitatis (124.236; 135.251); nomen/vocabulum/titulum christianitatis91, tempora christianitatis (130.243), vestra christianitas.92 Da sich diese letzte Phase bereits aufgrund der sprachgeschichtlichen und gesellschaftlichen Veränderungen deutlich von den anderen beiden absetzt, scheint es sinnvoll, hier nach Beständigkeit und Transformation von Wortgebrauch zu fragen, um damit schließlich zur Karolingerzeit überleiten zu können. Aus diesem Überblick ergeben sich bereits einige Verwendungsmuster, die auf unterschiedliche Bedeutungen verweisen. Hierzu sind aber die Kontextualisierungen der Quellen nötig, um hier verlässlichere Aussagen zu machen, da – wie bereits an invidus zu sehen – einzelne Vokabeln zwar häufig in einer Wortstatistik zu christianitas auftreten, aber nicht klar ist, ob die Häufigkeit auf Repräsentativität schließen lässt. Ähnliche Bedenken muss man wiederum bei Quellen haben, die diverse unterschiedliche grammatikalische Wendungen aufweisen und damit dem Gesamtbild widersprechen. Daher soll hier der Versuch unterbleiben, allein aus lexikalischen und syntaktischen Befunden eine Übersicht über die verschiedenen Bedeutungen von christianitas gewinnen zu wollen. Dies wird Aufgabe der einzelnen Kapitel sein.

91 Siehe 105.212; 119.227; 129.242; 131.244; 134.249. 92 Siehe 102.209; 103.210; 106.213; 110.218; 113.221; 121.229 – 231; 122.233; 123.234; 133.245; 133.246; 134.248.

II.

Wahre und falsche Christen

Die Vokabel christianitas war ein Kind des theologisch hochdynamischen 4. Jahrhunderts. Sie fand überwiegend in der exegetisch-katechetischen Literatur Gebrauch, aber auch in den theologischen Streitschriften. Außerdem begleitete sie auf lexikaler Ebene häufig theologisch bedeutsame Worte wie mysterium, lex, fides, caritas und spes. Da für Jean Rupp diese Zusammenhänge offenbar nichts zum christianitas-Konzept beizutragen hatten, hat er sich nicht lange mit der Patristik aufgehalten.1 Durch seine Fokussierung auf das politische Konzept geriet die theologische Dimension des Wortgebrauchs ins Abseits. Andere spitzten dies dahingehend zu, dass christianitas keine nennenswerte theologische, wohl aber eine bedeutende politische Rolle gespielt habe.2 Mag dies für das späte Mittelalter zutreffen, so weist die Lexik im Umfeld von christianitas für die Spätantike in eine andere Richtung. Im Folgenden wird die theologische Dimension von christianitas erörtert. Wie, zu welchen Gelegenheiten und in welchen Zusammenhängen wurde die Vokabel eingesetzt? Dabei wird der Schwerpunkt auf die katholischen, oder besser nizänischen Geistlichen und theologischen Schriftsteller gelegt, bevor im nächsten Kapitel konkurrierende Verwendungen von Nicht-Nizänern untersucht werden. Über die Schriften der Nizäner lassen sich ansatzweise Kommunikationssituationen nachzeichnen, die Aufschluss darüber geben können, inwiefern der Gebrauch mit den theologischen Diskussionen des 4. und 5. Jahrhunderts zusammenhängt. Die Verteilung nach Textgenres hat bereits gezeigt, dass die Verwendung von christianitas in der theologischen Literatur stark zurückging, sich aber in der Exegese halten konnte. Hieraus resultieren die Fragen, ob es zur Stabilisierung von Verwendungsmustern kam, und welchen Einfluss dies auf das mit christianitas Sagbare hatte. Zum Einstieg ist zudem die Frage nach dem Verhältnis von christianitas zu christianismus zu beantworten.

1 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 8 – 13. 2 Vgl. Seckler, (Art.) Christentum, Sp. 1107.

66

1.

Wahre und falsche Christen

Verwandte Worte: christianismus – christianitas

Die Vokabel christianismus wurde dem griechischen xqistiamislûr nachgebildet. Sie übernahm dessen Bedeutung als das auf Jesus Christus ruhende Glaubens- und Kultsystem. Ignatios von Antiochien hatte xqistiamislûr dem Youdazsl|r (Judaismos) nachgebildet, um eine Bezeichnung zur Hand zu haben, die den Unterschied zwischen Juden und Christen markieren sollte, und gleichzeitig Chancen hatte, von seinem Publikum so verstanden zu werden.3 Die semantische Abhängigkeit der einen von der anderen Vokabel wird im Brief an die Gemeinde von Magnesia sichtbar : »Es ist nicht am Platz, Christus Jesus zu sagen und jüdisch zu leben. Denn das Christentum ist nicht zum Glauben an das Judentum gekommen, sondern das Judentum (zum Glauben) an das Christentum, zu dem jede Zunge, die an Gott glaubte, gebracht wurde.«4 Die morphologisch fast unveränderte Übertragung des Wortes ins Lateinische kann als erster Versuch gedeutet werden, den lateinischen Christen eine Selbstbeschreibungsvokabel der griechischen Christen zu erschließen, ohne sie zusätzlich mit neuer Bedeutung aufzuladen. Denn als Tertullian christianismus nutzte,5 führte er die antagonistische Komplementarität von Christentum und Judentum auf sprachlicher Ebene fort. Bis auf eine Ausnahme trat christianismus immer mit iudaismus auf. Augenscheinlich war der Gebrauch von christianismus an iudaismus gebunden, konnte offenbar ohne seinen Widerpart nicht funktionieren.6 Damit aber ergab sich jedoch eine wahrscheinlich nicht-intendierte semantische Verschiebung, weil die griechische Form keinesfalls eng an Youdazsl|r gebunden war und ohnehin sehr viel häufiger eingesetzt wurde als das lateinische Pendant.7 3 Dieser Ausdruck war aus den Makkabäerbüchern der Septuaginta und dem Galaterbrief bekannt. Vgl. Van Engen, Christening, S. 7. 4 Vgl. Ignatios, ep. 2,10,3 (recensio media), (SC 10), S. 104: %top|m 1stim, YgsoOm Wqist¹m kake?m ja· Qouda@feim. j c±q Wqistiamisl¹r oqj eQr Youdazsl¹m 1p_steusem, !kk’ Youdazsl¹r eQr Wqistiamisl|m, eQr dm p÷sa ck_ssa piste}sasa eQr he¹m sum^whg. Einen Überblick zur verworrenen Geschichte der Ignatios-Briefe bietet Prostmeier, (Art.) Ignatius, S. 346 – 348. 5 Markschies, Christentum, S. 29 ist darin zuzustimmen, dass man vorsichtig mit Aussagen darüber sein sollte, ob Tertullian für die Entlehnung verantwortlich war. Umstritten ist, ob er Begriffe wie trinitas selbst gebildet oder vorhandene Ausdrücke nur durch seine Verwendung geprägt hat. 6 Interessanterweise hat Tertullian sehr viel häufiger von iudaismus als von christianismus gesprochen, sodass es wirkt, als habe iudaismus nicht seines Widerparts bedurft, wie es für christianismus der Fall war. Eine Abfrage zum entsprechenden Suchwort J/Iudaism* in der LLT ergab 23 Treffer in 5 Werken. 7 Aufschluss hierüber gibt der TLG, die für xqistiamislûr für den Zeitraum bis 430 (letzter berücksichtigter Schriftsteller Nestor) 457 Treffer bei 31 Autoren in 72 Werken bietet (zum Vergleich: im selben Zeitraum gibt es 85 christianitas-Stellen von 43 Autoren). Im selben Zeitraum finden sich für Youdazsl|r 208 Treffer (28 Autoren, 84 Werke). Aber nur in etwa 10 Prozent (21 Treffer, 10 Autoren, 19 Werke) finden sich beide Ausdrücke in mittelbarer

Verwandte Worte: christianismus – christianitas

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Wie Ignatios nutzte auch Tertullian christianismus für apologetische Zwecke. Beide wollten mit dem Wortpaar die Überlegenheit des Christentums über das Judentum rechtfertigen. Tertullian argumentierte mit dem paulinischen Gedanken, dass das wahre Israel durch Gottes Verheißung und Gnade und nicht auf der reinen Befolgung des (jüdischen) Gesetzes begründet sei. Wie der Apostel in Röm 9,12 operierte Tertullian mit Gen 25,23, wo Gott Rebekka erklärte, dass die Zwillinge in ihrem Leib zwei Völker begründen werden und der Ältere dem Jüngeren dienen solle.8 Tertullian rechtfertigte das Christentum mit der Geschichte Abrahams und seinen Söhnen Ismael und Isaak. Das Christentum sei wie Isaak, der versprochene Sohn geboren von der freien Sara, das Judentum wie Ismael und dessen Mutter Hagar, Sklavin Abrahams, zu Recht dienend. Denn das Judentum sei dem Gesetz unterworfen, das Christentum dem Evangelium; wo das eine ende, beginne das andere und führe zum Reich Gottes, wie es im Evangelium enthalten sei.9 Diese Aussagen formulierte Tertullian in seiner Streitschrift Adversus Marcionem (Adv. Marc.), als er Deutung und Umgang seines Gegners Marcion mit den Evangelien und den Paulus-Briefen zu widerlegen suchte.10 Tertullians Gebrauch wurde rezipiert, die Theologen benutzten Nähe. Darüber hinaus vgl. Van Engen, Christening, S. 8 – 14, der auf die Alltäglichkeit des Ausdrucks im griechischen Raum hinweist. 8 Vgl. Schreckenberg, Adversus-Judaeos-Texte, Bd. 1, S. 222. 9 Tertullian, Adversus Marcionem IV,6,3 (CCSL 1), S. 552: Inter hos magnam et omnem differentiam scindit, quantam inter iustum et bonum, quantam inter legem et euangelium, quantam inter iudaismum et christianismum; ebd., IV,33,8 [S. 634]: Quasi non et nos limitem quendam agnoscamus iohannem constitutum inter uetera et noua, ad quem desineret iudaismus et a quo inciperet christianismus, non tamen, ut ab alia uirtute facta sit sedatio legis et prophetarum et initiatio euangelii, in quo est dei regnum; ebd., V,4,8 [S. 673]: Si enim abraham duos liberos habuit, unum ex ancilla et alium ex libera, sed qui ex ancilla carnaliter natus est, qui uero ex libera per repromissionem, […]: unum a monte sina in synagogam iudaeorum secundum legem generans in seruitutem, alium super omnem principatum generans uim dominationem et omne nomen quod nominatur, non tantum in hoc aeuo sed et in futuro, in quam repromisimus sanctam ecclesiam, quae est mater nostra – ideo que adicit: propter quod, fratres, non sumus ancillae filii, sed liberae, utique manifestauit et christianismi generositatem in filio abrahae ex libera nato allegoriae habere sacramentum, sicut et iudaismi seruitutem legalem in filio ancillae, atque ita eius dei esse utramque dispositionem, apud quem inuenimus utriusque dispositionis deliniationem; ebd., V,6,10 [S. 681]: Et numqui non ipse tunc paulus destinabatur, de iudaea, id est de iudaismo, auferri habens in aedificationem christianismi, positurus unicum fundamentum, quod est christus? Die einzige Stelle für christianismus außerhalb von Adv. Marc. findet sich in einer ebenfalls antihäretischen Schrift: Tertullian, Praescr. 7, 11 (CCSL 1), S. 193. 10 Das antagonistische Paar christianismus – iudaismus stammte somit nicht aus Adversus Judaeos, einem Traktat, den Tertullian nach den Worten Heinz Schreckenbergs zum Archegeten der lateinischen Adversus-Judaeos-Texte gemacht hatte. Hier hatte Tertullian zwar nicht dasselbe Vokabular gebraucht, aber das Verhältnis von Christentum und Judentum ebenfalls unter dem Gesichtspunkt von Alter und Neuheit thematisiert. Vgl. Tertullian, Apol. 21 (CCSL 1), S. 122 – 128, siehe Conzelmann, Heiden – Juden – Christen, S. 307. Schreckenberg, Adversus-Judaeos-Texte, Bd. 1, S. 216, charakterisierte Tertullians Einstellung als »eher maßvoll und ohne besonders betonte Polemik«.

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nach ihm christianismus in seinem Sinne. In den Pauluskommentaren des Marius Victorinus, des Ambrosiaster und des Hieronymus (347/48 – 420) wie auch in der Streitschrift Contra Faustum des Augustinus (354 – 430) und in dessen Lehrschrift De spiritu et littera trat die Vokabel fast immer mit iudaismus und/ oder mit lex/disciplina iudaica auf. Zu den entscheidenden Merkmalen gehörte die wiederholte Abgrenzung des christlichen Gesetzes, das auf dem Evangelium ruhe, von dem auf Moses gründenden Gesetz.11 Marius Victorinus wiederholte das Motiv der Christen als Kinder der freien Sara.12 Jedoch stammt Adv. Marc. aus jener Zeit, als Tertullian zum Montanismus gewechselt war, was seine Rezeption deutlich schmälerte. Schriftsteller wie Hieronymus oder Marius Victorinus lasen Tertullian weiterhin, andere wie Augustinus sahen in ihm einen Häretiker.13 Es mag demnach an der janusköpfigen Gestalt Tertullians gelegen haben, dass der christianismus-Gebrauch zum Ende des 4. Jahrhunderts rapide abnahm und auch in der Folge nicht entscheidend wiederlebt wurde. Die Vokabel christianitas wurde indes rasch geläufiger als christianismus: Bis zum Jahr 500 lassen sich im selben Quellenmaterial dreimal mehr christianitas- als christianismus-Stellen ausmachen.14 11 Vgl. Marius Victorinus, Com. ad Gal I,2,4, I,2,21, II,4,9, II,4,30 (CCSL 83,2), S. 114, S. 125, S. 144 f., S. 156 f. Ambrosiaster, Com. ad Rom, prol. u. 7,3 (CSEL 81,1), S. 6 u. S. 212, ders., Quaestiones, q. 3 cap. 4 (CSEL 50), S. 24; Augustinus, C. Faust, lib. 13,1 (CSEL 25,1), S. 377; Augustinus, De spiritu et littera, cap. 13,21 (CSEL 60), S. 173; Hieronymus, Com. ad Gal. lib. 3, in: PL 26, 457; Ps.-Augustinus, Liber altercationum, disp. 4, 2486 (CCSL 58A), S. 278: Reuocare possit uxorem suam a christianismo. Dies sind alle Quellen zu christianismus, denn obgleich die PL in Bd. 8 christianismus-Passagen in der lateinischen Fassung der Vita Constantini des Eusebius führt, ist diese nicht zu berücksichtigen, weil die gebotene lateinische Fassung verdächtig ist. Denn die einzige bekannte lateinische Übersetzung stammt von John Christopherson, Bischof von Chichester (gest. 1558). Siehe Winkelmann, Leben, S. XXXIV; Berschin, Mittelalter, S. 107. 12 Vgl. Marius Victorinus, Com. ad Gal II,4,30 f. (CCSL 83,2), S. 156 f.: Ergo vos quoque, quia adiunxistis observantiam legis secundum carnem ut facilius heredes esse possitis, estote filii liberae, id est Christianismum solum legem que Christi atque evangelium in Christum suscipite nihil que quasi ex ancillae filio habetote, id est sequimini Iudaicae disciplinae. Ergo, fratres, non sumus ancillae filii, sed liberae. 13 Bezeichnenderweise stellt die einzige christianismus-Stelle in De civitate Dei eine Übersetzung aus dem Griechischen dar, da Augustinus eine Passage seines Gegners, des heidnischen Philosophen Porphyrius, zitierte. Der Kirchenvater nutzte das Wort also nicht selbst. Vgl. Augustinus, De civ. Dei, 19,23 (CCSL 48), S. 690. Im Übrigen ist auch christianitas in diesem Schlüsselwerk für die europäische Ideengeschichte vollständig abwesend, worauf in Kapitel III eingegangen wird. 14 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die absoluten Zahlen unter 100 bleiben. Da bereits eine sehr große Quellengrundlage gewählt wurde, mahnen solche Größenordnungen zur Vorsicht bei Aussagen über Frequenz oder gar Verbreitung eines Sprachgebrauchs, der sich theoretisch über das gesamte Euromediterraneum erstreckte. Die Abfrage in der PL ergab für die Bände 1 – 64 (also bis Boethius) 30 Einträge zu christianism* in 14 Werken (5-mal in zwei Werken Tertullians; 4-mal in Eusebius’ Vita Constantini (aber siehe oben Anm. 11), einmal im Brief eines gewissen Julius an die Antiochener ; 4-mal in Marius Victorinus’ Paulus-

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Wahrscheinlicher ist aber, dass christianismus zu eng mit der apologetischen Abgrenzung gegenüber dem Judentum konnotiert war, um auch in anderen Zusammenhängen einsetzbar zu bleiben. Die fortschreitende Christianisierung des Römischen Reiches brachte auch auf sprachlicher Ebene neue Bedürfnisse, für die christianismus offenbar nicht brauchbar schien. Der morphologisch verwandte Ausdruck christianitas trat zu christianismus hinzu. Während christianismus durch die Übertragung aus dem Griechischen ohnehin sicherlich nur in einem kleinen Kreis bekannt war, kam christianitas aus der Alltagssprache und fand erst später seinen Weg in den schriftlichen christlichen Diskurs.15 Das belegen fünf der frühesten Quellen für den Wortgebrauch, die sich zudem noch untereinander sehr unterscheiden. Die Kaiser Valentinian I. (364 – 375) und Valens (364 – 378) nutzten in einem Edikt von 364 (CTh 14.3.11; 4.8) die Formulierung privilegium christianitatis in einer Weise, die nahelegt, dass das Wort bereits so bekannt war, dass es weder erklärt werden musste, noch zu fremd erschien, um in die Begründungslogik eines Rechtsbeschlusses aufgenommen zu werden.16 In dem um 363 verfassten ersten lateinischen Kommentar der Paulusbriefe aus der Feder des Marius Victorinus (3.3 – 3.8) kam nicht nur viermal christianismus, sondern auch fünfmal christianitas vor. Der in Rom zu höchsten Ehren gelangte Rhetor, Grammatiker, Philosoph und Pädagoge formulierte bewusst volksnah, um seine Zielgruppe zu erreichen.17 In einfachen, kurzen Sätzen legte er die Botschaft der paulinischen Worte aus.18 Ihm lag daran, nicht nur die christliche Lehre zu verbreiten, sondern auch deren Verständnis unter den Menschen zu vertiefen. Er verwendete christianismus im oben beschriebenen Sinne; christianitas hingegen nutzte er an zentralen Punkten, in denen es um die Verwirklichung einer christlichen Lebenspraxis ging. Damit wird bereits das semantische Eigenleben von christianitas sichtbar, das sich auch

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kommentar ; 2-mal im Liber de synodis des Hilarius von Poitiers; Ambrosiasters Kommentar zum Römerbrief enthält drei Treffer ; Hieronymus’ Kommentar zum Galaterbrief einen; fünf Treffer in vier Werken des Augustinus; drei Treffer im Buch Leos I. über die Manichäer). Das Ergebnis deckt sich mit der Abfrage in der LLT (1. bis 5. Jh.): Die insgesamt 19 Treffer verteilen sich auf Tertullian (5 Treffer), Marius Victorinus (4) Ambrosiaster (5), Augustinus (4) und Hieronymus (1). Beim Abgleich der Datenbanken ergeben sich 32 Nennungen. Diesen stehen 85 Nennungen für christianit* gegenüber, die sich eindeutig identifizieren lassen; weitere 11 Dubia komplettieren das Feld. Vgl. Van Engen, Christening, S. 15, der aber keine Gründe für seine Vermutung angibt. Hierzu mehr in Kapitel IV.1. Vgl. Hadot, Marius Victorinus, S. 308. Über Leben und Zeit des Marius sowie die schwierige Bestimmung seiner Konversion unterrichtet Cooper, Victorinus’ Commentary, S. 15 – 40; zur Philosophie bei Marius siehe Baltes, Marius Victorinus. Erdt, Marius, sowie Clark, (Art.) Marius Victorinus, S. 165 – 169. Nach Souter, Latin Commentaries, S. 28, hat Marius in den Kommentaren klarer und offener formuliert als sonst üblich, »but here he has clearly made an effort to write more plainly, more down to the level of the ordinary educated Christian.«Vgl. auch Hadot, Marius Victorinus, S. 290.

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in den drei nicht sicher zu datierenden Quellen zu erkennen gibt. Diese zeigen auch, dass Marius Victorinus den Neologismus nicht erfunden haben wird.19 In der Passio S. Typasii, der Leidensgeschichte eines ehemaligen Soldaten, der sich der erneuten Einberufung verweigert hatte, zeigt die Formulierung christianitatis religio wie die Vokabel als Adjektiv genutzt wurde, indem es die religio als christliche Glaubensgemeinschaft markierte.20 Dabei kann es sich gut um eine mündliche Formulierung handeln, denn der Aufbau des Textes wie auch sein Sprachniveau sprechen dafür, dass hier eine Erzählung verschriftlicht wurde. Eine ähnlich direkte Sprache kennzeichnet auch die beiden Schriften des sogenannten Pseudo-Cyprian (Mitte 4. Jh.).21 Dieser wandte sich unmittelbar an Personen und erteilte Ratschläge. Einmal tröstete er einen gewissen Turasius über den Schmerz des Todes hinweg (1.1). Ein anderes Mal forderte er die gewissenhafte Befolgung der Religion, weil sonst die Christlichkeit für Trug gehalten werde und sexuelle Ausschweifungen in den Mantel der Heiligkeit gekleidet erscheinen würden (2.2). Das Wort christianitas wurde demnach auf verschiedene Weise in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt, ohne definiert oder problematisiert zu werden. Offenbar nahmen die Verwender an, ihre Zuhörer würden dieses Wort schon verstehen. Die Diversität des Gebrauchs zeigt

19 Dies hätte nahegelegen, weil sich Marius Victorinus durch seine stark platonisch geprägte Deutung der Dreifaltigkeit einen Namen erworben, aber auch das christliche Vokabular im Lateinischen stark erweitert hatte , womit er das abendländische Denken prägen sollte. Bei der Weiterentwicklung der christlichen Begriffssprache nutzte er für die Übersetzung griechischer Termini die Substantivierung auf -tas wie essentitas (von essentis) für Sein und Seinshaftigkeit sowie vita und vitalitas für Leben und Lebendigkeit. Vgl. Schulz-Flügel, 10.1 Marius Victorinus, S. 116 f. Hadot, Marius Victorinus, S. 309 ist kritisch, »il ne recule pas davant les n¦ologismes et les hardiesses de syntaxe. […] son style, souvent incorrect, peu travaill¦, trahit la spontan¦tie¦ de l’¦crivain, Victorinus ne r¦lit pas, ne se corrige pas.« Vgl. Ziegenaus, (Art.) Marius Victorinus, S. 487 f. Marius hat Boethius, Cassiodor und Isidor beeinflusst. Augustinus hat in seinen Confessiones ausführlich von ihm berichtet, Vgl. Augustinus, Conf. VIII.2.3 – 5. Vgl. Markus, End, S. 28 f. 20 Die Deutung von christianitatis religio ergibt sich aus der zeitlichen Angabe »zu Zeiten der Kaiser Diokletian und Maximian«, der quantitativen Angabe, dass die religio klein gewesen sei und durch den Zusammenhang zu den Kriegen im Reich: In temporibus Diocletiani et Maximiani imperatorum parva adhuc christianitatis religio fuerat et per universam propemodum terram bella surrexerant (6.12). Herzog, Restauration, S. 23; Monceaux, Êtude, S. 267 – 274. 21 Nimmt man wie Gasparro, L’Epistula Titi, die These von Adolf von Harnack, Traktat, ernst, dann wird es sich bei Pseudo-Cyprian um den Donatistenbischof Macrobius gehandelt haben. Herzog, Restauration, S. 503 zieht die Deutung von Koch, Cyprianische Untersuchungen, S. 421 – 472 vor, wonach die Schrift de sing. cler. in das ausgehende 3. Jahrhundert zu datieren wäre, weil sie noch viel Duldsamkeit gegenüber verehelichten Priestern aufweise, wohingegen auf dem Konzil von Nizäa 325 die Verehelichung abgelehnt worden war. Einer solchen Sicht widerspricht aber der christianitas-Gebrauch, da sich kein sicher zu datierender Gebrauch vor 363 findet.

Verwandte Worte: christianismus – christianitas

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auch, dass es noch nicht zu einer Verfestigung des Wortgebrauchs gekommen war. Trotz des semantischen Eigenlebens war christianitas ein brauchbares Synonym für christianismus. Immer wieder wurden griechische Texte ins Lateinische übersetzt. Ab und zu trat christianitas an die Stelle von christianismus, wenn nicht gleich andere Umschreibungen genutzt wurden.22 Denn nur in wenigen Fällen ist die synonyme Verwendung zu beobachten: Neben dem erweiterten Brief des Ignatios von Antiochien an die Magnesier (19.37 – 38) sind hier das Martyrium desselben Ignatios (20.39 – 41), das Hexaemeron, also die Schöpfungsgeschichte, des griechischen Kirchenvaters Basilius des Großen (13.29) sowie die lateinische Fassung einer Predigt des Patriarchen Nestorius von Konstantinopel (43.85) zu nennen. In diesen Fällen übernahm christianitas die semantischen Merkmale von christianismus: Als Ersatz diente es dazu, die christliche Glaubens- und Kultgemeinschaft gegenüber dem Judentum sprachlich abzugrenzen und fassbar zu machen, aber auch die eigene Existenz zu rechtfertigen und diese dem Judentum gegenüber als höherwertig zu markieren.23 Dabei wurden inhaltlich zwei weitere Punkte berührt: die Natur Christi und dem aus Sicht der nizänischen Theologen verwerflichen scheinbaren Bekenntnis zum Christentum. Im Schlusskapitel der neunten Homilie zum Hexaemeron hatte der griechische Kirchenvater Basilius von Caesarea (gest. 379) den noch zurückhaltenden Ton bei Ignatios und Tertullian gegenüber den Juden deutlich verschärft. Er beschimpfte sie, Feinde der Wahrheit zu sein, weil sie nicht einsehen wollten, dass Gott bereits in der Schöpfungsgeschichte zu seinem Sohn gesprochen habe.24 Basilius wird diese Homilie sicherlich nicht vor anwesenden Juden vortragen haben. Diese konnten gleichwohl die Adressaten der Predigt gewesen sein, vor allem jene Anhänger Christi, die sich noch nicht ganz vom Judentum getrennt hatten. Ihnen rief Basilius zu, nicht weiter dem jüdischen Kultus an-

22 Umschreibungen müssen der Regelfall gewesen sein. So haben z. B. Hieronymus und Rufinus laut LLT in ihren Übersetzungen keinen Gebrauch von christianismus oder von christianitas gemacht. 23 Wohl beiläufig und sicherlich nicht intendiert erhielt christianitas jene theologische Definition, die in der griechischen Fassung für xqistiamislûr vorgesehen war : christianitas sei nämlich die Kenntnis des wahren Gottes und seines eingeborenen Sohnes nach dessen Fleischwerdung. Christianitas enim veri Dei cognitio et ungeniti fili et secundum carnem conversationis eius (20.40) aus dem Martyrium des Ignatios, der sich gegenüber Kaiser Trajan für seine christliche Missionstätigkeit in Antiochien und Syrien rechtfertigen musste (20.39). Eine gewisse Ausweitung der apologetischen Funktion ist in der Verteidigung des Ignatios gegenüber der römischen Staatsmacht zu erkennen, grundsätzlich blieb es bei der Aufgabe eines Gegenbegriffs zu iudaismus. 24 Basilius, Homilien zum Hexaemeron, S. 158 f.

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zuhängen, wenn sie schon das Christentum angenommen hätten.25 Er warnte vor einer vorgetäuschten Bekehrung und stellte damit wieder Judentum und Christentum gegenüber. An dieser Stelle nutzte der Übersetzer Eustathios christianitas für xqistiamislûr: Ausculta, tu etiam qui de nova circumcisione progrederis, iudaismi cultum sub christianitatis simulatione commendans.13.29) »Höre auch Du, der Du von der neuen Beschneidung voranschreitest, aber dem jüdischen Kult noch unter Vorspiegelung des Christentums anhängst!«26 Damit wiederholte sich das Motiv aus dem Ignatiosbrief, dass ein Lippenbekenntnis zu Christus nicht genüge, es dem Christsein sogar schade. Was Ignatios bereits im 2. Jahrhundert formuliert hatte, klang in der lateinischen erweiterten Fassung (der recensio longior) zum Ende des 4. Jahrhunderts so: Ineptum est enim Iesum Christum lingua tantum proferre, et Iudaismum in animo habere. Non enim Christianitas in Iudaismum credidit, sed Iudaismus in Christianitatem. Omnes denique gentiles aequaliter crediderunt et omnis lingua Christum confessa ad Dominum collecta est, (19.37 – 38). Ungehörig ist es nämlich, Jesus Christus auf der Zunge nur vor sich her zu tragen, im Geiste das Judentum zu haben. Das Christentum hat nicht an das Judentum geglaubt, sondern das Judentum an das Christentum. (Non enim Christianitas in Iudaismum credidit, sed Iudaismus in Christianitatem) Schließlich glauben auch alle Heiden gleichermaßen und jede Zunge, die Christus bekennt, ist zum Herrn gezählt; 27

Die Entscheidung des Übersetzers sagt einiges über das Verhältnis von christianitas und christianismus. Die griechische Vorlage hätte christianismus nahegelegt, doch der Übersetzer griff zu einem anderen Wort:28 Er passte den Text sprachlich seinem Adressatenkreis an, so wie auch der Text durch die nicht auf 25 Einen Überblick zur neuesten Forschung zu den jüdisch-christlichen Beziehungen bietet Williams, Clever Titles. 26 Als Übersetzung zu -joue ja· s» b 1j t/r m]ar jatatol/r, b t¹m Youdazsl¹m pqesbe}ym 1m WqistiamisloO pqospoi^sei. In: Basilius, Homilien zum Hexaemeron, S. 160, Z.1 – 2. Es ist im Übrigen die einzige Stelle in den Homilien, in denen von christianismos die Rede ist. Basilius nutzte Youdazsl¹r wiederum sehr wohl in seinen Briefen und anderen Werken (weitere neun Treffer laut TLG). 27 Der Satz mit christianitas lautet in der recensio longior von ep. 3,10,4: %top|m 1stim YgsoOm Wqist¹m kake?m 1p· ck~ssgr, ja· t¹m paush]mta Youdazsl¹m 1p· diamo_ar 5weim b c±q Wqistiamisl¹r oqj eQr t¹m Youdazsl¹m 1p_steusem, !kk’ b Youdazsl¹r eQr t¹m Wqistiamisl|m, eQr dm p÷m 5hmor pisteOsam ja· p÷sa ck_ssa 1noloko cgsal]mg eQr he¹m sum^whg. Siehe: Patres apostolici, Bd. 2/2, ed. Funk/Diekamp, S. 126 u. S. 128. 28 Es gibt keine Möglichkeit darüber zu urteilen, wer übersetzte, und ob diese Übersetzungen in Konstantinopel oder im griechischen Raum, oder doch eher in Rom angefertigt wurden, wo christianitas auf jeden Fall bekannt gewesen ist.

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Ignatios zurückgehende Erweiterung an das Publikum angepasst wurde. Diese erläuterte die Rolle Christi nochmals und war im Gegensatz zum ursprünglichen Teil deutlich stärker an die Sprache des Neuen Testaments angelehnt. Offensichtlich sollte ein neues, breiteres Publikum angesprochen und mithilfe der Autorität des Kirchenvaters über den christlichen Glauben unterrichtet werden. Hierfür war verständliche Wortwahl wichtiger als übersetzerische Genauigkeit. Es hat den Anschein, als ob christianismus entweder als unverständlich oder aber als zu griechisch und nicht geläufiges Lehnwort galt. Aus wahrscheinlich ähnlichen Gründen entschied sich der Übersetzer einer Predigt des Patriarchen Nestorius von Konstantinopel (428 – 431) ebenfalls für christianitas (43.85). Dank der Übersetzung war es einem rein lateinischsprachigen Publikum möglich, einen aufsehenerregenden Streit nachzuvollziehen: den Streit um die Natur Christi und die Bezeichnung Marias als Gottesgebärerin (heotºjor). In seiner Predigt über die unvermischte Verbindung der beiden Naturen Christi wollte Nestorius die beiden Zustände Christi, die Gottheit und die Menschheit, in Jesus so erklären, dass niemand das Christentum für einen Verehrer (oder genauer : eine Verehrerin) eines Menschen halte: ne quis christianitatem hominis putet esse cultricem (43.85). Diese scheinbar apologetische Formulierung war eine Stellungnahme in einem Streit zwischen verschiedenen Positionen innerhalb der Gemeinde von Konstantinopel. Der theologische Konflikt überlagerte einen kirchenpolitischen Streit um die Besetzung des Patriarchenstuhls. Kaiser Theodosius II. hatte mit der Ernennung des Außenseiters Nestorius versucht, die Faktionenbildung im Konstantinopolitaner Klerus zu umgehen, damit die Streitigkeiten aber nur noch weiter angefacht.29 Denn Nestorius hatte den Streit um seine Person zusätzlich befeuert, indem er gemäß seiner Christologie Maria als Christusgebärerin (Wqistot|jor) und nicht als Gottesgebärerin darlegte.30 Insbesondere Patriarch Cyrill von Alexandrien (412 – 444) bezichtigte Nestorius daraufhin der Häresie und forderte dessen Verurteilung. Auf dem Konzil von Ephesos 431 gelang es dem Alexandriner selbst, Nestorius wegen Irrlehren abzusetzen, zu exkommunizieren und ins Exil zu schicken.31 Die griechischen wie die lateinischen Schriften des Patriarchen wurden geächtet und größtenteils vernichtet.32 Die Übersetzung wird vor der Ächtung seiner Schriften erfolgt sein. Sie wird 29 Vgl. Wickham, (Art.) Nestorius/Nestorianischer Streit, S. 277; Millar, Empire, S. 152 – 167; Ayres, Articulating Identity, S. 450 – 452. 30 Vgl. Nestorius, Sermo II, in: PL 48, 765B: Filium enim Dei peperit Virgo Wqistot|jor : nam quoniam Filius Dei duplex est in naturis, peperit quidem Filium Dei, quia peperit hominem, qui est Filius Dei, propter conjunctum ei Filium Dei. 31 Vgl. Reichert, (Art.) Nestorius, Sp. 629 – 633; Wickham, (Art.) Nestorius/Nestorianischer Streit, S. 276 – 286. 32 Vgl. Wickham, (Art.) Nestorius/Nestorianischer Streit, S. 276 – 286.

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mit seinem Wissen und vielleicht sogar unter seiner Herausgeberschaft entstanden sein. Das bedeutet freilich nicht, dass die Formulierung von Nestor selbst stammen musste, da er wohl des Lateinischen nicht mächtig gewesen ist. Dennoch wäre dieser christianitas-Beleg besonders wertvoll, weil er anzeigt, dass der griechische Osten vom Wortgebrauch im Westen wusste und ihn zu adaptieren verstand.33 Dies spräche für eine weite Verbreitung und Geläufigkeit der Vokabel, sogar für ein Verständnis der Kirche als einer über die Sprachgrenzen hinweg aufgestellten, reichsweiten Einrichtung. Hiernach jedoch finden sich keine weiteren Anzeichen dafür, dass Personen aus dem Ostteil erneut den lateinischen Westen auf diese Weise erreichen wollten.34 Da sich Nestorius offenbar darum bemühte, dass sein dogmatischer Standpunkt auch in Rom gehört und verstanden wurde, kann man sogar erkennen, wie eine theologisch entscheidende Aussage mittels christianitas formuliert wurde. Da Nestorius über das Besetzen von dogmatischen Positionen seine eigene Stellung in der Kirche von Konstantinopel und sicherlich auch in der Gesamtkirche stärken wollte, kann die christianitas-Verwendung einen Versuch darstellen, mittels einer bekannten Vokabel das rechtgläubige Christentum und im Umkehrschluss die Häresie zu definieren. Weil seine theologische wie kirchenpolitische Position aber im Streit mit Kyrill von Alexandrien unterlag, konnte sich aus diesem christianitas-Gebrauch keine Überführung ins theologische Vokabular der Zeit ergeben. Diese Verwendung blieb der einzige Fall, in dem die Vokabel christianitas in das Umfeld der großen theologischen Debatten des 4. und 5. Jahrhunderts rückte.35 Obwohl christianitas von vielen lateinischen Schriftstellern genutzt 33 Eustathius, Ancienne version – siehe auch Basilius, Homilien zum Hexaemeron, S. XIX – Rudberg hat für Eustathius nachgewiesen, dass es sich um einen Italiener handelte, der um 400 eine Übersetzung anfertigte, die er seiner Schwester Syncletia widmete. Die Namen beider Personen deuten auf einen griechischen Hintergrund hin. Dass er die Arbeit seiner Schwester widmete, zeigt an, dass die Übersetzung im lateinischen Umfeld angesiedelt war und daher nichts über die Verwendung von christianitas im Ostteil des Reiches sagen kann. Siehe auch Altaner, Eusthatius. 34 Jedenfalls finden sich in den drei großen Repositorien sowie im TLG keine weiteren Hinweise, die mit der Nestorius-Stelle vergleichbar wären. 35 So der monarchianische Streit – wie die Einheit Gottes und die Trinität zusammengedacht werden können –, der trinitarische – ob Christus Gott untergeordnet oder gleich ist; zugleich der arianische Streit – und der christologische Streit – ob Gottheit und Menschheit Christi in der Person Jesu getrennt sind –, vgl. Hauschild, Lehrbuch, S. 172 – 174 für Nestorius; Chadwick, Church, S. 515 – 612; Ayres, Articulating Identity. Die Streitigkeiten wurden überwiegend auf Griechisch geführt und auf den ökumenischen Konzilen von Nizäa 325 und Konstantinopel 381 behandelt. Die lateinischen, antiarianischen Schriften des Marius Victorinus enthalten keine christianitas. Auf dem Konzil von Chalkedon 451 wurde der pelagianische Streit geklärt, in dem es um die Prädestination und das Verhältnis von menschlicher Freiheit zu göttlicher Gnade ging. Die Lehre des freien Willens des Asketen Pelagius wurde zugunsten der augustinischen Prädestinationslehre verworfen. Auch dieser Konflikt

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wurde, fand nur der Streit um die Deutung Jesu Christi einen sehr schwachen Widerhall, ohne aber dass dieser auf die Christologie zurückgewirkt hätte.36 Auffälligerweise nutzten auch nicht jene christianitas, die sonst in der Theologie- und Kirchengeschichte bevorzugt untersucht werden.37 Es fehlen Hilarius von Poitiers, Ambrosius, Hieronymus, Rufinus, Prudentius, Paulinus von Nola oder Orosius; noch lässt sich für die Päpste Damasus, Innozenz I. oder Leo den Großen ein solcher Gebrauch mit Gewissheit feststellen.38 Selbst für Augustinus gilt, dass er in seinen ersten Amtsjahren als Bischof das Wort zwar in vier Schriften je einmal benutzte, sich nach 402 indes der Vokabel nicht mehr bediente.39

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Der christianitas-Gebrauch führt in die christliche Lebenspraxis, weg von den Höhen des dogmatischen Widerstreits hinein in den Alltag der Christianisierung. Je weiter die Verbreitung des christlichen Glaubens voranschritt, umso mehr Herausforderungen kamen hinzu.40 Immer mehr Menschen wandten sich dem Christentum zu, Bischöfe wie Priester sahen sich einer wachsenden Zahl von Personen gegenüber, die aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten stammten und ihr religiöses Vorwissen aus anderen Kulten mitbrachten. Während sich die einen aus Überzeugung anschlossen, taten es die anderen aus Opportunismus. Umso wichtiger wurden Katechese und Paränese, Lehre und Ermahnung: Wer hinzukam, sollte lernen, was es hieß, Christ zu sein, und nicht mehr von der christlichen Lebensführung abweichen.41 Die Taufe als letzter, ritueller Schritt im Bekehrungsprozess markierte einen Statusübergang:

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schlug sich trotz einer Nennung der christianitas in Pelagius’ Schriften (24.57) nicht im Gebrauch von christianitas nieder. Siehe die zu Beginn von Kapitel I zitierte Aussage Ambrosiasters (5.11) und viel später Salvian von Marseille (48.95). Chadwick, Church, S. 515 – 612. Siehe z. B. Piepenbrink, Identität, die sich auf die Analyse von Texten von Augustinus, Ambrosius und Hilarius konzentriert hat, um damit die »durchschnittlichen« Christen ins Blickfeld zu bekommen. Hier widersprechen sich die Datenbanken der PL und der LLT, was zum einen auf unsichere Zuordnungen der Texte in der PL beruht, zum anderen aber auch daran liegen kann, dass einige Schriften der beiden Kirchenväter noch nicht in der LLT vorliegen. Angesichts der vorhandenen Schriften ist es unwahrscheinlich, dass ausgerechnet in den fehlenden Schriften christianitas vorkommen sollte. Siehe hierzu das folgende Kapitel III. Vgl. Markus, Setting, S. 399 – 401. Vgl. ders., The End, S. 19: »In one way or another the debates of these decades [380 – 430] all revolved around the question: what is it to be a Christian?«, siehe auch ders., Social and Historical Setting, S. 408; Lieu, Christian Identity ; Markschies, Kirche, S. 79 f.; Piepenbrink, Christliche Identität, S. 23 – 123.

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Der Mensch wurde nicht nur von seinen Sünden reingewaschen, sondern mit der Taufe in Christus neugeboren. Der Katechumene nahm den Namen Christi an und wurde damit dem christlichen Erlösungsversprechen teilhaftig.42 Die anfangs abschätzig gemeinte Bezeichnung christiani/wqistiamo_43 verband diese nun mit Christus auf lexikaler wie eschatologischer Ebene. Um dies zu vermitteln, bedurfte es eines Vokabulars, das vermittelte und selbst vermittelbar war. Als Substantivierung des Adjektivs christianus reihte sich christianitas ein in eine Vielzahl von Vokabeln für Eigenschaften, die im Lateinischen auf dieselbe Weise gebildet wurden.44 Die Bedeutung »christlich« oder »Christlichkeit« bedurfte wohl wenig Nachdenkens, da der Analogieschluss auf der Hand lag.45 Und es erschlossen sich weitere Möglichkeiten: christianitas konnte auf einem höheren Abstraktionsniveau benutzt werden, indem es auch auf das bezogen wurde, was dem Christsein zugrunde lag, nämlich Glaube oder Religion. Oder es verwies auf das, was aus ihr zu resultieren vermochte, nämlich die Gemeinschaft der Gläubigen. Es ist nicht immer zu rekonstruieren, worauf der einzelne Schriftsteller exakt verweisen wollte. Die inhärente Mehrdeutigkeit wurde wohl bewusst genutzt, um ein möglichst breites Spektrum an Assoziationen wecken und abdecken zu können.46 Allerdings stand die Vokabel nur selten im Vordergrund. Meist wurde mit christianitas ein anderes Wort oder ein Sachverhalt als besonders christlich markiert: mysterium christianitatis (3.5; 7.20), opera christianitatis (3.7; 7.18), christianitatis religio (6.12), fides christianitatis (29.65), officium christianitatis (31.67; 35.71), vocabulum christianitatis (39.75) oder nomen christianitatis (44.86; 47.91). Nicht nur der Glaube und die Religion wurden durch christianitas sprachlich hervorgehoben. Die Vokabel wurde auch eingesetzt, um Aussagen über die christliche Normierung einer Lebenshaltung zu treffen, die sich aus dem Glauben ergab und sich im Befolgen der aus ihm abgeleiteten Vorgaben zu Kult und Lebensweise konkretisierte. Dazu gehörte auch die Abgrenzung gegenüber Nichtchristen – Juden und Polytheisten – sowie gegenüber sogenannten schlechten oder falschen Christen. Da dies in unterschiedlichen Genres geschah – in Briefen, Lehrschriften, einem häresiologischen Werk, Predigten, exegetischen 42 Vgl. Van Engen, Christening, S. 25 f.; Piepenbrink, Identität, S. 64 u. S. 66, auf Augustinus rekurrierend. 43 Vgl. Van Engen, Christening, S. 5 f.; Trebilco, Early Christians, S. 555 f. 44 Einige Beispiele: bonitas/bonus; caritas/carus; iniquitas/iniquus; nobilitas/nobilis; paupertas/pauper ; pietas/pius; religiositas/religiosus; sinceritas/sincerus; tranquillitas/tranquillus; vilitas/vilis. 45 Für ein allgemeines Verständnis spricht, dass keine Erklärungen zu finden sind. Die Vokabel scheint geradezu nicht erklärungsbedürftig zu sein; die Definition bei Ambrosiaster (5.11), war ohnehin nur beiläufig und die zweite Definition aus dem Martyrium des Ignatios vielmehr Zufall, siehe oben Anm. 23. 46 So sieht es auch Van Engen, Christening, S. 17.

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Werken und hagiographischen Schriften – ist ein genrespezifischer Gebrauch nicht auszumachen.47 Beide Aspekte, der positiv-normative wie der negativ-deliminative, sind meist ineinander verschränkt: Pseudo-Cyprian wollte in de sing. cler. Kleriker vom enthaltsamen Alleinleben überzeugen. Er warnte vor der Kehrseite, einem Bekenntnis zum christlichen Glauben nur dem Scheine nach. Er forderte, dass Christsein/Christlichkeit oder aber auch der christliche Glaube nicht für Trug gehalten werden dürfe. Dies bezog sich auf ehebrecherisches Verhalten unter dem Deckmantel der Heiligkeit und auf Scheinheiligkeit als dem Vorspiegeln jener Frömmigkeit, zu der man sich öffentlich bekannte.48 Pseudo-Cyprian wandte sich an Menschen, die bereits mit dem Christentum vertraut waren. Nur einem Eingeweihten erschloss sich das Bild vom christlichen Lohn (christianitatis lucrum), weswegen man »zum Geschäft der Welt« gehe, um es schließlich von Gott vergolten zu bekommen.49 Mit dieser Erzählung vom Leben als Wanderung/Irrung versuchte er einem Menschen zu helfen, der seine Ermutigung gesucht hatte.50 Es handelt sich hier um eine der seltenen Passagen, in denen christianitas in einem metaphorischen Kontext steht. Bei Marius Victorinus lässt sich die positive Deutung am besten erkennen. Im Gegensatz zu Pseudo-Cyprian wandte er sich direkt an Menschen mit nur rudimentären Vorkenntnissen. Er kommentierte die Paulusbriefe, weil für ihn der Heilige Geist durch den Apostel gesprochen hatte und die Briefe somit die unverfälschte Lehre des Evangeliums darstellten.51 Nach seinen Kämpfen mit den 47 Obwohl manche der aufgeführten Texte für die Dogmen- und Kirchengeschichte relevant geworden sind, haben die meisten von ihnen kaum weitere Rezeption erfahren. Eine Ausnahme stellt hier der Pauluskommentar von Marius Victorinus dar, den Augustinus ausgiebig rezipierte. Vgl. Hunter, Latin Writers, S. 307. Doch stand dieser hinter bedeutenderen Schriften des Rhetors zurück. Während Marius im Pauluskommentar von christianitas sprach, findet sich die Vokabel nicht im etwas späteren Kommentar des Ambrosiaster, sondern in dessen Quaestiones Ueteris et Noui testamenti. Der zwischen 406 und 409 verfasste Kommentar des in Rom lehrenden Pelagius (gest. nach 418) enthält zwar eine Nennung von christianitas, doch lässt sich hier keine direkte Übernahme des victorinischen Sprachgebrauchs erkennen (19.48). Cassiodor in der Mitte des 6. Jahrhunderts wiederum hat den Kommentar des Pelagius für seinen eigenen Kommentar nahezu wortwörtlich abgeschrieben (70.128). 48 […] blasphemiam ingerit religioni quam coluit, qui quod confitetur non ante omnes impleuerit, ne christianitas credatur esse fallacia et moechatio uideatur sanctitatis uelamento uestita (2.2). 49 Non nobis ergo debet luctus incumbere, quisquis a peregrinatione redire meruerit ad propriam regionem, maxime cum non inanis et vacuus redire noscatur qui christianitatis mercatus est lucrum, propter quod venit ad mundi commercium. Negotium explicavit, rediit, et Deo debitum solvit (1.1). Eine ähnliche Verwendung ökonomischen Vokabulars findet sich bei Maximus von Turin, Sermo 27 (31.67). 50 Auf Phil 1,21 und 2 Kor 5,1 – 6 rekurrierend und somit wieder paulinisch. 51 Nach Erdt, Marius, S. 249 u. S. 256, hat Marius Paulus »wiederentdeckt«, worin er einer

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Arianern wollte Marius Victorinus ein Werk zu verfassen, das der Glaubensvermittlung im nizäisch, paulinischen Sinne dienen sollte.52 Er setzte die Vokabel durchaus bewusst ein, machte sie aber nicht zu einem zentralen Terminus seiner Begrifflichkeit.53 Sie kam in wenigen, aber wichtigen Passagen zum Einsatz. Marius legte Eph 4,5 – 6 so aus, dass der Herr derjenige sei, von dem und durch den christianitas beginne und zur Befreiung führe.54 Bei christianitas handelte es sich nicht um den Glauben (fides), die Glaubensdoktrin (lex/doctrina), den Kultus (cultus/religio) und auch nicht um die christliche Gemeinschaft/Kirche (ecclesia).55 Es sei eine sorgsam verbundene Anordnung: ordinem diligenter connexum – Gott sei aller Anfang, so beginne auch die christianitas durch ihn. Sodann sei Christus zu erkennen und nachzufolgen, sodass der Glaube an ihn sei und bleibe (ut in eum fides sit et reliqua). Aus dem einen Glauben folge die eine Taufe und daraus die Verbindung mit dem einen Gott. Dem Bibelwort gemäß legte Marius Wert auf das Einssein, welches er auf christianitas übertrug. Der Glaube habe seinen Ursprung in Gott, somit sei das christliche Sein in ihm begründet. Die weiteren Auslegungen präzisierten und verbanden die Vokabel mit dem

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Deutung von Campenhausens folgt, eingeschränkt aber dadurch, dass diese Aussage eventuell auch auf Augustinus, Ambrosiaster, Hieronymus und Pelagius zutreffen könnte. Auf jeden Fall gehörte er der »Generation des heiligen Paulus« an, vgl. Brown, Augustine, S. 130. Der Kommentar beruhte dabei nicht auf griechischsprachigen Vorläufern wie demjenigen des Origines, sondern zeichnete sich durch große Selbständigkeit aus. Zur exegetischen Methode siehe Souter, Latin Commentaries, S. 22; Hadot, Marius Victorinus, S. 289. Gelegenheit zu diesem Kommentar gab ihm der Verzicht auf seine Rhetorikprofessur auf Druck Kaiser Julians (361 – 363). Am 17. Juni 362 erließ Julian eine Anweisung (CTh 13.3.5), dass alle Rhetorik- oder Grammatiklehrer durch städtische Gremien und den Kaiser bestätigt werden müssten. Vgl. Cooper, Victorinus’ Commentary, S. 36 f. Es ist aber nicht bekannt, ob Marius die Schrift Julians gegen die als Galiläer bezeichneten Christen gelesen hat. Hadot, Marius Victorinus, S. 297, sagt, Marius habe eine »vie chr¦tienne d’une maniÀre ›immanente‹ et int¦rioris¦« entworfen. Erdt, Marius, S. 250; Clark, (Art.) Marius Victorinus, S. 165 – 169; Fiedrowicz, Theologie, S. 344. Der Streit um die Ansicht des Arius, dass Christus ein geschaffener Gott und Gott nur ähnlich (ähnlich = homoios, daher die Bezeichnung Homöer) sei, wurde mit dem Konzil von Nizäa 325 in der Folge bis zum Konzil von Konstantinopel ausgetragen, auf dem die Wesenseinheit Christi mit Gott zum Dogma erhoben wurde. Nizäa steht daher für das homoousianische Christusverständnis (von homoiousios bloo¼sior). Vittorino, Commentari, enthält einen Index thematischer und linguistischer Termini, der das Wort christianitas nicht enthält. Unus dominus: ab ipso coepit, per quem incipit omnis christianitas et ingressus ad liberationem; 3.4. Siehe Eph 4,5 – 6: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allem. Für Letzteres bedient sich auch Marius der Körpermetapher, indem er das corpus Christi mit ecclesia gleichsetzt, sogar vom corpus ecclesiae spricht. Vgl. Auslegung zu Eph 4,2 – 4, 18 u. Eph 4, 12, 30 sowie Eph 5, 30 (CSEL 83,2), S. 164: Quoniam membra sumus corporis eius, Et supra ita dictum quod ecclesia omnes sunt sancti fideles, quae membra sunt Christit et fit unum corpus Christi ecclesia, cui caput est Christus.

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Kern christlicher Doktrin und Lebensführung. Marius forderte zu Phil 2,5 Einigkeit im Geiste, die Stärke, Kraft und Tätigkeit aller Christlichkeit sei.56 Daraus folge ein Ausüben der Liebe (dilectio), dies gehöre zur moralis disciplina und zum Leben (ad vitam) und sei nicht nur Sache der Erkenntnis (scientia). Die Liebe beherrscht auch die weiteren Kontexte. Nach Eph 3,18 – 19 ergibt sich die christliche Vollkommenheit aus der Trias Glaube, Erkenntnis, Liebe, die caritas jedoch schließe fides und scientia in sich ein.57 Demgemäß hieß es zu Eph 5,2, dass das Liebesgebot Christi, das alles umschließe und vollende, das ganze Gesetz und das ganze christliche Mysterium sei.58 Der Kern des Christentums bestand bei Marius im mysterium Christi: Dem paulinischen Christozentrismus entsprechend führte allein Christus und somit der Glaube an Christus zur Erlösung.59 Da das ganze christliche mysterium in der caritas begründet sei, müsse das größte Gebot in der Ausübung der caritas liegen: Ebenso wie Christus handelte, hätten die Christen zu handeln. Das Gesetz stehe aber im Gegensatz zu einem anderen Gesetz, von dem es heiße, dass diejenigen, die aus den Werken des Gesetzes lebten, unter dem Fluch seien (Gal 3,10). Hier klang wieder der Konflikt zwischen Juden und Christen an.60 Marius beschrieb die »christlichen Werke/Werke der Christlichkeit« (opera christianitatis) als die Sorge um die Armen und andere Gebote zum Leben (ad vivendum praecepta). Damit unterschied er zwischen einem christlichen Leben und einem Leben aus den »Werken des Gesetzes« (ex operibus legis) – letztere beträfen die Beschneidung und die Säuerung des Brotes. Die Differenzierung kam einer Abwertung der jüdischen religiösen Gesetze gleich und zeigte damit Marius’ antijüdische Einstellung. Das bei Marius ausgemachte Verständnis der christianitas als Christsein/ Christlichkeit in Zusammenhang mit christlicher Lebensführung und dem Liebesgebot Christi findet sich auch in den Schriften des Augustinus61 und der Bischöfe Zeno von Verona,62 Maximus von Turin63 sowie Valerian von Cemele64.

56 Omnis christianitatis potestatis et vis et operatio illa est non dissentire, sed unum atque idem in animo habere (3.7). 57 Paulus sagte in 1 Kor 13,13 eigentlich: »Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.« Marius wandelt diese Stelle in Bezug auf die Erkenntnis ab, um in Bezug auf Eph 3,18 – 19 bereits von diesem Grundprinzip zu sprechen. 58 Magnum praeceptum et ubique retinendum, omnia enim concludit et perficit caritas, in quo lex tota est et totum mysterium christianitatis, dilectio et caritas (3.5). 59 Vgl. Hadot, Marius Victorinus, S. 299. Siehe Erdt, Marius, S. 145 u. S. 250. 60 Vgl. Erdt, Marius, S. 141. Hadot, Marius Victorinus, S. 292 u. S. 295: Marius Victorinus stellt sich dem »Gesetz« entgegen und sieht das Wohl der Seele im Glauben. 61 […] uelim me audias et bonis praeceptoribus catholicae christianitatis te pia fide, alacri spe, simplici caritate committas deumque ipsum, cuius unius et bonitate facti sumus et iustitia poenas luimus et clementia liberamur, orare non cesses (10.25). 62 Constat ergo omne christianitatis magis in caritate quam in spe uel fide esse depositum; 8.22. Vgl. Herzog, Restauration, S. 423: »Als Exeget hat Zeno nichts Originelles geleistet.« Der

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Bis auf Augustinus’ util. cred. handelt es sich jeweils um Predigttexte aus Mittelund Norditalien sowie Südfrankreich. Wie das begleitende Vokabular des Lehrens, Vermittelns und Kommunizierens zeigt, sollten die Texte den Zuhörern ein Grundwissen über christliche Lebensweise und Pflichtenlehre näherbringen.65 Bei Maximus von Turin rückte sogar die eingangs erwähnte Taufe in die semantische Nähe zu christianitas. In Sermo 2 freute sich der Bischof, dass nunmehr solche Mengen an Heiden zum christlichen Glauben strömten (Cum enim uidemus gentilium turbas ad fidem christianitatis adcurrere, simul cum apostolis gratulamur ; 29.65). Unabhängig davon, wie viele Menschen zum Christentum kamen, ist mit einer deutlichen Zunahme der Taufen in Turin zu dieser Zeit zu rechnen. In Sermo 91 sagte Maximus, dass die Christen wegen der anstehenden heiligen Fastenzeit die Heiden zum Christentum und die Katechumenen zur Taufe rufen sollten (quia instat sancta quadragensima, gentiles ad christianitatem catecuminos ad baptismum aduocemus!; 34.70) Die zweistufige Formulierung bestand im Aufruf der Nichtchristen zum christlichen Glauben und dazu, diejenigen, die bereits den Glauben achteten und die christliche Lebensweise einhielten, als offizielle Taufanwärter zur Taufe zu führen. Die terminologische wie konzeptuelle Trennung beider Schritte zeigt, dass Maximus christianitas quasi als Vorstufe zur eigentlichen Taufe verstand.66 Sie bezog sich zuerst auf die Pflicht eines jeden einzelnen, das christliche officium auszuüben und auf diese Weise die heiligen Männer zu imitieren, denen man nicht durch das Martyrium des Leidens folgen könne: Ergo, fratres, quia habemus exemplum, imitemur sanctos uiros si non passionis martyrio uel certe christianitatis officio! (35.71).67 Damit war ein Handeln im Sinne der christlichen Nächsten- und Feindesliebe gemeint, wie Maximus in Sermo 48 formulierte. Das Höchste unserer Christlichkeit bestehe darin, es den Liebenden mit Gleichem und den Verleumdern mit Geduld zu vergelten: Haec enim nostrae christianitatis summa est, ut amantibus uicissitudinem laedentibus patientiam rependamus (32.68).

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Traktat 36 ist dem Genre nach der Diatribe nachgebildet und folgt Tertullian und Cyprian, ebd., S. 422. Habet et christiana simplicitas infantiam suam; sicut enim infans nescit irasci fraudare non nouit referire non audet, ita et christianitatis infantia laedentibus non irascitur spoliantibus non resistit caedentibus non repugnant (33.69). Proximus tuus est omnis homo, qui eadem tibi est Christianitatis lege conjunctus; proximus tibi est, qui ab Ecclesiae consortio non videtur alienus; proximus tibi, quicumque est proximus Christi (49.96). Dies kann man besonders an folgenden Verben im Umfeld von christianitas bis etwa 430 erkennen: adcurrere; adtendere, ait, audire; cognoscere, consentire, convertere, credere (3), decernere, declarare, demonstrare, dicere (4), dissentire, docere, in animo habere (2), intellegere (2), loqui, nuntiare, praedicare, referire, retinere (2), revocare, pervidere, testae, convincere, insinuare, scribere, videre. Vgl. Van Engen, Christening, S. 36, der ebenfalls ein abgestuftes Verfahren erkennt. Wie auch Mercimonium enim quoddam est christianitatis officium (31.67).

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Dass sich christianitas auf ein christliches Handeln bezog, findet sich im Sermo 17 wieder, wo Maximus die seiner Meinung nach guten Christen von schlechten anhand von Werken und Taten (30.66) trennte, wobei er die finanziell Vermögenden von den an Taten Reichen unterschied, die man sonst aufgrund der dissimulatio christianitatis nicht finden könne.68 Die Vorspiegelung des von den Theologen entworfenen und sicherlich auch angestrebten wahren Christentums schimmert auch an einer weiteren Stelle durch. Bischof Nicetas von Remesiana (das heute serbische Bela Palanka)69 schrieb über den Nutzen des Psalmensingens. Auch hier musste man eine aufrichtige christliche Einstellung beweisen: »Der Klang und die Melodie werde entsprechend der heiligen religio gesungen, sie solle nicht schreckliche Nöte beschreien, sondern wahre Christlichkeit in Euch zeigen.«70 Unterstützt wird die Übersetzung mit Christlichkeit hier durch eine zweite Überlieferung des Textes, in dem anstelle von veram christianitatem von christianam simplicitatem die Rede ist (28.64 Turner). Darüber hinaus ist dies eine der sehr seltenen, spätantiken Stellen, in der christianitas selbst mit wahr (vera) ausgezeichnet wurde. Wie anderen lag Nicetas an einem wahrhaftig verinnerlichten Christentum als persönlicher Eigenschaft. Gleichzeitig mag die Existenz dieser Schrift schon darauf hindeuten, dass viele sich den Strapazen gar nicht erst aussetzten, die mit dem alltäglichen Praktizieren der christlichen Lebenshaltung verbunden waren. Neben der positiven Verwendung steht die negative definitorische Leistung: die Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen. Bei Pseudo-Cyprian wie auch bei Maximus wurde das bereits sichtbar. Noch deutlicher wird es bei Filastrius von Brescia (gest. vor 397), der nur wenige Jahre nach Victorinus’ Tod als Bischof in Brescia amtierte und in den 380ern sogar Augustinus persönlich in Mailand getroffen hatte. Dieser Filastrius hatte einen Häresiekatalog verfasst, den Augustinus für literarisch minderwertig hielt und ihn durch ein eigenes Werk ersetzen wollte, aber nicht mehr dazu kam. Obwohl Filastrius die ihm bekannten Häresien beschrieb, nutzte er die Vokabel nicht zur direkten Gegenüberstellung von christianitas und den Glaubensrichtungen, die in den Worten Paulus’

68 Tanta enim sub apostolis fraternitatis dilectio fuit, ut tunc in conuentu suo non aduenerit indigentia; tanta autem modo christianitatis dissimulatio est, ut in coetu nostro uix inuenias locupletem. Locupletem autem uix inueniri dico non tam facultatibus sed operibus; ait enim apostolus: diuites sint in operibus bonis. Locupletem enim illum in ecclesia intellegi uoluit, qui diues in christo est (30.66). 69 Dieser Nicetas ist durch Gennadius von Marseille, de vir. ill. 22 und Innozenz I. belegt, siehe auch Franz, (Art.) Nicetas. Die Zuschreibung der Forschung der »De psalmodiae bono« zu Nocitas scheint sich durch die spezifische Verwendung von christianitas zu bestätigen. 70 Sonus etiam vel melodia consentiens sanctae religioni psallatur, non quae tragicas difficultates exclamet, sed quae in vobis veram Christianitatem demonstret; non quae aliquid theatrale redoleat, sed compunctionem peccatorum faciat (28.64).

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Spaltungen und Irrglauben darstellten.71 Filastrius nutzte das Wort vielmehr zur Beschreibung des christlichen Mysteriums, des christlichen Glaubens und der christlichen Werke, womit Filastrius dem Wortgebrauch von Marius Victorinus nahekam.72 Allerdings war Filastrius darin nicht sonderlich konsistent, was ein Grund für Augustinus’ Missbilligung gewesen sein könnte.73 Eine antijüdische Haltung ist auch bei Filastrius unverkennbar, da er sich wie bereits Ambrosiaster (5.11) des Temporalarguments bediente. Die Überzeitlichkeit der christlichen Dreifaltigkeit werde seit Anbeginn der Welt gepredigt und die fromme Wahrheit ohne Unterbrechung überall gelehrt (Trinitas itaque Christianitatis ab origine mundi praedicabatur, et ueritas pietatis sine intermissione ubique docebatur ; 7.13).74 Filastrius formulierte einen bewusst verständlichen, eingängigen Merksatz. Zwei strukturell ähnlich aufgebaute Satzteile mit vielen parallelen Suffixen (-tas; -tatis; -que; -ine/-ione; -batur) machten die Aussage besonders einprägsam. Die beiden Ausdrücke veritas pietatis und trinitas christianitatis gleichen jener an die Bibel angelehnten Ausdrucksweise75 und weisen christianitas den Charakter einer der pietas vergleichbaren Eigenschaft zu. Doch auch dies mag in den Ohren eines Gebildeten wie Augustinus wie ein missglückter Biblizismus geklungen haben.76 Als nächstes wandte sich Filastrius gegen Nichtchristen, die sogenannten pagani. Nur ein einziges Mal sprach er vom paganismus, 14-mal von paganitas und mit 34 Belegstellen am häufigsten direkt von den pagani. An zwei Stellen stellte er paganitas und christianitas einander gegenüber.77 Solch eine sprach71 Fiedrowicz, Theologie, S. 367. 72 Dies ist zu erkennen an folgenden Formulierungen mit den Bezugswörtern mysterium und opera sowie anhand der aus dem Glauben abgeleiteten Lebensregeln: […] in libro geneseos peruides mysterium Christianitatis, ut omnia quae in Christianitate sunt, siue fides, siue uita, siue sacramentum, non temporalia, sed ab origine mundi statuta et nuntiata et potius celebrata cognoscas (7.15 – 16); […] omnia […] quae sunt plena salutis aeternae pignora in fide atque opere Christianitatis consummanda atque conprobanda (7.18). Sed cum dicit quattuor ieiunia, ueluti dies quattuor ieiunandos decernit, non autem nobis dixit aut mensis alicuius aut anni, sed sic absolute praedicauit, ut mysteria Christianitatis in ipsis quattuor ieiuniis nuntiata cognosceremus. […] offert sacrificia diuersa, quae sunt ibi omnia Christianitatis mysteria, quarto post oblationem donorum spiritalium in libro numeri mereatur omnis fidelis conscribi (7.20 – 21). 73 Filastrius sprach von mysterium im Plural und erlaubte sich eine Inkonsequenz, indem er christianitas als selbständige Vokabel im Sinne eines Oberbegriffs für fides, sacramentum und vita verwendete, siehe 7.15 – 16 in der vorangehenden Anmerkung. 74 Siehe auch 7.14: Das Christentum sei keine Glaubenssache, die erst mit der Zeit aufgekommen sei, sondern habe sich schon vor Juden und Heiden im Gesetz manifestiert: Ergo non est fidei causa temporalis Christianitas, sed ante iudaeos et paganos in lege quidem studentibus et quaerentibus erat manifestata. 75 Vgl. Kapitel I.1, bes. Anm. 19 und 21. 76 Vgl. Studer, Schola christiana, S. 29. 77 Si quis autem hoc ita putauerit fieri, paganitatis et uanitatis filosoforum quam Christianitatis

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liche Abgrenzung findet sich ebenfalls in der Epistel wieder, in der einem Cyrill der Glaube erklärt wurde. Hier fragte der unbekannte Verfasser – mit didaktischer Rhetorik und nicht ohne Schärfe –, ob sein Gegenüber nun sähe, von welcher Art das Heidentum und wieviel mehr das Christentum sei? (Vides igitur, quod paganitatis est hoc magis quam Christianitatis? 17.35) Zu diesen frühesten Stellen, in denen paganitas und christianitas gegenübergestellt wurden, gehören auch die Quaestiones des Ambrosiaster. Die Einbindung der Alltagsvokabel in Erzählungen half dabei, diese Antynomisierungen erst hervorzubringen. Abstrakta konnten gegenübergestellt und damit Gegensätzlichkeiten konzeptionalisiert werden.78 Die Anzahl der Stellen – mit Blick auf die gesamte Produktion – zeigt aber auch, dass es sich nur um einen und dazu wenig literarisierten Strang in der semantischen Konstituierung des spätantiken Christentums handelte.79 Der Impuls ging dabei aber nicht immer von den Christen selbst aus. Ambrosiaster reagierte nämlich in Quaestio 39 auf die Haltung von Nichtchristen und »Abgefallenen«, die ihr Fernbleiben vom Christentum mit den Worten aus Pred 9,4 rechtfertigten, dass es besser sei, ein Hund als ein toter Löwe zu sein. Ambrosiaster drehte die fremde Argumentation um, indem er christianitas mit dem Löwen gleichsetzte, weil sie stärker sei als alle anderen Glaubensrichtungen, so wie der Löwe stärker sei als alle Tiere (melior est canis leone mortuo, quia sicut leo omnibus feris fortior est, ita et Christianitas omnibus sectis; 5.9). Damit warf er den »gentiles« vor, ihr Seelenheil zu verlieren, mehr noch, sie würden es gar nicht erhalten. Hierzu zitierte er Jesus, um zu zeigen, wie töricht es sei, sich mit den Hunden zu identifizieren, weil diese nicht das »Brot der Söhne« erhalten dürften. Ambrosiaster ging so weit, dass er Jesus selbst zuschrieb, mit den Hunden die Gentilen bezeichnet zu haben. Man merkt dieser Passage ihre kämpferisch-apologetische Haltung ebenso an wie den beiden Nennungen in der Quaestio 114, die sich direkt gegen die Paganen richtete.80 In dieser zweiten uidetur habere consortium, […] (7.17); Non ergo intellegentes uirtutem scripturarum ex littera paganitati consentiunt, et alieni a Christianitate repperiuntur (7.19). Zu den pagani siehe auch Van Engen, Christening, S. 21. 78 Diesen Vorgang hat Chin, Grammar, hinsichtlich der aufkommenden grammatischen Möglichkeiten in der Spätantike untersucht und ist zu dem Schluss gekommen (S. 170 f.), dass die religiöse Identität nicht auf einer vorher existierenden Größe »Christentum« beruhte, sondern erst mit der Kommunikation, mit der Entwicklung einer Sprache für das Formulieren dieser Identität selbst an Gestalt gewonnen hat. 79 Wenn Chin, ebd., S. 1, schreibt, » ›christianitas‹ is a decidedly uncommon formulation in the early centuries of Christian history ; its conceptual fragility is worth examining«, dann hat sie oberflächlich gesehen Recht. Die Fragilität des Christentums als Phänomen an der Seltenheit dieses Begriffs festzumachen, scheint aber zweifelhaft, wenn dieses Konzept auf verschiedenen sprachlichen Wegen überhaupt erst an Gestalt gewinnen sollte und die Verwendung von christianitas ein Teil hiervon war. 80 Vgl. Fiedrowicz, Apologie, S. 118 f. Ambrosiaster scheint die Schriften Tertullians gekannt und sich an ihnen orientiert zu haben, so BussiÀres (SC 512), S. 53 – 57. Dieser hält es auch für

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Quaestio polemisierte Ambrosiaster gegen die Ansicht, dass das »Gesetz« der Paganen vor dem christlichen existiert habe. Er hielt es für eine Verwechslung von Ursache und Wirkung und wetterte: »Wenn die Welt vor Gott wäre – was ferne sei! –, dann kann auch paganitas vor christianitas gestellt werden.«81 Mit diesem Ausruf zum Ende des vorletzten Paragraphen leitete Ambrosiaster den Schluss und die rhetorische Klimax seiner Rede ein: »Niemand wundere sich über den Namen der christianitas.« (5.11) Nun ging es darum, seinen christlichen Zuhörern nochmals die Quintessenz seiner Ausführungen zusammenzufassen und mit auf den Weg zu geben.82 Es folgte die einzige Stelle in patristischer Zeit, in der ein Theologe überhaupt die Herkunft des Wortes christianitas und dessen Bezug zum Glauben bestimmte: Es gehe darum, einen Gott im Mysterium der Dreifaltigkeit zu verehren. Der Name Christi komme von chrisma, weshalb die Ratio dieses Namens vor dem (als Christus bezeichneten) Wesen existiert habe. Jesus aber habe diese Bezeichnung durch die Geburt erhalten, die Könige hätten sie durch das Chrisma erhalten (5.10 – 11).83 Damit verschmolz die Abgrenzung von den Juden mit derjenigen von den Nichtchristen. Wie bei Basilius von Caesarea (13.29) wurde auch hier ein neuer, aggressiverer Ton deutlich hörbar. Wie zudem an der Epistel für Cyrill (17.35) ersichtlich, spiegelte der christianitas-Gebrauch insofern auch das christliche Superioritätsdenken gegenüber Nichtchristen wider.84 Noch schärfer wurde der Ton indes gegenüber einer dritten Gruppe, die es neben den Juden und den Paganen auszuschließen galt: die sogenannten lauen, schlechten, falschen Christen.85 Die Kirchenväter brachten besonders viel Zeit, Pergament und Tinte auf, gegen diese Menschen anzuschreiben, die ihrer Meinung nach den dogmatischen und lebensweltlichen Definitionen des Christseins nicht zur Genüge nachkamen oder aber es nur simulierten. Obwohl christianitas selten in den einschlägig bekannten Schriften vorkam,86 gehörte sie dennoch zu dieser Auseinandersetzung. Sie wurde hörbar im Pochen auf das richtige Verhalten, das richtige Handeln, das Erlernen der christlichen Gebote, wie der Brief des Ignatios an die Magnesier bereits gezeigt hat (19.37 – 38). Der britische Bischof Fastidius (5. Jh.) drehte den Spieß um, indem er in seiner Schrift De vita

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möglich, dass q. 114 contra paganos eine Antwort auf Kaiser Julians Schrift Contra Galileanos gewesen sei, ebd., S. 88 f. Zu Julian siehe: The Works of Emperor Julian (21993). Qua igitur ratione pagani »legem« suam ante dicunt fuisse quam nostram? Si mundus ante Deum est – quod absit! –, sic potest et paganitas anteponi Christianitati (5.10). Vgl. Lunn-Rockliffe, Ambrosiaster’s Political Theology, S. 72 u. S. 176, erinnert an Souters Idee, dass einige der Quaestiones als Sermones verwendet wurden. Die Definition bezieht sich im Gegensatz zur victorinischen Deutung nicht auf das Sein, sondern auf das Handeln. Hier steht der Kultus (colere unum Deum) im Vordergrund. Siehe Kahlos, Debate, und Cameron, Last Pagans. Vgl. Piepenbrink, Identität, S. 133 – 140. Vgl. ebd., S. 126 – 161.

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christiana seinen literarischen Adressaten fragte, warum er jemanden für einen Christen halte, obwohl keine christliche Handlung zu erkennen wäre, Umgang mit ihm nicht recht wäre, sondern unfromm und verbrecherisch? (Nam tu illum christianum putas, in quo nullus christianitatis est actus, in quo conversatio nulla justitiae est, sed nequitia, impietas et scelus? 21.42). Fastidius fuhr in seiner Schrift fort, ex negativo christliches Handeln zu beschreiben, indem er im nächsten Satz jene Tugenden aufzählte, die bei falsche Christen nicht zu finden seien, nämlich Armenfürsorge, Genügsamkeit, Hilfsbereitschaft für die Leidenden, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit.87 Schon andere vor Fastidius hatten Anklage gegen jene erhoben, die sich dem Worte nach (aufgrund eines leeren Namens) eine fremde Tugendhaftigkeit anmaßten, sich Mönche nennen wollten, aber dies nicht mit Taten belegen wollten.88 Bischof Asterius von Amaseia (gest. um 425, im heute türkischen Amasya) reagierte in seiner Lehrschrift nicht nur allgemein auf solche vorgeblichen Christen, sondern auch auf ›falsche‹ Mönche und richtete sich gegen scheinheilige Männer und deren Verehrung. Der Zusammenhang zwischen Wortgebrauch und gesellschaftlichem Kontext wird an der Figur des »heiligen Mannes« evident, die durch die Arbeiten Peter Browns hinlänglich bekannt ist.89 Diese »heiligen Männer«, wie sie z. B. bei Maximus von Turin erwähnt werden, versammelten auf sich ein solches religiöses und soziales Prestige, dass einige offenbar in Trittbrettfahrermanier von deren Verehrung profitieren wollten. Genau dies attackierte Asterius, weil er um den Glaubwürdigkeitsverlust und um die Aushöhlung der christlichen Lehre und Lebensweise fürchtete. Wichtiger als die Funktion des bzw. der Heiligen als soziale und religiöse Orientierungsfigur ist hier aber das folgende Dilemma. Die Christianisierung des Alltags wirkte auf das Christentum zurück: Erfolg führte zu religiösem Eifer, Glauben zu Radikalisierung in den christlichen Lebensentwürfen. Nunmehr lautete die Frage: Reicht das, was ich tue, aus, um als Christ zu gelten? Das reine Bekenntnis zum christlichen Glauben bedeutete keine große Gefahr mehr, die Zeiten der Christenverfolgung und damit des Märtyrertums waren vorbei. Gläubige suchten nach anderen Wegen, ihre völlige Hingabe zu Gott diesem gegenüber, aber auch der Gesellschaft, aus der sie kamen, unter Beweis zu 87 So auch Maximus von Turin in seinem Sermo 17 (30.66). 88 Nam incondite et solum ad ostentationem male praesumptum, quod opere non defendunt nudo nomine appellationis in fama et sub occasione christianitatis, alienae uirtutis in se uocabulum transferunt, uolunt que se dici monachos, et in labore turpiter delicatos; et cum sufficeret fidei esse participes, maioris gloriae cupidi perdunt etiam illud, quod esse non possunt (14.30). 89 Vgl. Brown, Holy Man; Markus, Between Marrou and Brown, S. 10, weist darauf hin, dass Augustinus mit seiner Konzeption der Kirche dieser Radikalisierung entgegenwirkte, indem er eine Lanze für mäßiges Verhalten brach. Siehe auch Markus, End, S. 37 – 45.

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stellen. Oder aber sie suchten nach Inspiration, einem religiösen Nervenkitzel im Betrachten der Asketen. Nicht zuletzt unter den römischen Adligen hatte der Mönch und Prediger Pelagius mit seinem Asketentum so große Aufmerksamkeit erfahren.90 Von Pelagius selbst ist nur eine Stelle überliefert, in der er von christianitas sprach. In der Auslegung des Römerbriefs differenzierte er zwischen drei verschiedenen Zeiten, jener des Naturzustandes, der Zeit der Beschneidung und der Zeit der christianitas.91 Diese Stelle kommt den berühmten tempora christiana auf den ersten Blick sehr nahe. Pelagius beschäftigte sich aber mit einem klar umrissenen theologischen Problem: Werden auch jene die göttliche Gnade erhalten, die vor Christus gelebt haben? Hierzu behandelte er jene Bibelstelle (Röm 4,9), in der die Frage am Beispiel Abrahams diskutiert wird. Er knüpfte damit an die bekannte Schwierigkeit für das Christentum an, das Heilsversprechen als überzeitlich zu präsentieren. Durch den Bezug aber auf konkrete Personen wie Abraham, erhielt die zeitliche Differenzierung eine personale Dimension, da es hier um die Abfolge von religiös gedeuteten Zuständen des Menschseins ging. Diese Auslegung konnte – und sollte wahrscheinlich auch – in der Auseinandersetzung zwischen Juden und Christen den Übertritt zum Christentum fördern, indem das Christsein als letzte Stufe eines inneren Entwicklungsprozesses quasi als eine individuelle Eschatologie gedeutet wurde. Dieses Konzept von Zeitlichkeit unterschied sich damit deutlich von den christlichen Zeiten, von denen die Zeitgenossen sprachen, als sie die Christianisierung aller möglichen Lebensbereiche und der politischen Ordnung im 4./5. Jahrhundert mit ihren Vorzügen und Nachteilen diskutierten.92 Während die Temporalisierung des Wortes durch Pelagius nicht im Mittelpunkt des Sprachgebrauchs stand, bewegte sich sein Anhänger, der sogenannte Anonymus Romanus in seinen Erbauungsschriften im Bereich der gepflegten Semantik. Er verwendete christianitas als persönliche Eigenschaft, die er zusammen mit prudentia seinem/r Briefpartner/in zuschrieb (te esse christianitatis et prudentiae; 40.77): ihretwegen wollte er nun Ratschläge erteilen. Sein Gegenüber sollte nicht wie viele andere meinen, ungestraft sündigen zu können, nur weil es an Wissen über die Sünden mangele. Der mahnende Duktus bestimmt auch eine Abhandlung zum christlichen Armutsgebot für eine junge römische Adlige von 413/414, in der der Anonymus Reichtum und Geiz gei90 Vgl. ebd., S. 41 – 43. Zu Pelagius, seinen Expositiones und seinem Kirchenverständnis siehe Thier, Kirche. 91 Uult istam beatitudinem tribus temporibus assignare, naturae circumcisionis, et christianitatis (24.57). 92 Zu den tempora christiana siehe Brown, Entstehung, S. 48 – 69, bes. S. 62. Häufig von den tempora christiana sprach Orosius, Hist. VII, III,4.4; III,8.3; IV,23.10; V,11.6; VI,22.9, VII,5.3 – 4, VII,8.4 (CSEL 5).

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ßelte.93 Er benutzte christianitas im Zusammenhang mit folgender Frage: Wie könne es sein, dass es unter jenen, die mit demselben Wort des Christentums benannt und an dem Gelübde für dieselbe Religion erkannt würden, einige gäbe, die vor unfrommer Grausamkeit vor Unterdrücken, Rauben, Foltern und schließlich Töten nicht zurückschreckten, oder aber andere von solcher Frömmigkeit erfasst wären, dass sie als unbarmherzig gefürchtet würden, und andere diese ohne Furcht vernichteten? Sei nicht allen, die Christen genannt würden, dasselbe christliche Gesetz gegeben?94 In dieser Frage des Anonymus spiegelt sich abermals die Erfahrung mit den unterschiedlichen Einstellungen unter den Christen zum Christentum. Wie bereits für andere vor ihm, stellten in den Augen des Anonymus die schlechten Christen eine ernstzunehmende Gefahr dar, da sie durch den Widerspruch in ihrem Verhalten und ihrem Bekenntnis zum Christentum dieses in Verruf brachten. Auf der einen Seite stand christianitas wieder im Zusammenhang mit der Differenzierung zwischen guten und schlechten Christen sowie mit dem normativen Verhaltenskodex von Christen in einer eben nicht völlig christianisierten Gesellschaft. Auf der anderen Seite aber bediente sich der Anonymus eines weiteren Bedeutungsaspekts, der sich durch vocabulum christianitatis nuncupantur andeutete.

3.

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Der Gebrauch von christianitas im Zusammenhang mit der christlichen Lebensweise, der Art des Christseins, verdichtete sich zu einem konkreten Muster : dem nomen christianitatis. Dabei handelte es sich um die Steigerung der geläufigen identitären Formel vom nomen christianum.95 Die Stabilisierung des nomen christianitatis zu einem wiederkehrenden Verwendungsmuster ist an der Konstanz ihrer Verwendung über die Jahrhunderte hinweg zu erkennen. Papst 93 Vgl. Kessler, Reichtumskritik. 94 Quae haec, oro te, causa est, ut inter eos, qui eodem Christianitatis vocabulo nuncupantur et eiusdem religionis sacramento censentur, sit tam magna discretio, ut alii tanta impietatis crudelitate / versentur, ut opprimere, spoliare, torquere, interficere postremo non metuant, alii vero tante / pietatis terreantur affectu, ut his immisericordes esse vereantur, quos alii sine timore prostaverint? […] Numquid / non omnibus, qui Christiani dicuntur, eadem Christianitatis lex data est? (39.75 – 76). 95 Siehe Kapitel I.1, Anm. 5 zu Tertullian. Eine Stichprobe zu nomen christianum in HSCM ergab 444 Treffer für die PL bis zum Ende des 5. Jahrhunderts. Eine Abfrage in der LLT nach »nom* + christian*« für die Periode Aetas Patrum I (200 – 500) ergab mehr als 600 Treffer. Diese Zahlen sind ausschließlich als Größenordnung zu verstehen, da diese Werte nicht statistisch bereinigt sind. Doch bereits als solche geben sie über die weite Verbreitung dieses Ausdrucks Aufschluss. Fałkowski/Sassier, Le monde carolingien, S. 10 f. weisen aber auch darauf hin, dass Termini wie nomen christianum zur Zeit Caesarius von Arles (470 – 542) geläufig waren.

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Gregor I. (590 – 604), die Bischöfe Caesarius von Arles (470 – 542), Eligius von Noyon (gest. 659/660?), Isidor von Sevilla und Julian von Toledo machten von ihr Gebrauch wie auch Beda Venerabilis.96 Dass dieser Ausdruck im Verbund mit ähnlichen Formulierungen (vocabulum oder titulus christianitatis) einen wesentlichen Bestandteil der christianitasVerwendung ausmachte, hing erstens mit der identitätsstiftenden Funktion des Namens und dessen theologischer Fundierung zusammen.97 Zwischen dem Namen und der mit ihm benannten Sache besteht sowohl in jüdischer als auch in christlicher Tradition ein wesenhafter Zusammenhang. Die Bibel enthält viele Stellen, in denen der Name sogar aktiv handelt.98 Die enge Korrelation von Name und Person beruht auf magischem Denken und dem religiösen Verbot, den Namen JHWH auszusprechen.99 Bei dieser Formulierung der ersten Bitte des Vaterunsers handelt es sich um ein Imperativ Aorist Passiv, um ein ehrerbietendes Passiv. Der »Name« wird zur Ersatzvokabel für Gott. Diese Formulierung

96 Siehe für Gregor : 82.184; 85.188; 85.189; 85.190 und hier Kapitel VI; für Eligius: 113.221 und Kapitel V; für Isidor von Sevilla: 105.212; 110.218 und Kapitel VII; für Julian von Toledo: 119.227 und Kapitel VII; für Beda: 131.244; 134.249 und Kapitel V. 97 Die identitäre, soziale Funktion des Namens ist auch aus anderen Zusammenhängen bekannt. Isidor von Sevilla sprach z. B. vom nomen viduitatis, dem Namen der Witwe, der einer Frau dann nicht zustünde, wenn sie mehrere Ehemänner gehabt hätte. Mit dem Namen der Witwenschaft, oder einfacher dem Namen der Witwe ist die Frau selbst gemeint, der der Stand einer Hinterbliebenen zugeschrieben worden ist. Vgl. Jussen, Name der Witwe, S. 166 – 169 mit der Verweis auf Isidor, De ecclesiasticis officiis, II,19,2, S. 88: Illam autem uiduam apostolus uocat quae, post unius coniugii intercetpum, exinde sexui renuntiat. Dicit enim: Vidua elegatur non minus annorum LX unius uiri uxor ; unde consequens est ut quae plurimis fuit nexa maritis careat nomen uiduitatis. 98 So z. B. exaudiat te Dominus in die tribulationis protegat te nomen Dei Iacob (Ps 20,2). 99 Im neutestamentlichen Vaterunser wird das Verbot ins Positive gewendet: »Dein Name werde geheiligt«/sanctificetur nomen tuum (Mt 6,9). Das vierte Gebot im Dekalog lautet: »Du solltest den Namen Jhwhs, Deines Gottes, nicht zum Trug erheben, denn Jhwh wird den nicht freisprechen, der seinen Namen zum Trug ausspricht« Ex 20,7 = Dtn 5,11. Vgl. Bari¦, Religion, S. 65 – 69; Köckert, Die Zehn Gebote, S. 65 – 68, bes. S. 67: In der aktuellen theologischen Deutung des Dekalogs wird darauf hingewiesen, dass das Verbot, den Namen Gottes zu missbrauchen, auch damit zusammenhängt, dass »Gottes Ich […] in seinem Namen einem Du gegenübertritt« und der Name damit die personale Begegnung zwischen Gott und Mensch enthält. Die Stelle im Vaterunser ist bereits in Jes 29,23 angelegt. Interessant ist hier der Hinweis von Bari¦ auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Kaddisch und dem Vaterunser, der in der Schlichtheit und Kürze des Vaterunsers liegt. Im Kaddisch wiederum: »Gepriesen sei und gerühmt, verherrlicht, erhoben, erhöht, gefeiert, hocherhoben und gepriesen sei der Name des Heiligen, gelobt sei er, hoch über jedem Lob und Gesang, Verherrlichung und Trostverheißung, die je in der Welt gesprochen wurde, sprechet Amein!« Vgl. www.talmud.de/cms/ Das_Kaddisch-Gebet.294.0.html. Und im Achtzehnbittengebet: »Du bist heilig, und dein Name ist heilig, und Heilige preisen dich jeden Tag. Sela! Gelobt seist du, Ewiger, heiliger Gott!« Zitiert nach http://buber.de/cj/judaica/18bitten (beides eingesehen am 4. 12. 2014). Zum Islam siehe Gardet, (Art.). Alla¯h.

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verhindert, dass Gott sich selbst nennt oder etwas auf sich bezieht.100 Die ungeheure Bedeutung des Namens Christi wird erstens an jener Bibelstelle deutlich, in der Jesus jeden auffordert, Familie und weltlichen Besitz aufzugeben um seines Namens willen, um dafür hundertfach und mit dem ewigen Leben vergolten zu werden.101 Nicht zuletzt bestand der letzte Akt der Missionierung in der Taufe auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes (Mt 28,19). Zweitens gehörte es zum historischen Orientierungswissen der Christen, dass vor der Konstantinischen Wende das öffentliche Bekenntnis zum Christentum – zum nomen christianum – als Verbrechen gegen die Gemeinschaft und den Kaiser gegolten hatte und mit dem Tode bedroht wurde.102 Auch nach der Verfolgung genoss das nomen christianum weiterhin hohes Ansehen. Drittens forderte das spätere kanonische Recht, dass mit dem nomen auch eine Realität verbunden sein müsse, weil ansonsten Betrug und damit ein Straftatbestand vorliege. Darin wie auch in anderen Punkten, die in Kapitel IV ausgeführt werden, folgte das kanonische Recht seinem römischen Vorbild. Auf die Religion bezogen, hatte man also ganz Christ zu sein und nicht nur dem Namen nach.103 Viertens hing ein solcher Wortgebrauch mit einer konstanten Defizienzerfahrung der hier schreibenden Geistlichen zusammen, die bei der Behauptung und Ausbreitung des Christentums während des 5. bis 8. Jahrhunderts immer wieder die Erfahrung machen mussten, dass der Anspruch auf vollständige Christianisierung, die Verwandlung der polyreligiösen Welt in eine christliche, und die tatsächliche Befolgung der aus dem christlichen Glauben resultierenden christlichen Lebensweise zum Teil weit auseinanderklafften.104 100 Die damit verbundene theologische Frage lautet: Soll Gott sich selbst heiligen oder sollen anderen ihn heiligen? Es geht darum, dass Gott im Himmel bereits durch die Engel geheiligt werde, dies aber noch nicht auf Erden der Fall ist, weil dies erst mit den letzten Tagen der Welt sein werde. Siehe Philomenko, Vaterunser, S. 46 – 50. 101 Et omnis qui reliquit domum vel fratres aut sorores aut patrem aut matrem aut uxorem aut filios aut agros propter nomen meum centuplum accipiet et vitam aeternam possidebit (Mt 19,29). 102 Vgl. Markschies, Kirche, S. 66 f. 103 Vgl. Dum¦zil, Racines, S. 369. 104 Zum Prozess der Christianisierung und der aus ihr resultierenden Entstehung sog. MikroChristentümer siehe Brown, Entstehung, S. 117 – 252. Hieran anschließend die Darstellung von Smith, Europe, S. 220 – 239; Markus, Between Marrou and Brown, S. 13; Casiday/ Norris, The Cambridge History of Christianity, Bd. 2. Bezeichnenderweise lauten die Titel des ersten Abschnitts: Western Christianities (Winrich Löhr), Germanic and Celtic Christianities (Knut Schäferdiek), Greek Christianities (Frederic W. Norris), Early Asian and East African Christianities (David Bundy). Winrich Löhr beginnt sogar mit dem Satz: »The story of Western Christianities from Constantine to the close of the sixth century is one of both expansion and the formation of diverse Christianities.« Delogu, Papacy, S. 201 u. S. 209, steht dieser Deutung von der Pluralisierung des Christentums kritisch gegenüber und hält an der zentralen Rolle Roms auch im 6. bis 8. Jahrhundert fest. Dum¦zil, Racines, S. 457, hält hingegen an der Einheitlichkeit der entstehenden christlichen Gesellschaft fest

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An die Bedeutung von nomen als numen erinnerte der in Marseille als Priester tätige Salvian in der Mitte des 5. Jahrhunderts, der sich in diversen Predigten an der aus seiner Sicht moralischen Dekadenz seiner Zeitgenossen abarbeitete.105 Die nunmehr verstärkt in Gallien siedelnden Westgoten hätten über die Römer den militärischen und moralischen Sieg davongetragen, weil diese ihr Christentum nicht ernst genommen hatten.106 Im Bestreben nach einer Balance zwischen klassischem Latein und Umgangslatein trug Salvian seine pessimistische Gesellschaftskritik in allen möglichen Facetten vor und fasste sie später in seiner Schrift De gubernatione Dei zusammen.107 Wie Asterius von Amaseia (14.30) bereits einige Zeit vor ihm, beklagte Salvian, dass einige, die Afrikaner nämlich, ihren heidnischen Glauben hinter dem christlichen Namen versteckten. Sie würden sich Christen nennen und schmähten damit Christus.108 Dasselbe warf Salvian den eigenen Landsleuten vor. Auch sie würden sich christliches Volk nennen, sich mit dem großen Vorrecht des nomen christianitatis schmücken, doch vielmehr wie eine Schande für Christus auf die anderen wirken.109 An anderer Stelle fragte Salvian rhetorisch, wo denn die Christlichkeit/Christentum derer sei, die das sacramentum salutis angenommen hätten, aber danach in noch größerer Sünde leben würden (48.94). Der Zauber des nomen schien längst enthüllt und zum Vorschein kam das als noch gefährlicher wahrgenommene Problem eines nur scheinbaren Christentums. Mittels nomen christianitatis ließ sich zwischen der christlichen Wesensmäßigkeit und einem vorgeblichen Christsein differenzieren, das eine einfordern und das andere ächten.110 Im 6. Jahrhundert bediente sich ein weiterer, hoch gebildeter Geistlicher aus dem südlichen Gallien des Nominalmusters von christianitas. Bischof Caesarius

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wie auch an der Interpretation, dass die verschiedenen christlichen Königreiche Westeuropas ein Gefühl christlicher Einheit kannten. Habebant quippe intra muros patrios intestinum scelus, Caelestem illam scilicet Afrorum daemonem dico: cui ideo, ut reor, veteres pagani tam speciosae appellationis titulum dederunt, ut, quia in eo non erat numen, vel nomen esset, et quia non habebat aliquam ex potestate virtutem, haberet saltim ex vocabulo dignitatem (48.95). Vgl. Pietri, Die wechselvolle Geschichte, S. 223 – 225; Van Engen, Christening, S. 18 mit Verweis auf Salvian, De gubernatione Dei, 1,7: das Sintflutargument. Salvian, Oeuvres II, ed. Lagarrigue (SC 220), S. 16 (»ermüdend stilisierte« Mahnschrift) und S. 78. So auch Brox, (Art.) Salvian von Marseille, S. 621. Salvian deutete die Völkerwanderung als Gottes Gericht über das sündige, christliche Volk. Ecce quae Afrorum et maxime nobilissimorum fides, quae religio, quae christianitas fuit! dicebantur Christiani ad contumeliam Christi (48.95). Quae cum ita sint, magna videlicet nobis praerogativa de nomine Christianitatis blandiri possumus, qui ita agimus ac vivimus, ut hoc ipsum, quod Christianus populus esse dicimur, obprobrium Christi esse videatur (48.92). Siehe hierzu auch Van Engen, Christening, S. 19; Rupp, L’id¦e, S. 15. Piepenbrink, Identität, S. 134, weist hier darauf hin, dass Augustinus in fünf verschiedenen Schriften gegen die ›Namenchristen‹ angeschrieben hatte – ohne allerdings in diesem Kontext von christianitas zu sprechen, was im nächsten Kapitel ausführlicher zu besprechen ist. Siehe auch CTh 16.7.7 (4.84) und weiter unten in Kapitel IV.1.

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von Arles, der »größte Volksprediger der altlateinischen Kirche«,111 hatte wie Eucherius von Lyon und Salvian zeitweise als Mönch in dem von Johannes Cassian gegründeten, vor Marseille liegenden Kloster L¦rins gelebt, bevor er 496 nach Arles kam und dort zuerst eine Vorstadtabtei leitete, um die monastische Disziplin wiederherzustellen. Obwohl Caesarius insbesondere als Seelsorger und Prediger nachhaltigen Einfluss auf das lateinische Christentum genommen hat,112 hat er wie der ebenfalls einflussreiche Petrus Chrysologus nur selten christianitas verwendet: zum einen in seinen Klosterregeln (65.121 – 123), zum anderen in einer Homilie, die gleichzeitig seinen Apokalypsekommentar darstellt (66.124). Die Verwendungen von christianitas decken sich in beiden Fällen mit dem seiner intellektuellen Vorgänger, wobei Caesarius vom vocabulum christianitatis sprach bzw. vom nomen christianum und einem fingierten Christentum (christianitatem fingit; 66.124). In den Regeln für Nonnen und Mönche, auf denen die Klostergemeinschaften ruhen sollten, wollte er christliche Werte und soziales Verhalten vermitteln.113 So warnte er vor den Versuchungen des Teufels, gegen die jede(r) ankämpfen müsse, solange man lebe. Die faulen und lauen Christen aber, die nur wegen der Bezeichnung christianitas gerühmt werden, würden das Prophetenwort nicht kennen, wenn sie dächten, es reiche aus, so wie man die Weste wechsle auch den Habit der Religion überzulegen.114 Interessanter als das Prophetenwort ist nun, dass auch Caesarius seinen Kampf gegen ein nur scheinbares Christentum mit ähnlichen sprachlichen Mitteln fortführte wie seine Vorgänger. Bruno Dum¦zil hat darauf hingewiesen, dass Caesarius der Auffassung war, dass diejenigen Christen, welche den christlichen Namen durch das Taufgelöbnis angenommen hätten, ohne von nichtchristlichen Praktiken abzulassen, aufgrund des christlichen Namens am Jüngsten Gericht angeklagt würden.115 Allerdings schien Caesarius seinen Wortgebrauch an das Publikum anzupassen. Luce Pi¦tri zufolge hat Caesarius in seinen Sermones bewusst umgangssprachlich formuliert, um seine Zuhörer zu erreichen. In den anspruchsvolleren Homilien jedoch, und zu diesen gehört die Passage hier zweifellos, wollte er ein gebildetes Publikum ansprechen.116 Hieraus 111 So Bernhard Altaner zitiert nach Angenendt, Frühmittelalter, S. 87. 112 Vgl. König, Bekehrungsmotive, S. 351, zu seiner Tätigkeit als Seelsorger. Benedikt von Aniane wird später in der auf dem Aachener Konzil erlassenen Nonnenregel (233.426) die christianitas-Passage bei Caesarius unverändert übernehmen. 113 Vgl. Klingshirn, Caesarius of Arles, S. 184 – 200; Pi¦tri, Durchsetzung, S. 393 f. 114 Quandiu in hoc corpore vivimus, die noctuque Christo adiutore vel duce contra diabolum repugnemus. Sunt enim aliqui, quod peius est, negligentes et tepidi, qui de solo christianitatis vocabulo gloriantur, et putant quod illis sufficiat vestem mutasse, et religionis tantum habitum suscepisse, nescientes illud propheticum: […] (65.121). 115 Vgl. Dum¦zil, Racines, S. 369 mit Verweis auf Caesarius, Sermon 16,3 (SC 175), S. 458. 116 Vgl. Pi¦tri, Durchsetzung, S. 392 f.

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würde sich ergeben, dass Caesarius nur in den Kreisen von christianitas sprach, in denen er sicher sein konnte, dass es sich um ernsthaft Gläubige handelte, die über einen christlichen Bildungshintergrund verfügten. Es kann also sein, dass Caesarius in seinen Predigten und Ermahnungen an das gemeine Volk eher zu nomen christianum griff als zu nomen christianitatis,117 dass also hinter der Wortwahl eine Differenzierung nach sozialer Herkunft, religiöser Überzeugung und Wissen stand. So ein Vorgehen scheint vorstellbar für einen Kleriker, der einerseits viele politische Umwälzungen erleben und mit ihnen umzugehen lernen musste und der andererseits den monastischen Frieden in L¦rins kennengelernt hatte, den er mit seinen eigenen monastischen Anstrengungen erreichen wollte. In diesem christlichen Mikrokosmos werden sicherlich andere Ausdrucksformen gewählt und ein anderes Niveau im christlichen Diskurs gepflegt worden sein als in der Konfrontation mit denjenigen, die aus Sicht dieser Christen im wahrsten Sinne des Wortes entweder Heiden, Scheinchristen oder Häretiker waren. Dann wäre hier aber auch ein Punkt erreicht, an dem die veränderten politischen und gesellschaftlichen Bedingungen Einfluss auf die Wortwahl nahmen, ohne dass sich die Bedeutung dadurch veränderte, der Sprecherkreis aber deutlich schrumpfen musste, wenn die Christen das Wort mit sich hinter die Klostermauern nahmen. Diese Vermutung lässt sich durch einige Indizien stützen. So fand sich christianitas in der Regula Magistri, die der Abt Eugippius des Klosters St. Severin nahe Neapel um 530 verfasste, der zuvor bereits Werke des Augustinus herausgegeben hatte und daher mit dem Wortgebrauch des Kirchenvaters wohlvertraut gewesen war.118 Jedenfalls steht christianitas hier nicht im Widerspruch zu Augustinus, da Eugippius das Leben im Kloster beschrieb und die Vokabel als gesteigertes Adjektiv verwendete. Nachdem nun die Zeit der Verfolgung vorbei sei, könnten die Mönche im christlichen Frieden (in ipsa christianitatis pace) nun unter der Herrschaft des Abtes gegen Herausforderungen und Anfechtungen – ergänze: im täglichen Mönchsleben – kämpfen.119 Der Hinweis auf das Ende der Verfolgung durch die römischen Kaiser verzerrt das Bild. Die Christen hatten seit sehr langer Zeit keine solche Verfolgung mehr erleben müssen, außerdem war das Christentum nicht mit dem weströmischen 117 Immerhin nutzte Caesarius nomen christianum in einer Predigt über Ehebruch, PL 67, 1087C und in einem Brief an einen gewissen Germanen, PL 67, 1159C. Vgl. Van Engen, Christening, S. 24. 118 Vgl. Löwe, (Art.) Eugippius, S. 620 – 622. 119 Postremo et sine persecutionis tempus in ipsa christianitatis pace in scola monasterii ideo probationibus uel amaricationibus uoluntatum sub abbatis imperio militamus […] (61.114). Dieser Auszug stammt aus dem Abschnitt über die Aufnahme der Aufnahmewilligen, das Jahr der Probe (90, 26 – 33). RM 90 lautet: Wenn ein Laie ins Kloster eintrete, dürfe er erst nach einem Jahr seine Kleidung ändern und die Tonsur erhalten. La RÀgle du Ma„tre II (SC 106), S. 378 – 396, hier S. 378.

Dynamisierung eines Wortgebrauchs

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Reich untergegangen, sondern überlebte unter den neuen Herrschern wie dem ostrogotischen König Theoderich, dem burgundischen König Gundebad, dem fränkischen König Chlodwig I. oder dem Wandalenkönig Thrasamund (496 bis 523), der in Nordafrika regierte. Wie Theoderich war Thrasamund ein gebildeter Arianer, der sich jedoch im Gegensatz zu Theoderich vorgenommen hatte, den Katholizismus unter seiner Herrschaft einzudämmen. So hatte er 120 von 400 katholischen Bischöfen, unter ihnen jener Fulgentius, ins Exil auf Sardinien geschickt. Da Eugippius Nordafrika über seine Augustinus-Rezeption kannte und mit Fulgentius in Kontakt stand, wäre es seltsam, wenn Eugippius nicht gewusst hätte, was sich unter Thrasamund ereignete.120 Da Eugippius selbst aus dem Noricum nach Süditalien gekommen war, weil er dort nicht mehr als Katholik leben konnte, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass er mit christianitatis pax ausdrücklich den Zustand der Ruhe (tranquilitas) im Kloster als Ergebnis und Grundlage des Christentums gezielt herausstreichen wollte, was wohl mit dem monastischen Ideal bei Caesarius im Einklang gestanden haben wird. Zudem finden sich weitere christianitas-Nennungen nur noch im Umfeld von brieflicher Kommunikation und in der – ebenfalls in einem Kloster entstandenen – Historia ecclesiastica tripartita.121 Vergleichbare Fälle der nicht-bischöflichen Glaubensvermittlung wie bei Arnobius dem Jüngeren und dem Anonymus Romanus lassen sich angesichts der Quellenlage nicht ausmachen, was aber natürlich nicht heißen darf, dass es eine solche Kommunikation nicht auch im 6. Jahrhundert gegeben haben mag.

4.

Dynamisierung eines Wortgebrauchs

Neben der Stabilisierung des Nominalmusters von christianitas ist auch eine Dynamisierung des Wortgebrauchs ab dem 5. Jahrhundert zu erkennen: Erstens wurden neben dem Kampf gegen die aus nizänischer Sicht schlechten oder sogar falschen Christen auch noch andere Themen bedient; zweitens traten andere syntaktische Verwendungsweisen auf und schließlich wurde die Vokabel für die Konzeption einer christlichen Chronologie genutzt. Nunmehr setzten Schriftsteller das Wort auch ein, um Geschichten von Christen und die Geschichte der Christen zu erzählen. Dabei rückte die Christenverfolgung als wichtiges Motiv in den Vordergrund. Dem religiösen Klima und den bevorzugten Themen der Zeit entsprechend ging es in der Erzählung eines Unbekannten um die Christenverfolgung des Symphronius:122 Der Präfekt stellte einer Jungfrau nach, die sich 120 Vgl. Van Uytfanghe, (Art.) Eugippius, S. 85 f. 121 Zu dieser Quelle siehe Kapitel V.2. 122 Der Text kann nicht von Ambrosius verfasst sein, wie ein Abgleich mit den fünf Schriften

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Christus geweiht hatte und sich dank ihrer moralisch-religiösen Stärke gegen alle Avancen und Verleumdungen erfolgreich wehren konnte. Da ihre Eltern von nobler Herkunft waren, kam Gewalt nicht in Frage, sodass Symphronius nur noch übrigblieb, sich dem titulus christianitatis der Familie zu widersetzen – oder besser diesen zu schmähen.123 Hier, wie auch in der Streitschrift des Johannes Cassian,124 verschmolz die christliche Einstellung mit der Bezeichnung zu einer Einheit. Der Bischof Eucherius von Lyon (434 – nach 450) wurde in seiner Passio Acaunensium Martyrum noch deutlicher. In dieser Erzählung vom Martyrium der aus Acaunus stammenden Soldaten der Thebaischen Legion als Glaubenskämpfer gegen Kaiser Maximianus (286 – 305) verdichtete Eucherius die Ausgangslage, indem er den Kaiser als einen allen schlechten Eigenschaften (vitiis) ergebenen gottlosen Anhänger heidnischer Kulte zeichnete, der »seine Unfrömmigkeit als Waffe zur Auslöschung des christlichen Namens eingesetzt hatte«.125 Der Konnex zwischen den Erzählungen von der Christenverfolgung und dem nomen christianitatis wird schließlich auch beim Ravennater Bischof Petrus Chrysologus (sed. 424/29 – 451?) sichtbar, dessen Predigten im Mittelalter hochgeschätzt wurden.126 Petrus bewies seine meisterliche Predigtkunst, indem er zuerst Jesus mit einem Steuermann verglich, der seine Kirche gleich einem Schiff in ruhige Gewässer führte, indem er Herrscher besänftigte, Völker zur Ruhe brachte, Römer zu Christen und sie zu Verkündern des verbi christianae fidei machte, die zuvor den christlichen Namen (nomen christianum) verfolgt hätten. Dieser Ruhe dienten die Fürsten, die Kirche halte sie, das Christentum habe sie, das Heidentum bewundere sie.127 Petrus sprach sicherlich absichtlich

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des Kirchenvaters zum Ideal der Jungfräulichkeit ergab, die Peter Dückers ediert hat. Der in diesem Textabschnitt erwähnte Symphronius kommt in den fünf Schriften nicht vor. Siehe Ambrosius, De Virginibus (FC 81). So auch Hunter, Latin Writers, S. 309; Evans, Pelagius. Videns itaque Symphronius praefectus tantam in puella constantiam, parentes ejus alloquitur : et quia erant nobiles, et vim eis inferre non poterat, titulum eis christianitatis opposuit (18.36). […] transisse autem ad Christum gentes negare non uales, utpote quae nomine Christianitatis indepto non fide tantum ad dominum Iesum Christum, sed etiam ipso nomine transierunt, quia, cum idem quod sunt uocentur, factum est, quod erat fidei opus, nominis sacramentum (44.86). Idem namque Maximianus, sicut avaritia, libidine, crudelitate ceterisque vitiis obsessus furebat, ita etiam exsecrandis gentilium ritibus deditus et erga Deum caeli profanus, impietatem suam ad extinguendum christianitatis nomen armaverat (47.91). Im nächsten Satz wird klar, dass es sich dabei um jene handelte, die sich zum Kultus des wahren Gottes bekannten: Si qui tunc Dei vei cultum profiteri audebant […]. Bonner, (Art.) Petrus Chrysologus, S. 290 f. Suscitatus ergo a discipulis christus mare, hoc est mundum, corripit, tranquillat orbem, reges mitigat, potestates placat, sedat fluctus, componit populos, romanos efficit christianos, ipsos que executores uerbi christianae fidei reddidit, qui fuerant persecutores nominis christiani. Hanc tranquillitatem seruant principes christiani, ecclesia tenet, habet christianitas, gentilitas ammiratur (42.81). Siehe auch Rupp, L’id¦e, S. 15.

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zuerst vom nomen christianum und danach von der christianitas, um sich nicht zu wiederholen und vor allem um den Merksatz von der tranquillitas Christi so einprägsam wie möglich zu formulieren. Es ist gut möglich, dass er christianitas an dieser Stelle personalisierte, sogar als Gruppenbezeichnung nutzte. Dies ergibt sich aus der Handlungsfähigkeit der christianitas als Subjekt – solch eine Verwendung war in den Jahrzehnten zuvor nicht vorgekommen – und der ebenfalls handelnden Gruppe der Heiden, der gentilitas. Durch die enge textuelle Verknüpfung aber wird auch sichtbar, dass nomen christianum als Bezeichnung für Petrus in engem gedanklichem Zusammenhang mit christianitas stand, wodurch das Wort auch Christlichkeit/Christentum oder Christenheit bedeuten konnte. Zudem zeigt die Predigt des Petrus, dass die Herausbildung eines Verwendungsmusters nicht zwangsläufig zu einem verengten Gebrauch von christianitas nach diesem Muster führen musste. Nun, rund 60 Jahre nach Marius Victorinus und Ambrosiaster, schien das Wort auch in anderen syntaktischen und semantischen Bezügen einsetzbar, was besonders an der lex christianitatis deutlich wird. Marius hätte die christliche Pflichtenlehre wahrscheinlich nicht so bezeichnet, doch predigte Bischof Valerian von Cemele auf diese Weise die Nächstenliebe.128 Der in Rom ansässige Arnobius (der Jüngere) ließ in den Acta S. Sebastiani den ehemaligen Christenverfolger Chromatius bekennen: »Ich glaube nämlich und dies ist mein Glaube, dass ich mich von allem, was das christliche Gesetz (christianitatis lex) ablehnt und verbietet, völlig losmachen und mir mein gegenwärtiges und zukünftiges Heil erwerben werde.«129 An anderer Stelle, in der Trostschrift Liber ad Gregoriam, erklärte Arnobius einer Römerin, dass die Einhaltung der göttlichen Gebote für alle, die sich zum Christentum bekennen (christianitatem profitentibus) schwer wiege und deren Nichteinhaltung nicht ungestraft bliebe (45.87). Das aktive Annehmen des christlichen Glaubens und das damit verbundene Normensystem in Form der syntaktischen Beziehung Verb + Akkusativobjekt (christianitatem) wurde ebenfalls von Arnobius auf diese Weise formuliert (46.89), was sowohl mit dem Wortgebrauch des Ignatios-Briefes (19.37 – 38) als auch mit Wendungen bei dem zur gleichen Zeit in Marseille lebenden Salvian (48.93) im Einklang stand. In solchen syntaktischen Fügungen erhielt christianitas eine neue Wertigkeit. Es fungierte nicht als Genitivattribut, das andere Sachverhalte als christlich mar128 Proximus tuus est omnis homo, qui eadem tibi est Christianitatis lege conjunctus; proximus tibi est, qui ab Ecclesiae consortio non videtur alienus; proximus tibi, quicumque est proximus Christi (49.96). Bischof Valerian lebte in Cemele, dem heutigen Nizzaer Stadtteil Cimiez. 129 Credo enim, et haec fides mea est, quod his omnibus quae Christianitatis lex abominatur et prohibet, si a me ex integro separavero, et praesentem merear salutem consequi et futuram (45.87).

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kiert. Es konnte in dieser anderen Funktion im Satz auch Christlichkeit oder das Christentum selbst bedeuten. Auf die Weise eröffneten sich neue Ausdrucksmöglichkeiten, die insbesondere in der Übersetzung der Historia ecclesiastica tripartita genutzt werden sollten.130 Ein letztes Merkmal im christianitas-Gebrauch der spätantiken Theologie ist die von Pelagius um 400 in der Auslegung von Röm 4,9 bereits erwähnte Verknüpfung von christlichen Zeitvorstellungen und christianitas.131 Anklänge hieran finden sich bereits bei Salvian von Marseille (48.93). Der Senator Flavius Magnus Aurelius Cassiodor (485 – um 580) hatte die Stelle in dessen Pauluskommentar wortwörtlich übernommen (70.128). Ein unbekannter Schüler Cassiodors hatte in der Auslegung Kol 3,22 – 25 die Figur der tempora christianitatis verwendet, um damit zu erläutern, dass nur gute Taten Gottes Lohn erhielten, weil sie aus der Zeit des Christseins hervorgingen. Gott lasse sich aber nicht täuschen, so wie man die Augen der Menschen täuschen könne.132 Durch den Textzusammenhang wird deutlich, dass diese tempora christianitatis nicht als christliche Ära zu verstehen sind, sondern individualisiert als die Zeit nach der Taufe, nach dem Übergang vom Naturzustand oder der Anhängerschaft an eine andere Religion zum Christentum. Insofern blieb der Cassiodor-Schüler in seiner Verwendung innerhalb des von Pelagius entworfenen und von Cassiodor übernommenen Deutungsschemas. Er erweiterte es indes, indem er es mit dem Motiv des Scheinchristentums sprachlich und gedanklich verband.133 Dies tat auch Caesarius von Arles in seiner Homilie 11 an der Stelle, an der er über Offb 13,11 sprach. Bei ihm findet sich die Deutung von der Bestie mit den zwei Hörnern, die sich den Anschein gebe, die Kirche zu sein, aber doch nur die häretische Kirche (haeretica ecclesia) sei. Wenn dieses Tier spräche und den christlichen Namen bekennen würde, würde es das Christentum (christianitatem fingit) vortäuschen, weshalb der Herr vor den Pseudopropheten gewarnt habe.134 Die apokalyptische Deutung einer versagenden christlichen Gemein130 Siehe hierzu Kapitel V.2. 131 Markus, End, S. 125 – 135. Nicht nur Sprache, Kultus, Kunst, Begräbnisrituale etc. wurden christianisiert, sondern auch die Zeitvorstellungen, vom Wochenrhythmus zum Jahresrhythmus, von der Gestaltung des Festtagskalender und später (ab dem 6. Jahrhundert) auch der Jahreszählung. 132 Qui ubique semper videt, et odit omne figmentum. Nam humanus oculus falli potest, et ideo sic agite, at conditionis necessitatem, voluntatem faciatis religionis, ut per vestra opera bona Domino gratiae referantur, cum vos omnes viderint ex Christianitatis tempore profecisse (72.130). 133 In derselben Bedeutung findet sich christianitas in der dritten Stelle aus dem fälschlicherweise Primasius zugeschriebenen Paulus-Kommentar (76.175). 134 Haec est illa quae sub nomine christiano agnum praefert, ut draconis venena latenter infundat; haec est haeretica ecclesia: agni enim similitudinem non imitaretur, si aperte loqueretur : nunc Christianitatem fingit, quo securius incautos decipiat, propterea Dominus dicit, Cavete a pseudoprophetis (66.124) mit dem abgeänderten Zitat aus Mt 7,15.

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schaft teilte Caesarius mit Salvian von Marseille, doch der eigentliche Aufschwung in der Beschäftigung mit dem Weltenende setzte erst nach 560 und dem Ende der justinianischen Herrschaft ein.135 In dieser Zeit verfasste der Bischof Primasius von Hadrumetum seinen Apokalypsekommentar, ein, wie Daley es charakterisierte, eher vorsichtiges Werk, das nicht von einem unmittelbaren Ende der Zeit ausging.136 Seine Schrift hat im Mittelalter weite Rezeption erfahren. In den Ausführungen zu Offb 11,2 und 12,6 sprach er jeweils einmal von den christlichen Zeiten, die seit den ersten Verfolgungen und Anfechtungen durch Juden, Häretiker und Heiden bis zum Ende dauerten, die mit der Predigt Christi begonnen hätten und bis zum Ende anwuchsen.137 Zu Beginn des 8. Jahrhunderts griff Beda Venerabilis die Auslegung von Primasius für seinen eigenen Apokalypsekommentar auf und übernahm die Formulierung von den tempora christianitatis, die nach 1260 Tagen vollendet sein würden (130.243). Neue theologische Impulse gingen aber weder von ihm noch von den wenigen unbekannten anderen Theologen des 7. und 8. Jahrhunderts aus.138 Immerhin lässt sich erkennen, dass wenn Beda von christianitas sprach, er sich entweder des Temporalmusters oder aber des Nominalmusters bediente, wie seine Passio S. Anastasii (131.244) und die Historia ecclesiastica (134.249) zeigen. Beide Muster scheinen somit den Gebrauch so stark geprägt zu haben, dass sie am Ende der Spätantike in England weiterhin Verwendung fanden und damit wiederum den dortigen Gebrauch von christianitas beeinflusst haben werden. Wie lässt sich nun abschließend der Wortgebrauch durch die nizänischen Theologen der Spätantike charakterisieren? Zuerst einmal ist es richtig, dass die Vokabel weder in den großen theologischen Debatten der Patristik noch in den sich anschließenden theologischen Auseinandersetzungen, wie dem sogenannten »Akakianischen Schisma« oder dem Dreikapitelstreit, Anwendung fand.139 Zum Reden über Gott, zum Reflektieren über das Göttliche – so die augustinische Definition von Theologie – hatte christianitas nichts beizutragen.140 Die Suche der Theologen in patristischer Zeit nach festen Termini und

135 Vgl. Daley, Apocalypticism, S. 42. 136 Vgl. ebd., S. 41. 137 Numerus autem mensium non nouissimam tantum persecutionem significat sed etiam christianitatis tempus omne designat, propter sex mundi aetates et septem dies, quibus praetermeantibus et remeantibus, omne tempus euoluitur (75.173). 138 Hierunter fallen die Glosa Psalmorum (108.215 Nominalmuster), der Genesiskommentar 129.242, der im Grunde auf Isidor von Sevillas Auslegung 105.212 ruht, sowie der Psalmenkommentar 135.250 – 251. 139 Zum »Akakianischen Schisma« in kritischer Auseinandersetzung, auch mit der Bezeichnung an sich, siehe Kötter, Zwischen Kaisern und Aposteln. 140 Vgl. Fiedrowicz, Theologie, S. 39 – 41.

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Formulierungen bezog christianitas nicht ein.141 Die Vokabel wurde nicht zum Konzept, es wurde nicht darum gestritten: Man sprach mit ihr, nicht über sie. Erweitert man die Definition um die Art und Weise, die christliche Glaubenslehre zu vertiefen, über die Ansprüche des evangelischen Lebens nachzudenken und das Wort zu ergründen,142 lässt sich auch an christianitas eine theologische Dimension erkennen. Mit ihrer Hilfe ließen sich Aussagen über das Christsein im Vollzug der christlichen Pflichtenlehre treffen. Hierzu diente die Polysemie des Wortes: Es konnte einfach nur die Funktion des Adjektivs »christlich« übernehmen oder auf das Individuum bezogen für die Eigenschaft der Christlichkeit stehen, darüber hinaus für das überindividuelle Christentum als religiöses Normensystem – synonym zu christianismus – oder aber nur für den christlichen Glauben stehen. Entscheidend für die Verwendung des Wortes war aber der Zusammenhang mit einem zentralen Problem der praktischen Theologie: Wann ist man ein wahrer, wann ist man ein falscher Christ? Was muss man tun, um als Christ zu gelten, um dadurch am Heilsversprechen Christi teilzuhaben. Insofern wurde christianitas zu einem – wenngleich nicht zentralen Bestandteil – im Diskurs über christliche Identität.143 Die Vokabel wurde fast ausschließlich unter Christen zur Bestimmung dessen herangezogen, was wahres Christsein und wahre Christlichkeit sein sollte. Damit diente sie auch zur Abgrenzung gegenüber Nichtchristen, Juden und insbesondere den Christen, die als falsche Christen geschmäht wurden.144 Die identitäre Dimension mit 141 Vgl. Studer, Schola christiana, S. 21. 142 Vgl. ebd., S. 10 f. 143 Zur christlichen Identität siehe Piepenbrink, Identität; Ayres, Articulating Identity ; Markus, Between Marrou and Brown, S. 10. Als Ausdruck für Christlichkeit, christliche Lebenseinstellung und Selbstbeschreibung lässt sich christianitas als gedanklicher Referenzrahmen auffassen, dem sich ein zweiter Referenzrahmen, nämlich das römische Selbstwertgefühl, das Römischsein, gegenüberstellen lässt; diese können dann wie zwei Pole zu Deutungen spätantiker Mentalitäten beitragen. So hat William Daly, »Christianitas« eclipses »Romanitas«, davon gesprochen, dass beim spätantiken Dichter und Bischof von Clermont, Sidonius Apollinaris (431/32 – 479), die christianitas die romanitas verdrängt habe. Dieser habe seine geistige Heimat nicht mehr im Römertum, sondern im Christentum verortet, als er sein römisches Selbstverständnis in Form von Bildung und Kultiviertheit nicht mehr aus dem Römischen Reich beziehen konnte. Sidonius hat aber weder das eine noch das andere Wort in seinen Schriften verwendet. Ohnehin kommt romanitas nur einmal in Tertullians De pallio vor. Vgl. Woolf, (Art.) Romanisierung, Sp. 1126. Die Gegenüberstellung von romanitas und christianitas ist also ein Interpretament der Forschung und keine sprachliche Formel der Antike. Solche Konzepte finden sich bei Edwards, Romanitas, S. 187; Richards, Gregor der Große, S. 271, vor allem aber in der älteren philologischen und althistorischen Forschung. Vgl. die Festschriften Wirth, »Romanitas – Christianitas«, den Boer, Romanitas et Christianitas, Beyschlag, Humanitas – Christianitas. 144 Alle Kategorien sind nicht ohne Tücke. Die Forschung hat z. B. darauf hingewiesen, dass das Judentum erst durch die radikale kaiserliche Politik zugunsten der Katholiken im 4. Jahrhundert an Gestalt und Identität sowie an Begrifflichkeit gewonnen hat. Vgl. Stroumsa, Religious Dynamics, S. 164. Williams, Clever Titles, S. 42, weist darauf hin, dass auch

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ihren drei Aspekten – negative Bestimmung des Selbst gegenüber den anderen, positive Bestimmung des Selbst aus der Befolgung der religiös fixierten Normen und die Bestimmung des Selbst gegenüber Gott durch das Bekenntnis zum Glauben – sollte den Gebrauch im 5. und 6. Jahrhundert bestimmen, was auch an einer Verwendungsweise des nomen christianitatis sichtbar wird. Dass Jean Rupp die Formulierung »troublante et d¦sagr¦able« nannte, weil sie gar keine Spur einer sozialen Dimension in sich getragen habe,145 ist nicht nachvollziehbar. Denn christianitas erhielt gerade in dieser Formulierung eine normative, sozial ordnende Funktion; diejenigen, die Deutungshoheit über das Christentum für sich beanspruchten und diese in ihren Schriften artikulierten, schieden über den nomen christianitatis die aus ihrer Sicht falschen und wahren Christen voneinander und forderten die Einhaltung christlicher Sozialdisziplin ein. Das kann man sehr gut bei Salvian von Marseille erkennen. Bei ihm wird deutlich, dass die Gruppenbezeichnung für die Christen »Christenvolk«, also populus christianus, lautete (48.92). Die Vokabel christianitas war hier also – wie auch sonst – nicht der Denominator für die soziale Formation an sich, sondern diente zur weiteren Charakterisierung und zur Differenzierung der Gruppenmitglieder. Trotz dieses engen thematischen Zusammenhangs kam es nicht zu einem Erstarren der Wortbedeutung und -verwendung. Ein bestehendes Muster musste nicht anderweitige Formen der Verwendung unterbinden. Aufgrund der Quellenlage und dem Verhältnis von Schriftsprache zu gesprochener Sprache ist es möglich, dass einzeln auftretende Gebrauchssituationen auf andere Bereiche der Verwendung verweisen. Singularität steht aber immer im Verdacht, Ausnahme zu sein. Eine erste solche Stelle findet sich bei Fulgentius, Bischof im nordafrikanischen Ruspe (gest. 533). Er gehörte zu jenen Katholiken, die vom Wandalenkönig Thrasamund (496 – 523) zuerst ins Exil geschickt worden waren, dann aber zum Religionsgespräch an den königlichen Hof kommen durften.146 In einer schriftlichen Antwort auf Einwände des Königs nutzte Fulgentius die Formulierung universa christianitas, die bekennen würde, dass das ewige Licht der Vater sei.147 Am sinnvollsten scheint die Übersetzung: dass alle Christen bekennen würden. Denn in diesem Zusammenhang ist keine geographisch verortete Gemeinschaft der Christenheit gemeint, noch drückt sich darin ein Judentum und Christentum von ihren Verfassern konstruierte konzeptuelle Rahmen zur Formulierung ihrer Anliegen gewesen waren. 145 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 15. 146 Zum Hintergrund: Mod¦ran, Afrika, S. 280 – 283. 147 Candor lucis aeternae sapientia dicitur, quam lucem aeternam patrem esse uniuersa christianitas profitetur (56.109). Fulgentius reagierte auf einen Einwand über Gott und das Licht nach Joh 1,5 – 9, wonach nur Gott das Licht sei, es also nicht mit Jesus zum Menschen gekommen sei. Fulgentius antwortete darauf mit der Wesenseinheit von Vater und Sohn unter Zuhilfenahme von Sap 7,24 – 26.

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Verständnis der Christenheit als transpersonale Einheit aus. Hierfür hätte Fulgentius wohl ohnehin auf ecclesia zurückgegriffen, da er dem Kirchenverständnis des Kirchenvaters Cyprian von Karthago anhing.148 Nicht nur die Deutung von christianitas und die theologische Argumentation, sondern auch der Gesamtzusammenhang unterschied sich deutlich von den bisher vorgestellten Gebrauchssituationen. Hier kämpfte ein Katholik gegen den Arianismus, dem Thrasamund anhing, und musste somit nichtkatholischen Argumenten entgegentreten, was die Fragen aufwirft, ob diese Formulierung auf die Einwürfe des Königs zurückzuführen ist bzw. ob Fulgentius hier auf eine Redeweise am Hofe reagierte. Dies führt wiederum zu den Fragen, wie andere, nichtkatholische Christen mit christianitas umgegangen sein mögen und welche Rolle diese Auseinandersetzungen für das Wortverständnis und umgekehrt das Wortverständnis für diese Auseinandersetzungen spielen konnte. In diese Richtung weist auch die Gebrauchssituation bei Julian von Kos. Dieser hatte Kaiser Leo I. (457 – 574)149 in einem Brief dazu aufgefordert, einen Priester namens Timotheus gemäß dem Kirchenrecht zu bestrafen, weil dieser die kirchliche Ordnung durcheinandergebracht und Unrecht begangen habe und er somit zu einem Feind des ganzen Christentums geworden sei.150 Da der Inhalt des Briefes zu den Geschehnissen der Zeit passt, kann das Schreiben als echt gelten, wenngleich es schon verwundert, warum ein griechischer Bischof dem in Konstantinopel weilenden Kaiser nicht auf Griechisch geschrieben haben soll. Es ist die einzige Stelle, in der christianitas einem Feind gegenübergestellt wird. Die Stelle lässt es zu, die Vokabel als Gesamtheit der Christen zu verstehen, jedoch findet sich so eine Lexik und auch die syntaktische Verbindung totius christianitatis erst in spätkarolingischer Zeit wieder (z. B. 382.701). Diese Stelle kann auf ein anderes Wortverständnis innerhalb des griechischen Teil des Reichs hindeuten bzw. zeigen, dass das Ausloten der Einsatzmöglichkeiten für christianitas auch andere Formen hervorbrachte, die nicht unbedingt sofort als Sinn tragend und Sinn produzierend verstanden wurden. Hierzu lassen sich nur 148 Vgl. Fulgentius, Dicta regis, resp. 10, in: PL 65, 224. Fulgentius zitierte aber im selben, sehr kurzen Buch die Epistel De unitate ecclesia Cyprians, um damit das Konzept zu wiederholen, dass es nur eine Kirche Christi gebe, die durch Frieden und Eintracht bestimmt sei. Abweichungen bedeuteten, dass man sich gegen diese Kirche stelle. Somit verfügte Fulgentius über einen Terminus, um über die Gesamtheit der Christen zu sprechen, sodass er christianitas für seine theologische Konzeption gar nicht brauchte. 149 Über die kirchengeschichtlichen Zusammenhänge informiert Siebigs, Kaiser Leo I., S. 420 f. 150 Sententiam itaque quam contra se Timotheus nefandus exegit, sancti canones apertius explanarunt, quos sua tyrannide saepius abnegavit, disciplinam ecclesiasticam confundendo, et injurias inferendo, inimicus nescio quo modo totius Christianitatis effectus (50.97). Ebd., S. 113 – 116: Priester Timotheus ist wohl aufgrund von verfassten theologischen Streitschriften 453 exkommuniziert und verbannt worden.

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Vermutungen anstellen. Möglicherweise hatte Julian auf seiner Insel Kos und in seiner Ausrichtung auf Konstantinopel nicht viel vom Wortgebrauch in Rom und dem Westen mitbekommen und deshalb die Vokabel auf eine Weise eingesetzt, die durch das Schweigen des Augustinus im Westen untergegangen war.

III.

Das Schweigen des Augustinus

Augustinus schwieg nicht von Anbeginn. Er nutzte die Vokabel christianitas durchaus, nur fehlt das Wort in seinen Schriften ab etwa 395. Dieses Fehlen verwundert, gab es doch kaum einen produktiveren christlichen Schriftsteller als den wortgewaltigen Bischof von Hippo Regius. Augustinus wäre wohl auch kaum der bedeutendste Kirchenvater geworden, hätte er seine andauernden, intensiven und auch erbitterten Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Glaubensvorstellungen und deren Anhängern ausschließlich mündlich geführt. Seine Schriften und ihre Verfügbarkeit über die Jahrhunderte haben überhaupt erst ermöglicht, dass seine Interpretation des christlichen Glaubens wirkmächtig wurde. Zugleich hatte Augustinus großen Anteil daran, dass Heterodoxien ebenso wie widerstreitende Positionen innerhalb des Christentums als Häresien wahrgenommen und letztlich von den Kaisern verfolgt wurden.1 Dies betraf sowohl die als Donatisten bekannten Christen, jene »autonome provinziale Tradition des Christentums«2 im römischen Nordafrika, wie auch die Pelagianer, eine Gruppe von Anhängern des britischen Mönches Pelagius, mit dem Augustinus über die Erbsünde stritt, oder die Manichäer, die der gnostischen Lehre des Religionsgründers Mani (216 – 276/77) anhingen und ihre

1 Vgl. Lyman, Heresiology ; Shaw, Sacred Violence, S. 272 – 282. 2 Nach Martin, Spätantike, S. 223. Einen informativen Überblick zur älteren Donatismusforschung bietet Markus, Christianity and Dissent. Auf Brown, Religious Dissent, S. 83 – 101, rekurrierend konstatiert Markus, ebd., S. 30, dass der Donatismus nicht als Bewegung gesehen werden sollte. »If there was a religious ›movement‹ in late Roman Africa, it is that of Catholicism. The problem is not to trace the roots of Donatism, but rather to assess the factors which assisted the advance of Catholicism in the face of the indigenous Christianity in Africa.« Shaw, Sacred Violence, S. 5 f. hat auf den pejorativen Grundzug der Bezeichnung »Donatisten« hingewiesen und darauf, dass diese Bezeichnung als Kampfbegriff der Katholiken verwendet wurde, worauf weiter unten eingegangen wird. Shaws Lösung, von Dissidenten zu sprechen, entspricht aber auch wieder der katholischen Sicht und kann somit nicht neutral sein. Der Schwierigkeiten in der Wortwahl eingedenk wird im Folgenden dennoch die Bezeichnung »Donatisten« verwendet, um damit zumindest die Darstellung zu erleichtern.

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Das Schweigen des Augustinus

Glaubensgemeinschaft zumindest in Afrika, ähnlich wie und in Konkurrenz zu den Nizänern, als Braut Christi bezeichneten.3 Über solche Selbstaussagen anderer informiert Augustinus dank seiner dialogischen Argumentationstechnik, durch die viele Informationen über diese Gruppen erhalten geblieben sind. So gilt Augustinus auch als der eigentliche »Historiker« des Donatismus.4 Er beschrieb seine Methode in den Retractationes ebenso wie in Contra litteras Petiliani (c. litt. Pet. 2,1):5 »als würden wir die Redegänge abwechselnd in Gegenwart [des anderen] erörtern. Die Worte aus seinem Brief setze ich unter seinem Namen und die gegebene Antwort unter meinem Namen, so als ob das, was wir behandeln, von Notaren mitstenographiert worden wäre.«6 Mit Ivonne Tholen kann man davon ausgehen, dass Augustinus die Gesprächssituationen zuweilen fingierte, aber nicht den Inhalt, den er zum Zweck der Gegenüberstellung in seine Antwort einbaute. Von daher bieten die augustinischen Schriften die Chance, nicht nur dessen Wortgebrauch, sondern auch denjenigen seiner Gegner einzufangen. Wenn Augustinus für seine Argumentationen nicht die Texte seiner Gegner herangezogen hätte, wären diese wohl sonst überhaupt nicht überliefert und ihre Verfasser somit völlig zum Verstummen gebracht worden. So lässt sich zumindest danach fragen, ob die verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften das Wort unterschiedlich eingesetzt haben, ob die Christen untereinander abweichende Vorstellungen mit dem Wort in Verbindung gebracht haben, und wie sich solche Divergenzen möglicherweise ausgewirkt haben. Darüber hinaus lässt sich der Frage nachgehen, welcher Zusammenhang zwischen der Zuschreibung von Häresie und dem Gebrauch von christianitas bestanden haben mag.

1.

Was Augustinus sagte

Augustinus verwendete christianitas jeweils einmal in vier seiner Frühschriften: in »Von der wahren Religion« (De vera religione) von Ende 390, in »Von der Nützlichkeit zu glauben« (De utilitate credendi) von 391/92, in »Über die 3 Diese Aussage über die manichäische Kirche als Braut Christi stammt vom afrikanischen Manichäer Faustus. Augustinus, c. Faust. 15,1. Vgl. auch Wurst, Manichäismus, S. 91. Im Übrigen beschränken sich die folgenden Ausführungen auf diese religiösen Gemeinschaften, da die Quellenlage zu christianitas keine Bezüge zu anderen, als häretisch verfolgten Gemeinschaften ergab. Zur Kontroverse um den Manichäismus siehe Ayres, Articulating Identity, S. 418 f. 4 Vgl. Sieben, Konzilsidee, S. 79. Aufgrund Augustinus’ Schriften weiß man überhaupt nur von Konzilien der Donatisten, die Augustinus für seine Auseinandersetzung mit seinen Gegnern kennen musste. 5 Vgl. Tholen, Donatisten, S. 94 f. mit Hinweis auf Augustinus retr. II,25. 6 Übersetzung in: Tholen, Donatisten, S. 95.

Was Augustinus sagte

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Bergpredigt des Herrn« (De sermone domini in monte) von 393/94 und in »Begonnene Auslegung des Römerbriefs« (Epistulae ad Romanos inchoata expositio) von 394/95.7 Alle Texte stammen damit aus der Zeit vor Augustinus’ 396 begonnenem Episkopat; danach, insbesondere in seinem zentralen Werk De civitate Dei, kommt das Wort überhaupt nicht vor. In keiner der vier Schriften steht die Vokabel an zentraler Stelle. Vermutlich würde man sie bei der Lektüre sogar übersehen; nirgendwo kam er erneut auf christianitas zurück, nirgendwo steht die Vokabel im Mittelpunkt einer Argumentation oder einer Auseinandersetzung mit seinen Gegnern. Die Vokabel war Genitivattribut oder aber Dativobjekt eines eingeschobenen, mithin nachrangigen Satzteils. Obwohl Augustinus dem Wort keine besondere Aussagekraft beimaß, war der beiläufige Wortgebrauch in sich konsistent und stand im Einklang mit demjenigen seiner Zeitgenossen. Auch Augustinus verwendete christianitas im Zusammenhang mit dem christlichen Glaubens- und Normensystem sowie der christlichen Lebensführung.8 Wie bei Marius Victorinus und Zeno von Verona kam die christliche Trias Glaube, Liebe, Hoffnung im Umfeld von christianitas vor; wie Pseudo-Cyprian warnte Augustinus vor Heuchelei und Scheinchristen. Ähnlich wie Ambrosiaster markierte er mittels christianitas den Antagonismus zwischen Christen und Heiden, zwischen Christen und Häretikern. Allerdings erweiterte Augustinus das Wortfeld durch andere Bezugsworte wie regula, praeceptor und professio und eine weitere Formulierung, die wohl allesamt ohne weiteres verständlich gewesen sind. Denn Augustinus intensivierte nur die bereits bekannte Funktion von christianitas als Abgrenzungsvokabel. Dies trat in vera rel. und ep. Rm. inch. in Bezug auf Häretiker offen zu Tage, in s. dom. m. richtete sich der Gebrauch gegen das geheuchelte Bekenntnis zum Christentum (in professione christianitatis): Man solle sich nicht allein vor Körperkult und weltlichem Pomp hüten, sondern auch vor jenen, die ihre Christlichkeit zur Schau stellten, indem sie durch schmutzige Kleidung und ungepflegtes Auftreten ihre Abscheu vor dem Überfluss belegten (11.27). Der Vorwurf wurde sowohl durch die Wortwahl als auch die anschließende Metapher des Wolfs im Schafspelz überdeutlich und 7 Augustinus, De vera religione, cap. 5,8 (9.24) – im Folgenden vera rel.; ders., De utilitate credendi, cap. 36 (10.25) – util. cred.; ders., De sermone domini in monte (11.27) – s. dom. m.; ders., Epistolae ad Romanos inchoata expositio, cap. 22,1 – 3 (12.28) hiernach ep. Rm. inch. Leider war Hensellek, Sprachstudien, für den christianitas-Gebrauch nicht ergiebig. 8 Vgl. Lamirande, (Art.) Christianus, S. 844, dessen Zuweisung der ep. 53 in diesem Zusammenhang nicht stimmen kann, wie zu zeigen sein wird. Augustinus kannte und zitierte Texte der im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Schriftsteller wie Filastrius von Brescia und Marius Victorinus. Nur Ambrosiaster kannte er nicht. In der Korrespondenz mit Hieronymus gab Augustinus als Autor des Kommentars Ambrosius von Mailand an. Im Jahr 420 zitierte Augustinus abermals aus einem anderen Teil dieses Kommentars zum Römerbrief und hielt ihn dieses Mal für ein Produkt des Hilarius von Poitiers, so BussiÀres, Einleitung (SC 512), S. 31.

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Das Schweigen des Augustinus

reihte sich in ähnliche Aussagen von Pseudo-Cyprian (1.1; 2.2), Asterius von Anseduno (14.30) oder Fastidius (21.42) ein. Allein in util. cred. wurde die Vokabel positiv eingesetzt, war aber durch den weiteren Kontext in die Dichotomie von wahren und falschen Christen eingebunden. So forderte Augustinus seinen Adressaten, den alten Gefährten und Manichäer Honoratus auf, auf ihn und die guten Lehrer des katholischen christlichen Glaubens (bonis praeceptoribus catholicae christianitatis; 10.25) zu hören, sich in frommem Glauben, lebendiger Hoffnung und einfacher Nächstenliebe zu üben sowie Gott unablässig anzurufen. An Handlungsanweisungen und Erklärungen von gelehrten und zugleich wahren Christen würde es ihm nicht mangeln.9 Mit diesen Worten kehrte Augustinus am Ende seiner Ausführungen zur Figur des wahren Christen zurück. Er wiederholte seine Absicht, Honoratus dazu zu bringen, »eine falsche Vorstellung von den wahren Christen« abzulegen, »die man uns aus Bosheit oder Unkenntnis unterstellt hat« und ihm »Anstoß dazu zu geben, einige wichtige, göttliche Geheimnisse kennenzulernen.«10 Im Kern behandelte Augustinus in util. cred. das Problem, wie man zur Wahrheit gelange. Er wollte die Kritik der Manichäer an der katholischen Schriftexegese widerlegen; diese war für ihn im Gegenteil der notwendige, richtige Weg zur Wahrheitssuche und -aneignung.11 Obwohl Augustinus zum Schluss behauptete, mit der Widerlegung der Manichäer noch nicht einmal begonnen zu haben, wurde durch die Gegenüberstellung von Manichäern und wahren Christen das antimanichäische Programm deutlich. Wenn von den guten Lehrern des katholischen christlichen Glaubens die Rede war, implizierte dies sogleich das Gegenteil: die schlechten Lehrer der Manichäer. Mit der Betonung der Katholizität von christianitas ging Augustinus über seine sonstige Verwendung hinaus. Kurz nach seiner Ordination zum Priester (390) verfasste er eine weitere antimanichäische Schrift. Wie in util. cred. richtete er sich in vera rel. gegen die Anhänger des Mani, die seinerzeit in Nordafrika sehr präsent waren und sich als die authentische Kirche Christi verstanden. Da Augustinus einige Zeit dem Manichäismus angehangen hatte, war es für seine eigene Glaubwürdigkeit umso wichtiger, sich hiervon klar zu distanzieren und 9 Augustinus’ Anliegen war besonders deswegen heikel, weil er selbst Honoratus erst zum Manichäismus geführt hatte und ihn nun zum Katholizismus bekehren wollte, Vgl. Wurst, Augustinus als ›Manichäer‹, S. 148 – 152; Lancel, Saint Augustin, S. 219 f.; Frend, Rise, S. 661 – 664. 10 Vgl. Augustinus, util. cred., cap. 36 (FC 8), S. 192 f.: In quo memineris volo nondum me Manichaeos coepisse refellere et illas nugas nondum invasisse neque de ipsa catholica magnum aliquid aperuisse, sed voluisse tantummodo eruere tibi, si possem, falsam opinionem de veris Christianis malitiose aut inperite nobis insinuatam et erigere ad amgna quaedam et divina discenda. 11 Vgl. Wurst, Manichäismus, S. 85 – 91; Hoffmann, Einleitung, in: Augustinus, util. cred. (FC 8), S. 17 – 20 zur manichäischen Kritik an der katholischen Bibel- und Glaubensauslegung.

Was Augustinus sagte

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seine eigene Katholizität unter Beweis zu stellen.12 Daher legte er sein Religionsverständnis dar und erklärte, warum das katholische Christentum der einzig wahre Glaube und Kult sei: Die wahre Religion benötige keine Vermittler in ihrer kultischen Verehrung des einen Gottes in der Dreieinigkeit; mit ihm allein frei von allem Aberglauben sollen sich unsere Seelen verbinden (religantes), woher, wie man annehme, das Wort Religion stamme.13 Die christianitas-Passage befindet sich in der Ein- und Hinleitung zum Thema: Die katholischen Christen als Vertreter der wahren Religion, als »Wächter der Reinheit und Wanderer auf dem rechten Wege«, werden dem Wirrwarr von Irrlehren, Häresien und antiken Philosophien gegenübergestellt.14 Kurz zuvor beschrieb Augustinus die Häresien dadurch, dass sie so zahllos wären, von der christlichen Glaubensregel (a regula christianitatis aversae) sich abgewendet hätten und andere zwängen, etwas zu glauben, was nicht der Wahrheit entspreche. In dieser Formulierung werden über regula christianitatis, also Regel oder Richtschnur, die christliche Lebensweise und der Normcharakter des Glaubens transportiert.15 Obwohl Augustinus wieder auf die regula zu sprechen kam, um religio zu erläutern, unterließ er es, erneut christianitas zu benutzen. Stattdessen schrieb er von denjenigen, die von der Glaubensregel und der Gemeinschaft der katholischen Kirche abwichen, während »wir an dem christlichen Glauben und dessen kirchlichen Verbindung festhalten, die katholisch ist und katholisch genannt wird, und zwar nicht nur von den ihren, sondern auch ihren Feinden.16 Der 12 Vgl. Chadwick, Augustine, S. 328; Fuhrer, De vera religione, S. 272 – 275; Augustinus, vera rel., cap. 9; Hoffmann, Einleitung, in: Augustinus, util. cred. (FC 8), S. 14. 13 Vgl. Augustinus, vera rel., cap. 55,111: ad unum deum tendentes et ei uni religantes animas nostras, unde religio dicta creditur, omni superstitione careamus und cap. 55,113: religet ergo nos religio uni omnipotenti deo, quia inter mentem nostram, qua illum intellegimus patrem et ueritatem, id est lucem interiorem, per quam illum intellegimus, nulla interposita creatura est. Augustinus entschied sich bewusst und wiederholt für die etymologische Deutung von religio als von religare abstammend, obwohl er selbst einräumte, dass es eine zweite Herleitung von religere gebe, die den kultischen Charakter hervorhebe. Vgl. ders., retr. I,12,9. Die zweite Herleitung hätte ebenfalls gut, vielleicht sogar besser zu Augustinus’ Religionsbegriff gepasst, weil er selbst religio als einen Kultus verstand. So grenzte er immer wieder die wahre Religion in cap. 55 gegen andere Kulte ab, z. B. non sit nobis religio cultus bestiarum […], non sit nobis religio cultus hominum mortuorum […], non sit nobis religio cultus daemonum […], non sit nobis religio terrarum cultus et aquarum […]. 14 Vgl. Augustinus, vera rel., cap. 5,9: quae cum ita sint, neque in confusione paganorum neque in purgamentis haereticorum neque in languore schismaticorum neque in caecitate iudaeorum quaerenda religio est, sed apud eos solos, qui christiani catholici uel orthodoxi nominantur, id est integritatis custodes et recta sectantes. 15 Zur Semantik von regula siehe Floryszczak, Regula Pastoralis, S. 62 – 64. 16 Augustinus, vera rel., cap. 7,12: repudiatis igitur omnibus, qui neque in sacris philosophantur nec in philosophia consecrantur, et his, qui uel praua opinione uel aliqua simultate superbientes a regula et communione ecclesiae catholicae deuiarunt, et his, qui suarum scripturarum lumen et spiritalis populi gratiam, quod nouum testamentum uocatur, habere noluerunt, quos quanta potui breuitate perstrinxi. tenenda est nobis christiana religio et eius

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wichtigere Bezug für Augustinus war eindeutig die ecclesia, die als katholisch galt und den wahren Glauben repräsentierte; christianitas hingegen war für ihn nichts, was als katholisch markiert werden musste. Im lexikalischen Umfeld von catholica stehen in beiden Schriften ecclesia, communio, communicatio, appellare, nominare, vocare sowie disciplina und fides.17 Daher stellte christianitas eine Ausnahme dar, die sich am besten als eine mögliche, aber nicht geläufige Variation in Augustinus’ Ausdrucksweise deuten lässt. Augustinus sah offenbar keine Notwendigkeit, aus der Gebrauchsvokabel christianitas einen theologisch präzisierten Begriff zu machen. Dies hätte er in vera rel. ohne weiteres tun können, indem er die vera religio als christianitas bezeichnet hätte. Da Augustinus religio als Oberbegriff für den unmittelbaren Eingottglauben und dessen kultische Verehrung verstand, wäre es nicht abwegig gewesen. Schließlich nannte Augustinus als unmittelbare Konsequenz aus der Abweichung von der regula christianitatis die Nichtzulassung zu den Sakramenten (non admitti ad communicanda sacramenta; 9.24). Der Verstoß gegen die regula führte also zum Ausschluss aus dem christlichen Kultus und der Kultgemeinschaft. Damit wäre er in einer Linie mit einem afrikanischen Sprachgebrauch gewesen, wie die Passio S. Typasii zeigt, in der von der religio christianitatis die Rede ist (6.12). Andere Zeitgenossen wie Eustathios sprachen ausdrücklich vom cultus christianitatis und grenzten ihn gegen iudaismus ab. (13.29). Für den Verfasser des lateinischen Ignatios-Martyriums war christianitas die veri Dei cognitio, also das Erkennen des wahren Gottes, das zugleich mit einer Befolgung der christlichen Normen einhergehe. Der Verfasser nannte die Nächsten- und Feindesliebe als praeceptum, was an Augustins praeceptores erinnert (10.25). Schließlich konnte auch ein ganzes Land vom Heidentum konvertiert werden (omnem Syriam converti de paganismo ad christianitatem; 20.39). Der Verwendungszusammenhang mit christlicher Lehre und Lebensweise in Abgrenzung zu allen Nichtkatholiken bleibt bei Augustinus bestimmend. In ep. Rm. inch.18 erklärte er, dass man Paganen, Juden, Häretikern oder auch Schismatikern den Zugang zur Taufe nicht verweigern dürfe, weil selbst Feinden des christlichen Glaubens und der Kirche Gottes Mitleid und Gottes Hilfe nicht verwehrt werden dürften, wenn sich diese zu einem besseren Leben entschlössen (12.28). Die Formulierung quamvis christianitati et ecclesiae dei adversantes ecclesiae communicatio, quae catholica est et catholica nominatur, non solum a suis, uerum etiam ab omnibus inimicis. 17 In vera rel. finden sich 13 catholica-Stellen: 7-mal mit ecclesia, einmal mit ecclesia und communio, einmal ecclesia und communicatio; je eine Verwendung mit disciplina, fides, nominari und vocare. In util. cred. kommt catholica 21-mal vor, davon 5-mal mit ecclesia und fides, 3-mal mit disciplina, 2-mal allein sowie in Bezug auf die christiani und je einmal mit nomen, ratio, apellari und christianitas. 18 Vgl. Fredriksen, Epistula, S. 297 f.

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wich sowohl grammatisch als auch durch die Parallelisierung mit der Kirche Gottes vom restlichen Gebrauch ab. Inhaltlich waren mit den adversantes die anfangs genannten Gruppen gemeint. Augustinus zeigte sich ihnen gegenüber durchaus versöhnlich, gab mit seinem Einschub »obgleich sie Christentum und der Kirche Gottes feindlich gesinnt sind« aber auch zu verstehen, dass er sie einzuschätzen verstand, und dass es sich um einen Akt der Feindesliebe handeln würde, sie dennoch aufzunehmen. Der versöhnliche Ton erklärt sich aus der kommentierten Stelle Mt 6,14 – 15, in der es im Anschluss an das Vaterunser um die Vergebung der Verfehlungen anderer ging. Eine Tautologie oder ein Hyperbaton ist bei dem Doppelausdruck christianitati et ecclesiae Dei adversantes nicht anzunehmen, da beide Vokabeln für Augustinus Unterschiedliches bedeuteten. Die genannten Gruppen hätten der christlichen (katholischen) Lebensführung gemäß den religiösen Normen und der Kirche Gottes ablehnend gegenüber gestanden. Eine solche Aussage lässt sich wohl in den Erfahrungshorizont des Augustinus selbst wie auch vieler afrikanischer Katholiken einordnen, da diese sich gegenüber anderen christlichen Gruppen in der Minderzahl befanden und sich durch ihre Interpretation christlicher Lebensführung wie auch ihre Kirchenzugehörigkeit sichtbar von den anderen absetzten. Neben den Manichäern sind vor allem die Donatisten die zahlenmäßig größte christliche Gruppierung, die im Katholizismus einen Verrat am Christentum sah.19

2.

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Auffälligerweise hörte Augustinus auf, christianitas in seinen Schriften zu verwenden, als seine Auseinandersetzungen mit den Donatisten und Manichäern zunahmen.20 Von nun an waren es seine Gegner, die von christianitas sprachen, und die Augustinus in seinen Schriften zitierte. Nur ein einziges Mal lässt sich erkennen, dass Augustinus doch noch auf die Formulierung eines Kontrahenten einging: In der Streitschrift Contra litteras Petiliani (c. litt. Pet.) reagierte Augustinus auf den Wortgebrauch seines donatistischen Kontrahenten, Bischof Petilian von Cirta/Constantina, während er auf die mittels christianitas vorgebrachten Anklagen in drei weiteren Fällen – in den Schriften gegen die Manichäer Faustus und Felix Contra Faustum Manichaeum (c. Faust.) und Contra Felicem (c. Fel.) sowie im Brief 53 – gar nicht mehr einging. Wovon sprachen Augustins’ Gegner, als sie christianitas verwendeten? Ein 19 Vgl. Chadwick, Augustine of Hippo, S. 98, ders., Church, S. 385: »Augustine reckoned that in Numidia only 10 per cent were Catholics, the rest Donatists (En. in Ps. 149.3).« Siehe auch Augustinus, ep. 93,16 f. 20 Vgl. Van Engen, Christening, S. 22, ist ebenfalls der Meinung, dass Augustinus das Wort gemieden hat, lässt dieser Meinung aber keine Begründung folgen.

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erster Beleg findet sich in der Streitschrift c. Faust, in der Augustinus das einzige bekannte Werk des Faustus widerlegte, der wohl als Wanderbischof in Afrika missioniert hatte: dessen Capitula.21 Augustinus bezeichnete seine eigene Schrift als ein »opus grande«, da er in 33 Büchern einen fiktiven Dialog führend systematisch die verschiedenen theologischen Standpunkte der Manichäer zurückwies.22 Im 31. Buch gab Augustinus eine Argumentation des Faustus wieder, die die Formulierung ius christianitatis enthielt (aut si et a vobis iure Christianitatis hoc agitur, ne hujus quidem ergo religionis sententia est, quae omnem penitus immundorum abstinentiam tollit, 16.34). Faustus verwendete die Vokabel offensichtlich als Adjektiversatz und wollte damit die besondere Christlichkeit des Gesetzes hervorheben. Schließlich benutzte er diese Fügung für die Beschlüsse der Apostelversammlung (Apg 15,22 – 29), die er anführte, um Augustinus Widersprüche in der christlichen Lehre im Umgang mit Unreinheit und Essensvorschriften vorzuwerfen.23 Faustus bot mit ius christianitatis eine Formulierung, auf die Augustinus nicht weiter einging, sondern vielmehr die widersprüchlichen Aussagen der Bibel zum Umgang mit Unreinheit deutete.24 Die grammatisch mögliche Fügung des Faustus blieb Episode: Nirgends sonst wurde christianitas konkret in die Nähe der normsetzenden Autorität der Apostelversammlung gerückt und mit ius verbunden. Ebenso wenig griff Augustinus die Formulierung eines anderen angesehenen Manichäers auf. In c. Fel. gab er das zweitägige Streitgespräch (am 7. und 12. Dezember 404) mit Felix wieder. Der Anführer der Manichäer in Hippo Regius reagierte auf die rhetorische Frage Augustinus’, der eine Auslegung zu einer Stelle im Buch des Mani forderte, in der von einem Volk die Rede war, das Gottes Feind sei, und Augustinus die Frage stellte, ob dieses Volk Gott töten könne.25 Hierauf wetterte Felix: si aduersarius nullus contra deum est, ut quid baptizati sumus? ut quid eucharistia, ut quid christianitas, si contra deum nihil est? (23.56) »Wenn es keinen Feind gegen Gott gibt, wozu sind wir dann getauft? Wozu dann die Eucharistie, wozu die christianitas, wenn nichts gegen Gott 21 Vgl. Decret, (Art.) Faustum Manicheum, Sp. 1244 – 1252; Lancel, Saint Augustin, S. 385 f. 22 Vgl. Decret, (Art.) Faustum Manicheum, Sp. 1249, nach Augustinus, retr. II,7,1. Augustinus argumentierte u. a. gegen die Ablehnung des Alten Testaments durch die Manichäer und trat dafür ein, dass beide Testamente gleichermaßen anzuerkennen seien. Lancel, Saint Augustin, S. 386 zählt auf, an welchen Stellen Augustinus in De civ. Dei wieder auf c. Faust zurückkam. Zur Polemik als Methode in c. Faust siehe Weiss, M¦thode. 23 Siehe 23.56. Im Satz vor dem ius christianitatis macht Faustus eine Anspielung auf Apg 15,29, die im folgenden mit aut beginnenden Teilsatz aufgegriffen und der sententia religionis gegenübergestellt wird, mit der Faustus auf 1. Tim 4,1 – 3 rekurriert, wo Paulus vor falscher Enthaltsamkeit warnt, wie sie von jenen gefordert wird, die in der Endzeit teuflischen Lehren anhingen und z. B. Essensvorschriften machten. 24 Vgl. Augustinus, c. Faust., XXXI,4. 25 Vgl. Augustinus, c. Fel., I,19.

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besteht?« Augustinus hielt diesen Vorwurf für dermaßen unqualifiziert, dass er Felix entgegenhielt, dass es nichts bringe, mit ihm zu diskutieren, wenn er nicht die ihm gestellten Fragen beantworten wolle. Dabei antwortete Felix durchaus, nur mit ebensolcher Rhetorik, wie sie Augustinus angewendet hatte. Nur gebrauchte Felix das Wort christianitas auf eine gänzlich andere Art und Weise, als es Augustinus tat. Erstens erhielt das Wort bei Felix durch die Formulierung ut quid eucharistia, ut quid christianitas [est] eine aktive Funktion, zweitens stand es in einem Parallelismus zu eucharistia, schließlich war es auf inhaltlicher Ebene an Gott gebunden. Für den Gebrauch von christianitas durch die Manichäer im Vergleich zu c. Faust. ergibt sich kein schlüssiges Bild. Die Vokabel stand bei Felix sowohl für die Wesensmäßigkeit des Christlichen, also das Christsein an sich, als auch für den christlichen Glauben oder die christliche Religion. Selbst der theologische und religionspraktische Kontext sowohl auf lexikaler als auch auf der Textebene können hier keine Eindeutigkeit erzeugen. Bei Faustus schien es die christliche Soziallehre zu sein, die dem Gebrauch von Augustinus aus util. cred. nahekam, wobei Augustinus im Umfeld der Lehre blieb, während sich bei Faustus das Umfeld durch die Verwendung von Rechtsvokabular (ius) in die Sphäre des Rechts verschob.26 An den letzten Schriften wie auch an vera rel. und util. cred. lässt sich auf jeden Fall erkennen, dass Augustinus und die Manichäer nicht über die christianitas ins Gespräch kamen. Dies stützen auch Augustinus’ weitere Schriften gegen die Manichäer, in denen das Wort überhaupt nicht vorkommt.27 Augustinus’ Auseinandersetzung mit den Donatisten wiederum klang bereits in der begonnenen Auslegung des Römerbriefs an. Für die Frage nach unterschiedlichen Verständnissen und Verwendungsweisen von christianitas bei Katholiken und Nichtkatholiken kommt zwei antidonatistischen Schriften große Bedeutung zu. Bei der ersten handelt es sich um einen Brief, in dem die Bischöfe Augustinus von Hippo Regius, Alypius von Thagaste und Fortunatus von Cirta um das Jahr 400 auf die Bitte des in Cirta (Numidia) ansässigen Katholiken Generosus reagierten.28 Dieser ersuchte Rat, da er selbst ein Schreiben erhalten hatte, in dem ihn ein donatistischer Priester aufgefordert hatte, sich der donatistischen Gemeinde anzuschließen. Da Generosus wohl ein politisches Amt 26 Vgl. Floryszczak, Regula Pastoralis, S. 9 – 17 zu den Ursprüngen der regula in der antiken Rechtspraxis. 27 Hierzu zählen de moribus ecclesiae catholicae et de moribus manichaeorum – mor. (387/88); De Genesi contra (aduersus) Manichaeos – Gn. adu. Man. (nach der Rückkehr nach Afrika Herbst 388, vor der Priesterweihe 391); contra Fortunatum – c. Fort. (392), contra ep. Manichaei quam vocant fundamenti – c. ep. Man. (kurz nach der Bischofsweihe), und contra Secundinum Manichaeum – c. Sec. (um 400). Siehe Wurst, Augustinus Auseinandersetzung, S. 168 – 171. 28 Vgl. Augustinus, ep. 53 (15.31 – 33); Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 129 f.; Morgenstern, Briefpartner, Katalog, S. 26.

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innehatte, hätte sein Übertritt auch denjenigen seiner Stadt bedeuten können, was für die darin lebenden Katholiken Konsequenzen gehabt hätte. Es mag an der Engelserscheinung gelegen haben, auf die sich der Donatist berufen hatte, dass Augustinus ausnahmsweise in einem Brief an einen Katholiken gegen die Donatisten Stellung bezog.29 Bevor er Generosus einige Argumente für die Auseinandersetzung an die Hand gab, fasste Augustinus den Sachverhalt zusammen. Hierfür griff er auf den Brief des Donatisten zurück, den er teils paraphrasierte, teils wörtlich zitierte. Auf diese Weise wird die Ausdrucksweise des Donatisten sichtbar, der sich der Vokabel christianitas bediente. Dass es sich nicht um Augustinus’ Stil handeln kann, wird erstens daran deutlich, dass Augustinus in keinem seiner anderen 251 erhaltenen Briefe das Wort benutzte, zweitens das Auftreten der Vokabel allein auf diesen ersten Abschnitt beschränkt ist, und sich drittens die Formulierungen fundamental von Augustinus’ eigenem Gebrauch in dessen theologischen Schriften unterscheiden. Zu Beginn des Briefs geht Augustinus auf das Grundanliegen des donatistischen Priesters ein. Dieser hatte nämlich seinem Adressaten Generosus geschrieben, dass ihm ein Engel befohlen hätte, Generosus die christliche Ordnung seiner Stadt nahezubringen.30 So lässt sich die Absicht des donatistischen Priesters wohl am neutralsten ausdrücken. Nimmt man die Position von Augustinus ein, wäre wohl folgende Übersetzung passender : Der Engel habe dem donatistischen Priester befohlen, durch Einschmeichelei Generosus für die bestehende donatistische Gemeinde in der Stadt zu gewinnen. Denn mit dem ordo christianitatis musste eine sehr kleine Einheit wie die der Stadt gemeint gewesen sein., den Wortlaut des Donatisten aufgreifend, stellte Augustinus nämlich umgehend fest, dass dieser Aufruf im Widerspruch dazu stünde, dass Generosus nicht allein die christliche Ordnung seiner Stadt (teneas christianitatem) oder ganz Afrikas oder der Afrikaner bewahre, sondern der ganzen Welt, welcher diese verkündet worden und allen Völkern kundgetan sei. Damit rekurrierte Augustinus auf den universalen Missionsgedanken aus Mt 28,18 f., woran letztlich sichtbar wird, dass Augustinus seine Konzeption der christlichen Ordnung gegen diejenige des unbekannten Priesters abgrenzte. Gleichzeitig unterstellte Augustinus diesem Priester schädigenden Partikularismus, ja geradezu die Pervertierung des Missionsbefehls Christi. Dass für Augustinus in dem Brief des Donatisten weit mehr als nur die Gefahr 29 Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 129, zu ep. 53 als Ausnahmeschrift. 30 Quoniam nobis notam esse uoluisti epistulam, quam ad te donatistarum presbyter dedit, quamquam eam tu quoque catholico animo deriseris, tamen, ut ei potius, si non desperate desipit, consulas, haec ad eum rescripta petimus perferas. Ille enim ordinem christianitatis ciuitatis uestrae tibi ut insinuaret, iussisse sibi angelum scripsit, cum tu teneas christianitatem non ciuitatis tuae tantum nec tantum africae uel afrorum sed totius orbis terrae, quae adnuntiata est et adnuntiatur omnibus gentibus (15.31 – 32).

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einer schismatischen Trennung von Christen auf dem Spiel stand, geht aus seiner anschließenden Verurteilung der Engelsvision hervor. Der Engel hätte, so zitierte Augustinus, Generosus befohlen: »Verlasse das Christentum der Welt und halte es mit Donatus, dessen Ordnung Dir im Brief des Bischofs Deiner Stadt ausgelegt wird.« Augustinus verurteilte diese Rede harsch, indem er auf Paulus’ Worte verwies, wonach ein Engel, der ein anderes Evangelium predigen würde, verflucht sei (Gal 1,8). Dies träfe hier zu, denn er gäbe dem Katholiken auf, sich von den Versprechungen Gottes zu entfernen und sich vom Ganzen abzutrennen, indem er für Donatus Partei ergreife.31 Im Laufe des Briefes nahm Augustinus diese Formulierungen nicht wieder auf, noch stellte er ihnen andere gegenüber. Auch die je zweimalige Kookkurrenz von christianitas und ordo bzw. orbis terrae blieb unkommentiert. Auf sprachlicher Ebene bemerkenswert an den Formulierungen des Donatisten sind die gänzlich verschiedenen Verbverbindungen und das lexikale Umfeld. Wortkombinationen von christianitatem und ordo, von Verben wie tenere, adnuntiare und dimittere mit christianitatem entsprechen weder der Ausdrucksweise des Augustinus32 noch anderer Katholiken, wie das vorige Kapitel gezeigt hat. Wortfügungen und Kookkurrenten weisen auf ein ganz anderes Verständnis hin, da der unbekannte Donatist die Vokabel überall verräumlicht, indem er sie unmittelbar auf die Stadt Cirta, Afrika und den Erdkreis (orbis terrae) bezog. Der Donatist formulierte sogar zwei sich entgegenstehende Ordnungsvorstellungen: den ordo christianitatis orbis terrae einerseits und den ordo Donati andererseits. Letzterer stand für die Ordnung gemäß dem karthagischen Bischof Donatus, auf den die nordafrikanische Kirche der Donatisten zurückging und auf den sich – wie man hier schön erkennen kann – die Donatisten selbst beriefen. Serge Lancel zufolge handelte es sich bei dem vom Donatisten erwähnten Brief des Bischofs um einen Pastoralbrief Petilians von Cirta/Constantia an seinen Klerus, der auch unter den Katholiken seiner Stadt und damit Augustinus bekannt wurde.33 Letzterer antwortete umgehend wegen des Inhalts wie auch seiner weiten Verbreitung auf den Brief mit einem eigenen Traktat (401). Hieraus entwickelte sich ein Schlagabtausch mit Petilian, der in einer der längsten und 31 Vgl. Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 130, der darauf hinweist, dass es sich um dieselben Argumente handelt, die Augustinus bis 405 im Streit mit den Donatisten benutzt hatte, er hier aber besonders mit der Apostolizität der katholischen Kirche und der römischen Bischöfe argumentierte. 32 Die Abfrage in der PL online lautete »christianit* AND ord*«, Author : Augustinus, Search in: Exclude appartus; Limit to: Medieval authors only. Das Ergebnis zeigte eindeutig, dass Augustinus ordo und christianitas, selbst ordo und christianus nicht miteinander in Verbindung brachte. 33 Vgl. Lancel, Saint Augustin, S. 393.

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ausgefeiltesten Argumentationen gegen die Donatisten mündete: in der Streitschrift in drei Büchern Contra litteras Petiliani.34 Hier ist die Entstehungsgeschichte interessant, denn Augustinus schrieb nach dem Buch c. litt. Pet. I (dem ersten Traktat) mit c. litt. Pet. II eine weitere Erwiderung, als er Petilians Brief in der vollständigen Fassung erhalten hatte. Hierauf wiederum reagierte der donatistische Bischof mit einer leidenschaftlichen Widerlegung, so Pamela Bright, auf die Augustinus mit c. litt. Pet. III antwortete. Im Gegensatz zu c. Faust. wurde die theologische Auseinandersetzung um so zentrale Themen wie Wiedertaufe und die Reinheit der Kirche hier also zwischen zwei Zeitgenossen in Schriftform geführt. Zudem kann man annehmen, dass die Texte zirkulierten, wie es bereits Petilians erster Brief getan hatte. Für den christianitas-Gebrauch ist die Entstehung aufschlussreich, denn in c. litt. Pet. II finden sich Passagen, in denen Petilian das Wort gebrauchte und aus denen sich die Verwendung des donatistischen Priesters aus ep. 53 möglicherweise sogar speiste. Hier scheint ein donatistisches Verständnis von christianitas sichtbar zu werden. Abermals lässt sich eine andere Verwendung von christianitas als bei katholischen Autoren ausmachen. Als Erstes fällt bei Petilian der Gebrauch im Nominativ auf. Mit dem Wort scheint eine Sinneinheit verbunden gewesen zu sein, die als handlungsfähig und handelnd gedeutet wurde. Die theologische Dimension wird an Petilians Aussage sichtbar, dass Christus festgelegt habe, lieber den Tod für den Glauben zu erleiden als mit irgendjemandem für das heilige Abendmahl (pro communione) zusammenzukommen, d. h. mit Christen, die nach Auffassung der Donatisten nicht wahrhaft gläubig sind. Die christianitas – hier wohl am besten als Christentum zu verstehen – nütze den Toten, denn kein wahrhaft Gläubiger würde leben, wenn der Tod von den Gläubigen gefürchtet würde. Um den Gedanken zu vollenden, verwies Petilian auf das Gleichnis vom Weizenkorn, dessen Tod erst neue Frucht hervorbringe.35 Zudem wurde christianitas in einer moralischen Dimension als handlungsanweisend verstanden, wie Petilians Frage zeigt: »Wo ist das Gesetz Gottes, wo ist Eure christianitas, wenn ihr Mord und Gemetzel begeht und befehlt« (ubi lex dei, ubi christianitas uestra est, si caedes et mortes facitis ac iubetis; 22.55)? Petilian personalisierte christianitas, was sich sonst nicht finden lässt; er parallelisierte es mit dem Gesetz Gottes, was entfernt an Marius Victorinus erinnert (3.6). Dadurch ließ er aus dem Wort eine religiöse Norm werden, der durch Morden zuwidergehandelt würde. Schließlich maß Petilian christianitas ein Eigenleben, eine Körperlichkeit bei, indem sie fühlen könne. Damit erhielt sie die Dimension 34 Vgl. Bright, Antidonatistische Werke, S. 318. 35 Petilianus dixit: ergo, inquam, mortem pro fide subeundam constituit quam cuiquam pro communione faciendam. Christianitas enim mortibus proficit. Nam nemo fidissimus uiueret, si mors a fidelibus timeretur. Dicit enim dominus christus: si granum tritici cadens in terram non moriatur, solum remanet; si autem moriatur, multum faciet fructum (22.43).

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eines sozialen und politischen Körpers: Ihm zufolge hatte christianitas die weltlichen Könige immer nur als Neider, also als Feinde wahrgenommen. Dahinter stehen die Motive Bedrängnis und Verfolgung, die die christianitas erdulden musste. Explizit wurden diese Konnotationen, die das donatistische Verständnis abrunden, auf der erwähnten Konferenz. Hier klagte der donatistische Bischof Habetdeum wie viel christliches, d. h. donatistisches, Blut bereits geflossen sei, als ehrwürdige Priester ermordet, andere ins Exil geschickt, die christianitas weithin gequält (christianitas late uexata), die geheiligte Jungfräulichkeit geschändet, die Reichen proskribiert, die Armen beraubt, die Kirche enteignet und die Priester in die Flucht geschlagen worden seien.36 Die Ausdrücke stimmen zwar nicht in ihrer Lexik mit ep. 53 überein; es gibt also keine festen, sich wiederholenden syntaktischen Fügungen. Doch ergänzen sich die Formulierungen: Aus den einzelnen Elementen wird sichtbar, dass christianitas eine theologische, eine moralisch-normative, eine (nach innen) soziale und (nach außen) interagierende Dimension aufwies, was über das katholische Verständnis hinausging. Das Wort stand für ein Christentum als eigenständige Größe, für eine Christenheit als Obereinheit, die den christlichen Glauben, das religiöse Normensystem, die Gläubigen und den Raum der Gläubigen in Abgrenzung zu einer feindlichen politischen Umwelt enthielt.37 Es wird wohl kaum das andersartige, diffuse christianitas-Verständnis gewesen sein, das Augustinus im Falle Petilians aktiv werden ließ. Es war der politische Vorwurf: Was habt Ihr mit den Königen der Welt zu tun, die die christianitas immer nur feindlich gesonnen wahrnimmt? Quid autem uobis est cum regibus saeculi, quos numquam christianitas nisi inuidos sensit? (22.44)38 36 Gesta III, 258 (25.60): nam, ut omittamus quantus sanguis christianus effusus sit per leontium, vrsacium, macarium, paulum, taurinum, romanum ceteros que exsecutores quos in sanctorum necem a principibus saeculi meruerunt, quando plurimi uenerabiles sacerdotes occisi, alii in exilium relegati, christianitas late uexata, sacrata stuprata uirginitas, proscripti diuites, spoliati pauperes, ablatae basilicae atque acti in fugam profugi sacerdotes, nostro nunc tempore quanta commiserint nullus ignorat. 37 Eine Sammlung aller relevanten Quellen zu den Donatisten hat Maier, Le dossier du donatisme, Bd. 2, zusammengetragen. Hier findet sich indes keine weitere Nennung der christianitas, ebenso wenig ist es bei der donatistischen Passio des Felix von Thibiuca der Fall. Siehe La Passion de S. F¦lix de Thibiuca, S. 240 – 276. Siehe auch Monceaux, Histoire. 38 »Was aber ist es Euch mit den Königen der Welt, die die christianitas niemals anders als neidisch wahrnimmt?« wäre die genauere Übersetzung. Der Kontext weist aber eindeutig darauf hin, dass Petilian invidus als feindlich und missgünstig verstanden wissen wollte. Herv¦ Inglebert hat die Verwendung der Worte rex und imperator in diesem Kontext interessiert und festgestellt, dass Logik und Vokabular bei Donatisten und Katholiken dieselben seien und »König« meist negativ, und »Imperator« meist positiv verstanden werde, so Inglebert, Universalit¦ chr¦tienne, S. 449 – 470, bes. S. 456. Mit der Wahl dieser Frage als Kapitelüberschrift stimme ich mit Shaw, Sacred Violence, S. 490, überein, dass sich in dieser Formulierung das zentrale Problem im Verhältnis zwischen Staat und Kirche für Donatisten und Katholiken widerspiegelt.

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Mit dieser Attacke schien Petilian Augustinus hart getroffen zu haben, wie sich an der ausführlichen, jedes Beispiel Petilians widerlegenden Argumentation erkennen lässt. Mehr noch, Augustinus muss sich über die Formulierung an sich aufgeregt haben, denn er wiederholte sie immerzu, ohne sie wirklich abzuändern.39 Das war mehr als nur Rhetorik; hier ging es darum, die Unhaltbarkeit einer Aussage im Detail zu beweisen und die Formulierung selbst und somit seinen Schöpfer bloßzustellen. Wie schwer die Anschuldigung aus c. litt. Pet. II,89 wog, wird an der letzten Verwendung deutlich: Im direkten Anschluss (c. litt. Pet. II,93) wurde Petilian mit seinen Anschuldigungen noch sehr viel direkter: Wo ist das Gesetz Gottes, wo ist Eure christianitas, wenn ihr Mord und Gemetzel begeht und befehlt? (ubi lex dei, ubi christianitas uestra est, si caedes et mortes facitis ac iubetis?; 22.55). Petilian machte also Augustinus sogar für Mord verantwortlich! Die letzte Anklage schmetterte Augustinus kurzerhand ab, indem er Petilian und seinen Gefolgsleuten entgegenhielt, dass alle Anhänger Christi auf der ganzen Welt (coheredes Christi per totum orbem terrarum; 22.55) Mord und Gemetzel weder begingen noch befählen; sie aber, Petilian und die Seinen, mit ihrer sehr viel kriminelleren Raserei die Menschen vom ewigen Leben wegführten. Reichten für diese schwerwiegende Anklage ganze drei Sätze, arbeitete sich Augustinus am ersten Vorwurf sehr viel akribischer ab, was an mindestens zwei Faktoren lag: einem historisch-diskursiven und einem aktuell-politischen. Zum besseren Verständnis dieser Faktoren bedarf es eines Rückblicks zur Entstehung des Donatismus.40 Als Augustinus mit Petilian stritt, war das sogenannte donatistische Schisma bereits gut neunzig Jahre alt. Im Streit um die Neubesetzung des Bischofsstuhls von Karthago 311 hatten sich die afrikanischen Christen in zwei Lager gespalten, da einige karthagische und numidische Kreise die Wahl eines Caecilian ablehnten und stattdessen zuerst einen Maiorinus und nach dessen frühem Tod Donatus zum Gegenbischof wählten, der zur zentralen Gestalt und zum Namensgeber des sich anbahnenden Schisma werden sollte. Caecilian und einem seiner Weihbischöfe wurde nachsagt, in der Zeit der Diokletianischen Christenverfolgung 303 heilige Schriften an die kaiserlicher Schergen ausgehändigt zu haben.41 Daher rührte der grundsätzliche Vorwurf an 39 Siehe 22.44 – 54. Nach einigen wortwörtlichen Zitaten lockert Augustinus die Formel auf, wobei aber die Grundform mittels rex/numquam/christianitas/nisi/inuidos/sensit immer wieder bedient wird. 40 Allgemein zum Donatismus: Frend, Donatist Church, ders., Rise, S. 652 – 673; Congar, Introduction; Lamirande, Situation eccl¦siologique; Pi¦tri, Schwierigkeiten; Decret, Le christianisme; Martin, Spätantike, S. 15; Alexander, Donatistae. Neuere Zusammenfassungen bieten Bright, Donatistisches Schisma, S. 98 – 104, u. dies., Augustin, S. 171 – 178; Leone, Christianity North Africa, S. 231 – 247; Markus, Introduzione. Siehe auch Tholen, Donatisten; Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit; Merills, Vandals. 41 Für die Anklageschrift Libellus Ecclesiae Catholicae criminum Caeciliani traditus a parte

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die Adresse der Katholiken, die Kirche an die Verfolger ausgeliefert und beschmutzt zu haben. Hieraus entwickelte sich zum einen das Schimpfwort traditor, das auch in der literarischen Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Donatisten eine große Rolle spielen sollte, zum anderen das ekklesiologische Selbstverständnis der Donatisten, im Gegensatz zu den Katholiken die wahre, reine katholische Kirche der Märtyrer zu repräsentieren, die ihre Heiligkeit nicht preisgegeben hatte.42 Obwohl Kaiser Konstantin intervenierte und den Bischof von Rom damit beauftragte, die Vorwürfe gegen Caecilian zu überprüfen, konnte er die Kirchenspaltung, das Schisma, nicht vermeiden und musste am Ende die Koexistenz einer donatistischen Kirchenstruktur hinnehmen.43 Aus diesem rivalisierenden Wahrheits- und Kirchenanspruch der donatistischen wie der katholischen Partei erwuchsen noch weitere Streitpunkte wie die Wiedertaufe.44 In der Forschung wurden verschiedene Gründe vorgebracht, warum die Donatisten sehr großen Zulauf erhielten und im Grunde die afrikanische Kirche darstellten.45 Auf jeden Fall befand sich Augustinus gegenüber den Donatisten in der Minderheitenposition. Aus dieser heraus bemühte er

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Maiorini, siehe Bright, Donatistisches Schisma, S. 98. Der donatistische Bischof Felix von Thibiuca wiederum hatte sich während der Diokletianischen Verfolgungen geweigert, die heiligen Schriften herauszugeben, weshalb er später hingerichtet wurde. Siehe Schindler, (Art.) Afrika I, S. 653. Zu traditor siehe Kriegbaum, Kirche der Traditoren, S. 158 – 165. Vgl. auch die Bezeichnung für »Verräter« im heutigen Französisch, Italienisch und Englisch: traitre, traditore und traitor. Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 339. Besonders heikel musste dieser Vorwurf wirken, weil auch Judas in der Vulgata als traditor bezeichnet wurde, siehe Mk 14,44. Vgl. Frank, Lehrbuch, S. 269: »Um 336 konnte Donatus 270 Bischöfe zu einer der größten Synoden der alten Kirche versammeln. Faktisch bestanden jetzt zwei anerkannte Kirchen in Nordafrika nebeneinander.« Vgl. Chadwick, Church, S. 383; Frank, Lehrbuch, S. 268. Die Taufe konnte aus Sicht der Donatisten nicht mehr gültig sein, wenn sie ein Katholik gespendet hatte, weshalb sich die Donatisten für die Wiedertaufe entschieden. Dies wiederum empfanden die Katholiken als Häresie, weil es zum christlichen Dogma gehörte, nur einmal getauft werden zu können. Nach Augustinus kam es schließlich nicht auf die Heiligkeit des die Taufe Spendenden an, sondern auf die Heiligkeit der Taufe selbst. Vgl. Chadwick, Church, S. 383, verweisend auf Augustinus, c. ep. Parm. III,4,24. Zusammenfassend: Markus, Christianity and Dissent, S. 118 mit Frend, Donatist Church, S. 332 f.: The theological divergence »was interwoven with other differences, such as geography, culture and economic circumstance. The two churches were in fact two societies, differing fundamentally in outlook on both religious and social questions.« Frend, so Martin, Spätantike, S. 222 f., »interpretierte die Donatisten vor dem Hintergrund der vorchristlichen religiösen Traditionen Afrikas, der Opposition der armen, einheimischen und wenig romanisierten Landbevölkerung gegen das reiche, romanisierte, städtische Bürgertum und die landbesitzende Aristokratie. J.-P. Brisson, der den Donatismus wesentlich als ein Folgeproblem der konstantinischen Religionspolitik betrachtet, sieht im Donatismus auch eine Kirche der Armen. Einigkeit besteht seit Monceaux darin, dass man von einer »autonomen provinzialen Tradition des Christentums« in Afrika sprechen kann, die mit den Vereinheitlichungsbestrebungen der christlichen Kaiser seit Constantin in Konflikt geriet.« Siehe auch Tengström, Donatisten.

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sich seit seiner Priesterweihe 391 bis zu seinem Lebensende 430 darum, die Donatisten zu widerlegen und in die katholische Kirche zurückzuholen.46 Petilian hatte mit seiner Formulierung »Was habt Ihr mit den Königen …« wohl sehr bewusst eine Frage aufgegriffen, die Donatus selbst um 346 gestellt hatte: »Was hat der Kaiser mit der Kirche zu tun?« (Quid est imperatori cum ecclesia?)47 Damit wird der historisch-diskursive Charakter der Anschuldigung Petilians deutlich. Dieser bediente sich erneut einer Provokation, mit der Donatus seinerzeit den kaiserlichen Einfluss kritisiert und gegenüber dem katholischen Bischof von Karthago den donatistischen Alleinvertretungsanspruch postuliert hatte. In Petilians Frage spiegelten sich die grundsätzlichen Zweifel der Donatisten an der Rechtmäßigkeit kaiserlichen Handelns in Religionsangelegenheiten innerhalb Afrikas wider ; zugleich bekräftigte er den donatistischen Anspruch, als wahre Kirche nichts mit dem Kaiser zu tun zu haben.48 Doch damit nicht genug: Mit einer solchen Formulierung in der Situation des verbalen Schlagabtausches zwischen ihm und Augustinus musste Petilian den Katholiken auch an die Auseinandersetzung zwischen dem donatistischen Bischof Parmenian (gest. 392), dem Nachfolger des Donatus, und dem katholischen Bischof Optatus von Mileve (gest. vor 400) erinnern. Der Streit betraf im Wesentlichen die Taufe, die Einheit der Kirche, die donatistischen Attacken gegen die von ihnen so genannten Traditoren und die Bibelauslegung zur Sünde.49 Optatus hatte sich bemüht, die Position der Katholiken in Afrika gegen den erfolgreich agierenden Parmenian zu verteidigen. Allerdings waren die Donatisten durch die für sie freundliche Politik Kaiser Julians im Aufwind und brauchten sich um die Minderheitenmeinung des Optatus nicht zu kümmern.50 Dennoch wäre es besser gewesen, Augustinus nicht daran zu erinnern, wiewohl der Streit für die Donatisten günstig ausgegangen war. Augustinus jedoch kannte diese Auseinandersetzung und Optatus’ Schrift (wohl 364 begonnen, zwanzig Jahre später fertig gestellt) sehr gut, war sie ihm doch eine wichtige Quelle für die Geschichte der Donatisten. Von daher kannte Augustinus die Ablehnung des Staates durch 46 Anfangs wollte Augustinus mit ps. c. Don. (CSEL 51) die Donatisten zur Rückkehr zur katholischen Kirche bewegen und verfolgte mit der »Neudichtung« eines Psalms eine Strategie, die der donatistische Bischof Parmenian auf dessen Reisen durch Afrika nutzte, nämlich neue Psalmen für das Volk zu schreiben. Lamirande, Situation eccl¦siologique, S. 89 – 95. 47 Optatus, C. Parm. Donatistam III,3,3 in: Optat de MilÀve, Trait¦ contre les Donatistes (SC 413), Bd. 2, S. 22. Vgl. Gemeinhardt, Quid est imperatori?, S. 37; Shaw, Sacred Violence, S. 490 – 496: Congar, Introduction, S. 18. 48 Löhr, Western Christianities, S. 43. 49 Optat de MilÀve, Trait¦ contre les Donatistes (SC 412), Bd. 1, S. 19. 50 Vgl. ebd. S. 15 f. Siehe auch Bright, Donatistisches Schisma, S. 103. Frend, Rise, S. 654, betont, dass Parmenian so mächtig gewesen sei, dass selbst Kaiser Theodosius I. nichts gegen ihn ausrichten konnte. Pi¦tri, Schwierigkeiten, S. 508, weist daraufhin, dass Parmenian nichtsdestoweniger auch gegen die staatliche Politik ankämpfte.

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die Donatisten ebenso wie diese typische Polemik des Donatus, die der Kirchenvater bereits in seinen früheren antidonatistischen Schriften zurückgewiesen hatte.51 Diese wiederum kannte auch Petilian, der sich auf den verbalen Schlagabtausch sorgfältig vorbereitet hatte. Denn der Vorwurf »Was habt ihr mit den Königen…« war schließlich auch auf Augustinus’ eigene Wortwahl in ps. c. Don. gemünzt. Dort hatte der Bischof von Hippo eine allegorisierte ecclesia klagen lassen: quid si ipsa mater ecclesia uos alloquatur cum pace et dicat: »o filii mei, quid querimini de matre? quare me deseruistis, iam uolo a uobis audire. […] ego catholica dicor et uos de donati parte. iussit me apostolus paulus pro regibus mundi orare; uos inuidetis quod reges iam sunt in christiana fide.[…]«52 Was wenn jene Mutter Kirche Euch friedvoll anspricht und sagt: »Oh meine Söhne, was beklagt Ihr Euch über die Mutter? Warum verlasst Ihr mich, will ich von Euch hören? […] Ich bin katholisch und Ihr von der Partei des Donatus. Mich befahl der Apostel Paulus für die Könige der Welt zu beten; Ihr neidet mir, dass die Könige bereits im christlichen Glauben stehen. […]«

Der Bischof von Hippo musste in dem Vorwurf »Was habt ihr mit den Königen…« erkennen, dass seine bisherigen Versuche, die Donatisten von der Rückkehr zur katholischen Kirche zu überzeugen, misslungen waren, und sich die Fronten im Grunde nur noch verhärtet hatten. Petilians Vorwurf besaß nämlich nicht nur diese historische Tiefendimension des Schismas, sondern aktualisierte die Frage nach dem Verhältnis der Christen zum Staat, über die sich die beiden Gruppen entzweit hatten. Die aktuelle politische Dimension bestand in der Anschuldigung, dass die Katholiken sich mit den Herrschern verbündeten und die Staatsgewalt gegen die Donatisten aufhetzten. Durch Petilians Verwendung von invidus erhielt christianitas die Konnotation des Verfolgtseins. Die katholische Kirche galt ihm als die mit dem Staat verbundene Religionsgemeinschaft, die Schützenhilfe lieferte, um eine nordafrikanische Autonomie zu verhindern.53 Solche Vorwürfe kannte 51 Vgl. Augustinus, ps. c. Don.; ders., c. Parm. I,10,16 u. ders., ep. 93,3,9. Mireille Labrousse weist ebenfalls auf Augustinus, c. litt. Pet. II,12,202, also die hier vorliegende Stelle, hin, siehe Optat de MilÀve, Trait¦ contre les Donatistes (SC 413), Bd. 2, S. 23. Siehe auch Bright, Donatistisches Schisma, S. 103. Zu Augustinus’ Schriften gegen die Donatisten siehe Drecoll, Chronologie, S. 250 – 260. Einen weiteren Beleg dafür, dass Augustinus den Ausspruch des Donatus kannte und für seine eigene Argumentation gegen die Donatisten einzusetzen verstand, zeigt Shaw, Sacred Violence, S. 516 mit Augustinus, Sermo 49,29 (CCSL 41), S. 555. 52 Augustinus, ps. c. Don., S. 270 – 272 u. S. 278 f. 53 Vgl. Frank, Lehrbuch, S. 268 f.

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Augustinus zur Genüge und hatte sie auch in seiner ersten antidonatistischen Schrift Psalmus contra partem Donati (393/94)54 bereits zurückgewiesen. Augustinus hätte also in »Was habt ihr mit den Königen…« nur eine unverbesserliche Halsstarrigkeit sehen können, da es den Anschein hatte, als wolle Petilian vor allem das Selbstbild der Donatisten als Kirche der Märtyrer und Verfolgten weiter pflegen. Dem steht aber gegenüber, dass die gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Donatisten und Katholiken sowie das autoritäre Vorgehen der kaiserlichen Beauftragten bei der Umsetzung der neuerlich erlassenen Religionsgesetze seit der Mitte der 390er-Jahre den Konflikt noch weiter zugespitzt hatten. Aber auch innerdonatistische Streitigkeiten hatten dazu beigetragen, dass religiöse Gewalt in den afrikanischen Provinzen zugenommen hatte.55 Augustinus hatte zu Beginn seines Priesteramtes den Donatisten noch die Hand ausgestreckt und sie zu überreden versucht, das Schisma zu beenden;56 nun aber war er immer mehr dazu bereit, kaiserliche Zwangsmittel gegen die Donatisten zuzulassen. In c. ep. Parm. (um 400) befürwortete er erstmals staatliches Eingreifen. Mit Blick auf die marodierenden Circumcellionen, einer Gruppe gewalttätiger donatistischer Anhänger, die Katholiken angriffen, bezeichnete Augustinus die donatistische Abspaltung als crimen und einen Verstoß gegen den ordo der Gesetze und legitimen Herrschaft.57 Doch erst nach diesen Auseinandersetzungen mit Petilian, als sich die Situation nur noch weiter zuspitzte,58 gab Augustinus seine ursprüngliche, auf Versöhnung ausgerichtete 54 Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 4. Die Suche nach christianitas in Augustinus, ps. c. Don. (CSEL 51) verlief ergebnislos. 55 Vgl. Shaw, Sacred Violence; Roldanus, Church, S. 175; Frank, Lehrbuch, S. 269; Haendler, Die abendländische Kirche, S. 48; Frend, Donatist Church, S. 324 f. Mischehen, Übertritte und Wiedertaufen verschärften das Schisma zwischen den beiden christlichen Gruppen. 56 Vgl. Bright, Augustin, S. 172; Lamirande, Situation eccl¦siologique, S. 89 – 95. 57 Vgl. Frank, Lehrbuch, S. 269, der mit Frend auf die sozialrevolutionären Einflüsse im Umfeld der Kirchenspaltung aufmerksam macht. Siehe Congar, Introduction, S. 32 – 37. Zuletzt Bright, Augustin, S. 173 u. Shaw, Sacred Violence, S. 633 – 638, S. 656 – 674. Siehe auch: Augustinus, c. ep. Parm. I,11,17 (CSEL 51), S. 39: sed haec non tam multa sunt, quam multa cotidie per furiosos ebriosorum iuuenum greges quibus principes constituunt, qui primum tantummodo fustibus, nunc etiam ferro se armare coeperunt, qui circumcellionum notissimo nomine per totam africam uagantur et saeuiunt, contra omnem ordinem legum potestatum que committunt. quorum scelera cum ad eos deferuntur, fingunt se ignorare tale hominum genus uel omnino ad se non pertinere contra quam omnes homines norunt ore impudentissimo affirmant; neque hanc saltem uocem totius orbis accipiunt, multo probabilius uerius que dicentis nescire se quid in africa gestum sit siue a parte donati siue contra partem donati, si licet in ipsa africa donatistis episcopis donatistarum circumcellionum uel facta nescire uel dicere ad se non pertinere. 58 Vgl. Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 332 – 335; Dodaro, Êglise, S. 519 – 521, bestätigt nochmals, dass Augustinus ebenfalls den harten Maßnahmen gegen die Donatisten durch den Kaiser zustimmte. Shaw, Sacred Violence, S. 520 – 536. Im Jahr 403 wurde in Calama (Afrika) der Donatistenbischof Crispin wegen der Gewalttätigkeit eines Priesters und mehrerer Mitglieder seiner Kirche gegen den katholischen Bischof der Stadt, Possidius, vor

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Vorgehensweise auf. Seine neue Devise lautete mit Lk 14,23 Cogite intrare – Zwingt sie einzutreten. So stand er auch zu dem am 12. Februar 405 veröffentlichten Unionsedikt Kaiser Honorius’ (CTh 16,5,38; 16,6,4 – 5 und 16,11,2). Darin ordnete der Kaiser die Wiederherstellung der religiösen Einheit zugunsten der Katholiken an. Er erklärte die vormals als Schismatiker geltenden Donatisten nunmehr zu Häretikern: ita contigit, ut haeresis ex schismate nasceretur (CTh 16,6,4).59 Nach Augustinus’ eigenen Maßstäben waren die Donatisten somit nicht mehr Brüder, die sich von ihren Brüdern entfernt hatten, aber immer noch dasselbe glaubten, sondern vollständig Losgerissene, die falsch über Gott dachten.60 Um diese Umdeutung der Donatisten zu legitimieren, wurde die Abweichung von der wahren Lehre mit der Wiedertaufe begründet: Die Donatisten würden Menschen, die bereits das göttliche Geschenk erhalten hatten, erneut taufen und sie auf diese Weise mit der Krankheit der profanen Wiederholung anstecken. Dabei wurde auf die Krankheitsmetapher (contagio; inficere) zurückgegriffen, um die Schädlichkeit der Donatisten zu unterstreichen. Charles Pi¦tri sah im Edikt die Anbahnung einer wirklichen Ächtung des Donatismus, weil nunmehr auch die scharfen Anti-Häresie-Gesetze auf die Donatisten angewendet, also ihre Versammlungen verboten, ihre Basiliken konfisziert und widerspenstige Kleriker exiliert werden konnten.61 Karl Suso Frank wertete: »Es war dies ein folgenreicher Umschwung, den Augustinus immer wieder zu verteidigen suchte (vgl. ep. 93 u. ä.), wurden doch die Schranken zwischen staatliein Gericht geladen (epp. 105, 4; 185; 25; Crsc. III, 47, 51). Honorius sah eine Untersuchung durch das Konzil von Karthago am 13. Juni 403 vor (Regis. Carth. Can. 97 = CCL 149, 215 – 16). Auf das Edikt von 405 folgte noch ein zweites vom 15. November 407, in dem Honorius verfügte, dass alle für die Religion bestimmten Besitztümer der Heiden, der Juden, der Häretiker, darunter die Donatisten, Manichäer und Priscillianer der katholischen Kirche zu transferieren seien (CTh 16,5,43). 59 Vgl. Les lois religieuses (SC 497), S. 282 – 285; Brown, Augustine, S. 230 f. Des Weiteren Tholen, Donatisten, S. 410, nach Grasmück, Coercitio, S. 233 – 237 u. S. 246 – 248, sowie mit Hinweis auf die Briefe ep. 93 u. 185; Six-Means, Augustine, S. 185. 60 Augustinus, f. et symb., 219, sowie Basilius, ep. 188,1, ed. Deferrari, S. 4 – 47, nach Fiedrowicz, Theologie, S. 370. Siehe Buenacasa P¦rez, Augustin, S. 81 f. Um 400 verwendete Augustinus noch hauptsächlich schisma, 410/411 aber nur noch haeresis. Indem Augustinus die Donatisten Brüder und nicht Christen nannte, sprach er ihnen ab, Christen zu sein, wobei er dem Diktum Cyprians folgte: »christianus non est qui in Christi ecclesia non est« nach Lamirande, Situation eccl¦siologique, S. 99, Zitat aus: Cyprianus, ep. 55,24 (CSEL 3,2), S. 642. Bei Augustinus hörte sich das dann so an: Donatistae enim non falsi Christiani, sed omnino Christiani non sunt, qui quod suggestum est a diabolo audiunt, quod responsum est a Christo non audiunt […] Christiani essent, si aurem praeberent Christo, et non crederent diabolo […], Zitat aus Augustinus, Sermo Guelferb 28,4 (MA I, 538). Erneut Lamirande, Situation eccl¦siologique, S. 100. 61 Vgl. Pi¦tri, Schwierigkeiten, S. 515. Siehe auch Chadwick, Church, S. 387; Tholen, Donatisten, S. 411: Die Donatisten verwechselten die Aufgabe, die ihnen in der Taufe anvertraut ist, mit der Macht und dem Handeln Gottes – sie halten sich irrtümlich für den entscheidenden Faktor und vergessen, dass sie nur ein Werkzeug sind, dessen sich Gott bedient, auf das er aber auch verzichten könnte.

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chem und kirchlichem Handeln aufgehoben und Gewalttätigkeiten auch von katholischer Seite sanktioniert (ep. 89,7 u. a.).62

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Augustinus wusste sehr wohl, warum Zwang keine Lösung bedeuten würde. In der Folgezeit verschärften sich die Übergriffe der Circumcellionen gegen Katholiken und folgsame Donatisten, die sich dem kaiserlichen Druck gebeugt hatten.63 Um die unerträgliche Situation in Nordafrika zu beenden, wandten sich Teilnehmer eines katholischen Konzils in Karthago, so wie sie es schon häufiger getan hatten, an die Kaiser Honorius und Theodosius II. mit der Bitte, zu einem Religionsgespräch zu laden. Den Kaisern musste wiederum an einer Beilegung des Streits gelegen gewesen sein und zwar nicht nur, weil sie den katholischen Glauben förderten, sondern weil die öffentliche Ruhe gleich in mehreren Provinzen des Reiches massiv gestört war und die Afrikaner immer stärker auf ihre Autonomie pochten.64 Honorius übertrug dem vir inlustris Marcellinus, kaiserlicher Tribun und Notar, die Aufgabe, in einem formal dem nachklassischen Zivilprozess entsprechenden Gespräch über den Streit zu richten. Jedoch griffen die Kaiser den Verhandlungen vor, indem sie noch vor Beginn die Donatisten für das Schisma verantwortlich machten und befahlen, ihren Aberglauben (superstitio) zu widerlegen.65 Diese Konferenz in Karthago im Juni 41166 wurde wegen des tiefen gegenseitigen Misstrauens beider Parteien penibel genau in einem Verlaufsprotokoll festgehalten, dessen Inhalte die Beteiligten Eintrag für Eintrag approbieren 62 Frank, Lehrbuch, S. 270. Karl Suso Frank hat wegen dieser anschließenden Rechtfertigungen auch davon gesprochen, dass Augustinus »ohne es zu wollen und wohl auch, ohne die Folgen absehen zu können […] den Theorien der Inquisition vorgearbeitet habe. 63 Vgl. Shaw, Sacred Violence, S. 670, S. 704 – 713, der aber auch die Anschuldigungen gegen Donatisten und Circumcellionen kritisch prüft und auf die narrative Überformung der Gewalt hinweist. Horn, Augustinus, S. 130 f. weist darauf hin, dass Augustinus sich mal auf die Seite der Verfolger und mal auf die Seite der Verfolgten stellte, denn verfolgt zu werden, sei nicht an sich ein Zeichen für Gerechtigkeit ebenso wie Verfolgung nicht automatisch auf Ungerechtigkeit beruhe. 64 Vgl. Chadwick, Augustine of Hippo, S. 98 – 115; Hermanowicz, Possidius, S. 188 – 192, auch zu den persönlichen Beweggründen des Honorius im Streit zwischen Donatisten und Katholiken. 65 Vgl. Gesta I,4 u. III,86 sowie Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 154; Pi¦tri, Schwierigkeiten, S. 516 f. 66 Allgemein zur Konferenz von Karthago siehe Actes de la Conf¦rence de Carthage en 411, Bd. 1 (SC 194); Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 153 – 227 u. S. 336 – 339; Decret, Le christianisme, S. 171 – 174; Hermanowicz, Possidius, S. 188 – 221; Shaw, Sacred Violence, S. 544 – 586, bes. S. 558 zu der Protokollierung.

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mussten, um den hochoffiziellen, rechtlichen Charakter des Treffens zu unterstreichen und vor allem späteren Einsprüchen vorzubeugen. Dadurch hat sich der Wortlaut der Konferenz in außergewöhnlich gut dokumentierter Weise erhalten. Es lassen sich daher konkurrierende Verwendungen und Verständnisse von christianitas beider Parteien in der direkten Gesprächssituation beobachten. Dies ist umso vielversprechender, weil bei dieser Gelegenheit Augustinus und Petilian direkt aufeinandertrafen. Doch hier erlebt man gleich eine Enttäuschung: Weder der eine noch der andere redete erneut von christianitas. Dafür aber taten es die anderen Delegierten der donatistischen Seite, während die Katholiken durchweg auf das Wort verzichteten. Sie unterließen es sogar, auf den donatistischen Wortgebrauch einzugehen, obwohl sich dieser direkt gegen die Katholiken richtete. Dahinter steht ein Kampf um Worte. Beide Seiten wussten um die Macht der Worte und was es hieß, die Deutungshoheit über die Terminologie zu erringen und innezuhaben.67 Die Donatisten standen hierin den Katholiken keinesfalls nach, wie der schriftliche Schlagabtausch zwischen Augustinus und Petilian bereits gezeigt hat. Sie hatten sich ebenfalls auf die Konferenz vorbereitet, ihr Vorgehen abgesprochen und auf ihre Wortwahl ganz genau geachtet. Dies wird auch an beiden christianitas-Stellen ersichtlich, zum einen in der Selbstdarstellung der Donatisten, zum anderen in der Rede des Habetdeum, die gewiss nicht aus dem Stegreif gehalten worden war.68 Beide Verwendungen waren vorbereitet und darauf ausgelegt, eine bestimmte Begrifflichkeit zu besetzen, um den Gegner sprachlich in die Defensive zu drängen. Die erste christianitas-Passage stammt vom ersten Verhandlungstag. Marcellinus musste den Protokollführer darum bitten, aus der Stellungnahme der Donatisten vorzulesen, die diese vor Beginn hatten einreichen müssen. Diese begann mit den Worten: »Nach dem Konsulat des vir clarissimus Varo, an den VIII Kalenden des Juni [25. Mai], dem Flavius Marcellinus, dem vir clarissimus und spectabilis, Tribun und Notar, Ianuarianus, Primasius und andere Bischöfe

67 Shaw, Sacred Violence, S. 562 f. u. S. 582, wo Shaw die Strategie der Donatisten als »rhetorical and behavioral micro rebellions« bezeichnet. Hierfür spricht auch, dass sich offenbar beide Seiten darum bemühten, immer mehr schriftliches Material zu erhalten, um besser argumentieren zu können. Vgl. Sieben, Konzilsidee, S. 80 f. So kannte Bischof Habetdeum das katholische Kirchenverständnis so genau, dass er dagegen argumentierte konnte, vgl. Gesta III,258. 68 Vgl. Bright, Augustin, S. 177, stellt es so dar, als ob dieses donatistische Mandat tatsächlich erst zwischen dem zweiten und dritten Verhandlungstag verfasst worden sei. Andererseits ist bekannt, dass Marcellinus schon lange vor Beginn diese Mandate von beiden Seiten eingefordert hatte. Selbst wenn die Donatisten nicht bereit waren, darauf einzugehen, schließt das nicht aus, dass sie sich über eine Stellungnahme vor der Konferenz Gedanken gemacht hatten.

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der aufrichtigen christianitas und katholischen Wahrheit.«69 Die Donatisten bezeichneten sich als Vertreter der sincera christianitas et catholica veritas, womit sie ihren Anspruch manifestierten, die wahren Anhänger des katholischen Glaubens zu sein. An anderer Stelle sprachen sie von sich selbst als den Bischöfen der katholischen Wahrheit, die Verfolgung erleide, aber nicht selbst ausübe.70 Außerdem protestierten sie gegen die Anrede als Donatisten; sie wollten weder von der katholischen Partei noch von Marcellinus darauf reduziert werden, als Anhänger einer Person zu gelten. Brent Shaw zeigt, wie sich die nichtkatholischen und katholischen Bischöfe gegenseitig beschimpften, den Bischofssitz der jeweiligen Gemeinde zu usurpieren und sich dann auch noch katholisch zu nennen.71 Kurz nach Beginn des zweiten Sitzungstages sollte dann ein Protokollant eine Mitteilung der Donatisten verlesen und sprach von den donatistischen Bischöfen. Petilian intervenierte augenblicklich und sagte, dass sie die Bischöfe der Wahrheit Christi seien, so von sich sprächen und so auch schon oft in öffentlichen Akten genannt worden seien, woraufhin der katholische Bischof Possidius antwortete: »›Bischöfe der Wahrheit‹ ist noch zu beweisen und nicht zu proklamieren.«72 Der Ausdruck sincera christianitas als Komplement zu catholica veritas ging aber im Streit um eine andere Vokabel unter : nämlich catholica, also »allgemein«/»rechtgläubig«. Die Kaiser hatten zu diesem Treffen eingeladen, um die Wahrheit des katholischen Gesetzes, die catholicae legis […] plenam veritatem, vor Aberglaube (superstitionem) zu schützen.73 Diese Christen wussten, dass ihnen als Donatisten vorgeworfen wurde, die Kirche in ihrer Totalität zu spalten (Schisma), eben nicht rechtgläubig, sondern abergläubig und daher Häretiker zu 69 Gesta I,14 (25.59): post consulatum varanis uiri clarissimi, viii kalendas iunias, flauio marcellino, uiro clarissimo et spectabili, tribuno et notario, ianuarianus, primianus, et ceteri sincerae christianitatis episcopi et catholicae ueritatis. Siehe Lamirande, Situation eccl¦siologique, S. 108. 70 Gesta III,251 u. III,258: flauio marcellino, uiro clarissimo et spectabili tribuno et notario, ianuarianus et ceteri episcopi ueritatis catholicae, quae persecutionem patitur, non quae facit. 71 Vgl. Shaw, Sacred Violence, S. 573 – 580. 72 Die Protokollanten benutzten schon wie selbstverständlich die Unterscheidung zwischen ecclesia catholica und ecclesia donatistarum (Gesta II,1) bzw. episcopis ecclesiae catholicae und episcopis partis Donati (Gesta II,2). Zu Petilian u. Possidius: Gesta II,8 – 10 f.: Petilianus episcopus dixit: Episcopos nos ueritatis Christi domini nostri et dicimus et saepe actis publicis dictum est. Donatum autem sanctae memoriae, martyrialis gloriae uirum, praecessorem scilicet nostrum, ornamentum ecclesiae istius ciuitatis, loco suo meritoque ueneramur. […] Possidius, episcopus ecclesiae catholicae, dixit: Episcopos ueritatis probares opus est, non iactere. 73 Gesta I,4: Et quamuis una sit omnium et manifesta sententia catholicae legis plenam veritatem recto hominum cultu et caelesti sententia conprobatam, studio pacis et gratiae uenerabilium uirorum episcoporum legationem libenter admisimus, quae congregari donatistas episcopos ad coetum celeberrimae desiderat civitatis, ut, electis sacerdotibus quos pars utraque delegerit, habitis disputationibus, superstitionem ratio manifesta confutet.

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sein, die es zur Einhaltung des wahren Glaubens und der Kircheneinheit zu bekämpfen gelte. Sie mussten daher alles daransetzen, sich von diesen Vorwürfen zu befreien und am besten sich selbst als katholisch und somit als Kirche der Wahrheit darzustellen und den Anspruch der gegnerischen Seite in Abrede zu stellen.74 Es galt, die eigene christliche Gemeinschaft als legitime katholische Kirche zu präsentieren und diese »Kirche Gottes gegen die Traditoren und Persecutoren« zu verteidigen.75 Petilian war es mit seinem Einwurf immerhin gelungen, dass Marcellinus darauf verzichtete, die Donatisten weiterhin so zu nennen, und sich stattdessen vorsichtiger ausdrückte, indem er nur von der »anderen Seite« sprach. In seiner Zusammenfassung der Konferenz für die nichtkatholischen Christen wiederholte Augustinus die Argumentation gegen den Anspruch der Partei Petilians, als katholisch zu gelten, und bestätigte somit, wie um den nomen catholicum gestritten worden war. Die Donatisten hätten behauptet, dass dieses nomen catholicum nicht von der Universalität herrühre, sondern von der Vollständigkeit der eingerichteten Sakramente. Den Katholiken sei es ein Leichtes gewesen, das Gegenteil zu belegen und dass sie sehr wohl mit allen Völkern kommunizierten.76 Es gelang den Donatisten aber nicht, catholica für sich zu beanspruchen, da der Kaiser die augustinische Partei als Katholiken bezeichnete und so verstanden wissen wollte,77 womit die Entscheidung aller 74 Vgl. Tholen, Donatisten, S. 113, nach Gesta I,4 dem Edikt vom 14. Oktober 410, Gesta I,5 Edikt des Marcellinus vom 19. Januar 411 und Gesta I,10 Edikte vom 18.–25. Mai 411. 75 Vgl. Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 157 – 159. Der donatistische Priester Primianus von Karthago hielt auch auf der Konferenz selbst daran fest, dass es eine Vereinigung der »Söhne der Märtyrer mit den Nachkommen der Traditoren« nicht geben werde, siehe Gesta III,116. 76 Augustinus, breuic. III,3, S. 134 u. S. 136: Donatistae autem responderunt non catholicum nomen ex universitate gentium, sed ex plenitudine sacramentorum institutum, et petierunt, ut probarent catholici sibi communicare omnes gentes. Quod catholici cum gratissime acciperent et peterent, ut hoc probare permitterentur, rursus illi de mandato illo, quod legatis iniunctum edi sibi petiuerant, quaestionem refricare coeperunt et a causa ecclesiae, quae iam in medium discutienda pervenerat, iterum relislire, modo mandatum supradictum petendo, modo de petitoris persona ut constaret instando, modo ut de his ipsis quae petierant iudicaret cognitor exigendo, de quibus iam totiens fuerat interlocutus et eos illa frustra petere pronuntiaverat. 77 Vgl. Gesta III,90 – 94. Tholen, Donatisten, S. 114 – 116, führt einen fiktiven Dialog (wohl zwischen 432 und 450 verfasst) zwischen Augustinus und einem Fulgentius an, der die Frage der Bezeichnung donatista nochmals thematisiert und die Sicht der nichtkatholischen, afrikanischen Christen zum Ausdruck bringt. Der unbekannte Verfasser hat aus den Gesta geschöpft und die Diskussion dahin zugespitzt, dass Augustinus wissen will, warum sich Fulgentius Donatist nenne, worauf dieser antwortet, dass er sich selbst katholisch nenne und nur von Augustinus als Donatist bezeichnet würde und Augustinus diesem ungerechterweise die Bezeichnung katholisch entziehe: Fulgentius dixit: Tu mihi hoc nomen [scil. donatistae] imponis, nam ego catholicus sum. Augustimus respondit: si catholicus es, cur catholicum te vocari non pateris? Fulgentius dixit : Tu mihi catholicum nomen subducis iniuste. Aus Maier, Le dossier du donatisme, Bd. 2, S. 273 – 276.

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angeblichen Neutralität des Richters und des Verfahrens zum Trotz vorgezeichnet war. Den Donatisten war klar, dass sie mit Argumenten allein kaum gegen den politischen Willen hinter dieser Konferenz ankommen würden. Um ihre faktische Stärke in Afrika zu demonstrieren, verfielen sie auf eine Doppelstrategie. Sie stritten nicht nur um die Terminologie, sondern unternahmen auch alles, um den Ablauf der Konferenz zu behindern. So kamen sie entgegen der zuvor aufgestellten Regeln für das Gespräch am Konferenztag mit allen Bischöfen anstelle der sieben Repräsentanten, die jede Seite stellen durfte.78 Jedoch lässt sich ein solches Manöver auch als Versuch verstehen, durch die bischöfliche Präsenz die weite Verbreitung und den Rückhalt für die Donatisten unter den afrikanischen Gläubigen vor Augen zu führen. Ihr Auftreten war somit ein physisches Argument gegen den Anspruch der Katholiken, katholisch zu sein. Wenn schon zu befürchten war, dass ihre Argumente vor Marcellinus kaum gelten würden, kam es darauf an, mittels der Macht der Menge den Anspruch der Katholiken auf Katholizität, als Allgemeinheit, zu konterkarieren.79 Auch der zweite Versuch, christianitas in die Diskussion zu bringen, schlug fehl. Als am dritten Verhandlungstag das Wort ein zweites und letztes Mal fiel, wurde endlich über den Hauptgegenstand der Konferenz, das Kirchenverständnis beider Gruppen, diskutiert. Bischof Habetdeum trug die donatistische Position vor und attackierte darin die Katholiken: Quis enim nesciat istos traditores persecutoresque nostros ab ipso exordio condemnatae traditionis commentitiis precibus cunctis in nostram necem hujus saeculi principibus supplicasse, atque ad suam communionem contra Dei praecepta minis et proscriptionibus coarctasse? nam, ut omittamus quantus sanguis christianus effusus sit per leontium, vrsacium, macarium, paulum, taurinum, romanum ceteros que exsecutores quos in sanctorum necem a principibus saeculi meruerunt, quando plurimi uenerabiles sacerdotes occisi, alii in exilium relegati, christianitas late uexata, sacrata stuprata uirginitas, proscripti diuites, spoliati pauperes, ablatae basilicae atque acti in fugam profugi sacerdotes, nostro nunc tempore quanta commiserint nullus ignorat. (25.60) Wer nämlich kenne sie nicht, diese unsere Verräter (traditores) und Verfolger (persecutores), die seit Beginn dieses verfluchten Verrats mit allen Mitteln unseren Tod bei den weltlichen Herrschern erbeten und uns auch zu ihrer Gemeinschaft gegen Gottes Gebot mit Drohungen und Proskriptionen gezwungen hatten? Denn – übergehen wir einmal wie viel christliches Blut geflossen ist durch Leontius, Ursacius, Macarius, Paulus, Taurinus, Romanus und andere Ausführende, die den Tod der Heiligen auf Befehl der weltlichen Herrscher verschuldet haben. Es gibt keinen, der nicht weiß, was die Katholiken in letzter Zeit begangen hätten, wie viele ehrwürdige Priester ermordet, 78 Hogrefe, Umstrittene Vergangenheit, S. 165; Chadwick, Church, S. 391; Demandt, Spätantike, S. 372, erwähnt, dass schließlich 565 Bischöfe teilnahmen. 79 Vgl. Shaw, Sacred Violence, S. 564 – 569.

Der Kampf um die Worte

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andere ins Exil geschickt, die christianitas weithin gequält, die geheiligte Jungfräulichkeit geschändet, die Reichen proskribiert, die Armen beraubt, die Kirche enteignet und die Priester in die Flucht geschlagen worden seien.

Habetdeum stellte die Donatisten somit als Kirche der Verfolgten, der Märtyrer dar, die unter den Katholiken gelitten hätten. Die Anschuldigung glich der Anklage, die Petilian gegen Augustinus erhoben hatte. Die Formulierung principes saeculi entsprach den reges saeculi aus c. litt. Pet. II, 89.80 Habetdeums Rede war darauf ausgelegt, durch Rhetorik und nicht durch Argumente zu wirken. Man könnte auch schlicht von Topoi sprechen, derer sich Habetdeum bediente, weil er mehr andeutete als ausführte. Die Formulierung christianitas late vexata klingt sehr vage. Was mit ihr gemeint ist, lässt sich nicht zuverlässig sagen: Da immer Personen bzw. Gruppen betroffen sind, kann auch die christianitas hier für die Gemeinschaft der Christen stehen. Wegen der Misshandlung ist dies naheliegender als anzunehmen, dass hier der Glaube gemeint war. Das ergäbe sich zwar indirekt aus der Verfolgung der Priester, doch wäre der lexikale und syntaktische Zusammenhang unpassend. Die Gesamtheit der christianitasNennungen der Zeit zeigt, dass christianitas als Glaube weder im Nominativ stand, noch mit vexata (gequält) oder einem Raumadverbiale wie late (weithin) in Verbindung gebracht wurde. Die Katholiken ließen diesen Vorwurf aber ins Leere laufen, so wie sie es auch mit der Frage nach der Person Caecilians taten, was Maureen Tilley dazu veranlasst hat, das Verhalten der Katholiken und nicht dasjenige der Donatisten als hinhaltend zu bezeichnen.81 Sehr wahrscheinlich hätten die Donatisten aber noch einmal erklären müssen, was sie mit christianitas meinten.82 Eine Definition zu bieten, wäre ein klarer Vorteil gewesen, weil sich dann die Diskussion danach ausgerichtet und den Donatisten die Chance geboten hätte, alte Anschuldigungen wie jene Petilians nochmals vorzutragen. Zu einer solchen Auseinandersetzung konnte es aber gar nicht kommen, weil der Streit in eine 80 Eigentlich hätte Habetdeum den Kaiser kritisieren müssen, so wie es Donatus 346 getan hatte, weil es Honorius war, der mit dem Unionsedikt von 405 die Lage zuerst zugespitzt und später wieder etwas gelockert hatte (CTh 16.5.51). Es versteht sich von selbst, dass Kritik am Kaiser kaschiert werden musste, sodass für solch negative Aussagen andere Ausdrücke wie princeps gewählt werden mussten. So lässt sich wohl auch verstehen, warum beide Seiten den imperator stets positiv und die reges eher negativ konnotierten. Siehe Inglebert, Universalit¦ chr¦tienne, S. 449 – 470, bes. S. 456. Außerdem war es aufgrund der römischen Geschichte nicht möglich, einfach von rex zu sprechen, während das Wort vornehmlich im Zusammenhang mit den alttestamentarischen Königen eine Rolle spielte. Es wäre wohl für die politische Sprache der spätrömischen Zeit interessant, inwieweit mittels Stellvertretervokabeln wie eben princeps über politische Ordnungsvorstellungen diskutiert wurde. 81 Vgl. Tilley, Dilatory Donatists, S. 18 f. 82 Vgl. Congar, Introduction, S. 56, sagt, dass es typisch für die Donatisten war, ein ambivalentes Vokabular zu benutzen.

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andere Richtung ging, da über das Kirchenverständnis von Donatisten und Katholiken debattiert wurde. Habetdeum griff nämlich nach der zitierten Klage die augustinische Ekklesiologie vom corpus permixtum an, wodurch christianitas wieder in den Hintergrund rückte. Dennoch war der Disput um die wahre Kirche auch für christianitas von Bedeutung.83 Da ohne die Vokabel über das Kirchenbild gestritten wurde, fiel das Wort aus dem semantischen Feld der Ekklesiologie heraus. Augustinus unterstellte den Donatisten, die Kirche nicht wie er als universell zu verstehen, wobei er auf die Bibel verwies und sich nicht länger mit Definitionen aufhielt. Er erwartete einfach Einsicht seiner Zuhörer, wie Ivonne Tholen sagt. Sie ergänzt, dass Augustinus aufgrund seines Aufenthaltes in Mailand sehr wohl auch die geographische Dimension der Kirche auf Erden erkannt hatte und dieses Wissen in die Auseinandersetzung mit den Donatisten um die afrikanische Kirche hineintrug.84 Bedeutungszuweisungen in Form von toto orbe diffusa85 betrafen die ecclesia; christianitas war nicht mit solchen Bedeutungen verbunden. Die Konferenz endete erwartungsgemäß mit einer Sentenz, in der Marcellinus die Donatisten als geschlagen bezeichnete, und die er in einem Edikt am 26. Juni veröffentlichte.86 Das kaiserliche Reskript vom 30. Januar 412 verfügte anschließend die Union (CTh 16.5.52) und nahm die früheren Gesetze gegen die Donatisten wieder auf. Obwohl die Auseinandersetzung der Katholiken mit den Donatisten nach der Konferenz von Karthago ein vorläufiges Ende genommen hatte, überdauerte der Donatismus die scharfen Verfolgungen der Kaiser und überlebte die Eroberung Afrikas durch die Wandalen 429.87 Augustinus kam zu diesem Zeitpunkt kein Wort mehr zur christianitas über die Lippen – jedenfalls nicht auf ein Weise, dass es Eingang in das Verlaufsprotokoll der Konferenz 83 Zum Kirchenverständnis von Donatisten und Katholiken Lamirande, Situation eccl¦siologique, S. 107; Tilley, Self-Identity, S. 21 – 33; Frank, Lehrbuch, S. 270; Frend, Rise, S. 654 f. Zu Augustinus’ Kirchenauffassung, ep. 185,50: Proinde ecclesia catholica sola corpus est Christi, cuius ille caput est saluator corporis sui. Extra hoc corpus neminem uiuificat spiritus sanctus, quia, sicut ipse dicit apostolus, caritas dei diffusa est in cordibus nostris per spiritum sanctum, qui datus est nobis. Non est autem particeps diuinae caritatis, qui hostis est unitatis. 84 Vgl. Tholen, Donatisten, S. 402. So auch Inglebert, Universalit¦ chr¦tienne, S. 461 u. S. 468. Über die Universalität der catholica auch Augustinus, breuic. III, 3. 85 In c. litt. Pet. II spricht Augustinus übrigens von der plebs Dei toto orbe terrarum diffusa; in vera rel., 6,1 haec enim ecclesia catholica per totum orbem ualide late que diffusa omnibus errantibus utitur […]. 86 Die Sentenz hat sich nicht erhalten, das Edikt schon. Es findet sich in CCSL 149 A unter dem Titel sententia cognitoris. Siehe auch Maier, Le dossier du donatisme, Bd. 2, S. 175. 87 Vgl. Pi¦tri, Schwierigkeiten, S. 522 f. Pi¦tri sieht den Donatismus nach 411 für beendet an, lässt damit aber die weitere Aktivität Augustinus’ gegen die Donatisten außer Acht. Vgl. Chadwick, Augustine of Hippo, S. 114, erwähnt, dass die Donatisten es schafften, gegen Marcellinus zu intrigieren, sodass dieser 414 des Hochverrats beschuldigt und verurteilt wurde.

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gefunden hätte. Auch in seinen Breviculus Collationis, seiner Kurzfassung der Konferenz, tauchte das Wort nicht mehr auf, als Augustinus den offiziell geschlagenen Donatisten eine Brücke für die Rückkehr in die katholische Kirche bauen wollte.88 Offenbar war es den Donatisten gelungen, allein durch ihre Verwendung christianitas so stark zu besetzten, dass es für Augustinus keine andere Möglichkeit gegeben hätte, als sich auf den donatistischen Wortgebrauch einzulassen, so wie es andersherum der Fall für catholica war. Wahrscheinlich hat Augustinus das Wort bewusst vermieden, um nicht den Eindruck zu erwecken, dasselbe Vokabular wie seine Gegner zu verwenden. In den darauf folgenden neunzehn Jahren, in denen Augustinus noch mehrmals gegen den Donatismus zur Feder greifen sollte und sein De civitate Dei schrieb, fand sich das Wort nicht mehr im aktiven, schriftlichen Wortschatz des Kirchenvaters, was Jean Rupp emphatisch bedauerte.89 Wer seine Schriften ab 400 las, bekam also eher einen Eindruck von dem, was Augustinus’ Gegner mit christianitas sagen wollten. Wer nur seine Schriften ab 411 las, konnte gar nicht wissen, dass es dieses Wort jemals im Wortschatz des Augustinus gegeben hatte.

4.

Ein Schweigen ohne Konsequenzen?

Trotz seines so beredten Schweigens konnte Augustinus nichts daran ändern, dass christianitas weiterhin verwendet wurde. Es blieb im katholischen Sprachgebrauch bei der Betonung der Christlichkeit, Religionsausübung und des christlichen Glaubens als Kern der Religion.90 So wurde nur in einem einzigen Kanon in den Registri ecclesiae Carthaginensis von ad christianitatis gratiam venire gesprochen, als darüber entschieden wurde, unter welchen Bedingungen Schauspieler Christen werden dürften (26.61).91 In denselben Reg88 Vgl. Augustinus, breuic. Passend wohl auch die Auslegung von Monceaux, Saint Augustine, S. 118: »sa pr¦occupation dominante sera d’expliquer au public cette situation nouvelle. Il discutera surtout pour d¦montrer qu’il n’y a plus — discuter.« Selbst die Vita S. Augustini von Possidius enthält christianitas nicht, bewegt sich sprachlich dafür aber im Wortfeld ecclesia Dei, unitas, fraternitas, pax ecclesia, populus christianus, Plebs Dei, grex christi etc. bzw. für den Glauben: oboedientia et devotio christiana – und das obwohl der Streit mit den Donatisten ausführlich geschildert wird. Siehe Possidius, Vita Augustini, S. 130 – 241. 89 Rupp, L’id¦e, S. 14: »On voudrait que l’auteur de la ›Cit¦ de Dieu‹ […] e˜t associ¦ le mot — l’id¦e et que la ›Christianitas‹ f˜t un de ces ›concepts augustinines‹ qui ont exerc¦ une immense influence sur les rapports du spirituel et due temporel. H¦las ! il n’en est rien.« 90 Lamirande, (Art.) Christianus, Sp. 844, ist zuzustimmen, dass Augustinus von christianitas am ehesten noch im Sinne der religio christiana sprach, was seinem Ausdruck für Christentum entsprach, der Kirchenvater aber keinesfalls Christenheit meinte. Der Gegensatz wäre noch klarer, wenn Lamirande die Nennungen in ep. 53 nicht Augustinus selbst zugerechnet hätte. 91 Unklar ist, zu welchem Zeitpunkt und auf welcher Tagung die Konzilsteilnehmer welche

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istri findet sich eine Notiz aus dem Jahr 419, in der vom cultus christianitatis die Rede ist (26.62). Die Notiz berichtet über die Entsendung von vier katholischen Bischöfen 410 nach Rom. Diese Legation sollte die Aufhebung der den Donatisten zwischenzeitlich gewährten Toleranz erreichen (CTh 16.5.51) und eben jene Konferenz vorbereiten, die endgültig über die Donatisten entscheiden sollte.92 Die Weiterverwendung ist dann auch an den Edikten zu erkennen, die die Kaiser Honorius und Theodosius II. erließen. In Kapitel II.2 sind bereits viele nichtafrikanische Christen zu Wort gekommen, die sich unabhängig von Augustinus des Wortes bedienten, so Pelagius (24.57), Fastidius (21.42), Maximus von Turin (29.65 – 38.74), Anonymus Romanus (39.75 – 76; 40.77), Petrus Chrysologus (42.81), Johann Cassian (44.86) und Eucherius von Lyon (47.91). Selbst unter den Heiden schien das Wort einen Sinn erhalten zu haben, wie man am Briefwechsel zwischen Augustinus und Volusianus erkennen kann (27.63). Letzterer stammte aus einer der angesehensten Senatorenfamilien Roms – sein Großvater und Vater waren Stadtpräfekt gewesen – und galt als einer der kultiviertesten Männer seiner Zeit. Während die weiblichen Mitglieder seiner Familie bereits christlich waren, hielt er es wie sein Vater mit der traditionellen Philosophie.93 In den Jahren 411 und 412 kam es zum Austausch zwischen Augustinus und Volusianus, der nach seiner Flucht nach Karthago im Spätsommer 410 ebendort einen intellektuellen Zirkel unterhielt, der sich der Redekunst und der Poesie widmete. Volusianus wandte sich in seinem Brief an den Bischof, um diesen daran zu erinnern, dass auch der Rhetor Augustinus trotz seines Christentums, jedoch aufgrund seiner Bildung und seines Werdegangs in diese kultivierte Welt gehören würde. Der Römer schilderte Augustinus den Verlauf eines Gesprächs über Aristoteles, Lycius und die Epikureer, das er als intellektuell nicht besonders befriedigend darstellte, um dann, sich rhetorischer Finesse bedienend, davon zu berichten, dass einer unter ihnen – Volusianus lässt trotz der anonymen Formulierung durch das Spiel der Worte erkennen, dass es sich um ihn Beschlüsse fassten. Denn diese Kanones wurden kumulativ niedergeschrieben, sodass eine Zuordnung zu einem bestimmten Jahr und einer besonderen Tagung schwerfällt. Dies ist besonders deswegen misslich, weil damit nicht klar wird, welchen Einfluss Augustinus auf diese Beschlüsse haben konnte. Zumindest für c. 63 der Konzilsakten von Karthago 401 ist anzunehmen, dass er im Beisein von Augustinus beschlossen wurde. Vgl. Maassen, Geschichte der Quellen, § 133,2, S. 150. Vgl. Gaudemet, L’¦glise, S. 704 f. Die gratia christianitatis galt als Gegenpol zur Welt der Unterhaltung, welche die Kirchenvertreter für gewalttätig, unmoralisch und skandalträchtig hielten und deshalb versuchten, Christen von Theatern und Spielbetrieben fernzuhalten. 92 Vgl. Maier, Le dossier du donatisme, Bd. 2, S. 171, Anm. 12 u. 14. Von diesem Toleranzgesetz weiß man nur aufgrund des Konzils. CTh 16,5,51 vom 25. August 410 verweist nur indirekt darauf, indem es die Toleranz zurücknimmt bzw. die vorherige Gesetzgebung zu Lasten der Donatisten bekräftigt. Siehe auch Hermanowicz, Possidius, S. 188 f. 93 Vgl. Lancel, Saint Augustin, S. 443.

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selbst handelte – wissen wollte, ob es jemanden gäbe, der durch die christliche Weisheit bis zur Vollendung unterrichtet worden sei, der ihm seine Zweifeln nehme und seine Zustimmung zu dieser wahren oder wahrscheinlichen Gläubigkeit bestätigen könne. (Et quis, inquit, est sapientia ad perfectum christianitatis imbutus, qui ambigua in quibus haereo possit aperire, dubiosque assensus meos vera vel verisimili credulitate firmare?; 27.63). Volusianus ging im Anschluss ins Detail und fragte spöttisch, was es mit dieser Jungfrauengeburt und der Inkarnation auf sich habe.94 Diese Textstelle allein zeugt von der rhetorischen Durchtriebenheit des paganen Aristokraten. Die erste Frage in diesem Satz bezog sich natürlich auf Augustinus, obgleich der Anschein gewahrt wurde, als wäre diese Frage offen formuliert (et quis imbutus est): imbutus spielt auf den edukativen Charakter dieser Weisheit an, die selbst zwar mit einem Zentralbegriff der Philosophie wiedergegeben wurde, aber dann durch das substantivierte Adjektiv im Genitiv, christianitatis, deutlich von der philosophischen Weisheit getrennt wurde. Augustinus selbst hatte christianitas im Kontext der Bildung verwendet, weshalb sich hier neben dem inhaltlichen sogar ein sprachlicher Zusammenhang ergab. Andererseits wurden beide Elemente durch das Hyperbaton ad perfectum gesperrt, was diese Textstelle in stilistischer Hinsicht deutlich vom internen christlichen Gebrauch absetzt. Die vielleicht an sich noch unverfänglich klingende Frage wird dadurch provokant, dass Volusianus in der zweiten Frage des Satzes eine Darlegung der christlichen Glaubensinhalte einforderte, die ihm zweifelhaft erschienen. Dass er mit möglichen Anschuldigungen seitens der Christen spielte, seine Zweifel könnten häretisch sein, wird daran deutlich, dass Volusianus sicherlich absichtlich das christlich konnotierte Wort haereo verwendete, um seine Zweifel (ambigua) zum Ausdruck zu bringen. Seine philosophische Einstellung und Redeweise wiederum wird in der Formulierung adsensus meos, einem philosophischen terminus technicus,95 sichtbar, während die christliche Argumentation durch verisimili als nur eingeschränkt überzeugend und durch credulitas, also Leichtgläubigkeit, sogar abqualifiziert wurde. Augustinus erkannte genau, dass es sich hier um ein Spiel der Rhetorik handelte, eine Herausforderung durch nichtchristliche Gebildete. In seiner Antwort ging er erst gar nicht auf die Kritik ein, die der Bischof aus seinen Mailänder Jahren kannte und die ihn wahrscheinlich zu einem Lächeln verleitete, so Serge Lancel.96 Augustinus umging es damit auch, auf die sapientia christianitatis zu reagieren, während er andere Formulierungen des Volusianus sehr wohl aufgriff.97 94 Vgl. ebd., S. 444. 95 Vgl. Georges, Lateinisch-deutsches Wörterbuch, Bd. 1, S. 632, s.v. assenus II.A) mit Nachweisen von Cicero. 96 Vgl. Lancel, Saint Augustin, S. 448. 97 Vgl. Augustinus, ep. 137 (CCSL 31B), S. 256 – 274.

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Das Schweigen des Augustinus

Ganz ohne Konsequenzen blieb das Schweigen des Augustinus aber nicht. Der Streit mit den Donatisten sollte den Wortgebrauch auf mehrfache Art beeinflussen. So konnten sich spätere Generationen von Theologen und Klerikern nicht an Augustinus wenden, um ein konkretes Verständnis des Wortes zu erhalten.98 Es war also nicht durch die Autorität des Kirchenvaters überdeterminiert worden und somit offener für semantische Neuerungen. Spätere Verwendungszusammenhänge bauten auf Augustinus auf, die dieser aber wohl kaum verstanden oder rundheraus abgelehnt hätte. Das beste Beispiel hierfür ist die Predigt des Abbo von Saint-Germain, der im 10. Jahrhundert seinen Mitbrüdern die civitas Dei als christianitas vorstellte.99 Augustinus hätte wohl nie von civitas Dei und christianitas im gleichen Atemzug gesprochen, geschweige denn das eine durch das andere definiert. Denn die Katholiken blieben bei ihrem Sprachgebrauch, weil die sich in Afrika andeutende Bedeutungsverschiebung in sozialer und ekklesiologischer Hinsicht eine zu große Annäherung an den donatistischen Sprachgebrauch bedeutet hätte. Diese hatten christianitas viel weiter in Richtung Gemeinschaft der Christen gerückt, als es die Katholiken getan hätten. Die ausbleibende Bedeutungsverschiebung wird wohl am plausibelsten, wenn man den damit verbundenen ekklesiologischen Streit zwischen Donatisten und Katholiken berücksichtigt. Überspitzt gesagt, konnte christianitas für die Katholiken gar nicht zum Synonym für die christliche Gemeinschaft oder gar Kirche werden, weil dies viel zu donatistisch gewesen wäre. Angesichts der zusammengetragenen Indizien kann diese Interpretation nur ein Deutungsangebot bleiben. Trotz der verdienstvollen Bemühungen von Jean-Louis Maier bei der Rekonstruktion donatistischer Quellen sind nämlich einfach viel zu wenige von ihnen erhalten geblieben, um eine solche Hypothese prüfen zu können. Dafür sind auch die Katholiken mitverantwortlich, indem sie die Häretisierung der Donatisten und die Verfolgung durch die staatliche Gewalt befürworteten, wodurch diese sowohl physischen Zwang erlitten als auch um die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung gebracht wurden. Gegenteilige Meinungen zu Glauben und Kirchenbild wurden nicht mehr toleriert und somit aus dem akzeptierten Diskurs gedrängt. Bezeichnenderweise war es schließlich Augustinus, der mit seinem Breviculus die Konferenz zusammenfasste und dafür sorgte, dass seine Sicht unter den Afrikanern Verbreitung fand. Wenn die verbliebenen 98 Eugippius, Abt eines Klosters in der Nähe Neapels, brachte um 511 Abschriften zu einigen Werken von Augustinus heraus (54.106 u. 55.107). Dadurch konnten auch vera rel. (9.24) und s. dom. m. (11.27) rezipiert werden, doch werden die beiden darin vorkommenden Belege für ein augustinisches Verständnis von christianitas nicht ausgereicht haben. 99 Vgl. Abbo von Saint-Germain, 22 Predigten, Sermo 14, S. 133 – 146 (437.776 – 817), z. B. 437.803: Gloriosa dicta sunt de te, c[i]uitas Dei. Plane hec eadem ciuitas id est christianitas uocatur sponsa agni, hoc est filii Dei.

Ein Schweigen ohne Konsequenzen?

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Donatisten ein eigenes Verständnis von christianitas hatten, so war es mit der Niederlage von 411 in die nichtöffentliche Sphäre verbannt worden. Die etwas später einsetzende Eroberung Nordafrikas durch die Wandalen hat schließlich sowohl Katholiken als auch Donatisten die weitere Schriftproduktion und Weiterführung des Diskurses erschwert.100 Die letzte Beobachtung betrifft den möglichen Zusammenhang von Häresie und christianitas. Das vorangegangene Kapitel hat bereits gezeigt, dass christianitas in dem Maße, wie die Vokabel zur Selbstbeschreibung eingesetzt wurde, zuerst einen apologetisch-defensiven, später aber einen deliminativ-aggressiven Charakter erhielt. Auffälligerweise bedienten sich die afrikanischen Katholiken nicht der Vokabel – noch nicht einmal beiläufig –, um damit die Donatisten als falsche Christen aus der Gemeinschaft auszuschließen. Augustinus warf ihnen vielmehr vor, überhaupt keine Christen zu sein.101 Eine andere Form der Argumentation scheint Augustinus wohl deswegen unterlassen zu haben, weil ihm selbst sowohl von Seiten der Manichäer als auch von Seiten der Donatisten mittels christianitas Vorwürfe gemacht wurden. Eine Instrumentalisierung durch seine Gegner ist durchaus denkbar, wie der Brief des donatistischen Priesters und die dreimalige Verwendung durch Petilian angedeutet haben. Das unterschiedliche Verständnis und der unterschiedliche Umgang mit dem Wort werden kaum außerhalb Afrikas zur Kenntnis genommen worden sein, wie die eingangs zitierten anderen Belege zeigen. Doch wie verhielt es sich mit den kaiserlichen Edikten? Mit ihnen hatte die Staatsmacht in die Geschehnisse in Afrika regulierend eingegriffen und die Donatisten überhaupt erst erfolgreich zu Häretikern erklärt.

100 Eine weitere Schwierigkeit bei der Bestimmung des donatistischen christianitas-Gebrauchs besteht auch darin, dass die donatistischen Afrikaner vornehmlich Punisch sprachen. Lancel, Saint Augustin et les donatistes, weist darauf hin, dass Augustinus die Vielsprachigkeit seiner Zeit vor Augen hatte und mit der punischen Sprache wohl jene der Donatisten meinte. 101 Siehe Anm. 60 in diesem Kapitel.

IV.

Kaiserliche Edikte und kanonisches Recht

Die vorangegangenen Kapitel haben sich mit dem Wortgebrauch von Nizänern und anderen Christen beschäftigt, womit die Häresieverfolgung der Kaiser Theodosius I., Honorius und Theodosius II. ins Umfeld von christianitas zu rücken schien. In der Tat finden sich weitere Belegstellen im Codex Theodosianus (CTh), die es erlauben, den Wortgebrauch einer dritten Seite in die Untersuchung einzubeziehen: die des römischen Staates in Person der Kaiser und in der Form ihrer Rechtsetzung. Schließlich ist es die beinahe einzige Quelle, in der christianitas vorkommt, die nicht aus der Hand von Geistlichen und Theologen stammt.1 Außerdem ergibt sich durch diese Quellenstellen ein Wechsel in den Textgattungen, der für den Wortgebrauch aufschlussreich sein kann. Schließlich waren und sind Rechtsquellen stärker als andere Genres dem Streben nach Formalisierung und Verbindlichkeit unterworfen. Rechtsetzung und Rechtsprechung waren und sind auf Präzision im Ausdruck und auf Verständlichkeit angewiesen, um allgemeine Anerkennung zu erreichen. Einerseits hatte dies zwar eine gewisse Verselbständigung der Rechtssprache gegenüber der Alltagssprache zur Folge; andererseits konnten Definitionen, sollte sich das Recht als beständig erweisen, auch den alltäglichen Gebrauch eines Ausdrucks beeinflussen. Im Hinblick auf die Stellen im Codex Theodosianus stellt sich als Erstes die Frage, ob christianitas dazu diente, die Verfolgung von heterodoxen Christen zu legitimieren, indem durch den Hinweis auf die religiös-sozialen Normen der Tatbestand der Häresie formuliert werden konnte. Von diesem speziellen Fall abstrahiert, ist der Frage nachzugehen, ob oder wie die religiös-soziale Normierung in der Praxis des Christentums und Christseins ihre Fortsetzung und Ergänzung in einer rechtlichen Normierung gefunden hat. Hierzu sind ebenfalls die Textstellen aus dem Kirchenrecht heranzuziehen. Wie aus den Kapiteln I und II bereits bekannt, kam christianitas nicht im Umfeld der großen theologischen Debatten vor. Das Wort fand außerdem keine Aufnahme in die Konzilsbe1 So Richard, Sens, S. 106.

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Kaiserliche Edikte und kanonisches Recht

schlüsse des 4. und 5. Jahrhunderts. Dies sollte sich erst mit der Kirchenrechtssammlung des Dionysius Exiguus vom Beginn des 6. Jahrhunderts ändern. Dadurch ergeben sich die Fragen, wofür Dionysius christianitas brauchte, ob es einen Zusammenhang zwischen dem kaiserlichen und dem kirchlichen Wortgebrauch gab und welche Rolle christianitas auf dem Gebiet des Kirchenrechts in der Folgezeit hatte.

1.

Die Kaiser haben das Wort: der Codex Theodosianus

Am 15. Februar 438 ratifizierte Kaiser Theodosius II. (408 – 450) eine Gesetzessammlung, die er selbst neun Jahre zuvor in Auftrag gegeben hatte.2 Der nach ihm benannte Codex sollte ursprünglich sämtliche kaiserlichen Edikte und Bestimmungen seit 312 sammeln, ordnen und damit der römischen Rechtsprechung ein neues, stabiles Fundament bieten.3 Dieses Vorhaben erwies sich rasch als überdimensioniert, sodass bereits die erarbeitete Sammlung als Codex angenommen wurde.4 Hierfür hatten die zuständigen Juristen nach älteren Vorbildern rund 2.500 Gesetze unter etwa 450 systematisch angelegte Sachtitel in 16 Büchern aufgeteilt.5 Obwohl das eigentliche Ziel einer vollständigen Sammlung nicht erreicht worden war, stellte der Codex ein außergewöhnlich hilfreiches und einflussreiches Instrument für die spätere Rechtsprechung und Politik dar, an dem sich Kaiser Justinian (527 – 565) für seinen Auftrag einer Neufassung des römischen Rechts orientierte und das auch spätere Rechtssammlungen wie die Leges Visigothorum stark prägen sollte.6 Trotz scheinbarer Klarheit und vermeintlicher Zugänglichkeit stellt der 2 Vgl. Liebs, (Art.) Codex Theodosianus, Sp. 868 – 870; Harries/Wood, Theodosian Code. Darin: Matthews, Making of the Text. 3 Zum CTh und den mit ihm verbundenen Problemen siehe die Einleitung von Roland Delmaire in der zweisprachigen Neuausgabe des CTh in den Source Chr¦tiennes: Code Th¦odosien XVI (SC 497), mit einer Typologie der verschiedenen Arten von Konstitutionen, ebd., S. 17 – 21. 4 Matthews, Making of the Text; ders. Laying down the Law. 5 Vgl. Liebs, (Art.) Codex Theodosianus, Sp. 868 – 870. Dabei hatten die Bearbeiter gekürzt, gestrichen, manche Gesetze neu chronologisch angeordnet, andere, die verschiedene Sachverhalte behandelten, auf verschiedene Titel aufgeteilt. Überflüssiges und Obsoletes blieb erhalten, es blieb den Lesern überlassen, darüber zu entscheiden, ob entsprechende Gesetze noch anwendbar waren. 6 Der 534 von Justinian promulgierte Codex Justinianus (CJ) übernahm viele Gesetze aus dem CTh – manche aber auch nicht –, vervollständigte ihn aber noch. Vgl. Code Th¦odosien XVI (SC 497), S. 35. In Bezug auf christianitas ist aber festzustellen, dass selbst durch die Ergänzungen des CJ keine weiteren Belegstellen zu denen des CTh dazugekommen sind. Die laut Delmaire immer noch entscheidende Sammlung Corpus legum ab imperatibus, ed. Haenel enthält keine weiteren Hinweise auf die Nutzung des Wortes christianitas, die über die Wiederholung von Edikten des CTh hinausgeht (z. B. CTh 16.7.7 = CJ I.7.4).

Die Kaiser haben das Wort: der Codex Theodosianus

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Codex nicht unerhebliche Herausforderungen an die Interpretation. Es ist kaum möglich, die Entstehung der jeweiligen kaiserlichen Rechtsetzungen, deren Verbreitung und Wirkung im Einzelnen nachzuvollziehen.7 Wichtiger ist jedoch ein anderes Problem: Wer spricht? Haben die Bearbeiter den Wortlaut der Kaiser beibehalten? Für den Codex wurden viele Angaben über die Umstände des Gesetzes und die Petenten weggelassen. Auch scheinen die ursprünglichen Anweisungen länger gewesen zu sein. Daher wirken die erhaltenen Texte wie Exzerpte.8 Dies legt eine Überarbeitung nahe, doch hat Tony Honor¦ festgestellt, dass die Sprache des Codex keinesfalls juristisch vereinheitlicht oder formalisiert worden ist.9 Das lag zum einen an der fehlenden Zeit bei der Zusammenstellung. Zum anderen machten die Bearbeiter kaum Gebrauch von ihrer erst sehr spät im Arbeitsprozess erteilten kaiserlichen Erlaubnis, Notwendiges zu ergänzen, Unklares zu verändern und Unpassendes zu emendieren.10 Bis dahin hatten die Editoren solche Schritte sicherlich unterlassen und arbeiteten auch danach mit allergrößter Sorgfalt, um die kaiserlicher Autorität nicht in Frage zu stellen, wussten sie doch, dass Veränderungen oder Umdeutungen kaiserlicher Verfügungen normalerweise unter schwerer Strafe standen. Obwohl die Juristen also viel Überflüssiges durch Abkürzungen wie et cetera wegließen, kann es immer noch gut sein, dass die aufgenommenen Texte weiterhin die kaiserliche Ausdrucksweise wiedergaben.11 Wie und zu welchem Zweck setzten welche Kaiser das Wort ein? In acht Edikten zwischen 364 und 426 kommt christianitas neunmal vor.12 Die Stellen befinden sich in drei verschiedenen Zeitschichten des Codex. Das erste Edikt wurde von den Kaisern Valentinian I. (364 – 375) und Valens (364 – 378) im Jahr 364 erlassen; die nächsten beiden von Valentinian II. (375 – 392), Theodosius I. (379 – 395) und Arcadius (383 – 408) 386 und 391. Diese drei stammten aus der Zeit vor dem sogenannten Unionsedikt Kaiser Honorius’ von 405 (CTh 16.5.38, 16.6.3 – 5) und befinden sich im Buch 12 (Kommunalrecht) sowie im Buch 14 7 Vgl. Millar, Empire, S. 149 f. 8 Vgl. ebd.; siehe auch Code Th¦odosien XVI (SC 497), S. 17: In einigen Fällen hätten die Redakteure die Phrasen geändert, Worte ausgetauscht, mit Auslassungen und Hinweise wie »unter anderem (post alia)« oder »et cetera« gearbeitet. Weitere Probleme des CTh bestehen darin, dass er nicht umfassend ist, nicht vollständig überliefert wurde und gerade in Bezug auf die kaiserliche Rechtsprechung in religiösen Angelegenheiten nicht als alleinige Quelle verwendet werden kann, ebd. S. 35. 9 Vgl. Honor¦, Making of, S. 134. 10 Vgl. Matthews, Making of the Text, S. 29; Liebs, (Art.) Codex Theodosianus, Sp. 868 – 870. 11 Delmaire schließt sich der Warnung Jean Gaudemets an, den Duktus verschiedener Schreiber ausfindig zu machen, während andere wie Tony Honor¦ Quaestoren zu identifizieren versuchten. Vgl. Code Th¦odosien XVI (SC 497), S. 17, mit Hinweis auf Gaudemet, Un problÀme, u. Honor¦, Law, S. 320. Zwischen den von Honor¦, Making of, S. 216 – 222 Quaestoren zugeordneten Gesetzen und den hier vorliegenden gab es keine Überschneidungen. 12 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 14, nannte den Codex, aber ging diesen Funden nicht nach.

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(Sozialleistungen in Großstädten). Die restlichen fünf Edikte stammen aus der Zeit zwischen 409 und 426 und mit einer Ausnahme aus dem Buch 16 (Religionsangelegenheiten).13 Die Stellen rückten somit erst unter Theodosius II. in den Bereich der Religionsgesetzgebung. Auf sprachlicher Ebene überwog die Verwendung als Genitivattribut bzw. Genitivobjekt. In CTh 14.3.11 (4.8) war vom privilegium christianitatis die Rede; 386 lautete die Formulierung in CTh 12.1.112 (4.23) observatione christianitatis und obtentu christianitatis in CTh 12.1.123 (4.26). Demgegenüber enthielten CTh 16.08.19 post christianitatem (4.58), CTh 16.08.23 magis christianitati consulitur (4.78), CTh 16.08.26 sub praetextu uenerandae christianitatis (4.80), CTh 15.05.05 passionis totius Christianitatis magistrae (4.82) und CTh 16.7.7 christianitatem sectantibus sowie nomen christianitatis induti (4.83 – 84). Eine feste Wendung gab es demnach nicht. Zudem kam christianitas selten vor in Anbetracht der vielen Gesetze, die entweder das Miteinander von christlichen und anderen Religionen regelten oder aber später zur Exklusion aller nichtorthodoxen Religionen und Glaubenspraktiken beitrugen. Ein systematischer Gebrauch, eine juristische Vereinheitlichung im Laufe der Zeit, gar die Überführung in einen Fachbegriff durch eine Standardformulierung zum einfacheren Zitieren (unter Juristen, vor Gericht, vor dem Kaiser) sind nicht auszumachen. Dies spricht gegen eine Etablierung von christianitas durch die Bearbeiter und für einen Wortgebrauch durch die einzelnen Herrscher. Das erste Merkmal des christianitas-Gebrauchs ist an dem ersten Verwendungszusammenhang zu erkennen: Die Vokabel hielt aus der Alltagssprache kommend Einzug ins römische Recht. Die im gesamten Quellencorpus einzigartige Wortkombination privilegium christianitatis brachte die Befreiung der Kleriker von Verpflichtungen zum Kurialendienst zum Ausdruck. Die Augusti hatten den Stadtpräfekten von Rom angewiesen, dass kein Bäcker in die Kirche eintreten und vom Privileg des Christentums profitieren dürfe, und wenn er es tue, so könne er zur Gemeinschaft der Bäcker zurückgerufen werden.14 Damit sollte die Brotversorgung Roms sichergestellt werden. Offenbar hatten Bäcker,

13 Das 16. und letzte Buch der Sammlung ist im Gegensatz zu mehreren vorangehenden Büchern noch in substantiellem Umfang überliefert. Dies ist nicht verwunderlich, da insbesondere die Katholiken ein Interesse daran haben mussten, diese Gesetze zu erhalten. Das Corpus, so Pi¦tri, Unterdrückung, S. 468, festigte die Position als Staatsreligion, die das Christentum unter Kaiser Theodosius I. erhalten hatte. Dennoch kann die kaiserliche Rechtsprechung in religiösen Angelegenheiten nicht als alleinige Quelle verwendet werden. Code Th¦odosien XVI (SC 497), S. 35, mit Verweis auf Maier, Le dossier du donatisme, Bd. 2. 14 CTh 14.3.11 (27. September 364): Hac sanctione generaliter edicimus nulli omnino ad ecclesias ob declinanda pistrina licentiam pandi. Quod si quis ingressus erit, amputato priuilegio christianitatis sciat se omni tempore ad consortium pistorum et posse et debere reuocari (4.8).

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die erbliche, steuerfreie Landgüter besaßen, versucht, durch den Eintritt in den Klerikerstand die mit den Landgütern verbundenen Pflichten loszuwerden.15 Hier lässt sich die Frage nach einem in sich konsistenten Sprachgebrauch im Codex aufgreifen. Für FranÅois Richard ist christianitas in CTh 14.3.11 wie in den anderen Edikten mit christlicher Religion zu übersetzen.16 Denn der Autor des Edikts hätte, wenn er gewollt hätte, direkt von clerici sprechen können, weil die Bezeichnung etabliert war.17 Richards suggerierte einheitliche Wortbedeutung im Codex muss aber nicht gegeben gewesen sein. Zwischen der ersten und der letzten Nennung liegen immerhin rund sechzig Jahre mit umwälzenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Außerdem kann mit christianitas sehr wohl die christliche Religion gemeint gewesen sein, das Privileg dennoch Kleriker betreffen. Denn das Edikt galt Personen, die aus dem Bäckerkolleg Roms auszutreten versuchten. Für Kleriker spricht, dass bereits Konstantin von privilegia für Kleriker geredet und sie mehrfach von den munera, den städtischen Aufgaben, freigestellt hatte, um sie den Priestern der paganen Kulte gleichzustellen.18 Die Freistellung erhöhte die Anziehungskraft des Christentums, weil insbesondere Angehörige des Dekurionenstandes sich ihrer finanziellen und weiteren Verpflichtungen entledigen konnten. Um Missbrauch zu verhindern, musste Konstantin später bestimmen, dass man nur dann in den Klerus eintreten dürfe, wenn man auf sein Vermögen verzichtete.19 Die kaiserlichen Erlasse wurden in der Folge immer wieder und unter Beibehaltung des-

15 Zur Versorgung der Metropole Rom waren die Bäcker (pistores) in erbliche Zünfte (corpus pistorum) zusammengefasst worden. In dieses erbliche Kollegium konnte man einheiraten oder sich einkaufen. Jedoch waren diese Bäcker dann auch an ihre Stellung gebunden, und offenbar versuchten immer wieder einige der pistores, sich ihrer Pflichten zu entledigen, ihre Güter aber zu behalten. Das Edikt CTh 14.3.11 reagierte hierauf, indem es den Bäcker auferlegte, weiterbacken zu müssen, selbst wenn sie ein kirchliches Amt übernahmen. Vgl. Code Th¦odosien I – XV (SC 531), S. 360 f. Anm. 3; Sirks, Food for Rome, S. 307, 331; Demandt, Spätantike, S. 434 f. 16 Vgl. Richard, Sens, S. 112 – 115, gegen Code Th¦odosien I – XV (SC 531), S. 360 f., Anm. 2 sowie S. 300, Anm. 1. Richard ist indes vorbehaltlos darin zuzustimmen, dass die Übersetzung mit »Christenheit« anachronistisch wäre. 17 In CTh 16.2.1 (31. Oktober 313[?]) sprach Konstantin von ecclesiae catholicae clerici. CTh 16.2.2 definiert clerici: Qui divino cultui ministeria religionis impendunt, id est hi, qui clerici appellantur, ab omnibus omnino muneribus excusentur. 18 Siehe CTh 16.2.1 – 3, 6 – 7, 9, 11, 16 etc. Vgl. auch Schmidt-Hofner, Reagieren, S. 93. 19 CTh 16.2.3 (20. Juli 320). Pi¦tri, Hineinwachsen, S. 643 – 647. Auch Valentinian und Valens erklärten in CTh 12.1.59 von 361 dass jemand, der die Seiten der Kirche (wortwörtlich für partes ecclesiae eligit) wähle, seinen Besitz entweder seinem Nächsten geben solle, auf dass dieser als Kuriale weiter aktiv bleibe, oder aber der Besitz direkt an die Kurie gehe. Wer weder das eine noch das andere mache, müsse zurückgerufen werden, selbst wenn er bereits angefangen habe, als Kleriker tätig zu sein. Siehe auch Hunt, Christianising, S. 155 mit Hinweisen zur Forschung.

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selben Vokabulars (wie clerici, munera und privilegium) erneuert.20 Kaiser Julian hob diese Privilegien später auf und erlaubte den Kurialen, auch die Kleriker an der Stadtverwaltung zu beteiligen.21 Erst nach Julians Tod 363 wurde das Privileg wieder erneuert und zugleich eingeschränkt. Die Formulierung privilegium christianitatis war also neu für einen längst etablierten Sachverhalt. Die Schwierigkeit Richards, in den Begünstigten des Privilegs Kleriker zu sehen, mag vor allem daran liegen, dass die Formulierung unscharf war. Der sachliche Zusammenhang ließ die Privilegierung eines christlichen Status, also des ChristSeins im Dienst der Religion, am plausibelsten erscheinen. Der damit gemeinte Personenkreis konnte über die Gruppe der Kleriker hinausgehen, fest umrissen schien er nicht.22 Trotz des Anscheins formaljuristischer Präzision war die Formulierung privilegium christianitatis uneindeutig, auch Juristen müssen sie nicht ohne weiteres verstanden haben. Unklare Aussagen der Kaiser blieben aufgrund ihrer Autorität meist unverändert, sie galten daher auch als oracula. Offenbar benutzte der gerade ins Amt gekommene Soldatenkaiser Valentinian I. (oder sein Mitkaiser) eine Formulierung, die er aus seiner alltäglichen Sprache und seinem Umgang mit Christen im Heer kannte. Insofern lässt sich die Stelle so auslegen, dass sie auf den mündlichen Gebrauch hindeutet, der am kaiserli20 Für die Privilegien siehe CTh 16.2.8 (27. August 343) u. 16.2.9 (11. April 349). Am 14. Februar 361 hatten die Kaiser zugesichert, diejenigen wegen der religiösen Praktiken vor der Übernahme öffentlicher Aufgaben und schweißtreibender Arbeit zu schützen, die ein Gelübde auf das christliche Gesetz (CTh 16.2.16: voto christianae legis) abgelegt hatten. Dies hing wohl mit Diskussionen einer Synode in Rimini von 360 zusammen, als die Privilegien der Kirchen und Kleriker diskutiert worden waren, CTh 16.1.15pr. (30. Juni 360): in Ariminesi synodo super ecclesiarum et clericorum priuilegiis tractatu habito. Die Kehrseite zeigt CTh 12.1.59 (12. September 364). Siehe Gaudemet, L’¦glise, S. 145 f. Der Verzicht der für die Kirche Tätigen auf ihren weltlichen Besitz zugunsten der Kurie ist ein oft wiederholtes Gesetz, so auch CTh 12.1.104 (7. November 382), wobei es wieder rückgängig gemacht wurde, wie man an CTh 12.1.121 (17. Juni 390) erkennen kann. 21 Julian, ep. 54, außerdem CTh 12.1.50: Decuriones qui ut christiani declinant munia, reuocentur. – Aus der zeitlichen Koinzidenz des ersten, datierbaren Gebrauchs der christianitas und der Herrschaft Kaiser Julians ergibt sich kein belastbarer Zusammenhang zwischen dessen Toleranzpolitik gegenüber paganen Kulten sowie konkurrierenden christlichen Bewegungen und Katholiken. Vgl. Decret, Le christianisme, S. 155 – 160. Daran ändern die zeitgleichen Nennungen bei Marius Victorinus ebenso wenig wie die Annahme, dass Ambrosiaster gegen Julians Traktat »Gegen die Galiläer« angeschrieben habe, so auch Fiedrowicz, Apologie, S. 111; Cooper, Victorinus’ Commentary, S. 38; Renucci, id¦es, S. 253, 271 – 277. Julian sprach in seinen Briefen und Schriften nur sehr selten von Christen oder der christlichen Religion, die er durch die Benutzung des christlichen Vokabulars nicht aufwerten wollte. Aus eigener Vertrautheit mit dem Christentum schrieb er gegen die Dogmen und gegen die Verchristlichung des Reichs an. Gerade die Konflikte unter den christlichen Strömungen erschienen ihm sinnlos. 22 Wer alles zur Kirche gehörte und wie die Hierarchie der Kirche von Rom aussah, war Valentinian I. auch 370 noch nicht ganz vertraut oder aber der Kirche selbst nicht. Siehe die Formulierung für die Geistlichen in CTh 16.2.20 weiter unten in Anm. 24.

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chen Hofe nicht gepflegt wurde oder aber nicht in einem solchen Maße, dass die Wortwahl in die zuvor in derselben Sache erlassenen Gesetze Eingang gefunden hätte. Es gab keine weitere Bestimmung, in der vom privilegium christianitatis gesprochen worden wäre, was an mancher Stelle hätte passend sein können.23 Das spricht dafür, dass diese spezielle Formulierung wenig hilfreich war und aus dem Set von funktionierenden Aussagemöglichkeiten herausfiel. Doch die mit dieser Formulierung verbundene Begründungslogik – das Wort stand im erklärenden Genitiv – wiederholte sich immer wieder. Die beiden Ablativadverbialen observatione christianitatis (CTh 12.1.112; 4.23) und obtentu christianitatis (CTh 12.1.123; 4.26) erfüllten ebenso eine begründende Funktion wie die Präpositionalgruppe post christianitatem aus CTh 16.8.9 (4.58), die neben ihrer zeitlichen Funktion einen Grund angab. In CTh 16.8.23 (4.78) wurde christianitas immerhin in einem Kausalsatz verwendet, während in CTh 16.8.26 (4.80) mit sub praetextu venerandae christianitatis die Vokabel abermals Teil einer kausalen Adverbialwortgruppe war. Nur in den Edikten CTh 15.5.5 (1. Februar 425; 4.82) und 16.7.7 (7. April 426; 4.83 – 84) wurde christianitas anders eingesetzt. Die Fortführung der Begründungslogik ist das zweite wesentliche Merkmal des christianitas-Gebrauchs. Die Befolgung der christlichen Religion in CTh 12.1.112 (observatio christianitatis) gab an, warum jemand, der dem christlichen Kult folgte, nicht als Großpriester in Ägypten zum Tempeldienst berufen werden durfte.24 Hier stand christianitas für die christliche Religion und deren kultische Ausübung im Gegensatz zum nichtchristlichen Kultus. In CTh 12.1.123 war der inhaltliche Zusammenhang zu CTh 14.3.11 noch deutlicher, da die Kaiser erneut bekräftigten, dass derjenige, der vor dem Kurialenamt zur Kirche flüchtete, sein gesamtes Vermögen an Dritte oder an die Kurie abzugeben hätte. Modern gesprochen ging es hier um die Schließung eines Steuerschlupfloches. Es schien immer wieder Personen zu geben, die in der Annahme des Christentums einen mehr oder weniger legalen Steuertrick erkannt zu haben meinten. Dass es sich hier nur um einen vorgespiegelten Eintritt in die Ränge der Kirche ging, um eine Annahme des Glaubens zum Schein, wird an der 23 Vgl. auch Schmidt-Hofner, Reagieren, S. 94 f., der an CTh 16.2.21 (17. Mai 371) den Grundsatz belegt, dass vom Kuriendienst befreit ist, wer sich dem beständigen Gehorsam der Kirche verschrieben habe. Hier hätte privilegium christianitatis gepasst, stattdessen heißt es in der Anweisung an den Stadtpräfekten qui ecclesiae iuge obsequium deputarunt. 24 Es sei unehrenhaft, ja unrecht, wenn diejenigen, deren Gewissen die wahre ratio der heiligen Religion bereits erfülle, den Tempelkult zu leisten hätten: In consequenda archierosyne ille sit potior, qui patriae plura praestiterit nec tamen a templorum cultu obseruatione Christianitatis abscesserit. Quippe indecorum est, immo ut verius dicamus, inlicitum ad eorum curam templa et templorum sollemnia pertinere, quorum conscientiam vera ratio diuinae religionis imbuerit et quos ipsos decebat tale munus, etiamsi non prohiberentur, effugere (4.23).

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negativ konnotierten Formulierung mittels obtentu offensichtlich und durch die weitere Verwendung im Codex bestätigt.25 Ähnlich negativ war auch die Verwendung im Zusammenhang mit sub praetextu. Die Augusti Honorius und Theodosius II. untersagten am 9. April 423 allen, unter dem Vorwand des verehrungswürdigen Christentums Juden zu schmähen und zu verfolgen oder deren Synagogen anzugreifen und anzuzünden.26 Solch ein religiöser Fanatismus musste wegen seiner gefährlichen, gesellschaftlich destabilisierenden Wirkung unterbunden werden. Verfestigte sich also ein Wortgebrauch aufgrund seiner Funktion als Begründungslogik? Wohl eher nicht, denn der Codex weist noch weitere Sprachsituationen auf, in denen Begründungen mit obtentu oder sub praetextu angegeben wurden, dann aber andere Vokabeln folgten.27 Da es sich aber immer um ähnliche Sachverhalte handelte, ist es umso bemerkenswerter, dass dieser nicht auf eine Formel gebracht wurde. Inhaltlich kündigt sich mit dem letzten Beispiel ein tiefgreifender Wandel in der Gesetzgebung an. Ging es im 4. Jahrhundert noch um die Existenz des Christentums und seiner Anhänger neben anderen Glaubensgemeinschaften, dienten die Religionsgesetze nach 379 immer mehr der Marginalisierung dieser

25 In CTh 16.5.4 (22. April 376 [378?]) […] Olim pro religione catholicae sanctitatis, ut coetus haeretici usurpatio conquiesceret, iussimus, sive in oppidis sive in agris extra ecclesias, quas nostra pax obtinet, conventus agerentur, publicari loca omnia, in quibus falso religionis obtentu altaria locarentur. Quod sive dissimulatione iudicum seu profanorum improbitate contigerit, eadem erit ex utroque pernicies. […] Sowie CTh 16.5.43 (15. November 408 [407] […] Curtio praefecto praetorio. Omnia, quae in donatistas, qui et montenses vocantur, manichaeos sive priscillianistas vel in gentiles a nobis generalium legum auctoritate decreta sunt, non solum manere decernimus, verum in executionem plenissimam effectumque deduci, ita ut aedificia quoque vel horum vel caelicolarum etiam, qui nescio cuius dogmatis novi conventus habent, ecclesiis vindicentur. Poena vero lege proposita veluti convictos tenere debebit eos, qui donatistas se confessi fuerint vel catholicorum communionem refugerint scaevae (»linkisch«, wohl aber eher im Sinne von »verkehrt«) religionis obtentu, quamvis christianos esse se simulent. […] Zudem CTh 16.8.20.1 (26. Juli 412) u. 16.5.57.2 (31. Oktober 415). 26 CTh 16.08.26 (9. April 423): […] nihil aliud sanximus, quam ut hi, qui pleraque inconsulte sub praetextu uenerandae christianitatis admittunt, ab eorum laesione persecutioneque temperent utque nunc ac deinceps synagogas eorum nullus occupet, nullus incendat. 27 CTh 16.2.20 (30. Juli 370) : Ecclesiastici aut ex ecclesiasticis vel qui continentium se volunt nomine nuncupari, viduarum ac pupillarum domos non adeant, sed publicis exterminentur iudiciis, si posthac eos adfines earum vel propinqui putaverint deferendos. Censemus etiam, ut memorati nihil de eius mulieris, cui se privatim sub praetextu religionis adiunxerint, liberalitate quacumque vel extremo iudicio possint adipisci et omne in tantum inefficax sit, quod alicui horum ab his fuerit derelictum, ut nec per subiectam personam valeant aliquid vel donatione vel testamento percipere. […] CTh 16.2.28 (23. August 390) […] Legem, quae de diaconissis vel viduis nuper est promulgata, ne quis videlicet clericus neve sub ecclesiae nomine mancipia superlectilem praedam velut infirmi sexus dispoliator invaderet et remotis adfinibus ac propinquis ipse sub praetextu catholicae disciplinae se ageret viventis heredem, eatenus animadvertat esse revocatam, ut de omnium chartis, si iam nota est, auferatur neque quisquam aut litigator ea sibi utendum aut iudex noverit exequendum.

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Glaubenskonkurrenten gegenüber den Christen.28 So vertritt Escribano PaÇo die These, dass die Gesetze, die zuvor als Instrumente der Integration in der römischen Welt verstanden worden waren, von Theodosius I. in ein Instrument der Exklusion verkehrt wurden.29 Obwohl die Verfolgung von nichtkatholischen Christen durch die kaiserliche Gesetzgebung seit Theodosius I. deutlich zunahm und sich die Mehrzahl der Religionsgesetze mit dem Thema der Häresie beschäftigt, fällt die verschwindend geringe Verwendung von christianitas in diesem Kontext auf, was das dritte Merkmal der Belegstellen im Codex ist. In die Regierungszeit Theodosius’ I. und dessen Sohn Honorius (also zwischen 379 und 423) fallen etwa zweihundert Häresiegesetze.30 Die Verchristlichung des römischen Staates brachte die Einführung der Idee des Irrglaubens in die römische Gesetzgebung als Strafbestand mit sich. Dies erforderte wiederum, Orthodoxie und Deviation zu definieren, zu kategorisieren und damit erst strafrechtlich fassbar zu machen. Dies geschah fallweise und vor allem häufig auch durch Prüfungen vor Gericht, dessen Urteil in den weitergehenden Definitionsprozess von Häresie einfloss.31 Der Umschwung in der römischen Gesetzgebung wird gemeinhin mit dem Edikt Cunctos populos des Kaisers Theodosius I. vom 27. Februar 380 angegeben.32 Darin forderten die Kaiser alle Völker unter ihrer Herrschaft auf, den christlichen Glauben anzunehmen, so wie er von den Aposteln überliefert und von den Bischöfen Damasus von Rom und Peter von Alexandrien vertreten wurde. Ein Jahr später ergänzte Theodosius die Definition des orthodoxen Glaubens durch Aufnahme des nizäschen Glaubensbekenntnisses.33 In diesen Edikten fanden weder christianitas noch chris28 Vgl. Code Th¦odosien XVI, ed. Delmaire (SC 497), S. 100 – 107; Hunt, Christianising, S. 147 f. 29 Escribano PaÇo, Social Exclusion, S. 40. Sie sagt jedoch selbst, dass der Ausschluss von Häretikern nicht eine Erfindung von Theodosius gewesen ist, ebd., S. 41. 30 Vgl. Pi¦tri, Unterdrückung, S. 468. 31 Vgl. Humfress, Roman Law, S. 147; dies., Orthodoxy, S. 217 – 242. Ein Überblick über die verschiedenen Heterodoxien findet sich im Code Th¦odosien XVI (SC 497), S. 70 f. 32 CTh 16.1.2pr (27. Februar 380): Cunctos populos, quos clementiae nostrae regit temperamentum, in tali volumus religione versari, quam divinum petrum apostolum tradidisse Romanis religio usque ad nunc ab ipso insinuata declarat quamque pontificem Damasum sequi claret et Petrum Alexandriae episcopum virum apostolicae sanctitatis, hoc est, ut secundum apostolicam disciplinam evangelicamque doctrinam patris et filii et spiritus sancti unam deitatem sub parili maiestate et sub pia trinitate credamus. Humfress, Roman Law, S. 144, weist die Autorenschaft Theodosius allein zu. Siehe auch Pi¦tri, Arianismus, S. 449. 33 Das erste Konzil von Konstantinopel fand von Mai bis Juni 381 statt und schloss sich diesem Bekenntnis als verbindlichem Dogma an. Siehe Code Th¦odosien XVI (SC 497), S. 54 f.; Hunt, Christianising, S. 146 f. CTh 16.5.6.1 – 2 (30. Januar 381): Arceantur cunctorum haereticorum ab illicitis congregationibus turbae. Unius et summi dei nomen ubique celebretur ; nicaenae fidei dudum a maioribus traditae et divinae religionis testimonio atque adsertione firmatae observantia semper mansura teneatur ; fotinianae labis contaminatio, arriani sacrilegii venenum, eunomianae perfidiae crimen et nefanda monstruosis nominibus auctorum

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tianismus Verwendung. Selbst die spätere Zusammenführung dieser Edikte im Codex ordnete sie unter dem Sachtitel »De fide catholica« ein. Daran wird zumindest sichtbar, dass zur Definition der christlichen Religion als Glaubens-, Lehr- oder Kultsystem weder die eine noch die andere Vokabel notwendig war, obwohl sie gerade hierfür standen (CTh 12.1.112). Auch in den vielen Gesetzen gegen die Häresien – so der Sachtitel »De haereticis« (CTh 16.5) – findet sich keine Nennung von christianitas; es wurde also nicht Teil der »language of separation and segregation«,34 mit der die Häresien angesprochen wurden. Dennoch ist eine Abgrenzungstendenz zu nichtkatholischen Glaubensgemeinschaften im Wortgebrauch zu erkennen. Allerdings stehen hier wieder die Juden im Vordergrund.35 Obwohl die Juden mit aggressiver Rhetorik überzogen wurden, wurden sie als eigenständige Gruppe akzeptiert, zu deren Gunsten die Kaiser intervenierten, indem sie christliche Übergriffe auf Juden und ihre Synagogen untersagten (CTh 16.8.26).36 Dass beide Gruppen nebeneinander existieren durften – im Gegensatz zu als häretisch eingestuften Gruppen wie den Himmelsanbetern (CTh 16.8.9) – ging aus CTh 16.8.23 hervor. Darin wurde es Juden erlaubt, zur ihrem eigenen Gesetz zurückzukehren, weil dies auch besser für das Christentum gewesen sei.37 In CTh 16.8.19 untersagten die Augusti hingegen, Christen nach ihrer Christwerdung, also der Taufe, zur »jüdischen Perversion« zu zwingen.38 Ob sie damit auf Zwangsbekehrung von christlichen Sklaven anspielten oder jede Form von Rückkehr einmal in Christi Namen getaufter Juden unterbinden wollten, wird nicht deutlich. Sichtbar wird hingegen eine Politik der Eindämmung des Judentums durch soziale, religiöse und politische Isolierung.

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prodigia sectarum ab ipso etiam aboleantur auditu. Is autem nicaenae adsertor fidei, catholicae religionis verus cultor accipiendus est, qui omnipotentem deum et christum filium dei uno nomine confitetur, deum de deo, lumen ex lumine: qui spiritum sanctum, quem ex summo rerum parente speramus et accipimus, negando non violat: apud quem intemeratae fidei sensu viget incorruptae trinitatis indivisa substantia, quae Graeci adsertione verbi ousia recte credentibus dicitur. Haec profecto nobis magis probata, haec veneranda sunt. Qui vero isdem non inserviunt, desinant adfectatis dolis alienum verae religionis nomen adsumere et suis apertis criminibus denotentur. Ab omnium submoti ecclesiarum limine penitus arceantur, cum omnes haereticos illicitas agere intra oppida congregationes vetemus ac, si quid eruptio factiosa temptaverit, ab ipsis etiam urbium moenibus exterminato furore propelli iubeamus, ut cunctis orthodoxis episcopis, qui nicaenam fidem tenent, catholicae ecclesiae toto orbe reddantur. Hunt, Christianising, S. 156. Siehe CTh 16.8.19 (4.58), 16.8.23 (4.78) u. 16.8.26 (4.80). Vgl. Code Th¦odosien XVI (SC 497), S. 95 – 99. CTh 16.8.23 (24. September 416) [4.78]: […] quos neque constantia religiosae confessionis in hoc eodem cultu inhaerere perspexerint neque uenerabilis baptismatis fide et mysteriis inbutos esse, ad legem propriam, quia magis christianitati consulitur, liceat remeare. […] ne mysteriis christianis inbuti peruersitatem iudaicam et alienam Romano imperio post christianitatem cogantur arripere (4.58).

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Auch in CTh 15.5.5 wandten sich die Kaiser erneut an die Juden und diejenigen, die dem »Fehler und der Tollheit des dummdreisten Heidentums« anhingen, um sie zu ermahnen, sich an das Ruhegebot zu christlichen Festen zu halten: Dominico, qui septimanae totius primus est dies, et natali adque epifaniorum Christi, paschae etiam et quinquagesimae diebus, quamdiu caelestis lumen lauacri imitantia nouam sancti baptismatis lucem uestimenta testantur, quo tempore et commemoratio apostolicae passionis totius Christianitatis magistrae a cunctis iure celebratur, omni theatrorum adque circensium uoluptate per uniuersas urbes earundem populis denegata totae Christianorum ac fidelium mentes dei cultibus occupentur. Si qui etiam nunc uel Iudaeae impietatis amentia uel stolidae paganitatis errore adque insania detinentur, aliud esse supplicationum nouerint tempus, aliud uoluptatum (4.82). Am Tag des Herrn, welcher ist der erste Tag der Woche, und zur Geburt und an den Tagen der Epiphanie Christi, zu Ostern auch und an den fünfzig Tagen [der Osterzeit bis Pfingsten], solange wie die Kleider das neue Licht der heiligen Taufe, das Licht der himmlischen Taufe nachahmend, bezeugen, und zu der Zeit, wenn die Erinnerung an die apostolische Passion als Lehrerin der gesamten Christlichkeit (totius christianitatis magistrae) von allen rechtmäßig gefeiert wird, sind Theater- und Zirkusaufführungen zu welchem Vergnügen auch immer in allen Städten und ihren Bewohnern verboten, und alle Christen und Gläubigen sollen den Kulthandlungen für Gott nachkommen. Wenn jedoch welche entweder aus dem Aberwitz jüdischer Unfrömmigkeit oder aus dem Fehler und der Tollheit des dummdreisten Heidentums davon abgehalten werden, sollen sie wissen, dass es eine Zeit fürs Gebet und eine andere für Vergnügungen gibt.

Indem sich das Edikt gegen Unterhaltungsprogramme zu christlichen Gebetszeiten wandte, veranschaulichte es die Verchristlichung des Reiches »von oben«. Hier wurde eine religiöse Norm – ehrerbietende Einhaltung von Ruhe an Festtagen – in eine justiziable Norm überführt, die auch für Nichtchristen galt. Die Wortverbindung totius christianitatis magistrae bereitet einige Schwierigkeiten. Sie ist gewiss nicht als »Lehrerin der ganzen Christenheit« zu verstehen, denn die parallelen Stellen sprechen nicht von anderen Gemeinschaften. Anstelle der Juden, der jüdischen Gemeinschaft oder dem jüdischen Glauben ist die Rede von der Eigenschaft der jüdischen Unfrömmigkeit (impietas iudaea) sowie vom dummdreisten Heidentum (stolida paganitas). Dies ist als Einstellung zu interpretieren, zumal sie mit error für Irrgläubigkeit, religiöse Fehler, und insania für Tollheit als Eigenschaft markiert ist. Der Kontext spricht überdies von religiösen Festen und Kulthandlungen, die von Christen und Gläubigen einzuhalten sind.39 Hier ist es die apostolische Leidensgeschichte, die als Lehrerin präsentiert 39 Die zumindest grammatikalische Trennung in zwei Begriffe kann zwar als Hendiadyoin gedeutet werden. Wesentlich reizvoller ist aber die Interpretation, dass hier zwischen getauften Gläubigen, die schon den Namen Christi angenommen haben, und den Gläubigen, die sich noch nicht haben taufen lassen, getrennt wird. Eine solche Sicht stünde im Einklang

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Kaiserliche Edikte und kanonisches Recht

wird, wobei es sich sicherlich um das Martyrium der Apostelfürsten Petrus und Paulus handelt, deren Festtag am 29. Juni begangen wird. Es heißt eben nicht, dass der sedes apostolica, der Apostolische Stuhl und damit die Päpste, diese Lehrfunktion innehaben. Vielmehr bezieht sich die Lehrfunktion auf die Passion selbst. Die Apostel sollen an diesem Festtag aufgrund ihrer vollendeten christlichen Einstellung verehrt werden, womit totius christianitatis auf das Christsein mit all seinen Konsequenzen verweist. Die Formulierung enthält die Aufforderung zur Einhaltung der christlichen Normen. Gleichzeitig kann diese Formulierung als kaiserliches Bekenntnis zum Katholizismus,40 ja sogar als Anerkennung des apostolischen Stuhls als höchste religiöse Autorität gedeutet werden. Das letzte zu berücksichtigende Edikt CTh 16.7.7 (4.83 – 84) schränkte die Testierfähigkeit von Apostaten ein, indem ihr Vermögen nach den Intestatregeln zugunsten der nächsten christlichen Angehörigen behandelt werden sollte. Abermals steht der christianitas-Gebrauch im Kontext der prokatholischen Gesetzgebung, dient hier aber dazu, Christen zu bezeichnen. Die Formulierung christianitatem sectantibus erinnert an die Predigt des Ambrosiaster (5.9), in der dieser christianitas selbst als secta bezeichnet hat. Hier sind die Anhänger des christlichen Glaubens bzw. des Christentums als Glaubensgemeinschaft gemeint, was einerseits am Verb sectare (folgen), andererseits am Satzzusammenhang ersichtlich wird, da das Erbe den nächsten Angehörigen, die dem christlichen Glauben folgten, zufallen sollte.41 Die zweite Formulierung qui nomen christianitatis induti umschreibt Personen, die sich mit dem christlichen Namen gekleidet haben, womit jene falschen Christen gemeint waren, wie aus dem Satzzusammenhang hervorgeht: Sed ne huius Interpretatio criminis latius incerto uagetur errore, eos praesentibus insectamur oraculis, qui nomen christianitatis induti sacrificia uel fecerint uel facienda mandaverint, quorum etiam post mortem comprobata perfidia hac ratione plectenda est, ut donationibus testamentisque rescissis ii, quibus hoc defert legitima successio, huiusmodi personarum hereditate potiantur (4.84). Aber damit die Auslegung dieses Verbrechens nicht weiter durch einen unsicheren Fehler ausgebreitet wird, verfolgen wir mit den vorliegenden Sentenzen (oraculis) diejenigen, die mit dem christlichen Namen bekleidet Frevel begehen oder zu solchen anstiften. Wird dieser Unglauben auch nach deren Tod bestätigt, ist dieser aus dem Grunde zu bestrafen, sodass diejenigen, denen die legitime Nachfolge zusteht, auf diese Weise sich des Erbes der Personen bemächtigen können. mit der Formulierung aus CTh 16.8.19 und würde darauf hindeuten, dass die Praxis einer späten Taufe Berücksichtigung im Umgang mit Christen fand. 40 Man denke an Theodosius’ I. Befehl an seine Untertanen, den christlichen Glauben anzunehmen, so wie der römische und alexandrinische Bischof ihn vertraten. Siehe Pi¦tri, Unterdrückung, S. 468; dies., Arianismus, S. 449. Humfress, Roman Law, S. 144. 41 […] totumque ab intestato christianitatem sectantibus propinquis potissimum deferatur (4.83).

Fortführung der Begründungslogik: die Collectio Dionysiana

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Von christiani ist also nicht die Rede. Denn es geht um jene, die nur dem Namen nach Christen sind, die gegen ihren Glauben handeln und deren letzter Wille von Staats wegen aufgehoben wird. Die Verwendung von christianitas in einem negativen Kontext entspricht der negativen Begründungslogik, während an der Wortfügung mit nomen die Verfestigung des Aspektes wahre/falsche Christlichkeit zu erkennen ist.42 Der Wortgebrauch im Codex Theodosianus bewegte sich also im Rahmen der gepflegten Semantik zu christianitas. Der juristische Gebrauch ging auf die alltägliche Verwendung des Begriffs zurück und deckte sich mit der Pastoraltheologie. Auch im Codex stand das Wort im Zusammenhang mit der Denomination des Christlichen und der Delimitation zwischen guten und schlechten Christen (sowie zwischen Christen und Juden). Dennoch war eine enge logische Verbindung zwischen Wortgebrauch und Häretikerverfolgung nicht auszumachen. Ohnehin wurde das Wort angesichts der Vielzahl von Edikten zu Orthodoxie und Häresie zu selten und inkonsequent genutzt. Eine Überführung in ein spezifisches Rechtsvokabular, gar als Teil eines Rechtsspruchs (wie etwa sine lege nulla poena) blieb daher auch aus. Hingegen zeigten die Edikte, dass christianitas dann eingesetzt werden konnte (aber nicht zwangsläufig musste), wenn ein besonderer Grund für eine bestimmte Verfügung angegeben werden musste. Aufgrund der ausgebliebenen Juridifizierung der Vokabel kann also davon ausgegangen werden, dass der Begründungsmodus nur eine weitere Facette des mit christianitas Ausdrückbaren darstellte.

2.

Fortführung der Begründungslogik: die Collectio Dionysiana

Wendet man nun den Blick auf das Kirchenrecht, ist als Erstes festzustellen, dass der Mönch, der sich selbst Dionysius der Geringe (»Exiguus«) nannte,43 die Vokabel in das Kirchenrecht eingeführt hat. Kurz nach dem Tod des Papstes Gelasius I. (496) kam der zweisprachige Gelehrte aus dem Donaudelta nach Rom und tat sich besonders als Kanonist und Übersetzer hervor. Er hatte erkannt, dass Ost- und Westkirche nicht harmonierten,44 weil ihnen unter anderem ge42 Siehe Kapitel II.4. 43 Vgl. Firey, Collectio Dionysiana, mit neuerer Literatur zu Dionysius’ Leben und Werk und Hinweis auf Cassiodors anerkennendes Urteil über dessen römische Gesinnung und Benehmen. Siehe auch Kapitel V. 44 Die griechischen Konzilstexte wurden im Westen kaum gelesen. Vgl. Sieben, Konzilsidee, S. 78 ff. Zur Frage nach den verschiedenen Redaktionen und Übersetzungen wohl am besten Hefele, Histoire de conciles, Bd. I,2, S. 1139 – 1176. Wohlmuth, Dekrete, Bd. 1, S. 3, nutzt für Nizäa 325 die lateinische Fassung von Dionysius. Die lateinischen Fassungen der ökumenischen Konzilien enthalten keine Nennung der christianitas, also die Konzilien von Kon-

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Kaiserliche Edikte und kanonisches Recht

meinsame kirchenrechtliche Regeln fehlten.45 Er erstellte um das Jahr 500 die erste, leicht handhabbare sowie sprachlich verlässliche Kirchenrechtssammlung, indem er die Beschlüsse der griechischen Konzilien bis 381, kirchliche Vorschriften und päpstliche Verlautbarungen in chronologischer Reihenfolge zusammenführte, mit einer durchgehenden Nummerierung anordnete und zusammenfassende Titel und regestartige Rubriken einführte.46 Teilweise konnte er auf frühere Konzilsübersetzungen zurückgreifen, teilweise übersetzte er selbst mit großer Sorgfalt.47 Der auf diese Weise entstandene Text enthielt in der ersten Redaktion fünfmal die Vokabel christianitas:48 Einmal kam sie in dem erst wenige Jahre zuvor verfassten Brief des Papstes Gelasius an die Bischöfe von Lukanien vor (51.98; 52.103), die anderen vier Stellen befanden sich im Zusammenhang mit den Konzilsbeschlüssen aus Gangra (340 oder 341, heute C ¸ ankırı, Türkei).49

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stantinopel 381, Ephesos 431, Chalkedon 451, Konstantinopel II 533, Konstantinopel III 680, Nizäa 787; Konstantinopel IV 869/70. Louth, Conciliar Records. Die Sammlung des Dionysius ist als Privatarbeit zu verstehen, da kein Auftrag hierzu vorlag. Vgl. Pennington, Growth, S. 396. Hess, Early Development, S. 82, zufolge haben die Dionysiana ebenso wie die Antiochener Sammlung durch ihre Existenz und Verbreitung die allgemeine Anerkennung des Konzepts eines Kirchenrechts vorangebracht, ohne wirklich eine Antwort auf ein bewusst wahrgenommenes Problem gewesen zu sein. Firey, Collectio Dionysiana, schließt sich Wurm, Studien, S. 20, 92 an, dass Dionysius keine Stellung zum sich ankündigenden Acacianischen Schisma beziehen wollte. Strewe, Die Canonessammlung, enthält die apokryphen Canones apostolorum, die Konzilsbeschlüsse von Ankara (314), Nizäa (325), Neocaesarea (314 – 319), Antiochien (330/41), Gangra (343), Sardika (343 – 344), Laodicaea (343 – 380), Konstantinopel (381) und Chalkedon (451) sowie Kanones verschiedener afrikanischer Konzilien. Einige Jahre nach der ersten Redaktion publizierte Dionysius eine zweite, mit neu angeordnetem Inhalt, überarbeiteten Übersetzungen und neuem Nummerierungssystem, inklusive der afrikanischen Kanones (53.104 – 105). Eine dritte, zweisprachige Fassung ist bis auf das Vorwort nicht erhalten geblieben. Vgl. Dionysii Exigui Praefationes (CCSL 85), S. 35 – 42. Firey, Collectio Dionysiana. Auf der zweiten Fassung beruht PL 67 135A – 230B. Zur Chronologie siehe Peitz/ Förster, Dionysius Exiguus-Studien, S. 231 – 350 u. S. 529; Maassen, Geschichte der Quellen, S. 425 – 431; Gaudemet, Les sources, S. 134 – 137; Sotinel, Rom, S. 327; Pennington, Growth, S. 396; Richter, (Art.) Dionysius Exiguus, S. 1 – 4. Dionysius benutzte für seine Sammlung in erster Linie die Collectio canonum Antiochena, die sich allerdings nicht erhalten hat. Vgl. Pennington, Growth, S. 396; Hess, Early Development, S. 82. Als Dionysius seine Zusammenstellung anfertigte, waren bereits erste Dekretalensammlungen und Sammlungen von Konzilsbeschlüssen vorhanden. Die Collectio Romana (Vetus Romana) wurde bereits um 352 mit den Beschlüssen von Nizäa (325) und Sardika (343) auf Latein verfasst. Um 451 gab es bereits die Versio Isidoriana und die Versio Hispana, eine Sammlung allgemeiner und ortskirchlicher Konzilsbestimmungen. Weitere partikulare konziliare Sammlungen, die Prisca und Itala sind auch in diese Zeit zu datieren. In der zweiten Redaktion nahm Dionysius auch die Kanones der karthagischen Konzilien mit auf, womit sich die in Kapitel III.4 erwähnten Stellen wiederholten (26.61 – 62; 53.104 – 105). Vgl. Concilia Africae (CCSL 149), S. 173. Der Kanon 63 des Konzils von Karthago 419 ist in einer zweiten Redaktion der Collectio Dionysiana erhalten, wurde aber von weiteren Sammlungen offenbar nicht rezipiert. Das Konzil war zusammengetreten, um einige kirchliche Angelegenheiten zu klären und den

Fortführung der Begründungslogik: die Collectio Dionysiana

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Diese vier Stellen lassen sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf Dionysius selbst zurückführen, da christianitas in den Rubriken zu den eigentlichen Kanones-Übersetzungen vorkam. In Syntax und Semantik glichen die Verwendungen denjenigen im Codex Theodosianus. Hier wurde zweimal christianitatis obtentu verwendet sowie je einmal christiantiatis occasione und praetextu christianitatis (52.99 – 103). Diese Ausdrücke wurden eingesetzt, um in Kurzform Verstöße gegen christliche Sozialnormen zu benennen und die dafür vorgesehene Bestrafung zu begründen. Im ersten Fall (c. 3) ging es um die Bestrafung der Diener, die unter dem Vorwand des Christentums das Joch der Knechtschaft abschüttelten, in c. 15 um diejenigen, die unter dem Vorwand des Christentums ihre Söhne verachteten, und in c. 16 vice versa. Der c. 17 behandelte Frauen, die sich unter Vorgabe des Christentums eine Tonsur schneiden ließen.50 Inhaltlich erklärte sich die Verwendung von christianitas aus der Normierung der christlichen Gemeinschaft und aus dem Kampf gegen ein nur scheinbares Christentum, was sich an denselben Formulierungen wie im Codex ablesen lässt. Wohl eher zufällig rückte christianitas in die Nähe der Exkommunikation, die in allen Fällen als Strafe vorgesehen war (jeweils anathema sit). Dies ergibt sich aus Exkommunikationsformeln, wie sie z. B. in Marseille, einem anderen kirchlichen Zentrum der Zeit, in die Statuta ecclesia antiqua aufgenommen wurden.51 Wohl nicht mehr endgültig zu klären ist,52 ob Dionysius bei den zusamKasus »Eustathios« zu untersuchen, wobei es um Verfehlungen im Verhalten der Anhänger des Eustathios von Sebaste ging, die als Häretiker aus der Kirche ausgeschlossen worden waren. Vgl. Hefele, Histoire de conciles, Bd. 1,2, S. 1031. 50 Siehe c. 3: De servis qui jugum famulatus excutiunt Christianitatis obtentu; c. 15 De his qui filios suos Christianitatis obtentu despiciunt; c. 16 De his qui parentes, Christianitatis occasione, contemnunt; c. 17 De mulieribus quae se praetextu Christianitatis se attondunt (52.99 – 102). 51 Les statuta ecclesiae antiqua, ed. Munier, S. 238 – 242. Gennadius stellte die Sammlung zwischen 476 und 485 im Kloster Saint-Victor in Marseille zusammen. Sie diente als Reformregel für den provenzalischen Episkopat, der sich aus den mittelmeerischen Klöstern rekrutierte, ebd. S. 238. Die Sammlung enthielt Beschlüsse gallischer und spanischer Konzilien, Brundage, Law, S. 10. Die Exkommunikationen sind wie alle anderen Kanones sehr knapp: c. 17: Ut episcopus accusatores fratrum excommunicet. Et sie emendaverint vitium, recipiat eos ad communionem, non ad clerum. [S. 82] ; c. 30. Catholicus qui causam suam sive iustam sive iniustam ad iudicium alterius fidei iudicis provocat excommunicetur. [S. 85]; c. 33. Qui die solemni, praetermisso ecclesiae conventu, ad spectacula vadit, excommunicetur. [S. 85]; c. 40. Qui communicaverit vel oraverit cum excommunicato, excommunicetur, sive clericus sive laicus. [S. 86] ebenso kurz c. 74 [S. 92]; c. 86 [S. 94]. Die einzige Nennung von christianus in c. 70: Christianum catholicum, qui pro catholica fide tribuationes patitur, omni honore a sacerdotibus honorandum, etiam in quotidiani victus ministerio [S. 91]. 52 Dafür seien Überlieferungs- und Evolutionssituation der Dionysiana noch nicht geklärt, so Zechiel-Eckies, Collectio canonum, S. 11, Anm. 18. Möglicherweise hat Dionysius gerade für die Beschlüsse von Gangra eine frühere Übersetzung genutzt, die Titel mit christianitas enthielt. Dann bliebe Dionysius immer noch das Verdienst, für die Aufnahme dieses Wortes im Kirchenrecht gesorgt zu haben. Vgl. Frank, Lehrbuch, S. 330.

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Kaiserliche Edikte und kanonisches Recht

menfassenden Titeln eine Praxis aus den griechischen Originalkonzilstexten übernommen hatte und dort ergänzte, wo diese Überschriften fehlten, oder ob er sich bei der Erstellung solcher Überschriften und deren Nummerierung am CTh orientierte. Hierfür spräche, dass ein solcher Wortgebrauch nicht im Zusammenhang mit den Konzilsakten überliefert ist, obwohl bekannt ist, mit welcher Obsession bei der Abfassung von Konzilsakten auf Textualität und damit Authentizität von Texten als Grundlage für legitime Autorität geachtet wurde.53 Zweitens wird Dionysius in Rom Zugang zum Codex gehabt haben.54 Schließlich operierten die Bischöfe seit Langem in ihrer eigenen Gerichtsbarkeit nach dem Vorbild des römischen Zivilrechts und hatten z. B. Anleihen bei der Terminologie gemacht und diese sogar in ihre Theologie übertragen.55 Zudem hat Franca de Marini Avonzo nachgewiesen, dass Dionysius’ Erklärungen zu seiner Methode den Anweisungen für den Codex Theodosianus entsprachen.56 Obwohl es heißt, dass Dionysius unter dem Eindruck großer Rechtssammlungen wie dem Codex Theodosianus und der geistlichen Collectio »Quesnelliana« (um 495 in Rom verfasst) gestanden habe, sind sprachliche Abhängigkeiten zwischen seiner Collectio canonum und dem Codex Theodosianus noch nicht untersucht worden. Hier hat also noch Vorsicht zu walten.57 Es wäre wohl auch zu weit hergeholt, den Wortgebrauch bei Dionysius auf den Codex zurückzuführen – dazu waren die Stellen dort zu disparat verteilt. Dennoch bleibt der Befund, dass Dionysius in gleicher Weise mit christianitas sprach, wie es die Kaiser taten. Daher lässt sich zumindest annehmen, dass Dionysius eine allgemein bekannte Form der Begründungslogik mittels christianitas aufgegriffen hatte und sicher sein konnte, dass sie verstanden wurde. Schließlich verfasste er die Sammlung 53 Gaddis, Church, S. 520 – 522 und ders./Price, Council of Chalcedon, Bd. 1, S. 75 – 78. Gaddis sagt aber auch, dass es noch keine Antwort darauf gibt, wie leicht und wie akkurat östliche Texte Rom oder den lateinischen Westen erreichten. 54 Der Codex war in Rom zu Beginn des 6. Jahrhunderts bekannt, es wurden in Ravennater Rechtsquellen der Zeit Referenzen zum Codex nachgewiesen. Auf die entsprechende Studie von Paolo Frezza, L’influsso, S. 10 f. machten noch einmal aufmerksam Radding/Ciaralli, Corpus, S. 45 f. Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Collectio und dem Codex fehlen bei Maassen, Geschichte der Quellen, S. 422 – 440; Wurm, Studien; Strewe, Canonessammlung. Hess, Early Development, hat diesen Zusammenhang sehr stark gemacht. 55 Vgl. Gaudemet, Êglise et cit¦, S. 49; ders., Les sources, S. 67 – 70. Brundage, Law, S. 12. Pennington, Growth, S. 386: Ohnehin bewegten sich die Christen innerhalb des römischen Rechtssystems. 56 Vgl. di Marini Avonzo, Secular and Clerical Culture, S. 89 – 91 mit Hinweis auf CTh 1.1.5 – 6 und das Vorwort zur ersten Sammlung in der zweiten Redaktion. Zitate auch in: Firey, Collectio Dionysiana. 57 Vgl. Gaudemet, Les sources, S. 133. Hess, Early Development, S. 58; Maassen, Geschichte der Quellen, S. 422 – 440 zu Dionysius’ Kirchenrechtssammlung, des Weiteren S. 308 – 360 zu kaiserlichen Edikten in den Kirchenrechtssammlungen allgemein. Maassen gibt keinen Beleg dafür an, dass Dionysius den Codex Theodosianus ebenfalls zur textlichen Gestaltung herangezogen hätte.

Fortführung der Begründungslogik: die Collectio Dionysiana

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für den alltäglichen Gebrauch in der kirchlichen Gerichtsbarkeit. Das heißt aber auch, dass christianitas auch im Kirchenrecht nur eine sehr eingeschränkte und untergeordnete Rolle spielte. Obwohl die Konzilsbeschlüsse dazu dienten, das christliche Dogma, die orthodoxe Lebensweise und die Grenze zu definieren, die zwischen wahren Christen und den anderen verlief,58 wurde christianitas, das mit allen Punkten in Beziehung stand, nicht hierfür verwendet und wurde daher in kirchenrechtlicher Hinsicht nicht definiert. Diese Feststellung wird sowohl durch die zeitgenössische Dekretalentätigkeit des Papstes Gelasius I. als auch durch die weitere Verwendung von christianitas in den Kirchenrechtsquellen der Spätantike gestützt.59 Gelasius hatte den Bischöfen im süditalischen Lukanien geschrieben, dass keine Kirche und kein Oratorium ohne päpstlichen Befehl geweiht werden dürfe. Wenn dies sogar in Regionen geschähe, in denen das christliche Empfinden wahrhaftig sicher und fest sei, dann müssten diese Fälle umso strenger untersucht werden.60 Mit christianitas wurde abermals nicht der Beschlussgegenstand – hier die Kirchenweihe – bezeichnet, sondern vielmehr ein Umstand, eine Zustandsbeschreibung. Trotz der aufschimmernden spatialen Konnotation ist christianitas grammatikalisch an affectus gebunden. Dieser Emotionalität beschreibende Ausdruck demonstriert, dass es wieder um die Denkfigur des wahren Christentums als verinnerlichter Einstellung ging und keine räumliche Ausdehnung der Christenheit gemeint sein konnte. Auch die weiteren Papstbriefe aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts weisen ein ähnliches Verständnis auf.61 Allerdings geht der Gebrauch in eine andere Richtung, auf die in Kapitel VI noch einzugehen sein wird. Hier ist vorerst wichtig, dass diese Briefe in die Collectio Avellana aufgenommen wurden – einer weiteren Kirchenrechtssammlung, die sowohl Papstbriefe als auch kaiserliche Akten aus der Zeit von 368 bis 553 umfasste.62 Diese Sammlung belegt also, wie Kirchenrecht vom römischen Recht beeinflusst worden ist, was bei Dionysius nur indirekt erschlossen werden kann. Diese Kompilation hat jedoch 58 Vgl. Brundage, Law, S. 11. 59 Aus dem Selbstverständnis der Päpste erwuchs auch ein neuer Briefstil, die päpstliche Dekretale, wozu der folgende Brief zu zählen ist. Vgl. Frank, Lehrbuch, S. 322. 60 Quae quoniam tam acerba tam dura sunt, si revera Christianitatis affectus in illis regionibus certus et fixus est, et districtius ista quaerantur, et a quibus fuerint gesta, prodantur. (51.98; 52.103) 61 Es wiederholt sich sogar die Wendung christianitatis affectu (63.117). 62 Benannt nach dem Kloster »Fonte Avellana«, kurz nach 553 zusammengestellt, bestehend aus 244 Stücken: Papstbriefe und Kaiserliche Akten, vgl. Gaudemet, Les sources, S. 140. Über die Collectio Avellana gibt es nur wenige Informationen, die von Maassen, Geschichte der Quellen, S. 787 – 792 und anderen zusammengetragen wurden. Hierauf weist Dalmon, L’Avellana, S. 115 hin und charakterisiert die Sammlung selbst als heterogen: Sie folge keiner Ordnung und keiner ihr zugrundeliegenden Idee, sie beinhalte Quellen unterschiedlichster Herkunft. Die christianitas enthaltenden Briefe sind 59.112, 60.113, 62.115 und 63.116 – 119.

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Kaiserliche Edikte und kanonisches Recht

wenig Verbreitung gefunden und hätte christianitas keine weitere Funktion im sich gerade erst entwickelnden Kirchenrecht geben können.63 Dies hat auch angesichts der sehr viel späteren Verwendung durch Papst Bonifatius IV. auf dem Konzil von Rom 610 Bestand. Dieser verbot es Mönchen, priesterliche Aufgaben auszuführen, die er im Folgenden einzeln benannte. Die Erteilung des Taufsakraments wurde dabei mit christianitatem largiri umschrieben (101.208). Da aber kein weiteres Textzeugnis auszumachen ist, in denen diese Formulierung erneut auftritt, scheint christianitas auch nicht über taufrelevante Bestimmungen Eingang in das Kirchenrecht gefunden zu haben.64 Die Dionysiana hingegen wurde sehr bald in Rom benutzt, ergänzt und exportiert; die in Italien verfasste Concordia canonum des Cresconius aus dem 6. Jahrhundert, die Vetus Gallica und die Hispana bauten auf ihr auf.65 Doch nur in der Concordia canonum finden sich sämtliche Passagen aus der ersten Redaktion der Collectio unverändert wieder (74.168 – 172). Damit gewann christianitas zwar weiter an Verbreitung, blieb aber eben wegen der ausgebliebenen eigenständigen Verwendung durch Cresconius auf die Konzilsbeschlüsse von Gangra beschränkt. Auch die späteren Konzilien im Frankenreich wiesen keinen eigenen Gebrauch auf.66 In der Zusammenschau von römischem und kanonischem Recht ist zu konstatieren, dass christianitas in beiden Bereichen auf dieselbe Weise, aber nur sehr begrenzt verwendet wurde. Wie schon festgestellt, wird es sich bei dieser Ausdrucksweise um einen gängigen Modus des Gebrauchs gehandelt haben. Dass es keine darüber hinausgehende Verrechtlichung des Wortes gegeben hat, obwohl der mit ihm bezeichnete Gegenstand – Christlichkeit/christliche Le63 Vgl. Dalmon, L’Avellana, S. 116. 64 Einzig das Privileg Papst Martins I. (649 – 653) enthält eine Verwendung, in der christianitas für den Gottesdienst stehen kann: Sanctum vero chrisma et oleum caeteraque sanctae christianitatis necessaria a quo voluerint accipiant (114.222). Ähnlich wie beim Privileg Papst Gregors I. für das Kloster M¦dard (84.187) wird es eine Fälschung aus dem 9. Jahrhundert sein (siehe hierzu Kapitel VI.2). Nicht nur die Datierung und der Wortgebrauch machen Martins Privileg verdächtig. Das Kloster Rebais wurde 635 vom späteren Bischof Audoin von Rouen gegründet. Nach Fouracre/Gerberding, Late Merovingian France, S. 141 – 143, ist ungeklärt, ob es sich um ein Eigenkloster oder ein königliches Kloster handelte – 660 wird es als solches in einem bischöflichen Privileg erwähnt. Da Papst Martin mit dem monotheletischen Streit beschäftigt war, ist es unwahrscheinlich, dass wenige Jahre nach der Klostergründung ein päpstliches Privileg ausgestellt worden sein soll. 65 Vgl. Gaudemet, Les sources, S. 136 f. Cresconius nutzt einige Zeit später aber eine weiterentwickelte Fassung der ersten Dionysiana, vgl. Zechiel-Eckies, Concordia canonum, S. 10 f. Für die Vetus Gallica ist bekannt, dass sie sich aus den Statuta ecclesia antiqua speiste. Sie enthält keine Nennung der christianitas. Vgl. Mordek, Kirchenrecht, S. 388. 66 Die Suche in: 1. Ecclesiae occidentalis monumenta, ed. Turner, 2. Gesta concilii Aquileiensis (CSEL 82,3), S. 315 – 368. 3. Concilia Africae a. 345–a. 525 (CCSL 149); 4. Concilia Galliae a. 314–a. 506 (CCSL 148); 5. Concilia Galliae a. 511–a. 695 (CCSL 148a) verlief bis auf eine Ausnahme – das Konzil von M–con von 585 (79.178 – 179) – ergebnislos.

Fortführung der Begründungslogik: die Collectio Dionysiana

153

benspraxis – sehr wohl eine normative Komponente aufweist, mag verschiedene Gründe gehabt haben. Einer ist wohl, dass für diesen Gegenstand in erster Linie die Evangelien die Normen vorgaben und nur dann gegen Nichteinhaltung oder vorgebliche Einhaltung strafrechtlich vorgegangen werden konnte, wenn den Beschuldigten damit gleichzeitig eine Verletzung des Dogmas oder Häresie vorgeworfen werden konnte. Diese beiden Aspekte fielen aber nicht in eins, wie die Verwendung von christianitas nunmehr zeigt. Diese Rekonstruktion des christianitas-Gebrauchs in schriftlichen Rechtsquellen steht im Übrigen nur scheinbar in einem seltsamen Kontrast zu den verschiedenen Wendungen, in denen christianitas im Satzzusammenhang mit juristischem Vokabular vorkam, das bereits im zweiten Kapitel aufgefallen war. Jedoch bezog sich die lex christianitatis (39.76; 46.88; 49.96) eben auf das Neue Testament und stellte wie sacramentum (im Zivilprozess das Haftgeld, 7.16; 48.94), iura christianitatis (16.34) eine Übernahme von Rechtsvokabeln in die christliche Fachsprache dar. Andere Sachverhalte wie Straftatbestände – Mord (caedes/occidere; 22.55, 25.60), Verleumdung (contumelia, 48.95) – wurden in anderen Schriften verwendet, nicht aber im kodifizierten oder zumindest verschriftlichten Recht. Insofern ist das Rechtsvokabular im Zusammenhang mit christianitas in erster Linie auf eine Verchristlichung eines vorhandenen Wortschatzes zurückzuführen und nicht auf eine Verrechtlichung des christlichen Diskurses.

V.

Die Kreativität des Übersetzens

Im Brief an einen Pammachius bekannte es der Kirchenvater und Übersetzer Hieronymus (348 – 420) frei heraus: Bei der Übersetzung griechischer Texte ginge er nicht Wort für Wort vor, sondern dem Sinn nach, so wie es sein Vorbild, Marcus Tullius Cicero, vertreten habe.1 Nur bei der Übersetzung der heiligen Schriften hielt er sich eng an den Wortlaut, um keine zur Häresie einladenden Missverständnisse zu erzeugen. Die Sprach-, Standes- und Herkunftsgrenzen überschreitende Ausbreitung des Christentums bewirkte einen enormen Aufschwung in der Übersetzungstätigkeit und der Reflexion über das Übersetzen, weil die Kommunikation in der Oikumene, mehr aber noch die Auslegung der heiligen Schriften an die bereits bekannten Übersetzungstechniken hohe Herausforderungen stellte.2 In den vorangegangenen Kapiteln wurde immer wieder deutlich, welchen Einfluss der griechisch-lateinische Austausch auf den Wortgebrauch hatte, wenn z. B. im Falle des Martyriums des Ignatios christianitas als Lehnwort zu christianismos verwendet wurde. Im Folgenden rückt die Übersetzungstätigkeit als solche in den Mittelpunkt, wenn der Wortgebrauch in der Historia ecclesiastica tripartita (hist. eccl. tripartita) untersucht wird, einer lateinischen Übersetzung und Kompilation dreier griechischer Kirchengeschichten aus dem 5. Jahrhundert. Mit der von Cassiodor (485 – um 580) in Auftrag gegebenen, von Epiphanius verfassten hist. eccl. tripartita ist nun endgültig das 6. Jahrhundert erreicht, das bereits durch die Dionysiana im vorigen Kapitel eingeläutet wurde. Die hist. eccl. tripartita ist im selben räumlichen und intellektuellen Milieu wie die Kirchenrechtssammlung zu verorten. Geographisch liegt der Schwerpunkt auf Italien in ostrogotischer Zeit bis zur Ankunft der Langobarden (ab 568). Hier entfaltete sich unter der Herrschaft Theoderichs des Großen (493 – 526) ein reges intel1 Hieronymus, ep. 57 (CSEL 54), S. 508: ego enim non solum fateor, sed libera uoce profiteor me in interpretatione graecorum absque scripturis sanctis, ubi et uerborum ordo mysterium est, non uerbum e uerbo, sed sensum exprimere de sensu. habeo que huius rei magistrum tullium […]. Siehe Binder, (Art.) Übersetzung, Sp. 1188 – 1191; Stolze, Übersetzungstheorien, S. 18. 2 Vgl. Binder, (Art.) Übersetzung, Sp. 1188 – 1191.

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Die Kreativität des Übersetzens

lektuelles Leben, an dem Dionysius teilhatte und für das Latein die zentrale Sprache blieb.3 Ein nicht unwesentlicher Faktor war auch das traditionelle römische Selbstverständnis der Beteiligten unter ostrogotischer Herrschaft. Cassiodor hatte als hoher Politiker, Gelehrter und Zivilverwalter dem ostrogotischen König gedient, doch sagt es viel über seine eigene kulturelle Verortung aus, dass er an seinem Kollegen Dionysius insbesondere dessen Römertum hervorhob.4 Außerdem gerät die Kirchengeschichte als neues Genre in den Fokus, in dessen Umfeld christianitas bis dahin fast gar nicht verwendet wurde. Wenn man die Hagiographien erst einmal außen vor lässt, fällt auf, dass nur die hist. eccl. tripartita eine christianitas-Verwendung aufweist. Daher soll nun den Fragen nachgegangen werden: Wie wurde christianitas in die Sprache des Erzählens überführt? Welche Auswirkungen konnte dies für den Wortgebrauch allgemein und für das Erzählen vom Christlichen in späteren Kirchengeschichten haben?

1.

Kaiserliche Christlichkeit

Außerhalb der hist. eccl. tripartita lässt sich christianitas nur einmal im Buch über die Päpste, dem sogenannten Liber Pontificalis, und in der römischen Geschichte des Jordanes ausmachen. Die Vokabel fehlt hingegen in den großen kirchengeschichtlichen Darstellungen der patristischen Zeit: in der Historia ecclesiastica des Eusebius von Caesarea (in der Übersetzung und Fortführung durch Rufinus von Aquileja), mit der ersterer das Genre der Kirchengeschichte erst begründet hatte, sodann in der Chronik desselben Eusebius (in der Übersetzung und Fortführung durch den eingangs zitierten Hieronymus5), in der 3 Zu den äußerst unruhigen Zeiten in Italien im 6. Jahrhundert siehe Moorhead, Empire, S. 43 – 49, bes. S. 44 f. für die kultuerelle Überlegenheit der Römer und des Lateinischen. Ein sehr lebendiges Bild der justinianischen Ära bietet Leppin, Justinian, S. 161 – 166, S. 215 – 223 u. S. 264 – 275. 4 Vgl. Cassiodorus, Institutiones I,23,2 (FC 39,1), S. 238. Ebenda würdigte er ausdrücklich die Dionysiana, von der die Kirche viel Gebrauch mache, sowie die perfekte Bilingualität und schriftstellerische Kompetenz des Dionysius. Andere Exponenten dieses Milieus waren unter anderem der Abt Eugippius, der sich um die Verbreitung der Werke des Augustinus bemühte (54.106 – 107), oder der exilierte nordafrikanische Bischof Fulgentius von Ruspe (56.109; 57.110), die miteinander korrespondierten. Möglicherweise war Eugippius auch im Kloster L¦rin, womit der personale und textuelle Austausch mit Südfrankreich einbezogen werden kann. Mastrangelo, Roman Self, S. 81, zufolge hat die Poesie des Prudentius (siehe Kapitel I.2) das ›Römisch-Sein‹ durch das ›Christ-Sein‹ ergänzt und sowohl für das Individuum als auch die römische Gesamtgesellschaft als »poetic argument« neu formuliert. Eine ähnliche Form der Symbiose der Eigenschaften christianitas und romanitas als Motiv der Selbstbeschreibung hat Daly bei Sidonius ausgemacht: Daly, »Christianitas« eclipses »Romanitas«, S. 7 – 26. 5 Hieronymus, Chronique, ed. Jeanjean, S. 25. Beno„t Jeanjean und Bertand Lancon diskutieren

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augustinischen De civitate Dei und den Historiarum libri VII adversus paganos des Augustinus-Schülers Orosius. Gerade in dessen Auseinandersetzung mit den Paganen hätte christianitas hineingepasst, doch mag auch hier Augustinus’ Einfluss gewirkt haben.6 Das Fehlen der Vokabel ist schon deswegen bemerkenswert, weil christianitas zwischen 360 und 450 die Verchristlichung des Alltags sprachlich zu fassen half und selbst durch diesen Prozess Bedeutung erhielt. Außerdem wurde sie in kleineren Lehrgeschichten und frühhagiographischen Werken als ein sinntragendes Element für die jeweilige Erzählung eingesetzt.7 Insofern hätte die Vokabel für die kirchliche Historiographie als Medium der Identitätsstiftung und Selbstvergewisserung nach innen und außen brauchbar sein können. Schließlich oblag es dieser Geschichtsschreibung, den Erfolg des Christentums und den Wechsel von der Märtyrerkirche der ersten Jahrhunderte zur staatlich anerkannten und geförderten Religion zu erklären.8 Zudem sollte die Geschichtsschreibung die Kirche als transzendente Gemeinschaft nicht allein vor dem Spiegel der Vergangenheit, sondern auch in Bezug auf die profane Geschichte9 und vor allem in Hinblick auf das zu erwartende Weltende verorten.10 Wenn christianitas in diesen Zusammenhängen keine Rolle spielte, wofür wurde die Vokabel dann gebraucht? Auskunft gibt der Liber Pontificalis. Mit diesem neuzeitlichen Titel werden Papstbiographien bezeichnet, die vom 4. bis ins 9. Jahrhundert etappenweise die Pontifikate der Bischöfe von Rom nach einem einheitlichen Schema und in einem nicht mehr klassischen Latein erfassten, ohne aber die Rolle der Kirche in der Geschichte zu reflektieren.11 Zu Beginn der wohl nach 540 verfassten Vita für Papst Johannes I. (523 – 526) heißt es: Hic vocitus est a rege Theodorico Ravenna, quem ipse rex rogans misit in legationem Constantinopolim ad Iustinum imperatorem orthodoxum, quia eodem tempore Iustinus imperator vir religiosus summo ardoris amore religionis Christianae voluit hereticos extricare. Nam summo fervore Christianitatis hoc consilio usus est, ut ecclesias Arri-

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die Entstehungszeit der Chronik von Hieronymus, die nach ihrer Ansicht zwischen Frühjahr 379 und November 380 verfasst worden ist. Vgl. Orosius, hist. VII (CSEL 5). Dies ist bei Pseudo-Ambrosius über die heiligen Jungfrauen (18.36) der Fall, aber auch in den Acta S. Sebastiani (bes. 46.90) oder der Passio Acaunesium (47.91). Siehe auch Kapitel I.3. Vgl. Markus, End, S. 85; ders., Social and Historical Setting, S. 402 f. Vgl. Zimmermann, Ecclesia, S. 21. Und dies, obwohl Augustinus mahnte, nicht in apokalyptisches Denken zu verfallen, siehe Markus, End, S. 88 f. Einen Überblick zur christlichen Weltdeutung im Genre der kirchlichen Universalgeschichte bietet Allen, Universal History, S. 29 – 32 für Augustinus. Vgl. Liber Pontificalis, Ancient Biographies, ed. Davis, S. XI – XVI. Eusebius hatte zwar auch die Ereignisse der verschiedenen Einzelkirchen zusammengetragen, ihn interessierte aber auch die Geschichte der »Gesamtkirche«, so Zimmermann, Ecclesia, S. 17 f.

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anorum catholicas consecraret. Pro hanc causam hereticus rex Theodoricus audiens hoc exarsit et voluit totam Italiam ad gladio extinguere (64.120). So wurde er [Johannes] vom König Theoderich nach Ravenna gerufen. Der König bat und schickte ihn auf Gesandtschaftsreise nach Konstantinopel zum rechtgläubigen Kaiser Justin, weil zu dieser Zeit der Kaiser Justin, ein religiöser Mann von höchstem Feuereifer und Liebe für die christliche Religion, die Häretiker verjagen wollte. Mit höchster Leidenschaft für das Christentum (summo fervore christianitatis) setzte er den Beschluss um, die Kirchen der Arianer in katholische zu weihen. Aus diesem Grund wurde der häretische König Theoderich, als er dies hörte, so erregt, dass er ganz Italien mit dem Schwert auslöschen wollte.

Die Bedeutung von christianitas als Christentum im Sinne der christlichen Religion geht aus der Doppelung des Ausdrucks summo ardoris amore religionis Christianae und summo fervore christianitatis zweifelsfrei hervor. Dieses Satzglied stimmt zudem in Lexik und Syntax mit dem bereits ausgemachten Gebrauch von christianitas in adverbialen Bestimmungen des Grundes überein. Christliches Empfinden einem Kaiser zuzuschreiben, hatten vor dem Verfasser der Vita bereits Papst Hormisdas in einem Brief an denselben Kaiser Justin I. (518 – 527) (59.112) als auch die Päpste Agapet I. (535/536) und Vigilius (537 – 555) an die Adresse Kaiser Justinians (62.115; 63.116 – 119) unternommen.12 In der Vita des Papstes Johannes wurde nun der diplomatische Misserfolg einer von Theoderich beauftragten Gesandtschaft an den kaiserlichen Hof in Konstantinopel und ihr beinahe tragisches Ende für den Papst als Leiter der Gesandtschaft aus der Sicht der Kirche von Rom zugunsten des Johannes umgeschrieben.13 Durch die Wortwahl konstruierte der Verfasser einen diametralen Gegensatz zwischen Kaiser Justin I. (518 – 527), der in den Worten der Vita als orthodox und für den christlichen Glauben entflammt beschrieben wurde und mit eben 12 Papst Vigilius hatte christianitas auf zweifache Weise verwendet: als direkte Anrede (christianitati vestrae satisfaciendum esse perspeximus; 63.116) und zur Bezeichnung einer emotionalen Verbundenheit mit dem Christentum (causam integer agere festinates et cupitis christianitatis affectu; 63.117), was an Papst Gelasius I. erinnert (51.98), siehe Kapitel IV.2. Zur Funktion der Anrede siehe das folgende Kapitel VI. 13 Ausbüttel, Theoderich, S. 139 – 142, macht glaubhaft, dass Theoderich wohl kaum einen Gegner der Arianer wie Johannes I. nach Konstantinopel geschickt hat, um dort für Theoderich Partei zu ergreifen. Was auch Theoderichs Absicht gewesen war, sie wurde nicht erfüllt. Stattdessen hatte Johannes I. allerhöchste Ehren vom Kaiser erhalten und konnte sich auf dem Rückweg nach Rom sogar darüber freuen, dass die Rangstreitigkeiten zwischen dem Papst und dem Patriarchen von Konstantinopel zugunsten Johannes entschieden worden waren. Nur war der zuvor bereits kranke und gebrechliche Johannes von der Reise so mitgenommen, dass er in Rom und sicherlich nicht in Haft verstarb, so wie es der Liber Pontificalis erzählt. Ensslin, Theoderich, S. 322 – 324, betont, dass gerade hinsichtlich des Todes des schwachen Papstes die Ausführungen im Liber Pontificalis verzerrt seien. Halsall, Barbarian Migrations, S. 291 f. Sotinel, Rom, S. 319 – 321, hält daran fest, dass Theoderich Johannes wirklich als Fürsprecher nach Konstantinopel geschickt habe.

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jener christlichen Leidenschaft den Arianismus bekämpfte, und dem ostrogotischen König Theoderich, der als häretisch stigmatisiert wurde und angeblich ganz Italien vernichten wollte. Größer könnte ein Antagonismus nicht ausfallen, pathetischer ließe er sich wohl kaum formulieren. Dieses Stück Anti-Theoderich-Geschichtsschreibung14 ließ keine Möglichkeit aus, Justin als perfekten katholischen Herrscher erscheinen zu lassen. Durch vir religiosus wurde der Kaiser sogar auf eine Stufe mit Mönchen, Asketen und Heiligen gestellt.15 Die hochemotionale Sprache (summus ardor, amor, fervor, exardeo, extinguo) unterstreicht die Unerhörtheit der Erzählung. Der Arianer Theoderich16 erhielt tyrannische Züge, indem er seine Leidenschaft gegen die wahren Christen wendete und in seiner Wut sogar ganz Italien und nicht nur den von ihm beherrschten Teil Strafe androhte. Diese Darstellung widersprach der nachweisbaren Toleranz des Königs in Religionsangelegenheiten, besonders gegenüber Katholiken.17 Zudem stand die Schilderung im Kontrast zu der eher auf Versöhnung mit dem Westen ausgerichteten Religionspolitik Justins.18 Hinter der tendenziösen Geschichtsschreibung stand die Absicht, Johannes I. zu einem Märtyrer und Heiligen zu stilisieren, der unter einem aus der Sicht Roms häretischen Herrscher zu leiden hatte. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Christlichkeit des Kaisers mittels christianitas hervorgehoben wurde und nicht diejenige des Papstes. Dabei verwies christianitas in CTh 15.5.5 (4.82) auf die vollendete Christlichkeit der Apostelfürsten, die allen Christen eine Lehrerin richtiger Christlichkeit sein sollte. Mag dieser Gedanke nicht nur einmal notiert, sondern auch weiter zur Festigung der päpstlichen Autorität beigetragen haben – im Liber Pontificalis ist diese Idee bzw. Rhetorik jedenfalls nicht angekommen. Auch die zweite Verwendung von christianitas bezog sich auf einen Kaiser. Der Gelehrte Jordanes, über den wenig bekannt ist, lebte in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts in Konstantinopel, wo er eine historische Kompilation schuf, die gemeinhin in die berühmtere Getica und die weniger behandelte Romana unterteilt wird.19 Bei letzterer handelte es sich um eine christliche Weltchronik von Vgl. Ausbüttel, Theoderich, S. 138. Zum vir religiosus siehe Brown, Keuschheit. Vgl. Wolfram, Goten, S. 80, zu Theoderichs arianischer Überzeugung. Vgl. Anonymus Valesianus, Theodericiana II,60, ed. König, S. 78 – 80, mitsamt eines Kommentars zur religiösen Toleranz des Königs, S. 143 f. Pi¦tri, Durchsetzung, S. 386. Dank der Toleranz Theoderichs konnte Caesarius von Arles kirchliche Strukturen stärken und eine Reform des christlichen Lebens angehen. Vgl. Wolfram, Goten, S. 80 – 82; Kampers, Westgoten, S. 161 f.; Goltz, Barbar, S. 400 – 432, Dum¦zil, Racines, S. 327 – 331 mit einer differenzierenden Ansicht zu eben jener Toleranz. 18 Vgl. Schreiner, (Art.) Justin, Sp. 820. 19 Vgl. Schwarcz, (Art.) Jordanes, Sp. 626 f.; Christensen, Cassiodorus, S. 103; Roberto, (Art.) Jordanes, Sp. 946 f. Jordanes soll die Romana vor der Getica abgeschlossen und die Gotengeschichte Cassiodors herangezogen haben, außerdem soll er ab 554 ebenfalls im Kloster

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Adam bis Justinian. Jordanes nutzte intensiv Hieronymus’ Chronicon (aber auch Livius, Florus, Orosius, Eutropius), so auch für den Abschnitt über Kaiser Julian (361 – 363). Von Hieronymus übernahm Jordanes die Erzählung, dass Julian zur Verehrung von Abgöttern konvertiert sei und es mehr eine Verführung als Verfolgung gewesen sei, da er zum Sakrileg eher eingeladen als gezwungen habe, wodurch viele Christen ihr Vermögen verloren hätten.20 Jordanes griff in die Vorlage ein, indem er den König einen Abtrünnigen (apostata) nannte und den Abfall vom Christentum noch einmal eigens durch den eingeschobenen Ablativus absolutus relictaque christianitate unterstrich. In der Gegenüberstellung zu ad idolorum cultura conversus est wird sichtbar, dass die Verben convertere und relinquere zwei Seiten einer Medaille darstellten. Mit Blick auf die bisher bekannten Formulierungen scheint die hier verwendete adverbiale Bestimmung zwar neu zu sein, jedoch zeigt die Lexik im Satzzusammenhang keine sonderlichen Veränderungen gegenüber der ersten Phase. Dass die Vokabel als eigenständiges Substantiv stehen kann, ließ sich bereits in den Acta S. Sebastiani (suscipiam christianitatem; 46.92), dem Codex Theodosianus und der Dionysiana erkennen. Daher zeigt sich hier wohl eine weitere, aber ebenso verständliche Wortfügung im Spektrum des Ausdrückbaren.21 Auch der Personalcharakter der christianitas wird erneut sichtbar. Dieser konkretisiert sich abermals in der Person des Kaisers und überträgt damit die Differenzierung nach moralisch gutem und schlechtem Christsein ansatzweise auf den Kaiser.22 Diese christliche Semantisierung der politischen Führung ist im Folgenden für die hist. eccl. tripartita ebenso im Auge zu behalten wie für die direkte briefliche Kommunikation zwischen Päpsten und Kaisern. Für die Passage aus dem Liber Pontificalis lässt sich übrigens eine Weiterverwendung in den Gesta Theoderici Regis ausmachen. Selbstverständlich ließ diese protheodericianische Geschichtsschreibung die Schmähung Theoderichs als Häretiker aus. (116.224) Für die Historia Romana steht fest, dass sie im Mittelalter gelesen wurde – Paulus Vivarium gelebt haben, was für eine enge personale und intellektuelle Beziehung zwischen beiden Gelehrten spräche. 20 Siehe die folgende Gegenüberstellung, größere Unterschiede sind recte gesetzt: 1) Eusebii chronicon, Hieronymi continuatio, ed. Helm, S. 251: regnauit iulianus ann. i mens uiii. iuliano ad idolorum cultum conuerso blanda persecutio fuit inliciens magis quam inpellens ad sacrificandum, in qua multi ex nostris uoluntate propria corruerunt. 2) Jordanes (71.129): Iulianus apostata regnavit an. uno m. VIII, relictaque Christianitate ad idolorum cultura conversus est multosque blanda persecutione inliciens ad sacrificandum idolis conpulit. 21 Vgl. Christensen, Cassiodorus, S. 101, nennt Jordanes’ Latein »imperfect«. Sollte dies stimmen und nicht nur auf einem unpassenden Maßstab (dem des ciceronianischen Lateins) beruhen, so ist die Formulierung relicta christianitate als Beispiel eines lebendigen Lateins von diesem Urteil auszunehmen. 22 Vgl. Van Engen, Christening, S. 34 f.: Die Christen beteten für ihre allerchristlichsten Kaiser, die nicht mehr nur als Haupt und Beschützer der Christen, sondern auch als deren höchstes Vorbild dienten sollten. Van Engen verweist hier auf Papst Leo I., ep. 106.2, in: PL 54, 1005.

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Diaconus hat im 8. Jahrhundert aus ihr geschöpft –, der Ausdruck relicta christianitate ist aber erst in den Annalen von Saint-Bertin für die Jahre 839 (264.487) und 869 (325.659) nachzuweisen.23

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Als Cassiodor von einem langen Aufenthalt aus Konstantinopel in seine Heimat Italien zurückkehrte, setzte er alles daran, sein letztes großes Ziel zu verwirklichen. Nachdem es ihm nicht gelungen war, eine hohe Schule für Theologie in Rom ins Leben zu rufen, wollte er zumindest einen Ort des Rückzugs aus der Politik und zur Vertiefung in die Wissenschaften schaffen: das Kloster Vivarium.24 Zu diesem Zweck hatte er Anregungen und vor allem Manuskripte aus Konstantinopel mitgebracht. Seinem Schüler, Mitarbeiter und Freund, Epiphanius Scholastikus, übertrug er die Aufgabe, aus dem Material eine Kirchengeschichte zusammenzustellen.25 Dabei handelte es sich um die Kirchengeschichten des Sokrates (gest. 450), des Sozomenus (gest. um 450) sowie derjenigen des Bischofs von Kyrrhos, Theodoret (gest. um 460), dem einzigen Geistlichen unter diesen dreien. Epiphanius sollte sie ins Lateinische übertragen; ungeklärt ist, ob Cassiodor selbst aus den einzelnen Übersetzungen eine einheitliche Erzählung formte.26 Alle drei Werke waren als Fort23 Annales von Saint-Bertin a. 839, ed. Grat, S. 27 f. (bzw. MGH SS rer. Germ. 5, S. 17 f.): Bodonem diaconum, Alamannica gente progenitum et ab ipsis paene cunabulis in christiana religione palatinis eruditionibus divinis humanisque litteris aliquatenus inbutum, qui anno praecedente Romam orationis gratia properandi licentiam ab augustis poposcerat multisque donariis muneratus impetraverat, humani generis hoste pellectum, relicta christianitate ad iudaismum sese converterit. Sowie ebd. a. 869, S. 166 (bzw. MGH SS rer. Germ. 5, S. 107 f.): Hugo abba et Gauzfridus cum Transsequananis confligentes cum Nortmannis in Ligeri residentibus, LX circiter inde interfecerunt; et capientes quendam apostatam monachum, qui relicta christianitate se Nortmannis contulerat et nimis christianis infestissimus erat, decollari fecerunt. 24 Vgl. O’Donnell, Cassiodorus, S. 193. 25 Cassiodor schien aber nicht selbst die Übersetzung auf sich nehmen zu wollen, da er nicht über ausreichende Griechischkenntnisse verfügte. Vgl. Cassiodor, Historia ecclesiastica tripartita, prologus, ed. Jakob/Hanslik (CSEL 71), S. 1 f.; Fried, Mittelalter, S. 20; Cardini, Cassiodoro, S. 149. In Vivarium arbeiteten neben Epiphanius auch noch weitere Übersetzer, siehe Berschin, Mittelalter, S. 101. Die hist. eccl. tripartita Cassiodor zuzuschreiben, um den Namen Epiphanius für einen gleichnamigen Schriftsteller aufzusparen, so, Theodoret, Kirchengeschichte, ed. Parmentier, S. LI, halte ich nicht für sinnvoll, weil sie damit die Arbeit des Übersetzers unterschlägt und mehrere Personen gleichen Namens nicht zu Umbenennungen führen müssen. 26 Cassiodor, Historia ecclesiastica tripartita, prologus, ed. Jakob/Hanslik (CSEL 71), S. 1 f. Vgl. Fridh, (Art.) Cassiodor, S. 661, der darauf hinweist, dass Cassiodor das Werk nicht unter seinen eigenen führte. Courcelle, Writers, S. 358, hatte hingegen Cassiodor als Kompilator und Epiphanius nur als Zuarbeiter gesehen.

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setzungen zu Eusebius gedacht, bauten zum Teil aufeinander auf und waren dennoch in ihrer schriftstellerischen und historiographischen Qualität sehr unterschiedlich.27 Da alle Verfasser Eusebius zum Vorbild hatten, etwa dieselbe Zeit behandelten, voneinander abhingen und sich zwangsläufig thematisch ähnelten, lag es für Cassiodor auf der Hand, diese Werke zusammenführen und als Ergänzung zu Eusebius-Rufinus zu verwenden, deren Notwendigkeit alle Christen bezeugen würden, wie Cassiodor im Vorwort schrieb.28 Außerdem gab es bereits eine erste griechische Kompilation, die Theodoros Anagnostes zu Beginn des 6. Jahrhunderts erstellt hatte.29 Anfangs orientierte sich Epiphanius/Cassiodor noch stark an ihr, befreite sich dann aber immer mehr von dieser Darstellung.30 Am Ende kam eine lateinische Kompilation in 12 Büchern heraus, die inhaltlich von 324 bis 439 reichte.31 Die hist. eccl. tripartita enthält 37 Stellen, in denen von christianitas die Rede ist. Nur Abbo von Saint-Germain im 10. Jahrhundert schaffte es, diese Vokabel noch häufiger in einem Text zu verwenden,32 während der Codex Carolinus vom Ende des 8. Jahrhunderts nur als Zusammenstellung von 99 Papstbriefen diese Verwendungsfrequenz mit 46 Stellen überbieten konnte. Epiphanius löste mit 27 Cassiodor, Historia ecclesiastica tripartita, prologus, ed. Jakob/Hanslik (CSEL 71), S. 1 f. Vgl. Frank, Lehrbuch, S. 10. Leppin, Constantin, S. 273 – 290 zu den Datierungsschwierigkeiten der Kirchengeschichten und über die Abhängigkeiten untereinander. Siehe auch ders., Church Historians, S. 229. 28 Cassiodor, Historia tripartita, prologus, ed. Jakob/Hanslik (CSEL 71), S. 1. Zimmermann, Ecclesia, S. 40 f. Leppin, Constantin, S. 10 – 17. Sokrates schrieb um 440 sieben Bücher über die Jahre 305 bis 439; angelehnt an die Profangeschichte organisierte er das Werk nach den Regierungszeiten der Kaiser. Er berichtete sorgfältig von den theologischen Auseinandersetzungen um Arius und Origenes sowie über die Anfänge des Mönchtums. Von ihm abhängig schrieb der Anwalt Salamanes Hermeias Sozomenus (etwa 380 – 445) eine lebendigere, aber nicht sehr zuverlässige Kirchengeschichte in neun Büchern von 324 bis 422. Sozomenus übernahm etwa ein Drittel von Sokrates. Bei ihm fand Epiphanius vor allem Ausdrücke für christliche Begriffe, die hellenistischen Mysterienkulten entlehnt waren, so Hansen, Einleitung, in: Sozomenus, Kirchengeschichte, ed. ders., S. 53 f. Theodoret von Kyros (ca. 393 – ca. 460) schrieb über die Zeit von 323 bis 428, wobei sein Verdienst mehr darin lag, Synodalschreiben, Urkunden und Briefe vollständig überliefert zu haben. Vgl. Urbainczyk, Theodoret, S. 29 – 39, Stöve, (Art.) Kirchengeschichtsschreibung, S. 538. Hier kann nicht geklärt werden, ob Cassiodor/Epiphanius die Probleme der drei Kirchenhistoriker mit der Übersetzung übernommen haben (z. B. die Frage nach dem Wirken Gottes in der Geschichte oder warum es mit der Christianisierung des Reiches nicht friedlich geworden ist) oder den Ursprungstext bei der Übertragung so abgeändert haben, dass diese nicht mehr ins Gewicht fielen. Siehe auch Leppin, Church Historians, S. 236 – 239. 29 Der Beiname ergibt sich aus seiner Tätigkeit als Vorleser an der Hagia Sophia, daher auch Theodor Lector als Parallelbezeichnung, siehe Frank, (Art.) Theodoros Lector, Sp. 639. 30 Vgl. Hansen, Einleitung, in: Sozomenus, Kirchengeschichte, S. 68 f. 31 Diese Einteilung ging wohl auf Vorstellungen von Cassiodor zurück. Interessanterweise ergänzte Epiphanius nicht die letzten Jahre der Amtszeit von Theodosius II., was einen logischen Abschluss der hist. eccl. tripartita dargestellt hätte. 32 Abbo von Saint-Germain, 22 Predigten, Sermo 14, S. 133 – 146 (437.776 – 817, bes. 789 – 797).

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der Verwendung von christianitas ein Problem, mit dem vor ihm schon Rufinus bei dessen Übersetzung der eusebianischen Historia ecclesiastica zu kämpfen hatte.33 Der Aquileianer hatte ebenfalls xqistiamislûr/christianismos zu übersetzen, griff aber nicht auf christianitas zurück, sondern nutzte Umschreibungen. An einer Stelle sprach er von der religio christiana, an einer anderen hieß es einfach nur, »wer Christ bliebe«, anstelle von »im Willen zum Christentum verharren«.34 Epiphanius nahm sich ebenfalls viele Freiheiten heraus, indem er Techniken wie Paraphrase und Bedeutungslehnsworte gebrauchte.35 Aber Epiphanius ersetzte christianismos durch christianitas. Was offensichtlich um 400 keine Option war, schien nun, 150 Jahre später, praktikabel zu sein, was für Akzeptanz, Verbreitung und Sinnhaftigkeit der Vokabel sprechen kann, sofern sich der Gebrauch in der Übersetzung mit dem in anderen Schriften deckte. Der Gräzismus christianismus hingegen kam überhaupt nicht mehr vor, doch auch Rufinus hatte ihn nicht mehr verwendet. Auch sonst fanden sich keine auf -ismus endenden Bezeichnungen (wie paganismus, gentilismus). Anstatt das im Griechischen geläufige Verb wqistiam_feim durch christianizare wiederzugeben36, umschrieb Epiphanius die entsprechenden Passagen, was anzeigt, dass christianizare offenbar semantisch nicht funktionierte.37 Diese sehr eigenständige 33 Mark Humphries hat zuletzt die Übersetzungsarbeit des Rufinus neu bewertet und dabei die These vertreten, dass Rufinus mit seiner Überarbeitung im Ganzen einen originären Beitrag zur Kirchengeschichte geleistet hat. Vgl. Humphries, Rufinus’s Eusebius, S. 143 – 164. 34 Siehe Eusebius, Kirchengeschichte, IV,15,21 (GCS, 9,1), S. 344: eQ d³ h]keir t¹m toO WqistiamisloO lahe?m k|com, d¹r ja· %jousom. Bei Rufinus, S. 345: Si verso etiam rationem vis christianae religionis accipere, statue diem et audi. Die zweite Stelle ist in: Eusebius, Die Kirchengeschichte, VIII, 2, 4 (GCS, 9,2), S. 742: eQ 1pil]moiem t0 toO WqistiamisloO pqoh]sei, 1keuheq_ar steqe?shai pqoacoqe}omta. Bei Rufinus, 743: si qui servorum permansisset Christianus, libertatem consequi non posset. 35 Vgl. Hanslik, Prolegomena (CSEL 71), S. XV – XVI; Weissengruber, Epiphanius, S. 286 f. Zu den Techniken siehe Binder, (Art.) Übersetzung, Sp. 1188 – 1191; Stolze, Übersetzungstheorien, S. 18 f. Ein Beispiel: 73.149. Hier machte Epiphanius aus dem Hellenismus paganitas. Siehe Sozomenus, Kirchengeschichte, V,16,1 (FC 73), S. 626: j d³ basike»r p\kai spoud\fym t¹m :kkgmisl¹m jqate?m jat± p÷sam tµm rp^joom, wakep_r 5veqe paqeudojilo}lemom bq_m rp¹ toO WqistiamisloO. Dieses Kapitel scheint ohnehin von Epiphanius stark überarbeitet worden zu sein. 36 So de Boor zumindest für Theophanes (um 760 – 817), siehe Theophanis Chronographia, ed. Boor, im Index Graecitatis Theophaneae. Doch auch die Häufigkeit des Verbs in den Kirchengeschichten des Sokrates, Sozomenus und Theodoret legt die Wertung nahe. 37 Dies geschah in 10 von 37 Fällen: hist. eccl. tripartita I.18,10 (73.135) a christianitate revocare = Soz I.16,1 – 2; hist. eccl. tripartita II.3,5 (73.136) ad christianitatem invitare = Soz I.18,4; hist. eccl. tripartita II.20,1 (73.137) ad cultum christiantatis accedere = Soz II.5,1 – 2; hist. eccl. tripartita III.1,3 (73.138) initium christianitatis celebrare = Soz II.8,2; hist. eccl. tripartita III.2,13 (73.139) a christianitate revocare = Soz II.9,13; hist. eccl. tripartita III.9,2 (73.140) christianitatem ascicere = Socr I.36,2; hist. eccl. tripartita VI.1,28 (73.145) figmentum christianitatis = Socr III.1,39; hist. eccl. tripartita XI.14,1 (73.164) ficta christianitate = Socr VII.17,7; hist. eccl. tripartita XI,17,5 (73.166) studio christianitatis = Socr VII.22,3; hist. eccl. tripartita XII.4,11 – 14 (73.167) in christianitate permanere = Socr

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Arbeit zeugt von einem Grundverständnis für die Schwierigkeiten der Übersetzungstätigkeit.38 Epiphanius wird sich sicherlich in der Tradition anderer Übersetzer wie Hieronymus und Rufinus gesehen haben. Er wird sich auch im Klaren darüber gewesen sein, dass er durch seine Wortwahl das Textverständnis beeinflusste. Denn die Verwendung von sinnverwandten Worten in der Zielsprache musste immer eine – mal geringere, mal gewichtigere – Sinnverschiebung zur Folge haben, da das Zielsprachenvokabular sein eigenes semantisches Feld besaß, das sich mit dem der Ausgangssprache aufgrund anderer kultureller Gegebenheiten niemals vollständig decken konnte. Wahrscheinlich ist es auf die teils vernichtende Kritik von Seiten der Philologie und Literaturwissenschaft an der hist. eccl. tripartita zurückzuführen39, dass weder eine synoptische Edition noch die von Franz Weissengruber angeregte Analyse der Kompositionstechnik existiert.40 Vor allem die schlechten Griechischkenntnisse des Epiphanius wurden bemängelt. Trotz der zuweilen eklatanten Übersetzungsfehler räumten Weissengruber und auch später St¦phane Ratti ein, dass man die Möglichkeit nicht außer Acht lassen dürfe, dass diese Fehldeutungen bewusst unternommen wurden, um den lateinischen Text in eine andere Richtung zu lenken, z. B. Kaiser Konstantin als den »Zerstörer« der heidnischen Tempel erscheinen zu lassen.41 Weissengruber hat Epiphanius zugutegehalten, dass Cassiodor ihm so ein wichtiges Werk anvertraute, weshalb an der Gewissenhaftigkeit des Übersetzers nicht zu zweifeln sei.42 In seinem Nachwort betonte Weissengruber, dass die Fehleranalyse für sich allein genommen notwendigerweise ein falsches Bild von den Griechischkenntnissen und Übersetzerfähigkeiten des Epiphanius böte, da dieser auch viele Stellen richtig, manche sogar glänzend umformuliert habe. Daher kann man leider nur mit erheblichem Aufwand der Frage nachgehen, ob Epiphanius alle Stellen, an denen in den Vorlagen xqistiamislûr steht, auch mit christianitas übersetzte. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass durch die

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VII.30,6 [Soz = Sozomenus, Kirchengeschichte (FC 73); Socr = Sokrates, Kirchengeschichte, (GCS NF 1)]. Die vernichtende Kritik von Meinhold, Geschichte, S. 125 f., ist m. E. nicht haltbar, wenn man die übersetzerische Leistung zum Maßstab nimmt. Es stellt sich die Frage, ob Meinhold diese überhaupt zu schätzen gewusst hat und Epiphanius bzw. Cassiodor nicht fälschlicherweise unterstellte, selbst Historiker sein zu wollen. Seine Kritik: »Aus dieser unselbständigen Zusammenfügung des historischen Materials spricht einmal das Unvermögen von Kassiodor, kritisch zu den überlieferten Geschichtswerken Stellung nehmen zu können. […] Man erkennt, welcher Niedergang in der Geschichtsschreibung und ihrer Motive, wie wir sie für Euseb oder Sozomenos herausgestellt haben, bei Kassiodor eingetreten ist: der Historiker enthält sich des eigenen Urteils und schiebt es dem Leser zu.« Vgl. Brunhölzl, Literatur, Bd. 1, S. 41; Meinhold, Geschichte, S. 125 f. Vgl. Weissengruber, Epiphanius, S. 286 f. Vgl. Ratti, Êpiphane traducteur, S. 35. Keine der zwölf von Ratti analysierten Stellen enthielt christianitas. Vgl. Weissengruber, Epiphanius, S. 6.

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kompilatorische Arbeit des Epiphanius viele Stellen nicht übersetzt oder umformuliert wurden, in denen Sokrates noch vom christianismos gesprochen hat. In der Kirchengeschichte des Sokrates, der bevorzugten Quelle,43 kommt christianismos 47-mal vor.44 Bereits ein erster Abgleich dieser Stellen mit der lateinischen Übersetzung zeigt, dass Epiphanius nicht alle diese Stellen übernommen hat45 und die übernommenen Stellen sehr häufig, aber nicht immer, mit christianitas übersetzt hat.46 Zudem verwendete Epiphanius umschreibende Ausdrücke wie christiana religio oder dogma.47 Epiphanius nutzte christianitas durchaus konsistent und in hergebrachten Zusammenhängen. Die Vokabel stand fast immer für das Christentum, wobei zuweilen die persönliche Eigenschaft der Christlichkeit überwiegen konnte48 oder aber der christliche Glaube in den Vordergrund rückte.49 Die Übersetzung wiederholte viele der bereits einmal aufgetretenen Wortfügungen50 und versammelte zuvor vorgekommene Zusammenhänge: christianitas bewegte sich auch hier zwischen den Polen Judentum/Heidentum, Häresien/scheinbares Christentum versus wahres Christentum und Kaiser. Gleich zu Beginn übersetzte Epiphanius jenen Prolog des Sozomenus, in dem dieser darüber räso43 Vgl. Hanslik, Prolegomena (CSEL 71), S. X – XI. Zimmermann, Ecclesia, S. 43 f. 44 Laut TLG befinden sich in Socr 47, Soz 21 und Theo 11 Stellen mit christianismos; wqistiam_feim kommt 26-mal bei Socr und 21-mal bei Soz vor. [Theo = Theodoret, Kirchengeschichte, (GCS 44) Berlin 1954] 45 So fehlt Socr I,16,20. 46 Vgl. Cassiodor, Historia ecclesiastica tripartita, VIII,13.5 – 6 (CSEL 71), S. 485 und Socr IV,33,6 – 7. Um das weiter aufzuarbeiten, fehlen mir die nötigen Griechischkenntnisse sowie eine umfassende Edition. IV,33 ist das Kapitel über die Beziehungen zu den Goten und deren Bekehrung. 47 Z. B. Cassiodor, Historia ecclesiastica tripartita, VI,29,2 (CSEL 71), S. 346, oder 73.138, Satz 1. 48 Arbitratus autem Christianitatis statum ex vita bona et conversatione consistere, studuit ubique templa paganorum constructione et ordine Christianae religionis ornare, sedibus atque praesessionibus (73.149). Diese Stelle kann gleichzeitig für den Aspekt des Scheinchristentums stehen, denn der Urteilende ist Kaiser Julian, der zuvor noch den Schein des Christentums abgeworfen hatte: Tunc igitur etiam figmentum Christianitatis quod habebat abiecit (73.145). Umso interessanter ist es, dass ausgerechnet ihm zugeschrieben wird, dass der status christianitatis in einem guten Lebenswandel bestehe. Ähnliche Aussagen über einen christlichen Lebenswandel mithilfe von christianitas finden sich in 73.153: Baptizabantur enim, et officia Christianitatis gratissime docebantur. 73.156: Verum imperator, cum esset perfectissimae Christianitatis, et non solum suae fidei sacerdotes honoraret, sed etiam Novatianos […]; 73.166: Plerumque jejunabat, et maxime quarta feria et sexta, studio Christianitatis; nec aliter quam monasterium regalia videbantur. 49 So wegen der Blasphemie in 73.151, evtl. auch wegen des Dogmenstreits 73.135 u. 73.155. 50 Beispiele bekannter Wortverbindungen: ad christianitatem convertere (19.38); ad cultum christianitatis accipere/tenere (73.137/73.159); […] quod est christianitatis alienum (73.143); Baptizabantur enim, et officia christianitatis gratissime docebantur (73.153), studium christianitatis (56.109) und das aus Jordanes stammende relinquere christianitatem (71.129).

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nierte, warum es für Heiden leichter als für Hebräer/Juden sei, zum Christentum zu konvertieren.51 In hist. eccl. tripartita VI.26.1 – 2 hieß es, dass der Kirchenvater Athanasius (gest. 373) in Alexandria viele der Heiden zum Christentum bekehrte,52 was an die Ausdrucksweise im Martyrium des Ignatios erinnert (19.38 – 39). Im textuellen Umfeld von christianitas wurde auch von Häresien gesprochen, die dann namentlich als Ariani, Novatiani oder Eunomiani aufgeführt wurden (73.159).53 Somit kam es auch bei Epiphanius nicht zur direkten Gegenüberstellung von heresia und christianitas, von Häresie und Christentum. Beides blieb, wie auch sonst in der Spätantike, nur mittelbar miteinander verbunden. Nur einmal stand heresia in einem Satz mit christianitas, gehörte aber im Satz zu einer zweiten Sinneinheit.54 Der thematische Zusammenhang zur Häresie wurde vielmehr durch Formulierungen für Zwietracht und Spaltung bzw. Eintracht und Einheit hergestellt.55 Durch dieses begleitende Vokabular ergab sich bereits eine erste Verschiebung im satzsemantischen Zusammenhang, da so etwas zuvor – selbst bei Filastrius – nicht vorgekommen war. Epiphanius wollte offenbar mit seinem Wortgebrauch möglichst nah am allgemeinen Sprachgebrauch bleiben und nicht absichtlich Veränderungen im Beschreibungsvokabular des Christlichen vornehmen. Dies blieb aber nicht aus, weil er bekannte Ausdrücke wie ad christianitatem convertere variierte und das Spektrum der Handlungen in Bezug auf christianitas deutlich erweiterte.56 Dies wirkte sich nicht nur auf die Nutzungsfrequenz, sondern auch auf die Syntax aus. 51 Haec igitur cogitanti mihi digne mirabile visum est Hebraeos etiam ante alios homines ad Christianitatem non potuisse converti (73.131) Weitere Fälle sind 73.160 u. 73.164. 52 Igitur imperator audiens Athanasium in Alexandrinorum ecclesia constitutum licite populo praedicare multosque paganorum ad Christianitatem fuisse conversos, eum iussit exire de civitate (73.147). So auch 73.146. Eine direkte Nennung der pagani findet sich auch in 73.161. 53 Im Satzzusammenhang mit christianitas fehlte hingegen heresia, obwohl diese Vokabel ansonsten sehr präsent war. Siehe Cassiodor, Historia ecclesiastica tripartita, XII,4,4 (CSEL 71), S. 664, wo der Patriarch Nestorius kurz nach seiner Wahl mit den Worten an Kaiser Theodosius II. zitiert wird: Deballa mecum hereticos et ego tecum debello Persas. Eine Ausnahme ist 73.135: Cum que etiam in Aegypto multis conciliis celebratis heresis pullularet, ita ut usque ad regalia perveniret, non mediocriter Constantinus imperator affligebatur, eo quod religione nuper inchoante crescere multos a Christianitate dogmatum discordia revocaret. 54 Cum que etiam in Aegypto multis conciliis celebratis heresis pullularet, ita ut usque ad regalia perveniret, non mediocriter Constantinus imperator affligebatur, eo quod religione nuper inchoante crescere multos a Christianitate dogmatum discordia revocaret (73.135). Durch das »ita ut« wird der zweite Teil des Satzes eingeleitet, der die zweite Sinneinheit enthält. 55 Siehe 73.135; 73.142; 73.154. 56 Hier die Wendungen, die bisher nicht in früheren schriftlichen Quellen auszumachen waren: a christianitate revocare 73.135 u. 139; (ad) christianitatem invitare 73.136; asciscere 73.140; reducere 73.146; deseruere 73.150; perducere 73.152; devocare 73.157, festinare 73.158, pro christianitate oriri 73.144, pro christianitate sustinere 73.165; in christianitate permanere 73.167. Deutlich wird, dass es zumeist Bewegungen hin zu oder fort von christianitas sind, die das Set an Aussagemöglichkeiten erweitern.

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Die folgende Tabelle 5 stellt den Gebrauch nach Kasus in der hist. eccl. tripartita dem allgemeinen Gebrauch in der Spätantike gegenüber. Tabelle 5: Kasusverteilung unter Berücksichtigung der Hist. eccl. tripartita Phase 360 – 490

Nominativ 21 (21,6 %) 491 – 605 12 (11,0 %) nur hist. eccl. 3 tripartita (8,1 %) ohne hist. eccl. tripartita 9 (12,5 %) 606 – 740 2 (4,2 %) Gesamt 35 (13,8 %)

Genitiv 58 (59,8 %) 60 (55,0 %) 12 (32,4 %) 48 (66,7 %) 34 (70,8 %) 152 (59,8 %)

Dativ

3 (3,1 %) 7 (6,5 %) 3 (8,1 %) 4 (5,5 %) 4 (8,3 %) 14 (5,5 %)

Akkusativ 12 (12,4 %) 12 (11,0 %) 10 (27 %) 2 (2,8 %) 5 (10,4 %) 29 (11,4 %)

Ablativ 3 (3,1 %) 18 (16,5 %) 9 (24,4 %) 9 (12,5 %) 3 (6,3 %) 24 (9,5 %)

Gesamt 97 (100 %) 109 (100 %) 37 (100 %) 72 (100 %) 48 (100 %) 254 (100 %)

In der hist. eccl. tripartita haben sich die Werte deutlich verschoben. Würde man die Angaben für die zweite Phase um die Treffer aus der hist. eccl. tripartita bereinigen, wird deutlich, dass der Genitivwert ebenso wie in der dritten Phase absolut dominierte. Außerhalb der hist. eccl. tripartita kam christianitas in sieben von zehn Fällen die Rolle eines Genitivattributs oder Genitivobjekts zu, als Akkusativobjekt kam es fast gar nicht mehr vor. Innerhalb der hist. eccl. tripartita trat die Vokabel in weit stärkerem Maße als Akkusativ- oder Dativobjekt auf (10-mal als Akkusativ-, 3-mal als Dativobjekt).57 Außerdem sticht die Verwendung von christianitas im Ablativ besonders hervor. Jedes zweite Adverbiale im Ablativ für die Phase von 490 bis 605 stammt aus der hist. eccl. tripartita. An dieser Verschiebung wird deutlich, dass der durch die Vokabel bezeichnete Gegenstand Konturen erhielt, er wurde präsenter, greifbarer, dinglicher. In der hist. eccl. tripartita konnte man lesen, wie Menschen zum Christentum konvertierten, sich öffentlich und in Theatern darüber lustig machten (73.132 – 134) oder aber die väterliche religio verhöhnten, um sich den christlichen Geboten zuzuwenden (73.161). Für diese christianitas nahmen die Römer in der Mission alles auf sich (73.165), während andere den Glauben verrieten und sich von ihm lösten (73.150 – 151). Willentlich oder nicht, mit Formulierungen wie christianitati derogare (73.132 – 134), christianitatem deseruere (73.150), christianitas dilatata est oder christianitas sumpsit incrementum (73.162 – 163) erweiterte Epiphanius das Set an Aussagemöglichkeiten auf sprachlicher Ebene. 57 Das kam aber unter Theologen seit dem 5. Jahrhundert durchaus vor, so bei Arnobius Junior und Salvian von Marseille in Kapitel II.4.

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Die Kreativität des Übersetzens

Andere Ausdrücke, die schon vorher bekannt waren, wurden durch seine Verwendung gefestigt, weil sie gleichzeitig mit den weiteren Verwendungssituationen ein zusammenhängendes Feld von Aussagemöglichkeiten bildeten. Obwohl Epiphanius verschiedene Ausdrücke nutzte, um das Christentum zu Pergament zu bringen, spielte christianitas nicht mehr die Rolle einer beiläufigen Vokabel. Hier wurde nicht nur mit christianitas, sondern auch über christianitas gesprochen.58 Was nun viel deutlicher zu Tage trat, waren die innerchristlichen Kontroversen zwischen Arianern und Katholiken, die Rolle der Kaiser als Vorbild und Bewahrer der christlichen Einheit und die über das Römische Reich in die Welt ausgreifende Mission.59 Epiphanius’ Übersetzung brachte diese Themen zusammen und verband sie durch ihren Bezug zum Christentum. Ebenso wie ihre Vorlagen ist die hist. eccl. tripartita daher eher eine Geschichte des Christentums als eine Kirchengeschichte:60 quasi eine »historia christianitatis tripartita«. Die Vokabel christianitas wurde nicht nur in die Erzählung einer christlichen Geschichte eingeführt, sie trug dazu bei, diese Geschichte zu erzählen. Dies zeigen z. B. einleitende Formulierungen wie in Buch II über die Taten Konstantins des Großen: »Als so die Völker und Städte zum Kult des Christentums kamen« (cum itaque populi et civitates ad cultum christianitatis accederent; 73.137). Dieser allgemein gehaltene Einstieg bot das Setting für die daran anschließende, eigentliche Geschichte von der Zerstörung der Göttertempel unter Konstantin. Das folgende Buch III, das der Ausbreitung des Christenglaubens und der Bekämpfung des Arianismus gewidmet war, begann mit einer Aufzählung, wo das Christentum überall bereits verkündet worden war. Die Episode über das junge Christentum in Persien wurde eingeleitet mit dem Satz: »Bei den Persern wurde, schätze ich, der Anfang des Christentums gefeiert, als einige wegen des Handels zu den Ostroini und Armeniern kamen und dort von den heiligen Männern berichteten und deren Tugenden verkündeten.«61 Dieser 58 So in 73.162 – 163 u. in 73.154: Inter haec evocans imperator Nectarium, tractabat cum eo quid fieret, ut non Christianitas discordaret, sed tota uniretur Ecclesia. 59 Arianer u. Katholiken u. a. in 73.132 – 135; 73.141 – 143; die Mission in 73.138 – 139; 73.162 – 163 und die Kaiser in 73.135; 73.141; 73.143; 73.146; 73.147; 73.149 – 157. 60 Vgl. Zimmermann, Ecclesia, S. 35: »Sokrates wollte sein Werk […] lieber eine Geschichte des Christentums als eine Geschichte der Kirche nennen. Die gesamte Christenheit ist der Gegenstand seiner Historiographie.« Die drei griechischen Kirchenhistoriker wichen auf verschiedene Weisen vom eusebianischen Konzept der Kirchengeschichte ab, so Leppin, Church Historians, S. 249, der ebenfalls feststellt, dass es schwer sei, eine Idee der Kirche zu rekonstruieren: »One thing is clear. The Church is not an institution, which comprises only priests, bishops and synods, but includes also holy men and women, and necessarily the Christian or anti-Christian emperors who influenced the Church.« 61 Apud Persas autem initium Christianitatis aestimo celebratum, dum quidam eorum occasione commercii ad Ostroinos et ad Armenios venientes, ut assolet, sanctis illic colloquerentur viris et eorum virtutes experirentur (73.138).

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Satz erfüllte eine Scharnierfunktion. Im Kapitel selbst ergänzten die darin vorgebrachten Informationen den Überblick über die Erfolge der Christianisierung außerhalb des Römischen Reiches. Als letzter Satz dieses Kapitels gab er das Thema des nächsten Kapitels vor und leitete hierzu über. Nachdem in diesem Satz der Hauptgrund bereits genannt worden war, wie und warum das Christentum in Persien Verbreitung finden konnte, folgte nun die weitere Geschichte des Christentums in Persien. Sehr viel später, im Buch XI über die Regierungszeit Theodosius’ II. wandte sich die Geschichte nochmals den Persern zu. Das entsprechende achte Kapitel setzte wieder ein mit einem Satz zur Orientierung, der den Leser in eine neue Geschichte einführte: »Zu derselben Zeit wurde das Christentum bei den Persern verbreitet.«62 Die dann folgende Geschichte berichtete von Bischof Maruthas (gest. 422), der dem Perserkönig Yazdgird I. (399 – 420/21) verriet, dass nicht das von ihm verehrte Feuer gesprochen habe, sondern die Magier im Hintergrund.63 Als Dank für diese wertvolle Information erlaubte der König den Bau von Kirchen. Diese kleine Episode endete mit dem Satz: »Und hieraus nahm das Christentum sein Wachstum.«64 Dieser Satz übernahm eine Steuerungsfunktion im Text. Er brachte den Sinn der Episode auf den Punkt und wies gleichzeitig die Richtung für die folgenden Erzählungen von Maruthas. Indem der Satz die kleinen Geschichten miteinander verband, rahmte er sie und stellte so die Rückbindung zum Oberthema – der Ausbreitung des Christentums – her. Dieses Oberthema stellte zudem einen neuen Kontext für den Wortgebrauch von christianitas dar. Die Christianisierung wurde in der hist. eccl. tripartita hauptsächlich episodisch erzählt, wie bereits an Bischof Maruthas zu erkennen war. Diese Episoden waren in die chronologische, an Kaisern orientierte Gesamterzählung eingebaut. Meist waren diese Geschichten in der Geschichte in einem Absatz oder einem Kapitel schnell erzählt und erhielten leicht etwas Anekdotisches. Sie vermittelten den Eindruck eines unmittelbaren Geschehens, wie im Falle des Philosophen, der in einem Gespräch mit einem einfachen Gläubigen von diesem das Credo hörte und von dieser Antwort überwältigt sich augenblicklich zum Christentum bekannte (73.136). Der erbauliche und lehrreiche Charakter dieser Miniaturen und Wundergeschichten erschloss sich christlichen Zuhörern der Spätantike wahrscheinlich von selbst. Die Episoden dienten dazu, den Triumph des Christenglaubens auch im Alltag vor Augen zu führen.65 In eine ähnliche Richtung wies auch die Erzählung von der Annahme 62 Eodem tempore apud Persas Christianitas est dilatata (73.162). 63 Zum Hintergrund der Christenverfolgung in Persien unter Yazdgird I. siehe Schuol, Yazdgird I., S. 99 – 110. Die Darstellung des Sokrates muss natürlich cum grano salis verstanden werden. 64 Ex hoc apud Persas sumpsit Christianitas incrementum (73.163). 65 Im Buch XI wird die wiederum nicht unbekannte Figur des jüdischen Scheinchristen bedient

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des Christentums durch die Burgunder. Diese Episode wurde nicht als eigenständige Geschichte präsentiert, sondern als Teil einer größeren Erzählung über die Wahl des Patriarchen Nestorius und die negativen Folgen dieser Wahl.66 Hier erfüllte christianitas erneut die Funktion einer Rückbindung an das Oberthema. Nachdem die Geschichte von der Bedrückung der Burgunder durch die Hunnen knapp skizziert worden war, wurde berichtet, dass die Burgunder auf gemeinsamen Beschluss den Christenglauben annahmen, weil der Gott der Römer (Romanorum deus) machtvoll helfe. Als dann der Hunnenfürst bei einem üppigen Mahl erstickt sei, hätten die Burgunder darin die göttliche Hilfe erkannt und alles Volk wäre mit höchstem Eifer im Christentum verblieben (ferventissme in Christianitate permansit; 73.167). Die Christianisierungsgeschichte wird in der hist. eccl. tripartita mal aus einer Mikro- und mal aus einer Makroperspektive beschrieben, wie man an den Episoden und an oberflächlichen Erzählungen ersehen kann. Die Christianisierung der Armenier, der Inder und der Iren wird in hist. eccl. tripartita III,1,1 – 2 (73.138) zwar berichtet, aber nicht weiter verfolgt. Dies hing nachvollziehbarerweise mit dem Kenntnisstand und dem Interesse des griechischen Christentumshistorikers zusammen. Schließlich waren die Perser dem in Konstantinopel lebenden Socrates auch gedanklich sehr viel näher als ein burgundischer Großverband, der nach Gallien einfiel, und dabei die Taufe erlangte.67 Daher versteht es sich, dass die Bekehrungsgeschichte in Persien einen sehr viel breiteren Raum in der hist. eccl. tripartita einnahm als andere Geschichten dieser Art.68 Außerdem veränderte sich durch die Einbindung von christianitas in die Ausbreitungsgeschichte das begleitende Vokabular. An den oben zitierten Beispielen wird ebenfalls ersichtlich, dass christianitas eine räumliche Dimension erhielt, da sich weitere Satzglieder wie »apud Persas« oder – im Kontext der Konfessionskonflikte in Alexandria – »in publico« oder »in theatris« (73.133 – 134) auf christianitas bezogen. Weiterhin konnte über Formulierungen mit christianitas die Mission in ihrer Dynamik dargestellt werden. Da die Vokabel als Objekt und Adverbiale eingesetzt werden konnte, ließ sich erzählen wie er(73.164), der ficta christianitate sich taufen lassen wollte, um so Geld zu sammeln, wie er es zuvor schon bei anderen Häresien getan hatte. Diese Episode dient vor allem dazu, die Macht der Taufe zu demonstrieren, durch die die Wahrheit über den Juden zum Vorschein kommt. Mit der Aufnahme dieser Wundergeschichte in die Kompilation zeigten Epiphanius/Cassiodor, dass sie dieser Geschichte einigen Wert beimaßen. 66 Zu Nestorius siehe Kapitel II.1. 67 Vgl. Dum¦zil, Racines, S. 199 – 216, bes. S. 199 f. Dieses Ereignis war aber nur von vorübergehender Dauer, außerdem scheinen die Burgunden den homöischen Glauben angenommen zu haben, da Avitus von Vienne in der Zeit Cassiodors bei König Gundebad für eine Konversion der Burgunden zum Katholizismus kämpfte. Pi¦tri, Durchsetzung, S. 343 – 397. 68 So Cassiodor, Historia ecclesiastica tripartita, III.1 – 2 (hieraus: 73.138 – 139) u. XI.8 (= 73.162 – 163) u. XI.15 (= 73.165).

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folgreich bekehrt wurde (73.147 und 148), wie Menschen freiwillig zum Christentum kamen (73.137, 158 und 167), wie manche es nur vorgaben (73.145 und 164), andere davon erfüllt waren (73.141 und 166), andere wiederum vom Christentum abfielen und getrennt wurden (73.150 – 151 und 155, 157), wiederum andere erst gar nicht zum Christentum zu bewegen waren (73.131). Manche konnten vom Christentum zurückgerufen werden (73.139), andere von den Heiden wieder zu Christen bekehrt werden (73.146). Diese Dynamik konnte schließlich auch eskalieren, was nachvollziehbar macht, warum Epiphanius auch übersetzte, dass die Makedonen wegen des Christentums (pro christianitate oriri) untereinander stritten, sich bekämpften und sogar töteten (73.144). Dieses Wechselspiel musste auch Auswirkungen auf die innere Geschlossenheit der Christen haben. Die »innere Kirchengeschichte« wies christianitas dann auf, wenn sich aus unterschiedlichen Vorstellungen zu Dogma und Kultus Fraktionen und Friktionen bildeten, wie es beim Arianismus der Fall gewesen war. Hierzu passt die Erzählung von der arianischen Synode von Mailand 355, auf der der Arius-Kontrahent, der alexandrinische Priester Athanasius (295 – 373) erneut wegen seines Katholizismus verurteilt worden war und seine Mitstreiter, so z. B. Bischof Eusebius von Vercelli, ebenfalls von der Synode exkommuniziert und verbannt wurden (73.142). Das Thema kommt auch in jener christianitas-Stelle in Buch IX,19,1 – 7 zur Sprache, in der Kaiser Theodosius I. dem Patriarchen Nectarius von Konstantinopel (381 – 397) auftrug, für Einheit unter den verschiedenen religiösen Gruppierungen zu sorgen. Dies brachte Epiphanius auf den Punkt, indem er schrieb, dass der Kaiser mit dem Patriarchen Rat hielt, was geschehen müsse, damit das Christentum nicht uneinig, sondern die ganze Kirche vereint sei (ut non Christianitas discordaret, sed tota uniretur ecclesia; 73.154). An dieser Stelle scheinen christianitas und ecclesia nicht nur einfach parallelisiert, sondern identisch gebraucht worden zu sein. Da Socrates hier aber von dem sogenannten Religionsgespräch von Konstantinopel 383 erzählte, auf dem Theodosius zwei Jahre nach dem Konzil von Konstantinopel 381 ausdrücklich mit den Vertretern aller Parteiungen eine freie Lehrdiskussion über Glaubensfragen zu führen gedachte,69 ergibt sich aus dem thematischen Kontext, dass es hier um die Einheit im Glauben und Kult, also in praxeologischer Hinsicht, und um die Einheit in der sozialen Formation, also in institutioneller Hinsicht, ging, und dass beides einander bedingte. Die Gesamtheit der Christen wurde hingegen von Sozomenus in die Kirchengeschichte eingeführt, indem er mit dem Begriff der ecclesia catholica operierte, den Epiphanius dann auch genau so im Lateinischen wiedergab und damit das Verständnis bei Sozomenus reproduzierte.70 69 Vgl. Graumann, Kirche, S. 240 f. 70 Vgl. Zimmermann, Ecclesia, S. 35. Dies lässt sich an der hist. eccl. tripartita nachvollziehen,

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Die Kreativität des Übersetzens

Die textuelle Nähe zwischen christianitas und Kaiser Theodosius führt zum letzten Punkt, der näher betrachtet werden soll: dem semantischen Zusammenhang zwischen Kaisern und christianitas. In den zeitgenössischen Quellen – dem bereits vorgestellten Liber Pontificalis und der Historia Romana – trat christianitas ebenfalls bereits zur Semantisierung der kaiserlichen Christlichkeit auf. Dies geschah auch in der hist. eccl. tripartita: Fast jeder hier genannte Kaiser wurde mit christianitas auf die eine oder andere Weise in Verbindung gebracht. Das Buch III endete mit der Taufe Kaiser Konstantins des Großen, seiner Nachfolgeregelung und seinem Ableben am 22. Mai 337. Zuvor, im 11. Kapitel, berichtete die hist. eccl. tripartita davon, wie Konstantin den nichtkatholischen Christen die Ausübung ihres Glaubens per Gesetz untersagt hatte und diese sich nicht trauten, dem zuwiderzuhandeln, zumal die katholischen Geistlichen über die Einhaltung wachten. Konstantin hatte seine kaiserliche Autorität ausgenutzt, um die Homöer zu unterdrücken und ein Klima der Angst zu schüren, wovon die Katholiken profitierten. Hierauf bezieht sich der erste Satz im Schlusskapitel: »Da sich der allerreligiöseste Kaiser umso mehr am Christentum erfreute und die Einsicht gewann, durch das Zeugnis des wahren Gottes den nizäischen Glauben zu bestärken, machte ihm das, was von Arius berichtet wurde [vermutlich dessen Tod 335], große Freude.«71 Epiphanius blieb hier inhaltlich auf der Linie von Socrates, indem er mit gaudere de + Abl. eine Wendung benutzte, die den persönlichen Bezug zwischen dem Kaiser und dem Christentum beibehielt,72 während sich aus dem Satzzusammenhang ergibt, dass Konstantin wegen seiner zunehmenden Christlichkeit bereit war, schließlich den Glauben in der Taufe zu bekennen, deren Erzählung sich dann anschloss. Was Konstantin im Übermaß hatte (potius christianitate), fehlte seinem Sohn und Nachfolger Konstantius II. (337 – 361). Der dem homöischen Dogma folgende Kaiser hatte Liberius, Bischof von Rom (352 – 366), nach der Synode von Mailand 355 zu sich gerufen, um mit ihm über Glaubensfragen zu disputieren, was in einem Verhör des Bischofs endete, der letztlich vom Kaiser aus Rom verbannt wurde. Das Gespräch ist als Dialog mit wörtlicher Rede in der hist. eccl. tripartita wiedergegeben, sodass der Leser Liberius klagen hört, dass es der Christlichkeit/dem Christentum fremd sei, jemanden in dessen Abwesenheit und ohne Anhörung zu verurteilen. Dieser Vorwurf ging direkt an den Kaiser, der Liberius daraufhin antwortete, dass dieser von allen Bischöfen auf dem Konzil von Tyros (335) gerichtet worden sei. Neben dem juristischen Argument da die genaue Übersetzung auch hier fast ausschließlich catholica mit ecclesia verband. In 43 Stellen kommt catholic* laut LLT 30-mal als Begleiter zu ecclesia vor, 9-mal zu fides und je einmal mit nomen, epistola, libertas sowie einmal alleinstehend. 71 Cumque religiosissimus imperator potius Christianitate gauderet et vere dei testimonio fidem Nicaenam roborari cognosceret, in his, quae fuerant de Ario gesta, laetabatur (73.141). 72 Bei Socr I,38,11 heißt es: j d³ basike»r pk]om t` wqistiamisl` pqoset_heto ja· !kgh_r 1j HeoO lelaqtuq/shai tµm 1m Mija_ô p_stim 1vg}qisjem.

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bediente sich Liberius hier auch eines religiös-ethischen Arguments, indem er dem Kaiser mangelnde Christlichkeit vorwarf, womit diese Eigenschaft als Teil des herrscherlichen Tugendkatalogs sichtbar wird. Von Kaiser Julian wiederum weiß die hist. eccl. tripartita zu berichten, dass er den Schein der Christlichkeit schon alsbald abgeworfen hatte (figmentum christianitatis quod habebat abiecit; 73.145) und sich selbst den Pontifex der Heiden nannte (semet ipsum paganorum pontificem nominabat, 73.145). Angesichts der Beschreibung Julians durch Jordanes ist diese Darstellung nicht weiter bemerkenswert. Eine zweite Stelle ist da schon aufschlussreicher : In Buch VI, cap. 29,1 – 3 befahl Julian den Heiden, nach christlicher Sitte Gebete und Almosen zu verrichten. Der hist. eccl. tripartita bzw. Sozomenus zufolge hatte Julian erkannt, dass der christliche Status (christianitatis statum) aus einem guten Lebenswandel bestehe (ex vita bona et conversatione consistere),73 weshalb die Heiden dies imitieren sollten. Die Kirchenhistoriker legten damit eine Definition der moralischen Dimension des Christseins ausgerechnet dem Kaiser in den Mund, von dem sie zuvor noch berichtet hatten, wie er Athanasius in Alexandria verfolgen ließ (73.147). Die Definition legt nahe, dass sie für jeden Christen gleichermaßen, insbesondere aber für die Kaiser galt. Während es den beiden letztgenannten Kaisern ganz offensichtlich an Christlichkeit mangelte, konnten die Kirchenhistoriker sie bei Theodosius I. und dessen Enkel Theodosius II. wieder eigens hervorheben. Der Großvater habe sich dadurch ausgezeichnet, dass er von vollkommener Christlichkeit gewesen sei, weil er nicht nur die Priester seines Glaubens ehrte, sondern auch Milde gegenüber den Novatianern walten ließ, was wohl einem Akt von Feindesliebe gleichkam.74 In Bezug auf den Enkel hielten Socrates und mit ihm Epiphanius dessen christlichen Eifer fest, der sich unter anderem in der Einhaltung der Fastenzeiten zu erkennen gegeben habe.75 Was sich also im Liber Pontificalis und in der Historia Romana andeutete, wird durch den Wortgebrauch in der hist. eccl. tripartita gestützt. Eines der wesentlichen Anwendungsgebiete von christianitas war das Reden über den Kaiser, dessen Eigenschaft als Christ und seine Einstellung zum Christentum.76 Das Wort diente zur Charakterisierung und Begründung kaiserlichen Handelns. 73 Arbitratus autem Christianitatis statum ex vita bona et conversatione consistere, studuit ubique templa paganorum constructione et ordine Christianae religionis ornare, sedibus atque praesessionibus (73.149). 74 Verum imperator, cum esset perfectissimae Christianitatis, et non solum suae fidei sacerdotes honoraret, sed etiam Novatianos, qui proxime ipsius fidei decreta servarent, Leontio, tunc Romano episcopo Ecclesiae Novatianorum, roganti beneficium conferens, Symmachum absolvit a crimine (73.156). 75 Plerumque jejunabat, et maxime quarta feria et sexta, studio Christianitatis; nec aliter quam monasterium regalia videbantur (73.166). 76 Vgl. Leppin, Kaisertum, S. 161 f.

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Mit ihr wurde dem Kaiser Christlichkeit zugeschrieben oder – wie in den Fällen Konstantius’ II. und Julians – aberkannt. Trotz der relativen Häufung der Vokabel in der hist. eccl. tripartita ist aber zu konstatieren, dass auch diese Verwendung keine dominante Erzählfigur im Diskurs über den Kaiser gewesen sein kann.77 Die Art, wie die Vokabel in Erzählungen eingebaut wurde, zeigt, dass nicht über die Christlichkeit des Kaisers selbst debattiert wurde. Es gab eben keine Kapitel, die im Titel bereits angezeigt hätten, dass nun »de christianitate imperatoris« zu berichten wäre. Diese Formulierung ist eine Erfindung, um zu zeigen, wie das Wort in diesem Kontext auch hätte vorkommen können, es aber nicht tat (zumindest nicht in den überlieferten Schriften). Der Verwendungsmodus ist am besten als politischer Hintergrundstil zu werten, denn es wurde nicht offen über die Herrschertugend mittels christianitas gesprochen; es fand keine politische Auseinandersetzung darüber statt; die christianitas selbst war kein politischer Gegenstand. Gleichwohl war der Gebrauch politisch und dieser politisierte die Vokabel. Das zeigen die Themen Herrschernachfolge, Bekämpfung von Häresie oder der Ausgleich streitender Parteien im Falle Theodosius’ I. Selbst wenn über die Tugendhaftigkeit des Herrschers mittels christianitas nicht explizit geurteilt wurde, schwang in der Verwendung des Wortes immer eine Wertung des Herrschers und seiner Amtsführung mit. Auch die Erwähnung, dass Theodosius II. die wöchentlichen Fastenzeiten einhielt, ist ein politisches Statement. Es zeigte, dass der Kaiser seine christlichen Pflichten ernst nehmen musste. Damit erschien der Kaiser als vorbildhafter Christ und als Garant von Stabilität und Eintracht. Denn mit solch einem Verhalten konnte er für sich wie auch für seine Herrschaft auf die gnadenvolle Unterstützung Gottes hoffen.78 So präsentierten ihn sowohl der griechische Historiker Socrates als auch dessen 77 Geht man mittels HSCM die Kookkurrenten von imperator in der hist. eccl. tripartita durch, ist festzustellen, dass christianitas mit 8 Nennungen für christianitas-Verhältnisse häufig vorkommt, aber unter den weiteren Kookkurrenten nur eine untergeordnete Rolle spielte. Zu den häufigsten Kookkurrenten zählen ecclesia (82), deus (76), episcopus (70), dicere (67) und facere (52); christianitas steht an 173. Stelle. Zu einer – wenngleich vorläufigen – Typologisierung von Konzeptionen christlichen Kaisertums siehe Leppin, Kaisertum, S. 165 – 170; Kolb, Herrscherideologie, S. 91 – 137; Bellen, Christianissimus imperator, S. 3 – 19, Drake, Church, S. 407 – 412, der Barnes Sicht wiedergibt, wonach am Ende des 4. Jahrhunderts Rechtgläubigkeit zu den Kaisertugenden zählte. 78 Vgl. Leppin, Constantin, S. 206 f. u. S. 262 – 272, wo er feststellt, dass keiner der drei griechischen Historiker die Stellung des Kaisers derart überhöhte, wie es Eusebius in Bezug auf Konstantin den Großen getan hatte und keiner unterstellte, dass ein orthodoxer Kaiser der Kirche vollkommene Sicherheit und dem Reich Schutz zu gewähren vermochte. Bellen, Christianissimus imperator, S. 15 – 19, mit dem Hinweis auf verchristlichte Herrschertugenden fides – pietas – humilitas. Hierzu, auch mit weiterer Literatur, Leppin, Kaisertum, S. 167 – 169; Kolb, Herrscherideologie, S. 134 – 138 zum Wandel des Wertekanons durch Aufnahme von fides, pietas und humilitas. Kolb ergänzt, dass Theodoret sogar so weit ging, dass Ungläubigkeit des Herrschers nicht nur dessen Legitimität in Frage stellte, sondern die Wahrung der Orthodoxie wichtiger als die Sicherheit des Reiches gewesen sei.

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Übersetzer Epiphanius. Letzterer aber richtete sich in seiner Ausdrucksweise danach, was ihm auf Latein die wohl angemessenere Formulierung zu sein schien. Epiphanius nutzte studio christianitatis und ersetzte damit die Verbform, die Socrates verwendet hatte. Hier wurde bewusst christianitas eingeführt, weil es der gepflegten Semantik des Lateinischen an dieser Stelle entsprach. Eine andere Übersetzung, z. B. mittels christianus wäre möglich gewesen, doch sie unterblieb. Aus der Ausdrucksweise an dieser Stelle lässt sich schließen, dass Epiphanius sich eines Musters bediente, dass durch den Sprachgebrauch vorgegeben war und das durch Verwendung stabilisiert wurde, ohne das letzteres intentional geschah. Die Verwendung von christianitas in Bezug auf den Kaiser vermittelte die politische Grundüberzeugung von der Christlichkeit des Kaisertums. Sie war dessen sprachliches Sediment und dessen Nährboden. Mit christianitas zu sprechen bedeutete, den Kaiser am Maßstab der Christlichkeit zu messen, dem Kaiser aber auch diese Eigenschaft zuzusprechen, mithin christianitas von einer persönlichen zu einer politischen Eigenschaft zu erheben.79 Diese Art von christianitas-Gebrauch steht für einen Weg, auf dem sich das Christentum das Kaisertum aneignete. Denn es wird, um eine Formulierung Hartmut Leppins aufzugreifen, keine »schlechthinnige Christianisierung des Kaisertums« gegeben haben, sondern vielfältige Weisen, auf denen diese geschehen konnte.80 Dass der auf den Kaiser bezogene christianitas-Gebrauch nicht weiterging, nicht noch viel stärker den Kaiser in christlichen Weltdeutungsschemata verortete, mag verdeutlichen, dass das langsame Herantasten und Austarieren von Christentum und Kaisertum selbst zu Zeiten Cassiodors, Epiphanius und dem wohl aus seiner eigenen Sicht allerchristlichsten aller Kaiser nach Konstantin, nämlich Justinian (527 – 565), noch längst nicht abgeschlossen war.81 Faszinierenderweise blieb Epiphanius im Übrigen seiner Aufgabe als Übersetzer auch darin treu, dass er immer nur dann von christianitas in Bezug auf den Kaiser sprach, wenn dies im Einklang mit den griechischen Vorlagen stand.82 So kam es wohl auch dazu, dass Epiphanius das Epitheton christianissimus zur Charakterisierung der Kaiser nicht anführte, weil es seine

79 Das stützten auch die Briefe der Päpste Hormisdas an Kaiser Justin (59.112), Apaget I. an Kaiser Justinian (62.115) und Vigilius an denselben (63.116 – 119), wie Kapitel VI.1 zeigen wird. 80 Vgl. Leppin, Kaisertum, S. 172. 81 Insofern stimmt die ausgemachte christianitas-Verwendung mit der These von Leppin, Kaisertum, S. 172, überein. 82 Siehe zu Konstantin 73.135 = Soz I,16,1 – 2; 73.141 = Socr. I,38,11 ; Konstantius II. 73.143 = Theo II,15 ; Julian 73.145 = Socr III,1,39; 73.147 = Soz V,15,1; 73.149 = Soz VI, 16,1; Theodosius I. 73.154 – 155 = Socr V,10,7 u. 10,11; 73.156 = Socr V,12 – 14; Theodosius II. 73.166 = Socr VII,22,3.

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Vorlagen eben auch nicht taten, während es sowohl auf Griechisch und Lateinisch längst eingeführt und gebräuchlich gewesen ist.83 Da Sprache ihren eigenen, aber auch gesellschaftlichen Normen unterliegt und da Epiphanius sich an die ihm wohlbekannten Normen über das mit christianitas Sagbare hielt, scheint es auf den ersten Blick unpassend, von Kreativität im christianitas-Gebrauch in der hist. eccl. tripartita zu sprechen. Entscheidend ist hier aber nicht die Kreativität des Übersetzers als Person, sondern die Kreativität des Übersetzens als Prozess.84 Natürlich setzt in einem herkömmlichen Sinne der Akt der Schöpfung einen Schöpfer, einen Urheber, voraus. Doch auch der Vorgang der Schöpfung bzw. hier des Übersetzens ist an sich kreativ, der Prozess verändert das anvisierte Ergebnis. In diesem Sinne ist auch die Verwendung von christianitas in der hist. eccl. tripartita kreativ gewesen. Epiphanius brachte mehr hervor, als er sich wohl selbst ausgemalt hatte. Das Werk verselbständigte sich gegenüber seinen Vorlagen und gegenüber seinem Schöpfer, indem sich darin erstens die syntaktischen und lexikalen Möglichkeiten des Gebrauchs erweiterten, sich zweitens die Mission als ein neues Thema für den Gebrauch erschloss und das Werk drittens dazu beitrug, dass christianitas als kaiserliche Christlichkeit eine politische Dimension erhielt. Die Vorstellung, dass das Römische Reich mit dem orbis terrarum, der Welt als Ganzes, gleichzusetzen sei und dass die von Christus befohlene Mission in der Christianisierung dieses Reiches ihre Erfüllung gefunden habe,85 kann jedenfalls nicht die Auffassung der christlichen Historiographen im Konstantinopel des 5. Jahrhunderts gewesen sein. Dieses Verständnis einer die Grenzen des Römischen Reiches überschreitenden Mission hat Epiphanius mit seiner Übersetzung weiterverbreitet. Zudem passt die besondere Betonung der Ausbreitung nicht nur in das allgemeine theologische Konzept von der Universalmission, sondern auch in die Konzeption, die Cassiodor in seinen Institutiones festgehalten hatte. Danach wären die Mönche auch dazu verpflichtet gewesen, die rustici auf den Ländereien des Klosters den Glauben zu lehren und sie von nichtchristlichen Kulthandlungen fortzuführen. Bruno Dum¦zil hat daher 83 Eine Abfrage in der TLG ergab, dass in den drei Kirchengeschichten nicht einmal Wqistiamij~tator vorkam, obwohl die Bezeichnung als Anrede z. B. auf dem Konzil von Chalkedon sehr wohl genutzt worden war, was für eine weite Kenntnis dieser Bezeichnung sprechen kann: § Wqistiamij~tate ja· pqosjumgt³ basikeO, in: Konzil von Chalkedon 451, ep. 1 (ACO 2,1,1), S. 4. 84 Übersetzen ist ein kreativer Vorgang mit zum Teil weitreichenden Konsequenzen. Maura Lafferty, Translating Faith, S. 61 f., hat z. B. anhand der liturgischen Praxis in Mailand und Rom des 4. Jahrhunderts nachgewiesen, dass Latein erst als liturgische Sprache etabliert wurde und damit Griechisch als vornehmliche Liturgiesprache ablöste. Auf diesem Wege hätten die Beteiligten auch den arianischen Einfluss auf die lateinisch sprechenden Christen eindämmen wollen. 85 Vgl. Smith, Europe, S. 230.

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davon gesprochen, dass Cassiodor zur Re-Definition der monastischen missionarischen Methode beigetragen habe, ohne aber Erfolg gehabt zu haben.86 Die Neubewertung der Mission und die daraus resultierenden Konsequenzen könnten auf die Erzählungen über die Mission in der hist. eccl. tripartita zurückgehen. Jedenfalls konnte Cassiodor in der Übersetzung schließlich lesen, wie die Ausbreitung des Glaubens voranschreiten konnte oder Rückschläge hinnehmen musste, wenn sie nicht innerhalb eines festdefinierten Herrschaftsraumes und unter wechselhaften politischen Umständen stattfand. Und damit musste Cassiodor zu seinen Lebzeiten in Italien zur Genüge Bekanntschaft machen.87 Dies führt schließlich zu der Frage, wie sich der christianitas-Wortgebrauch in der hist. eccl. tripartita zu dem des Cassiodor und seines weiteren Umfeldes verhält. Hier wird deutlich, dass Epiphanius weiterging als sein Freund und Auftraggeber. Da Cassiodor zum Schluss das Werk selbst gelesen oder aber zusammengestellt haben wird, muss ihm der Ausdruck aufgefallen sein, eben weil er – wie in der Persienepisode – so prominent im Text erschien. Diese Ausdrucksweise wird Cassiodor wohl nicht gestört haben, weil sie sonst sicherlich abgeändert worden wäre. Seinem eigenen Wortgebrauch entsprach diese Ausdrucksweise jedenfalls überhaupt nicht. Cassiodor nutzte das Wort weder in seinen Variae noch in seinen Institutiones, sondern nur je einmal in seinem Psalmen- und in seinem Pauluskommentar.88 In letzterem zitierte er Pelagius’ Pauluskommentar wortwörtlich (69,127; 70.128 = 24.57); darin bezeichnete christianitas die Stufe des Christseins gegenüber dem Naturzustand und dem Zustand der Beschneidung (also dem Judentum) und implizierte somit ein zeitliche Abfolge. Ein weiterer, unbekannter Cassiodor-Schüler übernahm diese Wendung in seiner Auslegung einer Stelle aus dem Kolosserbrief (72.130) und auch Primasius von Hadrumetum nutzte in seinem Apokalypsekommentar christianitas, um die christliche Ära der Verfolgungszeit gegenüberzustellen, wie Kapitel II.4 bereits gezeigt hat.89 Dass im religiösen Schriftgut die temporalisierte Verwendung von christianitas entsprechend der Pelagius-Auslegung herangezogen wurde und gerade nicht die von Epiphanius erschlossenen neuen Möglichkeiten, zeigt vielleicht einmal mehr, dass Epiphanius bei seiner Übersetzung den Rahmen der seinerseits gepflegten Semantik überschritten hatte, und dass stattdessen solche temporalisierten Verwendungen viel eher aufgegriffen wurden.

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Vgl. Dum¦zil, Racines, S. 388. Vgl. Leppin, Justinian, S. 215 – 223. Vgl. Jaitner-Hahner, Cassiodors Psalmenkommentar. Numerus autem mensium non nouissimam tantum persecutionem significat sed etiam christianitatis tempus omne designat; […] (75.173).

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3.

Die Kreativität des Übersetzens

Erzählen mit christianitas nach Epiphanius

Die hist. eccl. tripartita gilt zu Recht als ein »Bestseller der mittelalterlichen Buchkultur«.90 Sie wurde weit verbreitet, viel gelesen, häufig zitiert und diente als Grundlage eigener geschichtlicher Entwürfe.91 Auch Franz Brunhölzl kam nicht umhin, trotz seiner schlechten Meinung über die schriftstellerische Qualität des Werkes ihren großen Erfolg vor allem im 9. Jahrhundert zu würdigen.92 So plante Johannes Diaconus eine neue Kirchengeschichte in Anlehnung an die hist. eccl. tripartita, wozu ihm der Kanzler und Archivar der Römischen Kirche Anastasius Bibliothecarius (vor 817 – 879) Materialien besorgte. Da Johannes das Geschichtswerk nie schrieb, wurde aus der Materialsammlung, die aus Darstellungen der griechischen Autoren Nicephorus, Syncellus und Theophanis bestand, ein eigenständiges Werk. Der Titel chronographia tripertita sollte bereits zu erkennen geben, dass Anastasius mit seiner Übersetzung an die hist. eccl. tripartita anknüpfte.93 90 Zechiel-Eckes, Fälschung, S. 9 f. 91 Vgl. McKitterick, Audience, S. 104 f. Abschriften der hist. eccl. tripartita waren laut der Bibliothekskataloge in St. Gallen, auf der Reichenau, in Würzburg und in Tegernsee bekannt. Adalhard, Abt von Corbie, hatte sich 820 eine Kopie anfertigen lassen. An Abbo von SaintGermain lässt sich gut sehen, dass die hist. eccl. tripartita zur Grundlage eigener Geschichtsentwürfe gemacht wurde: Abbo erzählte zuerst eine Ausbreitungsgeschichte des Christentums, bevor er im zweiten Teil der Predigt eine Umdeutung der augustinischen civitas Dei zur christianitas vornahm und damit entsprechend dem politischen Augustinismus ein weit über Augustinus hinausweisendes Konzept des Christentums entwarf. Siehe Abbo von Saint-Germain, 22 Predigten, Sermo 14, S. 133 – 146 (437.776 – 817). Courcelle, Writers, S. 402, erwähnt, dass entweder Hildebald von Köln oder Lupus von FerriÀres in Rom um eine Originalabschrift gebeten hätten, die dann häufiger nördlich der Alpen abgeschrieben wurde. Der Einfluss der hist. eccl. tripartita ist z. B. bei Frechulf von Lisieux auszumachen, siehe 251.456 – 459. 92 Vgl. Brunhölzl, Literatur, Bd. 1, S. 41. Jacob, Die handschriftliche Überlieferung, S. 4 f. u. S. 10 f., sprach von über 150 Handschriften, die sich noch vor dem Zweiten Weltkrieg nachweisen ließen. Da aber nicht systematisch nach Handschriften der hist. eccl. tripartita gesucht worden sei, ließe sich seiner Meinung nach wahrscheinlich die doppelte Anzahl annehmen. Die Hs. Leningrad F.v.I. No. 11 s. IX in. (Corbie) wurde von vielen Händen zur gleichen Zeit in der sogenannten Corbie-Schrift verfasst. Die Hs. Paris BNF lat. 17581 s. IX. ist ebenfalls aus dem 9. Jh. Hier konnte aber der Ursprung der Hs. nicht ermittelt werden. 93 Vgl. Die lateinische Übersetzung des Anastasius Bibliothecarius, in: Theophanis Chronographia II, S. 401 – 552, hier S. 401. Allerdings nutzte Anastasius in diesem Zusammenhang nicht wie Epiphanius christianitas, um christianismos zu übersetzen, sondern nutzte auch wieder christianismus. Siehe auch Theophanis Chronographia, I,15, Z. 28 – 32 u. II,80, Z. 24 – 28. Zu Anastasius wechselvoller Karriere Neil, Popes, S. 11 – 34; Forrai, Anastasius, S. 325 – 327; Berschin, Mittelalter, S. 202. Der christianitas-Gebrauch von Anastasius selbst und dem Zusammenhang zu demjenigen von Nikolaus I. und Johannes VIII., deren Kanzler Anastasius gewesen ist, verdient noch weiterer Untersuchungen. Siehe den Brief Nikolaus I. an Kaiser Michael, der aus der Feder des Anastasius sein soll. Nicolai I. papae epistolae, ep. 88 (MGH Epp. 6), S. 454 – 487; PL 119, 926D – 962C (331.602 – 604). Außerdem die von Anas-

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Doch kurz- und mittelfristig sah die Rezeption anders aus. Zusammen mit anderen Schriften aus der Klosterbibliothek des Vivarium kam die hist. eccl. tripartita am Ende des 6. Jahrhunderts nach Rom in die Lateranbibliothek.94 Papst Gregor der Große kritisierte sie indirekt, aber heftig,95 um aber an anderer Stelle auf Wissen zu rekurrieren, dass er sich durch deren Lektüre erworben hatte.96 Obwohl mittels der Vokabel nunmehr Missionierungsvorgänge beschrieben werden konnten, griff Gregor in seiner Kommunikation mit seinen Missionaren in Kent und den dort ansässigen Herrschern die Vokabel in diesem Zusammenhang nicht auf. In einem Brief vom Juni 601 sprach er von der Bekehrung des englischen Volkes (conversio gentis Anglorum) und verglich die Empfängerin, Königin Bertha, mit Helena, der Mutter Kaiser Konstantins, die das Herz der Römer für den christlichen Glauben entflammt hatte, wie Gregor sich ausdrückte.97 Das allein zeigt, dass der Papst nicht auf christianitas angewiesen war, um den Vorgang der Missionierung in Worte zu fassen, diese Missionierung an die Ausbreitungsgeschichte in römischer Zeit anzubinden und damit in einer christlichen Gesamterzählung zu situieren.98 Derselbe Brief an Bertha belegt ebenfalls, wie der Papst das Wort stattdessen nutzte, nämlich um die Christlichkeit der Königin lobend hervorzuheben und damit gleichzeitig an ein nicht nachlassendes Engagement in der Missionierung zu appellieren.99 Wenngleich die hist. eccl. tripartita neue Ausdrucksmöglichkeiten für die Mission zur Verfügung stellte, haben andere Geschichtswerke der Zeit nicht Gebrauch davon gemacht, zumal wenige Geschichten eine Missionsgeschichte erzählen wollten.100 Die eine Stelle in der sogenannten Fredegar-Chronik wiederholt immerhin die Wortverbindung aus initium und christianitatis, bezieht diesen Anfang aber auf die Taufe des merowingischen Chlodwigs durch Bischof

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tasius verfassten Viten im Liber Pontificalis, PL 128, 513 – 515, 1357 – 1377, 1380 – 1395 (346.637 – 641), und die Übersetzung der Beschlüsse vom 7. Ökumenischen Konzil, siehe Sancta Synodus septima generalis Nicaena secunda, in: PL 129, 195B – 512A (368.682 – 683), sowie die Collectanea ad Joannem Diaconum, in: PL 129, 557C – 742D (370.685). Vgl. Richards, Gregor, S. 261; Courcelle, Writers, S. 361 – 409, bes. S. 402. Vgl. Gregor, ep. VII,31 (MGH Epp. 1), S. 479. Vgl. Bartelink, Knowledge, S. 122, Gregor, ep. VII,5 u VII,31 (MGH Epp. 1), S. 448. Gregor, ep. XI,55 (MGH Epp. 2), S. 304: Nam sicut per recordandae e memoriae Helenam matrem piissimi Constantini imperatoris ad christianam fidem corda Romanorum accenderat, ita et per gloriae vestrae studium in Anglorum gentem eius misericordiam confidimus operari. Vgl. Goetz, Gott und die Welt, Bd. I/2, S. 215 – 235. Siehe auch Kapitel VI.2. Vgl. Wood, Missionary Life, S. 25 u. S. 29, verweisend auf die Beschreibung der Taufe Chlodwigs durch Gregor v. Tours, Libri historiarum X, cap. II,31 (MGH SS rer. Merov. 1), S. 76 – 78, wo Gregor eben nicht von christianizare oder christianitatem accipere/suscipere oder dergleichen sprach. Gleiches gilt für die Hagiographie, die ebenfalls nicht Geschichte sein wollte und sich ohnehin durch große Vielfalt auszeichnete, siehe nochmals Wood, Missionary Life, S. 265.

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Remigius von Reims (117.225)101 und schließt sich damit einem personalisierten Verständnis von christianitas als Eigenschaft an. Unabhängig von der Frage, ob es diese Taufe so gegeben hat, wie sie überliefert ist,102 zeigt bereits die Überlieferung einer solchen Erzählung, welche politisch sinnstiftende Bedeutung einem solchen Ereignis durch die Historiographen beigemessen wurde. Jedoch befindet sich die christianitas-Stelle nur in der Kapitelübersicht. In der eigentlichen Erzählung kam sie gar nicht vor und konnte so gar keine narrative Funktion übernehmen. Am ehesten wäre eine Rezeption der hist. eccl. tripartita durch den englischen Mönch und Universalgelehrten Beda Venerabilis zu erwarten gewesen. Jener hat sie für seine Kirchengeschichte des englischen Volkes jedoch nicht herangezogen,103 was den Verdacht erhärtet, dass die hist. eccl. tripartita auf einem Regalboden in der Lateranbibliothek eher einstaubte als abgeschrieben wurde. Von den drei christianitas-Stellen in Bedas Kirchengeschichte stammten zwei aus inserierten Briefen der Päpste Honorius (106.213 = 134.248) und Bonifatius V. (103.210 = 134.247). Nur eine Stelle kam aus Bedas eigener Feder: ne forte accepto christianitatis vocabulo (134.249). Er sprach hier von der christlichen Bezeichnung im Zusammenhang mit dem Osterstreit, dessen Andauern viele mit Sorge erfüllt habe, ob sie denn das Richtige getan hätten, als sie die christliche Bezeichnung angenommen hatten.104 Beda bewegte sich damit in jeder Hinsicht innerhalb des etablierten Wortgebrauchs: Die Wortverbindung war bereits patristisch, die Syntax war es auch, nur der thematische Bezug war aufgrund des speziellen Gegenstandes neu. Als Auseinandersetzung um die dem Dogma entsprechende Glaubensausübung bewegte sich die Episode hingegen im Rahmen des Hergebrachten. Es kann sogar sein, dass Beda bewusst sparsam 101 Es ist möglich, dass dem Schreiber an dieser Stelle schlicht ein orthographischer Fehler unterlaufen ist, da fälschlicherweise christianitates geschrieben steht. Es ist auch möglich, dass dem Schreiber das Wort nicht vertraut war und er einfach schrieb, was er hörte, schließlich handelt es sich um eine grammatisch mögliche, wenn auch semantisch sinnlose Form. 102 Hierzu und zu der Frage, welchen Glauben Chlodwig überhaupt angenommen hat, vgl. Becher, Chlodwig, S. 174 – 203; Kaiser, Das römische Erbe, S. 89 f.; Geary, Merowinger, S. 91; Wood, Merovingian Kingdoms, S. 42 – 48; Dum¦zil, Racines, S. 217 – 220. 103 Vgl. Freculf von Lisieux, Historiarum libri XII, Introduction, (CCCM 169), S. 12*. 104 Defuncto autem Finano, qui post illum fuit, cum Colmanus in episcopatum succederet, et ipse missus a Scottia, grauior de obseruatione Paschae necnon et de aliis ecclesiasticae uitae disciplinis controuersia nata est. Vnde merito mouit haec quaestio sensus et corda multorum, timentium ne forte accepto Christianitatis uocabulo ›in uacuum currerent aut cucurrissent‹. (134.249) Hier ist eine Korrektur in der Edition von Spitzbart notwendig. Es muss heißen, »die fürchteten, dass sie trotz der Annahme der christlichen Bezeichnung vielleicht umsonst liefen oder gelaufen wären. Das forte gehört zum Galaterzitat und nicht zu accepto christianitatis vocabulo, das als Ablativus absolutus eingeschoben wurde. Vgl. Beda, Kirchengeschichte, III,25, ed. Spitzbart, S. 285.

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mit dem Wort umging, um damit beim Leser/Zuhörer eine höhere Wirkung zu erzielen. In diesem Satz konnte dann eine seltene Vokabel zusammen mit dem an sich schon alarmistischen Bibelzitat (Gal 2,2) den Eindruck höchster Dringlichkeit vermitteln. Die Osterfrage musste schnell gelöst werden, ansonsten hätte wohl nicht weniger als der Erfolg der christlichen Mission auf dem Spiel gestanden. Beda räumte ein, dass die Frage zu Recht die Sinne und Herzen vieler bewegte und Zweifel an der Richtigkeit des Glaubens angebracht seien. Da die Frage auch die gesellschaftliche Integrität bedrohte, sei die Frage unter der Leitung des Königs zu klären gewesen, um eine für alle gleichermaßen gültige Regel zu finden, die die Einheit von Dogma und Kultus sicherstellte, ohne die das Christentum nicht länger bestehen könne. Mayke de Jong hat im Zusammenhang mit der Diskussion um den Osterterminierung auf der Synode von Withy 664 unter Leitung von König Oswiu von Northumbrien (642 – 670) zu Recht davor gewarnt, in dieser Geschichte bereits ein Indiz für die Existenz einer universellen römischen Kirche zu sehen, die die Ausweitung einer frühmittelalterlichen »Christianitas« betrieben habe: »The new Christian realms might invoke Roman authority, but these polities primarly defined themselves by drawing strict liturgical boundaries coinciding with their respective ›peoples‹ (gentes). The quest for a truly uniform Christian cult was a crucial element that defined the identity of a king and the leading men of his gens, who were accountable to God for their ›people‹.«105

Die sich hier andeutende Nähe von christianitas und herrschaftlichem Handeln lässt sich allerdings nicht weiter bestimmen, weil Beda die Vokabel weder hier noch in anderen Schriften nochmals in einem ähnlichen Zusammenhang verwendete. Stattdessen benutzte er in seinem Apokalypsekommentar das für dieses Genre etablierte Muster der christlichen Zeiten (christianitatis tempora; 130.243). In seiner Fassung der Vita Anastasii markierte Beda den christlichen Namen des Heiligen mit christianitas. Abermals setzte Beda die christliche Bezeichnung als personales Charakteristikum ein. Leider ist die Stelle korrumpiert, doch scheint der Sinn klar : Als der Heilige gefragt wurde, woher er komme und wie er sich nenne, antwortete dieser, »Ich bin Christ […]. Mein früherer Name lautete Magundat, mit christlichem [Namen] werde ich Anastasius genannt.«106 105 Vgl. de Jong, Religion, S. 137. 106 Unde es? et quis vocaris?«Ipse vero ait: Ego Christianus sum. Si autem cupis discere quantum ad genus, Persa de regione Razech, de villa Rasnuni. Officialis eram et magus; et reliqui tenebras, et veni ad veram lucem. Nomen autem meum prius Magundat, Christianitatis … vero Anastasius vocor. (131.244) Vgl. Beda, Acta et passio beati Anastasii maryris, cap. 19, ed. Franklin, S. 387 – 416 hier 401: Nomen autem meum prius Magundat, Christianitatis vero Anastasius vocor. Es handelt sich um die BHL 408(p) Redaktion. In der Redaktion BHL 410b gibt es hingegen eine andere Stelle: ebd., S. 417 – 448, hier S. 430, cap. 7: Admirans autem et obstupescens super hoc praedestinatus Dei famulus Anastasius, non desinebat

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Hier verdeutlicht Beda mit nomen christianitatis, dass Anastasius wahrhaftig Christ geworden sei und nicht mehr Zauberer, der er einst gewesen war. Auffällig ist übrigens, dass Beda den christianitas-Gebrauch aus der wohl ersten lateinischen Fassung der Vita in seine Version nicht übernommen hat und stattdessen lieber die Episode um den Namen des Anastasius mit christianitas auszeichnete. Offensichtlich bevorzugte Beda die Bedeutung Christlichkeit anstelle von Christentum/christlichen Glauben, wie es in der ersten Fassung gebraucht wurde (127.240). Die Passio gibt nicht nur einen Einblick in Bedas Umgang mit christianitas. Sie zeigt auch den Wissens- und Kulturtransfer zwischen Rom und England im 7. Jahrhundert und dass solch ein Transfer auch für die hist. eccl. tripartita möglich gewesen wäre. Allerdings erfreute sich im 7./8. Jahrhundert die Literaturgattung der Hagiographie höherer Beliebtheit als die Historiographie107 und fand vor allem durch Pilgerreisen in Gallien weite Verbreitung.108 Im Fall der Passio S. Anastasii Persae geht man davon aus, dass ein anonymer, römischer Übersetzer die Schrift aus dem Griechischen übertragen hat, da dieser aus Persien stammende Heilige Patron des Vincentius- und Anastasiusklosters im Süden Roms (Tre Fontane) gewesen war.109 Michael Lapidge hält es für möglich, dass der spätere Erzbischof von Canterbury, der aus Tarsus gebürtige Grieche Theodor (668 – 690), in Rom die Passio kennengelernt und nach Canterbury mitgenommen habe,110 während Carmela Vircillo Franklin Indizien dafür zusammengetragen hat, dass Theodor die erste lateinische Fassung selbst erstellt hat.111 Wenn diese Fassung von Theodor stammen sollte, ist wohl verständlich,

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de Christianitate inquirere, et quanto plus per auditum quae veritatis sunt percipiebat, tanto magis ab eius corde magicae seductiones abscedebant (127.240). Berschin, Karolingische Biographie, S. 332. Röckelein, L’hagiographie, S. 193, betont, dass die merowingischen Hagiographien vor allem auf Popularität und Verbreitung ausgerichtet waren. Die frühere Geringschätzung der Geschichtswissenschaft für die Hagiographie hat sich ins Gegenteil verkehrt. Dank der wegweisenden Arbeiten von Frantisek Graus ist die Hagiographie, so Röckelein, S. 187, »l’une des sources les plus importantes sur la vie sociale et politique des ¦lites de l’antiquit¦ tardive et du haut Moyen ffge est d˜ — l’interd¦pendance entre l’objet et le texte.« Goullet, Êcriture; Graus, Hagiographische Schriften, S. 29 – 47; Van Uytfanghe, Vita, S. 195 – 200; Wood, Merovingian Kingdoms, S. 245 – 249. Die Verschiebung zur Hagiographie ist wohl jenem großen Prozess vom Säkularen zum Religiösen zuzuordnen, den Angenendt, Kirche, S. 110, im Bereich von Recht und Medizin ausgemacht hat. Vgl. Philippart/Trigalet, Latin Hagiography, S. 119 – 121. Vgl. Berschin, Merowingische Biographie, S. 160 f. Vgl. Lapidge, Archbishop Theodore; ders., Career; ders., Byzantium, Rome and England, S. 367 f.; Berschin, Merowingische Biographie, S. 292; ders., Griechisch-lateinisches Mittelalter, S. 115; Berschin argumentiert, dass Theodor als Grieche das Anastasius-Kloster ad aquas Salvias im Süden Roms gekannt haben wird, vielleicht sogar von dort kam, bevor er 668 nach Canterbury geschickt wurde. Hätte Theodor die Übersetzung angefertigt, hätte man jedoch erwarten können, dass die Passio wohl stilistisch und orthographisch in einem besseren Zustand gewesen wäre, als diejenige, die Beda später beklagt hat. Franklin, Latin Dossier, S. 256; dies., Theodore, S. 194; Lapidge, Byzantium, S. 369.

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warum Beda keine Namen nannte, als er sich beklagte, dass das Buch des Leidens und Lebens des heiligen Anastasius schlecht aus dem Griechischen übersetzt und noch schlechter von einem Unkundigen verbessert worden sei und er versucht habe, sie sinngemäß zu verbessern.112 Michael Lapidge hat Beda auch als Verfasser der »ersten historischen Martyriologie« bezeichnet.113 Beda blieb bei der Überarbeitung der Vita des heiligen Anastasius dem Genre der Hagiographie sprachlich weiter verbunden. Die dort vorgefundene christianitas-Stelle reiht sich nämlich in ein Verwendungsmuster in merowingischen (Bischofs–)Hagiographien ein. In der Vita Gaugerici, in der Vita Amati und in der Vita Rusticulae stand christianitas jeweils im Zusammenhang mit der Herkunftserzählung des bzw. der Heiligen. Die erste Vita für G¦ry, Bischof von Cambrai (gest. um 625), kurz nach dessen Tod geschrieben, setzte ein mit der Erwähnung seines Herkunftsortes und seiner Eltern, »die nicht die ersten und auch nicht die letzten römischer Abstammung und von wahrer christlicher Religion« gewesen seien.114 Die Schreibweise bzw. der orthographische Fehler mag, wie im Falle Fredegars, auf Unsicherheit oder aber auf grammatikalischer Verschleifung durch den Alltag hindeuten.115 Interessant ist hier aber, dass christianitas zum Beschreibungsvokabular von Herkunft und Identität hinzugezogen wurde: Die religo christianitatis als Angabe der Kultzugehörigkeit trat zusammen mit der ethnischen Zugehörigkeit (Romanis nationes, sic!) auf. Dabei hätte gerade die Vita des G¦ry thematisch auch zur Christianisierung der Region um Cambrai herangezogen werden können, war diese zwar kein echtes Missionsgebiet mehr, aber noch weit von einer umfassenden Christianisierung entfernt.116 Die Vita des heiligen Amatus117 wiederum entsprach im Gebrauch 112 Beda, Historia ecclesiastica, V,24 (SC 490), S. 192; Lapidge/Love, England and Wales, S. 214. 113 Lapidge/Love, England and Wales, S. 213: Beda sei der größte Hagiograph des angelsächsischen Englands, da er nicht nur sehr viele Hagiographien aufbewahrte, sondern auch intensiv korrigierte. 114 Igitur beatissimus Gaugericus episcopus Germani oppido Ebosio castro oriundus fuit parentibus secundum saeculi dignitatem non primis, non ultimis, Romanis nationes, christianitates vero religionem (107.214). M¦riaux, Gallia irradiata, S. 355. 115 Wood, Merovingian Kingdoms, S. 247, tritt Kruschs Verdikt über das Merowingerlatein entgegen und konstatiert ein Bewusstsein für die literarische Form. Krusch hatte, so Wood, darauf hingewiesen, dass vor allem die Handschriftencodices aus dem 12. bis zum 14. Jahrhundert Veränderungen aufweisen, sodass sogar noch dringender die Frage gestellt werden muss, inwieweit eine Formulierung wie religio christianitatis im Hoch- und Spätmittelalter noch verständlich war, wenn sie abgeändert wurde. Die späteren Fassungen der Vita enthalten weder an der Stelle der ersten Vita, noch an irgendeiner anderen Stelle christianitas. Vgl. Vita Gaugerici secunda (BHL 3287) u. Vita Gaugerici tertia (BHL 3289), in: AA SS Aug. II,11, S. Gaugericus episc. Camerac. in Belgio, nach der Online-Version http://acta.chadwyck.co.uk/all/search (eingesehen am 4. 12. 2014). 116 Vgl. M¦riaux, Gallia irradiata, S. 235 f.; König, Bekehrungsmotive, S. 86, S. 121 u. S. 396. 117 Abt Amatus gründete 620 das anfängliche Doppelkloster St. Peter von Romberg (Lothringen/ Vogesen)/St. Pierre de Remiremont (Lorraine/Vosges), zuvor war er Mönch in Luxeuil.

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Die Kreativität des Übersetzens

der Vita Gaugerici.118 Auch die Vita für Rusticula, Äbtissin von Arles begann mit einer Beschreibung der Eltern als Römer und Christen.119 Neben diesem einen Verwendungsmuster lässt sich aber durchaus eine vielgestaltige Verwendung in den Hagiographien ausmachen, wie es bei einem so facettenreichen Genre auch nicht anders zu erwarten ist. Erstens bereicherten inserierte Texte die Heiligengeschichten und brachten den in ihnen vorkommenden christianitas-Gebrauch in die Geschichten ein, wodurch dieser weitergetragen wurde. Ein Beispiel ist die Vita Eligii.120 Hier befand sich christianitas in einer in die Vita aufgenommenen Predigt des Bischofs Eligius von Noyon (gest. 659/60?). In dieser wie auch in einer zweiten Predigt nutzte Eligius christianitas im Zusammenhang mit christlich normiertem Handeln.121 In beiden Fällen wurde das Muster »Wahre versus falsche Christen« wie in den spätantiken Predigten bedient und noch dadurch ausgeführt, dass Eligius die Verpflichtung zur virtus aus dem nomen ableitete, dies nochmals erklärte und die damit verbundenen theologischen Grundpositionen wiederholte. Zweitens ist auch ein Wortgebrauch auszumachen, demzufolge christianitas den christlichen Glauben bezeichnete. Ein unbekannter Mönch im Kloster St. Symphorien in Autun verfasste die erste Passio für Bischof Leodegar von Autun (616 – 677/78/79?)122 und nutzte darin christianitas im unmittelbaren Umfeld zu amor (religioso christianitatis amore; 126.238/ob amorem christianitatis; 126.239). Eine emotionale Konnotation war zwar schon in den 118 Nobilibus natus parentibus, ex Romana oriens styrpe, in suburbano Gracianopolitanae civitatis preclarae indolis puer exortus est, patre videlicet nomine Hiliodoro, summae christianitatis religioni innixo (109.216). 119 Clarissimis igitur orta natalibus Valeriano et Clementia coniugibus Romanis, cultum christianitatis cum summa veneratione colentibus, […] (111.219). 120 Vgl. Berschin, Merowingische Biographie, S. 59. Zur Vita selbst: Bayer, (Art.) Vita Eligii, S. 461 – 524. Ein zweites, wenngleich fragwürdiges Beispiel für eine Erweiterung des christianitas-Gebrauchs in Hagiographien per Inserat ist das Schreiben Papst Martins I. (649 – 653) an Amandus, Bischof von Maastricht (gest. nach 675/76). M¦riaux, Gallia irradiata, S. 347, weist aber darauf hin, dass dieses Schreiben erst vom Mönch Milo (gest. 872) bei dessen Überarbeitung in die eigentliche Vita aufgenommen wurde, womit der Brief kein Teil der merowingischen Vita ist. Siehe Kapitel VI.3. 121 Haec ergo, fratres, in mente retinete, haec magnopere custodire festinate; pugnate ut, separati a diabolo, conjungamini Deo qui vos redemit: stupeant gentes de vestra conversatione, et si detrahant vobis, etiam et irrideant Christianitatis vos opera sectari, ne conturbemini ex hoc: […] (118.226) und Sed quia multi qui intra matris Ecclesiae viscera sunt, catholici videntur et Christianitatis nomine censentur, ita in exterioribus dati, ut nec veram fidem Christianorum retineant corde, neque bonis operibus se esse Christianos ostendant: nesciunt enim sacramentum hujus nominis ac virtutem; et quoniam nomen Christianum a Christo Dei Filio vocabulum sumpsit (113.221). 122 Vgl. Berschin, Merowingische Biographie, S. 72. Die Geschichte des Bischofs Leodegar, dem »berühmtesten in der Bischofsreihe des burgundischen Bistums« Autun, erfährt Neubearbeitungen und Erweiterungen. Doch keine spätere Fassung enthält christianitas, was gegen ein anhaltendes Verständnis oder eine Gebräuchlichkeit des Ausdrucks spricht, wenn die Vita umgeschrieben wurde, um weiterhin ein Publikum zu finden.

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Briefen der Päpste Gelasius (51.98) und Vigilius (63.117) sowie im Liber Pontificalis (64.120) auszumachen, ist jedoch sowohl in der Hagiographie als auch im 7. Jahrhundert ansonsten kaum anzutreffen. Anders als in der Vita Eligii rückte der Wortgebrauch in der Passio Sancti Leodegarii in einen politischen Kontext. Die erste Stelle befand sich im unmittelbaren Kontext der gemeinsamen Klosterhaft Leodegars mit seinem Kontrahenten, Hausmeier Ebroin.123 Die zweite Stelle war Teil der Wehklage des Verfassers darüber, dass die Einnahme Noyons durch König Theuderich III. (reg. 675 – 690/91) und Ebroin zu einer Plünderung all dessen führte, was die früheren katholischen Fürsten wegen ihrer Liebe für den christlichen Glauben dem Heiligtum, nämlich der Kirche von Noyon einst geschenkt hatten.124 Nun würde es aber zu weit gehen, in einem solchen Einsatz der Vokabel bereits deren Politisierung sehen zu wollen. Der Gebrauch war inhaltlich nicht weit von den Konnotationen entfernt, die bereits im Liber Pontificalis und der Romana auszumachen waren. An diesen Stellen wie auch an den Passagen in der hist. eccl. tripartita und der Passio Leodegarii wurde zumindest sichtbar, dass die Vokabel weiterhin als Kausalargument funktionierte, indem sie normerfüllendes christliches Verhalten bzw. eine solche Einstellung zum Maßstab machte bzw. entsprechendes Handeln legitimierte. Obwohl damit wieder Ähnlichkeiten zur hist. eccl. tripartita sichtbar werden, verschwinden diese schnell wieder unter dem Schleier der Geschichte. Dass in der hist. eccl. tripartita ein neues sprachliches Instrumentarium bereitstand und christianitas semantisch aufgewertet worden war, musste noch lange nicht das Erzählen christlicher Geschichte beeinflussen oder gar prägen. Dies wird in erster Linie an der mangelnden Verbreitung der hist. eccl. tripartita gelegen haben, aber auch daran, dass andere etablierte Muster wie das nomen christianitatis sehr viel präsenter waren. Dieses Verständnis und der damit einhergehende Wortgebrauch hätten wohl auch bei Kenntnis der hist. eccl. tripartita weiterhin dominiert, obwohl christianitas dank der hist. eccl. tripartita auch zur Beschreibung der Missionierung in Nordfrankreich und darüber hinaus hätte beitragen können. Es bedurfte erst eines neuen Rezeptionsimpulses, einer neuen Notwendigkeit, damit die erweiterten Möglichkeiten des mit christianitas Sagbaren in anderen Kontexten produktiv werden konnten. Diese Situation trat nach dem Jahr 800 ein.

123 Cum que illi, qui se cum dei famulum retinebant, circa se manentibus potestatibus aliis nuntiassent, eo quod diuinam gratiam super dei famulum leodegarium cognouissent, religioso christianitatis amore iam se eorum auxilio fuerunt sociati, et conspirantes inter se confirmauerunt […] (126.238). 124 Quis enim enumerare plene ualeat, quae tunc fuit direptio de regale thesauro uel ecclesiae ministerium, quod ob amorem christianitatis catholici retro principes deuoti in dominico contulerunt sanctoarium […]? (126.239).

VI.

Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

Die Übersetzung des Epiphanius hatte dazu geführt, dass die Grenzen des mit christianitas Ausdrückbaren deutlich verschoben wurden. Die Bedeutung des Wortes wurde dadurch nicht verändert, weiterhin stand es für das Christliche, die persönliche Christlichkeit und das Christentum als Glaubens- und Normensystem. Die Ausweitung betraf in erster Linie die Situationen, in denen das Wort genutzt werden konnte. Insbesondere die Christlichkeit des Kaisers konnte mittels christianitas thematisiert werden. Diesen verbreiteten Wortgebrauch spiegelte die hist. eccl. tripartita wider, der auch im Liber Pontificalis und in der Historia Romana sichtbar wurde. In diesem Zusammenhang gilt es nun einer dritten Spur nachzugehen: den päpstlichen Briefen des 6. und 7. Jahrhunderts.1 In ihnen scheint sich vor allem gegenüber der hist. eccl. tripartita eine gegensätzliche Entwicklung im Wortgebrauch abzuzeichnen. Immer häufiger war nun von vestra christianitas die Rede – jenem Muster, das bereits im sprachstrukturellen Einstieg deutlich hervorgetreten ist. Kommt darin neben einer Ausweitung auf dem Gebiet der Historiographie eine Verengung, eine Spezialisierung des Wortgebrauchs im Bereich der Briefe zum Vorschein? Wenn nun die Briefe der Collectio Avellana, Gregors des Großen (590 – 604) und seiner Nachfolger in den Mittelpunkt rücken, richtet sich der Fokus zum einen auf neue Akteure, die Päpste, zum anderen auf ein weiteres Genre, die Briefe.2 Neu war der Gebrauch von christianitas auf diesem Feld keinesfalls. Bereits in den Kapiteln II und III waren es Briefe, die vornehmlich Auskunft über 1 Eine Durchsicht der Sammlung früher Papstbriefe hat keine christianitas-Nennungen vor Gelasius I. ergeben. Vgl. Epistolae Romanorum Pontificum, ed. Coustant. Eine Fortsetzung bietet Epistolae Romanorum pontificum genuinae, ed. Thiel, mit dem Gelasius-Schreiben und den Treffern aus der Collectio Avellana. Um Aussagen über eine genuin päpstliche Semantik treffen zu können, müsste aber wohl auf Grundlage der gerade in Entstehen befindlichen dritten Edition des Jaff¦ ein entsprechendes Quellenkorpus erstellt und sowohl lexikometrisch als auch sozialsemantisch untersucht werden. 2 Zu einer Epistolographie der Spätantike im Allgemeinen siehe Schröder, Bildung, S. 136 – 165. Siehe auch Hack, Codex Carolinus, S. 1 – 38. Zum Briefgenre in karolingischer Zeit: Van Engen, Letters; McKitterick, Karl, S. 196.

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Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

den Wortgebrauch gaben, und sogar anzeigten, dass die Vokabel in der direkten, wenngleich räumlich getrennten Kommunikation zwischen Christen funktionierte. Die Vokabel wurde also in Situationen eingesetzt, in denen der Absender nicht unmittelbar auf ein Missverständnis, oder gar Unverständnis auf der Empfängerseite reagieren konnte. Wer das Wort nutzte, musste darauf setzen, dass seine Wortwahl verstanden wurde. Ab dem 6. Jahrhundert traten aber Privatbriefe, wie Anonymus Romanus oder aber Arnobius der Jüngere sie verfassten, hinsichtlich des christianitas-Gebrauchs in den Hintergrund. Die Bischöfe von Rom schrieben Kaisern und Königen, was auf eine neue Qualität der Briefe und der Wortwahl hinweist, da nunmehr Herrscher angesprochen wurden und die Briefthemen einen politischen Charakter erhielten. Hieraus ergibt sich die Frage, wie die Päpste das Wort christianitas gegenüber den Kaisern in der direkten Kommunikation einsetzten und ob auch hier ein politischer Hintergrundstil sichtbar wird?

1.

Zwischen Eigenschaft und Anrede

Aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts stammen einige Briefe, die nicht von Päpsten verfasst worden waren, in denen sich aber der gängige Gebrauch der letzten Jahrzehnte widerspiegelte. Zugleich lassen die Briefe erkennen, dass in einem räumlichen Korridor von Nordafrika über Italien nach Gallien eine gepflegte Semantik etabliert war, innerhalb derer sich die Sprecher bewegten. An diesen Briefen lässt sich die Ausgangslage für den gleichzeitig einsetzenden päpstlichen Gebrauch ablesen. Als persönliche Christlichkeit erschien christianitas in einem Brief des nordafrikanischen Bischofs Fulgentius von Ruspe (Anfang des 6. Jahrhunderts). Dieser antwortete aus seinem Exil auf Sardinien einer jungen, in Rom lebenden Aristokratin, die seine Ansichten über Buße und Vergebung der Sünden hören wollte.3 Der in augustinischer Tradition stehende Moraltheologe Fulgentius 3 Vgl. Fulgentius, Lettres ascetiques (SC 487), S. 20 f.: »C’est l— aussi un t¦moinage de la volont¦ que clercs et surtout laics aristocrates et lettr¦s avaient d’approfondir leur foi par la lecture et les conseils. Peut-Þtre est-ce l— le signe ,de cette crise de conscience d’o¾ va sortir l’organisation des premiÀres ¦coles chr¦tiennes.’ [Rich¦, Êducation, S. 119], la marque de ce moment de rupture avec la culture classique que les milieux chr¦tiens cultiv¦s ressentaient comme n¦cessaire.« Wie christianitas als Eigenschaft zur Charakterisierung von Personen genutzt werden konnte, zeigt Abt Florianus von Romenus, der in einem Schreiben an den Bischof Niketius von Trier dessen Fürsprache beim Bischof von Mailand erbat und dafür seine Vorbilder und Lehrer, Ennodius von Pavia, Caesarius von Arles und seinen Vorgänger im Amt Theodat erwähnte. Letzteren beschrieb Florianus als Feind der Welt, Tempel der hochwürdigen Trinität und voll verehrungswürdiger Christlichkeit (plenum reverentiae christianitatis; 69.127).

Zwischen Eigenschaft und Anrede

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konnte in diesem Brief an eine Vertreterin der gebildeten, römischen Oberschicht seine Fähigkeiten als Schriftsteller entfalten, wodurch sich dieser Brief sprachlich von Reden an seine Gemeinde deutlich absetzte, so Daniel Bachelet.4 Fulgentius lobte zu Beginn seiner Erwiderung auf die Bitte der Venatia deren christlichen Eifer (studium tuae christianitatis; 56.109), mit dem Gott sie beschenkt und den er in ihrem Brief erkannt habe. Fulgentius charakterisierte aber auch sie selbst als christlich, indem er die personalisierte christianitas (tua) mit einer zweiten Eigenschaft (studium) verband. Der zeichenhafte, identitätsstiftende Charakter von christianitas wurde hingegen am nördlichen Ufer des Mittelmeers bemüht. Hier war es Bischof Avitus von Vienne (ca. 460 – 518), der ebenso wie sein Amtsbruder in Nordafrika gegen den arianischen Glauben seines Königs ankämpfte. Während sich im Fall von Fulgentius Zweifel ergeben haben, ob dieser bei seiner theologischen Argumentation eventuell auf ein anderes Wortverständnis seines Gegners, des arianischen Wandalenkönigs Thrasamund, eingegangen war,5 lässt sich bei Avitus das Gegenteil vermuten. Avitus interpretierte in einem Brief an den Burgunderkönig Gundebad verschiedene Stellen aus dem Matthäus-Evangelium.6 In der Auslegung jenes Christuswortes, wonach derjenige hundertfach belohnt werde, der seine Familie um Jesu willen verlasse (Mt 19,29), verwies der Bischof auf Abraham, der ebenfalls ausgezogen sei und alles hinter sich gelassen habe. Abraham habe das Zeichen der Beschneidung angenommen, wodurch das Christentum Gestalt gewonnen habe (signum circumcisionis, quo christianitas figurabatur ; 58.111). Die theologisch immer wieder zu bewältigende Aufgabe der Abgrenzung von Christen- und Judentum kam an dieser Stelle erneut zum Tragen und erneut stand dabei das Zeichen der Beschneidung im Mittelpunkt. Das eindeutige Zugehörigkeitsmerkmal zur jüdischen Glaubensgemeinschaft musste von der christlichen Theologie umgedeutet werden, um auch Abraham als einen Gewährsmann des christlichen Glaubens anführen zu können (bei Pelagius 24.57) oder aber um auf die Nichtigkeit dieses Glaubensrituals im Spiegel gelebter Religion zu verweisen, so wie es zuletzt Salvian von Marseille in De gubernatione Dei V,19 (48.93) getan hatte. Gerade Salvian hatte sich an der Ambivalenz von Zeichen und Bezeichnetem abgearbeitet und immer wieder den Christen ihre laue Einstellung vorgeworfen, aufgrund derer sie sich des Christentums als unwürdig erwiesen hätten. Abraham hingegen wurde bei Avitus zum 4 Vgl. Fulgentius, Lettres ascetiques (SC 487), S. 21. 5 Siehe 578.110 u. Kapitel II.4. 6 Vgl. Pi¦tri, Durchsetzung, S. 379 f.: Avitus stellte sich gern als Wortführer des gallischen Episkopats dar, der seine Werke in Gallien zirkulieren ließ, er versuchte sehr beharrlich Gundebad für den nizäischen Glauben zu gewinnen, der sich aber einfach nicht zum Übertritt entschließen konnte, wie der fränkische Rivale Chlodwig es dann doch noch getan hatte, worüber Avitus ebenfalls berichtet hatte. Siehe Wood, Merovingian Kingdoms, S. 43 – 46.

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Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

Christen avant la lettre, dessen Christlichkeit er irgendwie zum Ausdruck bringen musste, um ihn als guten Christen ins Feld führen zu können. Hieraus erklärt sich sowohl die Nennung der Vokabel als auch der wiederholte Zusammenhang zur Beschneidung im christianitas-Gebrauch. Die christianitas als Glaubens- und Normensystem, als Scheidewort von religiös und moralisch sanktioniertem oder inkriminiertem Verhalten, tauchte schließlich in einem Brief des Bischofs Ennodius von Pavia (473/74 – 521) auf. An diesem Brief wird sichtbar, dass die Vokabel Einzug in ein gehobenes Sprachmilieu gehalten hatte, da sie hier, wie bei Fulgentius, im Latein der gebildeten Schichten wie selbstverständlich genutzt wurde. Ennodius, der Zeitgenosse des Dionysius und des Cassiodor, hatte zuerst als Redner, Dichter und Lehrer gearbeitet, bevor er eine kirchliche Laufbahn einschlug.7 Dem nichtchristlichen Bildungserbe der Antike gegenüber aufgeschlossen, experimentierte er mit Sprache und Stil, was ihm den Vorwurf eines schwierigen, obskuren und geradezu manierierten Schreibstils seitens der Forschung eingebrachte.8 BiancaJeanette Schröder hat dieses Bild zu korrigieren versucht, um Ennodius mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. So seien seine Briefe nicht völlig inhaltsleer, wenngleich sie kein anschauliches Bild der Epoche lieferten; wichtiger sei ohnehin deren Authentizität.9 In seinen Briefen setzte er sich bewusst über die epistolographische Theorie hinweg, wonach perspicuitas (Eindeutigkeit, Klarheit) unerlässlich war, da man den Verfasser des Briefes im Zweifelsfall nicht fragen könne, was gemeint sei. Schröder sagt, dass die vitia, die laut Quintilian zur obscuritas führten, geradezu charakteristisch für Ennodius gewesen seien. Er habe einen Hang zur Unklarheit (ambiguitas) und zur Abstraktion gehabt, zudem habe er zu übertriebener Kürze und Verknappung tendiert, was vom Leser viel Scharfsinn abverlangte. Auch sein Hang zu substantivierten Eigenschaften mittels Wortbildungen auf -tas sei kennzeichnend gewesen.10 Die Verwendung von christianitas passt hierzu hervorragend. Der Brief an Avienus ist denkbar knapp. Die Aussage ist an sich zwar immer noch verständlich, aber schwerlich in einem weiteren Kontext zu verorten. Ennodius wurde offenbar gezwungen, eine Trostrede zu halten, deren Inhalte ihm aber vorgeschrieben 7 Vgl. Schröder, Bildung, S. 1. Seit 494 gehörte er zum Klerus des Bischofs Epiphanius von Ticinum (Pavia), 495, spätestens aber 499 wechselte er nach Mailand und wurde dort 501/02 Diakon des Bischofs Laurentius in Mailand. Spätestens 513 wurde er Bischof in Pavia, war 515 bis 517 päpstlicher Gesandter in Konstantinopel und starb 521. 8 Vgl. Fuhrmann, Rom, S. 334; zit. von Schröder, Bildung, S. 1, zum Stil S. 53 – 63. Frank, Lehrbuch, S. 455; Döpp, (Art.) Ennodius, Sp. 220, der darauf hinweist, dass erst die jüngere Forschung beginnt, Ennodius’ Experimentierfreude, die eine erstaunliche Vielfalt prosaischer und poetischer Formen hervorbrachte, angemessen zu würdigen. 9 Vgl. Schröder, Bildung, S. 1 f. 10 Vgl. ebd., S. 54 f. Schröder führt folgendes Beispiel an: antiquitas statt antiqui, generalitas statt homines, hostilitas statt hostes, eloquentiae exilitas statt eloquentia exilis.

Zwischen Eigenschaft und Anrede

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worden war. An Avienus gewandt, sagte Ennodius, dass ohne seine Hilfe künftig allgemeines Übel erwachsen werde, dem selbst der Hüter der (christlichen) Disziplin ausgesetzt sein werde. Dies sei dem Christentum nicht fremd (non est alienum a christianitate), da es unfromm sei, die Ordnung der Dinge durch eine solche Vermischung durcheinander zu bringen.11 Gern würde man mehr darüber wissen, worauf sich Ennodius bezog, doch muss man sich erst einmal damit genügen, dass er hinsichtlich christianitas zwischen bekannt und fremd differenzierte. Hierfür griff er auf eine ähnliche Wortfügung zurück, wie sie bei Filastrius von Brescia bereits aufgetreten war (7.19). Er bezog sich aber nicht auf die heidnischen Tugenden in Abgrenzung zu den christlichen, sondern beklagte Verhaltensweisen, die christlicher Ethik widersprachen. Er ließ anklingen, dass Verstöße gegen normative, christliche Ordnungsvorstellungen häufig vorkamen, womit er en passant den Zustand der Gesellschaft kritisierte. Gerade dieses verknappte Klagen kann vielleicht am ehesten verdeutlichen, dass christianitas weiterhin für das Glaubens- und Normensystem an sich stand und Aussagen bezüglich der Gesellschaft ihre wie auch immer geartete christliche Qualität betrafen. Mit diesem Wortgebrauch jedenfalls befand sich Epiphanius auf einer Linie mit Dionysius und Abt Eugippius. In dieses Spektrum von Briefen um 500 gehört auch derjenige des Papstes Gelasius I., der vom christlichen Empfinden, christianitatis affectu (51.98), der Bevölkerung einer Region gesprochen hatte. Dieser Brief unterschied sich durch seine Verwendung deutlich von den weiteren Papstbriefen, die dank der Avellana überliefert sind. Im Ganzen enthalten nur vier von insgesamt 244 Briefen der Collectio die Vokabel: Einer dieser Briefe war an den Bischof Dorotheos von Thessaloniki gerichtet, die anderen waren an die Kaiser Justin (518 – 527) und Justinian (527 – 565) adressiert. Zwischen dem kircheninternen Brief und den Kaiserbriefen lässt sich ebenfalls ein differenzierter Wortgebrauch ausmachen. Bereits im Brief von Papst Hormisdas (sed. 514 – 523) an Bischof Dorotheos wird der Unterschied zu Gelasius deutlich. Wie im Brief des Ennodius wurde christianitas zwar weiterhin in Bezug auf eine moralisch-normative Grenzziehung zwischen christlichem und unchristlichem Verhalten eingesetzt – abgesehen von der leichten Variation, dass das Satzglied christianitatis trames im Ablativus separativus stand und mit deviare ein neues Verb aufwies. Was sich änderte, war der Ton. Hormisdas beanspruchte seinem Amtsbruder und Vikar für Illyrien gegenüber, aufgrund apostolischer Autorität vom Bischof Nächstenliebe – oder besser Gehorsam – einfordern zu können. Den Hintergrund zu diesem Brief bildete das Akakianisches Schisma. Bischof Dorotheos hatte sich 11 Unum scio, quia nisi succurritis, generale futurum malum, cui ipse est disciplinae tutor expositus. Hoc non est alienum a Christianitate, cum defero, quia impium est rerum ordinem sub hac permixtione confundi (55.108).

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Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

auf die Seite des Kaisers gestellt und Übergriffe auf katholische Geistliche provoziert.12 Papst Hormisdas spielte auf die in seinen Worten verabscheuungswürdigen Gerüchte an, die besser nicht die christlichen Gemüter der ganzen Welt erreichen sollten, damit diejenigen, die nicht von der Unschuld des Bischofs wüssten, nicht annähmen, er sei vom christlichen Wege abgewichen.13 Er wollte Dorotheos dazu bringen, Angriffe gegen katholische Geistliche nicht mehr zuzulassen und damit den Kirchenfrieden zu bewahren. Mit dem Hinweis auf das Abweichen vom christlichen Weg drohte Hormisdas indirekt damit, Dorotheos als Häretiker aus der Kirche auszuschließen. Der Papst ließ damit seinen Anspruch auf Intervention (und Korrektur) in anderen Bistümern deutlich erkennen, weshalb der Brief auch später in die Rechtssammlung aufgenommen worden sein mag.14 Aus dem Hormisdas-Brief kann man den Eindruck gewinnen, dass die Päpste ihren Anspruch auf höchste Autorität unter den Einzelkirchen auch mithilfe von christianitas zum Ausdruck brachten, dass sie sich als letzte Instanz in dogmatischen Fragen und als Garant der Kircheneinheit präsentierten.15 Zieht man den Brief von Papst Agapet I. (535 – 536) an Kaiser Justinian heran, mag sich dieser Eindruck verstärken (62.115). Doch hatte sich Agapet an den Kaiser gewandt, um diesen zu seinem Feuereifer für den katholischen Glauben zu beglückwünschen – was sprachlich an den Liber Pontificalis erinnert – und um ihn aufzufordern, sich für die Einheit der Kirche einzusetzen.16 Agapet I. nutzte christianitas dazu, eine Eigenschaft, die Beständigkeit (constantia), als christlich zu markieren, und nicht um die Einheit der Christen auszudrücken. Auch Papst Vigilius (537 – 552) nutzte christianitas als gesteigertes Adjektiv bzw. Eigenschaft, als er sich 540 an Kaiser Justinian wandte (63.166 – 119). Die Päpste münzten diese Eigenschaft auf die Person des Kaisers selbst, so wie Fulgentius die Christlichkeit der Venetia hervorgehoben hatte. Papst Hormisdas tat dies in einem Schreiben, in dem er Kaiser Justin um die Wiedereinsetzung dreier Bischöfe ersuchte. Er appellierte nicht nur an die herrscherliche Milde, sondern verwies auch auf den Verstoß gegen das Kirchenrecht, indem er die Absetzung als großes Unrecht am Apostolischen Stuhl auslegte, und den Kaiser

12 Vgl. Kötter, Zwischen Kaisern und Aposteln, S. 139. 13 Utinam usque ad nos tantum detestabilis fama percurreret et non toto orbe Christianis mentibus tam dolendum quam execrabile facinus nuntiaret, ut qui te innocentem nesciunt, a christianitatis simul credant tramite deviasse! (60.113). 14 Die Stelle zeigt dank der Erwähnung der christlichen Gemüter toto orbe, dass christianitas zu Beginn des 6. Jahrhunderts nicht für eine lokalisierbare Gesamtheit aller Christen stehen konnte. 15 Zu den päpstlicher Ansprüchen jüngst Herbers, Geschichte des Papsttums, S. 34 – 38. 16 Zum kirchenpolitischen Hintergrund und zum Konzil von Konstantinopel von 536 siehe Leppin, Justinian, S. 187.

Zwischen Eigenschaft und Anrede

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mahnte, die unerklärliche Angelegenheit nicht der Nachwelt zu hinterlassen.17 Der Kaiser wurde einmal mit pietas vestra und ein anderes Mal mit christianitatis vestrae sinceritas angesprochen. In beiden Fällen erinnerte der Papst an die religiöse Einstellung des Kaisers, wobei die Eigenschaftsabstrakta pietas und die sinceritas im Vordergrund standen. Hier, wie schon im Brief des Fulgentius, stand christianitas als Eigenschaft hinter einer anderen Eigenschaft. Im Brief des Papstes Vigilius an Justinian (63.116) erschien christianitas mehrfach, weil Vigilius in diesem Rechtfertigungsbrief von 540 alles daran setzte, den Kaiser an seine Christlichkeit zu mahnen und damit auch an seine Nachsichtigkeit zu appellieren und ihn von der Richtigkeit der päpstlichen Position zu überzeugen. Vigilius versicherte Justinian seiner Obödienz, gleichzeitig aber wollte er durch die Darlegungen zum Glauben die päpstliche Zuständigkeit gegenüber dem Kaiser behaupten. Das Kaiserpaar hatte die Wahl des Vigilius 537 unterstützt, um damit theologische Divergenzen zwischen Katholiken und Monophysiten zu entschärfen. Hatte sich Vigilius einer Entspannung zuvor zugeneigt gezeigt, verurteilte er als Papst jedwede Abweichung von den katholischen Glaubensgrundsätzen.18 Er entschuldigte sich beim Kaiser für seine Verschwiegenheit bzw. sein zurückhaltendes Verhalten, und sprach davon, dass er genau erkannt habe, dem Kaiser Genugtuung leisten zu müssen, wofür er aber die Zusicherung des Kaisers haben wollte, dass dem Apostolischen Stuhl nichts an Vermögen und Privilegien verloren ginge.19 Der Satz nos tamen […] libento animo christianitati vestrae satisfaciendum esse perspeximus zeigt an, dass die Vokabel nicht mehr nur als Teil einer Bezeichnung, sondern als Bezeichnung für den Kaiser selbst eingesetzt wurde. Sie hatte den gleichen Status wie die vielen anderen ehrenvollen Anreden erreicht, die sich in päpstlichen Briefen ausfindig machen lassen.20 Die Veränderung im Wortgebrauch betraf die Verwendung von christianitas als Anrede, welche erstens am begleitenden Possessivpronomen,

17 […] et quod non parvam eorum abiectio apostolicae sedis tangit iniuriam, nec christianitatis uestrae sinceritas qua et magnum patrocinium ueteribus constitutis impenditis, et sedis apostolicae principatum acta nouiter ueneratione sancitis, uno inexplicabilem relinquat posteris negotio quaestionem (59.112). 18 Zur ambivalenten Gestalt des Vigilius siehe auch Duffy, Saints, S. 54 – 57; Sotinel, Dilemma, S. 462 – 468; dies., Vigilio, S. 512 – 529, hier S. 515 f.; Leppin, Justinian, S. 219 u. S. 296 f. 19 Et licet pietatem uestram aliter de taciturnitate nostra suspicari uel intellegere uoluerit malignus interpres, nos tamen, quos beatus Petrus apostolus omni poscenti rationem reddere pia traditione constituit, libente animo christianitati uestrae satisfaciendum esse perspeximus suppliciter sperantes, ut nullius subripientis insidiis priuilegia sedis beati Petri apostoli Christianissimis temporibus uestris in aliquo permittatis imminui, […] (63.116). 20 Hierzu Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 363, mit Verweisungen auf: Engelbrecht, Titelwesen, S. 54, O’Donnell, Vocabulary, S. 173; Jerg, Vir venerabilis, S. 209. Allein in 60.113 sind noch tua fraternitas und tua dilectio auszumachen.

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Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

zweitens an dem eine Person als Objekt erfordernden Verb (hier satisfacere) und drittens an der Stellung im Satz bzw. Brief deutlich wurde.21 Die Anrede ließe sich deuten als Konsequenz aus dem politischen Hintergrundstil, als eine Überführung einer dem Kaiser zugeschriebenen Eigenschaft in einen aktivisch verwendeten Funktionsbegriff. Sie konnte gleichzeitig sowohl Ehrerweisung und Ermahnung als auch religiöses Argument für politische Zwecke sein. Andererseits fehlen weitere Belege für eine Verwendung von christianitas für die Kaiser. Selbst Gregor I. hatte das Wort nicht als direkte Anrede in jenem einen Schreiben benutzt, das an Kaiser Mauricius adressiert war und christianitas enthielt (89.195). Deswegen scheint die Anrede nur ein wenig erfolgreicher Versuch gewesen zu sein, nach dem Vorbild von sinceritas, pietas und anderen Epitheta auch eine Formulierung zu kreieren, die die Christlichkeit unmittelbar sprachlich sichtbar machte. Jean Rupp hatte bereits bemerkt, dass diese Formulierung für die Kaiser nicht unterwürfig genug gewesen sei, zumal die offizielle Anrede der Kaiser seit dem 5. Jahrhundert den Superlativ christianissimus bzw. wqistiamij~tator enthalten habe.22 Das Scheitern der kaiserlichen Anrede mag also daran gelegen haben, dass es mit christianissimus schon seit längerer Zeit einen dominierenden Ausdruck des Christlichen für den Kaiser gab.23 Außerdem gab es in der nichtoffiziellen Sprache eine Vielzahl von christlichen Attributen für den Kaiser, wie piissimus, sacratissimus, christianus, religiosus bzw. religiosissimus – Ausdrücke, die aber auch für kirchliche Würdenträger verwendet wurden.24 Justinian nannte sich selbst hingegen meist pius felix (eqseb¶r eqtuw¶r). Nur im Edikt über den rechten Glauben bezeichnete er sich vor seinem Namen als »christusliebend« (vikºwqistor) – ein Attribut, das 21 Die Verknüpfung von christianitas mit dem Possessivpronomen vestra allein macht die Anredeform nicht aus, da das Satzglied vestrae christianitatis sich auch auf die Eigenschaft beziehen konnte. Im Liber diurnus (215.402) gibt es eine einzige Stelle mit christianitas, in der die Mitbrüder angesprochen wurden. Die aus ihrer Christlichkeit heraus erfolgten Gebetsgaben hätten ihnen beim Höchsten Verdienste eingebracht: neque enim hoc mea meritum, karissimi,sed vestrae christianitatis vota apud altissimum promeruerunt. Im innerkirchlichen Gebrauch erklärt sich das Possessivpronomen aus der Anrede mehrerer Personen, während die Eigenschaft natürlich im Singular stehen muss. Santifaller, Liber Diurnus, S. 58, hat für die Formel V 85 allerdings nur Nachweise für das 11. Jahrhundert in Papstbriefen gefunden: Jaff¦ 4243, 4249, 4562a u. 5373. 22 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 16. 23 Bellen, Christianissimus imperator, S. 3 – 19 mit dem Gebrauch von christianissimus durch Ambrosius im 4. Jahrhundert, siehe Ambrosius, ep. 1, in: PL 16, 914B, und ders., ep. 17. in: PL 16, 1002A. Laut PL wird Kaiser Leon I. (457 – 474) in 28 von 37 Fällen aus dem Jahr 457 mit christianissimus angeredet, in zwei Fällen als christo amatissimus. Ein weiteres Beispiel: Protecto pio et christianissimo domino totius orbis terrarum et imperatori perpetuo Augusto Leoni, in: Konzil von Chalkedon 451, ep. 14 (ACO 2,5), S. 26. 24 So Rösch, ONOMA, S. 66.

Zwischen Eigenschaft und Anrede

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seine Rechtgläubigkeit und Autorität, in Glaubenssachen zu befehlen, bestärken sollte.25 Eine weitere Anredeform schien da wenig effektiv. Selbst in dem von Gerhard Rösch herausgearbeiteten Wandel in der offiziellen Sprache des 6. Jahrhunderts, bei dem bis dahin übliche Beinamen weggelassen worden und andere in den Vordergrund getreten seien,26 schien das sprachliche Angebot aus dem Westen nicht wahrgenommen worden zu sein. Ganz aus der Welt war die Anredeform aber nicht. Papst Pelagius I. (556 – 561) griff diese Formulierung in seinem Schreiben an den merowingischen König Childebert I. (511 – 558) auf. Dieser hatte in einen internen Streit um die Besetzung des Bistums von Arles eingegriffen und dabei nicht von vornherein Partei für den amtierenden Bischof ergriffen, was der Papst monierte. Pelagius, der sich selbst nur ein Jahr zuvor von dem Verdacht der Heterodoxie gegenüber Gallien und Childebert befreien musste,27 trug sein Anliegen mit päpstlichem Selbstvertrauen vor, zeigte sich aber auch gegenüber dem König als besonders ehrerbietend. Pelagius pries dessen Sorge um die innere Ruhe der Kirche und leitete seine Forderung damit ein, dass er ganz auf das christliche Selbstverständnis des Königs baue. Indem der Papst eine Formulierung mittels einer Eigenschaft, Selbstvertrauen/Selbstverständnis (confidentia) und vestra christianitas heranzog, wollte er den König an seine Christlichkeit erinnern und ein solches Verhalten einfordern, um die Ruhe der heiligen Kirche wiederherzustellen.28 Bereits Pelagius’ Vorgänger Vigilius (sed. 537 – 555) hatte demselben König christlichen Eifer (studio christianitatis) zugeschrieben und den Bischof Aurelius von Arles damit beauftragt, den König unablässig zu ermahnen, die Sorge für die Kirche mit christlicher Demut zu erfüllen. Was der Papst darunter verstand, war Schutz für den Glauben und die römische Kirche, die 550 erneut unter den Kriegen zwischen Goten, Langobarden und Byzanz zu leiden hatte.29 Außerdem wiederholte sich in weiteren Briefen eine Gebrauchssituation, wie sie bereits im Brief des Vigilius an Kaiser Justinian aufgetreten war. Dabei handelte es sich um die Anwendung von vestra christianitas in Situationen, in denen Empfänger und Adressat sprachlich miteinander in Beziehung traten. Vigilius sprach von christianitati vestrae satisfaciendum esse perspeximus (63.116). Pelagius I. baute auf das christliche Selbstverständnis des Königs (christianitatis vestra confidentia freti; 77.176) oder aber forderte eine Person 25 Ebd., S. 103. 26 Vgl. ebd., S. 157. Für die Kanzlei sei der Umschwung etwas später anzusetzen. Erst Herakleios habe mit der spätantiken Tradition gebrochen. 27 Vgl. Dum¦zil, Racines, S. 229 f. 28 Pro quibus christianitatis vestrae confidentia freti, paterno studio postulamus, ut, si quid tale factum est, congrua satisfactione celeriter amputetur, nec ullum sui exemplum in perturbatione ecclesiarum, quas vobis Deus credidit, relinquere concedatur (77.176). 29 Vgl. Collins, Early Medieval Europe, S. 127 – 132.

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häufig auf, etwas zu tun (intentionem christianitatis vestrae frequenter hortamur ; 78.177). Das letzte Beispiel zeigt auch, dass Pelagius I. diese Anrede nicht allein für Könige, sondern auch für andere Hochgestellte wie hier den Patrizier Valerian verwendete. Hierzu passen auch die Briefe des byzantinischen Kaisers Maurikios (582 – 602) bzw. dessen Exarchen von Ravenna an die Adresse des merowingischen Königs Childebert II. (585 – 596). Diese Briefe reihen sich ein in den diplomatischen Austausch zwischen dem fränkischen König und dem byzantinischen Kaiser, in dem mehrfach militärische Maßnahmen gegen die Langobarden in Italien vereinbart wurden.30 Auch hier schwankte der Gebrauch zwischen Anrede (vestra gloriosa christianitatis poterit informari; 80.181) und Eigenschaft (nobis de christianitate vestra opinio vera detulerat; 80.180). Auffällig hingegen war eine dritte Form der Verwendung, in der christianitas an die Herrschaft selbst geknüpft wurde: sicut regni vestri christianitas habet cogitare (80.182) und quantum christianitas regni vestri exquiret (81.183). Aus beiden Briefen geht jeweils hervor, dass Childebert II. Hilfe gegen die Langobarden schicken sollte, die als Feinde Gottes (inicimi Dei; 80.181) bezeichnet wurden und ihr König Authari (584 – 590) als nefandissimus rex. In beiden Briefen wurde mit dem Appell an die »Christlichkeit Eurer Herrschaft«, d. h. Childeberts, der Aufruf verbunden, ein Heer zur Befreiung der Christen bzw. des christlichen Volkes zu schicken.31 Was diese Briefe hier interessant macht, ist nicht allein die außergewöhnliche syntaktische und semantische Nähe von christianitas und regnum. Es ist vielmehr die Tatsache, dass sich Byzanz durch die Statthalter in Italien, die Exarchen von Ravenna, an den Merowingerkönig wandte, und die Diplomaten einen Weg suchten, wie sie den ohnehin nach Byzanz orientierten Childebert in ihre Politik integrieren konnten. Welcher Rang kam Childebert zu, wie war er zu intitulieren? Der Brief 42, in dem sich der Kaiser direkt an Childebert wandte, zeigte in Intitulatio und Inscriptio eindeutig die Nachrangigkeit des Königs,32 den es aber wegen der kaiserlichen Einkreisungsstrategie gegenüber den Langobarden an Byzanz zu binden galt. Da das Prädikat christianissimus dem Kaiser vorbehalten war, die Strategie aber das christliche Argument beinhaltete – der katholische Childebert II. sollte die arianischen Langobarden bekämpfen, die schon zuvor 30 Vgl. Epistolae Austrasiacae, epp. 25 – 48 (MGH Epp. 3), S. 138 – 153. Allgemein zum Hintergrund: Jarnut, Geschichte, S. 39 – 46; Wood, Merovingian Kingdoms, S. 167 f. 31 Vgl. Epistolae Austrasiacae, ep. 41 (MGH Epp. 3), S. 148: pro defensione Italiae auxilium christianae gentis habuimus. 32 Vgl. ebd.: In nomine Domini Dei nostri Iesu Christi. Imperatore Caear Flavius Mauricius Tiberius, Fidelis in Christo, Mansuetus, Maximus, Beneficus, Pacificus, Alamannicus, Gothicus, Anticus, Alanicus, Wandalicus, Erullicus, Gypedicus, Africus, Pius, Felix, Incleit, Victor ac Triumphator, Semper Augustus, Childebertho, Viro Glorioso, Regi Francorum.

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die Päpste in Rom bedroht hatten –, musste ein anderer Weg gefunden werden, Childebert an seine christliche Verpflichtung zu erinnern. Hierzu scheinen die Byzantiner in Italien auf jenen Modus zurückgegriffen zu haben, den Vigilius und Pelagius I. bereits angewandt hatten. Childebert wurde zwar nicht christianissimus zuteil, aber vestra christianitas, die dann entweder auf ihn selbst oder seine Herrschaft bezogen wurde. Es ist daher möglich, dass die Anrede damit immer noch höchste Ehrerweisung signalisierte und dennoch als Abstufung gegenüber der Christlichkeit des Kaisers fungierte.33 Wie erfolgreich diese differenzierende Semantik war, lässt sich allerdings kaum beurteilen. Sicher ist nur, dass Papst Gregor der Große (590 – 604) und seine Nachfolger von vestra christianitas ohne Bezug zu regnum ausgiebigen Gebrauch machten.

2.

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Wie und wofür benutzte nun Papst Gregor der Große die Vokabel christianitas? Auf den ersten Blick fallen zwei distinkte, wenngleich verwandte Verwendungsmuster auf: nomen christianitatis und vestra christianitas.34 Das erste Muster findet sich in einer Homilie und in den berühmten Moralia in Job, während das zweite Muster, wie nicht anders zu erwarten, ausschließlich in den Briefen des Papstes vorkommt. Aus der Feder Gregors des Großen stammt die erste Homiliensammlung überhaupt. Dabei handelte es sich um Predigten zu einzelnen Heiligen anlässlich ihrer Namenstage. Die Homilie 32 hatte Gregor in der Basilika der Heiligen Processo e Martiniano in Rom an deren Namenstag, dem 2. Juli 591, gehalten; sie hatte Lk 9,23 – 27 und damit die Nachfolge Jesu zum Gegenstand. Dies bot Gregor die Möglichkeit, die versammelte Gemeinde zur Nachahmung Christi aufzufordern.35 Er mahnte an, Christus wirklich zu folgen und an das künftige Reich Gottes zu glauben: 33 Dass solche hierarchischen Abstufungen im politischen Diskurs in Konstantinopel vorkamen, belegt die Episode, der zufolge Justinians Feldherr in Italien Belisar genau wusste, dass sein Kaiser selbst zwischen Kaiser und König sehr wohl unterschied, weshalb Belisar es 540 ablehnte, von den belagerten Goten zum Basileus erhoben zu werden. Damit aber wäre Belisar für Justinian ein tyrannos, ein Usurpator gewesen. Vgl. Demandt, Spätantike, S. 244 mit Bezug zu Procopius von Caesarea, BG II, 29,18 u. 26 (S. 285 f.); 30,26 (S. 292). 34 Während sich alle christianitas-Stellen, dem einen oder dem anderen Muster zuordnen lassen, fällt die Stelle im Brief an Bischof Felix von Messina auf, wenn hier von christianitatis bonum die Rede ist (99.206). Hierbei handelt es sich aber um eine Fälschung aus der Werkstatt des Pseudoisidor, was im Zusammenhang mit dem Erzbischof Egbert von York in Kapitel VII.2 zu zeigen sein wird. 35 Vgl. Fiedrowicz, Einleitung, in: Gregor der Große, Homiliae in Evangelia (FC 28,1), S. 14, hier auch zur Datierung, und S. 23 f., wo Fiedrowicz darauf hinweist, dass die Evangelienho-

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Nam sunt nonnulli qui christianitatis nomine censentur, sed christianitatis non habent fidem. Sola esse uisibilia aestimant, inuisibilia non appetunt, quia nec esse suspicantur (82.184 – 185). Doch es gibt einige, die zwar den christlichen Namen haben, aber keinen christlichen Glauben. Diese würden nur das Sichtbare wahrnehmen, das Unsichtbare erfassten sie nicht, weil sie dessen Existenz nicht vermuten.

Sowohl in der Formulierung wie auch von der Aussage her wiederholte Gregor patristisches Gedankengut. Erneut verwies das nomen christianitatis, das ja eigentlich auf die fides christianitatis verweisen sollte, auf das Gegenteil, auf die im Glauben Schwachen, die nur dem Namen nach Christen waren, es aber an Glauben mangeln ließen. Dass Gregor auf diese Formulierung zurückgriff, zeigt an, dass sowohl das Problem als auch dessen Semantisierung weiterhin aktuell waren und von der Allgemeinheit verstanden wurden. Gregor wollte nämlich mit den Homilien alle Schichten Roms ansprechen. Fiedrowicz betont, dass Gregor dazu Parataxe und zahlreiche stereotype Formulierungen nutzte, dass er um der Anschaulichkeit willen mit vielen Metaphern arbeitete, während er mittels solcher Partikel wie enim, igitur oder ergo Kausalität und Eindringlichkeit seiner Reden hervorrufen wollte.36 Und gerade dieser klare, einfache Stil war es, so Êtaix, der den Homilien ihren großen Erfolg und ihre spätere Verbreitung bescherte.37 Dass Gregor ohnehin ganz im augustinischen Sinne lieber einen verständlichen als einen eloquenten Stil pflegte,38 wird auch an den Moralia sive expositio milien insbesondere in der karolingischen Epoche weite Verbreitung gefunden hatten. Zum Werk selbst siehe Brunhölzl, Literatur, Bd. 2, S. 55, der die Auslegungen als die wohl bedeutendste exegetische Leistung Gregors ansieht. 36 Vgl. Fiedrowicz, Einleitung, in: Gregor der Große, Homiliae in Evangelia (FC 28,1), S. 28 f. Pi¦tri, Gregor, S. 895. Die Homilien seien an das einfache Volk, die Moralia an die gebildeteren Schichten gerichtet gewesen. 37 Vgl. Êtaix, Note, S. 551. Wegen der einfachen Sprache hätten die Kopisten auch nicht mit unklaren Stellen oder obskuren Aussagen zu kämpfen gehabt. Zudem war Gregor eine Autorität, dessen Texte man nicht veränderte. 38 Vgl. Markus, Gregory, S. 34 – 50, bes. S. 48. Gregor »propagiert die Sprache der Bibel als die für Christen einzig legitime Sprachebene und begründet dies theologisch. Die Normen der traditionellen Sprachregelungen gelten für ihn nicht, er verstößt geradezu bewusst in Satzbau, Wortschatz und Formenbildung gegen die Normen«, so Auernheimer, Sprachplanung, S. 17, die mit ihrem Urteil über die Kritik Brunhölzls hinausgeht. Vgl. Brunhölzl, Literatur, Bd. 1, S. 53, teils im Einklang mit Auernheimers Urteil, teils widersprechend die Würdigung von Georg Jenal, Gregor I., S. 94 f.: »Gregor war ein Mann der Praxis, für den das Bildungsideal vorangegangener Generationen eines Boetius oder Cassiodor keine Bedeutung mehr hatte. […] Gregor wollte von seinen Zuhörern verstanden werden und verwendete daher bewußt die allgemeinverständliche Umgangssprache.« Gregor wollte Texte, die nicht weit von der gesprochenen Rede entfernt waren. Anstelle der des Paganen verdächtigen antiken »Weisheit dieser Welt« wollte Gregor eine »Weisheit der Gerechten«, »wie sie ihm paradigmatisch in der Gestalt Hiobs entgegentrat. […] Auf die Praxis zielend, versuchte Gregor sich dem Niveau seiner Zuhörer anzugleichen, da er sich nicht als ambitionierten

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in Job deutlich, dem »umfangreichste[n] und im Mittelalter wohl bekannteste[n] Werk Gregors«.39 Dieser betont christologisch-ekklesiologisch ausgerichtete Kommentar in 35 Büchern entstand, als Gregor noch als Apokrisiar, d. h. als dauerhafter Gesandter des Papstes, in den 580er-Jahren in Konstantinopel weilte. Seine Glaubensbrüder hatten ihn um eine Auslegung des alttestamentarischen Propheten Job gebeten. Die Entstehungsgeschichte des Bibelkommentars ist insofern interessant, weil die erste Fassung wohl auf Mitschriften beruhte, die Gregor zu Beginn seines Pontifikats überarbeitet hatte.40 Gregor hat christianitas auch unter Klerikern in der freien Rede verwendet und offenbar bei der Verschriftlichung keinen Anlass gesehen, seine Wortwahl zu ändern. Die Verwendung erfolgte konsistent nach dem Muster des nomen christianitatis: Gregor setzte es ein, um von falschen Christen zu sprechen41, die sich mit ihrem christlichen Namen brüsteten (85.189)42 oder am Ende vom Ungeheuer Behemoth verschlungen würden, da es ihnen den Glaubensirrtum eingepflanzt habe.43 Hierzu führte Gregor noch einige Bibelzitate an, die belegen, wie wichtig das Auseinanderfallen von Bekenntnis und Lebensführung bereits in den Evangelien war.44 Er beklagte, dass selbst die Ankunft des Erlösers nur wenig

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Schriftsteller begriff, sondern als Priester und Prediger, der von seinen Zuhörern verstanden werden wollte.« Vgl. Fuhrmann, Päpste, S. 95, der im Gegensatz zu Johannes Haller und Theodor Mommsen über Gregors schriftstellerische Tätigkeit ausgewogener urteilte. Kottje/Hartmann, Das Frühe Mittelalter, S. 198; Brunhölzl, Literatur, Bd. 1, S. 53, sagt, dass »mindestens seit der frühen Karolingerzeit [die Bücher] zum Grundstock jeder mittelalterlichen Bibliothek« gehörten. Êtaix, Note, S. 551, hat 400 Textzeugen gesichtet, Fragmente nicht mitgezählt. Dagegen weist Greschat, »Moralia«, S. 251 – 253, darauf hin, dass Gregor sich bewusst war, dass die Moralia mit ihren 35 Büchern zu lang geraten waren, um rezipiert zu werden, weshalb er zudem noch die Regula Pastoralis verfasste. Weil aber Gregor in den Moralia so ausführlich die Frage behandelte, wie sich die praedicatores gegenüber der Welt verhalten sollten – Rückzug aus derselben (vita contemplativa) oder in ihr tätig werden (vita activa) – wurden selbst die Moralia später zur Standardlektüre. Vgl. Greschat, Die »Moralia«, S. 23 – 28 u. S. 243, für die Aufwertung der Moralia gegenüber der bisherigen Forschung. Pi¦tri, Gregor, S. 893. Unter den Zuhörern und Erstverbreitern der Moralia gehörte Gregors Freund Leander von Sevilla, der auf seinen Bruder Isidor von Sevilla sehr großen Einfluss ausüben sollte. Siehe auch Kapitel VII.1. Sed quia ipsi quoque derisores simplicium Christianitatis nomine censentur, reuerentia religionis pressi, exhibere malum publicae irrisionis erubescunt (85.188); Ausführungen zu Job 12,15. Quidam uero idcirco christianitatis uocatione signantur, quia christi nomine sublimiter exaltato, paene omnes iam uideri fideles aspiciunt; et pro eo quod hoc uocari alios cernunt, ipsi non uideri fideles erubescunt, sed esse neglegunt quod dici gloriantur (85.189); Ausführungen zu Job 34,26. Alios namque sub christianitatis nomine positos deuorat, quia in ipso eos fidei errore supplantat (85.190); Ausführungen zu Job 40,18. Mt 7,21; Lk 6,46; Tit 1,16: confitentur se nosse Deum factis autem negant cum sunt abominati et incredibiles et ad omne opus bonum reprobi; Joh 2,4; Mt 15,8; Mk 7,6 und darüber hinaus Ps 77,36.

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daran geändert habe und dass Behemoth immer noch unter den Heuchlern so reiche Beute machen könne. Durch Gregors Auslegung des Buchs Job wurde zudem die apokalyptische Dimension verstärkt.45 Bei Salvian war diese bereits angeklungen, als er die einfallenden Germanen als Gottesgericht über die Sündhaftigkeit seiner christlichen Mitmenschen interpretierte. Nach einem Jahrhundert kriegerischer Wirren (u. a. die Langobarden in Italien), Hungersnöten, Pest und erneut heftigen dogmatischen Konflikten innerhalb der Kirche (der Dreikapitel-Streit) musste es nicht verwundern, dass apokalyptisches Denken zunahm.46 Nach Fiedrowicz ist Job für Gregor nicht nur ein Symbol für die Daseinserfahrung seiner Epoche, sondern auch ein »Sinnbild der vielfach bedrängten Kirche seiner Zeit« gewesen.47 Gerade in dieser Situation gewann die Auseinandersetzung zwischen einem normenkonformen und einem als nur scheinbar abqualifizierten Christentum als ein zentrales Thema der Offenbarung wieder an Aktualität, so wie es das auch im 8. Jahrhundert wieder tun sollte, als zumindest die Theologen erneut das Jüngste Gericht erwarteten.48 Für den christianitas-Wortgebrauch ist entscheidend, dass die wiederholte Verwendung des Musters nicht nur dessen andauernde Akzeptanz und Verständlichkeit demonstrierte, sondern auch durch den Papst aktualisiert und stabilisiert wurde. Gregors hohe theologische wie schriftstellerische Autorität sorgte für eine außerordentlich weite Verbreitung seiner Texte und damit auch des von ihm genutzten Musters. Die Wendung vestra christianitas nutzte Gregor in zehn von 15 Briefen, in denen christianitas auftrat. Diese erhöhte Anzahl an Briefen im Vergleich zum restlichen 6. Jahrhundert geht auf das von Gregor angelegte Briefregister zurück, 45 Vgl. Pi¦tri, Gregor, S. 896 mit Hinweis auf den einleitenden Brief an Leander von Sevilla im Vorwort zu den Moralia (CCSL 143), S. 1: Quia enim mundi iam tempora malis crebrescentibus termino adpropinquante turbata sunt, ipsi nos, qui interius mysteriis deseruire credimur, curis exterioribus implicamur. Der Biograph Gregors des Großen, Johannes Diaconus (um 825 – 880/82), schrieb: Igitur in omnibus suis dictis vel operibus, Gregorius imminentem futurae retributionis diem ultimum perpendebat, tantoque cautius cuncta cunctorum negotia ponderabat quanto propinquius finem mundi insistere, ruinis ejus crebrescentibus, advertebat. In: Vita S. Gregorii Magni, in: PL 75, 214A – B. Daley, Apocalypticism, S. 41 f. 46 Zu Gregors Endzeitwartung siehe Markus, Gregory, S. 51 – 59; Daley, Apocalypticism, S. 39 – 42, mit Hinweis auf den Apokalpysekommentar des Primasius von Hadrumetum, hier 75.173 – 174; McGinn, End, S. 70; Meier, Eschatologie, S. 41 – 73. Zur Lage Roms und der Kirche im 6. Jahrhundert siehe Duffy, Saints, S. 60; Sotinel, Kirchen, S. 767 – 785. Zu den Auswirkungen einer erneuten Krisenzeit siehe Frend, Rise, S. 870 – 873. Bewusst essayistisch gehalten in Sprache und Gedankenführung die Abhandlung zum apokalyptischen Denken als Motor gesellschaftlicher Entwicklung Fried, Aufstieg, S. 18 f. 47 Vgl. Fiedrowicz, Einleitung, in: Gregor der Große, Homiliae in Evangelia (FC 28,1), S. 6. 48 Vgl. Brandes, Tempora. Deutlich zu erkennen an den Apokalypsekommentaren des Ambrosius Autpertus (152.274 – 279) und des Beatus von Li¦bana (190.344 – 368).

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in dem insgesamt 584 Briefe Auskunft über die politische, seelsorgerische und theologische Tätigkeit des Papstes geben. Nach Dag Norberg hat Gregor seine Briefe selbst diktiert, sodass als gesichert gelten kann, dass Stil und Wortwahl direkt auf den Papst zurückgehen.49Aus den vorherigen Verwendungen von christianitas in Verbindung mit einem Possessivpronomen (vestra/tua) wurde bereits sichtbar, dass christianitas mal als Eigenschaft, mal als Anrede (als Sonderform der Eigenschaft) gebraucht wurde. Allerdings ist es meist bei Einzelnennungen geblieben. Bei Gregor hingegen lässt sich der Gebrauch nun an verschiedenen Briefen untersuchen. Sie zeigen, dass der Übergang von der Eigenschaft zur Anrede fließend war. Als Erstes fällt auf, dass Gregor nur in einem seiner Briefe an den Kaiser von christianitas sprach (89.195). Der Papst hatte Kaiser Maurikios (582 – 602) geschrieben, um von ihm eine Bestrafung des Exarchen Gennadius in Afrika zu verlangen. Von diesem hatten afrikanische Bischöfe dem Papst berichtet, er würde die Gesetze gegen die Donatisten nicht anwenden, schlimmer noch, er würde Bestechungen der Donatisten annehmen und damit den katholischen Glauben verkaufen.50 Da es sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit handelte, habe der Papst die Afrikaner an den Kaiser weiterverwiesen. Die Christlichkeit der Herrn solle um das Seelenheil und das Leben seiner frommsten Nachkommenschaft willen diese (die Donatisten) als das anerkennen, was sie seien, mit strengem Befehl Bestrafung anordnen, den kranken Gemütern die Medizin der Korrektur verabreichen und ihnen die Krankheiten der Glaubensirrtümer austreiben.51 Der Zusatz pro salute animae et vita piisimae subolis suae gibt Aufschluss über die dominorum christianitas. Der Plural der typischen Anrede Gregors für Maurikios dominus ergibt sich aus der Einbeziehung von dessen Sohn Theodosius in der adverbialen Ergänzung. Gregor appellierte an die rechtgläubige christliche Einstellung des Kaisers und verstärkte diesen Aufruf durch den Hinweis, dass diese Christlichkeit das Seelenheil des Kaisers und das seines Sohnes befördere. Gregor war im Übrigen Theodosius’ Taufpate, was er 49 Vgl. Norberg, Lettres, S. 1 – 17. Zur Briefproduktion siehe Moorhead, Gregory, S. 16 f.; Jenal, Gregor I., S. 97. Zum Stil Gregors die ältere Dissertation: Dunn, Style. 50 Sed uenientes uiri reuerentissimi ex Africana provincia episcopi asserunt ita esse incauta dissimulatione postpositas, ut nec Dei illic iudicium haberetur in metu nec principales hactenus iussiones sortirentur effectum, hoc etiam subiungentes quod in praefata provincia Donatistarum praemiis praeualentibus, fides catholica publice uenundetur. At contra gloriosus uir Gennadius de uno eorum mihi similia questus est, qui talia querebatur, cui etiam duo ceteri in re eadem testimonium ferebant (89.195). Vgl. Fraisse-Cou¦, Gregor, S. 941; Markus, Gregory, S. 197. 51 Eapropter obsecro ut dominorum Christianitas pro salute animae et uita piissimae subolis suae eos quos tales esse cognoscat, districta ulcisci iussione praecipiat et ruinam pereuntium ereptionis manu suspendat, atque insanis mentibus correptionis medicinam adhibeat et errorum ab eis morbos expellat, […] (89.195).

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hier mit in die Waagschale warf.52 Die Vokabel christianitas erlaubte es Gregor, wahre Christlichkeit von der falschen der Donatisten in einem Wort auszudrücken und gleichzeitig den Kaiser wieder an seine Verpflichtungen gegenüber dem Christentum zu erinnern, die der Papst bereits eingangs im Brief in panegyrischem Ton vorgetragen hatte. Die Verwendung von christianitas anstelle von pietas vestra, vestra clementia, pietatis vestrae serenitas, imperator christianus, christianissime principum oder dergleichen ist wohl schlicht darauf zurückzuführen, dass Gregor im Ausdruck variierte. Die Vokabel war eben nur eine von vielen Möglichkeiten, den Kaiser an seine Verpflichtungen als Vorbild und Beschützer des Glaubens zu erinnern.53 Dass nun christianitas ausgerechnet wieder im Zusammenhang mit den Donatisten erwähnt wurde, kann als kontingent gedeutet werden. Robert Markus hat darauf hingewiesen, dass Gregor die kirchliche Situation in dem erst vor kurzem wieder unter byzantinische Herrschaft gekommenen Nordafrika falsch einschätzte, da er sie aus einem augustinischen Blickwinkel wahrnahm. Über die längst nicht mehr existierende Spaltung in zwei nordafrikanische Kirchen war Gregor nicht im Bilde und konnte es aufgrund seines auf dem Donatistenstreit ruhenden Afrikabildes auch nicht sein.54 Wahrscheinlich wollte er es auch nicht, weil der Name »Donatist« immer noch genügend Schrecken hervorrief, um als Schimpfwort verwendet zu werden, sodass es leichter war, gerade in Bezug auf die afrikanischen Provinzen von Donatisten als von Simonisten zu sprechen. Mit der Rede von den Donatisten mochte Gregor nämlich bewusst die Furcht nähren wollen, dass Afrika, jetzt wo es wieder zu Byzanz gehörte, wieder in zwei Kirchen zerfallen könne.55 Ohnehin hätte Gregor durch die Augustinus-Lektüre keinen Anhaltspunkt gefunden, christianitas in Bezug zu den Donatisten zu setzen, wie Kapitel III gezeigt hat. Gregors Verwendung des Wortes hängt vielmehr mit der über das Wort formulierbaren kaiserlichen Christlichkeit zusammen, wie Gregor es aus dem Liber Pontificalis und der hist. eccl. tripartita kannte. Zweitens nutzte der Papst das Wort nicht allein für die Christlichkeit des Kaisers. Unter seinen Adressaten befanden sich der Prätorianerpräfekt Grego52 Vgl. Pi¦tri, Gregor, S. 893. Da Gregor aber auch häufiger mit der Kaiserin korrespondierte und über sie wiederum Einfluss auf Maurikios ausüben wollte, sollte auch in Betracht gezogen werden, dass Gregor eventuell die kaiserliche Familie ansprach. 53 Vgl. Fraisse-Cou¦, Gregor, S. 937 für dominus und S. 939 dazu, wie Gregor Maurikios immer wieder an dessen christliche Pflichten erinnerte. Markus, Gregory, S. 85 f. Die zitierten Anreden stammen aus Gregorii Registrum, III.61, V.30, VI.16, V.36, VI.64, VII.6 (MGH Epp. 1), S. 219 – 222, 310 f., 395 f., 317 f., 436 f. (89.195), 449. Die Bezeichnung des Kaisers als serenissimus et christianissimus imperator findet sich wiederum in Gregorii Registrum VIII.10, XI.28, IX.135 (MGH Epp. 2), S. 12 f., 133 f., 297 – 299. 54 Vgl. Markus, Gregory, S. 192 – 194. 55 Vgl. Pi¦tri, Gregor, S. 918 spricht davon, dass Gregor donatista vor allem als Schimpfwort verwendete, um seine Gegner zu verunglimpfen.

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rius (83.186), die Schwester des Kaisers (87.192), häufiger die fränkische Königin Brunichild (86.191; 88.193 – 194; 91.1978 – 198; 97.204), einmal deren Enkel, die Könige Theudebert II. und Theuderich II. (95.202), zweimal die Langobardenkönigin Theudelinde (92.199; 98.205), sodann Bertha, Königin von Kent (96.203), aber auch ein Scholasticus Andreas (93.200) sowie Bischof Johann von Syrakus (94.201). Ein Brief war sogar an Gregor gerichtet und kam vom westgotischen König Rekkared (90.196). Der König vermeldete seine eigene Konversion und die seines Volkes zum Katholizismus und forderte den Papst auf, sie durch seine Gebete zu empfehlen. Rekkared erwähnte im Brief die Rolle, die der Gregor-Vertraute, Bischof Leander von Sevilla hierbei spielte, sodass es umso erstaunlicher ist, dass der König in diesem Schreiben den Papst als tuae christianitatis prudentia aufforderte, zu handeln.56 So sehr sich Gregor wohl über dieses Entgegenkommen der Westgoten gefreut haben wird, diese Formulierung wird ihn befremdet haben, sie könnte ihm sogar unbekannt gewesen sein. Es findet sich nämlich im gesamten Corpus keine andere christianitasStelle, die auf den Papst selbst bezogen war und in der er zudem noch geduzt wurde. Was aber beabsichtigte der König mit einer solchen Formulierung? Er wollte den Papst nicht nur für sein Seelenheil, sondern auch für ein Intervenieren beim Kaiser zu gewinnen, da die militärische Lage zwischen dem westgotischen Reich und der byzantinischen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel angespannt war. Gregor reagierte höflich, aber distanziert auf das Anliegen Rekkareds.57 Der Versuch, mittels tua christianitas eine besonders enge Beziehung zum Papst aufzubauen, scheint keine Früchte hervorgebracht zu haben: erstens aufgrund der politischen Begleitumstände (vielleicht wurden auch Erinnerungen an die Rolle Papst Johannes’ I. für Theoderich den Großen bei Gregor wach), zweitens vielleicht aber auch wegen der ungewohnten Anwendung dieser Anredeform an den Papst. Jedenfalls kann die Verwendung durch Rekkared (oder seine Kanzlei) die Vermutung erhärten, dass die Anrede einer Person mit vestra/tua christianitas nur vom Papst ausging, nicht aber für den Papst selbst anwendbar schien.58 In den weiteren Briefen changierte christianitas zwischen Eigenschaft und

56 Salutem vero tuam, reverentissime ac sanctissime vir, audire delector et peto tuae christianitatis prudentiae, ut nos gentesque nostras, quae nostro post Deum regimine moderantur et vestris sunt a Christo adquisitae temporibus, communi Domino tuis crebro commendes orationibus, ut per eandem rem quos orbis latitudo dissociat, vera in Deum acta caritas feliciter convalescat (90.196). 57 Siehe Gregorii Registrum IX.228, IX.229 (MGH Epp. 2), S. 221 – 226. Markus, Gregory, S. 164 – 167; Pi¦tri, Gregor, S. 920 f. Gregor weigerte sich, für Rekkared eine Kopie des Friedensvertrags zwischen Justinian und den damaligen westgotischen Königen bei Kaiser Maurikios zu erbitten. 58 Dies ist auch Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 375–s78 aufgefallen; siehe Kapitel IX.1.

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Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

Anrede.59 So versuchte Gregor die Gunst Theoctistas’, der kaiserlichen Schwester, für seinen Gesandten Johannes zu gewinnen, indem er mit der Versicherung begann, dass er von der immer zu guten Werken bereiten Christlichkeit ihrer Exzellenz wisse und er deshalb Gründe für ihren Lohn vorsehe, die sicherlich ihr Gefallen finden werden.60 Hier stehen Anrede (excellentia vestra) und christianitas in unterschiedlichen Kasus, was es unmöglich macht, darin »Eure christliche Exzellenz« zu lesen, obwohl natürlich an die christliche Einstellung der Kaiserinschwester appelliert wird. Dieser enge semantische Zusammenhang, dieses Spiel mit der Metonymie (christianitas als Eigenschaft einer Person, christianitas für die Person selbst) fand sich in gleicher Weise im ersten Brief Gregors an Brunichild, der mit den Worten begann: »Die Christlichkeit Eurer Exzellenz ist uns früher schon wahrhaftig bekannt geworden, sodass wir an ihrer Güte keinesfalls Zweifel haben […]« (88.193). Gregor bat dann um Unterstützung für seinen Missionar Augustinus und dessen Helfer auf ihrem Weg nach England. Er beschloss den Brief mit einer weiteren Empfehlung für einen anderen Priester, dem die Königin ebenfalls helfen sollte. Dabei sprach er davon, dass er »den Priester Candidus Eurer Christlichkeit anempfehle« (candidum presbyterum vestrae christianitati commendantes).61 Das Verb commendare zieht wie hier zwei Objekte nach sich, wodurch vestra christianitas nunmehr die Funktion einer direkten Anrede übernahm. Der erste Brunichild-Brief belegt damit das Wechselspiel zwischen Eigenschaft und Anrede. Gleiches gilt auch für den zweiten BrunichildBrief (91.197 – 198) und für den Brief an den Prätorianerpräfekten Gregorius. Gregor erinnerte diesen an seine Christlichkeit bzw. Pflicht zur Nächstenliebe, als er ihn bat, einen Armenius bei sich aufzunehmen, da dieser Waise sei und keine Mittel habe (83.186). An der Beziehung zwischen Verb und vestra christianitas wird das dritte sprachliche Merkmal sichtbar : Absender und Empfänger traten über die Wortfügung in direkte Beziehung zueinander. Was beim zweiten BrunichildBrief an commendantes zu sehen war, kehrte im dritten und vierten BrunichildBrief wieder. Im dritten sprach Gregor davon, dass ihre Christlichkeit ihm große 59 Der Brief an den Bischof Johann von Syrakus weicht nur insofern ab, als Johannes bei einem Exkonsul Leontius im Namen des Papstes für einen Briefüberbringer namens Crescentius ein gutes Wort einlegen und den Exkonsul an dessen Christlichkeit erinnern sollte, damit Crescentius nicht unrecht behandelt würde: sed iustitiam ei, sicut christianitati eius convenit, in omnibus faciat custodiri […] (94.201). 60 […] scimus excellentiae uestrae christianitatem bonis intentam semper operibus et idcirco mercedis uobis causas, quas uos diligere certum est, prouidemus, ut nos uestris meritis prouidendo iungamus (87.192). 61 Praeterea dilectissimum filium nostrum candidum presbyterum et patrimoniolum ecclesiae nostrae quod illic situm est uestrae christianitati commendantes, petimus ut tuitionis uestrae gratiam in omnibus consequatur (88.194).

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Freude bereite (magna nobis fit de christianitate vestra laetitia; 91.197).62 Im vierten Brief äußerte Gregor subtil seine Verwunderung über die Königin (de christianitate vestra mirentur alii; 97.204). Gegenüber Theudelinde benutzte Gregor zweimal eine ähnliche Satzkonstruktion, dass nämlich der christlichen Einstellung der Königin vertraut werden müsse (Nec enim aliter de christianitate uestra fuerat confidendum, nisi; 92.199; nec enim de christianitate uestra aliud credendum fuerat, nisi; 98.205). Das Vertrauen in die christianitas der Königin kam auch im zweiten Brunichild-Brief vor.63 Die Anredeform vestra christianitas diente also dazu, ein Näheverhältnis auszudrücken, eine privilegierte Beziehung zwischen Angesprochenem und Papst. Insofern lag König Rekkared mit seiner Verwendung gar nicht falsch, nur dass so eine Vereinnahmung allein vom Papst ausgehen konnte, der sich selbst aber nicht vereinnahmen lassen wollte. Diese inkludierende Funktion, die sich hier auf syntaktischer Ebene andeutet, ist auch auf der Wortebene wiederzuerkennen. Im Umfeld von vestra christianitas wird die positive Einstellung zum Glauben und rechtes christliches Verhalten zum Ausdruck gebracht oder aber eingefordert.64 In diesem Punkt ist auch der unterschiedliche Tonfall der Briefe an die Königinnen, der Briefe an Bischof Johannes und vor allem an die Könige Theoderich II. (596 – 613) und Theudebert II. (596 – 612) zu erkennen. Gregor appellierte an die jungen fränkischen Könige, den Bischof Uriscino von Turin (sed. 562 – 602) zu entschädigen.65 Hier wie auch in den Briefen an die Königinnen nutzte Gregor den Hinweis auf die herrscherliche Christlichkeit, er sprach auf diese Weise Herrscher an, um sie zum Handeln zu bewegen. Gregors Wortgebrauch unterschied sich auf sprachlicher Ebene also auch hinsichtlich der vestra christianitas nicht sonderlich von demjenigen seiner Vorgänger. In diesen Briefen agierte Gregor allerdings als Chefdiplomat des Christentums, oder besser als eben jener consul Dei, als der er von einem un62 So auch im Brief an Bertha (96.203). 63 Quia uero multarum rerum experimenta nos admonent de excellentiae uestrae christianitate confidere (86.191). 64 Unde christianitas vestra pia considerationis ut consuevit intuitu (83.186); ante deum faciat bonitas actionis. Quia vero multarum rerum experimata nos admonent de excellentiae vestrae christianitate confidere, idcirco paterno salutantes afffectu quesumus ut propter amorem beati patri apostolorum prinicipis, quem tote vos scimus corde diligere […] (86.191); in 87.192 die bereits genannten bonis operibus sowie diligere; in 88.193 – 194 bonitas und in causa fidei et studiose conurrate et religiosae sinceritatis suae solacia copiosissime subminstret. In 91.197 – 198 ist der timor omnipotentis Dei und bona agereund etiam sacerdotum dilectione monstrare; in 92.199 bonitatem vestram modis omnibus monstraretis; 96.203 perfecta operatio vestra anglis fiat gaudium in caelis; 97.204 beneficia vestra; in 98.205: divino munere suscepistis, catholicae rectitudinis auxilio muniretis. 65 Nec quod ad tempus eius ecclesia ab hostibus detinetur, aliquid illi debet officere, sed hoc ad subueniendum christianitatis uestrae magis magis que debet animos permouere, ut largitatis uestrae munere consolatus captiuitatis quae pertulit non possit damna sentire (95.202).

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Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

bekannten Dichter kurz nach seinem Tode bezeichnet und als der er auf seinem Epitaph verewigt wurde.66 Die Anspielung auf das höchste zivile und militärische Amt des alten Roms zielte auf seine päpstliche Amtsführung ab, in die sicherlich seine Erfahrungen als praefectus urbi 573 in Rom eingeflossen waren. Sein Schriftverkehr und vor allem die Registerführung werden hiervon profitiert haben. Das damit eingeübte politische Handeln führte Gregor nun in seinen Papstbriefen fort. Er weitete den Kreis der Adressaten aus und nutzte das Wort vornehmlich für Königinnen, um über sie das Christentum in den verschiedenen Reichen zu fördern oder zu etablieren – und so Einfluss auf die Herrscher zu gewinnen. Gregor lobte sie in diesen Briefen nicht nur für ihre Christlichkeit, sondern stellte auf diesem Wege auch Forderungen. Diese betrafen erstens die Unterstützung der Mission in Kent: Brunichild sollte dem Missionar Augustinus und seinen Gefährten bei der Durchreise und den Vorbereitungen für den Aufenthalt in Kent helfen (88.193 – 194). Im letzten Brunichild-Brief bedankte sich Gregor ausdrücklich (97.204). Er lobte Königin Bertha (um 562–vor 618), eine Tochter des Merowingerkönigs Charibert I., in den höchsten Tönen, indem er sie mit Helena, der Mutter Konstantins des Großen, verglich. Er ermahnte aber auch zugleich, ihren Ehemann Æthelberht, König von Kent (um 560 – 616), dazu zu bringen, sich endlich taufen zu lassen (96.203). Zweitens ging es allgemein um den Einsatz für die Festigung des katholischen Glaubens, wie man an den Theudelinde-Briefen ersehen kann (92.199; 98.205).67 Dahinter stand aber sicherlich die Intention, dass eine Bekehrung des langobardischen Herrscherhauses zum Katholizismus die angespannte politische Situation zwischen den Langobarden und Rom entspannen könnte.68 Drittens forderte Gregor die Einhaltung des Kirchenrechts ein, indem er Brunichild (91.197 – 98) in der Besetzung des Bistums von Autun an das Simonieverbot erinnerte. Gleiches tat Gregor auch gegenüber dem Kaiser (89.195), wie er sich auch gegenüber den Königen Theoderich II. und Theuderich II. für den Turiner Bischof einsetzte. Allgemein setzte sich Gregor viertens mittels dieser Briefe für seine Gesandten ein. Auffallend viele Empfehlungsschreiben sind auszumachen.69 Dass seine Briefüberbringer versorgt werden mussten, ergibt sich eigentlich von selbst. Sie waren für den Papst von großer Wichtigkeit, weil er sich so ein Netz von Informanten aufbaute, die wiederum Zugang zu den Personen hatten, mit denen 66 Vgl. Pi¦tri, Gregor, S. 891; Richards, Gregor, nahm dies als Titel für seine englische Erstveröffentlichung 1980; siehe auch Boesch Gajano, (Art.) Gregorio I., S. 546 – 574. 67 Zum Verhältnis zwischen Theudelinde und ihrem Ehemann Agilulf siehe Nolte, Conversio, S. 122 – 130. 68 Vgl. Markus, Gregory, S. 97 – 107. 69 So an Brunichild (86.901) für Candidus, an Theoctista (87.192) für Johannes, an Brunichild (88.193 – 194) erneut für Candidus, an den Scholasticus Andreas (93.200) für Castorius, an Bischof Johann von Syrakus (94.201) für Crescentius.

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Gregor Kontakte unterhalten wollte. Hinter den vestra christianitas-Verwendungen wird somit das »Networking« des Papstes sichtbar.70 Da dieses nicht nur der Festigung der päpstlichen Autorität diente, sondern auch für politische Stabilität und vor allem Versorgungssicherung Roms sorgen sollte, kann dieses Netzwerken des Papstes als politisches Instrument und die Anrede als ein Element in dieser politischen Kommunikation gedeutet werden. Hierauf ist Jean Rupp in seiner Geschichte der christianitas nicht weiter eingegangen. Ohnehin hat er in seiner Analyse den Wortgebrauch Gregors des Großen nur gestreift, da dieser ihm nichts Neues zu bieten schien. Rupp hatte sich gewünscht, bei Gregor als dem Vermittler augustinischen Gedankenguts eine Umsemantisierung von christianitas als Gottesstaat zu entdecken und musste stattdessen konstatieren, dass man nur christianitas vestra, im unterwürfigen Sinne (»le sens obs¦quieux«) finden könne.71 Rupps Feststellung ist in gewissem Maße richtig, da Gregor in der Tat dem Wort keinen neuen Sinn gegeben hat und auch mit vestra christianitas nur etwas weiterführte, das ohnehin bereits ausprobiert worden war. Gregor trat vor allem als Praktiker und weniger als Visionär oder politischer Theoretiker auf, wie an den christianitasBriefen sichtbar wurde. Seine Kirchenpolitik ging natürlich weit über diese wenigen Briefe hinaus. Sein Gebrauch von christianitas veränderte auch nichts an der römischen Kaiserideologie oder dem politischen Imaginarium, das er in ganz anderen Briefen abrief.72 Um die christlich gedeutete politische Ordnung auszudrücken, blieb auch Gregor bei Formeln wie dem imperium christianum

70 Netzwerkmodelle sind vor allem in der spätmittelalterlicher Wirtschaftsgeschichte zur Hanse erprobt worden. Siehe Burkhardt, Bergenhandel. Für die Papsttumsgeschichte wurden solche Ansätze, wenngleich weniger theoretisiert, für das Hochmittelalter fruchtbar gemacht, siehe Drossbach, Zentrum. Ein anderes Modell, das in der Papsttumsgeschichte des Hochmittelalters genutzt wird, ist jenes von Peripherie und Zentrum, siehe Johrendt, Römisches Zentrum. 71 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 17. Richards, Gregor, S. 271, sah in Gregor keinen originellen Denker, dennoch den letzten der großen Kirchenväter des Westens, da er Augustinus allgemeinverständlich übermittelte und die exegetische Tradition der Patristik an die kommenden Generationen weitergab, vor allem aber zur Entwicklung einer volkstümlichen homiletischen Predigt beitrug. Seine Charakterisierung Gregors mittels der beiden Schlagworte christianitas und romanitas mag vor allem dem Gleichklang der Worte geschuldet sein. Richards führt aus, was er unter romanitas verstand: »ein konservativer, juristisch Denkender, dem christlichen Römischen Reich und der Stadt Rom ergeben, zugleich Administrator und Gutsverwalter, Hausvater und Prokonsul.« Sodann nannte er den Kirchenvater nur einen Vertreter »der tiefgreifenden Christianitas«, erklärte dies aber nicht und stellte keinen Bezug zu Gregors Wortgebrauch her, sodass Tür und Tor für Assoziationen geöffnet waren. 72 Vgl. Gregorii Registrum XIII.34 (MGH Epp. 2), S. 396 f. mit der Definition von Königen und Kaisern. Siehe hierzu Markus, Gregory, S. 84 f.; Frend, Rise, S. 890.

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oder der respublica christiana.73 Jedoch war ihm dabei sehr wohl bewusst, dass hier Anspruch und Wirklichkeit mittlerweile weit auseinanderklafften, dass der orbis christianus längst nicht mehr mit den Grenzen des Römischen Reiches deckungsgleich, es vielleicht nie gewesen war.74 Dafür aber hat Gregor als hochproduktiver Schriftsteller mit enormer Ausstrahlungskraft nicht nur augustinische Ideen, sondern auch das traditionelle spätantike Wortverständnis von christianitas an das Mittelalter vermittelt. Durch seine häufige Verwendung von christianitas vestra als Hybrid zwischen Eigenschaft und Anrede hat er den Formelschatz der politischen Kommunikation zwischen Päpsten und Herrschern bereichert und stabilisiert. Dank seines Registers fanden seine Nachfolger nicht nur Informationen über die Beziehungen des Heiligen Stuhls zu diversen Fürstinnen und Fürsten vor, sondern hatten zugleich Muster für die Kommunikation zur Verfügung, derer sie sich bedienen konnten.75 Insofern hat Gregor das Muster vestra christianitas geprägt und verfügbar gemacht: Es ist damit Teil jener »so schlüssige[n] Sprache der Macht« geworden, die Peter Brown darin ausgemacht hat, dass Gregor »von Bischöfen, Äbten und Königen sprach, ohne Unterschiede in deren Aufgaben zu berücksichtigen, da sie alle sich auf die allgemein christliche Kunst, über Seelen zu herrschen, verstehen sollten […], was in späteren Jahrhunderten sich in ganz Europa durchsetzen sollte als Sprache der herrschenden Elite.«76 Bevor aber anhand der Päpste des 7. Jahrhunderts die Auswirkungen der politischen Sprache Gregors weiterverfolgt werden kann, ist noch auf das in der Patrologia Latina ihm zugeschriebene Privileg einzugehen, das dem in Merowinger- und Karolingerzeit gleichermaßen bedeutenden nordfranzösischen Kloster Saint-M¦dard galt. In der Poenformel der Urkunde drohte der Papst jedem König, Vorsteher, Richter und/oder jeder sonstigen geistlichen Person, die gegen das Privileg und damit den Besitz des Klosters handelte, mit dem Anathem.77 Dieses Schriftstück ist mutmaßlich eine Fälschung aus der Mitte des 73 Pi¦tri, Gregor, S. 897. Markus, Gregory, S. 83 – 87. Die Stelle 89.195 enthält die Preisung Maurikios’: pro christianae reipublicae regimine sustinetis. 74 Herbers, Geschichte des Papsttums, S. 56. 75 Ebd., S. 57 f. weist zu Recht darauf hin, dass Gregor in der Rezeption wesentlich mehr zugeschrieben wurde, als wirklich von ihm stammte, und dass sein Einfluss durch Mythosbildung um seine Person noch erhöht wurde. An den folgenden Briefen im Kapitel VI.3 wie auch in den Papstbriefen des 8. Jahrhunderts (siehe Kapitel IX.1) kann Gregors Einfluss zumindest hinsichtlich des christianitas-Gebrauchs als gesichert gelten. 76 Brown, Entstehung, S. 171. 77 Si quis autem regum, antistitum, judicum, vel quarumcunque saecularium personarum, hujus apostolicae auctoritatis et nostrae praeceptionis decreta violaverit, aut contradixerit, aut negligenter duxerit, vel fratres inquietaverit, vel conturbaverit, vel aliter ordinaverit, cujuscunque dignitatis vel sublimitatis sit, honore suo privetur, et ut catholicae fidei depravator, vel sanctae Dei Ecclesiae destructor, a consortio Christianitatis et corpore ac sanguine Domini nostri Jesu Christi sequestretur, et omnium maledictionum anathemate, quibus in-

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9. Jahrhunderts. Auffällig ist nicht nur die Bezeichnung antistites, sondern vielmehr die Androhung, aus der christlichen Gemeinschaft, aus dem Corpus und vom Blute Christi ausgeschlossen zu werden. Die Benennung der christlichen Gemeinschaft als consortio christianitatis ist erst wieder für die Zeit des Erzbischofs Hinkmar von Reims (sed. 845 – 882) belegt.78 Auch die weiteren Verdammungsformeln passen eher zur sprachlichen Drohkulisse, mit der Hinkmar gegen die Eingriffe in das Kirchengut vorging.79 Für eine spätere Datierung spricht auch, dass sich das Privileg als Schutzmaßnahme explizit gegen Weltliche richtete, was auf eine vorangeschrittene Hierarchisierung und OrdoEinteilung der christlichen Gesellschaft hindeutet, wie sie für die Zeit ab den 830er-Jahren immer häufiger artikuliert wurde.80 Um die Fälschung definitiv Hinkmar zuweisen zu können, bedürfte es noch weiterer philologischer Analyse. Für eine Fälschung aus dieser Zeit und im Umfeld des Erzbistums Reims spricht nicht nur Hinkmars unermüdlicher Kampf gegen Kirchengutentfremdungen, sondern auch, dass Saint-M¦dard in dessen Erzdiözese lag und zumindest sein Vorgänger Ebo von Reims 833 eine Kirchenversammlung abgehalten hatte – und zwar jene, in der es darum ging, Ludwig den Frommen erneut zu entmachten. Insofern wäre zu prüfen, ob Saint-M¦dard als Ort des Aufstandes gegen den

fideles et haeretici ab initio saeculi usque in praesens damnati sunt, cum Juda traditore Domini, in inferno inferiori damnetur, nisi digna poenitentia praefatorum sanctorum sibi propitiaverit clementiam et fratrum communem reconciliaverit concordiam (84.187). 78 Hinkmar von Reims drohte mit dem Ausschluss aus der consortio christianitatis, z. B. im Brief an einen Grafen Teudulf: Cui si aliquod inpedimentum contra divinas et humanas leges feceris, et manifestum fuerit, presbiter ibi permanebit, et tu et omnes, qui tibi consenserint, ab omni christianitate usque ad satisfactionem eritis separati. Nur als Fragment überliefert bei Flodoard, Historia Remensis ecclesiae, III,26 (MGH SS 36), S. 337 (373.689). Siehe auch die Wortwahl gegenüber Graf Archadeus, ebd. III,24, S. 345 (400.720). Eine Exkommunikationsformel mit consortio/communione christianitatis findet sich auf dem Konzil von Tusey von 860: qui res sancti Stephani necnon et sancti Eugendi superbo spiritu ac sacrilega mente invasit, invasasque temerario ausu tentat, a consortio fidelium totiusque christianitas communione eliminamus. Siehe Konzil von Tusey, Schlussbestimmungen, in: Die Konzilien der karolingischen Teilreiche 860 – 874 (MGH Conc. 4), S. 12 – 42, hier S. 42 (313.570), wobei eindeutig ein grammatischer Fehler vorliegt. Papst Johannes VIII. schloss gleich mehrmals Menschen aus der consortio christianitatis aus oder drohte damit. Siehe Johannis VIII., Registrum, epp. 105, 119, 173, 265 (MGH Epp. 7), S. 98 (384.704), S. 108 f. (383.703), S. 139 f. (387.707), S. 234 (397.7179). Vgl. Lohrmann, Register. Die Verstetigung dieser Exkommunikationsformel wird im Sendhandbuch Reginos von Prüm sichtbar : ders., De ecclesiasticis disciplinis et religione christiana, in: PL 132, 185 – 400B, hier 362C, 371B, 386A – 386C (432.770 – 772). 79 Vgl. die collectio de raptoribus des Hinkmar von Reims, in: Konzilien der karolingischen Teilreiche 843 – 859, Nr. 38, Konzil von Quierzy (MGH Conc. 3), S. 389 – 394; siehe auch Geelhaar/Thomas, Stiftung, S. 108 – 113. 80 Vgl. Savigni, Communitas.

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Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

Kaiser nach dessen Rehabilitation Repressalien befürchtete und daher ein Privileg fälschen ließ.81

3.

Der politische Gebrauch der Anrede

Die zu Beginn des Kapitels aufgestellte Vermutung, dass der Briefwechsel zur Herausbildung eines engeren Musters beigetragen habe, dass sich eine spezielle Verwendung ergeben habe, lässt sich an den folgenden Briefen bestätigen. Die Päpste Bonifatius IV. (608 – 615)82, Bonifatius V. (619 – 625)83 und Honorius I. (625 – 638)84 nutzten und verfestigten den Wortgebrauch als Anrede. In ihren Briefen an die Könige im angelsächsischen Missionsgebiet verbanden sie vestra christianitas mit Mahnungen und Anweisungen, z. B. über die Einhaltung der katholischen Ehegesetze (103.210). Durch ihre Briefe sollte Kent ebenso an den Papst gebunden werden, wie Gregor es zuvor mit den fränkischen und langobardischen Herrschern versucht hatte. Einerseits gebot der Missionsbefehl und das petrinische Selbstverständnis der Päpste, zu allen Christen Kontakt aufrechtzuerhalten und vor allem deren Obödienz gegenüber dem Apostolischen Stuhl und deren Einhaltung der katholischen Glaubensdoktrin zu sichern. Andererseits folgten die Päpste damit einer Neuorientierung nach Westen, die sich durch Gregor ergeben hatte, wenngleich strittig ist, inwieweit dies von ihm überhaupt beabsichtigt gewesen ist.85 Beda übernahm später für seine Historia ecclesiastica die Briefe von Bonifatius V. (134.247) und Honorius (134.248), wodurch diese Briefe in der Folgezeit einem größeren Publikum zugänglich wurden. 81 Ein möglicher zweiter Fälschungsfall liegt im Privileg Papst Martin I. für das Kloster Rebais von 648 vor, vgl. 114.222. 82 Papst Bonifatius IV. an Æthelberht, König der Engländer : Dum Christianitatis vestrae integritas ita circa conditoris sui cultum excreverit, ut longe lateque resplendeat […](102.209). 83 Papst Bonifatius V. an Königin Aethelburg: Unde paternis officiis vestrae gloriosae Christianitatis nostram commonitionem non distulimus conferre, adhortantes quatenus divinae inspirationis imbuta subsidiis importune et opportune agendum non differas, ut et ipse Salvatoris nostri Domini Jesu Christi cooperante potentia Christianorum numero copuletur, ut perinde intemerato societatis foedere jura teneas maritalis consortii (103.210). 84 Papst Honorius I. an König Edwin: Ita Christianitatis vestrae integritas circa conditoris sui cultum fidei est ardore succensa, ut longe lateque resplendeat, et in omni mundo annuntiata, vestri operis multipliciter referat fructum (106.213). 85 Vgl. Herbers, Geschichte des Papsttums, S. 59 – 62, in kritischer Abwägung des Diktums von der »byzantinischen Gefangenschaft« des Papsttums im 7. Jahrhundert, wie es bei Walter Ullmann, Geschichte, S. 53, vorkommt und wie es Duffy, Saints, S. 72, wiederholt, was aber die Metapher nicht überzeugender macht angesichts der Tatsache, dass die Päpste auch in den Jahrhunderten zuvor immer Teil des Römischen Reiches waren und niemals politische Autarkie besaßen. Angenendt, Frühmittelalter, S. 238, spricht hingegen, wenngleich auch nicht ganz wertneutral, vom byzantinischen Zeitalter der Päpste.

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Wie Gregor wussten auch seine Nachfolger zwischen den verschiedenen Modi der Verwendung zu trennen und christianitas in unterschiedlicher Bedeutung zu verwenden. Die Quellen zeigen, dass die ersten beiden Päpste christianitas im innerkirchlichen Gebrauch ganz anders einsetzten. Im Falle von Bonifatius IV. geschah dies sogar auf demselben Konzil, von dem aus der Papst sein Bestätigungsschreiben für die Errichtung des Klosters St. Augustinus in Canterbury an König Æthelberht sandte (102.209). Auf dem Konzil wiederum wurde festgelegt, wie und unter welchen Umständen Mönche das Priesteramt ausführen dürften, da sich einige diese Tätigkeit angemaßt hätten, obwohl sie gar nicht befugt gewesen wären, Bußen aufzuerlegen oder die Taufe zu erteilen (neque poenitentiam, neque christianitatem largiri; 101.208). Obwohl bis dato weder eine solche Formulierung an sich, noch die Abgrenzung von mönchischen und priesterlichen Aufgaben im Umfeld des christianitas-Wortgebrauch vorgekommen war, war das Auftreten der Vokabel in diesem Kontext sicherlich nachvollziehbar. In der Patristik war die Verbindung zwischen Taufe und christianitas bereits gegeben.86 Da man durch die Taufe den nomen christianitatis erhielt, indem man im Namen Christi in der Taufe neu geboren wurde, lag es durchaus nahe, die Verchristlichung durch die Taufe selbst als christianitas zu bezeichnen.87 Auffälliger war dagegen die Formulierung, die Bonifatius V. wählte. Wohl 624 hatte der Papst das Pallium an den neuen Erzbischof Justus von Canterbury gesandt. In einem Schreiben gratulierte Bonifatius Justus, dass sein König Eadbald seine vorübergehende Apostasie abgelegt hatte. Der Papst versicherte Justus seiner Unterstützung und pries Canterbury als das Haupt des englischen Volkes seit der Zeit der Heiden (in civitate Dorobernia, ubi caput totius gentis Anglorum a diebus paganorum habetur ; 104.211). Bonifatius führte seine Preisung fort, indem er schrieb, dass die Stadt durch die Offenbarung Jesu Christi erhöht worden sei, der der Ursprung und das Haupt der ganzen Christenheit sei (per revelationem Jesu Christi, qui est origo et caput totius Christianitatis, eadem civitas exaltatur ; 104.211). Jean Rupp bedauerte, dass trotz eines gegenteiligen Anscheins christianitas hier »nur« für das Christentum gestanden habe. Denn das origo widerspreche einem sozialen Sinn von christianitas.88 Ganz so klar ist das aber nicht, wenn man die parallele Formulierung Canterburys als caput totius gentis Anglorum hinzuzieht. Es kann hier sehr wohl beides gemeint gewesen sein: Christus als Ursprung und Haupt aller Christen wie auch des 86 Siehe Kapitel II.2. 87 Ein enger Zusammenhang zwischen Taufe und christianitas in der Liturgie ist aber erst im Liber sacramentorum Gellonensis (196.374 – 375) zu erkennen: Hoc autem precauentes ut hoc non neglegantur, qua tunc omnem baptismum legitimum christianitatis nomine confirmatur. 88 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 17.

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christlichen Glaubens. Bonifatius V. verband aber keine konkrete Vorstellung von »der Christenheit« mit dieser Formulierung, wie der metaphorische Stil in dieser Passage zeigt. Der Papst bediente sich der typisch biblischen Florametaphorik wie radix nobilissima, fructus oder seges.89 Gerade die Verwendung von radix ist wohl als Anspielung auf die Prophezeiung von der Ankunft Jesu und des Friedensreiches in Jes 11,1 zu verstehen. Die Gründung des Klosters wie auch die Missionierung als Ganzes würden damit in das heilsgeschichtliche Narrativ des Christentums eingebaut.90 Die späteren Päpste benutzten die Vokabel dann wiederum auf herkömmliche Weise. In einem Schreiben von 649 hielt Martin I. (649 – 653) Bischof Amandus von Maastricht (gest. nach 675/76) dazu an, Häresien zu bekämpfen und außerdem den merowingischen König Sigibert III. (633/34 – 656) für das Wohl seiner Christlichkeit mit Rat zu ermahnen.91 Die Formulierung pro suae christianitatis remedio entspricht der Seelenheilformel pro salute/remedio animae, die auch schon in merowingischer Zeit als Motiv für Stiftungsgründungen oder fromme Schenkungen eingesetzt wurde.92 Daher mag es gut sein, dass auch hier das Seelenheil Sigiberts durch Ermahnungen bewahrt werden sollte, wenn sich der König selbst nicht darum kümmerte. Außerdem erinnert die Stelle an die Sorge um das Seelenheil des Kaisers Maurikios in einem Schreiben Gregors. 89 Im Zusammenhang: At vero nunc per revelationem Jesu Christi, qui est origo et caput totius Christianitatis, eadem civitas exaltatur, et orthodoxa fides, quae est radix nobilissima, ibidem collocatur, ut ex illa segete uberrimum fructum boni operis ad pabulum coelestis patriae omnem insulam metiri queant. O quam felix illa civitas quae meruit in se Christum habitatorem habere, expulsis antiqui hostis insidiis! Felix illa civitas, felix et tota gens, cum illa superna misericordia visitare non dedignata sit, quos ante mundi creationem praedestinaverat sibi sociare! (104.211) Zur botanischen Metaphorik der Bibel siehe nur die Gleichnisse vom Senfkorn Mt 13,44 oder vom Unkraut und dem Weizen Lk 16,1 – 8. 90 Damit widerspreche ich der Deutung von Bredero, Christenheit, S. 21, der an dieser Stelle bereits einen Beleg für christianitas als Christenheit sah und diesen Beleg in eine Entstehungsgeschichte zur Ideologisierung der Christenheit durch die Karolinger einordnete. 91 Et Sigebertum, praecellentissimum filium nostrum, regem Francorum pro suae christianitatis remedio consultissime ammonere atque praecare, dirigere nobis ex corpore fratrum nostrorum dilectissimos episcopos, qui sedis apostolicae legatione, divina concedente propiciatione, fungere debeant, et quae in nostro concilio peracta sunt cum has synodales apices nostras ad clementissimum principem nostrum sine dubio asportare faciemus, ut nostrorum laborum particeps effectus, mercedis cumulum adipisci valeat et sui regni protectorem invenire eum, cuius causa flagitari dinoscitur. (115.223) Die Aufnahme des Textes in die pseudoisidorischen Dekretalen führt zu einer Doppelung des Eintrags als exemplarischer Brief: PL 130, 1145A – 1147C, hier 11147A – 1147C. Der erwähnte König wird Sigibert III., König von Austrien (633 – 734) gewesen sein, der ab 656 regierte. Der Brief selbst ist nur als Inserat in eine spätere Fassung der Vita Amandi erhalten. Der Mönch Milo (gest. 872) hatte den Brief als Ergänzung zur eigentlichen Vita aufgenommen, weil er diese für zu ungenau und zu wenig informativ gehalten hatte. Vgl. Berschin, Merowingische Biographie, S. 48; M¦riaux, Gallia irradiata, S. 347. 92 Vgl. Borgolte, Felix, S. 5 – 18.

Der politische Gebrauch der Anrede

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Während Martin I. also wieder auf die Christlichkeit des Herrschers selbst anspielte, nutzte ein weiterer, nur sehr kurz amtierender Papst, Leo II. (682/83), christianitas erneut als Anrede in Bezug auf den westgotischen König Ervig (680 – 687)93 und einen Grafen Simplicius.94 Auch Papst Johannes VI. (701 – 705) nutzte die Anredeform, um sich direkt an die Könige Aethelred und Alfred von Mercien (reg. 675 – 716) zu wenden und zugunsten des Bischofs Wilfrid von York zu intervenieren, der auf einer Synode 702 (oder 703) verurteilt und exkommuniziert worden war. Während die gerade vorgestellten christianitas-Verwendungen darauf hinweisen, dass sich der Gebrauch der Vokabel als Anrede immer stärker auf die Könige im westlichen und nordwestlichen Europa konzentrierte, ist auch noch ein letzter Brief zu berücksichtigen, in dem doch wieder die Kaiser in Konstantinopel diesen Titel erhielten. Rund 130 Jahre nach dem Rechtfertigungsschreiben des Papstes Vigilius (63.116 – 119) an die Adresse Kaiser Justinians sandte Papst Agatho (sed. 678 – 681) ein sehr ausführliches Schreiben an die Kaiser Konstantin IV. (668 – 685), Herakleios und Tiberios im Anschluss an die Lateransynode vom 27. März 680. Mit dem sehr ausführlichen Schreiben wollte Agatho die Lehre von den zwei Willen und Energien Christi und damit auch die Rechtgläubigkeit der römischen Päpste verteidigen. Dies war notwendig geworden, um einen seit den 630er-Jahren in Konstantinopel herrschenden Streit um die Natur Christi endlich zu beenden.95 Für die Kaiser stand vor allem die Einheit der Ostkirche auf dem Spiel, die für die Aufrechterhaltung der byzantinischen Herrschaft im östlichen Mittelmeerraum dringend notwendig war, die Herakleios (610 – 641) gerade gegen die Perser bewahrt hatte.96 Agathos Amtsvorgänger Honorius (sed. 625 – 638) hatte sich zu seiner Zeit jedoch dermaßen unglücklich geäußert, dass ihm später Häresie vorgeworfen wurde.97 Seine angebliche Unterstützung der Monophysiten hatte den sogenannten monoenergetisch-monotheletischen Streit noch weiter befeuert und die Päpste viel Glaubwürdigkeit gekostet. Papst Agatho positionierte sich nun mit dem Schreiben und der beigefügten theologischen Abhandlung auf der Seite der Gegner der Monotheleten, Monophysiten und des Honorius, um sich nicht selbst 93 […] ut pax et concordia in Ecclesiis Dei vestri sublimis regni temporibus, Deo concedente vestraque Christianitate favente, crebrescat et maneat; ut qui vestrum culmen regnare disposuit, suae fidei stabilitate subnixum concedat per plurima tempora prospere ac sibi placite commissum populum dispensare. Incolumem excellentiam vestram gratia superna custodiat (123.234). 94 Ad perpetuam proinde vestrae gloriosae Christianitatis protectionem venerabilem crucem clavemhabentem de salutaribus vinculis auctoris nostri Petri Christi apostolorum principis per praesentem gerulum direximus (122.233). 95 Zum Hintergrund: Winkelmann, Streit. In der Kurzfassung bei Duffy, Saints, S. 74 f. 96 Vgl. Louth, Byzantium Transforming, S. 226 – 230. 97 Vgl. Dagron, Byzantinische Kirche, S. 40 – 43.

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Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

dem Verdacht der Häresie auszusetzen. Seine Argumentation wurde auf dem 6. Ökumenischen Konzil in Konstantinopel (7. November 680 bis 16. September 681) vorgetragen und fand große Zustimmung.98 Der Brief war auf Latein verfasst und in Konstantinopel ins Griechische übersetzt worden,99 womit dem »Unilingualismus« in Konstantinopel für die Zeit ab dem 6. Jahrhundert Rechnung getragen wurde.100 Hieraus ergibt sich die Möglichkeit, nochmals den Übersetzern in der griechisch-römischen Ökumene über die Schulter zu schauen, was den Text über seine theologische Bedeutung hinaus interessant werden lässt. Der Brief bestand aus einem einleitenden Teil und einem längeren Florilegium ausgewählter Kirchenväterschriften, »auf die sich die apostolische Kirche Christi stützt« (quos haec apostolica Christi ecclesia suscipit; 121.229), um damit Agathos Position im Streit zu rechtfertigen. Gleich an vier Stellen findet sich christianitas: zu Beginn des Briefes, als Agatho den Kaisern sein Anliegen mitteilt, und dreimal im Florilegium in den jeweiligen Argumentationsgängen zu den zitierten kirchlichen Autoritäten. Allerdings legen die Formulierungen nahe, dass die christianitas-Stellen Teil der Argumentation waren, die die verschiedenen Zitate organisierte, und nicht Bestandteile der Zitate.101 Zwei der später im Text vorkommenden christianitas-Stellen korrespondierten mit der Verwendung aus der Einleitung des Briefes.102 Die ersten drei Verwendungen waren durch angehängte vestra, weitere Demutsformeln sowie durch die Kommunikationssituation klar als Anrede gekennzeichnet, während sich die letzte durch die Fügung ad cognitionem christianitatis accesserit deutlich auf den christlichen Glauben bezog. Dass der Kaiser voller Ehrerweisung angesprochen werden musste, war klar. Wie das zu ge98 Vgl. Winkelmann, Streit, S. 159 – 163; Rich¦, Gregor, S. 645 f. Caspar, Die Lateransynode von 649, S. 133 – 135, zu dem Problem, dass Agatho zwar das Konzil von der päpstlichen Rechtgläubigkeit überzeugen, aber nicht verhindern konnte, dass Honorius wegen Unterlassens unter das Anathem gestellt wurde. 99 Siehe die Einleitung, ed. Riedinger (ACO II,2,1), S. XI. 100 Vgl. Rochette, »Latinum est: non legitur«, S. 321. Frend, Rise, S. 892, führt an, dass bereits Gregor der Große sich darüber beklagte, dass im Osten kaum noch Latein gesprochen wurde und dass Übersetzungen immer schwerer zu bekommen waren. Es ist auch bekannt, dass trotz seiner Zeit in Konstantinopel Gregors Griechisch nicht ausreichte, um theologische Traktate zu lesen. Bartelink, Knowledge, S. 129. 101 Bei einem Werk handelt es sich um den um 423 verfassten Thesaurus de sancta et consubstantiali Trinitate des Cyrill von Alexandria (in: PG 75, 9 – 656), jenes Patriarchen von Alexandria, der die Absetzung Nestors 431 auf dem Konzil von Ephesos erreicht hatte. Cyrill hatte darin arianische Einwände gegen den Glauben an die Trinität widerlegt. 102 Aus der Einleitung a benignissimo vestrae christiantiatis imperio consecuti (121.229). Dagegen aus Cyrill: hac nostrae humilitatis suggestione vestrae tranquillissimae christianitati dirigentes (121.230) und quatenus quod Deo a vestrae christianitatis imperio religios humanitate devotum est et promissum (121.231).

Der politische Gebrauch der Anrede

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schehen hatte, darin machte sich der Unterschied bemerkbar.103 Die griechischen Übersetzer hatten die Anredefunktion von vestra christianitas erkannt und einmal entsprechend der byzantinischen Gepflogenheiten christianitas mit Wqistiamij~tator »(aller)christlichst« – also als Adjektivattribut zum Kaiser – wiedergegeben. So entstand eine etwas andere Interpretation. In der ersten Stelle wurde aus »der gesegneten Herrschaft Euer Christlichkeit« zu »von Eurer gesegneten und christlichsten Herrschaft« (!pý toO eqlemoOr rl_m ja·wqistiamijyt\tou jq\tour104 Hier war nicht mehr christianitas das Bezugswort, sondern die Herrschaft (kratos). Die Griechen hatten nur das Adjektiv im Superlativ als Äquivalent zu christianitas, womit die Vokabel ihre substantivierte Funktion verlor.105 Außerdem wurde nicht durchgängig wqistiamij~tator verwendet, was den Verdacht nahelegt, dass die lateinische Anrede zwar als Funktion, nicht aber als Formel erkannt und durch eine äquivalente Formel ersetzt wurde. Redeten die Lateiner und Griechen im 6. Jahrhundert schon aneinander vorbei,106 so hatte sich daran am Ende des 7. Jahrhundert jedenfalls nichts verändert. Dass Agatho mit seinem Brief allgemeine Zustimmung fand, hat vor allem an der Botschaft gelegen. Die Anrede als Codierung der Christlichkeit als politische Aufgabe des Kaisers ging in der Übersetzung verloren. Anstrengungen, an die lateinische Ausdrucksweise und die dahinter stehende Aussageabsicht heranzukommen, lassen sich bei den Übersetzern nicht ausmachen. Dafür war der Unilingualismus in Byzanz schon zu weit fortgeschritten, wenn es überhaupt je ein Interesse auf Seiten der Griechen zum Erlernen des Lateinischen gegeben 103 Hier hat Rupp, L’id¦e, S. 17, keinen Unterschied gemacht und stattdessen angenommen, dass Agatho mit seinem »orientalischen Blut« den sprachlichen »Spleen« der Byzantiner beherrschte. 104 Brief des Agatho (ACO II,2,1), S. 56 f. 105 Hier die weiteren Passagen in der Gegenüberstellung: […] quorum unum quod ad Zoilum Alexandrinum praesulem adversus Acephalorum haeresim missum est pro apostolicae fidei rectitudine satisfacere sufficiens, cum hac nostrae humilitatis suggestione vestrae tranquillissimae christianitati dirigentes, per praesentium latores offerimus. (121.230). […] fpeq pq¹r F~zkom t¹m )kenamdqe_ar jahgcel|ma 1st\kg jat± t/r t_m )jev\kym aRq]seyr rp³q t/r aqh|tgtor t/r !postokij/r p_steyr pq¹r t¹ pkgqovoq/sai aqtaqjoOm, let± ta}tgr Bl_m t/r letq_ar !mavoq÷r t0 cakgmia_ô rl_m wqistiam|tgti ste_kamter di± t_m !pojolist_m t_m paq|mtym pqosv]qolem. (ACO II,2,1, S. 101)Et confidimus quia quae promisit vestra pia clementia, potens est et efficere, quatenus quod Deo a vestrae Christianitatis imperio religiosa humanitate devotum est et promissum, nihilominus ejus auxiliante omnipotentia impleatur (121.231). ja· haqqoOlem, fti ûpeq rp]sweto B rlet]qa eqsebµr eql]meia d}matai ja· !potek]sai, fpyr fpeq t` he` !vi]qytai heosebe? vikamhqyp_ô paq± toO vikowq_stou rl_m jq\tour oqd³m Httom t/r aqtoO pamtojqatoq_ar sumeqco}sgr ja· B rp|swesir pkgqyh^setai (ACO II,2,1, S. 117 f.).et fiet quod in Actibus apostolorum,dum per gratiam sancti Spiritus populus ad cognitionem Christianitatis accesserit, omnibus nobis cor unum et anima una (121.232). ja· cem^setai t¹ 1m ta?r Pq\nesi t_m !post|kym, 1p±m di± t/r w\qitor toO "c_ou pme}lator b ka¹r pq¹r 1p_cmysim t/r wqistiam|tgtor pqos]kh, p÷sim Bl?m jaqd_a l_a ja· xuwµl_a (ACO II,2,1, S. 118). 106 So Meier, Eschatologie.

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Eine Eigenschaft als Mittel politischer Kommunikation

hat.107 Aufgrund dieser Übersetzung lässt sich noch besser als im Falle des Vigiliusbriefes erkennen, dass die Anrede vestra christianitas abermals nicht beim Kaiser ankam. Stattdessen stürzte sie in den sich vertiefenden kulturellen Hiatus zwischen Ost und West. Nicht nur bei Dogma und Kirchendisziplin, sondern auch bei religiösen und politischen Ideen, Praktiken und deren Semantiken, befördert durch die Sprachbarrieren, wurde die Kluft immer größer.108 Warum hat Papst Agatho überhaupt auf diese Anrede zurückgegriffen, wenn sie sich schon vor so langer Zeit als unbrauchbar erwiesen hatte? Hierzu lässt sich zumindest eine Vermutung aufstellen. Die Anredeform war spätestens durch die Korrespondenz Gregors des Großen etabliert und durch dessen Nachfolger vornehmlich für Herrscher am Heiligen Stuhl im Gebrauch. Ungeachtet der Resonanz schien sich dieses Verwendungsmuster in Rom und bei den Päpsten selbst als Element ihrer Sprache und damit als Ausdruck ihrer Weltordnung durchgesetzt zu haben. Da Agatho sich vor dem Absenden sicherlich mit der erwähnten Lateransynode über den Inhalt verständigt hatte, kann es sein, dass die Anrede hier als selbstverständlicher Ausdruck einer päpstlichen Diktion verwendet wurde, ohne dass dabei auf protokollarische Regeln des Kaiserhofes geachtet wurde. Dann wäre die Wortwahl im Brief ein Indiz mehr dafür, wie sich die Päpste in Rom und der Kaiserhof in Konstantinopel weiter voneinander entfremdeten, obwohl (oder weil) Rom weiterhin ein Teil des byzantinischen Reiches und der Papst der Patriarch des Westen war.109 Im Ergebnis bestätigt sich also, dass sich im Papstgebrauch ein weiteres Verwendungsmuster von christianitas ergeben und neben dem herkömmlichen Gebrauch in Form des nomen christianitatis seinen Platz in der brieflichen Kommunikation mit Herrschern gefunden hatte. Das Muster leitete sich aus der Bedeutung von christianitas als Christlichkeit her und zeichnete sich dadurch aus, dass die Vokabel erstens mit einem Personalpronomen attributiert wurde. Zweitens trat sie in den Briefen dann auf, wenn sich der Absender direkt an den Adressaten wandte, er ein Vertrauensverhältnis aufbauen wollte oder aus einem solchen heraus Forderungen an den Adressaten stellte (was an confidere oder dirigere deutlich wurde). Drittens diente die Anrede im Laufe der Zeit überwiegend für westliche Königinnen und Könige, wobei Gregor eindeutig die 107 Vgl. Collins, Early Medieval Europe, S. 223 f. 108 Vgl. Frend, Rise, S. 892, auch zum Desinteresse des Biographen von Kaiser Maurikios, Evagrius von Antiochien, am Westen sowie dem zunehmenden Auseinanderklaffen in religiösen Praktiken wie der Ikonenverehrung. Weitere Beispiele für Gegensätze im religiösen Leben nennt Duffy, Saints, S. 78 f., sowie überblickartig Collins, Early Medieval Europe, S. 220 – 235, der diesen Prozess als »Parting the ways« deutet. Chadwick, East and West, S. 59 – 69, dagegen hat sich bemüht, stärker in den Vordergrund zu rücken, was die beiden Teile verbindet. 109 Vgl. Herbers, Geschichte des Papsttums, S. 62.

Der politische Gebrauch der Anrede

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Königinnen bevorzugte. Viertens konnte sich die Vokabel als Anrede für den Kaiser nie wirklich durchsetzen. Dass Versuche hierzu fehlschlugen, mag auf den politischen Hintergrundstil in Bezug auf den Kaiser im lateinischen Westen zurückzuführen sein. Ihr Scheitern auf dieser Ebene wird vermutlich an sich ausdifferenzierenden politischen Kulturen im Osten und im Westen gelegen haben, was aber noch weiterer Untersuchungen bedürfte. Die relative Konstanz der Anrede in der Kommunikation mit dem Westen sagt aber noch nicht viel darüber aus, wie dieses Element ankam, ob es zumindest im sogenannten lateinischen Westen einen Kommunikationsraum gab, in dem die Anrede wie auch die anderen Modi des christianitas-Gebrauchs verstanden, akzeptiert, angewendet wurden und somit zwischen Partnern zirkulieren konnten.

VII. Ein Wort in vielen Christenheiten

Die Anrede des Papstes mit tuae christianitatis prudentia war nicht das einzig Auffällige am Brief des westgotischen Königs Rekkared an Gregor den Großen. Hier hatte sich erstmals ein Herrscher an den Papst gewandt, um ihn über die Hinwendung seines Königreichs zum katholischen Glauben zu informieren. Dies geschah im Übrigen mit reichlich Verspätung. Kurz nach der Königserhebung wechselte Rekkared 587 vom Arianismus zum Katholizismus. Er ließ seinen Bischof Leander von Sevilla, den Freund Gregors aus gemeinsamen Tagen in Konstantinopel, ein Konzil in Toledo (III) organisieren, auf dem das gesamte Volk vertreten durch seinen Herrscher das Bekenntnis zum nizäischen Katholizismus ablegte. Auf dem »erste[n] dieser Nationalkonzile von Toledo« wurden Kanones beschlossen, um die Kirchenzucht wiederherzustellen und die Menschen zum christlichen Leben anzuhalten.1 Dem Nachfolger Leanders, dessen jüngerem Bruder Isidor von Sevilla, gelang es, eine Art Nationalkirche im Westgotenreich zu errichten, deren Höhepunkt das »verfassungsgebende Konzil« des Reiches (Toledo IV) gewesen ist.2 Der Brief Rekkareds wurde aber erst aufgesetzt, als nach einigen politischen Rückschlägen der König sich des Papstes als eines möglichen Bündnispartners entsann. Als 595 ein päpstlicher Gesandter in Malaga weilte, ließ Rekkared einen Brief verfassen, in dem er sich umständlich für die lange Verzögerung der Nachricht entschuldigte.3 Diese wie auch die politische Absicht des Briefes zeigen, dass Rekkared keine Notwendigkeit darin gesehen hatte, den Papst über den Konfessionswechsel als solchen zu benachrichtigen. Somit zeugt dieser Brief von einer Haltung, die sich am besten mit dem von Peter Brown vorgeschlagenen Modell der Mikro-Christenheiten erklären lässt.4 Die große griechisch-römische Ökumene war um 600 längst in Auflösung 1 2 3 4

Vgl. Fontaine, Kirchen, S. 853 f.; Kampers, Westgoten, S. 183 – 185. Vgl. Fontaine, Kirchen, S. 851. Vgl. Pi¦tri, Gregor, S. 920. Vgl. Brown, Entstehung, S. 251 – 270, zur westgotischen Nationalkirche als Beispiel, S. 256 f. Ein Beispiel für die positive Rezeption und Fruchtbarkeit des Konzepts: Palmer, AngloSaxons, S. 282.

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Ein Wort in vielen Christenheiten

begriffen.5 Der Papst war, trotz des seit Leo I. formulierten Anspruchs auf Führung der Gesamtkirche, weit davon entfernt, diesen umsetzen zu können und sollte es auch im 7. Jahrhundert keinesfalls schaffen, was an den Briefen des Vigilius und des Agatho deutlich geworden ist.6 Der eigenwillige Brief Rekkareds lenkt daher die Aufmerksamkeit auf die andere Seite der Kommunikation, die im vorigen Kapitel weitgehend außen vor geblieben ist. Was passierte mit christianitas in diesen sich entwickelnden Mikro-Christenheiten? Nachdem die Verwendungssituationen in gallischen Texten im Zusammenhang mit der Hagiographie in Kapitel V.3 bereits vorgestellt wurden, der römisch-päpstliche Gebrauch das Kapitel VI bestimmte, richtet sich der Fokus nun auf den westgotischen und den britischen Raum. Wie kam das Wort in diese Regionen, wie und wofür wurde es dort eingesetzt, und wurde es auch in der Kommunikation mit dem ehemaligen Kerngebiet des westlichen Christentums, nämlich jenem Korridor von Nordafrika über Italien bis ins südliche Gallien, verwendet? Somit lassen sich die bisher für die Spätantike ausgemachten Bedeutungen und Verwendungsmuster des Wortes sammeln und hinsichtlich der geographischen Verlagerung des Wortgebrauchs weg vom Mittelmeer untersuchen. Hieraus ergibt sich schließlich die Möglichkeit, ein Fazit zur Spätantike zu ziehen, bevor im nächsten Kapitel mit der Karolingerzeit neu angesetzt werden soll.

5 Vgl. Cameron, Mediterranean World, S. 191 – 207, die ihr Kapitel bezeichnenderweise »A changed world« nennt. Innes, Introduction, S. 215 – 219 siedelt das westgotische Spanien bereits in der Post-Roman World an. 6 Gegen diese Sicht und auch gegen Browns Mikrochristenheiten hat Delogu, Papacy, S. 201 u. S. 209, die These vertreten, dass Rom und der apostolische Stuhl im 7. Jahrhundert keine Mikrochristenheiten gewesen seien, was aus petrinischem Selbstverständnis heraus nachvollziehbar ist, aber schwerlich mit der Vielfalt des Christentums in Einklang zu bringen ist. Rich¦, Gregor, S. 617, verweist darauf, dass trotz der Bemühungen Gregors um eine Konversion der Langobarden (vgl. die Briefe an Theudelinde 92.199; 98.205) die Gläubigen in Arianer und Katholiken getrennt blieben und dass selbst die Kirchengemeinschaft mit Rom und anderen Gemeinden wie derjenigen von Mailand unter dem Dreikapitel-Streit zerrissen war.

Im westgotischen Spanien: Weiterleben eines Wortgebrauchs

1.

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Im westgotischen Spanien: Weiterleben eines Wortgebrauchs

Im 7. Jahrhundert, dem »Goldenen Zeitalter« des westgotischen Reiches, erblühte das kirchliche wie kulturelle Leben.7 Größten Anteil daran hatte der Bischof und Universalgelehrte Isidor von Sevilla (sed. 601 – 636) mit seiner vielfältigen schriftstellerischen Tätigkeit und seinem hohen pastoralen und politischen Engagement. Überliefert sind 19 größere und viele kleinere Schriften. Angesichts der Textmenge, die Isidor produzierte, kam die Vokabel aber so gut wie gar nicht vor. Sie fand sich dreimal in zwei Werken: dem umfangreichen Florilegium der Kirchenväter unter dem Titel Mysticorum expositiones sacramentorum und den berühmten Etymologiarum sive Originum libri XX.8Aufgrund ihres enzyklopädischen Zuschnitts und ihrer allgemeinen Verständlichkeit stiegen letztere schnell zu der Referenz für Wissensaneignung im Mittelalter auf und durften in keiner Klosterbibliothek fehlen. Eine vierte Verwendungssituation lässt sich ausmachen, wenn man die Beschlüsse des vierten Konzils von Toledo 633 hinzunimmt, an deren Abfassung Isidor als Vorsitzender und Rangältester Metropolit maßgeblichen Anteil hatte.9 In den Mysticorum expositiones sacramentorum kommt christianitas einmal vor, als Isidor eine fremde, anonyme Exegese zur Genesis wiedergab. Zu Gen 2,19 – 20 (Adam gab den Tieren und den Vögeln Namen), lautete die theologische Auslegung, dass Adam auf Gottes Willen hin durch seine Namensgebung auch den Völkern durch Christus einen christlichen Namen gegeben habe, den sie zuvor nicht gehabt hätten. Die eschatologische Deutung zum Erhalt des christlichen Namens lautete, dass die Völker dadurch in der Kirche an der Erlösung teilhaben würden.10 Isidor trug mit seiner Abschrift dazu bei, dass sowohl die Wortwahl als auch die damit verbundene theologische Deutung weitergetragen wurde.11 Da er an dieser Passage aber nichts geändert hat, ist es 7 Vgl. Collins, Visigothic Spain, S. 147 – 173; Angenendt, Kirche, S. 131, betont, dass auch nach der muslimischen Eroberung die Pflege der lateinischen Sprache und der literarischen Produktion nicht unterbrochen worden sei, »ja sie bildeten einen wichtigen Hintergrund für die spätere Reconquista wie auch für die im Karolingerreich eingeleitete Bildungserneuerung.« 8 Vgl. Fontaine, Isidore, S. 436, sagt, dass sie in vier Etappen von 620 an bis 636 verfasst worden seien. 9 Vgl. Drews, Juden, S. 104. 10 Appellavit autem Adam nominibus suis cuncta animantia, et volatilia caeli, et bestias terrae, significans gentes, quae salvae fierent in Ecclesia, et per Christum nomen Christianitatis erant accepturae, quod prius non habuerant, sicut scriptum est: Et vocabo servos meos nomine alio (105.212). 11 Damals begann, wie Congar, L’¦cclesiologie, S. 13, mit Blick auf die lateinischsprachige Theologie gesagt hat, »das Zeitalter der Florilegien, das das Mittelalter prägte, jedenfalls bis zu den großen Scholastikern.«

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Ein Wort in vielen Christenheiten

möglich, dass er sie für sprachlich und inhaltlich verständlich gehalten haben wird.12 Dass er selbst das Muster nomen christianitatis verstand, darf man aber aus zwei Gründen annehmen. Zum einen wird er das Muster aus Gregors Moralia gekannt haben, die Leander nach Spanien mitgebracht hatte. Zum anderen sprach er in seinen Etymologien selbst vom nomen christianitatis und zeigte, dass er mit diesem Muster umzugehen verstand. Isidor verwendete es nämlich in einem neuen sprachlichen Kontext, bewahrte aber den theologischen Grundgehalt. So definierte er den iniquus, den Ungerechten (oder besser Heuchler): »Der Ungerechte wird so wegen dem genannt, was nicht gerecht ist, sondern durch schändliche Werke besudelt, besonders wenn er den christlichen Namen trägt.« (Iniquus vero dicitur pro eo quod non est aequus sed pravis operibus maculatur, vel [si] Christianitatis nomine censeatur ; 110.218). Hierin findet sich die christliche Werkgerechtigkeit als Merkmal des Christseins wieder, so wie sie Marius Victorinus bereits mit christianitas in Verbindung gebracht hatte. Die Anschuldigung gilt denen, die trotz des christlichen Namens eben keine christlichen Werke verüben, sondern deren Gegenteil. Offensichtlich hatte sich iniquus eingebürgert, um einen christlichen Heuchler zu bezeichnen, was Isidor im Buch 10, dem Lexikon der Etymologien, zur Erklärung heranzog. In diesem Buch lieferte Isidor sentenzartig und in alphabetischer Reihenfolge Wortbedeutungen, wofür er sicherlich auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgriff, um nicht noch zusätzliche Erläuterungen bieten zu müssen. Die Rede vom nomen christianitatis im Zusammenhang mit dem Scheinchristen wird also auch in Sevilla weiterhin zur Alltagssprache gehört haben, sodass christianitas selbst nicht erklärt werden musste. Hierauf deutet auch, dass die Vokabel kein eigenes Lemma bekam. Auch sonst kam christianitas nicht vor – weder im Buch 8 über die Kirche und die Sekten noch im Buch 5 über die Gesetze, was angesichts der Dionysiana Sinn gemacht hätte. Allein im Buch 6 über die kirchlichen Bücher und Ämter fand sich eine einzige weitere Verwendungssituation. Dort erläuterte Isidor im Kapitel 16 die Bedeutung der Kanones und den Zusammenhang zu den Konzilien: Canones autem generalium conciliorum a temporibus Constantini coeperunt. In praecedentibus namque annis, persecutione fervente, docendarum plebium minime da12 Siehe 129.242, das möglicherweise die Vorlage gewesen ist. Beda, In Pentateuchem Commentarii, in: PL 93, 210A – 210B, hingegen ersetzte nomen christianitatis durch per Christum nomen, was insofern verwundert, weil Beda ja selbst mit nomen christianitatis vertraut war (siehe Kapitel V.3). Offenbar aber hielt er dieses Muster in Zusammenhang mit Gen 2,19 f. für nicht adäquat. Hrabanus Maurus, Commentarium in Genesim libri quatuor, in: PL 107, 439 – 670B, hier 484B, und Walafrid Strabo; Liber Genesis, in: PL 113, 67B – 182D, hier 98C, sind im Übrigen darin Beda und nicht Isidor gefolgt, obschon sie über Isidors Florilegium verfügt haben werden.

Im westgotischen Spanien: Weiterleben eines Wortgebrauchs

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batur facultas. Inde Christianitas in diversas haereses scissa est, quia non erat licentia episcopis in unum convenire, nisi tempore supradicti imperatoris. Ipse enim dedit facultatem Christianis libere congregare. Sub hoc etiam sancti Patres in concilio Nicaeno de omni orbe terrarum convenientes, iuxta fidem evangelicam et apostolicam, secundum post Apostolos symbolum tradiderunt (110.217). Die Kanones existierten seit den Zeiten Konstantins und der allgemeinen Konzilien. In den vorangegangenen Jahren nämlich, als die Verfolgung wütete, hat es keinerlei Möglichkeit gegeben, die Völker zu lehren. Daher ist der christliche Glaube in verschiedene Häresien gespalten (Inde Christianitas in diversas haereses scissa est), weil erst zur Zeit des obengenannten Kaisers jener den Bischöfen die Möglichkeit gab, sich frei zu versammeln. Unter diesem kamen die heiligen Väter aus allen Teilen der Welt im Konzil von Nizäa zusammen, und sie überlieferten das Glaubensbekenntnis gemäß dem evangelischen und apostolischen Glauben und den Aposteln entsprechend.

Was im Grunde während der gesamten Spätantike im Bereich des Möglichen lag, aber nie gemacht wurde – haeresis und christianitas sprachlich direkt aufeinander zu beziehen –, wurde von Isidor nun ebenfalls sentenzartig zusammengefügt: »Daher ist die christianitas in verschiedene Häresien zerrissen.« Dieser Satz lässt sich auf zwei Arten verstehen: Einerseits kann es der christliche Glaube sein, der in verschiedene Irrglauben gespalten war, andererseits kann auch die Gemeinschaft der Christen gemeint sein, die in verschiedene Gruppen zersplittert war, weil sie diversen Irrglauben folgten. Theologische und soziale Deutung gingen hier Hand in Hand, wobei der Kontext, also die Erzählung von den Konzilien und die Übereinkunft der Konzilsväter in Nizäa, die theologische Deutung nahelegt. Wahrscheinlich wollte Isidor hier mehrdeutig formulieren, weil er in seiner westgotischen Heimat genau diese Spaltung erlebt hatte. An dieser Stelle bot er mehr als nur eine historische Herleitung der Kanones. Die beschriebene historische Spaltung hatte auch das westgotische Reich bis in Isidors Zeit hinein geprägt.13 Der Brief des Rekkared hatte genau das zum Thema: die Überwindung der arianischen Häresie und die Sammlung derjenigen, die dem Weg des Glaubens in den Schoß der heiligen katholischen Kirche folgten.14 Außerdem verband Isidor mit seinem gesamten Schaffen die Hoffnung auf eine Reform zum Besseren (renovatio in melius). Jacques Fontaine zufolge hat Isidor in seiner etymologischen Methode, dem Rückgriff auf den Ursprung der Wörter »nicht ein einfaches geistiges und linguistisches Verfahren, sondern auch eine Art ›gelebter Pilgerreise‹ zu den historischen Quellen« gesehen. Aus ihr heraus sollte eines neues, religiös wie politisch geeintes Reich gelingen, in dem westgotische Könige und hispano-römische Bischöfe zusammenarbeite13 Vgl. Rich¦, Gregor, S. 612, Collins, Visigothic Spain, S. 68 f. 14 Vgl. Gregorii Registrum, IX.227a (MGH Epp. 2), S. 220 f.: Tempore quo nos Dominus sua miseratione nefandae Arrianae haeresis fecit esse discordes, melioratos fidei tramite intra sinus suos sancta catholica collegit ecclesia.

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ten.15 In Anbetracht einer solchen Motivation verwundert es kaum, dass Isidor die Beziehung zwischen dem christlichen Glauben und den Häresien so präzise auf den Punkt brachte. Die Episode über die Wiederherstellung der Einheit im Glauben nach der ersten großen Auseinandersetzung zwischen Arius und Athanasius durch die Erlaubnis Kaiser Konstantins kann dabei als programmatisch gelten: Isidor entwarf hier eine Theorie des Konzils, indem er die legislative Kooperation von Herrschern und Bischöfen als Garanten kirchlicher Einheit präsentierte. Entweder arbeitete Isidor mit solchen Aussagen auf das Vierte Konzil von Toledo hin oder er legitimierte im Nachhinein seine konziliare Politik.16 Darüber hinaus hat Isidor mit dieser Formulierung etwas geleistet, was, abgesehen von der hist. eccl. tripartita, in der Kirchengeschichtsschreibung nicht vorgekommen war. An dieser Stelle machte er die Vokabel zu einem erzählerisch tragenden Element. War christianitas an dieser Stelle immer noch nicht selbst aktiv, so stand sie doch im Mittelpunkt der Narration. Das Fehlen von Konzilien vor Konstantin wurde angeführt, um den zerrütteten Zustand des Christentums sowohl in sozialer als auch theologischer Hinsicht zu erklären. Erst Konstantins Handeln habe zur Überwindung dieses Zustandes geführt. Darin ist die eusebianische Überhöhung des Kaisers Konstantins zu erkennen und die Entwicklung einer Erzählung, die mit den Ereignissen nur leidlich übereinstimmte. Dass der Arianismus mit dem Konzil von Nizäa nicht überwunden war, war zweitrangig, weil Isidor hier vielmehr eine historische Vision entfaltete, eine Narration um christianitas aufbaute, die vor allem Orientierungswissen liefern sollte. Es reichte aus zu wissen, dass die Kanones von Konzilien stammten, dass der Kaiser diese zugelassen und damit die Zwietracht im Glauben und unter den Gläubigen beseitigt hatte. Ein historiographischer Bericht über die theologische und soziale Zerrissenheit des Christentums war nicht intendiert und hätte auch kein Vorbild in den Quellen gefunden, die Isidor zur Verfügung standen – also in erster Linie Eusebius, Augustinus und Orosius. Auch tieferschürfende Quellenlektüre hätte ihm nie eine ähnliche Formulierung oder eine ähnliche Erzählung geboten, wie das Spektrum an christianitas-Stellen vor Isidor belegt.17 Auch die letzte christianitas-Stelle befand sich an der Nahtstelle zwischen Politik, (Kirchen-)Recht und Religion. Im Jahr 633 konnte Isidor endlich das nächste, reichsweite Konzil nach Toledo einberufen, nachdem das letzte bereits

15 Vgl. Fontaine, Kirchen, S. 861. 16 Dies hängt davon ab, wann dieser Teil verfasst wurde, siehe auch Fontaine, Isidore, S. 436. 17 Trotz dieser Einbindung von christianitas hat Isidor von dem Wort keinen Gebrauch in seinen historiographischen Schriften gemacht. Zu seinem Schaffen als Historiker siehe Wood, Politics, S. 240 f., der Isidors Bemühungen um eine gotische Geschichte in Spanien positiv würdigt. Zu den Werken in Übersicht: Kampers, Westgoten, S. 312 f.

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44 Jahre zurücklag.18 Da es ihm als rangältestem Metropoliten gebührte, den Vorsitz zu führen, nahm er auch maßgeblichen Einfluss auf die Abfassung der Konzilsbeschlüsse.19 Im Vordergrund des Konzils, an dem Geistliche wie Laien gleichermaßen teilnahmen, stand die Verfassungsfrage. Die Thronfolgeregelung war bis dahin ungelöst und erhielt im Kanon 75 erstmals eine schriftliche Form.20 Von christianitas war im Zusammenhang mit einem weiteren, gewichtigen Thema die Rede: Zehn Kanones betrafen die Judenfrage und die Zwangskonversion, die König Sisebut ehedem verfügt hatte. Hierauf reagierte das Konzil im Kanon 57 mit dem ausdrücklichen Verbot der Zwangsbekehrung.21 Zu den bereits getauften Juden lautete der Beschluss: Qui autem iam pridem ad christianitatem venire coacti sunt, sicut factum est temporibus religiosissimi principis Sisebuti, quia jam constat eos sacramentis divinis associatos et baptismi gratiam suscepisse et chrismate unctos esse et corporis Domini et sanguinis exstitisse participes, oportet ut fidem etiam quam vi vel necessitate susceperunt tenere cogantur, ne nomen Domini blasphemetur, et fides quam susceperunt vilis ac contemptibilis habeatur (112.220). Welche jedoch schon vorher gezwungen wurden, zum Christentum zu kommen (pridem ad christianitatem venire coacti sunt), so wie es geschehen ist zu Zeiten des allerreligiösesten Fürsten Sisebut – weil schon feststeht, dass sie mit den heiligen Sakramenten verbunden sind und die Gnade der Taufe empfangen haben, mit dem Salböl geweiht und sie am Körper und Blut des Heiden teilhaben – müssen sie gezwungen werden, den Glauben, den sie durch Gewalt oder Zwang angenommen haben, weiterhin beizubehalten, damit der Name des Herrn nicht geschmäht werde und der Glaube, den sie angenommen haben, ihnen als gering und verächtlich erscheine.

Mit der Wendung ad christianitatem venire kommt diese Passage Formulierungen nahe, die bereits in der hist. eccl. tripartita vorgekommen waren. Wie in der hist. eccl. tripartita so stand auch hier christianitas wieder in Zusammenhang mit den Juden bzw. dem Judentum. Im Gegensatz zum patristischen Wortgebrauch ging es aber nicht mehr um Abgrenzungsversuche gegenüber dem Judentum, sondern um ein dogmatisches und soziales Problem einer christlichen Mehrheitsgesellschaft im Umgang mit einer andersgläubigen Minderheit. Der Beschluss musste irgendwie zum Ausdruck bringen, dass die Juden formell Christen geworden waren. Damit bot er en passant ein Set an Merkmalen dieser Christianisierung: Taufe, Salbung, Aufnahme in den Kreis der 18 Zu den Hintergründen siehe Collins, Visigothic Spain, S. 79 f.; Fontaine, Kirchen, S. 862 – 864. 19 Vgl. Drews, Juden, S. 104. 20 Vgl. Fontaine, Kirchen, S. 862 – 864; Kampers, Westgoten, S. 193. 21 Vgl. Kampers, Westgoten, S. 301. Diese Bestimmung gehörte zu einer Reihe von Beschlüssen, die auf dem Brevarium Alarichs II. aufbauen, das zehn der insgesamt 53 Edikte des CTh zu Juden aufgenommen hatte, ebd. S. 299.

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Kommunizierenden, Einführung in die christlichen Glaubensgeheimnisse. Das bedeutete auch, dass christianitas für die christliche Glaubens- und Kultgemeinschaft und den persönlichen Eintritt in dieselbe stand. Dies geschah aber nebenbei, um zu erklären, warum die einmal Getauften nicht wieder zu ihrem alten Glauben zurückkehren durften. Daran lässt sich ersehen, dass auch hier das Wortverständnis keine Schwierigkeiten bereitete und die christianitas an sich nicht zur Diskussion stand. Offensichtlich war es nicht nötig gewesen, auf dem Konzil selbst eine Begründung für das Konzil zu präsentieren, wofür Isidor auf seine Formel von der christianitas scissa hätte zurückgreifen können.22 Die offensichtliche Geläufigkeit der Vokabel ist bei Isidor auf dessen Herkunft und Bildung zurückzuführen. Seine Familie war vor seiner Geburt 540 aus der provincia Carthaginensis nova nach Sevilla geflüchtet.23 Sie wurde dort zu »einer der für die damalige Zeit auf der Iberischen Halbinsel nicht untypischen ›klerikalen Dynastien‹«.24 Seine umfassende Bildung erhielt Isidor unter seinem Bruder Leander.25 Dessen Reisen sowie der intellektuelle Kontakt zu Gregor dem Großen werden dazu beigetragen haben, dass auch Isidor, der selbst nicht reiste, einen weiten Bildungshorizont erhielt.26 Was Sprachen anbelangt, war Isidor der Unterschied zwischen verschiedenen Sprachebenen des Lateinischen sehr bewusst. In seinen Etymologien (9,1,7) trennte er eine nachklassische lingua mixta und eine lingua romana voneinander.27 Wenn ihm dieser Unterschied zwischen Distanz- und Nähesprache bekannt war, ist davon auszugehen, dass die Nähesprache seine Muttersprache war und er durch seine Studien die Hochsprache bestens erlernt hatte. Als Metropolit engagierte er sich besonders auf pädagogischem Gebiet und bemühte sich um eine allgemeine Anhebung der schulischen Bildung, vor allem unter Klerikern. Sein »didaktisches Latein« sollte ein klar verständliches und eben lateinisches Latein vermitteln.28 Um Klarheit zu erreichen, war es für Isidor notwendig, die Etymologie der Worte zu kennen. Offenbar konnte er seinen König Sisebut (612 – 621) von dieser Einstellung überzeugen, da dieser ihn später um die Abfassung eines entsprechenden 22 Stattdessen galt das Motto der vorherigen Konzilien weiterhin: conservare et corrigere. Siehe Fontaine, Kirchen, S. 862. 23 Vgl. ebd., S. 858; Drews, Juden, S. 93 f. 24 Ebd., S. 97. 25 Ebd., S. 99. Drews denkt, dass Isidor von seinem Bruder in einer informellen, ›privaten‹ Atmosphäre unterrichtet worden sei. Fontaine, Isidore, S. 92 – 98 und S. 101 – 111. 26 Vgl. Drews, Juden, S. 100. 27 Vgl. Fontaine, Isidore, S. 359 f., rät davon ab, von einem isidorischen Stil zu sprechen, weil sich Isidor seinen Quellen bzw. seinem Publikum immer anzupassen verstand. 28 Vgl. ebd., S. 345, Fontaine verweist auf Isidors eigene Formulierung nach etym. 2,16,2: Latine et perspicue, und sagt selbst, S. 353: »Dans cette langue pour ainsi dire minimale et utilitaire, strictement fonctionelle parce qu’elle est destin¦e — communiquer des connaissances en d¦finissant des mots et des choses, l’exigence p¦dagogique est premiÀre: elle ne laisse guÀre de place au plaisir litt¦raire.«

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Werkes ersuchte.29 Mit seinen Etymologien betrieb Isidor ein Programm zur Standardisierung des Wissens innerhalb des westgotischen Reiches, um damit die Gräben zwischen der westgotischen und hispano-römischen Bevölkerung zu schließen und der politischen Einigung ein kulturelles Fundament zu bieten. Seine Sprachbemühungen gingen in eine ähnliche Richtung, sie sollten die Vermittlung und Festigung des katholischen Glaubens als Grundlage dieses Reiches fördern. Isidor stellte der alltäglichen Kommunikation ein »langage soign¦«, eine gepflegte Sprache, gegenüber, die es ermöglichte, die Getauften unabhängig von ihrem linguistischen oder intellektuellen Niveau zu erreichen.30 »Wie Gregor der Große dürfte auch er einer der letzten Bischöfe gewesen sein, die in antiker Tradition rhetorisch glänzende Predigten hielten.«31 Gregor hatte jedoch in seiner Homilie 32 (82.184 – 185) christianitas zur Vermittlung von christlichen Inhalten eingesetzt; etwas Vergleichbares lässt sich in Isidors Predigten nicht ausmachen. Daraus ergibt sich für christianitas ein zwiespältiges Bild. Einerseits war die Vokabel Teil des klaren und verständlichen Lateins, um das sich Isidor bemühte, andererseits wurde sie aber nur in klerikalen Zusammenhängen genutzt. Es ist wohl kaum davon auszugehen, dass die Etymologien ein breites Publikum erreichen sollten, so wie es Predigten getan hätten. Für die auszubildenden Kleriker gab es keine Definition dessen, was christianitas sein sollte, sodass es wohl kaum zu deren Aufgaben gehört haben kann, den ihnen anvertrauten Christen ein Konzept christianitas zu vermitteln. Ohnehin wird es in diesem multiethnischen und plurireligiösen Reich keine weite Verbreitung gegeben haben, sodass es bereits unter Isidor zu einer Verengung des Sprecherkreises gekommen ist. In diesem, vornehmlich klerikalen Umfeld wurde christianitas für die Glaubens- und Kultgemeinschaft und den Zugang zu ihr gebraucht. Der herkömmliche Wortgebrauch lebte weiter, Anpassungen an gesellschaftliche Bedürfnisse kamen vor, doch eine weitergehende und nachhaltige Umsemantisierung, z. B. in Form einer Spatialisierung oder Sozialisierung, gab es nicht. Auffällig ist, dass auch auf dem Konzil von 636 keine anderen Beschlüsse gefasst wurden, die christianitas beinhalteten, obwohl sie Fragen der Kirchenzucht und der christlichen Disziplin behandelten, womit sich eine Brücke zur Dionysiana ergeben hätte. Aber offenbar wurden nicht alle Brücken 29 Der Dedikationsbrief an Sisebut ist von 620; Drews, Juden, S. 103; Kampers, Westgoten, S. 313. 30 Vgl. Fontaine, Isidore, S. 359 f. : »Il a concu les exigences d’une reformatio qui ramÀnerait l’enseignement du latin — la tradition antique, et mÞme classique, du latine et perspicue loqui; mais il n’a pas ¦t¦ moins attentif qu’Augustin — l’urgence pastorale de maintenir la communication en un latin accessible — tous les baptis¦s; quel que soit leur niveau intellectuel et linguistique.« 31 Drews, Juden, S. 101 f.

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zum zentralmittelmeerischen Christentum genutzt. Manche wurden auf dem Konzil sogar abgerissen, indem es Bischöfen verboten wurde, eigenständig Kontakte außerhalb des Reiches zu pflegen.32 Es verringerten sich die Anknüpfungspunkte zu anderen Gemeinden und Christen, was im Grunde Isidor wahrscheinlich akzeptierte, um damit religiöse und gesellschaftliche Einheit zumindest für das westgotische Reich zu erreichen. Solche Tendenzen der politischen und gesellschaftlichen Selbstisolierung haben auch Konsequenzen für den Sprachgebrauch, die hier im Extremfall bis zur Abkoppelung vom allgemeinen lateinischen Sprachgebrauch hätten führen können. Dies lässt sich hier am Quellenmaterial nicht weiterverfolgen. Die einzige Anpassung an die gesellschaftlichen Bedürfnisse in der Folgezeit ist nur darin auszumachen, dass die letzten Verwendungssituationen alle einen Bezug zum Thema »Juden« aufweisen.33 Dies kann auch an dem von Roger Collins attestierten, religiösen Fanatismus seines Verfassers, Erzbischof Julian von Toledo (gest. 690), gelegen haben.34 Selbst jüdischer Herkunft hatte sich Julian durch seine anti-jüdischen Schriften und Aktivitäten hervorgetan, was sich in Bezug auf christianitas an seiner Geschichte des Königs Wamba, vor allem aber an der Neufassung der Leges Visigothorum ablesen lässt, an deren neuerlicher Verabschiedung auf dem 12. Konzil von Toledo 681 Julian großen Anteil hatte. In der Historia Wamba regis führte Julian eine Hasstirade gegen ein allegorisiertes Gallien; so warf er der Gallia vor, dass sie Menschen beherberge, die sich in ihr mit dem christlichen Titel hervortaten, aber eigentlich schon längst zur Treulosigkeit der Hebräer übergetreten seien (hii, qui in te christianitatis titulo praefulgebant, ad Hebraeorum probati sunt transisse perfidiam; 119.227). Hieran lässt sich das Muster des nomen christianitatis erkennen, das allerdings durch titulum nomen ausgedrückt wurde. Interessant ist hieran, dass Julian diese »Insultatio« wohl als Stilübung verfasst hatte, die für den Unterricht an der Domschule von Toledo gedacht war.35 Sollte dieser Text also zur Schulung von Klerikern genutzt worden sein, hätten sie einen herkömmlichen Wortgebrauch angetroffen. In den Leges wiederum bestimmte XII,3,7, dass die Juden ihre Speiseriten nicht ausüben durften,36 während XII,3,14 regelte, wie die Konversion von Juden zu erfolgen hatte und wie der christliche Glauben bekannt 32 Vgl. Fontaine, Kirchen, S. 863. 33 Vgl. Rich¦, Gregor, S. 615 f.; Katz, Jews; King, Law and Society ; Halsall, Jewish History Sourcebook. 34 Vgl. Collins, Visigothic Spain, S. 103.; O’Loughlin, (Art.) Julian, S. 951. 35 Vgl. Collins, Visigothic Spain, S. 92.; Rich¦, Gregor, S. 616: Viele Juden waren wegen der antijüdischen Politik seit Sisebut ins benachbarte südliche Gallien geflohen. 36 Dieses Gesetz basiert auf einem Schreiben ehemaliger Juden an König Rekkeswinth (653 – 672) vom 1. März 654, in dem sie dem König versprachen, den katholischen Glauben und dessen Riten zu bewahren. Ediert in Marcus, Jew, S. 20 – 23.

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werden sollte. In beiden Gesetzen diente christianitas als Genitivattribut entweder in Bezug zu doctrina oder zu votum. Damit bewegte sich der Wortgebrauch bei Julian in den üblichen Bahnen, außer dass die Judenfeindlichkeit selbst in der Patristik nie dermaßen offen zu Tage getreten war.37 Die Bestimmungen standen somit in starkem Kontrast zum Kanon 57 des 4. Konzils von 633. Insgesamt aber hat es den Anschein, als sei es rund fünfzig Jahre nach Isidor im westgotischen Reich zumindest unter Klerikern weiterhin üblich gewesen, mit der Vokabel das besonders Christliche von Sachverhalten hervorzuheben.

2.

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Die Situation auf der britischen Insel könnte sich von derjenigen auf der Iberischen Halbinsel nicht mehr unterscheiden. In Toledo und Sevilla hatte sich trotz der Ankunft der Westgoten eine große einheimische Bevölkerungsgruppe erhalten, die weiterhin ihren katholischen Glauben lebte und ihr Spätlatein sprach. Die westgotischen Könige waren Neuankömmlinge gewesen und hatten sich mit der heimischen kirchlichen Elite zu arrangieren. Auf ihre Gesetzgebung übte die Elite großen Einfluss, weil sie das Römische Recht kannte und vermittelte. Vertreter dieser Elite waren im Mittelmeerraum unterwegs gewesen und brachten das römische Erbe in das kulturelle Leben des westgotischen Reiches. Auf der britischen Insel hingegen waren seit dem Abzug der letzten Römer 411 fast zwei Jahrhunderte vergangen. Nur noch versprengte Überreste einer romanischen Bevölkerung lebten hier, während viele andere Menschen vom Kontinent kommend sich hier niederließen. Wenige waren Christen und noch weniger beherrschten Latein. Sicherlich, von Irland und vom Merowingerreich ausgehend wurde der Glaube im 6. Jahrhundert verbreitet,38 doch waren nun der von Gregor entsandte Abt Augustinus und seine vierzig Mönche aus dem gregorianischen Kloster St. Andreas in Rom die Neuankömmlinge, die lernen mussten, mit den heimischen Eliten umzugehen. Der Mittelmeerraum mit seinen Städten, Schulen und Bibliotheken lag in weiter Ferne. In Canterbury fand Augustinus immerhin eine römerzeitliche Stadt vor, die sich damit dem Kirchenrecht gemäß für die Gründung eines Bistums eignete. Schriftzeugnisse heimischer Herstellung gab es nicht und als sie mit dem ersten Gesetzeswerk

37 Eine ähnlich judenfeindliche Haltung findet sich nur noch in dem Brief eines Evantius (128.241), der sich aber nicht weiter kontextualisieren ließ. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Evantius um den Bischof von Vienne (um 580 – 586). 38 Vgl. Innes, Introduction, S. 354 f.

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König Æthelberhts von Kent aufkamen, waren sie auf Altenglisch und nicht auf Latein verfasst.39 Augustinus und seine Helfer kamen aber auf Æthelberhts Anfrage beim Papst nach Kent, obwohl letzterer dieser Mission anfangs wohl skeptisch gegenüber eingestellt gewesen sein soll – entgegen der Erzählung Bedas von den Angli als jene mit Engelsgesichtern.40 Æthelberht hingegen war durch die Heirat mit der christlichen Fränkin Bertha in die Machtkämpfe unter den Franken hereingezogen worden, sodass er wohl die christlichen Missionare im Jahr 597 ins Land holte, um seine eigene Herrschaft gegenüber den verwandten Franken abzusichern.41 Nachdem der König die Kirchen von Canterbury, Rochester und London gegründet hatte, ließ er am 28. April 604 eine Donationsurkunde zugunsten des hl. Andreas und seiner Kirche in Rochester ausstellen. Der König übertrug der Kirche einige seiner Ländereien, und lud jedermann dazu ein, die Donation um eigene Güter zu vergrößern. Die Poenformel drohte jedem, der etwas wegzunehmen wagte, die Verdammnis im Angesicht Gottes an, sollte er vor seinem Übergang ins Jenseits nicht rückgängig machen, was er Unrechtes gegen »unsere Christlichkeit« (contra christianitatem nostram) getan hatte: Et si presumpersit minuere aut contradicere; in conspectu dei sit damnatus et sanctorum eius hic in eterna secul[a] nisi emendauerit ante eius transitum quod inique gessit contra christianitatem nostrum (100.207). Eine solche Poenformel war für angelsächsische Urkunden im Ganzen ungewöhnlich, was wohl auch dazu beigetragen hat, dass die Urkunde lange Zeit für eine Fälschung gehalten wurde. Sollte sie aber in der Tat echt sein, wie mittlerweile angenommen wird,42 wäre sie für die Wortgeschichte besonders wertvoll. Die Urkunde wäre dann eines der allerfrühesten Zeugnisse christlichen Lateins 39 Vgl. Laws, ed. Attenborough, S. 4 – 17. Die Gesetze sind bis in die Zeit Bedas nicht auf Latein verfasst, worin Æthelberht dem Beispiel der Römer folgte, wie Beda, Kirchengeschichte, II,5, ed. Spitzbart, S. 148, schrieb. Überblicke zur angelsächsischen Geschichte bieten: Innes, Introduction, S. 318 – 364, bes. S. 362 für das erste Gesetzeswerk; Collins, Early Medieval Europe, S. 179 – 187. 40 Vgl. Dunn, Christianization, S. 49 f.; Yorke, Kings and Kingdoms, S. 28. Siehe Beda, Kirchengeschichte, II,1, ed. Spitzbart, S. 134 – 136. 41 Vgl. Dunn, Christianization, S. 49 f.; Kottje/Hartmann, Das Frühe Mittelalter, S. 199; Richards, Gregor, S. 235, spricht im Zusammenhang mit Gregors missionarischer Tätigkeit davon, dass sich Gregor selbst nur gegenüber dem Judentum, den Heiden und im Schisma missionarisch betätigte. 42 Siehe http://www.esawyer.org.uk/charter/1.html# (eingesehen am 4. 12. 2014), mit einer kleinen Zusammenfassung des Diskussionsstandes. Die weiteren angelsächsischen Urkunden, die christianitas enthalten, folgen dem Muster »Christentum«, indem sie die Formel enthalten, dass der Gegenstand der Urkunde solange dem Nutznießer der Urkunde gehören solle, wie das Christentum in dieser Region bleibe bzw. blühe. Siehe 125.237, S 237 (682); 230.421, S 171 (814); 236.429, S 181 (817). Schwierigkeiten bereitet S 90 (742?), die wohl im 9. Jahrhundert verfasst wurde. Sie enthält ebenfalls christianitas als Christentum, doch unterscheidet sich die Satzsemantik deutlich von derjenigen in den anderen Urkunden.

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in England. Nicht nur, dass es sich hierbei um die erste herrscherliche Urkunde überhaupt handelt, in der christianitas vorkam, sie war zudem noch ein sprachlicher Hybrid. Der für Rochester vorgesehene Bischof, der Missionar Justus, war beim König vorstellig geworden, um Güter für den Unterhalt seiner Kirche zu erhalten. Die Urkunde wird von dem Kleriker vorgefertigt vorgelegt worden sein, sodass der König nur noch sagen musste, was und wie viel er der Kirche zu überlassen bereit war. Wahrscheinlich war es vor dem König dann einfacher gewesen, dass ein Schreiber den königlichen Willen in dessen Sprache in die Lücke setzte, was umständliche Übersetzerei ersparte und im Zweifelsfall ohnehin die altenglischen Bezeichnungen gebraucht worden wären, um in einem Streit zu schlichten. Offensichtlich war Justus, wohl über Augustinus und den Briefverkehr zwischen Papst und dem kentischen Königspaar, mit der Anrede vestra christianitas vertraut, da die Formulierung contra christianitatem nostram die Anrede einfach in die erste Person Plural überführte und daraus eine Selbstbezeichnung machte, die – wohlgemerkt – von Justus dem König zugeschrieben wurde.43 Der Verfasser der Urkunde adaptierte damit einen bekannten Wortgebrauch für eine andere Situation; er setzte eine Kirchengutentfremdung mit einem Verbrechen gegen den König gleich, was auf die marginale Rolle des Christentums in dieser Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt verweist. Um das neue Kirchengut zu schützen, bemühte der Verfasser keine biblischen Zitate oder Kirchenväterliteratur, so wie es Hinkmar von Reims im 9. Jahrhundert oder bereits Bonifatius im 8. Jahrhundert ausgiebig tun sollten.44 Stattdessen versuchte der Verfasser mit dem Hinweis auf den König eine entsprechend abschreckende Drohkulisse aufzubauen, die größere Chancen hatte, Gehör zu finden. Dass hier eine neue königliche Selbstbezeichnung von geistlicher Seite eingeführt wurde, wird dem König wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen sein. Höchstens seine Gattin hätte es bemerken können, da sie durch den Brief von Gregor und im Austausch mit Augustinus diese Anrede gekannt haben wird. Als dann sechs Jahre später Papst Bonifatius IV. an Æthelberht schrieb und seinen Brief mit Dum christianitatis vestrae integritas begann (102.209), konnten die Chancen schon höher stehen, dass der König von Kent mit dieser Anrede vertraut war. Wahrscheinlich wird der Brief ihm vorgelesen und simultan übersetzt 43 Deswegen unterscheidet sich diese Stelle von der Definition des Isidor zu iniquus (110.218), zumal es sich hier um das Adverb inique handelt. Immerhin schimmert der Zusammenhang von schlechten Taten gegen die Christlichkeit in der Urkunde auf. 44 Vgl. die Collectio de raptoribus des Hinkmar von Reims, in: Konzilien der karolingischen Teilreiche 843 – 859, Nr. 38, Konzil v. Quierzy (MGH Conc. 3), S. 389 – 394; Geelhaar/Thomas, Stiftung, S. 108 – 113. So griff der Erzbischof auf das Gleichnis von Hananias und Saphira (Apg 5,5 – 11), Prophetensprüche und päpstliche Sentenzen zurück, um Furcht zu erzeugen. Zu Bonifatius: Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus, ep. 73 (MGH Epp. Sel. 1), S. 152 f.

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worden sein. Leider lässt sich aber weder rekonstruieren, wie sich der Dolmetscher ausgedrückt hat, noch wie sich der König durch seinen Klerus an den Papst gewandt hat. Schließlich ging es hier um die päpstliche Zustimmung zur Gründung des Klosters St Augustine in Canterbury, wofür zuvor eine Anfrage an den Papst formuliert worden war. Insofern lässt sich der Austausch zwischen Päpsten und altenglischen Herrschern schwerlich rekonstruieren. Da die Kommunikation aber mit Sicherheit über die Gruppe der Missionare lief, hätte der Austausch wohl ohnehin wenig über das Funktionieren der Anrede sagen können, weil die Missionare die Wortwahl gekannt haben werden. Offen bleibt die Frage, wie die Kommunikation zwischen dem König und den Missionaren vor Ort ablief. Eine weitere Urkunde, nun aus dem Jahr 682, kann hingegen weiterhelfen. In ihr wurde festgehalten, dass Kentwine, König der Westsachsen (676 – 685), dem angelsächsischen Abt Hæmgils von Glastonbury (sed. 678 – 702?)45 bzw. dessen Kloster mehrere Ländereien für sein Seelenheil schenkte. Diesmal kam christianitas aber nicht als königliche Selbstbezeichnung in der Poenformel vor, sondern kurz zuvor in der nicht leicht verständlichen Formulierung: sic prefigimus ut immobile quamdiu christianitas vigeat in servicio Glæstingensis æcclesie permaneat (125.237). Vermutlich ist das davor beschriebene Land und seine christliche Bevölkerung gemeint, was sich aus servicium ergibt, weil der christliche Glaube wohl kaum im Dienste einer einzelnen Kirche stehen würde. Dann hieße der Satz: »So setzen wir [der König] vorab fest, dass solange die Christenheit stark sei, sie im Dienst der Kirche von Glastonbury bleibe.« Die Vokabel steht hier auf jedem Fall in einem komplett neuen Kontext, was sich an der Lexik des Satzes, an der grammatischen Funktion von christianitas und der Aussageabsicht des Satzes ablesen lässt. Wahrscheinlich aber darf man die Konditionalität nicht zu wörtlich nehmen. Dem Verfasser der Urkunde wird es sicherlich nicht darum gegangen sein, Eventualitäten zu berücksichtigen, die sich aus einem Verlust der Ländereien oder der Bevölkerung für die Kirche ergeben hätten. Solche Gefahren waren nicht abwegig, schließlich hatten die Westsachsen die Briten erst mit der Schlacht von Peonnum im heutigen Somerset 658 geschlagen und damit die Abtei von Glastonbury gewonnen, die von Briten im 6. Jahrhundert gegründet worden war. Gewalttätige Auseinandersetzungen kamen wohl immer noch vor und mussten natürlich auch die Versorgung von Kirchen und Klöstern gefährden.46 Die ungewöhnliche Formulierung verweist auf einen adaptierten, den Be45 Die Herkunft wird ersichtlich aus einer Passage in derselben Urkunde, in der es heißt: ad insulam juxta collem qui dicitur brittannica lingua Cructan apud nos Crycbeorh (bis zur Insel beim Hügel der in der britischen Sprache »Cructan« heißt und bei uns »Crycbeorh«). 46 Das Anglo-Saxon Chronicle, ed. Garmonsway, vermerkt für das Jahr 681, dass Kentwine »die Briten in die See getrieben« habe.

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dürfnissen der Kirche in Wessex entsprechenden Wortgebrauch. Während der Bischof Hæddi von Winchester (sed. 676 – 705?) die Urkunde mit seinem Siegel bezeugt und der König selbst das Zeichen des Heiligen Kreuzes mit einem Strich durchzogen hatte, war es Aldhelm, der die Urkunde geschrieben und unterschrieben hatte – und damit subtil zu erkennen gab, dass er der einzig Schriftkundige, mithin Gebildete, unter den dreien war.47 Daher kann es sich gut um den Abt des westsächsischen Klosters Malmesbury und späteren Bischof von Sherborne, den Literaten Aldhelm (um 640 – 709), gehandelt haben, der als erster Angelsachse auf Latein schriftstellerisch tätig wurde. Aldhelm kannte den König; in seinen Carmina ecclesiastica pries er ihn für seine Konversion zum Christentum.48 Doch selbst ein so gebildeter und literarisch versierter Mann wie Aldhelm muss mit den üblichen Verwendungsweisen für christianitas nicht unbedingt vertraut gewesen sein.49 Jedenfalls formulierte er in dieser Stiftungsurkunde auf recht ungewöhnliche Weise den Wunsch nach einer dauerhaften Versorgung der Kirche und einer lebendigen christlichen Gemeinschaft als Trägerin der Kirche. Damit ordnete er christianitas einer speziellen ecclesia, nämlich der Abteikirche von Glastonbury, unter und gab damit der Bezeichnung auch einen neuen Gegenstand: ein Gebiet mit einer christlichen Bevölkerung. Eine Pfarrordnung hat es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben,50 und doch ist man versucht, in dieser christianitas bereits einen Vorläufer für spätere Pfarreien nicht nur als kirchlicher Organisationseinheit, sondern auch als Versorgungseinheit zu sehen. Auf jeden Fall hat es diese Formulierung in abgewandelter Form in spätere angelsächsische Urkunden geschafft, während auf der anderen Seite des Kanals solch ein Gebrauch von christianitas unbekannt war und blieb.51 Diese beiden Urkunden vom frühen und späten 7. Jahrhundert sind bedauerlicherweise die einzigen Quellen, die über den christianitas-Wortgebrauch auf der Insel informieren. Erst mit Beda Venerabilis in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts finden sich weitere Belege, die bereits in Kapitel V.3 vorgestellt wurden. Beda, der von den Büchertransporten des Gründers seines Kloster Jarrow, Benedict Bishop (gest. 690), ungemein profitierte, näherte sich wieder 47 + Ego Hæddi episcopus consenciens signum sanctæ crucis impressi. + Signum manus Centuuini regis hanc munificentiam signo crucis perstringentis. + Ego Aldhelm hanc scedulam scripsi et subscripsi (125.237). 48 Vgl. Aldhelm, Carmina ecclesiastica III (MGH Auct. Ant. 15), S. 15 f. 49 Leider lässt sich hier nichts Konkreteres sagen, weil Aldhelm christianitas in keinem anderen seiner Texte benutzte, was aber nicht so sehr verwundert, weil auch bereits in Hinblick auf die Wortverteilung nach Textgenres auffiel, dass lateinische Poetik nicht vertreten war. 50 Blair, Church, hat sein Buch der Minster-Verfassung der angelsächsischen Kirche gewidmet. 51 Vgl. die angelsächsischen Urkunden S 171 von 814 (230.421) und S 181 von 817 (236.429). Es konnten keine merowingischen Urkunden mit christianitas ausgemacht werden, siehe: Die Urkunden der Merowinger (MGH DD Mer 1/2).

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eindeutig den sprachlichen Konventionen an, wie sie aus den Schriften der Spätantike zu entnehmen waren, wenn man denn darauf achtete. Sein Gebrauch verweist auf die Romorientierung einer Gruppe von Geistlichen in England, die auf den Texten aufbaute, die aus der Stadt der Apostelfürsten stammten.52 Dabei handelte es sich aber nur um eine Gruppe von Geistlichen unter den Angelsachsen, die sich der römischen Kirche zugehörig fühlten und Anschluss an die geistliche und geistige Welt Roms suchten.53 Bedas Rückkehr zu den semantischen Konventionen hängt auch mit seiner Tätigkeit als Lehrer zusammen. Er hatte erkannt, dass die Einheit im Glauben mit Rom auch eine Einheit in der Sprache voraussetzte. Daher ist es gut möglich, dass er sprachliche Experimente anderer nicht zur Kenntnis nahm, die damit den Bedürfnissen ihrer Kirche vor Ort entgegenkommen wollten. Bedas Sprachkonservatismus ist außerdem in Bezug auf eine Predigt relevant, die ihm in der Patrologia Latina zugeschrieben worden ist (136.252). Hier ist Vorsicht geboten. Zwar verfasste Beda viele Predigten, doch ist gerade die Predigt 94 der PL nicht in die kritische Edition übernommen worden.54 In diesem Fall erlaubt es der christianitas-Gebrauch weder, Beda als Verfasser dieser Predigt zu bestätigen, noch von einer Fehlzuweisung zu sprechen. In dieser Festtagspredigt zum Namenstag der Apostelfürsten heißt es, dass der Herr Petrus die Schlüssel zum Paradies gegeben habe und dass dieser keinen einlasse, der das Gesetz Christi verachte. Es folgt das Beispiel des Simon Magus. Niemand könne oder dürfe die Kraft Gottes (virtus Dei) kaufen, so wie dies Simon gemacht habe. Dieser habe den Christenglauben abgelehnt, einen Götzen angebetet und sei deswegen vom Glauben abgefallen (In alio die Simon magus renuit Christianitatem, at adoravit idolum, et apostata factus est, id est, retrotractus; 136.252). Dieser Simon habe aber auf den römischen Kaiser einen solchen Einfluss genommen, dass dieser am Ende das Todesurteil über Petrus verhängte. Die Vokabel für die Erzählung des Simon Magus (Apg 8,9 – 25) zu verwenden, liegt auf der Hand, stellt Simon doch den Prototypen für einen iniquus, einen schlechten, weil heuchlerischen Christen dar. Später tat es auch Papst Nikolaus I. (858 – 865), aber in einer etwas anderen Formulierung.55 Bei Beda jedoch sieht es anders aus. Die Figur des Simon kommt unter anderem in Bedas Kirchengeschichte vor, sie war ihm also vertraut.56 Sicherlich wäre Beda auch in der Lage gewesen, Simon 52 Vgl. Richards, Gregor, S. 245, Beda war über Gregor und seine Werke wohl informiert. 53 Vgl. Innes, Introduction, S. 354 – 356, der sehr ausgewogen die religiöse Landschaft des angelsächsischen England wiedergibt und damit auch auf all das aufmerksam machte, was Beda in seiner Sicht auf das Christentum überging oder ausblendete, um die direkte Rombeziehung herauszustellen. 54 Vgl. Beda, Opera homiletica (CCSL 122). Dagegen ders., Homiliae, in: PL 94, 495D – 498A. 55 Vgl. Nikolaus ep.146 an Erzbischof Adalwin von Salzburg (MGH Epp. 6), S. 663 f. 56 Vgl. Beda, Kirchengeschichte, V,21, ed. Spitzbart, S. 524.

Unter Angelsachsen: Adaption und Rückkehr zur Konvention

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und christianitas semantisch miteinander zu verbinden. Nun kann es sein, dass diese Predigt aus seiner Feder stammt, doch scheint angesichts der gesicherten christianitas-Verwendungen bei Beda unwahrscheinlich. Da die Patrologia Latina zudem als sehr unzuverlässig gilt, scheint es gebotener, diese Predigt und damit die darin vorkommende christianitas-Verwendung Beda nicht zuzuschreiben. Bei der Zuschreibung der sogenannten Excerptiones [pseudo-]Ecgberhti (137.254 – 255) an den Beda-Schüler und späteren Erzbischof von York, Egbert (gest. 766), handelt es sich um eine solche prominente Fehlzuschreibung, die auf die editio princeps durch Henry Spelman von 1639 zurückgeführt werden kann.57 Bevor man sich die Mühe macht, hier eine bisher nicht sichtbar gewordene Gebrauchsspur für den von der gepflegten Semantik abweichenden Gebrauch in Lexik und Thematik ausfindig machen zu wollen, sollte die jüngst vorgeschlagene Datierung der Excerptiones herangezogen werden. Nach einer sorgfältigen Analyse der vorhandenen Manuskripte hat Michael Elliot vorgeschlagen, die Sammlung wegen ihrer Herkunft aus Worcester besser als Collectio canonum Wigornensis (CCW) zu bezeichnen.58 Dort ist die erste Kompilation von kirchenrechtlichen Bestimmungen um 1005 erstellt und etwas später von John von Worcester zu einer zweiten Rezension überarbeitet worden. Elliot hat in seiner Edition der vier erhaltenen Manuskripte als Quellen für die Kompilation unter anderem die pseudoisidorischen Fälschungen ausgemacht, die in den 830erJahren von Paschasius Radbertus im bedeutenden fränkischen Kloster Corbie verfasst worden sind.59 Damit lösen sich einige Interpretationsschwierigkeiten. Die erste christianitas-Stelle in der CCW lässt sich auf das erste Kapitular des fränkischen Bischofs Ghärbald von Lüttich zurückführen, während die zweite Stelle in der Tat aus den pseudoisidorischen Fälschungen stammt und nicht auf Gregor selbst zurückgehen kann.60 57 Vgl. Kerff, (Art.) Egbert, Sp. 1601; Lapidge, (Art.) Ecgberht, S. 157. 58 Vgl. Elliot, Canon Law Collections. Der Autor hat bisherige Teilergebnisse und Vorträge aus seiner Arbeit auf der von ihm betriebenen Internetpräsenz http://individual.utoronto.ca/ michaelelliot/index.html (eingesehen am 4. 12. 2014) veröffentlicht. Hier sind die Handschriftenbeschreibungen hilfreich, wobei die älteste London BL Cotton Nero A. i. Fols. 70 – 177 von 1003 – 1023 ist (http://individual.utoronto.ca/michaelelliot/manuscripts/texts/ wig.html). 59 Vgl. Zechiel-Eckes, Auf Pseudoisidors Spur, S. 25. Siehe die Onlineedition von Elliot http:// individual.utoronto.ca/michaelelliot/manuscripts/texts/transcriptions/wigorniensisI.pdf (eingesehen am 4. 12. 2014). 60 Die Textstelle aus der CCW ist hinsichtlich der Fassung des angeblichen Gregorbriefes an Bischof Felix (99.209) von den pseudoisidorischen Fälschungen abhängig, weil sich Gregor selbst beim Thema der Eheregeln für die Angeln für ein Eheverbot bis zum dritten oder vierten Grad ausgesprochen hatte. In der Fälschung aber ist vom siebenten Grad die Rede (Vgl. Ad Felicem Episcopum, in: Decretales pseudo-isidorianae, ed. Hinschius, S. 749 – 753, hier S. 751), wobei der Ps.-Gregor hier davon sprach, dass er nachsichtig mit den Angeln

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Ein Wort in vielen Christenheiten

Das erste Exzerpt stellte eine bischöfliche Handlungsanweisung an Priester dar, die den ihnen anbefohlenen Menschen das sonntägliche Gebet und das Glaubensbekenntnis näherbringen und auch ihren Seelen das Studium der ganzen Religion und den christlichen Kult zeigen sollten.61 Beim zweiten Exzerpt handelte es sich um das angeblich von Gregor dem Großen stammende Eheverbot zwischen Verwandten bis zum siebten Verwandtschaftsgrad, das mit Bedacht angewandt werden solle, so wie Gregor gegenüber dem Volk der Angeln nachsichtig gewesen sei, damit diejenigen, die das christliche Gute (christianitatis bonum) gerade angenommen hätten, nicht unvollendet von ihm ließen.62 In beiden Fällen handelte es sich also um mit kirchlich-hierarchischer Autorität verknüpfte Gebote, die ein normengemäßes christliches Leben herbeiführen und garantieren sollten. Eine solche kirchlich gesteuerte, umfassende Verchristlichung des Lebens war in der Tat bisher nicht auf diese Weise semantisiert worden, was deutliche Verschiebungen im Wortgebrauch der Karolingerzeit vermuten lässt. Um diesem weiter nachzugehen, sind zunächst die Ergebnisse in Bezug auf den spätantiken Wortgebrauch zusammenzufassen.

3.

christianitas – ein Wort der Spätantike

Die Vokabel stammte aus dem spätantiken, christlichen Alltag des 4. Jahrhunderts und fand vor allem wegen ihrer semantischen wie syntaktischen Polyvalenz schnell Verbreitung. Sie konnte den Gräzismus christianismus inhaltlich ersetzen und darüber hinaus andere, für das Christentum wichtige Sachverhalte als christlich markieren, weil sie als Substantiv mit dem Suffix -tas im Genitiv das Adjektiv christianus vertreten und sogar im Wert zu steigern vermochte. Hierauf ist auch zurückzuführen, dass christianitas in bis zu zwei von drei Fällen im Genitiv stand. Die Polyvalenz beinhaltete aber auch, dass die Vokabel nicht gewesen sei. Wer also diesen Text liest, wird das Eheverbot bis zum siebten Grad vorfinden, bevor er zu dem Gebot des Maßhaltens im Anwenden der Regel kommt. Das stellt eindeutig eine Verkehrung der Aussagen Gregors im Libellus responsionum an Augustinus dar, in dem vom siebten Grad überhaupt nicht gesprochen wurde. Vgl. Gregorii registrum IX.56a, cap. 5 (MGH Epp. 2), S. 335. So konnte es Paschasius auch in der Abschrift des Libellus bei Beda, Kirchengeschichte, I,27.5, ed. Spitzbart, S. 88, nachlesen. 61 Der Text aus der CCW lautet: Ut unusquisque sacerdos orationem Dominicam et Symbolum populo sibi commisso curiose insinuet, ac totius religionis studium et Christianitatis cultum eorum mentibus ostendat. (137.253) Er entspricht exakt dem Text bei Ghärbald (220.408), der im Übrigen auf einem Konzil der karolingischen Geistlichen 802 verfasst und Karl dem Großen vorgeschlagen wurde (221.409). 62 Progeniem suam unumquemque usque ad septimam servare decernimus generationem; et quandiu se agnoscunt affinitate proquinquos, in conjugium ducere nulli profecto Christianorum licet vel licebit, et nolumus nos in hac re a vobis sive a caeteris fidelibus reprehendi, quia in his Anglorum genti indulsimus, non formam dando, sed consideratione, ne Christianitatis bonum quod ceperant imperfectum dimitterent, egimus (137.254).

christianitas – ein Wort der Spätantike

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nur die Funktion eines Genitivattributs, sondern auch die eines Genitivobjekts annehmen konnte, womit sich noch mehr Möglichkeiten erschlossen. Mit christianitas ließen sich zudem andere Vokabeln christlich umsemantisieren, verchristlichen: Was bereits in den Jahrhunderten zuvor auf Aramäisch, Hebräisch und besonders Griechisch seinen passenden Ausdruck gefunden hatte, musste nun auch auf Lateinisch sagbar werden. Vokabeln wie fides, religio oder cultus wiesen bereits eine reiche Semantik auf, an die sich anknüpfen ließ, nur musste deutlich werden, dass diese Worte nun einen neuen Inhalt transportierten. Um ein christliches Latein zu schaffen, wurden einerseits viele Worte aus dem Griechischen übernommen, andererseits konnten die Christen unter den lateinischen Römern höhere Akzeptanz erlangen, größeres Interesse wecken und anziehender wirken, indem sie an ein bekanntes Vokabular anknüpften. Dieses konnte eine Brückenfunktion erfüllen, die Eintrittsschwelle zum Christentum niedrig halten und einen kommunikativen Austausch zwischen Christen und Nichtchristen herstellen.63 Die Vokabel begleitete Christianisierungsprozesse: Viele griffen auf sie zurück, noch mehr werden sie verstanden oder etwas mit ihr verbunden haben. Sie rückte aber nie in das Zentrum des Diskurses, sie wurde nicht zum Gegenstand der Auseinandersetzungen mit Nichtchristen. Dazu war das Spektrum an Ausdrücken im Diskurs zu umfangreich.64 Das zweite Kapitel zeigte, dass christianitas sowohl »christlich« als auch »Christlichkeit« bedeutete. Die Vokabel wurde eingesetzt, um zu beschreiben, was diese Christlichkeit, das Christsein ausmachte. Im gleichen Atemzug wurde auch immer häufiger mitgedacht, was es hieß, kein oder ein schlechter Christ zu sein. Abgrenzungstendenzen gegenüber Juden und schlechten Christen wurden sichtbar, gegenüber Nichtchristen/Paganen und Häretikern fielen sie nicht so eindeutig aus, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mochte. Eine veritable Verstetigung stellt das Muster nomen christianitatis dar. Ausgehend von dem Grundgedanken, dass man in der Taufe den Namen Christi annahm, erfüllte das Muster eine theologisch-identitäre und eine normativdisziplinatorische Funktion: Das nomen christianitatis erinnerte an die sakrale Überhöhung des Namens als Stellvertreter des nicht benennbaren Gottes sowie an die Verfolgung der Christen aufgrund ihres Bekenntnisses und ihres durch die Taufe erhaltenen christlichen Namens. Die wesenhafte Verknüpfung von Bezeichnung und Bezeichnetem im göttlichen/christlichen Namen hatte auch zur Folge, dass nomen christianitatis eingesetzt werden konnte, um unter den 63 Damit relativiere ich die Position von Mohrmann, Le latin commun, S. 12, die davon gesprochen hat, dass Umsemantisierung zu einer Spezialsprache der Christen geführt habe, die aber eine Kommunikation mit Nichtchristen erschwert habe. Aber gerade dadurch, dass die Christen ein vorhandenes Vokabular umdeuteten, wie z. B. salus, konnte überhaupt erst über die Umdeutung gestritten und damit kommuniziert werden. 64 Vgl. Kapitel II.3 sowie III.3 und Piepenbrink, Identität.

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Christen sprachliche Grenzen ziehen zu können. Der christliche Name diente als Maßstab und Defizienzbegriff: Mit ihm konnten Theologen und Pastoren das unzureichende Befolgen christlicher Normen rügen, Besserung einfordern und bei Nichtbeachtung mit Ausschluss aus der Heilsgemeinschaft drohen. Letzterer ist allerdings nicht als Exkommunikation zu verstehen, wenngleich ein Ausschluss aus der christlichen Gemeinschaft bei nichtregelkonformem Verhalten in die Nähe von christianitas rückte, als Dionysius das Kirchenrecht ordnete. Der Ausschluss aus der consortio christianitatis als Gemeinschaft der Christen sollte erst im Laufe des 9. Jahrhunderts aufkommen, sich im Kirchenrecht verfestigen und damit vor allem ein lokales Verständnis dieser Christengemeinschaft befördern.65 In der Spätantike blieb es beim Hinweis auf das Jüngste Gericht, in dem die Scheinchristen mit Verdammnis durch Christus zu rechnen hätten. Insofern scheint es nur folgerichtig, dass das nomen christianitatis auch zur apokalyptisch aufgeladenen Gesellschaftskritik diente, wie dies bei Salvian von Marseille und Gregor dem Großen sichtbar wurde. Das Ausbilden von festeren Verwendungsmustern bedeutete aber nicht, dass andere Semantisierungsvorgänge blockiert wurden. Im Gegenteil, immer wieder wurden neue Worte und Sachverhalte mit christianitas verknüpft: Die Nächstenliebe als Gesetz des Christentums wurde ebenso mit christianitas ausgedrückt wie die christlichen Zeiten, die tempora christianitatis. Selbst neue syntaktische Fügungen mit christianitas als Akkusativobjekt kamen auf und verstärkten die Wortverwendung für den christlichen Glauben oder das Christentum. In diesem Sinne verstand und nutzte auch Augustinus das Wort. Allerdings führten die wiederholten Auseinandersetzungen mit anderen christlichen Gruppierungen in Nordafrika zu einem Kampf um die Deutungshoheit des christlichen Vokabulars. Augustinus ließ sich hierbei nicht auf die donatistischen Konnotationen ein. Mit der Bekämpfung der als Häresien inkriminierten Heterodoxien gingen aber auch deren Sinnzuschreibungen an christianitas verloren. Für das 4./5. Jahrhundert wird man jedoch annehmen dürfen, dass Augustinus’ Schweigen für die Donatisten praktisch bedeutungslos war. Sie werden das Wort weiterhin in ihrem Sinne verwendet haben. Dass dieser 65 Siehe Kapitel VI.2, Anm. 78, in Bezug auf das Konzil von Tusey 860, den exkommunizierenden Hinkmar von Reims und Papst Johannes VIII. Des Weiteren: der Brief von Papst Nikolaus an Rudolf von Bourges, ep. 29, in: Nicolai I. papae epistolae (MGH Epp. 6), S. 295 – 297, hier S. 295, das Schreiben Hinkmars von Laon an Karl den Kahlen, in: Hinkmar von Reims, Epistolae, ep. 15 ad Carolum regem. De Hincmaro Laudunensi, in: PL 126, 94D – 99A; der Briefwechsel zwischen Papst Hadrian II. und Hinkmar von Reims, in: Hadrian II., Epistolae ad res Orientales pertinentes, ep. 18 (MGH Epp. 6), S. 720 f.; Hinkmar von Reims, ep. 27, in: PL 126, 174C – 186C. Der Übergang aus der Praxis in die Kirchenrechtssammlungen ist an Regino von Prüms Sendhandbuch (PL 132, 185 – 400B) zu erkennen.

christianitas – ein Wort der Spätantike

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Wortgebrauch ein Ende fand, lag an den für eine donatistische Literaturproduktion negativen Faktoren wie Wandalenherrschaft und arabische Eroberung. Im Katholizismus konnte ein donatistischer Wortgebrauch nicht überleben, weil Katholiken selektierten, als sie die Schriften der Spätantike abschrieben. Augustinus’ Verschweigen des Wortes in all seinen Schriften ab spätestens 400 jedenfalls hat dazu geführt, dass christianitas kein theologisch und vor allem kein patristisch vorgeprägter Begriff wurde. Das Ausbleiben einer augustinischen christianitas verminderte die Chance auf weitergehende Theologisierung im Bereich der Dogmatik; stattdessen wurde der identitätsstiftende, pastoraltheologische Gebrauch durch andere Theologen fortgeführt, woraus sich aber keine ausgeprägte kirchenrechtliche Dimension von christianitas entwickelte. Immerhin ließ sich am römisch-rechtlichen wie kirchenrechtlichen Gebrauch erkennen, dass christianitas zuweilen im Modus der Begründung verwendet wurde und dabei auf das Christentum als persönlich einzuhaltendes Glaubensund Normensystem verwies. Auffällig waren die sehr indirekten bis inexistenten Bezüge zwischen haeresis und christianitas, obwohl die Vokabel sehr gut im Unterdiskurs um die Häresien im Christentum hätte gebraucht werden können. Stattdessen wurde die Vokabel auf dem Gebiet des Rechts ebenso wie auf dem Gebiet der Theologie meist beiläufig verwendet: Man sprach auch hier mit, aber nicht über christianitas. Das wird auch daran gelegen haben, dass die großen dogmatischen Auseinandersetzungen unter den Christen zumeist auf Griechisch geführt wurden. Daher wird die Vokabel auch in der lateinischen Kirchengeschichtsschreibung keine Rolle gespielt haben. Erst ein Impuls von außen, die Notwendigkeit zur Übersetzung dreier griechischer Kirchengeschichten, hat daran etwas geändert. Der Übersetzer Epiphanius schöpfte aus dem Vollen, bediente sich aller möglichen Verwendungsformen und ging noch darüber hinaus, um christianismos übersetzen zu können. Damit erschloss er ein neues Einsatzfeld für die Vokabel: die Ausbreitungsgeschichte des Christentums. Diese Verwendung von christianitas zum Erzählen einer Geschichte des Christentums blieb aber auf die hist. eccl. tripartita beschränkt. Ein Erzählen vom Christlichen, so wie es die Hagiographien der späteren Spätantike taten, kam ohne das erzählerische Instrument christianitas aus. Neben der Ausweitung des Spektrums durch den Wortgebrauch in der hist. eccl. tripartita stand eine weitere Verfestigung zu einem Verwendungsmuster, das ebenfalls im 6. Jahrhundert aufkam. In der vornehmlich päpstlichen Korrespondenz wurde auf christianitas als Christlichkeit, als Eigenschaft des Christlichen, zurückgegriffen. Die daraus entstandene Anrede vestra christianitas schien aber für die Kommunikation mit dem Kaiser ungeeignet, sie wurde stattdessen immer häufiger für Königinnen und Könige verwendet. Die Anrede band in der Folge weit entfernte Herrscher in ein päpstliches Universum ein. Das

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Ein Wort in vielen Christenheiten

bedeutete aber nicht, dass durch die Verwendung bereits eine gemeinsame Verständigungsebene zwischen Absender und Empfänger etabliert wurde, wie der Blick auf die Mikro-Christenheiten zuletzt zeigen konnte. Eine geographische Ausweitung des Glaubens verschob nicht einfach die Glaubensgrenzen, vor allem dann nicht, wenn Missionare dabei auch Sprachgrenzen überschritten. Der Kommunikationsraum vergrößerte sich nicht parallel zur geographischen Ausweitung, sondern musste wieder neu hergestellt werden, indem mittels christianitas zwischen den alten und den neuen Zentren des Glaubens kommuniziert wurde. Für Paul Magdalino illustrierte das Register Gregors des Großen die dramatische Expansion des katholischen Christentums in die barbarischen regna des Westens.66 Mag er das dramatische Element in dem weiträumigen Ausgreifen der Katholisierung gesehen haben, so lag wohl eine andere Dramatik darin, dass dieses Ausgreifen auf das mittelmeerische Christentum zurückwirken sollte. Zu Beginn des 6. Jahrhunderts deckte sich der Kommunikationsraum, der sich durch ein ähnliches Verständnis und eine ähnliche Verwendung von christianitas konstituierte, mit dem Kerngebiet der westlich-lateinischen Christen. Der Wortgebrauch konnte prinzipiell noch jeden Christen erreichen und involvieren, da deren große Mehrheit Latein sprach. Zu Beginn des 7. Jahrhunderts jedoch war dieser Kommunikationsraum nicht mehr intakt. Dies lag zunächst an den irreversiblen politischen Veränderungen, die sich auch auf die schulische Infrastruktur negativ auswirkten und damit einen allgemeinen Rückgang der klassischen Lateinkenntnisse beförderten.67 Zweitens war auch der Bevölkerungsaustausch dafür verantwortlich, dass die Gruppe der Christen kleiner wurde und somit die Kommunikationsgemeinschaft immer größere Risse erhielt. Drittens schritt der allgemeine Sprachwandel des Lateinischen weiter voran,68 und viertens trug die Mission mit ihrem Wirken in noch für das Christentum zu gewinnenden Regionen zusätzlich zur weiteren Fragmentierung dieses Kommunikationsraumes bei, weil neue Christen überhaupt erst einmal das religiöse und lebensweltliche Wissen einer christlichen Gesellschaft erlernen mussten. Dabei war es dann nur folgerichtig, wenn diese neuen Christen ihr erworbenes Wissen mit ihrem eigenen Erfahrungsschatz zu verbinden suchten und somit potenziell auch christlichem Vokabular andere Semantiken zuwiesen, die von ihrem kulturellen System abhingen und in ihm funktionierten, dafür aber nicht mehr deckungsgleich mit dem Wortverständnis der Missionare ge66 Vgl. Magdalino, Church, S. 14. 67 Siehe oben Kapitel VI.2, sowie Collins, Early Medieval Europe, S. 126; Cameron, Mediterranean World, S. 88, die auch vom Fragmentieren des Westens spricht. Fuhrmann, Rom, S. 342 für das Fehlen von Informationen über Schulen und Literatur nach Theoderich dem Großen. 68 Vgl. Moorhead, Empire, S. 93 f.

christianitas – ein Wort der Spätantike

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wesen waren. Dieser Prozess der kreativen Aneignung und Adaption war bei Aldhelm zu sehen.69 Demgegenüber näherte sich eine kleine Gruppe romorientierter, des Lateinischen mächtiger Christen dem Apostolischen Stuhl wieder an.70 Diese Geistlichen bemühten sich, möglichst eng am römischen Sprachgebrauch zu bleiben und übergingen Versuche der sprachlichen Adaption in ihrem eigenen Wortgebrauch. Wegen der schlechten Transportwege wurde es aber immer schwieriger, einen schriftlichen Gedankenaustausch zwischen verschiedenen, geographisch voneinander getrennten Akteuren sicherzustellen und somit bestehende Kommunikationsräume aufrechtzuerhalten.71 Eine Sprache zerfällt natürlich nicht sofort in Regionalismen;72 doch ist bekannt, dass geographisch und kommunikativ getrennte Teile einer ehemaligen Sprachgemeinschaft mit ihrer gemeinsamen Sprache unterschiedlich umgehen, sodass semantische Entwicklungen in verschiedenen Regionen unterschiedlich verlaufen. Im Falle des Westgotischen Reiches heißt das, dass hier wohl immer noch eine breite Bevölkerung eine Art Latein sprach und dass sich Lehrer wie Isidor von Sevilla und andere darum bemühten, auch weiterhin ein gutes Latein zu vermitteln. Aber mit dem Rückgang der Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen geographischen Räumen christlichen Glaubens konnten die Worte zusätzliche Konnotationen aus dem Gebrauch vor Ort gewinnen. 69 Aufgrund der Quellenlage muss folgende Idee erst einmal eine Hypothese bleiben: Die Ausbreitung des Glaubens mitsamt seinem Export des Lateinischen verlief nicht nur selbst in Phasen. Auch die Aneignung und Transformation der christlichen Sprache erfolgte in Phasen, in denen sich Zeiten sprachlicher Annäherung an den ursprünglichen Kommunikationsraum und Zeiten erhöhter kreativer Aneignung und Transformation erkennen lassen, was dazu führen konnte, dass sich kein gemeinsamer Kommunikationsraum wiederherstellen ließ oder aber dies nur in Teilen gelang. Für die Karolingerzeit ließe sich die Vermutung aufstellen, dass erst in der sogenannten »zweiten karolingischen Renaissance« unter Ludwig dem Frommen die Rahmenbedingungen vorlagen, die für eine weitergehende Umsemantisierung vonnöten war. Hier wären in einer weiteren Studie vor allem die Schriften von Jonas von Orl¦ans (249.444 – 449; 250.450 – 556; 257.472 – 475, 266.489), Paschasius Radbertus (255.463; 256.464 – 471 und die pseudoisidorischen Fälschungen 261.479 – 484) sowie die Schriften Hinkmars von Reims zu untersuchen, siehe hierzu den online gestellten Teil der Quellensynopsis. 70 Beda Venerabilis hat u. a. grammatische Handbücher für den Unterricht verfasst und war als Lehrer tätig. Er wird damit zumindest im Kreise seiner Schüler maßgeblichen Einfluss auf deren Lateinkenntnisse gehabt haben. Vgl. auch Brown, Entstehung, S. 252. 71 Vgl. ebd., S. 254. Brown sagt auch, dass die Übertragung so vieler Bücher aus dem Mittelmeerraum auf die Britischen Inseln ein Symptom für das Ende einer »ökumenischen« Atmosphäre gewesen sei. Die bewusst gewollte Unterscheidung von anderen christlichen Regionen komme hingegen im Osterstreit auf der Synode von Whitby 664 zum Ausdruck. 72 Vgl. Stotz, HSLMA 1,I §§ 26 – 31, mit der Warnung, nicht zu schnell solche Regionalismen in der lateinischen Sprache auszumachen. Hier geht es aber erst einmal nur um andere Konnotationen. Für einen Norddeutschen löst das Wort »Meer« auch andere Assoziationen aus als für einen Süddeutschen.

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Ein Wort in vielen Christenheiten

Daraus ergibt sich letztlich, dass der große zusammenhängende Kommunikationsraum, in dem über christianitas gesprochen werden konnte, im 7. Jahrhundert gar nicht existierte. Daher scheint Mansellis Darstellung äußerst fragwürdig, der zufolge bereits in dieser Zeit verschiedene christliche Reiche, eben weil sie christlich waren, eine Einheit in ihrer Vielfalt angestrebt und sich gegen Feinde zu Wehr gesetzt hätten, die sie gerade wegen ihres Christentums bedrohten.73 Vielmehr bestätigt sich die Sicht, dass »between c. 400 and c. 1100, the concept of a universal ecclesia superseding temporal polities never entirely disappeared, but it was a subcurrent within a world consisting of micro-christendoms, as Peter Brown has called the Christian communities of the early medieval kingdoms.«74 Die Frage ist nun, wie die Verwendung von christianitas unter den ersten Karolingern hier hineinpasst.

73 Vgl. Manselli, (Art.) Christianitas, Sp. 1915 f. 74 De Jong, Ecclesia, S. 118.

VIII. Reden mit christianitas in der karolingischen Welt

1.

Ein altes Wort in einer neuen Welt

Von einer neuen Welt zu sprechen, die sich im 8. Jahrhundert formierte, ist aus verschiedenen Gründen in Frage gestellt worden. Während Ian Wood für die Kirchengeschichte das Weiterwirken der merowingischen Strukturen in frühkarolingischer Zeit ausmachen konnte und damit die Bedeutung der sogenannten angelsächsischen Mission relativierte,1 haben andere wie John Moorhead die aus der Pirenne-These hergeleitete neue Welt der Karolinger abgelehnt. Die arabische Expansion sei eher eine Folge als eine Ursache für die Umgestaltung der Mittelmeerwelt zwischen 600 und 800 gewesen, aufgrund derer sich der Schwerpunkt der christlich-europäischen Geschichte in den Norden verlagert habe.2 Wiewohl diese Einwände berechtigt sind – insbesondere aus wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive –, ist Arnold Angenendt mit Richard Sullivan und anderen dennoch zustimmen, dass sich eine neue, eine karolingische Welt auftat.3 Die Transformationsprozesse der römischen Welt waren mittlerweile in einem Stadium angekommen, in dem sich das politische Kräftefeld rund um das Mittelmeer zum zweiten Mal neu ausrichtete.4 Ganz im Westen, auf der Iberi1 Vgl. Wood, Merovingian Kingdoms, S. 323 f.; Angenendt, Kirche. 2 Vgl. Moorhead, Empire, S. 248 – 261; Wickham, Framing; McCormick, Origins, S. 2 – 6. Die für Großerzählungen Europas und Periodisierungsfragen der Spätantike bedeutende These von Henri Pirenne hat allerdings zu neuen Debatten über den Mittelmeerraum geführt, so Cameron, Mediterranean World, S. 209. 3 Vgl. Angenendt, Frühmittelalter, S. 233 f., wo dieser ausdrücklich auf Henri Pirenne rekurriert. Siehe Pirenne, Mohammed. Weiterhin Sullivan, Carolingian Age, S. 267 – 306; Costambys/Innes/MacLean, Carolingian World, S. 9 – 16, bes. S. 16, argumentieren hauptsächlich damit, dass die Zeitgenossen diese Welt, deren Rückgrat aus der karolingischen Dynastie bestand, als karolingisch gesehen und gedeutet haben. Brown, Entstehung, S. 271, sieht die karolingische Zeit als das Ende der Alten Welt, womit er mit Erwartungshaltungen und Grundannahmen der historischen Teildisziplinen spielt. 4 Die hier anzuführende Literatur wäre schier endlos, weshalb ich nur auf Smith, Europe;

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Reden mit christianitas in der karolingischen Welt

schen Halbinsel ging das Westgotische Reich unter den anrückenden Arabern unter und musste dem neugegründeten Kalifat von Cordoba weichen, im Frankenreich dominierten die Karolinger seit den Tagen des Hausmeiers Pippin II. (687 – 714) das politische Geschäft. Sein Enkel Pippin III. (741 – 768) hatte 751 die Macht gänzlich an sich gerissen, indem er den letzten Merowingerkönig absetzen und in die klösterliche Verbannung schicken ließ.5 Diese Machtübernahme führte Karolinger und Päpste zusammen, die ihrerseits nach Wegen suchten, sich aus ihrer Abhängigkeit von Byzanz zu lösen. Die Schwäche des römischen Kaisers im Osten während des 8. Jahrhunderts war für die Päpste Chance und Gefahr zugleich, sie konnten entsprechend ihrem petrinischen Selbstverständnis eigenständiger und nicht mehr aus Loyalität zum byzantinischen Kaiser handeln. Dies gelang den Päpsten mit der Hilfe des ersten karolingischen Königs Pippin III., dessen Sohn Karl der Große (747 – 814), die Langobarden besiegte (774) und damit auch in Nord- und Mittelitalien die politische Karte umgestaltete.6 Seine Krönung zum Kaiser sollte letztlich die Verteilung des politischen Kräfteverhältnisses seit der Spätantike auf den Kopf stellen, nachdem bereits die nachträgliche Königssalbung seines Vaters Pippin durch Papst Stephan II. die Rolle des Königs entscheidend veränderte, sowohl was das Prozedere späterer Königserhebungen anbelangte als auch, was die Aufgabe des Herrschers als Beschützer der Kirche von Rom betraf. Karl weitete seine Herrschaft nach Norden und Osten beträchtlich aus, indem er sowohl Sachsen als auch Awaren unterwarf und Beziehungen zu Abodriten und Dänen aufbaute. Damit schritt aber die Verschiebung in den Norden, wie sie sich mit der Mission nach England bereits angekündigt hatte, immer weiter voran. Neben der Welt des Mittelmeers konstituierte sich ein neuer, politisch starker Herrschaftsraum, der seinerseits wiederum anziehend oder aber bedrohlich auf die weiteren Nachbarn im Norden und Osten des europäischen Kontinents wirkte.7 Im Ganzen hatte dies vor allem zur Folge, dass der römische Kultureinfluss in dieser Welt, im Gegensatz noch zum Reich der Merowinger, praktisch nicht mehr vorhanden war.8

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Costambys/Innes/MacLean, Carolingian World; Borgolte, Christen; Wickham, Framing und Goetz, Europa, verweisen möchte. Zum Forschungsprojekt »Transformation of the Roman World« siehe Wood, (Art.) Transformation, S. 132 – 134. Siehe Becher, Dynastiewechsel, darin im Besonderen Schieffer, Tat. Zu Karl dem Großen McKitterick, Karl; Hartmann, Karl der Große; Collins, Charlemagne; Depreux, Charlemagne. Z. B. das von Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 16 (MGH SS rer. Germ. 25), S. 20, überlieferte Sprichwort »Der Franke soll dein Freund, nicht aber dein Nachbar sein.« Die Kirche sei als Römerin in die Germanenwelt eingetreten, so Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 135, der für einen Rechtshistoriker die Begegnung der spätantiken Kirche mit ihrem neuen Wirkungsbereich nördlich der Alpen ungewohnt poetisch ausdrückte. Die dahinter liegende Konzeption des Germanentum sei als überholtes Forschungsparadigma hierbei ausgeklammert. Hierzu Wood, (Art.) Transformation, S. 132 – 134.

Ein altes Wort in einer neuen Welt

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In diese Welt hinein kam über verschiedene Wege das mittlerweile schon seit Jahrhunderten gebräuchliche Wort christianitas. Diesen Wegen ist nachzugehen, Traditionen und Variationen sind auszumachen, der semantische Wandel im Wechselspiel mit der dadurch sprachlich verfassten und fassbaren Gesellschaft weiter zu verfolgen. Wie wurde der spätantike Wortgebrauch unter den Karolingern und ihren Gefolgsleuten rezipiert? Was wirkte weiter? Wie eng blieben die Franken am Mainstream des Sprachgebrauchs? Was veränderten sie, was konnte am Ende der Regierungszeit Karls des Großen an christianitas »karolingisch« sein? Diese Fragen ergeben sich erstens aus den Annahmen von Piroska Nagy und J¦rúme Baschet. In ihrem Aufsatz über den Begriff christianitas bei Abbo von Saint-Germain vertrat Piroska Nagy die Ansicht, dass »l’usage du terme ›chr¦tient¦‹ avec un sens social et spatial […] avec l’affirmation de l’Empire carolingien aux alentours de l’an 800, dans les milieux proches de l’empereur et du pape« aufgekommen sei. Dies könne man in einer Schrift des Hofkapellans und engen Vertrauten Karls des Großen, Abt Angilbert von St. Riquier (um 750 – 814), erkennen (219.406).9 Wahrscheinlich darauf aufbauend wies J¦rúme Baschet in seinem Artikel zu christianitas auf die Umsemantisierung des Wortes in den Schriften Alkuins und damit im Umfeld der sogenannten karolingischen Renaissance hin, erbrachte aber keine weiteren Belege.10 Was aber genau sagte Angilbert, und kann seine Verwendungsweise als repräsentativ gelten? Anders gefragt: Was verlieh dem Terminus christianitas um das Jahr 800 einen »sozialen« und »spatialen« Sinn, und wie charakteristisch ist dieser Gebrauch für die Karolingerzeit? Lässt sich hier ein typisch karolingischer Gebrauch ausmachen und gegenüber dem spätantiken Gebrauch abgrenzen? Zweitens ist bekannt, dass sich die Karolinger intensiv um eine religiöse und kulturelle Annäherung an die Kultur des Mittelmeerraumes bemühten. Dieser Prozess des ›Sich-Einschreibens‹11 erfolgte über den von den Franken forcierten personellen Austausch: Viele Gelehrte wurden an den Hof geholt. Sie trugen zu jenem Wissens- und damit Büchertransfer bei, infolgedessen neben der Dionysio-Hadriana auch die Briefe Gregors12 und viele, viele weitere Werke in den Norden gelangten.13 Nicht zuletzt adaptierte die Herrschafts- und Bildungselite14 9 Nagy, Notion, in der Rezeption von Rupp, L’id¦e. Die Predigt findet sich hier unter 437.777 – 818. 10 Vgl. die Einleitung dieser Arbeit, S. 3 f.; ebenso Steiger, Ordnung, S. 571. 11 Nach dem französischen »s’inscrire«, um die Rolle der Schriftlichkeit und der Eigenständigkeit der Akteure in diesem Akkulturationsprozess zu beschreiben. 12 Alkuin zufolge sind diese 798 in den Norden gekommen, vgl. Ganz, ›Roman books‹, S. 297 f. 13 Vgl. McKitterick, Audience, dies., Carolingian Renaissance, S. 156. Schieffer, Redeamus, S. 54 – 60, vermutet für die gesamte Karolingerzeit, dass die römischen Bücher oft weniger qualitätsvoll oder einflussreich waren, als man bisher angenommen hat. Dagegen vertritt McKitterick, History, S. 221, die These, dass Bücher mehr waren als nur ein Repositorium des

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Reden mit christianitas in der karolingischen Welt

Denkfiguren wie den populus christianus und den christianus imperator.15 Was die Karolinger an den Büchern aus der »Quelle« Rom interessierte,16 war ihre Authentizität der christlichen Botschaft. Dabei spielte es keine Rolle, ob es sich dabei um »die vermeintlich ältesten oder die qualitativ besten Exemplare jener Texte handelte, sondern um die handgreifliche, eben reliquienartige Hinterlassenschaft einer begnadeteren Vergangenheit, an die wiederanzuknüpfen Methode und Ziel jeder kirchlichen Erneuerung sein müsste.«17 Vor diesem Hintergrund ist es umso spannender, wie selbst ein intendierter Integrationsprozess seine eigene Dynamik und seinen eigenen Wortgebrauch entfaltete. Wie einheitlich konnte dann diese Christenheit sein, wenn die fränkischen Akteure christianitas bei der Adaption mit neuen Konnotationen versahen, die nicht nach Rom oder in andere Teile dieser vermeintlichen Christenheit kommuniziert wurden? Hinter diesen Fragen steht eine Vermutung, die sich aus dem Gebrauch des Wortes in den Mikro-Christentümern ergibt: Bevor es nämlich eine große Christenheit als Realität oder Konzept gibt, muss es einen gemeinsamen Kommunikationsraum geben, in dem die sprachlichen Instrumente von allen Kommunikationsteilnehmern in annähernd ähnlicher Weise verwendet werden, damit die Sprache zur Konstruktion von gemeinsamen Konzepten beitragen kann. Je eigenständiger, je »karolingischer« der Gebrauch unter den Karolingern gewesen ist, umso schwieriger muss es geworden sein, eine gemeinsame Sprachbasis mit Rom und der italienischen Welt, den Christen auf der Iberischen Halbinsel und auf den britischen Inseln aufrechtzuerhalten. Selbst innerhalb des großen Herrschaftsraums der Karolingerzeit mag es zu Binnendifferenzierungen gekommen sein.18 Der Wortgebrauch kann in drei verschiedenen Bereichen weiterverfolgt werden, was Gegenstand der nächsten drei Kapitel sein wird: erstens im direkten

14 15

16 17 18

Lernens; sie prägten das Identitätsverständnis der Franken mit: »The Franks were indeed a textual community in relation to the Bible.« Vgl. Bougard, La culture au Moyen ffge. Zu den führenden Köpfen dieser Bildungs- und Vermittlungselite, Alkuin, Hildebad und Arn, siehe Bullough, ›men of God‹. Vgl. Wallach, Alcuin, S. 7 – 15: Dass sich die Franken hingegen nicht als neues Volk Israel verstanden und von den Päpsten auch nicht so interpretiert wurden, zeigt Garrison, Franks, S. 125, gegen Nelson, Kingship and Empire, S. 55 auf Eugen Ewig aufbauend. Siehe auch Garipzanov, Symbolic Language, S. 287, mit dem bekannten Beispiel der Karlsvita Einhards, das Suetons Kaisergeschichten nachahmte. Einerseits ließen die Päpste viele Bücher abschreiben und in den Norden schicken, so Delogu, Papacy, S. 213 f., andererseits kamen die Handschriften auch aus anderen norditalienischen Städten. Vgl. Ganz, ›Roman books‹, S. 298. Schieffer, Redeamus, S. 68. So auch Angenendt, Kirche, S. 131. Zur Rezeptionsgeschichte im weiteren Kontext Gioanni/Gr¦vin, L’antiquit¦ tardive. Dies ist auf jeden Fall für die Zeit Hinkmars von Reims anzunehmen, da sich in seinen Schriften erneut Gebrauchsverschiebungen ausmachen lassen, die sich von einem konservativeren Gebrauch im ostfränkischen Reich absetzen. Siehe hierzu die Phase 5: Karolingerzeit (814 – 882) in der Online-Beigabe.

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brieflichen Kontakt zwischen den Päpsten und den Karolingern, zweitens in der Semantisierung der Mission unter Einbezug von christianitas, drittens hinsichtlich des Diskurses um Herrschaftskonzeption und gesellschaftlicher Ordnung, wobei die Endzeiterwartung des 8. Jahrhunderts eine wesentliche Rolle spielte. Der Untersuchungshorizont reicht damit bis zum Tod Karls des Großen, was sich insofern legitimieren lässt, als dass dieser mit seiner Sprachpolitik überhaupt erst wieder eine notwendige Grundlage für einen vermehrten Wortgebrauch geschaffen hat. Zum Einstieg sind erst einmal wieder die Bedingungen für den Sprachgebrauch, die Verteilung des Wortgebrauchs und dessen sprachstrukturelle Merkmale auszuloten.

2.

Das Latein der Karolinger

Latein war nicht mehr Muttersprache, sondern »Vatersprache des Mittelalters«. Im 8. Jahrhundert war eine allgemeine Verständigung über Latein nicht mehr gegeben.19 Die Sprache war kein gesprochener Soziolekt mehr, wie sie es um 450 in Gallien auf jeden Fall noch gewesen war. Die Beherrschung des Lateinischen war hinter die Volkssprachen zurückgetreten. Sie war in eine Krise hineingeschlittert, so Michel Banniard.20 Nach 750 soll Latein nur noch eine Sprache der kirchlichen Eliten gewesen sein. Sie musste von jedermann erlernt werden, man erwarb sie als Schulsprache an Domschulen und in Klöstern. Die Distanz zwischen Alltagssprachen und klassischem Latein, das überdies durch die Textproduktion der vorigen Jahrhunderte nicht in seiner Reinform überliefert wurde, verursachte zudem, dass Schüler noch mehr Zeit und Energie für den Spracherwerb aufwenden mussten.21 Allerdings hat Peter Stotz angemerkt: »Der gelehrte Charakter des Schriftlateins im Gegensatz zur Sprechsprache des Volkes ist nun nichts, was gegenüber der Antike an sich neu gewesen wäre; allerdings hatte sich der Gegensatz erheblich verstärkt.«22 Außerdem könne man von einer »Eigengesetzlichkeit des Schriftsprachlichen« im Falle des Lateinischen ausgehen.23 Die karolingische Sprachpolitik verschärfte diese Situation zusätzlich. Sollte diese vor allem korrigierend tätig werden, führte sie doch auch zu einem künstlichen Sprachwandel. Was die Karolinger durch Sprachnormierung schufen, war im Grunde ihr eigenes Latein auf Grundlage der Grammatiken der Spätantike von Donat und Priscian.24 19 20 21 22 23 24

Vgl. Auernheimer, Sprachplanung, S. 19 – 22, mit Hinweis auf Stevens, Renovatio, S. 663. Vgl. Banniard, Latin tardif, S. 223 f. Vgl. Lüdtke, Ursprung, S. 585. Stotz, HSLMA 1,I § 26.5. Ebd., I § 27.1 McKitterick, Schoolbook, S. 225 – 231, bes. S. 227 über die hohe Verbreitung von Donat.

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Reden mit christianitas in der karolingischen Welt

In den Philologien ist daher das Thema Vernakularsprachen versus Latein für diese Epoche zentral.25 Die große Schwierigkeit für Linguisten und Historiker besteht in der Emanzipation der Volkssprachen gegenüber dem Lateinischen oder aber in der Frage, ab welchem Zeitpunkt sich die Menschen darüber bewusst waren, dass sie nicht mehr Lateinisch, sondern Romanisch sprachen. Das wird vor allem dann wichtig, wenn aus den schriftlichen Zeugnissen politisches Handeln abgelesen werden soll.26 Rosamond McKitterick hält jedoch eine Verständigung mithilfe des Lateinischen in Abstufungen bis zum Ende des 9. Jahrhundert für gegeben.27 Michel Banniard differenziert die Sprachfähigkeit nach fünf verschiedenen Stufen28 und geht davon aus, dass die Eliten ihre Sprache und Sprachfähigkeit des Lateinischen erhalten konnten, selbst wenn diese nicht dem höchsten Niveau (dem theologischen sermo altus) entsprach.29 Außerdem habe sich die gesprochene Sprache in Italien und auf der Iberischen Halbinsel nicht so schnell vom Schriftlatein entfernt.30 Allerdings hat Florian Hartmann selbst Papst Hadrian I. (772 – 795) so viele Abweichungen oder Fehler vom klassischen Latein nachgewiesen, dass er »einen allmählichen Verfall des Bildungsniveau[s]« im Lateran anhand der Papstbriefe im Codex Carolinus glaubte konstatieren zu müssen.31 Dadurch musste der sprachliche Graben zwischen Rom und den Karolingern noch zusätzlich breiter werden. 25 Garrison/Orb‚n/Mostert (Hgg.), Spoken and Written Language. Einen Einstieg bietet Banniard, Latin; ders., Latinophones, S. 2 – 15 u. Lüdtke, Ursprung. Ein zweiter Aspekt besteht darin, warum die Europäer ab dem 8. Jahrhundert angefangen haben, in ihren Volkssprachen und nicht mehr auf Latein zu schreiben. Siehe hierzu jüngst Geary, Language, S. 6 f. Stotz, HSLMA 1,I § 31 bietet einen Überblick über Versuche in der Forschung, Wechselwirkungen zwischen spätantikem Latein und Vernakularsprachen auf linguistischer Ebene auszumachen, zeigt sich gegenüber solchen Versuchen aber insgesamt sehr zurückhaltend und plädiert für neue korpuslinguistische Ansätze, da die alten Thesen meist nur auf intuitiven Urteilen, Kurzschlüssen und Aussagen auf zu geringer Materialgrundlage beruhten. Besonders hervorgetan auf diesem Feld hat sich Roger Wright, Late Latin. Leonhardt weist aber darauf hin, dass eine Trennung in Gelehrtensprache Latein und Volkssprachen (Vernakularsprachen) unzutreffend sei. Denn auch die anderen Sprachen wie Griechisch und Arabisch zeigten das Phänomen der Diglossie, da sich die gehobene Sprache fixierte und von der Spontansprache immer weiter unterschied, was auch der Fall gewesen wäre, wenn Karl bereits ein Romans (Romance) zur Hauptsprache gemacht hätte, was aber nicht möglich war, so Leonhardt, Latein, S. 133 f. 26 Dies ist vor allem deswegen so wichtig, weil bis ins 13. Jahrhundert das politische Handeln nicht auf Latein stattfand, sondern nur die Ergebnisse auf Latein festgehalten wurden. Dies mache es so schwer, so Rüdiger, Charlemagne, S. 10 – 13, aus der geschriebenen Sprache politisches Handeln abzuleiten. Das Problem werde noch durch Übersetzung und Übertragung von einem Medium ins andere verschärft, wenn Handeln schriftlich fixiert wird. 27 Vgl. McKitterick, Audience, S. 98; dies., Carolingians, S. 21. 28 Vgl. Banniard, Niveaux, S. 43 – 45. 29 Vgl. ebd., S. 59. 30 Vgl. Stotz, HSLMA 1, I §§ 33.3 u. 35.3 31 Hartmann, Hadrian I., S. 33 – 35, das Zitat auf S. 33.

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Mit der Frage des Spracherwerbs ist die Frage nach der Sprachpolitik Karls des Großen verbunden und damit auch die Frage nach dem Stellenwert des Lateinischen im 8. Jahrhundert. Latein galt als Sprache der Bibel und daher als lingua sacrata, als geheiligte Sprache. Der Anstoß, sich um die Richtigkeit der Sprache zu bemühen, lag in der religiösen Vorstellung, dass Gott nur fehlerlose Gebete annehme und fehlerhafte seinen Zorn erregten.32 Karl beauftragte Paulus Diaconus, »unseren Schützling und einen Mann, der uns nahesteht« mit der Vorbereitung der Lesungen für die nächtlichen Offizien.33 Karl wollte, dass »die, welche danach streben, Gott durch rechtes Leben zu gefallen, dabei nicht vernachlässigen sollten, ihm auch durch rechte Rede zu gefallen. Wir sind uns dessen wohl bewusst, dass Irrtümer beim Sprechen gefährlich sind, Irrtümer beim Verständnis aber noch mehr.«34 Bemühungen zur Sprachkorrektur gegenüber dem als Merowingerlatein verunglimpften Sprachgebrauch der früheren Jahrhunderte hat es allerdings schon unter Pippin III. gegeben. Die spätere Sprachreform unter Karl dem Großen und dem spiritus rector dieses Programms der correctio, dem angelsächsischen Diakon Alkuin, hatte ihre Vorgeschichte und »nichts Punktförmig-Einmaliges« wie Peter Stotz, Mayke de Jong und Ulrich Nonn betonen.35 Letzterer zeigt, dass die »Sorge um den rechten Text« bereits während der Kirchenreformen unter Pippin, Fulrad von Saint-Denis und Bischof Chrodegang von Metz eine wichtige Rolle spielte und die philologische Arbeit vor Karls Beschlüssen bereits in Gang gekommen war.36 So sah bereits die Kanonikerregel Bischof Chrodegangs Domschulen vor, so wie sie bereits z. B. in York existierten, wo Alkuin unterrichtet hatte. Wie bei den Klöstern wurde bald zwischen der inneren Schule und der äußeren getrennt. Während die canonici scholares, die Mitglieder des jeweiligen Domstifts in der inneren Schule lernten, war die äußere offen für Laienschüler.37 War die Sprachpolitik Karls religiös motiviert, so diente sie doch gleichzeitig

32 Vgl. Angenendt, Kirche, S. 132. 33 Vgl. Nr. 30 epistola generalis (MGH Capit. 1), S. 80 f. 34 McKitterick, Karl, S. 273 u. Nr. 29 De litteris colendis (MGH Capit. 1), S. 79. »Die zentralen Worte der Liturgie werden nun zu gefährlichen Worten«, so Angenendt, Kirche, S. 132 f., sich beziehend auf Kottje, Oratio periculosa, S. 165 – 168. 35 De Jong, Penitential State, S. 5. weist zu Recht darauf hin, dass »the notion of correctio – otherwise known as ›reform‹ – was not a Carolingian invention, yet when Charlemagne seriously and systematically enlisted the co-operation of Alcuin and other learned courtiers, correction undeniably became a royal priority.« 36 Vgl. Stotz, HSLMA 1, I § 32.10; Nonn, Vorgeschichte, S. 77. 37 Vgl. Rich¦, Welt, S. 230 – 273; ders., Ecoles. Vgl. Flodoard, Historia Remensis ecclesiae IV,9 (MGH SS 36) S. 401 f., der berichtet, dass es dem Erzbischof Fulco (893 – 900) gelang, den Lehrer des Klosters Saint-Germain d’Auxerre, Remigius, für die Schule in Reims zu gewinnen, der dann die Schule leitete, in der die Kanoniker die freien Künste erlernten.

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sehr praktischen und weltlichen Zwecken. Birgit Auernheimer fasst diese Absichten folgendermaßen zusammen: »Durch die Schaffung und Stärkung einer gemeinsamen sprachlichen Kompetenz der Führungsschicht wird Kommunikation vereinfacht oder gar ermöglicht. Das betrifft vor allem auch die militärische Organisation. Eine Einheitssprache macht deshalb vom Herrscher angeordnete Maßnahmen einheitlich durchführbar, ihre Umsetzung wiederum überprüfbar und damit justiziabel. Zuwiderhandlungen können dann entsprechend bestraft werden.«38

Rosamond McKitterick wiederum nannte diese Politik eine »außergewöhnliche Strategie der allgemeinen Kontrolle […], in der das Konzept der correctio, der Erwerb von Wissen und die Ausübung von Macht miteinander in Verbindung standen.«39 Darin kommt auch die Mehrheitsmeinung in der Forschung zum Charakter der Sprachpolitik zum Ausdruck, die den Begriff correctio gegenüber der früher gängigen Formulierung von der karolingischen Renaissance bevorzugt.40 Karl der Große holte verschiedene Gelehrte an seinen Hof: Den Langobarden Paulus Diaconus,41 den gelehrten Westgoten Theodulf (um 760 – 821), den späteren Bischof von Orl¦ans, der aus seiner spanischen Heimat fliehen musste und um 780 an den Hof Karls kam,42 und den Angelsachsen Alkuin.43 Dieser stand hinter der Admonitio generalis (789), in der es nicht um humanistische Ideale 38 Auernheimer, Sprachplanung, S. 104. Zu den komplexen Gründen und Auswirkungen der Sprachreform siehe Brown, Renaissance, S. 44 – 46. 39 McKitterick, Karl, S. 273. 40 Matthias Tischler, Kontext, S. 22, gehört zu jenen, die den Begriff der karolingischen Renaissance ablehnen und stattdessen von der sog. karolingischen correctio sprechen. Darin folgt er einer Kritik, zu der Percy Ernst Schramm, Josef Fleckenstein und Erna Patzelt mit unterschiedlichen Argumenten beigetragen haben. Auch in der französischen Forschung wird auf die Schwächen dieser Formulierung hingewiesen. Sie verleite dazu, die Leistungen der Merowinger geringzuschätzen und die Kontinuitätslinien von der Spätantike zu vernachlässigen. Siehe Schramm, Kaiser, S. 336 – 339; Fleckenstein, Bildungsreform, S. 7; Depreux, Ambitions, S. 721 – 753. Der Terminus correctio findet sich im Programm der Admonitio generalis, praefatio (MGH Fontes Iuris 16). McKitterick, Karl, S. 273 – 276 für die Sprachpolitik. Andererseits erstreckte sich die »karolingische Renaissance« auf viele verschiedene Wissenschaftsgebiete, die allerdings erst aufgrund der ursprünglichen correctio und einer wissenschaftsfreundlichen Politik Karls ihren Aufschwung nehmen konnten. So ließen sich beide Sichtweisen vielleicht in Einklang bringen. Vgl. Fried, Artes liberales, S. 36. McKitterick, Carolingian Renaissance. Siehe auch Hartmann, Karl der Große, S. 202 – 205. 41 Vgl. Nonn, Mönche, S. 21 f. Der Mönch aus dem Kloster Montecassino lehrte 782 am Hofe Karls, weil er die Freilassung seines Bruders erwirken wollte, der während des Krieges zwischen Franken und Langobarden gefangen genommen worden war. 42 Vgl. Nonn, Mönche, S. 22; Schieffer, Karolinger, S. 92. 43 Der für seine herausragenden Fähigkeiten berühmte Gelehrte und Lehrer bereinigte die Vulgata von 4.000 Fehlern und machte sie dadurch zum mittelalterlichen Normtext der Bibel. Vgl. Fischer, Alkuin-Bibel.

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oder einer Vereinheitlichung des Reiches ging,44 sondern um die Abschaffung von kirchlichen Missständen, um den Gottesdienst, den cultus divinus, in orthodoxer Weise vollziehen und damit Gottes Wohlwollen gewinnen zu können.45 Die Rolle Alkuins und sein Verhältnis zu Karl dem Großen ist nicht unumstritten,46 war er doch wohl nicht sehr lange Zeit im unmittelbaren Umfeld des Herrschers.47 So würden die Quellen nicht ausreichen, um Alkuin als den »Leiter der Hofschule« zu bezeichnen, obgleich er mit vielen Angehörigen des Hofes im brieflichen Kontakt stand.48 Schieffer zufolge nahm Alkuin sehr regen Anteil an dem politischen Geschehen um Karl den Großen herum. Er sei aber zu keinem Zeitpunkt die alleinige Autorität in Karls Umgebung gewesen, allerdings sei aufgrund fehlender Textproduktion anderer einflussreicher Persönlichkeiten nicht genau abzuschätzen, inwieweit Alkuin die Entscheidungen des Herrschers stärker als andere zu beeinflussen vermochte.49 Alkuin war auch an der Epistola de litteris colendis Karls des Großen (787) beteiligt,50 womit die Grundlagen für ein karolingisches Schulwesen gelegt wurden. Korrektes Sprechen, Lesen und Schreiben galt es zu vermitteln.51 Diese Regeln wurden vor allem deswegen so wichtig, weil die Politik eine Sprache aufgriff, die nicht ihre eigene war. Es fehlte an Kontinuität in Bezug auf die 44 Vgl. Admonitio generalis (MGH Fontes Iuris 16); McKitterick, Frankish Church, S. 2 f.; Schieffer, Einheit, S. 33 – 47. 45 Vgl. Schieffer, Alkuin, S. 19. 46 Vgl. ebd. S. 15 – 32. 47 Bullough, Alcuin, S. 435 f. hat nachgewiesen, dass Alkuin wohl nicht seit der Einladung Karls 781 durchgängig auf dem Kontinent geschweige denn in der Nähe Karls gewesen ist. Schieffer, Alkuin, S. 24 f. Alkuin war wohl zwischen 749 und 796 am Hof, bis er die Abtei von St. Martin, Tours übernahm. Vgl. Nonn, Mönche, S. 22. 48 Vgl. Schieffer, Alkuin, S. 23. 49 Vgl. ebd., S. 31. 50 Vgl. Nonn, Mönche, S. 18, der die Epistola auf um 787 datiert, dagegen setzt Fleckenstein, Bildungsreform, Sp. 187 – 189, die Epistola für 784/85 an; Leonhardt, Latein, S. 125. 51 Vgl. Nonn, Mönche, S. 18, nach Nr. 29 Epistola de litteris colendis (MGH Capit. 1), S. 78 f.: Notum igitur sit Deo placitae devotioni vestrae, quia nos una cum fidelibus nostris consideravimus utile esse, ut a episcopia et monasteria nobis Christo propitio ad gubernandum commissa praeter regularis vitae ordinem atque sanctae religionis conversatio nem etiam in litterarum meditationibus eis qui donante Domino discere possunt secundum uniuscuiusque capacitatem docendi studium debeant impendere, qualiter, sicut regularis norma honestatem morum, ita quoque docendi et discendi instantia ordinet et ornet seriem verborum, ut, qui Deo placere appetunt recte vivendo, ei etiam placere non negligant recte loquendo.[…]Unde factum est, ut timere inciperemus, ne forte, sicut minor erat in scribendo prudentia, ita quo que et multo minor esset quam recte esse debuisset in sanctarum scripturarum ad intelligendum sapientia. Et bene novimus omnes, quia, quamvis periculosi sint errores verborum, multo periculosiores sunt errores sensuum. Quamobrem hortamur vos litterarum studia non solum non negligere, verum etiam humillima et Deo placita intentione ad hoc certatim discere, ut facilius et rectius divinarum scripturarum mysteria valeatis penetrare. Ähnliche Anordnungen traf Karl in der Admonitio generalis (MGH Fontes Iuris 16). Siehe auch Auernheimer, Sprachplanung, S. 109 – 114.

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Reden mit christianitas in der karolingischen Welt

kulturellen Zentren, da Fulda, Hersfeld, Lorsch, Murbach, Sankt Gallen, die Reichenau, Salzburg und Freising sowie St. Riquier am Rande bzw. außerhalb des ehemaligen Römischen Reiches lagen.52 Jedes Kloster musste eine Normbibel und die Regula sancti Benedicti besitzen, deren Korrektur angeordnet und umgesetzt wurde. Bischöfe und Äbte wurden aufgefordert, verbesserte Exemplare zu kaufen. Die weitere Verbreitung über andere Texte, z. B. Viten erfolgte nach einer »natürlichen Verbreitung«, also einer nichtgesteuerten Austauschpraxis unter den Bildungsstätten nach den Vorstellungen und Vorlieben einzelner.53

3.

Verteilung des Wortgebrauchs

Wie bereits für die Spätantike so hilft auch für die Karolingerzeit ein Überblick über die Quellen, um einzuschätzen, wo und in welcher Häufigkeit christianitas genutzt wurde. Da die Überlieferungslage für die Karolingerzeit gegenüber der Spätantike deutlich besser wird (und vieles aus der Spätantike nur dank der karolingischen Kopistenarbeit überliefert worden ist),54 ergeben sich insgesamt für die Zeit zwischen 741 und 930 signifikant höhere Zahlen. Während für die 380 Jahre zwischen 360 und 741 n. Chr. 254 christianitas-Stellen in 138 Texte ausfindig gemacht werden konnten, sind es 564 christianitas-Belege in 300 Texten für die wesentlich kürzere Zeit von 741 bis 930. Für beide Kennzahlen – Stellen und Textanzahl – ergibt sich ein Verhältnis von etwa 2,2:1 zwischen Karolingerzeit und Spätantike.55 Sich nun auf die Zeit bis zum Tode Karls des Großen zu konzentrieren und hier den Schnitt anzusetzen, ist deswegen sinnvoll, weil nach seinem Tod auch ein intellektueller Elitenwechsel stattfand, der sowohl eine politische als auch kulturelle Richtungsänderung herbeiführen sollte.56 52 Vgl. Leonhardt, Latein, S. 135. 53 Vgl. Auernheimer, Sprachplanung, S. 106 zur »natürlichen Verbreitung«. 54 Einen ersten Einblick gewinnt man bei Manitius, Geschichte, Bd. 1; Brunhölzl, Literatur, Bd. 1 u. 2. 55 Wichtig zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass für eine Studie über die Verbreitung des Wortgebrauchs berücksichtigt werden müsste, wie viele Handschriften produziert wurden, wie viele im Umlauf waren und ob sich ausmachen lässt, ob sie auch rezipiert wurden und der Wortgebrauch dadurch seinen Weg in die mündliche Diskussion fand. Dies ist hier aber methodisch nicht zu leisten. 56 Vgl. Depreux, Prosopographie. Deutinger, Königsherrschaft, hat überdies in seiner Habilitation nachgewiesen, dass wesentliche Veränderungen in der Verfassung, die bisher meist ins 10. Jahrhundert verlegt wurden, bereits die Verhältnisse in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts bestimmt haben. Auf kulturellem Gebiet sei nur an die sogenannte »zweite karolingische Renaissance« erinnert. So Boshof, Ludwig, S. 260 – 266, dem zufolge die Herrschaft Ludwigs des Frommen von der Konzeption einer umfassenden, moralischen Erneuerung der Gesellschaft geprägt gewesen sei.

Verteilung des Wortgebrauchs

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Damit wird zwar in der historischen Analyse der Fortgang des 9. Jahrhunderts nicht mehr voll einbezogen, was aber mit der Konzentration auf die Frage zusammenhängt, wie der spätantike Wortgebrauch von den Karolingern adaptiert wurde.57 Für die Phase zwischen 741 und 814 gibt es 167 christianitas-Belege in 93 Schriften von vermutlich 42 Verfassern, darunter acht Päpste. Im Vergleich zur Spätantike fällt als Erstes auf, dass sich das Spektrum der Textgenres nicht wesentlich verändert. Einige liturgische Texte scheinen wie die berühmte Ausnahme die Regel zu bestätigen. Zudem finden sich kleinere Schriften, die sich im Grunde nicht recht irgendwo zuordnen lassen. Dabei handelt es sich zum einen um die Sammlung von Figurengedichten des jungen Hrabanus Maurus, seinem Erstlingswerk (226.417), zum anderen um ein Bau- und Verschönerungsprogramm für die Abtei St. Riquier (219.406), verfasst von dessen Abt Angilbert. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Exhortatio ad plebem christianam (210.396), da sie zweisprachig ist und man damit nicht nur wieder einen sprachlichen Übersetzungsprozess beobachten, sondern auch einem kulturellen Übertragungsprozess nachgehen kann: Der Text war für die Christianisierung im Missionsgebiet des Erzbischofs Arn von Salzburg wohl von diesem selbst verfasst worden, um seinen Priestern eine Handreichung für ihre Arbeit mitzugeben.58 Größere Veränderungen betreffen die theologischen Traktate, in denen wieder vermehrt von christianitas die Rede ist. Außerdem kommen wieder Streitschriften vor, was zuvor ein Charakteristikum der ersten Phase der Spätantike gewesen ist. Sieht man von den Schriften des Ambrosius Autpertus und des Beatus von Li¦bana ab, in den christianitas sehr häufig auftrat, bleibt es dabei, dass in der Mehrzahl der Textstücke die Vokabel nur ein oder zwei Mal genutzt wurde. Die häufige Verwendung von christianitas in den beiden Apokalypsekommentaren scheint sich einerseits in die spätantike Verwendung einzupassen (man denke nur an Caesarius von Arles, Primasius von Hadrumetum und Beda

57 Hartmann, Kirchenrecht um 900, S. 7, hat völlig Recht damit, dass die Epoche vom Tode Ludwigs des Frommen bis zum Beginn der Herrschaft der Ottonen von der neueren Historiographie vernachlässigt worden sei. Dies soll für christianitas später nachgeholt werden. Es kann aber schon einmal die Hypothese aufgestellt werden, dass diese »zweite karolingische Renaissance« die eigentlich produktive Phase gewesen ist. Vor dem Hintergrund des in Kapitel VII.3 angedeuteten Phasenmodelles wäre dies spannend, weil sich der Kommunikationsraum der karolingischen Mikro-Christenheiten in dieser Phase erst als diskursiver Raum formierte, in dem verschiedene geistliche und weltliche Gebildete miteinander diskutierten und dabei christianitas verwendeten. Man nehme nur den Ehestreit Lothars II. Siehe hierzu die Quellen 319.581; 320.582; 321.583; 322.584; 323.585; 324.586; 342.632; 346.638 in der online gestellten Quellensynopsis. 58 Siehe weiter unten Kapitel X.1.

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Reden mit christianitas in der karolingischen Welt

Tabelle 6: Verteilung nach Textsorten von 741 bis 814 Streitschriften: (10 Nennungen in 4 Schriften)

Exegetische Schriften und Predigten: (32 Nennungen in 3 Schriften)

Ambrosius Autpertus: Libellus de conflictu (1) Beatus Liebanensis et Eterius Oxomensis: Adversus Elipandum Libri Duo (6) Alkuin: Sieben Bücher gegen Felix (2) Benedikt v. Aniane: Disputatio adversus Felicianam impietatem (1)

Ambrosius Autpertus: Expositio in Apocalypsin (6) Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin (25) Alkuin: Pauluskommentar (1) Varia: (4 Nennungen in 4 Schriften)

Hrabanus Maurus: In honorem sanctae crucis (1) Liber diurnus (1) Antiphonae et responsoria de Haimhrammo Exhortatio ad plebem christianam (1) Angilbertus: De ecclesia Centulensis (1) libellus (1) Liber sacramentorum Gellonensis (2)

Liturgische Texte: (3 Nennungen in 2 Schriften)

Historiographie: (14 Nennungen in 9 Schriften)

Hagiographie: (11 Nennungen in 6 Schriften)

Paulus Diaconus: Historia Langobadorum (1) Historia Romana (1) Chronicon Moissiacense/Annales Benedicti (3) Chronik des Fredegar Cont. (1) Liber Pontificalis zu Hadrian I. (1) Gesta Dagoberti I. regis Francorum (1) Annales regni Francorum (2) Annales Laureshamensis (3) Annales Mettenses (1)

Vita Bathildis (1) Vita Bonifatii (5) Arbeo Frisingensis: Vita Haimhrammi (2) Vita Corbiniani (1) Vita Sancti Gregorii abbatis (1) Vita Bertilae abb. Calensis (1)

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Verteilung des Wortgebrauchs

((Fortsetzung)) Briefe: (69 Nennungen in 47 Schriften)

Rechtsrelevante Texte: (24 Nennungen in 18 Schriften)

Papst Zacharias: 4 Briefe (5) Papst Stephans II.: 3 Briefe an Kg. Pippin, Karl und Karlmann (4), 1 Brief an Kg. Pippin (2) Papst Paulus I.: 17 Briefe an Kg. Pippin (27) Papst Constantinus II.: Brief an Kg. Pippin (2) Papst Stephan III.: 2 Briefe an Karl und Karlmann (3) Cathwulf an Kg. Karl (1) Papst Hadrians I.: 7 Briefe an Kg. Karl (10), 1 Brief an Ks. Konstantin und Irene (2) Indicidulum supplicatorium ad regem (1) Konzil von Frankfurt: Brief an die spanischen Bischöfe (1) Alkuin: 1 Brief an Paulinus (1), an 2 Briefe an Kg. Karl (3), an Megenfrid und Karl (1), an Arn von Salzburg (1) Brief eines Paulus (1) Papst Leo an die Bischöfe Bayerns (2) Theodulf an Kg. Pippin von Italien (1)

Römisches Konzil 743 (2 in 2 Schriften) Urkunde Pippins für Utrecht mit Wdh. Karls d. G. (4 in 2 Schriften) Heddo Argentinensis: Testamentum (1) Collectio Dionysio-Hadriana (4) Capitulatio de partibus Saxoniae (1) Capitulare Manutanum secundum generale (1) Lex Baiwariorum (1) Statuten von Rispacense, Freising und Salzburg (1) Aethelberht zugunsten Kent (1) Ghärbald von Lüttich: Erstes Kapitular (1) Ghärbald von Lüttich: Zweites Kapitular (2) Capitula a sacerdotibus proposita (1) Reimser Synode (1) Konzil von Mainz 813 (1) Capitulare generale Karls d. Großen (1) Cenwulf zugunsten Bischof Deneberhts (1)

Venerabilis), andererseits macht die gesteigerte Verwendung auf mögliche Veränderungen aufmerksam. Bemerkenswert ist auch die neuerlich hohe Verwendung der Vokabel im Umfeld der Historiographie, der nachzugehen sein wird, zumal mit den Annalen eine neue Form der Historiographie das Spektrum bereichert. Unter den Hagiographien sticht die Vita des heiligen Bonifatius heraus, während sich unter den Briefen wiederum kein einziger befindet, den Bonifatius selbst verfasst hat. Die meisten der aufgeführten Briefe sind im Codex Carolinus versammelt, in dem christianitas allein 46-mal vorkommt. Schließlich steigt die Zahl der rechtsrelevanten Texte deutlich an.59 Da Papst Hadrian I. (772 – 795) Karl dem Großen 774 die Dionysiana in leicht abgewandelter Form als Geschenk überreichte, tritt sie ebenfalls wieder auf. Darüber hinaus fällt an den rechtsrelevanten Texten auf, dass Kapitularien und Konzilsstatuten eine Rolle spielen, was 59 Diese Entwicklung wird vor allem in der Phase zwischen 814 und 882 ihren Höhepunkt erreichen. Siehe die Aufstellungen zur Verteilung des Wortgebrauchs im Anhang.

256

Reden mit christianitas in der karolingischen Welt

zu einer Verlagerung in diesem Bereich führt. Im Gegenzug hat es offenbar kaum christianitas-Verwendungen in den Herrscherurkunden gegeben, was wiederum schon bei den Merowingern zu verzeichnen war. Karl der Große bestätigte zu Beginn seiner Regierungszeit eine Urkunde zugunsten der Kirche von Utrecht, was daraufhin deutet, dass selbst diese Urkunde nicht von der Hofkanzlei ausging. Auch in karolingischer Zeit ist christianitas kein Bestandteil der Urkundensprache geworden.60

4.

Sprachliche Merkmale in Spätantike und Karolingerzeit

Hier ist nun ein erster Vergleich auf der syntaktischen Ebene vorzunehmen. Als Einstieg wird wieder die Verteilung von christianitas nach Kasus herangezogen. Um die beide Epochen überblicksweise gegeneinanderz stellen, wird hier die Tabelle aus Kapitel I.4 um die vierte Phase erweitert. Tabelle 7: Verteilung nach Kasus bis 814 Phase 1: 360 – 490 2: 491 – 605 3: 606 – 740 Gesamt 4: 741 – 814

Nominativ 21 (21,6 %) 12 (11,0 %) 2 (4,2 %) 35 (13,8 %) 23 (13,7 %)

Genitiv 58 (59,8 %) 60 (55,0 %) 34 (70,8 %) 152 (59,8 %) 93 (55,7 %)

Dativ 3 (3,1 %) 7 (6,5 %) 4 (8,3 %) 14 (5,5 %) 15 (9 %)

Akkusativ 12 (12,4 %) 12 (11,0 %) 5 (10,4 %) 29 (11,4 %) 29 (17,4 %)

Ablativ 3 (3,1 %) 18 (16,5 %) 3 (6,3 %) 24 (9,5 %) 7 (4,2 %)

Gesamt 97 (100 %) 109 (100 %) 48 (100 %) 254 (100 %) 167 (100 %)

Die Zahlen zeigen zunächst einmal, dass sich die Grundverteilung nicht wesentlich ändert.61 Die Vokabel tritt in der karolingischen Epoche genauso 60 Dies fällt insbesondere für die zweite Phase (814 – 882) auf. Erst in der dritten Phase ab 882 findet sich christianitas in den Urkunden verschiedener Herrscher. Darunter sind zwar auch einige Verfälschungen, doch zeichnet sich der Trend ab, dass die Vokabel um 900 vorübergehend Eingang in die Urkundensprache findet und sei es nur, dass Fälscher dies für einen glaubhaften herrscherlichen Stil hielten. Vom ostfränkischen König Arnolf (888 – 899, seit 896 Kaiser) sind z. B. drei Urkunden mit christianitas überliefert, und zwar in: Urkunden Arnolfs, Nrs. 3, 62, 68 (MGH DD Arn), S. 5 – 8, S. 90 – 92, S. 101 – 103. Weitere Urkunden stammen von König Odo (Recueil des actes d’Eudes, Nr. 5, S. 20 – 29) und Kaiser Karl III., Nr. 80 (MGH DD Karl), S. 130 f. Für die Zeit danach ließen sich in den Diplomata-Bänden bis 1200 nur vereinzelte und nur aufgrund ihrer Seltenheit aussagekräftige christianitas-Verwendungen finden. 61 Diese Zahlen sind, um noch einmal daran zu erinnern, selbstverständlich nur als Orientierungshilfen zu verstehen. Sie können nur insofern glaubhaft machen, dass sie den Wortgebrauch widerspiegeln, weil sie auf einer sehr großen Textmasse beruhen. Sie selbst

Sprachliche Merkmale in Spätantike und Karolingerzeit

257

häufig im Nominativ und im Genitiv auf wie durchschnittlich während der gesamten Spätantike. Dafür aber weichen die Angaben für Dativ, Akkusativ und Ablativ deutlich voneinander ab, stehen aber noch in ähnlichen Relationen zu Nominativ und Genitiv wie zuvor in der Spätantike. Der erhöhte Dativ-Wert weist hier den Weg. Bei allen 15 Fällen handelt es sich um Gebrauchssituationen, in denen das Wort mit vestra/tua in Verbindung steht und darüber hinaus auch die Kriterien der direkten Ansprache und der Herstellung eines Näheverhältnisses erfüllt. Das Verwendungsmuster vestra christianitas wird also in der frühen karolingischen Zeit eindeutig weitergeführt, wenn man nun noch die Fälle hinzunimmt, in denen die Anrede in diesem Kasus verkommt. Dies sind im Ganzen 45 Fälle, wobei nur ein einziger – in einem Brief Theodulfs von Orl¦ans an König Pippin den Kurzen (781 – 810), (218.405) – nicht von einem Papst stammt, was zu der hohen Zahl an Papstbriefen passt. Außerdem sind hier Wiederholungen zu verzeichnen, weil Paulus Diaconus ebenso wie zuvor Beda ganze Papstbriefe in seine Geschichte der Langobarden inserierte (192.370). Ein weiterer Fall von Weiterwirken durch Wiedervorlage ist schon bei der Dionysiana aufgefallen, deren Verwendung von christianitas als Christentum in einer Begründungslogik auch in der Folge wiederzufinden ist (182.332 : despectu christianitatis; 209.395 : christianitatis obtentu). Der Liber diurnus gehört mit seiner etwas abweichenden Verwendung des Satzgliedes vestrae christianitatis (215.402) auch dazu. Zwei weitere personalisierte Verwendungen vom Ende des Untersuchungszeitraums scheinen hingegen weder in das Muster der Anrede noch in die Verwendung als Eigenschaft zu passen. Da es sich um Stellen in Konzilsbeschlüssen (228.419) bzw. in Kapitularien (229.420) handelt, stellt sich gerade hier die Frage nach Adaption von christianitas durch Karl den Großen und sein bischöfliches Umfeld. Das zweite, weiterhin gepflegte und vor allem häufig benutzte Muster ist das nomen christianitatis. Hier treten wieder bekannte Verbindungen mit solo und censebantur auf.62 Ebenfalls kommt in diesem Zusammenhang erneut die Gegenüberstellung von fides/opera und nomen vor.63 Die insgesamt 31 Stellen, in sagen auch nichts direkt über Bedeutungen und Bedeutungswandel aus, sondern sind vielmehr wie Frequenzen eines elektromagnetischen Spektrums zu verstehen, um hier eine wissenschaftliche Metapher anzuführen. Dank eines solchen Spektrums lässt sich Strahlung überhaupt erst nach unterschiedlichen Typen von Energie analysieren, graphisch darstellen und vergleichen. Was hier erst einmal nur hinsichtlich der Kasus in Anlehnung an eine Spektralanalyse unternommen wird und damit versuchsweise syntaktische Merkmale einzufangen versucht, ließe sich in Zukunft auch in Form einer lexikalen Spektralanalyse für das lexikale Umfeld von Suchwörtern mithilfe des Historical Semantics Corpus Management unternehmen. 62 Siehe Kapitel II.3 und insbesondere die Regula monasticae des Caesarius von Arles (65.121 – 123) sowie die Homilie Gregors des Großen (82.184 – 185) u. Moralia X,30.51 (85.188). 63 Siehe 152.275 – 276 u. 279.

258

Reden mit christianitas in der karolingischen Welt

denen nomen christianitatis herangezogen wird, sind aber sehr ungleichmäßig verteilt.64 Allein zwei Schriften – diejenigen von Beatus von Li¦bana – enthalten das Verwendungsmuster 21-mal, davon sogar 19-mal als Satzglied sub nomine christianitatis. Es muss sich um seinen persönlichen Lieblingsausdruck handeln, da ihn andere nicht verwenden. Da er aber hervorragend in den Verwendungszusammenhang »Ausgrenzung schlechter Christen« passt, wird er sicherlich verstanden worden sein. Die anderen zehn Fälle verteilen sich auf sieben weitere Schriften, wobei auffällt, dass besonders die späteren Quellen nomen christianitatis auch wieder in seiner positiven Bedeutung und nicht nur zum Reden über schlechte Christen verwendeten.65 Letzteres bleibt das hervorstechende Merkmal der beiden Apokalypsekommentare. Ein weiteres Merkmal, speziell des Kommentars von Beatus, ist die immer mal wiederkehrende Kookkurrenz von ecclesia, mal in größerer, mal in geringer syntaktischer Nähe zu christianitas.66 Drittens ist weiterhin die Verwendung von christianitas als Genitivattribut und damit als Auszeichnung einer anderen Vokabel als christlich zu erkennen. Viele Bezugswörter bleiben gleich: so fides, opera, cultus, religio, cognitio, lex, norma, tempus. Im Falle von mos (214.400) und stabilimentum (165.294) kommen neue Wörter hinzu, die aber immer noch in das Wortfeld passen, da sie zum einen auf die Sitte rekurrieren, was lex und norma nahekommt, zum anderen, weil die Einhaltung dieser Glaubensgebote gerade gesellschaftliche Stabilität garantieren sollte. Allerdings bezieht sich stabilimentum auf christianitas, was dazu führt, dass die christianitas selbst stabil gehalten werden sollte. Damit rückt eine solche Formulierung an das nomen christianitatis heran, weil in beiden Fällen der Glaube und seine Ausübung durch schlechte Christen gefährdet wird. Da christianitas sogar synonym für fides (195.407) bzw. religio (173.313 – 314) gebraucht wird, wird die Bedeutung Christentum noch deutlicher. Die Veränderung im Wortgebrauch ist eher daran zu erkennen, wie immer im Umfeld von christianitas zunehmend canones, capitula, regula, praecepta etc. genannt werden, dass also (kirchen-)rechtliches Vokabular prominenter ver64 Als 32. Nennung wäre noch hinzuzuzählen 210.396: christianum nomen accepistis, quod est vestrae indicium christianitatis, wobei hier wie bei 215.402 die Eigenschaft des Christseins mit der Bezeichnung als Christ in Verbindung gebracht wird. 65 Siehe 196.376; 197.376; 198.378; 200.384; 207.392: hier deutlich wegen sanctum nomen christianitatis. 66 So z. B. quae omnis christianitas una videtur esse eclesia. (189.339), et quia omnis christianitatis eglesiae nomen habet (189.341), simulacrum sub nomine christianitatis in eclesia finxit (189.343). Des Weiteren 190.347 u. 190.355. Außerdem finden sich ecclesia und christianitas innerhalb eines Satzes in 205.390. Hiervon ausgenommen die Kookkurrenten, die sich direkt auf die Romana ecclesia beziehen, da hier von der konkreten Kirche Roms gesprochen wird und keine ekklesiologischen Aussagen getroffen werden. Siehe 139.256 bis 142.259.

Sprachliche Merkmale in Spätantike und Karolingerzeit

259

treten ist.67 In diesem Zusammenhang sind auch Ausdrücke des Lehrens zu finden, was auf die Missionsarbeit verweist.68 Eine weitere Bedeutungsverschiebung ergibt sich durch die Erweiterung von christianitas im Genitiv durch tota, was aus einem möglichen Genitivattribut ein Genitivobjekt macht, da es nun nicht mehr allein steht.69 Dieser Fall tritt ab und zu auf70 und fordert auf, über eine Umsemantisierung in Richtung Christenheit nachzudenken. Die Quelle 219.406 fällt wegen ihrer weiteren politischen (imperator) und geographischen Kookkurrenten gänzlich aus dem Rahmen. Trotz ihrer Singularität ist auf diese Stelle gerade wegen der These einzugehen, dass die Karolinger bereits um 800 ein christianitas-Konzept entwickelt hätten.71 Denn sie gehört zu den Quellen, in denen ein direkt als politisch zu bezeichnendes Vokabular auftritt. An drei Stellen ist die Vokabel sogar direkt mit regnum (203.387) oder imperium (205.390; 227.418) engstens verknüpft. Darüber hinaus kommt nach 787 weiteres politisches Vokabular vor, sodass anzunehmen ist, dass im Gegensatz zur Spätantike christianitas häufiger direkt in Erzählungen über politisches Handeln eingebunden wurde.72 Nur der populus christianus (213.399) oder auch das imperium christianitatis (227.418) sind Einzelfälle, was angesichts der von der Forschung ausgemachten Zentralität dieser Begriffe verwundert. Zudem mehren sich räumliche Ausdrücke in den Sätzen mit christianitas. Diese beziehen sich nicht immer unmittelbar auf christianitas selbst, wie es bei Angilbert der Fall ist (219.406). Das Spektrum enthält abstrakte Räume, wenn von christianitas als altera pars intra ecclesia gesprochen wird und von einer

67 68 69 70

Siehe 139.256 – 146.266, 173.312 – 316. Siehe 173.312 – 316; 197.376; 203.387 – 388; 204.389. Vgl. Kapitel I.1. So totius christianitatis lex (181.329), pro totius christianitatis salute […] hostias offere (213.399), examinantes de statu totius christianitatis (216.403) u. de diversis partibus totius christianitatis (219.406). Bei totius christianitatis principes (208.394) zeigen die weiteren Kookkurrenten aber eindeutig, dass die Apostelfürsten gemeint sind, womit eine Übersetzung mit Fürsten der ganzen Christenheit nur in theologischer Hinsicht gültig ist. 71 Siehe hierzu Kapitel IX.3. 72 Siehe subdari, rebellare, impetum (194.372; 224.410), subiectio pacifica (202.386), dominus, rex (195.373; 202.386; 188.382; 222.411), imperator (198.379), se coniungere cum paganis, relinquere (188.382; 222.411), fides regis tenere, exercitus (195.407; 224.414). Hier muss zumindest darauf hingewiesen werden, dass nicht einzelne Worte für sich bereits politisch sind, sondern aufgrund bestimmter Vorannahmen, die sich aus den Wissensframes des Verfassers speisen, als politisch bezeichnet werden. Zur Minimierung der eigenen Subjektivität wäre es notwendig, nicht nur Syntagmen, sondern auch Modi des Gebrauchs von Wortfeldern und Kommunikationssituationen zu untersuchen, um das Politische (oder das Theologische) auszumachen, was hier im Rahmen des Möglichen an einem einzigen Wort erprobt wird.

260

Reden mit christianitas in der karolingischen Welt

anderen pars geschieden wird, die foras ecclesia ist (189.342).73 Diese Orte hängen meist mit der Bibelauslegung zusammen, während sich hier noch Topoi finden lassen wie den amoenissium locum für den Ort einer späteren Klostergründung, an dem viele Wunder geschahen (185.334). In 197.376 wird das nomen christianitatis geographisch verortet, da es mit dem vicus Dorstadt parte Fresoniae in Verbindung gebracht wird.74 Eine unbestimmte räumliche Angabe findet sich in der Formulierung in universo mundo, ubi christianitas est (198.379; 199.381).75 Eine vierte Form der Verräumlichung stellen relationale Angaben dar, wenn gesagt wird, dass Gesandte zum König geschickt wurden, um ihm Geschehenes in der Ferne zu berichten.76 Viele dieser räumlichen Ausdrücke verweisen auf die Sachsenmission, die auch in einer zweiten Hinsicht mit christianitas in Verbindung steht: Als Christentum im Sinne des christlichen Glaubens/der christlichen Religion und Einstellung (173.313 – 314) wird christianitas zum Objekt vieler Handlungen. Es häufen sich – und das ist neu – Formulierungen wie ad christianitatem vocare (184.332), ad christianitatem convertere (145.263 – 266; 186.335; 187.336) und trahere (138.255) sowie Formulierungen wie christianitatem habere (195.407), christianitatem respuere oder recipere (188.337; 222.410) sowie christianitatem promittere (189.383; 222.412) und relinquere (189.382; 222.411). Einiges hiervon ist bereits in der hist. eccl. tripartita (73.131 – 167) enthalten. Nun wird solch ein Reden vornehmlich in den Annalen verwendet. Die sprachlichen Kontexte weisen Sachsen, Awaren, Pagane sowie Herrscher (rex, dominus) auf, sodass hier anzunehmen ist, dass die Mission im verstärkten Maße mit christianitas semantisiert wurde.

73 Siehe: de foris christianitatis videtur (190.365); initium christianitatis quaerit, quia fides fundamentum est (223.413). 74 Siehe: partem aliquam Saxoniae in provincia Westphalia (201.385). Die Nennung von konkreten Orten als räumliche Dimension findet sich auch in 207.392; 224.410; 22.412. Hier ragen allerdings zwei Quellen heraus, weil sie die Vokabel »Europa« enthalten: 181.329 und 185.333. 75 Siehe auch den einfachen Hinweis auf Ort und Zeit quid cui congruat loci vel tempori (204.389), de rerum ibi gestarum profecti (206.391), religio christianitatis inolevit in mundo (212.398). 76 Siehe missi ad dominum regem directi sunt subiectionem pacificam christianitatis fidem promittentes (202.386). Weitere Beispiele sind 186.335, 195.407, 225.415.

IX.

Eine Anrede wird aufgegeben

Einer von mehreren Kanälen, über den christianitas in die karolingische Welt kam, war die Anrede vestra christianitas, die die Päpste des 8. Jahrhunderts weiterhin nutzten. Jedoch hat Jean Rupp die Verwendung des Wortes durch diese Päpste nur gestreift. Zu eindeutig und zu wenig aussagekräftig schien ihm der Gebrauch.1 Dabei gehören die Papstbriefe zu den zentralen Quellen für christianitas jener Zeit und demonstrieren eine Zunahme im päpstlichen Gebrauch gegenüber der Spätantike. Auf der anderen Seite ist aber auch zu erkennen, dass die Anrede unter Papst Hadrian I. nicht mehr in den Briefen vorkam. Damit scheint sich ein Wandel im Wortgebrauch abzuzeichnen, der mit dem Übergang von der Spätantike bis zur Karolingerzeit zusammenhängt. Wie und wofür wurde die Anrede von den Päpsten des 8. Jahrhunderts eingesetzt, welche Auswirkungen hatte dies auf die Kommunikation zwischen Päpsten und karolingischen Herrschern und lassen sich Gründe für die Aufgabe der Anrede finden?

1.

Das fränkisch-päpstliche Bündnis

Um die Fragen zu beantworten, kann auf eines der zentralen Briefcorpora des frühen Mittelalters zurückgegriffen werden: den Codex Carolinus, der – nach Achim Thomas Hack – zusammen mit dem Gesetzesprogramm Karls des Großen, der Admonitio generalis von 789, den Beginn der sogenannten karolingischen Renaissance markierte.2 Der Codex sollte, wie es im Vorwort hieß, in erster Linie ein nützliches Zeugnis von der heiligen Kirche ablegen.3 Gleichzeitig erfüllte der Codex einen dokumentarischen Zweck. Die über Jahrzehnte von 1 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 18. 2 Vgl. Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 62 – 81, bes. S. 81. Der Codex ist ediert von Gundlach in MGH Epp. 3, S. 469 – 657. 3 Vgl. Codex Carolinus, praefatio (MGH Epp. 3), S. 476; Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 65 – 67.

262

Eine Anrede wird aufgegeben

Rom ins Frankenreich entsandten Briefe waren zwar gesammelt und aufbewahrt worden, befanden sich jedoch in einem schlechten Zustand. Während seines Aufenthaltes in Regensburg zwischen dem 25. Dezember 790 und dem 8. Oktober 791 hatte Karl der Große daher befohlen, die losen Papstbriefe abzuschreiben, sprachlich zu verbessern und in einen Codex binden zu lassen. Daraus entstand eine Sammlung von 99 Briefen: Diese stammten von den Päpsten Gregor III. (731 – 741), Zacharias (741 – 451), Stephan II. (752 – 757), Paul I. (757 – 767), Konstantinus II. (767 – 768), Stephan III. (768 – 772) und Hadrian I. (772 – 795). Sie waren an die Hausmeier und Könige Karl Martell (714 – 741), Pippin III. (741 – 768) und dessen Söhnen Karl (768 – 814) und Karlmann (768 – 771) gerichtet. In insgesamt 31 von 99 Briefen nutzten die Päpste die Vokabel 46-mal, davon 43-mal in 29 Briefen als ehrenvolle Anrede.4 Hier fällt zunächst die zeitliche Verteilung auf: Die Anrede wurde zwischen 755 und 776 verwendet. In diesem Zeitraum von 21 Jahren kam christianitas sonst nur in sieben anderen Schriften 15-mal und in anderen Verwendungszusammenhängen vor.5 Die Anrede zeichnete sich weiterhin aus erstens durch das begleitende Possessivpronomen vestra bzw. tua, zweitens durch ein bis zwei weitere attributive Erweiterungen (excellentissima, praecelsa, praeclara) und drittens durch mehrgliedrige Wortfügungen, z. B. a Deo servata/protecta.6 Damit reihte sich vestra christianitas unter die anderen abstrakten Anreden wie benignitas, excellentia, bonitas, clementia, eximietas, nobilitas oder paternitas ein.7 Nur das allgegenwärtige excellentia vestra/tua und regalis potentia kamen häufiger als vestra christianitas vor.8 Die Päpste des 8. Jahrhunderts setzten die Praxis Gregors des Großen konsequent fort. Papst Zacharias hatte zwar in guter gregorianischer Manier mittels der Anrede vestra christianitas die fränkischen Großen angesprochen,9 doch galt 4 Vgl. Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 77. Es wird insgesamt mehr Briefe gegeben haben, die auch 791 schon nicht mehr erhalten waren. Da im Vorwort auf die Vollständigkeit verwiesen wird, werden wohl nicht mehr als die aufgenommenen 99 Briefe vorhanden gewesen sein. In der Briefsammlung des Bonifatius finden sich wiederum weitere päpstliche Briefe aus der Zeit bis 750. 5 Dabei handelt es sich um die Urkunde Pippins und Karls des Großen für Utrecht (145.263 – 264; 146.265 – 266), den Apokalypsekommentar (152.274 – 279) und den Libellus de conflictu (153.280) des Ambrosius Autpertus, das Testament des Heddo von Straßburg (166.295), die Historia Romana des Paulus Diaconus (170.307), die Vita Bonifatii (173.312 – 316) und um den Brief Cathwulfs (181.329). 6 Es handelt sich um die Briefe Codex Carolinus 6, 7, 8, 9, 17, 18, 19, 21, 22, 24, 27, 30, 31, 32, 34, 36, 37, 38, 41, 42, 43, 47, 48, 53, 54, 55, 56, 58 u. 99 hier unter den Nummern 147.267 bis 182.330 mit Unterbrechungen. Vgl. Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 373. 7 Vgl. Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 363 – 366. 8 Vgl. ebd. S. 363. Zu Papst Zacharias siehe Delogu, (Art.) Zaccaria. 9 Siehe Briefe des Bonifatius, ep. 83 (144.261 – 262).

Das fränkisch-päpstliche Bündnis

263

die Anrede fortan nur noch den neuen karolingischen Königen. Die Anrede trat erst auf, nachdem Papst Stephan II. (752 – 757) am 28. Juli 754 den ehemaligen Hausmeier Pippin sowie dessen Frau und die Söhne Karlmann und Karl in einem Festakt in der Kirche von Saint-Denis zu Königen salbte. Der Papst bestätigte damit nachträglich die Machtübernahme Pippins und die von ihm veranlasste Absetzung des letzten merowingischen Königs.10 Pippin hatte auf diese Weise seine neue Königswürde legitimieren wollen, konnte seine Herrschaft doch noch keinesfalls als allgemein anerkannt gelten.11 Dahinter stand auch eine gestiegene Wertschätzung für den Papst und dessen geistliche Autorität, wofür vor allem Bonifatius mit seiner romgebundenen Mission gesorgt hatte.12 Die Salbung und vor allem das Bündnis mit dem Vertreter des Apostelfürsten sollten helfen, Pippins Ansehen zu mehren und ihn als von Gott ausersehen zu präsentieren.13 Die Päpste wiederum suchten schon seit einiger Zeit nach einem Verbündeten, der ihnen gegen die Langobarden in Italien helfen und die Position des Apostolischen Stuhls gegenüber Konstantinopel stärken konnte. Die gegenseitige Abhängigkeit kommt in den Papstbriefen klar zum Ausdruck, da die Päpste in jeder Hinsicht die Königswürde Pippins hervorhoben. Sie begannen unmittelbar nach der Königssalbung, auf Grundlage des Alten Testaments die Karolinger mit Moses und David, Israel mit den Franken zu vergleichen.14 Außerdem stellten sie Pippin, Karlmann und Karl in eine Reihe mit den Merowingern, indem sie auf die Formulierungen Gregors gegenüber Brunichild sowie Theoderich und Theudebert zurückgriffen.15 10 Vgl. Schieffer, Zeit, S. 22 – 26; Scholz, Politik, S. 61 – 68; Becher, Dynastiewechsel. Sowie zum Zeitpunkt des Einsetzens der Anrede: Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 366. 11 Vgl. McKitterick, Illusion, S. 1 – 20; Scholz, Politik, S. 61 – 68; Busch, Herrschaften, S. 59 f. u. S. 62, mit einem Überblick zur Forschungsdiskussion um die »konsensuale« Herrschaft der Karolinger. Fouracre, Long Shadow, S. 22 – 37; von Padberg, Mission, S. 360. Diese Aussage muss aber nicht dem Fakt widersprechen, dass sich Pippin auf die Zustimmung vieler Aristokraten verlassen konnte. Hierzu Nelson, Kingship and Empire, S. 55. 12 Vgl. von Padberg, Bonifatius, S. 43 f.; ders., Mission, S. 360; ders., Spannung, S. 40. Die Romzentrierung in der Kirchenorganisation des Bonifatius habe eine Art doppelter Rückversicherung für die Karolinger und die Päpste dargestellt. Belastend jedoch müsse das Streben nach einer königlichen Kirchenherrschaft im Norden gewesen sein, weil dies der theologischen Überzeugung vom Universalitätsprinzip widersprochen habe. Dies habe sich z. B. darin gezeigt, dass Pippin davon absah, Metropoliten einzusetzen, um selbst die Kontrolle über die Bischöfe in der Hand zu behalten. Schieffer, Kirchenpolitik, S. 322 f. und Fuhrmann, Widerstände, S. 726 – 729, für das sich ab dem 8. Jahrhundert sehr ambivalent gestaltende Verhältnis zwischen Karolingern und Päpsten. 13 Vgl. Scholz, Politik, S. 62; Moeller, Geschichte, S. 144 f.; Garipzanov, Symbolic Language, S. 269: Die Karolinger übernahmen bewusst christliche Elemente in ihre symbolische Sprache, siehe den Zusatz gratia Dei zum fränkischen Königstitel in Pippin D 16 [Urkunde für das Königskloster Prüm 762], (MGH DD Kar. 1), S. 22. 14 Vgl. Garrison, Franks, S. 123. 15 Vgl. Kapitel VI.2. Allerdings lässt sich nicht klären, ob dies von den fränkischen Großen

264

Eine Anrede wird aufgegeben

Das häufig wiederkehrende Muster gehörte zu den verschiedenen sprachlichen Maßnahmen, mit denen die Päpste ihr Bündnis mit den Karolingern unterstrichen.16 Neben handfesten politischen Absprachen wie der »Pippinischen Schenkung« sollten diese sprachlichen Codes helfen, ein Näheverhältnis zu den Karolingern herzustellen. Dieses Näheverhältnis ist jedoch nicht mit Vertrautheit oder Intimität gleichzusetzen. Obwohl die Päpste mit dieser Anrede an die persönliche Eigenschaft des Königs appellierten und diese indirekt einforderten, war sie ein Element einer politisierten, quasi öffentlichen Sprache. Die Briefe wurden bekanntermaßen vorgelesen, was keinen Raum für intimere oder arkane Angelegenheiten bot.17 Sie zielten in ihrer Wirkung auf beim Vorlesen Anwesende. Die Anrede des Königs als vestra christianitas erinnerte somit nicht nur den König selbst, sondern auch seine Entourage an dessen christliche Verpflichtungen wie auch die ihren. Natürlich klingt die Formulierung excellentissima christianitas vestra auf den ersten Blick sehr formell und distanziert. An der Stellung dieser speziellen Anrede im Text wird ihre besondere Aufgabe sichtbar. Sie wurde nicht als Intitulatio und nur selten in einer arengenförmigen Eröffnung benutzt. Vielmehr wandte sich der Papst im Laufe des Briefes direkt an den König, um ihn von etwas in Kenntnis zu setzen oder dem König die Ankunft von Gesandten und Briefen zu vermelden bzw. anzumelden. Dies lässt sich an den zur Anrede in unmittelbarem syntaktischen Bezug stehenden kookkurrenten Satzgliedern ablesen.18 Es ist dann von scripta nostra, apices, syllabae und litterae die Rede, während die Gesandten meist auch namentlich genannt werden.19 Dies diente sowohl zur Vergewisserung, dass die Gesandten auch im Namen ihres Senders sprachen, aber auch, um Vertrautheit und Vertrauen in diese Gesandten zu demonstrieren. Ein Beispiel:

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überhaupt bemerkt wurde. Ich halte es aber für unwahrscheinlich, weil diese Großen dann mit den Briefen Gregors und der Anrede hätten vertraut gewesen sein müssen. Hierzu gehören auch die ständige Wiederkehr des Adjektivs christianissimus und vor allem die häufige Erwähnung der compaternitas spiritualis zwischen den Päpsten und den Karolingern. Zum letzten Punkt hat es ausführliche Diskussionen infolge der Anregungen Arnold Angenendts gegeben, die den Zusammenhang zwischen geistlicher Verwandtschaft, der Firmung, der Salbung und der Königserhebung behandelten, was Scholz, Politik, S. 61 – 71, nachzeichnet. Scholz macht darüber hinaus an den Seelenheilsstiftungen der Karolinger unter päpstlicher Verwaltung aus, dass Petrus nicht nur der Vermittler des Seelenheils, sondern der Schützer des ganzen fränkischen Volkes gewesen sei, ebd., S. 71. Vgl. Hartmann, Hadrian I., S. 32 f. […] excellentissimae christianitati vestrae innotescere (147.267); christianitati vestrae duximus intimandum, christianitati vestrae enarrandum, agnoscat christianitas vestra; praeecellentissimae christianitatis tuae auribus intimare. [per] vestros missos, id est Folradum Deo amabilem abbatem et presbiterum atque Rodbertum, excellentissime christianitati tuae (144.262).

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Nam et civitatem Narniensem, quam beato Petro tua christianitas concessit, abstulerunt seu et aliquas civitates nostras conprehenderunt. Quam ob rem afflicti vix potuimus per maximum ingenium marino itinere praesentes nostras litteras et missos ad tuam excellentissimam christianitatem dirigere, quas et cum magnis lacrimis scripsimus (149.270 – 271). Denn die Stadt Narni, die Deine Christlichkeit dem seligen Petrus überlassen hatte, haben sie uns weggenommen und unsere anderen Städte besetzten sie. Solchermaßen heimgesucht vermochten wir es kaum und nur durch höchsten Witz Eurer exzellentesten Christlichkeit auf dem Seewege unseren Gesandten und diesen Brief zu schicken, den wir unter großen Tränen geschrieben haben.

Der Papst sprach hier Anfang des Jahres 756 von Attacken der Langobarden gegen den römischen Dukat und damit auch gegen Städte und Ländereien, auf die der Papst aufgrund der Schenkung Pippins Anspruch erhob. Pippin war nämlich seinem Versprechen, gegen die Langobarden zu ziehen, noch nicht nachgekommen, und der Papst bemühte sich nun mit immer neuen Briefen darum, den Frankenkönig an sein Versprechen und seine Aufgaben gegenüber dem Stuhle Petri zu erinnern.20 An diesem Beispiel wird außerdem sichtbar, dass die Päpste die Anrede zwar wie Gregor der Große nutzten, doch nun andere Themen mit dem Muster verbanden. Während Gregor vornehmlich Königinnen angesprochen hatte und sie zur tätigen Mithilfe zur Katholisierung ihrer Männer und ihrer Völker aufgerufen bzw. um Unterstützung der päpstlichen Gesandten gebeten hatte, zielten die Päpste rund 150 Jahre später darauf ab, die Könige in die zumeist territorialen Belange der römischen Kirche und ihrer politischen Eigenständigkeitsbestrebungen einzubinden und sie dazu zu bewegen, ihre Aufgabe als Verteidiger der Kirche und des Patrimonium Petri wahrzunehmen.21 Bereits 755 hatte Stephan II. Pippin, Karl und Karlmann um deren Hilfe gegen den Langobardenkönig Aistulf (749 – 756) gebeten, da dieser sich weigerte, die von ihm besetzten päpstlichen Güter herauszugeben.22 Stephan II. hatte dem König wohl 20 Unter den christianitas-Briefen drehen sich alle vier Briefe Stephans II. hierum, siehe Codex Carolinus ep. 6 (147.267 – 268); ep. 7 (148.269); ep. 8 (149.270 – 271), ep. 9 (150.272). Man stellt sich die Frage, wie dieses ostentative Zurschaustellen von Gefühlen am fränkischen Hof angekommen sein mag. Leider lässt sich darüber nur spekulieren. Möglicherweise hat solches Reden unter Kriegern wohl kaum Anklange gefunden. 21 Das trifft besonders auf Hadrian I. und seine Briefe im Codex Carolinus epp. 53 – 56 (177.324 – 180.328) zu. 22 […] sed quia prae multis ab iniquo Haistulfo rege Langobardorum nobis ingestis tribulationibus, cor nostrum nimio atteritur dolore et taedet spiritus noster, ideo a multorum sermonum prolixitate declinavimus, et unum, quod est necessarium, excellentissimae christianitati vestrae innotescere studuimus. […] Nunc autem, sicuti primitus christianitati vestrae de malicia ipsius impii regis ediximus, ecce iam mendatium et iniqua perversitas, atque eius periurium declaratum est. Antiquus quippe humani generis hostis, diabolus, eius perfidum invasit cor, et quae sub vinculo sacramenti adfirmata sunt, irrita facere visus est, nec

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Eine Anrede wird aufgegeben

schon während des päpstlichen Aufenthalts in der Francia von Aistulf berichtet, wie die Formulierung nahelegt: »so wie wir Eurer Christlichkeit zuvor schon von der Schlechtigkeit jenes unfrommen Königs berichtet haben« (sicuti primitus christianitati vestrae de malicia ipsius impii regis ediximus; 147.267 – 268). In weiteren drei von insgesamt acht Briefen dieses Papstes nutzte Stephan II. die Vokabel christianitas und erinnerte Pippin an sein Hilfsversprechen gegen Aistulf.23 Der Bruder und Nachfolger Stephans II., Paul I.24, erbte von seinem Vorgänger den Konflikt und bat nun seinerseits wiederholt den König um Hilfe gegen Aistulfs Sohn Desiderius (757 – 774).25 Die eingeschränkte Verwendung als Anrede zeigt, dass die Päpste christianitas rein personal dachten und die Vokabel nicht auf eine Gruppe oder Gesamtheit bezogen. Diesbezüglich forderte Stephan II. Pippin konkret zum Schutz der heiligen Kirche Gottes und des dem Papst unterstellten Staatsvolkes der Römer auf: christianissime, […], tuae amatissime excellentiae […] sanctam Dei ecclesiam et nostrum Romanorum re publice populum comisimus protegendam.26 Diese Formulierung ist keinesfalls einmalig. Bereits die ersten beiden Briefe Gregors III. enthielten sie, als dieser Karl Martell 739/40 aufrief, die geistige Mutter, die heilige Kirche Gottes und ihr Volk gegen die Langobarden zu verteidigen, freilich ohne erhört zu werden (sancta Dei ecclesia eiusque populum peculiarem).27 Damit gaben diese Briefe bereits die Hauptlinie der Briefe und damit des Codex an. Paul I. griff die Formulierung 758 nochmals auf, als er Pippin zum erneuten Vorgehen gegen Desiderius bewegen wollte.28 Der Konflikt der Päpste mit den Langobarden war mit Sicherheit ein Auslöser für die Verwendung der Anrede. Paul I. hingegen machte intensiv von ihr Ge-

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unius enim palmi terrae spatium beato Petro sanctaeque Dei ecclesiae, vel rei publicae Romanorum reddere passus est (147.267 – 268). Siehe auch Scholz, Politik, S. 60 – 62. Außerdem hätten sie die Stadt Rom belagert und sich dabei über die Franken als angebliche Befreier lustig gemacht, siehe Codex Carolinus, ep. 9 (150.272); Liber Pontificalis, ed. Davis, S. 51; Delogu, (Art.) Stefano II. Noble, Republic, S. 94 – 97, brachte die Bedeutung dieser Verbindung zwischen Papst Stephan II. und Pippin auf den Punkt: »The historic significance of Stephen II is that he found a way to break through all the dangers and difficulties separating Rome from Francia […]. Pepin’s role in Italy was, there is no denying it, critical. Without him the Republic’s history would in all probability have ceased in the middle 750s […]. Thanks to Pepin that history went on for more than a millennium.« Zum Leben und Amtswalten siehe Delogu, (Art.) Paolo I. Vgl. Herbers, Geschichte des Papsttums, S. 69 f., Jarnut, Staat, S. 28, sagt, dass die langobardischen Könige bis zu Desiderius das Ziel verfolgten, ihre Machtausübung ganz über die Italia auszudehnen. Zu den Langobarden (und Franken) als abstrakte Einheit gens: Harrison, Lombards, S. 128 – 131; Jarnut, Gens, S. 409 – 427; Pohl, Geschichte, S. 555 – 566. Vgl. Codex Carolinus ep. 8 (MGH Epp. 3), S. 497, und auch ep. 6, S. 486. Vgl. ebd., epp. 1 u. 2 (MGH Epp. 3), S. 476 – 478. Karl Martell war der Bitte nicht nachgekommen, weil er sich nicht gegen seinen Partner im Kampf gegen die Muslime an der Mittelmeerküste stellen wollte. Vgl. Busch, Herrschaften, S. 11. Vgl. Codex Carolinus, ep. 17 (MGH Epp. 3), S. 514.

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brauch, als er erkennen musste, wie sich der fränkische König und Byzanz einander anzunähern drohten. Paul I. fürchtete ohnehin eine Invasion von Seiten der Byzantiner.29 Hätten sich Pippin und Kaiser Konstantin V. (741 – 776) untereinander verständigt, hätte Paul I. fürchten müssen, den päpstlichen Beschützer und damit auch die beanspruchte Stellung des Papstes in Rom und Italien zu verlieren. Die Verwendung nahm mit der päpstlichen Nervosität deutlich zu: Paul I. warnte Pippin vor der angeblichen Bosheit des byzantinischen Kaisers Konstantin V., der sich überdies für den Ikonoklasmus einsetzte.30 Dass sich Pippin jedoch im Bilderstreit eindeutig gegen den Kaiser stellte, muss für Paul I. eine große Erleichterung bedeutet haben, der den Franken daraufhin als zweiten Moses rühmte, der für die Orthodoxie und gegen die byzantinische Häresie streiten würde.31 In der Folge nutzten die Päpste die Anrede auch zu anderen Anlässen, z. B. als sie Bereitschaft zur Taufe eines Königssohnes signalisierten (155.282),32 den König über Psalmengesangsschüler aus Rouen in Rom unterrichteten (165.294) oder aber die eigene Wahl anzeigten (172.310 – 311). Papst Stephan III. schrieb 771 wiederum einen Brief an König Karl und dessen Frau Bertrada, um von einem Mordanschlag auf seine Person zu berichten, vor dem er dank der Hilfe des Langobardenkönigs Desiderius gerettet worden war.33 Hadrian I. wandte sich 775 an Karl, um ihn an die versprochene Donation für den Stuhl Petri zu erinnern, wobei es sich um Ansprüche aus der Pippinischen Schenkung handelte.34 Karl hatte ein Jahr zuvor die Übergabe von Gebieten und Städten versprochen, als er zum Osterfest 774 das erste Mal in Rom weilte, während seine Truppen weiterhin den langobardischen König Desiderius in dessen Hauptstadt Pavia belagerten.35 Dass Karl anschließend die Stadt einnahm und sich selbst zum neuen König der Langobarden machte, führte nicht automatisch zu einer 29 Vgl. Scholz, Politik, S. 72, sowie Codex Carolinus 36 (167.296 – 300). 30 Vgl. ebd. 31 Vgl. Scholz, Politik, S. 73, sowie Codex Carolinus ep. 42 (169.305 – 306). Zu dem Pontifikat Paulus I. siehe Liber pontificalis, ed. Davis, S: 77; Noble, Republic, S. 111: »The official papal view must have been that Paul was a failure because he could neither get nor hold what had been promised to Stephen II.« 32 In Codex Carolinus, ep. 47 (174.317), übernahm Stephan III. die compaternitas für Karlmanns Sohn. 33 Vgl. Codex Carolinus, ep. 48 (175.318 – 319); Scholz, Politik, S. 76. Desiderius hatte Stephan III. auch geholfen, Papst zu werden. Dafür revanchierte sich Stephan, indem er sich den Langobarden wieder annäherte. Dadurch zog er den Widerwillen der fränkischen Partei auf sich, die dann mit Hadrian 772 wieder einen frankenfreundlichen Papst installierte und in Kauf nahm, dass die Langobarden sich gegen Rom stellten. Siehe auch Hartmann, Hadrian I., S. 63 – 80 zum schwierigen Amtsantritt Hadrians I. 772. 34 Vgl. Codex Carolinus, ep. 53 (177.324) und Hartmann, Hadrian I., S. 148 f. 35 Zu Karls Besuch in Rom siehe Scholz, Politik, S. 80 – 85; Hartmann, Hadrian I., S. 113 – 153 mit dem Forschungsüberblick. Siehe auch Schieffer, Charlemagne, S. 279 – 295.

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Eine Anrede wird aufgegeben

entspannten Lage für Hadrian. Nach Florian Hartmann kann das Verhältnis zwischen dem Papst und Karl nicht reibungslos oder gar gut gewesen sein. Offensichtlich hatte sich Hadrian von der Befreiung Roms von den Langobarden mehr politischen Spielraum und vor allem mehr Territorium erhofft, als er schließlich von Karl bekommen sollte.36

2.

Was Hadrian anders machte

Zum letzten Mal lässt sich die Anrede vestra christianitas just in jenem Brief Hadrians I. an Karl den Großen ausmachen, in dem der Papst den König über den Tod Kaiser Konstantins V. 776 in Kenntnis setzte.37 Zu diesem Zeitpunkt hatte der Papst nichts mehr von den beiden großen Parteien zu befürchten, die in den Jahrzehnten zuvor die päpstlichen Pläne politischer Eigenständigkeit bedroht hatten. Daran änderte sich auch nichts, als die sogenannten sarazenischen Piraten im westlichen Mittelmeer unterwegs waren und sogar Karl den Großen im Süden des Frankenreichs herausforderten. Aber gerade in den diesbezüglichen Briefen nutzte der Papst die Anrede nicht mehr.38 Dies mag damit zusammenhängen, dass der Papst weder Rom, noch das Patrimonium Petri einer ernsten Gefahr ausgesetzt sah, die nach dem Franken als Beschützer verlangt hätte. In den folgenden Jahren jedenfalls veränderte sich das Verhältnis zwischen Papst und König. Denn Karl stilisierte sich zunehmend als neuer David bzw. ließ sich so stilisieren und begann, unabhängig vom Papst in theologische Debatten der Zeit einzugreifen. Hadrian I. hingegen wandte sich in dem Maße, in dem er sich von Karl distanzierte, Konstantinopel wieder zu.39 In dieser Situation 36 Vgl. Hartmann, Hadrian I., S. 155. Dieser Bewertung widerspricht wiederum Frenz, Papsttum, S. 86. Allerdings spricht Frenz von einem persönlich guten Verhältnis zwischen Papst und König, was aber angesichts der methodischen Probleme in der Biographik nicht mit Sicherheit gesagt werden kann. Richtig ist aber, dass sich dank der späteren Überlassungen Karls des Großen der sog. Kirchenstaat deutlich vergrößerte. Scholz, Politik, S. 96, sieht in dem ersten Feldzug eines Papstes 778 ein weiteres Anzeichen dafür, dass Hadrian seine Unabhängigkeit gegenüber dem Frankenkönig zu bewahren suchte. Für Wilfried Hartmann, Karl der Große, S. 170, schien das Verhältnis zwischen Hadrian und Karl nicht beeinträchtigt gewesen zu sein. Zu einem Zerwürfnis zwischen Päpsten und Herrschern kam es ohnehin nicht, weil der Papst »mit seinem Pontifikat eine ferne Größe« war, auf den man eingehen konnte, und dessen Entscheidungen sich auch verwerfen ließen, so Fuhrmann, Widerstände, S. 732. 37 Vgl. Codex Carolinus, ep. 58 (182.330). 38 Siehe Codex Carolinus, epp. 59, 61, 62 (MGH Epp. 3), S. 584 f., S. 588 f. 39 Vgl. Herbers, Geschichte des Papsttums, S. 75 – 78. Die karolingischen Theologen hielten an der Formel filioque im Glaubensbekenntnis fest, während Hadrian und Leo III. es für verzichtbar hielten. Der Zusatz »und durch den Sohn« (filioque) bezog sich darauf, dass der Heilige Geist dann sowohl vom Vater als auch vom Sohn ausgehen würde. Zweitens wurde das Glaubensbekenntnis in Rom nur in der Taufliturgie, nicht aber wie im Frankenreich in

Was Hadrian anders machte

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schien es keine Notwendigkeit mehr für vestra christianitas zu geben, sodass der Papst das Muster fortan nicht mehr nutzte. Stattdessen gebrauchte Hadrian I. das Wort im theologischen Kontext, als er in drei späteren Briefen von fides christianitatis, christianitas sowie nomen christianitatis sprach. Diese Briefe zeigen den Papst in der Rolle des Wächters über die Orthodoxie. In seiner Antwort auf eine Anfrage Karls aus der Zeit zwischen 781 und 786 darüber, welche Strafen den Sachsen auferlegt werden sollten, wenn diese wieder vom Glauben abfallen sollten,40 räsonierte der Papst auch über die Rückkehrwilligen. Wer wieder in die heilige Kirche aufgenommen werden wollte, musste versprechen, die bischöfliche Predigt in allem zu befolgen, die Taufe zu bekennen und unter Eid zu geloben, den christlichen Glauben zu bewahren (sub iusiurandum pollicentes fidem christianitates servaturos; 191.369).41 Im Übrigen steht auch die einzige Stelle aus dem Liber Pontificalis zu den hier behandelten Päpsten mit der Sachsenmission im Zusammenhang. In der Vita Hadriani wird erwähnt, dass Karl nicht nur zur Hilfe gegen Desiderius gekommen war, sondern auch die Sachsen in der Provinz Westfalen zum christlichen Glauben bekehrt habe (partem aliquam Saxoniae in provinica Westphalia, quam ad fidem christianitatis convertit; 201.385), woraufhin der Papst befohlen habe, in Osnabrück ein Bistum zu errichten. Diese beiden Quellenstellen führen somit zur Sachsenmission, auf die noch eingegangen wird. Die anderen beiden Briefe betrafen den Bilderstreit, den sogenannten Ikonoklasmus. Der eine Brief, den Karls Gesandter Angilbert von St. Riquier zu übermitteln hatte, war wieder an den Herrscher gerichtet; er beinhaltete eine Übersetzung der Konzilsbeschlüsse von Nizäa 787, in denen der Ikonoklasmus zurückgenommen worden war.42 Der zweite Brief ging an Kaiser Konstantin VI. (780 – 797) und Irene (Mitkaiserin 792 – 802). In beiden Briefen agierte der Papst als geistiges Oberhaupt und bemühte das nomen christianitatis auf klassische Weise.43 Hadrian I. brachte jeweils dieselbe Argumentation an: In der ganzen

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der sonntäglichen Messe gesprochen. Siehe auch Scholz, Politik, S. 96 – 100; Hartmann, Karl der Große, S. 171 f. Siehe Codex Carolinus, ep. 77 (191.369). Der Editor des Codex Carolinus, hat zu ep. 77 (MGH Epp. 3), S. 608 f. keine Verbesserungsvorschläge angegeben. Offenbar hat sich der Abschreiber hier strikt an das Original gehalten und damit den orthographischen Fehler übernommen. Es muss natürlich fidem christianitatis heißen. Eine Pluralform an dieser Stelle macht keinen Sinn. Vgl. Chadwick, East and West, S. 84; Scholz, Politik, S. 101. Siehe Principabatur quidem vir impius et iniquus et neque nomen christianitatis circumferens etc (198.377), was an Isidor erinnert und quia sanctus Silvester papa et Constantinus christianissimus imperator veneraverunt sacras imagines et cum nomine christianitatis palam coram omnibus fideliter atque mirabiliter eas ostenderunt (198.378), wo der allerchristliche Kaiser Konstantin bemüht wird, der die heiligen Bilder verehrt und sie öffentlich unter christlichem Namen allen gezeigt haben soll, was an die kaiserliche Christlichkeit erinnert.

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Eine Anrede wird aufgegeben

Welt, wo das Christentum sei, seien jene heiligen Bilder zu finden, die von allen Gläubigen verehrt würden, weil durch das sichtbare Bild der Geist zur unsichtbaren göttlichen Majestät entführt (oder besser : geführt) würde.44 In diesem Zusammenhang christianitas zu verwenden, es damit in eine theologische Debatte heranzuführen und damit eventuell sogar bereits die Christenheit bezeichnen zu wollen, ging aber offensichtlich am Ziel vorbei. Keine weitere christianitas-Stelle verweist auf eine Diskussion darüber, ob die östliche und westliche Kirche in der Verehrung der heiligen Bilder immer noch eine Herde unter einem Hirten seien (Joh 10,16), worauf Hadrian I. mit seinem Ausdruck anzuspielen versuchte. Sebastian Scholz zufolge rang Hadrian I. in seiner Rolle als geistliche Autorität erfolglos mit den Ansprüchen sowohl der Franken als auch der Byzantiner, weil die Franken sich selbst zu Hütern des Glaubens erklärten und diesen Anspruch sowohl im Ikonoklasmus als auch im aus Spanien kommenden Adoptionismus unter Beweis stellten.45 Da Hadrian I. die päpstliche Position gegenüber Franken und Byzantinern nicht zu stärken vermochte, hinterließ er seinem Nachfolger Papst Leo III. (795 – 816) ein schwieriges Erbe. Noch deutlicher als Hadrian I. musste Leo III. erkennen, dass Karl vom Papst erwartete, sich auf spirituelle Unterstützung für den Herrscher zu beschränken.46 Leo III. war zudem als Außenseiter auf den Stuhl Petri gekommen und überstand bekanntermaßen 799 einen Putsch gegen ihn, was ihn noch enger an Karl rücken ließ.47 Als er diesen um Unterstützung bitten musste, wäre die Situation wieder gegeben gewesen, Karl als vestra christianitas anzusprechen. Doch weder vor noch nach der Kaiserkrönung Karls im Jahr 800 nutzte Leo III. diese Anrede. Stattdessen enthielten die zehn erhaltenen Papstbriefe Leos III. an Karl nur vestra serenitas.48 Die weitere päpstliche 44 (…) quia in universo mundo, ubi Christianitas est, ipsae sacrae imagines permanentes, ab omnibus fidelibus honorantur, ut per visibilem vultum ad invisibilem divinitatis majestatem mens nostra rapiatur (…) (199.381). 45 Vgl. Scholz, Politik, S. 103 – 107, bes. S. 104. Hartmann, Hadrian I., S. 292 – 294, weist darauf hin, dass Hadrian kein sonderlich begabter und ein wenig gebildeter Theologe gewesen sei, der zudem kein klassisches, orthographisch richtiges Latein mehr zu schreiben vermochte. Chadwick, East and West, S. 87, hingegen hält Hadrian zugute, dass es ihm gelungen sei, eine vermittelnde Position zwischen den Franken und Byzanz einzunehmen. Dissens sei erst durch die miserable lateinische Übersetzung zustande gekommen, was Chadwick Hadrian wohl nicht anlasten will. Zu den Fragen, warum man überhaupt über Bild und Text im Westen zu dieser Zeit nachgedacht hat und was dies für die Kommunikation mit Byzanz bedeutete, siehe McCormick, Textes. 46 Vgl. Scholz, Politik, S. 109 aufgrund von Alkuin, ep. 93 (MGH Epp. 4), S. 137 f. Rich¦, Christentum, S. 688. Siehe auch Herbers, Geschichte des Papsttums, S. 75. Im Übrigen ist auch im Epos De Karolo rege et Leone papa überhaupt kein Hinweis auf christianitas gegeben. Siehe: Godman/Jarnut/Johanek, Vorabend, u. De Karolo rege et Leone papa. 47 Vgl. Herbers, Pontifikat Papst Leos III., S. 13 f. 48 Vgl. Leo III., Epistolae X (MGH Epp. 5), S. 85 – 104. Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 394.

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Verwendung von christianitas bis zum Ende des Karolingerzeit lässt sogar erkennen, dass kein Papst nach Hadrian I. die Praxis, Könige mit vestra christianitas anzureden, aufgriff und fortführte.49 Die einzige Verwendung von christianitas aus der Feder Leos III. ist in dessen Brief an die Bischöfe Bayerns zu erkennen. Bezeichnenderweise thematisierte der Papst ausführlich die Autorität der Kirche Roms gegenüber den bayerischen Bischöfen, um diese zum Gehorsam gegenüber Erzbischof Arn von Salzburg zu zwingen und das päpstliche Recht auf Bestimmung des Erzbischofs anzuerkennen, was aber im Grunde die Schwäche des Papstes deutlich werden lässt. An dieser Stelle weist christianitas Kookkurrenten aus dem Sinnbezirk des Raumes auf (provintia, dilatata, in partibus), sodass eine Verräumlichung der Vokabel aufscheint. Über die weiteren Kookkurrenten wird außerdem eine Beziehung zur kirchlichen Hierarchie hergestellt. Gegen eine weitergehende Umsemantisierung von christianitas hin zu einer raumstrukturierenden oder die Kirchenhierarchie ordnenden Kategorie spricht indes der direkte syntaktische Zusammenhang zu Sitte/mos (in christianitatis more; 214.400). Diese christliche Sitte oder Lebensweise hatte sich nämlich nach Leo III. in der Kirchenprovinz Bayern bereits weiterentwickelt und verbreitet. Die Verwendung deckte sich zudem semantisch mit der zweiten christianitas-Stelle im Brief, die allerdings aus einem Zitat stammt. Leo III. verwies nämlich auf die Ehevorschriften Gregors des Großen, wie sie durch das römischen Konzil von 743 unter seinem

49 Ausnahmen bestätigen die Regel: Soweit es die Quellen zulassen, lässt sich sagen, dass Papst Nikolaus I. (858 – 867) die Anrede in seinem Schreiben an den bulgarischen Kaiser Michael einmal benutzte, siehe Nicolai I. papae epistolae, ep. 88 (MGH Epp. 6), S. 454 – 487, während er in diesem Brief, wie auch in einem weiteren, ep. 99 von 866, ebd., S. 568 – 600, sowohl herkömmlich von der fides christianitatis, aber auch von christianitas als Gemeinschaft sprach. Nikolaus hat aber keinen westlichen Fürsten oder den byzantinischen Kaiser erneut mit christianitas angesprochen und so auch kein Papst nach ihm. Was hier nur angedeutet werden kann: Als Johannes VIII. die Karolinger um Schutz für die Kirche Roms und das Patrimonium Petri anging, hatte sich nicht das Thema geändert, aber die Stellung des Wortes im Satzbau. Johannes VIII. forderte wiederholt zur Verteidigung der ganzen Christenheit auf, was sich aber nur selten auf die Sarazenenangriffe bezog. In Johannes VIII., Registrum, ep. 24 (MGH Epp. 7), S. 22 f., z. B. sind es »nur« Menschen, die sich an den Gütern der Kirche Roms vergehen, so auch in dem in der Einleitung anfangs zitierten Brief 78. In ep. 217, S. 194 ist es der Pakt zwischen dem Präfekten Pulcher und den Heiden, der aus Sicht des Papstes die Christenheit bedrohte. Im Hilferuf von 880 an Karl III., ep. 257, S. 225 f. suchte Johannes sanctae matri vestrae Romane ecclesiae et totius Christianitatis defensio gegen Griechen, schlechte Christen und dann erst gegen Sarazenen. Im Gegensatz zu einem universalen scheint Johannes ein territorial begrenztes Christenheitsverständnis gehabt zu haben, in dem christianitas für die Gemeinschaft der Christen unter der Führung des Papstes stand. So ähnlich sieht es auch Gantner, New Vision, im Gegensatz zu Rich¦, (Art.) Jean VIII, Sp. 1993. Hierzu wiederum Geelhaar, L’autorit¦.

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Eine Anrede wird aufgegeben

Vorgänger Zacharias überliefert worden waren.50 Auf diese Stelle ist jedoch im Kontext der Mission weiter einzugehen. Während also die Päpste von der Anrede und dem ihr impliziten politischen Ordnungsmodell abließen, ist zu klären, ob der Gebrauch der Anrede stattdessen unter den Karolingern Spuren hinterlassen hat. Das Ergebnis fällt eindeutig aus. Eine Übernahme der Anrede durch den Hof und die Hofkapelle blieb aus. Während Karl sehr präzise Vorstellungen bezüglich seiner Königstitulatur und später seiner Kaisertitular hatte – Karl stellte sich bewusst in die Nachfolge der römischen Kaiser der Spätantike, so Becher –,51 war die Anrede vestra christianitas von keiner weiteren Bedeutung für den Herrscher. Wie schon bei den Briefen Gregors, sagte das protokollarische Differenzieren mehr über die Weltsicht im Lateran als bei den Adressaten aus. Die Verfasser der quasi-offiziellen Hofgeschichtsschreibung in Form der Annales Regni Francorum verliehen Karl nach dessen Kaiserkrönung umgehend den Beinamen »der Große«, was zusammen mit dem weiterhin gepflegten Königsnamen zeigt, dass auch auf Seiten der Karolinger ganz genau auf Bezeichnungen für den Herrscher geachtet wurde.52 Eine ausgebliebene Rezeption der Anrede lässt sich ebenfalls an den Schriften aus dem Umfeld des Königs ausmachen. Bis auf einen Brief des Bischofs Theodulf von Orl¦ans (um 760 – 821) an Pippin, König von Italien (781 – 810), findet sich die Anrede in keinem weiteren Text. Allerdings handelte es sich um einen Brief, der später in eine Formelsammlung aufgenommen worden war, was die Chance auf Weiterverwendung erhöhte. Doch auch unter solch vorteilhaften Voraussetzungen wurde die Anrede nicht weiter aufgegriffen.53 50 Siehe 141.258 u. 142.259 sowie 214.401 u. Kapitel VII, Anm. 60. 51 So Becher, Kaisertum, S. 268, im Widerspruch zu Hartmann, Karl der Große, S. 214 u. S. 216, Busch, Herrschaften, S. 27 u. Costambeys/Innes/MacLean, Carolingian World, S. 168 f.; Collins, Early Medieval Europe, S. 295 gibt zu bedenken, dass der gewählte Kaisertitel trotzdem eine Distanz zwischen den Franken und den Römern schuf, was Bechers Sicht zu nuancieren hilft. McKitterick, Karl, S. 113, verweist darauf, dass eine Kaiserideologie erst unter Ludwig dem Frommen vollständig ausgearbeitet war. Hierzu Boshof, Ludwig. Zum Königstitel Carolus gratia Dei rex Francorum et Langobadorum atque patricius Romanorum siehe Garipzanov, Symbolic Language, S. 269. 52 Vgl. Eggert, Inhalt, S. 127 f. 53 Dies zeigt auch einer der ersten Petitionsbriefe eines hohen sächsischen Adligen an Ludwig den Frommen, der wohl 815 verfasst worden ist. Darin war von christianitas nur als Glaube und Christentum die Rede: Fuit namque nobis, serenissime imperator, pater nomine Richart et patruelis nomine Richolf, ambo Saxones, et hereditas eorum in ipsa extiterat Saxonia. Dum autem in servitio patris vestri, felicis memoriae domni Caroli imperatoris, extiterunt, propinqui eorum atque pagenses, causa christianitatis furore se super eos turbantes, omnia quae in domibus propriae elaborationis habuerunt, cuncta raptim diripuerunt; eo quod in fide christianitatis velle eos persistere senserunt, et eam negare ullo modo noluerunt. Postea vero contigit, ut domnus imperator patruelem meum Richolf misit in missaticum super Elbam cum his inferius scriptis, id est Rorih comite, Gotesscalc comite, Had comite et Garih; qui omnes

Was Hadrian anders machte

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Der Codex Carolinus konnte an der ausgebliebenen Rezeption wenig ändern, war er doch nur für die Hofbibliothek und den Gebrauch durch Karls Nachfolger bestimmt;54 eine Vervielfältigung war nicht beabsichtigt gewesen.55 Karls Interesse an dem Codex Carolinus bestand darin, so Achim Thomas Hack, mit den hochgeschätzten Briefe jüngeren und jüngsten Datums ganz grundsätzlich die Verbindung der herrschenden Dynastie mit dem Papst und Rom zu dokumentieren, was neben dem kanonistischen Interesse die Zeitgenossen besonders beeindruckt haben dürfte. Der Codex repräsentierte demnach den aktiv betriebenen Akkulturationsprozess der Karolinger, da Karl wohl bei seinen Besuchen in Rom bereits mit Codices und päpstlichen Briefregistern in Berührung gekommen war und sich nun selbst einen solchen Sammelband zusammenstellen lassen wollte.56 Wie aber lässt sich die Anrede vestra christianitas für die Karolingerzeit deuten? Die sie enthaltenen Briefe belegen eine vierfache Politisierung der Vokabel durch die Päpste. Mit der Verwendung der Anrede erkannten sie sowohl Pippin und seine Söhne als rechtmäßige fränkische Könige an, legitimierten diese wie auch das päpstliche Eingreifen zu deren Gunsten. Zweitens gehörte die Anrede zu einem Kommunikationsmodell zwischen Päpsten und Königen, das ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis herstellen oder zumindest simulieren sollte. Dieses diente drittens dem eigentlichen Anliegen der Päpste, einen Verteidiger der Kirche zu finden, der die Interessen Roms gegenüber den Langobarden und Byzanz durchsetzte, ohne aber den Päpsten ihre eigenen Ansprüche in Italien streitig zu machen. Darüber hinaus beförderte die Verwendung der Anredeform auch die Vermittlung religiös-politischer Ordnungsvorstellungen wie jene von der sancta ecclesia Dei und deren populus rei publicae Romanorum. Die Vokabel christianitas indes wurde hier nur als Vermittlerin und nicht selbst als Idee einer politisch-sozialen Größe eingesetzt, worauf spätere Generationen hätten zurückgreifen können. Die Fälscher der sogenannten »Konstantinischen Schenkung« haben es z. B. unterlassen, das Wort zu gebrauchen oder es gar als Ausdruck für eine solche Größe zu verwenden, über die das Verhältnis von Herrscher und Papst hätte definiert werden können.57 Der Wegfall der Anrede ist

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una ibidem fuerunt occisi propter christianitatis stabilimentum. Epistolae Variorum, ep. 2 (MGH Epp. 5), S. 301 (232.423 – 425 der Quellensynopsis online). Bullough, Court Library, S. 361 f., zufolge kann von einem systematischen Aufbau der Bibliothek nicht ausgegangen werden; die Bestände seien auch nicht so prunkvoll ausgestattet gewesen, wie angenommen wurde. Vgl. Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 67 u. S. 86 zum ausbleibenden Einfluss. Hack, Codex Carolinus, Bd. 1, S. 82. Das Briefregister Gregors war den karolingischen Geistlichen und weltlichen Großen bereits bekannt, eine Kopie kam aber erst 798 in den Norden. Zur »Konstantinischen Schenkung« siehe Fried, Donation, u. ders., Formierung Europas, S. 193. Fried ordnet die Fälschung in den Umkreis der Opposition zu Ludwig dem Frommen 833 ein. Vgl. auch Herbers, Geschichte des Papsttums, S. 71.

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Eine Anrede wird aufgegeben

als Zeichen eines neuen Verhältnisses zwischen Papst und König zu werten, in dem die persönliche Eigenschaft und Verpflichtung des Herrschers zur Christlichkeit nicht mehr eingefordert, dessen Herrschaft nicht mehr symbolisch gestützt werden musste, der Papst aber auch auf Distanz zu einem immer mächtigeren karolingischen Verbündeten ging. Insofern reiht sich der Gebrauch der Anrede in die allgemeine Geschichte vom Verhältnis der Päpste zu den Karolingern ein, das sich nach 754 immer weiter zu einem »Ringen um päpstliche Unabhängigkeit« entwickelte.58

58 Vgl. Scholz, Politik, S. 146; Rich¦, Christentum, S. 708 – 711; Hartmann, Autorität, S. 114 – 118.

X.

Eine Missionsvokabel?

Unabhängig von der königlichen Anrede fanden weitere Formen des spätantiken Wortgebrauchs durch die Päpste ihren Weg zu den Franken: zum einen der normativ-rechtlich konnotierte, zum anderen der narrative Gebrauch. Beide hingen mit der Mission der Angelsachsen und der weitergehenden Christianisierung der fränkischen Gesellschaft zusammen. Unter Missionierung ist dabei die Verbreitung des christlichen Glaubens und die Unterrichtung der christlichen Gebote in einer mehrheitlich nichtchristlichen Gesellschaft zu verstehen, während Christianisierung die Vertiefung der Kenntnis vom Glauben und der christlichen Gebote in Bezug auf eine zumindest oberflächlich christianisierte Gesellschaft zum Zwecke einer christlichen Gesellschaftsordnung meint.1 Hier stellen sich die Fragen, ob der päpstliche Wortgebrauch Auswirkungen darauf hatte, wie Missionierung und Christianisierung semantisiert, konzeptualisiert, beschrieben oder vielleicht sogar kritisiert wurden. Um diesen Fragen nachzugehen, kann der Wortgebrauch von Papst Zacharias herangezogen werden, der zum Teil in der Briefsammlung von Bonifatius und Lull überliefert ist. Damit ergibt sich auch die weitere Ausrichtung auf Bonifatius und sein Umfeld. Von Bonifatius führt die Spur der Sprache sodann zu dessen Biographen Willibald und dem Einsatz der Vokabel in den Viten des 8. Jahrhunderts. Hiermit verbindet sich die Frage, ob eine Verwendung der Vokabel, so wie sie bereits in der hist. eccl. tripartita in Kapitel V.2 vorgekommen war, auch in der Beschreibung der Missionare und ihrer Aktivitäten eine Rolle spielte. Schließlich ist dem christianitas-Wortgebrauch in der sich anschließenden Zwangsbekehrung der Sachsen nachzugehen, bei deren Beschreibung die Annalisten am Ende des 8. Jahrhunderts ebenfalls mit dieser Vokabel arbeiteten. Damit ist der Wortgebrauch nicht nur im Laufe des Jahrhunderts, sondern auch unter sich wan1 Vgl. Wood, Missionary Life, S. 3 f., der in der Definitionsfrage zu Recht darauf hinweist, dass die Grenzen zwischen beiden Formen der Glaubensverkündung durchlässig sind und verschwimmen können. Außerdem muss noch einmal klargestellt werden, dass Mission und Missionar generische Begriffe für die Aufgabe der Glaubensverkündung sind, die sich nicht als »missio« oder »missionarius« in den Quellen wiederfinden lassen, vgl. ebd., S. 247.

276

Eine Missionsvokabel?

delnden Missionierungsformen, in einem sich verändernden Personenkreis und in einer neuen historiographischen Gattung dieser Zeit zu verfolgen. Diese Annalen wurden nämlich in den großen klösterlichen Zentren wie Lorsch oder direkt in der Hofkapelle Karls des Großen verfasst und wiesen somit höchste Nähe zur Sicht der Karolinger auf die Geschichte und ihrer Position darin auf.2

1.

Bonifatius und die Briefe des Zacharias

Die Kinder jener Missionierung, die unter Gregor dem Großen begonnen hatte, machten sich weniger als ein Jahrhundert später daran, von Britannien aus den Kontinent zum Christentum zu bekehren. Die Angelsachsen Willibrord, der erste Bischof Utrechts und Missionar der Friesen (gest. 739), und Winfrid-Bonifatius (gest. 754) sind nur zwei von vielen Missionaren, die in jener Region von der Mündung des Rheins bis zu dessen Ursprung und weit darüber hinaus den christlichen Glauben verbreiten wollten.3 Hierbei setzten sie auf die Unterstützung durch die Päpste, da sie durch das Beispiel Gregors annahmen, dass dies der richtige Weg sei.4 Die Päpste Gregor II. (715 – 731), Gregor III. (731 – 741) und Zacharias (741 – 752) gingen auf die Bitten und Anliegen zum Beispiel des Winfrid-Bonifatius ein, unterstützten diesen mit der offiziellen Auftragserteilung, aber auch mit Rat und Trost. Bonifatius, der immer Missionar sein wollte, den aber die Umstände zum Reformer gemacht haben,5 kam aus England in jene Gegenden, in denen der Glaube bereits verkündet worden war. Nunmehr ging es darum, den Glauben zu vertiefen und für dessen organisatorische Festigung zu sorgen. Der Aufbau einer neuen Kirchenstruktur in diesen Landesteilen kam aber erst richtig voran, als Bonifatius nicht nur moralische Unterstützung des Papstes, sondern auch tatkräftige Förderung der Hausmeier Pippin, dem späteren König, und Karlmann erhielt.6 Einer der Erfolge des Bonifatius bestand darin, dass er neue Bischofssitze errichten und mit seinen Gefolgsleuten besetzen konnte.7 In diesem Zusammenhang stehen die beiden, im Wortlaut bei2 Zur Annalistik allgemein sei nur verwiesen auf Schieffer, Geschichtsschreibung, McKitterick, Entstehung; Eggert, Inhalt; Hoffmann, Untersuchungen. Darin auch weiterführende Literatur von FranÅois Ganshof u. a. 3 Vgl. Wood, Missionary Life; ders., Missionierung Europas; Schieffer, Einheit, S. 34; Clay, Shadow ; de Jong, Religion, S. 131 – 164; Möller, Geschichte, S. 133 – 146; Brown, Entstehung, S. 295 – 319. 4 Vgl. von Padberg, Spannung, S. 40; ders., Bonifatius – Missionar, S. 50; ders., Mission, S. 351. Die romzentrierte Idee der Mission vertrat später auch Erzbischof Arn von Salzburg in Bezug auf die Awarenmission, siehe Wood, Ideas of Mission, S. 192. 5 Vgl. von Padberg, Bonifatius, S. 119. 6 Vgl. Schieffer, Einheit, S. 35. 7 Vgl. von Padberg, Bonifatius – Missionar, S. 50.

Bonifatius und die Briefe des Zacharias

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nahe identischen Bestätigungsschreiben von Papst Zacharias von 743 an Witta von Büraburg (139.256) und an Burchard von Würzburg (140.257).8 Der Papst begann die jeweiligen Briefe damit, dass ihn Bonifatius unterrichtet habe, dass er Bischöfe in die neugeschaffenen Bistümer eingesetzt habe, um das christliche Gesetz und den Weg des orthodoxen Glaubens zu verbreiten und zu lehren (ad delatandam christianitatis legem et orthodoxe fidei tramitem ad docendum; 139.256 u. 140.257). Die Formulierung christianitatis lex konnte sowohl für das christliche Gesetz als auch für das Gesetz des Christentums als Religion stehen. Höchstwahrscheinlich war die Doppeldeutigkeit gewollt, um somit die seit dem 4./5. Jahrhundert mit der christianitatis lex verbundene Nächstenliebe und auch die kultisch-rituellen Handlungen, wie das Aufsagen des Vaterunsers und des Glaubensbekenntnisses, und die Teilnahme am Gottesdienst ausdrücken zu können. In der Doppelung mit orthodoxa fides wurde das Dogma selbst wie auch die Religion als gelebtes Dogma zum Ausdruck gebracht. Die feierliche Rhetorik des Briefanfangs mit all ihren Doppelungen und Sperrungen sollte dies noch unterstreichen: ›Domino cooperante et sermonem confirmante‹ ad delatandam christianitatis legem et orthodoxe fidei tramitem ad docendum, iuxta quod predicat sancta haec Romana, cui Deo auctore presedemus, e˛cclesia, innotuit nobis sanctissimus ac reverentissimus frater et coepiscopus noster Bonifatius nuper decrevisse et ordinasse in Germaniae partibus episcopales sedes, ubi preest vestra dilectio, et provinciam in tres dividisset parrochias. (139.256 u. 140.257)

Die Unterstreichungen zeigen Doppelungen an, die Kursivierungen Sperrungen im Satzbau. Zudem trennt die Sperrung iuxta … ecclesia einen arengenhaften Einstieg mit der Invokation Gottes von der eigentlichen Nachricht des Bonifatius ab. In der Mitte – als Ausweis ihrer Würde und Autorität – steht die Heilige Römische Kirche. Der Papst machte mit seiner Formulierung die Missionsaktivität sprachlich sichtbar. Missionieren bedeutete, den Glauben und seine Gebote für ein frommes Leben zu verbreiten und zu unterrichten. In der Formulierung kamen vier Aspekte zusammen: Der räumliche, der theologische, der edukative und der normative Aspekt. Durch die enge syntaktische Verbindung zwischen lex und christianitas lag jedoch der Schwerpunkt aus der Sicht des Papstes auf der Einhaltung der christlich normierten Lebensweise. Die Formulierung hat jedoch keinen Eingang in die Sprache der Missionare gefunden. Diese waren ja selbst von der höchsten Würde der Religion überzeugt; und in der unmittelbaren Missionierungssituation konnten sie kein Latein und schon gar kein rhetorisch überhöhtes Latein gebrauchen. Die eigentliche Mis8 Vgl. ebd, S. 46. Bonifatius holte sich die Bestätigung des Papstes nicht nur ein, weil es seinem romzentrierten Bild der Kirche entsprach, sondern auch, um sich gegen Kritik des alten fränkischen Episkopats und der Aristokratie abzusichern.

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Eine Missionsvokabel?

sionsarbeit lässt sich nur noch indirekt durch die Berichte über die Predigten nachvollziehen, die insbesondere in später verfassten Passionen und Viten vorliegen. Aus ihnen geht hervor, dass sich die Missionare zur Verkündigung der Volkssprachen bedienten, um die zu Bekehrenden zu erreichen.9 Für die frühe Zeit der Mission führte christianitas von der direkten Verkündigungssituation weg und hin zum Reden über Missionierung und Christianisierung. Erst um 800 ist ein christianitas-Wortgebrauch im direkten Umfeld der Missionsarbeit auszumachen. Erzbischof Arn von Salzburg (sed. 798 – 821), ein Mitglied des engeren Kreises um Karl den Großen, Freund Alkuins und Missionar bei den Awaren, hat wahrscheinlich die exhortatio ad plebem christianam von 802 verfasst.10 Darin wurden die elementaren christlichen Glaubensinhalte auf Latein und Althochdeutsch formuliert (210.396). Die Vokabel christianitas wurde hier mit christ–nheit übersetzt, bezog sich aber eindeutig auf das individuelle Christsein, da an dieser Stelle die Glaubensbrüder angesprochen wurden, die den christlichen Namen angenommen hatten, der ihr Zeichen der Christseins war, und die hören sollten, dass die Glaubensregel von Gott eingegeben und von den Aposteln eingerichtet worden sei.11 Diese Anrede hatte einen klar belehrenden, normativen Charakter. Sie erläuterte mit Hilfe des vestrae indicium christianitatis noch einmal die Annahme des christlichen Namens. In der althochdeutschen Fassung wurde die Formulierung mit der »Kunde Eurer Christenheit« (chundida iuuerera christ–nheiti) übersetzt. Der Fremdwortcharakter der christ–nheiti lässt sich nicht nur an der veränderten Vokalisierung, sondern auch an der Deklination von christ–nheit erkennen.12 Insofern stand auch christ–nheit erst einmal für die Eigenschaft des Christseins und wies nur eine religiös-soziale, aber keine spatial-politische Dimension auf, so wie dies 9 Zum Komplex der Missionspredigt siehe von Padberg, Inszenierung. In der Vita Bonifatii, cap. 6 (MGH SS rer. Germ. 57), S. 28, schildert Willibald, dass Winfrid bei seinem Gespräch mit Papst Gregor II. diesem wegen seiner mangelnden Fähigkeit, Latein zu sprechen, seine Glaubensvorstellungen schriftlich mitteilen durfte. Der ehemalige Grammatiklehrer Winfrid wird sicher Latein als Schriftsprache beherrscht haben, es ist aber auch plausibel, dass er die Sprache nicht auf dieselbe Weise sprach wie der italienische Papst und er sich offenbar der daraus resultierenden Kommunikationsschwierigkeiten bewusst war. 10 So die Admonitio generalis (MGH Font iur. 16), S. 133 f. u. S. 145. 11 Vgl. Exhortatio ad plebem christianam (210.396): Audite, filii carissimi, regulam fidei, quam in corde memoriter habere debetis, qui christianum nomen accepistis, quod est vestrae indicium christianitatis, a domino inspiratum, ab apostolis institutum. Glatthaar weist darauf hin, dass das althochdeutsche »heit« von Sprachwissenschaftlern mit priesterlicher oder mönchischer (bzw.) geistlicher Lebensweise, Lebenswandel übersetzt wird. Siehe Admonitio generalis, cap. 61 (MGH Fontes Iuris 16), S. 147, was in der Admonitio hinsichtlich der cc. 53, 70 die Übersetzung für propositum oder professio gewesen ist. 12 Andere Quellen, in denen christ–nheit vorkam, sind der Althochdeutsche Isidor (um 770), der Weißenburger Katechismus (790), das Monseer Fragment vom Ende des 8. Jahrhunderts, die Fuldaer Beichte von 830 und die Lorscher Beichte vom Ende des 9. Jahrhunderts. Vgl. von Steinmeyer, Sprachdenkmäler; Eggers, Isidor ; Hench, The Monsee Fragments.

Bonifatius und die Briefe des Zacharias

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beim neuhochdeutschen »Christenheit« unter bestimmten Voraussetzungen der Fall ist. Was die Bestätigungsbriefe an Witta und Burchard betrifft, mag man zuerst annehmen, dass die Ausdrucksweise von Bonifatius selbst stammte. Dieser hatte Zacharias Anfang 742 einen Brief geschickt, ihm darin zum Pontifikat gratuliert und bei der Gelegenheit den Papst ersucht, die drei von ihm errichteten Bistümer und Ordinierungen anzuerkennen. Darin aber war von einer solchen oder auch nur annähernd ähnlichen Beschreibung der Mission nicht die Rede. Bonifatius’ Stil war eher nüchtern und vor allem von Vorsicht geprägt, als er die drei neuen Bischofsorte beschrieb, um sie den kirchenrechtlichen Erfordernissen einer Bischofsstadt als civitas nahekommen zu lassen.13 Wenn Bonifatius über das Missionieren sprach, benutzte er stattdessen Wendungen wie ad catholicam fidem convertere, was offensichtlich zumindest unter seinen angelsächsischen Adressaten verstanden und wiederverwendet wurde.14 Ohnehin lässt sich an dem von Erzbischof Lull von Mainz (754 – 786) zusammengestellten Briefcorpus seines Lehrers und Vorgängers erkennen, dass Bonifatius die Vokabel zwar kannte, aber nicht gebrauchte.15 Da sich auch kein weiterer Briefwechsel zwischen Missionaren und Päpsten finden lässt, in dem christianitas noch einmal vorkam, lässt sich sagen: In der schriftlichen Kommunikation zwischen den Päpsten und den Missionaren spielte diese Ausdrucksweise keine weitere Rolle. Auch die Akten des Concilium Germanicum und die Konzilien von Les Estinnes und Soissons, die Bonifatius nach dem Tod Karl Martells einberufen konnte, wiesen das Wort nicht auf.16 Dabei zielten die Konzilien darauf ab, den Glauben, aber vor allem die christlichen Normen für ein gottgefälliges Leben im 13 Vgl. Briefe des Bonifatius, ep. 50 (MGH Epp. Sel. 1), S. 80 – 84, bes. S. 81. Wenn Schlichtheit und Vorsicht gegenüber dem Kirchenrecht diese Textstelle auszeichnen, steht dies nicht notwendigerweise dazu im Widerspruch, dass Angenendt, Frühmittelalter, S. 270, Bonifatius, den langjährigen Leiter einer angelsächsischen Klosterschule, vom »gekünstelten Latein seines großen Zeitgenossen und Landsmannes Aldhelm« beeinflusst sah. 14 Briefe des Bonifatius, ep. 46 (MGH Epp. Sel. 1), S. 74 f. Bonifatius schrieb ca. 738 Bischof Torthelm von Leicester, um bei den Angelsachsen um Unterstützung bei der Missionierung der Sachsen zu werben, wobei Jesus Christus selbst als der Missionar präsentiert wurde: ut deus et dominus noster Jesus Christus, ›qui vult omnes homines salvos fieri et ad agnitionem Dei venire‹, convertat ad catholicam fidem corda paganorum Saxonum, et resipiscant a diabuli laqueis, a quibus capti tenetur, et adgregentur filiis matris ecclesiae. Daraus zitiert Torthelm in seiner Antwort, ep. 47, ebd., S. 75 f. 15 Doch auch seine Schriften, die Bonifatius noch als Lehrer verfasst hatte, weisen keinen Gebrauch auf. 16 Die Konzilsakten geben einen Einblick in die Reorganisation des Kirchenverbandes und das Reformprogramm, mit dem Bonifatius nicht nur Glaubensirrtümer beseitigen und die Rechtgläubigkeit stärken wollte. Vgl. Hartmann, Synoden, S. 47 – 63; Schieffer, Karolinger, S. 54 f.; von Padberg, Mission, S. 213 f., ders., Bonifatius – Missionar, S. 43 – 45, die in der alten Diskussion um die Datierung gegensätzliche Ansichten vertreten. Siehe auch Glatthaar, Bonifatius, S. 134 – 216 u. Geelhaar/Thomas, Stiftung, S. 9.

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Eine Missionsvokabel?

populus christianus zu verbreiten und zu festigen, damit dieses in der richtigen Ausübung der Religion zu seinem Seelenheil fände.17 Solch eine Zielsetzung hätte den Raum geboten, um mittels christianitas die christlichen Normen bzw. die Religion zu benennen. Stattdessen hieß es lex Dei und aecclesiastica relegio (sic!), was den Schwerpunkt auf den Aufbau der Kirchenorganisation lenkt. Wenn von den Christen als dem christlichen Volk gesprochen wurde, ist darin die Übernahme eines anderen Terminus aus der Spätantike zu erkennen. Mit populus christianus ließ sich eine neue Einheit von Christen aus den verschiedenen gentes imaginieren und beschreiben. Dieser Ausdruck erhielt eine neue Dimension, indem er nunmehr als Sammelbegriff für verschiedene Gemeinschaften stand, die Bonifatius in den germanischen Ländern kennengelernt hatte.18 Die Missionare nutzten eigene, für ihre Arbeit brauchbare Ausdrucksweisen, die sich durch andere Konnotationen auszeichneten, als es in Rom wohl üblich gewesen war. Ein Beispiel bietet eine Formulierung der Missionare, um das Missionieren zu beschreiben.19 Die Kleriker der Kirche von Utrecht, jenem Zentrum der Mission in Friesland seit den Tagen Willibrords, erbaten 753 eine Bestätigung der Besitzungen und Einkünfte ihrer Kirche von Pippin III., nachdem dieser sich zum König gemacht hatte. Sie setzten eine Urkunde auf, wodurch christianitas auch auf dem Kontinent in einen neuen textuellen Kontext gestellt wurde: in ein offizielles, rechtlich bindendes Dokument eines Königs. 17 Vgl. Concilium in Austria habitum q. d. Germanicum (MGH Conc. 2,1), S. 1. Die Kirchenmänner haben sich mit Karlmann versammelt, quomodo lex Dei et aecclesiastica relegio recuperetur, que in diebus preteritorum principum dissipata corruit, et qualiter populus Christianus ad salutem animae pervenire possit et per falsos sacerdotes deceptus non pereat. Der populus christianus ist auch die Bezugsgröße in Concilium Liftinense, c. 2 (ebd., S. 7). Diese Formulierung qualiter populus christianus ad salutem animarum pervenire possit, findet sich wieder in Concilium Suessionense, c. 2 (ebd., S. 34). Siehe auch Schieffer, Kirchenpolitik, S. 319 f. Zum Ziel, das Kirchenrecht im Missionsgebiet zur Geltung zu bringen siehe von Padberg, Bonifatius – Missionar, S. 46. 18 Siehe hierzu Briefe des Bonifatius, ep. 86 (MGH Epp. Sel. 1), S. 191 – 194, in dem Bonifatius 751 Zacharias die Lage des Klosters Fulda damit beschrieb, dass es zwischen den vier Völkern liege, denen er das Wort Gottes beigebracht habe. Siehe auch Angenendt, Frühmittelalter, S. 274. Zur Forschungsdiskussion um Gentilismus und Universalismus siehe von Padberg, Spannung, und ders., Mission, S. 351 – 356; de Jong, Ecclesia, S. 119; dies., State of the Church, S. 248 in Hinblick auf die spätere Verwendung des populus christianus als gesellschaftlicher Ordnungsfigur der Karolinger. 19 Es hat natürlich andere, prominentere Formulierungen für die Missionierung ohne christianitas gegeben, auf die hier aber leider nicht weiter eingegangen werden kann. Siehe nur: Briefe des Bonifatius, ep. 12 (MGH Epp. Sel. 1), S. 17 f. Gregor II. beauftragte Bonifatius ad dispensationem verbi divini. In den Annales Mosellani: conversi sunt Saxoni ad fidem Christi et baptizata est eorum multitudo innumera. Siehe Annales Regni Francorum, a. 776 (MGH SS rer. Germ. 6), S. 46, Anm. 3. Der Missionsbefehl Jesu nach Mt 28,19 – 20 lautet: euntes ergo docete omnes gentes: baptizantes eos in nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti, docentes eos servare omnia quæcumque mandavi vobis.

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Dies mag auf die angelsächsischen Verbindungen Utrechts zurückgehen, war doch Ähnliches bisher nur in England vorgekommen.20 Zudem blieb die Urkunde in dieser Hinsicht einmalig. Pippins Sohn Karl hatte die Urkunde zwar zu dessen Herrschaftsantritt abermals bestätigt, eine spätere Urkundenverwendung unterblieb aber. Eingang in die Urkundensprache hat die Vokabel nicht gefunden.21 Das bestärkt nochmals, dass hier die Wortwahl von den Utrechter Klerikern ausging. Sie beschrieben den Verwendungszweck für ihren Besitz wie folgt: […] omnia decim partem ad ipsa casa dei sancti Martini, quem domnus Bonifacius archiepiscopus custos preesse videtur, concessimus vel confirmamus in luminaribus seu in stipendiis monachorum vel canonicorum, qui ibidem gentiles ad christianitatem convertunt et domini misericordia ipsos conversos quem habent doceant, iuxta quod alii christiani eorum christianitatem conservarent, et in eorum praeceptiones continere videntur. (145.263 – 264) […] den gesamten Zehnten gewähren und bestätigen wir jenem Haus Gottes des heiligen Martin, von dem bekannt ist, dass ihm der Herr Erzbischof Bonifatius als Aufseher vorsteht, für Lichtmessen oder Stipendien der Mönche oder Kanoniker, die ebendort Heiden zum Christentum bekehren und jene Konvertiten, die sie haben, die Barmherzigkeit des Herrn lehren, wie auch dass andere Christen ihr Christentum bewahren und wahrgenommen wird, dass sie sich an deren Vorschriften halten.

Im Gegensatz zum Papst nutzten die Kleriker in Utrecht christianitas als direktes Akkusativobjekt, was vom Ausdruck her sehr viel einfacher, aber auch eingängiger war. Unklar bleibt, ob der Schreiber diese Formulierung aus einer spätantiken Quelle kannte oder ob sie unter den Utrechter Klerikern alltäglich gewesen ist.22 Entscheidend ist vielmehr, dass hier eine Formulierung vorlag, die offenbar den Lateinkenntnissen der angelsächsischen Missionare und auch ihrer fränkischen, königlichen Unterstützer entsprach. Die Verfasser werden genau gewusst haben, was sie sagen wollten, weil sie damit schließlich die Besitzungen 20 Vgl. Kapitel VII.2. 21 Selbst Ludwig der Fromme urkundete 823 nur einmal und abermals für Utrecht (242.436), wobei er die Formulierung leicht abändern ließ. Siehe auch Kapitel VIII.3, Anm. 58. 22 Ähnliche Formulierungen gab es in der Spätantike angefangen bei Maximus von Turin mit seinem ad christianitatem vocare (34.70); Acta S. Sebastini (46.89), aber vor allem in der hist. eccl. tripartita mit ad christianitatem convertere (73.131 u. 146, und andere ähnliche Stellen, siehe Kapitel V.2). Es kann natürlich sein, dass die hist. eccl. tripartita z. B. über Benedict Bishop ihren Weg nach England gefunden hat und dort gelesen wurde. Dass es Interesse an Lesestoffen aus dem östlichen Mittelmeerraum und an religiösen Geschichten gegeben hat, zeigt nicht zuletzt Bedas Passio Anastasii. Doch fehlt einfach ein belastbarer Beleg, aufgrunddessen der angelsächsische Gebrauch der Wendung ad christianitatem convertere auf die Missionserzählung in der hist. eccl. tripartita zurückgeführt werden könnte. Von Beda weiß man auch, dass er die hist. eccl. tripartita nicht für seine Historia ecclesiastica genutzt hatte, wenn er sie denn kannte.

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und Privilegien ihrer Kirche legitimieren wollten. Außerdem ist denkbar, dass die fränkischen Großen und besonders Pippin das Wort kannten, wie im Anschluss an weiteren Briefen des Zacharias zu sehen sein wird. Denn selbst wenn ihnen die Briefe nur vorgelesen und später übersetzt wurden, musste eine Klärung der Wortbedeutung durch die (vermutlich geistlichen) Interpreten erfolgen oder konnte unterbleiben, wenn diese zu einem anderen Anlass bereits erläutert worden war. Dass die Wendung ad christianitatem convertere dem gängigen Sprachniveau näherzukommen vermochte und damit neben ihrer inhaltlichen Relevanz auch brauchbar erschien, zeigt die Vita Balthildis. In deren erster Fassung wurde daran erinnert, dass die Königin Chrodechild ihren Mann, Chlodwig I. und viele seniores der Franken zum Christentum geführt und zum katholischen Glaube gebracht habe.23 Die Verfasserin der Vita setzte damit die porträtierte Königin Balthild (gest. nicht vor 680) in ihren Leistungen für die Kirche gleich mit der Mutter des fränkischen Katholizismus Chrodechild (gest. 544). Zum einen betrieb die Vita die Heiligsprechung Balthilds, zum anderen nahm sie die Königin in Schutz vor den Schmähungen, denen sie wegen ihrer Politik und angelsächsischen Herkunft ausgesetzt gewesen war.24 Die Formulierung ad christianitatem trahere und ad fidem catholicam perducere erinnerte an die Doppelung bei Zacharias. Auch hier bezeichnete sie zwei eng verwandte, aber dennoch voneinander trennbare Facetten des Christentums (Glauben und christliche Lebensnormen). Sie war für merowingische Viten außergewöhnlich, wie die in Kapitel V.3 vorgestellten Viten zeigen. Aus Gründen der Semantik schlage ich daher vor, die Vita Balthildis eher später zu datieren, als dies bisher geschehen ist. Für eine Abfassung zur Blütezeit des Skriptoriums von Chelles (740 – 800) anstelle von einer Abfassungszeit um 690 sprechen ebenfalls die in der Vita erwähnten fränkischen Großen (pluris ex Francis seniores). Papst Zacharias hatte sich in einem anderen Brief an einige vornehme Franken gewandt, um ihnen christliche Gebote, vor allem Verhaltensnormen, und kirchenrechtliche Bestimmungen einzuschärfen (144.261 – 262). In diesem Brief appellierte der Papst an die Christlichkeit der Briefempfänger, sich gemäß eben jener Christlichkeit gegenüber dem Klerus und anderen zu verhalten (hortamur christia23 Recolimus quidem, in Francorum regno nobilis et Dei cultricis fuisse aliquas reginas, Chrodehilde, Chlodoveo quondam antiquo rege regina, nepte Gundebade rege, que virum suum fortissimum et paganum, et tam ipsum per sanctam exortacionem quam et plures ex Francis seniores, traxit ad christianitatem et ad fidem catholicam eos perduxit et aecclesias in honore sancti Petri Parisius et sancti Georgii in coenobiolo virginum in Kala prima construxit (138.255). 24 Vgl. Coon, Sacred Fictions, S. 140. Coon sieht daher in der Vita auch eine Werbung für die von Balthild gegründete Klostergemeinschaft von Chelles, damit diese nicht länger unter der schlechten Reputation der Königin leiden müsse. Siehe auch Hartmann, Königin, S. 168.

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nitatem vestram; 144.262).25 Die fränkischen Großen erfuhren entweder unmittelbar oder durch einen Übersetzer, dass der Papst ihr Christsein, ihre christliche Eigenschaft mit christianitas ansprach. In der Utrechter Urkunde und im Zachariasbrief wird ein Wortgebrauch sichtbar, zu dem derjenige in der Vita Balthildis besser zu passen scheint als zu den Viten des 7. Jahrhunderts. Eine letzte Beobachtung mag hier noch die Zeitgebundenheit des Wortgebrauchs unterstreichen. In der späteren Fassung aus dem 10. Jahrhundert hat der oder die Überarbeiter/in ad christianitatem durch ad Christi agnitionem ersetzt (138.255 [B]). Da die ganze Passage deutlich abgeändert worden ist, scheint es wohl nicht nur einfach an einem Schreibfehler oder einer an dieser Stelle korrupten Vorlage gelegen zu haben. Vielmehr scheint die Überarbeiterin die Formulierung selbst für unpassend gehalten zu haben, was auf ein verändertes christianitas-Verständnis im 10. Jahrhundert hindeutet, wonach christianitas immer weniger als Christlichkeit verstanden wurde.26 Auf Seiten der Päpste prägte weiterhin das Belehren über die christlichen Normen und das Kirchenrecht den christianitas-Gebrauch. Wie Bonifatius nördlich der Alpen, so rief auch Zacharias in Rom 743 ein Konzil zusammen, um 25 Die Deutung von christianitas als Christlichkeit im Zusammenhang mit dem Einhalten von christlichen Normen wird durch die satzsemantische Nähe von christianitas zu mandata und praecepta deutlich: Gratias ago deo et domino Iesu Christo unico patris filio et spiritui sancto, qui vestram omnium christianitatem ita dirigit confirmans corda vestra in eius ambulare mandatis et oboedire praeceptis. (144.261) Im Übrigen verzichtete Zacharias auch hier nicht auf rhetorische Mittel, wie man am Hendiadyoin erkennen kann. Ob die Großen die päpstlichen Ermahnungen befolgten, sei erst einmal dahingestellt. Da der Papst in dem Brief frontal das Eigenkirchenwesen attackierte, dieses aber noch lange die Klagen der Kleriker unter fränkischer Herrschaft prägen sollte, ist nicht zu erwarten, dass der Papst zu diesem Zeitpunkt ausreichend Anerkennung seiner Autorität in diesen Fragen für sich reklamieren konnte. Siehe hierzu Geelhaar/Thomas, Stiftung, S. 15 f., S. 20 – 24, mit Hinweisen auf die jüngere Literatur zu diesen Thema. Hierzu ist in nächster Zeit mehr von Thomas Lienhard und Steffen Patzold zu erwarten. 26 Der älteste Textzeuge für die Fassung B ist BN nr. 18296 aus dem 10. Jahrhundert nach Krusch (MGH SS rer. Merov. 2), S. 480. Für einen solchen Bedeutungswandel spricht nicht nur das Wortexperiment des Abbo von Saint-Germain, 22 Predigten, Sermo 14, S. 133 – 146 (437.776 – 817), sondern auch die Statuten des Erzbischofs Walter von Sens (924 – 927) weisen darauf hin. In einer abwärts hierarchisierten Auflistung geistlicher Amtsträger erscheinen die decanos christianitatis zusammen mit Bischöfen, Erzdiakonen und Offizialen in: Walter von Sens, Statuta, in: PL 132, 720B – 720C. Was sich hier andeutet, ist die Verwendung von christianitas für einen bestimmten Klerikertypus, der in der Erzdiözese von Sens schon verbreitet und in die kirchliche Ordnung integriert war. Das Wort wurde zur Semantisierung kirchlicher Ordnung und Hierarchisierung eingesetzt. Hier deutet sich die Übertragung der Vokabel in eine Verwaltungs- und Rechtssphäre an, die besonders für das französische Hochmittelalter von großer Bedeutung werden sollte. Erste Untersuchungen zu den Urkundenbüchern verschiedener Klöster und Stifte anhand des Fichier des Bureau DuCange zeigen, dass es besonders in Frankreich ab dem 11. Jahrhundert Großpfarreien gab, die als christianitates bezeichnet wurden und denen ein decanus christianitatis vorstand. Hierzu wird es bald eine eigene Abhandlung von mir geben.

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Reformen in der Kirche voranzubringen.27 Es ging um die Lebensführung von Priestern, aber auch um eherechtliche Fragen, z. B. wurde in cap. 15 thematisiert, bis zu welchem Grade zwischen Verwandten ein Eheverbot bestehe. Zacharias erwähnte, dass Papst Gregor II. den Menschen in den Landesteilen Germaniens, während er ihnen durch göttliche Gnade die christliche Religion erleuchtete (dum eos ad religionem christianitatis divina gratia inlustraret; 141.258;142.259), die Erlaubnis gegeben habe, bei Verwandtschaftsverhältnissen ab dem vierten Grad miteinander zu schlafen.28 Noch deutlicher wurde der Konnex zwischen der christlichen Religion und den kirchenrechtlich begründeten lebensweltlichen Normen des Christseins in einem letzten Schreiben von Zacharias von 747, das an den Hausmeier Pippin selbst gerichtet war. Darin bestätigte der Papst noch einmal die Eheregeln gemäß der christlichen Norm und dem Ritus sowie der Religion der Römer (iuxta ritum et norman christianitatis et religionem Romanorum, 143.260). Zugleich erhob er mit dem Hinweis auf die religio Romanorum auch Anspruch auf die Deutungshoheit der heiligen römischen Kirche über Glauben und Glaubenssätze sowie auf ihre Autorität bei der Verbreitung des Glaubens. Als mehrere Jahrzehnte später Papst Leo III. nochmals von christianitas sprach, tat er es im Übrigen im selben Zusammenhang, als er sich an die Bischöfe Bayerns wandte und ihnen seine kirchenrechtliche Expertise zukommen ließ. Leo III. wiederholte wörtlich die Aussage zur Eheregel vom römischen Konzil, verschärfte aber mit Hinweis auf Isidor von Sevilla und das römische Recht die Regel wieder, indem er erst Ehen ab dem siebten Grad für zulässig hielt (214.400 – 401). Aufgrund der punktuellen Verwendung wäre es nun vermessen, von konkurrierenden Semantiken der Missionierung zu sprechen. Deutlich wurde aber, dass es verschiedene Möglichkeiten gab und dass hier die unmittelbare Missionserfahrung in Utrecht wie auch die Lateinkenntnisse der Nicht-Muttersprachler bei der Semantisierung eine Rolle spielten. Unter denjenigen, die am ehesten als Muttersprachler zu werten sind, also die Römer, war zu erkennen, dass der normativ-rechtlich aufgeladene Gebrauch auf Situationen der Chris27 Vgl. Hartmann, Synoden, S. 43, der anhand der großen Zahl überlieferter Handschriften und der Anwesenheit von Geistlichen aus ganz Italien die Bedeutung des Konzils hervorhebt. 28 Non est silendum, fratres, quod in Germaniae partibus ita divulgatum est, quamquam in arcivo sanctae ecclesiae huius scriptum minime repperimus, ispsis tamen asserentibus hominibus de Germaniae partibus didici, quod beatae recordationis papa Gregorius, dum eos ad religionem christianitatis divina gratia inlustraret, licentiam illis dedisset in quarta sese copulari generatione. (141.258) in der forma minor (142.259) Vgl. Hartmann, Synoden, S. 44 für die Zuschreibung an Gregor II. Bemerkenswert an dieser Passage ist unter anderem, dass Zacharias sagte, dass er in den päpstlichen Archiven kein Schriftstück finden konnte, in dem Gregor II. so argumentiert hätte. Interessant ist auch, dass sich diese Regelung mit derjenigen Gregors des Großen deckt, siehe hierzu in Kapitel VII.2, Anm. 59.

Bonifatius und die Briefe des Zacharias

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tianisierung abzielte. Es wurde wie in der Spätantike die richtige, den christlichen Normen entsprechende Lebensgestaltung kommuniziert. Mehr noch: Die Päpste demonstrierten durch den Hinweis auf die norma christianitatis gesellschaftlichen Gestaltungswillen, Anspruch auf Anerkennung ihrer diesbezüglichen Autorität und damit auf ihre politische Führungsrolle nach den in der Einleitung vorgelegten Maßstäben für das Politische. Für die Päpste selbst ging es wohl eher um eine Frage ihrer apostolischen Autorität und ihre Sorge um die Aufrechterhaltung der Orthodoxie, der Abwehr von Heterodoxie und um das Seelenheil der Christen sowie um ihr eigenes. Man möchte annehmen, dass die Päpste dann sehr viel häufiger mittels christianitas ihren Anspruch kommuniziert hätten, doch auch diesen formulierten sie nur situationsgebunden und nicht strategisch.29 Den Nicht-Muttersprachlern nördlich der Alpen war dieser normativ-rechtlich aufgeladene Gebrauch dank der Korrespondenz zwischen Zacharias und Bonifatius bekannt,30 jedoch fand sich hiervon weder eine Spur bei Bonifatius noch bei seinen Zeitgenossen in Utrecht und Chelles. Dass sich hier die Bedeutungs- und Gebrauchsregeln des Wortes verschoben haben, ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Es gehört ja zu den grundlegenden Erfahrungen von Kommunikation in Fremdsprachen, dass man sich in einer fremden Sprache nicht immer in der gepflegten Semantik bewegt und sogar neue Ausdrücke hervorbringt, die Muttersprachlern ungewöhnlich vorkommen. Dies verstärkt sich noch durch die Kommunikation in Fremdsprachen mit anderen Nicht-Muttersprachlern außerhalb des Raumes, in dem die Sprache heimisch ist. Eine solche Verschiebung in Gebrauch und Bedeutung zeigt eben die Utrechter Urkunde. Einer dieser neuen Wege der Verwendung von christianitas unter den Karolingern sollte gerade in der Einbindung der Vokabel in Erzählungen auf deskriptiver Ebene und auf konzeptueller Ebene liegen.

29 Vgl. Codex Carolinus, ep. 76 (MGH Epp. 3), S. 607 f., wo Hadrian erst auf die Anzeige der Taufe vieler Sachsen hin Gottesdienste zur Lobpreisung der heiligen katholischen Kirche anordnete. 30 Vgl. Briefe des Bonifatius, ep. 59 (MGH Epp. Sel. 1), S. 108 – 120, mit den Nachrichten vom Konzil. Zacharias wiederum überreichte Pippin (143.260) für die Bischöfe und Äbte unter seiner Herrschaft 27 Kapitel, von denen das 22. Kapitel abermals die Ehegesetzgebung behandelte und sich des speziellen Falles annahm, dass eine Frau nicht zwei Brüder oder ein Mann nicht zwei Schwestern heiraten dürfe, was dem Ritus und der Norm des Christentums und der Religion der Römer widerspreche, und was vor Gott und seinen Engeln ein Frevel und verderbliche Schuld darstelle. Es wäre interessant zu wissen, ob sich Zacharias und auch die Missionare darüber im Klaren waren, dass sie durch diese Normen bestehende soziale Sicherungsmechanismen und Strukturen von Gemeinschaftlichkeit aufsprengten und ob sie dies sogar aktiv betrieben, weil Jesus es selbst befohlen hatte (Mk 3,31 – 35; Lk 9,59 – 62).

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2.

Eine Missionsvokabel?

Die Viten des 8. Jahrhunderts

Der angelsächsische Mönch Willibald (gest. nach 768) verfasste im Auftrag des Erzbischofs und Bonifatius-Schülers Lull von Mainz eine Lebensgeschichte des Bonifatius. Ian Wood hat die Arbeit des Mönchs, der offenbar nicht mit Bonifatius selbst vertraut war, als ein Werk von beträchtlicher Originalität charakterisiert, das gut recherchiert, insgesamt recht neutral in Ton und Darstellung, vor allem eher historiographisch als hagiographisch orientiert gewesen sei.31 Dass Willibald in seiner Vita Bonifatii im Gegensatz zu späteren BonifatiusHagiographen die Vokabel verwendete, mag an seinen Lateinkenntnissen, seiner allgemeinen Bildung und an seinem Stil gelegen haben, der als ›bewusst kompliziert‹ und dunkel beschrieben worden ist.32 Willibald nutzte die Vokabel sowohl in normativer als auch in narrativer Hinsicht, nicht aber zur Thematisierung der Christlichkeit seines Heiligzusprechenden. Im Gegensatz zu den Ausdrucksweisen in der Vita Balthildis und in der Utrechter Urkunde blieb Willibald dabei, christianitas als Genitivobjekt bzw. -attribut zu verwenden. Er nutzte einmal das Muster nomen christianitatis, brachte dann aber das Wort mit religio, ordo und cognitio in Verbindung (173.312 – 316). Die Bezugsworte sind alle nicht sonderlich überraschend. Obwohl Willibald die Vokabel wissentlich und gezielt einsetzte, wird ihm nicht bewusst, dass er sich innerhalb eines wohl abgesteckten Verwendungsrahmens oder aber einer gepflegten Semantik bewegte, die christianitas vor allem als Genitivobjekt bzw. -attribut vorgab. Diesen Rahmen verließ Willibald nur dadurch, dass er die Verwendung in kleinere Erzählungen integrierte, was bei früheren Viten nicht der Fall gewesen war. Dadurch veränderte sich aber das begleitende Vokabular, indem häufiger Personen, Orte, Bewegungen im Raum, Zeitangaben und Konflikte genannt wurden. Das Wort christianitas wurde so zum Bestandteil von Missionsbeschreibungen. Thematisch stand die Vokabel im direkten Bezug zu Bonifatius’ Missionstätigkeit bis zu den Konzilien unter Pippin und Karlmann. Willibald berichtete hiervon in der Mitte der Vita.33 Er griff auf das nomen christianitatis zurück, als er zu Beginn von cap. 6 die Episode erzählte, wie Bonifatius im hessischen 31 Vgl. Wood, Missionary Life, S. 61 – 64. Klüppel, Germania 750 – 950, S. 167, mit einem Zitat aus Berschin, Karolingische Biographie, S. 9. 32 Vgl. Klüppel, Germania 750 – 950, S. 167: Willibalds Stil scheint dem Leben des Bonifatius entsprechen zu wollen, »bewusst kompliziert, sozusagen steil angelegt und schwer nachzugehen wie eben der schmale Pfad der Heiligkeit.« Vgl. Anglo-Saxon Missionaries, ed. Talbot, S. 108: Talbot ergänzt, dass Latein für Willibald eine Fremdsprache und sein Stil von Aldhelm geprägt war ; außerdem kannte Willibald offensichtlich nur eine kleine Anzahl an christlichen und keine klassischen Autoren. 33 Dies stellte einen Unterschied zu den Viten der Merowingerzeit dar, in denen christianitas meist direkt am Anfang im Zusammenhang mit der Herkunftserzählung stand, wie Kapitel V.3 gezeigt hat.

Die Viten des 8. Jahrhunderts

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Amöneburg den Rückfall zum Götzendienst bekämpfte und das aufgebrachte Volk aus dem Aberglauben zurückholte. Bonifatius’ Handeln richtete sich besonders gegen die beiden Ortsvorsteher Dettic und Deorulf, da diese unter dem christlichen Namen Idolen gehuldigt hätten (qua sub quodam christianitatis nomine male abusi sunt, 173.312).34 In Thüringen wandte er sich an Stammesälteste und die Großen des Volkes, damit diese die bereits angenommene christliche Gottesverehrung wieder aufnähmen (ad acceptam dudum christianitatis relegionem iterando provocavit; 173.313). Bei den Sachsen habe der Eifer für die christliche Religion nachgelassen, nachdem die christlichen Herzöge nicht mehr an der Macht waren. Diese Geschichten erzählte Willibald dicht hintereinander und berichtete weiter, dass zu den Sachsen auch noch falsche Brüder, also Mönche, gekommen seien, die unter dem Namen der Religion einer Gruppe von Häretikern Eingang verschafft hätten. An dieser Stelle wurde am Ausdruck sub nomine relegionis der synonyme Gebrauch von christianitas und religio sichtbar.35 Diese Episode verwies außerdem auf eine Wahrnehmung, die den richtigen Glauben von falschen, häretischen Vorstellungen trennte. Das sprachliche wie inhaltliche Gegensatzpaar lautete christianitatis religio und secta hereticae pravitatis, die es sich anmaße, den Namen der rechten Religion zu verwenden. Die Rechtgläubigkeit in Verbindung mit christianitas kennzeichnete die letzten beiden Nennungen. Bonifatius sorgte in Bayern für die Befestigung der christlichen Ordnung, was vor allem die Wiederherstellung des kanonischen Rechts bedeutete (confirmato christianitatis ordine; 173.315). Schließlich kam Willibald auf Bonifatius’ Konzilstätigkeit zu sprechen: Der Missionar habe Karlmann bedrängt, Synoden abzuhalten, um den Gegenwärtigen wie Zukünftigen die Weisheit der geistlichen Lehre zu offenbaren und die Erkenntnis des Christentums kundzutun (ut tam praesentibus quam posteris spiritualis scientiae sapientia patesceret et […] cognito christianitatis innotesceret; 173.316). Während Willibald insofern im Rahmen des mit christianitas bis dahin Sagbaren blieb, als auch bei ihm die räumlichen, theologischen, edukativen und normativen Aspekte des Wortes sichtbar wurden, kam es doch zu einer Verschiebung, indem er nun Sachverhalte wie das Ziel der Konzilien mittels christianitas semantisierte, worauf Bonifatius wohl selbst nicht gekommen wäre. Auch in den weiteren Viten des späten 8. Jahrhunderts kam christianitas 34 Willibald orientierte sich entsprechend seiner Quellengrundlage in Schilderung und Wortwahl an einem Brief Gregors II., siehe Briefe des Bonifatius, ep. 17 (MGH Epp. Sel. 1), S. 29 – 31. 35 […] quoniam, cessante relegiosorum ducum dominatu, cessavit etiam in eis christianitatis et relegionis e intentio, et falsi seducentes populum introducti sunt fratres, qui sub nomine relegionis maximam hereticae pravitatis introduxerunt sectam (173.314). Siehe auch die Stelle mit sub nomine christianitatis zu Beginn desselben Kapitels (173.312).

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immer wieder vor, wenn auch sporadisch. Hier sind die Vita Haimhramni und die Vita Corbiniani des Bischofs Arbeo von Freising (sed. 765 – 783) zu nennen, dem nachgesagt wird, er habe mit seinen um 770 verfassten Werken eine Art »Kirchengeschichte Bayerns in Heiligenleben« im Sinn gehabt.36 Arbeo hat Willibalds Vita Bonifatii gekannt und offenbar zumindest die Vita Korbinians so verfasst, als ob er einen Gegenentwurf zu der Schilderung von Bonifatius’ Rolle bei der Organisation der bayerischen Kirche bieten wollte.37 Die Vita des heiligen Emmeran begann Arbeo mit einem Rundumblick über die Verbreitung des christlichen Glaubens in Europa,38 um daran anschließend auf die Herkunft Emmerans aus Poitiers einzugehen. Die Stelle zeigt an, dass Arbeo über ein weitreichendes geographisches Wissen verfügte und dieses auch einzusetzen wusste. Er verankerte die christliche Religion in dieser westeuropäischen Welt, indem er davon sprach, dass die Erforschung der christlichen Religion in einem nicht geringen Teil Europas nunmehr erblühe.39 Wie Willibald sprach Arbeo auch an anderen Stellen seiner Viten von christianitas als christlicher Religion (185.334 und 186.335). Neben der geographischen Dimension ist die ungewöhnliche Wortverbindung – christianitatis indagine florere dinosceretur – interessant. Möglicherweise hatte Arbeo die Anregung hierzu aus Bedas Vita Cuthberti erhalten, in der Beda von der Erforschung der Wahrheit – veritatis indagine – gesprochen hatte.40 Blickt man auf die begleitende Lexik und das Bedeutungsspektrum von indagatio/indago und vor allem darauf, wie es Beda immer wieder in seinen Werken verwendete,41 dann sieht es danach aus, als hätte 36 Vgl. Klüppel, Germania 750 – 950, S. 175; Palmer, Anglo-Saxons, S. 190 – 192. 37 Vgl. Wood, Missionary Life, S. 158. 38 Arbeo standen nur Name, Festtag, die Tradition des Martyriumsortes in Kleinhelfendorf bei Bad Aibling und einige Wundererzählungen zur Verfügung, den Rest musste er erfinden. Als Vorbilder dienten ihm bei der Vita Haimhramni die Vita S. Amandi und die Passio Leodegarii, wobei er aus diesen christianitas nicht übernommen hat, siehe 115.223 u. 126.238 – 239. Berschin, Karolingische Biographie, S. 78, nennt diese Vita einen »Nachzügler der merowingischen Märtyrerbischofs-Vita.« 39 In perpetuo regnante domino nostro Iesu Christo, qui sanguine suo servos suos redimere dignatus est, cuius post passionem longe lateque flagrando in partibus mundi fama percreverat, ita ut Europae non modica pars insegniter sacris christianitatis indagine florere dinosceretur, ita ut occidentales tot angulorum, Brittaniae, Hiberniae, Galliae, Alamanniae, Germaniae pars, paulatim mirifico modo in Dei laude constanter fulsissent (185.333). Arbeo war in Italien ausgebildet worden (vgl. Stotz, HSLMA 1, I §§ 34.3), was zusammen mit seiner Kenntnis von der Herkunft Emmerans aus Aquitanien sowie seinem Wissen über die Herkunft der angelsächsischen Missionare zu diesem frühen »europäischen« Blick geführt haben wird. 40 Vgl. Beda, Vita Cuthberti, praefatio, in: PL 94, 733D: certam veritatis indaginem simplicibus explicitam sermonibus commendare. 41 Im spätantiken Latein stand indago laut Georges nicht nur für die jägersprachlichen Umzingelung, sondern auch für die Untersuchung z. B. der Wahrheit oder aber für die richterliche Untersuchung. In der christliche Literatur waren indago bzw. indagatio geläufige

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sich Arbeo an dieser Stelle – wie auch in der ganzen Einleitung – besonders gebildet, eloquent und rhetorisch versiert geben wollen, um auf diese Weise seinen Heiligen als herausragend (vielleicht sogar gegenüber Bonifatius?) zu markieren. Und es sieht danach aus, als ob sich Arbeo damit übernommen hat. Seine Wortwahl trägt eindeutig experimentellen Charakter, nur dass sie an der üblichen Verwendung von indago vorbeiging, weil die Idee »den Glauben ergründen, Gott erkennen« klar mit cognito oder agnitio verbunden war. Dieser Abschnitt wäre somit ein Beispiel dafür, dass Arbeo »sein Latein mit ungewöhnlichen Wörtern schmücken [wollte]. Andererseits beherrschte er die Sprache nicht gut. Die Folge war, dass er seltene (wie bisweilen auch gewöhnliche) Wörter oft falsch verwendete.«42 Es kommt der Verdacht auf, dass die Vokabel christianitas selbst in der Generation nach Bonifatius noch nicht wirklich geläufig gewesen ist. Sie schien noch außergewöhnlich zu sein und konnte somit als Merkmal einer feierlichen Sprache gelten. In den Papstbriefen hingegen war solch eine Feierlichkeit vielmehr durch eine ausgearbeitete Rhetorik erreicht worden, nicht durch die simple Verwendung der Vokabel an sich. In den Antiphonae des Emmeran hieß es wiederum, dass der Priester Gottes zu den Wandalen gegangen sei und dort die Hunnenvölker zum Christentum bekehrte (gentes Hunorum, quae ignorabant Deum caeli, ad christianitatem convertere cotidie debuisset; 187.336).43 Wichtig an dieser Stelle sind nicht die genannten Völker,44 sondern der Hinweis auf christianitas in der Liturgie. Im Wechselgesang erinnerten sich die Geistlichen mit diesem Antiphonar an die Taten ihres Heiligen. Ein fester Bestandteil war die Formulierung ad christianitatem convertere, was zumindest unter den Beteiligten der Beschreibung von Emmerans missionarischer Aktivität und somit sicherlich später der allgemeinen Beschreibung missionarischer Tätigkeit diente. Ein solch enger Zusammenhang zu einer liturgischen Praxis ist ansonsten nur noch im Liber sacramentorum Gellonensis vom Ende des 8. Jahrhunderts festzustellen. Darin wurde die Taufhandlung kommentiert: Alle sollten beten, dass die Taufe nicht verVorkabeln, nur der Bezug zu christianitas ist einmalig. Beda nutzte den Lemmaverbund indago/indagatio/indagare/indagabilis 22-mal in zehn Schriften, siehe PL 90. 42 Löfstedt, Zu Arbeos Latein, S. 257. Etwas variierend Berschin, Karolingische Biographie, S. 90: Arbeo ein vorkarolingischer Schriftsteller, »hat noch kaum ein Hauch des neuen, auf Grammatikstudien gerichteten Zeitgeistes gestreift. […] Arbeo schreibt post-merowingisch, für seine wilde Feder ist alles Stoff, was an Volkstümlichem, Lebendigem, Gelehrtem und Abwegigem die lateinische Sprache bis zu der großen Zäsur um 800 hervorgebracht hat.« 43 Zu den Wandalen wies Krusch darauf hin, dass alle Handschriften in diesem Abschnitt nicht von Wandalorum, sondern Gallorum sprechen, was aber nicht sehr klar wird, da Emmeran laut der Vita den Pannoniern predigen wollte, so Wood, Missionary Life, S. 150 f. Doch, so ebenfalls Wood, S. 158, hat Arbeo in vielerlei Hinsicht erfunden und übertrieben, weil ihm nicht anderes übrig blieb oder weil er sich in Konkurrenz zu Willibald sah. 44 Der Verfasser kann diesbezüglich durchaus dem Erfindungsreichtum Arbeos auf dem Leim gegangen sein, wenn die Antiphonae nicht von Arbeo selbst verfasst worden sind.

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nachlässigt werde, weil jede legitime Taufe durch den christlichen Namen bestätigt werde.45 Auch wenn diese Verwendung des nomen christianitatis nur im Kommentar zur eigentlichen Handlung stand und somit nicht Teil der liturgischen Worte wurde, lässt sich hieran die durchgängige Verwendung des nomen christianitatis zur Identifizierung und Qualifizierung von Christen seit dem 4. Jahrhundert erkennen. Dass das nomen christianitatis auch Einzug in die Viten fand, in denen der Akt der Taufe stets eine zentrale Rolle spielte, zeigt jene Vita, die Bischof Liudger von Münster für seinen Lehrer, den Bischof Gregor von Utrecht (gest. um 776), verfasst hat.46 Während Willibald mit nomen christianitatis noch falsche Christen und den Rückfall zum Heidentum markiert hatte, nutzte Liudger diese Wendung im positiven Sinne. In cap. 5 beschrieb er die erfolgreiche Missionierung der Friesen in Utrecht und Dorestad: jener Teil Frieslands, der seit jener Zeit unter dem nomen christianitatis bekannt gewesen ist (parte Fresoniae, quae tunc temporis christianitatis nomine censebatur ; 197.376). Diese Konnotierung konnte Liudger durchaus von seinem anderen Lehrer, Alkuin von York (gest. 804), haben, der seinerseits nomen christianitatis zur Auszeichnung wahrer Christen gegenüber falschen Christen verwendete. Alkuin nutzte zwar die Vokabel, aber nicht im Kontext der von ihm verfassten Viten.47 Wenn nun Liudger das Muster zur Beschreibung der Missionserfolge Gregors nutzte, dann ist dies wohl auf seine eigene Wortwahl zurückzuführen. Wie unterschiedlich der Einsatz der Vokabel innerhalb des Genres blieb, zeigt am besten die Vita der Äbtissin Bertila (gest. 702/04), die als Erste das von Königin Balthild gegründete Kloster Chelles leitete. Im Gegensatz zu anderen Viten, selbst jener für Balthild, kam christianitas hier ausdrücklich als Eigenschaft vor, als es hieß, dass die Äbtissin mit ihrer Frömmigkeit die Christlichkeit ihrer Brüder und Schwestern gefördert habe (christianitas fratrum sive sororum eius pietatis exemplo edificabatur ; 217.404). Dies ist insofern aufschlussreich, weil es die hochgebildete und ebenso verehrte Schwester Karls des Großen, Äbtissin Gisela (gest. 810), gewesen ist, die die Vita entweder in Auftrag gegeben oder selbst verfasst hat. Jene Gisela stand auch mit ihren Bruder und dessen Hof und mit Alkuin in engem Kontakt,48 sodass man annehmen darf, dass die

45 Hoc autem precauentes ut hoc non neglegantur, qua tunc omnem baptismum legitimum christianitatis nomine confirmatur. (196.374 – 375) 46 Vgl. Berschin, Karolingische Biographie, S. 41 – 48. Wood, Missionary Life, S. 107 – 112. Liudger schreibt weder Historiographie noch Hagiographie, sondern einen Sermo, wie er selbst schreibt, also eine Geschichte im Predigtstil, die Betrachtungen zu verschiedenen Themen nachgeht. Berschin nennt diesen Sermo »paulinisch geprägt«. 47 Zu Alkuins Wortgebrauch siehe Kapitel XI.1. 48 Vgl. Fleckenstein, (Art.) Gisela, Sp. 1464.

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Wortverwendung nicht allzu fern vom Wortverständnis und -gebrauch am Hof gewesen ist, was noch zu verfolgen sein wird. Allgemein wiesen die Viten einen sehr disparaten Gebrauch der Vokabel auf. Einerseits enthielten sie traditionelle Elemente wie christianitas als Eigenschaft, als Christennamen oder als christliche Religion. Andererseits wurden neue Kontexte bedient, indem über den Erfolg bzw. Misserfolg der Missionierung in Hessen oder aber in Friesland gesprochen wurde. Eine programmatische Erklärung zum Missionieren wie in der Utrechter Urkunde fand sich indessen nicht wieder, wenn man den Kommentar zum Antiphonar Emmerans außen vor lässt. Dies ist eher ein Beispiel dafür, dass die Sinnhaftigkeit und Anwendbarkeit einer Formulierung daran deutlich werden kann, dass sie wie selbstverständlich abseits von Feldern eingesetzt werden konnte, die – wie die Viten der heiligen Missionare – sehr viel besser dafür geeignet gewesen waren.49 Doch kamen gerade Beschreibungen des Missionierungsvorgangs oder eine Diskussion über die Art zu missionieren, so wie Alkuin es in seiner Vita Willibrordi getan hatte, ohne die Vokabel aus.50 Dieser Negativbefund ist aber nicht völlig ohne Aussagekraft. Erstens deckt er sich mit der These von Ian Wood, dass es nicht das Narrativ von der Missionierung oder Christianisierung gegeben habe, dass keine Vita Maßstäbe zu standardmäßigen Praktiken gesetzt habe, dass kein Missionar prototypisch gewesen sei, weil die Erzählungen von den Heiligen auf diese als eigenständige Persönlichkeiten fokussiert blieben und nicht Teil einer großen Erzählung von der Erfüllung des Missionsbefehls geworden seien.51 Eine solche Darstellung sollte erst Abbo von Saint-Germain in seiner Erzählung von der Ausbreitung des Glaubens in alle Weltteile liefern, und selbst diese war und blieb in ihrer Lexik und Form außergewöhnlich.52 Damit lenkt der Befund wieder zurück in Richtung Christianisierung als einem internen Prozess einer christlicher werdenden Gesellschaft. Das Wort christianitas diente zur Semantisierung der Glaubensvertiefung wie auch der Normenbefolgung zum Aufbau der christlichen Gemeinschaft, was sich an der Vita Bonifatii erkennen ließ. Schließlich haben die 49 Ein anderes Beispiel, das die Geläufigkeit der Vokabel an der Beiläufigkeit ihrer Verwendung erkennen lässt, bietet eine im Laufe des 9. Jahrhunderts verfasste Glosse zu den Gesta Dagoberti, in der der Kommentator ebenfalls von christianitas sprach (211.397). 50 Vgl. Wood, Ideas of Mission, S. 188 f. Ein anderes Beispiel ist die Art, wie in der Vita S. Sturmi deren Verfasser Eigil, Abt von Fulda, kurz vor 800 nicht nur seinen Vorgänger als Abt, sondern auch die Mission Karls bei den Sachsen beschrieb, die Sturm umzusetzen hatte. Vgl. Vita S. Sturmi (MGH SS 2), S. 366 – 377, bes. S. 376, wobei mit ad fidem Christi convertere, Christo adquirere und fidem Christi suscipere Christus in den Mittelpunkt der Mission gestellt wurde, was zu der allgemein sehr christozentrischen Theologie der Karolinger passt. 51 Vgl. Wood, Missionary Life, S. 265 f. 52 Abbo von Saint-Germain, 22 Predigten, Sermo 14, S. 133 – 146 (437.776 – 817).

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Eine Missionsvokabel?

wenigen christianitas-Stellen in den Viten aber auch gezeigt, dass durchaus mit dem Wort experimentiert wurde, um Situationen auf den Punkt bringen zu können, für die es offenbar noch keine Standardformulierungen gab. Vor diesem Problem standen auch die Verfasser der Annalen ab dem Ende des 8. Jahrhunderts, als sie die Zwangsbekehrung der Sachsen im Zuge der Unterwerfung durch Karl thematisierten.

3.

Die Bekehrung der Sachsen

In den Annalen ist bereits auf grammatikalischer Ebene ein Umschwung zu erkennen, da ihre Schreiber in Bezug auf die Unterwerfung und Missionierung der Sachsen dazu übergingen, christianitas als Akkusativobjekt zu verwenden und sich damit von vorangegangenen Verwendungsweisen abzusetzen. Sie machten es zudem sehr einheitlich, was darauf hindeutet, dass hier ziemlich rasch eine sprachliche Lösung zur Semantisierung eben dieser Zwangsbekehrung gefunden wurde. Jedoch darf man nicht einfach vom lexikalischen und syntaktischen Befund an sich Schlüsse ziehen; gerade hier ist Kontextualisierung besonders vonnöten. Die Auswertung der Annalen hat nämlich mit einigen quellenspezifischen Problemen zu kämpfen, weshalb grundsätzlich bei Fragen nach Datierung und Abhängigkeiten der Annalen untereinander Vorsicht geboten ist.53 Wahrscheinlich ist aber von einem christianitas-Gebrauch erst nach 788 auszugehen, als der erste Teil der sogenannten Annales Regni Francorum (ARF) verfasst wurde.54 Des Weiteren treten hier die um 803 verfassten Lorscher Annalen, die Annales Mettenses sowie die sogenannten Annales Benedicti Anianensis (ABA) auf.55 Die Einträge in den ABA sind Kopien der Lorscher Darstellung, während in die Annales Mettenses Auszüge aus den ARF übernommen wurden. Das ist an sich nicht verwunderlich, schließlich waren die sogenannten Reichsannalen dazu bestimmt gewesen, dem karolingischen Herrscherhaus eine Geschichte und Identität zu geben und diese möglichst weit zu verbreiten, weshalb diese am karolingischen Hof entstandene Geschichts53 Vgl. Collins, The ›Reviser‹ Revisited, McKitterick, Constructing, dies., Karl, S. 42 – 53; dies., Entstehung. Neue Perspektiven für eine Erforschung der karolingischen Annalistik schlägt Tischler, Kontext, S. 17 – 28 vor. Die von ihm avisierte Neuedition ist in höchstem Maße zu befürworten. 54 Der erste Teil der ARF wurde im Kreis der Hofkapelle Karls des Großen zwischen 788 und 793 geschrieben und ging zurück bis zum Tod Karl Martells 741. Für die Zeit zwischen 795 und 807 hingegen wurden die Einträge fortlaufend verfasst. Siehe Collins, Fredegar-Chroniken, S. 91. 55 Die ABA werden dem Chronicon Moissiacense vermutlich zugrunde gelegen haben, so Kettemann, Subsidia Anianensia, S. 522 f. Siehe hierzu auch den Kommentar in 187.336.

Die Bekehrung der Sachsen

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darstellung auch als »Art königliche Propaganda« bezeichnet wurde.56 Im Falle der ABA soll der spätere Klosterreformer Ludwigs des Frommen, Benedikt von Aniane (gest. 821) seinem Heimatkloster vom Hofe aus Nachrichten aus den Lorscher Annalen zugesandt haben.57 Aus diesen Abschriften ergibt sich erstens, dass vier Stellen doppelt vorkamen, zweitens, dass der Wortgebrauch keine Schwierigkeiten bereitete, die eine Umschreibung erfordert hätten, und drittens, dass der Wortgebrauch nachweislich auch außerhalb der jeweiligen AnnalesHandschriften Rezeption in anderen Schriften fand. Damit kommt diesen Textstellen bei der Frage nach der Verbreitung eines Wortgebrauchs ein sehr hoher Stellenwert zu. Hierzu ist auch die sogenannte Fortsetzung der Fredegarschronik mit einzubeziehen, da sie eine der Quellen für den ersten Teil der ARF gewesen ist.58 Zudem benutzte der Verfasser christianitas ebenfalls im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Sachsen. So hieß es zu den Jahren 747/48, dass ein starkes Heer der Franken die Sachsen bereits dermaßen bedrängt hätte, dass viele Sachsen darum gebeten hätten, ihnen die Sakramente des Christentums darzureichen (petierunt sibi christianitatis sacramenta conferre; 194.372). Die Rede von den christianitatis sacramenta legt nahe, dass die Sachsen sich taufen ließen. Damit wollte der Verfasser die Bereitschaft zum Religionswechsel als Zeichen der sächsischen Unterlegenheit und Unterwürfigkeit präsentieren. Die Darstellung war auf jeden Fall tendenziös, wie ein Abgleich mit den ARF ergibt, weil sie den Bruderkrieg zwischen Pippin III. und Grifo einfach durch die Erzählung einer erfolgreichen Strafexpedition zu den Sachsen ersetzte.59 Dahinter kann die Absicht gestanden haben, eine für Pippin wenig schmeichelhafte Angelegenheit durch eine allgemein gehaltene Geschichte auszutauschen, die die Macht des 56 Vgl. Eggert, Inhalt, S. 122 – 133; Schieffer, Zeit, S. 11; Goetz, Dynastiewechsel, S. 324, geht von 788 als Abfassungsdatum aus. McKitterick, Ideology, S. 164, dies., Constructing, S. 126; dies., Illusion, S. 1 – 20; Garipzanov, Symbolic Language, S. 275. Die identitätsstiftende und integrierende Wirkung der karolingischen Geschichtsdarstellung ist in der Forschung ausführlich diskutiert worden. 57 Vgl. Kettemann, Subsidia Anianensia, S. 526. 58 Collins, Fredegar-Chroniken, S. 82 f., sagt, dass diese Fortsetzung eigentlich ein eigenständiges Werk sei, das nur durch Krusch zu einem Anhängsel des sog. Fredegar gemacht wurde. Im Gegensatz zur Fredegarschronik ist die Fortsetzung wohl in einem Kloster und als Auftragswerk des Onkels von Pippin III., dem Grafen Childebrand (gest. nach 751) und danach unter dessen Sohn Nibelung entstanden. 59 Vgl. Annales Regni Francorum (MGH SS rer. Germ. 6), S. 4 – 8. Das Spannende sowohl an den Annalen als auch an der Fortsetzung des Fredegar ist gerade, dass ihre Verfasser »ihre« Geschichte sehr subjektiv und zielgerichtet auf die Glorifizierung der Karolinger hinschrieben, und sie damit mehr über Wahrnehmung, Instrumentalisierung und Repräsentation von Geschichte aussagen. Dies gelte in noch weit stärkerem Maße für die auf den Hof und die Aktualität ausgerichtete Geschichtsschreibung des 9. Jahrhunderts. Goetz, Vergangenheitswahrnehmung, S. 220 f. fordert indes ein, das historische Denken gegenüber den zeitgeschichtlichen Momenten dieser Geschichtsschreibung nicht zu unterschätzen.

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fränkischen Heeres und die Dominanz Pippins gegenüber Völkern am Rande seiner Herrschaft hervorhob. Außerdem erinnerte der Text an König Chlothar I. (511 – 561), der die Sachsen tributpflichtig gemacht haben soll. Somit wurde nicht nur Pippins Stärke verherrlicht, sondern auch das Verhältnis zwischen Franken und Sachsen bestimmt. Es soll nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafexpedition der Franken damit endete, dass einige Sachsen den christlichen Glauben annahmen.60 Plausibler scheint aber, dass die Situation zur Zeit der Abfassung des Textes mit in die geschichtliche Darstellung einfloss, dass also die Gegenwart in die Vergangenheit projiziert wurde, um die besondere Treulosigkeit der Sachsen zu demonstrieren und weitere Angriffe auf die Sachsen historisch zu legitimieren.61 Dies würde die Fortsetzung des Fredegar in zeitliche Nähe zu den Annalen bringen, zumal sich die Quellen thematisch wie lexikalisch überschneiden. Im selben Kontext nämlich benutzten die Schreiber der ARF die Vokabel christianitas, wie aus den Verwendungszusammenhängen in den ARF zum Jahr 777 hervorgeht. Das sich hier abzeichnende Muster wurde auch in den Lorscher Annalen zu 785, 792, 794 und 795 verwendet. Die folgende Gegenüberstellung zeigt Ähnlichkeiten zwischen den Annalen unter Einbeziehung der Textstelle in der Fortsetzung der Fredegarschronik. Auch hier war die Rede davon, dass die Sachsen den Glauben bereits angenommen hatten (1: fidem … promiserant), diesen aber nach ihrer Sitte verleugneten (2: a more consueto … mentire), sich den Franken aber unterwerfen mussten (3: subdare), rebellieren nicht möglich war (4: rebellare non posse) und sie deswegen nach den christlichen Sakramenten verlangten (5: christianitatis sacramenta conferre). All diese Elemente kamen in den Annalen vor, wie die Zuordnung per Ziffern zeigt, während die Buchstaben auf Erweiterungen des Wortfeldspektrums hinweisen:62 60 Die Annales Mettenses priores a. 747 (MGH SS rer. Germ. 10), S. 41, berichten davon, sind aber erst nach 804 in Chelles unter der Äbtissin Gisela, der Schwester Karls des Großen, verfasst worden. Es ist daher wahrscheinlicher, dass die Fortsetzung des Fredegar den Annalen zugrunde lag, so wie die ARF. Collins, Charlemagne, S. 47, hält allerdings daran fest, dass es bereits eine erfolgreiche Sachsenmission gegeben habe, weil Gregor III. die Angelsachsen dazu aufgefordert habe, die Mission des Bonifatius zu den Sachsen zu unterstützen. In diesem Zusammenhang wandte sich Bonifatius auch an Torthelm von Leicester mit der Bitte um Unterstützung, siehe Kapitel X.1, Anm. 15. Da diese Mission aber nicht erfolgreich war und Bonifatius sich mit den Reformkonzilien wieder der Kirchenreform in den 740ern zuwandte, halte ich die Annahme einer ersten erfolgreichen Sachsenmission für wenig wahrscheinlich. 61 Solche Konstruktionen der Vergangenheit wurden bereits hinsichtlich der Königswürde der Karolinger von McKitterick, Illusion, herausgearbeitet. Zur Treulosigkeit als Motiv der Annalistik siehe Lampen, Sachsenkriege, S. 271. 62 Die erste Spalte gibt an, welches Jahr in den Annales beschrieben wurde, die zweite Spalte gibt die Erstfassung wieder, die dritte die entsprechende Passage in der Weiterverwendung.

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Tabelle 8: christianitas in der Karolingischen Annalistik Jahr Erstfassung Weiterverwendung 777 195.373 Annales Regni Francorum Ibique multitudo Saxonum baptizati sunt (1) et secundum morem illorum omnem ingenuitatem et alodem manibus dulgtum fecerunt, si amplius inmutassent secundum malam consuetudinem (2) eorum, nisi conservarent in omnibus christianitatem (5) vel fidelitatem supradicti domni Caroli regis et filiorum eius vel Francorum. (a) 785

222.410 Annales Laureshamensis Placitumque habuit (b) ad Paderbrunnun cum Francis et Saxonibus; et tunc demum perrexit trans fluvium Wisaraha, et pervenit usque in Bardungawe. Cum que Saxones se illi dedissent (3), christianitatem quam pridem respuerant (2), iterum (c) recipiunt (5). Pace patrata nulloque rebellante (4), postea u rex rediit domum suam.

188.337 Chronicon Moissiacense/ABA Placitumque habuit ad partesbrunnanna cum francis et saxonibus, et tunc demum perrexit trans fluvium uuissara, et peruenit usque ad barduuuic. Cumque saxones se illi dedissent, christianitatem quam pridem respuerant iterum recipiunt; nulloque rebellante, postea rex rediit in domum suam.

792

222.411 Annales Laureshamensis quasi canis qui revertit ad vomitum suum (2), sic reversi sunt ad paganismum quem pridem respuerant, iterum relinquentes christianitatem, mentientes (2) tam Deo quam domno rege (a), qui eis multa beneficia prestetit, coniungentes se cum paganas gentes, qui in circuitu eorum erant (d).

188.382 Chronicon Moissiacense/ABA quasi kanis qui reuertitur ad uomitum suum, sic reuersi sunt ad paganismum quem primum respuerant; relinquentes iterum christianitatem coniungentes se cum paganis qui in circuitu eorum sunt.

794

222.412 Annales Laureshamensis Et rex inde iterum (c) perrexit in Saxonia, et Saxones venerunt ei obviam ad Aeresburg iterum promittentes christianitatem et iurantes (5/1), quod saepe fecerunt (2), et tunc rex credidit eis, et dedit eis presbiteros (e); et rex rediit in Francia, et resedit apud Aquis palatium.

188.383 Chronicon Moissiacense/ABA Et rex karolus inde iterum perrexit in saxonia et saxones uenerunt ei obuiam ad heresburg, promittentes iterum christianitatem, et iurantes quod sepe fecerunt, [] et dedit eis presbiteros et ipse rediit in Francia et [] sedit apud aquis palacium.

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((Fortsetzung)) Jahr Erstfassung 795 195.407 Annales Regni Francorum Audiens vero, quod Saxones more solito promissionem suam (2), quam de habenda christianitate et fide regis tenenda fecerant (5/a), irritam fecissent (2), cum exercitu in Saxoniam ingressus est (f) et usque ad fluvium Albim pervenit ad locum, qui dicitur Hliuni; in quo tunc Witzin Abodritorum rex a Saxonibus occisus est.

Weiterverwendung 224.414 Annales Mettenses Audiens vero, quod Saxones more solito promissionem suam, quam de habenda Christianitate et fide regis tenenda fecerant, irritam fecissent, cum exercitu in Saxoniam ingressus est et usque ad fluvium Albim pervenit, ad locum qui dicitur Hliuni

Die Annalen-Schreiber bedienten ähnliche Sinneinheiten, die schon in der Fortsetzung des Fredegar im semantischem Zusammenhang mit christianitas standen; die Schreiber weiteten das Feld der möglichen Aussagen aber auch aus. Im Vergleich zur Utrechter Urkunde (145.263 – 264) wird außerdem deutlich, dass neue syntaktische Fügungen wie christianitatem conservare, respuere, recipere, relinquere, promittere und habere verwendet wurden. In ihrer syntaktischen wie auch text- und sozialsemantischen Struktur weisen diese Formulierungen aber allesamt einen klaren Bezug zu derjenigen in der Utrechter Urkunde auf. Die direkte Verknüpfung von christianitas als Akkusativobjekt mit einem Verb wurde also immer geläufiger. Ein klösterliches Bittschreiben, das wohl aus derselben Zeit wie die Annalen stammt, enthielt eine solche Wendung sogar in direktem Zusammenhang mit der Figur des Königs. Die Bittsteller wandten sich an den König: Releva nos, piissime rex, qui paganos ad christianitate [sic] vocas; nos, qui sumus christiani, non dimittere in lapsum cecidere (183.331). Der Relativsatz »der Du die Heiden zum Christentum rufst« war nur scheinbar deskriptiv. Er folgte nämlich direkt auf die Anrede des »frommsten Königs« und konkretisierte, worin das piissimus bestand. Herrscherpreisung fiel mit Herrscherermahnung zusammen. Der König wurde an seine Pflichten erinnert, womit er zum Handeln im Sinne der Bittsteller bewogen werden sollte, die eben damit argumentierten, dass ein König, der die Verbreitung des Glaubens betreibe, sich auch um die Bedürfnisse der Christen selbst zu kümmern habe. Diese Textstelle ist nicht nur wegen des offenbar gesellschaftlich bekannten und akzeptierten Musters relevant, das in der Argumentation sichtbar wird. Das Bittschreiben fand außerdem Aufnahme in die Formulae Salicae Merkelinae, also in eine Formelsammlung aus der ersten Diese unterscheidet sich nicht wesentlich von der Erstfassung, sodass hier keine weiteren Elemente für den textuellen Vergleich herangezogen werden können. Dafür aber zeigt das Chronicon Moissiacense/ABA, dass selbst in der gerafften Darstellung die wesentlichen Elemente erhalten blieben und somit christianitas.

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Hälfte des 9. Jahrhunderts. Unabhängig davon, ob das Bittschreiben Aufnahme in die Sammlung fand, weil es erfolgreich war oder aber wegen besonders gelungener Formulierungen geschätzt wurde, lässt sich zumindest mit Gewissheit sagen, dass diese Formulierung für weitere Bittschreiben zur Verfügung stand und stehen sollte. Die behandelten Fälle zeigen an, dass Ausdrücke mit christianitas im Zusammenhang mit der Ausbreitung und der Annahme des Glaubens- und Normensystems Christentum geläufiger wurden. Dabei nahm die Komplexität der Syntax ab, indem nicht mehr Ausdrücke wie religio christianitatis wie bei Willibald oder lex christianitatis bei Zacharias genutzt wurden, sondern durch christianitas als direktes Objekt ersetzt wurden. Dies kann auf die aktive Verwendung einer angelernten Sprache hinweisen, die man nicht auf Muttersprachlerniveau beherrschte. Die Stellen in den ARF wie auch in den weiteren Annalen zeigen überdies, dass in klerikalen Kreisen und in der Nähe des Hofes dieser Ausdruck bekannt, vielleicht sogar üblich gewesen sein muss. Interessanterweise war es eher der Ausdruck christianitatis sacramenta in der Fortsetzung des Fredegar, der den Kopisten Verständnisschwierigkeiten bereitete. Die verschiedenen Handschriften weisen neben christianitatis auch häufiger christianitate und besonders christianitatem auf,63 was vielleicht nicht verwundert, wenn in denselben Handschriften die ARF angehängt wurden. Dies könnte erklären, warum der Genitiv durch den Akkusativ ersetzt wurde, und die Vermutung stärken, dass sich in diesem Kontext eine weitere feste Redeweise etablierte. Die entscheidende Veränderung im Wortgebrauch der Annalen und dem Bittschreiben gegenüber den bisherigen Quellen bestand darin, dass der König in das Umfeld von christianitas bzw. christianitas in das Handlungsfeld des Königs gerückt wurde. So schwörten die Sachsen dem König gegenüber Christlichkeit und Treue. Das Wortpaar christianitas vel fidelitas vermittelt, wie eng in den ARF diese beiden Eigenschaften miteinander verbunden und auf den König bezogen gedacht wurden (a: conservarent in omnibus christianitatem vel fidelitatem supradicti domni Caroli regis et filiorum eius vel Francorum; 195.373, und habenda christianitate et fide regis tenenda; 195.407).64 Die Wortwahl er63 Fredegarii et aliorum chronica (MGH SS rer. Merov. 2), S. 181; für die Handschriften S. 12: christianitatem (Gruppe 4b), christianitate und christianitatis (Gruppe 4c). Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 7 (MGH SS rer. Germ. 25), S. 10, schrieb, dass die Sachsen christianae fidei atqeu religionis sacramenta susciperent, was darauf hindeutet, dass ein hochversierter Literat den Bezug zwischen Sakramenten und dem Glaubens- und Kultsystem für die angemessenere Formulierung hielt. 64 Vgl. Annales Regni Francorum (MGH SS rer. Germ. 6), S. 96. Die ARF berichten wie die Lorscher Annalen (222.412) vom Sachsenfeldzug von 794, schreiben aber : quamvis fraudulenter et christianos se et fideles domno regi fore promiserunt. An der Personalnominali-

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klärt sich nicht nur aus der Betonung dieser beiden Eigenschaften, sondern auch aus der Vermeidung von Missverständnissen, die die Rede von der fides christiana und der fides regis vielleicht mit sich gebracht hätte.65 Nach den Lorscher Annalen zu 785 (222.410) wurde die Annahme des Glaubens als ein Akt der Unterwerfung gedeutet. Die weiteren im Satz auftretenden Sinneinheiten verstärkten die politische Dimension des Wortgebrauchs. Der doppelte Schwur von christianitas und fidelitas fand nach den ARF auf den königlichen (Gerichts-)Versammlungen in Paderborn 777 und 785 statt (b: placitum habita ad Paderbrunnum; 222.410), mithin auf einer politischen Bühne.66 Späteres Zuwiderhandeln wurde mit einem Heerzug nach Sachsen bestraft, was die politischen Konsequenzen des Aktes demonstriert (f: exercitu in Saxoniam ingressus est; 195.407). Gerade für die etwas späteren Lorscher Annalen, die nach Karls Kaiserkrönung verfasst worden waren, wurde christianitas dann zum Gradmesser für das Verhalten der Sachsen. Sie griffen den bereits in den ARF zu 795 formulierten Vorwurf der Treulosigkeit der Sachsen auf und bedienten das Schema, dass die Sachsen wiederholt wortbrüchig geworden seien (c: iterum; 222.411) und sich mit den heidnischen Völkern verbunden hätten (d: coniungentes se cum paganas gentes, qui in circuitu eorum erant; 222.411). Karl sei daher wiederholt nach Sachsen einmarschiert und habe ihnen nach einem neuerlichen Versprechen Priester gegeben (e: dedit eis presbiteros; 222.412). In der Ausdrucksweise der Annalen wie der Fortsetzung des Fredegar wurde demnach die Verankerung des Christenglaubens als Teil einer Herrschaftsstrategie semantisiert. Nicht die Mission unter fremden Nichtchristen, sondern das Herrschaftsverhältnis zwischen Karl dem Großen und den Sachsen stand im Mittelpunkt. Die Vokabel wurde nicht dazu verwendet, das christliche Gesetz auszubreiten, wie es bei Zacharias hieß, sondern um die Untreue und Widerständigkeit der Sachsen gegenüber dem Glauben und damit auch gegenüber ihrem neuen Herrscher zum Ausdruck zu bringen. Dass insbesondere die politische Beziehung von Unterordnung und Gefolgschaft im Vordergrund stand und nicht etwa die Ausweitung einer Christenheit, lässt sich auch daran ersierung wird deutlich, dass auch hier die Eigenschaften Christlichkeit und Treue thematisiert wurden. 65 Was hier nicht zu leisten ist, aber sicherlich interessant für das Wechselspiel von Semantik und Gesellschaft sein kann, wäre die Klärung der Frage, ob das Reden von fides als wesentliches Element der Herrschaft dazu führte, dass von fides christiana/christianitatis abgelassen wurde oder aber mit der Polysemie von fides operiert wurde, um die Anhängerschaft Christi mit derjenigen des Königs gleichzusetzen. 66 Springer, Sachsen, S. 184, betont, dass Karl die Sachsen 777 schwören ließ, um eine Rechtsgrundlage für spätere Verstöße zu haben. Es erscheint mir aber fraglich, ob es – so wie Springer es darstellt – Karl selbst veranlasst hat, dass sich der Verfasser der Annalen an der Rechtssprache orientierte.

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kennen, wie die Bekehrung der Sachsen sonst beschrieben wurde. Der Fuldaer Abt Eigil verfasste zu Beginn des 9. Jahrhunderts die Vita Sturmi für den von Karl mit der Christianisierung der Sachsen beauftragen ersten Abt von Fulda, Sturmi (sed. 744 – 779). Darin stand auch sprachlich die fides Christi – als der Bezug zu Christus selbst – im Vordergrund und nicht die Abhängigkeit von Karl.67 In den Annalen flossen Deutungsschemata in der Erzählung ein, die sie vorstrukturierten; die daraus resultierende Darstellung wiederum prägte das Bild der Gesellschaft, weil diese Geschichten so weite Verbreitung fanden. Diese Wissensrahmen in Bezug auf die Sachsen, die Herrschaft und das Christentum prägten den Wortgebrauch und wurden von ihm geprägt. Drei Punkte sind zu vergegenwärtigen, um zu verstehen, warum von christianitas erst für die Zeit ab 777 die Rede war und warum die Annalisten insbesondere die Treulosigkeit und den Abfall vom Christentum der Sachsen hervorhoben. Erstens handelte es sich bei »den Sachsen« nur um ein erzählerisches und gedankliches Konstrukt. Karl sah sich nicht mit einem Stamm, sondern mit einer Anzahl von Bevölkerungen zwischen Rhein und Elbe konfrontiert, die dem Franken immer wieder Widerstand leisteten. »Die Sachsen« waren eine ebenso imaginierte Einheit wie es »die Franken« waren.68 Zweitens waren diese unterschiedlichen Bevölkerungen nicht in gleicher Weise wie die Franken organisiert. Daher wird in der Forschung der Vorwurf der Untreue als ein Zeichen für das Unverständnis der Franken gegenüber dem sächsischen Verhalten gedeutet. Untreue setzte Treue gegenüber einem König an der Spitze des Verbandes voraus, was aber als Organisationsstruktur bei »den Sachsen« gar nicht existierte.69 Drittens beruht die Verwendung von christianitas auf einem spezifisch christlichen Herrschaftsverständnis 67 Vgl. oben Anm. 51. 68 Vgl. Wenskus, Stammesbildung; ders., Sachsen, S. 483 – 545; Lampen, Sachsenkriege, S. 271. Zu den »Franken«, siehe McKitterick, Constructing, S. 127: »The Royal Frankish Annalist, therefore, created a far more comprehensive idea of Frankish identity than had ever been used before and a notion of the gens Francorum specifically associated with the Carolingian mayors and king.« Nelson, Frankish Identity, S. 83, hat darauf aufmerksam gemacht, dass wir wohl immer Schwierigkeiten haben werden nachzuvollziehen, was als Fränkisch-Sein unter Karls Herrschaft von den »Franken« verstanden wurde. 69 Vgl. Lampen, Sachsenkriege, S. 271; Springer, Sachsen, S. 260. Zu dem Problem der Franken mit königlosen Gesellschaften siehe Fried, Normannenherrscher, S. 73 – 82, wobei sich ernsthaft die Frage stellt, warum die Franken sich nicht auf dieses Problem einzustellen vermochten, wenn sie über dreißig Jahre genau deswegen mit den Sachsen solche Schwierigkeiten hatten, und wenn sie in der Zwischenzeit sächsische Adlige und Anführer zum Christentum geführt hatten. Kann sich Karl mit seinem Patenkind Widukind nicht über die Sachsen und ihre Form der Herrschaft unterhalten haben? Es wäre ja ein Zeichen für das Versagen eines kollektiven Gedächtnisses, wenn die Franken mit den Normannen nicht umgehen konnten, nur weil sie ebenso wenig von einem König geführt wurden wie die Sachsen und Awaren.

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Karls, das insbesondere in seinem Strategiewechsel im Kampf mit den Sachsen und in dessen Darstellung sichtbar wurde. Um dies nachvollziehen zu können, ist ein Blick auf den Verlauf der Sachsenkriege zu werfen, der zwangsläufig auf den Annalen aufbauen und deshalb die erzählerische Überformung durch die Annalisten im Blick behalten muss. Vor Karl hatten die Franken immer wieder Tribute von den Sachsen verlangt, um damit ihre Überlegenheit zu demonstrieren, aber auch um ihre eigenen Leute vor sächsischen Überfällen zu schützen.70 Als Karl 772 das erste Mal gegen die Sachsen zog, wollte er wohl sein Heer für den Angriff auf den Langobardenkönig Desiderius vorbereiten und seine Kriegskasse füllen.71 An der losen Abhängigkeit der Sachsen von den Franken wollte er eigentlich nichts ändern. Dies folgte dann aber ab 775 (oder spätestens 779),72 als er dazu überging, auf die Reaktionen der Sachsen mit äußerster Gewalt gegenüber Menschen und Kultstätten der Sachsen vorzugehen, um das Heidentum der Sachsen zu treffen.73 Als der Annalist der ARF um 790 auf das Jahr 777 zurückblickte, erzählte er davon, dass sich sehr viele Sachsen auf der ersten fränkischen Versammlung in Sachsen taufen ließen, ihr Eigentum und sich selbst dem König als Pfand für den Fall anboten, dass sie in üble Gewohnheit zurückfielen, das Christentum und die Treue zum Herrn König Karl, seinen Söhnen oder den Franken nicht bewahrten (195.373). Für den Annalisten ist daher, so Ulrich Nonn, zu diesem Zeitpunkt die erste Phase der Sachsenkriege zu Ende gegangen. Karl hatte seine ursprüngliche Politik gegenüber den Sachsen aufgegeben, und fortan galten die Sachsen offiziell als Christen.74 War die Christianisierung anfangs wirklich nur zweitrangig gewesen, änderte sich dies von nun an. Karl befahl Massentaufen und sah im Rückfall zu alten Glaubenspraktiken Hochverrat, weshalb er wohl 782 nicht nur eine besonders große Zahl an Personen hinrichten ließ, sondern auch jegliches Abweichen von christlichen Normen in der Capitulatio de partibus Saxoniae von 782 unter

70 Vgl. Reuter, Charlemagne, S. 187 f.; Collins, Charlemagne, S. 44. 71 Einen Überblick vermitteln Lampen, Sachsenkriege, S. 264 – 272, und Nonn, Zwangsmission, S. 55 – 74. Collins, Charlemagne, S. 47 sieht Karl 772 ebenfalls in der Rolle des Aggressors. Einhard musste feststellen, dass kein anderer Krieg langwieriger, grausamer und anstrengender gewesen sei als der sächsische, dessen Dauer er mit 33 Kriegsjahren angab. Vgl. Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 7 u. 8 (MGH SS rer. Ger. 25), S. 9 – 11. 72 Schieffer, Einheit, S. 58, favorisiert das spätere Datum; für Becher, Karl, S. 58 f., hat Karl den Politikwechsel bereits 775 vollzogen. McKitterick, Karl, S. 265, hat zu Recht die Frage gestellt, inwieweit Karl der Große von Beginn vorhatte, die verschiedenen Völker unter seiner Herrschaft so zu vereinen, dass gemeinsame Strukturen, Moralvorstellungen und religiöse Überzeugen vereinheitlicht wurden. 73 Vgl. Reuter, Charlemagne, S. 187 f. 74 Vgl. Nonn, Zwangsmission, S. 62. Eine ausführliche Darstellung zu den Phasen der Sachsenkriege bietet Springer, Sachsen, S. 178 – 210.

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Todesstrafe stellte (184.332).75 Unterwerfung, Christianisierung, administrative Integration und ›Frankisierung‹, so Hans-Werner Goetz, gingen danach Hand in Hand. Aus der Einzelmission einiger Kirchenmänner wurde eine herrschaftliche Mission, die dazu führte, dass auch die Bischöfe wie Liudger von Karl ins Missionsgebiet entsandt wurden.76 Karl verfolgte eine Doppelstrategie, die bereits die Zeitgenossen erkannt haben, die aus Unterwerfung und Integration bestand. Seinen Widersacher Widukind konnte Karl nach seinem Sieg 785 überzeugen, das Christentum anzunehmen, womit Karl den Sachsen wiederum zu verstehen gab, dass sie von diesem Schritt in hohem Maße profitieren konnten.77 Mit diesem Jahr wird gemeinhin das Ende der zweiten Phase der Sachsenkriege ausgemacht.78 Nach mehreren Jahren der Ruhe flammten 792 neue Widerstände in Nordelbien und Ostfriesland gegen die Franken auf, was dann in besonderem Maße in den Annalen seinen Niederschlag gefunden hat, wie auch an der Auflistung zu erkennen ist. Gerade aus der Verwendung in den Lorscher Annalen ergeben sich noch drei weitere interessante Beobachtungen. Dieser Annalist kannte offensichtlich den Gebrauch in den ARF und führte ihn in diesem Sinne an anderen Stellen fort, was für die Plausibilität dieser Verwendungsweise spricht. Indem er zweitens die Vokabel auf dieselbe Weise benutzte, wurde die semantische Rolle von christianitas als ein Faktor in der Etablierung der von Karl anvisierten christlichen Herrschaft weitergetragen und verfestigt. Drittens betraf die Rede von christianitas nur die Sachsen, nicht die Awaren, gegen die Karl der Große zwischen 788 und 796 Krieg geführt hatte, der ebenfalls mit der Unterwerfung und Missionierung der Awaren endete. Dies muss dem Verfasser um 803 auf jeden Fall bekannt gewesen sein, doch schrieb er z. B. zu 792, dass die Sachsen zum Heidentum zurückgekehrt seien und damit das Christentum verlassen und Gott wie auch den Herren König verleugnet hätten, weil sie glaubten, dass sich das Volk der Awaren von den Christen befreit habe.79 Eine mögliche Erklärung dafür, dass nicht über die christianitas der Awaren gesprochen wurde, mag darin liegen, 75 Zur Capitulatio siehe auch Kapitel XI.2. 76 Vgl. Goetz, Europa, S. 212; Röckelein, Eliten, S. 276 – 283, zur Mission Willehads und Liudgers. 77 Vgl. Lampen, Sachsenkriege, S. 271. Zu Karls erzwungener Missionierung siehe von Padberg, Inszenierung, S. 244 – 315; Nonn, Zwangsmission; Angenendt, Kirche, S. 114 f. Die der Wort-Religion so wichtige Predigt verkehrte sich zur »Predigt ohne Worte«, zur »Tatmission«. 78 Was mit der Feststellung der ARF zu 785 zusammenhängt, dass nun ganz Sachsen unterworfen sei, vgl. Annales Regni Francorum (MGH SS rer. Germ. 6), S. 70. 79 […] Saxones, aestimantes quod Avarorum gens se vindicare super christianos debuisset, hoc quod in corde eorum dudum iam antea latebat, manifestissime ostenderunt: quasi canis qui revertit ad vomitum suum, sic reversi sunt ad paganismum quem pridem respuerant, iterum relinquentes christianitatem, mentientes tam Deo quam domno rege […], (222.411).

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dass der Annalist zu 792 richtigerweise davon ausging, dass die Awaren Karl zu diesem Zeitpunkt noch nicht unterstanden, dass sie also noch nicht Teil des populus christianus geworden waren, womit es auch keinen Grund gab, von ihrer christianitas zu sprechen. Im sächsischen Falle sprach der Annalist der ARF ja auch erst zu dem Zeitpunkt von der christianitas der Sachsen, als diese aus der Sicht des Annalisten als Untergebene Karls und damit als Teil des populus christianus galten, nämlich 777. Der Wortgebrauch in den Annalen zeigt damit auch an, dass christianitas auf keinen Fall synonym zu populus christianus stand, sondern entweder die Religion oder das Christsein meinte. Die Vokabel diente auch nicht für die Heranführung an den Glauben, noch wurde damit thematisiert, welche christlichen Normen überhaupt mit Schwur und Taufe verbunden waren. Darauf kam es den Annalisten nicht an: Sie interessierte allein das politische Verhältnis zwischen den Sachsen und Karl. Damit hatten die Verfasser der Annalen sich in ihrem Wortgebrauch sehr weit vom päpstlichen Wortgebrauch entfernt, der noch fünfzig Jahre zuvor in den Norden vermittelt worden war. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Quellen lässt sich zumindest vermuten, dass die Annalisten im Sprachgebrauch einen eigenen Weg einschlugen, der in der Kommunikation zwischen Karl und Papst Hadrian I. nicht verwendet wurde. Dem Papst wurde nämlich 785 die Taufe Widukinds und vieler anderer Sachsen durch einen Abt Andreas mitgeteilt, der Karl daraufhin schriftlich gratulierte und drei Tage des Gebets für die apostolische Kirche anordnete. Bei dieser Gelegenheit war nur von der Taufe (gentem Saxonum ad sacrum deduxistis baptismatis fontem) die Rede, nicht von christianitas.80 In einem zweiten Brief gab Hadrian dann die erbetenen Ratschläge, wie mit jenen Sachsen umzugehen sei, die Christen waren, sich aber wieder dem Heidentum zugewandt hätten: qui christiani fuerunt et ad paganismum reversi sunt. Aus Sicht der Annalisten hätte hier auch christianitatem relinquere stehen können, Hadrian blieb in dem Brief aber bei fidem christianitatis.81 In der Hadriansvita heißt es bezeichnenderweise wieder in Bezug auf die Sachsenbekehrung, dass Karl der Große die Provinz Westfalen zum christlichen Glauben bekehrt hatte (ad fidem christianitatis convertit; 201.385). Die Formulierung scheint nur auf den ersten Blick identisch mit ad christianitatem convertere, hat aber einen anderen Klang und andere Konnotationen. Der Montecassiner Mönch Paulus Diaconus hatte ebenfalls von fides christianitatis gesprochen, als er in seiner Historia Romana den Kaiser Valentinian als Nachfolger Julians beschrieb (170.307). Schließlich 80 Vgl. Codex Carolinus, ep. 76 (MGH Epp. 3), S. 607 f. 81 Vgl. Codex Carolinus, ep. 77 (MGH Epp. 3), S. 609. Hierbei handelte es sich um die bereits erwähnte Verschreibung von christianitat-Is (Gen. Sg.) zu christianitat-Es (Nom./Akk, Pl.), was syntaktisch und semantisch sinnlos ist.

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zeigt auch der Brief Leos III. an die bayerischen Bischöfe, dass der etablierte Gebrauch beibehalten wurde. Das hieß vor allem, dass christianitas in Rom weiterhin als Genitivattribut und nicht als Akkusativobjekt fungierte. Ein Nachhall des Wortgebrauchs im Zusammenhang mit der Christianisierung der Sachsen findet sich in einem Bittbrief eines sächsischen Adligen an Ludwig den Frommen aus dessen ersten Kaiserjahren. Darin bat der Sachse den Kaiser, er möge ihm und seiner Schwester das väterliche Erbe wiederherstellen.82 Er begründete sein Anliegen damit, dass der Vater und der Onkel in Karls Diensten gestanden hätten, als die heidnischen Sachsen wieder wegen der christlichen Sache (causa christianitatis) in Wut geraten seien und ihnen alles entrissen hätten. Doch die Heiden hätten feststellen müssen, dass die Christen ihren christlichen Glauben (in fide christianitatis) keineswegs aufgaben. Später sei der Onkel auf Befehl des Kaisers Karl auf einer Gesandtschaftsreise jenseits der Elbe mit allen anderen Gesandten zusammen ermordet worden, die für die Stabilität des christlichen Glaubens (propter christianitatis stabilimentum) unterwegs gewesen seien. Diese Quelle lässt breiten Raum für Interpretationen. Auf jeden Fall zeigt sie an, dass wer auch immer den Brief verfasste, nicht zu Ausdrücken wie christiana religio oder fides christiana griff. Zu Beginn der Herrschaft Ludwigs des Frommen hatte die Vokabel bereits einen weiten Weg vom Gebrauch durch Zacharias und die Utrechter Kleriker zurückgelegt und war nunmehr in der direkten politischen Kommunikation angekommen. Hier wie auch in den Annalen funktionierte die Vokabel als ein Signalwort, um einen Wissensrahmen zu evozieren, der die karolingische, christliche Herrschaftsauffassung enthielt. Gleichzeitig trug jede Verwendung von christianitas als ein solches Signalwort dazu bei, diesen Wissensrahmen und die Auffassungen zu kommunizieren, semantisch anzureichern und zu verfestigen. Da christianitas weiterhin als christlicher Glaube, christliche Religion oder als persönliches Christentum Verwendung fand, blieben die Kernaspekte der Bedeutung weitgehend unverändert. Was sich aber veränderte, war der Bezugsrahmen. Die enge Verbindung zwischen christianitas-Gebrauch und karolingischer Herrschaftskonzeption ab den späten 780er-Jahren in den herrschernahen, historiographischen Schriften ist an sich nicht überraschend. Schließlich steht völlig außer Frage, dass Karl der Große seine Königswürde als von Gott gegeben erachtete und seine Aufgabe darin sah, das christliche Volk zu regieren.83 Sie führt aber zu der Frage, ob auch anderweitig die Herrschaft Karls mit christianitas in Verbindung gebracht wurde. Auffälligerweise blieb diese Verwendung zeit- und themengebunden. Darüber hinaus wurden keine politischen Relatio82 Vgl. Epistolae Variorum, ep. 2 (MGH Epp. 5), S. 300 f. (232.423 – 425). 83 Vgl. Brown, Entstehung, S. 320; von Padberg, Christianisierung, S. 89; Costambeys/Innes/ MacLean, Carolingian World, S. 320; de Jong, Ecclesia, S. 132.

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nen zwischen einem karolingischen Herrscher und seinen verschiedenen Gefolgsleuten bzw. Völkern mithilfe der Vokabel thematisiert. In den späteren Annalen kam christianitas erst wieder 839 auf, als die westfränkischen Annalen von Saint-Bertin berichteten, dass ein gewisser Diakon Bodo zum Judentum konvertiert sei (relicta christianitate ad iudaismum sese converterit; 264.487). Die Ausdrucksform gegenüber den frühen Annalen hatte sich deutlich verändert: In dieser Episode spielte der König keine Rolle. Stattdessen wird ein Antagonismus zwischen christianitas und iudaismus sichtbar, der bereits in der Spätantike existiert hat. Die Ausführlichkeit dieser Erzählung lässt die Aufregung erahnen, die diese Konversion hervorgerufen hat. Darüber hinaus lässt sich ersehen, dass der Grundgedanke von der Christlichkeit als ein Merkmal der karolingischen politischen Gemeinschaft weiterhin existierte. Doch hatte dies zwischenzeitlich andere Formen angenommen, sodass die frühere Sprechweise von fides et christianitas nicht mehr brauchbar schien, weder für die Wortgeschichte der christianitas noch für die Konzeption von karolingischer Herrschaft. Die Vokabel sollte auf andere Weise zur politischen Kommunikation beitragen.84

84 Ausblickend sei auf die Schriften von Jonas von Orl¦ans und Hinkmar von Reims verwiesen: Vgl. Jonas von Orl¦ans, De institutione laicali libri tres, PL 106, 121D – 278B, hier 160D – 161A, 126A – 162C, 163C – 163D, 164A – 164B, 215C – 215D, 231A – 231B; das Pariser Konzil von 829 Nr. 50 Concilium Parisiense, cap. 50, 60, 61, in: Concilia Aevi Karolini 2,2 (MGH Conc. 2,2), S. 605 – 680, hier S. 643 f., S. 656 – 658; und sein De munere regio (257.472 – 475). Zu Hinkmar sind seine Fortsetzung der Annalen von Saint-Bertin (MGH SS rer. Germ. 5), die von ihm mitverfassten Konzilstexte, z. B. Nr. 41 Quierzy 858, in: Konzilien der karolingischen Teilreiche 843 – 859 (MGH Conc. 3), S. 403 – 427, hier S. 414, S. 420 f. und weitere in der online gestellten Synopsis aufgeführte Schriften zu berücksichtigen.

XI.

Eine karolingische christianitas?

Das letzte Kapitel kam bereits zu dem Ergebnis, dass der Wortgebrauch der Annalenschreiber den Bedürfnissen der Zeit angepasst wurde und christianitas im Sinne »Christentum« und »christliche Tugend« als Ausdrucksmittel der Herrschaftsbeziehungen zwischen Karl dem Großen und den Sachsen funktionierte. Damit ist schon eine Antwort auf die in Kapitel VIII.1 aufgeworfenen Fragen gegeben, inwieweit nämlich die Menschen in der Karolingerzeit das spätantike Erbe übernahmen und veränderten. Im Zusammenhang mit den Annalen ließ sich ein typisch karolingischer Wortgebrauch der christianitas erkennen. Allerdings ist noch zu prüfen, ob auch anderweitig Herrschaftskonzeptionen oder -praktiken mit der Vokabel semantisiert wurden. Hierzu sind Aussagen Cathwulfs und Alkuins heranzuziehen wie auch die Herrschaftspraxis in Form von Kapitularien und Konzilsbeschlüssen einzubeziehen. Bei dieser Fragestellung soll von vornherein berücksichtigt werden, dass es nur möglich ist, die schriftsprachliche Rolle der Vokabel für politisches Handeln zu untersuchen, während der mündliche Anteil am politischen Handeln auf diese Weise nicht erfasst werden kann.1 Das Spektrum des Wortgebrauchs geht in der Zeit zwischen 790 und 814 weit über die Annalen hinaus, sodass auch noch weitere Verwendungssituationen 1 Vgl. Fried, Mittelalter, S. 59, der für die reale Macht der Karolinger betont, dass sie von Freunden und Verwandten abhängig war, dass sie eine eigene Sprache aus Zeichen, Gesten und personalen Konstellationen hervorbrachte, die maßgeblich von einem situativen Denken geprägt gewesen ist. Wenn diese symbolische Sprache keine Artefakte (wie Münzen, Siegel etc.) produziert hat, wird es aber unmöglich, eine rein performante Sprache zu ergründen. Siehe auch Garipzanov, Symbolic Language, S. 289 f. und Rüdiger, Charlemagne, der besonders die Mündlichkeit sprachlichen politischen Handelns betont. Damit weist er aber auch die Grenzen einer quellenbasierten Semantik zur verschriftlichten politischen Sprache auf. Diese wird allerdings im Gegensatz zur mündlichen Sprache archiviert, später rezipiert und als Argument in späteren Auseinandersetzungen herangezogen, weshalb sie auch weiterhin einen zentralen Gegenstand der Erforschung politischer Sprache darstellt, wie man an den Diskussionen um potestas und auctoritas sehen kann, die Jahrhunderte nach Gelasius geführt wurden und die überhaupt erst aus der gelasianischen Argumentation die Zweischwerterlehre machten.

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Eine karolingische christianitas?

herangezogen werden müssen, um Aussagen darüber treffen zu können, ob sich aufgrund der veränderten politischen, sozialen und sprachlichen Situation neue Gebrauchsmuster ergeben haben und wie weit diese dann Verbreitung gefunden haben. Damit verbunden ist auch die Frage, inwieweit bereits die Karolinger um 800 die Idee »Christenheit« entwickelt hatten und wie verbreitet und repräsentativ diese Idee möglicherweise gewesen sein kann, womit zum Schluss auf den Wortgebrauch Angilberts von Saint-Riquier im Vergleich zu anderen Verwendungsweisen eingegangen werden soll.

1.

christianitatis imperium – ein halber Versuch

Wie christianitas mit Herrschaftskonzeptionen in Zusammenhang gebracht wurde, lässt sich nur an den Schriften von Cathwulf und Alkuin von York ergründen. In anderen Zusammenhängen, z. B. bei der Legitimation der Kaiserwürde Karls, kam christianitas überhaupt nicht vor. Weder sein Kaisertum noch die Herrschaft oder das beherrschte Gebiet wurden mit der Vokabel in Verbindung gebracht.2 Auch in Bezug auf das Königtum spielte christianitas nur eine untergeordnete Rolle, wie man am ersten »Fürstenspiegel« für Karl erkennen kann. Der angelsächsische Mönch Cathwulf hatte 775 im Königskloster Saint-Denis einen Brief verfasst, in dem er für Karl den Großen ein ideales Königtum nach irischalttestamentarischem Vorbild entwarf und es mit der Zahlenmystik für den Neubau der Basilika von Saint-Denis verknüpfte.3 Vermutlich zielte der Brief in seinem ebenso verherrlichenden wie paränetischen Ton darauf ab, den König für eine weitere Unterstützung des für die Frankenkönige so wichtigen Klosters Saint-Denis zu gewinnen. Nach Karls Sieg über Desiderius 774 machte sich Cathwulf daran, acht Gründe für Karls Herrschaft aufzuzählen, um daran anschließend dem König Ratschläge für gutes, christliches Herrschen zu erteilen. Die folgende Passage bietet Aufschluss über Herrschaftskonzeptionen, die an Karl herangetragen wurden und die er auch so verstanden und umgesetzt hat, wenn man seine Haltung gegenüber den Päpsten und seine christlich inspirierte 2 Eine Möglichkeit zur Verwendung hätte mit der Kaiserwürde sehr wohl bestanden, doch scheint auch hier das spätantike Erbe nachzuwirken, da sich das Reden über die kaiserliche Christlichkeit mittels christianitas nicht durchsetzen konnte, was in den Kapitel V u. VI vorkam. Da die nomen-res-Theorie – hierzu überblicksartig Busch, Herrschaften, S. 79 f. – mit derselben Logik wie das nomen christianitatis arbeitete, hätte zumindest in dieser Hinsicht eine Anknüpfung erfolgen können, aber auch diese unterblieb. 3 Vgl. Story, Cathwulf, S. 21; Garrison, Letters; Anton, Königsvorstellungen, S. 270 – 330. Zu der im Folgenden zitierten Stelle siehe auch Rich¦, Christentum, S. 686 f. Die Wertung des Briefs als Fürstenspiegel beruht auf der in Anton, Fürstenspiegel, S. 3 f., gegebenen Definition.

christianitatis imperium – ein halber Versuch

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gesetzgeberische Tätigkeit ebenso berücksichtigt wie die Anrede Karls als David durch Alkuin in dessen Briefen an den Herrscher.4 Memor esto ergo semper, rex mi, Dei regis tui cum timore et amore, quod tu es in vice illius super omnia membra eius custodire et regere, et rationem reddere in die iudicii, etiam per te. Et episcopus est in secundo loco, in vice Christi tantum est. Ergo considerate inter vos diligenter legem Dei constituere super populum Dei, quod Deus tuus dixit tibi, cuius vicem tenes, in psalmo: ›Et nunc reges intellegite‹ et reliqua; item: ›Servite Domino in timore‹ et reliqua; item: ›Adprehendite disciplinam, ne quando irascatur Dominus‹ et reliqua. Exempla perplurima sunt, ut legem exaltetis. Primum pauca vobis scribo, sicut canones promunt et totius christianitatis lex continet per Dei mandatum. Post fidem Dei et amorem et timorem, ut sepius habeas enchyridion, quod est librum manualem, legem Dei tui scriptum in manibus tuis; ut legas illum omnibus diebus vite tue, ut tu sis in sapientia divina et secularibus litteris inbutus, sicut David et Salomon et ceteri reges fuerunt (181.329). »Sei also immer eingedenk, mein König, dass Du für Deinen Gott mit Furcht und Liebe regierst, dass Du an seiner Statt über alle seine Glieder wachst und regierst, und am Tag des Gerichts zu verantworten hast, auch durch Dich. Und der Bischof ist nur an zweiter Stelle, allein als Vertretung Christi. Also bedenkt sorgsam unter Euch, das Gesetz Gottes über das Volk Gottes zu errichten, das Dein Gott das Deine nennt, und dessen Los Du hältst, im Psalm [2,10 – 12]: ›Und nun König, seid verständig‹ usw., ebenso ›Dienet dem Herr in Furcht‹ usw., ebenso ›Lernet zu dienen, damit der Herr sich nicht erzürnt‹ usw. Die Beispiele sind unzählig, dass Ihr das Gesetz verherrlichen sollt. Zuerst schreibe ich Euch das Wenige, wie es die Kanones offenbaren und wie es das Gesetz ganzer Christlichkeit enthält nach dem Gebot Gottes. Gemäß dem Glauben an Gott, aus Liebe und Furcht, dass Du häufig das Enchiridion, das ist das Handbuch mit dem Gesetz Gottes, in Deinen Händen habest; dass Du darin jeden Tag in Deinem Leben liest, und dass Du in göttlicher Weisheit und weltlichem Wissen erfahren seist, so wie es David und Salomon und die anderen Könige gewesen waren.«

In diesem Stück frühmittelalterlicher politischer Theorie stand totius christianitatis als Genitivattribut zum Gesetz, das aufgrund des Kontextes eindeutig als Gesetz Gottes zu verstehen war. Denn es bezog sich auf das alttestamentarische, von Gott eingerichtete Königtum, wie an Psalm 2,10 – 12 zu erkennen. Aufgrund des Zusatzes »per Dei mandatum« schien es Cathwulf wohl stilistisch unpassend, sowohl das mandatum als auch die lex mit Dei zu attribuieren, weshalb er einen äquivalenten Ausdruck verwendete. Aus der Spätantike war das christliche Gesetz bekannt, obschon es sich eher auf das neutestamentarische Gesetz der

4 Vgl. Alkuin, Epistolae (MGH Epp. 4), S. 1 – 481. Collins, Early Medieval Europe, S. 308 sagt, dass Alkuin diese unter den Merowingern bereits bekannte Zuschreibung Davids nicht erfunden, aber sehr viel elaborierter angewendet habe. Zu Karls Herrschaftsauffassung von Padberg, Christianisierung, S. 89. In der Admonitio generalis wurde Karl zudem mit König Josua gleichgesetzt. Vgl. Rich¦, Christentum, S. 686 f.

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Eine karolingische christianitas?

Nächstenliebe bezog.5 Der Zusatz totius (»ganz« im Genitiv) spricht zwar gegen den adjektivischen Gebrauch. Im Zusammenhang mit den Kanones, der heiligen Schriften als Gesetz6 und der Rolle Gottes als Gesetzgeber scheint es an dieser Stelle aber ausgeschlossen, in christianitas mehr zu sehen als einen Ausdruck für den christlichen Glauben oder das Christentum, dessen Bedeutung sich durch die Betonung seiner Integralität mittels totius schließlich auch noch sprachlich steigern ließ. Wichtiger aber ist die Stellung des Wortes im politischen Entwurf Cathwulfs. König Karl habe die Regentschaft von Gott selbst erhalten und sollte für diesen über dessen Volk, das nun das seine war, herrschen und sich für die Herrschaft später vor Gott verantworten.7 Die Kirche als Institution wurde ausdrücklich aus dem Entwurf ausgenommen, wie der Hinweis auf die nachgeordnete Stelle des Bischofs zeigt. In ekklesiologisch-politischen Entwürfen aus der Zeit um 830 wurden dagegen die Bischöfe und Geistlichen viel intensiver einbezogen und die Kirche/ecclesia zum Gegenstand des politischen Handelns erhoben.8 Die lex Dei war der Maßstab für richtiges Herrscherhandeln. Die Vokabel christianitas diente in diesem Entwurf dazu, das Recht Gottes als Grundlage für richtiges Herrschen besonders hervorzuheben. Sie bezog sich weder auf das politische Gemeinwesen noch auf den Herrscher und dessen Christlichkeit, obwohl gerade dies der Anrede vestra christianitas zugrunde gelegen hatte und obwohl die Christlichkeit des Herrschers das Fundament für dieses Modell bildete. Dahinter kann ein grundsätzlicher Unterschied stehen: Die Christlichkeit der spätantiken Kaiser konnte ein Feld politischer Kommunikation für sich sein; im Falle Karls aber war die persönliche Eigenschaft des Herrschers mit einer christlichen Aufgabe verknüpft. Er hatte sich um das christliche Volk und dessen Seelenheil 5 Vgl. auch den Wortgebrauch in den beiden Bestätigungsschreiben von Papst Zacharias an Witta von Büraburg (139.256) und Burchard von Würzburg (140.257) mit der Formel: ad delentandam christianitatis legem et orthodoxe fidei tramitem. Siehe hierzu das Kapitel X.1. 6 De Jong, Empire, S. 201, sagt dass in der biblisch zentrierten politischen Kultur die Exegese besonders wichtig für die Herrscher wurde, die später vor allem Hrabanus Maurus lieferte. 7 Nelson, Kingship and Empire, S. 57 – 59 zeigt diese Idee der Herkunft der Herrschaft von Gott an dem Gebet für den König »prospice«, dessen Text sie in Übersetzung bietet. 8 Vgl. Savigni, Communitas, S. 83 – 104. Die Stelle könnte sogar auf den Papst als Bischof anspielen. Gegenentwürfe einer vornehmlich bischofszentrierten politeia finden sich dann in der späten Karolingerzeit, wie man an Jonas von Orl¦ans, Hinkmar von Reims und den pseudoisidorischen Fälschungen erkennen kann. Garipzanov, Symbolic Language, S. 308, weist darauf hin, dass spätestens mit dem Konzil von Meaux/Paris 845/46 die Bischöfe den König nicht mehr als Stellvertreter Gottes ansahen, sondern sich selbst. Congar, Lehre, S. 29: Dem König wurde später eine Rolle in der Kirche zugewiesen, was bei Cathwulf überhaupt nicht vorkommt. Iogna-Prat, Penser l’¦glise, S. 55 – 81, der ebenfalls darauf hinweist, dass eine Hierarchisierung von Kirche und politischem Gemeinwesen erst im 9. Jahrhundert aufkam, bevor sich dann im Laufe dieses Jahrhunderts die Kirche gegenüber dem Gemeinwesen wieder emanzipierte, so abermals Congar, Lehre, S. 29.

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zu sorgen, weshalb sein Handeln in den Vordergrund rückte. Die spätantiken Kaiser hingegen hatten sich nicht in gleicher Weise um das Seelenheil ihrer christlichen Untertanen zu kümmern; der Schwerpunkt lag vielmehr auf der persönlichen Orthodoxie als Garant für die Stabilität des christlichen Reiches. Doch Cathwulf war nicht der einzige, der in Bezug auf Karl den Großen von christianitas sprach. Auch Alkuin nutzte die Vokabel, worauf sich J¦rúme Baschet berief. Alkuin kannte den Brief Cathwulfs und auch viele andere politiktheoretische Aussagen, die er auf Karl den Großen projizierte, wie Luitpold Wallach vor mehr als fünfzig Jahren an Alkuins Schrift über die Rhetorik sowie dessen Briefen belegt hat.9 Allerdings hat Wallach auch bereits darauf hingewiesen, dass Alkuin keine politische Theorie entworfen habe und sein Bild vom Herrscher und dessen Handeln aus seinen Briefen zusammengesucht werden müsse. So sehr außer Frage steht, dass Alkuin ein politischer Denker gewesen ist, stellt sich doch eine andere Frage: Hat er unter christianitas eine soziale und verräumlichte Größe verstanden, die unter der Herrschaft Karls des Großen gestanden hat? Das Wort findet sich in sechs Briefen, einem Traktat gegen Bischof Felix von Urgel und in einem Pauluskommentar. In zwei Fällen schrieb Alkuin vom nomen christianitatis, je einmal von tempus, fides, ordo und consuetudo christianitatis sowie von christianitate novelli populi nuntiare. Letztere Wendung zeigt an, dass Alkuin bei allem sprachlichen Konservatismus auch über die Semantik der Spätantike hinausging.10 Anlass für eine Deutung Alkuins als einem sehr frühen Vertreter einer als christianitas bezeichneten karolingischen Christenheit bieten die beiden Briefe an Karl den Großen, in denen der Gelehrte vom regnum bzw. imperium christianitatis sprach.11 Die Wortfügungen suggerieren ein politisches Verständnis, das auf Alkuin und auf seine Sicht der Herrschaft Karls zurückgehen kann. Ähnliche Verbindungen mit einem herrschaftlichen Zentralbegriff waren nämlich zuvor nur im Brief Papst Agathos an die Kaiser von 680 vorgekommen, und eine Verbindung zwischen diesem Brief und den Briefen Alkuins kann ausgeschlossen werden. Wofür setzte Alkuin diese Formulierungen aber ein? Im ersten Brief ep. 110 vom August 796 gratulierte Alkuin dem König zu

9 Vgl. Wallach, Alcuin, S. 7 – 15. Alkuin bezog seine Herrschaftsauffassung von Isidor von Sevilla, vom irischen Pseudo-Cyprian (nicht der Pseudo-Cyprian des 4. Jahrhunderts), und von Augustinus. Allerdings bezweifelt Bullough, Alcuin, S. 457, Anm. 79 (Wallace-Hadrill, Frankish Church, S. 187 widersprechend), dass Alkuin ein besonderes populus christianusKonzept verfolgt habe, da der Begriff ohnehin ein fränkischer Gemeinplatz gewesen sei. Dieser wie auch sein Synonym populus Dei seien seit dem 8. Jahrhundert geläufige Ausdrücke gewesen. Siehe Codex Carolinus, ep. 62 (MGH Epp. 3), S. 589 und zum Gebrauch in den Reformkonzilien der 740er-Jahre Kapitel X.1. 10 Siehe 200.384; 202.386; 204.389; 206.391; 207.392 – 393. 11 Siehe 203.387 u. 205.390.

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Eine karolingische christianitas?

seinem Sieg über die Awaren.12 Zu Beginn dankte Alkuin Gott und anschließend Karl selbst: Gloria et laus deo Patri et domino nostro Iesu Christo, quia in gratia sancti Spiritus – per devotionem et ministerium sanctae fidei et bonae voluntatis vestrae – christianitatis regnum atque agnitionem veri Dei dilatavit, et plurimos longe lateque populos ab erroribus impietatis in viam veritatis deduxit. Qualis erit tibi gloria, o beatissime rex, in die aeternae retributionis, quando hi omnes, qui per tuam bonam sollicitudinem ab idolatriae cultura ad cognoscendum verum Deum conversi sunt, te ante tribunal domini nostri Iesu Christi in beata sorte stantem sequentur et ex his omnibus perpetuae beatitudinis merces augetur (203.387). »Ruhm und Lob Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus, weil er in der Gnade des Heiligen Geistes – durch die Hingabe und den Dienst Eures heiligen Glaubens und guten Willens – das christianitatis regnum und auch die Erkenntnis des wahren Gottes verbreitet hat, und viele Völker weit und breit von den Irrtümern der Unfrömmigkeit auf den Weg der Wahrheit geführt hat. Desgleichen sei auch Dir Ruhm, oh seligster König, am Tag der ewigen Vergeltung, wenn all diese, die durch Deine gute Fürsorge von der Pflege des Götzendienstes dazu bekehrt wurden, den wahren Gott zu erkennen, Dir folgen werden, wenn Du vor dem Gericht unseres Herrn Jesus Christus mit diesem glücklichen Los stehst, und sich aus all diesen der Lohn ewiger Seligkeit vermehrt.«

Die Wortfügung christianitatis regnum stand somit in der den Brief eröffnenden Lobpreisung Gottes, den Alkuin auf theologischer Metaebene selbst als Urheber für die Ausweitung des Glaubens darstellte, bevor er im zweiten Satz Karl für dessen Taten dankte. Dieser erste Satz zeugte von Alkuins Meisterschaft im Umgang mit dem geschriebenen Wort: Mit der via veritatis bediente er sich des Paradebeispiels für den biblischen Hintergrundstil – die Wahrheit (veritas) war eigentlich adjektivisch zu verstehen – was zusammen mit den Fehlern des Unglaubens bzw. dem gottlosen Fehlverhalten ein adjektivisches Verständnis von christianitas im selben Satz nahelegt. Unübersehbar und unüberhörbar war die Doppelung aller wesentlichen Satzglieder und sogar ganzer Gliedsätze: gloria und laus, Deus und Christus, devotio und ministerium, fides und voluntas, regnum christianitatis und agnitio Dei, ab erroribus impietatis in viam veritatis, dilatare und deducere. Alkuin nutzte also regnum christianitatis als Teilausdruck zur Erkenntnis des wahren Gottes, dem das christianitatis regnum beigeordnet wurde – und nicht Karl. Hier trennte die Komposition des Textes eindeutig zwischen den Leistungen Gottes und denjenigen Karls, wenngleich Alkuin sehr wohl wusste, dass Karl und sein Heer für die Unterwerfung der Awaren und der bei ihnen einsetzenden Missionierung verantwortlich waren. Aufgrund der 12 Vgl. Annales Regni Francorum, a. 796 (MGH SS rer. Ger. 6), S. 98 f.; Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 13 (MGH SS rer. Ger. 25), S. 15 f.; Schieffer, Karolinger, S. 87 f.; Hartmann, Karl der Große, S. 93 – 97.

christianitatis imperium – ein halber Versuch

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Stellung im Satzgefüge kann ausgeschlossen werden, dass Alkuin mit dem regnum christianitatis die Herrschaft oder das Reich Karls selbst bezeichnete. Eine metaphysische Deutung als Herrschaft des Glaubens oder der christlichen Religion, der Karls gedient hatte, kommt der Aussageabsicht Alkuins wohl näher. Dies würde jedenfalls besser zur zweiten christianitas-Stelle im selben Brief passen, da es unwahrscheinlich ist, dass Alkuin innerhalb eines kurzen Textes dieselbe Zeichenfolge für zwei unterschiedliche Sachverhalte herangezogen hat. Ziel war es, Karl für eine friedliche und behutsame Missionierung zu gewinnen und ihn davor zu bewahren, dieselben Fehler zu begehen, die dieser Alkuins Ansicht nach bei der Sachsenmission begangen hatte, wie man dem Brief im Anschluss entnehmen kann.13 Der Gelehrte wollte erfahrene Priester aussenden lassen, um das neue Volk im Glauben zu unterrichten. Gleichzeitig sollten aber harte politische Maßnahmen wie hohe Abgaben die Christianisierung nicht erschweren. Erst wenn die zu Bekehrenden im Glauben und in der christlichen Lebensweise (consuetudo christianitatis; 203.388) gestärkt seien, dürfe der Kirchenzehnt erhoben werden, denn nur der gefestigte Geist würde dann nicht vor der christlichen Religion zurückschrecken.14 Diesem Ziel diente auch Alkuins zweiter Brief in derselben Angelegenheit. In ep. 111 forderte Alkuin den Schatzmeister Megenfrid auf, Karl von der friedlichen Mission zu überzeugen. Ein wesentlicher Bestandteil hier sollte die Predigt sein, die nach den Zuhörern und ihrem Alter, nach dem Ort und der Zeit auszurichten und nach christlicher Ordnung zu beginnen und zu beenden sei. (Qui vero pecuniam praedicationis accipiunt, diligenter considerare debent: quid cui conveniat aetati vel personae, quid cui congruat loco vel tempori; etiam et, quo ordine praedicatio christianitatis incipienda sit vel perficienda; 204.389) Da es an dieser Stelle eindeutig um die Art der Predigt ging, kann mit dem ordo christianitatis nur die christliche Ordnung in Hinblick auf Liturgie und christliche Lehre gemeint gewesen sein.15 Blickt man nun auf die zweite, mutmaßlich politische Wortfügung imperium christianitatis (205.390), so sind auch hier Zweifel angebracht, ob es sich hierbei um einen Ausdruck für das Reich der Christen oder die Christenheit handeln könnte. Es wäre sonst die einzige Stelle dieser Art. In ep. 136 von 798 beantwortete Alkuin die theologische Frage des Herrschers nach den zwei Schwertern im Evangelium.16 Doch kam die Vokabel wieder nicht in der eigentlichen Ar13 Vgl. Alkuin, ep. 113 (MGH Epp. 4), S. 164; Bullough, ›men of God‹, S. 140 f.; Wood, Ideas of Mission, S. 187 f. 14 Vgl. Alberi, Evolution, S. 11. 15 Eine weitere theologische Verwendung findet sich in Alkuins Kommentar zu den Paulusbriefen (223.413). 16 Alkuin beantwortete Karls Frage nach den zwei Schwertern des Evangeliums (das Schwert des Petrus in Gethsemane Lk 22,38) und forderte ihn auf, dass er es nicht zulasse, dass die

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Eine karolingische christianitas?

gumentation vor, sondern gleich im Einleitungssatz. Alkuin bedankte sich für den Brief, den er von Karl erhalten hatte, in dem er Karls Gesundheit und das für die vollkommene christliche Herrschaft so außerordentlich wichtige Wohlergehen erkannt habe (vestram nobis valde amabilem sanitatem et cuncto christianitatis imperio pernecessariam prosperitatem cognoscens; 205.390). Alkuin kannte die Vokabel imperium aus Bedas Kirchengeschichte, wo sein Landsmann die Ausdehnung der Herrschaft eines Königs über verschiedene regna als imperium bezeichnet hatte,17 sodass die Vokabel noch nicht einmal direkt auf das römische Kaisertum verweisen musste, sondern selbst in einem Adaptionsprozess auf die politischen Verhältnisse in England umgemünzt worden war. Im Falle des Alkuinschen cunctum imperium unterstrich das Adjektiv den kompositorischen Charakter der Herrschaft. In Verbindung mit christianitas wies Alkuin also in der Brieferöffnung gleich auf den kompositorischen und christlichen Charakter der Herrschaft Karls hin. Damit schmeichelte er dem König nicht nur, sondern machte auch von vornherein klar, in welchem Bezugsrahmen sowohl Anfrage als auch die Antwort zu verstehen seien. Alkuins Expertise sollte nicht Karl allein, sondern auch seiner Herrschaft nutzen. Karls Herrschaft erstreckte sich über viele Länder und Völker, ideologisch war sie auf Christus ausgerichtet, sie bot also die beste Gelegenheit für eine Verwendung von christianitas als Christenheit, doch den entscheidenden Schritt zur Umsemantisierung ging Alkuin nicht. Für ihn war es immer noch die christliche Gesamtherrschaft (christianitatis imperium) und nicht die Christenheit (christianitas). Damit war die singuläre Formulierung nichts anderes als eine leichte Abänderung des später benutzten Ausdrucks imperium christianum,18 der seinerseits für eine spirituell und nicht politisch bestimmte Herrschaft stand, zu dem die weltliche Herrschaft nur beitrug, aber nicht deckungsgleich mit dieser gewesen war.19 Da die Vokabel im Genitiv zudem auch Priester von den Bischöfen vom Predigen abgehalten werden. Siehe Lauwers, Glaive, S. 221 – 243. 17 Alkuin, Bishops, S. 42 f.; Nelson, Kingship and Empire, S. 69. Vgl. auch Alberi, Evolution, S. 4; Schieffer, Alkuin, S. 27, hat zudem darauf hingewiesen, dass Alkuins Vorstellung eines Gesamtverbandes der Christenheit über das konkrete Frankenreich hinausging. Alkuin sah im Glauben eine Möglichkeit, die vielen Gruppen/Völker unter der Herrschaft Karls zu vereinen, indem sie durch die Taufe vereinigt würden zu den »electos a Deo populos regni Francorum«, siehe Alkuin, Vita Willibrordi (MGH SS rer. Merov. 7), S. 124. Hierauf beziehen sich Alberi, Evolution, S. 5, Fouracre, Frankish Gaul, S. 85 – 109, und Nelson, Kingship, S. 383 – 430. Einhard teilte Alkuins Ansicht, siehe Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 7 (MGH SS rer. Germ. 25), S. 10. 18 Einige Beispiele: Alkuin, ep. 148, 177, 185, 200, 202, 234, 245 (MHG Epp. 4). Schieffer, Karolinger, S. 100, sagt, dass Alkuin seit 798 vom imperium christianum geschrieben habe und dass dessen Gedeihen vom Wohlergehen Karls abhängig gewesen sei, was auf der hier zitierten Stelle des imperium christianitatis beruht. 19 Mit dem imperium christianum sind zwei Forschungsdebatten verknüpft: Zum einen die Frage, wann und warum Karl das Kaisertum anstrebte, zum anderen die Frage, ob mit dem

populus christianus und das apokalyptische nomen christianitatis

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noch die Funktion eines gesteigerten Adjektivs übernehmen konnte – was bei Alkuin durchaus vorkam, wie noch zu sehen sein wird –, kann die Formulierung hier entweder als ein Versuch gedeutet werden, der Herrschaftsform Karls eine besondere Formulierung zu verleihen, oder aber nur das später übliche christianum deutlicher hervorzuheben. In beiden Fällen handelt es sich bei christianitatis imperium um einen Semantisierungsversuch, der folgenlos blieb, weil weder Alkuin noch andere diese Formulierung wiederholten. Um zu verstehen, warum diese Formel offenbar erfolglos war, ist der weitere Wortgebrauch bei Alkuin zu beobachten und nach semantischen Alternativen für den Gegenstand der Politik Karls zu fragen, was erneut zum populus christianus führt.

2.

populus christianus und das apokalyptische nomen christianitatis

An Alkuins weiterem Gebrauch ist zu erkennen, dass die Vokabel – wie schon bei Cathwulf – nicht selbst zu einem politischen Gegenstand geworden, aber dennoch in theologische Diskussionen mit politischen Konsequenzen eingebunden war. In ep. 99 von 796 fragte Alkuin den Patriarchen Paulinus II. von Aquileia (gest. 802), wer sich nun für die Verkündung des Glaubens bei den Awaren einsetzen solle. Hier nutzte Alkuin christianitas, indem er davon berichtete, dass die Awaren Boten zu Karl geschickt hätten, um eine friedliche Unterwerfung und die Annahme des christlichen Glaubens zu versprechen (missi ad dominum regem directi sunt subiectionem pacificam et christianitatis fidem promittentes; 202.386). Die Vokabel diente abermals zur Auszeichnung eines anderen Gegenstandes, der in einem politischen Kontext stand, wie man an der Lexik (subiectio pacifica, missi, rex) und der Aussageabsicht überdeutlich erkennen imperium der Gentilismus durch den römisch-christlichen Universalismus als Leitkonzept für die Gestaltung des christlichen Reiches unter Karl und seinen Nachfolgern überwunden werden sollte. Siehe hierzu von Padberg, Spannung, S. 48 – 51; ders., Christianisierung, S. 161 f.; Angenendt, Kirche, S. 130. Alberi, Evolution, S. 11 – 15, hat ihre Idee davon, dass Alkuin ein Konzept des imperium christianitatis vertreten habe, auf diesen beiden Stellen aufgebaut. Dieser Vorschlag scheint nicht haltbar zu sein. Denn auch Bullough, ›men of God‹, S. 141, kritisiert diese Interpretation, weil es noch nicht einmal eine Stelle gebe, an der Alkuin erklärt hätte, was darunter zu verstehen sei. So auch Collins, Charlemagne, S. 151. Die Existenz eines Konzepts imperium christianum hatte bereits Fried, Herrschaftsverband, S. 23 f., in Zweifel gezogen. Costambeys/Innes/MacLean, Carolingian World, S. 166 mit Hinweis auf semantische Fluidität und die eschatologische Dimension des imperium. Steiger, Ordnung, S. 585 – 589, sieht zwar in christianitas noch die Christenheit als das große Ganze, stellt dann aber auch fest, dass diese Bezeichnung dem Begriff des imperium christianum gewichen ist und dass dieses imperium sowohl den Gegenstand der Herrschaft Karls als auch das herrscherliche Handeln selbst bezeichnen konnte. Die Denkfigur des imperium christianum ist hingegen unter Ludwig dem Frommen sehr wirkmächtig geworden.

314

Eine karolingische christianitas?

kann. Während Alkuin mit der Wendung fides christianitatis sich wieder ganz im Fahrwasser der gepflegten Semantik befand, entfernte er sich etwas von dieser Semantik, als er einen Brief an Erzbischof Arn von Salzburg mit der Beschwerde begann, dass er bisher keine Nachrichten von der Christianisierung des neuen Volkes, der Awaren nämlich, erhalten habe, so wie er es von Arn eigentlich erwartet hatte (expectans, quid illae [litterae] mihi nuntiarent de novelli populi christianitate et de rerum ibi gestarum profectu. Sed nihil de his inveni. 206.391). Hier konnte christianitas nicht mehr als gesteigertes Adjektiv funktionieren, sondern stand eher für den Glauben oder die Religion. Der novellus populus in unmittelbarem Zusammenhang zu christianitas zeigt an, dass dieses quasi ein Proprium des neuen Volkes darstellte, das wohl auch durch die Unterwerfung von einer gens überhaupt zum populus geworden ist, was seine Einbeziehung in die christliche Herrschaft Karls widerspiegelt.20 Die politische Bedeutung des populus wirkte dabei zurück auf den Glauben, dessen politische Dimension damit ebenfalls sichtbar wurde. Alkuins Wortgebrauch bewegte sich zwischen Tradition und Transformation. Der spiritus rector der Sprachpolitik Karls des Großen wollte grundsätzlich ein von ihm als korrektes Latein identifiziertes Sprachniveau halten und bei seinen Schülern und weit darüber hinaus durchsetzen.21 Als Traditionalist blieb er selbst dem spätantiken Gebrauch und Verständnis treu, so wie er ihn von Gregor dem Großen, Isidor und Beda her kannte. Dennoch blieb es nicht aus, dass durch den Gebrauch in neuen Situationen wie der Awarenmission das Wort sozioreligiöse und mithin politische Konnotationen erhielt. Während dies nicht einmal intentional geschehen sein muss, kann man an der Formulierung christianitatis imperium schon eher ein Experimentieren feststellen, das über den gängigen Wortgebrauch hinausging. Es scheint fast so, als hätten einerseits die missionarischen und theologischen Herausforderungen, mit denen sich Alkuin konfrontiert sah, andererseits seine eigene sekundäre Sozialisation mit 20 Ein erster Überblick zum Wortgebrauch in Alkuins Briefen legt dies nahe, was aber noch systematisch untersucht werden müsste. In ep. 99 (202.386) kurz nach der Unterwerfung sprach Alkuin noch von der gens Avarorum; in ep. 165 (206.391) drei Jahre später waren die Awaren ein populus geworden. In ep. 113 (MGH Epp. 4), S. 164, schrieb er Arn von Salzburg im Zusammenhang mit der Awarenmission 796, dass die Saxonum gens das Sakrament der Taufe verloren habe, weil es im Herzen niemals ein Glaubensfundament gehabt habe: Idcirco misera Saxonum gens toties bapitismi perdidit sacramentum, quia numquam habuit in corde fidei fundamentum. Hier steht die gens für das noch nicht christianisierte Volk. Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass z. B. Hadrian I. ziemlich unterschiedslos von gens christiana und nationes christianas sprach, siehe Codex Carolinus, ep. 76 (MGH Epp. 3), S. 608. 21 Berschin, Karolingische Biographie, S. 371, attestiert Alkuin in der von ihm vorangetriebenen Vitenüberarbeitung eine stilistische Vereinheitlichung und Klassifizierung, die erst mit der literaturgeschichtlichen Wende von 870 einer größeren Vielfalt der Stile wich. (Hinkmars von Reims Vita Remigii, 380.699 – 700, als Zusammenstellung aus eigenen Schriften und als Gegenentwurf zu Alkuins Vita Willibrordi).

populus christianus und das apokalyptische nomen christianitatis

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dem Lateinischen dazu geführt, dass er trotz allem Sprachkonservatismus sehr viel kreativer mit dem Wort umging, als es seine in Spanien und Italien lebenden Zeitgenossen taten. Das jedenfalls legt der Wortgebrauch bei Abt Ambrosius Autpertus (gest. 784)22 und Abt Beatus von Li¦bana (gest. nach 798) nahe, die noch in einem lateinisch sprechenden Umfeld aufgewachsen waren und sich daher des Lateinischen als der gängigen Umgangssprache bedienten.23 Mit beiden verband Alkuin die Sorge um das von Hieronymus errechnete Weltende um 800, mit Beatus sogar der sogenannte Adoptionismusstreit. Nachdem der Norden der Iberischen Halbinsel unter karolingische Herrschaft geraten war, wurde der Adoptionismusstreit auch zu einem Problem der fränkischen Geistlichen. Dabei handelte es sich um die insbesondere von Bischof Felix von Urgel (gest. 818) vertretene Überzeugung, dass der menschliche Jesus von Gott adoptiert worden sei. Beatus von Li¦bana, der im Kloster St. Martin (später Santo Toribio) in der Provinz Santander lebte, kämpfte energisch gegen diese Auslegung der Natur Christi und korrespondierte deswegen mit Alkuin, der in Beatus einen Vorkämpfer des katholischen Glaubens sah und diesem auch Werke von sich selbst zukommen ließ. Der Streit über die Natur Jesu Christi war in den Augen von Johannes Fried die erste Bewährungsprobe für das angeeignete Wissen der Karolinger. Zusammen mit dem Bilderstreit der Griechen galt es den Adoptionismus »als Zeichen der sich ankündigenden Endzeit« abzuwehren.24 Dies geschah auf der Frankfurter Synode 794, die sowohl den Ikonoklasmus als auch den Adoptionismus als Häresie verurteilte und die karolingischen Theologen als Hüter der Orthodoxie präsentierte.25 Alkuin verfasste ein

22 Ambrosius Autpertus, der kurze Zeit Abt des Benediktinerklosters St. Vinzenz bei Capua gewesen war (Hartmann, Hadrian I., S. 228), galt als außerordentlich gebildet und geistvoll. Er muss wegen der Frage der Abtswürde Karl bekannt gewesen sein. Ambrosius hat mit seinem Libellus de conflictu virtutum et vitiorum eine kleine Morallehre für Mönche zusammengestellt, die seit den Anfangstagen in Benediktbeuern und weit darüber hinaus bekannt war. Es ist also nicht abwegig anzunehmen, dass Alkuin über die Hofkapelle Karls von Ambrosius und dessen Kommentar gehört hatte. Vgl. auch Brunhölzl, Literatur, Bd. 1, S. 65. 23 Vgl. Prelog (Art.) Beatus, Sp. 1746. Spannend an Texten des Beatus aus linguistischer Sicht ist die hispanisierende Schreibweise des Lateinischen, was darauf hindeutet, dass es sich um ein gesprochenes Latein handelte, das aber bereits den hispanischen Aussprachegewohnheiten folgte. Natürlich ist hier die Überlieferungslage eingehender zu berücksichtigen. RomeroPose hat seine Edition des Beatus von Li¦bana, Commentarius in Apocalipsin, mit 31 Hss. auf eine größere Grundlage gestellt, als es Sanders getan hat. Die ältesten stammen aus dem 9. Jahrhundert. Doch ist es schon auffällig, dass in 189.341 – 342 ecclesia als eglesia und baptizata als babtizata erscheinen. 24 Vgl. Fried, Mittelalter, S. 77 f. Nun auch ders., Karl, S. 439 f. 25 Vgl. Gerwing, Theologie, S. 21 – 24. Zum Adoptionismusstreit siehe auch Fried, Karl, S. 440 f.; Andresen/Ritter, Geschichte des Christentums I/2, S. 61; Rich¦, Christentum, S. 736, S. 739 u. S. 758. Zu den Wurzeln des Streits siehe Ayres, Articulating Identity, S. 425 f.

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Schreiben, mit dem die Synode dem spanischen Klerus ein theologisches Gutachten zum Adoptionismus übermittelte. Gleich in der Anrede wurde die Natur Christi thematisiert, doch enthielt die Anrede noch mehr. Die Synode entbot nämlich dem Klerus und den Bischöfen Spaniens und anderen dort den Christennamen Innehabenden (ibidem nomen christianitatis habentibus) in Gott, dem Herrn, Gottes wahren und eigenen Sohn, Jesus, den Gruß ewiger Seligkeit.26 Obwohl es im Anschluss an die bekannten Etymologien Isidors von Sevilla sehr wohl vorstellbar gewesen wäre, dass christianitas auf den von Häresie bedrohten christlichen Glauben bezogen worden wäre, nutzte Alkuin einzig und allein das Muster nomen christianitatis. Damit sprach er die laikalen Christen in Spanien an und markierte zugleich sprachlich eine Grenze zwischen echten Christen und Häretikern. Die Anrede enthielt somit bereits die Aufforderung an die Spanier, sich vom Adoptionismus abzuwenden und zu beweisen, dass sie den nomen christianitatis zu Recht trügen. Die Synode beendete den Streit aber nicht, sondern sorgte für noch mehr schriftlich geführte Auseinandersetzungen, weil Felix von Urgel nicht beigab und sich vorerst den Karolingern entziehen konnte.27 In einer seiner Streitschriften gegen Felix von 799 nutzte Alkuin noch einmal die Vokabel, als er daran erinnerte, dass in Antiochien zum ersten Mal das nomen christianitatis zu lesen gewesen sei. Dieser Hinweis auf die Herkunft des Christennamens war Teil einer Polemik, der zufolge Felix Alkuin nur ein Volk oder eine Stadt zeigen sollte, die auf seiner Seite seien. Die universelle Kirche Christi, von der Felix behauptete, sie stimmte ihm zu, täte dies nämlich nicht: Weder die heilige römische Kirche, die das Haupt der Kirchen sei, noch die Kirchen Konstantinopels, Jerusalems, Antiochiens, noch Alexandrias, noch die Kirchen in ganz Italien, Germanien, Gallien, Aquitanien und sogar in Britannien stünden auf seiner Seite.28 Alkuin zählte die fünf großen Patriarchate der alten Kirche in ihrer Brandes, Tempora, S. 63 – 65 zu den auf dem Frankfurter Konzil vorgebrachten Zitaten aus Teilen des Neuen Testaments, die sich auf die Endzeit beziehen. 26 Sancta synodus et venerabiles in Christo patres cum omnibus episcopis Germaniae, Galliae et Aequitaniae et toto catholicae pacis clero praesulibus Hispaniae et ceteris ibidem christianitatis nomen habentibus in domino Deo, Dei filio vero et proprio, Iesu Christo, aeternae beatitudinis salutem (200.384). 27 Hieran beteiligte sich auch der später für seine Klosterreformen so berühmte Benedikt von Aniane (um 750 – 821). Siehe dessen Schrift Adversus Felicianam impietatem (209.395), in der auch Benedikt christianitas in einem herkömmlichen Sinn als »Christentum« gebrauchte. Zur Person des Benedikt siehe Depreux, Prosopographie, S. 123 – 129. Benedikt sollte übrigens seine Klosterregeln von Caesarius von Arles eins zu eins übernehmen (65.121 – 123 zu 233.426), womit sich ebenfalls zeigt, dass Benedikt mit dem Muster nomen christianitatis vertraut gewesen ist und diesen Gebrauch auch für selbst übernommen hat. In seine Concordia regularum wiederum übernahm Benedikt wortwörtlich cap. 90,29 aus der Regula Magistri (61.114 zu 236.429). 28 Dicitis nos verum non dixisse quod totus mundus nobiscum, id est, universalis Ecclesia Christi consentiat, nisi vos soli. Probate, si potestis, verum esse quod dicitis, ostendite nobis vel unam

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Reihenfolge sowie die lateinischen Kirchen des Westens auf. Diese Aufzählung zeigt, was Alkuin unter der universalis ecclesia Christi verstand. Dies wäre wohl der perfekte Augenblick gewesen, christianitas/Christenheit als Ordnungsbegriff einzuführen. Doch hielt Alkuin hier an ecclesia als einzigem Kollektivbegriff fest. Durch den Hinweis auf die Herkunft des christlichen Namens aus Antiochien als Bezeichnung für die Christen definierte Alkuin beiläufig sein Verständnis von nomen christianitatis als Christennamen und dessen dogmatische Aufladung als katholische Christen unter dem Dach der universalis ecclesia Christi. Wer aber an der Lehre von der Adoption Jesu festhielte, stünde außerhalb der Kirche und trüge zu Unrecht den christlichen Namen; er sei kein Mitglied der heilsbringenden katholischen Kirche, sondern ein Häretiker und würde der Verdammnis anheimfallen. Dieser Umkehrschluss ergibt sich nicht nur aus Alkuins Argumentation, sondern auch aus einer Streitschrift, die Alkuin wohl bekannt war und die dazu beitragen kann aufzuklären, warum Alkuins Wortgebrauch von apokalyptischem Gedankengut geprägt war. In lib. II, cap. 5 argumentierte Alkuin nämlich gegen die Ansicht seines Gegners,29 dass das nomen »Adoption« kein neuer Name sein könne, den der neue Mensch haben werde, weil doch schon vor Christi Geburt die Adoption bekannt gewesen sei. Sodann wunderte sich Alkuin, warum Felix meinte, in der letzten christlichen Zeit (in ultimo christianitatis tempore; 207.393) Christus einen neuen Namen geben zu müssen. In diesem Ausdruck schwang erstens eine apokalyptische Zeitvorstellung mit, wie sie Ambrosius Autpertus in seinem Kommentar zur Johannes-Offenbarung verwendet (152.276 – 277) und wie Beda (130.243) und Primasius (75.173 – 174) in ihren Kommentaren in Bezug auf die Dauer des Wirkens Christi auf Erden ausgeführt hatten. Der spätere Erzbischof von Mainz und Alkuin-Schüler Hrabanus Maurus (um 780 – 856) stellte in seinem Erstlingswerk von etwa 810, dem Figurengedichtsband De laudibus sanctae Crucis (226.417), genau diesen Zusammenhang zwischen Christi Zeit auf Erden, den tempora christianitatis und den Zeitvorstellungen in der Offenbarung her.30 Der Verfasser des Carmen gentem vel unam urbem, vel sanctam Romanam Ecclesiam, quae est caput Ecclesiarum, vel Constantinopolitanam vel Hierosolymitanam ipsius Domini praesentia dedicatam; aut Antiochenam, in qua primum sanctum Christianitatis nomen esse legitur ; aut Alexandrinam, vel ullam Ecclesiam in tota Italia, vel Germania, vel etiam Gallia, aut Aquitania, imo aut Britannia, quae vobis consentiat in hac vestra assertione (207.392). 29 Hier muss dahingestellt bleiben, ob dies wirklich der Argumentation des Felix entsprach, weil es hierüber keine Quellen gibt. Alkuin hat diesbezüglich leider nicht so sauber wie Augustinus gearbeitet. 30 Das Gedicht XII De monogrammate, in quo Christi nomen comprehensum est (»Vom Monogramm, in dem der Name Christi enthalten ist«) ergründete die Zahlenmystik des Christogramms und stellte eines der schwierigsten Gedichte dar. Das aus den übereinandergelegten, griechischen Buchstaben P und X stilisierte Symbol hatte Hrabanus aus weiteren griechischen Buchstaben nachgebildet, die er in das Gedicht über die Liebe zu Christus

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de Peppini regis victoria avarica nach 796 pries Christus, dass er die Awaren in den letzten Zeiten bekehrt habe.31 Da die tempora christianitatis in keinem anderen Kontext vorkamen – mit Ausnahme des Pelagius (24.57) –, schien der Ausdruck zumindest unter Theologen fest mit einem endzeitlichen Grundverständnis konnotiert gewesen zu sein. Zweitens war Alkuins Entgegnung auf Felix apokalyptisch aufgeladen, weil hier eine gesellschaftliche Ordnung vor der Hintergrund der Offenbarung entworfen wurde. Die Beschäftigung mit der Apokalypse war nämlich nicht nur eine theologisch brisante Angelegenheit. Grundsätzlich hatte Augustinus davor gewarnt, sich über den Zeitpunkt des Weltuntergangs Gedanken zu machen und ihn gar berechnen zu wollen. Doch die Zurückweisung durch Augustinus hatte das apokalyptische Denken nur noch befeuert. Ausgerechnet sein Zeitgenosse Hieronymus hatte das Weltende berechnet und Beda hatte die Berechnung später bestätigt.32 Gottes Plan schien bekannt, nur die Details waren es nicht.33 Die Apokalypse diente aber nicht nur zur Orientierung im göttlichen Heilsgeschehen, sondern auch als Erklärungsmuster für den Zustand der Welt. Das apokalyptische Denken bot einen Standpunkt, von dem aus das Geschehen auf Erden gedeutet werden und Forderungen an die Gestaltung politischer und sozialer Ordnung entwickelt werden konnten.34 Alkuin jedenfalls sah in der Behauptung von Felix jene Aufspaltung der Kirche in eine Kirche des Teufels und eine Kirche Gottes, die das Jüngste Gericht einläuten sollte. Wenn nun Felix als Cheftheologe des Adoptionismus von einem neuen Namen für Christus sprach, muss das Alkuin sehr an die Verführungen der Pseudopropheten der Apokalypse erinnert haben, wenngleich er nicht direkt aus der Offenbarung zitierte.35 Dafür aber arbeiteten der Abt Beatus von Li¦bana und Bischof Heterius in Osma

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hineinzeichnete. Die griechischen Buchstaben ergaben die Zahl 1260, die der JohannesOffenbarung (Apk 12,6) entnommen war. Im begleitenden Kommentar erörterte Hrabanus die Bedeutung des Gedichts und der Zahlenmystik. Vgl. Wilhelmy, Die Entstehung von De laudibus, S. 25 und ders., Rabans Figurengedichte, S. 69; Müller, Hrabanus Maurus. Zu Hrabanus Maurus selbst: Zimpel, Hrabanus Maurus; Felten/Lehmann, Hrabanus Maurus; Depreux (Hg.), Raban Maur ; Stickel, Kulturen, S. 381 – 383; de Jong; Empire. Omnes gentes quas fecisti / tu, Christe, Dei suboles / terras, fontes, rivos, montes / et formasti hominem / Avares, quos convertisti / ultimis temporibus. Nach Carmen de Peppini regis victoria avarica (MGH SS rer. Germ. 25), S. 42. McGinn, End, S. 62: »The dominant role of Augustinianism in early-medieval thought has been one of the reasons why many historians have neglected the part played by apocalyptic beliefs in the formation of Christendom.« Vgl. ebd., S. 63 u. S. 58: »I shall argue that the ›First Europe‹, as it has been called, was created not in spite of these apocalytic beliefs, but rather very much because of them; that is to say, an apocalyptic mentality, though one of a distinctive nature, was foundational to the ages which saw the emergence of Christendom.« Vgl. Fried, Aufstieg, S. 11 zu dem Ineinandergehen von Apokalyptik und Eschatologie. McGinn, End, S. 62. Hierfür konnte er auch auf Jesu eigene Worte in Mt 24,4 – 14 verweisen.

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eindeutig mit der Apokalypse, als sie ihre Streitschrift gegen einen anderen Vertreter des Adoptionismus, den Metropolitanbischof Elipandus von Toledo (gest. nach 798), verfassten. In der Streitschrift Adversus Elipandum nutzte Beatus christianitas auf zwei verschiedene Arten. Zunächst einmal führte er die Denkfigur und das dazugehörige sprachliche Muster des nomen christianitatis fort, dass er auch schon in seinem umfangreichen Apokalypsekommentar ausgiebig genutzt hatte:36 Beatus ging immer wieder auf die Spaltung der Kirche ein, die der Teufel verursachte, indem seine falschen Propheten öffentlich Christus lobten und predigten, aber unter dem christlichen Namen seine Göttlichkeit verneinten (prophetas suos falsos, qui Christum publice laudant et publice praedicante et eum sub nomine christianitatis deum esse negant; 189.338). Beatus bezeichnete ganz in spätantiker Manier das aus seiner Sicht antichristliche Verhalten vieler Christen als »Scheinchristentum« mit nomen christianitatis, wobei er noch weiterging, indem er diesen Ausdruck für seine Theologie des Jüngsten Gerichts einsetzte. Er erweiterte die von Augustinus übernommene Ekklesiologie, die auf der Metapher der Kirche als corpus Christi aufbaute: Die ganze Christenheit werde als die Kirche angesehen (Quae omnis christianitas una videtur esse ecclesia; 189.339).37 Die getaufte Christenheit sei aber in zwei Teile geteilt, von denen einer in der Kirche sei, der andere außerhalb, der aus häretischen Priestern und offenkundig schlechten Laien bestehe (189.342). Der Teufel würde nun den schlechten Christen eingeben, unter dem christlichen Namen ein Trugbild zu errichten (189.349). Unter Beibehaltung der Zahlenmystik fuhr Beatus fort, dass diese beiden Teile zusammen mit der ecclesia der Heiden drei Teile darstellten, von denen der schlechte Teil nach dem Erschallen der vierten Trompete untergehen würde (190.356). Die zahlenmäßige Dominanz des Musters nomen christianitatis zeigt bereits an, dass Beatus sich vor allem an der Spaltung der Kirche in dogmatischer, aber auch sozialer Hinsicht abarbeitete. Es ging nicht nur um die Einheit im Glauben, sondern auch um die Einheit der christlichen Gemeinschaft. Deren Auseinan36 Siehe die Stellen 190.345 – 368 mit leichten Variationen durch Wortfügungen wie similitudo (190.353) oder imitatio christianitatis (190.368). Außerdem kommen wieder die Gegenüberstellung von nomen und opera bzw. Laster wie Hurerei und Abgötterei (190.352) vor. Deutlicher als noch in der Spätantike ist die häufige Verwendung von »Häretiker«, was aber Teil des dualistischen Eschatologieschemas ist, das Beatus und unabhängig von ihm Ambrosius Autpertus (152.276 – 277) mit Blick auf die christliche Gesellschaft und das Weltende entwerfen. 37 Vgl. Congar, Lehre, S. 26 f., Beatus’ Ekklesiologie war tief augustinisch geprägt, so auch die ecclesia-Vorstellung bei Ambrosius Autpertus, der ecclesia universalis oder das generale corpus im Sinne Gregors und Augustinus’ nutzte: corpus hat also beim Abt von Volturno ebenfalls einen ethischen, nicht sozio-juridischen Sinn. Ambrosius sprach auch vom corpus diaboli.

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derbrechen im Adoptionismus galt ihm als Vorbote für das nahende Weltende. Nun sollte sich zeigen, wer alles zur Kirche, zum corpus Christi gehörte, wer wahrhaftig Christ war und wer fälschlicherweise den Christennamen trug. Bei dieser endzeitlich begriffenen christlichen Gemeinschaft handelte es sich nicht nur um eine metaphorische Größe, sondern um die ganz reale Menge der Christen auf Erden, wobei Beatus diese jedoch in keiner Weise spezifizierte. Auffallend ist, dass er sich offenbar die intellektuelle Freiheit herausnahm, christianitas mit der Kirche ecclesia gleichzusetzen, was nicht einmal ansatzweise aus Italien oder vom Apostolischen Stuhl oder gar in den spätantiken Schriften überliefert worden ist. Dies ist angesichts der ansonsten so augustinischen Ausrichtung des Beatus umso verwunderlicher, weil Augustinus christianitas niemals als ein Synonym für die Kirche als corpus Christi oder aber die civitas Dei verstanden hatte, was sich aus Kapitel III ergab. Bei dieser Umsemantisierung folgte ihm Alkuin nicht; doch grundsätzlich teilte er mit vielen anderen, wie Ambrosius Autpertus und Theodulf von Orl¦ans, eine konkrete Endzeiterwartung.38 Nach Robert Konrad zeigen die Briefe seine späte Hinwendung zur Verinnerlichung vom Gedanken an das Weltgericht.39 Daher kann es gut sein, dass für Alkuin in christianitas ein apokalyptischer Unterton als Merkmal der wahren Gemeinschaft der Christen mitschwang. Schließlich arbeitete bereits sein Landsmann Beda ›with a tearing sense of hurry‹, wie Henry Mayr-Harting konstatierte, weil ihm das Ende so nah schien, nur dass das Volk noch längst nicht jener wahren christlichen Gemeinschaft entsprach, welcher die Erlösung verheißen war.40 Noch war Zeit, die Spaltung zu überwinden und ganz konkret Menschen wieder in die Gemeinschaft zu führen und somit ihre Seelen vor den Klauen des Teufels zu retten.41 Beatus und Alkuin hingegen muss es angesichts des Datums 800 noch dringlicher vorgekommen sein. Alkuin hatte selbst in der bereits zitierten ep. 111 an Megenfrid im Mangel 38 Vgl. McGinn, End, S. 71; de Jong, Charlemagne’s Church, S. 105, Brandes, Tempora, S. 51 u. S. 54, weist auf diese Berechnung bei Beatus hin, siehe Beatus, In Apoclipsin IV,5,13 – 16, ed. Sanders, S. 367 f. und belegt auf S. 56 f., dass die Berechnung nach Hieronymus auch im Umfeld Karls bekannt gewesen ist. Allen, Universal History, S. 38. Fried, Aufstieg, S. 18 f.; Alberi, Evolution, S. 15. Das in Wien angesiedelte Vorhaben »Abendländische Apokalyptik. Zur Genealogie eines religiösen Motivs in der europäischen Kultur« an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat nun Ergebnisse veröffentlicht, siehe Palmer, Ordering, bes. S. 607 – 609 für die Endzeiterwartung um 800; siehe auch ders., Calculating. 39 Konrad, (Art.) Apokalyptik, S. 276. 40 Vgl. McGinn, End, S. 71, mit dem Mayr-Harting-Zitat. 41 Dieser Gedanke musste um so wirkungsvoller unter den Franken sein, weil sich die angelsächsischen Missionare gerade dieses Ziel auf ihre Fahnen geschrieben hatten, als sie sich um die Ausbreitung des Glaubens im späteren Deutschland bemühten. Vgl. von Padberg, Mission, S. 350 f., der betont, dass die Wirklichkeitswahrnehmung der Missionare auf einem »eschatologischen Fundament [ruhte], wonach der »universalmissionarische Auftrag der Heidenbekehrung bestimmt [war] von der Erwartung des kommenden Weltendes.«

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an Helfern für Karl den Großen ein Zeichen für die Gefährlichkeit des letzten Zeitalters (nach 2 Tim 3,1) ausgemacht.42 Dabei ging es gerade bei den Awaren darum, dieses Volk auch noch an der Erlösung teilhaben zu lassen, indem es als ein weiterer Baustein in das Gesamtkonstrukt des populus christianus eingefügt wurde. Bereits im Zusammenhang mit den Missions- und Christianisierungsanstrengungen unter Bonifatius wurde sichtbar, dass die Denkfigur der populus christianus bzw. des populus Dei präsent war und das Zusammenkommen von verschiedenen Völkern unter einer christlichen Herrschaft nachvollziehbar und sinnstiftend zu vermitteln vermochte.43 Indem die Rolle des Herrschers wie auch die seines Volkes alttestamentlich ausgelegt wurden, fiel es dem Königs zu, das Volk sowohl in weltlichen als auch in geistlichen Dingen zu führen.44 Die Bischöfe Italiens sprachen Karl in ihrem Schreiben im Zusammenhang mit der Synode von Frankfurt 794 als rex et sacerdos an.45 Alkuin sah den König als rex praedicator in der Rolle eines Mediators zwischen Gott und den Menschen.46 Und als rector populi christiani sollte er die letzte Bastion gegen den Untergang sein, da der Papst nicht mehr die Kraft habe, aus sich heraus die Religion erstrahlen zu lassen, und der byzantinische Kaiser abgesetzt worden sei, wie Alkuin die politische Großwetterlage 799 analysierte. Daher sei das ganze Wohl der Kirchen Christi auf Karl allein zurückgefallen (Ecce in te solo tota salus ecclesiarum Christi inclinata recumbit).47 Alkuin maß Karl jene Rolle zu, die er zuvor

42 Vgl. Brandes, Tempora, S. 66, mit Verweis auf Edelstein, Eruditio, S. 243 – 246 zu den periculosa-Zitaten Alkuins. 43 Vgl. Kapitel X.1. 44 De Jong, Ecclesia, S. 119 f.; dies., State of the Church, S. 251; Canning, Thought, S. 50. Die Beschlüsse des Konzils von Mainz 813 (MGH Conc. 2,19), S. 259 begannen damit, Karl als rector verae religionis und defensor sanctae Dei ecclesiae zu präsentieren. Hier ist übrigens eine Veränderung gegenüber der Admonitio generalis (MGH Fontes Iuris 16), S. 180 zu verzeichnen, in der Karl sich selbst nur als rector regni Francorum et devotus sanctae ecclesiae defensor bezeichnen ließ. Interessanterweise wird zumindest in der Praefatio das christliche Volk nicht mit der heiligen Kirche in Verbindung gebracht. Vorstellungen vom christlichen Reich als Kirche, so wie sie von Hrabanus Maurus vertreten wurden, so de Jong, Empire, S. 226, lassen sich also nicht bis auf Karls Admonitio zurückverfolgen. 45 Vgl. Libellus sacrosyllabus episcoporum Italiae, in: Concilium Francfurtense a. 794 (MGH Conc. 2,1), S. 130 – 142, hier S. 142. Die Synode gilt auch als Kristallisationspunkt theologischen Denkens in der frühen Karolingerzeit. Wegen der über den Herrschaftsraum der Karolinger hinausgehenden Themen sei die Synode eines von mehreren Anzeichen für die neue, universale Größenordnung gewesen, in die Karls Königtum um die Mitte der 790erJahre hineingewachsen sei. Schieffer, Karolinger, S. 100. Auf der Synode wurden Rituale der Einheit vollzogen, wodurch das korrekte Christentum die Grenzen des Staates zog, so de Jong, Charlemagne’s Church, S. 108. 46 Vgl. Lauwers, glaive, S. 221 – 243; Contreni, ›Carolingian Biblical Culture‹, S. 3. 47 Vgl. Brandes, Tempora, S. 69, aufbauend auf Alkuin, ep. 174 (MGH Epp. 4), S. 288, vom Juni 799.

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in der Vita Willibrordi dem Missionar der Friesen und Gründer der Kirche von Utrecht zuerkannt hatte: Das Volk zu Gott zu führen.48 In Übereinstimmung mit der ihm zugeschriebenen Rolle erhob Karl der Große den populus christianus zum Gegenstand und zum Ziel seiner Politik. In der Admonitio generalis von 789 ließ er festhalten, dass seine Aufgabe darin bestehe, als christlicher Herrscher die Menschen zu einem gottgefälligen Leben zu bringen. Der Prolog zu dieser königlichen »allgemeinen Ermahnung« mit seiner Erwähnung des christlichen Volkes (in nos nostrumque populum Christi) war »die bewusste Entwicklung einer Politik und einer Vision für ein christliches fränkisches Reich« gewesen.49 Karl hatte Alkuin die Admonitio verfassen lassen, der in Absprache mit dem König weite Teile aus der Dionysio-Hadriana in das Schreiben aufnahm und auch konkrete Anordnungen formulierte, wie die beschriebene christliche Gesellschaft erreicht werden sollte. Beide waren sich darin einig, jenes wahre christliche Volk – den populus christianus – schaffen zu wollen, was bereits Beda und Beatus umgetrieben hatte.50 Dabei ist wohl Mayke de Jong darin zuzustimmen, dass dieses christliche Volk nicht die Rettung und Wiederherstellung des in den Gentilkirchen untergegangenen populus christianus des Römischen Reiches sein sollte,51 sondern ein neues Volk unter fränkischer Führung bezeichnete.52 Daher bedurfte es gar keiner anderen Ausdrücke wie imperium christianitatis oder christianitas, um damit die zentrale Bezugsgröße für das politische Handeln Karls zu semantisieren. Ein weiterer Vorteil des Ausdrucks populus christianus ist angesichts der endzeitlichen Grundstimmung nur zu vermuten. Die Formulierung imperium christianitatis hätte eventuell das Streben Karls nach der römischen Kaiserwürde in ein falsches Licht gesetzt. Seit dem Ende des 7. Jahrhunderts war die Figur des letzten römischen Kaisers, eine Art Endkaiser, aufgekommen, die in den Offenbarungen des Pseudo-Methodius, einem im heutigen Irak lebenden syrischen Anhänger des byzantinischen Kaisers, auftrat und weite Verbreitung

48 Vgl. Alberi, Evolution, S. 12 u. S. 15, zu Alkuin, Vita Willibrordi (MGH SS rer. Merov. 7), S. 127. 49 McKitterick, Karl, S. 212. Admonitio generalis (MGH Fontes Iuris 16), S. 180 sowie cap. 61, S. 210 für Ut pax sit et concordia et unianimitas cum omni populo christiano inter episcopes, abbates, comites, iudices et omnes […]. Siehe auch Patzold, »Einheit«, S. 380 f. Ähnliche Ausdrücke finden sich in Alkuin, epp. 19, 100, 138, 219 (MGH Epp. 4), S. 54, S. 145, S. 220, S. 363. Interessanterweise sollte der cultum veri Dei und nicht der cultum christianitatis sichergestellt werden, wie es in der Preafatio hieß und was gegen eine sonderliche Vertrautheit mit der Vokabel spricht. 50 Vgl. von Padberg, Christianisierung, S. 89. 51 Vgl. de Jong, Ecclesia, S. 116 f. 52 Siehe de Jong, State of the Church, S. 250; Springer, Sachsen, S. 261, beide mit Verweis auf Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 7 (MGH SS rer. Germ. 25), S. 10.

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fand.53 Der letzte Kaiser würde die wilden Horden um Gog und Magog besiegen, in Jerusalem herrschen bis zur Ankunft des Antichrist, in Golgatha dem echten Heiligen Kreuz die Krone aufsetzen, das dann emporsteigen würde, woraufhin der Kaiser ebenfalls erhoben würde und alle Machthaber auf Erden ein Ende haben würden. Nach McGinn funktionierte die Figur auf zweifache Weise: »First, it kept alive a connection between the Christian Roman Empire of Constantine and the new Europe that recognized that this empire was no longer a living vitality, […] The significance of Rome in God’s plan was saved by projecting it into the future. Second, the Last Emperor as a surrogate for Christ in his victory over the forces of evil opposing the Christian world-order became a vehicle for the terrestrial optimism that had been a part of Christian apocalypticism from its origins.«54

McGinn wird damit Recht haben, dass diese Erzählung den römischen Kaiser aufwertete und eine Verbindung zwischen der Gegenwart und einer glorifizierten Vergangenheit herstellte, wobei fraglich ist, ob er mit der Vorstellung vom Neuen Europa diese Relation interpretatorisch überfrachtet. Andererseits muss diese Figur angesichts eines drohenden Weltendes eine ebenso verlockende wie beängstigende Idee gewesen sein, denn wenn sie Realität würde, wäre die Apokalypse zwar aufgeschoben, aber noch näher an die Menschen herangerückt. Alkuin jedenfalls sah seinen König sehr wohl in einem eschatologischen Kontext, ging aber offenbar nicht so weit, ihn mit dem letzten römischen Kaiser zu identifizieren. Vielleicht auch deshalb hat Wolfram Brandes in seinem Aufsatz über die Endzeiterfahrung im 8. Jahrhundert die Frage ausgeklammert, ob Karl eventuell als dieser Kaiser in Erscheinung treten sollte oder wollte. Durch verschiedene Quellen abgesichert ist jedoch, dass Karl nach seiner Kaiserkrönung aus einer selbst empfundenen Endzeiterwartung heraus die Kirchen im Osten des Mittelmeerraums, speziell in Jerusalem, finanziell förderte.55

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christianitas als politische Tugend

Die Forschung hat unlängst die dynamisierende Wirkung des apokalyptischeschatologischen Denkens auch in der verstärkten Legislationstätigkeit Karls des Großen in den 790er-Jahren ausgemacht:

53 Vgl. Heyse, (Art.) Methodius, Sp. 581. Die Revelationes in deutscher Übersetzung bei Reinink, Die syrische Apokalypse. 54 McGinn, End, S. 78. 55 Michael McCormick, Survey, zeigt dies anhand des Breve commemoratorium. Des Weiteren Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 27 (MGH SS rer. Germ. 25), S. 31 f. sowie De ecclesia Centulensis libellus von Angilbert von Saint-Riquier (219.406).

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Eine karolingische christianitas?

»the constant stream of royal capitularies, letters and missives – insisting on order and correction to forge a polity that might be worthy of salvation – sprang from an awareness that these were indeed dangerous und disorderly times, as plenty of evidence showed – an awareness more strongly expressed as Charlemagne’s reign progressed.«56

Wenn nun christianitas nicht in Bezug auf die zu beherrschende Einheit vorkam, dafür aber zur religiös-sozialen Differenzierung im Angesicht des Weltendes herangezogen wurde, stellt sich die Frage, in welcher Form die Vokabel möglicherweise in den Kapitularien und Konzilsbeschlüssen Verwendung fand. Es lässt sich zwar nicht ausreichend plausibilisieren, dass Karl der Große die Kapitularien und Konzilstexte selbst im Wortlaut kannte oder gar vorgegeben hat. Aber man kann unterstellen, dass sie in vielen Fällen aus der Diskussion des Königs und späteren Kaisers mit seinen weltlichen und geistlichen Ratgebern bzw. Funktionsträgern hervorgingen und weitervermittelt wurden. Wenn man also nicht dichter an den Sprachgebrauch Karls selbst herankommen kann, ergibt sich auf der anderen Seite die Chance, den Wortgebrauch einer Gruppe um den Herrscher sowie der Adressaten erfassen zu können. Zunächst fällt auf, dass christianitas erst ab dem Jahr 800 häufiger in den genannten Quellengattungen auftrat. Dies mag mit einer zunehmender Bildung und Sprachkompetenz am Hofe zusammenhängen. Da Karl erst in den späten 780ern-Jahren seine berühmte Sprachpolitik anordnete, kann die sich erhöhende Frequenz im Gebrauch des Wortes auf die schulischen Maßnahmen zurückgeführt werden. Hierfür spricht auch, dass das Wort in den Jahrzehnten nach Karl sehr häufig verwendet wurde. Während das Wort nur ab und zu in den Kapitularien und Konzilien unter Karl herangezogen wurde, findet es sich in diesen Quellengattungen im Laufe des 9. Jahrhunderts sehr viel häufiger.57 In den programmatischen Kapitularien vor 800 kam christianitas nur einmal vor.58 Dabei handelt es sich um die berüchtigte Capitulatio de partibus Saxoniae,

56 De Jong, Charlemagne’s Church, S. 105. 57 Dies ist insbesondere der Fall bei den Beschlüssen zu den Konzilien von Paris 829 (MGH Conc. 2,2), S. 605 – 680 (251.450 – 456) u. Meaux-Paris 845/46 (MGH Conc. 3), S. 61 – 132 (272.497 – 499). 58 Kapitularien stellen eine offene Textgattung dar, die sich neben ihrer administrativen und juristischen Dimension durch eine religiös-pastorale Dimension auszeichnen, siehe Mordek, Kapitularien, S. 48 f.: »Sie bedeuten ja den sehr ernst zu nehmenden Versuch der fränkischen Herrscher, ein heterogenes Großreich regierbar zu machen, es verwaltungsmäßig zu durchdringen, die Mächtigen und Großen zurückzubinden an die zentrale Gewalt, das Volk zu formen zu einer an den sittlichen Maßstäben des Christentums ausgerichteten Gemeinschaft.« Mordek sagt aber auch, dass Karl selbst nur wenig Bescheid darüber gewusst habe, welche reale Geltung seine Kapitularien erfahren hätten. Siehe auch Buck, Admonitio, S. 44 – 54; Innes, Charlemagne’s Government; McKitterick, Karl, S. 207 – 210. Diskutiert wird die Frage, welche Texte als Capitula zu bezeichnen und welche aus dieser Rubrik auszuschließen sind. Siehe ebd., S. 208. Die von Mordek 1995 angekündigte Neuedition der Kapitularien

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die Karl 782 auf einer Reichsversammlung in Lippspringe nach etwa zehn Jahren Krieg mit den Sachsen erlassen hatte. Unter Todesstrafe wurden die Sachsen dazu angehalten, die christliche Lebensweise einzuhalten.59 Konkret hieß es in cap. 4: Si quis sanctum quadragensimale ieiunium pro despectu christianitatis contempserit, et carnem comederit, morte moriatur ; sed tamen consideretur a sacerdote, ne forte causa necessitatis hoc cuilibet proveniat ut carnem commedat. (184.332) Wer die heilige vierzigtägige Fastenzeit aus Verachtung des Christentums zurückweisen sollte und Fleisch äße, solle des Todes sterben [!]; aber es soll von einem Priester beurteilt werden, ob nicht etwa eine Notwendigkeit für jemanden aufgekommen sei, dass er Fleisch äße.

Diese Kapitel gehörten zu den Bestimmungen des Kapitulars, die den Schutz der Kirche und die Überwindung des Heidentums betrafen. Die Bestimmungen sahen übermäßig harte Strafen vor – auch im Vergleich der aufgelisteten Vergehen innerhalb des Kapitulars, so Lutz von Padberg. Doch gab es auch hier einen Spielraum, was die Auslegung des Gesetzes anging, das wohl in erster Linie nur Macht des Herrschers und Chance auf Milde beim Herrscher demonstrieren sollte.60 Für die christianitas ist nun entscheidend, dass sie für das Christentum stand, so wie es nach spätantikem Brauch möglich und auch unter den Franken bereits vorgekommen war, wie die Utrechter Urkunde gezeigt hat (145.263 – 264). Die Formulierung »aus Verachtung des Christentums« glich in ihrer Syntax, aber auch im textuellen Zusammenhang den Verwendungen in der Dionysio-Hadriana (176.320 – 323), die Karl 774 von Hadrian I. als Verlegenheitsgeschenk bei dessen erstem Rombesuch erhalten hatte. Da die Admonitio generalis in ihrem ersten Teil fast vollständig von der Dionysio-Hadriana abhängig ist, kann die sehr frühe Rezeption der Kirchenrechtssammlung als geliegt nunmehr in den Händen von Steffen Patzold und Karl Ubl und ist wohl erst in ein paar Jahren zu erwarten. 59 Vgl. von Padberg, (Art.) Capitulatio, Sp. 813 – 815. Diese Datierung geht auf die Überlegung zurück, dass das fränkische Heer 782 eine bittere Niederlage gegen die Sachsen erlitt und Karl mit grausamer Vergeltung antwortete. Die Zahl von 4.500 Sachsen, die in Verden enthauptet worden sein sollen, wird gemeinhin als Übertreibung angesehen, Vgl. Nonn, Zwangsmission, S. 63. Springer, Sachsen, S. 221 f. stellt sich gegen die Datierung und sieht im Kapitular eine Sammlung von drei verschiedenen und zeitlich versetzt erlassenen Kapitularien. Zumindest was cap. 4 angeht, halte ich es aber dennoch für wahrscheinlicher, dass dieser Beschluss früher zu datieren ist, gerade wenn man Springers anderer Ansicht Glauben schenken will, dass die ARF in Bezug auf den Eid von 777 Rechtsvokabular verwendet haben, was in Bezug auf christianitas voraussetzt, dass die Vokabel zuvor schon einmal im Rechtszusammenhang verwendet worden ist. 60 Vgl. Nonn, Zwangsmission, S. 64 f., der allerdings auch darauf hinweist, dass das Strafmaß sowohl bei Franken als auch Sachsen üblich war, wenn es um Hochverrat am König ging, was hier in Bezug auf Karl zutraf, aber noch mehr auf Christus als dem König der Könige.

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sichert gelten.61 Es ist möglich, dass die Lektüre der Dionysio-Hadriana Einfluss auf den Wortgebrauch hatte, da der Ausdruck pro despectu christianitatis in einem Rechtstext zur Durchsetzung christlicher Lebensnormen mit der Art der Verwendung in der Dionysio-Hadriana in Einklang stand. Die hohe Ähnlichkeit zwischen den beiden Quellen im Vergleich zu den folgenden Quellen legt nahe, dass zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine weitergehenden Anpassungen des Wortgebrauchs an die Verwendungssituation vorgenommen wurde und daher das Wort nicht noch für andere Aussagen herangezogen wurde, so wie es gut 16 Jahre später Alkuin mit seinem christianitatis imperium versuchen sollte. Nach 800 traten erstmals neben den herrscherlichen Kapitularien auch bischöfliche Kapitularien auf,62 wobei die Zuordnungen durchaus umstritten sind. So wurden unter dem Namen des engen Vertrauten und Mitarbeiters Karls des Großen, Bischof Ghärbald von Lüttich (sed. 787 – 809), Kapitularien editorisch erfasst, obwohl nicht klar ist, ob sie wirklich von ihm selbst stammen oder das Ergebnis einer Versammlung von Bischöfen mit Karl um 800 gewesen sind.63 Auf jeden Fall waren sie an den Klerus in der Kirchenprovinz Köln adressiert und wurden lange als Beschlüsse einer Aachener Synode von 801 oder 802 angesehen. Die Vokabel diente in beiden Ghärbald zugeschriebenen Kapitularien als Genitivattribut zu cultus, fides und religio.64 Im ersten Kapitular wurden die Priester dazu angehalten, dem ihnen anvertrauten Volk das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis nahezubringen und ihren Seelen das Bemühen um die ganze Religion und den christlichen Kult zu zeigen.65 Im zweiten Kapitular wurde der Ausdruck etwas abgeändert, indem nun von dem christlichen Glaubensbekenntnis (symbolum fidei christianitatis; 225.415) gesprochen wurde und es hier darum ging, nicht von Klerikern, sondern vom Volk die Einhaltung von Kultpraktiken einzufordern und Zuwiderhandlungen zu bestrafen.66 Das 61 Vgl. die Wendung ammonitione populum dei in: Admonitio generalis (MGH Fontes iur. 16), S 30 – 34. Zur Verbreitung: Hartmann, Kirchenrecht um 900, S. 62; K¦ry, Canonical Collections, S. 14 – 18. Laut einer Aufstellung in McKitterick, History, S. 251, gibt es heute allein noch 62 vollständige und acht fragmentarische Kopien aus dem 8./9. Jahrhundert. Bemerkenswerterweise wurde keiner der vier Konzilsbeschlüsse aus Gangra übernommen, die christianitas enthielten und auch sonst kam christianitas in der Admonitio nicht vor. Vgl. Kapitel IV.2 sowie 176.320 – 323. 62 Vgl. Hartmann, Kirchenrecht um 900, S. 318. 63 Vgl. Hartmann, Synoden, S. 123 und S. 174 zur Mitarbeiterschaft Ghärbalds. 64 Auch in der Lex Baiwariorum VIII,21 (212.398) wurde christianitas als Genitivattribut verwendet. 65 Ut unusquisque sacerdos orationem dominicam et symbolum populo sibi commisso curiose insinuet ac totius religionis studium et christianitatis cultum eorum mentibus ostendant. (220.408). Derselbe Beschluss findet sich auch in den Capitula a sacerdotibus (221.409), die ohnehin in mehreren Kapiteln mit dem Ersten Kapitular Ghärbalds übereinstimmen. Welcher Text hier von wem abhängig ist, ließ sich nicht ermitteln. 66 Primitus ergo, quae christianae legi adversa sunt, ea proponimus, scilicet qui orationem

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zweite Kapitular lässt an seiner Schlussformel zudem erkennen, dass die aufgestellten Regeln dazu dienen sollten, die christliche Religion unter den Heiden zu verbreiten, da es bei der bisherigen Christianisierung offenbar immer wieder zu Schwierigkeiten gekommen war.67 Die Sachsen hatten zu Beginn des 9. Jahrhunderts ihren Widerstand gegen die Franken und den christlichen Glauben fast aufgegeben, was aber noch lange nicht hieß, dass sie nach den Maßstäben Alkuins ein richtiges, den christlichen Normen entsprechendes Leben führten. Hierzu gehörte in erster Linie die Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst und die Kenntnis des Glaubensbekenntnisses, was sicherlich dadurch erleichtert worden war, dass auf der Frankfurter Synode 794 Karl der Große Unterricht in Volkssprachen ausdrücklich erlaubt hatte.68 Die Erwähnung des Vaterunsers und des Glaubensbekenntnisses hilft, eine weitere christianitas-Verwendung in dem zeitlich vorgelagerten Kapitular aus Mantua von 787 zu erschließen. Hier wurde christianitas abermals als Auszeichnung für opera verwendet, womit das christliche Handeln gemeint war. Nun liegt es nahe, dass es sich hierbei in erster Linie um die Kenntnis des Vaterunsers und des Glaubensbekenntnisses sowie den Besuch des Gottesdienstes handelte. Diese Stelle stand nämlich im Zusammenhang mit der Bestrafung derjenigen, die den Kirchenzehnten nicht zahlen wollten. Diese sollten auch weiterhin fromme christliche Werke bewahren (servare), während ein Verfahren gegen sie lief (inter cetera pia christianitatis opera servare convenit; 193.371). Diese mögliche Deutung würde jedenfalls aufzeigen, dass sich die opera christianitatis bereits von denjenigen der Spätantike unterschieden, wie sie Marius Victorinus und andere eingefordert hatten und dabei zusätzlich an Nächstenliebe als Maxime christlicher Lebensweise gedacht hatten.69 Näher an einen christianitas-Gebrauch im Umfeld Karls kommt man erst wieder im Zusammenhang mit den Reformsynoden von 813. Karls letzte Herrschaftsjahre gelten nicht als die glücklichsten, wie Rudolf Schieffer es ausdrückte.70 Die vielen Schicksalsschläge und negativen Ereignisse um 810

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dominicam et symbolum fidei christianitatis memoriter non tenent neque didicere volunt, eos notate et ad praesentiam nostram veniant seu maiores seu minores sive nobiles sive ignobiles, omnes generaliter ante nos veniant et dicant orationem dominicam et symbolum apostolorum, ut catholicae fidei plenitudo continetur, quia impossibile est, sine fide placere deo (225.415). Et quia dicitis, quia multa erga religionem christianitatis apud pagenses vestros geruntur, in quantum recordare potuimus, in his capitulis commemoravimus, modo quia domino deo auxiliante et domini nostri imperatoris licentia praesentem me ostendo ad omnia emendanda et in his causis, quae in praefatis capitulis denuntiantur, et in ceteris, in quibus ante me proferuntur (225.416). Vgl. Concilium Francfurtense a. 794, c. 52 (MGH Conc. 2,1), S. 171. Vgl. Kapitel II.2. Schieffer, Karolinger, S. 108. Patzold, Episcopus, S. 74 verweist auf die berühmte These von FranÅois Louis Ganshof von der »d¦composition« des Frankenreiches.

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seien von Karl und seiner Umgebung als Symptom des politischen und moralischen Niedergangs gedeutet worden, weshalb Karl nochmals Anstrengungen unternahm, die früher beschlossene christliche Besserung des Lebenswandels, aber auch allgemeine Missstände in der Bevölkerung eingehend zu prüfen.71 813 ließ Karl fünf große Reformkonzilien in Mainz, Reims, Tours, Arles und Chalonsur-Saúne abhalten, auf denen die Bischöfe Missstände erfassen, Entscheidungen fällen und im besten Falle auch begründen sollten. Die Kleriker verfuhren dabei durchaus sehr unterschiedlich.72 Allein das Konzil von Mainz mit seinen geistlichen und weltlichen Teilnehmern hielt sich offenbar eng an Karls Vorgaben.73 Die Teilnehmer des Konzils sahen aber ihre Aufgabe nicht darauf beschränkt, die Amtsführung der Bischöfe zu kontrollieren. Sie wollten sich allgemein um den Zustand der wahren Religion und um den Nutzen und den Vorteil des christlichen Volkes (de statu verae religionis ac de utilitate et profectu Christianae plebis) kümmern. Das hieß vor allem, unchristliches Verhalten zu unterbinden, das als ein Auslöser für die krisenhaften Jahre zuvor gegolten hatte.74 Wofür die Vokabel eingesetzt wurde, lässt sich nur an den Beschlüssen des Mainzer Konzils festmachen. Die Formulierung glich sehr stark einer Verwendung in Karls Capitulare generale, das Hubert Mordek aufgrund der vielen Überschneidungen zu den Reformkonzilien auf 813 datiert hat. Die beiden Passagen scheinen sich gegenseitig zu ergänzen, um einander noch mehr Wirkung zu verleihen. Die Mainzer richteten sich allgemein an die Laien, während das Capitulare generale speziell die Grafen, Richter und alles Volk ansprach. In beiden Texten wurde mit christianitas weiterhin die persönliche Eigenschaft und damit die christliche Lebensweise nach christlichen Normen bezeichnet und deren Beibehaltung von Karl bzw. den Konzilsteilnehmern eingefordert. Sowohl im cap. 2 des Capitulare generale als auch im cap. 8 der Beschlüsse aus Mainz wurde den Laien bzw. den Grafen, Richtern und allem Volk aufgetragen, den Bischöfen gehorsam zu sein, ihnen bei der Leitung der Kirche zu helfen und ihre Christlichkeit zu bewahren, wobei insbesondere beim Capitulare generale die Einträchtigkeit bei der Rechtsprechung im Vordergrund stand.75 Dahinter stand 71 Vgl. Schieffer, Karolinger, S. 108 f.; Patzold, Episcopus, S. 74 – 76. 72 Ein oberflächlicher Vergleich der Vorworte zu den jeweiligen Beschlusssammlungen der Konzilien zeigt bereits, dass allein in Mainz die Aufgabe in Bezug auf den Zustand des populus christianus angegangen wurde. Siehe Concilia Arelatense, Remense, Moguntinense, Cabillonense, Turonese, a. 813 (MGH Conc. 2,1), S. 245 – 306. 73 Vgl. Patzold, Episcopus, S. 77; Hartmann, Synoden, S. 128 – 130. 74 Vgl. Concilium Moguntinense, a. 813 (MGH Conc. 2,1), S. 259 u. cap. 15, S. 265; Patzold, Episcopus, S. 77; Schieffer, Karolinger, S. 108 f. Zum Konzil: Hartmann, Synoden, S. 131; Klingshirn, Caesarius of Arles, S. 284 f. 75 Konzil von Mainz, cap. 8: Ut episcopi potestatem habeant res ecclesiasticas praevidere, regere et gubernare atque dispensare secundum canonum auctoritatem, volumus, et ut laici in

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das Ziel von Frieden und Eintracht im Dienste und nach dem Willen Gottes für das christliche Volk, so cap. 1. des Capitulare generale (229.420). Beide christianitas-Stellen fallen dadurch auf, dass sie im Zusammenhang mit der Definition von Rollenzuweisungen innerhalb dieser christlichen Gesellschaft standen, womit sie dem Gebrauchsmodus von christianitas in den Annalen recht nahekamen, zumal die Formulierung ad eorum christianitatem servandam (228.419) dem annalistischen Gebrauch auf syntaktischer Ebene ebenfalls nahestand. Die Deutung der christianitas als persönliche Lebensweise lässt sich durch das Personalpronomen (suam) bzw. durch das Demonstrativpronomen (eorum) belegen, die sich auf die Laien bezogen, wie aus dem Satzkontext hervorgeht. Außerdem steht dies im Einklang mit der Verwendung von christianitas als persönlicher Eigenschaft, wie sie in der Vita Bertilae zutage getreten war. Damit fand sich für Mainz ein durchaus spätantiker Wortgebrauch wieder, der neben der Eigenschaft als königlicher Anrede existiert hatte. Die Sammlung der Papstbriefe zu Beginn der 790er-Jahre hatte also nichts daran geändert, dass christianitas weiterhin als eine allgemeine Eigenschaft des Christlichen verstanden wurde und nicht als spezielle Christlichkeit des Herrschers. Wenn nun eine karolingische Politisierung vorlag, so lässt sie sich an der Einbindung dieser Eigenschaft in das auf diesem Konzil wiederholt formulierte Gesellschaftsmodell des populus christianus erkennen. Jeder einzelne sollte sein Christentum bewahren und gemäß der christlichen Gebote und rituellen Praktiken leben, um damit genau die christliche Gesellschaft hervorzubringen, die auf die Erlösung hoffen konnte. Karl herrschte also insofern mit christianitas, als dass damit Anforderungen an die Einhaltung christlicher Normen im Sozialverhalten sowie im kultischen Verhalten gegenüber Gott formuliert werden konnten, die von jedem eingehalten werden sollten, der unter der Herrschaft Karls stand. Die Vokabel stand somit für eine religiös-politische Metatugend, die die christliche Einstellung und das Befolgen der religiösen Tugenden, die Kenntnis vom richtigen Gottesdienst und der darin zu sprechenden Texte, das Bekenntnis zu Christus und die Treue zum Herrscher einschloss. Sie war die Grundlage für ein Herrschaftsmodell und nicht der Ausdruck für das zu regierende Gemeinwesen selbst oder eine von der Herrschaft Karls losgelöste und übergeordnete Einheit aller Christen. Selbst Karls Enkel, der über das westfränkische Reich herrschende Karl der Kahle (840 – 877), ermahnte die Franken und Aquitanier, dass sie Gott und ihrem Christentum eingedenk sein und treu zur heiligen Kirche eorum ministerio oboediant episcopis ad regendas ecclesias Dei, viduas et orphanos defensandos et ut oboedientes sint eis ad eorum christianitatem servandam (228.419). Dieses Kapitel wurde im Wortlaut auch von späteren Mainzer Konzilien von 847 (274.501) und 853 (295.540) übernommen und fortgeschrieben. Capitulare generale: Ut comites et iudices omnesque populi obedientes sint episcopis suis ad christianitatem suam et ad sanam doctrinam ad omnemque iusticiam, sicut christianis decet; et episcopi et clerici omnes comitibus sint consentientes ad iusticiam (229.420).

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stehen sollten,76 was anzeigt, dass sich die personalisierte Konnotierung der christianitas in königlichen Anordnungen noch weit bis ins 9. Jahrhundert hinein hielt.77

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Divergierende Semantisierungen

Die Quellenstellen in den Annalen, in der Vita Bertilae und den verschiedenen Kapitularien ergeben ein mehr oder weniger geschlossenes Bild. Blickt man nun wieder zurück zu dem Semantisierungsversuch Alkuins, von einem christianitatis imperium zu sprechen, scheint dieser auch deswegen kaum Chancen auf Verbreitung gefunden zu haben, weil die Vokabel zum Reden über die Metatugend Christlichkeit als Pfeiler des zu regierenden Volkes gebraucht wurde. Zum Wortgebrauch um das Jahr 800 gehörte aber nicht nur Alkuins Wortexperiment, sondern auch weitere Verwendungen, die hier nicht außen vor bleiben dürfen, weil sie das Spektrum des Wortgebrauchs aufzeigen und vermitteln können, was ohne Veränderungen aus der Spätantike übernommen wurde, was übernommen und nichtintentional umsemantisiert wurde, was adaptiert wurde und mit welchen mit neuen Absichten dies geschah und schließlich, welche Sprachexperimente unternommen wurden. Ohne weitere Veränderungen übernommen wurde ein Wortgebrauch eigentlich nur dann, wenn der Text als Ganzes als Abschrift in den Norden gelangte, so wie es bei der Dionysio-Hadriana der Fall war, oder aber wenn Texte gesammelt und abgeschrieben wurden, die bereits vorher in den Norden gekommen waren, so wie die Papstbriefe.78 Sehr konservativ war der Wortgebrauch im Umfeld der theologischen Schriften,79 wie z. B. bei der Verwendung des Musters nomen christianitatis in den Apokalypsekommentaren – obschon Beatus mit seinem Insistieren auf das nomen christianitatis sehr viel weiter ging, als es die Apokalypsekommentatoren vor ihm taten. Unabhängig von Beatus’ Verwendung lässt sich mit Blick auf die nächsten Jahrzehnte aber sagen, dass dieses Muster weiterhin gepflegt wurde, was aber auch nicht verwundert, weil 76 Vgl. die beiden Sendschreiben von 856 (300.550 und 301.551). 77 Faszinierend ist der Bericht von Nithard zu den Straßburger Eiden, in denen es in der Vorgeschichte heißt, dass weder Brüderlichkeit noch Christlichkeit (nec fraternitas nec christianitas), noch sonst irgendein ingenium außer der Gerechtigkeit dazu beitragen könne, dass Frieden unter ihnen herrsche, sodass sie sich dem Urteil Gottes unterwarfen, damit dieser für den Frieden sorge, siehe Nithardi historiarum libri III, lib. III, cap. 5 (MGH SS rer. Germ. 44), S. 35 (270.494). 78 Vgl. McKitterick, Karl, S. 296 – 319, zur Buchproduktion und der königlichen Bibliothek. 79 Dies steht im Einklang mit dem sogenannten »Zeitalter der Florilegien« nach Congar, L’¦cclesiologie, S. 13.

Divergierende Semantisierungen

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die damit thematisierbare unzulängliche christliche Lebensweise immer wieder Anlass zu Klage und Mahnung gab. Auch im theologischen Gebrauch bei Alkuin ließ sich ein Beharren auf alten Verwendungsmustern feststellen (223.413), wenngleich im Falle der Sieben Bücher gegen Felix eine starke Verräumlichung und damit ein neues textuelles Umfeld für die Vokabel zum Vorschein kam. Ähnlich traditionell wie sein Lehrer war auch Hrabanus Maurus (226.417) und sollte dies auch bis zu seinem Tode 852 bleiben. Der praeceptor Germaniae nutzte die Vokabel noch häufiger, so z. B. in seinem Matthäuskommentar, in den er ganze Textstellen komplett von Augustinus übernahm und auch dessen Wortwahl nicht abänderte.80 Hrabanus pflegte aber weiterhin das Muster nomen christianitatis, um das sogenannte Scheinchristentum zu thematisieren.81 Die Herleitung des Christennamens fand sich in leicht abgewandelter Form bei Paschasius Radbertus und dessen Matthäuskommentar wieder, der sich aber ansonsten als sehr viel erfindungsreicher im Umgang mit christianitas erweisen sollte.82 Dieser Ausblick soll genügen, um zu zeigen, dass viele Verwendungsmuster aus der Spätantike nicht nur in die Karolingerzeit hineingekommen waren, sondern auch weiterhin den theologischen Diskurs auszeichneten. Zu den fortgeführten Verwendungsweisen, die in ein neues Umfeld gestellt wurden und damit Bedeutungsverschiebungen erfuhren, zählen die Stelle aus der Capitulatio de partibus Saxoniae (184.332) wie auch jene im Liber sacramentorum Gellonensis (196.374 – 375). Bekannte Muster wurden hier an die Notwendigkeiten der Zeit angepasst. Dies trifft in gewisser Weise auch auf die Verwendung im Liber Pontificalis zu, weil hier ad fidem convertere mit den Sachsen in Verbindung gebracht wurde. Auch in Rom wurde der Sprachgebrauch den Bedürfnissen angepasst und damit aktualisiert, was vor allem die Briefe Hadrians bestätigen. Am Gebrauch der Vokabel in Rechtstexten wie den weiteren Kapitularien und Konzilsbeschlüssen ist zu erkennen, dass die normative Konnotation von 80 Die Stelle in Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum, II,6,16 (CCCM 174), S. 189 f. (241.434), entspricht 54.107. Ein weiteres Beispiel für das Weitertragen eines Wortgebrauchs durch Abschrift findet sich in ders., Poenitentium Liber ad Otgarium, cap. 27, in: PL 112, 1419A – B (269.493), wo er aus dem Konzil von Karthago zitierte (26.61), was er wiederum aus der Dionysiana gehabt haben wird (53.104 – 105). 81 Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum, II,7,15 (CCCM 174), S. 211 f.; PL 107, 845D – 846D (241.435): Et uestitum ouium habere dicuntur, quod nomen habeant Christianitatis uel quia assimilant se ministris iustitiae, figuram religiositatis mentientes. Per Christianum itaque nomen multos seducere nituntur, dulcibus sermonibus multis scandalum inferentes. Isti sunt, de quibus iterum ait Apostolus: Per suos dulces sermones et blandos seducunt corda innocentium. 82 Dies wird sowohl an dessen Matthäuskommentar (256.465 – 471) als auch an den pseudoisidorischen Fälschungen sichtbar (261.479 – 484), siehe hierzu die online gestellte Quellensynopsis.

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christianitas beibehalten, aber in einer neuen Arena eingesetzt wurde, in der der Herrscher und später seine Bischöfe das christliche Volk gestalten wollten. Hier wurde das Wort trotz unveränderter Bedeutungszuweisung zu politischen Zwecken eingesetzt. Das unterscheidet ihren Gebrauch an dieser Stelle doppelt vom normativen Gebrauch der Spätantike. Zwar hatten auch die römischen Kaiser christianitas ehedem genutzt, als sie Regeln für das Zusammenleben von Christen und Nichtchristen aufstellten. Unter den Karolingern war der Gebrauch aber auf das Funktionieren des populus christianus bzw. der sancta ecclesia ausgerichtet.83 Er war – wenngleich der Ausdruck anachronistisch ist – innenpolitisch instrumentalisiert und auf eine homogene christliche Gemeinschaft als Zielvorstellung ausgerichtet worden. Zumindest im Umfeld von christianitas war von religiösen Konflikten oder rivalisierenden Glaubensgruppen lange Zeit keine Rede mehr. Diese Ausrichtung des Gebrauchs mag helfen zu verstehen, warum christianitas unter Karl dem Großen (wie auch unter seinen Nachfolgern) nicht zur Kontrastierung mit nichtchristlichen Gemeinschaften genutzt wurde.84 Der Fokus lag auf dem christlichen Volk, den notwendigen kultischen Handlungen und auf dem geforderten christlichen Verhalten. Zweitens kam das spätantike Kirchenrecht in Form von Konzilstexten oder anderweitigen Rechtssammlungen ohne christianitas aus. Dies änderte sich in dem Maße, wie die Bischöfe des 9. Jahrhunderts zunehmend die Gestaltung der Gesellschaft in ihre Hände nahmen. Es lässt sich nicht sagen, welches Verdienst Karl bei der Einführung der Vokabel in die Kirchenrechtstexte genau zukam. Auf jeden Fall aber führte die erhöhte gesetzgeberische Tätigkeit wie auch die vermehrte Präsenz der Vokabel (in den Annalen, in den diversen Briefen, im Umfeld des Frankfurter Konzils) dazu, dass christianitas nun auch häufiger in Kapitularien und Konzilstexten vorkam. Zudem wurden die Bischöfe 813 erstmals 83 Es hat den Anschein, dass unter Karl dem Großen der Fokus noch auf dem christlichen Volk lag, während es sich erst unter Ludwig dem Frommen einbürgerte, die politische und religiöse Gemeinschaft mit der sancta ecclesia gleichzusetzen. Zur sancta ecclesia als Ordnungsfigur siehe bes. de Jong, Empire, S. 226; dies., Ecclesia, S. 121; dies., State of the Church, S. 252: »This notion of ›the holy church‹ was a flexible one, referring on the one hand to a polity understood as the community of those who worshipped ›correctly‹, in a way that pleases God, and on the other it denoted the clergy who mediated between God and his people. With this double meaning, sancta ecclesia figured in the ninth-century discussions about the nature of the Christian polity.« 84 Nur zum Jahr 815 findet sich eine mit christianitas verknüpfte Aussage über die Sarazenen, als Ludwig der Fromme verfügte, was mit den vor den Muslimen geflüchteten Spaniern zu geschehen habe. Die Nennung der inimicissima christiantati gens Sarracenorum (230.421) bezieht sich nicht auf Sarazenen, die die Christenheit angegriffen hätten, sondern auf ein Volk, das dem Glauben gegenüber feindlich eingestellt gewesen ist. Es geht weder um das Wohl der Christenheit noch um den Schutz vor den Sarazenen oder der Grenze zu diesen, sondern um die Versorgung besitzloser Flüchtlinge und das Verhältnis gegenüber den besitzenden Franken.

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intensiv in die Beratungen und die eigentlichen Tagungen eingebunden.85 Dies kann dazu beigetragen haben, dass die Vokabel später im Kirchenrecht häufiger genutzt wurde. So diente sie im Laufe des 9. Jahrhunderts zur Semantisierung der Exkommunikation als zeitweiligem Ausschluss aus der christlichen Gemeinschaft (consortio christianitatis).86 Im Zuge der Reformkonzilien 813 fällt zudem eine räumliche Divergenz im Sprachgebrauch auf. Nur die in Mainz versammelten weltlichen und geistlichen Teilnehmer operierten mit christianitas. Von den anderen Konzilien ist nichts dergleichen überliefert. In Mainz sorgte man sich um das Wohl des christlichen Volkes, in der Vorrede zu Reims hingegen ging es um die correctio totius imperii christiani (227.418).87 Offenbar handelte es sich dabei nicht nur um unterschiedliche Ausdrucksweisen innerhalb des Reiches, sondern um unterschiedliche Wahrnehmungen des politisch-religiösen Bezugsrahmens. Zu dem vorgesehenen gemeinsamen Kapitular aus den sehr verschiedenen Texten der fünf Konzilien kam es nicht mehr.88 Ein solches hätte eventuell Aufschluss darüber geben können, ob sich wirklich sprachliche und konzeptuelle Regionalismen innerhalb des Reiches bildeten. Die Beschlüsse aus Mainz wurden auf jeden Fall nur noch im ostfränkischen Raum auf weiteren Konzilien wiederholt, sodass man davon ausgehen kann, dass selbst wenn der Mainzer Konzilstext in Abschriften im westfränkischen Reich vorlag,89 gerade das christianitas-relevante cap. 8 als semantischer Anker für den kirchenrechtlichen Gebrauch ausfiel. Einen weiteren Hinweis auf unterschiedliche Verwendung innerhalb des Reiches bieten die Statuten der bayerischen Diözesen Reisbach, Freising und Salzburg. Auf ausdrücklichen Befehl Karls war der bayerische Klerus zusammengetreten und hatte um 800 herum verschiedene Beschlüsse verschriftlicht. Gleich im ersten Kapitel versicherte sich die zusammengekommene Gemeinschaft, Gott zu ehren und einträchtigen Frieden auf Erden unter sich dem Recht entsprechend zu sichern, was auch das ganze christliche Volk zu bewahren habe, besonders aber diejenigen, die ein Amt im kirchlichen Ordo innehatten und die für sich und das Heil der ganzen Christenheit (pro totius christianitatis salute)

85 Vgl. Hartmann, Synoden, S. 129. 86 Vgl. Kapitel VI.2, Anm. 79. 87 Der Klerus nannte als Ziel der Zusammenkunft die correctio totius christiani imperii, die in der Handschrift aus Novara 10. Jahrhundert (laut Edition: Novariensi LXXXI (134; Mazzatinti n. 18) saec. X fol. 169 – 189) zu totius christianitatis imperii umgeschrieben worden war, was auf das Weiterwirken sowohl des imperium christianum als auch der ganzen Christenheit als tota christianitas hinweist. 88 Vgl. Hartmann, Synoden, S. 130. 89 Die Angaben Werminghoffs (MGH Conc. 2,1), S. 247, zu den Handschriften helfen nicht weiter, weil er nur noch den Münchner Codex lat. 27246, den Wiener Codex 751 und den Novara Codex 71 hatte.

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reine Hostien dem Herrn Jesus Christus darzubringen hätten.90 Die Bayern verwendeten christianitas als Synonym für das christliche Volk; in cap. 5 beschlossen sie zusätzlich Fleisch- und Weinverzicht für die Kleriker an Donnerstagen und Samstagen sowie eine Litanei zur neunten Stunde für die Stabilität der ganzen Kirchen Gottes und zum ewigen Heil des christlichen Volkes (pro aeterna salute Christiani populi).91 Dies ist umso bemerkenswerter, weil der bayerische Klerus unter der Leitung Salzburgs auf dem Mainzer Konzil teilnahm, auf dem die Vokabel deutlich in personalisierter Form benutzt wurde. Offenbar war der gedankliche Schritt von der christianitas als persönlicher Tugend zu christianitas als Gruppe von Personen, die sich entsprechend dieser Tugend verhielten, im geistlichen Umfeld um 800 nicht mehr weit, aber auch nicht über die Grenzen Bayerns hinaus in einer größeren Versammlung kommunizierbar.92 Mit der Verbindung von tota und christianitas als totius christianitatis deutet sich ein neues Muster des Wortgebrauchs an, wie schon die sprachstrukturelle Durchsicht der Quellen in Kapitel VIII.4 vermuten ließ. Zwei weitere Verwendungssituationen lassen sich ausmachen, wenngleich die erste – der Trostbrief eines gewissen Paulus an einen Kranken (208.394) – sich leider nicht näher kontextualisieren lässt. Dies ist umso bedauerlicher, weil er mit totius christianitatis principes eine Verwendungssituation aufweist, die auf den ersten Blick eine politische Verwendung der Vokabel nahelegt. Ein einfaches Lesen der Textstelle verhindert hier mögliche wortstatistische Fehlschlüsse. Paulus sprach nämlich in seiner Auslegung einiger Stellen des Neuen Testaments von den Apostelfürsten. Damit ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass christianitas hier schon mehr als nur Christentum bedeuten sollte, dass es Paulus und Petrus als Fürsten der ganzen Christenheit präsentieren sollte. Der erbauliche, pastorale Charakter dieses persönlichen Schreibens lässt aber eher darauf schließen, dass kein politischer Gebrauch vorlag.93 Die christianitas könnte an dieser Stelle 90 Ideoque convenit supradictam congregationem sanctam domini Dei omni potentis auxilio statuere in invicem indissolubili vinculo caritatis, ut unanimes uno ore honorificare Deum patrem in celis et concordiam pacis inter se perpetuo iure firmare, quod universo populo Christiano indesinenter conservare oportet, maxime tamen his, qui eclesiastici ordinis officio mancipantur, qui pro se et pro totius christianitatis salute inmaculatas hostias domino Christo debent offerre (213.399). 91 Item placuit sancto concilio quarta et sexta feria a carne et vino cuncto clero abstinendum et ad nonam letaniam faciendam cum missarum sollemniis pro incolomitate et prosperitate vel firmitate totius sanctae Dei eclesiae vel pro aeterna salute Christiani populi et animarum suarum vita perpetua vel pro vita et salute et stabilitate imperii domni regis vel filiorum eius […], Statuta Rispacense, Frisingense, Salisburgense, in: Concilia Aevi Karolini 1,1 (MGH Conc. 2,1), S. 208. 92 Allerdings differenzierten sie noch zwischen der christianitas als dem christlichen Volk und der Herrschaft des Königs (imperii domni regis), was sich in der Einleitung zur Reimser Synode hingegen anders anhörte. 93 Nebenbei verweist diese Quelle im Spektrum der Verwendungsmöglichkeiten auch darauf,

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ein Abrufbegriff für einen kaum fest definierten Wissensrahmen Christenheit im Modus der theologischen Sprache gewesen sein. In der Bedeutungsübertragung indes ging Angilbert noch weiter ;94 ihm darf man neben Alkuin am ehesten ein Sprachexperiment unterstellen. Der Laienabt verfasste nach 800 eine kleine Schrift über die Kirche von St. Riquier (»De ecclesia Centulensis libellus«). Im zweiten Kapitel schrieb er, dass er bei der Inspektion der ihm übertragenen Kirchen den Entschluss gefasst habe, diese zu verschönern und mit Reliquien zu schmücken. Hierfür setze er nun auf die Hilfe Gottes und seines ruhmreichen Herren, des großen imperator, um aus verschiedenen Teilen der ganzen Christenheit so viele Reliquien wie möglich, welcher Art und woher auch immer stammend, an diesem heiligen Ort zusammenzutragen. Quapropter totis viribus totaque mentis intentione laborare contendimus, qualiter per auxilium omnipotentis Dei et adjutorium gloriosi domini mei magni imperatoris de diversis partibus totius Christianitatis, quantas et quales vel unde allatas recondere in hoc sancto loco valuissemus prout in consequentibus patet: id est in primis de sancta Romana Ecclesia, […]; de Constantinopoli, vel Hierosolymis […]; deinde de Italia, Germania, Burgundia atque Gallia a sanctissimis Patribus, patriarchis videlicet, archiepiscopis, necnon episcopis atque abbatibus nobis directas, seu etiam de sacro palatio, quae per tempora ab anterioribus regibus, et postea a jam dicto domino nostro maxime sunt congregatae, per ejus eleemosynam de omnibus partem habere, atque in hoc sancto loco condigne recondere meruimus (219.406). »Deswegen richten wir alle Kräfte und alle geistige Anstrengung darauf, wie wir mit der Hilfe des allmächtigen Gottes und mit der Unterstützung meines glorreichen Herren, des großen Kaisers, aus den verschiedenen Teilen der ganzen Christenheit in der Lage sein werden, wie viele [Reliquien] – von welcher Art und woher zusammengetragen – an diesem heiligen Ort aufzubewahren, von denen bekannt ist, dass sie aus den nachfolgenden [Orten kommen]: da ist zuerst die heilige römische Kirche, dann Konstantinopel und Jerusalem, dann auch Italien, Germanien, Burgund und auch Gallien von den heiligsten Vätern, den Patriarchen natürlich, den Erzbischöfen, als auch von den Bischöfen und Äbten Euch zugesandten [Reliquien], oder auch aus der heiligen Pfalz, die in den Zeiten vergangener Könige und später auch von unserem schon genannten Herren äußerst zahlreich versammelt wurden, sodass wir durch sein Almosen aus allen Teilen etwas haben und so diesen heiligen Ort würdig wiederbegründen können.«

dass unter lateinkundigen Geistlichen christianitas immer noch wie in der ersten Phase der Spätantike als Alltagsvokabel vorkommen konnte. 94 Angilbert erhielt 789/90 das Kloster St. Riquier von Karl dem Großen. Er korrespondierte auch mit Arn von Salzburg und Alkuin. Es sind 18 Schriften von ihm bekannt, darunter jedoch viele Gedichte, Briefe und Epitaphien. Der »Libellus« sticht genremäßig heraus, CSLMA I, S. 152 – 179.

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Durch diese geographischen Kookkurrenten und die in sich schon eindeutig verräumlichte syntaktische Fügung de diversis partibus totius christianitatis kann die Vokabel nicht anders denn als Oberbegriff gedeutet werden. Was Alkuin in seinen Sieben Büchern gegen Felix nicht gemacht hatte,95 tat wenige Jahre später sein Schüler Angilbert, indem er als erster die Christenheit als christianitas bezeichnete und sie als präzise räumlich beschreibbare Einheit präsentierte und somit dem Wort jenen »spatialen« Sinn verlieh, von dem Piroska Nagy gesprochen hatte.96 Mehr noch, Alkuin brachte diese verräumlichte christianitas mit dem Kaiser in Verbindung, wobei dieser zumindest mit der Aura umgeben wurde, Gebieter über diese Christenheit zu sein. Dass Angilbert solch einen Text und solch eine Bitte an den Kaiser formulieren konnte, lag an seiner Position am Hofe Karls, der ihn als den Mann bezeichnete, »der uns nahesteht und der als unser vertrauter Ratgeber dient«.97 Für seinen Herrn war Angilbert häufig auf diplomatischen Reisen gewesen – unter anderem nach Rom; er wusste auch von den unzähligen Reisen Karls, unter anderem an eben jene erwähnten Orte. Man darf einem Mann des Wortes wie Angilbert – im Kreis der sogenannten Hofakademie um Karl hatte er als Poet den Spitznamen »Homer« – wohl durchaus unterstellen, dass er mit seinem Werklein beeindrucken wollte und gleichzeitig wusste, dass Verständlichkeit nötig war, um die Hilfe wirklich zu erhalten. Dass Angilbert in dieser Situation dennoch von der ganzen Christenheit sprach, mag also bedeuten, dass Karl verstand, in welchen räumlichen und intellektuellen Dimensionen sich Angilbert bewegte. Doch blieb Angilberts Semantisierung gerade darin die große Ausnahme, wie an zeitgleichen Verwendungen in den Lorscher Annalen und den Kapitularien Ghärbalds und anderer Kleriker zu erkennen ist. Selbst die Beschlüsse von Reisbach, Freising und Salzburg verhalfen Angilberts außergewöhnlicher Deutung nicht zu mehr Geläufigkeit oder gar Repräsentativität. Denn trotz aller scheinbaren Gemeinsamkeiten darf nicht übersehen werden, dass die bayerischen Geistlichen ihrer Christenheit keinen »spatialen Sinn« verliehen, sondern sehr allgemein und unbestimmt wie jener Paulus von der Christenheit sprachen. Allein der Hinweis auf den populus christianus erlaubt den Schluss, dass es sich um alle Völker unter der Herrschaft Karl handeln sollte. Eine weitergehende Präzisierung war im Grunde auch nicht vonnöten; die Notwendigkeit zu einer klareren Definition gegenüber der Kirche als konzeptueller Größe schien es nicht gegeben zu haben, obwohl sich schon die Frage stellt, mit welchen Worten die Kleriker dann für diese Christenheit beten sollten und ob sie es eventuell sogar pro salute totius christianitatis taten. 95 Siehe Kapitel XI.2. 96 Siehe Kapitel VIII.1. 97 Zitiert nach McKitterick, Karl, S. 230.

Divergierende Semantisierungen

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Die Zusammenschau der theologischen, kirchenrechtlichen und missionsrelevanten Quellen wie auch die verschiedenen sprachlichen Experimente zeigen, dass ab 800 die Phase einer vorsichtigen Annäherung an das Vokabular der Spätantike vorbei war. Die eine karolingische christianitas als herausragendes Merkmal eines typischen Gebrauchs durch die karolingischen Eliten hat es nicht gegeben, stattdessen wurde das Spektrum des christianitas-Gebrauchs an vielen Enden erweitert, bestehende Muster wurden transformiert. Dies war sicherlich eine Konsequenz aus der zunehmenden Beherrschung des Lateinischen durch eine sehr kleine, aber weit verstreute Elite.98 Für die Lateinkundigen ist zu berücksichtigen, dass sie trotz der Möglichkeit des Reisens wohl nur selten die Gelegenheit hatten, sich mit ähnlich Gebildeten auszutauschen, sodass es gut sein kann, dass in der Orientierungs- und Experimentierphase die Aneignung des importierten Sprach- und Wissensschatzes an der Loire oder an der Maas anders vonstattenging als an der Fulda oder der Isar. Dass die Geistlichen Latein sprachen, hieß noch lange nicht, dass sie daher auch einen Kommunikationsraum bildeten. Hierfür musste sich die Kommunikation erst einmal intensivieren, auch gegenüber Rom, was erst ab der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts im christianitas-Gebrauch sichtbar wird.99 In der Zwischenzeit bestand zumindest die Gefahr, dass in den verschiedenen Ländern unter Karls Herrschaft und darüber hinaus das Wort christianitas je nach Region und Diskurszusammenhang andere Konnotationen und Kookkurrenten erhielt. Angesichts der Quellen für das späte 9. Jahrhundert scheint diese Gefahr aber durchaus real gewesen zu sein. Das aber müssen künftige Studien ergründen.

98 Immerhin hat die zweisprachige Exhortatio zur Christianisierung des Volkes (210.396) gezeigt, dass christianitas als Christlichkeit, Christsein, Christentum vermittelt werden sollte. Zumindest diese Bedeutung kann daher in besonders erfolgreichen Christianisierungsfällen weiter in das sogenannte christliche Volk hineingewirkt haben. 99 Siehe hierzu die Quellenbelege in der online gestellten Synopsis ab Nikolaus I. (ab 306.559).

Schlussbetrachtung

Die Arbeit sollte folgende Fragen beantworten: Wovon sprachen Menschen in Spätantike und Karolingerzeit, wenn sie das Wort christianitas gebrauchten? Zu welchen Gelegenheiten, in welchen Kontexten nutzten sie es, und welche Bedeutung verliehen sie ihm zu den jeweiligen Zeiten? Und schließlich: Wann sind Politisierungen des Wortgebrauchs auszumachen? Eine solche Wortgebrauchsstudie wollte bewusst den Fluss der Quellen einmal von einer anderen Seite, quasi vom anderen Ufer aus, betrachten, um so der politischen Ideengeschichte eine andere Perspektive zu bieten. Nun ist es an der Zeit, Brücken zu bauen, um die Ergebnisse der Studie mit der Ideengeschichte in Dialog treten zu lassen. Der Ausgangspunkt für die Untersuchung war die eingangs vorgestellte These, dass es im 9. Jahrhundert zur Umsemantisierung des Wortes christianitas gekommen sei, infolge derer die Vokabel die Idee einer spirituellen, kulturellen, politisch-sozialen und geographischen Einheit aller dem römischen Ritus folgenden Christen zum Ausdruck gebracht habe, wofür die Bedrohung durch die Sarazenen zum Katalysator geworden sei. Die Entstehung des Konzeptes wurde von Jean Rupp den Päpsten des 9. Jahrhunderts zugeschrieben, während J¦rúme Baschet in der neuesten Darstellung zur christianitas, auf Raoul Manselli aufbauend, hierfür eher die karolingische Elite um Alkuin und später Hinkmar von Reims verantwortlich machte. Da das Deutungsangebot von Baschet und Manselli weitgehend auf den Forschungen Rupps beruht, gilt für beide Positionen die gleiche Anfangsproblematik: Jean Rupp ließ sich in seinem Mediävalismus von der Idee leiten, dass es im Mittelalter eine Realität und ein diese Realität beschreibendes Konzept gegeben habe. Er konzentrierte sich bei seiner Suche nach den Ursprüngen des Konzepts auf den päpstlichen Sprachgebrauch und unterstellte, dass dieser repräsentativ für die angenommene Christenheit gewesen sei. Hier hat diese Studie angesetzt, indem sie nicht vom Konzept, sondern vom Wort ausging. Da die angenommene Repräsentativität des päpstlichen Wortgebrauchs eher auf einer allgemeinen Hochschätzung des Autors für das

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Schlussbetrachtung

Papsttum als auf den Wirkungsmöglichkeiten päpstlicher Rede im Frühmittelalter beruhte, wurde die Studie auf einen möglichst umfassenden Wortgebrauch ausgeweitet. Rupps bemerkenswerte Leseleistung verdient auch jetzt noch angesichts der technischen Möglichkeiten in den 1930er-Jahren weiterhin hohe Anerkennung. Die heutigen Mittel ermöglichen es aber, weiter zu blicken, als es ein Mensch durch bloße Lektüre zu leisten vermag. Die Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes auf alle christianitas-Verwendungen innerhalb der großen Repositorien der PL, MGH und LLT (wie auch dem TLG und dem TLL, der Latin Library und das Textcorpus von Perseus) konnte nur aufgrund der digitalen Aufarbeitung der allermeisten Quellen aus dem Untersuchungszeitraum gelingen. Die aufgefundenen Verwendungen bildeten die Grundlage für diese semasiologische Untersuchung, die im Gegensatz zu Rupps zeitlichem Horizont erst einmal die Wortgeschichte von der Spätantike bis zum beginnenden 9. Jahrhundert nachverfolgte, weil die Entwicklungen in dieser Zeit für den Wortgebrauch der späteren Karolingerzeit in hohem Maße prägend sein sollten, aber in vorherigen Studien nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Über diesen Einstieg sollte vermieden werden, selbst wieder nur nach einem Konzepts zu fahnden. Um den Fokus nicht gleich wieder auf andere, bereits bekannte und somit den Blick des Forscher lenkende Themen zu richten, wurden die Verwendungen in einem ersten Arbeitsschritt auf Verteilungen hinsichtlich Syntax und kookkurrenter Lexik untersucht, um damit Muster und Ausnahmen im Wortgebrauch zu identifizieren, bevor diese kontextualisiert und interpretiert wurden (Kapitel I.3 und I.4 sowie VIII.3 und VIII.4). Auf diese Weise sind viele verschiedene Verwendungsmuster und -zusammenhänge sichtbar geworden wie auch ihre Beziehungen untereinander und gegenüber anderen Ausdrucksmöglichkeiten, wie dies z. B. in Kapitel II.1 für christianitas und christianismus oder in Kapitel XI.2 für den Zusammenhang von populus christianus und christianitas geschehen ist. Die Kapitel II.2 bis II.4 konnten durch die Situierung des Wortes christianitas im Prozess der spätantiken Christianisierungen Verwendungsmuster in den Blick nehmen, die erst einmal keine politische Dimension beinhalteten. Außerdem wurden hier bereits typische Entwicklungen in einer Wortgeschichte am Beispiel von christianitas sichtbar : Nicht immer setzte sich eine bestimmte Bedeutungszuschreibung durch, manchmal blieben Verwendungen auf einen kleinen Kreis beschränkt, manchmal blieb die Bedeutungszuschreibung und die Kommunikation – intendiert oder nicht – diffus oder sogar schwammig, was im Falle des spätantiken Wortgebrauchs auch daran lag, dass die Vokabel in der christlichen Alltagssprache aufkam (im Gegensatz zu christianismus) und auch sehr lange eben dort verwendet wurde. Zudem darf man nicht vergessen, dass Kommunikation in Alltagssituationen (und nicht nur da) gerade dann funktioniert, wenn es auf beiden Seiten der Kommunikation einen gewissen Spielraum in der Auslegung

Schlussbetrachtung

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des kommunizierten Gegenstandes gibt, sodass die Kommunikation nicht bereits an zu engen terminologischen Definitionen scheitert. Der Verzicht auf ein gesetztes Konzept und die Hinwendung zur Wortgeschichte führten dazu, dass Semantisierungsprozesse und Verwendungsweisen in unterschiedlichen Bereichen erfasst wurden. Nicht weiter verwunderlich ist, dass der pastoral-theologische Gebrauch mit dem Reden über Christlichkeit und Christentum an erster Stelle stand (Kapitel III und zusammenfassend Kapitel VII.3). Daneben wurden aber auch Politisierungen der Vokabel sichtbar, die dem postulierten Konzept vorausgingen. Deren Identifizierung beruht auf kommunikationstheoretischen Kriterien für das »Politische« eines Sprachgebrauchs, wonach eine Rede politisch ist, wenn sie a) Regeln des Zusammenlebens, Machtverhältnisse oder Grenzen des jeweils Sag- und Machbaren thematisiert, b) Verbindlichkeit, c) Breitenwirksamkeit, d) Nachhaltigkeit oder e) einen Bezug auf vorgestellte, überindividuelle Einheiten aufweist, impliziert oder beansprucht.1 Das bedeutet auch, dass sich Politisierung ausmachen lässt, ohne dass der Gegenstand gleich als ein Konzept oder Begriff verstanden werden muss. Die Politisierung eines Wortes kann auch ein nicht-akteursgesteuerter Prozess sein, der durch Sprachpraktiken sichtbar wird, die nicht notwendigerweise zielgerichtet ein bestimmtes Vokabular politisch konnotieren. Dieser Aspekt ist im Falle von christianitas besonders hilfreich, weil die Vokabel nie selbst im Mittelpunkt einer Diskussion oder eines Diskurses stand. Eine eingehende Reflexion über christianitas sollte erst Abbo von Saint-Germain im 10. Jahrhundert verfassen und damit bis ins 12. Jahrhundert allein bleiben.2 Selbst innerhalb der Sätze, in denen christianitas vorkam, erhielt das Wort sehr selten eine für den Satz oder den Text grammatisch und semantisch tragende Rolle, was gegen eine aktive, schriftliche Konzeptualisierung spricht. Hierzu hätte das Wort irgendwann einmal im Mittelpunkt von schriftlichen Ausführungen stehen müssen, was aber selbst bei Isidor von Sevillas Etymologien nicht der Fall gewesen ist (Kapitel VII.1). Wenn das Reden mit christianitas hingegen nur die Funktion übernahm, auf ein außerschriftlich entwickeltes Konzept zu verweisen, stellt sich die Frage, wie solch ein mündlich verfasstes Konzept breitenwirksam in einem großen geographischen Raum hätte vermittelt werden können, ohne einmal schriftlich fixiert worden zu sein. Folgt man den genannten Kriterien, kam es zu einer ersten Politisierung der Vokabel im Umfeld des Donatistenstreits (Kapitel III). Der ursprünglich innerchristliche Streit wurde zunehmend politisch, weil er die gesellschaftliche Stabilität Nordafrikas ernsthaft bedrohte und auch für Rom aufgrund der Ab1 Auf Grundlage des SFB 584 »Das Politische als Kommunikationsraum«, siehe hierzu Anm. 51 in der Einleitung. 2 Hierzu Nagy, Notion. Für das 12. Jahrhundert Arduini, Rupert.

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hängigkeit von der Getreideversorgung aus diesen Provinzen gefährlich werden konnte. Die Chalkedonier konnten eine für sie günstige Lösung nur herbeiführen, weil sie die Kaiser für ihre Sache gewinnen konnten und es ihnen gelang, die anderen als Donatisten zu kriminalisieren, indem sie deren Haltung und Überzeugungen zur Häresie erklärten, sodass diese aufgrund der kaiserlichen Gesetze belangt werden konnten. In diesem Fall unterlag christianitas einer negativen Politisierung im doppelten Sinne: Diese bestand zum einen darin, dass die Chalkedonier Nordafrikas sich weigerten, mit den anderen afrikanischen Christen über christianitas als Christenheit zu streiten. Zum anderen wurde damit eine Heranziehung von christianitas zur Semantisierung der christlichen Gemeinschaft nach nichtchalkedonischem Verständnis unterbunden. Das Verschweigen glich einer sprachlichen Verdammung des Wortes, womit die siegreiche Partei eine Grenze des mit christianitas Sagbaren ziehen konnte. Die auf diesem Wege zustande gekommene Politisierung hatte vor allem Auswirkungen auf den christlichen Diskurs, da die Vokabel aufgrund ausbleibender augustinischer Determinierung für andere Verwendungen offenblieb. Ab dem 6. Jahrhundert ließ der Gebrauch von christianitas auf einen politischen Hintergrundstil schließen, in dessen Zentrum die sprachliche Verchristlichung des Kaisertums stand (Kapitel V). Fraglos spielte die Vokabel bei der Semantisierung eines christlichen Kaisertums eine vergleichsweise marginale Rolle, da es viele andere sprachliche Möglichkeiten gab, christliche Konzeptionen des Kaisertums auszudrücken. Die Verchristlichung des Kaisers war ein vielschichtiger Vorgang, in dem die Rolle des Kaisers gegenüber Gott, der Religion, seinem Reich und vor allem der Kirche auf verschiedene Arten kommuniziert und über verschiedene sprachliche Muster wie christianissimus princeps abrufbar wurde.3 Dieses Reden über die Christlichkeit des Kaisers sedimentierte in der Sprache und es lagerte sich auch an andere Ausdrucksweisen an. Dieser Prozess bewirkte die zweite Politisierung (Kapitel VI.1): Die Vokabel christianitas stand seit Anbeginn für die persönliche Eigenschaft des Christseins. Daher eignete sie sich auch dazu, die Christlichkeit des Kaisers und dessen christliche Pflichten zu thematisieren. Durch die Verchristlichung des Kaisers gewannen die geistlichen, christlichen Autoritäten an Einfluss durch ihre Möglichkeit, den Kaiser zu kritisieren, wenn er von der kirchlichen Position in Fragen des Christentums abwich. Wenn vom Kaiser im textuellen Umfeld von christianitas die Rede war, spiegelten die jeweiligen Verwendungsweisen diese Möglichkeit zur Beurteilung des Kaisers wider. Hieraus entwickelte sich aber keine offene Debatte um die kaiserliche Christlichkeit, in der nach dessen 3 Vgl. Leppin, Kaisertum; ders., Christianisierungen. Siehe hierzu auch das von Hartmut Leppin geleitete Projekt zur theoretisch fundierten Aufarbeitung von Christianisierungsprozessen in der Spätantike: http://www.christianisierungen.de (eingesehen am 26. 6. 2014).

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christianitas gefragt oder um diese gestritten worden wäre. Nur die Päpste des 6. Jahrhunderts griffen zuweilen auf christianitas zurück, um an die besondere Christlichkeit des Kaisers zu appellieren, worin sich eine Instrumentalisierung des Wortes für politische Zwecke erkennen lässt. Die dritte Form der Politisierung bestand in der bewussten Überführung der Eigenschaft in eine Anrede (Kapitel VI.2). Nur schien sie in der Kommunikation mit dem Kaiser nicht zu reüssieren. Auf der schmalen Quellengrundlage lässt sich natürlich kein großes Theoriegebäude errichten. Dennoch lässt sich ein Deutungsversuch auf Grundlage der Vorstellung einer kulturspezifischen Semantik wagen: »Kulturen etablieren und tradieren die Prinzipien ihrer sozialen Ordnung in einer spezifischen – verbalen, rituellen, ikonographischen, ästhetischen – Ausdrucksweise. Der Vorrat an Zeichen, also die kulturspezifische Semantik, wird in allen sozialen Vollzügen neu verhandelt.«4

Eine solche Semantik entsteht und wirkt in ihrem jeweiligen kulturellen Umfeld, der Zeichenvorrat verändert sich in Wechselwirkung mit seinem sich stets im Wandel befindlichen Bezugsrahmen. Die Umsemantisierung, das Ausprobieren von christianitas als kaiserlicher Anrede fand in einem genuin lateinischen kulturellen Bezugsrahmen statt. Nun herrschten aber am griechischen Kaiserhof andere kulturelle Codes und damit ein anderer Bezugsrahmen. Dies galt es in der Kommunikation mit dem Herrscher zu berücksichtigen. Es ist vielleicht angemessen, sich Rom und Konstantinopel als zwei kulturelle Verdichtungsräume, als Subsysteme einer mediterranen, von der Oikumene geprägten und daher ohnehin sehr pluralen Kultur vorzustellen, die zwar miteinander im Austausch standen, aber dennoch ihre eigenen kulturspezifischen Semantiken ausbildeten und ihre jeweiligen sprachlichen Codes pflegten.5 Für die Kommunikation zwischen diesen Gravitationszentren musste eine Sprachebene gefunden werden, die von beiden Seiten verstanden und akzeptiert wurde. Offenbar war dies bei der Anrede vestra christianitas nicht der Fall. Sie war zu sehr an ihre latei-

4 Vgl. Jussen, Name der Witwe, S. 24, der auf Paul Veyne aufbaut, wobei man wohl für dieses Modell einer kulturspezifischen Semantik auch auf Burke, Social History, sowie auf das Wissensrahmenkonzept nach Fillmore und Busse, Semantik, S. 83 f. verweisen kann. 5 Für einen kulturellen Vergleich zwischen Rom und Konstantinopel siehe jüngst Grig, Two Romes. Paul Magdalino, Church, S. 14, sieht das »parting of the ways« bereits in den Briefen Gregors und darin, dass der Papst bestritten haben, Griechisch lesen oder schreiben zu können. Der Sammelband von Andreas Speer (Hg.), Knotenpunkt Byzanz, behandelt zwar auch Kulturbeziehungen zwischen West und Ost, hat aber zum Verhältnis der beiden Metropolen im 6./7. Jahrhundert nichts zu sagen. Henry Chadwick, East and West, hingegen hat aus kirchengeschichtlicher Perspektive statt der Differenzen zwischen diesen beiden Sphären auf die Verständigungsmöglichkeiten hingewiesen.

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Schlussbetrachtung

nische Umgebung gebunden; in Konstantinopel war sie entweder nicht anerkannt oder nicht dechiffrierbar oder sie ist schlicht ignoriert worden. Andererseits – und das war maßgeblich das Verdienst Gregors des Großen – erfüllte die Anrede ihre Aufgabe für andere Herrscher und Personen in leitenden Funktionen: der oder dem Angeredeten Ehre zu erweisen, deren Christlichkeit und Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Gläubigen und somit der Kirche anzuerkennen, ein Näheverhältnis zu suggerieren, um dann politische Absichten kommunizieren zu können. Innerhalb des römischen Subsystems funktionierte die Anredeformel, d. h. für die Päpste und ihr Umfeld war dies eine Sinn produzierende Formulierung, weshalb sie auch weiter verwendet wurde. Aus der Korrespondenz Gregors des Großen ging hervor, dass der Papst die Anrede für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung seines Netzwerkes verwendete. Dieses Netzwerk von Herrscherinnen und Herrschern sowie leitenden Persönlichkeiten war politischer Natur, da Gregor damit seine kirchenpolitischen Ziele (Mission in Angelsachsen) und seine Pflichten als Stadtherr Roms zu erreichen suchte (Annäherung an die Langobarden). In der Verwendung der Anrede spiegelte sich auch das petrinische Weltbild wider, da die Anrede eines Herrschers als vestra christianitas denselben in den orbis christianus aus Sicht Roms einband, ohne dass die Angesprochenen dies unbedingt so verstehen mussten. Der Gebrauch der Anrede im 8. Jahrhundert (Kapitel IX) ließ zudem erkennen, dass die politische Funktion von den Päpsten eingesetzt wurde, um ihre Position in Rom gegenüber den Langobarden und Byzanz zu stärken und selbst eine territoriale Herrschaft mit Hilfe der Franken in Italien aufzubauen. Dabei war die Anrede natürlich nur eines von vielen politischen Mitteln der Päpste, sodass man die Anrede als einen Baustein unter anderen im päpstlichen, politischen Handeln verstehen sollte. Bezeichnenderweise war das Ende einer Politik mittels der Anrede in dem Moment erreicht, als der Papst sich nicht mehr auf die Hilfe Karls des Großen angewiesen sah, sondern vielmehr in dem Franken einen Konkurrenten für das Papsttum sowohl in weltlichen als auch in geistlichen Belangen sehen musste. Die vierte Politisierung (Kapitel VII.1) bestand darin, dass Isidor von Sevilla christianitas als Christentum in seine Herkunftserzählung der Kanones und Konzilien einband und damit die Vokabel als Signifikat für einen Gegenstand einsetzte, dessen Wohl und Bestand von Königen und Bischöfen und deren Kooperation abhing. Er politisierte die Vokabel, indem er sie zu einem Subjekt erhob und sie zu einem tragenden Element seiner Erzählung machte. Politisierung durch Erzählung ist eigentlich ein Vorgehen, dass aus der Geschichtsschreibung bekannt ist, wenn dort mittels einer Erzählung politische Ordnungen oder eine gemeinsame Vergangenheit als Grundlage dieser Ordnungen

Schlussbetrachtung

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entworfen, erfunden, erinnert, bestritten oder behauptet werden.6 Doch genau diese Verwendung war sowohl in der Historiographie als auch in der Hagiographie ausgeblieben (Kapitel V.3 und X.2). Selbst Isidor erzählte in seinen Geschichtswerken ohne christianitas, was vielleicht nochmals hervorzuheben hilft, dass die Konzilsepisode vornehmlich auf die Praxis der Konzilien im Westgotenreich als Garant für Reichseinheit und Glaubenseinheit ausgerichtet war. Warum christianitas aber ansonsten in der Spätantike keine historiographische Dimension erhielt, liegt an ihrer Doppelfunktion als Bezeichnung für das Christentum und für die Christlichkeit der einzelnen Person. Die identitärnormative Funktion des Redens mit christianitas hätte sonst zu mehr Erzählungen führen müssen, wie sie Salvian von Marseille in seinen Predigten präsentierte (Kapitel III.4). Eine fünfte Politisierung ließ sich schließlich im Rahmen der Sachsenmission und der Ausgestaltung des karolingischen populus christianus ausmachen (Kapitel X.3 und XI.1 bis XI.3). Auch hier ist ein politischer Gebrauch zu erkennen, weil das Wort zwar in seiner Grundbedeutung Christentum und Christlichkeit von den Annalenschreibern verwendet wurde, dies aber zu dem Zweck geschah, die Unterwerfung und Integration der Sachsen in den fränkischen Herrschaftsverband zu semantisieren. Dahinter einen bewussten Vorgang der Annalenschreiber zu sehen, mittels christianitas die Herrschaftsordnung Karls darstellen und legitimieren zu wollen, ginge am Wortgebrauch vorbei. Die Wortverwendung verweist viel eher auf einen im Hintergrund ablaufenden, nichtintentionalen oder gesteuerten Semantisierungsprozess. Die Annales Regni Francorum als Ganzes zielten darauf ab, Karls Herrschaft zu stärken (Kapitel X.3). Hierfür wurde die Vokabel instrumentalisiert, da sie einen Aspekt der Beziehung zwischen den Sachsen und Karl zu formulieren half. Nach Karls Strategiewechsel sollten die Sachsen Teil des populus christianus werden. Daher mussten sie nicht nur den Glauben annehmen, sondern ihn auch gemäß der religiösen Vorschriften leben, um damit ihre Treue und Zugehörigkeit zu Karls Herrschaft zu demonstrieren. Karl fühlte sich aufgrund seines theokratischen Herrschaftsverständnisses Gott gegenüber verantwortlich und beanspruchte daher auch für sich, alle Menschen unter seiner Herrschaft dazu zu bringen, christianitas zu bewahren (Kapitel XI.3). Die Vokabel diente als Doppelausdruck für den anzunehmenden Glauben und die damit einhergehende Verchristlichung eines jeden Menschen. 6 Vgl. Plassmann, Origo, für die frühmittelalterlichen Herkunftserzählungen. Über solche Funktionen von Geschichtsschreibung hat man vor allem im Zusammenhang mit karolingischer Geschichtsschreibung nachgedacht, siehe Nelson, History-writing. Gegen die zu starke Hervorhebung des zeitgeschichtlichen Elements in der karolingischen Geschichtsschreibung wendet sich Goetz, Vergangenheitswahrnehmung, S. 220 f.; McKitterick, Perceptions.

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Schlussbetrachtung

Diese Politisierung stellt natürlich eine Umsemantisierung dar, sie unterscheidet sich jedoch von derjenigen, die J¦rúme Baschet vorgeschlagen hat. Dass das Konzept der Christenheit als christianitas in der Zeit Karls des Großen unter anderem durch Alkuin entstanden sei, ließ sich nicht bestätigen. Im Grunde hatte Alkuin weder zur vorgefundenen, noch zur postulierten Semantisierung etwas beizutragen. Sein einmaliger Versuch, Karls Herrschaft mit christianitatis imperium sprachlich zu verherrlichen, schien unpassend gewesen zu sein. Jedenfalls griff er in den anschließenden Briefen nur noch zur Formel imperium christianum, was aber auch nicht für die Christenheit stehen konnte, so wenig wie es der populus christianus trat (Kapitel XI.1). Der christianitas-Wortgebrauch verbietet es sogar, eine Verbindung zwischen der Christenheit und Karl als mythischem Vater Europas konstruieren zu wollen.7 Das durchaus individuelle Verständnis von christianitas in der geistlichen Gesetzgebung im Umfeld Karls – ganz in spätantiker Tradition, wie sich vor dem Hintergrund des vorangegangenen Wortgebrauchs erkennen lässt – ist sehr aufschlussreich. Offensichtlich war die Bedeutungsverschiebung von christianitas als einer persönlichen, aber durchaus politischen Tugend hin zu einer Bezeichnung für eine Gemeinschaft noch nicht vollzogen. Da es für die religiöspolitische Formation der karolingischen Herrschaft bereits mit populus christianus einen etablierten, aussagekräftigen Ausdruck gab, war es nicht nötig und auch nicht sinnvoll, christianitas auf die Gemeinschaft der Christen unter Karls Führung zu beziehen. Selbst seine Erfahrungen im Kampf gegen die Sarazenen haben daran nichts geändert, wie auch unter Ludwig dem Frommen und Papst Leo IV. christianitas nicht umsemantisiert wurde, nur weil es gewalttätige Auseinandersetzungen mit Sarazenen gegeben hat.8 Damit ist im Grunde auch hinter die Vermutung von Dominique Iogna-Prat ein Fragezeichen zu setzen, dass die Sarazenen der Katalysator für die Umsemantisierung von christianitas als Religion oder Christsein hin zur Christenheit gewesen wären.9 Dies wie auch

7 Das wird nirgends sichtbarer als im Brief Cathwulfs, in dem dieser vom christlichen Gesetz und von Karl als dem Herrscher über Europa gesprochen hat. Obwohl beides in einem Brief vorkommt, stehen die jeweiligen Verwendungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen, siehe Kapitel XI.1 u. Epistolae variorum, ep. 7 (MGH Epp. 4), S. 502. 8 Siehe Kapitel IX.2 und XI.4. Fraglich ist allerdings, ob die Stelle vom Konzil in der Francia vom Oktober 846, cap. 2 (MGH Conc. 3), S. 135 (273.500) auf den Eindruck der Sarazenen zurückgeht oder ob der Gebrauch an dieser Stelle nicht auf einer früheren Umsemantisierung beruht, die nichts mit den Sarazenen zu tun hat. 9 So Iogna-Prat, Maison Dieu, S. 196. Siehe auch hier in der Einleitung Anm. 10. Selbst in Bezug auf die Raubzüge der Normannen im späteren 9. Jahrhundert wäre noch zu prüfen, ob ein exogener Faktor die Konzeptionalisierung einer verräumlichten Größe »Christenheit/christianitas« beschleunigt hat. Für diese Epoche weist Iogna-Prat, constructions, S. 54, nur darauf hin, dass Karl der Kahle im Edikt von P„tres 864, cap. 25 (MGH Capit. 2), S. 321 (siehe auch 329.597 – 599), alle als Verräter des Vaterlandes (proditor patriae) und Preisgeber des Chris-

Schlussbetrachtung

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der Zusammenhang zwischen der Nennung von Sarazenen und christianitas in den Briefen Papst Johannes VIII. wäre aber noch einmal eingehender zu untersuchen. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus der Spätantike lässt sich aber bereits erkennen, dass Johannes christianitas keinesfalls nur zur Formulierung einer innerweltlichen, geographisch verortbaren, sozialen Sinnformation »Christenheit« herangezogen hat und nur in sehr seltenen Fällen hierbei die Sarazenen eine Rolle spielten.10 Zu Zeiten Karls des Großen gab es aber durchaus schon erste Versuche einer solchen Bedeutungsverschiebung hin zur einer sozialen Größe, wie sie in den Statuten von Reisbach, Freising und Salzburg und im Libellus des Angilbert zu erkennen waren (Kapitel XI.4). Dabei handelte es sich aber entweder um ein regional begrenztes und noch durchweg theologisches Grundverständnis der Christenheit als eschatologischer Gemeinschaft oder aber um ein Sprachexperiment im höfischen Zirkel, für dessen Verständnis die dort vorhandene Welterfahrung und Weltsicht notwendig waren. Daher konnte gerade Angilberts Ausdrucksweise nur minimale Aussicht auf Akzeptanz und weitere Verbreitung haben,so dass sie insgesamt als außergewöhnlich gewertet werden muss. Piroska Nagy ist immer noch darin zuzustimmen, dass hier die spatialisierte, innerweltliche Christenheit als gedankliche Ordnungsfigur sichtbar wurde. Angesichts der politischen Schwierigkeiten Karls im Umgang mit Byzanz und Rom, aber auch angesichts der vorherrschenden Verwendung von christianitas im Zusammenhang mit der Verchristlichung und herrschaftlichen Erfassung der einzelnen Mitglieder im populus christianus konnte einem solchen Experiment kein Erfolg beschieden sein. Mit Blick auf die folgenden Jahrzehnte, die vor allem von politischer Fragmentierung der karolingischen Herrschaftsformation geprägt waren,11 wäre aber zu untersuchen, ob christianitas nun als Klammerbegriff den zentrifugalen Kräften entgegenwirken sollte. Hier wäre auch interessant, ob die Rede von populus christianus in diesem Zusammenhang aufgegeben wurde, weil es die Rolle einer religiös-politischen Ordnungsfigur nicht mehr erfüllen konnte, war doch die Apokalypse ausgeblieben und die Pluralität innerhalb der Herrschaftsformation nicht zu überwinden.12 Damit hätte sich dann eine neue potentum (expositor christianitatis) schmähte, die mit den Normannen irgendwelchen Vereinbarungen trafen. 10 Vgl. Geelhaar, L’autorit¦ du pape, S. 230 – 232 sowie in der Online-Quellensynopsis den Abschnitt zwischen 371.687 und 401.721 – 722 mit den Briefen des Papstes. 11 Vgl. de Jong, Penitential State; Boshof, Ludwig; Werner, Hludowicus Augustus. 12 Das legt jedenfalls eine erste Stichprobe zu den Kapitularien Ludwigs des Frommen nahe, z. B. Hludowici Admonitio ad omnes regni ordines (MGH Capit. 1), S. 303 – 307. Nach de Jong, State of the Church, S. 249, hat Ludwig nicht mehr über ein ethnisch organisiertes fränkisches Gemeinwesen geherrscht, sondern über ein christlich verstandenes, das mit dem corpus christi und der sancta ecclesia in Verbindung gebracht wurde.

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Schlussbetrachtung

litische Situation eingestellt, in der auch christianitas neue Funktionen und Bedeutungszuweisungen hätte erhalten können. Ein letzter Aspekt dieser Politisierungen betrifft ihre Reichweite. Es waren immer nur Prozesse von begrenztem Umfang:13 Sie erweiterten den Wortgebrauch, dominierten ihn aber nicht. Sie waren nur Teilprozesse innerhalb eines allgemeinen Sprachwandels, der sowohl Erweiterungen als auch Einschränkungen, Metonymisierungen und Transformationen umfasste. Dass die Politisierungen bewusst herbeigeführt wurden, lässt sich an der Anrede und auch an der Narrativierung durch Isidor erkennen (Kapitel VII.1) – wobei es sich bei letzterem um einen Einzelfall handelte, der anzeigt, was kreative Köpfe mit christianitas alles bewerkstelligen konnten. Gleiches gilt für Alkuin und Angilbert (Kapitel XI.1 und XI.4). Die Verwendung durch Isidor zeigt das Machbare, aber auch, dass sich dieses Machbare gegenüber dem allgemeinen Wortgebrauch sehr selten behaupten konnte. Außerdem zeigt sie, dass die politische Absicht in der Wortverwendung nicht automatisch bei anderen Teilnehmern der Kommunikation ankommen musste. Dass diese Politisierungen rückgängig gemacht oder verwehrt wurden, ließ sich mit Ausnahme der sogenannten Donatisten nicht erkennen (Kapitel III.3). Nicht jedes Verwendungsmuster und nicht jede Verwendungsintention war automatisch politisch. Sprachliche Politisierungsprozesse zu identifizieren und gegen andere Formen der Verwendung abzugrenzen, ist nicht immer mit letzter Sicherheit möglich, gerade wenn zwei Bereiche wie Religion und Politik so eng beieinander liegen. Denn auch das Reden über das Göttliche oder über das Christliche der Menschen impliziert den Austausch von religiösen Grundüberzeugungen mit gesellschaftsstrukturierender Wirkung. Ein Salvian von Marseille wollte seine Mitmenschen erreichen, wollte breitenwirksam und nachhaltig kommunizieren, wollte Vorstellungen zum Gemeinwesen und zu dessen ideeller Grundlegung verankern, indem er den Menschen ihre Verfehlungen gegenüber ihrem Glauben vorhielt. Insofern hatte nomen christianitatis neben der eschatologischen auch eine politische Dimension, weil es gemeinschaftsstrukturierend wirken sollte. Dies was dann vor allem bei Beatus von Li¦bana im 8. Jahrhundert erneut der Fall (Kapitel XI.2). Da diese Aussagen aber vor allem auf die Einhaltung der Glaubensregeln für das persönliche Seelenheil jedes einzelnen Christen einerseits und auf das Jüngste Gericht andererseits gemacht wurden, kann hier von Seiten der Forschung eine Grenze zwischen einem politischen und einem theologischen Gebrauch gezogen werden. 13 Die folgenden Überlegungen orientieren sich an den wesentlichen Schlüsselbegriffen des SFB 584 »Das Politische als Kommunikationsraum«, siehe dessen Abschlussbericht vom 21. 4. 2013 https://www.uni-bielefeld.de/geschichte/forschung/sfb584/Abschlussbericht.pdf (eingesehen am 4. 12. 2014), bes. S. 17 – 26.

Schlussbetrachtung

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Insgesamt gesehen kommt diese Wortgeschichte zu einem anderen Bild von christianitas als Jean Rupp.14 Die Ergebnisse zur Politisierung des Wortgebrauchs gehen über seine Erkenntnisse hinaus, weil sie aufzeigen, dass und wie christianitas politisch genutzt wurde, ohne selbst eine politische Idee gewesen sein zu müssen. Unter Karl dem Großen wurde mit christianitas kein Konzept einer allumfassenden Einheit der Christen, einer Christenheit bezeichnet. Im spätantiken Geist wurden mit der Vokabel Christlichkeit und Christsein thematisiert. Im Gegensatz zur Spätantike wurden mit ihr jedoch Vorstellungen von einer Gemeinschaft verbunden, die von einem alttestamentarisch gedachten König zum Seelenheil geleitet werden sollte. Als Norm einer religiös-politischen Tugend eines jeden Christen brachte christianitas einen Grundpfeiler des karolingischen populus christianus zum Ausdruck. Anders als Jean Rupp bietet diese Wortgeschichte Erklärungsangebote für so auffällige Merkmale wie das Schweigen des Augustinus oder die Rolle der Anrede, die weit mehr war als nur eine Form der formalen Unterwürfigkeit, wie Rupp es nannte. Sie zeigt schließlich das Weiterwirken des spätantiken Wortgebrauchs in der Karolingerzeit, die ausgebliebene Überführung von christianitas in eine Erzählfigur, obwohl die hist. eccl. tripartita dafür die Weichen gestellt hatte (Kapitel V.2), und weist auf linguistische Phänomene hin, die Jean Rupp für seine Thesenbildung nicht hinzugezogen hatte. Jeans Rupps Annahme einer Existenz einer Christenheit und eines Konzepts Christenheit am Ende des 9. Jahrhunderts konnte im Rahmen dieser Studie nicht mehr eingehend untersucht werden. Allerdings sind aufgrund der Beobachtungen zur Wortgeschichte einige kritische Punkte vorzubringen, die es bereits von vornherein unplausibel erscheinen lassen, dass ein solches Konzept eine größere Wirkung erzielen konnte, geschweige denn eine soziale Realität einer allumfassenden Einheit der Christen in Worte gefasst hätte. Erstens hat Jean Rupp außen vor gelassen, welche Auswirkungen die Polysemie im Sprachgebrauch auf die Durchsetzungschancen von christianitas als Christenheitskonzept haben konnte. Diese konnte nämlich die Verbreitung und die Akzeptanz dieser Vokabel zur Bezeichnung eines Konzepts der Christenheit in hohem Maße behindern. Dabei hat er ausführlich auf die Polysemie der Vokabel hingewiesen und ebenfalls verschiedene lateinische Ausdrücke als mögliche Träger des Konzepts Christenheit vorgestellt. Bei seiner Suche nach diesem Konzept konzentrierte er sich aber auf christianitas selbst und hat nicht danach gefragt, ob konkurrierende Bedeutungen anderen Akteuren wichtiger gewesen sein könnten, ob z. B. das nomen christianitatis das Reden mit christianitas andernorts dominieren konnte. Außerdem wirkte der Wortgebrauch der Spätantike in der gesamten Karolingerzeit nach. Wer also an Augustinus, Gregor, 14 Vgl. Rupp, L’id¦e, S. 20 – 23.

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Schlussbetrachtung

Isidor und Beda geschult war, wird christianitas auch eher nach diesen Vorbildern verstanden und angewendet haben, wie es am jungen Hrabanus Maurus zu erkennen war (226.417 und Kapitel XI.2) und was dessen Wortgebrauch bis zu seinem Lebensende leiten sollte.15 Zweitens hat Jean Rupp die unterschiedlichen Sprachniveaus des Lateinischen zwischen den diversen Kommunikationspartnern zu wenig berücksichtigt, die eine Kommunikation ebenso erschweren konnten wie die sich unter den Karolingern entwickelnde Selbständigkeit im Sprachgebrauch. Selbst wenn auch das Sprachniveau am Tiber nachgelassen hat, wie Florian Hartmann für Hadrian I. konstatierte, wird es diesem immer noch leichter gefallen sein als den Lateinkundigen unter den Karolingern, sich auf Latein zu verständigen. Als sich ab den 790er-Jahren Erfolge der karolingischen Sprach- und Bildungspolitik einstellten, was hier an der erhöhten Quellendichte mit christianitas-Nennung zu erkennen war, zeigten diese Quellen zwar eine Orientierung am klassischen Latein, aber auch eine Adaption an eigene gesellschaftliche Bedürfnisse, was zu einem von Rom abweichenden Wortgebrauch führen konnte. Dies führt drittens zu einer räumlich diversifizierten Sprachverwendung. Zwar wird Peter Stotz damit Recht haben, dass man nicht direkt hinter jedem Unterschied einen Regionalismus ausmachen darf. Neben den unterschiedlichen sprachlichen Fähigkeiten in den verschiedenen Teilen des von Karl beherrschten Raumes und darüber hinaus traten aber regionale Einfärbungen und die unterschiedliche Konnotationen. Diese bereicherten im Laufe der Zeit das lateinische Vokabular ohne unbedingt in ein Standardlatein einzufließen, sodass alle Lateinsprecher sich der regionalen Besonderheiten im Klaren hätten sein können. So werden unter den Karolingern manche (aber bestimmt nicht alle) Gebildete und Belesene die Bekehrung der Sachsen und ihre Untreue gegenüber Karl in Verbindung mit christianitas gebracht haben, was sicherlich weder in England noch in Italien auch so verstanden worden ist. Selbst innerhalb der karolingischen Kerngebiete kann es unterschiedliche Konnotierungen gegeben haben, die nicht immer allerorten bekannt sein mussten und somit als Wissensschatz nicht für jeden Lateinkundigen im karolingischen Herrschaftsraum zur Verfügung standen. Im Zuge der Reformkonzilien von 813 kam z. B. die Frage auf, ob der Mainzer Klerus in gleicher Weise wie der bayerische Klerus schon bereit gewesen wäre, die zum Seelenheil zu führende Gemeinschaft der Christen als christianitas zu bezeichnen (Kapitel XI.4). Eigendynamiken von Sprachgebrauch werden sich in kleineren Räumen 15 Vgl. Hrabanus Maurus, Poenitentium Liber ad Otgarium, cap. 27, in: PL 112, 1419A – 1419B (269.493); ders., De rerum naturis V,7 u. XII,4, in: PL 111, 124C – 124D u. 335B – 335D (271.496); ders., Enarrationum, IX,2; XXVII,6; XXIX,12, in: PL 112, 22D – 23A, 747A – 747C, 816A – 816C (279.509 – 512).

Schlussbetrachtung

351

verdichteter Kommunikation ergeben haben. Eine solche Überlegung wird gestützt von der politischen Fragmentierung des karolingischen Herrschaftsraumes unter Ludwig dem Frommen.16 Doch auch Karl konnte trotz seiner Sprachund Bildungsreform keine Homogenisierung der von ihm regierten Völker und Räume erreichen. In religiöser Hinsicht kommt dann noch die bekannte Heterogenität des Christentums hinzu. Die von Rupp ehedem angenommene Homogenität der Christenheit vom Baskenland über die Bretagne bis nach Britannien, von Friesland über Franken ins Friaul, von Aachen bis nach Rom hat es nicht gegeben und konnte es aufgrund der verschiedenartigen Christianisierungen und Bedingungen während der Ausbreitung der Religion nicht geben.17 Besonders überzeugend ist Peter Browns Vorschlag, aufgrund der Diversität unter diesen regionalen Christenheiten von Mikro-Christenheiten zu sprechen (Kapitel VII).18 Die Anzahl an christianitas-Stellen aus den verschiedenen Mikro-Christenheiten erwies sich allerdings als zu gering, als dass man hier zu Thesen über Sonderentwicklungen in den verschiedenen kleinen Kommunikationsräumen hätte kommen können. Doch ließen sich Indizien für abweichende Konnotierungen und Verwendungsweisen finden (Kapitel VII.1 und VII.2 sowie XI.4). Was bedeutet das alles für eine päpstliche Christenheitsidee im Frühmittelalter? Selbst wenn die Päpste des 9. Jahrhunderts, allen voran Johannes VIII., eine Idee von der Christenheit als der allumfassenden Einheit aller Christen auf Erden entwickelt haben, werden sie bei der Verbreitung einer solchen Umsemantisierung auf Kommunikationsschwierigkeiten gestoßen sein, die sich aus der Heterogenität der christlichen Welt sowohl in politischer als auch in sprachlicher Hinsicht ergaben. Und selbst wenn diese Umsemantisierung an einer Stelle auf Akzeptanz stieß, muss das nicht für alle Teile dieser Welt gegolten haben. Der semantische Wandel hielt niemals inne und konnte regional unterschiedliche Formen der Verwendung hervorbringen, die den Graben zwischen verschiedenen Teilen dieser Welt sprachlich größer werden ließen. Diese Wortgeschichte zeigt, dass sich der christianitas-Gebrauch wie ein Strom durch die Geschichte wälzte, in dem bestimmte Formen und Verwen16 Garipzanov, Symbolic Language, S. 304. 17 Vgl. König, Bekehrungsmotive; Dum¦zil, Racines. 18 Die politische Fragmentarisierung der karolingischen Herrschaft zum einen, zum anderen die Diversität jener von Peter Brown beschriebenen Christenheiten und schließlich die Geschichte der christianitas-Verwendung fordern dazu auf, mit Brown über diesen hinaus zu denken. Für ihn verschmolzen die Mikro-Christenheiten nach Karl Martell wieder zu der »einzigen ›Christenheit‹, die zukünftig von Bedeutung sein sollte in Europa«. Brown, Entstehung, S. 270. Diese Schlussbemerkung klingt nach einer Rückkehr zu eben jenem Erzählschema, das Brown selbst erst erfolgreich aufgebrochen hat. Die Tragfähigkeit seines Konzepts wie auch die hier versammelten Indizien regen zu der Frage an, ob diese Rückkehr überhaupt notwendig ist.

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Schlussbetrachtung

dungsweisen konstant blieben (wie fides, religio, cultus oder nomen christianitatis). Es bildeten sich aber auch immer wieder Flüsse neuer Verwendungsformen, die wie die Anredeform als spezielle Art der Christlichkeit irgendwann versiegten, oder aber erst sehr viel später ansehnliche Größe erreichten, wie dies bei der hist. eccl. tripartita der Fall sein sollte. Wenn sich nun aus dem bereits in der Spätantike bekannten Genitivobjekt totius christianitatis im Laufe des 9. Jahrhunderts die Christenheit ergeben sollte, hätte sie deutlich kommuniziert und vor allem breit gestreut werden müssen, wenn es der Absicht der Päpste entsprochen hätte, eine solche Christenheit nicht nur sprachlich zu erschaffen, sondern auch die betreffenden Christen alle unter dem Apostolischen Stuhl zu vereinen. Das sollte aber vermutlich erst ein Merkmal der päpstlichen Politik des späteren 11. Jahrhunderts werden. Die weiteren Ziele dieser Studie bestanden darin, zum einen durch die Erforschung der Wortgeschichte der christianitas-Forschung für das Hoch- und Spätmittelalter neue Impulse zu bieten und zweitens den Gebrauch der Vokabel in modernen Darstellungen zur Entwicklung von Geschichtsnarrativen zu prüfen. Im Zuge seiner Beschäftigung mit dem christianitas-Gebrauch bei Papst Gregor VII. hatte Jan van Laarhoven bereits festgestellt, dass das Ergebnis seiner Untersuchungen auf den ersten Blick so enttäuschend schien, weil man bei Gregor VII. die Idee dessen, was heute Christenheit genannt werde, nicht ausdrücklich finde. Sie scheine angelegt zu sein, aber eben noch nicht theoretisiert. Man dürfe daher keine Antworten von ihm erwarten auf Dinge, die man im Nachhinein an ihn herantrage.19 Und in einer entschuldigenden Geste führte er ein Zitat von Êtienne Gilson an, der, zeitgleich zu Jean Rupp, in einem Vortrag am CollÀge de France meinte, »personne au Moyen ffge n’a imagin¦ qu’il y avait une Chr¦tient¦«.20 Wenn man also mit den bisherigen Fragestellungen nur zu unbefriedigenden Ergebnissen zum Wortgebrauch bei Gregor VII. kam, wird dies an den Vorannahmen über die Christenheit gelegen haben. Es wäre nun mit dem Wissen um den spätantik-frühmittelalterlichen Wortgebrauch und im Wissen um dessen gesellschaftliche Bedingtheit lohnend, Gregors Sprache nochmals zu untersuchen. Für Innozenz III. geschieht dies gerade, was zu neuen Einsichten über die Existenz des Christenheits-Konzeptes und die Möglichkeiten seiner Verbreitung zu Beginn des 13. Jahrhunderts führen könnte.21 Auch das Weiterwirken des Musters nomen christianitatis zu verfolgen, wäre sicherlich interessant. Auf diese Weise ließe sich der innerchristliche Deutungsstreit um religiös-soziale Normen, deren Befolgung sowie Nichtbefolgung in den Blick 19 Vgl. Laarhoven, Christianitas, S. 94 f. 20 Zitat nach ebd. 21 Ich bereite zur Zeit eine entsprechende Studie vor.

Schlussbetrachtung

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nehmen; dieser christliche Diskurs könnte am nomen christianitatis in seiner historischen Tiefendimension erforscht werden. Auf jeden Fall ließe sich durch eine fortgesetzte Erforschung des christianitas-Wortgebrauchs auch die Pluralität innerhalb der katholischen Christenheit des Mittelalters weiter erkunden, was auch bedeuten würde, den Wortgebrauch an anderen Stellen als bei den Päpsten oder in den Kreuzzugschroniken zu untersuchen. Es wäre vielleicht sogar sehr reizvoll, nachdem nun so lange Zeit christianitas als ein Begriff für die bzw. als Konzept einer mittelalterlichen christlichen Einheitsgesellschaft bzw. -kultur genutzt wurde, das Wort in der Christentumsgeschichte als Terminus für Diversität und Dynamik, Pluralität und Pluralitätserfahrungen christlicher Gemeinschaften und der Entwürfe zu ihnen zu verwenden, also: Aus einem Wort der vermeintlichen Einheit einen Indikator gesellschaftlicher Pluralität zu machen. Wenngleich die Erforschung zum christianitas-Gebrauch für die Karolingerzeit noch längst nicht abgeschlossen ist und es hier noch einiges aufzuarbeiten gilt, möchte ich auf Grundlage der nun vorliegenden Wortgeschichte dafür plädieren, die politisch-gesellschaftliche Ordnung – oder besser : die Zustände – der Karolingerzeit oder die intellektuellen Entwürfe derselben nicht als christianitas zu bezeichnen.22 Denn selbst wenn es zum Ende des 9. Jahrhunderts solch ein Konzept aus der Feder eines Papstes gegeben haben sollte, zeigen die Quellen vom 4. bis zum 10. Jahrhundert,23 dass es sich dabei um eine äußerst selten auftretende Verwendung handelte, die keinerlei Auswirkungen auf den Wortgebrauch in dieser angeblichen Christenheit gehabt hat. Die sich bereits unter Karl andeutende Vielfalt des Wortgebrauchs, die unterschiedlichen Verwenderkreise und die damit einhergehenden verschiedenen Kommunikationsräume legen es nahe, christianitas nicht mehr als ein Element in Geschichtsnarrativen zu nutzen, auch nicht für spätere Jahrhunderte.24 Hier ist sicherlich noch einiges an Arbeit zu leisten, um zu belegen, dass die Verfasser im Mittelalter in christianitas keinen Gegenstand ihrer Erzählungen sahen und sie das Wort auch nicht zu Entwürfen von Gesellschaftsordnungen heranzogen.25 Doch spätestens wenn das geschehen ist, wäre es unpassend über die Verwen22 So wie es zuletzt Heinhard Steiger, Ordnung, S. 702 f. getan hat. Dabei ist Steigers Arbeit im Grunde zu begrüßen, weil er eine strikt rechtshistorische Arbeit mit kulturgeschichtlichen Fragestellungen verknüpft hat und gerade ohne Vorverständnisse arbeiten wollte und stattdessen danach gefragt hat, »ob und wie in dieser Epoche vor allem von fränkischer Seite die Beziehungen der ersten drei karolingischen Herrscher und der Franken mit anderen Mächten normativ gestaltet und geordnet waren bzw., wie sie als solche verstanden und dargestellt wurden.« 23 Siehe hierzu auch die letzten beiden Abschnitte der Quellensynopsis im Online-Anhang. 24 Hierzu Berend, Frontiers, u. dies., Concept. 25 Der einzige Chronist, der im Hochmittelalter häufig von christianitas sprechen wird, ist Adam von Bremen in seiner Hamburgischen Kirchengeschichte (MGH SS rer. Germ. 2).

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Schlussbetrachtung

dung des Wortes christianitas in modernen Geschichtsdarstellungen den Eindruck zu erwecken, damit den Zeitgenossen in ihren Selbstentwürfen nahe zu sein. So schön einprägsam solche Formulierungen auch klingen mögen: Europa ist weder aus der christianitas hervorgegangen, noch aus ihrem Scheitern.

Abkürzungsverzeichnis

1.

Bibliographische Abkürzungen

inklusive Angaben zu Onlineressourcen AA SS ACO

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356 EMC

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Sonstige Abkürzungen

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Germanistische Abteilung Romanistische Abteilung

ZRG GA RA

2.

Sonstige Abkürzungen

Abt. Bd./Bde. Bh. c. cap. ep./epp. FS gest. lib. ND reg. sed. S. Sp.

Abteilung Band/Bände Beiheft Canon = Kanon capitulum = Abschnitt Epistola/Epistolae = Brief/Briefe Festschrift gestorben liber = Buch Nachdruck regnavit (Amstzeit bei Herrschern) sedit (Amtszeit bei Geistlichen) Seite Spalte

357

Quellen- und Literaturverzeichnis

1.

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Literatur

411

Wright, Roger, Late Latin and Early Romance in Spain and Carolingian France (ARCA: Classical and Medieval Texts, Papers and Monographs 8), Liverpool 1982. Wurm, Herbert, Studien und Texte zur Dekretalensammlung des Dionysius Exiguus (Kanonistische Studien und Texte 16), Bonn 1939, ND Amsterdam 1964. Wurst, Gregor, B. Person II. Traditionen 5. Manichäismus um 375 in Nordafrika und Italien, in: Augustin Handbuch, hg. v. Volker Henning Drecoll (Theologen-Handbücher), Tübingen 2007, S. 85 – 92. – B. Person III. Entwicklungen, Frontstellungen und Aufgabenbereiche 2. Augustin als ›Manichäer‹, in: Augustin Handbuch, hg. v. Volker Henning Drecoll (TheologenHandbücher), Tübingen 2007, S. 148 – 152. – B. Person III. Entwicklungen, Frontstellungen und Aufgabenbereiche 5. Augustins Auseinandersetzung mit den Manichäern, in: Augustin Handbuch, hg. v. Volker Henning Drecoll (Theologen-Handbücher), Tübingen 2007, S. 168 – 171. Yorke, Barbara, Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England, London 1990. Young, Frances, Christian Teaching, in: Lewis Ayres, Andrew Louth u. ders. (Hgg.), The Cambridge History of Early Christian Literature, Cambridge 2006, S. 464 – 484. Zechiel-Eckes, Klaus, Auf Pseudoisidors Spur. Oder : Versuch, einen dichten Schleier zu lüften, in: Wilfried Hartmann u. Gerhard Schmitz (Hgg.), Fortschritt durch Fälschungen? Ursprung, Gestalt und Wirkungen der pseudoisidorischen Fälschungen. Beiträge zum gleichnamigen Symposium an der Universität Tübingen vom 27. und 28. Juli 2001 (MGH Studien und Texte 31), Hannover 2002, S. 1 – 28. – Fälschung als Mittel politischer Auseinandersetzung. Ludwig der Fromme (814 – 840) und die Genese der pseudoisidorischen Dekretalen (Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste. Geisteswissenschaften, Vorträge G 428) Paderborn 2009. Ziegenaus, Anton, (Art.) Marius Victorinus, in: LacL, 32002, Sp. 487 f. Zimmermann, Harald, Ecclesia als Objekt der Historiographie. Studien zur Kirchengeschichtsschreibung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 235,4) Graz 1960. Zimpel, Detlev, Hrabanus Maurus, De institutione clericorum libri tres (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 7), Frankfurt am Main 1996. Zupitza, Julius, Aelfric’s Grammatik und Glossar, Berlin 1880, ND 2003.

Quellensynopsis

Erläuterungen zur Sammlung von Verwendungsnachweisen Um den Darstellungsteil zu entlasten, folgen Quellenauszüge, die zur Interpretation herangezogen wurden, nach diesem Schema: Datumsangabe [ggfs. Ortsangabe]

Kurztitel

Quellennummer.Belegstellennummer

D: konkretisiert die Angaben zur Datierung, falls dies notwendig ist: 1. Sofern nichts anderes angegeben ist, wird der Datierung gemäß Edition gefolgt. Folgen aufeinander mehrere Auszüge aus einem Text, so richtet sich die Datumsangabe nach der ersten Belegstelle zu dieser Quelle. 2. Wenn der Zeitpunkt nicht aus der Quelle hervorgeht, sondern erschlossen werden muss, wird dies durch eckige Klammern angezeigt. 3. Die Datierung gibt zudem den Zeitpunkt der Abfassung wieder und nicht, wie sonst in Regesten üblich, die im Text behandelte Zeit. 4. Nur wo es schlechterdings nicht möglich war, die Entstehungszeit anzugeben, wurde die behandelte Zeit vermerkt. 5. (†) weist auf eine Fälschung oder Verfälschung hin. 6. Hier erfolgt ggfs. auch eine Ortsangabe, sofern dies möglich ist. K: markiert den Kommentar, falls dieser zwingend erforderlich ist. Bibliographische Angabe: Nachweis über die Herkunft der zitierten Quelle, wobei die erste Nennung die verwendete Edition darstellt. Alle weiteren Nachweise dienen zum Abgleich der verwendeten Editionen, wobei ältere Editionen aus den MGH oder der PL nicht gesondert in das Quellenverzeichnis aufgenommen worden sind. Quellentext: Hier wird die Sinneinheit wiedergegeben, die einen Satz bis zu einem vollständigen Brief umfassen kann, in der Regel allerdings den Absatz darstellt, in dem christianitas verwendet wird. Das Suchwort wird fett gesetzt. Die Orthographie der zugrundeliegenden Edition wird weitgehend beibehalten. Bei längeren Passagen wird durch Auslassungszeichen […] angegeben, dass der Text an dieser Stelle weitergeht und nur von mir gekürzt wurde, wenn der davor stehende Text als Aussageeinheit aufgefasst werden kann und die weiteren Aussagen des Abschnitts für das Verwendungsmuster nicht mehr in direktem Kontakt stehen.

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Quellensynopsis

Runde Klammern () und spitze Klammern < > dienen zur Markierung von Ergänzungen, Auslassungen etc., die vom jeweiligen Editor aufgrund von Textvergleich vorgenommen worden sind. Zur Nummerierung: Die doppelte Nummerierung gibt mit der ersten Zahl die Nummer des Werkes und mit der zweiten die Nummerierung der Stelle an. Wenn mehrere Nennungen innerhalb desselben Abschnitts stehen, wird dies hier angegeben. Beispiel: Die Nummer 19.37 – 38 ist die lateinische Fassung des Briefs des Ignatios von Antiochien an die Magnesier. Der Brief ist damit die Quelle 19, der die Belegstellen 37 und 38 enthält. Um die Druckfassung zu verkürzen, werden nur die ersten vier Phasen der Quellensynopsis abgedruckt. Die gesamte Synposis mit den Quellenbelegen bis etwa 920 ist online unter dieser Adresse verfügbar : http://www.v-r.de/de/christianitas/t-1/1035960/ Daraus ergibt sich folgende Aufteilung Phase 1: Spätantike (360 – 490) Phase 2: Spätantike (491 – 605) Phase 3: Spätantike (606 – 740) Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814) Phase 5: Karolingerzeit (815 – 882) Phase 6: Karolingerzeit (883 – 920)

abgedruckt abgedruckt abgedruckt abgedruckt online verfügbar online verfügbar

Phase 1: Spätantike (360 – 490) Von den Anfängen bis zu Salvian von Marseille [360 um ?] Pseudo-Cyprian/Macrobius: Epistula ad Turasium, cap. 4

1.1

Ein undatierter Trostbrief an einen Turasius. Ebenso schwer zuzuordnen wie dieser Brief scheint eine Überarbeitung zu sein, die in der PL Hieronymus zugeordnet wurde. Da sich aber keine einzige gesicherte Verwendung der Vokabel durch Hieronymus findet, scheint auch diese Vermutung fragwürdig. Ansonsten weist Dierks (CCSL 3C, S. 644) daraufhin hin, dass dieser Brief auch unter dem Namen Augustinus und Hieronymus kursierte. Pseudo-Cyprianus, Epistula ad Turasium, in: Sancti Cypriani episcopi epistolarum, cap. 4 (CCSL 3C), S. 649; PL 4, 434A – 438C, hier 435C; zur Überarbeitung: ep. XL, Ad Tyrasium super morte filiae suae consolatoria. Benedicto et dilectissimo Tyrasio Hieronymus, in: PL 30, 278C – 282A, hier 279D. […] sicut Apostolus memorat dicens: quamdiu sumus in hoc saeculo, peregrinamur a domino. Non nobis ergo debet luctus incumbere, quisquis a peregrinatione redire meruerit ad propriam regionem, maxime cum non inanis et vacuus redire noscatur qui christianitatis mercatus est lucrum, propter quod venit ad mundi commercium. Negotium explicavit, rediit, et Deo debitum solvit.

[360 um ?] Pseudo-Cyprian/Macrobius: De singularitate clericorum, cap. 7 2.2

D: nach 1.1.

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

415

Pseudo-Cyprianus, De singularitate clericorum, cap. 7, in: Opera spuria (CSEL 3,3), S. 180; PL 4, 835B – 870A, hier 841C – 842A. Peius est quam moechia continentiam ducere criminosam et infamem facere sanctimoniam. blasphemiam ingerit religioni quam coluit, qui quod confitetur non ante omnes impleuerit, ne christianitas credatur esse fallacia et moechatio uideatur sanctitatis uelamento uestita. propter quod Dominus in euangelio sic praemonet dicens: sic luceat lumen uestrum coram hominibus, ut uidentes opera uestra bona magnificent patrem uestrum qui in caelis est.

[363 nach] Marius Victorinus: Pauluskommentar, ad Eph., cap. 3,19 D: nach Ziegenaus, (Art.) Marius Victorinus, S. 487 f.

3.3

Marii Victorini opera, pars posterior (CSEL 83,2), S. 53 f.; nicht in der PL. Praeter igitur ista, quae supra diximus, quae precatur et rogat ut Ephesiis tribuat deus etiam illud quoque quod est maximum uti scientiam consequantur, altitudinem, profunditatem, precatur etiam ut consequantur Ephesii caritatem Christi, quae caritas supra scientiam praevalet et supereminet plus que ad salutem proficit et ad aeternitatem animis, si aliqui caritatem in Christum suscipiat. Ita cum docuerit tria perfectionem christianitatis inplere: fidem, scientiam, caritatem, omnia breviter hic conplexus est atque in precibus se habere declaravit ut Ephesiis haec deus praestet.

[363 nach] Marius Victorinus: Pauluskommentar, ad Eph., cap. 4, 5 – 6 Marii Victorini opera, pars posterior (CSEL 83,2), S. 58; nicht in der PL.

3.4

Qui deus? Pater, inquit, deus, quia ipse est per omnia et ipse in omnibus et supra omnes. Ergo unus deus qui pater est omnium, qui supra omnes et per omnes et in omnibus nobis. Adtendamus autem ordinem diligenter connexum. Unus dominus: ab ipso coepit, per quem incipit omnis christianitas et ingressus ad liberationem. Cum enim Christum qui cognoverit, tunc sequitur ut in eum fides sit et reliqua. Una in ipsum fides. Deinde consecratio eius: unum baptisma. Deinde coniunctio: unus deus, pater omnium, super omnia, per omnia, in omnibus.

[363 nach] Marius Victorinus: Pauluskommentar, ad Eph., cap. 5, 2 Marii Victorini opera, pars posterior (CSEL 83,2), S. 75; nicht in der PL.

3.5

5.2 Et ambulate in dilectione. Magnum praeceptum et ubique retinendum, omnia enim concludit et perficit caritas, in quo lex tota est et totum mysterium christianitatis, dilectio et caritas. Sicut et Christus dilexit vos. Hoc est quod supra dictum imitatores Dei ut et vos invicem diligatis vos, sicut et Christus dilexit vos. Quid est autem dilexit et tradidit semetipsum pro vobis? Eadem substantia, unum et voluntate. Et item ego et pater unum sumus.

[363 nach] Marius Victorinus: Pauluskommentar, ad. Galat., cap. 3,10 Marii Victorini opera, pars posterior (CSEL 83,2), S. 130; nicht in der PL.

3.6

3, 10. Quicumque enim ex operibus legis sunt, sub maledictione sunt. Vehementer igitur adiunxit non modo non benedici eos qui ex operibus sunt, sed etiam eos esse sub maledictione qui ex operibus legis sunt. Quod autem dixit ex operibus legis, intellegamus esse etiam opera christianitatis, maxime illa quae saepe apostolus mandat atque

416

Quellensynopsis

ei mandatum est, pauperum memores simus et cetera quae in hoc apostolo ad vivendum praecepta retinentur, quae que opera ab apostolo omni Christiano inplenda mandatur.

[363 nach] Marius Victorinus: Pauluskommentar, ad Phil., cap. 2, 5 Marii Victorini opera, pars posterior (CSEL 83,2), S. 184; nicht in der PL.

3.7

Videamus igitur singula quae praecepta sint. Primo ait: ut idem . Omnis christianitatis potestatis et vis et operatio illa est non dissentire, sed unum atque idem in animo habere. Etenim si unus deus, si unus eius filius, si unus spiritus sanctus est, si omnia ista tria unum, ita debemus et nos unum habere quod sentimus, ut idem sentiamus omnes. Deinde sequitur ut eandem dilectionem exerceamus.

[364] Sept. 27 CTh 14.3.11

Code Th¦odosien 14.3.11 (SC 531), Bd. 2, S. 360; nicht in der PL.

4.8

IDEM AA. AD SYMMACHUM P(raefectum) V(rbi). Hac sanctione generaliter edicimus nulli omnino ad ecclesias ob declinanda pistrina licentiam pandi. Quod si quis ingressus erit, amputato priuilegio christianitatis sciat se omni tempore ad consortium pistorum et posse et debere reuocari. Dat. V kal. octob. Aquil(eiae) Val(entini)ano et Valente AA. Conss.

[366 nach] Ambrosiaster : Quaestiones, q. 39

5.9

D: Die Datierung ergibt sich aus der Annahme, dass der als Ambrosiaster bezeichnete Schriftsteller seine Schriften während des Pontifikats des Damasus (366 – 384) verfasst hat.

Pseudo-Augustini Questiones veteris et novi testamenti (CSEL 50), S. 66; PL 35, 2213 – 2250, hier 2236. XXXVIIII. QUID EST QUOD LEGITUR IN SOLOMONE: ›SPES EST‹, INQUIT, ›IN TENEBRIS; MELIOR EST CANIS LEONE MORTUO‹? Tenebrae gentilitatem et ignorantiam significant. spem ergo in gentili esse quam in apostata, uult intellegi per id quod subiecit dicens: melior est canis leone mortuo, quia sicut leo omnibus feris fortior est, ita et Christianitas omnibus sectis. si quis ergo ab hac destiterit, amittit salutem, ita ut deterior gentili sit. potest enim fieri ut credat gentilis et adquirat salutem, quam perdidit apostata.

[366 nach] Ambrosiaster : Quaestiones, q. 114, cap. 30

5.10

Ambrosiaster, Contre les Paens (SC 512), S. 148 – 150; Pseudo-Augustini Questiones veteris et novi testamenti (CSEL 50), S. 316 f.; PL 35, 2341 – 2347, hier 2346. 30. Factus ergo homo coepit uenerari suum conditorem, quia et dignum est et causa hoc exigit. Quod cum per desidiam hominum obsoleuisset, reparauit istud Deus in Abraham, ut cognitio dei, quae fuerat in Adam, inciperet rursus in Abraham, ut ab eo geniti sub hac cognitione educarentur et per traducem non deficeret neque deesset, qui coleret Deum, aduocatis etiam exterae gentis hominibus ad istam Dei cognitionem. Qui ergo cognoscit, sub initio est; qui autem cognoscitur, super initium est. Qua igitur ratione pagani »legem« suam ante dicunt fuisse quam nostram? Si mundus ante Deum est – quod absit! –, sic potest et paganitas anteponi Christianitati.

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

417

[366 nach] Ambrosiaster : Quaestiones, q. 114, cap. 31

5.11

Ambrosiaster, Contre les Paens (SC 512), S. 150; Pseudo-Augustini Questiones veteris et novi testamenti (CSEL 50), S. 317; PL 35, 2341 – 2347, hier 2346 f. 31. Nemo miretur de nomine Christianitatis. Est enim colere unum Deum in mysterio Trinitatis, quia, si nomen Christi putatur ex crisma, nominis tamen ratio ante creaturam est. Apud maiores enim nostros, qui in reges ungebantur, »christi« uocabantur habentes imaginem uenturi Christi, qui natus de Deo patre in regem non inmerito »Christus« appellatur, quia, quod istis crisma, illi dedit natiuitas.

[4. Jh. spätes] Passio S. Typasii veterani

6.12

D: Die Enthauptung soll am 11. Januar 298 stattgefunden haben, also in der Zeit der großen Verfolgungen. Laut Monceaux, Êtude critique, S. 267 – 274, wurden frühere, kürzere Fassungen bis zum Ende des 4. Jahrhunderts in den Kirchen Mauretaniens gelesen. Gordini, (Art.) Tipasio, S. 497 f., spricht sich für spätes 4./beginnendes 5. Jahrhundert aus, erwähnt aber auch, das dies umstritten ist. Passio S. Typasii veterani, in: Passiones tres martyrum africanorum, S. 116 – 123, hier S. 116; nicht in der PL. 1. In temporibus Diocletiani et Maximiani imperatorum parva adhuc christianitatis religio fuerat et per universam propemodum terram bella surrexerant. Nam in partibus Orientis Narseus quidam nomine assumpserat tyrannidem, in Britannia Carausius rebellaverat, Achilleus Aegyptum Lybiamque vastabat, in partibus quoque Galliarum Bacaudae crudeliter saeviebant. Praeterea in Sitifensi provincia gentiles, qui semper pacati fuerant et Quinquegentiani vocantur, direptis provincialium facultatibus atque universis possessoribus incolisque prostratis, latrocinia perpetrabant.

[370 – 380] Filastrius von Brescia: Diversarum Hereseon Liber, cap. 109, 6 – 7

7.13

Filastrius von Brescia, Diversarum Hereseon Liber, cap. 109, 6 – 7 (CCSL 9), S. 274; PL 12, 1111 – 1302A, hier 1228A.

Nam et ipsud nomen idoli species doli et formae praeuaricatio de interpretatione greca est nuncupatum. Trinitas itaque Christianitatis ab origine mundi praedicabatur, et ueritas pietatis sine intermissione ubique docebatur. Nam et dauid docet: Dixit dominus domino meo; et: Spiritus tuus bonus deducet me in uiam rectam; […]

[370 – 380] Filastrius von Brescia: Diversarum Hereseon Liber, cap. 110, 4 – 7

7.14 – 16

Filastrius von Brescia, Diversarum Hereseon Liber, cap. 110, 4 – 7 (CCSL 9), S. 275 f.; PL 12, 1111 – 1302A, hier 1230A – 1230B u. 1231A – 1232A.

Tamen filium de deo patre esse priore et sanctum spiritum proprie demonstrauit edocens: Verbo domini caeli firmati sunt, et spiritus oris eius omnis uirtus eorum; et iterum alibi: Dixit dominus domino meo. Et omnes prophetae de uerbo et spiritu nuntiauerunt, ubique ita dicentes: Et factum est uerbum domini ad me, et: Spiritus, inquit, domini fuit ad me. Ergo non est fidei causa temporalis Christianitas, sed ante iudaeos et paganos in lege quidem studentibus et quaerentibus erat manifestata: non autem capientibus uix patris omnipotentis scientia nuntiabatur a sanctis illis docto-

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Quellensynopsis

ribus et perfectis. […] Quale autem et sacrificium melchisedech sub abraham inprimis obtulerit, ante quadringentos triginta annos quam iudaei nominarentur aut iudas nasceretur et antequam acciperent, in libro geneseos peruides mysterium Christianitatis, ut omnia quae in Christianitate sunt, siue fides, siue uita, siue sacramentum, non temporalia, sed ab origine mundi statuta et nuntiata et potius celebrata cognoscas. In christo autem et per christum, per quem cuncta facta sunt, oportuerat nos … ab eo uidere et cognoscere, et, quod erat maius in lege mysterium de eo ante nuntiatum, ab ipso plenius excipere completum atque consummatum.

[370 – 380] Filastrius von Brescia: Diversarum Hereseon Liber, cap. 124, 1 – 2

7.17

Filastrius von Brescia, Diversarum Hereseon Liber, cap. 124, 1 – 2 (CCSL 9), S. 287; PL 12, 1111 – 1302A, hier 1249B – 1250A.

Si quis autem hoc ita putauerit fieri, paganitatis et uanitatis filosoforum quam Christianitatis uidetur habere consortium, cum dicat apostolus: Omnes nos manifestari oportet ante tribunal christi, ut recipiat unusquisque ea quae gessit in hoc corpore.

[370 – 380] Filastrius von Brescia: Diversarum Hereseon Liber, cap. 141, 1 – 3

7.18

Filastrius von Brescia, Diversarum Hereseon Liber, cap. 141, 1 – 3 (CCSL 9), S. 305; PL 12, 1111 – 1302A, hier 1275A.

Quae et secundum menses octo diuersitas iuxta litteram celebratur a Iudaeis et secundum spiritalem scientiam incipientibus mense Martio in octauum mensem, id est Octobrem, consummata omnia per ordinem a christo domino conferuntur, quae sunt plena salutis aeternae pignora in fide atque opere Christianitatis consummanda atque conprobanda.

[370 – 380] Filastrius von Brescia: Diversarum Hereseon Liber, cap. 147, 4 – 7

7.19

Filastrius von Brescia, Diversarum Hereseon Liber, cap. 147, 4 – 7 (CCSL 9), S. 309; PL 12, 1111 – 1302A, hier 1281B – 1282A.

Non ergo intellegentes uirtutem scripturarum ex littera paganitati consentiunt, et alieni a Christianitate repperiuntur. Quia ergo non credebant iustis iudaei prophetis et aliis talibus, alieni et isti sicut et pagani iudicabantur a domino per scripturam, atque ita nuntiabatur, ne maledicerent suis doctoribus et prophetis, iustis et aliis.

[370 – 380] Filastrius von Brescia: Diversarum Hereseon Liber, cap. 149, 1 – 3 u. 7

7.20 – 21

Filastrius von Brescia, Diversarum Hereseon Liber, cap. 149, 1 – 3 u. 7 (CCSL 9), S. 311 – 313; 1111 – 1302A, hier PL 12, 1286A – 1288A. Sed cum dicit quattuor ieiunia, ueluti dies quattuor ieiunandos decernit, non autem nobis dixit aut mensis alicuius aut anni, sed sic absolute praedicauit, ut mysteria Christianitatis in ipsis quattuor ieiuniis nuntiata cognosceremus. Nam per annum quattuor ieiunia in ecclesia celebrantur, in natale primum, deinde in pascha, tertio in

419

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

ascensione, quarto in pentecosten. Nam in natale saluatoris domini ieiunandum est, deinde in pascha quadragensimae aeque, in ascensione itidem in caelum post pascham die quadragensimo, inde usque ad pentecosten diebus decem aut postea: […] (7.) Alii autem dixerunt: quattuor ieiunia sunt in ecclesiae ista in quattuor libris mosi, quia primum fecit deus omnia in genesis et hominem, ut scriptum est, secundo in exodo, quod de tenebris liberatus exibit omnis homo credens in christum deum, tertio quod in leuitico offert sacrificia diuersa, quae sunt ibi omnia Christianitatis mysteria, quarto post oblationem donorum spiritalium in libro numeri mereatur omnis fidelis conscribi, quod ait et dominus: Gaudete, quoniam nomina uestra scripta sunt in libro caelorum.

[380 vor] Zeno von Verona: Traktat I 36 De spe, fide et caritate

8.22

D: Diese Annäherung beruht auf dem Tod Zenos um 380 n. Chr.

Zeno von Verona, Tractatvs, lib. I, tract. 36 (CSEL 82), S. 92 – 100, hier S. 96; PL 11, 269C – 280A, hier 275A. [VI.19] Constat ergo omne christianitatis magis in caritate quam in spe uel fide esse depositum, sicut euidens testatur exemplum. Iudas scariothes traditor domini et spem et fidem perdidit, quia caritas in ipso non mansit. Nam et haereses et schismata sic disseminantur, cum inflata fides ac spes dilectionis a fundamento uelluntur.

[386] Juni 16 CTh 12.1.112

4.23

Code Th¦odosien 12.1.112 (SC 531), Bd. 2, S. 318 u. S. 320; nicht in der PL.

Idem aaa. Florentio p(rae)fecto Aug(usta)li. In consequenda archierosyne ille sit potior, qui patriae plura praestiterit nec tamen a templorum cultu obseruatione Christianitatis abscesserit. Quippe indecorum est, immo ut verius dicamus, inlicitum ad eorum curam templa et templorum sollemnia pertinere, quorum conscientiam vera ratio diuinae religionis imbuerit et quos ipsos decebat tale munus, etiamsi non prohiberentur, effugere.

[390] Augustinus: De vera religione, cap. 5, 8

9.24

D: Drecoll, Chronologie, S. 250 – 260.

Augustinus, De vera religione, cap. V, 8 (CCSL 32), S. 193; PL 34, 122 – 172, hier 126. Quod si hoc unum tantum uitium christiana disciplina sanatum uideremus, ineffabili laude praedicandam esse neminem negare oporteret. Haereses namque tam innumerabiles a regula Christianitatis auersae testes sunt non admitti ad communicanda sacramenta eos, qui de patre deo et sapientia eius et munere diuino aliter sentiunt et hominibus persuadere conantur quam ueritas postulat.

[391/392] Augustinus: De utilitate credendi, cap. 36 D: Drecoll, Chronologie, S. 250 – 260.

10.25

Augustinus, De utilitate credendi, cap. 36 (CSEL 35,1), S. 1 – 48, hier S. 46; ders., Über den Nutzen des Glaubens (FC 9), S. 186 – 189; PL 42, 65 – 92, hier 91. Quamobrem si quid te uel ratio, uel oratio nostra commouit et si ueram, ut credo, curam tui geris, uelim me audias et bonis praeceptoribus catholicae christianitatis te

420

Quellensynopsis

pia fide, alacri spe, simplici caritate committas deumque ipsum, cuius unius et bonitate facti sumus et iustitia poenas luimus et clementia liberamur, orare non cesses. Ita tibi neque praecepta et disputationes doctissimorum hominum et uere christianorum neque libri neque serenae ipsae cogitationes defuerint, quibus facile quod quaeris inuenias.

[391] Juli 28 CTh 12.1.123

Code Th¦odosien 12.123 (SC 531), Bd. 2, S. 322 – 326; nicht in der PL.

4.26

Idem AAA. Ad Tatianvm P(raefectum) P(raetorio). Dudum super his, qui relicta curia vel senatoriam dignitatem adepti sunt vel Christianitatis obtentu curialium se consortio separarunt, euidens sanctionum nostrarum processit auctoritas, ut, si eorum personas uel honor uel religio defenderet, quod ex curiali substantia uel ipsi retinerent uel in alios transtulissent, obnoxium publicis descriptionibus haberetur.

[393] Augustinus: De sermone Domini in monte, lib. II., cap. 12, 41 D: Drecoll, Chronologie, S. 250 – 260.

11.27

Augustinus, De sermone Domini in monte, lib. II., cap. 12, 41 (CCSL 35), S. 1 – 188, hier S. 131 f.; PL 34, 1229 – 1308, hier 1287. In hoc autem capitulo maxime animaduertendum est non in solo rerum corporearum nitore atque pompa sed etiam in ipsis sordibus luctuosis esse posse iactantiam et eo periculosiorem, quo sub nomine seruitutis dei decipit. Qui ergo inmoderato cultu corporis atque uestitus uel ceterarum rerum nitore praefulget, facile conuincitur rebus ipsis pomparum saeculi esse sectator nec quemquam fallit dolosa imagine sanctitatis; qui autem in professione christianitatis inusitato squalore ac sordibus intentos in se hominum oculos facit, cum id uoluntate faciat non necessitate patiatur, ceteris eius operibus potest conici, utrum hoc contemptu superflui cultus an ambitione aliqua faciat, quia et sub ouina pelle cauendos lupos dominus praecepit. Sed ex fructibus, inquit, eorum cognoscetis eos.

[394/395] Augustinus: Expositio inchoata Epistolae ad Romanos, cap. 22, 1 – 3

D: Fredriksen, Epistula ad Romanos, S. 298; Drecoll, Chronologie, S. 250 – 260.

12.28

Augustinus, Expositio inchoata Epistolae ad Romanos (CSEL 84), S. 145 – 181, hier S. 177; PL 35, 2087 – 2106, hier 2104. Si ergo nec paganis nec hebraeis nec haereticis aut scismaticis nondum baptizatis ad baptismum christi aditus clauditur, ubi condemnata uita priore in melius commutentur, quamuis christianitati et ecclesiae dei aduersantes, antequam christianis sacramentis abluerentur, etiam spiritui sancto, quanta potuerunt infestatione, restiterint; si etiam hominibus, qui usque ad sacramentorum perceptionem ueritatis scientiam perceperunt et post haec lapsi spiritui sancto restiterunt, ad sanitatem redeuntibus et pacem dei poenitendo quaerentibus auxilium misericordiae non negatur; […].

400 Eustathios: Übersetzung des Hexameron Basilius des Großen

13.29

D: nach Altaner, Eustathius, S. 168, der argumentiert, dass Augustinus für seine 401 begonnene Schrift De Genesi bereits auf Eutstathios’ Übersetzung zurückgegriffen hat.

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

421

Eustathius, Ancienne version latine, S. 124 f.; Eustathii in Hexaemeron S. Basilii Latina Metaphrasis. Liber nonus, in: PL 53, 664C – 965B, hier 965A – 966A. Consideremus quoque sequentia: faciamus hominem ad imaginem nostram. Quid respondes? Numquid Dei et angelorum una imago est? Nam patris necesse est eamdem esse quam filii, sic tamen, ut deo decens intelligatur esse figura, id est, non in habitu corporeo, sed in divina proprietate consistens. Ausculta, tu etiam qui de nova circumcisione progrederis, iudaismi cultum sub christianitatis simulatione commendans. Cui dicit: ad imaginem nostram, nisi illuminationi gloriae et titulo paternae substantiae, qui est imago Dei invisibilis?

[400 um ?] Asterius von Anseduno: Liber ad Renatum monachum, cap. 14

14.30

D: Der kappadozische Asterius von Amasea wurde um 400 Bischof von Pontus und starb vor 431. Gennaro erwähnt, dass Asterius De sing. Cler. (1.1) kannte und imitiert habe (CCSL 85, S. XXII). Außerdem soll er wohl aus dem Umfeld des Hieronymus stammen. Asterius Ansedunensis, Liber ad Renatum monachum, cap. 14 (CCSL 85), S. 3 – 25, hier S. 14 f.; nicht in der PL. O intolleranda caecitas! Caelestia dona fastidio habent, et desideriorum luto defixi terrenorum habentur hiatibus, et cum salutis habeant medicinam, doloris tamen eligunt poenam. Sed: Quid paleis ad triticum? dicit dominus; enimuero iniusta mens corruptis olim moribus, et studiis in aduersum commutatis, quotidianos actus uitiat, potius quam emendat. Nam uix inter certamina uitiorum, honestatis aut modestiae haud quicquam probi moris inuenitur ; ut enim nosse perfacile est, ita uaganter et sine delictis quorumdam uagantur incessus, ut sub specie bonae professionis honestae rei actum nomen que corruperint, apostolo non tacente: Omnia uestra honeste fiant: quae apud hos traditionis speciem magis quam uires habent. Nam incondite et solum ad ostentationem male praesumptum, quod opere non defendunt nudo nomine appellationis in fama et sub occasione christianitatis, alienae uirtutis in se uocabulum transferunt, uolunt que se dici monachos, et in labore turpiter delicatos; et cum sufficeret fidei esse participes, maioris gloriae cupidi perdunt etiam illud, quod esse non possunt.

[400 um] Augustinus: Epistola 53, 1 – 2

15.31 – 33

Augustinus, Epistolae, ep. 53, 1 – 2 (CCSL 31), S. 221 – 225, hier S. 221 f.; PL 33, 61 – 1094, hier 195 f.

Dilectissimo et honorabili fratri generoso fortunatus, alypius, augustinus in domino salutem. [1.] Quoniam nobis notam esse uoluisti epistulam, quam ad te donatistarum presbyter dedit, quamquam eam tu quoque catholico animo deriseris, tamen, ut ei potius, si non desperate desipit, consulas, haec ad eum rescripta petimus perferas. Ille enim ordinem christianitatis ciuitatis uestrae tibi ut insinuaret, iussisse sibi angelum scripsit, cum tu teneas christianitatem non ciuitatis tuae tantum nec tantum africae uel afrorum sed totius orbis terrae, quae adnuntiata est et adnuntiatur omnibus gentibus. Unde illos parum est quod praecisos esse non pudet nec sibi subueniunt, ut, cum possunt, redeant ad radicem, nisi etiam se cum alios praecidere et sicut ligna arida in ignem destinare

422

Quellensynopsis

conentur. Quapropter si tibi ipsi angelus adstitisset, quem sibi ille propter te adstitisse, quantum arbitramur, astuta uanitate confingit, et haec ipsa tibi dixisset, quae iste mandato illius tibi se insinuare dicit, oporteret te apostolicae sententiae memorem fieri, qui ait: Licet si nos aut angelus de caelo uobis euangelizauerit praeter id, quod euangelizauimus uobis, anathema sit. Euangelizatum est enim tibi per uocem ipsius domini iesu christi, quod omnibus gentibus adnuntiabitur euangelium eius et tunc erit finis; euangelizatum tibi est per propheticas et apostolicas litteras, quod abrahae dictae sunt promissiones et semini eius, quod est christus, cum ei diceret deus: In semine tuo benedicentur omnes gentes. Has ergo promissiones tenenti si tibi angelus de caelo diceret: »Dimitte christianitatem orbis terrae et tene partis donati, cuius ordo tibi exponitur in epistula episcopi tuae ciuitatis«, anathema esse deberet, quia te a toto praecidere et in partem contrudere conaretur et alienare a promissis dei.

[400 – 404] Augustinus: Contra Faustum Manichaeum, lib. I., cap. 2 D: nach Decret, (Art.) Faustum Manicheum (Contra-), S. 1245.

16.34

Augustinus, Contra Faustum, lib. I., cap. 2 (CSEL 25,1), S. 251 – 797, hier S. 757 f.; PL 42, 207 – 518, hier 495D – 496A. 2. sed illos fortasse excuset ignorantia; necdum enim adparente christiana hac fide, quae doceret omnia esse munda mundis, quaedam et ipsi putauerint esse non munda; uos uero, qua nunc excusatione utimini, si paulo clamante nihil esse non mundum et doctrinas daemoniorum appellante ciborum abstinentiam et mente pollutos uocante, qui aliquid putauerint inquinatum, non solum abstinetis, ut diximus, sed etiam gloriam captatis exinde et eo acceptiores uos creditis christo, quo eritis abstinentiores a cibis, id est secundum hanc sententiam, quo mentibus inquinati magis et magis conscientia uestra polluti? quid? quod etiam cum tres in mundo religiones sint, quae mentis purgationem pariter in castimoniis et abstinentia ritu quamuis diuersissimo reponunt, dico autem iudaeos et christianos et gentes, ex quanam istarum religionum sermo hic ueniat, non potest inueniri, qui docet nihil esse non sanctum? certe ex iudaismo minime; itidem ex paganismo, quia ipsum quoque discriminat cibos; nec quicquam interest, nisi quod hebraeus in quibusdam animalibus a pagano dissentit. restat christiana fides, cuius si proprium hoc esse putas nihil existimare pollutum, prius est, ut fatearis in uobis esse neminem christianum. omnes enim apud uos, ut cetera reticeam, morticina tamen et inmolata inquinamentum existimant esse non paruum; aut si et a uobis iure christianitatis hoc agitur, ne huius quidem ergo religionis sententia est, quae omnem penitus inmundorum abstinentiam tollit. quorsum ergo a paulo id dici potuit, quod nulli sit religioni conueniens? etenim apostolus non tam religionem exuit quamtum mutauit, cum ex iudaeo factus est christianus. at uero qui hoc capitulum scripsit, uidetur ille mihi nulla prorsus religione fuisse subnixus.

[5 Jh. Anfang] Unbekannt: Epistola seu explanatio fidei ad Cyrillum

D: nach CPL3 570, Nr. 1746.

17.35

Auctor incertus (Hieronymus Stridonensis?): Pars prima. Epistolae. Epistola XVII seu explanation fidei ad Cyrillum, in: PL 30, 176B – 181D, hier 178A – 178B. Si ergo sempiternus Filius de Patre est genitus, quippe et omnia sciens, omnia potens, et omnia salvans, omnia continens, judicans, creans cum Patre semper et Spiritu sancto,

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

423

accipe igitur quod creatura Deus verus non potest esse, neque creatura creaturam salvare, dicente Scriptura: Et coluerunt, et servierunt creaturae potius quam Creatori, qui est benedictus Deus in saecula. Vides igitur, quod paganitatis est hoc magis quam Christianitatis? Et quod non tempore est natus, sed semper natus erat de Patre, dicit Apostolus beatus: Invisibilia enim ejus a creatura mundi per ea quae facta sunt, intellecta conspiciuntur, sempiterna quoque ejus virtus et divinitas. Vides igitur, quod Christus Filius Dei est, non temporalis, sed sempiternus? Quod de substantia divina Patris natus est semper, ipse ait Salvator in Evangelio: Quod nascitur de carne, caro est: et quod nascitur de Spiritu, Spiritus est, quoniam Deus Spiritus est.

[5. Jh. ?] Pseudo-Ambrosius, über die heiligen Jungfrauen

18.36

D: Der Text ist nicht von Ambrosius verfasst worden, wie ein Abgleich mit den ambrosianischen Jungfrauenschriften ergeben hat. Daher ist eine Datierung schwer möglich.

Epistolae ex Ambrosianarum numero segregatae. Epistola I. Ambrosius episcopus servus Christi virginibus sacris, in: PL 17, 735B – 742D, hier 737A – 737B. 4. Audiens haec Symphronius praefectus laetus efficitur, et missa apparitione cum grandi strepitu, suis eam tribunalibus praecepit sisti. Et primo quidem blandis eam sermonibus secretius provocat, deinde terroribus pulsat. Sed virgo Christi nec blandimento seducitur, nec terrore concutitur : sed eodem vultu, eodem animo perseverans, et terrentem similiter sicut blandientem animo deridebat. Videns itaque Symphronius praefectus tantam in puella constantiam, parentes ejus alloquitur : et quia erant nobiles, et vim eis inferre non poterat, titulum eis christianitatis opposuit. Sequente autem die Agnem sibi praesentari jubet: et iterum iterumque repetens, replicare coepit de juvenis amore sermonem.

[400 vor] Lateinische Fassung des Briefs des Ignatios an die Magnesianer 19.37 – 38

D: Laut Patres Apostolici, Bd. 2/2, ed. Funk/Diekamp, S. XXV. Altaner, Patrologie, S. 48, spricht hingegen von um 380. Als möglicher Interpolator dieser längeren Fassung gibt Altaner den in Syrien lebenden Pseudo-Klemens an, der die apostolischen Konstitutionen ebenfalls um 380 verfasst hat, vgl. ebd., S. 256. So auch: Steimer, (Art.) Apostolische Konstitutionen, S. 53 f., der annimmt, dass sie zwischen 375 und 400 in Syrien, wohl Antiochien, entstanden sind.

Ignatii epistolarum recensio longior, ad Magnesianos, in: Patres Apostolici, Bd. 2/2, ed. Funk/Diekamp, S. 112 – 133 hier S. 127 u. S. 129 (für die lateinische Fassung); nicht in der PL. X. Non enim sentimus utilitatem eius, nisi nos temptaverit. Secundum quod agimus autem, iam non erimus, nisi ipse miseratus fuerit. Si enim iniquitates observaverit, quis sustinebit? 2. Efficiamur ergo digni cognomento, quod accepimus. Qui enim alio nomine praeter istud vocatur, hic non est Dei. Non enim suscipit prophetiam dicentem de nobis, quoniam vocabitur nomine novo, quo Dominus vocabit eum, et erit populus sanctus. Quod et completum est primo in Antiochia Syriae, ubi adquisierunt discipuli nomen Christianum, Paulo et Petro fundantibus ecclesiam. 3. Abicite ergo malum vetus fermentum, quod corrumpit et putrefacit, et percipite novum gratiae fermentum. Exultate in Christo, ut non alienus dominetur vestri. 4. Ineptum est enim Iesum

424

Quellensynopsis

Christum lingua tantum proferre, et Iudaismum in animo habere. Non enim Christianitas in Iudaismum credidit, sed Iudaismus in Christianitatem. Omnes denique Gentiles aequaliter crediderunt et omnis lingua Christum confessa ad Dominum collecta est, et facti sunt lapidei cordi filii amici Dei Abrahae, et in semine eius benedicti sunt omnes, qui in vitam aeternam deputati sunt in Christo.

[5. Jh ?] Martyrium des Ignatius, cap. 4

20.39

D: Über Verfasser und Abfassungszeit weiß man nicht viel, nur dass Beda den Text benutzt hat, weshalb der Text vor das 8. Jahrhundert zu datieren ist, so Funk/Diekamp, Einleitung, S. LXXII. Passio Sancti Ignatii martyris, cap. 4,1 – 5, in: Patres Apostolici, Bd. 2/2, ed. Funk/Diekamp, S. 363 – 382, hier S. 368; nicht in der PL. IV. 1. Et nuntiaverunt imperatori de adventu eius. Et iussit imperator adduci eum praesente senatu et dixit ei: Ignati, ob quam causam rebellare fecisti Antiochenorum civitatem et omnem Syriam converti de paganismo ad Christianitatem? 2. Ignatius dixit: Atque utinam, o rex, et te potuissem sicuti et illos avertere ab idololatria et introducere ad Deum omnium et Christum et constituere tibi fortissimum principatum. 3. Traianus dixit: Si vis mihi gratiam dare et inter meos amicos connumerari, deponens hanc sententiam sacrifica diis, et eris princeps sacerdotum magni dei Iovis et me cum regnabis.

[5. Jh ?] Martyrium des Ignatius, cap. 8

20.40 – 41

Passio Sancti Ignatii martyris, cap. 8,1 – 5, in: Patres Apostolici, Bd. 2/2, ed. Funk/Diekamp, S. 363 – 382, hier S. 374 f.; nicht in der PL. VIII. 1. Traianus dixit: Quae est ista spes, quam expectas, o Ignati, pro qua tanta pateris vel moreris vel tormenta sustines, non habeo dicere. Ignatius dixit: Qui ignorant Deum, qui est super omnia, et Dominum nostrum Iesum Christum et quae praeparata sunt piis hominibus bona, ipsi nesciunt, quia ex ipso solo est principium omnium rationabilium et irrationabilium. 2. Nos vero, qui scientiam habemus pietatis, novimus, quia, cum ista vita caruerimus, resurgentes sempiternam vitam habebimus in Christo, quae non amittitur neque successionem habet, a qua discedit dolor et tristitia et gemitus. 3. Christianitas enim veri Dei cognitio est et unigeniti eius Filii et secundum carnem conversationis eius. Etiam Moyses consequenter hanc conversationem praedicans nostram veram religionem esse ostendit. 4. Quem enim nostrum cognovisti bellum meditari et non potius subiectos esse principibus, ubi non est periculosa subiectio, sed tantum in amicitiis pacifice omnibus reddentes debita, cui tributum tributum, cui timorem timorem, cui vectigal vectigal, cui honorem honorem, festinantes nulli aliquid debere nisi tantum diligere invicem? 5. Docti enim sumus a Domino nostro, non solum proximum diligere, sed et inimico benefacere et odientes nos amare et orare pro inimicis et persequentibus nos. 6. Quis enim praecepto tuo in Christianitate non oboedivit, ex quo esse coepit, dicito. Aut aliquid novum contigit circa Romanorum imperium aut non fortassis multorum regnum ad unius deductum est principatum? Et Augustus proavus tuus, sub quo Deus noster de virgine natus est et factus est primo Deus Verbum homo nobis, solummodo non omni saeculo regnavit, omnibus quinquaginta annis et septem mensibus aliis septem tenens Romanorum imperium, et

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

425

monarchiam habuit quomodo nullus ante eum, cui omnes gentes subditae erant? Et primo non fuit commixtio gentium et odium contra invicem nondum fuerat solutum nisi ex salvatoris nostri adventu?

[400 nach] Fastidius, De vita christiana, cap. 11 D: Drecoll, Chronologie, S. 250 – 260.

21.42

K: Alternativ zur Autorenschaften des Fastidius wurde vorgeschlagen, dass Pelagius selbst die Schrift verfasst habe. Windau, (Art.) Fastidius, S. 262, teilt diese Meinung nicht, räumt aber ein, dass die Identifizierung schwierig ist. Auctor incertus, De vita christiana liber unus, in: PL 40, 1031 – 1046, hier 1041, zugleich Fastidius, De vita christiana, in: PL 50, 383B – 403C, hier 396A – 396B. [11.] Nam tu illum christianum putas, in quo nullus christianitatis est actus, in quo conversatio nulla justitiae est, sed nequitia, impietas et scelus? Illum christianum putas, qui opprimit miserum, qui pauperem gravat, qui res concupiscit alienas, qui ut se divitem faciat, plures efficit indigentes, qui lucris gaudet injustis, qui de alienis lacrymis cibum capit, qui miserorum ditatur interitu, cujus os assidue mendacio violatur, cujus labia nonnisi indigna et obscena et scelesta loquuntur et turpia, cui cum jubeatur distribuere sua, invadit aliena? Et ad ecclesiam talis audenter accedit, et temere et importune expandit impias manus, illicito raptu et insontium cruore violatas: et ore illo polluto atque sacrilego, quo fuerat paulo ante aut falsa locutus aut turpia, preces ad Dominum, quasi nihil sibi mali conscius fundit. Quid agis impudens et miser? Quid te majorum peccatorum onere gravas?

[401] Augustinus: Contra litteras Petiliani, lib. II., cap. 89 D: Drecoll, Chronologie, S. 250 – 260.

22.43

Augustinus, Contra litteras Petiliani, lib. II, cap. 89 (CSEL 52), S. 3 – 227, hier S. 121 f.; PL 43, 245 – 388, hier 321. Petilianus dixit: ergo, inquam, mortem pro fide subeundam constituit quam cuiquam pro communione faciendam. Christianitas enim mortibus proficit. Nam nemo fidissimus uiueret, si mors a fidelibus timeretur. Dicit enim dominus christus: si granum tritici cadens in terram non moriatur, solum remanet; si autem moriatur, multum faciet fructum.

[401] Augustinus: Contra litteras Petiliani, lib. II., cap. 92 D: Drecoll, Chronologie, S. 250 – 260.

22.44 – 54

Augustinus, Contra litteras Petiliani, lib. II., cap. 92 (CSEL 52), S. 3 – 227, hier S. 123 u. S. 126 – 128; PL 43, 245 – 388, hier 322, 324 – 327. [XCII.] Petilianus dixit: »Quid autem uobis est cum regibus saeculi, quos numquam christianitas nisi inuidos sensit? quod ut breuiter doceam, Machabaeos fratres rex persecutus est; rex quoque tres pueros, cum ipse sacrilegus esset, flammis nescius religiosis addixit; rex quaesiuit animam pueri saluatoris; rex iustissimum danihelem ferinis morsibus, ut putabat, obiecit, ipsum que dominum Christum iudex nequissimus regis occidit.« […] [126] […] Augustinus respondit: Huic loco tam copiose a te exaggerato atque digesto, ubi de regibus saeculi aduersus nos inuidiose loquimini, si

426

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debite digneque respondeam, uereor ne me quoque crimineris regum iracundiam in uos concitare uoluisse. quamquam cum more uestro uniuersaliter in omnes catholicos huius inuectionis impetu fereris, nec me utique praetermittis. curabo tamen ostendere, si potuero, te hoc potius fecisse talia dicendo quam me talibus respondendo. ac primum uide quemadmodum tibi tu ipse aduerseris. certe istum locum sic exorsus es: »Quid autem uobis est cum regibus saeculi, quos numquam christianitas nisi inuidos sensit?« his uerbis prohibes utique nos ad reges saeculi accedere. et paulo post dicis: »ipsosque idem reges, ne quasi ignari uel nescii persequi cuperent christianos, his preceptis admonuit, ne perirent. Quae illos praecepta, quia nesciunt, utinam doceremus, aut certe uos illis sine dubio ostenderetis, si velletis ut uiuerent!« […] [127] […] »Quid, inquis, uobis est cum regibus saeculi, quos numquam christianitas nisi inuidos sensit?« hoc cum dixisses, enumerare conatus es, quos reges iusti senserint inimicos, nec considerasti quod plures enumerari possint quos habuerint amicos. Pater Abraham a rege diunitus admonitio, ne attaminaret eius uxorem, et amicissime habitus est et munus accepit. […] Dauid [128] ad alienigenam regis Israhel compulsus iniquitate confugit. Helias ante currum pessimi regis non illius imperio, sed suo cucurrit obsequio. Helisaeus hospitae mulieri, si quid sibi forte a rege per eius intercessionem praestari uellet, etiam ultro offerendum putauit. Sed ad ipsa iam tempora ueniam, quando captiuus dei populus habebatur, ubi, ut mitius loquar, mira tibi inrepsit obliuio. uolens enim probare, quod reges numquam christianitas nisi inuidos senserit, commemorasti tres pueros et Danihelem, quae passi sunt a persequentibus regibus, nec rebus, non uicinis sed plane ipsis, admoneri potuisti, qualis ipse rex post innocentium flammarum miraculum siue in deo laudando atque praedicando siue in ipsis pueris honorandis extiterit, qualem rex habuerit Danihelem et non recusantem quibus muneribus exornauerit, cum ille honorem debitum reddens regiae potestati, quod satis in uerbis eius apparet, donum dei quo praeditus erat indicando interpretando eius somnium non subtraxit. […] [129] Nempe in abruptum falsitatis huius nullus nostrum te impulit. Cur ergo clausis oculis sic isti praeceps, ut, cum dixisses: quid autem uobis est cum regibus saeculi, non adiungeres: Quos saepe christianitas inuidos sensit, sed non dubitares dicere: quos numquam christianitas nisi inuidos sensit? Ita ne uero nec ipse cogitasti nec eos qui scripta tua legerent cogitaturos putasti tot regum exempla tibi reclamantia: nescit quid loquatur? An, quia illi quos commemoraui ueterum temporum fuerunt, ideo tibi eos nihil aduersari arbitraris, quia non dixisti: ›quos numquam iustitia nisi inuidos sensit‹, sed dixisti: »quos numquam christianitas nisi inuidos sensit«, ex illo fortasse tempore uolens eos intellegi iustis inuidere, ex quo christiani appellari coeperunt? quid ergo sibi uolunt exempla ueterum temporum, quibus hoc quod imprudenter dixisti imprudentius docere uoluisti? numquid enim Machabaei uel tres pueri uel Danihel non, antequam Christus in terra nasceretur, uel egerunt illa uel pertulerunt? deinde, quem paulo ante commemoraui, cur Iuliano uero christianitatis inuido supplicastis? cur ab eo basilicas petistis? cur apud eum solam iustitiam locum habere dixistis? Si christianitatis inuidus haec audit, quid sunt a quibus haec audit? At uero constantinus, nequaquam christiani nominis inuidus, sed plane christiano nomine gloriosus, memor spei quam gerebat in christo, pro eius unitate iustissime iudicans acceptari a uobis nec ad se appellantibus meruit. ambo iam christianis temporibus, sed non fuerunt ambo

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

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christiani. quodsi ambo christianitatis inuidi, cur ad unum eorum sic appellastis, alteri eorum sic supplicastis? petentibus enim maioribus uestris episcopale iudicium dederat constantinus et apud Romam et apud Arelatum, quorum primum apud eum accusastis, ab altero ad eum appellastis. […] extant allegationes uestrae; non haec incerta fama, sed publica monumenta testantur. An forte, quia contra unitatem christi petitioni uestrae aliquid concessit apostata, uerum putas esse quod dictum est apud eum solam locum habere iustitiam, quia uero imperatores christiani, quod ualere arbitrantur ad christi unitatem, contra uestram statuunt uoluntatem, christianitatis inuidi appellantur? Sic desipiant omnes haeretici et resipiant ut non sint haeretici.

[401] Augustinus: Contra litteras Petiliani, lib. II., cap. 93 D: Drecoll, Chronologie, S. 250 – 260.

22.55

Augustinus, Contra litteras Petiliani, lib. II., cap. 93 (CSEL 52), S. 3 – 227, hier S. 214 f.; PL 43, 245 – 388, hier 332. Petilianus dixit: ubi lex dei, ubi christianitas uestra est, si caedes et mortes facitis ac iubetis? Augustinus respondit: ad hoc uide quid dicant coheredes christi per totum orbem terrarum. Caedes et mortes nec facimus nec iubemus: et ista facientibus multo sceleratius saeuitis, qui haec in hominum mentibus contra uitam aeternam committitis.

[404 Dezember 7 – 12] Augustinus: Contra Felicem, lib. I., cap. 19

D: Drecoll, Chronologie S. 250 – 260.

23.56

Augustinus, Contra Felicem, lib. I., cap. 19 (CSEL 35,2), S. 801 – 852, hier S. 825; PL 42, 517 – 552, hier 533. […] Felix dixit: Et ego respondeo: si nihil contra deum est, secundum quod dixit scriptura manichaei, quia est alterum regnum, pro qua causa christus missus est, ut nos liberaret de laqueo mortis huius? cuius est iste laqueus et mors? si aduersarius nullus contra deum est, ut quid baptizati sumus? ut quid eucharistia, ut quid christianitas, si contra deum nihil est?

[406 – 409] Pelagius: Kommentar zur Röm 4,9

24.57

D: Wohl aus der Zeit, als Pelagius (ca. 350/354 bis nach 418) in Rom weilte, wohin er gegen Ende des 4. Jahrhunderts aus Britannien kam.Er folgte 410 dem Flüchtlingszug nach Nordafrika, wo er sich aber nur kurze Zeit aufhielt und dann nach Palästina ging. Siehe Frank, Lehrbuch, S. 287. Pelagius, Expositions, Ad Romanos, 4,9 (1922/26/31), S. 37; PLS 1,3, 1113 – 1181, hier 1131. [IV,9] Beatitudo ergo haec in circumcisione [tantum dicta est] an [etiam et] in praeputio? Uult istam beatitudinem tribus temporibus assignare, naturae circumcisionis, et christianitatis. Dicimus enim: quia reputata est Abrahae fides ad justitiam. Omnes enim confitemur, et consentimus: ut quod ratio de Abraham invenerit, hoc de caeteris observemus.

428 [409] April 1 CTh 16.8.19

Code Th¦odosien 16.8.19 (SC 497), Bd. 1, S. 396 – 398; nicht in der PL.

Quellensynopsis

4.58

Certum est enim, quidquid a fide christianorum discrepat, legi christianae esse contrarium. Quam quidam adhuc, uitae suae etiam et iuris inmemores, adtrectare ita audent, ut de christianis quosdam foedum cogant taetrumque iudaeorum nomen induere. Et quamuis qui haec admiserint, priscorum principum legibus iure damnati sint, non tamen paenitet saepius admonere, ne mysteriis christianis inbuti peruersitatem iudaicam et alienam Romano imperio post christianitatem cogantur arripere. Ac si quisquam id crediderit esse temptandum, auctores facti cum consciis ad poenam praeteritis legibus cautam praecipimus constringi, quippe cum grauius morte sit et inmitius caede, si quis ex christiana fide incredulitate iudaica polluatur.

411 Gesta collationis Carthaginiensis, cogn. 1, cap. 14

25.59

Gesta collationis Carthaginiensis, cognitio 1, cap. 14 (CCSL 149A), S. 3 – 257, hier S. 62; PL 11, 1257D – 1420B, hier 1266B ; zugleich PL 43, 773 – 841, hier 821; vgl. auch PL 32, 65 – 578, hier 409. Marcellinus, uir clarissimus, tribunus et notarius, dixit: »haec suo loco et ordine rectius peragentur. Interim quod statui percurrat officium«. Romulus exceptor recitauit: »exemplum notoriae donatistarum: post consulatum varanis uiri clarissimi, viii kalendas iunias, flauio marcellino, uiro clarissimo et spectabili, tribuno et notario, ianuarianus, primianus, et ceteri sincerae christianitatis episcopi et catholicae ueritatis. Notum facimus sinceritati tuae nos edicto tuo conuentos ex diuersis partibus africae conuolantes, ingressos fuisse carthaginem xv kalendarum die iuniarum, cuius nostri aduentus et omnes quos carthago continet testes sunt, et tua sinceritas non ignorat. […]«

411 Gesta collationis Carthaginiensis, cogn. 3, cap. 258

25.60

Gesta collationis Carthaginiensis, cognitio 3, cap. 258 (CCSL 149A), S. 3 – 257, hier S. 250 f.; PL 11, 1257D – 1420B, hier 1413C zugleich PL 43, 773 – 841, hier 838. […] Quis enim nesciat istos traditores persecutores que nostros ab ipso exordio condemnatae traditionis conmenticiis precibus cunctis in nostram necem huius saeculi principibus supplicasse, atque ad suam communionem contra dei praecepta minis et proscriptionibus coartasse? nam, ut omittamus quantus sanguis christianus effusus sit per leontium, vrsacium, macarium, paulum, taurinum, romanum ceteros que exsecutores quos in sanctorum necem a principibus saeculi meruerunt, quando plurimi uenerabiles sacerdotes occisi, alii in exilium relegati, christianitas late uexata, sacrata stuprata uirginitas, proscripti diuites, spoliati pauperes, ablatae basilicae atque acti in fugam profugi sacerdotes, nostro nunc tempore quanta commiserint nullus ignorat.

[419] Regestri ecclesiae Carthaginensis excerpta

26.61

D+K: Kanon 63 des Konzils von Karthago am 16. Juni 401 in Augustinus’Anwesenheit. Laut Maassen, Geschichte der Quellen, S. 150, § 133,2, findet sich der Auszug in der Sammlung zum karthagischen Konzil von 419, da auf den afrikanischen Konzilien ältere Kanones wiederholt wurden, was es später erschwerte, die Inhalte der jeweiligen Konzilien

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

429

voneinander zu scheiden. Später hat Dionysius das Konzil von 419 in seine Sammlung übernommen. Regestri Ecclesiae Carthaginensis Excerpta, in: Concilia Africae (CCSL 149), S. 173 – 228, hier S. 197 f.; PL 67, 181D – 230B, hier 202C. De histrionibus christianis factis. 63. Et de his etiam petendum, ut si quis ex qualibet ludicra arte ad christianitatis gratiam uenire uoluerit, ac liber ab illa macula permanere, non eum liceat a quoquam iterum ad eadem exercenda reduci uel cogi.

[419] Regestri ecclesiae Carthaginensis excerpta

26.62

Regestri Ecclesiae Carthaginensis Excerpta, in: Concilia Africae (CCSL 149), S. 173 – 228, hier S. 220; PL 67, 181D – 230B, hier 217A. Concilium contra Donatistas Post consulatum gloriosissimorum imperatorum Honorii viii et Theodosio iii augg., xviii kal. iulias, carthagine, in basilica regionis secundae. In hoc concilio legationem susceperunt contra donatistas florentius, possidius, praesidius, et benenatus episcopi, eo tempore quo lex data est, ut libera uoluntate quis cultum christianitatis exciperet.

411/12 Brief des Volusianus an Augustinus

D: nach van Oort, I. Werke 9. De ciuitate dei, S. 348 f.

27.63

Augustinus, Epistolae, Classis tertia, ep. 135 (CCSL 31), S. 249 – 252, hier S. 250 f.; PL 33, 512 – 514, hier 513. Dum in his confabulatio nostra remoratur, unus e multis : ›Et quis‹, inquit, ›est sapientia ad perfectum christianitatis imbutus, qui ambigua, in quibus haereo, possit aperire dubiosque assensus meos vera vel verisimili credulitate firmare ?‹ Stupemus tacentes. Tunc in haec sponte prorumpit : ›Miror, utrum mundi Dominus et rector intemeratae feminae corpus impleverit, pertulerit decem mensium longa illa fastidia mater et tamen virgo enixa sit solemnitate pariendi, et post haec virginitas putatur intacta.‹

[415 vor ?] Nicetas von Remesiana: De psalmodiae bono, cap. 3

28.64

D u. K: Dieser Text wurde in der PL noch Nicetius von Trier zugewiesen. Mittlerweile gilt Nicetas von Remesiana als Verfasser, vgl. Franz, (Art.) Nicetas, Sp. 827 – 829. Sancti Niceti opuscula, opuluscum II De psalmodiae bono, in: PL 68, 371A – 376A, hier 374A – 374C; zweite Fassung: Turner, Documents, Nicetas of Remesiana II., S. 225 – 252, hier S. 239, wiederabgedruckt in PLS 3, 191 – 198, hier 196. Tantum, charissimi, intermittentes fabulas superfluas, intento sensu et vigilanti mente psallamus, ut Deo non displiceamus. Sic enim nos hortatur psalmus dicens: Quoniam rex omnis terrae Deus, psallite sapienter, id est intelligenter, ut non solum spiritu, hoc est sono vocis, sed et mente psallamus, et ipsum quod psallimus cogitemus ne captivata mens fabulis et extraneis cogitationibus, laborem habeat infructuosum. Sonus etiam vel melodia consentiens sanctae religioni psallatur, non quae tragicas difficultates exclamet, sed quae in vobis veram Christianitatem demonstret; non quae aliquid

430

Quellensynopsis

theatrale redoleat, sed compunctionem peccatorum faciat. Sed et vox omnium vestrum non dissona debet esse, sed consona. [Edition nach Turner : 239] […] sonus etiam uel melodia condecens sanctae relegioni canatur; non quae tragicas difficultates exclamet, sed quae christianam simplicitatem in ipsa etiam modulatione demonstret; […]

[415 vor] Maximus von Turin: Sermo 2

29.65

Maximi Episcopi Taurensis sermones, sermo 2 (CCSL 23), S. 6 – 8, hier S. 7; PL 57, 671A – 672A; vgl. Sermones Sancto Ambrosio hacentus ascripti, sermones de sanctis, sermo LIII. In natali sanctorum apostolorum Petri et Pauli, in: PL 17, 712C – 714A, hier 713D – 714A. Nam utique diuersa animalia collecta in uno uasculo diuersarum gentium congregatio collecta in una ecclesia demonstratur. Quae ecclesia in illius uasculi splendidi modum non habens maculam neque rugam lintei nitore resplendet. In qua primum animal deo ex gentibus centurio cornelius immolatur. [3.] De hoc ergo uasculo suo hodie nos reficit petrus. Cum enim uidemus gentilium turbas ad fidem christianitatis adcurrere, simul cum apostolis gratulamur. Non enim mortui sunt quorum curamus natalem hodie sed renati. Viuunt plane, quia participes effecti sunt christi, qui uita est. Quamuis enim corpora passione caesa sint, interruptus tamen non est ordo uiuendi.

[415 vor] Maximus von Turin: Sermo 17

30.66

Maximi Episcopi Taurensis sermones, sermo 17 (CCSL 23), S. 63 – 65, hier S. 64 f.; PL 57, 221 – 540A, hier 474B – 474C.

[2.] […] est illud tempus quod describit beatus apostolus dicens: in nouissimis diebus abundat iniquitas multorum et refrigescit caritas. Modo enim abundat auaritiae iniquitas, quae ante largitatis bonitate cessabat; et refrigescit fraternitatis caritas, quae prius christi amore feruebat. Tanta enim sub apostolis fraternitatis dilectio fuit, ut tunc in conuentu suo non aduenerit indigentia; tanta autem modo christianitatis dissimulatio est, ut in coetu nostro uix inuenias locupletem. Locupletem autem uix inueniri dico non tam facultatibus sed operibus; ait enim apostolus: diuites sint in operibus bonis. Locupletem enim illum in ecclesia intellegi uoluit, qui diues in christo est. Nam et ibi quod ait sub apostolis neminem indigentem fuisse, ostendit utique tanta eos gratia fidei fuisse praeditos, ut omnes caelestium diuitiarum abundauerint largitate.

[415 vor] Maximus von Turin: Sermo 27

31.67

Maximi Episcopi Taurensis sermones, sermo 27 (CCSL 23), S. 105 f., hier S. 105; PL 57, 221 – 540A, hier 495C – 496B.

[1.] […] Vide ergo si non negotiatio est elemosina! amico quod largitus fueris tibi perit, filiis quod reliqueris tibi perit, solum non tibi perit mendico quod dederis. In die enim iudicii pauperes tibi prosunt, amici filii que nihil prosunt; illi causam tuam agent, isti nec suam poterunt defensare. [2.] Mercimonium enim quoddam est christianitatis officium, et negotiatio praetiosa functio sacerdotum. Pecunias enim domini, hoc est eloquia saluatoris, populis eroganda suscipimus; de quibus eloquiis ad illum tenacem et inperitum sacerdotii negotiatorem dominus in euangelio dicit: Serue nequam, oportuit te paecuniam meam dare ad mensam nummulariis, et ego ueniens cum usuris exegissem eam.

431

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

[415 vor] Maximus von Turin: Sermo 48

32.68

Maximi Episcopi Taurensis sermones, sermo 48 (CCSL 23), S. 187 – 190, hier S. 187; PL 57, 221 – 540A, hier 447A – 447B.

[1.] […] Quisque ergo cupit diuinitatis tenere fastigia, humilitatis ima sectetur ; quicumque uult fratrem praeuenire regnando, prius illum praeueniat obsequendo, sicut ait apostolus: honore inuicem praeuenientes; uincat eum officiis, ut possit uincere sanctitate. Si enim te non laesit frater, obsequium meretur ut diligas; quod si forsitan laesit, magis obsequium meretur ut uincas. Haec enim nostrae christianitatis summa est, ut amantibus uicissitudinem laedentibus patientiam rependamus.

[415 vor] Maximus von Turin: Sermo 54

33.69

Maximi Episcopi Taurensis sermones, sermo 54 (CCSL 23), S. 218 f., hier S. 218; PL 57, 221 – 540A, hier 364C – 365A.

[1.] […] Infantiam autem dixerim non aetatis sed simplicitatis; habent enim et merita aetates suas. In occiduis enim prius constituti eramus senio peccatorum, resurgente christo renouati sumus innocentia paruulorum. Habet et christiana simplicitas infantiam suam; sicut enim infans nescit irasci fraudare non nouit referire non audet, ita et christianitatis infantia laedentibus non irascitur spoliantibus non resistit caedentibus non repugnat. Denique, sicut iussit dominus, etiam orat pro inimicis, auferenti tunicam dereliquit et pallium, uerberanti maxillam praebet et alteram; nisi quod in hoc melior est christi infantia quam naturae: illa enim peccare nescit ista contemnit; illa per infirmitatem innoxia est, ista est innocens per uirtutem. Atque ideo laudi magis adscribendum non tam male facere non posse quam nolle.

[415 vor] Maximus von Turin: Sermo 91

34.70

Maximi Episcopi Taurensis sermones, sermo 91 (CCSL 23), S. 369; nicht in der PL.

[2.] […] Qui autem cum scientia dominus huiusmodi munera a suis accipiet rusticanis, quae scit ad se dextera polluta deferri, qualiter fructus possessionis capiet, quorum primitias suspicatur prius daemonibus libatas esse quam domino? nostri ergo et nostrorum pariter curam geramus! et quia instat sancta quadragensima, gentiles ad christianitatem catecuminos ad baptismum aduocemus!

[415 vor] Maximus von Turin: Sermo 106

35.71

Maximi Episcopi Taurensis sermones, sermo 6 (CCSL 23), S. 417 f., hier S. 417; PL 57, 529 – 759C, hier 696D – 697A.

Ergo, fratres, quia habemus exemplum, imitemur sanctos uiros si non passionis martyrio uel certe christianitatis officio! et quia audimus lustrum a nonnullis sacrilegis mitti solere, exemplo sanctorum obiurgemus inpios castigemus errantes! portio enim martyrii est fecisse quod martyres. Ceterum si uidentes haec tacemus silemus et patimur, reos nos statuimus si non operatione sceleris at tamen dissimulationis adsensu. Nam sicut obuiare sacrilegiis contradicentem iustificat, ita dissimulare quae uideris maculat reticentem.

[415 vor] Maximus von Turin: Sermo 107

36.72

Maximi Episcopi Taurensis sermones, sermo 107 (CCSL 23), S. 420 f., hier S. 421; PL 57, 529 – 759C, hier 734B – 734C.

432

Quellensynopsis

[2.] […] Aut quam misericors in alienos deus ille, qui in suos est pontifices tam cruentus? nam ut paulisper describamus habitum uatis huiusce: est ei adulterinis criniculis hirsutum caput nuda habens pectora pallio crura semicincta, et more gladiatorum paratus ad pugnam ferrum gestat in manibus, nisi quod gladiatore peior est, quia ille aduersus alterum dimicare cogitur, iste contra se pugnare conpellitur ; ille aliena petit uiscera, iste propria membra dilaniat; et si dici potest, ad crudelitatem illum lanista istum numen hortatur. Hoc igitur indutus habitu hac cruentus caede iudicate utrum gladiator sit an sacerdos! ergo sicut gladiatorum publicum facinus religiosa principum deuotione sublatum est, ita et amentiae gladiatores isti christianitatis obseruatione de propriis domiciliis auferantur.

[415 vor] Maximus von Turin: Sermo 111

37.73

Maximi Episcopi Taurensis sermones, sermo 111 (CCSL 23), S. 430 – 432, hier S. 430; PL 57, 529 – 759C, hier 566C – 566D.

Innouatur enim nostra fragilitas, cum inmortalitatis gratiam, quam adam delinquendo perdiderat, christus indulgendo restituat; et quod ille contra uetitum comedendo peccauerat, hic secundum praeceptum ieiunando iustificet. Nam haec est omnis causa christianitatis et fidei, ut saluetur quod perierat reuocetur quod errauerat quod iam occiderat renascatur. Renascatur, inquam, denuo non nascatur. Nam primae utique generationis offensio secundae facta est natiuitatis occasio; et ex illius praeuaricationis delinquentia iustificationis huius extitit gratia. Non enim opus fuerat in homine renasci denuo, si quod fuerat non perisset.

[423 vor] Maximus von Turin: Ep. 6, ad amicum aegrotum, de viro perfecto, cap. 8

38.74

Dieser Brief wurde in der PL mehrmals aufgenommen und verschiedenen Personen zugeordnet. Es gibt keine vollständig abgesicherte Zuweisung des Briefes zu einer Person, was die Datierung erheblich erschwert. Hier wird der Annahme der PL gefolgt, dass es sich um einen Brief des Maximus gehandelt haben kann. Maximus Taurinensis, ep. VI ad amicum aegrotum. De viro perfecto, in: PL 30, 74C – 104D, hier 89B – 89C; auch in: PL 57, 921 – 958B, hier 945B – 945C. Video hominem, et in homine Deum: quoniam Deus omnia in omnibus est. Totum quidquid nunc impossibile homini cernitur, id tum fieri per munificentiam perpetui regis velare et revelare, liquescere ac resolidare, eumque fieri quem et intrare ad discipulos concreta et corporea parietum valvarumque non senserunt: et discipuli tamen stare omnes ante se intus conspexerunt: et omnia quae sine hoc corpore Dei spiritus fovebat, corpus cum Dei spiritu esse facturum. Satiari delectatione harum cogitationum Christianitas non potest. Haec illi requies, hoc oblectamentum est, haec voluptas, hae deliciae ire mente in sedem Dei, ibique sibi locum et partem sedis, non sua praesumptione, sed divinitatis pollicitatione usurpare.

[413/414] Anonymus Romanus: De Divitiis, cap. 6,3 Kessler, Reichtumskritik, S. 258; nicht in der PL.

39.75 – 76

6,3 Quae haec, oro te, causa est, ut inter eos, qui eodem Christianitatis vocabulo nuncupantur et eiusdem religionis sacramento censentur, sit tam magna discretio, ut

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

433

alii tanta impietatis crudelitate / versentur, ut opprimere, spoliare, torquere, interficere postremo non metuant, alii vero tante / pietatis terreantur affectu, ut his immisericordes esse vereantur, quos alii sine timore prostaverint? Quod hoc sit, ut inter eiusdem religionis homines tantam varietatem faciat, diligenti examinatione ponderandum est. Numquid / non omnibus, qui Christiani dicuntur, eadem Christianitatis lex data est? Aut forte duplici et diversorum praeceptorum genere continentur, uno, quo alios ad misericordiae pietatisque officia sit necesse constringi, / altero, quo alios ad impietatis crudelitatisque facta dimittat?

[415 um?] Anonymus Romanus: Epistola Caspari, Briefe, S. 14 f.; nicht in der PL.

40.77

2. Ergo quoniam, quod aliquamdiu audieram, per me ipse cognoui, illius te esse christianitatis atque prudentiae, ut ueritatis rationem non aspernanter accipias, nolo, te errare cum caeteris, qui ex hoc arbitrantur, se inpune peccare, quod ignorantiam habeant diuinae uoluntatis, infelices reuera et miseri et totius ueritatis ignari, qui hoc etiam nesciunt, excusare neminem posse (inscientiam) quam scientia parit. Nesciunt, quod (ne) sciunt, quia, quod nesciunt, sciunt.

[416] Sept. 24 CTh 16.8.23

Code Th¦odosien 16.8.23 (SC 497), Bd. 1, S. 404 u. S. 406; nicht in der PL.

4.78

Idem AA. Annati Didascalo et maioribus Iudaeorum. Et ueteribus et nostris sanctionibus constitutum est, cum propter euitationem criminum et pro diuersis necessitatibus iudaicae religionis homines obligatos ecclesiae se consortio sociare uoluisse didicerimus, non id deuotione fidei, sed obreptione simulandum fieri. Unde prouinciarum iudices, in quibus talia commissa perhibentur, ita nostris famulatum statutis deferendum esse cognoscant, ut hos, quos neque constantia religiosae confessionis in hoc eodem cultu inhaerere perspexerint neque uenerabilis baptismatis fide et mysteriis inbutos esse, ad legem propriam, quia magis christianitati consulitur, liceat remeare.

[421] Brief des Kaisers Honorius an Kaiser Theodosius II.

41.79

Honorius, ep. X, in: S. Bonifacii I papae epistolae et decreta, in: PL 20, 769B – 770B, hier 770A – 770B. Petit enim ut haec privilegia, quae dudum a patribus constituta usque ad tempora nostra servata sunt, inconcussa perdurent. In qua parte respicit Serenitas tua, nihil vetustis decretis, si quae canonum conscripta sunt regulis, penitus derogandum; nec tot jam saeculorum reverentiam novellis praejudiciis sauciandam, domine. Unde Majestas tua, recensitis nostrae pietatis affatibus, Christianitatis memor, quam pectoribus nostris misericordia coelestis infundit, universis remotis quae diversorum episcoporum subreptionibus per Illyricum impetrari dicuntur ; antiquum ordinem praecipiat custodiri: ne sub principibus christianis Romana perdat Ecclesia quod aliis imperatoribus non amisit.

[423] April 9 CTh 16.8.26

Code Th¦odosien 16.8.26 (SC 497), Bd. 1, S. 410 u. S. 412; nicht in der PL.

4.80

Idem AA. Asclepiodoto P(aefecto) P(raetorio). Nota sunt adque omnibus diuulgata nostra maiorumque decreta, quibus abominandorum paganorum, iudaeorum

434

Quellensynopsis

etiam adque haereticorum spiritum audaciamque compressimus. Libenter tamen repetendae legis occasionem amplexi iudaeos scire uolumus, quod ad eorum miserabiles preces nihil aliud sanximus, quam ut hi, qui pleraque inconsulte sub praetextu uenerandae christianitatis admittunt, ab eorum laesione persecutioneque temperent utque nunc ac deinceps synagogas eorum nullus occupet, nullus incendat. Tamen ipsi iudaei et bonorum proscriptione et perpetuo exilio damnabuntur, si nostrae fidei hominem circumcidisse eos uel circumcidendum mandasse constiterit.

[424 – 449] Petrus Chrysologus: Sermo 20: De eo quod Christus dormiebat in navi

42.81

D: Diese Datierung ist eine Annäherung, die sich aus der Angabe ergibt, dass Petrus wohl schon um 424 Bischof von Ravenna war und zwischen 449 und 458 gestorben sein soll. Vgl. Bonner, (Art.) Petrus Chrysologus, S. 290 f. Petrus Chrysologus, sermo 20: de eo quod Christus dormiebat in navi (CCSL 24), S. 116 – 120, hier S. 117 f.; PL 52, 253D – 257D, hier 255 A. Suscitatus ergo a discipulis christus mare, hoc est mundum, corripit, tranquillat orbem, reges mitigat, potestates placat, sedat fluctus, componit populos, romanos efficit christianos, ipsos que executores uerbi christianae fidei reddidit, qui fuerant persecutores nominis christiani. Hanc tranquillitatem seruant principes christiani, ecclesia tenet, habet christianitas, gentilitas ammiratur.

[425] Febr. 1 CTh 15.5.5

Code Th¦odosien 15.5.5 (SC 531), Bd. 1, S. 380; nicht in der PL.

4.82

Idem a. et Val(entini)anus caes. Asclepiodoto p(raefecto praetorio). Dominico, qui septimanae totius primus est dies, et natali adque epifaniorum Christi, paschae etiam et quinquagesimae diebus, quamdiu caelestis lumen lauacri imitantia nouam sancti baptismatis lucem uestimenta testantur, quo tempore et commemoratio apostolicae passionis totius Christianitatis magistrae a cunctis iure celebratur, omni theatrorum adque circensium uoluptate per uniuersas urbes earundem populis denegata totae Christianorum ac fidelium mentes dei cultibus occupentur.

[426] April 7 CTh 16.7.7

Code Th¦odosien 16.7.7 (SC 497), Bd. 1, S. 366; nicht in der PL.

4.83 – 84

Impp. Theodosius et Valentinianus AA. Basso P(raefecto) P(raetorio). Post alia: apostatarum sacrilegium nomen singulorum uox continuae accusationis incesset et nullis finita temporibus huiuscemodi criminis arceatur indago. 1. Quibus quamuis praeterita interdicta sufficiant, tamen etiam illud iteramus, ne quam, postquam a fide deuiauerint, testandi aut donandi quippiam habeant facultatem, sed nec uenditionis specie facere legi fraudem sinantur totumque ab intestato christianitatem sectantibus propinquis potissimum deferatur. 2. In tantum autem contra huiusmodi sacrilegia perpetuari uolumus actionem, ut uniuersis ab intestato uenientibus etiam post mortem peccantis absolutam uocem insimulationis congruae non negemus. nec illud patiemur obstare, si nihil in contestatione profano dicatur uiuente perductum. 3. Sed ne huius Interpretatio criminis latius incerto uagetur errore, eos praesentibus insectamur oraculis, qui nomen christianitatis induti sacrificia uel fecerint uel facienda mand-

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

435

averint, quorum etiam post mortem comprobata perfidia hac ratione plectenda est, ut donationibus testamentisque rescissis ii, quibus hoc defert legitima successio, huiusmodi personarum hereditate potiantur.

[430 vor ?] Nestorius: Sermo II

43.85

D: Die Datierung gestaltet sich schwierig, da Nestorius 431 auf dem Konzil von Ephesos als Häretiker verurteilt worden war, sodass zwischen der griechischen Predigtsammlung von 429 und der Übersetzung kaum viel Zeit vergangen sein kann.

Nestorius, sermo II: De dogmate seu Heocm~sia, id est, de conjunctione inconfusa duarum naturarum in Christo, et communione nominum, velut in Apollinaristas, in: PL 48, 763B – 766C, hier 766A – 766B; PL 48, 886B – 896D, hier 888A. Ita etiam Christum secundum carnem, propter conjunctionem, quam habet cum Deo Verbo, Deum nominamus, scientes esse hominem, qui apparet. Audi utrumque Paulum praedicantem: Ex Judaeis, inquit, Christum secundum carnem, qui est supra omnes deos. Prius hominem confitetur, deinde, conjunctione ad Deum, dicit Deum eum qui apparet, ne quis Christianitatem hominis putet esse cultricem.

[430 um] Johannes Cassianus: De incarnatione Christi, lib. IV., cap. 11

44.86

Johannes Cassianus, De incarnatione Domini contra Nestorium, lib. IV., cap. 11 (CSEL 17), S. 235 – 391; PL 50, 9A – 272A, hier 89D.

XI. Labor, inquit, Aegypti, et negotiatio Aethiopiae, et Sabaim uiri sublimes ad te transibunt. in his diuersarum nationum uocabulis aduentum crediturarum gentium significari nemini dubium est. transisse autem ad Christum gentes negare non uales, utpote quae nomine Christianitatis indepto non fide tantum ad dominum Iesum Christum, sed etiam ipso nomine transierunt, quia, cum idem quod sunt uocentur, factum est, quod erat fidei opus, nominis sacramentum. ad te, inquit, transibunt et tui erunt et post te ambulabunt uincti manicis. sicut sunt uincula coherctionis, ita sunt uincula caritatis secundum illud quod ait dominus: attraxi eos in uinculis caritatis.

[430 um ?] Arnobius Junior : Liber ad Gregoriam, cap. 23

D: nach Daur, (Art.) Arnobius, S. 64.

45.87

Arnobius Junior, Liber ad Gregoriam in Palatio constitutam, cap. 23 (CCSL 25 A), S. 191 – 244, hier S. 239; nicht in der PL. XXIII. QVOD CVNCTIS CHRISTIANITATEM PROFITENTIBVS CVSTODIA DIVINORVM PRAECEPTORVM INCVMBAT, NEQVE VLLVM EA INPVNE POSSE CONTEMNERE.

[430 – 450] Acta S. Sebastiani martyris, cap. 16, 57 D: nach Lan¦ry, Arnobe le Jeune, S. 293.

46.88

K: Lan¦ry weist die Passio Arnobius den Jüngeren zu, während Gordini, (Art.) Sebastiano, S. 777, noch sagt, dass es wohl ein Römer in der Mitte des 5. Jahrhunderts gewesen sein muss. Acta S. Sebastiani martyris, in: PL 17, 1021C – 1058A, hier 1046B – 1046C.

436

Quellensynopsis

57. Audiens haec Chromatius dixit: Verus ille Deus est, qui vos tales probatur habere cultores. Nam omnis sermo vester ita rationibus affluit; ut et pecudum ad rationem veram mentes inclinet. Unde etiam hoc ipsum quod ad ornatum domus visus sum excepisse, ne impediat saluti meae ejus incolumitas, dissipetur. Credo enim, et haec fides mea est, quod his omnibus quae Christianitatis lex abominatur et prohibet, si a me ex integro separavero, et praesentem merear salutem consequi et futuram.

[430 – 450] Acta S. Sebastiani martyris, cap. 17, 62

Acta S. Sebastiani martyris, in: PL 17, 1021C – 1058A, hier 1048B.

46.89

62. Tunc Tiburtius juvenis sapientissimus dixit: Pater, si tibi pro renuntiandis negotiis tempus flagitas, ego qui adhuc suscepturus eram negotia fori, soli susceptionis voluntati renuntio: et qui futurus eram advocatus ad agendas causas mortalium, suscipiam Christianitatem, ad agendas actiones angelicas, cum unus esse coepero ex eorum numero, qui aeternam vitam accipiunt, et efficiuntur causidici sanctitatis. Tunc amplexatus est eum B. Sebastianus: quem cum baptizasset S. Polycarpus, ipse pater susceptionis ejus est factus.

[430 – 450] Acta S. Sebastiani martyris, cap. 18, 66

Acta S. Sebastiani martyris, in: PL 17, 1021C – 1058A, hier 1049A – 1049B.

46.90

66. Tunc S. Caii episcopi consilio habito, Chromatius illustris vir omnes Christianos in domo sua suscepit, et universos ita fovebat, ut nullus omnino sacrificandi necessitati succumberet. Verum quia tanta vis persecutionis exstiterat, ut opinio ipsa Christianitatis ejus celari non posset, meruit ex sacro rescripto Chromatius ut medendi gratia in Campano littore moraretur, in quo erat lati cespitis dominus, tribuitque copiam omni Christiano ire volenti cum eodem ad persecutoris rabiem declinandam. Tunc orta est contentio inter S. Polycarpum, et B. Sebastianum; quis horum duorum in Urbe remaneret, et quis iret cum Chromatio, qui tantum populum susceperat Christianum.

[434 nach] Eucherius von Lyon: Passio Acaunensium Martyrum, cap. 2

47.91

D: Die Passio soll von Eucherius als Bischof (zwischen 434 und vor 450, dem Todesjahr) verfasst worden sein. Vgl. Kasper, (Art.) Eucherius (von Lyon), S. 234 f.

K: Die Passio findet sich zusammengefasst im Martyriologium des Ado von Vienne, vgl. 309.564 in der online gestellten Erweiterung der Quellensynopsis. Eucherius von Lyon, Passio Acaunensium Martyrum, cap. 2 (MGH SS rer. Merov. 3), S. 20 – 41, hier S. 33; PL 50, 827B – 832C, hier 827C. (2). Sub Maximiano, qui Romanae rei publicae cum Diocletiano collega imperium tenuit, per diversas fere provincias laniati aut interfecti martyrum populi. Idem namque Maximianus, sicut avaritia, libidine, crudelitate ceterisque vitiis obsessus furebat, ita etiam exsecrandis gentilium ritibus deditus et erga Deum caeli profanus, impietatem suam ad extinguendum christianitatis nomen armaverat. Si qui tunc Dei veri cultum profiteri audebant, sparsis usquequaque militum turmis, vel ad supplicia vel ad necem rapiebantur, ac velut vagatione barbaris gentilis data prorsus in religionem arma conmoverat.

Phase 1: Spätantike (360 – 490)

[439 – 451] Salvian: De gubernatione Dei, lib. IV, cap. 17

D: nach Lagarrigue (SC 220), S. 13 – 15.

437 48.92

Salvian, De gubernatione Dei, lib. IV, cap. 17 (MGH Auct. Ant. 1,1), S. 52; Œuvres (SC 220), Bd. 2, S. 296 f.; PL 53, 25A – 158B, hier 89D – 90A. XVII. Quae cum ita sint, magna videlicet nobis praerogativa de nomine Christianitatis blandiri possumus, qui ita agimus ac vivimus, ut hoc ipsum, quod Christianus populus esse dicimur, obprobrium Christi esse videatur. At e diverso in paganis quid horum simile quae dicimus? Numquid dici de Chunis potest: ecce quales sunt, qui Christiani esse dicuntur? numquid de Saxonibus aut Francis: ecce quae faciunt, qui se adserunt Christi esse cultores?

[439 – 451] Salvian: De gubernatione Dei, lib. IV, cap. 19

48.93

Salvian, De gubernatione Dei, lib. IV, cap. 19 (MGH Auct. Ant. 1,1), S. 54; Œuvres (SC 220), Bd. 2, S. 306 f.; PL 53, 25A – 158B, hier 92D. [XIX.] Quod quidem et beatus apostolus Paulus in eundem modum dicit: circumcisio quidem prodest, si legem custodias: si autem praevaricator legis sis, circumcisio tua praeputium facta est. Circumcisionem autem Christianitatem intellegendam ipse evidentissime docet dicens: nos enim sumus circumcisio, qui spiritu deo servimus et non in carne confidimus.

[439 – 451] Salvian: De gubernatione Dei, lib. VI, cap. 7

48.94

Salvian, De gubernatione Dei, lib. VI, cap. 7 (MGH Auct. Ant. 1,1), S. 73; Œuvres (SC 220), Bd. 2, S. 384 – 387; PL 53, 25A – 158B, hier 115B – 116A.

VII. Rursum ergo necesse est redeamus ad illud, quod saepe diximus: quid simile apud barbaros? ubi apud illos circenses, ubi theatra, ubi scelus diversarum impuritatum, hoc est spei nostrae ac salutis excidium? quibus illi etsi, utpote pagani, uterentur, minore tamen culpa sacrae offensionis errabant, quia, etsi esset impuritas visionis, praevaricatio tamen non erat sacramenti. Nos vero quid respondere pro nobis possumus? Tenemus symbolum et evertimus, confitemur munus salutis pariter et negamus. Ac per hoc ubi est christianitas nostra, qui ad hoc tantummodo sacramentum salutis accipimus, ut maiore postea praevaricationis scelere peccemus? Nos ecclesiis dei ludicra anteponimus, nos altaria spernimus et theatra honoramus, omnia denique amamus, omnia colimus: solus nobis in comparatione omnium deus vilis est.

[439 – 451] Salvian: De gubernatione Dei, lib. VIII, cap. 2

48.95

Salvian, De gubernatione Dei, lib. VIII, cap. 2 (MGH Auct. Ant. 1,1), S. 105; Œuvres (SC 220), Bd. 2, S. 518 f.; PL 53, 25A – 158B, hier 154C – 155A. Quis non daemoniacorum sacrificiorum nidore plenus divinae domus limen introiit et cum foetore ipsorum daemonum Christi altare conscendit, ut non tam immanis criminis fuisset ad templum domini non venire quam sic venire, quia Christianus, qui ad ecclesiam non venit, neglegentiae reus est, qui autem sic venit, sacrilegii. Minoris enim piaculi res est, si honor deo non deferatur, quam si inrogetur iniuria. Ac per hoc quicumque ista fecerunt, non dederunt honorem deo, sed derogarunt. Nam etiam ipsam quodammodo ecclesiae salutationem idolo praestiterunt, quia secundi loci officiositas honori illius proficit, cui principalia deferuntur. Ecce quae Afrorum et ma-

438

Quellensynopsis

xime nobilissimorum fides, quae religio, quae christianitas fuit! dicebantur Christiani ad contumeliam Christi.

[439 – 460] Valerian von Cemele: Homilia XII. De bono conservandae pacis

49.96

D: Die Datierung beruht auf dem Umstand, dass Valerian von 439 bis 460 Bischof von Cimiez war. Vgl. Kaspar, (Art.) Valerianus, S. 711 f. Valerian von Cemele, Homilia XII,6, in: PL 52, 728A – 731B, hier 730B.

Videamus qui sit iste proximus, quem tanto studio evangelista commendat. Non ita propheta gradum parentelae aut necessitudinem consanguinitatis exposuit, ut extraneos a gratia fraternae dilectionis excluderet. Proximus tuus est omnis homo, qui eadem tibi est Christianitatis lege conjunctus; proximus tibi est, qui ab Ecclesiae consortio non videtur alienus; proximus tibi, quicumque est proximus Christi. Qui ergo proximum diligit, Deum diligit. Ita qui Deum diligit, oportet ut Christi sui proximum veneretur. Propheta laudans conjunctionem fraternam dicit: Ecce quam bonum et quam jucundum habitare fratres in unum!

[457 – 461] Bischof Julian an Kaiser Leo I.

50.97

D: In dieser vom Kaiser Leo I. (457 – 474) erbetenen Stellungnahme zum Konzil von Chalkedon (451), an der Bischof Julian von Kos als einer der Stellvertreter des Papstes Leo I. (440 – 461) teilgenommen hatte, entwickelte Julian nach Alois Grillmeier eine »Theologie des Konzils«. Es ist der einzige von Julian erhaltene Text. Die Datierung ergibt sich daraus, dass sich der Brief an den oströmischen Kaiser richtet, sich aber zugleich laut PL in den Briefen des Papstes Leo befindet. Vgl. Horn, (Art.) Julian von Kos, Sp. 794 – 795. Julian von Koes, Appendix prima ad secundum partem operum S. Leonis Magni, Ep. VI, in: PL 54, 1243A – 1244B, hier 1243D – 1244A. Nam constituti ut orbem debeatis gubernare terrarum, indisciplinationis aegritudinem ad interitum perducentem mederi summo studio festinantes, non gladium evaginantes ad necem, sed interminationis verbo indisciplinatos regulariter perducentes ad obedientiae voluntatem. Sententiam itaque quam contra se Timotheus nefandus exegit, sancti canones apertius explanarunt, quos sua tyrannide saepius abnegavit, disciplinam ecclesiasticam confundendo, et injurias inferendo, inimicus nescio quo modo totius Christianitatis effectus. Captus enim in talibus vestram justitiam debet experiri solummodo: quoniam ad magnitudinem commissorum ejus, sicut [e] in precibus continetur, potestas ecclesiasticarum non sufficit sanctionum. Pando siquidem vestrae potentiae et quid de sancto Chalcedonensi concilio sentire dignoscor.

439

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

Phase 2: Spätantike (491 – 605) Von Papst Gelasius I. zu Papst Gregor I. [492 – 496] Gelasius I.: Brief an die Bischöfe in Lukanien, cap. 25

D: Als Datierung lässt sich nur der Pontifikat Gelasius I. von 492 bis 496 angeben.

51.98

Epistolae Romanorum pontificum, S. Gelasii papae epistola 14, cap. 25, S. 375 f.; PL 59, 13A – 139A, hier 55B – 55C; vgl. auch Capitula LVIII. Constituta sancti Gelasii papae, XX. De locorum consecratione sanctorum, in: PL 56, 353 – 746C, hier 702A – 702B. CAP. XXV. De locorum consecratione sanctorum, […] hoc sumus tamen indicio detestabiliore permoti, quod in quocunque nomine defunctorum, et (quantum dicitur) nec omnino fidelium, constructiones aedificatas sacris processionibus audacter instituere memorantur : quae quoniam tam acerba tam dura sunt, si revera Christianitatis affectus in illis regionibus certus et fixus est, et districtius ista quaerantur, et a quibus fuerint gesta, prodantur : […]

[500 um] Dionysius Exiguus: Dionysiana I

D: nach Mordek, (Art.) Dionysius Exiguus, Sp. 1091 f.

52.99 – 103

Strewe, Canonessammlung, S. 41 u. S. 43; PL 67, 157A – 160A, hier 157B – 157C u. 158D – 159A. INCIPIT CANONES GANGRENSIS. HAEC GRANGENSES REGULAE POST NICAENAM SYNODUM PROBANTUR EXPOSITIAE (…) III De servis qui jugum famulatus excutiunt Christianitatis obtentu. Si quis praetextu diuini cultus doceat seruum dominum contempnere proprium ut discedat ab eius obsequio nec ei cum beneuolentia et omni honore deseruiat, anathama sit. (…) XV De his qui filios suos Christianitatis obtentu despiciunt. Si quis filios suos relinquens, non eos enutrit, et quod ad se pertinet, ad pietatem divini cultus informat, sed per occasionem continentiae negligit, anathema sit. XVI De his qui parentes, Christianitatis occasione, contemnunt. Quicunque filii a parentibus, sub praetextu divini cultus, abscedunt, nec debitam reverentiam dependunt illis, qui divinum cultum sibi proculdubio praeferunt, anathema sit. XVII De mulieribus quae se praetextu Christianitatis se attondunt. Si qua mulier, propter divinum cultum, ut aestimat, crines attondet, quos ei Deus ad subjectionis memoriam tribuit, tanquam praeceptum dissolvens obedientiae, anathema sit. CAP. XXV. De locorum consecratione sanctorum, [wie 51.98].

[500 um] Dionysius Exiguus: Dionysiana, Kanones aus Karthago

53.104 – 105

D: nach Mordek, (Art.) Dionysius Exiguus, Sp. 1091 – 1092. K: Der Edition in der PL liegt die Dionysio-Hadriana zugrunde, siehe PL 67, 135A. Codex Canonum ecclesiasticorum Dionysii Exigui, in: PL 67, 135A – 230B, hier 202C – 202D u. 217A – 217B.

440

Quellensynopsis

[Can. 63] De histrionibus Christianis factis. Et de his etiam petendum: ut si quis ex qualibet ludicra arte ad christianitatis gratiam venire voluerit, ac liber ab illa macula permanere, non eum liceat a quoquam iterum ad eadem exercenda reduci vel cogi. (…) Concilium contra Donatistas. Post consulatum gloriosissimorum imperatorum Honorii VIII et Theodosii III Augg., XVIII cal. Julias Carthagine in basilica regionis secundae. In hoc concilio legationem susceperunt contra Donatistas, Florentius, Possidius, Praesidius, et Benenatus episcopi, eo tempore quo lex data est, ut libera voluntate quis cultum Christianitatis exciperet.

[511 nach] Eugippius: Aus den Werken Augustins, de vera religione

54.106

D: Die Datierung folgt hier Uytfanghe, (Art.) Eugippius, Sp. 85 f. K: Abschrift aus Nr. 9.24. D. Eugypii abbatis africani thesaurus. Ex S. Augustini operibus, tomus prior, in: PL 62, 561D–838, hier 598B–598D. Siehe 9.24

[511 nach] Eugippius: Aus den Werken Augustins, de Sermo Domini D: nach 53.106; K: Abschrift aus Nr. 11.27.

54.107

D. Eugypii abbatis africani thesaurus Ex S. Augustini operibus, tomus posterior, in: PL 62, 839 – 1088, hier 1035C – 1035D. Siehe 11.27.

[513 vor] Bischof Ennodius von Pavia, lib. VII, ep. 18 an Avienus D: nach Schröder, Bildung, S. 2.

55.108

Magni Felici Ennodi Opera, lib. VII, ep. 18 (MGH Auct. Ant. 7), S. 241; auch: CSEL 6, S. 186 f.; PL 63, 13 – 168B, hier 122C – 122D. Unum scio, quia nisi succurritis, generale futurum malum, cui ipse est disciplinae tutor expositus. Hoc non est alienum a Christianitate, cum defero, quia impium est rerum ordinem sub hac permixtione confundi.

[515 nach] Bischof Fulgentius von Ruspe: Epistula VII,1 – 2 an Venatia

56.109

D: Dieser Brief ist in der Zeit des zweiten Exils auf Sardinien verfasst worden, so Fraipont, CCSL 91, S. VI. Fulgentius Ruspensis, Epistolae XVIII, ep. VII (CCSL 91), S. 244 f.; Lettres ascetiques et morales (SC 487), S. 258 u. S. 260; PL 65, 303 – 498A, hier 352C – 353B. 2. Per epistulam siquidem clarissimi filii mei iunilli propositum simul et studium tuae christianitatis agnoui, qui mihi gratiam, quam tibi largitus est deus, in tantum significare curauit, ut in suis litteris tuae quoque salutationis mihi demonstraret indicium.

[515 um] Bischof Fulgentius von Ruspe: Dicta regis Trasamundi D: siehe 56.109.

57.110

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

441

Fulgentius Ruspensis, Dicta regis Trasamundi (CCSL 91), S. 84; PL 65, 205A – 224C, hier 216A – 216B. 3. Candor lucis aeternae sapientia dicitur, quam lucem aeternam patrem esse uniuersa christianitas profitetur. Quod si forte aliqui putant istam lucem aeternam, cuius sapientia candor est, patrem accipi non debere, necesse est ut, dum deum patrem lucem aeternam denegant, aliam lucem aeternam quaerant, cuius esse candorem sapientiam euidenter ostendant.

[518 vor] Bischof Avitus von Vienne, an Gundobadus, König der Burgunder 58.111 D: undatiert, daher wird als Orientierung hier das Todesdatum des Bischofs angegeben. Avitus Viennensis, Epistula ad Gundobadum de loco evangelii Matth. 19, 29 (MGH Auct. Ant. 6,2) S. 34 f.; PL 59, 381C – 386B, hier 383C – 384B. Est tamen et aliud sanctitatis genus, in quo, si tempus persecutionis absistat, martyrium quoddam plena confessio queat imitari. Si quis enim antiquam parentum consuetudinem sive sectam melius credendo commutet nec teneatur privilegio consuetudinis, cum veritas provocat ad dilectionem salutis, utiliter hic parentes, fratres, sororesque dimittit: velut Abraham dives, qui cunctis caelestibus donis fruens, filiis, famulis, auro argento, patrimonio matrimonio recte usus, patriae se tamen et cognationi suae voto mutandae religionis excussit, et imminente iam senio, signum circumcisionis, quo Christianitas figurabatur, accipiens provectos iam per aetatem conversione pueros fieri posse praemonuit; de quibus et propheticus sermo: […].

519 Sept. 2 Papst Hormisdas an Kaiser Justin, ep. 202

D: Es wird Epistolae Romanorum pontificum, ep. 93, ed. Thiel, S. 889, gefolgt.

59.112

Hormisda Iustino Augusto, ep. 202, in: Epistulae Imperatorum (CSEL 35,2), S. 661; PL 63, 367D – 526C, hier 646A – 646B. Quare clementiam uestram mixto etiam precibus fletu, deposcimus, ne gaudia nostra, quae de haereticorum quotidie conuersione praestatis, praefatorum abiectio intoleranda conturbet, quia non sola personarum nos causa sollicitat, quibus et boni facti simul sufficere gloria posset et meriti, sed quod uenerabilium constituta canonum contemnuntur, et quod non parvam eorum abiectio apostolicae sedis tangit iniuriam, nec christianitatis uestrae sinceritas qua et magnum patrocinium ueteribus constitutis impenditis, et sedis apostolicae principatum acta nouiter ueneratione sancitis, uno inexplicabilem relinquat posteris negotio quaestionem.

520 Okt 29 Papst Hormisdas an Bischof Dorotheos von Thessaloniki, ep. 209

60.113

Hormisda Dorotheo Episcopo Thessalonicensi, ep. 209, in: Epistulae Imperatorum (CSEL 35,2), S. 668 f.; PL 63, 367D – 526C, hier 500B – 500D.

Scribis enim aures nostras cuiusdam sceleris atrocitate turbatas: Utinam usque ad nos tantum detestabilis fama percurreret et non toto orbe Christianis mentibus tam dolendum quam execrabile facinus nuntiaret, ut qui te innocentem nesciunt, a christia-

442

Quellensynopsis

nitatis simul credant tramite deviasse! In qua enim mundi parte immanitatis huius inuidia non et catholicas contristat ecclesias et haereticorum praua uota laetificat?

[6. Jh. Beginn] Regula Magistri, cap. 90, 29

61.114

D: Die Datierung der ersten Regula Magistri wird noch immer diskutiert, weshalb hier ein vager Zeitraum angegeben wird. Eine Fassung hat wahrscheinlich der napolitanische Abt Eugippius um 530 verfasst, so de Vogü¦, (Art.) Regula Magistri, Sp. 605 f. La RÀgle du Ma„tre II (SC 106), S. 382 u. 384; PL 88, 943 – 1052D , hier 1040A – 1040B; auch in PL 103, 717D – 1380D, hier 1295C – 1296A für Benedikt von Aniane. 29 Postremo et sine persecutionis tempus in ipsa christianitatis pace in scola monasterii ideo probationibus uel amaricationibus uoluntatum sub abbatis imperio militamus, 30 ut post peregrinationem uitae saeculi huius, cum Dominus noster iudicio nos accersierit suo, digna ei nostra opera consignemus, […]

[535 – 536] Papst Agapet I. an Kaiser Justinian, ep. 82

D: nach dem kurzen Pontifikat Agapets I. (13. Mai 535 – 22. April 536).

62.115

Agapitus Episcopus Iustiniano Augusto ep. 82, in: Epistulae Imperatorum (CSEL 35,1), S. 229 f.; PL 66, 37 – 38B, hier 37A – 38A. Agapitus Episcopus Iustiniano Augusto. […] Cupis enim, venerabilis imperator, ut tuae pietatis epistolam de fidei uestrae expositione nuper ad beatae memoriae (prae) decessorem nostrum Ioannem Romanae sedis antistitem, per Hypatium atque Demetrium episcopos destinatam, et a praefato praesule roboratam nostra quoque auctoritate firmemus: laudamus, amplectimur ; non quia laicis auctoritatem praedicationis admittimus, sed quia studium fidei uestrae patrum nostrorum regulis congruens confirmamus atque roboramus, per quod iam et unitas prouenit ecclesiae et reliqua catholicae membra ecclesiae ad eius conpagem christianitatis constantia reditura confidimus.

[540 Sept. 17] Papst Vigilius an Kaiser Justinian, ep. 92, 11 – 16

D: Die Datierung des Briefes wurde aus CSEL 35,1, S. 348 übernommen.

63.116 – 119

Vigilius papa Iustiniano Aug. ep. 92, in: Epistulae Imperatorum (CSEL 35,1), S. 352 – 354; PL 69, 21D – 25B, hier 24A – 25B. Et licet pietatem uestram aliter de taciturnitate nostra suspicari uel intellegere uoluerit malignus interpres, nos tamen, quos beatus Petrus apostolus omni poscenti rationem reddere pia traditione constituit, libente animo christianitati uestrae satisfaciendum esse perspeximus suppliciter sperantes, ut nullius subripientis insidiis priuilegia sedis beati Petri apostoli Christianissimis temporibus uestris in aliquo permittatis imminui, quae si turbentur, quod non credimus, aut minuantur in aliquo, uiolatae fidei instar ostendunt. […] Tamen ut cuncta pietatem vestram informent et nihil pro callidi insidiatoris astutia ulterius relinquatur ambiguum, beatae recordationis prodecessoris [sic!] nostri papae Leonis, quae diversis ad Orientem sunt directa temporibus constituta, quanta de plurimis in praesenti necessaria credidimus, superadiecimus, rogantes per ipsum, cuius causam integre agere festinatis et cupitis christianitatis affectu, ut universa legere pietas vestra dignetur ne aliquid supersit, quod minimo rele-

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

443

gatur. Scio enim quia sicut deus vobis legendi dederit voluntatem, ita cuncta tractantes sapientia vobis singulariter a Deo concessa disponitis, ut neque de religione neque de aliquo praeiudicio quilibet fidelium sacerdotum possit in qualibet parte vexari. Rationem his igitur, prout christianitatis vestrae meritum postulabat, in quantum ualuimus, reddidisse sufficiat, quamvis nos nihil contra synodalia uel (prae)decessorum nostrorum praesulum sedis apostolicae constituta aut commisisse aliquid aut temptasse quisquam licet astutus et subtilis inveniet. Ea uero quae fidei catholicae uel animae uestrae expediunt, de qua, sicut novit pietas uestra, et pro sacerdotali officio et pro multiplicibus praestitis clementiae uestrae causam plus aliis habeo cogitandi, suggerere non omitto: […] Et quia per filium nostrum Domnicum praesentium portitorem quaedam uerbo suggerenda mandauimus, speramus, ut ea aspirante uobis domino et libenter audire dignemini et maxime, quae ecclesiasticae paci ac dehinc generalitatis quieti profutura sunt, consueta christianitate uel prouidentia disponatis.

[540 – 550] Liber pontificalis: Vita Johannis I. papae

64.120

Diese Passage wird von den Gesta Theodorici Regis (siehe hier Nr. 116.224) wortwörtlich aus dem Liber Pontificalis übernommen. Liber Pontificalis (MGH SS Gest. pont. Rom), S. 133 f.; nicht in der PL.

Hic vocitus est a rege Theodorico Ravenna, quem ipse rex rogans misit in legationem Constantinopolim ad Iustinum imperatorem orthodoxum, quia eodem tempore Iustinus imperator vir religiosus summo ardoris amore religionis Christianae voluit hereticos extricare. Nam summo fervore Christianitatis hoc consilio usus est, ut ecclesias Arrianorum catholicas consecraret. Pro hanc causam hereticus rex Theodoricus audiens hoc exarsit et voluit totam Italiam ad gladio extinguere.

[542 vor] Cesarius von Arles: Regula Monasticae

65.121 – 123

K: Dieses Schreiben gehört zu den Regula Monasticae, die Caesarius verfasst hat. Diese Textstelle kommt laut PL in zwei Schreiben, einmal an die Mönche PL 67, 1103B – 1104B und einmal an die Nonnen PL 67, 1121D – 1122B vor. Die Texte sind fast vollständig identisch. Morin hat hier aber die Abschrift der PL übernommen, wie er auf S. 129 angibt, die sich wiederum aus dem Codex ergibt, den Holstenius benutzt hat und bei dem es sich wohl um Vat. Inter Reginenses lat. n. 140 handelt. Morin hat drei Schreiben an die Nonnen ediert. Die PL führt denselben Abschnitt noch ein drittes Mal in einem Brief des Bischof an gewisse Germanen (PL 67, 1155B – 1155C), auf dessen Aufnahme Morin allerdings explizit wegen des schlechten Zustandes verzichtet hat.

S. Caesarii opera omnia II, Caesarius Episcopus (…) sanctae sorori Caseariae Abbatisse, ed. Morin, S. 134 – 136; PL 67, 1128C – 1135C, hier 1129B – 1129CB; Version l: S. Caesari Episcopi Regula Monachorum, ed. Morin, S. 154 f.; PL 67, 1099B – 1104B, hier 1103B – 1104B. Audite apostolum Petrum dicentem: SOBRII ESTOTE, ET VIGILATE QUIA ADVERSARIUS VESTER DIABOLUS TANQUAM LEO RUGIENS ALIQUID DEVORARE QUAERENS, CIRCUIT. Quandiu in hoc corpore vivimus, die noctuque Christo adiutore vel duce contra diabolum repugnemus. Sunt enim aliqui, quod peius est, negligentes et tepidi, qui de solo christianitatis vocabulo gloriantur, et putant quod illis

444

Quellensynopsis

sufficiat vestem mutasse, et religionis tantum habitum suscepisse, nescientes illud propheticum: […].

[542 vor] Cesarius von Arles: Apocalypse-Kommentar, Homilie 11

66.124

K: Nach Morin ist dieser Text fälschlicherweise Augustinus bzw. den Pseudo-Augustiniana zugewiesen worden. Diese Schrift wurde aber auch bereits Ambrosius, Beda oder Gennadius von Marseille zugesprochen. Migne hat aber die apokryphe Version in die PL aufgenommen, die sich aber nicht vom Originaltext unterscheidet. Cesarius (469/70 – 543) wurde 502 Bischof von Arles und gilt als herausragender Prediger. S. Caesarii opera omnia II, ed. Morin, S. 246; PL 35, 2436 – 2438, hier 2436. Haec est illa quae sub nomine christiano agnum praefert, ut draconis venena latenter infundat; haec est haeretica ecclesia: agni enim similitudinem non imitaretur, si aperte loqueretur : nunc Christianitatem fingit, quo securius incautos decipiat, propterea Dominus dicit, Cavete a pseudoprophetis, […].

[538 – 548 nach] Cassiodor : Expositio psalmorum

67.125

D: Nach Adriaen habe Cassiodor die Schrift in Ravenna nach seiner Bekehrung begonnen, zeitgleich mit der Schrift »De Anima« von 538. Außerdem erwähnt Cassiodor zwei Schriften von Facundus Hermianensis pro Defensione Trium Capitulorum aus dem Jahr 548. Da Papst Vigilius am 2. April 548 die Drei Kapitel verurteilte, ist anzunehmen, dass Cassiodor sein Werk kurz zuvor fertiggestellt und dem Papst überreicht hatte (CCSL 97, S. XII). Cassiodor, Expositio psalmorum. Psalmus 72 (CCSL 97), S. 670 f.; PL 70, 25B – 1056C, hier 524B – 524C. (28.) Istius ergo contemplationis filiam, catholicam esse constat ecclesiam, ubi reuera laudes domino reddit, qui pura mente crediderit. In portis, ipsum ingressum mauult christianitatis intellegi, quando ad ueram fidem percipiendam populus nouae regenerationis adducitur.

550 April 29 Papst Vigilius an Aurelius von Arles

68.126

Epistolae Arelatenses genuinae, Nr. 45 (MGH Epp. 3), S. 68; PL 69, 41A – 43A, hier 42B – 43A.

Illud quoque credidimus sperandum, ut, quia scriptum est: Frater fratrem adiuvans exaltabitur, et sicut de credentibus in Domino Actuum apostolorum scriptura testatur : ›Quia erat credentibus in Domino cor unum et anima una‹ – ut sit fraternitas vestra in ac quoque parte sollicita, et glorioso filio nostro, Childeberto regi, quem christianitatis studio venerationem integram sedi apostolicae, cui nos Deus praeesse voluit, cognovimus exibere, supplicare non desinas, quatinus in tanta rerum necessitate circa ecclesiam Dei sollicitudinem suam, sicut et confidimus, christiana devotione persolvat: […].

551/552 Florianus, Epistola ad Sanctum Nicetium

69.127

Florianus Reomaensis, Epistula ad Nicetium papam, ep. 5 (MGH Epp. 3), S. 116 f.; CCL 117, S.414 f.; MGH Auct. Ant. 7, S. LIX f.; PL 72, 917B – 918D, hier 917C – 918C.

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

445

Addo et tertium imparem quidem dignitate, sed meritis coaequalem, sanctae memoriae Theodatum abbatem meum et archimandritam, saeculi huius inimicum, cui crucifixus est mundus, templum vere dignissimum trinitatis, plenum reverentiae christianitatis, ex placida bonitate mitissimum, ieiuniis castigatum, orationibus refectum, puritate mundissimum, qui mihi sacras exposuit scripturas, et flores tenere˛ lanuginis ipse suscepit, qui pro filio et discipulo successoreque suo, licet indigno, non ambigo, quod laus exoret.

[550 – 560] Cassiodor : Kommentar zu Röm 4,9

70.128

K: Obschon einige Teile des Pelagianischen Kommentars der Paulusbriefe unter dem Namen des Bischofs Primasius von Hadrumetum (zw. 550 und 560) liefen, ist dieser Text laut der LLT eine Überarbeitung von Cassiodor. Primasii Commentaria in epistolas S. Pauli. Epistola ad Romanos, in: PL 68, 434C – 434D; LLT nutzt PL an dieser Stelle. Beatus vir cui non imputavit Dominus peccatum. Ne rememoratur. Beatitudo ergo haec in circumcisione, an etiam in praeputio? Volunt aliqui istam beatitudinem tribus temporibus assignare, Naturae, Circumcisioni et Christianitati, sed ut eos a gloria privilegii excludat, ipse dicit, non in circumcisione, sed in praeputio. Dicimus enim quia reputata est Abrahae fides ad justitiam.

[552 vor] Jordanes, Romana

71.129

K: Jordanes kompilierte ein Geschichtswerk zur römischen Geschichte, das unter den Namen Romana bekannt wurde. Er sagte selbst im Vorwort zur Gotengeschichte, der Gaetica, die er größtenteils aus der Gotengeschichte des Cassiodor kompliert hatte, dass er vor der Gaetica schon mit der Romana begonnen und nach deren Fertigstellung mit der Romana weitergemacht hatte. (Vgl. Proemium, in: MGH Auct. Ant. 5,1, S. XV). Da die letzten Eintragungen aus dem Sommer 552 stammen, wird angenommen, dass der Verfasser zu diesem Zeitpunkt verstarb. Iordanes, Romana (MGH Auct. Ant. 5,1), S. 39; nicht in der PL.

Iulianus apostata regnavit an. uno m. VIII, relictaque Christianitate ad idolorum cultura conversus est multosque blanda persecutione inliciens ad sacrificandum idolis conpulit. ipse si quidem vir egregius et rei publicae necessarius Parthis ingenti apparatu intulit bellum. ubi proficiscens Christianorum post victoriam sanguinem diis suis votavit nonnullaque Parthorum oppida in deditione accepit multaque vi populatus est, castraque aliquandiu apud Ctesifontem habuit.

[?] Cassiodor discipulus: Kommentar zu Kol 3,22 – 25

72.130

K: Laut LLT ist dieser Abschnitt des Pelagianischen Kommentars von einem Schüler des Cassiodors überarbeitet worden und nicht von Primasius, wie man noch in der PL lesen kann. Primasii Commentaria in epistolas S. Pauli. Epistola ad Colossenses, in: PL 68, 415 – 794B, hier 658D – 659B. Qui ubique semper videt, et odit omne figmentum. Nam humanus oculus falli potest, et ideo sic agite, at conditionis necessitatem, voluntatem faciatis religionis, ut per vestra

446

Quellensynopsis

opera bona Domino gratiae referantur, cum vos omnes viderint ex Christianitatis tempore profecisse. Domino Christo servite. Ipsi enim servit, qui propter ipsum homini servit.

[6. Jh. Mitte] Historia ecclesiastica tripartita, lib. I, cap. 2,5 – 6

73.131

D: Eine genaue zeitliche Einordnung ist leider nicht möglich. Die Nähe zum Drei-KapitelStreit und dem V. Ökumenischen Konzil (Konstantinopel, 553) legen diese Datierung nahe, siehe Bürsgens, (Art.) Cassiodor, S. 141 – 143. Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. I, cap. 2,5 – 6 (CSEL 71), S. 10 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 885A – 885B.

Et mihi videtur, quoniam haec referens quasi clamare videtur operibus deum esse Christum rerum quippe miraculis obstupescens. Cum autem hoc dixisset, etiam ipse medius transcucurrit in nullo tamen contradicens credentibus in eum potiusque consentiens. Haec igitur cogitanti mihi digne mirabile visum est Hebraeos etiam ante alios homines ad Christianitatem non potuisse converti. Nam licet Sibylla et alia responsa apud gentiles ea, quae in Christo erant ventura, praedixerint, non tamen ob hoc omnes Graeci de incredulitate culpandi sunt. Pauci namque, qui videbantur eruditiores, praecipui huiusmodi prophetias intellexerunt plerumque metricas existentes et disertioribus verbis prolatas ad populum.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. I, cap. 14,6 – 7 u. 53

73.132 – 133

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. I, cap. 14, 6 – 7 u. 53 (CSEL 71), S. 52 – 68, hier S. 53 u. S. 67 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 906C – 906D u. 913C – 913D.

Paganorum et Iudaeorum impiam confirmant de Christo sententiam et laudem propriam, ut assolet, aucupantes omnia quidem, quae contra nos possunt, derisiones afferre negotiantur seditiones que nobis cottidie ac persecutiones instituunt tam iurgia proponentes per aditiones mulierum inpudentium, quas seducunt, quam ipsi communi Christianitati derogantes, dum eorum iuvenculae omnes circueunt vicos. Insuper inerumpibilem Christi tunicam, quam milites dividere noluerunt, isti scindere nunc praesumunt. Et nos quidem vitam ipsorum et nefanda conamina, eo quod laterent. Tardius agnoscentes nunc generali decreto ab ecclesia adorante Christi divinitatem eos expulimus. […] [S. 67 f.] Hos ergo, qui contra Christum tanta praesumunt quique Christianitati tam publice derogarunt quam inter iudicia persecutiones nobis, quantum in ipsis est, excitare non cessant et ineffabile sacramentum Christi nativitatis enervare moliuntur, aversamini, dilectissimi et unanimes, atque concertatores nobiscum contra eorum vesanam estote praesumptionem, ad similitudinem comministrorum nostrorum, qui indignati sunt et adversus eos mihi scripserunt et in tomo, quem etiam vobis direxi per filium meum archidiaconum, subscripserunt, tam totius Aegypti et Thebaidis quam Lybiae et Pentapolis, Syriae, Lyciae, Pamphyliae, Asiae, Cappadociae sacerdotes aliarum que provinciarum, ad quorum instar etiam vos eum confido suscipere.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. I, cap. 17,5 – 6

73.134

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. I, cap. 17,5 – 6 (CSEL 71), S. 72 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 916C.

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

447

Non enim solummodo ecclesiae praesules ratiocinationibus inter se certare videbantur, sed etiam populus divisus erat; alii namque istis, alii vero consentiebant illis. Et ad tantum causa venit incendium, ut in publico et in ipsis theatris Christianitati derogaretur. Hi quidem in ipsa Alexandria positi tamquam iam victores de superioribus persecutionibus facti potius armabantur legationes que mittebant ad provinciales episcopos; hi vero in alteram divisi partem illorum simili seditioni communicabant.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. I, cap. 18,10 – 11

73.135

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. I, cap. 18,10 – 11 (CSEL 71), S. 75; PL 69, 879D – 1214C, hier 917D – 918A.

Cumque etiam in Aegypto multis conciliis celebratis heresis pullularet, ita ut usque ad regalia perveniret, non mediocriter Constantinus imperator affligebatur, eo quod religione nuper inchoante crescere multos a Christianitate dogmatum discordia revocaret. Et propterea culpabat et Arium et Alexandrum eis que scribens arguebat, quia, cum latere potuisset haec quaestio, eam deduxissent ad medium et vehementi studio contentionis movissent, quae nec quaerenda erant nec ab initio cogitanda aut cogitata potius taciturnitati iure tradenda, cum utique ab alterutris non seiungi potuissent, licet ex aliqua parte dogmatis dissonarent.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. II, cap. 3,5

73.136

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. II, cap. 3,5 (CSEL 71), S. 88; PL 69, 879D – 1214C, hier 923D. Obstupefactus vero philosophus: ›Credo‹, inquit. Tunc gratias pro devictione persolvens eadem quae senior aeque sectatus est et prioribus consectatoribus, ut unanimes sibimet essent, persuadebat non inprovide mutatum se iurans, sed ineffabili quadam virtute ad Christianitatem protinus invitatum.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. II, cap. 20,1

73.137

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. II, cap. 20,1 (CSEL 71), S. 118 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 938D – 939A.

Cum itaque populi et civitates ad cultum Christianitatis accederent et ceteri pro filiis et uxoribus metuentes, ne quid mali paterentur, si contradicerent, quieti vacarent, nudati solacio multitudinis templorum cultores et sacerdotes simulacra apud se reposita pretiosissima tradiderunt et quae Iovis fulmina vocabantur, et per semet ipsos haec educebant ex adytis et templorum latentibus locis. Quaeque prius invisibilia apud ceteros erant et solis sacerdotibus manifesta, facta sunt omnibus valde vilissima.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. III, cap. 1,2 – 3

73.138

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. III, cap. 1,2 – 3 (CSEL 71), S. 129; PL 69, 879D – 1214C, hier 943B – 943C.

Sed etiam Armenios tunc primum audivi Christianos effectos. Aiunt enim Tiridatem regem tunc gentis illius ex quodam mirabili signo dei, quod circa eius domum evenit, Christianum fuisse factum et omnes simul eius dicioni subiectos una praeceptione iussisse, ut similiter deo colla summitterent. Unde et apud ceteros confines Christianum dogma transivit et multitudine dilatatum est. Apud Persas autem initium Christianitatis aestimo celebratum, dum quidam eorum occasione commercii ad

448

Quellensynopsis

Ostroinos et ad Armenios venientes, ut assolet, sanctis illic colloquerentur viris et eorum virtutes experirentur.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. III, cap. 2,13

73.139

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. III, cap. 2,13 (CSEL 71), S. 132 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 945C.

Porro Saboris secundum petitionem Usthazadis praeconem clamare fecit. Aestimabat enim alios posse a Christianitate revocari, si mente perciperent, quia nulli parceret Christiano, qui senem nutritorem et devotum suae familiaritatis occideret. Usthazadis autem studuit clamari causam suae necis credens, quia, cum per terrorem adorasset Solem, multos Christianorum deduxerit ad timorem, nunc autem cognoscentes pro religione mortuum imitatores multos suae virtutis efficeret.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. III, cap. 9,1 – 2

73.140

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. III., cap. 9,1 – 2 (CSEL 71), S. 148; PL 69, 879D – 1214C, hier 953D.

Igitur episcopi in Constantinopolitana urbe congregati Marcellum Ancyrae Galatiae deposuerunt pro huiusmodi causa. Asterius quidam in Cappadocia exercens artem sophisticam eam relinquens Christianitatem se promittebat asciscere temptavit que libros conscribere, qui feruntur hactenus et per quos Arii dogma firmatum est.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. III, cap. 12,1

73.141

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. III, cap. 12,1 (CSEL 71), S. 153; PL 69, 879D – 1214C, hier 956B – 956C. Cumque religiosissimus imperator potius Christianitate gauderet et vere dei testimonio fidem Nicaenam roborari cognosceret, in his, quae fuerant de Ario gesta, laetabatur. Qui cum tres habuisset filios, eos Caesares nuncupavit et singulos eorum per decenos annos imperii sui principes esse constituit:

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. V, cap. 15,4

73.142

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. V, cap. 15,4 (CSEL 71), S. 235; PL 69, 879D – 1214C, hier 995B – 995C.

Quod cum sensissent Paulinus Gallicanae Tribereos, Dionysius Albae mitropolis Italorum et Eusebius Vercellensis episcopi, quia ad destructionem fidei Orientales contra Athanasium agere molirentur : surgentes magna voce clamabant dolum et circumventionem per ea, quae gerebantur, Christianitatis dogmatibus irrogari. Non enim veras contra Athanasium culpas esse dicebant, cum ad retractationem fidei talia probarentur inventa.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. V, cap. 17,6 – 8

73.143

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. V, cap. 17,6 – 8 (CSEL 71), S. 238; PL 69, 879D – 1214C, hier 996D.

Imperator dixit: Quid est gloria, et timor, et contumeliae? Liberius dixit: Quicunque gloriam dei non diligunt, tua magis dona praeponunt. Quem ergo isti non viderunt, non examinantes adjudicaverunt quod est Christianitatis alienum. Imperator dixit: In facie

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

449

utique condemnatus est in concilio Tyri et in concilio contra eum pariter decreverunt omnes totius orbis episcopi.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. V, cap. 31,5 – 6

73.144

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. V, cap. 31,5 – 6 (CSEL 71), S. 261; PL 69, 879D – 1214C, hier 1008C. Haec igitur Macedonii pro Christianitate ortae sunt actiones: caedes, pugnae, sollicitationes, intestina bella. Quae res non solum apud eos, qui laedebantur, sed etiam apud familiares ei odium vehementer excitaverunt.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 1,27 – 28

73.145

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 1,27 – 28 (CSEL 71), S. 310; PL 69, 879D – 1214C, hier 1031A. Quam ob rem plurimi eum sequebantur a Constantio recedentes. Tunc igitur etiam figmentum Christianitatis, quod habebat, abiecit. Et dum circuiret diversas urbes aperiens templa, idolis offerebat, et semet ipsum paganorum pontificem nominabat.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 12,7 – 8

73.146

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 12,7 – 8 (CSEL 71), S. 324; PL 69, 879D – 1214C, hier 1038A.

Hunc enim etiam prius habuerunt odiosum, eo quod Constantii temporibus, ut paganos ad Christianitatem reduceret, templum eorum ornatissimum pretiosumque destruxerit. Cumque Iulianus imperasset, motus in eum est et praecepit, ut aut aestimationem templi redderet aut eum rursus aedificaret.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 26,1

73.147

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 26,1 (CSEL 71), S. 342; PL 69, 879D – 1214C, hier 1046D.

Igitur imperator audiens Athanasium in Alexandrinorum ecclesia constitutum licite populo praedicare multosque paganorum ad Christianitatem fuisse conversos, eum iussit exire de civitate. Qui si maneret, damna maxima eum sustinere praecepit occasionem crimimis in eum inveniens, quia, dum prioris principis tempore fuisset fuga mulctatus, non eius iussione episcopalem receperat sedem.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 28,3 – 4

73.148

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 28,3 – 4 (CSEL 71), S. 344 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 1048A – 1048B.

Quem locum arbitror ex voce Syra et Graeca deorum habitaculum nominatum. Fertur itaque his omnibus fuisse Christianitatis auctorem Hilarionem monachum. Cum enim daemonio vexaretur Alafion, diutius pagani atque Iudaei incantationibus et lustrationibus apud eum usi nihil illi prodesse potuerunt. Verum Hilario solummodo Christi nomen invocans, daemonium effugavit eumque in religionem Christianam repente transposuit.

450 [6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 29,1 – 2

Quellensynopsis

73.149

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. VI, cap. 29,1 – 2 (CSEL 71), S. 345 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 1048C – 1048D.

Igitur imperator dudum studens paganitatem in omni sua dicione dilatari graviter ferebat videns Christianos potius approbari. Et templa quidem erant aperta, sacrificiaque paganorum per civitates secundum voluntatem illius procedebant. Ipse autem aestuabat, ne fervor eius Christianorum abundantia frustraretur. Et maxime pulsabatur, quia multorum sacerdotum suorum Christianas audiebat uxores et filios atque servos. Arbitratus autem Christianitatis statum ex vita bona et conversatione consistere, studuit ubique templa paganorum constructione et ordine Christianae religionis ornare, sedibus atque praesessionibus.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. VII, cap. 2,27 – 28

73.150 – 151

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. VII, cap. 2,27 – 28 (CSEL 71), S. 381 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 1066B – 1066C.

Similis ergo Porphyrio factus est. Ille namque in Caesarea Palaestinae a quibusdam Christianis caesus, iracundiam non ferens Christianitatem deseruit per furorem et odio inimicorum scribendo blasphemias Christianitate privatus est, sicut eum Eusebius Pamphili redarguit et eius verba destruxit. Imperator autem, [qui] apud idiotas superbus inter Christianos exstitit, ea passione in blasphemias Porphyrii declinavit

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. VIII, cap. 7,1 – 6

73.152 – 153

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. VIII, cap. 7 (CSEL 71), S. 478; PL 69, 879D – 1214C, hier 1115A – 1115B.

Cumque venissent in insulam quandam, abreptam cuiusdam filiam sacerdotis a daemone, clamantemque illis viris: Cur venistis etiam hinc nos expellere? suis orationibus liberatam patri restituunt, et ad Christianitatem sacerdotem simul et reliquos habitantes in insula perduxerunt. Qui mox simulacra proicientes, formam templi in ecclesiam mutaverunt; baptizabantur enim et officia Christianitatis gratissime docebantur. Sic igitur propter consubstantialitatis fidem viri admirabiles probabiliores effecti sunt aliosque sanantes firmiorem operibus ostenderunt fidem.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 19,1 – 7

73.154 – 155

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 19,1-7 (CSEL 71), S. 523 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 1136C – 1137B.

Inter haec evocans imperator Nectarium tractabat cum eo, quid fieret, ut non Christianitas discordaret, sed tota uniretur ecclesia. Dicebat autem: Oportet examinari quaestionem ecclesias segregantem, quia dum discordia recederet, concordia ecclesias congregaret. Hoc audiens Nectarius cogitabat et evocans Agelium, tunc Novatianorum episcopum, tamquam in fide consortem, indicavit ei votum imperatoris. At ille cum esset rebus aliis venerandus, de dogmate tamen non valebat reddere rationem; sed lectorem suum Sisinnium nomine statuit, qui pro eo deberet proferre sermonem, virum eloquentem et rebus expertum summeque scientem sacrarum profundissima litterarum, sed etiam philosopha dogmata. Is ergo dixit, quia disputatio non solum schismata non uniret, sed etiam hereses ad contentiones potiores adduceret, et pro-

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

451

pterea Nectario dedit tale consilium. Bene namque sciebat quia veteres patres principium subsistentiae filio dei dare vitabant, quoniam percepissent eum esse patri coaeternum. Quapropter dedit consilium, ut disputativas fugeret intentiones et testimonium ex traditione veterum adhiberet utque praesules heresum requireret imperator, utrum sermonem vellent facere de antiquis ecclesiae doctoribus, qui ante divisionem floruerunt, an certe illos velut alienos a Christianitate respuerent. Et siquidem eos abnegarent, obiceretur eis: Ergo eos anathematizare praesumite; et si hoc perpetrare [non] praesumerent, a populo expellerentur. Quo facto apertam fore victoriam veritatis. Si vero de priscis non offenderentur doctoribus: Nostrum, inquit, est praebere veterum libros per quos nostrum dogma eorum testimonio roboretur. Inter haec cum Nectarius Sisinnium dicentem libenter audisset, festinus ad palatium properavit dixitque principi consilium sibi datum.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 23,9 – 10

73.156

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 23,9-10 (CSEL 71), S. 532; PL 69, 879D – 1214C, hier 1140D.

Scripsit [Symmachus] autem Maximi laudem, eamque recitavit, unde postea reus maiestatis esse videbatur. Quamobrem mortem metuens confugiit in ecclesiam. Verum imperator cum esset perfectissimae Christianitatis et non solum suae fidei sacerdotes honoraret, sed etiam Novatianos, qui proxime ipsius fidei decreta servarent, Leontio, tunc Romano episcopo ecclesiae Novatianorum, roganti beneficium conferens Symmachum absolvit a crimine.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 27,9

73.157

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 27,9 (CSEL 71), S. 537; PL 69, 879D – 1214C, hier 1143B.

Igitur imperator audiens, quae Alexandria fuerant perpetrata, beatificavit equidem Christianos martyrum eis palmas attribuens, eo quod pro dogmate tanta pericula pertulissent; paganis autem veniam dedit, ut eos Christianitatem facile devocaret. Iussitque, ut templa funditus, quae fuerant necis causa, destruerentur.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 29,3

73.158

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 29,3 (CSEL 71), S. 539; PL 69, 879D – 1214C, hier 1144B.

Cumque et per alias litteras, quae apud eos sacrae dicuntur, indicaretur terminum habiturum Serapidis templum, quando character crucis apparuisset, qui vitam superventuram sine dubio declararet, multo plurimi ad Christianitatem festinabant et peccata confitentes baptizabantur.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 36,3 – 4 D: wie 73.131.

73.159

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 36,3 – 4 (CSEL 71), S. 555; PL 69, 879D – 1214C, hier 1152B. Pro qua causa eum multavit exsilio. Nullumque alium fatigavit neque sibimet communicare compulit; sed singulos per loca propria collectas celebrare permisit et cultum

452

Quellensynopsis

tenere Christianitatis, sicut percipere potuit. Et alios quidem permisit extra civitatem oratoria fabricare; Novatianos autem concordes suae fidei, intra urbem ecclesias habere concessit. De quibus quidem pauca dicenda sunt.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 38,1 – 2

73.160

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 38,1 – 2 (CSEL 71), S. 557 f.; PL 69, 879D – 1214C, hier 1153C. Sed mihi non videtur huiusmodi viros de festivitate Paschae rationabiliter contendisse neque istos, qui nunc sequuntur Iudaeos. Non enim mente perceperunt, quia Judaismo in Christianitatem mutato illa subtilia et figurativa legis Moysaicae quieverunt. Quod hinc apparet. Iudaizare namque nulla gens Christiana percepit; e diverso autem apostolus etiam contradixit non solum circumcisionem prohibens, sed etiam de festivitatibus contentiones abiciendas monens.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 42,4

73.161

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. IX, cap. 42,4 (CSEL 71), S. 568; PL 69, 879D – 1214C, hier 1158C.

Tunc enim fertur paganos Alexandrinos in theatro clamasse, quia velut senex et delirus evanuisset Nilus. Quamobrem plurimi Aegyptiorum derogantes paternae religioni ad Christianitatis iura conversi sunt.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. XI, cap. 8,1 – 9

73.162 – 163

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. XI, cap. 8,1 – 2 u. 6 – 9 (CSEL 71), S. 636 – 638; PL 69, 879D – 1214C, hier 1191B – 1192A.

Eodem tempore apud Persas Christianitas est dilatata. Inter Romanos enim et Persas semper propter diversas causas mittuntur legationes. Tunc ergo casus attulit, ut Maruthas Mesopotamenus episcopus, cuius dudum meminimus, a Romanorum imperatore ad Persarum destinaretur regem. Qui multam reverentiam apud Marutham inveniens eum decenter honorabat et tanquam divinum respiciebat virum. Hoc factum mordebat magos metuentes, ne regem Christianum fieri suaderet. Nam cum dolore capitis multo tempore torqueretur, magis eum curare non valentibus, Maruthas orationibus fecit incolumem; ob hanc ergo causam moliti sunt quandam magi fallaciam. […] Hoc dicto flexus est Persarum rex; et rursus ingressus, ubi ignis inextinguibilis servabatur, cum audisset vocem, iussit fodiri locum. Tunc qui mittebat quasi divinam vocem, inventus arguitur. Iratus itaque rex magorum genus usque ad decimam iussit imminui portionem. Hoc facto Maruthae dixit, ut templa, quae vellet, aedificaret. Ex hoc apud Persas sumpsit Christianitas incrementum. Tunc igitur Maruthas a Persis Constantinopolim remeavit. Non longo post tempore (rursum destinatus) est. Iterumque magi machinabantur ne eum susciperet rex. Feceruntque fetorem quendam in locum, unde rex transire solebat, et, quasi a Christianis id factum fuerit, derogabant.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. XI, cap. 14,1 – 2

73.164

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. XI, cap. 14,1 – 2 (CSEL 71), S. 645; PL 69, 879D – 1214C, hier 1195D. Ea siquidem tempestate Iudaeus quidam seductor ficta Christianitate crebro baptizabatur et hac arte pecunias congregabat. Cumque multis heresibus inlusisset, Ari-

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

453

anorum atque Macedonianorum, postremo ad ecclesiam venit orthodoxorum. Cui dum tempus ieiuniorum fuisset impositum, multisque adhuc diebus occuparetur, coepit festinare, ut quasi in ferventi studio baptismatis dona perciperet.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. XI, cap. 15,4

73.165

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. XI, cap. 15,4 (CSEL 71), S. 646; PL 69, 879D – 1214C, hier 1196B – 1196C.

Mox ergo Persarum rex legatos mittit repetens fugientes. Porro Romani nequaquam ad se confugientes reddere voluerunt non solum supplices liberare studentes, sed pro Christianitate libenter omnia sustinere. Quamobrem demicare quam perituros Christianos tradere potius elegerunt.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. XI, cap. 17,4 – 7

73.166

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. XI, cap. 17,4 – 7 (CSEL 71), S. 652; PL 69, 879D – 1214C, hier 1199B.

Primum itaque regaliter natus atque nutritus nihil habuit tepidum; sed sic fuit sapiens, ut inter confabulantes experimentum omnium crederetur habere causarum. Perdurabat in frigore, similiter et in aestu; plerumque ieiunabat et maxime quarta feria et sexta, studio Christianitatis. Nec aliter quam monasterium regalia videbantur ; ipse namque matutino ad suas sorores pergens divinas dicebat laudes. Quamobrem etiam sacras litteras sine codice recitabat.

[6. Jh. Mitte] Hist. eccl. tripartita, lib. XII, cap. 4,14

73.167

Cassiodor u. Epiphanius, hist. eccl. tripartita, lib. XII, cap. 4,14 (CSEL 71), S. 665; PL 69, 879D – 1214C, hier 1204D – 1205B.

Nam cum rex Hunnorum nomine Suptarus, per noctem fuisset ciborum nimia voracitate corruptus, Burgundiones gentem inimicam sine duce repperientes et pauci pluribus resistentes facta congressione vicerunt – nam cum essent isti tria millia, circa decem millia peremerunt – et ex illo cuncta gens ferventissime in Christianitate permansit.

[6 Jh. ?] Cresconius: Concordia (canonum)

74.168 – 172

D: Laut Mordek, (Art.) Cresconius, Sp. 345 f., ist eine Abfassung im 6. Jahrhundert möglich. Cresconius arbeitete aus den Konzilskanones und der Dekretalen der Dioysiana (45.89 – 92). Die Concordia canonum des Cresconius, ed. Zechiel-Eckes, Bd. 2, S. 625 [c. CXXIII], S. 631 – 633 [cc. CXXXIV – CXXXVI]; S. 743 f. [c. CCXLIV]; PL 88, 829 – 942C, hier 885A [c. CXXIII]; 886D – 887A [cc. CXXXIV – CXXXVI]; 924A – 924B [c. CCXLIV].

CXXIII. De seruis qui iugum famulatus abiiciunt Christianitatis obtentu. [Concilio Gangrensi, titulo 3.] Si quis seruum sub praetextu divini cultus doceat dominum contemnere proprium, ut discedat ab eius obsequio nec ei cum beneuolentia et omni honore deseruiat, anathema sit. […] CXXXIV. De his, qui Christianitatis obtentu despiciunt filios. [Concilio Gangrensi, titulo 15.] Si quis filios suos relinquens non eos enutrit et quod ad se pertinet non ad pietatem diuini cultus informat, sed per occasionem continentiae negligit, anathema sit.

454

Quellensynopsis

CXXXV. De his, qui parentes Christianitatis obtentu contemnunt. [Concilio Gangrensi, titulo 16.] Quicunque filii a parentibus sub praetextu diuini cultus abscedunt, nec debitam reverentiam dependunt illis, qui diuinum cultum sibi procul dubio praeferunt, anathema sit. CXXXVI. De mulieribus, quae se attondunt Christianitatis obtentu. [Concilio Gangrensi, titulo 17.] Si qua mulier propter diuinum cultum, ut aestimat, crines attundit, quas ei deus ad subiectionis memoriam tribuit, tamquam praeceptum dissoluens obedientiae, anathema sit. […] CCXLIV. Ut ab episcopis praeceptione papae novae basilicae dedicentur. […] Ut nulla basilica sub defunctorum constructa nomine dedicetur. CVIVS [Papst Gelasius] SVPRA TITVLO XXV De locorum consecratione sanctorum, quamuis superius strictim fuerit comprehensum, nobis quoque patefactum est, quod absque praecepto sedis apostolicae nonnulli factas ecclesias vel oratoria sacrare praesumant. Hoc sumus tamen indicio detestabiliori permoti quod in quocunque nomine defunctorum, et quantum dicitur, nec omnino fidelium aedificatas sacris professionibus audacter instituere memorantur. Quae quoniam tam acerba, tam dura sunt, ut eadem uix noster ferre posset auditus; si reuera Christianitatis affectus in illis regionibus certus et fixus est, et districtius ista quaerantur, et a quibus fuerint gesta prodantur ; quoniam si ut latentibus in hac atrocitate nominibus non exstat, in quem sententia debita proferatur, ita cum manifestis fuerit documentis expositus, quam sceleris tanti poscit immanitas, non vitabit ullatenus ultionem.

[550 – 560] Primasius von Hadrumetum: Commentarius in Apocalypsin, lib. III, cap. 11,2 75.173

D: Es wenig bekannt über Primasius, der als Bischof im heutigen Sousse/Tunesien zu den wenigen Afrikanern gehörte, die im Dreikapitelstreit der Verurteilung zustimmten. Sein auf Augustinus und Tyconius beruhender Kommentar hatte als Kompendium weite Rezeption im Mittelalter erfahren, wie Karl S. Frank im Lexikon des Mittelalters schreibt. Es ist das einzig überlebende Werk von Primasius von dem noch sieben Handschriften existieren, die in der Zeit vom 7. bis ins 12. Jahrundert entstanden sind, Adams, Introduction (CCSL 92), S. VII. Die kursivierte Passage stammt aus Off 11,2. Primasius, Commentarius in Apocalypsin, lib. III, cap. 11,2 (CCSL 92), S. 166; PL 68, 793C – 936D, hier 866B – 866C. Aliter in ara sacerdotes in templo fideles significat. Multi enim superficietenus adorare uidentur, et in libro caeli non scribentur. Hoc significans sequitur : Aram autem quae est a foris templi ne metieris (omnis enim gloria eius filiae regis intrinsecus) quoniam data est gentibus, et ciuitatem calcabunt mensibus quadraginta duobus. Credulitatis malae doctrinam et consuetudinis infaustae contagia in hereticis, iudaeis et gentibus foris iubentur expelli, quoniam ad sancta sanctorum tales indignum est properare. Quid enim mihi ait apostolus de his qui foris sunt iudicare? De his autem qui intus sunt uos iudicatis. Omnes enim iudaei, heretici atque gentiles ecclesiam diuersis modis indesinenter inpugnando quasi conculcant. Numerus autem mensium non nouissimam tantum persecutionem significat sed etiam christianitatis tempus omne designat, propter sex mundi aetates et septem dies,

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

455

quibus praetermeantibus et remeantibus, omne tempus euoluitur ; nam sexies septem quadraginta et duo efficiunt, ad utrumque arbitror referendum.

[550 – 560] Primasius von Hadrumetum: Commentarius in Apocalypsin, lib. III, cap. 12, 6 75.174 Primasius, Commentarius in Apocalypsin, lib. III, cap. 12,6 (CCSL 92), S. 182 f.; PL 68, 793C – 936D, hier 874B – 874D.

Omnia enim haec inquit apostolus in figura nostri facta sunt, et sicut illos manna uisibili, sic nunc ecclesiam pascit pane caelesti. Praeparatum autem locum habet, de quo propheta dicit: In locum quem disposuit, quod quia eum nec oculus uidit, nec auris audiuit nec in cor hominis ascendit, quia cor hominis illuc debet ascendere, humani sermonis pace mutua conpellente, locum dispositum et locum paratum potuit uterque proferre, cum antea praemitteret dicens: Beatus uir cuius est susceptio eius abs te, domine, ascensiones in corde eius disposuit in conualle plorationis, in locum quem disposuit. Idem namque et refugii locus est peregrinis et refectionis cibus esurientibus seruis, qui merces promittitur regnaturis. Haec ergo quae parauit deus apostolo dicente diligentibus se: Nobis inquit reuelauit deus per spiritum suum, quo uno reuelante haec profunda etiam beatus Iohannes potuit penetrare, isto sane dierum numero, qui tres annos et sex menses faciunt, omnia christianitatis tempora etiam hoc loco significat, ex quo Christi praedicatio coepit, et usque in finem fructificans crescit. Et accidit proelium in caelo, Michahel et angeli eius ut pugnarent cum dracone, et cetera. Non hic putandum est diabolum angelos ue eius in caelo ausos fuisse pugnare, cum nec Iob hic possit, nisi deo permittente, temptare. Sed caelum hic ecclesiam manifestius declarauit, ubi contra spiritales nequitias ab unoquoque fidelium iugiter dimicatur.

[550 – 560] Unbekannt: Kommentar zu Heb 12, 14

76.175

K: Da die ersten beiden Stellen aus dem Paulus-Kommentar Cassiodor bzw. dessen Schüler zugeordnet wurden, ist es sehr fraglich, ob Primasius von Hadrumetum der Verfasser dieses Kommentars gewesen ist. Allerdings findet sich auch keine gegenteilige Forderung. Primasii Commentaria in epistolas S. Pauli, Ad Hebraeos Divi Pauli epistola, in: PL 68, 451D – 794B, hier 780A–780B.

Pacem sequimini cum omnibus. Subaudi bonis. Et sanctimoniam, sine qua nemo videbit Deum. Plurima quidem sunt quae formam discretionemque Christianitatis ostendunt: sed plus omnibus ac melius charitatis mutuae affectus et pax, quae hominum corda consociat. Quapropter dicit ipsa Veritas: Pacem relinquo vobis; et iterum: In hoc cognoscent omnes quia mei estis discipuli, si dilectionem habueritis ad invicem. Propterea etiam et Apostolus dicit: Pacem sectamini cum omnibus bonis. Pacis autem nomine intelligenda est dilectio et concordia. Sanctimonia autem dicitur castitas mentis et corporis: ac si diceret: Ita diligite omnes bonos, ut vosmetipsos; et sit in vobis castitas, sive munditia mentis et corporis: quoniam sine pace et sanctimonia nemo videbit Deum. Beati enim pacifici, quoniam filii Dei vocabuntur. Beati mundo corde, quoniam ipsi Deum videbunt.

557 Februar–April Papst Pelagius I. an Childebert, König der Franken

Epistolae Arelatenses, Nr. 52 (MGH Epp. 3), S. 76; PL 69, 406D – 407B.

77.176

456

Quellensynopsis

DOMINO FILIO GLORIOSISSIMO ATQUE PRAECELLENTISSIMO, CHILDEBERTO REGI, PELAGIUS EPISCOPUS Cum celsitudini vestrae multa dona misericordia divina contulerit, pro amore tamen, quem ecclesiae eius sinceriter exhibitis, fecit vos multis regnantibus clariores, quoniam inter alias regni vestri curas pro tranquillitate sanctae ecclesiae praecipuam sollicitudinem vos certum est exhibere. Quae cum ita sint, miramur, quia, quantum nobis praesentium portitorum suggestio patefecit, passi estis subripi vobis, ut Sapaudum fratrem et coepiscopum nostrum, Arelatensis civitatis antistitem, cuius ecclesia in regionibus Gallicanis primatus privilegio et sedis apostolicae vicibus decoratur, ad petitionem episcopi ab ipso ordinati in iudicium sequentis civitatis episcopi, quod nulla ecclesiastica lege vel ratione conceditur, iudicandum iuberetis occurrere; cum, ipso de conculcato loci sui praeiudicio conquerente, illum, qui usurpavit, necesse sit de inlicita praesumptione culpari. Pro quibus christianitatis vestrae confidentia freti, paterno studio postulamus, ut, si quid tale factum est, congrua satisfactione celeriter amputetur, nec ullum sui exemplum in perturbatione ecclesiarum, quas vobis Deus credidit, relinquere concedatur. Et huiusmodi causis sollicitam vos in reliquo decet exhibere cautelam, ne quid contra ecclesiasticas regulas petentibus concedatis; quia, quod bene cognitum est religiose˛ menti vestrae, non aliter Deo nostro recte potest regalis devotio famulari, nisi providentia eius ecclesiasticorum ordinum servetur integritas. Incolumem excellentiam vestram Deus noster custodiat, domine fili gloriosissime ac praecellentissime.

559 März Papst Pelagius I. an den Patrizier Valerian

78.177

Epistolae aevi Merovingici collectae, Nr. 6 (MGH Epp. 3), S. 445 f.; Pelagii Epistolae, Nr. 52,9 – 16, ed. Gassû, S. 137 – 139; PL 69, 394 – 395 (mit deutlichen Abweichungen, gegenüber der Gassû-Edition) und in: PL 69, 413D – 414B. Sed et item beatus Augustinus de talibus dicit: Multa etiam cum invitis benigna quadam asperitate plectendis agenda sunt, quorum potius utilitati consulendum est quam voluntati. Nam in corripiendo filio quamlibet aspere, nunquam amor paternus amittitur ; fit tamen, quod nollet, ut doleat, qui etiam invitus videtur dolore sanandus. Ecce videtis, quemadmodum tanti testimonio patris non persequatur coercendo talia, sed diligat emendando tales semper ecclesia. Facite ergo etiam vos, quod, scientes intentionem christianitatis vestrae frequenter hortamur, et date operam, ut talia fieri ultra non liceat, sed et hoc, quod vobis facillimum esse non dubito, hi qui talia praesumpserunt, ad piissimum principem sub digna custodia dirigantur. Recolere enim debet celsitudo vestra, quid Deus per vos fecerit tempore illo, quo Hystriam et Venetias tyranno Totila possidente, Francis etiam cuncta vastantibus, non ante tamen Mediolanensem episcopum fieri permisistis, nisi clementissimum principem exinde retulissetis, et quid fieri debuisset eius iterum scriptis recognovissetis, et inter ubique ferventes hostes Ravennam tamen et is qui ordinabatur et is qui ordinaturus erat providentia culminis vestri deducti sunt.

585 Konzil von M–con, cap. 9

79.178

D: Datierung möglich wegen der Angabe 24. Regierungsjahres Guntrams; zudem ist das Konzil und seine Bestimmungen bei Gregor von Tours erwähnt (VIII, 12, 20). Pontal,

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

457

Synoden, S. 161, ist nicht ganz so vorsichtig wie Maasen und gibt den 23. Oktober als Tag des Konzils an. Concilium Matisconense, cap. 9 (MGH Conc. 1), S. 168 f.; CCSL 148A, S. 243 f.; nicht in der PL. IX. Licet reverentissime canones atque sacratissime legis de episcopali audientia in ipso pene Christianitatis principio sententiam protulerint, tamen quoniam eandem postpositam humanam in sacerdotibus Dei incrassatur temeritas, ita ut eos de atriis venerabilium ecclesiarum violenter abstractos ergastulis publicis addicant, censemus, ut episcopum nullus saecularium fascibus praeditus iure suo contumaciter ac perpere agens de sancta ecclesia, cui praeest, trahere audeat; sed si quas intentiones adversus episcopum potentior persona habuerit, pergat ad metropolitanum episcopum et ei causas adlegit et ipsius sit potestatis honorabiliter episcopum, de quo agitur, evocare et in eius presentiam accusatore respondeat et oppositas ibi actiones exerceat. Quod si talis fuerit inmanitas causae, ut eam solus metropolitanus definire non valeat, advocet secum unum vel duos quoepiscopos; quod si et ipsis dubietas fuerit, conciliabulum definitum diem vel tempore instituant, in quo universa rite collecta fraternitas coepi scopi sui causas discutiat et pro merito aut iustificet aut culpet. Nefas est enim, ut illius manibus episcopus aut iussione de ecclesia trahatur, pro quo semper Deum exorat et cui invocato nomine Domini ad salvationem corporis animaeque eucharistia saepe porrexit. Hoc enim decretum a nobis infixum qui fuerit audaciter transgressus, tam ipse quam omnes, qui ei consenserint, usque ad generalem concilium anathemate de ecclesia suspendantur.

585 Konzil von M–con, cap. 15

79.179

Concilium Matisconense, cap. 15 (MGH Conc. 1), S. 170 f.; Concilia Galliae (CCSL 148A), S. 246; nicht in der PL. XV. Et quia ordinatione sacerdotum annuente Deo congruit de omnibus disponere et causis singulis honestum terminum dare, ut per hos reverentissimus canones et praeteritorum canonum viror ac florida germina maturis fructibus enitiscant, statuemus, ut, si quis saecularium honoratorum in itinere obviam habuerit aliquem ecclesiasticorum graduum usque ad inferiorem gradum honores, veneranter, sicut condecet Christianum, illi colla subdat, per cuius officia et obsequia fidelissima Christianitatis iura promeruit. Et si quidem illi seculares aequo vehitur clericusque similiter, seculares galerum de capite auferat et clerico sincere salutationis munus adhibeat; si vero clericus pedes graditur et seculares vehitur equo, illico ad terram defluat et debitum honorem sepe dicto clerico sincerae caritatis exhibeat, ut Deus, qui vera caritas est, in utrisque laetetur et dilectione suae utrumque ascescat. Qui vero horum, quae Spiritu sancto dictante sanccita sunt, transgredi voluerit, ab ecclesia, quam in suis ministris dehonorat, quantum episcopus illius ecclesiae voluerit, suspendatur.

[585 oder 590] Der Exarch (Smaragdus/Romanus?) an Childebert II. 80.180 – 182 Epistolae Austrasiacae, ep. 40 (MGH Epp. 3), S. 145 – 147; nicht in der PL.

INCIPIT LITTERAS DE ROMANORUM IMPERATORS DIRECTAS AD DOMNUM REGEM.

458

Quellensynopsis

Cum bona omnia dignis operibus conferantur, quantum tibi pro amore orthodoxae fidei, quantum pro intentione, quam geris, eripiendi christiani sanguinis, meritis tuis iure conlatum est, ut de solio, unde alii summum decus percipiunt, vestra gloria ipsi regno ornamenta non solum de ineffabilibus dispositionibus vestris, sed de filiis et nepotibus ministravit! Scientes enim, quia divinitas celsitudinem vestram summis ad se colendum beneficiis provocavit, augere nos credimus studium, per quod regni vestri stabilitas maiora fundamenta suscipiat, ut filiorum et nepotum vita servetur et gloria regni, quae tibi duplicata videtur per filium, triplicata regnando nepotis muniatur. Dei mandata complendo. Veniente itaque Andrea, viro magnifico, illa, que˛ nobis de christianitate vestra opinio vera detulerat, eius relatione cognoscendo maiora velut praesentes et videntes, quae narrabat, amplius quam pridem venerando coepimus exultare. Ex hoc ergo, quae ad mercedem anime vestrae pertinent, posci minime expectatis, sed magis vos credimus voluntatem petentium praevenire. Exposuit ergo nobis, quam prumptissimo animo vel devotione integra florentissimum Francorum exercitum ad liberationem Italie˛ gloria vestra direxerat. Quae omnia de devotione et christianissima voluntate vestra vel instantia, qua desideratis Italiam liberari, clementissimo principi, meo domino, et sorori vestrae, serenissime˛ auguste˛, specialiter, sicut Andreas suprascriptus, vir magnificus, nobis rettulit, nunciavi. […] Quam rem et Francorum florentissimus, credemus, quia facere volebat exercitus. Quibus autem modis eos rogabamus et ortabamur, epistularum exemplarebus vestra gloriosa christianitas poterit informari; dum nos contra inimicos Dei et communes sine ducum vestrorum consilio aliquid loqui vel agere non pertulemus, illi, sicut diximus, ab initio cum ipsis locutionem habentes, in omnibus nobis omissi, pacem cum ipsis decem mensuum facientes, habente revera et praedae cupiam, et salus dum comitaretur exercitum, pro suo ducis arbitrium sequente iam exercitum, subito discesserunt. Et haec res qualem vobis et laudem et mercedem abstulit, considerare vos credimus et dolere; quia, si adhuc modicum tempus sustinere voluissent vel audire, hodiae Italia a gente Langobardarum nefandissima libera habuit repperiri et universa nefandissimi Autharit regis ad vestram excellentiam habuerunt deferri, vestraque, etsi tardius fuerat, completa est promissio re vera, dum neque intra muros Langobardi totus se esse putabant nec Francis praesumebant obsistere. Unde salutationis officia cum honore dignissimo persolventes, speramus, ut vel nunc, sicut regni vestri christianitas habet cogitare, iubeatis de ereptione christiani sanguinis et de ecclesiarum reseratione pro eripiendis sacerdotibus, qui de eorum immolatione evadere potuerunt, convenienti tempore dignos duces, qui praecepta vestra impleant, et exercitum dirigere; ut, quam patri vestro fecistis, impleatur promissio, antequam gens ipsa nefandissima possit fruges collegere, maxime dum non solas, quas superius diximus, civitates, sed et alias, id est Parma, Regio adque Placentia est cum suis ducibus atque plurimis Langobardis, Deus sanctae Romanae rei publicae reparavit, ut in tanta talique mercede maxima partem, sicut coepit, regni vestri gloria consequatur.

[585 oder 590] Exarch (Smaragdus/Romanus?) an Childebert II. Epistolae Austrasiacae, ep. 41 (MGH Epp. 3), S. 147; nicht in der PL.

81.183

DOMINO EXCELLENTISSIMO ATQUE PRAECELLENTISSIMO CHILDEBERTUS REGIS FRANCORUM ROMANUS. Quantum christianitas regni vestri exquiret cottidiae, quid ad placandum Deum de-

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

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beat exhibere, tantum de Christianorum liberatione cogitare et facere excellentiam vestram confidimus, gratumque vobis esse, quod pro ipsorum remedio prosperitatem divino fabore constat esse concessam, ut talia tantaque, Deo auctore, promissa tam manefesta Dei misericordia invitet praecellentiam vestram ad participandam mercedem et laudem maximum adquirendam. Olim autem vos audisse credimus de Motena, Altino atque Mantuanam civitates, quia sanctae sunt reipublicae reformate. Praecedentibus autem scriptis nostris designasse nos d meminimus, quia, dum ad obsedendum Parma vel Regio atque Placentia civitates proficisceremus, duces Langobardorum ibidem constituti, in Mantuana civitate nobis cum omni festinatione ad subdendum se sancte reipublicae occurrerunt.

[591] Juli 2 Papst Gregor I.: Homilie 32

82.184 – 185

D: Hier wird dem Datierungsvorschlag von Êtaix gefolgt, vgl. CCSL 141, S. LXVII – LXX. Gregorius Homiliae in Evangelia, Nr. 32 (CCSL 141), S. 283 – 285; PL 76, 1232C – 1238C, hier 1236C – 1237C.

Omnipotens ergo Deus largiendo terrena suadet ad caelestia, ut percipiens quod uideret, sperare disceret quod minime uidebat, et tanto solidior de inuisibilibus fieret, quanto eum ad spei certitudinem uisibilia promissa fulcirent. Vnde recte quoque per psalmistam dicitur : Dedit eis regiones gentium et labores populorum possederunt, ut custodiant iustificationes eius et legem eius exquirant. Sic ergo hoc loco rudibus discipulis Veritas loquens uidendum regnum Dei promittit in terra, ut hoc ab eis fidelius in caelo praesumatur. Ex ipso itaque regno, quod iam uidemus in mundo esse sublimatum, speremus regnum quod in caelo credimus percipiendum. Nam sunt nonnulli qui christianitatis nomine censentur, sed christianitatis non habent fidem. Sola esse uisibilia aestimant, inuisibilia non appetunt, quia nec esse suspicantur. Ad sanctorum martyrum corpora consistimus, fratres mei. Numquid isti carnem suam in mortem darent, nisi eis certissime constitisset esse uitam pro qua mori debuissent? Et ecce qui ita crediderunt, miraculis coruscant. Ad exstincta namque eorum corpora uiuentes aegri ueniunt et sanantur, periuri ueniunt et daemonio uexantur, daemoniaci ueniunt et liberantur. Quomodo ergo uiuunt illic ubi uiuunt, si in tot miraculis uiuunt hic ubi mortui sunt?

593 April Papst Gregor I. an Gregorius, Prätorianerpräfekt, Reg. III, ep. 28

83.186

Gregorii Papae Registrum Bd. 1, Reg. III, ep. 28 (MGH Epp. 1), S. 185 f.; Registrum Epistolarum III,28 (CCSL 140), S. 173; PL 77, 625B – 626A.

Gregorius praefecto praetorio per Italiam Quicquid misericorditer ac respectu pietatis impenditur, et hic auctorem suum adiuuat, et optatum ei praemium in die retributionis apportat. Quod cum ita sit, quia excellentiam uestram ualde diligo, mercedis uobis causas insinuo. Armenius itaque magnificus, filius quondam Aptonii illustrissimi uiri, ex ipsa me egestate compulit, ut pro eo uobis debuissem scribere. Qui quoniam sicut nostis utroque parente orbatus est, eminentiae uestrae tuitionem et continentiam praestolatur. Vnde christianitas uestra piae considerationis ut consueuit intuitu, in quantum utile perspicit, ei locum uel actionem prouideat, ex qua cotidianis stipendiis ualeat contineri, quoniam haec ma-

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xima laus et merces est, si illa orphanis impendantur quae eorum pro suis obsequiis poterant genitoribus exhiberi.

594 Mai 27 (†?) Papst Gregor I.: Privileg für das Kloster des Hl. Medard 84.187 D: nach der Edition. Jedoch spricht der christianitas-Gebrauch für eine Fälschung, weil die Verbindung von consortio und christianitas erst für das 9. Jahrhundert belegt ist. Appendix ad S. Gregorii epistolas, IV. Privilegium monasterio sancti Medardi concessum, in: PL 77, 1330A – 1334A, hier 1332D – 1333A. Haec igitur omnia, quae hujus apostolicae auctoritatis et nostrae praeceptionis privilegio continentur, praefati monasterii rectoribus et filiis, praesentibus et futuris, et omnibus monasteriis ipsi loco subjectis vel sociatis, sub anathemate servanda constituimus. Si quis autem regum, antistitum, judicum, vel quarumcunque saecularium personarum, hujus apostolicae auctoritatis et nostrae praeceptionis decreta violaverit, aut contradixerit, aut negligenter duxerit, vel fratres inquietaverit, vel conturbaverit, vel aliter ordinaverit, cujuscunque dignitatis vel sublimitatis sit, honore suo privetur, et ut catholicae fidei depravator, vel sanctae Dei Ecclesiae destructor, a consortio Christianitatis et corpore ac sanguine Domini nostri Jesu Christi sequestretur, et omnium maledictionum anathemate, quibus infideles et haeretici ab initio saeculi usque in praesens damnati sunt, cum Juda traditore Domini, in inferno inferiori damnetur, nisi digna poenitentia praefatorum sanctorum sibi propitiaverit clementiam et fratrum communem reconciliaverit concordiam.

[595] Papst Gregor I.: Moralia in Iob, lib. X, cap. 30,51

85.188

Gregorius Moralia in Iob, lib. X, cap. 30,51 (CCSL 143), S. 573, PL 75, 509 – 1162B, hier 949A – 949C. 51. Sed quia ipsi quoque derisores simplicium Christianitatis nomine censentur, reuerentia religionis pressi, exhibere malum publicae irrisionis erubescunt. Vnde fit ut apud se tumidi tacentesque derideant, quos abiectos valde atque infimos per simplicitatem putant. Bene ergo dicitur : Lampas contempta apud cogitationes diuitum, quia superbi quique, dum pensare bona sequentia, ut superius diximus, nesciunt, paene nihil aestimant, quem non uident habere quod amant. Saepe namque contingit ut electus quisque, qui ad aeternam felicitatem ducitur, continua hic adversitate deprimatur; non hunc rerum abundantia fulciat, non dignitatum gloria honorabilem ostendat, nulla ei obsequentum frequentia suppetat, nulla hunc humanis oculis uestium pompa componat. A cunctis uero despicabilis cernitur et huius mundi gratia indignus aestimatur. Sed tamen ante occulti iudicis oculos uirtutibus emicat, uitae meritis coruscat, honorari metuit, despici non refugit; corpus continentia afficit, sola in animo dilectione pinguescit, mentem semper ad patientiam praeparat et erectus pro iustitia, de perceptis contumeliis exsultat, afflictis ex corde compatitur, de bonorum prosperitatibus quasi de propriis laetatur; sacri uerbi pabula in mente sollicitus ruminat et inquisitus quodlibet eloqui dupliciter ignorat. Bene itaque iusti simplicitas et lampas esse dicitur, et contempta. Lampas, quia interius lucet; contempta, quia exterius non lucet.

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

[595] Papst Gregor I.: Moralia in Iob, lib. XXV, cap. 10, 26

461 85.189

Gregorius Moralia in Iob, lib. XXV, cap. 10 (CCSL 143B), S. 1251 f.; PL 76, 9A – 782A, hier 337C – 337D. Multos enim peste propriae prauitatis obsessos sub christiano nomine ipsa tranquillitas ecclesiasticae pacis abscondit. Quos tamen si leuis persecutionis aura pulsauerit, mox extra aream uelut paleas tollit. Quidam uero idcirco christianitatis uocatione signantur, quia christi nomine sublimiter exaltato, paene omnes iam uideri fideles aspiciunt; et pro eo quod hoc uocari alios cernunt, ipsi non uideri fideles erubescunt, sed esse neglegunt quod dici gloriantur. Rem enim uirtutis intimae ad decorem sumunt uisionis externae; et qui ante supernum iudicem nudi conscientiae infidelitate consistunt, ante humanos oculos professione sancta uerbo tenus palliantur.

[595] Papst Gregor I.: Moralia in Iob, lib. XXXIII, cap. 6,12

85.190

Gregorius Moralia in Iob, lib. XXXIII, cap. 6,12 (CCSL 143B), S. 1680 f.; PL 76, 9A – 782A, hier 677A – 677D.

Absorbebit fluuium et non mirabitur ; et habet fiduciam quod influat iordanis in os eius. […] Alios namque sub christianitatis nomine positos deuorat, quia in ipso eos fidei errore supplantat. Alios a rectitudine fidei nequaquam deuiat, sed ad usum prauae operationis inclinat. Alios quantum uult in operatione immunditiae inflectere non ualet; sed apud semetipsos intus in studio intentionis intorquet, ut dum a caritate mentem diuidunt, rectum non sit quicquid extrinsecus operentur. Et fidem tenent, sed uitam fidei non tenent, quia aut aperte illicita faciunt, aut ex peruerso corde quae agunt praua sunt, etiam si sancta uideantur. Quia enim nonnulli confitendo fideles sunt, non uiuendo, hinc est quod uoce ueritatis dicitur : non omnis qui dicit mihi: Domine, Domine, intrabit in regnum caelorum. Hinc rursum ait: quid autem uocatis me: Domine, Domine, et non facitis quae dico? Hinc Paulus ait: Confitentur se nosse deum, factis autem negant. Hinc Joannes dicit: Qui dicit se nosse eum, et mandata eius non custodit, mendax est. Hinc est quod de ipsa prima sua Dominus plebe conqueritur, dicens: Populus hic labiis me honorat; cor autem eorum longe est a me. Hinc etiam psalmista ait: dilexerunt eum in ore suo et lingua sua mentiti sunt ei.

595 Sept. Papst Gregor I. and Brunichild, Königin der Franken, Reg. VI, ep. 5

86.191

Gregorii Registrum Bd. 1, ep. VI,5 (MGH Epp. 1), S. 383 f.; Registrum VI,5 (CCSL 140), S. 372 f.; PL 77, 796C – 797C.

Gregorius Brunihildae Reginae Francorum excellentiae uestrae praedicandam ac deo placitam bonitatem et gubernacula regni testantur et educatio filii manifestat. Cui non solum incolumem rerum temporalium gloriam prouida sollicitudine conseruastis, uerum etiam aeternae uitae praemia prouidistis, dum mentem ipsius in radicem uerae fidei materna, ut decuit, et laudabili institutione plantastis. Vnde non immerito contigit ut cuncta gentium regna praecelleret, quippe qui earundem gentium creatorem et pure colit et ueraciter confitetur. Sed ut laudabilius in eo fides cum operibus enitescat, adhortationis uestrae eum uerba succendant, quatenus, sicut sublimem illum inter homines potentia regalis ostendit, ita

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ante deum magnum faciat bonitas actionis. Quia uero multarum rerum experimenta nos admonent de excellentiae uestrae christianitate confidere, idcirco paterno salutantes affectu quaesumus ut propter amorem beati petri apostolorum principis, quem toto uos scimus corde diligere, dilectissimum filium nostrum candidum presbyterum, praesentium portitorem, una cum patrimoniolo ad cuius eum gubernationem transmisimus auxilii uestri patrocinio foueatis, quatenus potestatis uestrae gratia roboratus patrimoniolum ipsum, quod pauperum constat expensis proficere, et salubriter regere et, si qua exinde ablata sunt, ad ius ipsius patrimonioli rationabiliter ualeat reuocare.

595 Sept. Papst Gregor I. an Theoctista, Reg. VI, ep. 17

87.192

Gregorii Registrum Bd. I, ep. VI,17 (MGH Epp. 1), S. 396 f.; Registrum VI,17 (CCSL 140), S. 387; PL 77, 809D – 810A. Gregorius theoctisto cognato imperatoris

scimus excellentiae uestrae christianitatem bonis intentam semper operibus et idcirco mercedis uobis causas, quas uos diligere certum est, prouidemus, ut nos uestris meritis prouidendo iungamus. Indicamus itaque iohannem presbyterum latorem praesentium liberum ab his quibus accusatus fuerat exstitisse. Cuius fidem facto concilio subtili examinatione, ut petiuit, perscrutantes nullam in eo culpam prauae confessionis inuenimus. Sed quia rectae fidei deo miserante professor ac cultor apparuit, nostra eum definitione absoluimus, praesertim cum accusatores ipsius quae esset marcianistarum quam memorabant haeresem se nescire professi sint. Eapropter paterno salutantes affectu, quaesumus ut fauoris uestri eum gratia tueri dignemini. Et ne quisquam illum frustra post hoc uelit affligere aut aliquam ei pro hac re quolibet modo molestiam irrogare, ita eum excellentiae uestrae defensio contra haec instantius pro sua mercede protegat ac defendat, ut nec hunc amplius tribulatio iniusta consumat et eius uobis uicem humani generis conditor et redemptor, quem sincera confessione colitis, inter bona plurima quae agitis recompenset.

596 Juli [23] Papst Gregor I. an Brunichild, Königin der Franken, Reg. VI, ep. 60 K: Ewald/Hartmann ep. 61 = Norberg ep. 60.

88.193 – 194

Gregorii Registrum Bd. 1, ep. VI,61 (MGH Epp. 1), S. 431 f.; Registrum VI,60 (CCSL 140), S. 433; PL 77, 842C – 843B. Gregorius Brunigildae reginae Francorum Excellentiae uestrae christianitas ita nobis ueraciter olim innotuit, ut de bonitate eius nullatenus dubitemus, sed magis certum modis omnibus teneamus quia in causa fidei deuote et studiose concurrat et religiosae sinceritatis suae solacia copiosissime subministret. Ex qua re bene confidentes, paterna caritate salutantes, indicamus ad nos peruenisse anglorum gentem deo annuente uelle fieri christianam, sed sacerdotes qui in uicino sunt pastoralem erga eos sollicitudinem non habere. Quorum ne animae in aeterna damnatione ualeant deperire, curae nobis fuit praesentium portitorem augustinum seruum dei, cuius zelum et studium bene nobis est cognitum, cum aliis seruis dei illic dirigere, ut per eos ipsorum potuissemus uoluntates addiscere et de eorum conuersione, uobis quoque annitentibus, in quantum est possibile, cogitare. Quibus etiam iniunximus ut ad agenda haec e uicino se cum debeant presbyteros ducere.

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

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Excellentia ergo uestra, quae prona in bonis esse consueuit operibus, tam pro nostra petitione, quam etiam diuini timoris consideratione eum dignetur habere in omnibus commendatum atque ei tuitionis suae gratiam uehementer impendat et labori eius patrocinii sui ferat auxilium et, ut plenissime possit habere mercedem, ad suprascriptam anglorum gentem eum sua tuitione securum ire prouideat, quatenus deus noster, qui in hoc uos saeculo bonis sibi placitis decorauit, ita et in aeterna requie cum suis uos sanctis faciat gratulari. Praeterea dilectissimum filium nostrum candidum presbyterum et patrimoniolum ecclesiae nostrae quod illic situm est uestrae christianitati commendantes, petimus ut tuitionis uestrae gratiam in omnibus consequatur.

596 Aug. Papst Gregor I. an Kaiser Maurikios, Reg. VI, ep. 64

89.195

Gregorii Registrum Bd. 1, ep. VI,61 (MGH Epp. 1), S. 436 f.; Registrum VI,64 (CCSL 140), S. 439 f.; PL 77, 848D – 849C, hier 849B – 89C; auch in PL 11, 1438A – 1438D, hier 1438C – 1438D.

Sed quia causa ipsa saecularis iudicis intererat, eosdem episcopos ad pietatis uestrae existimaui esse uestigia dirigendos, ut per semetipsos serenissimis auribus suggerant quae se fatentur pro fide catholica pertulisse. Eapropter obsecro ut dominorum Christianitas pro salute animae et uita piissimae subolis suae eos quos tales esse cognoscat, districta ulcisci iussione praecipiat et ruinam pereuntium ereptionis manu suspendat, atque insanis mentibus correptionis medicinam adhibeat et errorum ab eis morbos expellat, quatenus dum piae prouisionis uestrae remedio, pestiferae prauitatis fuerit caligo depulsa, et uera illic fides radios suae serenitatis asperserit, caelestis uos ante redemptoris nostri oculos triumphus exspectet, quia quos exterius ab hoste defenditis, etiam interius a diabolicae fraudis ueneno, quod est gloriosius, liberatis.

596 – 599 König Rekkardus an Papst Gregor I., Reg. IX, ep. 227

90.196

Gregorii Registrum Bd. 2, ep. IX,227 (MGH Epp. 2), S. 221; Concilios Visigûticos, ed. Vives, S. 145; PL 77, 997D – 998D, hier 998C – 998D.

Leandrum vero Spalensis ecclesiae sacerdotem tuae in Christo sanctitati cum omni veneratione commendo, quia per ipsum tua benivolentia nobis est lucidata; et dum cum eodem antestite de tua vita loquimur, in bonis actibus vestris nos minores esse censemus. Salutem vero tuam, reverentissime ac sanctissime vir, audire delector et peto tuae christianitatis prudentiae, ut nos gentesque nostras, quae nostro post Deum regimine moderantur et vestris sunt a Christo adquisitae temporibus, communi Domino tuis crebro commendes orationibus, ut per eandem rem quos orbis latitudo dissociat, vera in Deum acta caritas feliciter convalescat.

597 Sept. Papst Gregor I. an Brunichild, Königin der Franken, Reg. VIII, ep. 4

91.197 – 198

Gregorii Registrum Bd. 2, ep. VIII,4 (MGH Epp. 2), S. 5 f.; Registrum VIII,4 (CCSL 140A), S. 518 u. S. 520; PL 77, 951D – 955B, hier 951D – 952A u. 953A – 953B. Gregorius Brunigildae reginae francorum. Quanta in omnipotentis Dei timore excellentiae uestrae mens soliditate firmata sit, inter alia bona quae agitis, etiam in sacerdotum eius laudabiliter dilectione monstratis. Et magna nobis fit de christianitate uestra laetitia, quoniam, quos uenerantes ut famulos re uera Christi diligitis, augere honoribus studetis. […]

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Ut ergo haec vobis cura ante oculos creatoris nostri in fructu sit, christianitatis vestrae sollicitudo diligenter invigilet et nullum qui sub regno vestro est ad sacrum ordinem ex datione pecuniae vel quarumlibet patrocinio personarum seu proximitatis iure patiatur accedere, sed ille ad episcopatus vel alterius sacri ordinis officium eligatur, quem dignum et vita et mores ostenderint, ne, si, quod non optamus, honor venalis fuerit sacerdotis, simoniaca in illis paribus haeresis, quae prima in ecclesia prodiit, et patrum sententia est damnata, consurgat et regni vestri, quod absit, vires imminuat. Nam grave omnino et ultra, quam dici potest, facinus est spiritum sanctum, qui omnia redemit, venundare.

598 Nov.–Dez. Papst Gregor I. an Theudelinde, Königin der Langobarden, Reg. IX, ep. 67 92.199

Gregorii Registrum Bd. 2, ep. IX,67 (MGH Epp. 2), S. 87 f.; Paulus historia Langobardorum, lib. IV, cap. 9 (MGH SS rer. Germ. 48), S. 119; Registrum IX,68 (CCSL 140A), S. 624; PL 77, 975D – 976B. Gregorius Theolindae reginae Langobadorum. Quia excellentia uestra ad faciendam se pacem studiosius et benigne, sicut solet, impenderit, renuntiante filio nostro Probo abbate cognovimus. Nec enim aliter de christianitate uestra fuerat confidendum, nisi quia in causa pacis laborem et bonitatem vestram modis omnibus monastraretis. Unde omnipotenti Deo gratias agimus, qui ita cor uestrum sua pietate regit, ut, sicut rectam fidem tribuit, ita quoque placita sibi uos semper operari concedit. Non enim, excellentissima filia, de sanguine qui ab utraque parte fundendus fuerat parvam te credas acquisisse mercedem. Ex qua re uoluntati uestrae gratias referentes, Dei nostri misericordiam deprecamur ut bonorum uobis uicem in corpore et in anima hic et in futuro compenset.

599 Mai Papst Gregor I. an den Scholasticus Andreas, Reg. IX, ep. 151

93.200

Gregorii Registrum Bd. 2, ep. IX,151 (MGH Epp. 2), S. 151 f.; Registrum IX,152 (CCSL 140A), S. 707; PL 77, 775C – 776A.

Gregorius Andreae Scholastico Qualiter de gloriae vestrae debeamus sinceritate praesumere, cognitae devotionis qualitas, quam beato Petro apostolorum principi olim exhibuistis, ostendit. Cuius licet causis mente uos adesse promptissima confidamus, non tamen ab re est, si ea quae sponte agistis nostra ex abundanti epistola deposcamus. Atque ideo salutantes paternae caritatis affectu petimus, ut, quia latorem praesentium Castorium cartularium nostrum pro necessariis illic causis transmisimus, uestra eum ope in omnibus adiuuetis atque illi bonitatis uestrae consilio, quocumque necesse fuerit, concurratis, quatenus fultus christianitatis uestrae solacio ad explenda quae sibi iniuncta sunt sollers possit et idoneus inueniri. Sic etenim et uos quae uestra sunt facitis, et nos pro uobis enixius orare compellitis. Omnipotens Deus gratiae suae vos tuitione praemuniat, et ita actus vestros in suo sicut desideratis propitius timore disponat, ut a malis omnibus hic exuat, et ad gaudia vos aeterna perducat.

599 Juli Papst Gregor I. an Bischof Johann von Syrakus, Reg. IX, ep. 182 94.201

Gregorii Registrum Bd. 2, ep. IX,182 (MGH Epp. 2), S. 175; Registrum IX,183 (CCSL 140A), S. 739 f.; PL 77, 1103B – 1103C.

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

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Gregorius Iohanni episcopo syracusano Dum lator praesentium Crescentius vicarius noster, quem ad se filius noster gloriosissimus domnus Leontius exconsul praecepit occurrere, exire de saeptis venerabilibus dubitaret, ne qua per eum aliis fortasse excusatio nasceretur aut publica diceretur utilitas impediri, ei ut egredi debuisset, aequitatem servari permitti fecimus. Et ideo quia haec illi res, sicut iussus fuerat, illic suasit occurrere, fraternitas vestra ei salva ratione concurrat atque apud praedictum gloriosissimum filium nostrum agere cum ea qua consuevit caritate studeat, ut in nullo eum contra leges aut rationem patiatur aliquomodo praegravari, sed iustitiam ei, sicut christianitati eius convenit, in omnibus faciat custodiri, quatenus et ipse ad mercedem suam, quod aequitatis ordo exigit, videatur salubriter servasse, et hic se contra ea, quae promitti fecimus, gravari non sentiat.

599 Juli Papst Gregor I. an die Könige Theuderich II. u. Theudebert II., Reg. IX, ep. 226 95.202 Gregorii Registrum Bd. 2, ep. IX,226 (MGH Epp. 2), S. 218.; Registrum IX, 227 (CCSL 140A), S. 801 f.; PL 77, 1047A – 1048A, hier 1047B – 1048A.

[…] Quod si ita se ueritas habet, quoniam intolerabile nimis est, ut uirtute opprimeretur, cui culpa non nocuit, praemisso paterna caritate salutationis alloquio petimus, ut, quod excellentia uestra amore ecclesiasticae reuerentiae et aequitatis contemplatione sponte potest impendere, nostra studeat benignius intercessione concedere et iustitiam illi, sicut de aequitatis eius bono confidimus, faciat in omnibus custodiri atque patefacta ueritate et quod inlicite actum est corrigi et res ei uiolenter ablatas aequitate iubeat fauente restitui. Nec quod ad tempus eius ecclesia ab hostibus detinetur, aliquid illi debet officere, sed hoc ad subueniendum christianitatis uestrae magis magis que debet animos permouere, ut largitatis uestrae munere consolatus captiuitatis quae pertulit non possit damna sentire. Pro utilitate ergo animae uestrae haec apud uos nostra exhortatio locum inueniat, ut ad mercedem uestram deiectionem ipsius porrecta manu iustitiae releuetis, quatenus per hoc, quod aequitatem sacerdotibus custoditis, eorum precibus ante dei semper oculos floreatis.

601 Juni Papst Gregor I. an Bertha, Königin der Engländer, Reg. XI, ep. 35

96.203

Gregorii Registrum Bd. 2, ep. XI,35 (MGH Epp. 2), S. 304 f.; Registrum XI,35 (CCSL 140A), S. 923 f.; PL 77, 1141D – 1142D, hier 1142B – 1142D.

Itaque mentem gloriosi coniugis uestri in dilectione christianae fidei adhortatione assidua roborate, uestra illi sollicitudo augmentum in Deum amoris infundat atque ita animos eius etiam pro subiectae sibi gentis plenissima conuersione succendat, ut et magnum omnipotenti Domino de deuotionis uestrae studio sacrificium offeratis et ea quae de uobis narrata sunt et crescant et uera esse modis omnibus adprobentur, quia bona uestra non solum iam apud Romanos, qui pro uita uestra fortius orauerunt, sed etiam per diuersa loca et usque Constantinopolim ad serenissimum principem peruenerunt. Vnde sicut nobis de christianitatis uestrae solaciis laetitia facta est, ita quoque de perfecta operatione uestra angelis fiat gaudium in caelis. Sic uos in adiutorio suprascripti reuerentissimi fratris et coepiscopi nostri et seruorum Dei quos illic misimus, in conuersione gentis uestrae deuote ac totis uiribus exhibete, ut et hic

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feliciter cum glorioso filio nostro coniuge uestro regnetis et post longa annorum tempora futurae quoque uitae gaudia, quae finem habere nesciunt, capiatis. Oramus autem omnipotentem Deum, ut gloriae vestrae cor et operanda quae diximus gratiae suae igne succendat et aeternae mercedis fructum vobis de placita sibi operatione concedat.

601 Juni 22 Papst Gregor I. an Brunichild, Königin der Franken, Reg. XI, ep. 48 97.204

Gregorii Registrum Bd. 2, ep. XI,48 (MGH Epp. 2), S. 320 f.; Registrum XI,48 (CCSL 140A), S. 946 f.; PL 77, 1181C – 1182B.

Gregorius Brunigildae reginae Francorum. Gratias omnipotenti Deo referimus, qui inter caetera pietatis suae dona, quae excellentiae vestrae largitus est, ita vos amore christianae religionis implevit, ut, quidquid ad animarum lucrum, quidquid ad propagationem fidei pertinere cognoscitis, devota mente et pio operari studio non cessetis. Quanto autem fauore quanta que opitulatione excellentia uestra reuerentissimum fratrem et coepiscopum nostrum augustinum proficiscentem ad anglorum gentem adiuuerit, nec ante silentio fama conticuit et postea quidam ab eo ad nos monachi redeuntes subtiliter retulerunt. Et quidem haec de christianitate uestra mirentur alii, quibus beneficia uestra adhuc minus sunt cognita; nam nobis, quibus experimentis iam nota sunt, non mirandum est sed gaudendum, quia per hoc quod aliis impenditis uos iuuatis. Qualia igitur quanta que in conuersione suprascriptae gentis redemptor noster fuerit operatus miracula, excellentiae uestrae iam notum est.

603 Dez. Papst Gregor I. an Königin Theudelinde, Reg. XIV, ep. 12

98.205

Gregorii Registrum Bd. 2, ep. XIV,12 (MGH Epp. 2), S. 431; Registrum XIV,12 (CCSL 140A), S. 1082; PL 77, 1314B – 1317A, hier 1314B – 1315A.

Gregorius Theodelindae Reginae Scripta quae ad nos dudum a Genuensibus partibus transmisistis gaudii uestri nos fecere participem, propter quod omnipotentis Dei gratia et filium uobis donatum et, quod ualde est excellentiae uestrae laudabile, catholicae eum fidei cognouimus sociatum. Nec enim de christianitate uestra aliud credendum fuerat, nisi id studere uos, ut quem diuino munere suscepistis, catholicae rectitudinis auxilio muniretis, ut et redemptor noster familiarem te suam famulam cognosceret et Langobardorum genti nouum regem in timore suo feliciter enutriret. Vnde oramus omnipotentem Deum ut et uos in mandatorum suorum uia custodiat et eundem excellentissimum filium nostrum Adalouualdum in suo faciat amore proficere, quatenus, sicut hic inter homines iam magnus est, sic quoque et bonis actibus ante Dei nostri oculos sit gloriosus.

[603 ?] Papst Gregor I. an Bischof Felix von Messina

99.206

K: Die PL gibt lib. XIV,17 an, der Brief ist aber in CCSL und MGH nicht enthalten.

Sancti Gregorii Registri epistolarum, lib. XIV, ep. 17, in: PL 77, hier 1323A – 1328C, hier 1326A – 1326B. Progentem vero suam unumquemque de his qui fideliter edocti sunt, et jam firma radice plantati stant inconvulsi, usque ad septimam observare decernimus genera-

Phase 2: Spätantike (491 – 605)

467

tionem. Et quandiu se affinitate agnoscunt propinquos, ad hujus copulae non accedere societatem praesumant, »nec eam quam aliquis ex propria consanguinitate conjugem habuit, vel aliqua illicita pollutione maculavit, in conjugium ducere ulli profecto licet Christianorum vel licebit, quia incestuosus est talis coitus et abominabilis Deo, et cunctis bonis hominibus. Incestuosos vero nullo conjugii nomine deputandos a sanctis Patribus dudum statutum esse legimus.« Ideo nolumus nos in hac re a vobis sive a caeteris fidelibus reprehendi, quia quod in his Anglorum genti indulsimus, non formam dando, sed considerando ne Christianitatis bonum quod coeperant imperfectum dimitterent egimus.

468

Quellensynopsis

Phase 3: Spätantike (606 – 740) Von der Mission in Kent bis zur Mission in Germanien 604 [April 28] König Æthelberht für den hl. Andreas und seine Kirche in Rochester

100.207

S 1, abgerufen unter http://www.esawyer.org.uk/charter/1.html (4. 12. 2014) mit Angaben zu Mss. und Edd.

[…] Hic est terminus mei doni. Fram suÅgeate west andlanges wealles oÅ norÅlanan to stræte. 7 swa east fram st›r‹æte oÅ Doddinghyrnan ongean bradgeat. Siquis uero augere uoluerit hanc ipsam donationem; augeat illi dominus dies bonos. Et si presumpserit minuere aut contradicere; in conspectu dei sit damnatus et sanctorum eius hic et in eterna secul. nisi emendauerit ante eius transitum quod inique gessit contra Christianitatem nostram. Hoc cum consilio Laurentii episcopi et omnium principum meorum signo sancte crucis confirmaui. eosque iussi ut mecum idem facerent. Amen.

610 Februar 27 Papst Bonifatius IV. vom Konzil in Rom D: nach der PL.

101.208

Bonifatii papae scripta, decretum synodi, in: PL 80, 103C – 106C, hier 104D – 105B. Quomodo liceat monachis cum sacerdotali officio ubiubi ministrare. Sunt nonnulli fulti nullo dogmate, audacissime quidem, zelo magis amaritudinis quam dilectione inflammati, asserentes monachos, quia mundo mortui sunt, et Deo vivunt, sacerdotalis officii potentia indignos, neque poenitentiam, neque Christianitatem largiri, neque absolvere posse per sacerdotali officio divinitus injunctam potestatem: sed omnino labuntur. Nam si ex hac causa veteres aemuli vera praedicarent, apostolicae compar sedis beatissimus Gregorius monachico cultu pollens ad summam nullatenus apicem conscenderet. Quoniam quidem haec ostiatim fungendi, ligandi, solvendique potestas a Deo summa conceditur. Augustinus quoque ejusdem sanctissimi Gregorii discipulus, Anglorum praedicator egregius, ac Pannoniensis Martinus beatissimus, cujus sanctitatis fama longe lateque diffusa totus personat mundus; alii quoque jam plurimi sanctissimi pretiosissimo monachorum habitu fulgentes nequaquam annulo pontificali subartarentur, si quia monachi fuerunt praedictis uti prohiberentur.

610 Februar 27 Papst Bonifatius IV. an Æthelberht, König von Kent

D: Laut PL ist dieser von derselben Synode verschickt worden wie Nr. 101.208.

102.209

Bonifatii papae scripta, ep. ad Athelberhtum, in: PL 80, 103C – 106C, hier 106A – 106C. Domino excellentissimo atque praecellentissimo regi Anglorum Athelberto Bonifacius episcopus servus servorum Dei. Dum Christianitatis vestrae integritas ita circa conditoris sui cultum excreverit, ut longe lateque resplendeat, et in omni mundo annuntiata, vestrae Deo dignae operationis augmenta referat; enormes largitori omnium bonorum Deo grates exsolvimus, qui vos de excelso prospexit, et in tanto virtutum culmine erexit. Quapropter, gloriose fili, quod ab apostolica sede per coepiscopum nostrum Mellitum postulastis, libenti

Phase 3: Spätantike (606 – 740)

469

animo concedimus: id est, ut vestra benignitas in monasterio in Dorovernensi civitate constituto, quod sanctus doctor vester Augustinus, beatae memoriae Gregorii discipulus, sancti Salvatoris nomini consecravit, cui ad praesens praeesse dignoscitur dilectissimus frater noster Laurentius, licenter per omnia monachorum regulariter viventium habitationem statuat: apostolica auctoritate decernentes, ut ipsi vestrae salutis praedicatores monachi, monachorum gregem sibi associent, et eorum vitam sanctam tum moribus exornent.

[619 – 625] Papst Bonifatius V. an Königin Aethelburg

103.210

D: Der Text ist undatiert, weshalb hier die Pontifikatszeit des Bonifatius (23. Dezember 619 – 25. Oktober 625) angegeben wird.

Bonifacii V Romani Pontificis epistolas tres, ep. III, ad Edelburgam Eduvini regis coniugem, in: PL 80, 438C – 440C, hier 439A – 439B. Cumque de glorioso conjuge vestro paterna charitas sollicite perquisisset, cognovimus quod eatenus abominandis idolis serviens ad suscipiendam vocem praedicatorum suam distulerit obedientiam exhibere. Qua ex re non modica nobis amaritudo congesta est, ab eo quod pars corporis vestri ab agnitione summae et individuae Trinitatis remansit extranea. Unde paternis officiis vestrae gloriosae Christianitatis nostram commonitionem non distulimus conferre, adhortantes quatenus divinae inspirationis imbuta subsidiis importune et opportune agendum non differas, ut et ipse Salvatoris nostri Domini Jesu Christi cooperante potentia Christianorum numero copuletur, ut perinde intemerato societatis foedere jura teneas maritalis consortii. Scriptum namque est: Erunt duo in carne una. Quomodo namque unitas vobis conjunctionis inesse dici poterit, si a vestrae fidei splendore interpositis detestabilis erroris tenebris remanserit ille alienus? Unde orationi continuo insistens, a longanimitate coelestis clementiae illuminationis illius beneficia impetrare non desinas.

[624] Papst Bonifatius V. an Erzbischof Justus von Canterbury D: Bonifatius verlieh Justus von Canterbury das Pallium 624.

104.211

Bonifatii V Epistola ad Justum archiepiscopum cantuariensem, in: PL 80, 439C – 440D, hier 439D – 440D. Dilectissimo fratri Justo, Bonifacius episcopus servus servorum Dei. […] Cognovi siquidem in vestris syllabis ut sanctae recordationis praedecessor noster Gregorius constituit Augustino et omnibus successoribus suis, in posterum metropolitanam et primitivam sedem in civitate Dorobernia, ubi caput totius gentis Anglorum a diebus paganorum habetur. At vero nunc per revelationem Jesu Christi, qui est origo et caput totius Christianitatis, eadem civitas exaltatur, et orthodoxa fides, quae est radix nobilissima, ibidem collocatur, ut ex illa segete uberrimum fructum boni operis ad pabulum coelestis patriae omnem insulam metiri queant. O quam felix illa civitas quae meruit in se Christum habitatorem habere, expulsis antiqui hostis insidiis! Felix illa civitas, felix et tota gens, cum illa superna misericordia visitare non dedignata sit, quos ante mundi creationem praedestinaverat sibi sociare! Quare absit ab omni Christiano ut ex illa civitate Dorobernia aliquid minuatur aut in aliud mutetur nunc, vel in futuris temporibus, quae a praedecessore nostro domino papa Gregorio statuta sunt, quoquo modo res humanae quassentur. Sed magis ex auctoritate beati Petri aposto-

470

Quellensynopsis

lorum principis id ipsum praecipientes firmamus, ut in Dorobernia civitate semper in posterum metropolitanus totius Britanniae locus habeatur, omnesque provinciae regni Anglorum praefati loci metropolitanae ecclesiae subjiciantur, immutilata perpetuaque stabilitate decernimus. Hanc autem ecclesiam, utpote specialiter consistentem sub potestate et tuitione sanctae Romanae Ecclesiae, si quis conatus fuerit imminuere, eique de concessae potestatis jure quidquam abstulerit, auferat eum Deus de libro vitae, sciatque se sub anathematis vinculis esse notatum. Deus te incolumem custodiat, reverendissime frater.

[624 nach] Isidor von Sevilla: Mysticorum Expositiones, in Gen. Cap. 3,6

105.212

K: Dieser Text ist den Commentarii in Genesim in tres libros distributi, lib. I, vers 19 (PL 50, 908D – 909A) sehr ähnlich. Es wirkt, als wäre der hier vorliegende Text eine verkürzte Fassung von PL 50. Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Uetus Testamentum, in Genesim, cap. 3,5 – 8 in: PL 83, 207B – 424D, hier 217A – 217B. 6. Faciamus ei adjutorium simile sui, quia in ipso homine suscepto Ecclesia Deo copulata est. Appellavit autem Adam nominibus suis cuncta animantia, et volatilia caeli, et bestias terrae, significans gentes, quae salvae fierent in Ecclesia, et per Christum nomen Christianitatis erant accepturae, quod prius non habuerant, sicut scriptum est: Et vocabo servos meos nomine alio. 7. Adae vero non inveniebatur adjutor similis ejus. Utique quoniam quamvis fidelis aut justus sit quisque, Christo tamen aequari non potest. Quis enim, inquit Moyses, similis tibi in diis, Domine? nam et David ait: Speciosus forma prae filiis hominum. Nemo enim poterat a morte genus humanum liberare, et ipsam mortem superare, nisi Christus, […].

[625 – 633] Papst Honorius I. an Edwin, König von Northumbrien

D: nach dem Pontifikat Honorius I. (625 – 633).

106.213

Honorii papae I epistolae, ep. VI ad Edwinum Regum Angliae, in: PL 80, 476B – 477A, hier 476B; zugleich in Beda, Historia ecclesiastica II, 17,2 – 3 (SC 489), S. 382 u. S. 384. Domino excellentissimo atque praecellentissimo filio Eduino regi Anglorum Honorius episcopus servus servorum Dei salutem. Ita Christianitatis vestrae integritas circa conditoris sui cultum fidei est ardore succensa, ut longe lateque resplendeat, et in omni mundo annuntiata, vestri operis multipliciter referat fructum. Sic enim vos reges esse cognoscitis, dum regem et creatorem uestrum orthodoxa praedicatione edocti Deum venerando creditis, eique, quod humana ualet condicio, mentis uestrae sinceram deuotionem exsoluitis. Quid enim Deo nostro aliud offerre ualebimus, nisi ut in bonis actibus persistentes, ipsumque auctorem humani generis confidentes, eum colere, eique uota nostra reddere festinemus.

[625 nach] Vita Gaugerici, cap. 1

107.214

D: Gaugerich (frz. G¦ry), Bischof von Cambrai, starb um 625 in Cambrai. Die Vita (BHL 3286) soll wenige Zeit danach verfasst worden sein. Vita Gaugerici ep. Camaracensis, cap. 1 (MGH SS rer. Merov. 3), S. 652; nicht in der PL.

Phase 3: Spätantike (606 – 740)

471

(1). Igitur beatissimus Gaugericus episcopus Germani oppido Ebosio castro oriundus fuit parentibus secundum saeculi dignitatem non primis, non ultimis, Romanis nationes, christianitates vero religionem. Integritate colens, genitor eius Gaudentius, genetrix vero sua Austadiola nomen accepit.

[7. Jh. 1. Hälfte] Anonymus: Glosa Psalmorum, Ps. 30, 12

108.215

D: nach Boese, S. 10*–13*, der sich auch für die Provence als Herkunftsort ausspricht, S. 12*. Sie hat eine breite Verbreitung gefunden, S. 13*.

Anonymi Glosa psalmorum ex traditione seniorum, Teil 1: Praefatio und Psalmen 1 – 100, Ps. 30,12, ed. Boese, S. 128 f.; Auctor incertus (Pseudo–Hieronymus), Breviarium in Psalmos, Ps. 30, in: PL 26, 821C – 1278D, hier 909A – 909B, mit dem dieser Text übereinstimmt. 30,12 Factus sum opprobrium uicinis meis: uox Christi, et uox ecclesiae. Domino Iudaei multa opprobria dixerunt, et heretici et persecutores, dicunt ecclesiae. Nimium et timor notis meis, id est apostolis qui timuerunt in passione. Vel ›noti‹ ecclesiae mali christiani, qui dicunt se credere deum et operibus negant et despiciunt uitam sanctorum. Uicini dicuntur per fidem et noti propter christianitatem. Qui uidebant me, foras fugiebant a me, id est, apostoli qui uiderunt Christum comprehendi in passione, et relicto eo fugerunt. Aliter : Iudaei fugerunt sacramenta mysterii ecclesiae id est corpus et sanguinem Christi.

[628 nach] Vita Amati abb. Habendensis, cap. 2

109.216

D: Die Vita ist von einem Anonymus einige Zeit nach dem Tod des Amatus verfasst worden. So Codaghengo, (Art.) Amato, Sp. 938 f. Vita Amati abb. Habendensis, cap. 2 (MGH SS rer. Merov. 4), S. 215 – 221, hier S. 216; nicht in der PL. (2) Ille a denique temporibus Dagoberti regis sicut moribus egregius, ita in cunctis sanctitate, nomine et actu Amatus fuit. Nobilibus natus parentibus, ex Romana oriens styrpe, in suburbano Gracianopolitanae civitatis preclarae indolis puer exortus est, patre videlicet nomine Hiliodoro, summae christianitatis religioni innixo. Cum ergo esset vir devotissimus, filium Amatum ut monasticis traderet excubiis devovit, atque beati Mauricii liminibus mancipandus adolescens tamquam munus Deo acceptabile offertur. Haut mora post temporis spatium a primevo inter primatos imbutus, primus in bonis habetur.

[630 um] Isidor von Sevilla: Etymologiarum lib. VI, cap. 16,1 – 4

110.217

D: Fontaine, Isidore, S. 436, entstanden die Etymologien in vier Schritten zwischen 620 und 636.

Isidor von Sevilla, Etymologiarum sive Originum libri XX, lib. VI de libris et officiis ecclesiasticis, cap. 16 De canonibus conciliorum, ed. Lindsay ; PL 82, 73 – 728C, hier 243A – 243B. 1 De canonibus conciliorum. Canon autem Graece, Latine regula nuncupatur. Regula autem dicta quod recte ducit, nec aliquando aliorsum trahit. Alii dixerunt regulam dictam vel quod regat, vel quod normam recte vivendi praebeat, vel quod distortum

472

Quellensynopsis

pravumque quid corrigat. 2 Canones autem generalium conciliorum a temporibus Constantini coeperunt. In praecedentibus namque annis, persecutione fervente, docendarum plebium minime dabatur facultas. 3 Inde Christianitas in diversas haereses scissa est, quia non erat licentia episcopis in unum convenire, nisi tempore supradicti imperatoris. Ipse enim dedit facultatem Christianis libere congregare. 4 Sub hoc etiam sancti Patres in concilio Nicaeno de omni orbe terrarum convenientes, iuxta fidem evangelicam et apostolicam, secundum post Apostolos symbolum tradiderunt.

[630 um] Isidor von Sevilla: Etymologiarum lib. X, s.v. I, 132

110.218

Isidor von Sevilla, Etymologiarum sive Originum libri XX, lib. X VOCUM CERTARUM ALPHABETUM s.v. I, 132, ed. Lindsay ; PL 82, 73 – 728C, hier 381A – 381B.

Iniquus proprie dictus quia non est aequus, sed inaequalis est. Inter impium autem et iniquum hoc distare nonnumquam solet, quia omnis impius iniquus, non tamen omnis iniquus est impius. Impius namque pro infideli ponitur : et dictus impius quod sit a pietate religionis alienus. Iniquus vero dicitur pro eo quod non est aequus sed pravis operibus maculatur, vel [si] Christianitatis nomine censeatur.

[632 um] Vita Rusticulae sive Marciae abb. Arelatensis, cap. 1

111.219

Florentius Tricastinus (?), Vita Rusticulae sive Marciae abb. Arelatensis, cap. 1 (MGH SS rer. Merov. 4), S. 340; nicht in der PL.

INCIPIT VITA. (1). Clarissimis igitur orta natalibus Valeriano et Clementia coniugibus Romanis, cultum christianitatis cum summa veneratione colentibus, commorantibus eisdem in agro Hebocasiaco, qui est situs in territorio Vasionensi, factum est, ut nasceretur eis filius, et non multo post tempore dedit eis Dominus hanc sacratissimam prolem Rusticulam. Contigit autem, ut eadem die qua haec nata est pater eius de hac luce migraverit. Transactis igitur non plurimis diebus defunctus est et parvulus; postmodum vero mater, viduitatis veste contecta, tristitiam, quam coniugis amissione vel filii adsumpserat, per hanc prolem fecunditatis suae utero editam consolabatur.

633

IV. Konzil von Toledo, cap. 57

112.220

K: Der Text findet sich leicht verändert auch in Pseudo-Isidor wieder. Vgl. dort das IV. Konzil von Toledo (http://www.pseudoisidor.mgh.de/html/108.htm, eingesehen am 4. 12. 2014)

Concilio de Toledo IV, cap. 57, in: Concilios Visigûticos, ed. Vives, S. 210 f.; PL 84, 363C – 390A, hier 379D – 380A. LVII. [De discretione iudaeorum qui non vel qui credere vi cogantur.] De iudaeis autem hoc praecepit sancta synodus nemini deinceps ad credendum vim inferre, cui enim vul[t] Deus miseretur et quem vult indurat; non enim tales inviti salvandi sunt sed volentes, ut integra sit forma iustitiae: sicut enim homo proprii arbitrii voluntate serpenti obediens periit, sic vocante gratia Dei propriae mentis conversione homo quisque credendo salvatur. Ergo non vi sed liberi arbitrii facultate ut convertantur suadendi sunt, non potius impellendi. Qui autem iam pridem ad christianitatem venire coacti sunt, sicut factum est temporibus religiosissimi principis Sisebuti, quia jam constat eos sacramentis divinis associatos et baptismi gratiam suscepisse et chrismate unctos esse et corporis Domini et sanguinis exstitisse parti-

Phase 3: Spätantike (606 – 740)

473

cipes, oportet ut fidem etiam quam vi vel necessitate susceperunt tenere cogantur, ne nomen Domini blasphemetur, et fides quam susceperunt vilis ac contemptibilis habeatur.

[641 nach] Eligius, Bischof von Noyon, Predigt 16

113.221

D: Eligius wurde 640 Bischof von Noyen-Tournai und 641 zeitgleich mit seinem Freund Audoenus, Bischof von Rouen, geweiht. Eligius von Noyon, Homilia XVI, in: PL 87, 650B – 654A, hier 650B – 650D.

Fratres charissimi, Spiritus sanctus per Isaiam prophetam, sacerdotibus et levitis, omnibusque doctoribus Ecclesiae praecipit dicens: Clama, ne cesses, quasi tuba exalta vocem tuam, et annuntia populo meo scelera eorum, et domui Jacob peccata eorum; Et per Ezechielem prophetam: Si, inquit, non annuntiaveris iniquo iniquitatem suam, sanguinem ejus de manu tua requiram. Sed quia multi qui intra matris Ecclesiae viscera sunt, catholici videntur et Christianitatis nomine censentur, ita in exterioribus dati, ut nec veram fidem Christianorum retineant corde, neque bonis operibus se esse Christianos ostendant: nesciunt enim sacramentum hujus nominis ac virtutem; et quoniam nomen Christianum a Christo Dei Filio vocabulum sumpsit, et per sanctos praedicatores crescendo usque in ultimos fines terrae pervenit, idcirco tam doctoribus quam auditoribus scire necesse est ob quam causam Dei Filius, qui verus est Deus ex Deo Patre, in hunc mundum venerit et veram carnem nostrae similem, ex substantia Mariae virginis absque peccato susceperit, et divinitati suae univerit; ut qui erat ex Patre (ut dictum est) verus Deus, ipse fieret ex matre verus homo unus atque idem; non admittendo quod erat, sed assumendo quod non erat, ipse in assumpta humanitate propter unctionem Spiritus sancti Christus est appellatus, a quo omnes credentes in eum per baptismum regenerati, Christiani sunt appellati.

648 (†?) Papst Martin I.: Privileg für das Kloster Rebais

114.222

D: nach der Quelle. Da aber sowohl die Datierungszeile des Privilegs fehlerhaft zu sein scheint, als auch die Verwendung der christianitas außergewöhnlich ist, scheint es sich um eine Fälschung zu handeln.

Sancti Martini papae I privilegia tria, privilegium primum, in: PL 87, 205A – 208B, hier 206C – 207A. Qui vero de his quae modo possident, aut certe quocunque ingenio in futurum juste possessuri sunt, minuere aut aufferre quolibet modo praesumserit, excommunicationis anathemate perculsus, sciat se procul dubio, absque ullo absolutionis genere, Dei et sancti Petri omniumque sanctorum, cunctorumque ad hanc apostolicam sedem pertinentium authoritate sine fine condemnatum. Dicendum vero est quid de sacris ordinibus haec sancta et apostolica sedes statuerit. Abbas, monachique ipsius coenobii ordinentur et consecrentur a quocumque episcopo sanctae romanae Ecclesiae voluerint subjecto, sive in eodem loco ab episcopo ab eis convocato, seu in ipsius sede episcopatus. Sanctum vero chrisma et oleum caeteraque sanctae christianitatis necessaria a quo voluerint accipiant; et cuncta quae utilitatis sunt Ecclesiae sanctae, ut est dedicatio monasterii, consecratio altaris, benedictio abbatis, et caetera omnia, cui voluerint, impleri faciant. Quemcumque vero episcoporum pro bis omnibus expetierint, nostra authoritate suffultus, negare non praesumat.

474

Quellensynopsis

[649] Papst Martin I. an Amandus, Bischof von Maastricht D: Krusch und Migne datieren den Brief auf 649.

115.223

Brief des Papstes Martinus in der Vita Amandi ep. II auctore Milone (MGH SS rer. Merov. 5), S. 456; PL 87, 135A – 138C, hier 138A – 138B, u. auch PL 130, 1145A – 1147C hier 1147A – 1147B. Idcirco studeat fraternitas tua omnibus eadem innotescere, ut tam abominandam heresem nobiscum exsecrentur, quam suae salutis sacramenta indiscere valeant, atque synodale conventione omnium fratrum et coepiscoporum nostrorum partium illarum effecta, secundum tenorem encycliae a nobis directae scripta una, cum subscriptiones vestras nobismet destinanda concelebrent, confirmantes atque consentientes eis, quae pro orthodoxe fide et destructione haereticorum vaesaniae nuper exortae a nobis statuta sunt. Et Sigebertum, praecellentissimum filium nostrum, regem Francorum pro suae christianitatis remedio consultissime ammonere atque praecare, dirigere nobis ex corpore fratrum nostrorum dilectissimos episcopos, qui sedis apostolicae legatione, divina concedente propiciatione, fungere debeant, et quae in nostro concilio peracta sunt cum has synodales apices nostras ad clementissimum principem nostrum sine dubio asportare faciemus, ut nostrorum laborum particeps effectus, mercedis cumulum adipisci valeat et sui regni protectorem invenire eum, cuius causa flagitari dinoscitur. Hoc namque et in eius epistola exortare eum cognoscimus.

[658 vor] Gesta Theoderici Regis, cap. 18

116.224

D: Da die Gesta vom sog. Fredegar herangezogen wurden, ist eine Abfassung vor 658/60 anzunehmen, wenn man der Interpretation folgt, dass hinter diesem Fredegar nur ein Verfasser steht. Gesta Theoderici Regis (MGH SS rer. Merov. 2), S. 208 f.; nicht in der PL.

(18). Anno dominicae incarnationis quingentesimo quinto decimo Iohannes natione Tuscus, ex patre Constantio, sedit Romae post Hormisdam papam annos duos, menses novem, dies sedecim a consulatu Maximi usque ad consulatum Olibrii temporibus Theoderici regis et Iustini augusti christianissimi. Hic vocatus a rege Theoderico in Ravennam, missus est ab eo in legatione Constantinopolim ad Iustinum imperatorem orthodoxum, quem audierat ardore et amore religionis christianae velle hereticos extirpare et e˛cclesias Arrianorum summo fervore christianitatis catholicas consecrare; dans eidem in mandatis, ut redderentur ecclesiae hereticis in partibus Orientis; quod si non, omnem Italiam gladio deleret et extingueret. Dum igiter venisset Constantinopolim Iohannes papa et una cum eo Theodorus, Importunus, Agapitus exconsules et alius Agapitus patricius, occurrit eis ab urbe miliario quinto decimo omnis civitas cum cereis et crucibus in honorem beatorum apostolorum Petri et Pauli, quia veteres Grecorum hoc testificabantur, dicentes, a tempore Constantini augusti et beati Silvestri sedis apostolicae episcopi temporibus tantum Iustini augusti meruisse partes Greciarum beati Petri apostoli vicarium suscepisse.

[660 um] Fredegar Scholasticus, Capitolares lib. III

117.225

D: Die Datumsangabe richtet sich nach Nonn, (Art.) Fredegar, S. 884; siehe Wood, Fredegar’s Fables, S. 365.

Phase 3: Spätantike (606 – 740)

475

K: Aus dem Inhaltsverzeichnis des sog. Fredegar. Die Kapitelüberschrift wiederholt sich nicht im Text, so wie sich auch das Wort selbst nicht wiederholt, siehe ebd. S. 101. Chronicarum quae dicuntur Fredegarii Scholastici libri quarti (MGH SS rer. Merov. 2), S. 90; PL 71, 573B – 604C, hier 575B. XX. De conjunctione Chrotechildae et Chlodovei. XXI. De initio christianitates Chlodovei per beatum Remedium, qui eum baptizavit.

[670 – 680] Vita des Heiligen Eligius, Bischof von Noyon, cap. 15

118.226

D: M¦riaux, Vie de saint Êloi, hält die Argumentation von Krusch über die fehlende Authentizität der Vita für falsch, den Text für authentisch und aus den 670er Jahren stammend und vom heiligen Ouen, Bischof von Rouen, verfasst. Die älteste Vita ist allerdings im 9. Jahrhundert überarbeitet worden, wie Poulin, (Art.) Eligius, Sp. 1830, hervorhebt. K: Der Text in der PL stimmt nicht mit dem Text der Vita Eligii (MGH SS rer Merov. 4), S. 663 – 761, überein. S. Eligii Episocopi Noviomensis Vita a sancto Audoeno Rothomagensi episcopo scripta, cap. 15: Quibus monitis exhortans evangelizabat populo, in: PL 87, 524D – 550C, hier 539B – 539C. Redite, praevaricatores, ad cor quiescite agere perverse, discite benefacere; succurrite oppresso, defendite pauperem, et viduam, et pupillum, et advenam nolite calumniari. Haec ergo, fratres, in mente retinete, haec magnopere custodire festinate; pugnate ut, separati a diabolo, conjungamini Deo qui vos redemit: stupeant gentes de vestra conversatione, et si detrahant vobis, etiam et irrideant Christianitatis vos opera sectari, ne conturbemini ex hoc: reddent enim rationem Deo. Totam ergo spem vestram in Christi misericordia ponite, et non solum ab actu impudico, sed etiam cogitationibus sordidis vestras animas custodite, quia Dominus Deus justus judex, et de cogitationibus malis judicat.

[673 nach] Erzbischof Julian von Toledo: Historia Wamba regis, Insultatio cap. 2

119.227

D: Erzbischof Julian von Toledo (reg. 680 – 690) hat die »Historia Wambae regis« nach 673 geschrieben. Insultatio vilis storici in tyrannidem Galliae, in: Historia Wambae regis auctore Iuliano episcopo Toletano (MGH SS rer. Merov. 5), S. 526; PL 96, 797B – 800D, hier 797C – 797D.

(2) Nec tamen ista faciens tanti immanitate facinoris contremescis, sed super haec omnia Iudaeorum consortiis animaris, quorum etiam infidelitatem, si libens adtendis, iam in tuis transisse filiis recognoscis, dum hii, qui in te christianitatis titulo praefulgebant, ad Hebraeorum probati sunt transisse perfidiam; eorum enim te semper iudiciis committebas, quorum iam a Deo reprobata corda cognoveras. Et qualiter Iudaeorum a te poterant infausta venerari sacraria, in quibus tam instanter salutis tuae conlocaveras curam? Agnosce, misera, agnosce quid feceris! Sufficiat tibi inter febres amisisse memoriam. Nunc iam, depulsa febrium labe, nutricem te scandali a recognosce, fomitem mali, matrem blasfemantium, novercam infidelium, negotiorum

476

Quellensynopsis

privignam, prostibulorum materiam, pro ditionis speleum, fontem perfidiae, animarum interemptricem.

[?] Pseudo-Gregor von Tours, Geschichte der Sieben Schläfer

120.228

D: Aus dem Anfang der Geschichte der Sieben Schläfer. Lateinische Übersetzung von Gregor von Tours (nach dem griechischen Urtext?) Da dieser Text nicht mit der Fassung übereinstimmt von Gregor von Tours (MGH SS rer Merov. 1, 848 – 853) wird die Zuordnung zu Gregor nicht stimmmen. Historia septem dormientium, in: PL 71, 1105D – 1118A, hier 1114A – 1114C. Vivebant in coenaculo constituti sine querela, tam Deo quam hominibus placentes, uxorum et liberorum grato consortio carentes, coelibemque vitam actitare satagentes. De reliquiis autem ciborum suorum, ad quascunque partes deferrentur, vel a quibuscunque infirmis sumerentur, qualicunque infirmitate tenerentur, protinus sanabantur. Quamobrem primo ex adjacenti provincia, postmodum ex omni regione illa pene universi venientes, illos sicut prophetas Dei venerabantur. Ex quibus multi praedicatione eorum fidem ipsorum imitantes, Christianitati subjiciebantur, et veterem hominem exuentes, novum, qui secundum Deum creatus est, induebantur. Denique omnes eos et obsequiis et multis donativis venerabantur. Caeterum principes, tribuni et milites Christiani, Judaei et gentiles eos visitabant, reverebantur et excolebant. Qua de re servi Dei permoti, inani gloriae et ambitioni hujus saeculi subjici timentes, fugae latibulum expetentes, patriam relinquere disposuerunt: quippe cum in hoc exemplo eis esset Abraham, et recentius multi alii justi, et recentissime eorum patruelis beatissimus Martinus.

[680 März 27 nach] Papst Agatho ep. 1 an die Kaiser

121.229 – 232

D: siehe Winkelmann, Der monoenergetisch-monotheletische Streit, S. 159.

S. Agathonis pape epistolae, ep. 1 ad augustos imperatores, in: PL 87, 1161 A – 1213B, hier 1164D – 1165A, 1197C – 1200A u. 1211D – 1213A = Concilium universale Constantinopolitanum tertium (ACO II,2,1) S. 57, S. 101 u. S. 117 – 121. Nam apud homines in medio gentium positos, et de labore corporis quotidianum victum cum summa haesitatione conquirentes, quomodo ad plenum poterit inveniri Scripturarum scientia, nisi quod quae regulariter a sanctis atque apostolicis praedecessoribus, et venerabilibus quinque conciliis definita sunt, cum simplicitate cordis et sine ambiguitate a Patribus traditae fidei conservamus, unum ac praecipuum bonum habere semper optantes atque studentes, ut nihil de eis quae regulariter definita sunt minuatur, nihil mutetur vel augeatur, sed eadem et verbis et sensibus illibata custodiantur? Quibus portitoribus et testimonia aliquorum sanctorum Patrum, quos haec apostolica Christi Ecclesia suscipit, cum eorum libris tradidimus, ut facultatem suggerendi a benignissimo vestrae Christianitatis imperio consecuti, ex his duntaxat satisfacere studeant, dum imperialis mansuetudo praeceperit quid haec spiritalis mater eorum ac a Deo propagati imperii apostolica Christi Ecclesia credat et praedicet, non per eloquentiam saecularem, quae nec suppetit idiotis hominibus, sed per sinceritatem apostolicae fidei, in qua et ab incunabulis edocti usque in finem propagatori christiani vestri imperii, coeli Domino, omnes nobiscum deprecamur servire atque servari.

Phase 3: Spätantike (606 – 740)

477

[Ausschnitt aus:] Sancti Cyrilli Alexandriae episcopi de libro Thesaurorum, cap. 24. […] Et utique ab omnibus gentibus ejus religiosa memoria veneratione digna censetur, cujus fidei rectitudo per augustissima ejus edicta in toto orbe diffusa laudatur : quorum unum quod ad Zoilum Alexandrinum praesulem adversus Acephalorum haeresim missum est pro apostolicae fidei rectitudine satisfacere sufficiens, cum hac nostrae humilitatis suggestione vestrae tranquillissimae christianitati dirigentes, per praesentium latores offerimus. Sed ne multorum dictorum onerosa putetur assertio, et maxime, quibus totius mundi tanquam in fortissimo fundamento cura ac dispensatio inesse dignoscitur, exigua de numerosis huic humillimae suggestioni inserere sanctorum Patrum testimonia maturavimus: quia et hoc incomparabile nimis et magnum est, ut totius reipublicae Christianae cura paulisper submota, pro amore atque verae religionis flagrantia, apostolicae praedicationis doctrinam enucleatius agnoscere cupiat augustissima et religiosissima vestra clementia. […] Omnes enim, ad quos sacrorum apicum pervenit notitia, et quia sic benigniter augustae magnanimitatis vestrae mansuetudinis est demonstratus intentus, innumeras gratiarum actiones et incessabiles laudes, admirati de tanta clementiae magnitudine, propagatori vestri fortissimi imperii persolverunt: quia vere, ut piissimi et aequissimi principes, quae Dei sunt, cum Dei timore dignati estis peragere, omnem immunitatem a nostra parvitate dirigendis personis polliciti. Et confidimus quia quae promisit vestra pia clementia, potens est et efficere, quatenus quod Deo a vestrae Christianitatis imperio religiosa humanitate devotum est et promissum, nihilominus ejus auxiliante omnipotentia impleatur. Unde et laus ab omnibus nationibus Christianis, et perennis memoria, et frequens oratio pro sospitate, et triumplialibus, ac perfectis victoriis concedendis, ante Christum Dominum, cujus causa est, effundatur, quatenus supernae majestatis terrore perculsae gentium nationes, sub sceptris vestri robustissimi principatus humiliter colla prosternant, ut piissimi vestri regni continuetur potentia, dum temporali imperio aeterni regni succedit perennis felicitas. Nec enim poterit aliud simillimum inveniri, quod vestrae invictissimae fortitudinis divinae majestati commendet clementiam, quam ut repulsis a regula veritatis errantibus, evangelicae atque apostolicae nostrae fidei ubique illustretur et praedicetur integritas. Propterea, piissimi et a Deo instructi domini filii, si hanc sacrarum Scripturarum venerabilium synodorum spiritualium Patrum irreprehensibilem apostolici dogmatis regulam, juxta evangelicam eorum [earum] intelligentiam, per quam veritatis nobis formula, spiritu reserante, monstrata est, Constantinopolitanae praesul Ecclesiae tenere nobiscum ac praedicare delegerit, pax multa erit diligentibus nomen Dei et ullum non remanebit dissensionis scandalum, et fiet quod in Actibus apostolorum, dum per gratiam sancti Spiritus populus ad cognitionem Christianitatis accesserit, omnibus nobis cor unum et anima una. Sin autem (quod porro longe sit) novitatem nuper ab aliis introductam amplecti maluerit, et alienis a regula veritatis orthodoxae atque apostolicae nostrae fidei sese irretire doctrinis, quam, ut pote animabus noxiam, declinare, indesinenter ab apostolicis meae humilitatis praedecessoribus exhortati atque commoniti, usque hactenus distulerunt, ipse noverit, quid de tali contemptu in divino Christi examine satisfaciet apud judicem omnium qui in coelis est, cui et nos ipsi pro suscepto verae praedicationis ministerio, vel praesumptione Christianae religioni contraria, dum ad judicandum advenerit, reddituri sumus rationem nobisque (quod suppliciter exoro) liceat apostolicam atque evangelicam rectae fidei regulam, ut ab

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Quellensynopsis

exordio percepimus, inconfuse et libere cum simplici puritate integram atque illibatam servare.

[682/683] Papst Leo II. an den Grafen Simplicius

D: Das Datum ergibt sich aus der sehr kurzen Amtzeit Papst Leo II. (682 – 683).

122.233

Leonis II ep. II ad Simplicium comitem, in: PL 96, 388C – 420D, hier 418A identisch mit: IX. Concilium Constantinopelitanum, Domino glorioso filio Simplicio comiti Leo episcopus servus servorum Dei, in: PL 84, 93A – 180A, hier 147B–147C. Ad perpetuam proinde vestrae gloriosae Christianitatis protectionem venerabilem crucem clavem habentem de salutaribus vinculis auctoris nostri Petri Christi apostolorum principis per praesentem gerulum direximus, ut cujus sinceram dilectionem geritis et luminariis fideliter providetis traditionisque rectitudinem veraciter amplectimini, ejus jugiter apostolica tuitione salvemini. Amen.

[682/683] Papst Leo II. an den König Ervig

D: siehe 122.233.

123.234

Leonis II ep. VII. Ad Eruigium Regem Hispaniae, in PL 96, 388C – 420D, hier 420C – 420D identisch mit: IX. Concilium Constantinopelitanum, Domino et excellentissimo filio Ervigio regi Leo, in: PL 84, 93A – 180A, hier 150B – 150C. Definitionem proinde sancti concilii, et acclamationem reverentissimorum episcoporum, quae prosphoneticus dicitur, ad piissimum imperatorem, et edictum clementissimi imperatoris pro verae fidei confessione conscriptum et ubique mandatum per latorem praesentium Petrum notarium regionarium sanctae nostrae Ecclesiae illuc praevidimus destinare, ut in eadem sacrae synodi definitione, tanquam pro spiritualibus filiis patres, omnes vestri religiosissimi regni Ecclesiarum antistites juxta tenorem a nobis illuc destinatum subscriptiones suas sicut in libro vitae per suae confessionis signaculum ascribendas unusquisque subjungat: ut pax et concordia in Ecclesiis Dei vestri sublimis regni temporibus, Deo concedente vestraque Christianitate favente, crebrescat et maneat; ut qui vestrum culmen regnare disposuit, suae fidei stabilitate subnixum concedat per plurima tempora prospere ac sibi placite commissum populum dispensare. Incolumem excellentiam vestram gratia superna custodiat. Amen.

[681] Leges Visigothorum, XII,3,7

124.235

D: Die Gesetzessammlung wurde 681 unter König Ervig publiziert, so Vismara, (Art.) Leges visigothorum, Sp. 1804 f. Leges Visigothorum, XII,3,7 (MGH LL nat. Germ. 1), S. 435; nicht in der PL. VII. FLAVIUS GLORIOSUS ERVIGIUS REX. Ne Iudei more suo diiudicent escas. Illud sane, quod Iudeorum detestabilis conversatio, Iudaica superstitione pollutior, mundas ab inmundis diiudicans escas, aliud adsumit, aliud reicit, in quo cumque huius observantie inventus fuerit error, id est, ut aliter id faciat, quam honesta christiani moris est consuetudo, tunc iudicis instantia, in cuius territorio actum extiterit, turpiter decalvetur et centenis verberibus feriatur. Huius sane legis omnimoda preceptionis integritas, sicut de escis, ita et de poculis observanda est; scilicet ut superioris iacture

Phase 3: Spätantike (606 – 740)

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supplicium simili quoque ordine et illi, qui a christianis poculis se abstinere presumpserint, patiantur. De escis tamen, id est de porcinis tantum carnibus, id discreta nec remissa pietate decernimus, ut quicumque ex illis de suillis forsan carnibus vesci penitus abhorrescunt, si forte natura id fastidiante refugiunt, et non more illo perversitatis hoc ipsum diiudicantes contemnunt, presertim si in ceteris operibus christianis similes habeantur, et christianitatis ab eis non defuerit votum atque omnimode operationis studium, tunc hii tales, qui fideles in reliquis conversationibus approbantur, pro hac sola reiectione suillarum carnium ad iacturam legis superius conprehensam teneri non poterunt. Quia valde videtur equitati contrarium, ut quos manifesta operum Christi nobilitat fides, pro sola reiectione unius cibi teneantur notabiles.

[681] Leges Visigothorum, XII,3,14

Leges Visigothorum, XII,3,14 (MGH LL nat. Germ. 1) S. 442 f.; nicht in der PL.

124.236

XIIII. Professio Iudeorum, quomodo unusquisque eorum ad fidem veniens indiculum professionis sue conscribere debeat. Ego ille abrenuncio universis ritibus et observationibus secte Iudaice, abominans in toto sollemnitates vel ceremonias sive observationes omnes, quas in preteritis observavi vel tenui; ita ut deinceps nihil de ritu vel celebritate eorundem observationum exerceam, nihil de usu preteriti erroris adsumam, id est, ut nec affectu talia queram nec opere quodcumque tale perficiam. Proinde abrenunciatis his omnibus, que christianitatis doctrina abominatur et prohibet, ›credo in unum Deum patrem omnipotentem, factorem celi et terre, visibilium omnium et invisibilium conditorem, et in unum dominum Iesum Christum, filium Dei unigenitum, ex patre natum ante omnia secula, Deum ex Deo, lumen ex lumine, Deum verum ex Deo vero, natum, non factum, homousion Patri, hoc est eiusdem cum Patre substantie, per quem omnia facta sunt, que in celo et que in terra; […].

682 Kentwine, König der Westsachsen, an Abt Hæmgils

125.237

D: S 237 A.D. 682. Die Urkunde scheint zwar nicht vollständig authentisch sein, aber doch auf einer authentischen Vorlage zu beruhen, Wormald nannte sie weitgehend vertrauenswürdig.

S 237 abgerufen unter http://www.esawyer.org.uk/charter/237.html, eingesehen am 4. 12. 2014, mit Angaben zu Mss. und Edd. Carta Centwyny Regis de Cantucuudu nunc Westmonketon juxta Tantoniam. […] Anno ab incarnatione domini nostri Jhesu Christi. dclxxii. Indictione. x. hoc prefatum donum. sic prefigimus ut immobile quamdiu christianitas vigeat in servicio Glæstingensis æcclesie permaneat. Siquis hanc donationis carticulam violenter invadere temptaverit. noverit proculdubio culpam sacrilegii se incurrisse. huiusque ligamine se constrictum donec divini examinis conspectui conpresentetur ni prius hoc inorme scelus detergendo emaculet; et augeat omnipotens Deus hoc donum augenti vitam eternam per omnia secula seculorum. […]

[690 um] Passio sancti Leodegarii, cap. 16

126.238

D: nach Clavis Patrum Latinorum, S. 348, geschrieben von einem unbekannten Mönch aus St. Symphorien in Autun (circa 690), Vita des hl. Leodegar (616 – 677/678/679?) von Autun. Hier berichtet er von Ereignissen aus der Zeit um 676.

480

Quellensynopsis

Passio sancti Leodegarii, cap. 16 (MGH SS rer Merov. 5), S. 297 f.; zugleich in: Defensoris locogiacensis monachi liber scintillarvm (CCSL 117), S. 549 f.; PL 96, 245D – 374A, hier 354B – 355A (cap. VIII). [16.] His enim diebus uir domini commemoratis ducibus erat ob saluationem detentus, a quibus nuper de luxouio fuerat iam eductus. Tunc enim ibidem famulo suo gratia superna concesserat uenerabilem dignitatem, ut in illis locis tam praedicti duces quam eorum matrone simul que ministri uniuerse quae familiae necnon et uulgus populi ita in eius conspirassent amore, ut si ita necessitas immineret, semet ipsos pro eo non dubitarent offerre. Cum que illi, qui se cum dei famulum retinebant, circa se manentibus potestatibus aliis nuntiassent, eo quod diuinam gratiam super dei famulum leodegarium cognouissent, religioso christianitatis amore iam se eorum auxilio fuerunt sociati, et conspirantes inter se confirmauerunt, ut dum indisciplinata hic dominata erat exorta turbatio, si priusquam theodericum pariter sublimassent in regno, aliquis forsitan sanctum uoluissent ledere leodegarium, eorum protegeretur auxilium. His enim diebus egressus est de luxouio etiam ebroinus iuliano similis, qui uita fincta monachorum tenuit. Etenim cum ipse tam amicorum quam famulorum constiparetur subito comitatu, praedicti exulis ad eius expetentes obsequium, – malum quod de sua accusatione confixerunt, – ipsum in capud constituunt, ut eius auxilium uel consilium usi in dei homini ualerent unanimiter uindicare. Ipse enim ebroinus capud releuauit uenenosum, et quasi uipera restaurans uenena sua, simulans se esse tunc theoderici fidelis et ob hoc ad eum cum sociis quantocius festinare.

[690 um] Passio sancti Leodegarii, cap. 18

D: nach Clavis Patrum Latinorum, S. 348.

126.239

Passio sancti Leodegarii, cap. 18 (MGH SS rer Merov. 5), S. 299 f.; zugleich CCSL 117, S. 552 f.; PL 96, 245D – 374 A, hier 355B – 355C. [18.] Interim dum isti coepti itinere peruenissent ad regem, de ipso itinere poene iam medio ebroinus tyrrannus eorum deserens comitatum, ad suos usque pertransiens, clericatum abiciens, ad mulierem, ut canis ad uomitum, post sacrum uelamen rediens. Et qui in castra christi militare non potuit, cum aduersariis secularem armam arripuit, et dum iam dereliquerat fidem et deum, contra terrenum dominum etiam apertum se prodidit aduersarium. Nouientem enim uillam, iam recuperato regno, tunc theodericus resedebat securus, cum repentino superuentu ebroinus cum austrasius. Quis enim enumerare plene ualeat, quae tunc fuit direptio de regale thesauro uel ecclesiae ministerium, quod ob amorem christianitatis catholici retro principes deuoti in dominico contulerunt sanctoarium, maiorem domus eius etiam interfectum?

[690 vor] Anonymus: Passio sancti Anastasii martyris, cap. 7

127.240

D: In der Datierungsfrage wird der Überlegung gefolgt, dass der aus Tarsos in Kikilien stammende Theodor die Geschichte wohl mit nach England gebracht haben wird, wo Beda sie später rezipierte.

Passio sancti Anastasii martyris (primae anonymi auctoris translationis [BHL 410b] recensio emendata), (BHL 410), cap. 7, in: The Latin dossier, ed. Franklin, S. 430.

Phase 3: Spätantike (606 – 740)

481

7. Superstans enim ut dictum est civitati Persidae honoranda crux salvatoris quae gratia atque virtute eius radians ac splendens ubique metum et stuporem infidelibus imponebat, gaudium vero atque laeticiam cordibus fidelium conferebat. Fama autem in tota regione personante de vero Deo, interrogabat praedictus tyro Magundat qui et Anastasius quid hoc esset. Et audiens quomodo Deus Christianorum illuc veniret, statim sicut terra bona suscepta pluvia efficitur ad fructificationem idonea, ita et ipse suscepit per auditum nomen Dei. Deinde cogitans in semetipso qualiter Deum verum qui habitat in caelo quem Christiani colunt inveniret, didicit a quibusdam quomodo ipsa est crux in qua Christus filius Dei fuerat cruxifixus quem Christiani adorant. Admirans autem et obstupescens super hoc praedestinatus Dei famulus Anastasius, non desinebat de Christianitate inquirere, et quanto plus per auditum quae veritatis sunt percipiebat, tanto magis ab eius corde magicae seductiones abscedebant.

[7. Jh. ?] Abt Evantius: Brief gegen die Juden

128.241

Evantii abbatis epistola, Contra eos qui sanguinem animalium immundum esse judicant, et carnem mundam esse dicunt, in: PL 88, 719B – 722C, hier 719B – 719D. Nam si ista ita sunt, cur aperta fronte cum judaeis et alia quae vetita sunt praecepta priscae legis carnaliter non teneant, nescio. Qui carnes suillas vel cuniculinas non abjiciunt, qui piscium carnes pinnulis carentium non reprobant, qui vetera sacrificia non immolant, qui uxorem fratris sine filiis morientem ad suscitandum semen ejus non accipiunt, aut ad sacerdotium debiles corpore, aut aliqua macula corporis laborantem, qui tamen animo digni videntur accedere, non repudiant, qui paxillos in balteis non gestant, ut egesta humo operiant; cur avem cum pullis inventam, si possunt, tenent, et non, sicut praeceptum est, tenentes pullos, matrem sinunt abire? Cur etiam otium Sabbati cum Judaeis non sectant, et novam gratiam Evangelii absterso rubore Christianitatis non abjiciunt? Nam in Christi nomine frontis et fidei Christianae affecti, et sanguinem comedendum Christianos aperte docemus, et a sanguinis opera declinare omnes hortamur. Carnes suillas edere concedimus, et a volutabro vitiorum recedere omnibus modis optamus.

[700 vor] Auctor incertus: Genesiskommentar in drei Büchern, lib. I

129.242

D u. K: Da das Werk von Migne in einen Band mit den Werken des Bischof Eucherius von Lyon (sed. ab 434) aufgenommen wurde, ließe sich zumindest mutmaßen, dass Migne selbst die Schrift für ein Werk des 5. Jahrhunderts gehalten hat. Gleichwohl ist bekannt, dass die bereits von Beda vorgenommene Zuordnung des Textes zu den Schriften des Eucherius unrichtig ist. Dies setzt aber voraus, dass diese Schrift bereits vor dem 8. Jahrhundert bekannt gewesen ist, was aber für einen terminus post quem immer noch sehr ungenau ist. Kaspar, (Art.) Eucherius (von Lyon), S. 234 f. Commentarii in genesim in tres libros distributi, lib. I, in: PL 50, 893B – 1048B, hier 908D – 909A. (Vers. 19 seqq.) Formatis igitur Dominus Deus in humo cunctis animantibus terrae, et universis volatilibus coeli, adduxit ea ad Adam, ut videret quid vocaret ea; omne enim quod vocavit Adam animae viventis, ipsum est nomen ejus. Appellavitque Adam nominibus suis cuncta animantia, et universa volatilia coeli, et omnes bestias terrae. Ut ostenderet quanto privilegio homo pecoribus antecellit, qui ratione sua cuncta dis-

482

Quellensynopsis

tinguere et nominatim secernere posset, adducta animalia ad Adam, non circuitu locali, sed occulto nutu divina potentia voluit ut venirent, et homo intelligeret se ipsum quanto melior esset bestiis, dum cunctis nomina etymologiarum imponit; et eo magis conditorem suum diligeret, quo se meliorem cunctis viventibus, quibus nomina imposuit, esse sciret. Appellavit autem Adam nominibus suis cuncta animantia et volatilia coeli, et bestias terrae, significans gentes, quae salvae fierent in Ecclesia, et per eumdem Dominum nomen Christianitatis erant accepturae, quod prius non habuerant, sicut scriptum est: Et vocabo servos meos nomine alio (Isai. LXV).

[703 – 709] Beda Uenerabilis: Expositio Apocalypseos D: nach Brunhölzl, Literatur, Bd. 1, S. 220.

130.243

Beda Venerabilis, Expositio Apocalypseos, ad. Apc 12,6, cap. 19 (CCSL 121 A), S. 391; PL 93, 129 – 206D, hier 167A – 167B. […] Et mulier fugit in solitudinem. Ecclesia sub spe vivens aeternorum peregrinatione praesentis eremi gaudet, accepta potestate calcandi super serpentes et scorpiones, et super omnem virtutem draconis rufi instar Israeliticae plebis, quae pane coelesti pasta in eremo, visu aenei serpentis, serpentes vicit ignitos. Ubi habet locum paratum a Deo. Esto mihi, inquit, in Deum protectorem, et in locum refugii, ut salvum me facias. Ut ibi pascant illam diebus mille ducentis sexaginta. Isto dierum numero, qui tres semis annos facit, omnia Christianitatis tempora complectitur, quia Christus, cujus haec corpus est, tantum in carne temporis praedicaverit.

[716 vor] Beda: Acta et passio beati Anastasii, cap. 19

131.244

D: Die Datierung stützt sich auf die Vermutung, dass Beda die Passio übersetzt und überarbeitet hat, bevor er sich der Vita Cuthberti zuwandte und hier eine eigenständige hagiographische Schrift verfasste.

Acta et passio beati Anastasii martyris (anonymi auctoris primae translationis [BHL 410b] recensio emendata) [BHL 408(p)], cap. 19, in: The Latin dossier, ed. Franklin, S. 401. Introductus est autem Dei famulus Anastasius, et stans coram Barzabana non adoravit eum secundum ritum qui ab eis tenebatur. Et intuens in eum Barzabanas, dicit ei: »Unde es? et quis vocaris?« Ipse vero ait: »Ego Christianus sum. Si autem cupis discere quantum ad genus, Persa de regione Razech, de villa Rasnuni. Officialis eram et magus; et reliqui tenebras, et veni ad veram lucem. Nomen autem meum prius Magundat, Christianitatis … vero Anastasius vocor«. Dixit ei Barzabanas: »Dimitte hunc errorem et convertere ad primam tuam religionem, et praebemus tibi pecuniam, et possessiones plurimas«. Ipse vero respondens ait: »Non mihi contingat negare Dominum meum Ihesum Christum«.

[711 ?] Erzbischof Benedikts von Mailand Beschwerde D: siehe hierzu Miller, The Bishop’s Palace, S. 646.

132.245

B. Benedicti Querimonia in synodo, in: PL 89, 361C – 366A, hier 364A – 364C. Ob quam enim causam saepissime ab iisdem postmodum Augustis frequentari, et incoli, et honorari super cunctas Italiae civitates adorta est, maxime, quod esset inibi salu-

Phase 3: Spätantike (606 – 740)

483

berrimi aeris aptissima temperies, locusque ad usus domesticos irrefragabiliter paratissimus. Exinde, Pater venerande, sancta Christianitate orbi apparente universo, sicut audivit, illico Deo credidit, sancto Barnaba apostolo a Spiritu sancto inibi destinato, et fidem orthodoxam fideliter praedicante; a quo enim nostra Ecclesia ab ipsis primordiis caput Italiae per sedem metropolitanam, Dei dispensante clementia, tenuit, et Deo largiente in aeternum tenebit. Quamobrem cathedra Mediolanensis ab ipso apostolo exaltata decenter, et sublimata competenter, Dei dextera, et beati Petri remigio refloruit.

[715 nach] Vita Wilfridi: Papst Johannes an die Königen Aethelred und Alfred

133.246

Papst Johannes VI. (sed. 701 – 705) verhandelte auf einer römischen Synode eine Angelegenheit Wilfrids von York, das ihn entweder 702 oder 703 verurteilt und exkommuniziert hat. König Aethelred von Mercien (reg. 675 – 716) gewährte dem Erzbischof Wilfrid von York zwischen 691 und 702 Asyl. Die Vita soll in einer ersten Redaktion 715 von Stephan von Ripon verfasst, dann in den 830er Jahren ein zweites Mal redigiert worden sein. Der erwähnte Theodorus ist der Erzbischof von Canterbury, mit dem Wilfrid um die Unterteilung der Erzdiözese von York gestritten hatte. Vita Wilfridi I. episcopi Eboracensis auctore Stephano, cap. 54 (MGH SS rer. Merov. 6), S. 249 f.; nicht in der PL. Nec hoc venerandae memoriae Theodorus praesul, qui ab hac apostolica sede directus est, contravenisse recognoscitur neque accusationem aliquam postmodum ad hanc sedem apostolicam demandavit, magis autem, ut ex eius dictis apparuit, et decretis pontificalibus obsecutus est. Succurrendum est itaque cum Dei praesidio, nec perseveret in uno loco dissensio, dum in ceteris consacerdotum ac plebium unanimitas maneat. Et haec de praeteritis memoravimus. De praesentibus quoque innotescere inclitae vestrae christianitati praevidimus, quod hi, qui de eadem insula Brittannia huc advenerunt et accussationes contra Wilfridum episcopum detulerunt, ille superveniens cum fratribus suis, in accussatores eius quod accussaverunt retorserunt.

[731] Beda Uenerabilis: Historia ecclesiastica, lib. II, cap. 11

134.247

Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica, lib. II, cap. 11, 4 (SC 489), S. 348 u. 350; PL 95, 21A – 290A, hier 99C – 100A.

4. Didicimus namque referentibus his, qui ad nos gloriosi filii nostri Audubaldi regis laudabilem conversionem nuntiantes pervenerunt, quod etiam uestra gloria, Christianae fidei suscepto mirabili sacramento, piis et Deo placitis jugiter operibus enitescat, ab idolorum etiam cultu, seu fanorum auguriorumque illecebris se diligenter abstineat, et ita in amore redemtoris sui immutilata devotione persistens invigilet, ut ad dilatandam Christianam fidem incessabiliter non desistat operam commodare: cumque de glorioso coniuge uestro paterna caritas sollicite perquisisset, cognouimus quod eatenus abominandis idolis serviens, ad suscipiendam vocem praedicatorum suam distulerit obedientiam exhibere. Qua ex re non modica nobis amaritudo congesta est ab eo, quod pars corporis uestri ab agnitione summae et individuae Trinitatis remansit extranea. Vnde paternis officiis uestrae gloriosae Christianitati nostram commonitionem non distulimus conferendam; adhortantes quatinus, diuinae inspirationis imbuta subsidiis, importune et oportune agendum non differas, ut et ipse saluatoris

484

Quellensynopsis

nostri Domini Iesu Christi cooperante potentia Christianorum numero copuletur, ut perinde intemerato societatis foedere iura teneas maritalis consortii; scriptum namque est: ›Erunt duo in carne una‹. Quomodo ergo unitas vobis coniunctionis inesse dici poterit, si a uestrae fidei splendore, interpositis detestabilis erroris tenebris, ille remanserit alienus?

[731] Beda Uenerabilis: Historia ecclesiastica, lib. II, cap. 17

134.248

Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica, lib. II, cap. 17,2 (SC 489), S. 382; PL 95, 21A – 290A, hier 110A – 111A. 2. Domino excellentissimo atque praecellentissimo filio Eduino regi Anglorum Honorius episcopus servus servorum Dei salutem. Ita Christianitatis uestrae integritas circa conditoris sui cultum fidei est ardore succensa, ut longe lateque resplendeat et in omni mundo annuntiata uestri operis multipliciter referat fructum. Sic enim uos reges esse cognoscitis, dum regem et creatorem uestrum orthodoxa praedicatione edocti Deum uenerando creditis, eique, quod humana ualet condicio, mentis uestrae sinceram deuotionem exsoluitis. Quid enim Deo nostro aliud offerre ualebimus, nisi ut in bonis actibus persistentes, ipsumque auctorem humani generis confidentes, eum colere, eique uota nostra reddere festinemus?

[731] Beda Uenerabilis: Historia ecclesiastica, lib. III, cap. 25

134.249

K: Vgl. die Vita Wilfridi Eadmers von Canterbury [BHL 8893], in: PL 159, 718D – 719A.

Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica, lib. III, cap. 25,3 (SC 490), S. 146 u. 148; PL 95, 21A – 290A, hier 159A – 159B. 3. Defuncto autem Finano, qui post illum fuit, cum Colmanus in episcopatum succederet, et ipse missus a Scottia, grauior de obseruatione Paschae necnon et de aliis ecclesiasticae uitae disciplinis controuersia nata est. Vnde merito mouit haec quaestio sensus et corda multorum, timentium ne forte accepto Christianitatis uocabulo in uacuum currerent aut cucurrissent. Peruenit et ad ipsas principum aures, Osuiu uidelicet regis et filii eius Alhfridi, quia nimirum Osuiu a Scottis edoctus ac baptizatus, illorum etiam lingua optime imbutus, nil melius quam quod illi docuissent autumabat; porro Alhfrid magistrum habens eruditionis Christianae Vilfridum uirum doctissimum (nam et Romam prius propter doctrinam ecclesiasticam adierat, et apud Dalfinum archiepiscopum Galliarum Lugduni multum temporis egerat, a quo etiam tonsurae ecclesiasticae coronam susceperat), huius doctrinam omnibus Scottorum traditionibus iure praeferendam sciebat. Vnde ei etiam donauerat monasterium XL familiarum in loco qui dicitur in Hrypum; quem uidelicet locum paulo ante eis qui Scottos sequebantur in possessionem monasterii dederat, sed quia illi postmodum data sibi optione magis loco cedere quam suam mutare consuetudinem uolebant, dedit eum illi, qui dignam loco et doctrinam haberet et uitam.

[735 vor] Anonym: De Psalmorum libri exegesis, in ps. 1

De psalmorum libro exegesis, in: PL 93, 477B – 1098D, hier 488B – 488D.

135.250

De hac terra dicitur : Exspecta Dominum, etc., ut haereditate capias terram. Qui enim in hac vita adventum Domini exspectat patienter, tolerando flagella, a via, id est a praeceptis ejus, non aberraverit: ille tandem in resurrectione terram, id est carnem

Phase 3: Spätantike (606 – 740)

485

suam, quae non potest ei auferri et perturbari, recipiet haereditatem, id est, clarificatam, ut neque eam amplius amittere, neque perturbari in ipsis possit. Quia erunt tanquam pulvis omnes impii, ideo neque vere impii, id est idololatrae resurgent ut sint in judicio, quia non venient ad judicium. De his enim dictum est: Impius jam judicatus est, et, Qui sine lege peccaverunt, sine lege peribunt. Neque peccatores, id est scriptae legis praevaricatores, id est falsi Christiani, non erunt in consilio justorum, id est in neutro judicio, justorum scilicet, ut vel judicent, sicut quidam justi, id est apostoli et martyres, etc., vel ut judicentur ad salutationem: sicut quidam ex justis, quibus dicetur : Venite, benedicti Patris mei, et reliqua. Hoc appositum est ad depressionem falsorum Christianorum, ne ipsi audientes incredulos non venire ad judicium, quia legem non susceperunt, se autem scirent venturos propter Christianitatis sacramenta: quae quamvis indigne susceperint, putarent tamen quod vel ipsi judicare debeant, aut saltem sic judicari ut salvarentur, et accipiuntur hic impii et peccatores proprie. Consilium ponitur pro judicio, quia omne judicium quod rationabiliter fit, agitur per consilium. Sciendum plures diversitates futuras resurgentium. Alii enim ita resurgent ut veniant ad judicium, alii ut non veniant ad judicium, quia jam judicati sunt. Venientium alii judicabunt, alii judicabuntur. Eorum qui judicabuntur, alii salvabuntur, alii non: quae diversitas in praedicto versu notari potest.

[735 vor] Anonym: De Psalmorum libri exegesis, in ps. 24 De psalmorum libro exegesis, in: PL 93, 607A – 607B.

135.251

Unde dicit beatus Augustinus: »Quia eatenus Deus ignoscit peccata, quatenus quisque cognoscit ea.« Et ad Saul dictum est: Cum esses parvulus in oculis tuis, magnus eras in oculis meis; cum autem magnus esse coepisti in oculis tuis, parvulus factus es in oculis meis. Ne quilibet erraret, dicens Dominum sibi fore propitium, quia multum sit ei peccatum suum, vult certis signis ostendere quis ille sit cui vere peccatum suum sit multum, praemittens sub interrogatione: Quis est homo qui timet Dominum? Quod aequipollenter dictum: Quis est ille cui vere peccatum suum videtur multum? timor enim Domini, qui filialis est, non servilis, facit peccatum videri multum, quantumlibet modicum. Et subdit statim signum timentis Dominum dicens, ei scilicet timenti Dominum, statuit ipse Dominus legem, id est, statoriam, non horariam, fecit ei legem in via, quam ille sponte sua elegit, ne impune peccaret. Non enim decet milites Domini esse horarios. Accipitur autem via hic aut regula Christianitatis large, aut etiam quaelibet strictior infra ipsam, ut monastica vel eremitica vita, vel aliquid tale.

[735 vor] Anonym (Beda?): Homilia de Sancto Petro et Paulo

136.252

In der PL wurde diese Homilie Beda zugeordnet. Allerdings hat David Hurst sie nicht in seine Edition der Homilien aufgenommen, siehe Homeliarum Evangelii Libri II (Bedae Opera Pars III/IV = CCSL 122). Beda Venerabilis, Homiliae, De Sancto Petro et Paulo in: PL 94, 9 – 516A, hier 496B – 496D. In tempore illorum erat quidam perversus Romae, nomine Simon magus, qui fuerat Christianus per deprecationem apostolorum; sed postea diabolus cor ejus intravit, et cogitare eum fecit, quomodo posset emere de apostolis illam virtutem, qua posset facere miracula sicut illi. Sanctus Petrus respondit ei, hoc audiens, quod illa virtus erat de Deo, quam illi habebant, nec homo posset emere, vel vendere, et homines qui illam

486

Quellensynopsis

emere putant, facti sunt maledicti et separati a Deo. Maledictio ista primum super Simonem magum venit, et super illos qui honorem sanctae Ecclesiae vendunt et emunt. In alio die Simon magus renuit Christianitatem, et adoravit idolum, et apostata factus est, id est, retrotractus. Iste inimicus Dei tantam virtutem ex parte diaboli habuit, quod per incantationes suas faciebat quae volebat. Etenim imperator tam amabat eum, quod dicebat eum defendere Romam ab omni malo, nec aliquid faciebat sine ejus consilio. Sed quadam die Simon magus et Petrus contendebant coram imperatore de multis rebus, et Simon super omnia erat victus; et dum vidit quod non posset vincere Petrum, iratus, dixit imperatori quod sibi erat contrarius Petrus, nec magis vellet stare in terra, sed ascendere in coelum, omni plebe vidente. Imperator autem audiens promisit illi, si ascenderet, illa hora occideret apostolos. Placuit hic sermo Simoni, et ait Petro se velle altera die ascendere in coelum. Nocte vero illa viri ac mulieres qui erant Christiani in civitate venerunt ad sanctum, rogantes ut pro amore Dei clam exiret de civitate, et fugeret alibi.

[735 – 766] (†) Pseudo-Egbert von York: Excerptiones, c. 6

137.253

K: Lapidge, (Art.) Ecgberht, S. 157: Die Zuschreibung der Excerptiones zu Egbert ist nicht haltbar. S. Egbertus Eboracensis Archiepiscopus, Exerptiones, c. 6, in: PL 89, 377D – 400D, hier 381C. Item. [Ius sacerdotale] Ut unusquisque sacerdos orationem Dominicam et Symbolum populo sibi commisso curiose insinuet, ac totius religionis studium et Christianitatis cultum eorum mentibus ostendat.

[735 – 766] (†) Pseudo-Egbert von York: Excerptiones, c. 137

137.254

S. Egbertus Eboracensis Archiepiscopus, Exerptiones, c. CXXXVII. Item Gregorius Felici episcopo, in PL 89, 377D – 400D, hier 395C – 395D. CXXXVII. Item Gregorius Felici episcopo. Progeniem suam unumquemque usque ad septimam servare decernimus generationem; et quandiu se agnoscunt affinitate proquinquos, in conjugium ducere nulli profecto Christianorum licet vel licebit, et nolumus nos in hac re a vobis sive a caeteris fidelibus reprehendi, quia in his Anglorum genti indulsimus, non formam dando, sed consideratione, ne Christianitatis bonum quod ceperant imperfectum dimitterent, egimus.

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

487

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814) Von der Mission des Bonifatius bis zum Tode Karls des Großen [740 – 800] Vita S. Balthildis, cap. 18 (Versionen A und B)

138.255

D: Laut Ewig, (Art.) Balthild, Sp. 1391 f., wurde die Vita in dem Kloster Chelles-sur-Marne geschrieben, dessen Skriptorium zwischen 740 und 800 aktiv gewesen ist und das von der fränkischen Königin angelsächsischer Abstammung (gest. nicht vor 680) gegründet worden war. Obwohl Geary, Readings, S. 153, sowie Hartmann, Königin, S. 168, die erste Fassung (A) auf die Zeit direkt im Anschluss an Balthildis Tod datieren, legt der christianitas-Wortgebrauch eine spätere Abfassung nahe, denn dieser Ausdruck ist untypisch für merowingerzeitliche Hagiographien und ähnelt stärker jenem Gebrauch in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts, siehe weiter oben Kapitel X.1. Vita S. Bathildis, cap. 18 (MGH SS rer. Merov. 2), S. 475 – 509, hier S. 505 f.; nicht in der PL. [A] (18). Recolimus quidem, in Francorum regno nobilis et Dei cultricis fuisse aliquas reginas, Chrodehilde, Chlodoveo quondam antiquo rege regina, nepte Gundebade rege, que virum suum fortissimum et paganum, et tam ipsum per sanctam exortacionem quam et plures ex Francis seniores, traxit ad christianitatem et ad fidem catholicam eos perduxit et aecclesias in honore sancti Petri Parisius et sancti Georgii in coenobiolo virginum in Kala prima construxit ……… et alia quam plura pro mercede conpendii in honore sanctorum condidit et muneribus pluris ditavit. [B] (18). Recolimus quidem, in Francorum regno nobiles et Dei cultrices quasdam fuisse reginas, Chrodechildem a scilicet, neptam Gundebadi regis atque magni et antiqui Chlodovei regis coniugem, que ita eundem paganissimum veris instruxit exortationibus, ut tota mentis intentione ad cultum Christiane religionis, fervente fidei calore, converteret. Et non solum ipsum, sed etiam divina gratia adiuta plurimos Francorum proceres traxit ad Christi agnitionem et ad catholicae fidei dilectionem. Ecclesiam quoque in honore sancti Petri, ubi religio monastici ordinis vigeret, Parisius fecit necnon et cenobiolum in honore sancti Georgii sacrarum virginum in Kala prima construxit.

743 April 1 Papst Zacharias, ep. 52, an Bischof Witta v. Büraburg

139.256

Briefe des Bonifatius, ep. 52 (MGH Epp. Sel. 1), S. 92 – 94, hier S. 93; MGH Epp. 3, S. 306; PL 89, 749A. Dilectissimo nobis Uuittane sancte˛ e˛cclesie˛ Barbarane Zacharias papa. ›Domino cooperante et sermonem confirmante‹ ad delatandam christianitatis legem et orthodoxe fidei tramitem, ad docendum, iuxta quod predicat sancta haec Romana, cui Deo auctore presedemus, e˛cclesia, innotuit nobis sanctissimus ac reverentissimus frater et coepiscopus noster Bonifatius nuper decrevisse et ordinasse in Germaniae partibus episcopales sedes, ubi preest vestra dilectio et provinciam in tres dividisset parrochias. Quo cognito cum magna exultatione extensis ad sidera palmis inluminatori et datori omnium bonorum domino Deo et salvatori nostro Iesu Christo gratias egimus, ›qui facit utraque unum‹. Flagitavit autem a nobis per suis syllabis iam dictus sanctissimus vir per apostolicam auctoritatem vestras confirmari sedes.

488

Quellensynopsis

743 April 1 Papst Zacharias, ep. 53, an Bischof Burchard v. Würzburg

140.257

Briefe des Bonifatius, ep. 53 (MGH Epp. Sel. 1), S. 94 – 95, hier S. 94; MGH Epp. 3, S. 307; PL 89, 922D – 923D, hier 922D – 923A. Dilectissimo nobis Burchardo sancte˛ ecclesiae Uuirziburgonensis Zacharias papa. ›Domino cooperante et sermonem confirmante‹ ad delatandam christianitatis legem et orthodoxe˛ fidei tramitem, ad docendum, iuxta quod predicat sancta he˛c Romana, cui Deo auctore presedemus, aecclesia, innotuit nobis sanctissimus ac reverentissimus frater et coepiscopus noster Bonifatius tres decrevisse ac ordinasse in Germaniae partibus episcopales sedes, ubi preest vestra dilectio, et provinciam in tres divisisse parrochias. Quo cognito cum magna exultatione extensis ad sidera palmis illuminatori et datori omnium bonorum domino Deo et salvatori nostro Iesu Christo gratias agimus, ›qui facit utraque unum‹. Flagitavit autem a nobis per suis syllabis d iam dictus sanctissimus vir per apostolica auctoritate vestras confirmari sedes.

743 Römisches Konzil, cap. 15 (forma maior)

141.258

Concilium Romanum, a. 743: Actorum concilii forma uberior, cap. 15 (MGH Conc. 2,1), S. 20 f.; nicht in der PL.

Sed dum cerno adhuc populus in eodem errore persistere – quod ingemescens dico – magno cordis percellor, quoniam, Christianorum animae dum diabolica fraude decipiuntur, timeo, ne nos, qui rectores animarum vocamur, si eorum salute providere neglexerimus, a iusto iudice pro illis extorqueamus. Sed neque hoc silendum est, quod in Germaniae partibus ita divulgatum est, quod quidem in archibo sanctae nostrae ecclesiae scriptum minime repperimus, ipsis tamen asserentibus hominibus de Germaniae partibus didicimus, quod beatae recordationis sanctus Gregorius papa, dum eos ad religionem christianitatis divina gratia inlustraret, licentiam illis dedisset in quartam sese copulari generationem. Quod quidem licitum Christianis non est, dum usque se generatio cognoverit; sed, dum rudes erant invitandi ad fidem, quamquam minime scriptum, ut dictum est, repperimus, credere non ambigimus. Deo autem largiente, qui inluminat omnem hominem venientem in mundum, praeterito anno litteras ad nos miserunt archiepiscopi et reges provinciae illius, petentes apostolica praecepta, qualiter liceat eis coniugia copulare et quomodo debeant observare; quibus, quantum Dominus dare dignatus est, admonitionis praecepta direximus.

743 Römisches Konzil, cap. 15 (forma minor)

142.259

Concilium Romanum, a. 743: Decretorum concilii forma minor, cap. 15 (MGH Conc. 2,1), S. 30 f.; nicht in der PL.

Indictione XII. imperante Arguasto eiusque filio Niceforo Zacharias ter beatissimus papa in concilio ait: Non est silendum, fratres, quod in Germaniae partibus ita divulgatum est, quamquam in arcivo sanctae ecclesiae huius scriptum minime repperimus, ipsis tamen asserentibus hominibus de Germaniae partibus didici, quod beatae recordationis papa Gregorius, dum eos ad religionem christianitatis divina gratia inlustraret, licentiam illis dedisset in quarta sese copulari generatione. Quod quidem licitum Christianis non est, dum usque se generatio cognoverit; sed dum rudes erant invitandi ad fidem, quamquam minime scriptum repperimus, credere non ambigimus. Praeterito autem anno archiepiscopi et reges illius provinciae litteras ad nos miserunt,

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

489

apostolica petentes praecepta, qualiter liceat eis coniugia copulari; quibus, quantum Dominus dignatus est donare, admonitionis praecepta direximus.

[747 Januar 5] Codex Carolinus, ep. 3: Papst Zacharias an Hausmeier Pippin 143.260

Codex Carolinus, ep. 3 (MGH Epp. 3), S. 479 – 487, hier S. 485; PL 98, 79C – 92B, hier 89D – 90B. In concilio Neocesariense capitulo II. continetur : Mulier, si duobus fratribus nupserit, abiciatur usque ad mortem; verumtamen in exitu propter misericordiam, si promiserit, quod, facta incolumis, huius coniunccionis vincla dissolvat, fructum poenitentiae consequatur. Quod si defecerit mulier aut vir in tallibus nubtiis, difficilis erit poenitentia in vita permanenti. Nos autem, gracia divina suffragante, iuxta praedecessorum et antecessorum pontificum decreta multo amplius confirmantes dicimus, ut, dum usquae sese generacio cognoverit, iuxta ritum et et religionem Romanorum non copulentur coniugiis. Sed nec spiritalem o cummatrem aut filiam, quod absit, quis ducat temerario ausu uxorem; est namque nefas et perneciosum peccatum coram Deo et angelis eius. In tantum enim grave est, ut nullus sanctorum patrum atque sacrarum sinodorum adsertiones vel etiam in imperialibus legibus quippiam iudicatum sit; sed, terribile Dei iudicium metuentes, siluerunt sententiam dare.

[748] Papst Zacharias, ep. 83 an einige vornehme Franken

144.261 – 262

Briefe des Bonifatius, ep. 83 (MGH Epp. Sel. 1), S. 185 – 187, hier S. 185 f.; nicht in der PL.

Viris a magnificis filiis Throando, Sandrado, Nantherio, Liutfrido, Sterfrido, Gundperto, Agno, Haaldo, Rantulfo, Rotperto, Brunicho, Rothardo, Rocgoni vel omnibus magnis et parvis, ingenuis et servis Zacharias papa. Gratias ago deo et domino Iesu Christo unico patris filio et spiritui sancto, qui vestram omnium christianitatem ita dirigit confirmans corda vestra in eius ambulare mandatis et oboedire praeceptis. Dum enim insonuit in auribus nostris fides et bona vestra conversatio atque amor, quem erga spiritalem matrem vestram sanctam catholicam et apostolicam Dei e˛clesiam eiusque sacerdotes habere dinoscimini, valde gavisi laeti sumus effecti in Domino. Cuius potentiam et nos peccatores depraecamur, ut magis ac magis confirmet corda vestra et corroboret ad faciendam eius voluntatem, ut de fructibus bonorum operum optimam adipisci mereamini in caelestibus regnis portionem, quam praeparavit Deus diligentibus se. […] [186] Nam et hoc hortamur christianitatem vestram, ut iuxta sanctorum canonum instituta ut nec e˛clesiis a vobis fundatis non aliunde veniens presbiter suscipiatur, nisi a vestrae eclesiae fuerit episcopo consecratus, aut ab eo per commendaticias litteras suscipiatur. Multi enim sibimet ipsis mendaces, multotiens servi cuiusquam fugam arripientes domnis suis semet ipsos quasi consecratos presbiteros adnuntiant et sunt ministri diaboli et non Dei et qui eos suscipiunt similiter, quia scriptum est: ›Videbas furem et cum eo currebas‹ et cetera. Nullus ergo ex vobis, carissimi, sine consultu sui episcopi in quamcumque e˛clesiam intromittat presbiterum, nisi prius a vestro episcopo origo et conversatio eius fuerit conprobata.

753 Mai 23, Urkunde Pippins I. für die Kirche von Utrecht Verberie

145.263 – 264 146.265 – 266

490

Quellensynopsis

K: Karl der Große bestätigt diese Urkunde am 1. März 769 in Aachen (DD Kar. 1, Nr. 56, S. 82 f. = PL 97, 1047B – 1048B). Da sich der Text in den entscheidenden Stellen nicht unterscheidet, wurde hier darauf verzichtet, den Text nochmal aufzunehmen. Sie wird aber als zusätzliche Nennungen hier mitaufgeführt, so dass man hier auf vier Nennungen kommt. Nr. 4, in: Urkunden der Karolinger, Erster Band (MGH DD Kar. 1), S. 6 f. Pippinus rex Francorum vir inluster. Si petitionibus sacerdotum in omnibus non negamus, dominum exinde retributorem habere confidimus. Ideoque venerabilis vir Bonefacius archiepiscopus nobis expeciit, ut confirmationem de rebus aecclesie˛ suae sancti Martini, qua est constructa in vico qui dicitur Traiecto super fluvium Reno, et quod Pippinus donavit sancto Martino seu Karolus vel Karlomannus, renovare vellemus. Ideoque et quod Pippinus rex Francorum ad ipsa casa dei concessit vel ad illo episcopatu, ut omnem decimam de terra seu de mancipia aut de theloneo vel de negotio aut undecumque ad partibus fisci census sperare videbatur, sicut diximus, omnia decima partem ad ipsa casa dei sancti Martini, quem domnus Bonefacius archiepiscopus custos preesse videtur, concessimus vel confirmamus in luminaribus seu in stipendiis monachorum vel canonicorum, qui ibidem gentiles ad christianitatem convertunt et domini misericordia ipsos conversos quem habent doceant, iuxta quod alii christiani eorum christianitatem conservant, et in eorum praeceptiones continere videntur. Que antecessores nostri sepedicti Pippinus et Karolus vel Karlomannus ad ipsa casa dei per eorum instrumenta condonaverunt iuste et rationabiliter, nos per nostram confirmationem ei gratante animo concessisse vel confirmasse cognoscite. Et ut hec auctoritas confirmationis nostre firmior habeatur et per tempora melius conservetur, manus nostre˛ signaculis subter eam decrevimus roborare.

[755] Codex Carolinus, ep. 6: Papst Stephan II. an die Könige Pippin und Karl, Karlmann

147.267 – 268

Codex Carolinus, ep. 6 (MGH Epp. 3), S. 488 – 490, hier S. 488 f.; PL 98, 103B – 106C, hier 104A – 105A.

Optaveramus quidem, praecellentissimi filii, amplius protelando nostram locutionem dilatare; sed quia prae multis ab iniquo Haistulfo rege Langobardorum nobis ingestis tribulationibus, cor nostrum nimio atteritur dolore et taedet spiritus noster, ideo a multorum sermonum prolixitate declinavimus, et unum, quod est necessarium, excellentissimae christianitati vestrae innotescere studuimus. A Deo protecte, nosterque spiritalis compater et vos, dulcissimi filii, pro mercede animarum vestrarum, quemadmodum misericors Deus noster caelitus victorias vobis largiri dignatus est, iustitiam beati Petri, in quantum potuistis, exigere studuistis et per donationis paginam restituendum confirmavit bonitas vestra. Nunc autem, sicuti primitus christianitati vestrae de malicia ipsius impii regis ediximus, ecce iam mendatium et iniqua perversitas, atque eius periurium declaratum est. Antiquus quippe humani generis hostis, diabolus, eius perfidum invasit cor, et quae sub vinculo sacramenti adfirmata sunt, irrita facere visus est, nec unius enim palmi terrae spatium beato Petro sanctaeque Dei ecclesiae, vel rei publicae Romanorum reddere passus est. Tanto quippe a die illo, a quo ab invicem separati sumus, nos affligere et in magna

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

491

ignominia sanctam Dei ecclesiam habere conatus est, quanto non possunt hominum linguae enarrare, quia etiam et ipsi lapides, si dici potest, tribulationem nostram magno ululatu flerent, et ita nos visus est affligere, ut denuo in nobis innovata fuisset infirmitas. Nimis namque lugeo, excellentissimi filii, cur verba nostrae infelicitatis non audientes, mendatium plusquam veritatem credere voluistis, inludentes vos et inridentes: Unde et sine affectu iustitiae beati Petri, ad proprium ovile et populum nobis commissum sumus reversi.

[755] Codex Carolinus, ep. 7: Papst Stephan II. an Pippin, Karl und Karlmann 148.269

Codex Carolinus, ep. 7 (MGH Epp. 3), S. 490 – 493, hier S. 492; PL 89, 996A – 999B, hier 997B – 997C; PL 98, 107A – 111A, hier 108B – 109A. Magno namque dolore et tristitia, excellentissimi filii, cor nostrum repletum est. Cur minime bonitas vestra nos audire rennuit. Omnia denique, quae per Dei iussionem vobis locuti sumus veraciter ediximus: et iam patefacta sunt, ut facta ipsa demonstrant. Etenim sicut primitus christianitati vestrae ediximus, iniquus Haistolphus rex, ingresso in eius perfido corde diabolo, omnia quae per sacramentum beato Petro, per nostros missos restituenda promisit, irrita fecit, et nec unius palmi terrae spatium beato Petro reddere voluit. A die illo, a quo melliflua bonitate vestra separati sumus, tantum nos affligere et tribulare visus est, quantum non potest os hominis enarrare. In magna namque despectione sanctam Dei ecclesiam et nostram humilitatem et vestros missos habere visus est, quia etiam et ad nostram propriam animam auferendam mala eius imperatio et submissio facta est.

[756 c. Februar 24] Codex Carolinus, ep. 8: Papst Stephan II. an König Pippin 149.270 – 271

Codex Carolinus, ep. 8 (MGH Epp. 3), S. 494 – 498, hier S. 495 f.; PL 89, 999C – 1003B, hier 1001B – 1001C; PL 98, 115C – 120B, hier 118 – 118B. Nam et civitatem Narniensem, quam beato Petro tua christianitas concessit, abstulerunt seu et aliquas civitates nostras conprehenderunt. Quam ob rem afflicti vix potuimus per maximum ingenium marino itinere praesentes nostras litteras et missos ad tuam excellentissimam christianitatem dirigere, quas et cum magnis lacrimis scripsimus. Qui etiam – probante veritate dicimus – per unamquamque litteram lacrimas sanguine a mixtas exprimeremus: et utinam praestaret nobis Dominus, ut, qua hora nostram luctuosam adhortationem legeris, in praesentia tua per omnem litteram sanguine plena lacrima flueret.

[756 Februar 24] Codex Carolinus, ep. 9: Papst Stephan II. an die Könige Pippin, Karl und Karlmann 150.272

Codex Carolinus, ep. 9 (MGH Epp. 3), S. 498 – 500, hier S. 499; PL 89, 999C – 1003B, hier 1001B – 1001C; PL 98, 111B – 115B, hier 113A – 113C. Quinquaginta et quinque dies hanc afflictam Romanam civitatem obsidentes et ex omni parte circumdantes, proelia fortissima die noctuque cum pessimo furore incessanter cum diversis machinis et adinventionibus plurimis contra nos ad muros istius Romanae urbis commiserunt, ut sue potestati, quod avertat divinitas, subiciens omnes uno gladio isdem inimicus Haistulfus interimeret. Ita enim, cum magno furore

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exprobrantes nos, adserebant: ›Ecce circumdati estis a nobis; veniant nunc Franci et eruant vos de manibus nostris‹. Nam et civitatem Narniensem, quam beato Petro concessistis, absstulerunt et aliquas civitates nostras comprehenderunt. Quam ob rem constricti vix potuimus marino in itinere praesentes nostras litteras et missum ad vestram christianitatem dirigere, quas et cum magnis lacrimis scripsimus.

[758] Codex Carolinus, ep. 17: Papst Paulus I. an König Pippin

151.273

Codex Carolinus, ep. 17 (MGH Epp. 3), S. 514 – 517, hier S. 515 f.; PL 89, 1177B – 1180C, hier 1178C – 1178D sowie PL 98, 161C – 168A, hier 164D – 165B.

Post vero dissolutionem eorundem ducatuum coniunxit hic ad nos Romae isdem Langobardorum rex. Et cum eo loquentes, nimis eum adortati sumus et per sacratissimum corpus beati Petri atque etiam per tuam a Deo protectam excellentiam fortiter illum coniuravimus, ut civitates illas, id est Immulas, Bononia, Ausimum et Ancona – quia eas nobis praesentaliter simul et [per] vestros missos, id est Folradum Deo amabilem abbatem et presbiterum atque Rodbertum, excellentissime christianitati tuae et per te etiam beato Petro apostolorum principi pollicitus est redditurum – restituere deberet. Quod minime adquiescere inclinatus est; sed simulans ut certe strofarius varias occasiones adhibuit inquiens, ut, si suos, quos illic Frantia habere videtur, obsides reciperet, tunc in pacis concordia nobiscum conversaretur.

[758 – 767] Ambrosius Autpertus: Expositio in Apocalypsin, lib. II, cap. 2,9b 152.274 – 275 D: Riedlinger, (Art.) Ambrosius, S. 525.

Ambrosius Autpertus, Expositio in Apocalypsin, lib. II, cap. 2,9b (CCCM 27), S. 118 f.; nicht in der PL. ET BLASPHEMARIS AB HIS QVI SE DICVNT ESSE IVDAEOS; ET NON SVNT; SED SVNT SYNAGOGAE SATANAE. […] Et Dominus in Euangelio ait: Qui me confessus fuerit coram hominibus, confitebor et ego eum coram Patre meo qui est in caelis. Et qui me negauerit coram hominibus, negabo et ego eum coram Patre meo, et coram Angelis eius. Iudaeorum ergo nominis expressio, Mediatoris nostri est confessio. Ac per hoc quicumque Christianitatis nomine censentur, spiritaliter Iudaei appellantur, Paulo adtestante qui ait: Nos sumus circumcisio, qui spiritu Deo seruimus, non in carne fiduciam habentes. Et rursum: Non qui in aperto Iudaeus, sed qui in abscondito Iudaeus, et circumcisio cordis spiritu, non littera. Aperti ergo Iudaei, de semine carnis et circumcisione gloriantes, quia Christum repellunt, intus proprietatem nominis amittunt. Quique alternantibus uicissitudinum temporibus, quantum ad linguam carnis, modo aperte, modo occulte, quantum uero ad nequitiam cordis, semper Ecclesiam latenter blasphemant. Et quia illi quae una est Christi sponsa, una est eius columba, uniri nolunt, plures de seipsis Satanae synagogas faciunt. Sed nec dubium quod iam in plures sint diuisi, qui ab ipso Redemptoris aduentu duos de se populos diuersae hereseos dogmati inlectos reddiderunt, Pharisaeos scilicet ac Saducaeos. Haec specialiter proprie que de apertis ac falsis Iudaeis dicta sunt. Ceterum si a proprietate ad figuram sermo transeat, multos nunc intra sanctam Ec-

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clesiam occultos ac falsos Iudaeos, eandem Ecclesiam blasphemantes, inuenimus. Et quos alios esse putamus, nisi recte credentes, sed male uiuentes Christianos? Qui uidelicet Iudaeos se esse dicunt, et non sunt, quia christianum quidem nomen habent, sed opera christianitatis non habent. De quibus per Paulum dicitur : Confitentur se nosse Deum, factis autem negant.

[758 – 767] Ambrosius Autpertus: Expositio in Apocalypsin, lib. II, cap. 3,11

152.276

Ambrosius Autpertus, Expositio in Apocalypsin, lib. II, cap. 3,11 (CCCM 27), S. 174; nicht in der PL.

VENIO CITO, TENE QVOD HABES, VT NEMO ALIVS ACCIPIAT CORONAM TVAM. Ne uniuscuiusque electi mens a uigore certaminis pusillanimitate soluatur, cito se Dominus ad remunerandum uenire testatur. Cito enim fit omne quod transit. Totum namque tempus uitae praesentis, quamuis prolixis tendatur morarum spatiis, inde ad finem citius tendit, unde quasi crescere uidetur ; inde que defectum patitur, unde augmentum percipere uidetur. Propter hunc uelocem eius transcursum, omne christianitatis tempus, sicut praemisi, unius horae uocabulo per Iohannem terminatur.

[758 – 767] Ambrosius Autpertus: Expositio in Apocalypsin, lib. VI, cap. 13,6

152.277

Ambrosius Autpertus, Expositio in Apocalypsin, lib. VI, cap. 13,6 (CCCM 27 A), S. 498; nicht in der PL. Quos uero alios qui in caelo habitare dicuntur accipimus, nisi sanctos et electos Dei homines, siue qui iam christianitatis tempore praecesserunt, siue qui nunc sunt seu qui tunc futuri sunt? Quique dum caelestia appetunt, dum choris angelicis per contemplationis excessum semetipsos cotidie inmiscent, recte in caelo habitare pronuntiantur. Hinc per beatum Apostolum dicitur : Nostra conuersatio in caelis est.

[758 – 767] Ambrosius Autpertus: Expositio in Apocalypsin, lib. VI, cap. 14,11a

152.278

Ambrosius Autpertus, Expositio in Apocalypsin, lib. VI, cap. 14,11a (CCCM 27 A), S. 546; nicht in der PL.

De quo adhuc subditur : Nec reuertetur ultra in domum suam. Et quae huius alia domus a talibus de qualibus nunc loquimur esse credatur, cum in falsa christianitatis religione aduiueret, nisi illa de qua per Psalmistam Deo dicitur : Beati qui habitant in domo tua, Domine, in saeculum saeculi laudabunt te? De quo recte etiam adhuc subiungitur : Neque cognoscet eum amplius locus eius. Et quis eius locus ab eisdem putabatur, nisi ille cui idem Psalmista dicit: Esto mihi in Deum protectorem et in locum munitum, ut saluum me facias? Et quidem post acceptam maledictionis sententiam conabuntur reuerti ad locum et dicent: Domine, Domine, aperi nobis. Sed locus eis respondit dicens: Amen dico uobis, nescio uos.

[758 – 767] Ambrosius Autpertus: Expositio in Apocalypsin, lib. VII, cap. 16,10

152.279

Ambrosius Autpertus, Expositio in Apocalypsin, lib. VII, cap. 16,10 (CCCM 27 A), S. 613 f.; nicht in der PL.

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Quellensynopsis

Sciendum uero quia sicut in bono specialiter dicuntur sedes Dei hi quos ipse omnium Dominus praesidens iudicio intimae discretionis cuncta examinat, quamquam omnis electorum Ecclesia sit thronus Dei, ita in malo sedes bestiae hi esse specialiter cognoscuntur quos in regimine ecclesiasticae disciplinae positos sub uelamento simulatae fidei occultus aduersarius possidens, nequitiam suae iniquitatis abundantius exercet, quique nouissimis temporibus fiala persecutionis propinati, recte dicuntur contenebrari, ut qui fidem operibus abnegantes solo christianitatis nomine censebantur, illud quoque quo lucere uidebantur, id est fidem, amittentes, nulla iam ex parte lumen habere mereantur. Qui etiam linguas suas conmanducant, quia a fidei rectitudine persecutionis supplicio uicti declinantes, ipsam fidem quam prius defenderant inpugnant, ac per hoc cum unus alteri dicit: Non erat ipse Christus quem colebamus, nec rectam fidem defendebamus, alter que similiter respondet, atque hoc ipsum quod prior dixerat adfirmat, linguas suas sine dubio conmanducant, mordentes scilicet incredulitatis dente ac dilaniantes quod dudum fuerant professi.

[758 – 784] Ambrosius Autpertus: Libellus de conflictu, cap. 1

153.280

Ambrosius Autpertus, Libellus, cap. 1 (CCCM 27B), S. 909; PL 40, 1091 – 1092 (hier Augustinus zugeschrieben) zugleich PL 17, 1057C – 1057D (hier Ambrosius zugeschrieben, mit der Abweichung: Verum quia hoc tempore Christianitas); PL 83, 1131D – 1144D, hier 1131D – 1133A. Apostolica uox clamat per orbem, atque in procinctu fidei positis, ne securitate torpeant, dicit: omnes qui pie uolunt uiuere in Christo Iesu persecutionem patientur. Et ecce quia christianitas in suis principibus iam religiosa, iam que fidelis est, desunt pie uiuentibus in Christo Iesu uincula, uerbera, flagra, carceres, eculei, cruces, et si qua sunt diuersorum genera tormentorum. Quomodo ergo uerum erit quod per Apostolum sonuit, ut omnes pie uiuentes persecutionem patiantur? An forte pacis tempore nemo uult pie uiuere in Christo, et ideo desunt ista? Quis hoc uel desipiens dixerit? In hac ergo Apostoli sententia non specialis quorundam, sed generalis omnium persecutio debet intellegi. Et quidem sunt multi intra sinum matris Ecclesiae constituti qui pie uiuentes in Christo contumeliis adficiunt, obprobriis, iniuriis, derisionibus que lacessiunt. Ista ne est illa generalis persecutio, quam Apostolus omnes pie uiuentes pati descripsit? Non facile dixerim, cum sint quidam religiosi quibus nemo prauorum audeat in faciem derogare.

[759/60] Codex Carolinus, ep. 38: Papst Paulus I. an Pippin

154.281

D: So der Vorschlag von Paul Kehr, dem Peter Classen und Thomas X. Noble gefolgt sind, so Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1076.

Codex Carolinus, ep. 38 (MGH Epp. 3), S. 550 f., hier S. 551; PL 89, 1166D – 1167D, hier 1167B – 1167D sowie PL 98, 196A – 197B, hier 196C – 197B. Hoc interea vestram meminere volumus excellentiam nuper nobis direxisse, quatenus in pacis dilectione cum Desiderio Langobardorum rege conversare studeamus. Quod quidem si ipse excellentissimus vira in vera dilectione et fide, quam vestrae excellentiae et sanctae Dei Romane ecclesiae spopondit, permanserit, utique et nos in caritate firma et stabili pace cum eo permansuri erimus, observantes illud dominice praeceptionis documentum: ›Beati pacifici, quoniam filii Dei vocabuntur‹. Hoc itaque innotescimus

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christianissime eximietati vestrae, eo quod convenit inter nos et eundem Langobardorum regem, ut pariter nos in Ravennantium urbe praesentare studeamus ad perficiendas quasdam utilitates spiritalis matris vestrae, sanctae nostrae ecclesiae, et pertractandum pro Grecorum malitia, qui cotidie imminent in ipsam Ravennateme ingredi civitatem. Dumque pariter praesentati, quicquid conlocuti fuerimus vel rei exigerit meritum, excellentissime et a Deo protecte eximiaetati vestrae innotescimus. Orantes de reliquo divinam clementiam, ut ad perfectam exaltationem sanctae Dei ecclesiae et orthodoxae fidei defensionem aevis et prosperis temporibus excellentissimam christianitatem vestram in solio regalis potentiae cum dulcissima coniuge, excellentissima regina, spiritalii nostra commatre, atque amantissimis natis conservare et protegere dignetur, tribuens vobis et aeterna caelestis patriae gaudia possidenda. Incolomem excellentiam vestram gratia superna custodiat.

[759 Anfang] Codex Carolinus, ep. 18: Papst Paulus I. an Pippin

155.282

Codex Carolinus, ep. 18 (MGH Epp. 3), S. 518 f, hier S. 518; PL 89, 1153C – 1154D, hier 1153C – 1153D; PL 98, 172C – 173C, hier 172B – 172C.

Solet epistularis visitatio mentem semper reficere et materia quodammodo caritas existere. Quia ergo spiritalium dilectio sincera filiorum paternos sustinet desideranter affectus, summa nos cum alacritate implere convenit, quod pure conscientiae deposcit affectus. Et licet ad reddenda paternae caritatis officia, prolixitate itineris imminente, raritas portitorum impediat: quotiens autem necessitas inciderit occasio, excellentissimam christianitatem vestram non desistimus scriptis discurrentibus visitare et honore solito amplectentes utilitate, quatenus hoc, quod oculis carnalibus praesentium videre non possumus, eos aliquatenus scriptis valeamus alternantibus intueri.

[760 April] Codex Carolinus, ep. 19: Papst Paulus I. an König Pippin 156.283 – 284 Codex Carolinus, ep. 19 (MGH Epp. 3), S. 519 f.; PL 89, 1151D – 1153B, hier 1152B – 1152D; PL 98, 169C – 172A, hier 170C – 171B.

Indicamus siquidem praecelsae christianitati vestrae, quod nuper, dum ad nos coniunxissent fidelissimi missi vestri, scilicet a Deo amabilis Remedius germanus vester atque Aucharius gloriosissimus dux, constitit inter eos et Desiderium Longobardorum regem, ut per totum instantem Aprilem mensem istius tertiae decimae indictionis omnes iustitias fautoris vestri, beati Petri apostolorum principis – omnia videlicet patrimonia, iura etiam et loca atque fines et territoria diversarum civitatum nostrarum rei puplice˛ Romanorum – nobis plenissime restituisset. Unde eccae ex parte quidem eisdem iustitiis nobis isdem Langobardorum rex fecisse dinoscitur ; et reliquas omnes iustitias se profitetur atque omnino spondet nobis esse facturus. Quapropter inpensius nos prelatus Desiderius Langobardorum rex obsecratus est, ut vestrae a Deo protecte˛ excellentiae, nostris apostolicis relationibus intimare debuissemus. Et ecce, sicut nostro post Deum liberatori, hoc ipsud eximiae atque sublimissime˛ et a Deo protectae christianitati vestrae per has apostolicas nostras innotuimus syllabas, dirigentes magnopere ad vestram a Deo inspiratam praecelsam sublimitatem praesentem dilectum filium nostrum, Petrum presbiterum. Quem petimus benigno solite aspectu a vobis suscipi, et cum effectu atque prospero nuntio de perfecta ple-

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Quellensynopsis

nariaque iustitia diversarum causarum fautoris vestri, beati Petri apostolorum principis, ad nos remeandum absolvere dignemini.

[761 ?] Codex Carolinus, ep. 21: Papst Paulus I. an König Pippin

157.285

D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1075 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: Anfang 765. Codex Carolinus, ep. 21 (MGH Epp. 3), S. 522 – 524, hier S. 522 f.; PL 89, 1137B – 1140A, hier 1137B – 1137C; PL 98, 213B – 216B, hier 213B – 213D, vgl. PL 89, 1182B – 1183B. DOMINO EXCELLENTISSIMO PILIO ET NOSTRO SPIRITALI COMPATRI, PIPPINO REGI FRANCORUM ET PATRICIO ROMANORUM PAULUS PAPA. Cum maximo honorificentiae conatu et dilectionis affectu, quas preclara excellentia vestra misit litteras, adferentibus Andrea et Gunderico sollertissimis viris, christianitatis vestrae missis, acceptantes suscepimus litteras. Quibus, solita gratulatione laetitia relegentes, et mente et corde oppido sumus le˛tati, dum per eas optata nobis desiderio affectio et letitiae cumulum de vestra amplissima prosperitate nobis confertum est; Deo omnipotenti inmensas referentes grates, qui nos, iuxta ut crebro optamus, de vestra inmensa sospitate laetos reddere annuit. Nihil enim nobis dulcius, nihil suavius in hac vita extitit, quam vestrae incolomitatis gaudia assiduae prosperis relationibus addiscere, dum nimirum prosperitatis vestrae laetitia sanctae Dei ecclesiae exultatio et omnium orthodoxorum extitit uberrima defensio.

[761/762] Codex Carolinus, ep. 22: Papst Paulus I. an König Pippin

158.286

D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1075 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: Anfang 760 (?). Codex Carolinus, ep. 22 (MGH Epp. 3), S. 525 f.; PL 89, 1146C – 1148A, hier 1147A – 1147C; PL 98, 226A – 228B, hier 227A – 227B. Sed, bone, potentissime regum, ecce nunc oportunitas, ecce necessitatis dies cogunt et tempus ingruentis meriti exigit, ut sanctae Dei ecclesiae et huic a vobis liberate provintiae solite subvenire atque succurrere quantotius christianitas vestra satagat. Nos quippe post Deum et eius sanctam gloriosam genetricem atque sacra tissimos ipsius apostolos fiduciam nostram alibi non habemus nisi in vestram praeclaram excellentiam. Tu enim post Deum nobis refugium, christianissime rex, tu cum Dei brachio firma existis opitulatio, et vestri a Deo confortati regni severitas nostra est inmensa laetitia, quoniam tam nos quamque universus noster populus istius provintiae – divina vos satisfaciat maiestas – firmi atque inmobiles in vestra caritate ac dilectione et regni vestri a Deo protecti Francorum amoris constantia permanentes permanebimus, et nullus nos poterit humanus favor aut terror a vestri amoris dulcedine caritatisque affectu separare, sed una nobis erit in vestro amore vita ac mors.

[758 – 763] Codex Carolinus, ep. 24: Papst Paulus I. an Pippin

159.287

D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1075 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: 758. Codex Carolinus, ep. 24 (MGH Epp. 3), S. 528 f.; PL 89, 1156A – 1156C; PL 98, 158A – 158C.

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Peto itaque et deprecor te, excellentissime fili et spiritalis compater, atque per omnipotentem Deum et corpus beati Petri, cuius et obtimus fidelis existis, coniuro et maximis subplicationibus deposco, quatenus iubeas sedule in tuo sancto et a Deo inspirato mellifluo corde confertum retinere illud, quod vos sanctae recordationis dominus et germanus noster, beatissimus Stephanus papa, Dei nutu ammonuit atque deprecatus est peragendum, et in ea caritate atque amicitia permanere cunctaque, qualiter vos terribili adortatione adiito, adimplere et effectui mancipare iubeatis, ut perfectam mercedem et repositam plenissime redemptionis nostrae coronam a iusto iudice, omnium conditore, domino Deo nostro, qui vos in regem unxit, consequi mereamini et gaudia in eterna beatitudine cum sanctis et electis Dei, dum plebem dominicam perfectius liberans atque sanctam Dei ecclesiam defendens divinae maiestati inlesam a sevientium maliciap praesentaveris. Pro quo et magnam post Deum, benignissime rex, in tuae pollicitationis sponsione, quam beato Petro contulisti, spei gerimus fiduciam una cum omni populo istius provinciae a vobis redempto. Salutant itaque communem excellentiae vestrae christianitatem cuncti sacerdotes et clerus istius sacrosanctae catholicae et apostolicae Romanae ecclesiae, salutant vos et cunctus procerum senatus atque diversi populi congregatio, optantes una nobiscum de vestra amplissima prosperitate et uberrima laetitia diu gaudere et in domino Deo salutari nostro exultare.

[763] Codex Carolinus, ep. 27: Papst Paulus I. an Pippin

160.288

Codex Carolinus, ep. 27 (MGH Epp. 3), S. 531 f.; PL 89, 1163B – 1164A und PL 98, 177A – 178B. DOMINO EXCELLENTISSIMO ET NOSTRO SPIRITALI COMPATRI, PIPPINO REGI FRANCORUM ET PATRICIO ROMANORUM PAULUS PAPA. Quotiens fidelium Dei spiritalia referuntur studia, protinus audientium mentes ignite in Dei amore et mandatis divinis efficiuntur atque ad supernae considerationis intuitum excitantur. Et ideo libet profecto, potentissime regum, vestrae pietatis considerationi merita amplissime ad laudem Dei proferre et perennibus temporibus permanenda scripture testimoniis tradere, dum vestro concursu et auxilio ecclesiae Dei exaltatio et fidei orthodoxe profligatur defensio. Pro quo benedictus et laudabilis in omnibus regibus coram Deo et hominibus esse dinosceris, christianissime rex, et nomen benignitatis tuae exaratum fulget in conspectu divinitatis. Etenim, dum huius evoluto temporis spatio – quod nos nec vestrae sospitatis relationem meruimus suscipere nec penitus agnoscere, quid erga vos ageretur vel qualiter in itinere, quo profecti estis, peregistis, nimis anxietatis fervore desiderii nostri affectio in hoc ipsud addiscendum sedule provocatur, presertim dum et a nostris vestrisque inimicis adversa nobis de ipsis partibus adnuntiantur. Unde desiderium magnum nobis inheret, vestrae sospitatis gaudia addiscere et vestris salutaribus profectibus gratulari et contra inimicorum contritionem agnoscere. Pro quo quaesumus, ut certos nos, sicut desideramus, per vestros nuntios de vestra prosperitate et laetitia reddere iubeatis, quoniam vestra salus nostra est prosperitas et vestra exaltatio nostrum procul dubio est gaudium et inmensa securitas. Dignamque ex hoc Dei deprecamur potentiam, ut ipse protector noster et cum eius angelis dignetur praecellentissimam christianitatem vestram tueri et gubernare, [ut] in celestibus regnis cum sanctis et electis, qui ab initio mundi placuerunt Deo, multipliciter consequaris mercedem; destinantes quidem, nos esse certiores, vestrab scire iubeat a Deo protectam excellentiam, quid erga vos aut

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Quellensynopsis

christianam gentem vestram agere videmini et quomodo Deus noster vestros ac nostros humiliavit inimicos, et, ut fati sumus, certos nos, sicut desideramus, de vestra prosperitate et laetitia reddere iubeatis. Incolomem excellentiam vestram gratia superna custodiat.

[761 – 766] Codex Carolinus, ep. 27: Papst Paulus I. an Pippin

161.289

D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1075 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: 759. Codex Carolinus, ep. 30 (MGH Epp. 3), S. 536 f., hier S. 536; PL 98, 179A – 180B, hier 179A. Precelsae et a Deo servate˛ christianitati vestrae his nostris apostolicis innotescimus apicibus, quod – iam absolutis vestris missis, qui nuper ad nos coniunxerunt, Wilchario videlicet sanctissimo fratre et coepiscopo nostro seu Felice religiose et Ratberto viro inlustri – coniunxit ad nos nuntium missum a fidelibus sanctae Dei ecclesiae, spiritalis matris vestrae, qui vera nobis semper adsolent indicare, significans nobis, quod nefandissimi Greci, inimici sanctae Dei ecclesiae et orthodoxae fidei expugnatores Deo sibi contrario, super nos et Ravennantium partes inruere cupiunt atque motionem facere.

[761 – 766] Codex Carolinus, ep. 31: Papst Paulus I. an Pippin

162.290

D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1075 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: 759 (?). Codex Carolinus, ep. 31 (MGH Epp. 3), S. 537; PL 98, 181A – 181C, hier 181A – 181B. Praecelse˛, et a Deo servate christianitati vestrae, eximie fili et spiritalis compater sicut nostro post Deum liberatori ea, quae superveniunt vel aguntur in his partibus, quantotius significare nostri est procurandum. Et ideo his apostolicis relationum syllabisd melliflue et a Deo institutae regalis vestrae potentiae culmini innotescimus suscepisse nos – post absolutionem nostrarum litterarum – syllabas a sanctissimo fratre nostro Sergio archiepiscopo Ravennate, quas Leon imperialie eius sanctitati Ravennatum provintia visus est direxisse. Et ecce infra has nostras apostolicas litteras praeclare excellentiae vestrae earum instar direxisse, ut suasionis versutiam in eis adnexam praefulgida excellentia vestra agnoscens merito sanctae Dei ecclesiae fideique orthodoxae defensionem perfectius studeat procurandum, quatenus repositam sibi in caelestibus regnis coronam mercedis a domino Deo nostro percipere mereatur.

[761 – 766] Codex Carolinus, ep. 32: Papst Paulus I. an König Pippin

163.291

D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1075 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: 760 (?). Codex Carolinus, ep. 32 (MGH Epp. 3), S. 538 f., hier S. 539; PL 89, 1170D – 1172B, hier 1171C – 1171D; PL 98, 182A – 184B, hier 183B – 183C. Supplici deprecatione te, bone, orthodoxae rex, quesumus postulantes, ut sis nobis post Deum firmus protector ac defensor, constanter in eo quod caepisti bono ac pio redemptionis sanctae Dei ecclesiae permanens opere. Optime enim praecellentiae vestrae christianitas [christianitati, laut PL] comperta existit, quanta qualisque sit

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

499

impia hereticorum Grecorum malitia: inhianter meditantes atque insidiantes, qualiter, Deo illis contrario, sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam humiliare atque conculcare et fidem sanctam orthodoxam atque sanctorum patrum tradicionem destruere possint. Sed tu, bone, potentissime rex, viriliter sicut vere orthodoxus eisdem impiis resistere hereticis atque sollte sanctam Dei ecclesiam et christianorum orthodoxam fidem tuo a Deo protecto solito auxilio atque congruo disposito defendere digneris, quoniam magna post Deum in vestra excellentia et fortissimi regni vestri brachio existit fiducia.

[761 – 766] Codex Carolinus, ep. 34: Papst Paulus I. an König Pippin 164.292 – 293 D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1076 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: 761?.

Codex Carolinus, ep. 34 (MGH Epp. 3), S. 540 – 542, hier S. 542; PL 89, 1143A – 1144D, hier 1144B – 1144C; PL 98, 186B – 189A, hier 188B – 188C. Quapropter quaesumus a Deo protectam excellentiam vestram, ut ita disponere iubeat, ut plenarias de omnibus recipere valeamus iustitias, quatenus isdem beatus Petrus princeps apostolorum, pro cuius restituendis luminariis decertatis, firmissimus vobis sit auxiliator ac optimus remunerator. Nam pro certo agnoscat excellentissima christianitas vestra, quia, si nobis praelati civitatum nostrarum ab eisdem Langobardis invasi fines atque patrimonia reddita non fuerint, etiam ea, quae primitus reddiderunt, invadere insidiabunt. Quapropter obnixe petimus christianitatem vestram, ut ita solite nostris petitionibus ea ipsa nobis restitui disponendum adcommodare iubeatis, ut vestra solita dispositione exaltatio sancte˛ Dei ecclesie˛ et istius a vobis redempte cum Dei virtute provintiae salus proficiat.

[761 – 767] Codex Carolinus, ep. 41: Papst Paulus I. an König Pippin

165.294

Codex Carolinus, ep. 41 (MGH Epp. 3), S. 553 f., hier S. 554; PL 89, 1187A – 1187D, hier 1187C u. PL 98, 199D – 201B, hier 200C – 201A. Et quidem, benignissime rex, satisfacimus christianitatem tuam [PL: christianitati tuae], quod, nisi Georgius, qui eidem scolae praefuit, de hac migrasset luce, nequaquam eundem Simeonem a vestri germani servitio abstolere niteremur. Sed defuncto praelato Georgio et in eius isdem Symeon, utpote sequens illius, accedens locum, ideo pro doctrina scolae eum ad nos accersivimus. Nam absit a nobis, ut quippiam, quod vobis vestrisque fidelibus onerosum existit, peragamus quoquomodo; potius autem, ut praelatum est, in vestrae caritatis dilectione firmi permanentes, libentissimae, in quantum virtus subpetit, voluntati vestrae obtemperandum decertamus.

763 Heddo Argentinensis: Testamentum

166.295

Heddo Argentinensis, XXVIII. Testamentum Heddonis episcopi Argentinensis, seu Charta fundationis et donationis monasterii Ettenheimensis, die 13 Martii 763, in: PL 96, 1547B – 1552A, hier 1551A – 1551C. Has autem praedictas res et loca supra nominata, quae prefatae cellae consignavimus, et quae adhuc, Deo juvante, eidem cellae acquirere potuimus, cum consilio supra dicti gloriosi regis Pippini et consensu omnium amicorum principumque ejus, constituimus atque perpetua lege censuimus satis sufficientes esse ad cottidianum stipendium

500

Quellensynopsis

triginta fratribus et eis cottidie servientibus, ut cenobialem vitam ducentes, atque regulae sancti Benedicti in omnibus obedientes pro salute ac prosperitate regum, nec non pro omni christianitatis stabilitate, et religione semper eorum oratio in conspectu Dei non desinat flagitare. Si quis vero, quod fieri non credo, ut ego ipse aut aliquis de successoribus meis, vel quicunque contra hoc testamentum, quod ego bona voluntate fieri vel conscribere rogavi, venire, aut illud infrangere voluerit, imprimis, si se de hac causa emendare noluerit, iram Dei et offensam sanctae Mariae et sancti Petri apostoli, et omnium sanctorum et poenas inferni experire pertimescat, et insuper sociante fisco auri libras decem, argentique ponderis triginta libras ad illud monasterium persolvat, et quod repetit, nichil valeat evindicare.

[764 – 766 Mai nach] Codex Carolinus, ep. 36: Papst Paulus I. an König Pippin 167.296 – 300 D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1076 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: 766; dagegen McCormick, Textes, S. 116 – 126: März 767 – 28. Juni 767.

Codex Carolinus, ep. 36 (MGH Epp. 3), S. 543 – 547, hier S. 544 – 546; PL 89, 1148A – 1151C, hier 1148B, 1150A – 1150C, 1151A – 1151B; PL 98, 206B – 210C, hier 206C – 206D, 208C – 209B, 210A – 210B. Remeantibus siquidem ad nos missis nostris, quos ad vestram praeclaram excellentiam directos habuimus, Johanne videlicet subdiacono et abbate atque Pampilo defensore regionario spiritalis matris vestrae, sanctae nostre ecclesiae, una cum vestro misso, Flagino cappellano, attulerunt nobis honorabiles et nimis desiderabiles christianitatis (vestrae) litteras. Quas cum nimio iocunditatis gaudio suscipientes ac relegentes, protinus earum adsertio tamquam suavitatis flagrantia nos afficiens e ac salutaris providentiae fomento medens laetos efficit. […] Direximus itaque excellentiae vestrae, iuxta ut intimastis, signum nostrum per praesentem missum vestrum. Interea et hoc innotescimus christianitati vestrae: quod iam sepius nos petisse dinoscitur Tasilo Baiuariorum dux, ut nostros missos ad vestram praeclaram excellentiam dirigi annuissemus, ut ea inter vos provenirent, quae pacis sunt. Unde nos, data occasione, libentissime nostros missos, id est Philippum dilectum filium nostrum presbiterum atque Ursum cubicularium nostrum et fidelem, ad vestri prae sentiam visi sumus direxisse transacto Maio mense, eo videlicet modo, ut, qualiter vestra fuisset voluntas, ita peragere debuissetis. Et properantibus ipsis nostris missis usque Ticino, adversa suspicione arreptus Desiderius Langobardorum rex minime eos permisit ad vestram a Deo conservatam excellentiam pertransire gradiendum. Tamen et easdem litteras, quas vobis dirigebamus, infra hec nostra scripta christianitati vestre˛ transmisimus. Itaque et hoc a Deo protecte christianitati vestrae aptum duximus intimandum: quod, relectis imperialibus litteris vobisque defertis per praelatos Anthi spatarium et Sinesyum eunuchum, quas nobis ob earum seriem intuendam pro amore beati Petri fautoris vestri dirigere dignati estis, repperimus in eis adnexum, quod vestri ac nostri homines, qui ipsas imperiales syllabas, quae vobis nobisque directae sunt vel diriguntur, interpretantur, non iuxta ut ibidem exaratum est, sed aliud pro alio false interpretare audent, sed missi, qui inter partes properant, non sicut illis in iunguntur, sed acceptilationis praemio corrupti alia pro aliis deferunt. […] Et ob hoc credimus: illut,

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

501

quod nobis false profertur, non inproperium, sed bravii corona nobis a Deo conputatur. Et idcirco utrisque nobis Dominus adiutor est, et non timebimus, quod nobis faciat homo. Habebimus enim post Deum et clipeum protectionis et arma virtutis vestram a Deo inlustratam preclaram excellentiam. At vero christianitas vestra suos iubeat inquirere missos, et in omnibus vos satisfaciatis, quoniam mendatium contra nos isdem adseruit inperator, eo quod eam direximus suggestionem: eis relegentes pariter cum ipsis, quae direximus, confirmavimus; tamen et eius exemplar a nobis vobis directum apud vos habere videmini.

[764 – 766] Codex Carolinus, ep. 37: Papst Paulus I. an König Pippin 168.301 – 304 D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1076 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: Ende 765; McCormick, Textes, S. 116 – 123: Ende 766.

Codex Carolinus, ep. 37 (MGH Epp. 3), S. 547 – 550, hier S. 547 – 549; PL 89, 1157A – 1160C, hier 1157A – 1157D, 1159A – 1159D; PL 98, 217B – 221C, hier 217B – 218A, 219B – 220C. Votiva cordis nostri desideria et intimi pectoris affectu ut vestrae excellentiae beneficiorum suffragia sanctae Dei ecelesiae vota proferentes, obtabilem nimisque amabilem salutem praecelsae christianitati vestrae atque excellentissimae et nostrae benignissime˛ filiae et commatri, obtime reginae, simulque amantissimis ac praeclaris vestris nostrisque in Christo amabilibus filiis, Carolo et Carlomanno excellentissimis regibus Francorum et patriciis Romanorum, nec non et omnibus reverentissimis fratribus nostris ac dilectissimis nobis episcopis, presbiteris etiam, religiosis abbatibus simulque et cunctis obtimatibus, iudicibus, ducibus videlicet et comitibus, nec non et universo Christo protecti Francorum regni populo vobis subiacentibus destinamus perennem salutem: persistentes etiam una nobiscum et in osculo caritatis vos amplectentes universi sanctissimi fratres nostri, episcopi, presbiteri etiam et cunctus sanctae et spiritalis matris vestrae, Romane ecclesiae, clericorum ordo et procerum ac obtimatum et universi Romani magni vel minoris congregatio, sedulis interventionibus pro vita et incolomitatis a vestrae laetitia ce˛litusque vobis concedendis victoriis divinam nobiscum deprecantes clementiam; et vere debitum vobis est, excellentissime fili nosterque post Deum defensor ac liberator, solitae honorificentiae affectum persolvere et inpensius salutationis verba promere et ea, quae ad regni vestri inmensam exultationis laudem et animae vestrae salutem respiciunt, amplissimae profligari. […] Direxit itaque nobis excellentiae vestrae christianitas, significans de missis nostris vestrisque atque Grecorum, qui a regia urbe reversi sunt, eos aput vos esse detentos, interim quod, aggregatis vestris sacerdotibus atque obtimatibus, conicere seu per petrare valeatis, quid de his, quae vobis directa sunt, respondendum sit. Et quidem nobis hac de re aliter confidendum non est a vobis respondi, nisi quae ad exaltationem sacrosanctae spiritalis matris vestrae Romane ecclesiae, caput omnium ecclesiarum Dei, atque orthodoxe˛ fidei pertinere noscuntur, et quia, quod semel beato Petro pro aeternae vitae retributione obtulistis, nulla vos deberet ratione ab eius iure et potestate separari; scimus enim, quod nulla apud vos suasionis fabulatione praevalet, dum divina verba et apostolica documenta firmiter in vestro corde retinetis adnexa. Et ecce, sicut nobis per vestras litteras et nostros vestrosque missos maximam confidendi

502

Quellensynopsis

materiam intulistis, prestolamur letabunda hac de re nuntia a vobis suscipi et solite de vestro benigno mentis proposito gratulari. Et hoc praecelsa christianitas vestra per easdem suas nos adgreduit syllabas: Georgium episcopum et Petrum presbiterum in vestro permanendum servitio, nos debere concedi. Et quidem praecellentissima vestra benignitas agnoscat, nos iam dudum de hoc vestrae obtemperasse voluntati; per Andream quippe religiosissimum a missum vestrum, sicuti poposcendum, in exaratis distinatis apostolicis syllabis eos vobis dinoscimur concedisse, intimantes, ut, sive retinendum sive etiam absolvendum vestra fuisset voluntas, de eis peragere deberetis. Unde etiam et nunc vestro voluntatis arbitrio relaxamus, ut, qualiter vobis de eis placuerit tam retinendum quam absolvendum, faciatis, dum semel a nobis vobis concessi sunt; sed utinam ipsi placabiles in vestro possint esse servitio. Pro quo dirigite nobis, quid de episcopato praedicti Georgii et de ecclesia, quae praenominato Petro commissa est, peragere debeamus, ne amplius, illis amotis, in nimiam neclectus incuriam deveniant. Interea duos vestros missos, id est Vullfardum et eius socium, secundum vestram praeceptionem pro utilitatibus sanctae nostrae ecclesiae, spiritalis matris vestrae, in his partibus retinuimus. Illud preterea excellentia vestra innotuit, Desiderio vos Langobardorum regi direxisse, ut Saxulum puerum nostrum, qui nobis fugam arripuerat, reddere deberet. Sed agnoscat christianitas vestra, quod etiam vos creditum cognitum habere, coniunxisse hoc preterito auttumni tempore eundem Desiderium Langobardorum regem ad apostolorum causa orationis limina; eundemque nostrum puerum secum deferens nobis contradidit. (…)

[762 – 767] Codex Carolinus, ep. 42: Papst Paulus I. an König Pippin 169.305 – 306 D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1076, mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: Anfang 766 – 767.

Codex Carolinus, ep. 42 (MGH Epp. 3), S. 554 – 556, hier S. 555 f. ; PL 89, 1140B – 1142D; PL 98, 222A – 225B. Nec mirum, tam benignissimum regem tanto divino munere esse preornatum, quoniam spiritus, ubi vult et in quibus vult, inspirat; et profecto in eis inspirat, qui piis fulgent operibus, sicut vestra fulgere dinoscitur excellentia. Nam, qualiter dilectionis vestrae amor erga beatum Petrum apostolorum principem et circa nostram caritatem fervesceret, licet solite vestris apicibus atque responsis discurrentibus excellentissima christianitas vestra pronuntiaverit, nunc tamen per eas, quas in praesenti per harum latorem misistis, sillabas, amplissime nobis paternitatis vestrae affectum protulistis, significans, bone, excellentissime fili et spiritalis compater et noster post Deum defensor et liberator, firma perseverantia in amore ipsius principis apostolorum et nostra caritate permansurum. Quod quidem nos securi de vestra immutabilis verbi pollicitatione existimus; ›scimus enim, cui credidimus, et certi sumus‹, omnia, iuxta ut asseris, perfici. […] Itaque noster animus laetus effectus est et Deo omnipotenti et vestrae praecellentiae immensas retulimus grates, in id quod nostram deprecationem a Deo inspiratus exa-

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

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udire dignatus es, benignissime rex, et preceptum regalis vestri culminis nostro monasterio dirigendum pronuntiastis, firmam eiusdem sanctae mansionis dationem procurantes nunc et retro cunctis temporibus. Unde petimus divinam clementiam, ut, sicut vos nostrum monasterium, quod ad Dei laudem constitutum est, confirmare studetis, ita vestrum regnum confirmare super omnes gentes dignetur. Et pro certo sciat excellentissima christianitas vestra, quod omnes illos marthyres, qui pro Christi nominis confessione suum fuderunt sanguinem et in eodem sancto requiescunt monasterio, firmissimos apud divinam clementiam habebitis intercessores.

[766 – 773] Paulus Diaconus: Historia Romana, lib. XI, cap. 1

170.307

Paulus Diaconus, Historia Romana, lib. XI, cap. 1 (MGH SS rer. Germ. 49), S. 90; PL 95, 743D – 1144B, hier 925D – 927C.

LIBER VNDECIMVS. Anno ab urbe condita millesimo centesimo octavo decimo Valentinianus tricesimus octavus, e Pannonia Civalensi editus, cum esset tribunus scutariorum, apud Niceam Augustus appellatus fratrem Valentem Constantinopolim in communionem regni adsumpsit. huius pater Gratianus, mediocri stirpe ortus apud Cibalas, funarius appellatus est eo, quod venalicium funem portanti quinque milites nequierint extorquere; eo merito adscitus in militia usque ad praefecturae praetorianae potentiam conscendit; ob cuius apud milites commendationem Valentiniano imperium resistenti inlatum est. qui cum sub Iuliano Augusto Christianitatis integram fidem gereret, cum, ut dictum est, scutariorum tribunus esset, iussus ab imperatore sacrilego aut immolare idolis aut militia excedere sponte discessit; nec mora Iuliano interfecto Iovianoque mortuo, qui pro nomine Christi amiserat tribunatum, in locum persecutoris sui accepit imperium. qui cum iam anno tertio imperii cum Valente fratre ageret, Gratianum filium necdum bene puberem oratu socrus et uxoris Augustum creavit.

[767] Codex Carolinus, ep. 43: Papst Paulus I. an König Pippin

171.308 – 309

D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1076 mit Hinweis auf Alternativdatierung von Kehr, Chronologie: 760?; McCormick, Textes, S. 116, S. 121: 28. Juni 767. Codex Carolinus, ep. 43 (MGH Epp. 3), S. 557 f., hier S. 557; PL 89, 1145A – 1146B, hier 1145B – 1145C; PL 98, 197C – 199C, hier 197C – 198C.

DOMINO EXCELLENTISSIMO FILIO ET NOSTRO SPIRITALI COMPATRI, PIPPINO REGI FRANCORUM ET PATRITIO ROMANORUM PAULUS PAPA. Explere verbis nequeo et penitus sermonum copia nequaquam complecti valeo, excellentissime et re vera praecunctis regibus christianissime atque orthodoxe regum, quantum vestris meritis atque piis operationum studiis intima cordis nostri affectio congratulatur, dum profecto vestro certaminis praesidio et laborioso conamine sancta catholica et apostolica, universalis, mater vestra spiritalis, Dei ecclesia atque orthodoxa christianorum fides ab emulorum inpugnationibus erepte consistunt; et ex hoc indesinenter ab omni populo christiano redemptori nostro domino Deo ob tantum vestrum adhibitum beneficii adminiculum referuntur laudes. Unde merito, christianissime fili et spiritalis compater, cum egregio illo ac praecipuo David rege et eximio prophetarum in celestibus regnis participem te esse, omnium fidelium mentes opinantur, quia sicut honorum infulis, ita quoque et operibus eum coequare christianitas

504

Quellensynopsis

tua, ut ipsa rei operatio demonstrat, dinoscitur. Ille enim, erepta ab allophilis arca Domini, cum ymnis et canticis spiritalibus ac psalterii modulatione exultans iocundabatur; tu quoque, fundamentum et capud omnium christianorum sanctam Romanam redimens ecclesiam et universum ei subiacentem populum, gaudens atque laetus omnipotenti domino Deo nostro offerre satagis, cuius tanti pii operis perfectionem adhibere benignitas tua anhelat; de quo iam repositam sibi in celestibus arcibus praemiorum credat consequi remunerationem. Properantes siquidem ad vos praesentes solertissimi viri, Haribertus scilicet abbas et Dodo comes, excellentiae vestre fidelissimi missi, detulerunt nobis mellifluas et nimis desiderabiles sillabas a vestra praeclara christianitate directas, in quibus solite nos de vestro firmo atque incommutabili pollicitationis verbo et magnae perseverantiae constantia, quam in apostolicis perficiendis causis gerere videmini, certos reddere studuistis. Quod quidem nos, firmi et omnino freti in vestro benigno proposito, existimamus fine tenus vos permansuros atque perfectius operaturus id, quod beato Petro apostolorum principi et praedecessori domino et germano nostro, beatissimo Stephano pape, polliciti estis.

[767 nach August 31] Codex Carolinus, ep. 99: Papst Konstantinus II. an König Pippin 172.310 – 311

Codex Carolinus, ep. 99 (MGH Epp. 3), S. 650 – 653, hier S. 651 f.

Premissis quidem iam vicibus nostris, apostolicis apicibus visi sumus intimasse a Deo instituto regalim vestro culmini de recessu predecessoris nostri, domni Pauli papae, et quomodo me indignum et inutilem divina dignatio in apostolatus ordinem provehere iussit. Unde ecce et nunc, iteratis nostris apostolicis affatibus, debitum honoris ac salutationis affectum et visitationis conatum excellentissime, christianitati vestre˛ aptum duximus persolvendum. […] Unde ecce magnopere ad vestra a Deo directa vestigia direximus presentes fidelissimos nostros missos, scilicet Christophorum dilectum filium nostrum, presbiterum, atque Anastasium notarium regionarium spiritalis matris vestrae, sanctae nostrae aecclesiae, qui vos de nostra fidelitate, quam erga vestram regalem potentiam gerimus, satisfacere debeant; quibus et in ore posuimus hoc ipsud christianitati vestrae nostra vicae enarrandum. Quos petimus ob reverentiam (…..)vestri beati Petri benignae a vobis solite suscipi eisque in omnibus credere et cum letabundis nuntiis de vestro benigno proposito et inmensa prosperitate absolvere iubeatis.

[768 nach] Willibald: Vita S. Bonifatii, cap. 6

173.312

D: nach der Edition; abweichend hierzu Berschin, Karolingische Biographie, S. 454, mit der Angabe 760 n. Chr. Willibald, Vita Sancti Bonifatii, cap. 6 (MGH SS rer. Germ. 57), S. 26 f.; MGH SS 2, S. 342; PL 89, 603A – 634A, hier 617A – 617B. Per singulos enim a prochemio gradus virtutis documenta et laboris in Domino constantiam huius sancti viri perstrinximus, ut sequentia subtilius bonorum ejus exempla conglobatim ad memoriam revocemus. Cumque ingentem Domino populum in Fresonibus adquireret, multique ab eo spirituali doctrine˛ edocati ad agnitionem veritatis, inradiantibus verae lucis radiis, pervenerunt, tunc quippe, Domino patroci-

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

505

nante, alias Germaniae praedicandi causa partes adiit, et supradictum locum, cui gemini praeerant germani, Detdic videlicet et Deorulf, Domino auxiliante obtinuit, eosque a sacrilega idolorum censura, qua sub quodam Christianitatis nomine male abusi sunt, evocavit ac plurimam populi turbam rectae patefacta intelligentiae via, errorum deposito horrore, a malivola gentilitatis superstitione retraxit, et monasterii collecta servorum Dei congregatione cellam construxit. Similiter et iuxta fines Saxonum, Hessorum populum paganicis adhuc ritibus oberrantem, a daemoniorum, euangelica praedicando mandata, captivitate liberavit.

[768 nach] Willibald: Vita S. Bonifatii, cap. 6

173.313 – 314

Willibald, Vita Sancti Bonifatii, cap. 6 (MGH SS rer. Germ. 57), S. 32 f.; MGH SS 2, S. 344; PL 89, 603A – 634A, hier 620A – 620C.

Atque universis quae praediximus conpletis et superno suffragante nutu peractis, ad Thyringeam profecto profectus est. Et seniores plebis populique principes affatus est eosque, relicta ignorantiae caecitate, ad acceptam dudum christianitatis relegionem iterando provocavit: quia, facessante suorum regum dominio, magna quidem eorum comitum multitudo sub Theotbaldi et Hedenes periculoso primatu, qui lugubre super eos tyrannici ducatus et infestum vastationis potius quam devotionis obtinebant imperium, vel corporali per eos praeventa morte vel hostili siquidem eductione captivata est in tantumque diversis constricta malis, ut cetera que manebat residua populi turba Saxonum se subiecerat principatu; quoniam, cessante relegiosorum ducum dominatu, cessavit etiam in eis christianitatis et relegionis e intentio, et falsi seducentes populum introducti sunt fratres, qui sub nomine relegionis maximam hereticae pravitatis introduxerunt sectam. Ex quibus est Torchtwine˛ et Berehthere, Eanbercht et Hunraed, fornicatores et adulteri, quos iuxta apostolum iudicavit Deus: qui validissimum adversus hominem Dei excitaverunt conflictum; sed veris verborum oppositionibus confutati, dignam reconpensationis sortiti sunt sententiam.

[768 nach] Willibald: Vita S. Bonifatii, cap. 7

173.315

Willibald, Vita Sancti Bonifatii, cap. 7 (MGH SS rer. Germ. 57), S. 38 f.; MGH 2, S. 346; PL 89, 603A – 634A, hier 623A – 623C. Sed quia sanctus vir iam Deo ab infantia deditus, iniuriam Domini sui non ferens, supradictum ducem cunctumque vulgum ab iniusta hereticae falsitatis secta et fornicaria sacerdotum deceptione cohercuit et provinciam Baguariorum, Odilone duce consentiente, in IIII divisit parrochias quattuorque hiis praesedere fecit episcopos, quos, ordinatione scilicet facta, in episcopatus gradum sublevavit. Quorum primus nomine Iohannis e˛cclesiae in oppido qui dicitur Salzburch episcopatus cathedram suscepit; secundus Erembercht, qui Frigisingensi e˛cclesiae superspeculatoris tenuit principatum; tertius Gaibald, qui e˛cclesie civitatis Beginae pastorale excubitoris subiit magisterium. Cum que omnia, confirmato christianitatis ordine, rite agerentur, et canonum sunt iura in Baguariis recuperata, iam ad proprias remeando rediit e˛cclesias, populique sibi commisi curam gerens caulasque gregium circum spiciens et excubias plebis providens, oves a nefandis luporum mursibus eripuit.

506 [768 nach] Willibald: Vita S. Bonifatii, cap. 8

Quellensynopsis

173.316

Willibald, Vita Sancti Bonifatii, cap. 8 (MGH SS rer. Germ. 57), S. 43; MGH SS 2, S. 348; PL 89, 603A – 634A, hier 625B – 625C. Quapropter, si quae in hac mortali huius peregrinationis vita ad communem in hoc mundo infirmantium protectum ab spiritalibus medicinaliter sunt conperta auctoribus, etiam si quandoque humanis inserta fuerint mentibus, magna sunt munitionis fortitudine a catholicis conservanda et praefixa mentis immobilitate tenenda, ne vel oblivio humana obrepat vel etiam mundanae oblectationis in lecebrosa delectatio, diabulo instigante, praepediat. Quam ob causam sanctus hic Domini antistes, hac sollertissimae sollicitudinis cura inspiratus, plebem a pestifera tortuosi serpentis persuasione eripere curavit et Carlomannum ducem ad congregandum supradictum synodorum conventum sepissime incitavit, ut tam praesentibus quam posteris spiritalis scientiae sapientia patesceret et, aversa animarum circumventione, cognitio christianitatis innotesceret.

[770/771] Codex Carolinus, ep. 47: Papst Stephan III. an König Karlmann 174.317

Codex Carolinus, ep. 47 (MGH Epp. 3), S. 565 f.; PL 89, 1257A – 1258C, hier 1258A – 1258B; PL 98, 252C – 254B, hier 253A – 254A. Ad vero, quia amoris vestri fervor in nostris firmiter viget praecordiis, magna nobis desiderii ambicio insistit, praecellentissime regum, ut spiritus sancti gratia, scilicet compaternitatis affectio, inter nos eveniat. Pro quo obnixae quaesumus christianitatem tuam, a Deo institutae, bone rex excellentissimeque fili, ut de praeclaro ac regali vestro germine, quod vobis Dominus pro exaltatione sanctae suae ecclesiae largiri dignatus est, in nostris ulnis ex fonte sacrig baptismatis aut etiam per adorandi chrismatis unctionem spiritalem suscipere valeamus filium; ut, eadem Deo prosperante compaternitatis gratia in medio nostrum corroborata, magna laetitia ex hoc tam nos quamque universus noster populus pariter relevati exultare valeamus in Domino.

[771] Codex Carolinus, ep. 48: Papst Stephan III. an König Karl und Königin Bertrada 175.318 – 319 Codex Carolinus, ep. 48 (MGH Epp. 3), S. 566 f.; PL 89, 1249B – 1251A; PL 98, 245B – 248A.

Cum magno dolore et gemitu cordis tribulationis atque mortis periculum, quod nobis per sequaces diaboli iam eveniebat, ecce subtilius per has nostras apostolicas syllabas a Deo consecratae religiosaetatis vestrae atque praecellentissimae christianitatis tuae auribus intimare studemus, eo quod nefandissimus Christophorus et Sergius, nequissimus eius filius, consilium inientes cum Dodone, misso germani tui, Carlomanni regis, nos interficere insidiabant. Unde cum eodem Dodone et eius Francis, cum aliquibus eorum nequissimis consentaneis aggregantes exercitum, super nos in Lateranensium sanctum patriarchatum cum armis ingressi sunt, confringentes et ianuas atque omnes cortinas ipsius venerandi patriarchii lanceis perforantes, atque intus in basilicam domni Theodori papae, ubi nullus ausus est aliquando vel etiam cum cultro ingredi, cum loricis et lanceis, ubi sedebamus, introierunt; sicque ipsi maligni viri insidiabant nos interficere. […] Et credite nobis, a Deo consecrata filia atque excellentissime˛ fili, nisi Dei protectio

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

507

atque beati Petri apostoli et auxilium excellentissimi filii nostri, Desiderii regis, adesset, iam tam nos quamque noster clerus et universi fideles sanctae Dei ecclesiae et nostri in mortis decideremus periculum. Ecce quantas iniquitates et diabolicas immissiones hic seminavit atque operatus est praedictus Dodo, ut, qui debuerat in servitio beati Petri et nostro fideliter permanere, ipse e contrario animae nostrae insidiabatur, non agens iuxta id, quod a suo rege illi praeceptum est: in servitio beati Petri et nostra oboedientia fideliter esse permansurum. Et certe credimus, quod, dum tanta eius iniquitas ad aures excellentissimi filii nostri, Carlomanni regis, pervenerit, nullo modo ei placebit, in eo quod in tantam deminorationem atque devastationem sanctam Dei ecclesiam is Dodo cum praelatis suis nefandissimis sequacibus cupiebat deducere. Et ideo nostras tribulationes et angustias atque pericula a Deo institutae religiosissimae christianitate tuae atque excellentiae vestrae innotuimus, quoniam profecto omnipotens Deus credentes in se et confidentes in eius misericordia non derelinquid [sic!].

[774] Collectio Dionysio-Hadriana

176.320 – 323

D: Das Datum ergibt sich aus der Übergabe der Collectio an Karl den Großen durch Papst Hadrian I., bei der Zusammenkunft in Rom des genannten Jahres.

Nach der Edition von Clocheaus in der Onlinefassung des Carolingian Canon Law-Project: http://ccl.rch.uky.edu:8088/cclxtf/view?docId=ccl/transcript-node-3055.xml;chunk.id=C1525.25v.5;toc.depth=1;toc.id=C1525.25v.5; brand=default;query=christianit*#1, eingesehen am 4. 12. 2014. [f.24v] INCIPIUNT REGULAE GANGRENSIS, QUAE POST NICAENUM CONCILUM EXPOSITAE SUNT. NUMERO. XX. Cap. III. [f.24v] De seruis, qui iugum famulatus abiiciunt christianitatis obtentu. [f.25r] III Si quis seruum praetextu diuini cultus doceat dominum contemnere proprium, ut discedat ab eius obsequio, nec ei cum beneuolentia, et omni honore deseruiat: anathema sit. Cap. XV. [f.25v] De his, qui christianitatis obtentu despiciunt filios. XV Si quis filios suos relinquens, non eos enutrit, et quod ad se pertinet, non ad pietatem diuini cultus informat, sed per occasionem continentiae negligit: anathema sit. Cap. XVI. [f.25v] De his, qui patres christianitatis occasione contemnunt. XVI Quicunque filii a parentibus sub praetextu diuini cultus abscedunt, nec debitam reuerentiam dependunt illis, qui diuinum cultum sibi procul dubio praeferunt: anathema sit. Cap. XVII. [f.25v] De mulieribus, quae se attondent Christianitatis obtentu. XVII Siqua mulier, propter diuinum cultum (ut aestimat) crines attondet: quos ei deus ad subiectionis memoriam tribuit, tanquam praeceptum dissoluens obaedientiae: anathema sit.

[775] Codex Carolinus, ep. 53: Papst Hadrian I. an König Karl

177.324

Codex Carolinus, ep. 53 (MGH Epp. 3), S. 574 – 576, hier S. 575 f.; PL 98, 286A – 288A.

Revertentes ad nos missi nostri, quos ad vestram a Deo illustratam praecellentiam nuper visi sumus direxisse, scilicet Andreas reverentissimus frater noster, episcopus, et

508

Quellensynopsis

Anastasius cubicularius, detulerunt nobis honorandos atque mellifluos benignissimae christianitatis vestrae apices; quorum series dum nostris recitaretur auribus, liquido cuncta in eis adnexa didicimus. Sed et ipsi praefati nostri missi indeminutae nobis omnia, quae illis a vobis iniuncta sunt, retulerunt plenissime, adserentes de vestra benivola puritate et magna cordis constantia, quam erga beatum Petrum principem apostolorum et nostram mediocritatem secundum vestram promissionem habere videmini. Pro quo nimio repleti gaudio, ilico extensis palmis ad aethera, omnium creatori, domino Deo nostro, inmensas referuimus grates, inpensius pro vestra prosperitate eius divinam exorantes clementiam, ut confirmet isdem dominus Deus noster hoc ipsud in vestro florigero pectore, quatenus velociorem atque copiosum fructum sancta spiritalis mater vestra, Romana nostra ecclaesia, capud omnium ecclesiarum Dei, de vestra consequatur promissione.

[775 Oktober 27] Codex Carolinus, ep. 54: Papst Hadrian I. an König Karl 178.325

Codex Carolinus, ep. 54 (MGH Epp. 3), S. 576 f.; PL 98, 288B – 291B, hier 289A – 289C.

Itaque innotescimus excellentiae vestrae, suscepisse nos epistolam directam nobis a Iohanne patriarcha Gradense. Vicesima septima enim die Octobrii mensis ipsa ad nos pervenit epistola, et protinus – nec potum nec cibum sumsimus neque nos neque huius scriptor nostrae apostolice relationis, sed eadem hora eodemque momento ipsam antefati patriarchae epistolam cum his nostris apostolicis syllabis vobis transmisimus. Itaque valde tristes effecti sumus, quoniam sifoniatas bullas eiusdem epistolae repperimus: a Leone archiepiscopo primitus relecta nobis directa est. Et in hoc conprobare potest excellentissima christianitas vestra, qualis est fraudulenta fides ipsius Leonis archiepiscopi, quia non pro alio praesumsit eandem epistolam primitus reserare ac relegere, nisi ut omnia, quae ibi ascripta sunt, ut certe omnibus manifestum est, adnuntiaret tam Arghis duci Beneventano quamque reliquis nostris vestris que inimicis; et dubium non est, cuncta iam praelatis emulis ab eodem archiepiscopo esse adnuntiata.

[775 Nov.] Codex Carolinus, ep. 55: Papst Hadrian I. an König Karl

179.326 – 327

D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1077. Alternativdatierung nach Noble, Republic, S. 162: Anfang 776.

Codex Carolinus, ep. 55 (MGH Epp. 3), S. 578 – 580, hier S. 578; PL 98, 292A – 294A, hier 292A – 293A. Dum in tanta securitatis laetitia spiritalis mater vestra, sancta Dei catholica et apostolica Romana ecclaesia, consistens exultat, ob hoc opinatissima nominis vestri memoria in universo orbe terrarum dilatata atque laudabiliter permanet divulgata etiam et apostolica aula, et ob vestrorum veniam delictorum sedulae a nobis et cunctis Dei sacerdotibus orationum vota et sacrificiorum hostiae divinae offeruntur maiestati. Itaque, praecellentissime fili, recordari credimus, a Deo protectam christianitatem vestram nobis direxisse in responsis per Andream reverentissimum et sanctissimum fratrem nostrum, episcopum, quod hoc autumno tempore vestros ad nostri praesentiam studuissetis dirigendum missos, qui nobis omnia secundum vestram promissionem contradere deberent.

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

509

[…] Idcirco, cupientes de vestra prosperitate certos laetosque effici, magnopere studuimus praesentes nostros missos, scilicet antefatum Andream sanctissimum fratrem nostrum, episcopum, et Pardum Deo amabilem, dilectum filium nostrum, egumenum, ad vestra regalia transmitti vestigia, visitantes et salutantes per eos tam praecellentissimam christianitatem vestram quamque excellentissimam filiam nostram, amantissimam coniugem vestram, a Deo inlustratam reginam, et dulcissimos ac nobilissimos natos vestros. Predictis siquidem nostris missis cuncta in ore subtilius posuimus eosque diligenter informavimus, quae de singulis causis vestrae a Deo protectae excellentiae nostra vice enarrare debeant. Eosque benignae atque hilari vultu a vobis suscipi petimus, eorumque sermonibus, quos nostra vice protulerint, credere et aurem benignitatis vestrae adcommodare cunctaque perficere et adimplere dignemini, quae sanctae memoriae genitor vester, domnus Pippinus rex, beato Petro una vobiscum pollicitus et postmodum tu ipse, a Deo institutae, magnae rex, dum ad limina apostolorum profectus es, ea ipsa spopondens confirmasti eidemque Dei apostolo praesentaliter manibus tuis eandem offeruisti promissionem.

[775 Ende] Codex Carolinus, ep. 56: Papst Hadrian I. an König Karl

180.328

D: Hack, Codex Carolinus, Bd. 2, S. 1077. Alternativdatierung nach Noble, Republic, S. 162: Anfang 776.

Codex Carolinus, ep. 56 (MGH Epp. 3), S. 580 f., hier S. 580; nicht in der PL. Omnino confidimus et certi sumus, quod tua a Domino protecta excellentia in his, quae pariter loquentes inter nos convenerunt, firmiter atque inmutabiliter permanere studeat et caritatis vinculum in medio nostrum corroboratum toto mentis adnisu atque sincero affectu observare procuret, dum nos Deo propicio in ea ipsa abita in invicem dileccionis concordia cum magna sinceritate mentis satagimus perseverandum quia – Deo teste dicimus –, a quo cum vestram mellifluam christianitatem in alterno amicitiae amore colligati sumus, maximam in tua a Deo inspirata benignitate habere videmus fiduciam, quod omnes causas sanctae Dei ecclesiae et provinciae nostrae salubri mancipentur effectu.

775 Brief Cathwulfs an König Karl der Franken

181.329

Epistolae variorum, ep. 7 (MGH Epp. 4), S. 501 – 505, hier S. 503; PL 96, 1363A – 1366D, hier 1364A – 1364D. Exempla perplurima sunt, ut legem exaltetis. Primum pauca vobis scribo, sicut canones promunt et totius christianitatis lex continet per Dei mandatum. Post fidem Dei et amorem et timorem, ut sepius habeas enchyridion, quod est librum manualem, legem Dei tui scriptum in manibus tuis; ut legas illum omnibus diebus vite tue, ut tu sis in sapientia divina et secularibus litteris inbutus, sicut David et Salomon et ceteri reges fuerunt. Item dixit Deus ad Moysen de regibus: ›Cum sederit in solio regni sui, numquam recedet liber legis de manibus suis; non uxores plures habeat; non superbum super coetaneos suos, non elatum, non invidio sum‹ et reliqua; sed recte iudicare inter pauperem et potentem, et pauperem eripere de manu potentis (et reliqua).

510

Quellensynopsis

[776 Februar 7 nach] Codex Carolinus, ep. 58: Papst Hadrian I. an König Karl

182.330

Codex Carolinus, ep. 58 (MGH Epp. 3), S. 583 f., hier S. 583; PL 98, 295B – 297B, hier 295B – 296A. Excellentissimae et a Deo protectae christianitati vestrae per his nostris apostolicis notescimus apicibus, pervenisse ad nos nuntiis precurrentibus, quod Constantinus imperator divina evocatione de hac subtractus fuisset lucae; sed, quia certum non didiceramus, pro hac de re vestrae a Deo protectae excellentiae indicare differuimus. Nunc vero suggessit nobis sanctissimus ac reverentissimus frater noster, Stephanus Neapolitanae urbis episcopus, per has syllabas ea ipsa nobis intimando; quas et septima die praesentis Februariic mensis suscipientes easque peragrantes, confestim vestro regali culmini significare maturavimus et pro magna sublimitatis vestre satisfactione eosdem affatos infra haecd nostra scripta vobis directa posuimus.

[8. Jh. 2. Hälfte] Indiculum supplicatorium ad regem

183.331

D: Das Datum ergibt sich aus den Überlegungen von Zeumer und Waitz (MGH Formulae Merowingici et Karolini aevi), S. 239. Formulae Salicae Merkelinae, 61. Indicidulum supplicatorium ad regem (MGH Formulae Merowingici et Karolini aevi), S. 239 – 263, hier S. 261 f.; nicht in der PL. 61. Indiculum supplicatorium ad regem. Gloriosissimo atque precelso et super omnes reges gratias Deo exaltati domno illo rege. Nos enim in Dei nomine cunctis fratres de monasterio sancti illius, quem in honore sancti illo constructus esse videtur, si presumptio nostra a nobis non offendit, salutem in Domino presumimus distinare. Denique, domne, innotuimus clementiae vestrae, qualiter nos, Deus scit, qui cordis rimatur archana, quod pro vobis vel pro domna regina et pro filiis et filiabus vestris vel pro stabilitate regni vestri die noctuque non cessamus in missas et in psalmodia Domini misericordia exorare. Domne, supplicamus misericordiam vestram, quasi omnes nos ad gloriosissimas pedes vestros prostrati iacerimus, ut nos clementia vestra adiuvare dignetur. Quia, ex qua die nos ille beneficiasti et nos de vestro mundeburdo discessimus, ex illa die non habuimus nec vestimenta nec calciamenta nec uncto nec sapono nec cibo, sicut antea fuit consuetudo. Releva nos, piissime rex, qui paganos ad christianitate [sic!] vocas; nos, qui sumus christiani, non dimittere in lapsum cecidere. Memento, gloriose rex, facta bona memoria domno illo regi, qualiter ipse nos per sua confirmatione in sua vel in vestra elemosina perdonavit, quod de ipsa congregatiuncula debuissemus habere rectorem. Domne, de pluribus pauca vobis dicimus, quia sapiente pauca innotuitur maxima.

[782] Capitulatio de partibus Saxoniae, cap. 4 D: nach Schieffer, Zeit, S. 59.

184.332

Capitulatio de partibus Saxoniae, in: Lex Saxonum (MGH Fontes Iuris 4) S. 37 – 44, hier S. 37 f.; MGH Capit. 1, S. 68 – 70, hier S. 68; MGH LL 5, S. 36; MGH LL 1, S. 48; PL 97, 145A – 148C, hier 145A – 145B. 3. Si quis ecclesiam per violentiam intraverit et in ea per vim vel furtu aliquid abstulerit vel ipsam ecclesiam igne cremaverit, morte moriatur.

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

511

4. Si quis sanctum quadragensimale ieiunium pro despectu christianitatis contempserit, et carnem comederit, morte moriatur; sed tamen consideretur a sacerdote, ne forte causa necessitatis hoc cuilibet proveniat ut carnem commedat.

[783 vor] Arbeo von Freising: Vita Haimhramni, cap. 1

185.333

D: Die Datierung ergibt sich aus dem Todesdatum des Verfassers Arbeo, seit 764/765 Bischof von Freising. Beide Recensionen A und B sind zum Vergleich wiedergegeben.

Arbeo Frisingensis, Vita Haimhrammi. Recensio A u. B (MGH SS rer. Germ. 13), S. 26 – 99, hier S. 26 – 28; Vita Hemmerammi, cap. 1 (MGH SS rer. Merov. 4), S. 452 – 524, hier S. 472 f.; nicht in der PL. A: (1). In nomine Dei summi. In perpetuo regnante domino nostro Iesu Christo, qui sanguine suo servos suos redimere dignatus est, cuius post passionem longe lateque flagrando in partibus mundi fama percreverat, ita ut Europae non modica pars insegniter sacris christianitatis indagine florere dinosceretur, ita ut occidentales tot angulorum, Brittaniae, Hiberniae, Galliae, Alamanniae, Germaniae pars, paulatim mirifico modo in Dei laude constanter fulsissent. Inter quas provintias Gotia, Septemania, Spania, Aquitania cum habitatoribus suis deponentes idolatria unicum Dei filium colere coeperunt. In cuius Aquitaniae praedictae partibus Pictavis vocabulo urbs antiqua sita dinoscitur, ex qua ortus est puer vocabulo Haimhrammus; qui a puerili aetate coepit mundum despicere et quasi quisquilias huius mundi gloriam calcare, ad sacrum liberalium litterarum studium se informare, ita dumtaxat, ut, superno iudice inspirante, ad summum promereretur conscendere pontificatus honorem. B: (1). In perpetuum regnante domino nostro Iesu Christo, qui sanguine suo pretioso servos suos redimere dignatus est, cuius post passionem longe lateque flagrando in partibus mundi fama percreverat, ita ut Europae non modica pars insigniter sacrae christianitatis indagine florere dinosceretur et tot occidentales Anglorum, Britaniae, Hiberniae, Galliae, Alamanniae Germaniaeque pars, paulatim mirifico ordine constanter in Dei laude fulsissent. Inter quas quoque provincias Gotia, Hispania scilicet et Aquitania cum habitatoribus sordes idolorum abicientes unicum Dei filium inhianter colere coeperunt. Erat enim in Aquitanie provinciae partibus urbs quedam nobilis Pictavis vocabulo, ex qua puer nomine ortus est Hemmerammus; qui ab ineunti aetate mundum despiciens, quasi quaedam inmunda et profana, caduca praesentis prosperitatis gaudia refutarat, ad sacrum liberalium studium litterarum se informans, ita ut, iudice superno dictante, tandem ad summum pontificatus honorem conscendere mereretur.

[783 vor] Arbeo von Freising: Vita Haimhramni, cap. 30

185.334

Arbeo Frisingensis, Vita Haimhrammi. Recensio A und B (MGH SS rer. Germ. 13), S. 26 – 99, hier S. 70 – 72; Vita Hemmerammi, cap. 30 (MGH SS rer. Merov. 4), S. 452 – 524, hier S. 502 – 504; nicht in der PL. (30). Sed res mira et ad multorum edificatione praeclara contigit. Coepit humus suae amoenitatis crescere, ubi beatus episcopus membrorum sectionem passus fuerat, ut in cubitis altitudinem se coacervaret et a nivium infusione atque gemali soliditate se defenderet, ut palam daretur intellegi, quibus dignus fuisset meritis martyr, dum elimenta suae virtutis in eum non praevalerunt locum; sed in sua usque ad tempus

512

Quellensynopsis

permansit iucunditate. Dum autem nonnullis res innotuisset, ut longe lateque commorantes ad videndum amoenissimum locum pergerentur et ibi sancta religione christianitatis in honore beati martiris Deo funderent praeces, res tandem cunctis innotuit; undecumque confidenter peterentur, exauditos se cernebant. Tunc quidem christiani, inito consilio, in eodem loco ecclesiam in honorem ipsius martyris Christi moeniis construxerunt, ubi perenniter innumera coruscant miracula. Est autem ibi perspicuissimus fons, qui distat a praedicta ecclesia, quantum quis lapidem propria eicere praevalebit manu, sed suamque fluentam secus effundit ecclesiam. Humus vero hinc indeque exaltatis depremitur ripis, ut prolixius fundendi cursus spatium non siniret, sed infra deprimentia ripa relaxato sino, ita ut lacum efficiat pulcherrimum. Cuius in septentrione plage moeneis in martyris laudem constructa constat ecclesia, ubi innumeri caeci recipiunt visum et claudi gressum, mutorum namque linguae vincula in gloriam et laudem Dei martyris disrupte solutionem declarant.

[783 vor] Arbeo von Freising: Vita Corbiniani, cap. 15

186.335

Arbeo Frisingensis, Vita Corbiniani cap. 15 (MGH SS rer. Germ. 13), S. 202 – 205, hier S. 202 f.; nicht in der PL. Non iam publicam sibimet Gallorum a partibus arripiens callem , set secretiorem quamvis traduediam elegit tramidem; se in Altemaniam contulit. Deinde Germanorum peragrans termina, Valeriam penetrans et ibidem quamdiu demoratus, verbi divini largitus est semina, quae propagata nonnullorum penetraverunt corda in augmentum fidei, quia a paene in Christianitatis religione gens nostra, ut ruda adhuc fuerat, novicitate conversionis erat. Tunc namque in tempore devotissimus dux Theoto insignis potentiae et virium virtute cum filiis decorus et satrapum alacritate praecipuus, cuius longe lateque fama decreverat, provinciam quadrifarie sibi et sobolis dividens partibus, carique habebantur ibidem sacerdotes, sicut novitiae mos conpellit.

[783 vor] Arbeo von Freising: Antiphonae des Emmeran von Regensburg 187.336

Antiphonae et responsoria de Haimhrammo, in: Arbeo Frisingensis Vita vel passio Haimhramni (MGH SS rer. Merov. 4), S. 525; nicht in der PL. V. Quidquid singulari habitu a fidelium perciperat manibus, cum gratiarum actione indigentibus inpertiebat: Leonis. Cuius ex ore quasi limpha amnis in ima convallium prosilente psalmodia. Psal.: Cum invocarem. Psalmorum studium inquiete emanavit, dum cuncta Davitica ex more finiret. Psal.: Verba. Postquam princeps vero illius dulcia verba cunctaverat, sinendi locum spatium dedit. Psal.: Domine dominus noster. Sacerdos Dei famulus professus in hoc illud venisse Wandalorum regno, ut gentes Hunorum, quae ignorabant Deum caeli, ad christianitatem convertere cotidie debuisset. V. Prospiciens terram nemorosam et locupletes vineas copiosas ferroque, auro et argento et purpura habundantes.

[785 ?] Chronicon Moissiacense a. 785/Annales Benedicti Anianensis

188.337

D: Nach Kettemann, Subsidia Anianensia, 522 f. ist es wahrscheinlich, dass die beiden Handschriften BN lat. 4481 von vor 1071 (»Moissiacense«) und BN lat. 5941 aus dem 2. Drittel des 12. Jahrhunderts (»Chronicon Anianense«) auf eine verloren gegangene ursprüngliche Fassung der »Annales Benedicti Anianensis« (ABA) zurückgehen, die ab den

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

513

770ern fortlaufend geführt worden ist. Allerdings sind die Ähnlichkeiten mit den Lorscher Annalen so frappierend, dass wohl doch davon ausgegangen werden muss, dass auch die ABA diese Passagen aus einer 803 fertigen Handschrift der Lorscher Annalen übernommen haben, siehe 222.410. Chronicon Moissiacense (MGH SS 1), S. 297; unter Heranziehung von Kettemann, Subsidia Anianensia; Anhang S. 53. Anno DCCLXXV. karolus rex demoratus est in saxonia ad heresburg a natale domini usque in mense iunio et hedificavit ipsam a novo, sed et basilicam ipsam construxit. Placitumque habuit ad partesbrunnanna cum francis et saxonibus, et tunc demum perrexit trans fluvium uuissara, et peruenit usque ad barduuuic. Cumque saxones se illi dedissent, christianitatem quam pridem respuerant iterum recipiunt; nulloque rebellante, postea rex rediit in domum suam. Widuchint tot malorum auctor ac perfidiae incentor venit cum sociis suis ad adinaco [Attigny] palatio, et ibidem babtizatus est. et rex suscepit eum a fonte, ac donis magnificis honoravit. Eodem anno gerondenses homines Gerundam civitatem karoli regi tradiderunt.

[785 nach] Beatus Liebanensis/Eterius Oxomensis, Adv. Elipandum Libri Duo, lib. II, cap. 17 189.338

D: Die Streitschrift richtete sich gegen den Metropolitanbischof Elipandus von Toledo (um 750 bis nach 798), und den Adoptionismus. Sie wird wohl nach der Synode von Sevilla im Oktober 784 von Beatus von Li¦bana und den Bischof Heterius von Osma verfasst worden sein. Siehe Brunhölzl, Literatur, Bd. 1, S. 496. Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Rechtschreibung der Edition folgt. Beatus Liebanensis u. Eterius Oxomensis, Adversus Elipandum Libri Duo, lib. II, cap. 17 (CCCM 59), S. 115 f.; PL 96, 977C – 1030C, hier 988A – 988C. XVII. Tertia pars est de Antichristi corpore, id est haeretici, quae longe ab illa bestia distat in religione. Illi adulteri sunt, isti virginitatem et castitatem simulant. Illi rapaces sunt, isti sua propria largiri simulant. Illi in comesationes et hebrietates publice uitam ducunt, isti ieiuniis et orationibus semetipsos affligunt. Illi intus et foris lupi sunt, isti deforis agni et intus lupi sunt. Hos habet diabolus prophetas suos, quos constituit in eclesia de corpore suo; hos habet sub nomine Christi, qui Christum praedicare simulent et corpus diaboli fiant, quia mediatorem non habet diabolus, per quibus modis de eclesia decipere possit, nisi tantum istos prophetas suos falsos, qui Christum publice laudant et publice praedicant et eum sub nomine Christianitatis Deum esse negant. Quos Dominus in euangelio pseudochristos et pseudoprophetas appellat. »Pseudo« dicuntur, quia a se surgunt in doctrina et praedicatorum sibi nomen assumunt et ea fingunt de Christo quae a se didicerunt, non a Christo.

[785 nach] Beatus Liebanensis/Eterius Oxomensis: Adv. Elipandum Libri Duo, lib. II, cap. 1 189.339 – 340

Beatus Liebanensis u. Eterius Oxomensis, Adversus Elipandum Libri Duo, lib. II, cap. 1 (CCCM 59), S. 125; PL 96, 977C – 1030C, hier 995D – 996C. XXXI. Quod ut testimoniis approbemus, ex multis unum Pauli apostoli proferamus exemplum. Qui, ne forte in uacuum curreret aut cucurrisset, primum apostolorum

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Quellensynopsis

requisiuit Petrum. Per hoc exemplum proficit eclesia, quae est summi capitis membrum. Quae omnis Christianitas una uidetur esse eclesia. Et multi toto mentis ardore bene se laborare putant, sed incertum est utrum Deo placeant. […] Bestia itaque, quam dicit inter diabolum et Christum, personam non habet, quia in solo est uocabulo quod dicunt se adorare Christum, qui mortuus est et resurrexit. Haec bestia cum duobus cornibus ipsa est hereticorum pars cum omnibus sibi consentientibus, tam fide quam opere. Qui caput dicitur uelut occisum, id est fallaciter Christianum. In quo uocabulo diabolum adorant, qui hoc simulacrum suis adinuenit, ut sub nomine Christianitatis maximam partem ab eclesia excludat et capiti suo diabolo coniungat et ille habeat corpus, cum quo se et illud ad inferorum tartara tradat. Nos adoramus agnum, qui occisus est et resurrexit. Illi adorant bestiam, quae se habet in huiusmodi similitudinem.

[785 nach] Beati Liebanensis/Eterii Oxomensis: Adv. Elipandum Libri Duo, lib. II, cap. 3 189.341 – 342

Beatus Liebanensis u. Eterius Oxomensis, Adversus Elipandum Libri Duo, lib. II, cap. 3 (CCCM 59), S. 127; PL 96, 977C – 1030C, hier 997B – 997D. Sed quia manifestum est, ubicunque datum fuerit hoc babtisma, semel esse dandum, ideo etsi ab hereticis in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti datum fuerit, uenerabiliter agnoscendum, et ab hoc nullatenus iterandum. Et quia omnis Christianitas eglesiae nomen habet et infideles, qui non sunt babtizati, extra eclesiam dicuntur, putant se, cum audiunt extra eclesia dici babtizatos, quod pro infidelibus dicatur. Non ita intelligendum est, ut tantum duas partes credamus hominum, id est, unam partem babtizatorum, quae sit eclesia; et alteram infidelium, quae sit foras eclesia. Non enim infideles babtismum habent, qui non credunt Christum esse Filium Dei, sed tantum Christiani habent babtismum. Et ipsa Christianitas, quae babtizata est, altera pars est quae intra eclesia est, altera quae foras eclesia est, in duas partes diuisa est, id est in sacerdotes haereticos et in laicos aperte malos.

[785 nach] Beatus Liebanensis/Eterius Oxomensis: Adv. Elipandum Libri Duo, lib. II, cap. 7 189.343

Beatus Liebanensis u. Eterius Oxomensis, Adversus Elipandum Libri Duo, lib. II, cap. 7 (CCCM 59), S. 131; PL 96, 977C – 1030C, hier 1000C – 1000D. XXXVII. Alius se magni meriti esse extimans, per tumorem cordis cunctis se praeferens, omnes sibi inferiores credit. Cuius alterius membrum est, nisi eius de quo scribtum est: Omne sublime uidet, et ipse est rex super uniuersios filios superbiae? Alius honorem quaerit, ut caeteris praesit, non quod aliis prosit, sed quod ipse alteri subditus non sit. Cuius alterius membrum est, nisi eius, de quo scribtum est, qui dixit: Sedebo in monte testamenti in lateribus aquilonis, ascendam super altitudinem nubium, et ero similis Altissimo? Hanc ergo regulam diabolus instituit membris suis, quod simulacrum sub nomine Christianitatis in eclesia finxit. Quae tamen pars foras eclesia est. Ecclesia dominari non uult, sed servire. Solus quippe Altissimus ita dominatur super omnia, ut alteri subesse non possit. Quem diabolus imitari perverse voluit, cum suum dominium quaerens ei subesse recusauit. Adipiscere uoluit omnipotentiam per rapinam, quam Dominus habebat per naturam.

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, praef., cap. 4,34 – 37

515

190.344

D: Beatus von Li¦bana, gest. nicht vor 798, schrieb vor 776 [Erstfassung] und 786 [endgültige Fassung] sein am meisten beachtetes Werk, den Apokalypsenkommentar in 12 Büchern, den er seinem Schüler Bischof Heterius v. Osma widmete. Vgl. Prelog, (Art.) Beatus von Li¦bana, Sp. 1746 und Englisch, Ordo, S. 181 – 183, auch zur These, dass der Kommentar vor dem Brief an Elipandus verfasst worden sei. Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, praefatio, cap. 4,34 – 37, ed. Sanders, S. 10 f.; ed. Romero-Pose, S. 17 f.; nicht in der PL. 34 et ex fumo putei exierunt locustae, id est, multitudines demonum, qui in corda ipsorum quasi in puteo ingenti ligati tenebantur, et cum ipsis hominibus, quos possident, contra ecclesiam insurgent. 35 et data est eis potestas sicut habent potestatem scorpii terrae. scorpio enim ore palpat et cauda percutit; ita isti faciunt. 36 et similitudo locustarum similes equorum paratorum ad bellum. super capita eorum coronas similes auro, id est, sub nomine Christianitatis ut equi soluti currentes ad malum. 37 et facies eorum sicut facies hominum, id est, quasi rationales. et habebant capillos sicut capillos mulierum, id est, fluxi et effeminati.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, praef., cap. 5,17 – 18

190.345

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, praefatio, cap. 5,17 – 18, ed. Sanders, S. 25; ed. Romero-Pose, S. 40; nicht in der PL. 17 et vidi ascendentem bestiam de mari. supra dixerat de abysso, nunc dicit de mari. mare et abyssus et bestia unum est, id est, homines mali qui nascuntur de homines malos, sicut viperae nascuntur de viperas. in hoc bestia multa demonstrat membra, aliquando diabolum, aliquando sacerdotes malos, aliquando populum malum, aliquando religiosos falsos. 18 habentem cornua decem et capita septem et super cornua decem diademata et super capita eius nomen blasphemiae. in cornua potestatem dicimus, vel superbiam, in capita principes mundi, in diademata nomen Christianitatis; in nomen blasphemiae principes suos laudant et timent et quasi deos obaudiunt et Deum qui fecit omnia cognoscere nolunt et sine dubio in antichristi membris repperiuntur.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, praef., cap. 5,27 – 28

190.346

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, praefatio, cap. 5,27 – 28, ed. Sanders, S. 27; ed. Romero-Pose, S. 43 f.; nicht in der PL. 27 et angelus tertius secutus est dicens: si quis adorat bestiam et simulacrum eius et acceperit notam in fronte sua, et ipse bibet ex vino irae Dei, et cruciabitur igne et sulfure in conspectu Dei in saecula saeculorum. 28 bestiam supra diximus diabolum et populum eius esse. in fronte cognitio diaboli, in dextera vero nomen quasi Christianitatis, sed notam in dextera aut in fronte accipiunt, quum eius quae cognoverunt faciunt.

516

Quellensynopsis

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. II, prol., cap. 9,26-28 190.347

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. II prol., cap. 9,26 – 29, ed. Sanders, S. 148; ed. Romero-Pose, S. 241; nicht in der PL. 26 o ecclesia, filii tui, quos genuisti tibi, vertentur in patres tuos, quum de discipulis feceris eos magistros, et in sacerdotali gradu omnium testimonium collocaveris. nati sunt tibi filii; constitues eos principes super omnem terram, id est, sacerdotes sanctos per universum mundum. 27 memores erunt nominis tui in omni progenie et generatione, id est, omnis omnino Christianitas, qui in ecclesia fuerint, confitebuntur et laudabunt Dominum in aeternum et in saeculum saeculi, ut semel arrepta bella non deserat et super hostium strages victor incedens praeparet sibi regnum in his, quos de diaboli eripiens potestate suo copulabit imperio, et dicat: 28 ego autem constitutus sum rex ab eo super Sion, montem sanctum eius: nulli que dubium veritatem et modestiam et iustitiam Christum appellari, qui dicit: ego sum via, veritas et vita, et discite a me, quia mitis sum et humilis. qui factus nobis est a Deo iustitia et redemptio et sanctitas.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. II, cap. 2,87 – 92 190.348 – 349

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. II, cap. 2,87 – 92, ed. Sanders, S. 187 f.; ed. Romero-Pose, S. 307 – 309; nicht in der PL.

87 stabat diabolus in specie humana mutatus; contra Christianos dicebat: quid colitis Iesum crucifixum hominem Iudaeum, nullius momenti hominem? incitabat principes mundi ut mortem inferrent qui in Christo credidissent. 88 postquam vero praedicatum est toto orbe evangelium, ipsi reges, quorum legibus vastabantur ecclesiae, in omnibus salubriter subderentur martyribus, quos de terra crudeliter auferre conati sunt, et falsos deos inciperent persequi, quorum causa cultores Dei veri fuerant antea persecuti, templa deorum dextrui et basilicas in nomine martyrum fabricari; 89 videns ista diabolus aptavit se in vestem religionis sub nomine Christianitatis et de Christo pugnat contra Christum; hereticos in ecclesia movit, et nunc ipsa est undecima persecutio antichristi, 90 postquam totum orbem peragravit evangelium Christi. spiritualis quidem in ecclesia est persecutio ista falsa, atque deceptiosa, ut tamen porro docti intellegant eam, nec intellegent omnes impii, quia tali subtilitate se diabolus in cultu mutat religionis, et quo facilius possit decipere sub nomine Christianitatis, vera miscet falsis, ut magis opinando quam credendo suos suscitet praedicatores. 91 sicut enim in primordiis ecclesiae catholicae, postquam Christus ascendit ad caelos, apostoli cuius haec dicta sunt paene adhuc ipso cum eis, antequam ascenderet, iam incohavit ecclesia pati et post discessum crevit passio et multae tribulationes sunt ecclesiae irrogatae, ita ut publice proprium funderet sanguinem pro Christi nomine, quem Iudaei vetabant nominare; ita futurum esse cognovimus, dum advenerit antichristus, 92 licet et nunc multa per loca varia vel regiones ab hereticis et gentilibus saepe sustineat, sed diebus, inquit, decem tribulationem habebitis.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. II, cap. 4,11 – 18 190.350 – 351

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. II, cap. 4,11 – 18, ed. Sanders, S. 205 f.; ed. Romero-Pose, S. 337 – 339; nicht in der PL.

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

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11 Et dedi ei tempus ut paenitentiam ageret, et noluit penitentiam agere de fornicatione sua. cur non dixit, dedi vobis tempus, ut paenitentiam agatis, sed ei? 12 quia in ecclesia diximus, duae partes sunt in uno homine, quia ecclesia unum hominem dicit. una pars est, quae paenitentiam agit, et altera est saecularium, quae sub nomine Christianitatis omne, quicquid malum est, facit. 13 et sunt ibi praedicatores inter utrasque partes, qui sunt leves, quasi sub nomine religionis dant eis inlicitas paces, et promittent eis securitatem et novas prophetias adtendendas ostendunt. 14 et habet in ipsa parte, quam diximus, sacerdotes et levitas, sceleratos et fornicarios et istos, quos diximus, qui inlicitas paces faciunt, qui religiosi quasi esse videntur. cum ambas partes amicitiam vult tenere. 15 ista est Zezabel quae seducit homines simplices, ut non agant paenitentiam. omnis enim qui fornicariae consentit, unum corpus efficitur cum ea. haec fornicatio spiritualis est intra ecclesia. 16 de hanc fornicationem apostolus dixerat: fornicationem, inmunditiam, et avaritiam, concupiscentiam malam, quod est idolorum servitus. idolatria enim idoli servitus dicitur. latria Latine servitus dicitur. 17 proinde increpat ecclesiam Dominus, qui recte vivit et dicit, se adversus eam partem habere multa, pro ipsa muliere Zezabel, quae seducit servos Domini et dicit se prophetissam, id est Christianam, quae sub nomine Christianitatis multa inlicita facit, et est adversaria veritatis. 18 et inde dicit Dominus, se adversus eam habere, quia totum, ut diximus, unus angelus nominatur, id est una ecclesia dicitur.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. II, cap. 4,37 – 39

190.352

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. II, cap. 4,37 – 39, ed. Sanders, S. 209; ed. Romero-Pose, S. 344; nicht in der PL. 37 solent enim qui in hac cathedra docent cum eos qui docent et faciunt adhaerere. inde ait: habeo adversus te multa, quia permittis mulierem Zezabel. 38 isti vero sub nomine Christianitatis fornicationem et idolatriam spiritualem docent, et nobis cum uno videntur deservire altario, sed de imitatione fidei, non religionis obtentu. habent enim similitudinem Phariseorum, qui decimabant omne olus et Dei iudicia praetermittebant. 39 habent et isti similitudinem, id est imitationem sanctitatis, per quod diabolo ministrant, et populis sacramenta distribuunt, id est baptisma, communionem, et in populis benedictionem psalterii et evangelii adnuntiationem.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. II, cap. 4,45 – 48

190.353

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. II, cap. 4,45 – 48, ed. Sanders, S. 210; ed. Romero-Pose, S. 345 f.; nicht in der PL. 45 Et inde dicit: docet et seducet servos meos fornicari et manducare idolis immolata. utique sicut diximus sub nomine Christi fornicationem et idolatriam spiritualem docebat. 46 nam quo modo aperte idolorum culturam doceret, quae in ecclesia prophetam se dicebat? 47 non dicimus quod idola adorant aut alterum Deum credant aut praedicant, nisi patrem et filium et spiritum sanctum, unum Deum, sed similitudinem Christianitatis contegentes, corporalem et spiritualem adulterium faciunt. 48 spirituale vero adulterium idolatria est, cum quisquis hoc facit, quod scripturae sanctae non convenit, non solum maiora sed etiam minima, quod pro nihilo extimatur, idolatria

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Quellensynopsis

dicitur, sicut spiritus definivit per apostolum, qui cum de falsis fratribus disputaret, ita conclusit dicens: filioli abstinete vos ab idolis; et iterum: quid templo Dei cum idolis?

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. IV, cap. 1,37 – 39

190.354

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. IV, cap. 1,37 – 39, ed. Sanders, S. 341, ed. Romero-Pose, S. 565 f.; nicht in der PL. 37 ceteri vero de ecclesia, qui inter eos captivos se ingemescunt, plenam vitae spe gerunt purgationem per Danielem promissam, aut quasi aurum in igne probentur. bestiis autem omnibus malis hominibus dixit. 38 iam et ista quarta est intra ecclesiam, et has bestias ceteros sub nomine Christianitatis, quae saeculares esse dicuntur, omnes omnino accipimus, quia non tantum potestatibus solis, quae a Deo ordinatae sunt, sed omnibus omnino malis que crassantibus traditi sumus, sicut propheta orabat: ne tradas bestiis animas confitentium tibi. 39 hae quattuor partes in tres equos sunt, unde et has bestias in omnibus malis subiectas formulas picturarum demonstrant. isti autem tres equi unum sunt, qui exierunt, unde albus exiit. et contra album pugnant et unum sessorem habent diabolum, qui est mors, sicut et Dominus vita dictus est.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. V, cap. 3,1 – 2

190.355

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. V, cap. 3,1 – 2, ed. Sanders, S. 415 f.; ed. Romero–Pose, Bd. 2, S. 15; nicht in der PL. 1 Et secundus angelus tuba cecinit, et velut mons magnus ignis ardens missus est in mare. mons ardens diabolus est missus in populos. et facta est tertia pars maris sanguis. mare saeculum istud dicit. quod est tertia pars terrae vel arborum, quem supra exposuimus, ipsa est tertia maris. tertiam dixit, quia in toto mundo tres partes exponit. 2 quod autem dixit: facta est tertia pars maris sanguis; ipsa est in ecclesia sub nomine Christianitatis. sic in Egypto aquae primum vertuntur in sanguine. mare et Egyptus iste mundus est. licet in Egypto corporaliter gesta sint, spiritualiter tamen nunc geruntur in nobis.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. V, cap. 5,1 – 4

190.356

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. V, cap. 5,1 – 4, ed. Sanders, S. 419; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 20 f.; nicht in der PL. 1 Et quartus angelus tuba cecinit; et percussa est tertia pars solis, et tertia pars stellarum, et tertia pars lunae, ut obscuraretur tertia pars eorum, et diei tertia pareret et noctis. 2 similiter sol, luna, et stellae ecclesia est, cuius tertia pars percussa est. tertia tantum nomen est in divisione, non in quantitate. iam supra diximus in toto mundo tres esse partes. 3 de gentilitate una, quae est foras ecclesia, et in ecclesia duas, unam bonam et alteram sub Christianitatis nomine malam, et ob hoc dicuntur tertiae. 4 haec duae partes in ecclesia dies nuncupatur et nox. et dicta est tertia diei et tertia noctis, cui dicit: nocti adsimilavi matrem vestram. quia sicut dies scientia est, ita et nox ignorantia. ignorantia enim mater errorum est. ad hoc ergo percussa est, ut pareret tertia diei et tertia noctis, quae esset tertia Christi et quae diaboli.

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. V, cap. 7,3 – 5

519

190.357

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. V, cap. 7,3 – 5, ed. Sanders, S. 427 f.; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 36 f.; nicht in der PL. 3 in his locustis ostendit quales adhuc futuri sunt equi, qui pugnabunt solutis quattuor angelis in quattuor angulis terrae, sicut in sexto angelo inveniemus. 4 super capita, inquit, earum coronae similes auro. quid in has coronas aureas intellegere debemus, nisi simulatio est Christianitatis? 5 legimus seniores viginti quattuor, qui sunt ecclesia, coronas habere aureas. istas autem dicit similes auro. similes dicit, quia non aureas. imitationem ecclesiae ostendunt, sed ecclesia non sunt.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. V, cap. 9,7 – 10 190.358 – 359 Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. V, cap. 9,7 – 10, ed. Sanders, S. 434 f; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 48 f.; nicht in der PL.

7 Caudae enim eorum similes serpentibus, habentes capita. in capita principes mundi esse dicimus. et in his nocent. sine his enim praepositi mali intra ecclesiam nocere non possunt. dicit et tertiam gentilium. 8 nemo putet, ut gentiles, illo timore sanctos a suis legitimis transferri. et omne hominum genus, non diversis supprestitionibus sed intra ecclesiam, dicitur sub Christianitatis nomine contra ecclesiam diabolo deservire. 9 et reliqui hominum, qui non sunt occisi in his plagis; sed quid profuit non esse occisos in his plagis, cum dicat: et non egerunt penitentiam e prioribus manuum suarum, ne adorent demonia, et idola aurea et argentea et aerea et ferrea et lignea atque lapidea, qui neque videre possunt, neque audire, neque ambulare. et non penituerunt ab homicidiis suis, neque ex veneficiis suis, neque ex fornicatione sua, neque ex furtis suis? 10 haec totum intra ecclesia est et sub nomine Christianitatis spiritualis idolatria est. sic enim in Danielo legimus in vasis aureis Domini bibisse, et hos deos supradictos laudasse. quanta stultitia in aureis vasis bibentes deos ligneos et lapideos laudabant.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. VI, cap. 4,50 – 52

190.360

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. VI, cap. 4,50 – 52, ed. Sanders, 1930, 489 f.; nicht in der PL. 50 ostendit, quia omnes partes bestiae bestiam vocat, quia in omni operatione suorum diabolus est, qui est bestia. ista ergo bestia, quam describimus cum duobus cornibus, quam et partem illius bestiae diximus, facit ista bestia ut, quos seduxerit, adorent illam bestiam, id est, faciant eius praecepta. 51 quia bestiam dixit terram, ut in caput veluti occisum, id est, quasi in passione sequuntur Christum in officio et opere, bestiae nomen transferret, ne, si aperte mali fuissent, diceret, facit bestiam adorare bestiam, quia in solo nomine Christianitatis est, non in opere. 52 nam si aliud est bestia, aliud terra, cum bestia populus sit, terra quid erit? terram autem et eos, qui inhabitant eam, non sine magna ratione dixit, nam si ratio non esset, debuerat sufficere, ut diceret terram et eos qui inhabitant terram, sed violentiam seductionis ostendit, et animam et corpus ibi tradidisse.

520

Quellensynopsis

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. VIII, cap. 7,9 – 14 190.361 – 362 Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. VIII, cap. 7,9 – 14, ed. Sanders, S. 546 f.; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 248 – 250; nicht in der PL.

9 Facientes signa, quae exeunt ad reges orbis totius congregare eos in bellum diei magni Domini omnipotentis. reges dicit omnes homines regni diaboli, sicut sancti, qui corpora sua fortiter regunt, reges dicuntur, ita e contrario homines mali, qui voluntates corporis faciunt, reges esse dicuntur. 10 facientes, inquit, signa. signa dicit, sed non vera, quia sub nomine Christianitatis et sanctitatis, qualiter decipiantur, signa facere dicuntur. 11 qui exeunt ad reges totius orbis; non dixit facient aut exient, ut solum de futuro esse dicatur, sed facientes dixit et a passione Christi usque ad antichristum omne tempus, quid pseudosacerdotes in ecclesia facerent, in unum conprehendunt. 12 recapitulatio est enim totius temporis, in quo hypocritae faciunt signa, caelestia gerendo, id est baptisma, in populo et quasi benedictionem ostendendo. 13 Congregare, inquit, eos ad bellum diei magni, non quod de toto orbe ad unum locum colligat, sed unamquamque gentem suo in loco. quia in omne mundo sicut ecclesia catholica dilatatur, ita in toto mundo diabolus sub nomine Christianitatis suos habere creditur, qui ecclesiam persequantur. 14 sicut ipsi ecclesiae dicit: scio ubi habitas, ubi sedes est Satanae. diem namque Domini magnum totum tempus dicit a Domini passione, sed pro locis accipiendus est. aliquando enim diem iudicii dicit diem Domini, aliquando novissimam persecutionem antichristi, aliquando totum tempus dicit; id est, a passione Domini usque ad antichristum, quae non tempus sed unum diem nominat.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. VIII, cap. 7,22 – 24 190.363

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. VIII, cap. 7,22 – 23, ed. Sanders, S. 548 f.; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 252 f.; nicht in der PL. 22 sequitur denique et dicit, quem ad modum iste dies concupiscentibus eum contrarius sit. odii dies festos vestros, dicit Dominus, et non odorabor in sollemnibus vestris, quoniam etsi offeratis olocaustomata et sacrificia vestra, non accipiam, et salutis signum super limina vestra non respiciam. nam et strepitum viarum tuarum et psalmum organorum tuorum non audiam. 23 non dixit, si offeratis olocaustomata mea, non accipiam, sed vestra. Dominus enim sua esse vult, id est, divina, non eorum humana. sicut offerunt et veluti propter salutem super limina sua agni sanguine consignant, quae non respicit Deus, id est, signum crucis in fronte gestant, et fiduciam baptismi habere se putant et Christianitatis indicium; et hoc putant se illis sufficere, absque iusto opere per hoc signum Christi particeps esse. 24 signum est enim bestiae, non Christi sanguis. pro hoc dicit facientes signa. Adiecit adhuc et ostendit illos diem Domini concupiscere, qui dum falso legitimis eius utuntur, et anniversaria, solemnitatum festivitates, ab eis legitime suscipiuntur et celebrantur, sua et non Domini est, quod faciunt, et eorum iucunditatem veluti perpetim permanentem et non fugientem putant in nullo fratribus conpatientes.

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. 8, cap. 8,4 – 8

521

190.364

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. VIII, cap. 8,4 – 8, ed. Sanders, S. 552 f.; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 258 f.; nicht in der PL. 4 ergo civitas magna omnis omnino populus est, quisquis est sub caelo, qui fiet in tres partes, cum ecclesia separata fuerit, ut sit gentilitas una pars, et abominatio vastationis altera, et ecclesia, quae exiit de medio ipsius, tertia. 5 Sequitur enim et ostendit, quae sint tres partes dicens: et civitates gentium ceciderunt, et Babilon illa magna in mente Deo venit, dare ei poculum vini irae suae. et omnis insula fugit, et montes non sunt inventi. civitates gentium gentes sunt, quas supra diximus paganas. Babilon confusio et abominatio est vastationis, quae est intra ecclesiam sub nomine Christianitatis. 6 quod autem dixit civitates gentium ceciderunt, omnem fortitudinem et spem gentium, quae in hoc mundo possidebat, dicit cecidisse. montes et insulae ecclesia est, in his civitatibus constituta et cruciata. 7 non enim separatas habent civitates Christianis, ut ipsae specialiter ceciderint, sed cum alii ecclesiam conculcant, tunc cecidere, et cadere et spem suam perdere dicuntur.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. IX, cap. 2,5 – 7

190.365

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. IX, cap. 2,5 – 7, ed. Sanders, S. 558; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 270 f.; nicht in der PL. 5 habentem capita septem et cornua decem, id est, habentem reges mundi et regnum, cum quibus visus est diabolus in caelo, id est in ecclesia. 6 et mulier erat circumdata purpura, et cocco, et adornata auro, et lapide pretioso, et margaritis, id est, omnibus inlecebris, et simulatae veritatis ornata ostenditur, quia de foris Christianitatis videtur. 7 quid sit denique intra hanc pulcritudinem mulieris, sic exponit dicens: et habebat calicem aureum in manu sua, plenum abominationum et inmunditiarum fornicationis eius. aurum plenum inmunditiarum hypocrisis est, id est, simulatio sanctitatis, quia foris quidem parent hominibus iusti, intus autem pleni sunt omni inmunditia.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. IX, cap. 2,12 – 13

190.366

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. IX, cap. 2,12 – 13, ed. Sanders, S. 559; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 272 f.; nicht in der PL. 12 impossibile est enim prophetam perire praeter Ierusalem, interficientem prophetas et lapidantem missos ad se. Ierusalem est interpretatum visio pacis. ergo Ierusalem est congregatio maligna, quae est Christianitas falsa, quae hic pacem habet, quia futuram non sperat. 13 ipsa est Ierusalem, quae occidit prophetas, id est, praedicatores qui illis futura denuntiant. sic pronepotes pravorum sensu Zachariam lapidasse accusantur, cum ipsi non fecerint.sed haec lapidatio dicta est, quae nunc in ecclesia geritur.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. IX, cap. 2,26 – 28

190.367

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. IX, cap. 2, 26 – 28, ed. Sanders, S. 562; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 276 f.; nicht in der PL.

522

Quellensynopsis

26 ac si aperte diceret, mortui sunt, qui iam mali sunt, et in inferno missi sunt, et ex ipsis alii nascuntur, qui moriuntur, et in perditionem vadunt, id est, in infernum mittuntur. infernus enim perditio animarum est. 27 et mirabitur ipsa bestia videns alteram bestiam, quoniam fuit, et non est, et ventura est, ac si diceret, quales illi Christiani fuerunt, qui mortui sunt, tales et isti, qui vivent, qui sub nomine Christianitatis Christum nobis cum adoraverunt, et Christum in membris suis occiderunt, et isti Christum nobis cum adorant, et Christum in membris suis occidere non formidant. 28 illi cum Christum nominant, Christum adorare se aestimant, sed in vocabulo Christi bestiam adorant, id est, patres suos, quos in opere emitant, quos in exemplo caput habent, in cuius corpore et isti coniuncti sunt. corpus ergo miratur caput, id est, bestia, quae fuit, et non est, et nascitur, miratur videns, quoniam fuit bestia, et non est, et ventura est.

[786 vor] Beatus Liebanensis: Commentarius in Apocalipsin, lib. IX, cap. 2,80 – 82

190.368

Beatus Liebanensis, Commentarius in Apocalipsin, lib. IX, cap. 2,80 – 82, ed. Sanders, S. 570; ed. Romero-Pose, Bd. 2, S. 290; nicht in der PL. 80 hoc loco istos decem reges spiritualiter intellege. decem enim reges omnes omnino homines dicit a Christi passione usque in finem, in quorum cordibus vitia dominantur. 81 necdum, inquit, regnum acceperunt, quia necdum consummata sunt. hoc enim agitur ; qui accipiunt, dixit, quia non dixit, accipiant. post bestiam vero quod dixit, id est, post caput illum quod occisum dixit, id est, post imitationem Christianitatis. tempus enim describit a Christi passione et infra, quod horam appellavit. 82 hora enim aliquando omne tempus est, sicut alio loco dicit: novissima hora est. quasi reges autem dixit, quasi aliquando somnium renuntiantis est.

[786] Codex Carolinus, ep. 77: Papst Hadrian I. an König Karl

191.369

K: Bei der Pluralform muss es sich um einen Fehler handeln, da es fidem christianitatis sein muss, wie es auch die PL hat. Codex Carolinus, ep. 77 (MGH Epp. 3), S. 608 f., hier S. 609; PL 98, 390B – 392A, hier 391A – 392A. Et ideo, ex cellentissimae et a Deo protecte fili, oportet sacerdotes partibus illis pastorali circumdari sollertiam atque episcopalem induere vigilantiam et in eorum arbitrio indici poenitentiam, considerantes piaculum tam voluntatis quamque extra voluntatem coacti ad suum revertentes vomitum, et tunc canonica promere sententia, quatenus, si veraciter reversi in fide orthodoxa maluerint perseverari – promissuros se omnem ad impleri episcopalem praedicationem, indiculum orthodoxae fidei exarantes secundum olitanam patrum tradicionem, unum confitentes baptismum, sub iusiurandum pollicentes fidem christianitates servaturos –, in gremio suscipiantur orthodoxae fidei ecclesiae, ut copiosa merces vobis adscribatur in caelis.

[786 – 799] Paulus Diaconus: Historia Langobadorum, lib. IV, cap. 9

192.370

D: Die grobe Datierung ergibt sich aus der Anwesenheit Paulus am Hof Karls des Großen, der ihn aufforderte, ihm Gegenzug zur Freilassung von Paulus’ Bruder am Hof zu lehren und literarisch tätig zu werden. Vgl. Gasparri, (Art.) Paulus Diaconus, Sp. 1825 f.

523

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

K: Es handelt sich um den Brief Papst Gregors I. an Theudelinde (Vgl. Nr. 92.199). Paulus Diaconus, Historia Langobadorum, lib. IV, cap. 9 (MGH SS rer. Germ. 48), S. 147 f.; MGH SS rer. Lang. S. 45 – 187, hier S. 119; PL 95, 542D – 543B, hier 562D – 543A. 9. »Gregorius Theudelindae reginae Langobardorum. Quia excellentia vestra ad faciendum pacem studiosius et benigne se, sicut solet, inpenderit, renuntiante filio nostro Probo abbate cognovimus. Nec enim aliter de christianitate vestra confidendum fuit, nisi quia in causa pacis laborem et bonitatem vestram omnibus monstraretis. Unde omnipotenti Deo gratias agimus, qui ita cor vestrum sua pietate regit, ut, sicut fidem rectam tribuit, ita quoque placita sibi vos semper operari concedat. Non enim, excellentissima filia, de sanguine, qui ab utraque parte fundendus fuerat, parvam te credas adquisisse mercedem. Ex qua re voluntati vestrae gratias referentes, Dei nostri misericordiam deprecamur, ut bonorum vobis vicem in corpore et anima hic et in futuro conpenset. […]«

[787 Anfang?] Capitulare Mantuanum secundum generale, cap. 8

193.371

Capitulare Manutanum secundum generale, cap. 8 (MGH Capit. 1), S. 196 – 198, hier S. 197; nicht in der PL. 8. De decimis ut dentur, et dare nolentes secundum quod anno preterito denuntiatum est a ministris reipublice exigantur. […] Reliqua autem, ut supra dictum est, de decimis et sex solidis contra ecclesiam satisfaciant. Hec interim ut supra dictum est, inter cetera pia christianitatis opera servare convenit, quousque in sequenti conventu medio Octubrio qui condictus est, nisi forte a rege aliter precipiatur, aliquid melius addendum mutandumve Deo duce in veniatur.

[787] Chronik des Fredegar : Continuationes, cap. 31

D: Nach Chronik des Fredegar, ed. Haupt, S. 7 – 9, hier S. 8.

194.372

Fredegarii et aliorum chronica, continuationes, cap. 31 (MGH SS rer. Merov. 2), S. 181 f.; The Fourth Book of the Chronicle of Fredegar, ed. Wallace-Hadrill, S. 101 f.; PL 71, 605 – 698B, hier 683B – 684A. [cap. 31] Eodem anno Saxones a more consueto fidem, quam germano suo promiserant, mentire conati sunt. Qua de causa, adento exercito, eos praevenire conpulsus est; cui etiam reges Winidorum seu Frigionum ad auxiliandum uno animo convenerunt. Quod videntes Saxones, consueto timore conpulsi, multi ex eis iam trucidati et in captivitate missi, regiones eorum igneque crematis, pacem petentes, iure Francorum sese, ut antiquitus mos fuerat, subdiderunt et ea tributa quae Chlotario quondam prestiterant plenissima solutione ab eo tempore deinceps esse reddituros promiserunt. Ex quibus plurima multitudo videntes se contra impetum Francorum rebellare non posse, propriis viribus destituti, petierunt sibi christianitate [Lesart von WallaceHadrill: christianitatis] sacramenta conferre.

[788 – 793] Annales Regni Francorum, a. 777

195.373

D: nach Collins, Fredegar-Chroniken, S. 91. Die Annales sind für die Zeit vor 788 zwischen 788 und 793 zusammengestellt worden.

524

Quellensynopsis

Annales Regni Francorum (MGH SS rer. Germ. 6), S. 48; PL 104, 406D–407B; Annales Laureshamensis (MGH SS 1), S. 157 f. DCCLXXVII. Tunc domnus Carolus rex synodum publicum habuit ad Paderbrunnen prima vice. Ibique convenientes omnes Franci, et ex omni parte Saxoniae undique Saxones convenerunt, excepto quod Widochindis rebellis extitit cum paucis aliis: in partibus Nordmanniae confugium fecit una cum sociis suis. Etiam ad eundem placitum venerunt Sarraceni de partibus Hispaniae, hi sunt Ibin al Arabi. et filius Deiuzefi, qui et latine Ioseph nominatur, similiter et gener eius. Ibique multitudo Saxonum baptizati sunt et secundum morem illorum omnem ingenuitatem et alodem manibus dulgtum fecerunt, si amplius inmutassent secundum malam consuetudinem eorum, nisi conservarent in omnibus christianitatem vel fidelitatem supradicti domni Caroli regis et filiorum eius vel Francorum.

[790 – 800] Liber sacramentorum Gellonensis

196.374

D: Nach Dumas ist die Hs. BNF Paris lat. 12048 im letzten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts verfasst worden. Liber sacramentorum Gellonensis, 111 Ordo Bapistmi (CCSL 159), S. 101.

712 Postea uero signat aeos in fronte de crismate dicens: signum christi in uitam aeternam. Resp. amen. Pax te cum. Resp. et cum spiritu tuo. Hoc autem precauentes ut hoc non neglegantur, qua tunc omnem baptismum legitimum christianitatis nomine confirmatur. 713 Post hoc ingrediuntur ad missas, illud preuidentes ut postquam baptizati fuerint, nullum cibum accipiant nec ablactaentur, antequam communicent. Et omnibus diaebus vii paschae semper ad missas procedant, et offeruntur pro ipsis, et communicant omnes.

[790 – 800] Liber sacramentorum Gellonensis

196.375

Liber sacramentorum Gellonensis, 344 [Ordo Baptisterii] Denu[i]nciacio pro scrutinio quod III EBD in XLMA III FER Iniciantur (CCSL 159), S. 336 f.

2327 Postea signat aeum in fronte de crisma, dicens: signum christi in uitam aeternam. . Pax te cum. Rpd. Et cum spiritu[m] tuo. Hoc autem per omnia precauentes ut hoc non neglega[n]tur, quia tunc omne[m] baptismum legitimum christianitatis nomine confirma[n]tur. 2328 Post hoc ingrediuntur ad missas et communicant omnes, illut autem praeuidentis ut pusquam baptizati fuaerint, nullum cibum accipiant nec ablectentur antea quam conmunicent sacramenta corporis christi. Et omnibus diaebus septem paschae semper ad missas procaedant et offerent pro ipsis et conmunicent omnes. Hoc autem superscripto ordine baptismum sanctae pasche caelebra[n]tur.

[790/791] Liudger : Vita des hl. Gregor, Abt von Utrecht

D: nach Freise, (Art.) Liudger, Sp. 2038.

197.376

Liudger, Vita S. Gregorii, cap. 5 (MGH SS 15,1), S. 63 – 79, hier 71 f.; PL 99, 749D – 770A, hier 759A – 759B.

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

525

5. Ad haec autem universa non modice adiutus est ab electis discipulis suis, post magistrum clarissimis praedicatoribus et columnis ecclesiae Dei, quorum unusquisque civitatem et regionem suam sicut Lucifer mane oriens illuminavit, exemplis et doctrina sua. Beatus Gregorius Trajectum, antiquam civitatem, et vicum famosum Dorstad cum illa irradiavit parte Fresoniae, quae tunc temporis Christianitatis nomine censebatur, id est usque in ripam occidentalem fluminis quod dicitur Lagbeki, ubi confinium erat Christianorum Fresonum ac paganorum cunctis diebus Pippini regis. Lullus Maguntiam civitatem metropolitanam cum maxima parte orientalium Francorum, qui in urbis illius constituti sunt, incoluit.

791 Anfang Papst Hadrian I.: ep. 2, cap. 15 u. 19

198.377 – 379

Hadrianus I papae epistolae, ep. 2, cap. 15 u. 19 (MGH Epp. 5), S. 5 – 57, hier S. 21, 49, 56; PL 98, 1247C – 1292C, hier 1255A, 1285A – 1285C u. 1291A – 1291B.

In actione quarta. Capitulo XV. Quod non propter eos scriptum sit, qui imagines adorare contempnunt, sicut illi dicunt, qui eas adorant, quod in psalmo legitur : ›Quanta malignatus est inimicus in sanctis tuis‹! Veraciter propter hereticos haec dixerunt, sicut beatus Augustinus in eidem psalmi explanatione inquid: Quanta maligne operatus est inimicus in sanctis tuis, in his, que sancta tua erant, id est in templo, in sacerdotio, in his omnibus sacramentis, que illo tempore fuerunt. Similiter et nunc ampliora mala inimici sanctae catholicae et apostolice ecclesiae malignantes adversus olitanam ortodoxamque traditione pro sacris imaginibus depositione ad nichilum redacti sunt. Item sancti Gregorii Nantianzeni, qui et theologi, de sermone in phylosopho Irone inter cetera: Quomodo enim? Non gloriabantur? Quomodo enim? Non polluerunt templum sanctum superventionibus multismodis et in omnibus malis? Principabatur quidem vir impius et iniquus et neque nomen christianitatis circumferens etc. […] [49] Interrogatio. Capitulo XIX. Ut scientes nos faciant, ubi in veteri vel novo testamento aut in sex synodalibus conciliis iubeatur imagines facere vel factas adorare. Responsio. Nos quidem infra scientes facimus, sicuti iam fecimus, quia et in veteri et in novo testamento sive in sex synodalibus conciliis semper venerandas fuerunt sacras imagines et factas inter sancta sanctorum titulabantur. Nam illi nobis dicere debebant, in quale de ipsis sex synodalibus conciliis reprehensas sint sacras imagines. Enimvero in primo sancto concilio sepius ostensum est, quia sanctus Silvester papa et Constantinus christianissimus imperator veneraverunt sacras imagines et cum nomine christianitatis palam coram omnibus fideliter atque mirabiliter eas ostenderunt, et a tunc usque actenus sanctorum pontificum, videlicet Silvestri, Marci et Iulii, mire magnitudinis sanctas eorum ecclesias apud nos sunt depictas, tam in musivo quamque in ceteris historiis cum sacris imaginibus ornatas. […] [56] Ita vero et nos eundem ipsum inreprehensibilem et orthodoxum sensum sancti Gregorii pape sequentes et amplectentes, dudum Herene [Irene] et Constantino imperatoribus pro sacris imaginibus erectione predicandum emisimus, dicentes: ›Quia in universo mundo, ubi christianitas est, ipse sacre imagines permanentes ab omnibus fidelibus honorantur, ut per visibilem vultum ad invisibilem divinitatis maiestatem mens nostra rapiatur spiritali affectu per contemplationem figurate imaginis secundum carnem, quam filius Dei pro nostra salute suscipere dignatus est. Eundem re-

526

Quellensynopsis

demptorem nostrum, qui in caelis est, adoramus et in spiritu glorificantes conlaudamus, quoniam, iuxta ut scriptum est, ›Deus spiritus est‹, et ob hoc spiritaliter divinitatem eius adoramus. Nam absit a nobis, ut ipsas imagines, sicut quidam garriunt, dei ficemus; sed aifectum et dilectionem nostram, quam in Dei amore et sanctorum eius habemus, omni modo proferimus, et sicut divine scripture libros ipsas imagines ob memoriam venerationis habemus, nostrae fidei puritate observantes‹ et reliqua.

[792 – 795] Papst Hadrian I., ep. 56 an Kaiser Konstantin u. Irene 199.380 – 381 D: nach Hadrian I. (772 – 795) und Konstantin VI. (780 – 797) u. Irene (Mitkaiserin seit 792 – 802).

Papst Hadrian, ep. 56 an Kaiser Konstantin u. Irene, in: PL 96, 1215 – 1234C (lat. u. griech. Fassung), hier 1221A – 1221C u. 1224C. Tunc sanctus Silvester misso diacone imaginem apostolorum sibi exhiberi praecipit: quam imperator aspiciens, ingenti clamore coepit dicere, ipsos esse quos viderat, nec debere jam differe per Spiritum sanctum factam ostensionem piscinae quam istos promisisse suae saluti memorabat. Ecce, ut praemissum est, sanctorum figurae ab ipsis sanctis fidei nostrae rudimentis apud omnes fuerunt Christianos atque in ecclesiis sanctorum sacrae figurae expressae atque depictae hactenus fuerunt, quatenus gentilitas paganorum, conspecta divinae Scripturae depicta historia, ab idolorum cultura daemonum simulacris ad verum Christianitatis lumen atque amoris Dei culturam verti deberet, sicut et praecipuus pater atque idoneus praedicator beatus Gregorius hujus apostolicae sedis praesul ait, ut hi qui litteras nesciunt, saltem in parietibus videndo legant quae legere in codicibus non valent. Ob hoc quippe sancti probatissimi Patres ipsas imagines atque picturas divinae Scripturae et gesta sanctorum in ecclesiis depingi statuerunt, et cuncti orthodoxi atque Christianissimi imperatores, et omnes sacerdotes ac religiosi Dei famuli, atque universus Christianorum coetus, sicut a primordio traditionem a sanctis Patribus susceperunt, easdem imagines atque picturas ob memoriam piae compunctionis venerantes observaverunt, et in partibus illis usque ad tempora proavi serenitatis vestrae orthodoxe coluerunt. […] Et demum subnixius quaesumus, ut sicut a sanctis patribus et praedecessoribus nostris probatissimis pontificibus suscepimus, divinae historiae Scripturam in ecclesiis pro memoria piae operationis et doctrina imperitorum depingimus, et sacram imaginem Domini Dei et salvatoris nostri Jesu Christi secundum incarnatam ejus humanam formam in aula Dei constituimus, simulque et sanctae ejus Genitricis, atque beatorum apostolorum, prophetarum, martyrum, et confessorum, ob eorum amorem designantes veneramur, ita et vestra clementissima imperialis potentia partibus ejusdem Graeciae faciat vestrae orthodoxae fidei coaequari, ut sicut scriptum est: Fiat unus grex et unum ovile; quia in universo mundo, ubi Christianitas est, ipsae sacrae imagines permanentes, ab omnibus fidelibus honorantur, ut per visibilem vultum ad invisibilem divinitatis majestatem mens nostra rapiatur spirituali affectu per contemplationem figuratae imaginis secundum carnem quam Filius Dei pro nostra salute suscipere dignatus est. Eumdem redemptorem nostrum qui in coelis est, adoremus et in spiritu glorificantes collaudemus, quoniam juxta ut scriptum est, Deus spiritus est, et ob hoc spiritualiter divinitatem ejus adoramus. Nam absit a nobis ut ipsas imagines, sicut

527

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

quidam garriunt, deificemus; sed affectum et dilectionem nostram, quam in Dei amorem et sanctorum ejus habemus, omni modo praeferimus [proferimus].

[792 ?] Chronicon Moissiacense a. 792/Annales Benediciti Anianensis

188.382

Chronicon Moissiacense a. 792 (MGH SS 1), S. 299; Kettemann, Subsidia Anianensia, Anhang S. 61.

Anno DCC8XC8II8 Resedit karolus in baioaria; et apud raganesburg celebrauit pascha. sed apropinquante estivo tempore, saxones, extimantes quod auarorum gens se uindicare uoluisset; hoc quod in corde eorum dudum latebat. manifestissime ostenderunt. quasi kanis qui reuertitur ad uomitum suum, sic reuersi sunt ad paganismum quem primum respuerant; relinquentes iterum christianitatem coniungentes se cum paganis qui in circuitu eorum sunt. sed et legatos ad auaros transmittentes, conati sunt rebellare inprimis contra deum, deinde contra regem. Ecclesiasque, que in finibus eorum erant, incendentes uastabant, reicientes episcopos et presbiteros qui super (eos) erant, et aliquos ex eis comprehensos occiderunt; et plenissime ad culturam idolorum se conversi sunt.

[794 ?] Chronicon Moissiacense, a. 794/Annales Benedicti Anianensis

188.383

Chronicon Moissiacenese a. 794 (MGH SS 1), S. 301 f.; Kettemann, Anhang S. 80.

Et in eadem venit Tassilo qui dudum Baioariae dux fuerat, sobrinus videlicet regis, et pacificatus est ibi cum rege Karolo, abnegans omnem potestatem, quam in Bagoaria habuit, tradens eam regi; nec non Fastrada regina ibi defuncta est. [nach Paris BN lat 5941, ed. Kettemann:] Et rex karolus inde iterum perrexit in saxonia et saxones uenerunt ei obuiam ad heresburg, promittentes iterum christianitatem, et iurantes quod sepe fecerunt, (…) et dedit eis presbiteros et ipse rediit in Francia et (…) sedit apud aquis palacium.

794 Frankfurter Synode: Epistola Episcoporum Francie

200.384

Nr. 19 Concilium Francfurtense a. 794. E. Epistola Episcoporum Francie, in: Concilia Aevi Karolini 1,1 (MGH Conc. 2,1), S. 142 – 157, hier S. 143; PL 101, 1331B – 1346A, hier 1331B – 1331C.

Sancta synodus et venerabiles in Christo patres cum omnibus episcopis Germaniae, Galliae et Aequitaniae et toto catholicae pacis clero praesulibus Hispaniae et ceteris ibidem christianitatis nomen habentibus in domino Deo, Dei filio vero et proprio, Iesu Christo, aeternae beatitudinis salutem.

[795 nach] Liber Pontificalis: Hadrian I. D: nach dem Tod des Papstes.

201.385

Liber pontificum romanorum vitis, S. Adrianus, in: PL 129, 1151A – 1256D, hier 1241D – 1242B. Adrianus, natione Romanus, ex patre Theodoro, de regione via Lata, sedit annos viginti tres, menses decem, dies septem. Hic vir valde nobilis, et fortissimus orthodoxae fidei, et patriae suae, et plebis sibi commissae defensor, ad sedandas calumnias, et devastationes, quas Desiderius Longobardorum rex in bonis S. Petri exercuit, Carolum Magnum Francorum regem Romam vocavit. Qui cum quinto anno regni sui illuc

528

Quellensynopsis

venisset, inter caetera, quae ab ipso ibi magnifice gesta sunt, etiam partem aliquam Saxoniae in provincia Westphalia, quam ad fidem Christianitatis convertit, ut ipse jam praedictus papa praecepit, et docuit, secunda feria Paschae in basilica S. Petri apostoli, inter caetera, quae ad manum papae offerebat, Deo in sacrificium obtulit, et in loco Osbrugge vocato episcopatum constituere, et decimis noviter ad fidem conversorum, si sanus et incolumis remeasset, papa ita dictante, et privilegiis suis confirmante, dotare devovit.

[796] Alkuin an den Patriarchen Paulinus, ep. 99

202.386

Alkuin, Epistolae, ep. 99 (MGH Epp. 4), S. 143 f., hier S. 143; PL 100, 198B – 199C, hier 198C – 198D. Qui est virtus et sapientia Dei, in cuius potentia et gratia mirabiliter de Avarorum gente triumphatum est. Quorum missi ad dominum regem directi sunt subiectionem pacificam et christianitatis fidem promittentes.

[796 August 10 nach] Alkuin an König Karl, ep. 110

203.387 – 388

D: nach der Edition, der Brief ist nach dem Sieg über die Awaren am 10. August 796 verfasst worden. Alkuin, Epistolae, ep. 110 (MGH Epp. 4), S. 157 – 159; PL 100, 187C – 190B, hier 187D – 188A, 188D – 189A.

Gloria et laus deo Patri et domino nostro Iesu Christo, quia in gratia sancti Spiritus – per devotionem et ministerium sanctae fidei et bonae voluntatis vestrae – christianitatis regnum atque agnitionem veri Dei dilatavit, et plurimos longe late que populos ab erroribus impietatis in viam veritatis deduxit. Qualis erit tibi gloria, o beatissime rex, in die aeternae retributionis, quando hi omnes, qui per tuam bonam sollicitudinem ab idolatriae cultura ad cognoscendum verum Deum conversi sunt, te ante tribunal domini nostri Iesu Christi in beata sorte stantem sequentur et ex his omnibus perpetuae beatitudinis merces augetur. […] His itae consideratis, vestra sanctissima pietas sapienti consilio praevideat: si melius sit, rudibus populis in principio fidei iugum inponere decimarum, ut plena fiat per singulas domus exactio illarum. An apostoli quoque ab ipso deo Christo edocti et ad praedicandum mundo missi, exactiones decimarum exegissent vel alicubi demandassent dari, considerandum est. Scimus, quia decimatio substantiae nostrae valde bona est: sed melius est illam amittere quam fidem perdere. Nos vero, in fide catholica nati nutriti et edocti, vix consentimus substantiam nostram pleniter decimare; quanto magis tenera fides et infantilis animus et avara mens illarum largitati non consentit. Roborata vero fide et confirmata consuetudine christianitatis, tunc quasi viris perfectis fortiora danda sunt praecepta, quae solidata mens relegione christiana non abhorreat.

[796 August 10 nach] Alkuin an Megenfrid und Karl, ep. 111

204.389

Alkuin, Epistolae, ep. 111 (MGH Epp. 4), S. 159 – 162, hier S. 160; PL 100, 204A – 207A, hier 204C – 205A.

Qui vero pecuniam praedicationis accipiunt, diligenter considerare debent: quid cui conveniat aetati vel personae, quid cui congruat loco vel tempori; etiam et, quo ordine

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

529

praedicatio christianitatis incipienda sit vel perficienda. Nam dominus noster Iesus Christus, cum triumpho gloriae ad paternam rediens sedem, apostolis suis praecipit dicens: ›Ite, docete omnes gentes, baptizantes eas in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti. Docentes eas servare omnia, quaecumque mandavi vobis‹. Primo fides docenda est; et sic baptismi percipienda sunt sacramenta; deinde evangelica praecepta tradenda sunt.

[798] Alkuin antwortet König Karl, ep. 136

205.390

Alkuin, Epistolae, ep. 136 (MGH Epp. 4), S. 205 – 210, hier S. 205; PL 100, 422C – 428C, hier 422C – 422D. Litteris vestrae nobilissimae pietatis acceptis, in quibus vestram nobis valde amabilem sanitatem et cuncto christianitatis imperio pernecessariam prosperitatem cognoscens, totum cordis mei affectum in gratiarum actiones Christo, clementissimo regi, effudi; illius sedula oratione deprecans pietatem cum omnibus nostrae devotionis cooperatoribus, quatenus vestram pacificam et amabilem potentiam ad exaltationem sanctae suae aecelesiae et sacratissimi gubernacula imperii longaeva prosperitate custodire, regere, et dilatare dignetur.

[799 Januar] Alkuin an den Erzbischof Arn von Salzburg, ep. 136

206.391

Alkuin, Epistolae, ep. 165 (MGH Epp. 4), S. 267 f., hier S. 267; PL 100, 316D – 318A, hier 316D – 317A. Suavissimas dilectionis vestrae accepi litteras et, laetus de agnitione prosperitatis et reversionis vestrae, legebam eas; expectans, quid illae mihi nuntiarent de novelli populi christianitate et de rerum ibi gestarum profectu. Sed nihil de his inveni. Tamen volente Deo visurus vos, vel necessitate coactus habes dicere quod cartula conticuit. Item quaerens in illis, quanto tempore beatitudini tuae in his partibus esset manendum, sed neque hoc inveni. Ideoque incertior de conloquio vestro factus quid demandarem? Tamen, si usque ad pascha liceat tibi in monasteri permanere, forsitan intra quadragesimam visitemus te, in lectulo deliciarum tuarum sedentem.

[799] Alkuin, Sieben Bücher gegen Felix, lib. I, cap. 6

207.392

D: nach Clavis des Auteurs Latins du Moyen Age, territoire francais, 735 – 987, Tomus II, Alcuinus (CCCM) Turnhout 1999, S. 14 f.

Beati Alcuini contra Felicem Urgellitanum episcopum libri septem, lib. I, cap. 6, in: PL 101, 119C – 230D, hier 132D – 133A. VI. (…) Videtisne quod vestra sapientia non est pacifica, non est suasibilis, non bonis consentiens. Et ideo omnino intelligite eam a Deo non esse datam, sed quadam astutia diabolicae fraudis inventam. Dicitis nos verum non dixisse quod totus mundus nobiscum, id est, universalis Ecclesia Christi consentiat, nisi vos soli. Probate, si potestis, verum esse quod dicitis, ostendite nobis vel unam gentem vel unam urbem, vel sanctam Romanam Ecclesiam, quae est caput Ecclesiarum, vel Constantinopolitanam vel Hierosolymitanam ipsius Domini praesentia dedicatam; aut Antiochenam, in qua primum sanctum Christianitatis nomen esse legitur ; aut Alexandrinam, vel ullam Ecclesiam in tota Italia, vel Germania, vel etiam Gallia, aut Aquitania, imo aut Britannia, quae vobis consentiat in hac vestra assertione, ut verum probetis, aliquos vos habere socios

530

Quellensynopsis

sententiae vestrae: et si non potestis hoc facere, credite vos sanctae Dei Ecclesiae contraria sentire, et cavete vobis apostolicae auctoritatis gladium, et sanctae universalis Ecclesiae anathema formidate, nisi corrigatis sententiam vestram, et ad unitatem apostolicae doctrinae convertamini.

[799] Alkuin, Sieben Bücher gegen Felix, lib. II, cap. 5

207.393

Alkuin, Contra Felicem Urgellitanum episcopum libri septem, lib. II, cap. 5, in: PL 101, 119C – 230D, hier 150A – 150B. V. Opposuisti etiam, et nos dixisse inter alia: ›Quid post tale tonitruum dubitatis fingentes nativitati illius novum adoptionis nomen, quod in tota Veteris Novique Testamenti serie non invenitur de Christo? Ad quam, ais, objectionem et ego vobis respondeo: Recte novus homo novum nomen habere potest.‹ Dicam et ego; mirum, quod hoc novum nomen vobis tantummodo in ultimo Christianitatis tempore innotuit de Christo dici debere: si tamen hoc nomen adoptionis ita novum est, ut antea non esset in mundo, nisi cum Christo nascente venisset. Nunquid non filia Pharaonis Moysen adoptavit sibi in filium? Similiter et Jacob patriarcha adoptavit sibi in filios Ephraim et Manasse nepotes suos.

[799 um] Trostbrief eines Paulus an einer Kranken

Epistolae variorum, ep. 14 (MGH Epp. 4), S. 515 f., hier 516; nicht in der PL.

208.394

Recense veteris testamenti seriem et invenies multis vicibus a Israheliticum populum spreto vero Deo simulacra coluisse et tamen, quotiescumque ad Deum reversi sunt, ad statum pristinum remearunt. Omittamus veterem illum populum, ad novi testamenti seriem veniamus, ipsosque tibi apostolorum principes Petrum et Paulum in testimonium dabo. Petrus ante Christum dominum denegans tanto pavore perterritus extitit, ut, nisi cum angelus Domini mulieribus loquens ex nomine nuncuparet, iungere se illis discipulis non auderet. Paulus se blasphemum protestatur dicendo: ›Qui prius fui blasphemus et persecutor‹, sed utrique non solum misericordiam correcti consecuti sunt, sed etiam totius christianitatis principes enituerunt. Multa tibi possim de hac re testimonia coacervare, nisi me festinatio itineris prohiberet.

[9. Jh. Anfang] Benedikt von Aniane: Gegen die Felicianische Unfrommigkeit 209.395

Die Zuordnung dieser Schrift zu Benedikt von Aniane beruht auf dessen aktiven Kampf gegen den Adoptionismus, an dessen Vertreter sich dieser Text wendet. Rich¦, Christentum, S. 758. Benedikt Levita, wie von der PL angegeben, gilt als Verfasser einer Fortsetzung der Kapitulariensammlung des Ansegis von Fontanelle, was ihn in die Mitte des 9. Jahrhunderts rückt, wo der Adoptionismus längst keine Rolle mehr spielte. Disputatio Benedicti levitae adversus Felicianam impietatem, in: PL 103, 1399B – 1411B, hier 1400C – 1401A. O canina furies rabido ore Christum Filium Dei vivi oblatrantis secundum assumptionem non esse eum Dei virtutem et Dei sapientiam mentientis, cum ipsum nomen Christi secundum assumptum, si fas est dicere! et non secundum assumentem, est dictum! Verum quoniam Christus ab unctione est dictus, et unctus in assumptione nostro participio in assumente verbo, sicut scriptum est: Unxit te Deus tuus oleo

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

531

laetitiae prae participibus tuis. Prae participibus igitur Christicolis, scilicet cunctis, unctus est Christus, in quo est eorum particeps homo Verbum caro factum: quia quod illi adoptione acceperunt Filii esse Dei Christianitatis obtentu chrismatis unctione, id Christus possidet proprietate virtutis; nihilominus ut sit proprius Dei unigenitus Filius, de Spiritu sancto ex Maria virgine theotocon, id est Dei genitrice virgine conceptus et natus, non duo, sed unus: quia non duo sunt Filii, unus proprius, et alter adoptivus, sed unus idem proprius unigenitus Dei Filius.

[9. Jahrhundert ?] Exhortatio ad plebem christianam

210.396

Exhortatio ad plebem christianam, in: Denkmäler deutscher Poesie und Prosa, ed. Müllenhoff, S. 200 f., Nr. LIV.

HlosÞt ir, chindo liupústun, rihtida dera calaupa dÞ ir in herzin cahuctl„ho hapÞn sculut, ir den christ–njun namun intfangan eigut, daz ist chundida iuuerera christ–nheiti, fona demo truht„ne in [man] capl–san, fona s„n selpes jungirún casezzit. dera calaupa cauuisso faoiu uuort sint, ˜zan dr–to mihiliu car˜ni d–r inne sint pifangan: uu„ho –tum cauuisso dÞm maistron dera christ–nheiti dÞm uu„húm potúm s„nÞm deisu uuort thictúta susl„hera churtnassi, za diu daz allÞm christ–nÞm za galauppenne ist ja auh simplun za pigehanne, daz alle farstantan maht„n ja in hucti cahapÞn. Audite, filii carissimi, regulam fidei, quam in corde memoriter habere debetis, qui christianum nomen accepistis, quod est vestrae indicium christianitatis, a domino inspiratum, ab apostolis institutum. ……. Cuius utique fidei pauca verba sunt, sed magna in ea concluduntur mysteria:…… sanctus etenim spiritus magistris ecclesiae sanctis apostolis ista dictavit verba tali brevitate, ut quod omnibus credendum est christianis semperque profitendum, omnes possent intellegere et memoriter retinere.

9. Jahrhundert Gesta Dagoberti I. regis Francorum

211.397

K: Wichtig ist hier die handschriftliche Notiz am Rande des eigentlichen Textes, die hier mit einem Asterisk gekennzeichnet ist und das Wort enthält. Gesta Dagoberti I. regis Francorum, cap. 22, in: Fredegarii et aliorum chronica (MGH SS rer. Merov. 2), S. 396 – 426, hier S. 408; nicht in der PL. 22. Cumque Caballonnum iustitiae amore quae coeperat perficienda ipsa intentione pergeret, post per Augustidunum Autisioderum pergens, indeque per civitatem Senonas Parisius venit; ibique* Gomatrudem reginam Romiliaco villa, eo quod esset sterilis, cum consilio Francorum relinquens, Nanthildem quandam speciosissimi decoris puellam in matrimonium accipiens, reginam sublimavit. *) m. al. in marg. add.: absit hoc a fidelium cordibus laudandum. His m. al. adiunxit: Nota, contra omnem divinam auctoritatem eum, si (t ?) a fecit, egisse sil a agnumq. ne (c) non solum qui fecit, se(d) etiam qui scienter a(s)sensum praebuer(unt) vel consenserunt, opera(s) ratas esse in christianita(te).

[800 um] Lex Baiwariorum VIII, 21

212.398

D: Die Datierung bezieht sich auf die älteste bekannte Handschrift. Das Recht wird aber wohl um 740 – 750 in Auftrag des Herzog Odilo (gest. 748) verfasst worden sein, siehe Landau, Die Lex Baiuvariorum.

532

Quellensynopsis

Lex Baiwariorum, VIII,21 (MGH LL nat. Germ. 5,2), S. 364; MGH LL 3, S. 302 sowie S. 347 u. S. 410. XXI. (De diuturna dolore parentum.) Propterea diuturnam iudicaverunt antecessores nostri conpositionem et iudices, postquam religio christianitatis inolevit in mundo, quia diuturnam, postquam incarnationem suscepit anima, quamvis ad nativitatis lucem minime pervenisset, patitur poenam, quia sine sacramento regenerationis avortivo modo tradita est ad inferos.

800 Statuten von Rispacense, Freising und Salzburg

D: so Hartmann, Synoden, S. 142, vielleicht auch schon 799.

213.399

Nr. 24 Concilia Rispacense, Frisingense, Salisburgense a. 800, A. Statuta Rispacense, Frisingense, Salisburgense, in: Concilia Aevi Karolini 1,1 (MGH Conc. 2,1), S. 207; MGH Capit. 1, S. 226; MGH LL 1, S. 77 u. MGH LL 3, S. 469; PL 97, 203B – 208A, hier 203B. Decretum sinodale episcoporum ex iussione domni Karoli. I. Ideoque convenit supradictam congregationem sanctam domini Dei omni potentis auxilio statuere in invicem indissolubili vinculo caritatis, ut unanimes uno ore honorificare Deum patrem in celis et concordiam pacis inter se perpetuo iure firmare, quod universo populo Christiano indesinenter conservare oportet, maxime tamen his, qui eclesiastici ordinis officio mancipantur, qui pro se et pro totius christianitatis salute inmaculatas hostias domino Christo debent offerre.

800 April 11 Papst Leo III. an die Bischöfe Bayerns wegen Arn von Salzburg 214.400 – 401

K: Papst Leo III. zitiert an der zweiten Stelle aus der Römischen Synode von Rom 743 (vgl. 141.258).

Leonis III papae epistolae X, ep. 5, ed. Hampe (MGH Epp. 5), S. 60 – 63, hier S. 61 f.; nicht in der PL. Et Domino annuente secularia iuditia abicere festinate et ad proprium archiepiscopum, quem a sancta catholica et apostolica Romana aecclesia canonice suscepistis, occurrere in canonicis iuditiis festinate, ut et ipse suae doctrinae mercedem mereatur a Domino accipere, et vos pro vestra oboedientia praemium vitae aeternae accipere mereamini. Sicut enim a sanctorum patrum sancta catholica et apostolica Romana aecclesia auctoritatem suscepit, ut in provintia, quae Deo auspice in christianitatis more amplicata et dilatata est, licentiam habeat eiusdem ecclesiae apostolicus et vicarius beati Petri apostolorum principis constituere metropolim et ordinare archiepiscopum, ita et in partibus fecimus vestris. Tamen a multis iam temporibus ab ista sancta sede fuit praeordinata, sed diversarum rerum eventu inpediebatur usque temporibus nostris, quod nos Deo inspirante una cum consilio atque consensu excellentissimi filii nostri domni Karoli regis Francorum et Langobardorum atque patricii Romanorum renovavimus statuta sanctorum patrum et secundum traditiones canonicas constituimus vobis metropolitanam sedem eiusque pastorem ordinavimus dignum et canonicum archiepiscopum, quemadmodum a sanctis patribus statutum est, ut unaquaeque provintia suam habeat metropolim. […][62] (…) In concilio vero sanctae recordationis domnum Zachariam papam scripsisse eius synodi invenimus ita: Sed neque hoc

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

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silendum est, quod in Germaniae partibus divulgatum est, quod quidem in archibo sanctae ecclesiae scriptum non repperimus, ipsis tamen asserentibus hominibus de Germaniae partibus didici, quod beatae recordationis sanctus Gregorius, quem vera religione christianitatis divina gratia illustrasset, licentiam illis dedisset in quarta sese copulari generatione. Quod quidem licitum christianis non est, dum usque se generatio cognoverit, sed dum rudes erant et invitandi ad fidem; quamquam minime scriptum, ut dictum est, observabant. Nunc autem custodiri non ambigimus, sed pro hoc, sicut nos observamus. Ita et illi ediximus, nam plus, quam praedecessores nostri canonice instituerunt, aliquid omnino dicere non valemus. Repperimus quippe in beato Ysidoro Spaniensi episcopo usque in septimam generationem observare et sic copulare, quia in septimo die quievit Deus ex omnibus operibus suis, et in novellis Romanorum legibus instar invenitur.

[800 um] Liber diurnus

215.402

D: nach Santifaller, Liber Diurnus, S. 15 mit Hinweis auf Sickel und Steinacker, die für die Hs. V ein Datum um 800 annahmen, wobei zu beachten ist, dass die einzelnen Formeln durchaus sehr viel älter sein können. Hier die Fassung nach Codex Vaticanus, Abschnitt V 85, S. 157 f.; nach Codex Claromontanus C66, S. 232; nach Codex Ambrosianus A 61, S. 353. Liber diurnus, ed. Förster, S. 157 f.; PL 105, 21 – 120A, hier 54D – 55B.

Hodierni diei festiua iocunditas inuitat nos dilectissimi uestram in christo fraternam humili uoce exortare concordiam. Quatenus tam alacer uestrae deuotionis concursus. non ad fauorem hominum, sed ad laudem potentissimum. proficiat creatoris, qui dum uotis uota ubertim adcumulat. gaudiis celestibus nostrae humilitatis gaudia amplificare dignabitur. Quis namque, ut ait Propheta, loquetur potentias domini, aut quis omnes eius auditas ualebit facere laudes? uel quis digne poterit magna et mirabilia eius opera enarrare? Neque enim hoc mea merita, karissimi, quae nulla sunt, sed vestrae christianitatis uota apud altissimum promeruerunt, quod in me indignum desuper cernitis exultantes, ut nimirum omnipotens de terra inopem et de stercore pauperem sublimaret, praerogatiuam sacerdotii concederet, dispensatoremque suae constitueret familiae. Quapropter, karissimi, huius diei praeclara solemnitas geminam apud uestram deo placitam caritatem, per hanc meae mediocritatis paginam compulit persoluere functionem.

[742; 9. Jh.?] König Æthelbald zugunsten der Kirchen in Kent

216.403

D: Die Diskussion um die Datierung hat kein eindeutiges Ergebnis erbracht. Mehrere Forscher plädieren für das 9. Jahrhundert als Abfassungszeit, was aufgegriffen wird. Ein Überblick zum Diskussionsstand findet sich unter der angegebenen Internetadresse. S 90, http://www.esawyer.org.uk/charter/90.html, eingesehen am 4. 12. 2014.

+ Regnante in perpetuum Deo et domino nostro Jhesu Christo anno vero dominicæ incarnationis dccxlii. Indictione. x. et regni ÆÅelbaldi regis Merciorum. xxvii. synodus congregatum fuerat in loco ce[leb]ri ubi nominatur Clofeshos. de diversis eccle[sia] rum Dei; et hutilitatibus præsitente autem eodem synodo ÆÅelbaldus rex cum suis optimatibus necnon Cutberhtus venerabiles archiepiscopus. ceterisque episcopis. .. … necessaria diligenter examinantes de statu totius christianitatis vel de symbolo ex

534

Quellensynopsis

antiquo sanctorum patrum institutionibus traditam esse vel qualiter in primordia nascentis ecclesiæ. jubebatur habere aut ubi honor cenubiarum. secundum normam equitatis servaretur. hæc et is similia anctie. inquirentes undique antiquas privilegias. recitantes tandundem pervenit ex rogatu. ÆÅelberhti regis Cantiæ coram omnibus legatur libertas ecclesiarum Dei et institutio. vel preceptam Wihtredi regis. de electione dominarum cenubiarum in regno Cantuariorum.

[9. Jh. Anfang] Vita Bertilae abb. Calensis, cap. 6

217.404

Vita Bertilae abb. Calensis, cap. 6 (MGH SS rer. Merov. 6), S. 106; nicht in der PL.

6. […] Eratque ipsi famulae Christi Bertilae summa devotio ac diligentia ad exornandas Christi aecclesias vel altaria. Cotidie quoque pro salvatione animarum fidelium et recto statu sanctae Dei aecclesiae Deo hostias sacras suos iubebat offerre sacerdotes. In vigiliis vero et orationibus erat semper assidua, immo et abstinentia ciborum ac potus parcitate pene prae omnibus mirifica; constantiam autem fidei suae ipsa inconcussa tenebat mente semper ad dominum Iesum Christum. Cumque his et talibus probatissimis ageret moribus, christianitas fratrum sive sororum eius pietatis exemplo edificabatur, etiam et eius munificentia larga cuncti pauperes et peregrini consolabantur, tantumque fructum per eam magnum Dominus contraxit ad salutem animarum, ut etiam ab transmarinis partibus Saxoniae reges illi fideles ab ea per missos fideles postularent, ut illis de suis discipulis ad eruditionem vel sanctam instructionem, quam audierant esse in ea mirabilem, dirigeret, seu etiam qui virorum et sanctimonialium coenobia in illa regione construerent.

[801] Brief Theodulfs v. Orl¦ans an König Pippin von Italien

218.405

D: Zeumer vermutet Theodulf von Orl¦ans als Verfasser und König Pippin von Italien (781 – 810), Sohn Karls des Großen, als Adressaten dieses Briefes, den er auf 801 datiert, ebd., S. 493. Collectio Sancti Dionysii, Nr. 22, in: Formulae Merowingici et Karolini aevi (MGH Formulae Merowingici et Karolini aevi 1), S. 507 f.; nicht in der PL. 22. Excellentissimo atque piissimo ill. rege ill. gratia Dei episcopus de illo oppido una cum coenobio, sub quo egregius confessor ill., patronus vester, in corpore requiescit. Obnixi supplicamus (cul)men regiminis vestri, ut hos in Christo fratres nostros, illos monachos de prefati congregationi sancti, (qui a) apud nos ipsi probabiles videntur, (quando) una cum collegis eorum vestris se cum litterolis exiguitatis nostrae obtutibus presentaverint, benigne recipi christianitas vestra iubeat, et vestro adiutorio f(ult)i, iter arduum, quam pro reverentia beati Petri principis apostolorum arripuerunt, usque ad limina ipsius quieti perficiant; unde vobis ipse sanctus apud Deum intercessor adsistat et in futurum mercedem vobis augeat.

[801 – 814] Angilbert: De ecclesia Centulensis libellus, cap. 2

219.406

D: Da der Text aus seiner Zeit als Laienabt stammt, kann er zumindest auf die Zeit zwischen 789/790 und 814 eingegrenzt werden. Die Nennung Karls als Kaiser führt zur Datierung nach 800.

Angilbert, De ecclesia Centulensis libellus, cap. 2 (MGH SS 15,1), S. 175; De restauratione monasterii Centulensis, in: PL 99, 841B – 850A, hier 844A – 844D.

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

535

Dum enim praescriptas ecclesias prudenti consilio in honore Domini nostri Jesu Christi, suaeque gloriosae genitricis, et omnium sanctorum ejus, sicut supra scriptum est, fundatas perspiceremus, magno desiderio nimioque amoris ardore sumus accensi, ut secundum possibilitatem nostram, eodem Domino miserante, partem reliquiarum illorum sanctorum ad ornandas easdem sanctas Dei ecclesias adipisci mereremur. Quapropter totis viribus totaque mentis intentione laborare contendimus, qualiter per auxilium omnipotentis Dei et adjutorium gloriosi domini mei magni imperatoris de diversis partibus totius Christianitatis, quantas et quales vel unde allatas recondere in hoc sancto loco valuissemus prout in consequentibus patet: id est in primis de sancta Romana Ecclesia, largiente bonae memoriae Adriano summo pontifice, et post eum venerabili Leone papa Romano; de Constantinopoli, vel Hierosolymis per legatos illuc a domino meo directos, ad nos usque delatas; deinde de Italia, Germania, Burgundia atque Gallia a sanctissimis Patribus, patriarchis videlicet, archiepiscopis, necnon episcopis atque abbatibus nobis directas, seu etiam de sacro palatio, quae per tempora ab anterioribus regibus, et postea a jam dicto domino nostro maxime sunt congregatae, per ejus eleemosynam de omnibus partem habere, atque in hoc sancto loco condigne recondere meruimus.

801 nach Annales Regni Francorum, a. 795

D: nach McKitterick, Karl der Große, S. 38.

195.407

Annales Regni Francorum, a. 795 (MGH SS rer. Germ. 6), S. 96; PL 104, 367B – 459C, hier 446B – 447A. DCCXCV. In quo etiam rex venit ad locum, qui dicitur Cuffinstang, in suburbium Mogontiacensis urbis, et tenuit ibi placitum suum. Audiens vero, quod Saxones more solito promissionem suam, quam de habenda christianitate et fide regis tenenda fecerant, irritam fecissent, cum exercitu in Saxoniam ingressus est et usque ad fluvium Albim pervenit ad locum, qui dicitur Hliuni; in quo tunc Witzin Abodritorum rex a Saxonibus occisus est. Ibi etiam venerunt missi tudun, qui in gente et regno Avarorum magnam potestatem habebat; qui dixerunt, quod idem tudun cum terra et populo suo se regi dedere vellet et eius ordinatione christianam fidem suscipere vellet. Rex vero afflictis magna ex parte Saxonibus eorumque terra vastata acceptisque eorum obsidibus in Gallias rediit et in palatio, qui vocatur Aquis, natalem Domini celebravit et pascha similiter.

[801 nach] Ghärbald von Lüttich, Erstes Kapitular, cap. 6

220.408

D: Laut Edition ist es möglich, das Ghärbald die Aachener Synode im November 801 zum Anlass der Abfassung des Kapitulars nahm, ebd. S. 4. K: Aus der Kirchenprovinz Köln. Bischof Ghärbald von Lüttich starb 809. Capitula Episcoporum I (MGH Capit. Episc. 1), S. 18; nicht in der PL.

VI. Ut unusquisque sacerdos orationem dominicam et symbolum populo sibi commisso curiose insinuet ac totius religionis studium et christianitatis cultum eorum mentibus ostendant.

[802 Oktober ?] Capitula a sacerdotibus proposita, cc. 4 – 6

D: Diese Kapitel sind wohl der Synode von Aachen 802 zuzuordnen.

221.409

536

Quellensynopsis

Capitula a sacerdotibus proposita, cc. 4 – 6 (MGH Capit. 1), S. 106; PL 97, S. 217C – 218C; auch in Egbert von York, Excerptiones, c. 6 [für hier c. 5], in: PL 89, 381C u. PL 97, 218B – 218C. 4. Ut omnibus festis et diebus dominicis unusquisque sacerdos euangelium Christi populo praedicet. 5. Ut unusquisque sacerdos orationem dominicam et symbolum populo sibi commisso curiose insinuet ac totius religionis studium et christianitatis cultum eorum mentibus ostendat. 6. Ut unusquisque sacerdos cunctos sibi pertinentes erudiat, ut sciant qualiter decimas totius facultatis aecclesiis divinis debite offerant.

803 Annales Laureshamensis a. 785

222.410

D: Annalen aus Kloster Lorsch für die Jahre 704 – 803 (818), nach Fichtenau von Abt Richbod verfaßt, aber umstritten. Im älteren Teil (bis 784) stimmen sie mit den Annales Mosellani überein.

K: Diese Stelle stimmt von minimalen Abänderungen in Bezug auf Eigennamen mit 188.337 überein. Annales Laureshamensis, a. 785 (MGH SS 1), S. 32; PL 98, 1411A – 1434C, hier 1420C – 1420D. 785. Rex Carlus demoratus est in Saxonia ad Heresburg de natale Domini usque in mense Iunio, et edificavit ipsum castellum a novo, sed et basilicam ibidem construxit. Placitumque habuit ad Paderbrunnun cum Francis et Saxonibus; et tunc demum perrexit trans fluvium Wisaraha, et pervenit usque in Bardungawe. Cum que Saxones se illi dedissent, christianitatem quam pridem respuerant, iterum recipiunt. Pace patrata nulloque rebellante, postea rex rediit domum suam. Widuchind, tot malorum auctor ac perfidie incentor, venit cum sociis suis ad Attinacho palacio, et ibidem baptizatus est, et domnus rex suscepit eum a fonte a ac donis magnificis honoravit. A transitu Gregorii papae usque praesentem fiunt anni centum octoginta.

803 Annales Laureshamensis a. 792

D: nach McKitterick, Karl der Große, S. 44.

222.411

K: Auch hier gibt es Übereinstimmungen zwischen den Lorscher Annalen und der Erzählung aus den Annales Benedicti (188.382), aber auch mehr Einschübe und Veränderungen auf als es in Bezug auf das Jahr 785 der Fall war (222.410 zu 188.337). Annales Laureshanensis, a. 792 (MGH SS 1), S. 35; PL 98, 1411A – 1434C, hier 1422D – 1223A. 792. Eodem anno resedit rex in Paioaria, et apud Reganesburg celebravit pascha. Sed et propinquante aestivo tempore Saxones, aestimantes quod Avarorum gens se vindicare super christianos debuisset, hoc quod in corde eorum dudum iam antea latebat, manifestissime ostenderunt: quasi canis qui revertit ad vomitum suum, sic reversi sunt ad paganismum quem pridem respuerant, iterum relinquentes christianitatem, mentientes tam Deo quam domno rege, qui eis multa beneficia prestetit, coniungentes se cum paganas gentes, qui in circuitu eorum erant. Sed et missos suos ad Avaros transmit-

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

537

tentes conati sunt in primis rebellare contra Deum, deinde contra regem et christianos; omnes ecclesias que in finibus eorum erant, cum destructione et incendio vastabant, reiicientes episcopos et presbyteros qui super eos erant, et aliquos comprehenderunt, nec non et alios occiderunt, et plenissime se ad culturam idolorum converterunt […].

803 Annales Laureshamensis, a. 794

D: nach McKitterick, Karl der Große, S. 44.

222.412

Annales Laureshamensis, a. 794 (MGH SS 1), S. 36; PL 98, 1411 A – 1434C, hier 1424C (die Fassung in der PL unterscheidet sich deutlich von der MGH-Ausgabe, hat aber den Schlusssatz gleich mit dieser). Et in ipso sinodo advenit Tassilo, et pacificavit ibi cum domno rege, abnegans omnem potestatem quam in Paioaria habuit, tradens eam domno regi: nec non et Fastrada regina ibi defuncta est. Et rex inde iterum perrexit in Saxonia, et Saxones venerunt ei obviam ad Aeresburg iterum promittentes christianitatem et iurantes, quod saepe fecerunt, et tunc rex credidit eis, et dedit eis presbiteros; et rex rediit in Francia, et resedit apud Aquis palatium.

[804 vor] Alkuin: Kommentar zu einigen Aussagen des Paulus

223.413

D: auch in CSLMA II, S. 115 f. undatiert, weshalb hier das Todesdatum als Terminus post quem angegeben wird.

K: Kurzkommentar zum Hebräerbrief cap. 6,1. Hrabanus Maurus zitiert Alkuin in seiner Auslegung desselben Textes (Vgl. 279.510). Alkuin, Tractatus super tres S. Pauli ad Titum, ad Philemonem et ad Hebraeos epistolas, in: PL 100, 1007D – 1086B, hier 1056B – 1056D. VERS. 1. - Quapropter intermittentes inchoationis Christi sermonem ad perfectionem feramur. Quapropter, id est, quia exercitatos sensus in lege Domini decet vos habere, intermittamus inchoationis Christi … nisi fidei initium. ›Sicut enim eum qui in doctrinam litterarum adducitur, elementa oportet primum audire, sic et Christianus primo omnium de fide catholica erudiri debet, quod est fundamentum salutis nostrae. Si autem opus habet de fide doceri, necdum fundamentum habet; firmum enim et fixum esse oportet hoc fundamentum in corde Christiani, ut inde dignus fiat ad perfectionem aliarum transferri virtutum. Si autem quisquam verbum veritatis audivit, et baptizatus est, et post annos aliquot de fide iterum audire opus habet, quia credere oportet eum de resurrectione et futuro saeculo, necdum fundamentum habet; rursum initium Christianitatis quaerit, quia fides fundamentum est; caetera vero superaedificationes,‹ quod beatus Paulus sequentibus verbis ostendit, dicendo: Non rursum jacientes fundamentum poenitentiae ab operibus mortuis et fidei ad Deum.

[804/805] Annales Mettenses, a. 795

224.414

D: nach Hoffmann, Untersuchungen, S. 53 – 61, im Kloster Chelles verfasst, wo Karls des Großen Schwester Gisela Äbtissin war. K: Dieser Text ist mit Annales Regni Francorum a. 795 identisch. Annales Mettenses priores, a. 795 (MGH SS rer. Germ. 10), S. 80; MGH SS 1, S. 316 – 336 u. SS 13, S. 27; nicht in der PL.

538

Quellensynopsis

Anno dominicae incarnationis DCCXCV. Carolus rex venit ad locum qui dicitur Cuffinstain, in suburbium Mogontiacensis urbis, et tenuit ibi placitum suum. Audiens vero, quod Saxones more solito promissionem suam, quam de habenda Christianitate et fide regis tenenda fecerant, irritam fecissent, cum exercitu in Saxoniam ingressus est et usque ad fluvium Albim pervenit, ad locum qui dicitur Hliuni. In quo tunc Witzin Abodritorum rex a Saxonibus occisus est. Ibi etiam venerunt missi tudun, qui in gente et regno Avarorum magnam potestatem habebat; qui dixerunt, quod idem tudun cum terra et populo suo se regi dedere vellet. Rex vero, afflictis magna ex parte Saxonibus eorumque terra vastata acceptisque eorum obsidibus, in Gallias rediit, et in palacio qui vocatur Aquis natalem Domini celebravit et pascha similiter.

[805 vor] Ghärbald von Lüttich, Zweites Kapitular, cap. 1 und Ende 225.415 – 416 Capitula Episcoporum I, cap. 1 u. Ende (MGH Capit. Episc. 1), S. 26 (cap. 1), S. 32 (Endformel); nicht in der PL.

I. Primitus ergo, quae christianae legi adversa sunt, ea proponimus, scilicet qui orationem dominicam et symbolum fidei christianitatis memoriter non tenent neque didicere volunt, eos notate et ad praesentiam nostram veniant seu maiores seu minores sive nobiles sive ignobiles, omnes generaliter ante nos veniant et dicant orationem dominicam et symbolum apostolorum, ut catholicae fidei plenitudo continetur, quia impossibile est, sine fide placere deo. […] Et quia dicitis, quia multa erga religionem christianitatis apud pagenses vestros geruntur, in quantum recordare potuimus, in his capitulis commemoravimus, modo quia domino deo auxiliante et domini nostri imperatoris licentia praesentem me ostendo ad omnia emendanda et in his causis, quae in praefatis capitulis denuntiantur, et in ceteris, in quibus ante me proferuntur.

810 Hrabanus Maurus: De laudibus sanctae crucis

226.417

Hrabanus Maurus, In honorem sanctae crucis, C 22, ed. Perrin (CCCM 100), S. 173 f.; PL 107, 133A – 294C, hier 237C – 237D. Menses enim trium semis annorum, id est, tricies quadrageni et bini, mille .CC.LX. dies efficiunt, sub quo numero ciuitas sancta calcari a gentibus in Apocalypsi describitur, et mulier a facie draconis fugere in solitudinem, ubi habet locum paratum a Deo, ut ibi pascatur eodem numero dierum, qui numerus mystice omnia Christianitatis tempora conplectitur, ut Patrum firma habet traditio, quia Christus cuius haec corpus est tantum in carne temporis praedicauerit, quo siue sub spe aeternorum peregrinatione praesentis heremi gaudet, seu persecutionis molestiam ab infidelibus uel a falsis fratribus patitur.

813 Mai Mitte Reimser Synode

227.418

Nr. 35 Concilium Remense a. 813, in: Concilia Aevi Karolini 1,1 (MGH Conc. 2,1), S. 254; nicht in der PL.

Hic est ordo capitulorum breviter adnotatus, quae anno dominicae incarnationis DCCCXIII. notata sunt in conventu metropolitanae sedis Remensis ecclesiae a domno Karolo piissimo Caesare more priscorum imperatorum congregato, ordinante Uulphario eiusdem sanctae sedis archiepiscopo et ceteris quamplurimis patribus et

Phase 4: Karolingerzeit (741 – 814)

539

fratribus in eodem conventu divina largiente clementia residentibus. Primo omnium mediante mense Maio Deo inspirante ab eisdem venerabilibus patribus statutum est secundum consuetudinem ieiunium triduanum, quatenus ipso miserante ea, quae ad laudem et gloriam sui sancti nominis et ad mercedem praefati gloriosissimi principis nostri seu correctionem totius Christiani [Lesart Ms. N: christianitatis] imperii in eo consideranda vel statuenda erant, eo cooperante secundum suam magnam misericordiam et piissimam voluntatem ordinari mererentur.

813 Konzil von Mainz, cap. 8

228.419

Nr. 36 Concilium Moguntinense a. 813, in: Concilia Aevi Karolini 1,1 (MGH Conc. 2,1), S. 262; nicht in der PL.

VIII. cap. De potestate episcoporum pro rebus ecclesiasticis ac de convenientia episcoporum cum laicis. Ut episcopi potestatem habeant res ecclesiasticas praevidere, regere et gubernare atque dispensare secundum canonum auctoritatem, volumus, et ut laici in eorum ministerio oboediant episcopis ad regendas ecclesias Dei, viduas et orphanos defensandos et ut oboedientes sint eis ad eorum christianitatem servandam. Et episcopi consentientes sint comitibus et iudicibus ad iusticias, et ut nullatenus per aliquorum mendacium vel falsum testimonium neque per periurium aut per praemium lex iusta in aliquo depravetur.

[813?] Karl der Große: Capitulare generale, cap. 1 – 3

229.420

D: Mordek sieht viele Ähnlichkeiten zu den Reformkonzilien von 813, weshalb er das Kapitular auf diese Zeit datiert.

K: Bei dieser Edition handelt es sich um eine Vorabedition im Rahmen der Vorbereitungen einer Neuherausgabe der Kapitularien durch Hubert Mordek, vgl. ebd., Vorwort. Caroli Magni capitulare generale, cap. 1 – 3 (MGH Hilfsmittel 15), S. 990. 1. Ut pax et concordia et unanimitas in servitio et voluntate dei in omni populo christiano, inter episcopis et abbates, comites, iudices et inter omnes ubique maiores et minores personas, quia nihil deo sine pace placet. 2. Ut comites et iudices omnesque populi obedientes sint episcopis suis ad christianitatem suam et ad sanam doctrinam ad omnemque iusticiam, sicut christianis decet; et episcopi et clerici omnes comitibus sint consentientes ad iusticiam. 3. Ut omnes omnino populi missis nostris, comitibus atque iudicibus obedientes sint et consentientes ad iusticiam faciendam et ut iusticia in omnibus et per omnia via planam habeat et apertam.

814 Cenwulf, König von Merzien an Bischof Deneberht

230.421

S 171, http://www.esawyer.org.uk/charter/171.html, eingesehen 4.12..2014, mit Angaben zu Mss. und Edd.

Px Regnante in ævum archi poli conditore. Ego Kenulf ejus præclara gratia concedente rex Merciorum. dabo aliquam partem terræ juris mei meo venerabili atque in Deo dilecto Deneberhto episcopo. atque ejus familiæ quæ est in Uuegorna cestre. id est octo manentium in loco qui appellatus est Ætsture cum omnibus ad se bonis pertinentibus perpetualiter ad habendum. possidendum. atque fruendum tamdiu quam Christianitas in ista permaneat regione.

540

Quellensynopsis

Liberam quoque terram istam concedo ab omnium sæcularium rerum operibus. ac tributum oneribus. atque exactorum conflictione. exceptis his. expeditione et pontis constructione. et singulare pretium foras. nihilque ad pænam resolvat.

Namensregister

Abbo von Saint-Germain 16, 132, 162, 178, 245, 283, 291, 341 Abraham 67, 72, 86, 189, 416, 418, 426 f., 441, 476 Æthelberht von Kent 206, 210 f., 230 f., 255, 468 Aethelred 57, 213, 483 Agapet I. 56, 158, 192, 442 Agatho 57, 213 – 216, 220, 309, 476 Aistulf 265 f., 490 f. Aldhelm 233, 241, 279, 286 Alexander III. 14 Alfred von Mercien 57, 213, 483 Alkuin von York 16, 47, 245 f., 249 – 251, 254, 278, 290 f., 305 – 307, 309 – 318., 320 – 323, 326 f., 330 f., 335 f., 339, 346, 348 Alypius von Thagaste 111, 421 Amandus von Maastricht 184, 212, 474 Amatus, hl. 183, 471 Ambrosius 43, 75, 93 f., 105, 194, 423, 444 Ambrosius Autpertus 200, 253 f., 262, 315, 317, 319 f., 492 – 494 Ammianus Marcellinus 39, 43 Anastasius, hl. 183 Anastasius Bibliothecarius 39, 178 Andreas 302 Andreas Scholasticus 203, 206, 464 Andreas, hl. 230, 468 Angenendt, Arnold 243, 264 Angilbert von St. Riquier 245, 253 f., 259, 269, 306, 335 f., 347 f., 534

Anonymus Romanus 53, 86 f., 93, 130, 188, 432 f. Arbeo von Freising 288 f., 511 f. Arcadius 137 Arduini, Maria Lodovica 22 Aristoteles 130 Arius 78, 162, 171 f., 224 Armenius 204, 459 Arn von Salzburg 253, 255, 271, 276, 278, 314, 335, 529, 532 Arnobius der Jüngere 53, 93, 95, 167, 188, 435 Asterius von Amaseia 52 f., 85, 90, 106, 421 Athanasius 166, 171, 173, 224 Auernheimer, Birgit 198, 250 Augustinus von Canterbury 204, 206, 211, 229 – 231, 236, 468 f. Augustinus von Hippo 27, 47, 50 f., 53, 60, 68 – 70, 75 – 82, 85, 90, 92 f., 101, 103 – 133, 156 f., 178, 202, 207, 224, 238 f., 318 – 321, 349, 414, 419 – 422, 425, 427 f., 429, 444, 454, 456, 485, 494, 525 Aurelius von Arles 56, 195, 444 Authari 196, 458 Avitus von Vienne 56, 170, 189, 441 Bachelet, Daniel 189 Balthild 282, 290, 487 Banniard, Michel 247 f. Baschet, J¦rúme 16, 245, 309, 339, 346 Basilius, der Große 53, 71 f., 4, 121, 420 Basilius von Caesarea 84

542 Beatus von Li¦bana 200, 253 f., 258, 315, 318 – 320, 322, 330, 348, 513 – 522 Becher, Matthias 272 Beda Venerabilis 57, 88, 97, 180 – 183, 210, 222, 230, 233 – 235, 241, 253, 257, 281, 288 f., 312, 314, 317 f., 320, 322, 350, 424, 444, 480 – 485 Behemoth 199 f. Benedict Bishop 233, 281 Benedikt XV. 20 Benedikt XVI. 20 Benedikt von Aniane 91, 254, 293, 316, 442, 530 Benedikt von Mailand 57, 482 Benedikt von Nursia 20 Berend, Nora 20 f. Bertha 179, 203, 205 f., 230, 465 Bertila 290, 534 Bertrada 267, 506 Bodo 161, 304 Boethius 51, 68, 70 Bonifatius, hl. (Winfrid) 231, 255, 262 f., 275 – 277, 279 – 280, 283, 285 – 289, 321, 487 f. Bonifatius IV. 57, 152, 210 f., 231, 468 Bonifatius V. 57, 180, 210 – 212, 469 Brandes, Wolfram 323 Bright, Pamela 114 Brown, Peter 44, 85, 208, 219 f., 242, 351 Brunhölzl, Franz 178 Brunichild 203 – 206, 263, 461 – 463, 466 Burchard von Würzburg 277, 279, 308, 488 Caesarius von Arles 55 f., 87 f., 90 – 93, 96 f., 159, 188, 253, 257, 316, 443 Cassiodor 55, 70, 77, 96, 147, 155 f., 159, 161 f., 164, 170, 175 – 177, 190, 198, 444 – 446, 455 Cathwulf 255, 262, 305 – 309, 313, 346, 509 Cenwulf 255, 539 Chadwick, Henry 343 Charibert I. 206 Childebert I. 56, 195, 444, 455 f. Childebert II. 56, 196 f., 457 f.

Namensregister

Childebrand 293 Chlodwig I. 93, 179 f., 189, 282 Chlothar I. 294 Chrodechild 282, 487 Chrodegang von Metz 249 Cicero 48, 131, 155 Cresconius 56, 152, 453 Cyprian von Karthago 45, 100, 121 Cyrill von Alexandria 73 f., 214, 477 Damasus 43, 54, 75, 143, 416 De Jong, Mayke 181, 322 Deneberht 255, 539 Deorulf 287, 505 Desiderius 266 f., 269, 300, 306, 495, 500, 502, 507, 527 Dettic 287 Diokletian 44, 49, 70, 116 f. Dionysius Exiguus 56, 136, 147 – 151, 156, 190 f., 238, 429, 439 Donatus 31, 113, 116 – 119, 127, 422 Donatus, Grammatiker 47, 247 Dorotheos von Thessaloniki 56, 191 f., 441 Dum¦zil, Bruno 91, 176 f. Ebo von Reims 209 Ebroin 185, 480 Egbert 197, 235, 486, 536 Eigil 291, 299 Eligius von Noyon 57, 88, 184, 473, 475 Elipandus von Toledo 319, 513, 515 Elliot, Michael 235 Emmeran von Regensburg 288 f., 291, 512 Ennodius von Pavia 28, 40, 56, 60, 188, 190 f., 440 Epiphanius 55, 155, 161 – 168, 170 – 173, 175 – 178, 187, 190 f., 239 Erasmus von Rotterdam 37 Ervig 57, 213, 478 Escribano PaÇo, Maria Victoria 143 Eucherius von Lyon 53, 91, 94, 130, 436, 481

Namensregister

Eugippius 51, 55 f., 92 f., 132, 156, 191, 440, 442 Eusebius von Caesarea 42 f., 68, 156 f., 162, 174, 224 Eusebius von Vercelli 171 Eusthatios 52 f. Eutropius 39, 160 Fastidius 52 f., 84 f., 106, 130, 425 Faustus 104, 109 – 111 Felix, Manichäer 109 – 111, 427 Felix von Messina 197, 235, 466 Felix von Thibiuca 115, 117 Felix von Urgel 254, 309, 315 – 318, 529 f. Fiedrowicz, Michael 198, 200 Filastrius von Brescia 53, 81 f., 105, 166, 191, 417 f. Fillmore, Charles 30, 58, 343 Flavius Marcellinus 123 Fleckenstein, Josef 250 Florus 160 Fontaine, Jacques 223 Fortunatus von Cirta 111 Frank, Karl Suso 121 f. Fried, Johannes 22, 273, 315 Fuhrmann, Manfred 49 Fulco 249 Fulgentius von Ruspe 54 – 56, 93, 99 f., 156, 188 – 190, 192 f., 440 f. Fulrad von Saint-Denis 249 Garipzanov, Ildar 25 Gelasius I. 51, 56, 147 f., 151, 158, 185, 187, 191, 305, 439 Generosus 111 – 113 Gennadius 81, 149, 201, 444 G¦ry von Cambrai 183, 470 f. Ghärbald von Lüttich 235 f., 255, 326, 336, 535, 538 Gilson, Êtienne 352 Gisela 290, 294, 537 Goetz, Hans-Werner 301 Gregor I., d. Große 49, 52, 54 – 56, 88, 152, 179, 187, 194, 197 – 208, 210 – 212, 214, 216, 219 f., 222, 226 f., 229 – 231,

543 234 – 236, 238, 240, 245, 262 f., 265, 271 – 273, 276, 284, 314, 319, 343 f., 349, 439, 459 – 466, 468 f., 488, 523, 525 f., 533, 536 Gregor II. 276, 278, 280, 284, 287 Gregor III. 262, 266, 276, 294 Gregor VII 14, 20, 352 Gregor von Nazianz 525 Gregor von Tours 51, 179, 456, 476 Gregor von Utrecht 290, 524 f. Grifo 293 Guerreau, Alain 22, 27 Guibert de Nogent 22 Gundebad 56, 93, 170, 189, 282, 487 Habetdeum 115, 123, 126 – 128 Hack, Achim Thomas 261, 273 Hadrian I. 248, 254 f., 261 f., 264 f., 267 – 271, 285, 302, 314, 325, 331, 350, 507 – 510, 522, 525 – 527 Hadrian II. 238 Hæddi von Winchester 233 Hæmgils von Glastonbury 232 Hartmann, Florian 248, 268, 350 Heddo Argentinensis 255, 499 Helena 179, 206 H¦lin, Maurice 22 Herakleios 195, 213 Heterius von Osma 318, 513, 515 Hieronymus 38, 43, 47, 68 f., 71, 75, 78, 105, 155 – 157, 160, 164, 315, 318, 320, 414, 421 Hilarius von Poitiers 69, 75, 105 Hinkmar von Reims 16, 209, 231, 238, 241, 246, 304, 308, 314, 339 Honor¦, Tony 137 Honorius, Kaiser 53, 121 f., 127, 130, 135, 137, 142 f., 433 Honorius I. 57, 180, 210, 213 f., 470, 484 Hormisdas 56, 158, 175, 191 f., 441 Hrabanus Maurus 31, 253 f., 308, 317 f., 321, 331, 350, 537 f. Ignatios von Antiochien 38, 53, 66 f., 71 – 73, 76, 84, 95, 108, 155, 166, 423,

544 Innozenz I. 75, 81 Innozenz III. 14, 20 f., 352 Iogna-Prat, Dominique 15, 346 Irene 255, 269, 525 f. Isidor von Sevilla 31, 57, 70, 88, 97, 199, 219, 221 – 224, 226 – 229, 231, 241, 269, 284, 309, 314, 316, 341, 344 f., 348, 350, 470 – 472 Johann von Syrakus 203 – 206, 464 Johannes Cassian 52 f., 91, 94, 130, 435 Johannes Diaconus 178, 200 Johannes I. 57, 157 – 159, 203 f., 443 Johannes VI. 213, 483 Johannes VIII. 13 – 15, 178, 209, 238, 271, 347, 351 Johannes von Salisbury 27 John von Worcester 235 Jonas von Orl¦ans 241, 304, 308 Jordanes 156, 159 f., 165, 173, 445 Julian 42, 47, 78, 84, 101, 118, 140, 160, 165, 173 – 175, 302 Julian von Kos 53, 100 f., 438 Julian von Toledo 57, 88, 228, 475 Jussen, Bernhard 26 f. Justin I. 56, 158 f., 175, 191 f., 441 Justinian 56, 136, 156, 158, 160, 175, 177, 191 – 195, 197, 203, 213, 442 Justus von Canterbury 211, 231, 469 Karl III. 271 Karl V. 20 Karl d. Große 14, 236, 244 f., 247, 249 – 252, 255 – 257, 261 – 263, 265, 267 – 270, 272 f., 276, 278, 281, 290 – 292, 294, 298 – 303, 305 – 315, 320 – 329, 332 f., 335 – 337, 344 – 347, 349 – 351, 353, 490 f., 506, 507 – 510, 522, 528 f., 534 – 537, 539 Karl d. Kahle 238, 329, 346 Karl Martell 262, 266, 279, 292, 351 Karlmann, Sohn Karl Martells 280, 286 f. Karlmann, Sohn Pippins III. 255, 262 f., 265, 267, 276, 490 f., 506 Karlmann, ostfr. Kg. 13

Namensregister

Kempf, Friedrich 20 Kentwine 57, 232, 479 Kleine, Uta 27 Konrad, Robert 320 Konstantin I., d. Große 42 f., 117, 139, 164, 168, 172, 174 f., 179, 206, 223 f., 269 Konstantin IV. 213 Konstantin V. 267 f. Konstantin VI. 255, 269, 526 Konstantinus II. 262, 504 Konstantius II. 172, 175 Kortüm, Hans-Henning 49 Kuchenbuch, Ludolf 27 Lambert von Spoleto 13 Lancel, Serge 113, 131 Landry, Bernard 19 Lapidge, Michael 182 f. Leander von Sevilla 199 f., 203, 219, 222, 226 Leo I., Kaiser 53, 100, 438 Leo I., d. Große 43, 69, 75, 100, 160, 194, 220 Leo II. 57, 213, 478 Leo III. 255, 268, 270 f., 284, 303, 532 Leo IV. 346 Leodegar von Autun 184 f., 479 Leon I. 194 Leonhardt, Jürgen 48, 248 Leppin, Hartmut 175 Liberius 172 f., 448 Liudger von Münster 290, 301, 524 Livius 160 Ludwig der Fromme 209, 241, 252, 272 f., 281, 293, 303, 313, 332, 346 f., 351 Lull von Mainz 275, 279, 286, 525 Lycius 130 Magdalino, Paul 240 Maier, Jean-Louis 132 Malia, Martin 23 Mani 103, 106, 110 Manselli, Raoul 15, 19, 242, 339 Marcellinus 122 – 126, 128, 428 Marini Avonzo, Franca de 150

545

Namensregister

Marius Victorinus 38, 48, 53, 68 – 70, 74, 77 – 79, 82, 95, 105, 114, 140, 222, 327, 415 f. Markus, Robert 202 Martin I. 57, 152, 184, 210, 212 f., 473 f. Maruthas 169, 452 Maurikios 196, 201 – 203, 208, 212, 216, 463 Maximianus 94, 436 Maximus von Turin 37, 53, 77, 79 – 81, 85, 130, 281, 430 – 432 Mayr-Harting, Henry 320 McKitterick, Rosamond 248, 250 Megenfrid 255, 311, 320, 528 Melloni, Alberto 22 Moorhead, John 243 Mordek, Hubert 324, 328 Morsel, Joseph 27 Moses 68, 263, 267 Nagy, Piroska 245, 336, 341, 347 Nectarius von Konstantinopel 171 Nestorius von Konstantinopel 53, 71, 73 f., 170, 435 Nibelung 293 Nicephorus 178 Nicetas von Remesiana 52 f., 81, 429 Nikolaus I. 178, 234, 238, 271, 337 Nonn, Ulrich 249, 300 Norberg, Dag 201 Novalis 19 Optatus von Mileve 118 Orosius 75, 86, 157, 160, 224 Oswiu von Northumbrien 181 Padberg, Lutz von 325 Pammachius 155 Paravicini Bagliani, Agostino 20 Parmenian 118 Paschasius Radbertus 235 f., 241, 331 Patzelt, Erna 250 Paul I. 255, 262, 266 f., 492, 494 – 503, Paulinus II. von Aquileia 313, 528 Paulinus von Nola 75

Paulus 38, 43, 77 – 79, 81, 96, 110, 113, 119, 146, 267, 423, 437, 455, 461, 474, 493, 513, 530, 537 Paulus Diaconus 160, 249 f., 254, 257, 262, 302, 503, 522 f. Pelagius 53, 74 f., 77 f., 86, 96, 103, 130, 177, 189, 318, 425, 427 Pelagius I. 56, 195 – 197, 455 f. Peter von Alexandrien 143 Petilian von Cirta 109, 113 – 116, 118 – 120, 123 – 125, 127, 133, 425 Petrus 13, 37, 43, 94 f., 146, 193, 234, 264 f., 311, 334, 430, 442, 485 f., 499, 530 Petrus Chrysologus 53, 91, 94 f., 130, 434 Pi¦tri, Luce 91 Pippin, König v. Italien 255, 257, 272, 534 Pippin I. 33, 244, 249, 255, 262 f., 265 – 267, 273, 276, 280 – 282, 284 – 286, 293 f., 489 – 504, 509, 525 Pippin II. 244 Pippin III., Hausmeier ; siehe Pippin I. Pirenne, Henri 243 Possidius 120, 124, 129, Primasius von Hadrumetum 55, 97, 177, 200, 253, 317, 445, 454 f. Prudentius 43, 75, 156 Pseudo-Cyprian 53, 70, 77, 81, 105 f., 414 Pseudo-Methodius 322 Quintilian

190

Ratti, St¦phane 164 Rekkared 56, 203, 205, 219 f., 223 Rekkeswinth 228 Remigius von Reims 180 Remigius von Saint-Germain d’Auxerre 249 Richard, FranÅois 139 f. Rösch, Gerhard 195 Rousset, Paul 22 f. Rufinus von Aquileja 71, 75, 156, 162 – 164 Rusticula 184, 472

546 Salvian von Marseille 52 f., 75, 90 f., 95 – 97, 99, 167, 189, 200, 238, 345, 437 Schieffer, Rudolf 251, 327 Scholz, Sebastian 270 Schramm, Percy Ernst 250 Schröder, Bianca-Jeanette 190 Shaw, Brent 124 Sidonius Apollinaris 43, 51, 98, 156 Sigibert III. 212 Simon Magus 234 Simplicius 57, 213, 478 Sisebut 225 – 228, 472 Sokrates 161 – 165, 168 f. Sozomenus 161 – 165, 171, 173 Spelman, Henry 235 Steinmetz, Willibald 32 Stephan II. 244, 255, 262 f., 265 f., 490 f. Stephan III. 255, 262, 267, 506 Stotz, Peter 247, 249, 350 Sturmi 299 Sullivan, Richard 243 Symphronius 93 f., 423 Syncellus 178 Syncletia 74 Tellenbach, Gerd 22 Tertullian 38 f., 46, 66 – 69, 71, 80, 83 Theoctista 204, 206, 462 Theoderich I., d. Große 51, 93, 155, 157 – 160, 203 Theoderich II. 205 f., 263 Theodor von Canterbury 182 Theodoret 161 – 163, 165, 174 Theodoros Anagnostes 162 Theodosius I. 43, 118, 135, 137 f., 143, 146, 171 – 173 f. Theodosius II. 53, 73, 122, 130, 135 f., 138, 142, 162, 166, 169, 171, 173 f., 433 Theodulf von Orl¦ans 250, 255, 257, 272, 320, 534 Theophanis 178 Theudebert II. 203, 205, 263, 465 Theudelinde 203, 205 f., 220, 464, 466, 523 Theuderich II. 203, 206, 465

Namensregister

Theuderich III. 185 Tholen, Ivonne 104, 128 Thomas von Aquin 22 Thrasamund 93, 99 f., 189 Tilley, Maureen 127 Timotheus 100, 438 Typasius 41 Urban II. 14 Uriscino von Turin

205

Valens 69, 137, 139 Valentinian I. 42, 69, 137, 140, 302, 434, 503 Valentinian II. 137 Valerian von Cemele 53, 79, 95, 438 van Laarhoven, Jan 16, 20, 352 Venantius Fortunatus 51 Venatia 56, 189, 440 Vergil 43 Veyne, Paul 42, 45, 343 Vigilius 56, 158, 175, 185, 192 f., 195, 197, 213, 220, 442, 444 Vircillo Franklin, Carmela 182 Volusianus 53, 130 f., 429 Wallach, Luitpold 309 Weissengruber, Franz 164 Widukind 299, 301 f. Wilfrid von York 213, 483 Willibald 275, 278, 286 – 290, 297, 504 – 506 Willibrord 276, 280 Winfrid 211, 231, 255, 262 f., 275 – 281, 283, 285 – 289, 294, 321, 469, 487 – 489 Witta von Büraburg 277, 308 Wood, Ian 243, 286, 291 Yazdgird I.

169

Zacharias 255, 262, 272, 275 – 277, 279 f., 282 – 285, 297 f., 303, 308, 487 – 489 Zeno von Verona 53, 79, 105, 419

Sachregister

Achtzehnbittengebet 88 admonitio generalis 250 f., 261, 278, 307, 321 f., 325 f. ambiguitas 190 Annales Benedicti Anianensis 292 f., 295 f., 512, 527 Annales Mettenses 254, 292, 294, 296, 537 Annales Regni Francorum [ARF] 254, 272, 280, 292 f., 295, 296 f., 301, 310, 345, 523 f., 535, 537 Antichrist 323 Apokalypse 55, 318 f., 323, 347 Apokalypsekommentar 54, 91, 97, 177, 181, 200, 253, 258, 262, 319, 330 – Apokalyptisches Denken 157, 200 – Endzeiterwartung 247, 320, 323 – Jüngstes Gericht 91, 200, 238, 318 f., 348 Apostel 67, 77, 97, 119, 143, 146, 192, 223, 278 Apostelgeschichte 38 Apostolischer Stuhl 43, 146, 192 f., 210, 220, 241, 263, 320, 352 – Heiliger Stuhl 208, 216 Arianismus 100, 143, 146, 159, 168, 171, 219, 224 – Arianer 78, 93, 158 f., 168, 220 Awaren 244, 260, 278, 299, 301 f., 310, 313 f., 318, 321, 528 Behemoth 199 f. Bekehrung 72, 165, 179, 206, 292, 299, 350, 444

– Zwangsbekehrung 144, 225, 275, 292 Bergpredigt 105 Bibelübersetzung 46 Biblizismus 47, 82 Buße 188, 211 Byzantinisches Reich 216 Canones apostolorum 148 Capitulatio de partibus Saxoniae 255, 300, 324, 331, 510 catholica 61, 79, 106 – 108, 111, 116, 119, 124 f., 128 f., 139, 142, 144, 149, 158, 171 f., 201, 205, 208, 223, 279, 282, 316, 327, 419, 428, 442 – 444, 460, 463, 466, 474, 487, 489, 497, 499, 503, 508, 516, 520, 525, 527 f., 532, 537 f. chrisma 37 f., 84, 152, 473 Christenheit 14 – 24, 34 f., 38, 95, 99 f., 115, 129, 139, 145, 151, 168, 211 f., 219 f., 232, 240, 246, 253, 259, 270 f., 278 f., 298, 306, 309, 311 – 313, 317, 319, 332 – 336, 339, 342, 346 f., 349, 351 – 353 Christentum 14 – 17, 19, 22 f., 33 f., 38, 40, 42 – 48, 50, 52, 61, 65 – 67, 71 – 75, 77, 79 – 83, 85 – 87, 89 – 96, 98 – 100, 103, 105, 107, 109, 113 – 115, 117, 129 f., 135, 138 – 142, 144, 146, 149, 151, 155, 157 f., 160, 163, 165 – 173, 175, 178, 181 f., 187, 189, 191, 200, 202, 205 f., 211 f., 220, 224 f., 228, 230 f., 233 f., 236 – 240, 242, 257 f., 260, 270, 272, 274, 276 f., 281 f., 285, 287, 289, 293, 296 f., 299 – 301, 303,

548 305 – 308, 315 f., 321, 324 f., 329, 334, 337, 341 f., 344 f., 347, 351, 356, 530 – Scheinchristentum 34, 96, 165, 319, 331 Christenverfolgung 45, 85, 93 f., 116, 169 Christianisierung/-en 34, 42, 44 – 46, 69, 75, 85 f., 89, 162, 169 f., 175 f., 183, 225, 253, 275, 278, 285, 291, 299 – 301, 303, 307, 311, 313 f., 322, 327, 337, 340, 342, 351 Christianismus 38, 40, 65 – 69, 71 – 73, 98, 144, 163, 178, 236, 340 christianitas afflicta 20 christlich 13 – 15, 17, 19, 21, 35, 37 – 51, 54, 58, 61 f., 68 – 73, 75 – 82, 84 – 99, 103 – 109, 111 f., 115, 117, 119 f., 125 f., 129 – 132, 138 – 141, 143 – 147, 149, 151 – 153, 156 – 160, 162, 165 – 169, 173 – 177, 179 – 185, 187, 189, 191 f., 194 – 202, 204 f., 207 – 209, 212, 214, 219, 221 – 230, 232 f., 236 – 243, 246, 258, 260, 263 f., 269, 271, 275 – 278, 280, 282 – 284, 286 – 288, 290 f., 294, 298 f., 301 – 303, 305 – 309, 311 – 314, 316 f., 319 – 322, 325 – 329, 331 – 334, 337, 340, 342, 346 – 348, 351, 353, 356 – Diskurs 29, 32, 34 f., 39, 46, 69, 92, 153, 342, 353 – Dogma 117, 151 – Lehre 62, 69, 85, 108, 110, 311 – Lohn 77 – Normen 108, 146, 279 f., 283, 285, 300, 302, 327 – 329 – Volk, s. populus christianus Christlichkeit 22, 40, 44, 47, 61, 70, 76 f., 79 – 81, 90, 95 f., 98, 105, 110, 129, 145, 147, 152, 159, 165, 172 – 175, 179, 182, 187 f., 190, 192 – 197, 201 f., 204 – 206, 212 f., 215 f., 230 f., 237, 239, 265 f., 274, 282 f., 286, 290, 297 f., 304, 307 f., 328 – 330, 337, 341 – 345, 349, 352 – kaiserliche 156, 172, 176, 202, 269, 306, 342 Christogramm 317 Christologie 73, 75 Christsein 44, 72, 76 f., 79, 84, 86 f., 90,

Sachregister

96, 98, 111, 135, 146, 160, 173, 177, 222, 237, 258, 278, 283 f., 302, 337, 342, 346, 349 Christus 14, 31, 34, 37 f., 48, 59, 66 f., 72, 74, 76, 78 f., 84, 86, 90, 94, 114, 176, 197, 211, 221, 238, 291, 299, 310, 312, 317 – 319, 325, 329, 415, 417, 422 f., 425 – 427, 432, 434, 470, 473, 481 f., 494, 516, 529 – 531, 538 – Jesus Christus 21, 34, 66, 72, 279, 310, 334 Chronicon Moissiacense 254, 292, 295 f., 512 f., 527 Circumcellionen 120, 122 Codex Carolinus 162, 187, 193, 203, 248, 255, 261 – 263, 265 – 270, 273, 285, 302, 309, 314, 489 – 492, 494 – 504, 506 – 510, 522 Codex Sinaiticus 38 Codex Theodosianus 21, 53 f., 135 – 137, 147, 149 f., 160, 355 Cogite intrare 121 Collectio Avellana 54, 151, 187 Collectio canonum Wigornensis 235 Collectio de raptoribus 209, 231 Collectio Dionysiana 147 f., 150 Collectio »Quesnelliana« 150 Collectio Vetus Romana 148 compaternitas 264, 267 concordia 27 f., 54, 56, 152, 209, 213, 316, 322, 334, 450, 453, 455, 460, 478, 492, 509, 532 f., 539 consensus 27 f. corpus Christi 34, 78, 319 f., 347 corpus ecclesiae 78 corpus mysticum Christi 14 correctio 249 f., 324, 333 Cunctos populos (Edikt) 143 De civitate Dei 44, 68, 105, 129, 157 Diglossie 28, 248 Dionysio-Hadriana 245, 255, 322, 325 f., 330, 439, 507 Donatismus 103 f., 116 f., 121, 128 f. Donatist/Donatisten 34, 103 f., 109, 111 – 130, 132 f., 201 f., 238, 342, 348

549

Sachregister

Dreifaltigkeit

37, 70, 82, 84

Ecclesia, s. Kirche Edikt v. P„tres (864) 346 Ehe 88, 284 f. – -bruch 92 – -gesetze 210 – -regeln 235, 284 – -verbot 235 f., 284 Eigenkirchenwesen 283 Ekklesiologie 128, 319 ekklesiologisch 16, 117, 132, 199, 258, 308 Engel 89, 112 f., 285 Enzyklika Pacem Dei munus 19 Epistola de litteris colendis 251 Eschatologie 86, 200, 215, 318 eschatologisch 14, 35, 76, 221, 313, 320, 323, 347 f. Etymologien 31, 57, 222, 226 f., 316, 341, 471 Eucharistie 110 Europa 14 f., 19 f., 23 f., 208, 213, 243 f., 260, 273, 276, 288, 301, 323, 346, 351, 354, 511 Exegese 46, 54, 65, 221, 308 Exhortatio ad plebem christianam 28, 253 f., 278, 531 Exil 73, 93, 99, 115, 127, 188, 440 Exkommunikation 149, 238, 333 Fanatismus 142, 228 Fastenzeit 80, 173 f., 325 Feinde Gottes 196 Franken 13, 49, 230, 245 f., 250, 263, 266 – 268, 270, 272, 275, 282, 293 f., 299 – 301, 320, 325, 327, 329, 332, 344, 351, 353 Fredegarschronik 293 f. – Fortsetzung des Fredegar 293 f., 296 – 298 Freiheit 40, 74, 163, 320 Frömmigkeit 77, 87, 290 Fürstenspiegel 306

Genitivus hebraicus 41 gentilis 39, 416, 436 Gesetzgebung 130, 142 f., 146, 229, 346 Glauben (fides) 34, 39, 41 f., 45 f., 48, 60, 62, 66, 71 – 73, 75 – 80, 82, 84 f., 89 f., 95, 98 f., 103 – 108, 111, 114 f., 119, 122, 124 f., 129, 132, 141, 143 – 147, 158, 167, 170 – 173, 176 f., 179 – 182, 184 f., 187, 189 – 195, 197 f., 201 f., 205 f., 212, 214, 219, 223 – 229, 234, 238 – 241, 260, 269 f., 275 – 277, 279, 282, 284, 287 – 289, 291, 294, 296 – 298, 302 f., 307 f., 310 – 316, 319 f., 325, 327, 332, 345, 348, 419 – Glaubensbekenntnis/Credo 95, 169, 223, 236, 268, 326, 419, 436, 447, 479, 500 – Glaubensdoktrin (lex/doctrina) 78, 210 Gog und Magog 323 Gott 13, 37, 45, 66 f., 71 f., 74, 77 f., 84 f., 88 – 90, 94, 96 f., 99, 106 – 111, 113 f., 116, 121, 125 f., 145, 162, 170, 172, 174, 179, 189, 221, 230, 234, 237, 249, 251, 263, 266, 277 f., 280 f., 285, 289, 301, 303, 307 f., 310, 315 f., 318, 321 f., 329 f., 333 – 335, 342, 345 – Gottesdienst 21, 50, 152, 251, 277, 285, 327, 329 – Gottesgebärerin 73 – Gottesgericht 200 Griechisch 35, 38 f., 44, 50, 54 f., 66 – 74, 100, 147 f., 150, 155, 162 f., 168, 170, 174 – 176, 178, 182 f., 214 f., 219, 237, 239, 248, 317 f., 343, 356, 435, 476 Hagiographie 52 – 57, 156, 179, 182 – 185, 220, 239, 254 f., 290, 345, 487 Hananias und Saphira 231 Häresie 33, 44, 73 f., 81, 103 f., 107, 117, 121, 133, 135, 143 f., 147, 153, 155, 165 f., 170, 174, 212 – 214, 223 f., 238 f., 267, 315 f., 342 – (Anti-) Häresiegesetze 143 Häretiker 33, 45, 68, 92, 97, 105, 108, 121, 124, 133, 143, 149, 158, 160, 192, 237, 287, 316 f., 319, 435

550 Hebräisch 41, 237 Heidentum 37, 44, 83, 94, 108, 145, 165, 290, 300 – 302, 325 – Heide 33, 45, 67, 72, 80, 82, 92, 95, 97, 105, 121, 130, 166, 171, 173, 211, 225, 230, 271, 281, 296, 303, 319, 327 Heiligkeit 70, 77, 117, 286 Heterodoxie 33, 103, 143, 195, 238, 285 Hispana 148, 152 Historia Augusta 39 Historia Romana 160, 172 f., 187, 254, 262, 302, 503 Hofgeschichtsschreibung 272 Hofkapelle 272, 276, 292, 315 Hofschule 251 Ikonoklasmus 267, 269 f., 315 imperium 16, 43, 50 f., 259, 306, 309, 311 – 314, 322, 326, 330, 346, 424, 436, 503, 505 – imperium christianum 34, 207, 312 f., 333, 346 – imperium romanum 42, 50 f. – karolingisches imperium 16 Islam 14, 88 iudex iniquitatis 41 Jude/Juden 33, 35, 45, 66 f., 71, 76, 79, 82, 84, 86, 97 f., 108, 121, 142, 144 f., 147, 166, 170, 221, 225 – 228, 237, 481 Judentum/Youdazsl|r/Judaismos/iudaismus 66 – 69, 71 f., 98 f., 108, 144, 165, 177, 189, 225, 230, 304, 424 Kaddisch 88 Kaiser 14 f., 20, 23, 33, 42 – 44, 46 – 49, 53, 56 f., 69 – 71, 73, 78, 84, 89, 92, 94, 97, 100, 103, 117 f., 120 – 122, 124 f., 127 f., 130, 135 – 138, 140 f., 143 – 145, 150, 158 – 160, 162, 164 – 166, 168 f., 171 – 175, 178 – 180, 187 f., 191 – 197, 201 – 203, 206 f., 210, 212 – 217, 223 f., 234, 239, 244, 250, 256, 267 – 269, 271 f., 302 f., 308 f., 321 – 324, 332, 335 f., 342 f., 433, 438, 441 f., 463, 476, 526, 534

Sachregister

– Kaiserkrönung Karls 14, 270 – kaiserlicher Autorität 137 Kaisertum 14 f., 20, 23, 173 – 175, 272, 306, 312, 342 Kalifat 244 Kanon/Kanones 129 f., 148 f., 219, 222 – 225, 229, 307 f., 344, 357, 428, 439 Kapitular/Kapitularien 235, 255, 257, 305, 324 – 327, 330 – 333, 336, 347, 535, 538 f. Karolingische Renaissance, s. correctio Katechese 54, 75 Katholik 33 f., 93, 98 – 100, 103, 109, 111 – 113, 115, 117 – 123, 125 – 128, 132 f., 138, 140, 159, 168, 172, 193, 220, 239 – Chalkedonier 342 – Nizäner 33 f., 65, 104, 135 – Katholisch 9, 19, 34, 65, 93, 103, 106 – 109, 113 – 115, 117 – 126, 129 f., 158 f., 172, 185, 192 f., 196, 201, 206, 210, 219, 223, 227 – 229, 240, 282, 285, 315, 317, 353 Katholizismus 93, 106, 109, 146, 170 f., 203, 206, 219, 239, 282 Katholizität 106 f., 126 Katechume 76, 80 Kirche 14, 17, 20, 22, 28, 33, 42 f., 45 f., 57, 74 f., 85 f., 89, 91, 94, 96, 100, 104, 106 – 109, 113 – 115, 117 – 121, 124 f., 127 – 129, 132, 138 – 141, 149, 151, 156 – 158, 168 f., 171, 174, 178, 181 f., 185, 192, 195, 200, 202, 213 f., 219, 221 – 226, 228, 230 – 234, 243 f., 246, 249, 256, 258, 261, 263, 265 f., 269 – 271, 277, 280, 282, 284 f., 288, 301 f., 308, 313, 316 – 323, 325, 328 f., 334 – 336, 342, 344, 356, 417, 468, 489, 533 – ecclesia / 1jjkgs†a 16, 21, 34, 38 f., 42, 45, 53, 67, 78, 80 f., 94 f., 100, 107 – 109, 111, 116, 118 f., 121, 124 f., 128 f., 138 f., 141 f., 144, 149, 152, 157, 162, 165 f., 168, 171 – 174, 184 f., 204 f., 208 f., 214, 221, 223, 233, 242, 249, 254, 258 – 260, 266, 271, 273, 277, 279 f., 284, 303, 308, 315 – 317, 319 – 323, 329, 332, 335, 347,

551

Sachregister

416, 418 – 420, 423, 425, 428 – 430, 433 f., 437 f., 442 – 444, 446, 449 – 457, 460, 463 – 465, 470 f., 473 f., 476 – 478, 480, 482 f., 486 – 488, 490 – 504, 506 f., 509 f., 512, 514 – 523, 525, 529 – 535, 537 – 539 – Gemeinschaft/Kirche 78 – häretische Kirche/haeretica ecclesia 96, 444 – Universalkirche 16 Kirchengeschichte 22, 44, 75, 77, 155 f., 161 – 165, 168, 171, 176, 178, 180, 230, 234, 236, 239, 243, 288, 312, 353 Kirchengutentfremdung 209, 231 Kirchenrecht 52, 54, 100, 135 f., 147 – 149, 151 f., 192, 206, 229, 238, 253, 279 f., 283, 326, 332 f. Kirchenstaat 268 Klosterregeln 51, 91, 316 Kommunikationsraum 24, 52, 217, 240 – 242, 246, 253, 337, 341, 348 Konstantinische Schenkung 273 Konstantinische Wende 89 Konzil 148, 152, 171 f., 176, 179, 192, 194, 209, 211, 214, 219, 221, 223 – 229, 231, 236, 238, 255, 271, 283 – 285, 304, 308, 316, 321, 328 f., 331 f., 334, 346, 428 f., 435, 438, 446, 456 f., 468, 472, 488, 539 – IV. Laterankonzil 21 – Aachen (816) 91 – Ankara (314) 148 – Antiochien (343) 38, 71, 148, 216, 316 f., 423 – Arles (813) 328, 333, 350 – Chalkedon (451) 74, 176, 438 – Chalon-sur-Saúne (813) 328, 333, 350 – Concilium Germanicum 279 – Ephesos (431) 73, 148, 214, 435 – Frankfurt (794) 316, 332 – Gangra (340/341) 148, 152, 326 – Karthago (401) 130, 148 – Karthago (403) 121 f., 148 – Karthago (419) 148, 429 – Konstantinopel (381) 74, 78, 143, 171 – Konstantinopel II (533) 148 – Konstantinopel III (680) 148, 214 – Konstantinopel IV (869/70) 148

– – – –

Laodicaea (343 – 380) 148 Les Estinnes 279 M–con (585) 56, 152 Mainz (813) 255, 321, 328, 333 f., 350, 539 – Mainz (847) 329 – Mainz (853) 329 – Meaux/Paris (845/846) 308, 324 – Neocaesarea (314 – 319) 148 – Nizäa (325) 34, 70, 74, 78, 223 f. – Nizäa (787) 39, 269 – Paris (829) 304, 324 – Reformkonzilien 294, 309, 328, 333, 350, 539 – Reims (813) 28, 328, 333, 350 – Rom (610) 152 – Rom (743) 255, 271, 283 f., 488 – Sardika (343 – 344) 148 – Soissons (744) 279 – Toledo III (589) 219 – Toledo IV (633) 219, 224, 229, 472 – Toledo XII (681) 228 – Tours (813) 328, 333, 350 – Tusey (860) 209, 238 – Tyros (335) 172 Kreuzzug/-züge 14, 22 Kultus (cultus/religio) 22, 32, 38, 41, 45, 59 f., 70 f., 76, 78, 81, 84, 90, 94, 96, 107 f., 129 f., 141, 143, 163, 165, 167, 171, 181, 183, 214, 237, 251, 258, 260, 284, 286 f., 297, 303, 326, 352, 417, 420, 438 f., 453 f., 456, 487, 507, 532 Kurie 14, 139 – 141 Langobarden 155, 195 f., 200, 206, 220, 244, 250, 257, 263, 265 – 268, 273, 344, 464 Lateineuropa 32 Latinitas 15, 23 Leben als Wanderung/Irrung 77 Leges Visigothorum 57, 136, 228, 478 f. lex Dei 114, 116, 280, 308, 427 Libellus de conflictu virtutum et vitiorum 315 Libellus responsionum 236 Liber Diurnus 194, 254, 257, 533

552 Liber Pontificalis 55, 156 – 160, 172 f., 179, 185, 187, 192, 202, 254, 266 f., 269, 331, 443, 527 Lichtmesse 281 lingua 31, 72, 232, 249, 356, 424, 461, 484, 491 f., 494, 512 – mixta 226 – romana 226 Literalität 35 Liturgie 28, 46, 211, 249, 289, 311, 355 Lorscher Annalen 292 – 294, 297 f., 301, 336, 513, 536 Manichäer 69, 103 f., 106, 109 – 111, 121, 133 Märtyrer 45, 117, 120, 125, 127, 159 Märtyrerakten 46 Martyrium 53, 71, 76, 80, 94, 108, 146, 155, 166, 424, 441 Mediaevalismus 20 Merowingerlatein 49, 183, 249 Mikro-Christentümer/-Christenheiten 89, 219 f., 240, 246, 253, 351 Missionierung 89, 179, 185, 212, 275 f., 278 – 280, 284, 290 – 292, 301, 310 f. – Mission 17, 167 f., 170, 176 f., 179, 181, 206, 230, 240, 243 f., 247, 260, 263, 272, 275 f., 278 – 280, 291, 294, 298, 301, 311, 320 f., 344, 468, 487 – Missionar 179, 204, 206, 230 – 232, 240, 275 – 281, 285, 287 f., 291, 320, 322 – Siehe auch Sachsenmission Mönch 85 f., 91 f., 103, 147, 152, 159, 176, 180, 184, 211 f., 229, 250 f., 281, 286 f., 302, 306, 315, 443, 479 Mönchtum 162 Mord 114, 116, 153 Muslime 21, 23, 266, 332 Mysterium 37, 60, 65, 76, 79, 82, 84, 155, 415, 418 Nächstenliebe 95, 106, 191, 204, 238, 277, 308, 327 – Liebesgebot 45, 79 Natur Christi 46, 71, 73, 213, 315 f.

Sachregister

Neoplatonismus 46 nomen christianum/christianitatis 37, 60 f., 76, 87, 89 – 92, 94 f., 99, 138, 146, 182, 184 f., 197 – 199, 211, 216, 221 f., 228, 237 f., 257 f., 260, 269, 286, 290, 306, 309, 313, 316 f., 319, 330 f., 348 f., 352 f., 423, 435, 470, 473, 482, 515, 525 nomen-res-Theorie 306 obscuritas 190 Offenbarung des Johannes 317 f. siehe auch Apokalypse Oikumene 42, 155, 343 Oralität 28, 35 orbis romanus 43 Orthodoxie 143, 147, 174, 267, 269, 285, 309, 315 Osterstreit 180, 241 Paganismus 44, 82, 163 Papsttum 14, 16, 20, 24, 192, 208, 210, 216, 266, 268, 270, 273, 340, 344 Paränese 75 Patriarchat 43, 316 Patrimonium Petri 13, 265, 268, 271 Pauluskommentar 48, 53, 68, 77, 96, 177, 254, 309, 415 f. pax Augusta 43 pax Romana 43 Pelagianer 103 Philosophie 45 f., 69, 107, 130 f. pietas 31, 61, 76, 82, 174, 193 f., 202, 442 f., 528 Pilgerreise 182, 223 Plurilingualismus 50 Pontifikat 157, 199, 267 f., 270, 279, 416, 439, 442, 470 populus christianus 34, 99, 129, 246, 259, 280, 302, 309, 313, 321 f., 328 f., 332, 336, 340, 345 – 347, 349 populus Dei 34, 309, 321 Predigt 16, 46, 52 – 55, 57, 71, 73, 76, 90, 92, 94 f., 97, 132, 146, 162, 178, 184, 197, 207, 227, 234 f., 245, 254, 269, 278, 283, 291, 301, 311, 319, 345, 473

Sachregister

Priscillianer 121 Pseudoisidorische Fälschungen 235, 241, 308, 331 Pseudopropheten 96, 318 Recht 39, 44, 51, 67, 83, 85, 89, 107, 111, 118, 135 f., 138, 145, 151 – 153, 178, 181 f., 194, 205, 208, 224, 229, 233, 239, 249, 253, 271, 273, 275, 284, 286 f., 300, 308, 316, 323, 329, 333, 350, 531 – kanonisches Recht 135 – römisches Recht 136, 138, 150 f., 152, 229, 239 Rechtsetzung 135, 137 Rechtsprechung 135 – 138, 328 regnum Christi 34 f. Regula monasticae 56, 257, 443 Regula sancti Benedicti/Benediktsregel 252, 500 Reich Gottes 15, 45, 67, 197 religio/Religion 23, 32, 34 f., 37 f., 41 – 45, 53, 55, 59 f., 70, 76, 78, 81, 87 – 91, 96, 104 f., 107 f., 111, 121, 129, 138 – 144, 157 f., 161, 163, 165 – 167, 181, 183, 189, 209, 214, 224, 236 f., 258, 260, 276 f., 280, 284 f., 286 – 288, 291, 297, 301 – 303, 311, 314, 321, 326 – 328, 342, 346, 348, 351 f., 356, 417, 419 f., 422, 424, 436, 438, 440, 443, 447 – 449, 456, 471, 482, 487 – 489, 493, 500, 512 f., 532 f., 538 Retractiones 104 Rhetorik 47 f., 78, 83, 111, 116, 127, 131, 144, 159, 277, 289, 309 – Redekunst 47, 130 Ritus/Riten 15, 228, 284 f., 339 – römischer 39, 179, 182 f. Roma aeterna 43 Roma christiana 43 romanitas 98, 156, 207 Römerbrief 53, 55, 69, 86, 105, 111 Römisches Reich 39 f., 43 f., 52, 69, 98, 169, 176, 207 f., 210, 252, 322, Rom-Mythos 43

553 Sachsen 244, 260, 269, 275, 279, 285, 287, 291 – 294, 297 – 303, 305, 322, 325, 327, 331, 345, 350 – Sachsenfeldzug 794 297 – Sachsenkriege 294, 299 – 301 Sachsenmission 260, 269, 294, 311, 345 Sakrament 108, 125, 225, 293 f., 297, 314 Sarazenen 13, 271, 332, 339, 346 f. Scheinheiligkeit 77 Schisma 97, 116 – 122, 124, 148, 230 – Akakianisches Schisma 191 – konfessionelle Spaltung 20 – Schismatiker 108, 121 Scholae Christiana 46 Scholastiker 19, 221 Schule 47, 161, 229, 240, 249 – Schulwesen 251 Seelenheil 23, 83, 201, 203, 212, 232, 264, 280, 285, 308 f., 348 – 350 Simonieverbot 206 Sprachpolitik 247, 249 f., 314, 324 – Sprachnormierung 247 Statuta ecclesia antiqua 149, 152 Straßburger Eide 330 Streit 45 f., 53 f., 73 – 75, 78, 113, 116, 118, 122, 124, 127, 129, 132, 152, 195, 200, 213 f., 220, 231, 267, 315 f., 341 f., 446, 476 – Adoptionismusstreit 315 – arianischer 74, 159 – christologischer 74 – Dreikapitelstreit 97, 200, 220, 446, 454 – monarchianischer 74 – monotheletischer 152, 213, 476 – trinitarischer 74 Sünde 76, 86, 90, 118, 188 – Erbsünde 103 – Sündhaftigkeit 200 Synode 28, 43, 117, 140, 171 f., 181, 213, 241, 255, 279, 284, 287, 315 f., 321, 326 – 328, 333 f., 457, 468, 483, 513, 527, 532, 535, 538 – Aachen (801 oder 802) 91, 326, 351, 490, 535 – Frankfurt (794) 10 f., 26, 255, 315 f., 321, 327, 332, 356, 527

554 – Reformsynoden, s. Reformkonzilien – Whitby (664) 241 Taufe 38, 45, 75 f., 78, 80, 89, 96, 108, 117 f., 121, 144 – 146, 170, 172, 179 f., 206, 211, 225, 237, 267, 269, 285, 289 f., 293, 300, 302, 312, 314 – Massentaufe 300 – Wiedertaufe 114, 117, 120 f. Toleranzpolitik 140

Übersetzung 31 f., 37, 39, 58, 61, 68, 70 – 74, 81, 96, 99, 104, 112, 115, 139, 147 – 149, 155 f., 161 – 163, 165, 168, 172, 175 – 179, 182, 187, 214 – 216, 239, 248, 259, 269 f., 278, 308, 323, 420, 435, 476 – Übersetzer 72 f., 147, 155, 161, 164, 175 f., 182, 214 f., 239, 283 unitas 27 f., 129, 442, 469, 484 Urkunde 162, 208, 230 – 233, 255 f.,

Sachregister

262 f., 280 f., 283, 285 f., 291, 296, 325, 479, 489 f. Vaterunser 88 f., 109, 277, 326 f. Vernakularsprache 35, 248 Verteidiger der Kirche 15, 265, 273 vestra christianitas 61 – 63, 187, 195, 197, 200, 204 f., 207 f., 210, 215 f., 231, 239, 257, 261 f., 264, 268 – 273, 308, 343 f., 498, 501 Vetus Gallica 152 Vetus Latina 39, 43 Vita Bertilae 254, 329 f., 534 Weltende 157, 315, 318 – 320, 323 f. Werke der Christlichkeit (opera christianitatis) 79 Werke des Gesetzes (ex operibus legis) 79 Zeitlichkeit

86

Ortsregister

Afrika 99, 104, 110 – 113, 117 f., 120, 126, 128, 132 f., 201 f. – Nordafrika 44, 50, 54, 93, 103, 106, 117, 122, 133, 188 f., 202, 220, 238, 341 f., 427 Ägypten 141 Alexandria 143, 166, 170, 173, 214, 316, 447, 451, 477 Amasya 85 Amöneburg 287 Aquitanien 288, 316 Arles 55 f., 91, 184, 195, 328, 443 f. Autun 184, 206, 479 Bayern 255, 271, 284, 287 f., 334, 532 Bela Palanka 81 Britannien 276, 316, 351, 427 Burgund 54, 170, 335, 441 Byzanz 23, 52, 195 f., 202, 215, 244, 267, 270, 273, 343 f., 347 Cambrai 183, 470 Canterbury 182, 211, 229 f., 232, 483 f. Chalkedon 74, 148, 176, 194, 438 Chalon-sur-Saúne 328 Chelles 282, 285, 290, 294, 487, 537 Cirta 111, 113 Corbie 178, 235 Cordoba 244 Donau 147 Dorestad 290

Elbe 299, 303 England 56, 97, 182 f., 204, 231, 234, 244, 276, 281, 312, 350, 480 – Südengland 52 Francia 13, 266, 295, 346, 527, 537 Frankfurt am Main 315 f., 321, 327, 332 Freising 252, 255, 333, 336, 347, 511, 532 Friesland 280, 290 f., 351 Fulda 252, 278, 280, 291, 299, 337 Gallien 90, 170, 182, 188 f., 195, 220, 228, 247, 316, 335 Gangra 148 f., 152, 326 Germanien 284, 316, 335, 468 Glastonbury 232 f. Golgatha 323 Hadrumentum 55 Hersfeld 252 Hessen 291 Hippo Regius 103, 110 Illyrien 191 Isar 337 Israel 67, 246, 263 Italien 13, 51, 54, 74, 152, 155 f., 158 f., 161, 177, 188, 196 f., 200, 220, 248, 255, 263, 267, 272 f., 284, 288, 315 f., 320 f., 335, 344, 350, 534 Jarrow 233 Jerusalem 316, 323, 335

556 Karthago 54, 116, 118, 121 f., 125, 128, 130, 148, 331, 428, 439 Kastilien 21 Kent 179, 203, 206, 210, 230 f., 255, 468, 533 Konstantinopel 53, 72 – 74, 78, 100 f., 143, 148, 158 f., 161, 170 f., 176, 190, 192, 197, 199, 213 f., 216, 219, 263, 268, 316, 335, 343 f., 446 Konstanz 87, 217, 356 Kos 101 L¦rins 91 f. Les Estinnes 279 Loire 337 London 230, 235 Lorsch 252, 276, 278, 292, 536 Maas 337, 457 Mailand 57, 81, 105, 128, 171 f., 176, 188, 190, 220, 482 Mainz 255, 317, 321, 328 f., 333 f., 350, 539 Malaga 219 Malmesbury 233 Mantua 327 Marseille 52, 75, 81, 90 f., 95 – 97, 99, 149, 167, 189, 238, 345, 348, 414, 444 Montecassino 250 Murbach 252 Narni 265 Neapel 44, 92, 132 Nizäa 34, 39, 70, 74, 78, 147 f., 223 f., 269 Nordelbien 301 Noricum 93 Noyon 185, 473, 475 Orl¦ans 250, 534 Ostfriesland 301 Paderborn 298 Paris 9, 11, 178, 304, 308, 324, 355 f., 524, 527 Pavia 56, 190, 267

Ortsregister

Peonnum 232 Persien 168 – 170, 182 Poitiers 288 Polen 21, 165 Ravenna 56, 157 f., 196, 434, 443 f., 456, 474 Reichenau 178, 252 Reims 28, 209, 249, 255, 328, 333 f., 538 Reisbach 333, 336, 347 Rhein 276, 299 Rochester 57, 230 f., 468 Rom 13, 15, 23, 32, 38 f., 43 f., 47 – 49, 51, 53 f., 68 f., 72, 74, 77, 89, 95, 101, 117, 130, 138 – 140, 143, 147 f., 150, 152, 157 – 159, 161, 172, 176, 178 f., 182, 188, 190, 197 f., 200, 206 f., 216, 220, 229, 234, 240, 244, 246, 248, 258, 262, 266 – 268, 271, 273, 280, 283, 303, 323, 331, 336 f., 341, 343 f., 347, 350 f., 355, 427, 443, 468, 507, 532 Sachsen 244, 260, 269, 275, 279, 285, 287, 291 – 294, 297 – 303, 305, 322, 325, 327, 331, 345, 350 Saint-Denis 263, 306 Saint-Germain-des-Pr¦s 132, 162, 291, 341 Saint-Germain d’Auxerre 249 Saint-M¦dard 208 f. Saint-Riquier 252 f., 335 Salzburg 234, 252, 255, 333 f., 336, 347, 532 Sankt Gallen 252 Sardinien 93, 188, 440 Serbien 52 Sevilla 57, 222, 226, 229, 513 Soissons 279 Spanien 56, 220 – 222, 224, 270, 315 f. St. Andreas, Rom 229 St. Augustinus, Canterbury 211 St. Martin, Tours 251 St. Martin (später Santo Toribio) 315 St. Severin 92 Südfrankreich 44, 52, 54, 80, 156

557

Ortsregister

Tarsus 182 Thüringen 287 Toledo 57, 219, 221, 224, 228 f., 472 Tours 179, 251, 328 Tyros 172 Ungarn 21 Utrecht 255 f., 262, 276, 280 f., 283 – 286, 290 f., 296, 303, 322, 325, 489, 524

Verona 53 Vivarium 160 f., 179 Withy 181 Worcester 235 York 29, 57, 197, 230, 235, 249, 356, 483, 486, 536